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Erd LEHRBUCH
Mittelenronäischen Forstinsektenkunde
mit einem Anhange:
Die forstschädlichen Wirbelthiere.
Als achte Auflage von
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Die Waldverderber und ihre Feinde
in zestän iger Umarbeitung herausgegeben von
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Dr. J. F. Judeich und Dr. H. Nitsche
königl. sächs. Geh. Oberforstrath und Professor. der. Zoologie an der Forst-
Director der Forst-Akademie zu Tharand. Akademie zu Tharand,
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| I. ABTHEILUNG. )
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Ratzeburg’s Leben. Einleitung. Allgemeiner Theil.
Mit einem Porträt Ratzeburg’s, 3 colorirten Tafeln und 106 Holzschnitten.
Uebersetzungsrecht vorbehalten.
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Eduard Hölzel.
1885.
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Inhaltsverzeichniss.
Ratzeburg’s Leben
Einleitung.
Kapitel I. Die Gliederfüssler im Allgemeinen
Der Typus der Arthropoden S. 7. — Die Klassen der Arbroneien
S. 12. — Die spinnenartigen Thiere S. 17. — Die Gallmilben S. 19. —
Die Tausendfüsse S. 25.
Allgemeiner Theil.
Kapitel II. Die äussere Erscheinung der erwachsenen
Insekten... .. 1% lo net ter Te ee
Der Kopf $S. 27. — Die Fühler S. 29. — Die Mundwerkzeuge $8. 30. —
Seite
26
Die Brust S. 32. — Die Beine $S. 33. — Die Flügel S. 35. — Der
Hinterleib S. 33. — Die Chitineuticula S. 40. — Färbungen des In-
sektenkörpers S. 41. — Secundäre Geschlechtscharaktere S. 42.
Kapitel III. Der innere Bau der erwachsenen Insekten
und die Lebensverrichtungen der Einzelthiere
Allgemeine Orientirung 8. 47. — Die Leibeswand 8. 49. — Der
Darmecanal und seine Anhänge. Der Darm S$. 50. — Die Ham-
gefässe 8. 54. — Die Athmungs- und Kreislauforgane. Das
Tracheensystem S. 55. — Der Fettkörper S. 58. — Das Blut S. 58. —
Das Herz 8. 58. — Die Leuchtorgane 8. 60. — Das Muskelsystem
und seine 'Thätigkeit. Die Musculatur S. 61. — Die Ortsbewegun-
gen 8. 61. — Die Lautäusserungen 8. 64. — Das Nervensystem.
Das Centralorgan desselben S. 66. — Das peripherische Nervensystem
S. 69. — Das Eingeweidenervensystem 8. 69. — Die Sinnesorgane.
Tastorgane S: 70. — Geruchsorgane $. 70. — Geschmacksorgane S. 71.
— Gehörorgane 8. 71. — Gesichtsorgane 8. 72. — Die Fortpflan-
zungsorgane. Die weiblichen Fortpflanzungsorgane 8. 76. — Die
männlichen Fortpflanzungsorgane S. 79.
47
Kapitel IV. Die Fortpflanzung und die Jugendzustände
der Insekten SE RT 5 ae
Ei und Samen. Entwicklung im Ei 8. 81. — Das Ei S. 82. — Der
Samen $. 84. — Die Begattung $. 86. — Die Befruchtung S. 86. —
Die Ablage der Eier $. 87. — Die Verwandlung der Eizelle in den
Embryo 8. 90. — Die Larve und ihre Verwandlung in die
Imago; Metamorphose und Puppenruhe. Die Larve 8. 91. —
Einige Einzelheiten über den Bau und das Leben der Larven $. 94. —
Metamorphose der Larven im Allgemeinen $. 98. — Die unvollkommene
Metamorphose $. 99. — Die vollkommene Metamorphose 8. 100. — Die
Puppe $. 102. — Hypermetamorphose und verwandte Erscheinungen
S. 105. — Die Verwandlung der Puppe zur Imago 8. 108. —
Zeitlicher Ablauf der Entwicklung. Flugzeit S. 109. — Generation
S. 112. — Ueberwinterungsstadium S. 119. — Lebensdauer S8. 121. —
Literaturnachweise 8. 121. — Parthenogenesis und mit ihr zu-
sammenhängende Erscheinungen S. 122. — Partlienogenesis im
engeren Sinne $. 123. — Pädogenesis $S. 124. — Einfacher und zu-
sammengesetzter Entwicklungseyklus S. 125. — Heterogonie S. 127.
Kapitel V. Die Insekten als natürliche und wirthschaftliche
Macht.
Die Bedeutung der Insekten für den allgemeinen Naturhaushalt
S. 130. — Die Insekten als Zerstörer S. 132. — Die Insekten als
Nahrungsquelle für andere Thiere S. 132. — Die Insekten als Befruchter
S. 133. — Die Insekten als wirthschaftliche Macht überhaupt
S, 134. — Die nützlichen Insekten S. 134. — Die schädlichen Insekten
8. 135. — Die forstwirthschaftliche Bedeutung der Insekten.
Die nützlichen und schädlichen Forstinsekten im Allgemeinen S. 136. —
Die verschiedenen Arten der durch Insekten verübten Be-
schädigungen an Holzpflanzen 8. 137. — Gallen 8. 138. _ —
Wurzelbeschädigungen S. 139. — Blattbeschädigungen S. 140. -—
Rindenbeschädigungen S. 140. — Verletzungen des Holzkörpers 8. 141.
— Störungen in der normalen Ausbildung der Pflanzenform $. 142. —
Heilungsvorgänge 8. 143. — Die Grade der Schädlichkeit und die
sie bedingenden Ursachen 8. 146. — Unmerklich, merklich und
sehr schädliche Insekten S. 147. — Physiologisch und technisch schäd-
liche Insekten 8. 151. — Die durch Insekten hervorgerufenen
Störungen des forstlichen Wirthschaftsbetriebes $. 152. — Kultur-
und Bestandsverderber $. 153. — Verschiebungen des Wirthschafts-
planes S. 154.
Kapitel VI. Entstehung, Abwehr und wirthschaftliche
Ausgleichung grösserer Insektenschäden.
Die Entstehung grösserer Insektenverheerungen. Einwanderung von
aussen $. 157. — Massenvermehrung bereits angesiedelter Schädlinge
8. 158. — Die Beschränkung der Insektenschäden durch natür-
liche Einflüsse 8. 162. — Insektentödtende Witterungseinflüsse S. 163.
— Insektentödtende Pilze 8. 164. Literaturnachweise ‚S. 181. —
Insektentödtende thierische Parasiten S. 182. — Die insektenfressenden
_ Thiere 8. 187. — Die wirthschaftlichen Vorbeugungsmassregeln
gegen Insektenschäden 8. 195. — Massregeln der Bestandsgründung
S. 196. — Massregeln der Bestandspflege S. 197. — Massregeln der
Seite
8
130
156
Seite
Ernte S. 199. — Massregeln der Forsteinrichtung S. 200. — Standorts-
pflege 8. 201. — Beobachtung des Insektenlebens im Walde S. 202. —
Schonung, ‚Hegung und Aussetzung nützlicher Thiere 8. 203. —
Die. Bekämpfung von forstschädlichen Insekten durch Ver-
tilgungsmittel S. 206. — Allgemeine Gesichtspunkte $. 207. — Die
Aufsuchung und Vertilgung der Schädlinge an ihren Aufenthaltsorten
S. 209. — Vertilgung der Schädlinge mit Hilfe von. künstlich auf ihren
Wegen. ‚angebrachten Hindernissen $. 213. — Vertilgung der Schädlinge
nach vorhergegängener "künstlicher Anlockung S. 216. — Die Ausführung
der Vertilgungsmassregeln‘ $. 218. — Verwerthung der gesammelten
Schädlinge 8. 219. — Die Beurtheilung der Nothwendigkeit und
Möglichkeit: der Durchführung ° von Bekämpfungsmassregeln
8. 221. %— Untersuchungen über-die Menge der Schädlinge 8. 2
Die Untersuchung des Gesundheitszustandes der Forstschädlinge 8. 938. '
— Die Beobachtung der Witterungsverhältnisse 8. 226. — Untersuchung
des befallenen Bestandes 8.226. —-Die Möglichkeit der Durchführung
de: Bekämpfungsmassregeln S. 231. — Werth und ‚Behandlung
der von Insekten befallenen oder getödteten Bäume und Bestände.
Werth des von Insekten befallenen oder getödteten Holzes 8. 231. —
Behandlung der befallenen oder getödteten Bäume und Bestände 8. 233.
— Rücksichten beim Einschlag 8. 235. — Die gesetzliche Regelung
der Bekämpfung der Forstschädlinge 8. 236. — Gesetzliche Vor-
schriften über die Schonung nützlicher Vögel S. 237. — Gesetzliche
Vorschriften ae -der Bekämpfung von Insektenschäden 8. 220. 4
Kapitel Wi = Allgemeine: Einführung in die systematische
und praktische Entomologie ..... ER}, 245
Die wissenschaftliche Eintheilung und Benennung der te
Allgemeine Systematik2S.245. — Nomenclatur-8..249. — Das Be-
stimmen der Forstschi idlinge und (die Anlegung von forstento-
mologischen Sammlüngen. . "Die Bestimmung- des Urhebers eines
forstlichen Insektenschadens ° Ss 253.. — Die*Anlage von forstlichen
N 8. 2517 —. ‚Allgemeine Literatur $. 261.
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K. k. Hofbuchdruckerei Carl Fromme in Wien.
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’ Mitteleuropäischen Forstinsektenkund:
mit einem Anhange:
Die forstschädlichen Wirbelthiere.
Als achte Auflage von
DET GO. BRATZEBURG
Die Waldverderber und ihre Feinde
in vollständiger Umarbeitung herausgegeben von
Dr. J. F. Judeich und Dr. H. Nitsche
künigl. Sächs. Geh. Oberforstrath und Professor der Zoologie an der Forst-
Director der Forst-Akademie zu Tharand Akademie zu Tharand.
II. ABTHRILUNG.
SpeciellerTheil,I. Hälfte: Geradflügler,Netzflügler undKiäfer.
Mit 3 eolorirten Tafeln, 77 Textfiguren und 3 illustrirten Bestimmungstafeln.
Uebersetzungsrecht vorbehalten.
WIEN.
Eduard Hölzel.
1889.
Die III. Abtheilung wird den Schluss des Werkes bringen.
Inhaltsverzeichniss.
Specieller Theil.
Kapitel VIII. Die Gerad- und Netzflügler.
Bnesseradiiusler"......... 2 2a i N 265
Thysanura $. 266. — Orthoptera genuina 8. 267. — Die Mann
grille, Gryllotalpa S. 268. — Die Wanderheuschrecken 8. 273. —
Orthoptera Pseudoneuroptera S. 274. — Literaturnachweise S. 277.
Die Netztlurler „2... ... Re . - -. . ER
Kapitel IX. ‚Die Käfer... . . 2.02 Suse . 2312
Allgemeines 8. 282. — ee S. 286.
Die forstlich nützlichen und u. Käfer . verme
Die Blatthornkäfer'.......... 294
Allgemeines; Lucaniden $. 294. — San nstäen 8. 295. — _ Maikäfer
Melolontha S. 296. — Walker, Polyphylla S. 310. — Sonnwendkäfer,
Rhizotrogus S. 311. — Literaturnachweise S. 312.
Die Pracht und Schnellkäfer Tr . 7, Ze 313
Allgemeines über die Buprestiden $. 313. — Systematik 8. 316. —
Forstliche Bedeutung der Buprestiden S. 317. — Minderwichtige
Schädlinge 8. 318. — Die in jüngeren Stämmen, Heistern und
Stangen brütenden Buprestiden, Agrilus und Chrysobothrys 8. 319. —
Buprestiden, welche durch innere Ringelungygesunde Eichen-
zweige zum Absterben bringen,” Agrilus bifaseiatus 8. 323. —
Euenemidae 8. 325. — A neines über die Elateriden S. 325. —
Die forstschädlichen Elateriden und ihre Larvenformen $. 328. —
Forstliche Bedeutung der Elateriden S. 330. — Käferschaden
S. 330. — Larvenschaden $. 330. — Literaturnachweise $. 332.
Die forstschädlichen Käfer aus den übrigen Familien
der Pentameren und Heteromeren ; „2.7, Ts 2
Die Weichkäfer, Malacodermata 8. 333. — Cana 8. 333. —
Lymexylonidae 8. 324. — Anmerkung über holzzerstörende
Seethiere $S. 336. — Bohrkrebse 8. 337. — Bohrwürmer, Teredo
S. 339. — Die Nagekäfer, Anobiidae 8. 341. — Ihre forstliche
Bedeutung 8. 343. — Die Pflasterkäfer, Meloidae $. 347, —
Die spanische Fliege, Lytta vesieatoria S. 348. — Literaturnachweise
S. 350.
Rüsselkäfer und Verwandte,..,.. RB: 285
Die Familie der Bruchidae im weiteren Stand S. 353. — Bruchidae
im engeren Sinne 8. 353. — Anthribidae 8. 354. — Die Familie
der Attelabidae im weiteren Sinne $. 354. — Forstliche Be-
deutung der Attelabiden 8. 356. — Blattwiekler ohne Blattschnitt
S. 357. — Blattwickler mit Blattschnitt.$. 357. — Die Familie der
Rüsselkäfer, Oureulionidae im engeren Sinne; Allgemeines
S. 359. — Systematik 8. 362. — Die forstliche Bedeutung der
Rüsselkäfer 8. 369. — Rüsselkäfer, deren Larven die Wurzeln
Junger Nadelholzpflanzen befressen ; Otiorrhynehus niger und Ge-
nossen 8. 370. — Rüsselkäfer, or Larven die saftleitenden
Rindenschiehten an Nadelholzstimmen zerstören 8. 373. —
BEN
‚Gattung Magdalis $. 374. — Gattung Pissodes S. 375. —- Der braune
Kiefernkultur-Rüsselkäfer, P. notatus $, 377. — Der Kiefernstangen-
Rüsselkäfer, P. piniphilus $. 380. — Der Harz-Rüsselkäfer, P. Harey-
niae 8. 383. — Der braune Kiefernbestands-Rüsselkäfer, P. Pini und
der Tannen-Rüsselkäfer P. Piceae 8. 388. — Rüsselkäfer, deren
Larven die tieferen Rindenschichten und den Holzkörper
junger Laubholzstäimme und -Aeste bewohnen 8. 391. — Erlen-
Rüsselkäfer, Cryptorrhynchus Lapathi S. 391. — Rüsselkäfer, deren
Larven die Blattorgane von Holzgewächsen beschädigen
S. 394. — Der Buchen-Springrüssler, Orchestes Fagi S. 394. — Der
Eschen-Rüsselkäfer, Cionus Fraxini $. 397. — Der Kiefernscheiden-
Rüssler, Brachonyx pineti 8. 397. — Rüsselkäfer, deren Larven
den Samenertrag forstlieh wichtiger Holzgewächse schädigen
$. 398. — Balaninus 8. 398. — Anthonomus varians als Anhang S. 400. —
Pissodes validirostris 8. 400. — Als Imagines schädliche Rüsselkäfer;
Allgemeines $. 401. — Im Boden brütende, flugunfähige Kurz-
rüssler, welche als Käfer schaden, Otiorrhynchus, Cneorrhinus,
Strophosomus, Brachyderes $. 402. — Im Boden brütende, flug-
fühige Kurzrüssler, welche als Käfer schaden 8. 407. —
Metallites, Sitones, Polydrusus, Seytropus, Phyllobius 8. 408. —
Anhang, Der grosse weisse Rüsselkäfer, Cleonus turbatus S. 411. —
In Nadelholzwurzeln brütende und namentlich die Nadel-
holzkulturen als Käfer schädigende Langrüssler 8. 412. —
Der grosse braune Rüsselkäfer, Hylobius Abietis S. 412. —
Abwehr desselben 8. 422. — Literaturnachweise 8. 431.
Die Borkenkäfer ne al Er ran nahe ze
. Allgemeines 8. 435. — Systematik und Bestimmungstabellen
Pr
nn
8.441. — Gattung Platypus 8.442. — Gattung Scolytus S. 443. —
Gattung Hylesinus 8. 444. — Gattung Tomieus 3.448. — Forstliche
Bedeutung der Borkenkäfer S. 452. — Wurzelbewohnende
Rindenbrüter, welche als Käfer die Rinde junger Nadelholz-
pflanzen am Wurzelknoten plätzend benagen 8. 452. —
Die schwarzen Kiefern- und Fichten-Bastkäfer, Hylesinus ater
und H. ceunicularius nebst Verwandten, sowie H. ligniperda und
Tomicus autographus $. 452. — Wurzel- und auch stammbewoh-
nende Rindenbrüter, welche als Larven ältere Nadelholz-
bestände beschädigen. — Der Riesen-Bastkäfer, Hylesinus micans
S. 458. — Stammbewohnende Rindenbrüter, welche als Larven
die Bastschieht der Nadelhölzer zerstören, als Käfer Triebe
aushöhlen, — Die Kiefern-Markkäfer, Hylesinus piniperda und
H. minor 8. 462. — Stamm und Aeste bewohnende Rinden-
brüter, welehe als Larven den Laubhölzern schaden. —
Rüstern-Borkenkäfer, Scolytus Geoffroyi, Se. multistriatus und Hylesinus
vittatus$.472.— Eschen-Borkenkäfer, Hylesinus Fraxini und H. erenatus
8.476. — Der Eichen-Splintkäfer, Sceolytus intrieatus 8.481. — Der Birken-
Splintkäfer, Se. Ratzeburgii 8. 483. — Obstbaum-Splintkäfer, Se. Pruni
und Se. rugulosus $. 485. — Minderwichtige, Laubhölzer und kraut-
artige Pflanzen bewohnende Borkenkäfer S. 487. — Rindenbrütende
Borkenkäfer, welche Nadelholzstämme und Aeste bewohnen und
nur als Larven schaden $. 488. — Die Tannen-Borkenkäfer, Tomicus
‚«urvidens und T. Piceae 8. 489. — Kiefern-Borkenkäfer 8. 493. —
Der 12zähnige Kiefern-Borkenkäfer, T. sexdentatus 8. 494. — Der
sechszähnige Kiefern-Borkenkäfer, T. acuminatus S. 496. — Der viel-
zähnige Kiefern-Borkenkäfer, T. Larieis und Verwandte S. 499. — Die
bakenzähnigen Kiefern-Borkenkäfer, T. bidentatus und T. quadridens
Seite
Seite
S. 501. — Hylesinus minimus S. 505. — Fichten-Borkenkäfer $. 505. —
Die achtzähnigen Fichten-Borkenkäfer Tomicus typographus, T. ami-
tinus und T. Cembrae S. 506. — Schaden derselben in neuer und
alter Zeit S. 512. — Der sechszähnige Fichten-Borkenkäfer, T. chalco-
graphus S. 516. — Der doppeläugige Fichten-Bastkäfer, Hylesinus
poligraphus 8. 518. — Der braune Fichten-Bastkäfer, H. palliatus
S. 521. — H. glabratus 8.523. — Der furchenflüglige Fichten-Borken-.
käfer, Tomieus mierographus und seine Verwandten 8.524. — Minder-
wichtige, rindenbrütende Fichten-Borkenkäfer $. 526. — Abwehr der
unter Nadelholzrinde brütenden Borkenkäfer im Allgemeinen
S. 529. — Im Holze selbst brütende Borkenkäfer 8. 538. —
Die Nutzholz-Borkenkäfer, Tomieus lineatus und T. domestieus 8. 539. —
T. Saxeseniü S. 544. — Die Eichen-Bohrkäfer, T. monographus und
Verwandte. Der Eichen-Kernkäfer, Platypus ceylindrus. Der Kiefen- 0...
Bohrkäfer, Tomieus eurygraphus 8. 546. — Der ungleiche Holzbohrer, .
T. dispar $. 549. — Literaturnachweise $. 552.
Die »Bockkäfer 2.1.02 ent Te
Systematik 8. 559. — Bestimmungstafeln S. 560. — Die forstliche
Bedeutung der Bockkäfer 8. 563. — Physiologisch schäd-
liche Nadelholz-Bockkäfer 8. 563. — Callidium luridum und Cal.
fuscum 8. 564. — Schuster- und Schneiderbock, Lamia sartor und 2
L. sutor S. 568. — Der Kiefernzweigbock, L. fascieulata S. 569. —
Minderwiehtige Nadelholzböcke 8. 570. — Physiologisch schäd-
liche Laubholzböcke 8. 572. — Der grosse Pappelbock, Sprda
earcharias S. 572. — Der Aspenbock, $. populnea $. 574. — Der roth-
halsige Weiden- und der Haselbock, S. oeculata und 8. linearis 8.576.—
Der Weberbock, Lamia textor S. 578. — Minderwichtige Laubholz- 7
böcke 8. 579. — Das stehende Holz technisch schädigende
Bockkäfer, der grosss Eichenbock, Cerambyx cerdo 8. 580. — Ahorn-
bock, Callidium Hungarieum $. 582. — Alpenbock, Cerambyx alpinus
S. 583. — Geschlagenes und verarbeitetes Holz technisch
schädigende Bockkäfer 8. 583. — Callidium variabile $. 583.—
Der Hausbock, Cal. bajulus S. 585. — Fassreifen zerstörende Böcke,
Cal. pygmaeum und Cal. lividum 8. 586. — Literaturnachweise $. 587.
Die Blastk Hfar.. te, a Re A e ee 2
Systematik 8. 588. — Bestimmungstafel 8. 591. — Diagnosen
8. 592. — Forstliche Bedeutung der Chrysomeliden 8$. 595. —
Die Weiden- und Pappelsehädlinge; Chrysomela Tremulae und £
Verwandte 8. 596. — Der Sahlweiden-Blattkäfer und Verwandte,
Galeruca Capreae $. 598. — Die kleinen, dunkel-metallischen Weiden-
blattkäfer, Chr. Vitellinae und Verwandte $. 600. — Abwehr der
Weiden-Blatikäfer im Allgemeinen 8. 603. — Eichenfeinde;
der Eichen-Erdfloh, Haltiea erucae 8. 605. — Erlenfeinde, Galeruca 2%
Alni und Chrysomela aenea 8. 607. — Rüsternfeinde; Galeruca R
xanthomelaena $. 608. — Der Schneeball-Blattkäfer, Galeruea Viburni
S. 609. — Kiefern beschädigende Blattkäfer; der schwarzbraune
und der gelbe Kiefernblattkäfer, Galeruca pinieola und Cryptocephalus
Pini 8. 610. — Anmerkung über den Coloradokäfer, Chrysomela.
decemlineata $. 612. — Literaturnachweise 8, 615.
Nachtras 3 Sams 27 RE Da se 4 > Va REN
Die Familie der Tenebrionidae 8. 617. — Heliopathes gibbus,
Opatrum sabulosum und O. tibiale 8, 618. — Die Familie der
Melandryidae; Serropalpus barbatus 8. 620. — Literaturnachweise
8. 622.
%;
K. k. Hofbuchdruckerel Carl Fromme in Wien,
2
v.F Kargl, Wien
Nruc
Ratzeburg’s Leben.
Einige biographische Notizen über den Verfasser des 1841 m
erster Auflage erschienenen Buches: „Die Waldverderber und ihre
EB ainde” sollen nicht zu dem Zwecke hier Platz finden, Neues aus dem
«Leben dieses unzweifelhaft bedeutenden Mannes zu bringen. Seine von
Danckermann vortrefflich geschriebene Biographie in der „Zeitschrift für
Forst- und Jagdwesen” (1872) macht dies unnöthig, ebenso bringt bereits
die im „Forstwissenschaftlichen Schriftsteller- Lexikon” (1872) veröffent-
lichte Selbstbiographie RAarzegurg@’s so viel werthvolle, interessante Einzel-
heiten aus seinem wissenschaftlichen Leben, dass kaum etwas zuzufügen
bleibt. Wenn wir trotzdem auch hier besonders dieses Mannes gedenken,
so geschieht dies in dem Gefühle der Dankbarkeit gegen ihn. Diejenigen,
welche einst zum Zwecke des Studiums oder des Nachschlagens das Buch
in die Hand nehmen, sollen nicht blos aus dem beigefügten Bilde,
sondern auch aus einer kurzen Lebensbeschreibung Rarzegurg’s, ohne
erst in anderen Büchern suchen zu müssen, den Mann etwas kennen
lernen, auf dessen Schultern alle ohne Ausnahme stehen,
welche sich heute mit forstlicher Entomologie beschäftigen.
Julius Theodor Ratzeburg wurde am 16. Februar 1801 zu Berlin
geboren. Sein Vater, Professor an der T'hierarzneischule daselbst, starb
bereits am 3. Januar 1808. Durch Unterricht in der Botanik hatte
dieser in dem Knaben schon frühzeitig eine grosse Liebe zum Studium
der Naturwissenschaften erweckt. RarzegurG legte selbst auf diese erste
kleine Periode seines Lebens grosses Gewicht. Da sich seine Mutter
wieder verheirathete und in eine kleine Stadt zog, kam er im 12. Jahre
zu seinem Onkel Wurzxz nach Königsberg. Dort besuchte er das Colle-
gium Fridericianum. Familienverhältnisse veranlassten seinen Abgang
Lehrbuch d. mittelenrop. Forstinsektenkunde. 1
2 Ratzeburg’s Leben.
von Königsberg und von der ihm liebgewordenen Schule, als er bereits
Primus von Unterseecunda war. Zunächst kam er auf das Lyceum in
Posen, dann auf das Gymnasium „Zum grauen Kloster” in Berlin. Noch
vor Beendigung des Schulbesuches bestimmte man ihn wegen seiner
grossen Fertigkeit im Zeichnen für das Baufach., Die Neigung zu den
Naturwissenschaften reifte in ihm aber plötzlich den Entschluss, Apo-
theker zu werden. Eine Zeit lang beschäftigte er sich praktisch als
Apothekerlehrling in dem Laboratorium Wexpranp’s zu Berlin, ohne
jedoch in seinem weiteren wissenschaftlichen Streben nachzulassen. Seine
freie Zeit benutzte er zum Besuche verschiedener wissenschaftlicher
Anstalten, studirte und sammelte fleissig in den grossen Gärten Berlins.
Bald sah er jedoch ein, dass ihm dieser Lebensberuf auf die Dauer
nicht zusagen würde, weil ihm dabei ein sehr wesentlicher Theil der
Naturwissenschaften, namentlich Zoologie mit Anatomie und Physio-
logie, fremd blieb. Er widmete sich deshalb dem Studium der Mediein,
welches ihm die Beschäftigung mit den Naturwissenschaften in viel-
seitigerer Weise gestattete. 1821 wurde er von Licutensreım an der
Universität Berlin inseribirt und studirte mit grossem Fleiss.. Das ver-
säumte Maturitätsexamen legte er nachträglich während seiner Studienzeit
ab. 1825 promovirte er und seine Dissertationsschrift: „Observationes
ad peloriarum indolem definiendam speetantes”, welche die Um-
bildung unregelmässiger Blüthen in regelmässige Blüthenformen behan-
delte, zeigte den tüchtigen Forscher. Am 17. März 1826 erwarb er sich
die Qualification zum ärztlichen Berufe, hat diesen aber nie ausgeübt,
sondern habilitirte sich an der Universität.
Rarzegure hatte das grosse Glück, den näheren Umgang bedeutender
Männer zu geniessen. Seinen Studienfreunden BrAnpt, GOoEPPERT und
Pnozsus blieb er während seines ganzen Lebens eng verbunden. Als
Privatdocent kam er in das Haus Wıruerm von Hunmsorpr's, dessen
Sohn er unterrichtete, und dadurch auch in Verbindung mit ALEXANDER
von Hunmsorpr. Diese Beziehungen scheinen nicht ohne Bedeutung für
die Gründung der Forstakademie Neustadt-Eberswalde gewesen zu sein,
welche Preis erstrebte, denn beide Humgorpr interessirten sich in ein-
flussreicher Weise dafür. Am 1. Mai 1830 wurde die neue Akademie
eröffnet, und Rartzesurg übernahm an ihr die Vorträge über das ganze
Gebiet der Naturwissenschaften. Nur der rastloseste Fleiss, unermüdliches
Forschen, gestützt auf eine sehr vielseitige naturwissenschaftliche Vor-
bildung, machten es ihm möglich, dieser grossen Aufgabe gerecht zu
werden, welche eigentlich schon vor 50 Jahren über die Kraft eines
Ratzeburg’s Leben. 3
lo]
Einzelnen hinausging. Dazu kam die sehr richtige Erkenntniss, dass er
als Lehrer an einer Forstakademie das Hauptziel seines Strebens in der
Ausbildung der Naturwissenschaften in forstlicher Richtung zu suchen
habe. Hieraus erklärt es sich auch, weshalb er sich vorzugsweise der
Entomologie zuwendete, obgleich er von Haus aus mehr Neigung für
Botanik hatte und dieser auch für den forstlichen Unterricht eine her-
vorragend wichtige. Stellung unter den Naturwissenschaften einräumte.
Mit riehtigem Blick erkannte er, dass gerade die Entomologie am meisten
der weiteren Bearbeitung bedurfte, um forstlich praktischen Nutzen für
die Bekämpfung der Waldfeinde aus der Insektenwelt zu bringen. Seit
den nicht mehr genügenden Arbeiten Becnsrem’s war gerade in dieser
Richtung nur wenig geleistet worden. Vorzugsweise der biologischen
Forschung widmete er sich deshalb mit grösstem Eifer, die Systematik
war ihm nur Mittel zum Zweck. Schon 1832 schrieb er „Ueber Ent-
wieklung der fusslosen Hymnenopteren-Larven” und 1834
„Entomologische Beiträge”. Beide Abhandlungen überreichte er der
Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Wenige Jahre später, 1835,
begann er seine bedeutendste literarische Arbeit: „Die Forstinsekten”.
Der I. Theil (Käfer) erschien 1837, der II. Theil (Falter) 1840, der
III. Theil (Ader-, Zwei-, Netz- und Geradflügler) 1845. Dieses Werk
war epochemachend. Es zeigte, dass der Verfasser rastlos im Walde
selbst studirt, dass er mit eisernem Fleisse nicht blos die in der Literatur
vielfach zerstreuten forstentomologischen Notizen gesammelt hatte, sondern
dass er auch unausgesetzt bemüht gewesen war, durch persönlichen und
brieflichen Verkehr mit Forstleuten selbst zu lernen.
In den Jahren 1844, 1848 und 1852 erschienen: „Die Ichneu-
monen der Forstinsekten” in drei Bänden. Diese äusserst schwierige
Arbeit war weniger von forstlicher, als von rein entomologischer Be-
deutung und hat deshalb auch bei den Entomologen mehr Anerkennung
gefunden, als ‚Die Forstinsekten”. Beide kostspielige Werke sind auf
Staatskosten für alle Oberförstereien und höheren Verwaltungsstellen
Preussens angeschafft worden.
RArTzegurG sah sehr bald ein, dass sein grosses Werk für die
kleinen Privatbibliotheken der Studirenden und der meisten Forstwirthe
zu theuer war. Um aber gerade in diesen Kreisen möglichst ausgedehnt
belehrend und anregend zu wirken, verfasste er 1341 das kleinere Buch
„Die Waldverderber und ihre Feinde”, welches von ihm selbst
1869 in sechster Auflage herausgegeben wurde. Jede neue Auflage
brachte reichlich neue Beobachtungen und Erfahrungen.
1#
4 Ratzeburg’s Leben.
Durch Rarzegure war die Forstinsektenkunde zu einem gewissen
Abschlusse gelangt. Er versuchte nun die Folgen der Baum- und Wald-
beschädigungen in physiologischer und pathologischer Hinsicht zu er-
forschen. In diesem Sinne schrieb er 1862 „Die Nachkrankheiten
und die Reproduction der Kiefer nach dem Frasse der Forl-
eule”, bald darauf sein grosses, abermals mit zahlreichen guten Abbil-
dungen ausgestattetes Werk: „Die Waldverderbniss oder dauernder
Schade, welcher durch Insektenfrass, Schälen, Schlagen und
Verbeissen an lebenden Waldbäumen entsteht”. Der I. Theil
(Kiefer und Fichte) erschien 1866, der II. Theil (Tanne, Lärche, Laub-
hölzer und entomologischer Anhang) 1868.
Eine reiche Menge neuer eigener und fremder Beobachtungen ist
darin mitgetheilt, sie bekundet den riesenhaften Fleiss des Verfassers.
Bei den grossen Fortschritten, welche jedoch in neuerer Zeit Physiologie
und Pathologie gemacht hatten, war es ihm leider nicht mehr möglich,
den ganzen Stoff genügend zu beherrschen. Es geht dies jetzt eben über
die Kraft des Einzelnen hinaus.
Ausser seinen entomologischen Arbeiten veröffentlichte Rarze-
BURG noch:
In Verbindung mit Branpr: ,„Medicinische Zoologie oder
getreue Darstellung und Beschreibung der Thiere, die in der
Arzneimittellehre in Betracht kommen’, 2 Bände mit 69 Kupfer-
tafeln, Berlin 1827—34; ein Werk, welches noch heute, namentlich
wegen der vortrefflichen Original-Abbildungen, von» grosser Bedeu-
tung ist.
In Verbindung mit Branpr und Prorsus: „Abbildung und
Beschreibung der in Deutschland wild wachsenden und in
Gärten im Freien ausdauernden Giftgewächse”, 2 Bände mit
56 Kupfertafeln, Berlin 1838.
„Untersuehungen über Formen und Zahlenverhältnisse
der Naturkörper”, mit .einer Kupfertafel. Berlin 1829.
„Forstnaturwissenschaftliche Reisen durch verschiedene
Gegenden Deutschlands’, Berlin 1842.
„Die Naturwissenschaften als Gegenstand des Unter-
richtes, des Studiums und der Prüfung”, Berlin 1849.
„Die Standortsgewächse und Unkräuter Deutschlands und
der Schweiz”, Berlin 1859.
Am 1. Mai 1869 nach 39jähriger, segensreicher und aufopfernder
Lehrerthätigkeit trat Rarzerurg in_den wohlverdienten Ruhestand. Sein
Eu
Ratzeburg’s Leben. 5
Gesundheitszustand machte dies unbedingt nöthig. Schon vorher hatte er
noch eine grössere literarische Arbeit begonnen, welcher er nunmehr
fast seine ganze Thätigkeit widmete. Es war ihm vergönnt, dieselbe im
Manuscripte ganz, im Drucke grösstentheils zu vollenden. Aber erst nach
seinem am 24. October 1571 erfolgten Tode, im Jahre 1872, erschien
sein „Forstwissenschaftliches Schriftsteller-Lexikon’ mit einem
Vorworte seines alten Freundes Pr. Pnorsus.
Etwa im Jahre 1866 hatte er nämlich die Idee gefasst, kurze
Biographien aller für seine forstwissenschaftlichen Schriften, ja für die
Forstwissenschaft überhaupt, wichtig gewordenen lebenden und verstor-
benen Persönlichkeiten zu schreiben. Dieser Gedanke charakterisirt den
trefllichen Mann in doppelter Hinsicht; einmal zeigt er, wie sehr
RATzEgBurG bis an sein Lebensende ein Naturforscher mit forstlicher
Richtung blieb, und dann wie dankbar er Allen war, welche ihn in
seinem Forschen, sei es auch nur durch ‘die kleinsten mündlichen oder
schriftlichen Mittheilungen, unterstützten. Diese Dankbarkeit geht schon
aus der grossen Menge gewissenhaftester Citate hervor, welche seine
Werke, namentlich die ‚,„Waldverderbniss”, enthalten, noch mehr aber
aus dem Schriftsteller- Lexikon. In der Vorrede zu letzterem sagt
Phorsus sehr richtig, RArzegurg habe sich dadurch „ein grossartiges
Denkmal gesetzt; ein ‚„monumentum aere perennius’ seines seltenen
Fleisses, seines über mehrere grosse Fächer ausgebreiteten und doch
auch tiefen Wissens, seiner reichen und wichtigen Naturstudien, die
ihn zu einem der fruchtbarsten Naturhistoriker und zum kräftigsten
Beschützer unserer Waldungen machten; — ein Denkmal auch seiner
Humanität; denn auch diese spricht sich hier, wie in seinen früheren
Arbeiten, aus in der freudigen Anerkennung fremder Leistungen, und,
wo Wissenschaftlichkeit und Gerechtigkeit einen Tadel auszusprechen
nöthigen, in der milden Form”,
Rartzegurg’s forstentomologische Arbeiten schufen in dieser Wissen-
schaft eine neue Basis für alle weiteren Forschungen; auch in später,
künftiger Zeit wird man immer und immer wieder auf dieselben als
bleibend werthvolle Quellen zurückgreifen. _ Sein Verdienst in dieser
Richtung lag nicht blos in der eigenen Arbeit, sondern wesentlich auch
mit darin, dass er durch seine Schriften, wie durch den persönlichen,
briefliehen oder mündlichen Verkehr, Anregung zu Forschungen im
Walde gab und Interesse an dem Insektenleben in weiten Kreisen weckte.
Gerade die grosse Liebenswürdigkeit, mit welcher er jede Frage beant-
wortete, jede, auch die kleinste Mittheilung dankbar entgegennalm, hat
6 Ratzeburg’s Leben.
so Manchen ermuthigt, auf dem interessanten Gebiete selbst weiter zu
arbeiten.
Der Fortschritt der Wissenschaft ist ein unendlicher, neue For-
schungen und Beobachtungen haben neue Belehrung gebracht, daher
stehen wir bereits heute bezüglich mancher wichtigen und schwierigen
Frage nicht blos in systematischer, sondern auch in biologischer Hinsicht
auf einem richtigeren Standpunkte, als Rarzegurg. Dass wir aber in der
Forstentomologie während der letzten Jahrzehnte bedeutende Fortschritte
gemacht haben, verdanken wir nicht zum kleinen Theil, sondern ganz
wesentlich der fruchtbringenden, verständnissvollen Anregung unseres
alten Meisters RATZEBURG.
EINLEITUNG.
KAPITEL 1.
Die Gliederfüssler im Allgemeinen.
Das Thierreich wird gewöhnlich eingetheilt in sieben Typen. Man
unterscheidet den Typus der Protozoa oder Urthiere, der Coelen-
terata oder Pflanzenthiere, der Vermes oder Würmer, der
Echinodermata oder$tachelhäuter, der Arthropoda oder Glieder-
füssler, der Mollusca oder Weichthiere und der Vertebrata oder
Wirbelthiere. Wir haben es hier mit dem fünften, dem Typus der
Arthropoden (abgeleitet von &p$pov, das Glied; roJs, Genitiv moöos, der
Fuss) oder Gliederfüssler zu thun.
Der Typus der Arthropoden oder Gliederfüssler.
Die Arthropoden sind bilateral symmetrische Thiere mit
heteronom segmentirtem Körper und paarig angeordneten,
bauchständigen, gegliederten Segmentanhängen oder Glied-
massen, deren äussere Körperoberfläche gebildet wird von
einer mehr weniger starren, ein Hautskelet darstellenden
Chitinhülle.
Die rechte Hälfte des Körpers eines jeden Gliederfüsslers ist
spiegelbildlich, symmetrisch, gleich der linken Hälfte, während die
gliedmassentragende Bauchseite von der gliedmassenlosen Rückenseite
verschieden ist. Der Körper zerfällt der Länge nach in eine grössere
bei den verschiedenen Gruppen sehr wechselnde Anzahl gegen ein-
ander beweglicher Segmente, auch Ringel, Folgestücken, Meta-
meren genannt. Am besten erkennt man dies bei einem Tausendfuss
(Fig. 1). Jedes Segment selbst wird aber durch den seiner Oberfläche
auflagernden, weiter unten genauer zu besprechenden Chitinpanzer
zu einem starren, keine ausgiebigen Formveränderungen gestattenden
Körper. Man bezeichnet die Segmentirung — im Gegensatze zu der
Kap. I. Die Gliederfüssler im Allgemeinen.
bei den gegliederten Würmern vorkommenden — als heteronom
oder verschiedenwerthig, weil nicht jedes Segment jedem folgenden oder
vorhergehenden gleich ist, vielmehr die einzelnen Segmente oder
Segmentgruppen verschiedenen Bau und verschiedene Verrichtungen
haben. So sind z. B. die die Gliedmassen und Flügel tragenden drei
Brustsegmente der Insekten (Fig. 7, B) verschieden von den im Wesent-
Fig. 1. Ein Tausendfuss, Scolopendra morsitans L.
lichen gliedmassenlosen des Hinterleibes (Fig. 7, H). Auch sind nicht
alle Segmente während der ganzen Lebensdauer von einander getrennt,
sondern sie verschmelzen an manchen Stellen gruppenweise. So be-
steht der Kopf eines Tausendfusses oder Insektes (Fig. 1 und 7 KR) aus
vier, das Kopfbruststück, die „Nase”, unseres Flusskrebses aus dreizehn
in der Embryonalanlage getrennt angelegten, späterhin verschmelzenden
Segmenten (Fig. 2 KB).
Fig. 2. Der Flusskrebs, Astacus fluviatilis Fabr.
Jedes Segment kann auf seiner Bauchseite ein — bei manchen
Tausendfüssen auch zwei Paar Gliedmassen tragen. Es kommen
aber auch besonders bei den Insekten und den spinnenartigen Thieren
gliedmassenlose Segmente oder Segmentgruppen vor, z. B. der Hinter-
leib der Spinnen und Insekten. Auch können auf verschiedenen
Stufen der Entwicklung dieselben Segmente desselben 'Thieres glied-
massentragend oder gliedmassenlos sein. So trägt z. B. der Hinter-
leib der Schmetterlingsraupen an mehreren Segmenten Gliedmassen,
Der Typus der Arthropoden. 9
sogenannte „Afterfüsse”’, während der Hinterleib der Puppe und des
Schmetterlinges deren entbehrt. Die Gliedmassen sind selbst wieder
gegliedert, d. h. sie sind eingetheilt in: der Länge nach an einander
gereihte, starre Abschnitte, welche durch weichere Gelenke mit ein-
ander verbunden sind und daher gegen einander gebeugt werden
können. Diese Gliederung unterscheidet die Gliedmassen von den bei
den höheren Würmern vorkommenden, paarigen Fussstummeln.
Sowohl die Aussenfläche des Rumpfes als der Gliedmassen ist
bedeekt mit einer aus Ohitin bestehenden Hülle. Chitin ist eine
stickstoffhaltige, sehr widerstandsfähige, nur durch Kochen in concen-
trirten Mineralsäuren lösliche Substanz, welche von den Aussenflächen
der Grenzzellen des Arthropodenkörpers abgesondert wird, und der
die Formel C, Z,,; NO, oder ein Mehrfaches davon zukommt. Dieses
Secret erhärtet allmälig — ein frisch ausgekrochener Käfer, ein eben
erst gehäuteter Krebs „Butterkrebs” ist noch weich — an der Luft und
bildet so eine äussere, feste Schicht, welche den gesammten Arthro-
podenkörper überzieht. Sie ist kein Gewebe, besteht nicht aus ein-
zelnen Zellen, ist vielmehr eine Cuticula, eine erhärtete Absonderung.
Ist die Chitinschicht dünn, z. B. an Brust und Hinterleib einer Raupe
oder an den Grenzen der einzelnen unverschmolzenen Segmente jedes
Arthropoden, so ist sie biegsam. Ist sie dick oder gar wie bei vielen
Krebsen mit Kalksalzen incrustirt, so stellt sie einen starren Panzer dar.
Es ist diese Schicht aber stets das relativ festeste und starrste Gebilde
Jedes Arthropodenkörpers, das Skelet. Die Arthropoden haben also ein
äusseres COhitinskelet, welches sowohl die Ansatzpunkte für die
Musculatur darbietet, als auch die Gestalt des Thhieres bestimmt. Die
Krümmung eines mit festem Chitinpanzer versehenen Thieres geschieht
lediglich durch Verschiebung der einzelnen starren Segmente gegen
einander, eine Verschiebung, welche durch die an den Segment-
grenzen biegsam gebliebene Outicula, also durch Gelenke ermöglicht
wird. Besonders ist die Cuticula nur wenig elastisch, und kann als
erhärtetes Secret auch nicht durch Wachsthum weiter werden, Daher
muss beim Wachsthum jeder Arthropodenkörper den alten Panzer
von Zeit zu Zeit sprengen und sich mit einem neuen, geräumigeren,
unter dem alten Panzer angelegten versehen. Das Wachsthum
eines Arthropods ist mit Häutung verbunden: Ein Arthropod,
das sich nicht mehr häutet, z. B. ein ausgeschlüpfter Käfer oder
Schmetterling, wächst nicht mehr,
Die Leibeswand der Arthropoden besteht nach innen von der
Chitinhülle aus einer Zellschicht, Hypodermis, deren Aussenfläche den
Chitinpanzer absondert und der unter dieser liegenden quergestreiften
Musculatur. Sie umschliesst eine wesentlich einfache Leibeshöhle, welche
durchsetzt wird von dem Darmecanal, über dem, also dorsal, das Oentral-
organ des Kreislaufssystems, unter dem, also ventral, das vorn einen
Schlundring bildende Bauchmark, das Centralnervensystem liegt.
10 Kap. I. Die Gliederfüssler im Allgemeinen.
Die ursprünglich aus gesonderten, mitunter stark veränderten
Zellen bestehende Hypodermis entspricht der Epidermis der übrigen
höheren Thiere; über ihr wie über einer Form legt sich das Chitin-
secret auf, so dass jeder Auswuchs, respective jede Sculptur der
Oberfläche der Cutieula einem gleichen Gebilde der Hypodermis
entspricht. Jedes Chitinhaar einer Raupe ist z. B. hohl und ursprüng-
lich über einem weichen, haarähnlichen Fortsatze einer Hypodermis-
zelle geformt. Es wird daher die Hypodermis in Bezug auf die Chitin-
eutieula als deren Matrix oder Mutterboden bezeichnet. Die Quer-
streiffung der an die Matrix, respective an das äussere Chitinskelet
sich ansetzenden Museulatur nähert diesen dem Willen des Arthro-
poden unterworfenen Bewegungsapparat dem der Wirbelthiere. Aber
auch die dem Willen der Arthropoden entzogenen Muskelfasern sind
quergestreift.
Fig. 3. Querschnitt durch ein Arthropod, Fig. 4. Querschnitt durch ein Wirbel-
die Wasserassel, Asellus aquaticus. thier, Neunauge, Petromyzon fluviatile.
d Darm, ! Leber, " Herz, n Nervensystem, y Geschlechtsorgane.
Die Lagerung der Hauptorgane in der Leibeshöhle ist der-
artig, dass der Darmeanal in der Mitte liegt zwischen Centralnerven-
system und Centralorgan des Kreislaufes. Insofern ist dieselbe Anord-
nung vorhanden, wie bei den Wirbelthieren. Aber das Centralnerven-
system ist bei den Arthropoden an der Seite angebracht, auf welcher
zugleich die Gliedmassen sich befinden, auf der in der natürlichen
Stellung des T'hieres dem Boden zugekehrten Bauchseite, während
dies bei den Wirbelthieren gerade umgekehrt ist; man kann daher
sagen, dass die Arthropoden in einer der Haltung der Wirbelthiere
gerade entgegengesetzten Lage laufen.
Die Leibeshöhle ist stets mit Blutflüssigkeit, welche alle
Organe bespült, angefüllt, und diese wird im einfachsten Falle durch
Bewegungen des T'hieres, meist aber durch ein bei den verschiedenen
Gruppen sehr verschieden gebautes Herz in Circulation erhalten. An
das Herz schliesst sich bei vielen Formen ein mehr weniger compli-
eirtes, übrigens aber niemals vollkommen gegen die Leibeshöhle ab-
geschlossenes Gefässsystem an. Der sehr verschieden gegliederte,
bald mit Leber, bald mit Ausscheidungsorganen versehene Darm-
Der Typus der Arthropoden. 11
canal, der nur in sehr seltenen Fällen, bei einigen schmarotzenden
Krebsen oder als reine Begattungsmaschine dienenden Blattlausmänn-
chen, verkümmert, ist zwischen dem vorn auf der Bauchseite gelegenen
Mund und der Afteröffnung ausgespannt. Er ist, wie überhaupt alle auf
der Aussenfläche mündenden inneren Organe des Arthropodenkörpers,
mit einer feinen Chitincuticula, die an den Mündungsstellen in die
Cuticula der Körperoberfläche übergeht, ausgekleidet. Als Organe der
Nahrungsaufnahme dienen diesem Zwecke angepasste, die Mund-
öffnung seitlich umstehende Gliedmassenpaare.
Das centrale Nervensystem oder Bauchmark besteht der
Anlage nach in jedem Segmente aus je zwei rechts und links von der
Medianlinie gelegenen Nervenknoten, also einem Ganglienpaar. Es
sind dieselben unter sich durch eine kurze Querbrücke und mit den
Ganglienpaaren der anstossenden Segmente durch je ein paar Längs-
stimme verbunden. Das Nervensystem kann also im Ganzen als ein
strickleiterförmiges Gebilde bezeichnet werden. Das erste Nervenknoten-
paar liest oberhalb, das zweite unterhalb des Schlundes, und beide bilden
mit den sie verbindenden Längsstämmen den Schlundring. Die Anzahl
der Nervenknoten ist meist — durch Verschmelzung mehrerer zu gemein-
samen Massen — verringert und es kann daher das Bauchmark mitunter
sehr verkürzt erscheinen, z. B. bei den Taschenkrebsen.
Die Fortpflanzung der Arthropoden geschieht ausschliesslieh durch
Eier; niemals kommt Knospung oder Theilung vor. Beinahe alle
Arthropoden sind getrennten Geschlechtes. Die Bauchseite des Embryos
wird im Ei zuerst angelegt. Beiweitem die meisten Formen durchlaufen
nach ihrem Ausschlüpfen aus dem Ei eine Metamorphose.
Eier, gebildet in den paarigen Eierstöcken der Weibchen, sind
die einzigen bei den Arthropoden vorkommenden Fortpflanzungskörper.
Da dieselben sich aber mitunter bereits in noch nicht völlig aus-
gebildeten Thieren — Larven — entwickeln und dann — ebenso wie in
manchen anderen Fällen, wenn sie auch von entwickelten Weibchen
erzeugt werden — keiner Befruchtung durch den männlichen Samen
bedürfen, so sah man diese jungfräulich, parthenogenetisch, oder in
unreifen Geschöpfen, paedogenetisch, sich entwickelnden Eier fälsch-
lich als etwas Besonderes, als ‚Sporen’ oder Keime”, an. Daher
die entgegenstehenden Ansichten mancher älteren Lehrbücher. Nur
die Bärthierchen und die niedrigsten Krebse, die „Entenmuscheln und
Seepocken”, sind Zwitter oder Hermaphroditen, d. h. haben beiderlei
Geschlechtsorgane in einem Individuum vereinigt. Alle anderen sind
getrennten Geschlechtes, haben Männchen und Weibchen, In dem Ei
wird zunächst als segmentirter „Keimstreif” die Bauchseite des
jungen Thieres mit dem Nervensystem und mit den Gliedmassenpaaren
angelegt. Zuletzt wird der Rücken ausgebildet. Hierdurch unterscheiden
sich die Arthropoden wesentlich von den Wirbelthieren, bei denen
stets zuerst die Rückenfläche mit dem dort befindlichen Rückenmarke
12 Kap. I. Die Gliederfüssler im Allgemeinen. b
angelegt, dagegen der Bauch zuletzt ausgebildet wird und sich zu-
letzt schliesst, wie die Stellung des Nabels bei ihnen zeigt. — Am
besten kann man dies an gekochten Krebseiern, respective an jungen
eben ausgeschlüpften Forellen beobachten. — Nur wenige Arthropoden
verlassen das Ei in der dem erwachsenen Thiere eigenthümlichen Form.
Sie durchlaufen vielmehr während ihres freien Lebens unter mannigfachen
Häutungen — siehe oben — eine Reihe von Formwandlungen, deren
Gesammtheit man als. Metamorphose bezeichnet. Das bekannteste
Beispiel ist die Entwicklung des Schmetterlings, welcher vor seiner
definitiven Ausbildung das Raupen- und Puppenstadium durchläuft.
D
FII 91011 D
Fig.5. Aus dem Ei genommener Embryo Fig. 6. Eben ausgeschlüpfte junge Bach-
des Flusskrebses, bei welehem schon die forelle mit anhängendem bauchständigen
ganzen Gliedmassen und die Bauchseite Dottersack bei D. ?,.
ausgebildet sind, während bei D der
rückenständige Dottersack noch sichtbar
ist. FI vorderer, F II hinterer Fühler.
9—11 die drei ersten Gangbeine,
A Hinterleib. 1/,.
Die Klassen der Arthropoden.
Der Typus der Arthropoden zerfällt in vier natürliche Gruppen,
Klassen genannt. Es sind dies die Krebsthiere oder Crustacea, die
Spinnenthiere oder Arachnoidea, die Tausendfüsse oder Myrio-
poda und die Kerfe oder Insekten, Insecta. Zur kurzen Definition dieser
Klassen verwendet man Kennzeichen, welche entnommen sind:
a) der Gruppirung der Segmente zu grösseren Abschnitten;
b) der Besetzung dieser Segmentgruppen mit verschiedenartigen Glied-
massen und der Beschaffenheit und Zahl der letzteren;
c) der Beschaffenheit der Athmungsorgane;
d) dem Fehlen oder Vorhandensein von Flügeln.
Die Klassen der Arthropoden. 13
Wie wir oben sahen, ist die Segmentirung der Arthropoden stets
eine heteronome. Niemals sind alle Segmente gleichwerthig und
getrennt. Am stärksten ist die Heid none: und das Zusammentreten
einer Anzahl von Segmenten zu grösseren Gruppen ausgebildet bei
den Insekten (Fig. 7). Wir unterschiede bei diesen: 1. Kopf, caput,
zepaÄn, 2. Brust, thorax, 3. Hinterleib, abdomen.
Als Kopf rd bezeichnet die vorderste aus vier verschmol-
zenen Segmenten gebildete Körperregion, welche die Augen und die
‚Mundöffnung, sowie von Gliedmassen ein Paar Fühler und drei
Paar Mundwerkzeuge, Kiefer, trägt. Als Brust bezeichnet man
den aus drei Segmenten gebildeten Abschnitt, welcher drei Bein-
Fig.7. A Männliche Hornisse, Vespa Crabro. X Kopf, B Brust, 7 Hinterleib, # Fühler
(erstes Gliedmassenpaar), N NA Netzauge, pa Punktauge, Ob K Vorderkiefer (zweites
Gliedmassenpaar, die zwei folgenden aa sind bei dieser Ansicht nicht wahr-
zunehmen) 5, 6, 7 Beine (sechstes bis siebentes Gliedmassenpaar), #77 Vorderflügel,
FT 2 Hinterflügel. — B Tasterloser Kiefer, isolirt.
paare und meist an der Rückenfläche der beiden hinteren Segmente
zwei Paar Flügel trägt. Keine andere Arthropodenklasse hat
Flügel.
Der dritte und letzte, meist aus zehn Segmenten zusammen-
gesetzte Abschnitt, welcher bei den ausgebildeten 'Thieren niemals
deutliche Gliedmassen trägt, ist der Hinterleib.
Bei den spinnenartigen Thieren (Fig. 8 und 9) ist dagegen
eine Theilung des Körpers in nur zwei grössere Segmentgruppen "als
Regel zusehen. Es verschmelzen hier en nicht allein wie bei den
De die mit Mundwerkzeugen versehenen Segmente unter einander,
sondern diese treten auch mit den vier folgenden, vier Paar Beine tragenden
Segmenten zusammen. Diesen im Ganzen sechs Gliedmassenpaare tragen-
den Abschnitt bezeichnet man als gleichwerthig dem Kopf und Thorax
14 Kap. I. Die Gliederfüssler im Allgemeinen.
der Insekten und nennt ihn Cephalothorax, Kopfbruststück. Eigentliche
Fühler fehlen, aber man nimmt an, dass das erste sicherlich haupt-
sächlich der Nahrungsaufnahme dienende Gliedmassenpaar morphologisch
dem Fühler der Insekten gleichwerthig ist und nennt dieses daher
Kieferfühler. Auf den Cephalothorax folgt ein meist scharf abgesetzter
Hi 2)
12 34 56
Fig. S. Kreuzspinne, Epeira diadema L. Fig. 9. Holzbock, Ixodes ricinus L.
1/ 2
KB Kopfbruststück oder Cephalothorax, 77 Hinterleib (Abdomen), 1—6 die sechs
Gliedmassen des Cephalothorax, 1 Kieferfühler, 2 Kiefertaster, 3—6 die vier Beinpaare.
l
Fig. 10. A Männlicher Flusskrebs, Astacus fJluviatilis L. X BP Kopfbruststück, 47 Hinter
leib, N A gestieltes Netzauge, FI mit zwei Geisseln versehener, vorderer Fühler
(erstes Gliedmassenpaar), #'/I eingeisseliger hinterer Fühler (zweites Gliedmassen-
paar). Das dritte bis achte Gliedmassenpaar, Kiefer und Kieferfüsse darstellend, ist
in dieser Ansicht nicht darstellbar; 9—13 die fünf Paar Gangbeine, von denen das
erste zu den grossen Scheeren modifieirt ist, 16—19 die sechs Paar Gliedmassen des
Hinterleibes, von denen 14 und 15 zu Begattungsorganen und 19 zu Seitentheilen
der Schwanzflosse umgebildet sind. — B Der Taster tragende Oberkiefer (drittes
Gliedmassenpaar), 7’ Taster, !/,.
ungegliederter und gliedmassenloser Hinterleib, der aber bei den höchsten
Formen, Scorpionen und Verwandten, die Gliederung beibehalten, bei den
niedrigsten Formen, den Milben (Fig. 9), ganz mit dem Cephalothorax
verschmelzen kann. Wenngleich also die Regionenbildung des Körpers
bei den Arachnoideen keine so constante ist wie bei den Insekten,
Die Klassen der Arthropoden. 15
so ist doch die Anzahl ihrer Gliedmassen eine ebenso feststehende
wie bei diesen.
Auch bei den Crustaceen finden wir stets einen Cephalothorax,
d. h. einen vorderen Complex verschmolzener Segmente, welcher ausser
den Fühlern und eigentlichen Mundwerkzeugen noch weitere Glied-
massen trägt. Am ausgebildetsten ist derselbe bei unserem Flusskrebs
und Verwandten, wo er ausser den beiden Fühlerpaaren und den
drei Paaren eigentlicher Kiefer, noch drei Paar Kieferfüsse und fünf
Paar Bewegungsfüsse, also im Ganzen dreizehn Gliedmassenpaare trägt
(Fig. 10). In anderen Fällen besteht er aus viel weniger Segmenten,
so z. B. bei dem Flohkrebs
(Fig. 11) nur aus sechs die
Fühler, die Kiefer und nur
ein Kieferfusspaar tragenden
Ringen. Es bleiben daher
hier sieben weitere fusspaar-
tragende Brustsegmente frei
(Fig. 11 B), und erst hinter
diesen schliesst sich dann,
nicht gleich an den Oephalo-
thorax wie bei dem Fluss-
krebse,einweitererAbschnitt,
das Abdomen, an. Es trägt
aber dieses gleichfalls kleine
Füsse. Wir sehen aus der kur-
Fig. 11. Flohkrebs, Gammarus; die verbrei-
tetste Art in unseren süssen Gewässern ist
zen Vergleichung von zwei
sich immerhin noch ziem-
lich nahe stehenden höheren
Krebsen, dass die Regionen-
bildung bei den Krebsen
keine so gleichmässige ist
Gammarus pulex L. X 5 Kopfbruststück, 5 die
sieben freien Brustringe, #4 Hinterleib, N A
sitzendes Netzauge, FI vorderer Fühler (erstes
Gliedmassenpaar), Z' // hinterer Fühler (zweites
Gliedmassenpaar). Die drei folgenden Glied-
massenpaare, die Kiefer, sind nur angedeutet.
6 Kieferfuss (sechstes Gliedmassenpaar, das letzte
des Kopfbruststückes), 7—13 die sieben Fuss-
paare der freien Brustringe, 14—16 Schwimm-
füsse des Hinterleibes (vierzehntes bis sech-
zehntes Gliedmassenpaar), 17—19 Springfüsse
wie bei den Insekten. Noch
viel mehr variirt sie bei den
niederen Krebsen. Nur die
s g 3 des Hinterleibes (siebzehntes bis neunzehntes
Cephalothoraxbildung und ea De).
die Besetzung auch des Ab- hp
domens mit Gliedmassen ist ziemlich constant. Besonders charakte-
ristisch ist für die Krebse das regelmässige Vorkommen von zwei
Paar Fühlern (Fig. 10 A und 11, FI und FIT), sowie das häufige
Vorhandensein von Tastern am Öberkiefer (Fig. 10 2), Kennzeichen,
welche sich niemals bei einer anderen Arthropodengruppe finden.
Bei den Myriopoden (Fig. 12) finden wir einen dem Kopfe der
Insekten vergleichbaren, ein Paar Fühler und drei Paar Mundwerkzeuge
tragenden Kopf, an den sich eine bald kleinere, bald sehr grosse
Anzahl im Wesentlichen gleichgebildeter und je ein oder zwei
Fusspaare tragender freier, unverschmolzener Segmente anschliesst.
Sicherlich ist die Summe dieser gleichgebildeten freien Segmente den
16 Kap. I. Die Gliederfüssler im Allgemeinen.
3rust- und Hinterleibssegmenten der übrigen Arthropodengruppen zu
vergleichen. Aeusserlich ist eine 'Trennung von Brust und Hinterleib
aber nicht ausgedrückt. Bei den Myriopoden ist also die Segmentirung
des Leibes am wenigsten heteronom ausgebildet.
Die Krebse end meist Wasserbei die spinnenartigen Thiere
und Tausendfüsse Landbewohner, während man die gleichfalls meist
auf dem Lande lebenden Insekten wegen ihrer Flugfähiskeit ausserdem
auch als Luftbewohner bezeichnen kann. Der Lebensweise entsprechen
im wesentlichen die Athmungsorgane. Die Krebse nehmen durch
Kiemen den Sauerstoff der mechanisch an das Wasser gebundenen
atmosphärischen Luft auf, während Insekten, Tausendfüsse und spinnen-
artige T'hiere, wenn sie, wie allerdings meist der Fall, überhaupt be-
sondere Athmungsorgane haben, durch Tracheen direet den Sauerstoff
der atmosphärischen Luft athmen. Sind doch die gewöhnlich als
Lungen bezeichneten Athmungsorgane der Webspinnen und Scorpione
nichts weiter als eigenthümlich modifieirte Tracheen und werden daher
auch neuerdings besser als Blättertracheen bezeichnet.
Fig. 12. Tausendfuss, Scolopendra morsitans L. !/. A Kopf, F Fühler (erstes Glied-
massenpaar), die Kiefer (zweites bis viertes Gliedmassenpaar) in dieser Ansicht nicht
darstellbar, 5—26 die Gliedmassen der freien Leibessegmente, von denen nur das
fünfte zu einer Art Kieferfuss umgewandelt ist.
Sehen wir von einzelnen ganz aberranten, meist durch regressive
Metamorphose veränderten Formen ab, so können wir die vier Klassen
folgendermassen kennzeichnen:
Die krebsartigen Thiere sind deutlich heteronom segmentirte,
flügellose, gewöhnlich durch Kiemen athmende Gliederfüssler, deren aus
einer sehr wechselnden Anzahl von Segmenten bestehender Leib wenig-
stens in ein Fühler, Kiefer und andere Gliedmassen tragendes Kopfbruststück
und einen gleichfalls meist gliedmassentragenden Hinterleib zerfällt. Stets
„wei Paar Fühler, erstes Kieferpaar meist mit Tastern versehen.
Die spinnenartigen Thiere sind deutlich heteronom segmentirte,
flügellose, gewöhnlich durch Tracheen athmende Gliederfüssler, deren
Leib aus einem stets zwei Paar Mundwerkzeuge und vier Paar Beine
tragenden Kopfbruststück und einem meist abgesetzten, gliedmassenlosen
Hinterleibe besteht. Keine wirklichen Fühler. Erstes Paar Mundwerkzeuge
tasterlose Kieferfühler.
Beachtenswerthe Arachnoideen. 17
Die Tausendfüsse sind schwach heteronom segmentirte, flügellose,
durch Tracheen athmende Gliederfüssler, deren Leib zerfällt in einen aus
vier Segmenten verschmolzenen Fühler und drei Paar Kiefer tragenden
Kopf und eine grössere Anzahl freier, je ein oder zwei Paar Beine
tragender Segmente. Stets nur ein Paar Fühler. Erstes Kieferpaar tasterlos.
Die Insekten sind deutlich heteronom segmentirte, meist geflügelte,
durch Tracheen athmende Gliederfüssler, deren Leib in einen Fühler
und drei Paar Kiefer tragenden, aus vier Segmenten verschmolzenen
Kopf, eine aus drei Segmenten bestehende, drei Beinpaare tragende
Brust und einen gliedmassenlosen Hinterleib zerfällt. Stets nur ein
Paar Fühler. Erstes Kieferpaar tasterlos,
Die krebsartigen Thiere fallen ganz ausserhalb des Rahmens
dieses Werkes und können daher gar nicht berücksichtigt werden.
Die spinnenartigen Thiere werden eingetheilt in neun Ordnungen:
le Zungenwürmer, Linguatulida.
2. Milben,. Acarina.
3. Bärthierchen, Tardigrada.
4. Echte Spinnen, Araneida.
5. Afterspinnen, Phalangida.
6. Scorpionsspinnen, Pedipalpi.
7. Scorpione, Scorpionidea.
8. Afterscorpione, Pseudoscorpionidea.
a Walzenspinnen, Solifugae.
Von diesen fallen die sechste, siebente und neunte Ordnung, als
unserer Fauna wesentlich fremd, ausserhalb des Rahmens dieser Dar-
stellung. Auch für die meisten übrigen Gruppen müssen wir uns mit
Andeutungen der forstlich interessanten Züge in ihrer Lebensweise
begnügen.
Die Zungenwürmer, eine sehr abweichende Gruppe, sind grosse,
bis fingerlange, wurmartige, nur in ihren Jugendzuständen als Glieder-
füssler erkennbare Thiere, deren einzige bei uns einheimische Art,
Pentastomum taenioides Rup. im erwachsenen Zustande in der Nasen-
und Stirnhöhle des Hundes und Wolfes schmarotzt, im Larvenzustande
aber die Eingeweide der Hasen und Kaninchen zerstört.
Die Ordnung der Milben schliesst die forstlich beachtungs-
werthesten Spinnenthiere ein. Es sind fast ausschliesslich ziemlich
kleine Thiere, welche deutlich den Charakter der Gliederfüssler
erkennen lassen. Die Verschmelzung des Hinterleibes mit dem Cephalo-
thorax ist für sie besonders charakteristisch (Fig. 13).
Ihre Mundtheile sind zwar zum Theile beissend, bei vielen und
besonders bei den parasitischen Formen aber zum Stechen und Saugen
Lehrbuclı d. mitteleurop, Forstinsektenkunde. >
18 Kap. I. Die Gliederfüssler im Allgemeinen.
eingerichtet. Die Jugendformen entbehren noch des letzten Beinpaares
(Fig. 13, 2).
Als niedrigste Form erwähnen wir die Haarbalgmilbe,
Demodex folliculorum Lm., ein nur circa 0'3 mm langes und
eirca 0:04 mm breites, also dem blossen Auge völlig unsichtbares,
langgestrecktes Thier, welches in den Talgdrüsen und Haarbälgen der
Menschen und der Thiere häufig lebt und bei starker Vermehrung
beim Menschen die ‚„Mitesser’’ erzeugt, bei den Hunden aber eine
sehr schwer heilbare Form der Räude verursacht.
Dieser Form schliessen sich an die eigentlichen Krätz- und
Räudemilben. Der Parasitismus der in der Haut des Menschen
Gänge grabenden, gerade noch mit blossem Auge sichtbaren Menschen-
krätzmilbe, Sarcoptes scabiei Dre. ist die einzige Ursache der Krätz-
krankheit, welche also stets nur durch Uebertragung der Milbe,
nicht aus inneren Gründen entstehen kann, Daher sind die Krätz-
krankheit, ebenso wie alle Räudekrankheiten der Hausthiere,
Fig. 13. A. Erwachsenes und voll Blut gesogenes Exemplar des gemeinen Holz-
bockes, Ixodes ricinus L., von der Seite gesehen, 3/,. B. Junges Exemplar, dem
noch das letzte Beinpaar fehlt, von oben gesehen, nicht vollgesogen, ®/,. 1—6 die
Gliedmassenpaare.
nur mit äusserlichen Mitteln zu behandeln. Drei Gattungen
von Räudemilben sind es, welche die Krankheiten unserer Haussäuge-
thiere erzeugen: Sarcoptes, Dermatocoptes und Dermatophagus. Die
gewöhnliche Hunderäude ist Sarcoptesräude. Es kann beim Hunde
aber auch im Innern der Ohrmuschel eine Dermatophagusräude vor-
kommen, welche dann häufig Grund des ‚inneren Ohrwurmes’” wird.
Den Krätzmilben nahe verwandt sind die Käsemilben, von
denen Tyrogliphus siro Gerv. die bekannteste ist.
Die Schildmilben, Gamasidae, schmarotzen auf Insekten, Vögeln
und Säugethieren. Gamasus coleoptratorum L., die gemeine Käfer-
milbe, findet sich häufig in grossen Mengen an der Bauchseite der
Aas- und Mistkäfer.
Harrıc beschreibt in seinem Conversations-Lexikon, p. 733, aus-
führlich eine Borkenkäfermilbe, welche nach ihm der Gattung
Uropoda Larr. angehört. Dieselbe heftet sich mit einer vom After
ausgehenden Röhre hinten an die abschüssige Stelle der Flügeldecken
der Käfer, und wird so mit in die neuen Brutgänge getragen, wo sie
Die Gallmilben. 19
ihre Brut unterbringen kann. Er fand sehr viele Larven und Puppen
des Tomicus typographus durch die Larven dieser Milbe zerstört.
Wahrscheinlich ist es dieselbe Milbe, welche J. MürLrer in Mähren
an Borkenkäfern fand und als Uropoda ovalis bezeichnet und HExseEL
— Geunertr und Leo, ‚Forstliche Blätter’ IV, p. 215 — von
Scolytus pruni erwähnt.
Dermanyssus avium Dwuc. ist ein sehr häufig auf Vögeln, be-
sonders auf unseren Stubenvögeln und Hühnern schmarotzendes Thier,
welches auch auf den Menschen übergehen kann.
Die grössten einheimischen Milben sind die Zecken, Ixodidae.
Sie zeichnen sich durch ihre lederartige, stark ausdehnbare Haut und
durch ein Hornschild auf dem Rücken aus. Als Belästiger von Thieren
und Menschen ist der bekannte Ixodes ricinus L. (Fig. 13) erwähnens-
werth, welcher sich mit seinen Mundwerkzeugen tief und fest in die
Haut bohrt, um Blut zu saugen. Er schwillt nach und nach bis zur
Grösse einer Johannisbeere an. Mit Gewalt soll man das festgesaugte
Thier nicht herausziehen, weil dann der Kopf abreisst, in der Haut
zurückbleibt und Eiterung verursacht. Dagegen kann man den Holz-
bock durch sanftes Reiben mit dem in Baumöl getauchten Finger zum
Loslassen bringen, freilich oft erst nach 20 bis 40 Minuten. Auch
Tabakssaft, Branntwein oder Salzwasser bewirken dasselbe.
Für den Forstmann haben die Gallmilben, Phytoptidae, Bedeu-
tung. Kann man sie auch nicht als sehr schädliche Waldverderber bezeich-
nen, so sind diese stets auf perennirenden und häufig auf Holzpflanzen
lebenden Thiere doch durch die von ihnen veranlasste Gallenbildung
vielen Waldbäumen und Sträuchern nachtheilig. Die Familie umfasst
bis jetzt blos eine einzige zoologisch charakterisirbare Gattung, die
Gattung Phytoptus (Fig. 14).
Dieselbe enthält sehr kleine, 0:13 bis 0:30 mm lange, fast walzen-
förmige, nach hinten und vorn zugespitzte Milben mit fein geringeltem
Leibe. Mundwerkzeuge sehr rudimentär, rüsselartig nach unten stehend.
Nur die beiden vorderen fünfgliedrigen, mit einer glatten Kralle und
einer gefiederten Borste am letzten Gliede versehenen Beinpaare sind
ausgebildet; dagegen die beiden hinteren rudimentär und durch Borsten
vertreten.
Alle Milbengallen, welche bis jetzt genau untersucht wurden,
haben Phytoptusformen als Erzeuger. Die sehr zahlreichen Gattungs-
namen, welche für Gallmilben besonders von AMmERLInG aufgestellt
wurden, z. B. Volvulifex, Phyllerius, Malotrichus, Calycophthora
u. s. f., sind daher einfach zu streichen. Es sind dieselben nämlich
nicht nach zoologischen Merkmalen der die Gallen erzeugen-
den Thiere aufgestellt worden, sondern lediglich nach mehr minder
wichtigen Formunterschieden der betreffenden Gallen. Unter-
sucht man deren Bewohner und Erzeuger, so findet man stets
Phytoptus, und es ist augenblicklich nicht einmal möglich, ver-
20 Kap. I. Die Gliederfüssler im Allgemeinen.
schiedene Arten der Gattung Phytoptus nach zoologischen Merkmalen
sicher zu unterscheiden, obgleich doch anzunehmen ist, dass die in ihrer
Erscheinung und Stellung an den verschiedenen Pflanzen so ungemein
verschiedenen Phytoptusgallen allerdings von der Art nach verschie-
denen Phytoptusformen erzeugt werden. Hiefür spricht besonders, dass
wir auf ein und demselben Organ ein und derselben Pflanze mitunter
sehr verschiedene Formen finden. So sind allein auf den Blättern der
Linde vier verschiedene Formen von Phytoptusgallen beobachtet.
Es bleibt daher vorläufig nichts Anderes übrig, als die Phytoptus-
gallen, deren Kenntniss in der neueren Zeit besonders durch Thomas
gefördert wurde, nach ihren botanischen Merkmalen einzutheilen, wobei
wir uns wesentlich an die
Darstellung von Fraxk
[XXV, 8. 669 — 700] an-
schliessen.
A,
Die Phytoptusgallen ent-
stehen durch krankhafte Wu-
cherung von Pflanzentheilen
meist direct an den Stellen,
an welchen ein oder mehrere
Gallmilben saugen. Die An-
> oriffe der Milben richten sich
stets auf ganz Junge, vielfach
auch auf noch in der Knospe
liegende Blätter und Triebe.
Fig. 14. Gallmilbe aus deformirten Knospen des Esscheintübrigens, als
Haselnussstrauches. : ; <
« ' ; 7 inzelne ällen
A. 150/,. Ein ganzes Thier von unten gesehen. wenn in einzelnen Fällen
B. 3%/,. Vordertheil mit dem zugespitzten Rüssel überhaupt ein Saugen von
und den beiden Beinen von der rechten Seite Milben an einem Blatte ge-
gesehen. nügte, um Gallen an densel-
ben entstehen zu lassen und dass die Gallbildung nicht genau auf den
Umkreis der angesaugten Stelle beschränkt bleibt. Die Gallmilben über-
wintern als erwachsene Tbiere in den Knospen und wandern zu dem
Zeitpunkt, in welchem sich neue Knospen an den jungen Jahrestrieben
bilden, aus den nun vertrocknenden, alten Gallen aus, um die jungen
Kuospen zu beziehen.
Dass ein merklicher forstlicher Schaden durch Phytoptus
angerichtet worden wäre, ist bis jetzt nicht bekannt. Dagegen werden
zweifellos die von ihnen befallenen Stellen der Blätter und Triebe ihrem
normalen Dienste entzogen und besonders kann da, wo an den erkrankten
Blattstellen das Chlorophyll schwindet, keine Assimilation stattfinden.
Vom Haselstrauch ist bekannt, dass sein Fruchtertrag durch Phytoptus-
angriffe mitunter beeinträchtigt wurde.
Die Gallmilben. 21
Die Angriffe der verschiedenen Phytoptusarten erzeugen:
A. An Blättern:
. Filzbildungen,
Beutel- oder Taschenbildungen,
Pockenbildungen,
Einrollungen oder Faltungen,
NEE
Umrissveränderungen.
B. An Knospen und Triebspitzen:
6. Anschwellungen und Wucherungen.
Aehnliche Bildungen können übrigens auch durch andere Gall-
insekten, z. B. durch Gallmücken hervorgebracht werden und es ist stets
der mikroskopische Nachweis des wirklichen Vorkommens von Gall-
milben nöthbig, wenn man eine neu gefundene Missbildung als Milben-
galle sicher ansprechen will.
Filzbildungen. Diese anfänglich für Pilze, Gattung Erineum
Persoon, gehaltenen Wucherungen stellen abnorme reichliche Haar-
bildungen an den Blättern dar, und bilden auf ihnen filzige, meist
lebhaft gefärbte Stellen. Die Form der Haare ist sehr verschieden,
aber für die einzelnen Gallenarten charakteristisch. Die zwei Haupt-
formen sind die ceylindrischen und die geknöpften oder gekeulten
Haare. Zwischen diesen Haaren leben die Milben. Die Filzkrankheit
kommt wesentlich an Holzgewächsen vor. Bei uns hat man dieselben
am häufigsten bemerkt auf: Linde, Wallnuss, Eiche, Buche, Birn- und
Apfelbaum, Vogelbeere, Weissdorn, Traubenkirsche, Ahorn, Erle,
Birke und Pappel, ausserdem noch auf einigen Kräutern. Praktisch
nicht unwichtig ist die Filzkrankheit des Weinstockes, welche schon
häufig 'Traubenmisswachs verursacht hat.
Beutelbildungen entstehen dadurch, dass die meist auf der
Unterseite des Blattes gelegene Angriffsstelle der Milbe sich vertieft
und schliesslich auf der Oberseite in Form einer Ausstülpung vortritt.
Es bildet sich also eine hohle, häufig lebhaft gefärbte, innen oft be-
haarte Galle, die der Blattfläche nur mit einer beschränkten, von der
Gallenmündung durchbohrten Stelle ansitzt (Fig. 15, B). In manchen
Fällen umgibt sich die Mündung noch mit einem besonderen Mündungs-
wall. Am bekanntesten sind die „langkegelförmigen, oben und unten
verdünnten, oft etwas gekrümmten, bis 5 mm langen, wenig über 1 mm
breiten, meist schön roth gefärbten und kahlen ‚„Nagelgallen” auf der
Oberseite der Lindenblätter” (Fig. 15, 4).
Bekannt sind ferner noch Taschen- und DBeutelgallen an
Traubenkirsche, Schlehe, Pflaumenbaum, Ahorn, Erle, Ulme, Weide
und Esche.
\
22 Kap. I. Die Gliederfüssler im Allgemeinen.
Pockenbildungen entstehen, wenn die Milben in das Innere
der Blätter eindringen und eine äusserlich als „Pocke” sich dar-
stellende, durch abnorme Wucherung des Blattfleisches, der Mesophyll-
zellen, erzeugte Anschwellung hervorrufen; häufig erhält eine solche
Galle durch Bersten der Oberhaut auf der Unterseite des Blattes einen
Eingang. Solche Gallen sind daher von fadenförmig veränderten
Mesophylizellen ausgekleidet, die vorher geschilderten Taschengallen
dagegen von der eingestülpten Epidermis.
Am häufigsten findet man die Pockenkrankheit bei Birnbäumen;
sie ist aber auch noch an Vogelbeere, Mehlbeere, Elsebeere, Zwerg-
mispel, Wallnuss und Rüster beobachtet worden.
Rollungen der Blattränder, hervorgebracht durch Phytoptus-
angriffe, können entweder mit oder ohne Blattverdiekung vorkommen.
Letzteres ist bei Holzgewächsen der häufigere Fall und wird beobachtet
an Linde, Buche und Weide, sowie an einer Reihe anderer Sträucher
und Kräuter.
\
>
Fig. 15. Milbengallen an Lindenblättern. A in natürlicher Grösse. B vergrösserter
Längsschnitt nach FRANnk.
Von der Mittelrippe gegen den Rand längs der Seitennerven
verlaufende, in ihrer Höhlung auf der Oberseite des Blattes Milben
beherbergende Falten verursachen bei der Hainbuche oft auffällige
Kräuselungen der Laubblätter.
Umrissveränderungen, durch welche das junge Blatt einen
völlig veränderten Habitus bekommt, besonders häufig schmäler oder
tiefer zerschlitzt wird, und welche mitunter in Verbindung mit Rand-
rollungen und Filzbildungen vorkommen, sind bis jetzt nur bei ver-
schiedenen Kräutern beobachtet worden, z. B. bei der gemeinen
Bibernelle, Pimpinella saxifraga. Beeinflusst die Missbildung die ganze
Triebspitze, so kommen Uebergänge zu der nächsten Form vor.
Knospen- und Triebspitzenanschwellungen und
Wucherungen. Werden Sprosse bereits im Knospenzustande als
solche von Phytoptus angegriffen, so bleiben sie kurz, und es tritt
eine überhäufte Bildung dicht aufeinanderliegender Blätter ein, so
dass die Knospe schwillt und einen runden Blätterknopf oder
dichten Blätterschopf darstellt. Solehe Bildungen findet man häufig
Gallmilben und andere beachtenswerthe Milben. 23
- am Haselnussstrauch, und auch an der Birke kommen bis 1 cm starke,
verdiekte Knospen vor. Geradezu blumenkohlähnliche, wallnuss- bis
faustgrosse T’riebdeformationen werden durch Phytoptus an verschiede-
nen Weiden, z. B. an den Zweigen der Trauerweide sowie an Pappeln
und Rüstern erzeugt.
Kirchner berichtet im Jahre 1863, dass ein in der Gegend von Kaplitz in
Böhmen befindlicher, aus S00—1000 Bäumen und Sträuchern bestehender Hasel-
bestand in Folge der durch ausserordentliche Vermehrung der
Gallmilben hervorgerufenen massenhaften Zerstörungen nicht eine
einzige Frucht hervorbrachte, während er in früheren Jahren
10—20 hl Nüsse lieferte.
Eine ursprünglich von Harrıc im „Forstlichen
Conversations-Lexikon”, S. 757, an schlechtwüchsigen
Kiefern beschriebene und von FrAuUENnFELD wieder beob-
achtete, bis bohnengrosse Missbildung, bei welcher das
Rindengewebe eine schwammige Anschwellung bildet,
in welcher sich zahllose, von Milben erfüllte Höhlen
bilden, ist neuerdings nicht genauer untersucht worden.
Wahrscheinlich ist auch hier Phytoptus der Thäter,
wenngleich Harrıc die Milbe als Oribata geniculata
Larr. bezeichnet.
In die Gruppe der Laufmilben, Trombididae, ge-
hört auch Tetranychus telarius L., ein Thhier, dessen sechs-
beinige Jugendformen als Leptus autumnalis beschrie-
ben und ‚„Herbstgrasmilbe” benannt, gelegentlich einen
Hautausschlag bei Menschen und Thieren erzeugen kann.
Als erwachsenes Thier ungefähr 0:25 mm lang, lebt sie
im heissen Sommer an der Unterseite der Blätter der ver-
schiedensten Pflanzen, wo sie ein Gespinnst macht, zwischen
dessen Fäden die Thiere nebst ihren abgeworfenen Häuten
und den Eiern als mehlartige Masse sitzen. Unter ihrem Fig. 16. Hasel-
e R & pr nusszweig im
Einflusse vertrocknen die Blätter schnell. Sie ist sehr Frühjahr mit
häufig an Linden, aber auch an Rosskastanien, Weiden Zwei durch
Phytoptus
und Fichten beobachtet, desgleichen an Feuerbohnen und _deformirten
Gartenzierpflanzen. Am Hopfen erzeugt sie die als ,„‚Kupfer- (@@) und zwei
= A = P = normalen (5 5)
brand” bezeichnete Krankheit. Knospen.
Die übrigen Milbenfamilien sind für unser Thema ohne Belang.
Wohin der „Acarus”, von birnförmiger Körpergestalt, mit lang-
borstigen Beinen, auch noch längerborstigem Hinterleib, auf der Unter-
seite des Hinterleibes zuweilen mit drei im Bogen stehenden braunen
Tupfen und ebensolchen Afterflecken, gehört, der nach NÖRDLINGER
[XXVI, p. 92] häufig Löcher in die Stengel von in Töpfen gezogenen
Nadelholzkeimlingen bohrt, so dass diese kümmern und umfallen, ist
24 Kap. I. Die Gliederfüssler im Allgemeinen.
ebenso wenig zu entscheiden, wie die zerstreuten Angaben RATzEBURG’s
über Milbenschäden zu verwerthen sind.
Die Bärthierchen sind kleine zwittrige Arachnoideen, welche
meist zwischen dem Moose unserer Dächer etc. leben und sich durch
grosse Widerstandsfähigkeit gegen Austrocknung auszeichnen. Jahrelang
eingetrocknete Thiere kommen bei Befeuchtung wieder zum Leben.
Macrobiotus Hufelandii S. ScH. sei als Beispiel angeführt.
Auch die zahlreichen echten Spinnen unserer einheimischen
Fauna können uns hier wenig interessiren. Sie gelten gewöhnlich für
nützliche Thiere, namentlich die Kreuzspinne, Epeira diadema L.
(Fig. 4), und ihre Verwandten, welche im Walde ihre grossen,
verticalen Netze zwischen Bäumen, Holzstössen u. s. w. ausspannen,
in denen auch Borkenkäfer gefangen werden. Auch unter den ohne
Gewebe lebenden, sogenannten Jagdspinnen, YVagabundae, gibt
es wohl manche Arten, welche an Bäumen u. s. w. ihre aus Insekten
bestehende Nahrung aufsuchen. Der Nutzen der echten Spinnen wird
indessen dadurch wenigstens theilweise wieder aufgewogen, dass sie
ganz unparteiisch schädliche und nützliche Insekten verzehren. Manche
schaden sogar etwas, wenn auch nicht im Walde, so doch im Garten,
durch ihr auf Pflanzen angelegtes Gewebe, indem dasselbe die freie
Entwicklung der Blättchen und Blüthen hindert.
Ein ganz bestimmter Nutzen der Spinnen ist neuerdings von
©. Kerver — „Schweizerische Zeitschrift für das Forstwesen” 1883,
8.165 und 1884, S.17 — nachgewiesen worden. Er fand, dass der einen
Art der Fichtenrindenlaus, Chermes abietis L., gleich Ch, viridis
Rarzeg., im August, das heisst dann, wenn die bekannten ananas-
förmigen COhermesgallen sich öffnen, um die Brut zu entlassen, von
verschiedenen Jagdspinnen, sowie von verschiedenen Radspinnen,
Epeira diadema, Theridium nervosum u. Ss. f., eifrig nachgestellt
wurde. Ja diese Räuber zogen sich förmlich nach den befallenen
Fichtenbeständen, wo nun zahlreiche, vorher fehlende Spinnennetze
zu sehen waren.
Während also echte Spinnen die Hauptfeinde des an frohwüchsigen
Fichten so häufig vorkommenden Chermes abietis L. sein sollen, hat
nach Kerter der mehr schattenliebende, verwandte Chermes coccineus
Rarzeg. einen Hauptfeind in der Gruppe der Afterspinnen.
Die durch scheerenförmige Kieferfühler, sehr lange Beine und
ein gegliedertes, in ganzer Breite dem Kopfbruststück ansitzendes
Abdomen von den echten Spinnen unterschiedenen Afterspinnen, im
Volksmunde Weberknechte oder Kanker genannt, leben mit Vorliebe
an schattigen Orten. Bei Zürich bemerkte nun Keuter, dass die eine
Art, Phalangium parietinum Dec., mit besonderer Gier die Weibchen
von Chermes coccineus vor der Eiablage ergriff, ihnen die Eimassen
aus dem Hinterleib quetschte und auffrass, während es die anderen,
härteren Theile liegen liess. Versuche ergaben, dass die Anzahl der
von Phalangium zerstörten Öhermesweibehen eine sehr bedeutende
sein kann.
Beachtenswerthe Spinnen, Afterspinnen und Tausendfüsse. 25
Einheimische spinnenartige T'hiere kommen, wenn wir die nur
an der Südgrenze unseres Faunengebietes lebenden Scorpione vernach-
lässigen, nur noch in der Gruppe der Afterscorpione vor. Diese
sehr kleinen, wie Scorpione mit abgetrenntem Schwanze aussehenden
Thiere leben unter Baumrinden, in alten Büchern u. s. f. und haben
für unsere Betrachtungen keinerlei Bedeutung.
Die Tausendfüsse zerfallen in zwei Ordnungen, welche wir als
Einpaarfüssler oder Chilopoda und Zweipaarfüssler oder Chilognatha
unterscheiden können. Zur Charakteristik dieser beiden Gruppen reicht
für uns die Angabe aus, dass die ersteren (Fig. 12) einen flachgedrückten
Leib und ein Gliedmassenpaar an jedem Leibesringe besitzen und sich
nicht kugeln oder spiralig einrollen können, während letztere einen
drehrunden oder auf dem Querschnitte halbkreisförmigen Körper haben,
an den mittleren und hinteren Segmenten je zwei Paar Füsse tragen
und sich meist einrollen oder kugeln können.
Aus der ersten Gruppe erwähnen wir Lithobius forficatus L.,
den „braunen 'Steinkriecher” (Tafel I, Fig. 11), eirca 25 mm lang,
ein bei uns häufig unter Steinen oder loser Rinde lebendes Thier,
das durch seine Insektennahrung nützlich sein soll.
Aus der zweiten Gruppe, die sich wesentlich von vegetabilischen
Stoffen nährt, sei Julus terrestris L., der gemeine Tausendfuss, er-
wähnt; 20 bis 30 mm lang, schwarzgrau mit zwei gelblichen Längs-
streifen auf dem Rücken und nicht selten bis 90 Fusspaaren. Ob
wirklich, wie behauptet wird, einige Julus-Arten landwirthschaftlich
schädlich. wurden, mag hier dahingestellt bleiben.
ALLGEMEINER THEIL.
Jede Eigenschaft eines Körpers gibt unter
Umständen einen Schlüssel ab, um eine ver:
schlossene Thür zu öffnen; aber die Theorie ist
der Hauptschlüssel, womit wir alle Thüren
öffnen.
v. Liesıc,
KAPITEL 1.
Die äussere Erscheinung der erwachsenen
Insekten.
Die Insekten sind deutlich heteronom segmentirte, ge-
flügelte, durch Tracheen athmende Gliederfüssler, deren Leib
aus einem Fühler und drei Paar Kiefer tragenden, aus vier
Segmenten verschmolzenen Kopf, einer aus drei Segmenten
bestehenden, drei Beinpaare tragenden Brust und einem im
Allgemeinen gliedmassenlosen Hinterleib besteht. Stets nur
ein Paar Fühler, erstes Kieferpaar tasterlos.
Der Leib des erwachsenen Insektes (Fig. 17, A), welches man im
Gegensatz zu den Jugendzuständen — Ei, Larve, Puppe — als Imago
bezeichnet, kann zunächst eingetheilt werden in den Stamm und die
Anhänge. Der Stamm zerfällt wieder in drei deutlich von einander
gesonderte Abschnitte, in Kopf, caput, Brust, thorax und Hinterleib,
abdomen.
Nur in seltenen Fällen, z. B. bei Smynthurus, einem kleinen Orthopteron
aus der Familie der Poduriden, kommen Verwachsungen von Brust- und Hinter-
leibsringen vor (vergl. auch S. 32).
Die Anhänge kann man eintheilen in die eigentlichen gegliederten
bauchständigen Gliedmassen und in die rückenständigen ungegliederten
Flügel.
Der Kopf des erwachsenen Insektes. 27
Die meist bereits an dem noch im Ei eingeschlossenen Embryo
angelegten, zu diesem Zeitpunkte noch wesentlich gleichgebildeten, wurst-
förmige Anhänge der Bauchseite darstellenden sieben Paar Gliedmassen
Fig. 17. A Männliche Hornisse. Vespa Crabro L. K Kopf, B Brust, 7 Hinter-
leib mit sieben Segmenten, F Fühler (erstes Gliedmassenpaar), N A Netzauge, p «@
Punktauge, Ob K Vorderkiefer (zweites Gliedmassenpaar); die zwei folgenden Kiefer-
paare sind in dieser Ansicht nicht wahrzunehmen, 5, 6, 7 Beine, (fünftes bis siebentes
Gliedmassenpaar), #71 Vorderflügel, #72 Hinterflügel. — B Vorderkiefer, isolirt.
passen sich späterhin verschiedenen Arbeitsleistungen an und treten
schliesslich in den sehr verschiedenen Formen von Fühlern, Kiefern und
Beinen auf. Wir werden dieselben zugleich
mit den Stammabschnitten, welche sie tra-
sen, besprechen.
Der Kopf. Er besteht stets aus einer
ungegliederten, starren, die Ansatzpunkte
für die zur Bewegung der Kopfgliedmassen
dienenden Muskeln abgebenden Chitinkapsel,
welche zwei Oeffnungen hat, von denen
die vordere als Mundöffnung in den
Darmeanal führt, die hintere, das Hinter- SSL
hauptsloch (Fig. 21, H L), dagegen den er an
Uebertritt der Speiseröhre, des Nervensystems Punktaugen, bb die paarigen
und der Musculatur nach der Brust hin ge- De rer kühler.
stattet. Die beiden Seiten des Kopfes werden eingenommen von den
paarigen grossen Netzaugen, oculi compositi,-welche nur selten fehlen;
28 Kap. II. Die äussere Erscheinung der erwachsenen Insekten.
zwischen denselben liegen häufig median die Punktaugen, ocelli
(Fig. 17, pa und Fig. 18, a).
Die Regionen des Kopfes werden nach altem Brauche
entsprechend den Regionen des menschlichen Kopfes bezeichnet
als Gesicht, facies, Scheitel, vertex, Hinterhaupt, oceiput,
Wangen, genae, Kehle, gula, und Hals, collum. Das Gesicht
wird wieder in einen hinteren Theil, Stirn, frons, genannt, und
einen vorderen über der Mundöffnung liegenden, das Kopfschild,
elypeus, unterschieden. Bei manchen Arten ist der Kopf ungewöhnlich
aufgetrieben oder mit hornartigen Verzierungen versehen. Die Stellung
des Kopfes gegen die Brust kann so sein, dass die Scheitelfläche
entweder nach oben oder nach vorn, die Längsachse des Kopfes also
horizontal oder vertical steht. Der Kopf ist mit der Brust entweder
B. c. D. E. E, G.
Fig. 19. „Gleichartige”” Fühler. A borstenförmig (Laubheuschrecke); DB fadenförmig
(Laufkäfer); ( perlschnurförmig; D gesägt (Schwärmer); E gekämmt (Schnellkäfer) ;
F doppelt gekämmt (Kammmiücke); @ wirtelförmig behaart (Stechmückenmännchen).
nur an einer beschränkten Stelle verbunden und dann frei gegen
dieselbe beweglich (Taf. VI, Fig.1) oder aber mehr weniger tief in
dieselbe eingesenkt (Taf. I, Fig. 4, F) und bei Rückenansicht mitunter
völlig von ihr verdeckt, z. B. bei vielen Borkenkäfern.
Dicht über der Mundöffnung ist eine mittlere ungegliederte Platte
eingelenkt, welche als Oberlippe, labrum, bezeichnet wird (Fig. 21, OZ).
Die Oberlippe kann nicht als zu den Gliedmassen gehörig an-
gesehen werden, stellt vielmehr eine mediane Falte oder Duplicatur
des Chitinskeletes dar. Sie lenkt sich unmittelbar dem Kopfschilde
an und dient als vordere Bedeckung der Mundwerkzeuge, denen sie
gewöhnlich beigezählt wird.
Entsprechend seiner Zusammensetzung aus vier Segmenten, trägt
der Kopf auch vier Gliedmassenpaare, von denen das erste, die
Fühler, antennae, als Sinnesorgan dient, während die drei übrigen
Kopf und Fühler. 29
zur Ergreifung und Aneignung der Nahrung eingerichtet, als Kiefer
bezeichnet und am einfachsten als Vorder-, Mittel- und Hinterkiefer
unterschieden werden. Die Oberlippe und die drei Kieferpaare zusammen
werden als Mundwerkzeuge, partes oris s. trophi, bezeichnet.
Die Fühler stellen stets ein Paar gegliederter Fäden dar, die nach
"Anzahl, Länge und Form der sie zusammensetzenden Glieder ungemein
verschieden erscheinen können.
Sind alle Glieder der Fühler annähernd gleieh gebaut, so spricht
man von „gleichartigen Fühlern”, antennae aequales (Fig. 19), und
unterscheidet unter diesen je nach der Gestalt der einzelnen Glieder
wieder verschiedene Formen, indem man z. B. von „borstenförmigen,
>
N U
NR
Fig. 20. „Ungleichartige” Fühler. 4 gekeult (Kohlweissling); P mit nackter Fühler-
borste; © mit behaarter Fühlerborste (Fliegen); D gebrochener Fühler mit Schaft und
einfacher Geissel (Hornisse); E gebrochener Fühler, Geissel mit viergliedriger ge-
kämmter Keule (Hirschkäfer); F gebrochener Fühler, Geissel mit Endknopf (Borken-
käfer); @ gebrochener Fühler mit geblätterter Keule (Maikäfermännchen).
fadenförmigen, perlschnurförmigen, gesägten, einfach und
doppelt gekämmten” Fühlern spricht.
Zeigen einzelne Glieder oder Gliedergruppen der Fühler be-
deutende Formabweichungen von den übrigen (Fig. 20), so nennt
man solehe Fühler ‚„ungleichartige’”, antennae inaequales. Am
häufigsten entsteht die Ungleichartigkeit durch Veränderung der letzten
Glieder. Sind diese verstärkt, so ist ein Fühlerknopf oder eine
Fühlerkeule vorhanden, sind sie verdünnt und mit einander ver-
wachsen, eine Fühlerborste, arista. Ist das Basalglied oder, wenn
dasselbe kurz bleibt, das zweite Fühlerglied verstärkt und verlängert,
so unterscheidet man es als Schaft, scapus, von dem als Geissel,
flagellum, bezeichneten Reste des Fühlers. Ist die Geissel winkelig
gegen den Schaft eingelenkt, so entsteht ein gebrochener Fühler,
antenna fracta. Behaarungen verschiedener Art können gleichfalls die
äussere Erscheinung der Fühler stark beeinflussen.
30
Kap. II. Die äussere Erscheinung der erwachsenen Insekten.
Die Mundwerkzeuge dienen zur Aneignung entweder von fester
oder von flüssiger Nahrung, sind entweder kauende oder saugende.
Die kauenden Mundwerkzeuge sind bei allen sie führenden
Insektenformen ziemlich übereinstimmend gebildet.
Hinter der die Mundtheile nach vorn abschliessenden Oberlippe
(Fig. 21, OL) stehen beiderseits vorn am Seitenrande der Mundöffnung
die Vorderkiefer (Fig. 21, VK), welche hier ein Paar einfache un-
gegliederte, häufig innen gezähnte, meist stark chitinisirte und daher
Fig. 21. Abgelöster Kopf der
Feldgrille, Gryllus campestris
L., von unten, OL Oberlippe,
V K Vorderkieter (Oberkiefer),
M K Mittelkiefer (Unterkiefer),
TI deren Taster (Kiefertaster),
H K Hinterkiefer (Unterlippe),
T II deren Taster (Lippentaster).
Die Hinweisung von den Buch-
staben 7 K auf den wirklichen
Hinterkiefer wird durch eine
weisse Linie vermittelt. (Nach
J. Munur’s Wandtafel.)
stärkere Beisswirkung auszuüben fähige Ha-
ken — nach altem Brauche Oberkiefer,
mandibulae, genannt — bilden. Sie haben
niemals einen Taster.
Die Mittel- und Hinterkiefer sind
dagegen stets gegliederte,
schwächer chitinisirte, breitgedrückte Glied-
Während aber die beiden das
Mittelkieferpaar bildenden, rechts und links
von der Mundöffnung eingelenkten, regel-
mässig deutlich ausgebildeten Gliedmassen
stets getrennt bleiben und nach altem Brauche
als Unterkiefer, maxillae, bezeichnet wer-
den, verschmelzen die Basaltheile der meist
tastertragende,
massen.
weniger gut ausgeprägten Hinterkiefer zu
einer die Mundtheile hinter der Mundöffnung
in ähnlicher Weise wie vorn die Oberlippe
abschliessenden mittleren Platte. Die ver-
schmolzenen Hinterkiefer werden daher auf
Grund dieser Analogie in der älteren Nomen-
clatur als Unterlippe, labium, bezeichnet.
Die Oberkiefer sind in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle
die Werkzeuge, mit
denen
die Insekten die Zerkleinerung ihrer
Nahrung und die Herrichtung ihrer Wohnungen bewirken. Nur in
seltenen Fällen werden sie zu mehr weniger wirkungslosen Verzierungen,
wie beim Hirschkäfer und den exodonten Braconiden.
Die Mittel- und Hinterkiefer bilden dagegen eine äusserst
wechselnde „Combination von Kau-, Greif- und Tastorganen’” von
stets schwächerer mechanischer Wirkung als die Vorderkiefer.
Bei einem gut ausgebildeten Mittel- oder Unterkiefer
(Fig. 22) unterscheidet man das Basalstück, die Angel, cardo, den
Mundwerkzeuge. 31
daran sich anschliessenden Stamm, stipes, der auf seiner Aussen-
seite die häufig mit ihm verschmelzende, zur Anlenkung des Maxillar-
tasters, palpus maxillaris, dienende Schuppe, squama, und an
seiner Innenseite die innere und äussere Kaulade, mala interna
et externa, trägt.
Bei der ausgebildetsten Form der durch mediane Verschmelzung
der Hinterkiefer entstehenden Unterlippe, wie man sie z. B. bei
vielen Orthopteren findet, kann man mit Ausnahme der wohl immer
als selbstständiges Stück verschwindenden Schuppe noch dieselben
Theile unterscheiden, indessen verschmelzen die beiderseitigen Angeln
und Stämme stets zu unpaaren medianen Gebilden, welche in der
älteren Nomenclatur meist mit besonderen Namen — die verschmolzenen
Angeln heissen Unterkinn, submen-
tum, die verschmolzenen Stämme
Kinn, mentum — bezeichnet werden.
Ihnen schliessen sich dann seitlich die
Lippentaster oder Labialtaster,
palpi labiales, an, zwischen welchen
die mehr weniger verschmelzenden,
als Zunge, ligula s. glossa, bezeich-
neten Innenladen und die, wenn deut-
lich getrennt, Nebenzungen, para-
glossae, genannten äusseren Kau-
laden sitzen. Häufig verschmelzen
aber alle Theile der Hinterkiefer Fig. 22. I Linker Mittelkiefer (Unter-
weit stärker, oft sogar zu einer ein- kiefer), II Hinterkiefer (Unterlippe)
zigen ungegliederten, unpaaren me- der Werre, Gryllotalpa vulgaris
Pepe die nun als beson: Larr. Mittelkiefer. Von der nicht
an Rn 2 bezeichneten Angel erhebt sich der
dere Theile nur noch die Hinter- Stamm a, der den Taster d und
kiefertaster trägt, z. B. bei vielen die beiden Laden ce und 5 trägt.
Käfern. Die entsprechenden Stücke der ver-
7 schmolzenen Hinterkiefer sind in
Die saugenden Mundwerk- gleicher Weise durch grosse Buch-
zeuge der Schmetterlinge, Fliegen staben bezeichnet (nach J. Mvar).
und Wanzen sind scheinbar sehr abweichend von diesem einfachen
Schema gebaut. Nichtsdestoweniger ist esder morphologischen Vergleichung
mit theilweiser Zuhilfenahme der Entwicklungsgeschichte gelungen, nach-
zuweisen, dass auch die saugenden Mundwerkzeuge wesentlich durch
Umbildung von Oberlippe und drei Kieferpaaren entstehen, wobei aller-
dings in manchen Fällen einzelne dieser Theile vollständig atrophiren,
Wesentlich ist immer, dass die vorhandenen Mundwerkzeuge zusammen-
gelegt eine Röhre bilden, durch welche die flüssige Nahrung aufgesogen
werden kann. Bei denjenigen Formen, welche darauf angewiesen sind,
die thierischen oder pflanzlichen Säfte, von denen sie leben, selbst zu
gewinnen, sind ein oder zwei Kieferpaare zu Stechorganen umgewandelt.
32 Kap. II. Die äussere Erscheinung der erwachsenen Insekten.
Bei den Zweiflüglerna kann dann noch ein unpaares Stechorgan, der
hypopharynx, hinzutreten. Die Darstellung der speciellen Verhältnisse
der saugenden Mundwerkzeuge kann erst im speciellen Theil erfolgen.
Bei verschiedenen Insektenformen, die im ausgebildeten Zustand
nur eine sehr kurze Lebensdauer haben und daher keine Nahrung zu
sich nehmen, können die Mundtheile ganz verkümmern. Dies ist z. B.
bei den Eintagsfliegen, den Dasselfliegen und den Geschlechtsthieren der
Reblaus der Fall.
Die Brust besteht aus drei ursprünglich gesonderten Ringen oder
Segmenten, welche als Vorder-, Mittel- und Hinterbrust, pro-,
meso- und metathorax, bezeichnet werden.
Nur bei einer grösseren Anzahl von Hymenopteren nimmt noch
der erste Hinterleibsring an dem Verschluss der Hinterwand des
Thorax theil.
Jeder Brustring trägt auf seiner Bauchseite ein Beinpaar (Fig. 17).
In den meisten Fällen führen Mittel- und Hinterbrust an ihrer Rückenseite
je ein Flügelpaar (Fig. 17) und an ihren Seitenflächen je ein Luft-
loch, welches an der Vorderbrust stets geschwunden ist. Nach innen gibt
das Chitinskelet bei vielen Insekten harte Einfaltungen ab, welche als
Ansatzpunkte für starke, die Bewegungen der Flügel und Beine ver-
mittelnde Muskelgruppen dienen. Die mehr weniger feste Verbindung
der einzelnen Brustringe unter einander, sowie die bedeutendere Grössen-
entfaltung des einen oder anderen Ringes entspricht gewöhnlich der
stärkeren oder schwächeren Entwicklung der einzelnen Bein- oder Flügel-
paare. Allgemein stehen die beiden hinteren Brustringe, welche Flügel
tragen, in ziemlich festem Verbande, und bei den wesentlich auf Flug-
bewegungen angewiesenen Insekten, z. B. Schmetterlingen und Zwei-
flüglern, ist auch die schwach entwickelte Vorderbrust innig mit jenen
verbunden, so dass die gesammte Brust hier eine einzige, starre, nur noch
äusserlich die Grenzen der sie zusammensetzenden Theile zeigende
Chitinkapsel bildet. Bei vielen anderen, mehr auf Gehbewegungen und
auf den selbstständigen Gebrauch der Vorderbeine angewiesenen Insekten-
abtheilungen, z. B. den Käfern und Heuschrecken, bleibt dagegen die
stark entwickelte Vorderbrust völlig selbstständig und gegen die Mittel-
brust beweglich. Sie ist bei den mit Flügeldecken versehenen 'Thieren
zugleich der einzige Theil der Brust, welcher bei Betrachtung des
ruhenden Thieres von oben gesehen werden kann, da Mittel- und Hinter-
brust von den Flügeldeeken völlig verdeckt werden. Sie wird alsdann
häufig auch Halsschild genannt (Fig. 27, D).
Brust und Beine. 33
Die Vorderbrust ist bei einigen Insektengruppen, z. B. unter den Käfern
bei den Lamellicornia und unter den Schnabelkerfen bei den Buckelzirpen,
Membracina, mit wunderbar gestalteten Auswüchsen versehen.
Was die Regionen der Brust betrifft, so unterscheidet man an
jedem Brustringe eine Rücken- und eine Bauchplatte, notum und
sternum, welche aber nicht direct an einander stossen, sondern durch
die seitlich gelegenen Weichen, pleurae, getrennt sind. An den
Weichen unterscheidet man häufig wieder ein vorderes und ein hinteres
Stück, welche in der alten Nomenclatur als Schulterblatt, epi-
'sternum, und Hüftblatt, epimerum, bezeichnet werden. Auf der
Mitte des Rückens an Mittel- und Hinterbrust sich angliedernde Platten,
welche häufig faltenartig nach hinten vorragen, werden alsSchildchen,
erstere als Vorderschildehen, scutellum, letztere als Hinter-
schildehen, postscutellum, bezeichnet (Fig. 27 und 28 b).
Wie sehr die Entwicklung der Beine und Flügel auf die Aus-
bildung der sie tragenden Brustringe wirkt, zeigt z. B. die Stärke der
die grossen Raubbeine tragenden Vorderbrust bei den Fangheuschrecken
und die schwache Entwieklung der Mittel- und Hinterbrust bei den
flügellosen Arbeitern der Ameisen im Gegensatz zu der guten Ent-
wicklung derselben Ringe bei den geflügelten
Männchen und Weibchen. =
Nur in dem Falle, dass das erste Segment
des Hinterleibes mit dem Thorax verschmilzt, kann \\
an diesem noch ein drittes Stigmenpaar auftreten,
z. B. bei den Ameisen. Bei einigen Orthopteren, £
Z. B. bei dem Genus Pteronarcys Newı. finden Pie, 32, Bein eines erossen
sich auch Tracheenkiemen oder Rudimente der- F Laufkäfers. z
selben am Thorax. ce Hüfte, ir Schenkelring,
Die Beine. An jedem Ringe der Brust, Schenkel, 6 Schiene, sFuss,
eingelenkt in die zwischen die Weichen und ” an un:
die Brustplatte sich einschiebenden Hüftpfannen, acetabula, ist ein
Beinpaar angebracht.
Jedes Bein, pes, besteht aus fünf Abschnitten: Hüfte, coxa,
Schenkelring, trochanter, Schenkel, femur, Schiene, tibia, Fuss,
tarsus.
Es kann vorkommen, dass jeder dieser Abschnitte aus einem einzigen
Chitinstück besteht. In beiweitem den meisten Fällen ist aber der Fuss
aus mehreren — bis fünf — Stücken zusammengesetzt, und ausserdem
kann noch der Schenkelring aus zwei Stücken bestehen. Man spricht dann
von einem doppelten Schenkelring, trochanter duplex (Fig. 24 C).
Hüfte, Schenkel und Schiene sind stets einfach.
Das Ende der Schiene ist häufig mit ein oder zwei Sporen,
calcaria, bewaffnet, und das Endglied des Fusses trägt meist zwei
Krallen, ungues, zwischen denen noch sehr oft häutige Anhänge,
die Haftlappen oder Afterklauen, arolia, angebracht sind.
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde, 3
os
»
Kap. II. Die äussere Erscheinung der erwachsenen Insekten.
Während die Hüfte die Gelenkverbindung zwischen Brust und
Bein herstellt, erscheint der meist kleine Schenkelring wesentlich als
ein Anhang des Schenkels, der gewöhnlich das stärkst entwickelte Bein-
glied darstellt, und an Länge höchstens von der Schiene erreicht oder
übertroffen wird. Bei manchen Hymenopteren verlängert sich das Basal-
glied des Fusses derartig, dass es einen eigenen Namen, Mittelfuss
oder Ferse, metatarsus, erhalten hat (Fig. 24 B, C, F).
Form und relative Grösse dieser einzelnen Abschnitte ändern viel-
fach ab, je nach dem besonderen Zwecke, welchem das Bein dient.
A B (@/ D E F
N/
SRÄV
N
\\
BIN
Fig. 24. A verkümmertes Putzbein und B gut entwickeltes Schreitbein eines Tag-
schmetterlinges, Vanessa polychloros; C Bein mit doppeltem Schenkelring und
langer Ferse von einer Holzwespe, Sirex gigas; D Schwimmbein eines Wasser-
käfers, Dytiscus; E behaartes Sammelbein der Bürstenbiene, Dasypoda; F Sammel-
bein mit „Körbehen” an der Schiene und stark entwickelter Ferse einer Arbeitsbiene
von Apis mellifica; G Raubbein des Wasserscorpions, Nepa cinerea; H Grabbem
der Werre, Gryllotalpa; I Springbein eines Erdflohkäfers, Haltica. e Hüfte, ir Schenkel-
ring, ‚f Schenkel, tb Schiene, is Fuss.
Die meisten Insekten haben gewöhnliche Laufbeine, pedes
cursorii, z.B. die Laufkäfer. Tritt eine Sohlenbildung an dem Fusse auf,
so spricht man von Gangbeinen, pedes ambulatorii, z. B. bei den Bock-
käfern. Werden die Beine lang und schlank, so nennt man sie Schreit-
beine, pedes gressorii, z. B. bei den Gespenstheuschrecken. Beine,
welche in Folge starker Muskelausstattung des Schenkels das Insekt
zum Springen befähigen, heissen Springbeine, pedes saltatorii, so
bei Heuschrecken und Erdflöhen. Kann die Schiene wie die Klinge
eines Taschenmessers gegen das Heft, so gegen den Schenkel ein-
geschlagen werden, dass hierdurch ein Ergreifen der Beute möglich
Beine und Flügel. 35
wird, so heissen die Beine Raubbeine, pedes raptatorii, z. B. bei
dem Wasserscorpion. Eine Verbreiterung der Schiene macht das Bein
zum Graben geschickt: Grabbeine, pedes fossorii, welche z. B. bei
der Werre und den Mistkäfern vorkommen. Bei manchen der letzteren,
z. B. bei Ateuchus, kann der Fuss verkümmern und eine starke
Verkleinerung der Fussglieder kommt auch bei den zu Putzbeinen
verkümmerten Vorderbeinen der Schmetterlinge vor. Stärkere Aus-
stattung der Hinterbeine mit Haaren, in welchen sich der abgestreifte
Blüthenstaub festsetzen kann, oder das Auftreten eines von Haaren
umgebenen „Körbcehens” an der Schiene der Hinterbeine zum 'Trans-
porte des Pollens, wie sie sich bei vielen Blumenbienen finden, lassen
diese als Sammelbeine erscheinen. Die im Wasser lebenden In-
sekten haben vielfach breite, zusammengedrückte, an der Schneide
mit Schwimmhaaren versehene Hinterbeine, Schwimmbeine, pedes
natatorii, z. B. die Schwimmkäfer und viele Wasserwanzen (Fig. 24).
Die Flügel. Die Flügel, alae
erscheinen als zwei Paar häutige,
flächenhaft ausgebildete Flugorgane,
welche an der Rückenseite der
Mittel- und Hinterbrust beweglich
angelenkt sind. Dieselben werden
meist gesteift durch stärker chitini-
sirte, von der Basis ausgehende, Fig. 25. Kopf, Brust und Flügel von
vielfach durch Queräste verbundene der Kiefernblattwespe, Lophyrus pini
} L. P der schmale Prothorax, hinter dem
Adern oder Rippen, nervi s. querschraffirt und im vorderen Theil mit
Ms bezeichnet der Mesothorax mit dem
| k Seutellum folgt. F' als frenulum be-
oder Felder zwischen sich haben zeichneter vorderer Theil des Metathorax
(i.25). Man unterscheidet de der ML rs Amine Di He
Mittelbrust ansitzenden Vorder- kommen hier vorläufig nicht in Betracht.
flügel, alae anticae, von den der Hinterbrust angefügten Hinter-
flügeln, alae posticae. Im einfachsten Falle sind beide Flügelpaare
vollkommen gleich oder nur durch unwesentliche Grössen und Aderungs-
verhältnisse unterschieden. Vielfach sind dann auch die beiden Flügel
jeder Seite durch Haftapparate zu einer einzigen Flugfläche verbunden.
costae, welche zartere Zellen
Bei vielen Insektenformen werden die Hinterflügel, zunächst ohne
ihren Charakter als Flugorgane zu verlieren, kleiner als die Vorderflügel,
während sie bei anderen zu Rudimenten herabsinken (Fig. 26) und
bei einzelnen Insekten schwinden sie völlig. In den beiden letzten Fällen
vermitteln also die Vorderflügel ausschliesslich die Flugbewegung.
Bei einer anderen Reihe von Insektenformen verlieren die Vorder-
flügel ihren Charakter als Flugorgane und verwandeln sich in mehr
3
36 Kap. OH. Die äussere Erscheinung der erwachsenen Insekten.
weniger starre Decken für den Hinterleib und die mehr minder voll-
kommen unter sie einfaltbaren, ihren Charakter als Flugorgane beibe-
haltenden Hinterflügel (Fig. 27). Einzelnen Formen aus fast allen Ordnun-
gen der Insekten geht das Flugvermögen ab, sei es, dass beide Flügelpaare
verkümmern oder völlig fehlen, oder dass, wie bei manchen Laufkäfern,
die zu Decken umgewandelten Vorderflügel als Schutz des Hinterleibes
bestehen bleiben, dagegen die eigentlichen Flugorgane, die Hinterflügel,
verkümmern.
Die Flügel sind keine Gliedmassen im morphologischen Sinne,
sie stellen vielmehr im wesentlichen ungegliederte, flachen Säcken zu
Fig. 26. Weibliche Gallmücke, Cecido- Fig. 27. Kletterlaufkäfer, Calosoma sy-
myia, stark vergrössert. F7I gut aus-- cophanta L. / Öberlippe, 2 Vorder-
gebildete Vorderflügel. #7 II zu Schwing- brust, Halsschild, 5 Schildechen, FI zu
kölbehen verkümmerte Hinterflüsel. einer Flügeldecke umgewandelter Vorder-
flügel der rechten Seite, #2 II der zu-
sammengefaltete Hinterflügel der linken
Seite.
vergleichende Ausstülpungen der Körperbedeckung dar, welche der
Mittel- und Hinterbrust an der Grenze zwischen Rückenplatte und
Weichen beweglich angelenkt sind. Sie bestehen aus einer oberen
und einer unteren Chitinplatte, die an den Flügelrändern in einander
übergehen, unter welchen während der Bildung der Flügel die zellige
Matrix dieser Chitinplatten liegt. Diese schwindet aber bei den aus-
gebildeten Flügeln mehr weniger, die beiden Chitinplatten legen sich
enge an einander, der sie trennende, anfänglich von der Blutflüssigkeit
des Körpers durchströmte Hohlraum wird redueirt bis auf die Hohl-
räume, welche in den stärker chitinisirten Flügeladern zurückbleiben
und Bahnen für Tracheen und Nerven abgeben.
Der Vorderrand beider Flügelpaare ist im Allgemeinen durch
stärkere Adern gesteift als die Spitze und der hintere Abschnitt. Die
Flügel. 37
Basis der Vorderflügel ist bei den Schmetterlingen und Immen von
kleinen Flügelsehuppen bedeckt.
Ein allgemeines Schema für die Aderung der Insektenflügel auf-
zustellen ist vorläufig unmöglich, es werden daher die für die Systematik
oft sehr wichtige Aderung und die auf sie angewendeten Kunstaus-
drücke bei den einzelnen Insektenordnungen im speciellen Theil be-
sprochen werden.
Völlig gleich sind die beiden Flügelpaare bei den Termiten.
aber auch bei den Libellen und Verwandten ist die Aehnlichkeit
beider sehr gross; stärker wird die Grössendifferenz bei den Tag-
schmetterlingen, und bei den Schwärmern und bienenartigen 'Thieren
wird dieselbe mitunter ganz beträchtlich. Zwerghaft werden die Hinter-
flügel bei manchen Eintagsfliegen, z. B. bei Baätis und den Männ-
chen der Schildläuse und fehlen bei einigen Insekten, z. B.
bei Cloe diptera und Hemerobius dipterus völlig.
Bei den Zweiflüglern sind dieselben regelmässig
(Fig. 26) zu mehr weniger lang gestielten Sch wing-
kölbehen, halteres, verkümmert. Bei den Heu-
schrecken und Verwandten werden durch geringere
Flächenausdehnung gegenüber den Hinterflügeln und
)
£ Ener e . r rn Fi ”, 28. B: =
stärkere Chitinisirung die Vorderfligel zu Flügel- = E
wanze, Penta-
decken, elytra, welche ihrer immerhin noch gerin-
gen Festigkeit wegen bei diesen Formen als perga-
mentartige Flügeldecken bezeichnet werden
(Taf. VI, Fig.5 F). Vollständige Chitinisirung_ tritt
bei den meisten Käfern ein. Bei den Wanzen ist
nur der Basaltheil der Vorderflügel völlig chitinisirt,
während der Endtheil, mit einem besonderen Ader-
system versehen, häutig bleibt (Fig. 28). Hier spricht
man von halben Flügeldecken, hemiölytra.
toma, die linken
Flügel gespreizt,
die rechten auf
dem Hinterleib
aufruhend..
B Vorderbrust,
b Schildchen, * die
stärker chitinisirte
Basalhälfte der
zu halben Flügel-
decken verwan-
delten Vorder-
Während im Ganzen alle diese Flügeldecken-
formen den gesammten Hinterleib bedecken können,
sind sie bei anderen Formen, z. B. bei den Staphyliniden (Taf. I,
Fig.1 u. 2 F) unter den Käfern und bei den Ohrwürmern verkürzt, so
dass sie nur einen kleinen Theil des Hinterleibes decken. Ja bei
den Strepsipteren können sogar die Vorderflügel, bei guter Ausbildung
der Hinterflügel zu kleinen Rudimenten verkümmern, so dass wir hier
den umgekehrten Fall wie bei den Dipteren haben.
Beim Fluge können die Flügeldecken entweder gehoben und
gespreizt gehalten werden, oder es schieben sich unter den geschlossen
gehaltenen die Unterflügel vor, z. B. bei den Rosenkäfern, Cetonia.
Die Faltung der Hinterflügel im Ruhezustande kann entweder
nur der Länge nach geschehen und bei kurzen Flügeldecken, z. B. bei
Gryliotalpa, ragen sie dann über die Vorderflügel vor (Taf. VI,
Fig. 5 T) oder es können ausserdem verschiedene Faltungen der
Quere nach vorhanden sein, wie dies in sehr verschiedener Weise
flügel.
38 Kap. II. Die äussere Erscheinung der erwachsenen Insekten.
z. B. bei den Käfern und Ohrwürmern vorkommt, und die Flügel
verschwinden dann in der Ruhe völlig unter den Flügeldecken. Die
Faltung und Entfaltung dieser Flügel wird lediglich durch die Elasti-
eität der zusammengelegten Flügel in Verbindung mit der Wirkung
der an ihrer Basis angreifenden Bewegungsmuskeln bewirkt; innerhalb
der Flügelfläche ist nie ein besonderer Muskelapparat vorhanden.
Uebrigens findet sich ein geringerer Grad von Faltbarkeit der Hinter-
flügel auch bei vielen Insekten, deren Vorderflügel nicht zu Flügel-
decken verändert sind, z. B. bei den Schmetterlingen. Der Länge nach
faltbar sind die Vorderflügel bei den Wespen im engeren Sinne,
Die nicht mit Flügeldecken versehenen Insekten tragen in der
Ruhe die Flügel entweder horizontal und quer vom Körper abstehend,
z. B. die Libellen und manche Spanner, oder die Vorderflügel werden
bei noch wesentlich horizontaler Stellung etwas über die Hinterflügel
nach hinten und innen übergeschoben, so bei vielen Schmetterlingen,
oder es werden die Vorderflügel so vollständig über die Hinterflügel
hinübergeschoben, dass sie die letzteren gänzlich verbergen, und ent-
weder dachförmig den Hinterleib decken, indem sich eine mehr weniger
steile Firste über dessen Medianebene bildet — viele Nachtfalter, z. B.
Taf. IV, Fig. 3, F und viele Cicaden — oder aber dem Hinterleibe
horizontal aufliegen, z. B. bei den Blattwespen. Nur die Mehrzahl der
Tagfalter trägt die Flügel vertical in der Medianebene aufgerichtet, so
dass die oberen Flächen beider Flügelpaare sich berühren.
Die häufiger auftretende Verkuppelung der Vorder- und Hinter-
fllügel zu einer Flugfläche findet stets dadurch statt, dass von dem
Vorderrande des Hinterflügels ausgehende Borsten oder Haken in der
Ein- oder Mehrzahl in umgebogene Fortsätze des Vorderflügels ein-
greifen.
Bei Verkümmerung der Flugorgane sind die Flügel entweder so
klein, dass sie nicht mehr zur Erhebung des Thieres in die Luft
dienen können, z. B. bei den Weibchen des Frostspanners, oder sie
können völlig fehlen, z. B. bei der Bettwanze und den Läusen. Diese
Bildung kann sich bei beiden Geschlechtern oder nur in einem vor-
finden. Im letzteren Falle sind es meist die Weibchen, welche ungeflügelt
sind, z. B. ausser bei den ungeflügelten Schmetterlingsweibehen auch
die der Leuchtkäfer, Lampyris, und nur in einem Falle bei der
Ameisengattung Anergates ForsL ist das Weibchen geflügelt, das
Männchen dagegen flügellos. Auch kann das Flugvermögen nur tem-
porär sein; so werfen z. B. die geschlechtsreifen Weibchen der Ameisen
nach geschehener Begattung und Rückkehr in den Stock regelmässig
ihre Flügel ab. Die Erkenntniss,, dass Flügellosigkeit bei allen
Insektengruppen vorkommen kann, hat seit langem die früher diese
Formen zusammenfassende Insektenordnung der Aptera als unnatürlich
aufgeben lassen.
Der Hinterleib, an dessen Ende sich die After- und Geschlechts-
öffnung befindet, muss im Allgemeinen als aus 10 Ringen gebildet an-
Flügel und Hinterleib. 39
gesehen werden. Dieselben sind gewöhnlich durch weiche Gelenkhäute
und also viel weniger fest mit einander verbunden, als die der vorher-
sehenden Leibesabschnitte, und bestehen regelmässig aus je einer ungetheil-
ten Rücken- und Bauchplatte, die gleichfalls durch zwei weiche Gelenk-
häute mit einander verbunden sind. Bei den typischen Formen tragen
die letzteren an den acht ersten Ringen je ein Paar Luftlöcher. Die
weichen Gelenkhäute gestatten eine starke Ausdehnung des Hinterleibes.
Bei denjenigen Formen, welche Flügeldecken haben, bleiben die durch
letztere geschützten Rückenplatten schwächer chitinisirt, während die
Bauchplatten zu einem festen kahnförmigen Gestelle werden.
Indessen erleidet die normale Zahl der Hinterleibsringe mannigfache
Modificationen. In den meisten Fällen sind äusserlich weniger als zehn
Ringe, mitunter nur drei bis vier sichtbar, da die letzten Hinterleibsringe
von den vorderen überwachsen und gewissermassen in die vorderen
zurückgezogen werden. In selteneren Fällen kann eine scheinbare Ver-
mehrung der Hinterleibsringe durch Theilung des letzten eintreten.
Ausgebildete Gliedmassen sind in der Regel an dem Hinterleib
des erwachsenen Insektes nicht vorhanden.
Es kann übrigens bei einem Theil der Hymenopteren, den sogenannten
Hymenoptera apocrita Gerst. auch eine Reduction der Hinterleibssegmente
dadurch hervorgebracht werden, dass der erste Hinterleibsring sich fester mit dem
Metathorax verbindet.
Werden die hinteren Abdominalringe in die vorderen zurück-
gezogen, so können sie entweder wirklich nur fernrohrartig eingezogen
sein und, z. B. bei vielen Fliegen und den Goldwespen, zu Zeiten
wieder als eine Art Legröhre vorgestreckt werden, oder aber sie
verkümmern und bilden mit ihren Anhängen — siehe unten — die
Umgebung des Afters und der Geschlechtsöffnung. Aus diesen Be-
ziehungen der letzten Segmente zu den Geschlechtsorganen erklärt
sich auch die Thhatsache, dass bei vielen Hymenopteren die Anzahl
der sichtbaren Hinterleibsringe bei | und © verschieden ist, z. B.
bei den Faltenwespen. Auch kann die Anzahl der Bauchplatten stärker
redueirt sein als die der Rückenplatten, z. B. bei den Käfern. Mit
der Reduction der Anzahl der Segmente geht eine Reduction der
Anzahl der Hinterleibsstigmen parallel. Eine scheinbare Vermehrung
der Hinterleibssegmente auf 11 finden wir bei den Orthopteren, z. B.
bei der gemeinen Laubheuschrecke.
Die Gestalt des Hinterleibes ist je nach der Form der ersten
Hinterleibsringe eine sehr verschiedene. Ist das erste Hinterleibssegment
ebenso stark als der Metathorax und sitzt es diesem in seiner ganzen
Breite an, so spricht man von einem festsitzenden Hinterleib,
abdomen sessile, z. B. bei Käfern und Blattwespen (Taf. VI,
Fig. 2 F). Ist der ebenso gebildete Hinterleib aber nur mit einem
40 Kap. II. Die äussere Erscheinung der erwachsenen Insckten.
geringen Theile seiner Vorderfläche dem Metathorax angefügt, so
spricht man von einem anhängenden Hinterleib, abdomen
adhaerens, z. B. bei den Wespen (Fig. 17). Sind dagegen die ersten
Glieder des Hinterleibes stark verdünnt, so entsteht ein gestiel-
ter Hinterleib, abdomen petiolatum (Taf. I, Fig. 6, 7). Ist der
Hinterleib von rechts nach links zusammengedrückt, so nennt man
ihn comprimirt, abdomen compressum, z. B. bei den Gallwespen.
Ist derselbe von oben nach unten zusammengedrückt, so heisst er de-
primirt, abdomen depressum, z. B. bei den Wanzen.
Eine wechselnde Ausdehnung des Hinterleibes wird bedingt
theils durch die verschiedenen Füllungszustände des Darmes, theils
durch die Reifung der Geschlechtsproducte, namentlich der Eier.
Hierbei nehmen die Eierstöcke mitunter derartig an Volumen zu,
dass der Hinterleib zu riesigen Dimensionen aufgetrieben wird,
z. B. bei den Termitenweibehen. Aber auch die Weibchen mancher
unserer heimischen Käfer, z. B. der Chrysomeliden, unter anderen von
Agelastica alni, zeigen diese Erscheinung in höherem Grade.
Ist auch im Allgemeinen das Abdomen der erwachsenen Insekten
als gliedmassenlos zu bezeichnen, so finden wir doch bei manchen nie-
deren Orthopteren, z. B. bei Campodea fragilis, welche offenbar der
Urform der Insekten nahe stehen, kleine Beinstummel an den Hinter-
leibsringen vor. Desgleichen zeigt die Entwicklungsgeschichte, dass
die mannigfachen Anhänge der männlichen und weiblichen Geschlechts-
öffnung bei vielen Formen als modifieirte Gliedmassen entweder der
noch deutlich erhaltenen letzten Hinterleibsringe, z. B. die Legscheide
bei Locusta, oder der in die vorderen Hinterleibsringe zunächst ge-
bogenen und abortirten Abdominalsegmente angesehen werden müssen,
z. B. die Stachelapparate bei den Hymenopteren.
Inwieweit auch die Raife, cerci, Griffel, styli, Schwanz-
borsten und -Fäden, setae, und Zangen, foreipes, welche sich be-
sonders bei den Geradflüglern vorfinden (Taf. VI, Fig. 5 F), die
Athemröhren am Hinterleibe von Nepa und die Springgabel der
Poduriden als modifieirte Hintergliedmassen anzuseben sind, kann
vorläufig noch nicht sicher entschieden werden.
Die Afteröffnung liegt stets am letzten Hinterleibsringe, und
zwar dorsal, während die Geschlechtsöffnung meist am vorletzten
Leibesringe, und zwar ventral liegt. Sie ist meist mit klappenartigen,
seitlichen Anhängen umgeben und aus ihr wird bei den Männchen die
ebenfalls durch chitinisirte Panzerstücke bewehrte Ruthe, penis,
hervorgestreckt.
Die den Abschluss des Insektenkörpers gegen die Aussenwelt
überall bewirkende Chitineutieula ist sehr verschieden stark und kann
von dem zartesten Häutehen bis zum mehrfach geschichteten Panzer variiren.
Sehr vielfach ist sie von Poren durchsetzt, zeigt eine sehr mannig-
fache Sculptur und ist ganz oder stellenweise mit Chitinhaaren oder
Der Hinterleib und seine Anhänge, Cuticula und Färbung. 41
Schüppchen besetzt. Auf ihrer Fläche münden in mannigfachen Fällen
Hautdrüsen und sie geht an Mund, After und Luftlöchern ununterbrochen
in die Chitinauskleidung von Darm und Tracheen über.
Da die Verbindungsstellen der Haare oder Schuppen mit der
Cuticula häufig biegsam bleiben und eine besondere Beschaffenheit
zeigen, so erscheinen jene meist durch Gelenke angesetzt. Haare,
Borsten, Stacheln, Schuppen mit ihren so höchst variabeln Gestalten
sind gleichwerthige Gebilde, die durch die verschiedenartigsten Ueber-
gänge mit einander verbunden sind. Den grössten Einfluss auf den
Habitus der Insekten erhalten diese äusseren Anhänge bei den
Schmetterlingen — „Flügelstaub”, — Pelzflüglern und Bienen, sowie bei
manchen Rüsselkäfern. Die dem Schuppenkleid mancher Schmetter-
linge und Käfer eigenthümlichen Schillerfarben werden durch Seulptur-
verhältnisse der Schuppen hervorgebracht, welche, von verschiedenen
Seiten gesehen, das Licht verschieden reflectiren.
Die Färbungen des Insektenkörpers werden theils durch die Farbe
der Cutieula, beziehungsweise deren Anhänge bedingt, theils bei durch-
sichtiger Cuticula durch die Pigmente, welche ihren Sitz in der unter
ihr liegenden Zellschicht haben.
Die einzelne Insektenart kann in der Färbung entweder sehr
constant oder aber vielfach variabel sein. Wir erwähnen als Beispiele
des letzteren Falles einen Prachtkäfer, Agrilus viridis, und zwei Bock-
käfer, Tetropium luridum und Callidium variabile, drei Arten, welche
eben wegen der grossen Variabilität ihrer Färbung in viele, vor einer
strengeren Kritik unhaltbare Arten zerfällt worden sind.
Die Färbung der Insekten steht häufig so sehr in Uebereinstimmung
mit der ihrer gewöhnlichen Aufenthalts-, beziehungsweise Rastorte, dass
man das ruhig sitzende Insekt nur schwer von der Umgebung zu unter-
scheiden vermag. Häufig geht diese Anpassung an die Umgebung auch
noch weiter und auch die Form und Sculptur des Insektenkörpers und
seiner Gliedmassen ahmt irgend einen Gegenstand der umgebenden
Natur nach. Man nennt dies schützende Aehnlichkeit.
Einheimische Beispiele solcher schützenden Aehnlichkeit sind
die grüne Färbung vieler Gras- und Baumthiere, z. B. der Laubheu-
schrecken, und die bräunliche Färbung des Kiefernspinners, welcher sich
in der Ruhe nur schwer von der Kiefernborke, der er ansitzt, unter-
scheiden lässt. Die Ziekzackzeichnung der Vorderflügel von Bryophila
glandifera ahmt die Flechten, welche ihre gewöhnlichen Aufenthalts-
orte, Planken- und Felsstücke, bedecken, nach. Die plattgedrückten
Baumwanzen, z. B. das Genus Aradus, . ähneln täuschend einem
abgelösten Rindenschüppchen. Die Käfer der Genus Cionus ahmen,
wenn sie mit angezogenen Beinen auf einem Blatte liegen, täuschend
ein Klümpehen Vogelkoth nach, und die bereits bei der südeuropäischen
42 Kap. I. Die äussere Erscheinung der erwachsenen Insekten.
Fangheuschrecke, Mantis religiosa, angedeutete Aehnlichkeit des Ge-
äders der grünen Vorderflügel mit der Rippung eines Blattes erreicht
ihre höchste Vollendung bei dem tropischen Genus Phyllium, dem
wandelnden Blatte, wie denn überhaupt die schlagendsten, in jeder
allgemeinen Zoologie angeführten Beispiele schützender Aehnlichkeiten
tropischen Gegenden entstammen.
Eine andere, nicht minder häufige Form der schützenden Aehnlich-
keit besteht darin, dass ein Insekt einem anderen Insekt einer völlig
verschiedenen Gruppe täuschend ähnelt. Man nennt diese Erscheinung
mit dem englischen Namen Mimiery und findet, dass am häufigsten
schwächere, vertheidigungslose Insekten stärkere, wehrhafte oder wegen
irgend einer ekelerregenden Eigenschaft von den Insektenfresserın ver-
schmähte Formen nachabmen.
Wenngleich die schlagendsten Beispiele von Mimiery auch meist
bei exotischen Formen bekannt wurden, so ist doch auch unsere
heimische Fauna nicht ohne solehe. Necydalis salicis Murs., ein
Bockkäfer, gleicht mit ausgebreiteten Flügeln täuschend einer
Schlupfwespe, dem bekannten Anomalon circumflexum, und der
Hornissenfalter, Trochilium apiforme, schwärmt in dem Kleide der
wehrhaften Wespen umher.
Seeundäre Geschlechtscharaktere. Die Insekten sind stets ge-
trennten Geschlechtes. Es gibt keine normalen Insektenzwitter. In sehr
vielen Fällen sind nun Männchen und Weibchen einer Art lediglich
durch die Beschaffenheit ihrer eigentlichen inneren Geschlechtsorgane,
sowie äusserlich durch die Anordnung der die Geschlechtsöffnung um-
gebenden Chitintheile zu unterscheiden. Man nennt solche Unterschiede
zwischen Männchen und Weibchen primäre Geschlechtscharaktere,
und die Unterscheidung der Geschlechter bei solchen Arten ist eine
ziemlich schwierige. In vielen’ anderen Fällen unterscheiden sich aber
die Geschlechter durch mit den Geschlechtstheilen direet nicht zusammen-
hängende äusserliche Kennzeichen und diese bezeichnet man mit Darwın
als secundäre Geschlechtscharaktere. Auf ihnen beruht die Möglich-
keit, in vielen Fällen auf den ersten Blick Männchen und Weibchen
einer Art zu unterscheiden. Die seeundären Geschlechtscharaktere drücken
sich entweder als Färbungs- oder Grössenunterschiede aus, oder es sind
bei den beiden Geschlechtern einzelne Körpertheile verschieden gestaltet.
Ein bekanntes Beispiel des völligen Mangels aller secundären Geschlechts-
unterschiede bietet der grosse braune Rüsselkäfer, während der secundäre
Geschlechtscharakter beim Maikäfer, die stärkere Ausbildung der blätt-
rigen Fühlerkeule beim Männchen, jedem Knaben bekannt ist. In
Mimiery und secundäre Geschlechtscharaktere. 43
extremen Fällen kann der Unterschied zwischen beiden Geschlechtern
einer und derselben Art so gross werden, dass erst Zuchtversuche und
die Beobachtung der regelmässigen Begattung beider Formen noth-
wendig waren, um die Zusammengehörigkeit von zwei so ungemein ver-
schiedenen Formen festzustellen. Dies ist z. B. der Fall bei dein Frost-
spanner, Geometra brumata, dessen Weibchen nur kleine Flügelrudimente
besitzt.
Färbungs- und Zeiehnungsunterschiede beider Geschlechter
kommen namentlich bei lebhaft gefärbten Formen vor. Als einige der
auffallenderen und zugleich häufigen Beispiele aus unserer einheimi-
schen Fauna nennen wir: Den Aurorafalter, Pieris Cardamines L. —
beim d Spitzenhälfte der Vorderflügel mit oranger, beim @ mit weisser
Grundfarbe —; den Kohlweissling, Pieris Brassicae — @ mit zwei
schwarzen Flecken auf dem Vorderflügel, die dem d fehlen —; viele
Bläulinge, z. B. Lycaena Bellargus Rorr. — Flügel des d schön
himmelblau, des @ dunkelbraun mit rothgelben Randflecken —; den
Schwammspinner, Liparis dispar L. — Grundfarbe der Flügel beim
d graubraun, beim 2 gelblichweiss —; den Kiefernspanner, Fidonia
piniaria L. (vergl. Taf. IV, Fig. 4 F, d und 2) —; zwei Bockkäfer,
Leptura testacea L.. — d Halsschild schwarz, Flügeldecken lehm-
gelb, @ Halsschild und Flügeldecken rothbraun — und den verwandten
Toxotus cursor L. — d schwarz, ® röthlich gelbbraun mit einem
rothen Längsstreif auf jeder Flügeldecke —; von ÖOrthopteren die
Wasserjungfrau, Calopteryx virgo L. — d Körper und Flügel tief-
blau, 2 Körper grün, Flügel braun.
Die als Grössendifferenzen sich ausprägenden secundären
Gesehlechtsunterschiede können in zwei Richtungen ausgebildet sein;
bei vielen Insekten ist das Weibchen, bei anderen das Männchen der
stärkere Theil. Der erstere und beiweitem häufigere Fall hängt zu-
sammen mit dem Umstande, dass die von dem Weibchen produeirten
Eier den von dem Männchen producirten Samen an Volumen bedeutend
übertreffen. Kleiner sind die Männchen bei vielen Feldheuschrecken, den
Acridiodea, bei vielen Bockkäfern, z. B. bei Pachyta cerambyeiformis
SCHRANK, bei den Oelkäfern, Melo&ö, und der spanischen Fliege,
Lytta vesicatoria L., bei den Blatt- und Holzwespen, z. B. bei Lophy-
rus pini L. (Taf. VI, Fig. 3 F, d und 2) und Sirex juvencus Ir
(Taf. VI, Fig. 4 F, d und 2), sowie bei den Ameisen; bei vielen
Spinnern, z. B. dem Kiefernspinner (Taf. III F, & und 2), den Flöhen,
Pulex, und der Hirschlausfliege, Lipoptena cervi L. Der extremste
Fall in unserer Fauna ist wohl bei Tomicus dispar FaApr., einem
Laubholzborkenkäfer, vorhanden. Der andere Fall, dass die Männchen
grösser sind, tritt besonders bei den Formen ein, bei welchen die
Männchen um den Besitz der Weibchen kämpfen. Stärkerer Statur
sind z. B. die Männchen vieler Schaben, Blattina, der Lucanidae,
z. B. bei Dorcus parallelopipedus L. und bei unserer Honigbiene.
44 Kap. U. Die äussere Erscheinung der erwachsenen Insekten.
Die eben erwähnten geschlechtlichen Färbungs- und Grössenunter-
schiede sind häufig verbunden mit der dritten Kategorie der secundären
Geschlechtscharaktere, mit den Structurverschiedenheiten gewis-
ser Körpertheile. Die solche Auszeichnung zeigenden Körpertheile
können einmal stärker ausgebildet, andererseits redueirt sein. Ersteres
ist meist das Theil der Männchen. Diese haben häufig stärker aus-
gebildete Sinnesorgane als das Weibchen, eine Ausstattung, welche
ihnen das Auffinden der Weibehen erleichtert. Die als Tast- und
Geruchsorgane dienenden Fühler sind stärker gebaut bei den Männ-
chen vieler Käfer, z. B. des Maikäfers und des Walkers, Polyphylla
fullo L., vieler DBockkäfer, z. B. Prionus coriarius L. und
Astynomus aedilis L., mancher Hymenopteren, z. B. Lophyrus pini
(Taf. VI, Fig. 3 F, d und 92), vieler Schmetterlinge aus den
Gruppen der Schwärmer, Spinner und Spanner, z. B. Kiefern-
spinner (Taf. II, F, 8 und 92) und Kiefernspanner (Taf. IV,
Fig. 4 F, d und 9), der Stechmücken, Culex pipiens L. u. s. £.
Die Augen sind grösser, ja sogar gedoppelt, bei den Männchen mancher
Eintagsfliegen, z. B. der Ephemera vulgata L. und Clo& diptera L.
und vieler bienenartigen Insekten, z. B. bei den Drohnen der Honig-
biene, bei welchen sie auf dem Scheitel zusammenstossen, während
sie bei Arbeiterinnen und Königin getrennt bleiben; bei den Männ-
chen mancher Zweiflügler, z. B. Bibio marei L., nehmen die Augen
den ganzen Kopf ein, während sie bei den Weibchen klein und ge-
trennt bleiben. Die Männchen verschiedener Geradflügler besitzen ferner
Tonorgane, welche den Weibchen abgehen, während allerdings in
anderen Gruppen beide Geschlechter mit solchen Lockmitteln versehen
sind. (Vgl. den Abschnitt über die Lautäusserungen der Insekten in
Kapitel III.)
Der bedeutenderen Grösse mancher Männchen gesellen sich noch
ausgeprägte Kampforgane bei, wie wir sie z. B. in den geweihartig
verlängerten Vorderkiefern des Hirschkäfers kennen, sowie Apparate
zum Festhalten des sich sträubenden Weibchens, wie z. B. die Haft-
scheiben an den Vordertarsen vieler Schwimmkäfer, z. B. des Dytis-
cus marginalis, und die Sohlenbildungen an den Vordertarsen vieler
Laufkäfermännchen, z. B. bei Calosoma sycophanta L. Hierzu kommen
noch eine Reihe von Auszeichnungen der Männchen, welche, da ihr
Zusammenhang mit dem Geschlechtsleben nicht ohne Weiteres verständ-
lich, uns als blosse Zierrathen erscheinen, so die Hörner auf Kopf
und Halsschild, welche bei vielen exotischen Lamellicorniern ihre
höchste Ausbildung erreichen, aber auch in unserer Fauna vor-
kommen, z. B. bei dem Nashornkäfer, Orycetes nasicornis L. und dem
Sinodendron cylindricum L.
Andererseits schen wir bei vielen Weibchen, welche in Folge
des eierbeschwerten Hinterleibes schon ohnehin häufig weniger beweg-
lich sind als die Männchen, die Bewegungsorgane und besonders die
Flügel verkümmert.
Seeundäre Geschlechtscharaktere und Polymorphismus. 45
Die schönsten Beispiele hiefür geben uns viele Schmetterlinge.
So sind z. B. bei einer häufigen einheimischen Motte, Chimabacche
fagella, die Flügel des Weibchens noch annähernd halb so lang als
beim Männchen, bei dem Frostspanuerweibehen, Cheimatobia bru-
mata L., sind sie bereits auf Rudimente redueirt, bei Orgyia antiqua L.
im Verhältniss zu dem Körper des Weibchens schon verschwindend,
und die Weibchen der Gattung Psyche, welche madenförmig bleiben,
ermangeln der Flügel und ausgebildeter Beine völlig.
Auch einige Käfer, z. B. unser gewöhnlicher Leuchtkäfer, Lam-
pyris splendidula, haben larvenähnliche, ungeflügelte, sowie auch der
Flügeldecken entbehrende Weibchen.
Es kommen aber auch Fälle vor, in welchen den Weibchen
besondere, den Männchen fehlende Ausstattungen zukommen; dieselben
beziehen sich immer auf die Brutpflege. Hierher können wir den ver-
längerten Rüssel der Weibchen der Rüsselkäfergattung, Balaninus,
rechnen, welche zur Unterbringung der Eier in der Tiefe der Frucht-
knoten dienen, sowie die zum Sammeln des als Larvennahrung dienenden
Blumenstaubes eingerichteten Hinterbeine der Weibchen vieler Blumen-
bienen (vergl. Fig. 24 E und F).
Wenngleich normalerweise keine Insektenzwitter vorkommen, so sind
solche doch als Monstrositäten bekannt. Die wenigen Exemplare, welche man auf
ihren inneren Bau untersuchte, zeigten stets eine innere Vermischung der primären
Geschlechtscharaktere, Hand in Hand gehend mit der der äusserlichen, der secundä-
ren. Durch letztere ist man überhaupt auf das Vorkommen von Zwittern aufmerksam
geworden. Diese Vermischung der äusserlichen Geschlechtsuntersehiede kann nun
einmal eine regellose sein, andererseits aber auch regelmässig die eine seitliche
Hälfte des Thieres männlich, die andere weiblich sein. Der erste Fall kommt
mitunter bei der Honigbiene in ausgezeichneter Ausbildung vor, während regel-
mässige seitliche Zwitter am häufigsten unter den Schmetterlingen auftreten,
z. B. beim Schwammspinner und beim Kiefernspinner.
Mögen aber Männchen und Weibchen sich durch secundäre Ge-
schlechtscharaktere noch so sehr unterscheiden, also ein noch so ausge-
prägter geschlechtlicher Dimorphismus vorhanden sein, so sind doch
in den meisten Fällen einerseits die Männchen, andererseits die Weibchen
einer und derselben Art unter sich gleich. Wir haben also in der
Regel in jeder Insektenart nur eine Männchen- und eine Weibchenform.
In anderen Fällen, und zwar meist bei gesellig lebenden Insekten,
treten dagegen die Weibchen in zwei oder mehreren Formen auf. Im
einfachsten Falle sind es nur Grössenunterschiede, so bei unsern
Wespen, Gattung Vespa, bei denen grössere und kleinere Weibchen vor-
kommen. Häufig treten aber bei der Mehrzahl der Weibehen einer Gesell-
schaft Hand in Hand mit einer Verkümmerung der übrigens ursprünglich
nach dem weiblichen Typus angelegten Geschlechtstheile, gegenüber
den wohl entwickelten, eigentlichen Weibchen auch weitergehende äussere
Unterschiede auf. Solche geschlechtlich verkümmerte, häufig fälschlich
46 Kap. I. Die äussere Erscheinung der erwachsenen Iusekten.
als geschlechtslos, als Neutra bezeichnete Weibehen werden im Gegensatz zu
den geschlechtlich entwickelten, den Königinnen, als Arbeiterinnen
bezeichnet. Bei uns sind die Honigbiene und sämmtliche Ameisenarten
mit Arbeiterinnen versehen. Es ist also hier ein geschlechtlicher
Polymorphismus vorhanden.
In den verstecktesten Fällen beginnt der geschlechtliche Polymorphismus,
der übrigens auch die Männchen betreffen kann, ganz allmälig. So ist es z. B. bei
den Männchen des Nashornkäfers und des Hirschkäfers, bei welchen man Männ-
chen mit sehr starken Hörnern, beziehungsweise Geweihen, findet und welche mit
sehr schwach entwickelten, zwei Formen, die durch seltenere Uebergangsstufen
verbunden sind. Bei Dytiscus marginalis tritt das Weibchen in zwei Formen auf,
von denen die eine häufigere dem Männchen zur Fixation bei der Begattung
bequemere längsgeriefte Flügeldecken hat, die andere dagegen glatte, wie das
Männchen.
Bei den Honigbienen unterscheiden sich die Arbeiterinnen von
der Königin durch stärkere Mundwerkzeuge und den gut ausgebildeten
Sammelapparat, bei den einheimischen Ameisen sind die Arbeiter flügel-
los und demgemäss mit viel geringer entwickeltem Bruststück aus-
gestattet als die grösseren und ursprünglich geflügelten Königinnen.
Bei manchen unserer einheimischen Ameisen, so z. B. bei Formica
ligniperda, findet man ausserdem grosse und grossköpfige, sowie kleine
und zugleich kleinköpfige Arbeiter, welche beide extreme Formen
aber durch eine grosse Menge häufiger Uebergänge verbunden werden.
Bereits bei einer südeuropäischen Ameise, der Pheidole megacephala,
fallen diese Uebergangsstufen weg, und die grossköpfige und die kleinköpfige
Arbeiterform treten unvermittelt neben einander auf, so dass man die ersteren als
Soldaten, von den letzteren, den eigentlichen Arbeitern, unterschieden hat. Dies
ist bei vielen ausländischen Ameisen die Regel und kommt in noch ausgepräg-
terem Masse bei den „weissen Ameisen”, den zu den gesellisen Geradflüglern
gehörigen Termiten, vor.
KAPITEL IM.
Der innere Bau des erwachsenen Insektes
und die Lebensverrichtungen des Einzelthieres.
Will man den inneren Bau eines Insektes studiren, -so hat man zu-
nächst dessen Leibeswand zu durchschneiden, welche an Mund, After,
K
og
BM BS' HG Dvd Dvd SB Vg
Fig. 29. Schematische Darstellung der Lagerung der inneren Organe — mit Aus-
nahme der Musculatur und der Tracheen — bei einer weiblichen Feldheuschrecke.
Zum Theil nach Burezss.. X Kopf, B Brust, 77 Hinterleib, VD Vorderdarm,
SpD Speicheldrüse, VD7 Schlund, VYD2 Kropf, BS Blindschläuche, MD Mittel-
darm, Chylusmagen, 77G@ Harngefässe, 7D Hinterdarm, 7D1 Dünndarm, 7D2 Mast-
darm, Hz Herz, Ao Aorta, 08g oberes Schlundganglion, welches den Fühlernerv.
den Punktaugen- und den Netzaugennerv, sowie den paarigen Eingeweidenerv EN
aussendet, «Sg unteres Schlundganglion, B M Bauchmark, O» rechter Eierstock,
Ovd1 rechter Eileiter, Ovd2 linker abgeschnittener Eileiter, 5 B Samenblase,
Vg Vagina. Ausserdem sind angedeutet: Fühler, Taster, die Anlenkungsstelle der
Beine und Flügel und die Segmentirung des Körpers.
Luftlöchern und Geschlechtsöffnung direct in die Wand der Verdauungs-,
Athmungs- und Geschlechtsorgane übergeht, und die Leibeshöhle zu
öffnen. Von den in dieser enthaltenen Eingeweiden nimmt das Centralorgan
des Blutkreislaufes, das Herz, die Mittellinie der Rückengegend ein. Unter
ihm liegt von Mund zu After verlaufend der Darmcanal mit seinen
Anhangsdrüsen, von denen die mit der Mundhöhle verbundenen
48 Kap. III. Der innere Bau des erwachsenen Insektes.
Speicheldrüsen und die in den Afterdarm einmündenden Harn-
gefässe nur selten fehlen.
Das Centralorgan des Nervensystems besteht aus dem oberhalb
des Schlundes gelegenen Gehirnganglion, welches durch seitlich
neben dem Schlunde herablaufende Stränge sich fortsetzt in das die
Mittellinie der Bauchgegend einnehmende Bauchmark.
NA | =/ a ! RI er
Ber
Fig. 30. Schematische Darstellung der Lagerung des Centralnervensystems bei einer
weiblichen Feldheuschrecke nach Ewerron und Packarpd. X Kopf, 5 Brust,
B Hinterleib mit seinen zehn Segmenten, PA Punktauge, NA Netzauge, og oberes
Schlundganglion, «Sy unteres Schlundgangslion, EN paariger Eingeweidenerv,
BGI-—IIL erstes bis drittes Brustganglion, A G1—5 erstes bis fünftes Abdominal-
ganglion.
Wi
/ | | MN
SEI Sea TrI rat
Fig. 31. Schematische Darstellung des Luftröhrensystems einer weiblichen Feld-
heuschrecke nach Emertron und Packarn. K Kopf, B Brust mit ihren drei Segmenten,
J— III, H Hinterleib mit seinen zehn Segmenten, 7—10, St die Luftlöcher, 7’ die
Tracheenblasen, 7r/ der linke äussere, bauchständige Luftröhren- oder Tracheen-
hauptstamm, 7’r II der linke rückenständige Luftröhrenhauptstamm, 7r III der linke
ınnere bauchständige Luftröhrenhauptstamm. Die entsprechenden rechten Stämme
fehlen in dieser einseitigen Darstellung.
Die Hauptstämme des von den Luftlöchern entspringenden, die
Athmung besorgenden Luftröhrensystems sind paarig angelegt und
seitlich neben der Medianebene angeordnet. Die gleichfalls paarig
angelegten Fortpflanzungsorgane, deren Mündung stets auf der
Bauchseite vor dem After gelegen ist, nehmen die Seitentheile des
Hinterleibes ein.
Anordnung der Hauptorgane, Leibeswand. 49
Diese einfache Anordnung der Hauptorgane wird theilweise ver-
schoben bei denjenigen Insekten, bei welchen einmal der Darmeanal
länger wird, als der gerade Abstand von Mund zu After, andererseits
die Ausführungsgänge der Fortpflanzungsorgane sich strecken. Alsdann
liegen Darm und Fortpflanzungsorgane, die seitliche Symmetrie störend,
aufgeknäuelt im Hinterleibe. Der Raum zwischen den einzelnen Ein-
geweiden wird zum Theil ausgefüllt von den regellosen Zellballen des
Fettkörpers. Festgehalten in ihrer Lage werden die sämmtlichen
Organe durch die feinen Verzweigungen der Luftröhren, welche, wenn
das Insekt unter Wasser geöffnet wird, als ein alle Organe dicht um-
spinnendes Netz von Silberfäden erscheinen., Um- und durchspült wird
das Ganze, da kein geschlossenes Blutgefässsystem vorhanden ist, von
dem frei in der Leibeshöhle circeulirenden Blute.
Die Leibeswand. Diese besteht von
aussen nach innen gerechnet aus der Cuti-
eula, derHypodermis und der Muskel-
schicht.
Die wesentlichen äusseren Verhält-
nisse der aus Chitin bestehenden Cuti- 3} |
cula sind bereits auf Seite 40 angedeu- 71,” F \
? : 2 Be u H7,
tet. Obgleich stets die Outieularbildungen %
ein Hautskelet abgeben und die relativ Fig. 32. Halbschematischer Quer-
festesten Theile des Insektenkörpers sind, schnitt durch die Cuticula und
ä : h ‚ Hypodermis. (' geschichtete Cuti-
so ist doch die absolute Festigkeit und <ula mit den durch Gelenke, @,
Widerstandsfähigkeit des Insektenpanzers mit ihr verbundenen Haaren H.
je nach seiner Stärke bei verschiedenen M die die Cuticula absondernden
ee schn verschieden. wie uns’z: B Matrixzellen der Hypodermis. 7Z
each h Sch issfli “ die Haarzellen. Gm die binde-
a UNI DELINETBBIIEZe mit gewebige Grundmembran.
einem grossen braunen Rüsselkäfer, d.h.
zweier T'hiere von annähernd gleicher Statur zeigt. Stärkere Cutieularlagen
sind stets geschichtet (Fig. 32 C) und von senkrecht zu ihrer Ober-
fläche verlaufenden zahlreichen Porencanälen durchsetzt. Faltenartige
Einschlagungen der Cutieula nach innen, besonders in der Mittellinie
des Sternums, werden mitunter als „inneres” Skelet bezeichnet.
Die unter der Cutieula liegende Hypodermis besteht aus einer
Schicht mehr weniger deutlich von einander abgegrenzter, polygonaler
Epithelzellen (Fig. 32 M), welche mit ihrer Basis wiederum einer feinen
bindegewebigen Membran (Fig. 32 Gm) anliegen. Die Aussenfläche
der Hypodermiszellen sondert, wie bereits mehrfach erwähnt, die
Chitinsubstanz als ein anfangs zähflüssiges, erst späterhin erhärtendes
und starr werdendes Secret ab. Will man diese Thätigkeit der Hypo-
dermis besonders hervorheben, so bezeichnet man sie auch als chi-
tinogene Schicht oder Matrix der Cutieula. Haarartige Fort-
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde. 4.
50 Kap. III. Der innere Bau des erwachsenen Insektes.
sätze einzelner, durch besondere Grösse, flaschenförmige Gestalt, Mehr-
kernigkeit und zuweilen tiefere Lagerung ausgezeichneter Hypodermis-
zellen sind es, auf denen gleichfalls als Secret ihrer Oberfläche, die
haar- oder schuppenartigen Cutieularanhänge sich bilden. Man kann
diese Zellen Haarzellen nennen (Fig. 32 HZ). Die meist geschmeidig
bleibende und von einer kleinen, wallartigen Erhebung umgebene Ansatz-
stelle der Haare bildet häufig eine Art Gelenk für dieselben. Die ge-
sammte Sceulptur und alle Anhänge der Outicula sind also genaue Abbilder
der Oberflächenbeschaffenheit der unter dieser liegenden, zelligen Hypo-
dermis. Da das vollendete Insekt sich nicht mehr häutet, die Hypodermis-
zellen also fernerhin kein Secret mehr zu liefern haben, so werden sie
häufig bei der Imago rückgebildet und erscheinen weniger deutlich.
Einzelne Zellen oder Zellgruppen oder beutelförmige Einstül-
pungen der Hypodermis können als Hautdrüsen wirken, welche durch
besonders modifieirte Porencanäle, die sich mitunter als röhrenförmige
Fortsätze über die Cuticula erheben, nach aussen münden. Die Secrete
dieser Drüsen sind sehr verschiedenartig. Wir erwähnen hier nur
beispielshalber einige Formen. Die auf der Unterfläche des "Thorax
gelegene Stinkdrüse unserer Wanzen, sowie die unmittelbar neben der
Afteröffnung mündenden Analdrüsen (Fig. 55) vieler Käfer, z. B. der
Carabus- und Brachinus-Arten, sowie der Orthopteren (Fig. 33 Z), sondern
einen übelriechenden, dem Insekt als Vertheidigungsmittel dienenden
Saft ab. Die häufig in Honigröhren auslaufenden Honigdrüsen auf dem
Rücken des Hinterleibes vieler Blattläuse liefern eine von den Ameisen
begierig aufgeleckte, süsse Flüssigkeit. Das Secret der Wachsdrüsen
kann entweder ein dem Körper des Insektes anhaftendes wolliges Schutz-
kleid bilden, wie z. B. bei den Rindenläusen, Chermes, oder aber, wie
das zwischen den Bauchschienen des Arbeitsbienen- Abdomens secer-
nirte Bienenwachs, zur Bereitung der Brutstätten, der Waben, dienen.
Die nach innen von der Hypodermis folgende Muskelschicht
bildet einen in den verschiedenen Körperabschnitten sehr verschieden
stark ausgeprägten Hautmuskelschlauch, welcher eine der Segmentirung
des Hautskeletes entsprechende, meist sehr feine Gliederung in zahl-
reiche, in den verschiedensten Richtungen wirkende Einzelmuskel
und Muskelgruppen erkennen lässt. Am stärksten ist diese Musku-
latur ausgeprägt in den Kiefer, Beine oder Flügel tragenden Körper-
abschnitten. Sie wird, wie überhaupt bei allen Arthropoden, durch
quergestreifte Muskelfasern gebildet.
Nicht allein am Stamme des Leibes, sondern auch in sämmtlichen
grösseren Körperanhängen, Gliedmassen und Flügeln kann man dieselbe
xeihenfolge der Schichten beobachten.
Der Darmeanal und seine Anhänge.
Der Darm beginnt an der von den Mundwerkzeugen umgebenen
Mundöffnung und geht zu der am Ende des Abdomens gelegenen
Die Leibeswand, der Darmcanal und seine Anhänge: 51
Afteröffnung, je nach seiner Länge in geradem oder schlingenförmig
geknäultem Verlaufe.
Seine Innenfläche ist, bis auf eine kleinere Strecke des Mitteldarmes, stets
ausgekleidet von einer Chitin-Cuticula, welche, wie bereits erwähnt, an Mund
und After direct in das äussere Hautskelet sich fortsetzt. Nach aussen von dieser
folgt die Epithelzellenschicht, welche als Matrix die Cuticula abgesondert hat;
sie wird umkleidet von einer dünnen Bindegewebshaut, der wiederum die aus
Längs- und Ringfasern bestehende Muskelschicht folgt. Den Abschluss der Darm-
wand nach der Leibeshöhle hin macht eine zweite feine Bindegewebshaut.
Nur in seltenen Fällen, z. B. bei den Eintagsfliegen, ist die
Mundöffnung verschlossen und die Imagines nehmen daher keine
Nahrung zu sich. Am auffallendsten sind die Verhältnisse bei den
Männchen einiger Blattläuse, z. B. von Phylloxera Quercus, denen
Mundwerkzeuge und Darm völlig fehlen.
Fig. 33. Darmeanal mit seinen Anhängen von einer Werre, Gryllotalpa vulgaris Latr.
A Kopf mit Fühlern und Mundwerkzeugen, B Afterklappe mit den beiden Raifen
und den Analdrüsen /, « Speicheldrüse, «a‘ Speichelreservoir, b Schlund, ce Kropf,
d Kaumagen, e Blindschläuche, / und y Chylusmagen, A Dünndarm, © das mit einem
einfachen Gang in den Darm mündende Büschel von Harngefässen, k Mastdarm.
Der Darm gliedert sich auch in den einfachsten Fällen in drei
Abschnitte, welche man am besten als Vorder-, Mittel- und Hinter-
darm bezeichnet (Fig. 29 VD, MD, HD). An dem Vorderdarm kann
man stets die Mundhöhle und die eigentliche Speiseröhre unter-
scheiden, von welch letzterer sich häufig noch Kropf und Kaumagen
abgrenzen. In die Mundhöhle ergiessen die Speicheldrüsen (Fig. 29
Sp D) ihr Secret.
Die Mundhöhle ist von einer starken Muskulatur umgeben
und besorgt bei den kauenden Insekten die Schluckbewegungen,
während sie bei den saugenden durch abwechselnde Erweiterung und
Verengerung ihres Hohlraumes die Saugwirkungen hervorbringt. Die
Speiseröhre übernimmt die Nahrung aus der Mundhöhle und führt
sie dem Magen zu. Häufig ist sie am hinteren Ende aber noch
in ein Reservoir zur längeren Aufbewahrung eingenommener Nahrungs-
vorräthe, in einen Kropf aufgetrieben. Dieser kann entweder eine
4*®
>11
oO
[5)
Kap. III. Der innere Bau des erwachsenen Insektes.
regelmässige, allseitig gleichmässige, mitunter ungemein starke Auf-
treibung der Speiseröhre bilden, oder einen seitlich mit ihr durch einen
engen Gang verbundenen Sack.
Letzteres ist besonders häufig bei den Insekten mit saugenden
Mundwerkzeugen der Fall, und ein solcher langgestielter Sack wurde
daher früher als „Saugmagen” bezeichnet, obgleich er in Wirklichkeit
keinerlei Saugwirkungen auszuüben im Stande ist, sondern nur als
Aufbewahrungsort für aufgesogene Flüssigkeit dient. Der Endtheil
des Vorderdarmes zeichnet sich bei kauenden Insekten häufig durch
eine stärkere Muskelschicht aus, und seine innere Cuticularauskleidung
ist alsdann an einzelnen Stellen verdickt, so dass sich auf ihr feste
Platten, Zähne oder Borsten finden. Man bezeichnet einen so gestal-
teten Endabschnitt als Kaumagen, weil er geeignet ist, die ein-
genommene Nahrung noch weiter mechanisch zu zerkleinern (Fig. 33
und 35 d). Aber nicht nur im Falle des Vorhandenseins eines Kau-
magens erleiden die Speisen im Vorderdarm eine weitere Veränderung,
sondern es scheint, als ob dieselben hier überhaupt einer chemischen
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EM- Ze
Fig. 34. Darmeanal der Schmeissfliege, Sarcophaga carnaria L. « Speicheldrüsen,
b Schlund, e Saugmagen, f und g Chylusmagen, % Dünndarm, i die in den Darm
mit zwei Gängen mündenden zwei Paar gefiederten Harngefässe, % Mastdarm.
Zersetzung, einer Art Vorverdauung durch die Einwirkung der Seerete
(der Speicheldrüsen, unterlägen.
Die Speicheldrüsen, welche zu einem oder mehreren Paaren in
die Mundhöhle einmünden (Fig. 29 SpD; 35, 34 und 36 a) und häufig
noch mit einem besonderen Speichelreservoir (Fig.33, a‘) verbunden sind,
haben also bei den Insekten eine höhere Beier an als bei den
Wirbelthieren, indem ihr Seeret nicht allein Stärkemehl in Trauben-
zucker umzusetzen, sondern auch Eiweissstoffe in Peptone zu verwan-
deln vermag, wie wir sicher wenigstens von der Küchenschabe wissen.
Der Mitteldarm ist es, in welehem die im Vorderdarm verdauten
Speisen ihre definitive Umsetzung erfahren, und in dem der Nahrungssaft,
der Chylus, bereitet wird. Daher wird dieser häufig in mehrere Abschnitte
zerfallende und mit drüsigen Wandungen versehene Darmtheil auch
Chylusdarm genannt.
Die die Verdauungssäfte absondernden Drüsen sind entweder in
die Decke der Darmwand eingebettet oder sitzen derselben als mehr
weniger lange und zahlreiche Zotten (Fig. 35 f) oder Blindschläuche
an. Auch kann der eine Theil des Chylusdarmes Zotten tragen, der
BB)
Der Darmcanal und seine Anhänge.
andere drüsige Wandungen zeigen, so dass nicht nur durch die Ver-
schiedenheit der Weite, sondern auch durch diese Besetzung mit
Anhängen die einzelnen Abschnitte des Chylusdarmes ein verschiedenes
Aussehen erhalten können (Fig. 33, 34 und 35 f und g). Am
stärksten sind die Blindschläuche bei den Heuschrecken und Verwandten
ehnlichkeit mit
Fig. 35. Darmeanal eines Laufkäfers. 5 Schlund, e Krop.,, d Kaumagen, 5 Chylus-
magen mit Zottenbesatz, y zottenloser Magentheil, © die beiden Paar an ihren Enden
schlingenförmig in einander übergehenden Harngefässe, A Dünndarm, % Mastdarm,
l Analdrüsen.
der der Leber der Krebse, aber es kommt bei den Insekten nie zur
Ausbildung einer compacten, wirklichen Leber.
Der Hinterdarm, welcher in zwei oder drei, alsdann als Dünn-
darm, Dickdarm und Mastdarm unterschiedene Abschnitte getheilt
Fig. 36. Darmeanal der Honigbiene, Apis mellifica L. « Speicheldrüsen, 5 Schlund,
ce Chylusmagen, d die zahlreichen einzeln in den Darm mündenden Harngefässe,
e Dünndarm, / Mastdarm, g Rectaldrüsen.
sein kann (Fig. 29 HD, Fig. 33—35 h, k, Fig. 36 e, f), dient wesent-
lich zur Ausfuhr der unverdauten Nahrungsreste, des Kothes. Sein An-
fang wird bezeichnet durch die Einmündung der Harngefässe,
In die Höhlung des als Mastdarm oder Rectum bezeichneten
Endabsehnittes des Darmes springen häufig eine Anzahl von Längs-
wulsten vor, welche als Reetaldrüsen bezeichnet werden; ihre
Funetion ist noch ziemlich unklar (Fig. 36 g).
54 Kap. III. Der innere Bau des erwachsenen Insektes.
Die Harngefässe (Fig. 29 HG) sind längere oder kürzere,
meist blind endigende, dünne Schläuche, welche sich an der Grenze von
Mittel- und Hinterdarm dem Darmcanal inseriren. Ihre Zahl ist sehr
wechselnd. Das Secret, welches die sie auskleidenden Drüsenzellen
absondern und welches zugleich mit den Kothmassen durch den Hinter-
darm ausgeführt wird, ist dem Harn gleichwerthig, und es haben also die
Harngefässe bei den Insekten dieselbe Function wie die Nieren bei den
Wirbelthieren. Sie sollen nur einigen niederen Schnabelkerfen, z. B. den
Blattläusen, fehlen.
Die Harngefässe sind meist drehrund, nur selten kurz gefiedert.
Sie enden meist blind und frei, indessen können sich bei manchen
Insekten die blinden Enden auch unter der äusseren Bindegewebshaut
des Darmes verstecken, und bei anderen gehen die Enden je zweier
Gefässe schlingenartig in einander über (Fig. 35).
Im allgemeinen sind sie paarig angelegt. Ihre Zahl kann von
zwei bis zu einigen Hundert wechseln. Bei den Formen, wo nur
wenige Harngefässe, d. h. 4 bis 8 Stück, vorhanden sind, sind die-
selben gewöhnlich sehr lang und geschlängelt dem Mitteldarm angelagert,
von dem sie häufig durch eine grelle, weissliche, gelbliche, bräunliche
ja sogar grüne oder röthliche Färbung abstechen. Dies ist der häufigst
vorkommende Fall (Fig. 35). Bei den Käfern sind 4 bis 6, bei den
Schmetterlingen 6, bei den Zweiflüglern und Schnabelkerfen 4 Stück
die Regel (Fig. 34). Da, wo wie bei einigen Gruppen der Gerad-
flügler (Fig. 33) und bei den bienenartigen Thieren (Fig. 36), ihre
Anzahl stark wächst, bleiben sie kürzer. Sie münden alsdann ent-
weder einzeln in den Hinterdarm ein (Fig. 36) oder vereinigen sich
vorher zu mehreren gemeinsamen kurzen Harnleitern. Am stärksten
ist diese Vereinigung bei den Grillen, wo die sehr zahlreichen, ein
Büschel bildenden Harngefässe einem gemeinsamen Harnleiter ansitzen
(Fig. 33 ö). Bei den Schmetterlingen und Schnabelkerfen erweitern sich
die die Harngefässe aufnehmenden beiden Harnleiter mitunter zu kleinen
Harnblasen.
Die Harngefässe, nach ihrem Entdecker, dem berühmten, in der zweiten
Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts zu Bologna lehrenden Arzte und Anatomen
MARcELLoO Marrıicus, auch Malpishi’sche Gefässe genannt, zeigen ausser einer
doppelten äusseren Bindegewebshülle eine einfache Schicht von Drüsenzellen,
welche platzend ihr breiiges Secret in das Lumen der Schläuche entleeren.
Früher wurden die Malpighi’schen Gefässe vornehmlich deshalb, weil ihr
Seeret manchmal eine gallenähnliche Färbung zeigt, als der Leber der Krebse
und Spinnen entsprechend angesehen. Die chemische Untersuchung hat aber
in ihren Ausscheidungen keinerlei Gallenbestandtheile nachzuweisen vermocht,
während sich durch die sogenannte „Murexidprobe’ stets reichlich Harnsäure in
srösserer Menge nachweisen lässt und Krystalle von oxalsaurem Kalk und Taurin
und Kugeln von Leuein und harnsaurem Natron vielfach in ihnen gefunden
werden. Ihre Bedeutung als „Nieren”, als harnausscheidende Organe ist daher
heute wohl zweifellos festgestellt.
Die Harngefässe. Das Tracheensystem. 55
Die Athmungs- und Kreislauforgane.
Das Tracheensystem. Das ausgebildete Insekt athmet durch Luft-
röhren, tracheae (Fig. 38), d. h. durch ein System paarig angelegter
Röhren, die, in den gleichfalls paarig, meist auf den Gelenkhäuten
zwischen den einzelnen Segmenten angeordneten Luftlöchern oder Stig-
men, stigmata, beginnend, reichlich verzweigt in das Innere des Körpers
eindringen, jedem Theile desselben in der Athemluft den nothwendigen
Sauerstoff direet zuführen und der ausgeschiedenen Kohlensäure Abzugs-
wege gewähren. Der Luftwechsel in dem Tracheensystem wird durch ab-
wechselnde Ausdehnung und Zusammenziehung des Hinterleibes bewirkt.
Die Tracheen entstehen durch schlauchförmige Einstülpung der
Leibeswand nach innen. Sie sind daher ausgekleidet mit einer sehr
feinen Cutieula, die von einer die 'Tracheenröhre umgebenden zarten
Zellschicht (Fig. 37, M) abgesondert ist.
Im Umfang jedes Stigmas geht die Cuti-
cula der Trachee in die Cuticula der
Körperoberfläche, die Zellschicht in die
Hypodermiszellen über. Alle gröberen
Zweige der Tracheen sind mit einer faden-
förmigen, in das Innere des Tracheen-
lumens vorspringenden und spiralig in dem- Fig. ST Bee eneWlachee,
selben fortlaufenden Cuticularverdickung 7 Matrix der Tracheeneutieula.
(Fig. 37 SpF), dem Spiralfaden, ver- Sp F Spiralfaden, TB spiral-
sehen, welche wie die häufig in für fadenlose Tracheenblase,
den Gebrauch im Zimmer bestimmte Tr E spiralfadenlose Tracheen-
ei . © ; enden.
Gasschläuche eingelegten Messingspiral-
federn die Wandung der Tracheen steifen und ihr Lumen offen halten.
Diese Vorrichtung fehlt nur den feinsten Endzweigen und den grossen
blasenföormigen Erweiterungen, welche bei manchen schnellfliegenden
Kerfabtheilungen reichlich vorkommen (Fig. 37 TrB und Tr E).
Als typische Anordnung des Tracheensystems kann man die-
jenige ansehen, bei welcher sich zehn Paar Stigmen vorfinden, von denen
das erste und zweite Paar gewöhnlich als der Mittel- und Hinterbrust,
die acht übrigen Paare als den acht ersten Hinterleibsringen zugehörig
betrachtet werden. Kopf und Prothorax sind stets ohne Stigmen. Nur die
Gattung Pulex, Floh, hat auch am Prothorax ein Stigmenpaar.
Von diesen mit mehr weniger complieirten Verschlussapparaten ver-
sehenen Stigmen treten nach innen je ein oder mehrere Tracheenstämme.
Im ersteren Falle treten dieselben jederseits zu einem langen
seitlichen, bauchständigen, ventralen Hauptstamme zusammen (Fig. 38 7r I),
welcher durch Queräste mit einem seitlichen, rückenständigen Haupt-
56 Kap. III. Der innere Bau des erwachsenen Insektes.
stamme (Fig. 35 7r II) und einem dritten, auch bauchständigen, aber
mehr nach innen neben dem Bauchmarke verlaufenden Hauptstamme
(Tr IIT) verbunden ist. Die drei eben geschilderten Hauptstämme sind
paarig und die entsprechenden rechten und linken gleichfalls durch
Querstämme mit einander verbunden. Von diesen Hauptwegen gehen
nun die feineren Tracheenverzweigungen aus, welche alle inneren Organe
mit einem dichten Netze von Luftröhren umspinnen.
Im zweiten Falle treten die von jedem Stigma nach innen laufen-
den mehrfachen 'Tracheenstämme nicht zu Hauptlängsstämmen zusammen,
sondern gehen direct in reichlicher Verzweigung zu den benachbarten
Organen und bilden so ein mehr segmentirtes Tracheensystem.
KB B ‚sts
St Sta TrI Tri St4-10
Fig. 38. Schematische Darstellung des Tracheensystems einer weiblichen Feld-
heuschrecke nach Ewerron und PackArn. K Kopf, B Brust mit ihren drei Segmen-
ten, 7-III, H Hinterleib mit seinen zehn Segmenten, 7—10, St die Luftlöcher,
Tr BdieTracheenblasen, Tr I der äussere linke bauchständige Tracheenhauptstamm,
Tr II der linke rückenständige Tracheenhauptstamm, 7’r III der linke innere bauch-
ständige Tracheenhauptstamm. Die entsprechenden rechten Stämme fehlen in dieser
einseitigen Darstellung.
Diese Anordnung erleidet aber mancherlei Modificationen. Einmal
werden bei Reduction der Anzahl der Hinterleibssegmente auch die
Hinterleibsstigmen durch Schwinden der letzten Paare redueirt,
andererseits Können bei persistirendem letzten Stigmenpaare und
bleibenden Thoracalstigmen einige oder alle zwischenliegende Paare
schwinden. In einzelnen Fällen, z. B. bei Nepa und Ranatra, d.h.
bei im Wasser lebenden Wanzen, verlängern sich die Stigmen des
letzten Paares in lange Athemröhren, durch welche das T'hier, ohne
selbst an die Oberfläche des Wassers zu kommen, die Athemluft auf-
nehmen kann.
Bei allen Insektenimagines wird nämlich die Athemluft direet
der Atmosphäre entnommen, sogar auch bei den im Wasser lebenden.
So sehen wir z. B. die Wasserkäfer von Zeit zu Zeit an die Ober-
fläche des Wassers kommen, um durch Hebung der Flügeldecken
unter dieselben einen Luftvorrath einzunehmen, weleher ihnen eine Zeit
lang die Existenz unter Wasser gestattet und in regelmässigen Pausen
Das Tracheensystem. 57
erneuert wird. Die bei vielen im Wasser lebenden Insektenlarven so
verbreiteten Tracheenkiemen kommen nur rudimentär bei den Ima-
gines einiger seltenen Insektenspecies vor.
Fig. 39. Thoracal- Fig. 40. Schematische Darstellung des Tracheenverschlusses
stigma der Stuben- bei einem Hirschkäfer. A der geöffnete, B der geschlossene
fliege, Musca dome- Apparat, St Stigma mit vorsprinsendem Gitterverschluss,
sticaL.nachH.Lan- (Ct Cuticula der Leibeswand, V% Verschlusskegel, VD ü Ver-
poıs, Sb Stimmband. schlussbügel, Vb«a Verschlussband, M Muskel.
Die Tracheen wirken bei vielen Formen aber auch noch als
a@rostatische Apparate, und zwar ist dies besonders der Fall mit den
oben erwähnten blasenförmigen Erweiterungen (Fig. 38 Tr B) derselben,
welche bei vielen Dipteren und Lepidopteren die Leichtigkeit der Flug-
bewegung bedeutend erhöhen, und bei manchen schwerfälligen Fliegern
vermöge der durch ihre Füllung mit Luft bewirkten Verminderung des
specifischen Gewichtes den Flug überhaupt erst ermöglichen. Diese Füllung,
durch starke Athmungsbewegungen des Hinterleibes bewirkt, ist bei dem
Maikäfer als das dem Abfluge vorangehende „Zählen” bekannt.
An oder in der Nähe der Stigmen sind Verschlussapparate (Fig. 39
und 40) angebracht, welche einmal den Eintritt von fremden Körpern
in die Röhren verhindern, andererseits aber auch die einmal eingetretene
Luft festzuhalten im Stande sind, so dass dieselbe durch die Athem-
bewegungen bis in die feinsten Verzweigungen vorgedrückt werden kann.
Der Verschluss der Stigmen kann also ein doppelter sein.
Einmal findet man an den gewöhnlich von einer Chitinspange um-
gebenen äusseren Oeffnungen Vorrichtungen, welehe den Eintritt von
fremden Körpern, Staub, Wasser etc., verhindern und z. B. entweder
lippenartig (Fig. 39 8b) oder gitterähnlich (Fig. 40) vom Rande nach dem
Centrum vorspringen. Zweitens ist hinter dem Stigma eine mit einem
Hebel versehene, mehrtheilige Chitinspange um die Trachee selbst
gelegt, welche durch Muskelwirkung zusammengequetscht, die Trachee
auch für Luft unwegsam macht
Es erhellt dies am besten aus Fig. 40; ist der Muskel M erschlafft, so
steht die aus Verschlusskegel V%, Verschlussband Va und Verschlussbügel Vbä
bestehende Spange often. Zieht sich der Muskel zusammen, so wird durch den
58 Kap. III. Der innere Bau des erwachsenen Insektes.
als Winkelhebel fungirenden Verschlusskegel die Trachee zwischen Verschlussband
und Verschlussbügel zusammengequetscht.
Bei manchen Insekten bilden die lippenartigen Verschlüsse
zu gleicher Zeit Stimmbänder, d. h. Membranen, welche, durch die
Strömung der Athemluft angeblasen, summende Töne erzeugen können
(Fig. 39 Sb). Dass diese Art der Tonerzeugung übrigens nicht die
einzige vorkommende ist, werden wir später darlegen (vgl. S. 64).
Der Fettkörper. Reichlichst von den feineren 'Tracheenverzwei-
gungen durchsetzt, vielfach in die Zwischenräume der inneren Organe
eingelagert und sich dicht sowohl an die äusseren Wandungen der
Eingeweide als an die Innenseite der Leibeswand anlegend, finden sich
bei allen Insekten weissliche oder gelbliche, unregelmässige Lappen oder
Ballen. Sie bestehen aus grösseren, durch Bindegewebsstränge mit einander
verbundenen Zellen, in denen stets sehr viel freies Fett in Tropfen
abgelagert ist. Dieses Gebilde wird als Fettkörper, corpus adiposum,
bezeichnet.
Die Thatsache, dass im Fettkörper vielfach Hamsäure nach-
sewiesen worden, legt in Verbindung mit dem Umstande, dass der-
selbe reichlich von Tracheenendigungen durchsetzt ist und sich dicht
an die Darmwandung anlehnt, die Vermuthung nahe, dass einmal
dieses Organ wenigstens einen Theil der im Darm bereiteten Nahrungs-
säfte aufnimmt und den übrigen Organen zuleitet, dass andererseits
aber auch in ihm selbst ein Theil der ÖOxydationsprocesse sich
abspielt.
Das Blut. Das Insektenblut ist eine entweder farblose oder
gefärbte, und dann grünlich, gelblich oder röthlich aussehende, häufig
mit vielen feinsten Fetttröpfehen erfüllte Flüssigkeit, in welcher
Blutzellen schwimmen. Die Blutzellen entbehren einer Membran und
sind amoeboid, d. h. sie können ihre Gestalt verändern. Es kreist nicht
wie bei vielen anderen T'hieren, besonders bei den Wirbelthieren, in einem
geschlossenen Gefässsystem, sondern tränkt alle Organe des Körpers
direet und durchspült frei die Leibeshöhle.
Das Herz. Das Insektenherz (Fig. 29 Hz), wegen seiner lang-
gestreckten Gestalt auch Rückengefäss genannt, ist ein muskulöser
Schlauch, welcher im Hinterleibe die Mittellinie der Rückengegend ein-
nimmt. Es zerfällt im allgemeinen in so viele hinter einander gelegene,
durch Einschnürungen gegen einander abgegrenzte Kammern, als Hinter-
leibssegmente vorhanden sind. Am hinteren Ende geschlossen, setzt
es sich nach vorn in ein im Kopfe mit einer freien Oeffnung in die
Leibeshöhle mündendes Blutgefäss, die Aorta, fort. In jeder Kammer
finden sich ein Paar seitlich gelegene Spaltöffnungen, an welchen
Fettkörper, Blut und Herz, 59
Klappeneinrichtungen derartig angebracht sind, dass das Blut durch
sie wohl in das Herz hinein, aber nicht wieder auf demselben Wege
aus ihm heraustreten kann. Durch rhythmische, am Hinterende des Herzens
beginnende Zusammenziehungen wird das Blut im Herzschlauche von
hinten nach vorn befördert, bis es sich aus der freien Oeffnung der
Aorta in die Leibeshöhle ergiesst und nun unter dem Drucke des weiter
nachfolgenden Blutes in regelmässigen Strömen in der Leibeshöhle von
vorn nach hinten zurückkehrt; bei der auf die Zusammenziehung des
Herzens folgenden Erweiterung desselben kann das Blut nun wieder
durch die Spaltöffnungen in das Herz eintreten, um von neuem nach
vorn der Aorta zugedrängt zu werden. Befestigt wird das Herz in seiner
Lage durch ein Netz von Bindegewebs- und Muskelfasern. An seiner
Bauchfläche ruht dasselbe auf einer bindegewebigen Membran, welche
durch beiderseits seitlich an ihr angebrachte Muskelbündel, die Flügel-
muskeln, an den Seiten des Hinterleibes befestigt ist.
Nach den Untersuchungen GrABEr’s ist der letztere Apparat, den man
lange fälschlich für einen Erweiterungsapparat des Herzschlauches angesehen
hatte, eine Einrichtung, welche in Gemeinschaft mit einem ähnlichen, über dem
Centralnervensystem an der Bauchseite gelegenen dazu dient, die regelmässige
Rückbeförderung des Blutes in der Leibeshöhle von vorn nach hinten zu sichern.
Anmerkung. Der Stoffwechsel der Thiere im allgemeinen und daher auch
der Insekten im besonderen, ist wesentlich ein Oxydationsvorgang. Bei jeder
Lebensäusserung verbindet sich in dem sie vermittelnden Organe ein Theil der
seine Gewebe bildenden Substanz mit dem ihm durch die Tracheen direct zu-
seführten Sauerstoffe der Athmungsluft. Es verwandeln sich hierbei sauerstoff-
ärmere Substanzen in sauerstoffreichere, gewebsbildende Stoffe in Auswurfsstoffe,
d. h in Kohlensäure, Wasser und, soweit als die Gewebsbildner stickstoffhaltig
waren, in Harnbestandtheile. Das iiberschüssige, im Körper gebildete Wasser ent-
weicht durch Verdunstung an der Körperoberfläche und den Tracheen-Innenflächen.
Die Kohlensäure wird zugleich mit Wasserdampf durch die Exspirationsbewegungen
aus den Stigmen ausgestossen, und die Harnbestandtheile werden durch die Harn-
gefässe, beziehungsweise den Hinterdarm entfernt. Andererseits wird den Organen ein
Ersatz für die verbrauchten Gewebsbildner, indem ihnen die durch den Verdauungs-
vorgang aus den aufgenommenen Speisen im Darm bereiteten Nahrungsstoffe
zukommen. Diese werden in den Organen assimilirt, d h. in die wirklich gewebs-
bildenden Stoffe umgesetzt. Vermittelt wird dieses Tauschgeschäft durch das Blut,
welches einmal die durch die Darmwand aufgesogenen und in dasselbe über-
getretenen Nahrungsstoffe den Organen zuführt, andererseits aus letzteren die Aus-
wurfsstoffe aufnimmt und den Ausscheidungsorganen zuführt. Unterstützt wird
diese Function des Blutes durch die Blutbewesung. Einmal wird nämlich durch
die bei jeder Athembewegung eintretende Verschiebung der inneren Organe die
Blutflüssigkeit sozusagen aufgerührt und durchgemischt, andererseits ist ja auch
ein besonderes Organ, das Herz, vorhanden, welches einen regelmässigen Blutstrom
im Körper unterhält.
Bei seinem — im Vorhergehenden zum besseren Verständniss des Zusammen-
hanges der Lebensvorgänge in den bisher beschriebenen Organen der Insekten
kurz auseinandergesetzten — Stoffwechsel verbraucht das Thier also die organi-
schen Substanzen der Nahrung sowie den Sauerstoff der Athmungsluft und scheidet
— neben den hier weniger in Frage kommenden Kothmassen — Kohlensäure,
Wasser und Harnbestandtheile aus. Die sämmtlichen organischen Nahrungsmittel
60 Kap. III. Der innere Bau des erwachsenen Insektes.
sind verhältnissmässig sauerstoffarme, leichter zersetzliche Verbindungen, während
die thierischen Ausscheidungsproducte bedeutend sauerstoffreicher und schwerer
zersetzlich sind. In den leicht zersetzlichen Nahrungsmitteln ist nun aber auch
eine grosse Menge von chemischer Spannkraft aufgespeichert. Diese wird bei der
durch Oxydation bewirkten Ueberführung jener in die beständigeren Auswurfstoffe
frei, indem sie sich in lebendige Kraft umwandelt. Dieser Vorgang ist im Grunde
genau derselbe wie der, welcher sich in unseren Oefen abspielt. Auch hier wird
ja das Holz durch Oxydation oder Verbrennung in Kohlensäure und Aschen-
bestandtheile übergeführt, wobei sich die in den” organischen Bestandtheilen des
Holzes aufgespeicherten' verborgenen Spannkräfte in lebendige Kraft, und zwar in
der Form von Wärme umsetzen. Die beim Stoffwechsel im Thierkörper frei werdende
lebendige Kraft ist es nun, auf welcher alle diejenigen activen Lebenserscheinungen
des Thieres beruhen, durch welche es sich besonders von der Pflanze unter-
scheidet Die Formen, in welcher die lebendige Kraft auftritt, sind sehr mannig-
facher Art. Zunächst tritt sie allgemein als Wärme auf. Jedes Thier, auch das
„kaltblütige”, erzeugt selbstständig Wärme, ebensogut wie der geheizte Ofen. Nur
fehlen den kaltblütigen Thieren die den „warmblütigen” zukommenden Vor-
richtungen, um die Körpertemperatur gleichmässig hoch zu erhalten. Es wechselt
letztere also mit der steigenden und sinkenden Temperatur der umgebenden
Luft, ist aber stets, solange die Thiere nicht völlig erstarren, um ein geringes
höher. Dass auch die Insekten Wärme produeiren, beweist am schlagendsten
die selbst bei strenger äusserer Kälte im Winter niemals unter 20 Grad sinkende
Temperatur im Inneren eines Bienenstockes. Hier wird die von den Bienen
produeirte Wärme durch den Stock zusammengehalten.
Weitere Formen, in denen die lebendige Kraft im Thierkörper auftritt,
sind das Licht — Leuchtkäfer —, die durch die Muskeln des Thieres geleistete
mechanische Arbeit, sowie die in dem Nervensystem auftretenden
Kraftformen, welche zum Theil mit den elektrischen Vorgängen in Verbindung
stehen. Wir haben daher zunächst nach einander die Leuchtorgane, die Muskulatur
und das Nervensystem der Insekten zu besprechen. Hieran reiht sich naturgemäss
die Besprechung der dem Nervensystem als Endapparate angefügten Sinnesorgane,
durch welche das Insekt die Vorgänge in der Aussenwelt wahrnimmt. Den Schluss
bildet die Darstellung der Fortpflanzungsorgane, welche nicht dem individuellen
Leben des Thieres, sondern der Erhaltung der Art dienen.
Die Leuchtorgane der Insekten sind unter durchsichtigen Stellen
des Chitinpanzers gelegene Zellplatten, in welchen, geregelt durch das
Nervensystem, Lichterscheinungen auftreten. Das Leuchten ist von dem
Willen des Thieres abhängig und kann plötzlich unterbrochen werden.
Es finden sich Leuchtorgane bei uns lediglich in der Unterfamilie der
Leuchtkäfer, Lampyrini.
Sie bestehen aus Parenchymzellen, welche wesentlich den Fett-
körperzellen gleichwerthig sind, mit feinen Nervenendigungen in Ver-
bindung stehen und von Eraser, des Spiralfadens entbehrenden,
anastomorirenden Tracheenausläufern dicht umsponnen werden, Di
dem Körperinnern zugewandten Zelllagen der Platten sind reichlich
mit Körnchen von harnsauren Salzen durchsetzt, so dass sie sich
von den äusseren farblosen Zellen durch eine weisse Farbe unter-
scheiden. Das Leuchten dieser Organe beruht auf der langsamen Oxy-
dation eines in diesen Zellen abgesonderten Stoffes, welcher auch
ausserhalb des thierischen Körpers eine Zeit lang fortleuchten kann.
Das wirklich vorkommende Leuchten der abgelegten Eier kann nur
dann stattfinden, wenn die Ablage derselben so starke Zerreissungen
Leuchtorgane. Muskulatur. 61
der inneren Organe verursacht hat, dass die Eier mit solchem Leucht-
stoffe verunreinigt wurden. Das „Leuchten” der Augen vieler Nacht-
schmetterlinge hat mit der eben besprochenen Lichtproduction keinen
Zusammenhang, beruht vielmehr lediglich auf dem Wiederschein von
aussen eingedrungenen Tageslichtes, wie das Leuchten der Augen der
Hunde etc.
Das Muskelsystem und seine Thätigkeit.
Die Muskulatur. Die Muskeln der Insekten, welche stets aus
farblosen oder weisslichen Fasern bestehen und sich fest an die Innen-
seite des Hautskeletes anheften, bewirken die Verschiebungen der ein-
zelnen Rumpfabschnitte gegen einander, sowie die Bewegungen der Glied-
massen und Körperanhänge. Die hierbei geleistete Arbeit ist häufig eine
sehr bedeutende. So schleppt z. B. eine Wegwespe eine grosse Raupe oft
weit fort, ein Floh kann ohngefähr das 200fache seiner Körperhöhe
springen, und der anhaltende Flug der Wanderheuschrecken oder Libellen,
sowie das oft stundenlang fortdauernde Musieiren der Grillen erfordern
bedeutende Kraftanstrengung. Wir können hier genauer nur auf die
Ortsbewegungen und Lautäusserungen der Insekten eingehen.
Man kann die Muskulatur der Insekten in Muskeln des Stammes
und der Leibesanhänge eintheilen. Indessen darf man nie vergessen,
dass auch die Gliedmassen und Flügel als Ausstülpungen der Leibes-
wand anzusehen sind. Die Muskulatur des Stammes besorgt vornehmlich
die Bewegungen des Kopfes und des Hinterleibes gegen die Brust,
die Athmungsbewegungen ‘des Hinterleibes und die Bewegung der
Mundwerkzeuge, Beine und Flügel gegen den Stamm. Die Beugungen
und Streekungen der einzelnen Glieder der Gliedmassen gegen einander
werden durch die Gliedmassenmuskulatur ausgeführt. Wie gross die
hierbei geleistete Arbeit sein kann, wird klar, wenn man bedenkt,
dass nach den Untersuchungen von Prarzeau der Nashornkäfer,
Oryctes nasicornis, die 5fache, der Maikäfer die 15fache, der Pinsel-
käfer, Trichius fasciatus, die 42fache Last seines Körpers zu heben
im Stande ist.
Die Ortsbewegungen. Die ausgebildeten Insekten führen Orts-
bewegungen fast ausschliesslich mit Hilfe ihrer Leibesanhänge aus.
Als Beispiel einer anderen Bewegungsart sei das Emporschnellen vieler
Elateriden bei Rückenlagerung, das bekannte Springen der „Schmiede”, erwähnt.
91
Man kann die Ortsbewegungen eintheilen in Schreit-, Schwimm-
und Flugbewegungen.
Die Schreitbewegungen, zu denen man auch die Spring-
bewegungen rechnen kann, werden von den Beinen der Brust aus-
geführt. Sie finden statt an der Grenze eines festeren und eines
Kap. III. Der innere Bau des erwachsenen Insektes.
nachgiebigeren Mediums, d. h. entweder an der Grenze zwischen
Boden und Luft, oder zwischen Boden und Wasser oder zwischen
der Wasseroberfläche und der Luft. So laufen z. B. viele Wasser-
käfer auf dem Grunde des Wassers und manche Wasserwanzen,
Hydrometra, auf der Wasseroberfläche. Es kommen hierbei entweder
alle drei Beinpaare — und zwar ist dies der gewöhnliche Fall —
oder nur die beiden hinteren Paare — Hydrometra, Gottesanbeterin,
Mantis — oder, und zwar bei den Springbewegungen, vorzugsweise
das hintere Beinpaar in Thätigkeit. Die Wirkungsweise eines Insekten-
beines ist hierbei physiologisch im wesentlichen gleich derjenigen
eines Säugethierbeines. Es besteht aus aufeinanderfolgenden, festen,
durch Gelenke verbundenen Gliedern, von denen jedes durch einen
Beuge- und einen Streckmuskel gegen die angrenzenden in einer
Richtung winklig gestellt werden kann. Auch
ist der Bau der Gelenke ein derartiger, dass
bei Beugung aller Theile die aufeinander-
folgenden Winkel ihre Oeffnung nach der
entgegengesetzten Seite kehren, dass also,
während der Winkel zwischen Coxa und
Femur nach vorn geöffnet erscheint, der
zwischen Femur und Tibia es nach hinten
ist u.s. f. Wenn das zunächst gebeugte und
' bis zu einem gewissen Grade an den Leib
herangezogene Bein wieder gestreckt wird,
so übt dasselbe einen nach hinten gerichteten
Stoss auf die Unterlage aus, und der hier-
bei entstehende Rückstoss schiebt den Leib
nach vorwärts. Besonders die Vorderbeine
Fig. 41. Kletterlaufkäfer, Calo-
somasycophantaL.,/Oberlippe,
B Vorderbrust, db Schildehen,
FII rechte Flügeldecke, FIII
linker zusammengefalteter Hin-
der Insekten können aber auch ähnlich wie
die Hände des Menschen beim Klettern wir-
ken. Nachdem zunächst eine Streckung der-
selben in der Richtung nach vorn erfolgte,
terflügel, LI— III linke,
R I—III rechte Beine.
fixirt sich die Beinspitze mit Hilfe der
Fusskrallen, und bei nachfolgender Beugung
wird der an dem Hinterende des Beines festhangende Körper nach-
gezogen. Das Tempo, in welchem diese Bewegungen der einzelnen
Beine beider Seiten mit einander abwechseln, ist bei der Sechszahl
derselben ein ziemlich complieirtes. Nach GrABER ist, wenn wir die
Beine der linken Seite mit Z, die der rechten mit R und die drei
Beinpaare mit 1, 2, 3 bezeichnen, die Reihenfolge ihrer Bewegungen
die folgende:
ByhZu, IR NEN
Uebrigens ist stets, wie bei den Säugern, die Hauptarbeit der Fort-
bewegung den Hinterbeinen übertragen, ein Verhältniss, welches seine
stärkste Ausprägung bei den springenden Insekten findet.
Die Fähigkeit, an glatten, senkrechten Wänden in die Höhe zu
klettern, oder an der Unterseite einer horizontalen Fläche, den Bauch
Die Ortsbewegungen. 63
nach oben hin, zu laufen, erhalten viele Insekten, z.B. die Stuben-
fliesen, durch die an der Spitze des Fusses angebrachten Haftapparate,
die Klauen und Haftlappen, an denen häufig drüsige Kleb- und Be-
feuchtungsapparate zur besseren Anschmiegung an die Unterlage an-
gebracht sind.
Schwimmbewegungen werden stets gleich den Sprungbewegungen
durch die Hinterfüsse allein ausgeführt, welche hierbei weniger eine
Beugung und Streckung als eine mit einer Drehung um ihre Achse ver-
bundene Vor- und Rückwärtsbewegung ausführen.
Dies geschieht stets nach der Theorie der Bewegung eines Boots-
ruders, indem die mehr weniger abgeplatteten Extremitäten bei ihrer
Bewegung nach hinten ihre breite Fläche dem Wasser zukehren,
während sie bei der Zurückbewegung nach vorn ihre schneidende
Kante vorwenden, so dass sie also bei letzterer Bewegung einen
geringeren Widerstand finden als bei ersterer. Schöne Beispiele hierfür
sind die Schwimmkäfer, Dytiscus, und Wasserwanzen, Notonecta,
Die Flugbewegung. Der Flug der Insekten, diese sie vor allen
anderen Arthropoden charakterisirende Bewegungsart, wird vermittelt
durch die gleichzeitig ausgeführten, schlagenden Bewegungen der Flügel
beider Seiten. Eine Erhebung in die Luft, d.h. eine Ueberwindung der
Schwerkraft, wird dadurch möglich, dass bei dieser Bewegung die Flügel
beim Niederschlag einem grösseren Widerstande begegnen als beim Aufschlage.
Hierdurch gewinnt der beim Niederschlage entstehende,nach oben wirkende
Rückstoss der Luft die Oberhand und das Insekt wird gehoben. Da aber
der Widerstand der Luft stets ein verhältnissmässig geringer ist, so ist
dennoch eine recht bedeutende Arbeitsleistung nothwendig. Diese wird
hervorgebracht durch die sehr entwickelten, in Mittel- und Hinterbrust
untergebrachten Flügelmuskeln. Auch bewirkt das luftgefüllte, den
ganzen Körper durchziehende, bei guten Fliegern besonders ausgebildete
Tracheensystem, welches häufig vor Beginn des Fluges noch besonders
vollgepumpt wird, eine Verringerung des specifischen Gewichtes des
Körpers.
| Bei vielen Insekten mit zwei Flugflügeln jederseits sind, wie
wir oben sahen, die Vorder- und Hinterflügel jeder Seite derartig
zusammengekoppelt, dass sie der Wirkung nach nur eine Flugfläche
bilden, und auch bei den Formen, denen eine solche mechanische
Verkoppelung fehlt, geschieht die Bewegung von Vorder- und Hinter-
flügel so gleichzeitig, dass sie ebenfalls als eine Flugfläche wirken.
Man muss also vom physikalischen Standpunkte aus alle fliegenden
Insekten als Zweiflügler ansehen. Die Flügelspitze beschreibt beim
Fluge eine langgezogene Achterfigur. Auch bleiben die in der
Ruhe ebenen Flugflächen bei dem Auf- und Niederschlage nicht eben,
64 Kap. IIL Der innere Bau des erwachsenen Insektes.
nehmen vielmehr eine windschiefe Drehung an, da die. Vorderzone
der Flügel bei allen guten Fliegern durch eine stärkere Aderung
mehr gesteift wird, als die Hinterzone. Es wird daher auch bei
ursprünglich horizontaler Richtung der Flügel beim Niederschlage der
Hinterrand dem Vorderrande gegenüber gehoben, beim Aufschlag ist es
dagegen umgekehrt, Eine Verkleinerung der Flugfläche bei Hebung der
Flügel durch Zusammenfaltung derselben, wie sie zur Verminderung
des Luftwiderstandes bei den Vögeln und Fledermänsen erfolgt, ist
dagegen bei den Insekten nicht vorhanden. Der Schwerpunkt der
Insekten beim Fluge liegt stets unter und hinter der Ansatzstelle der
Flügel an dem 'Thorax. Die Längsachse der Insekten ist daher beim
Fluge stets schief gegen die Ebene des Horizontes gerichtet, wobei
der Kopf höher steht als der Hinterleib. Beim Fluge nach vorwärts
wird der Flügelschlag derartig eingerichtet, dass der das Insekt
emportragende Kückstoss der Luft in eine horizontale und eine verticale
Componente zerlegt wird. Die vertical wirkende Kraft hält das Insekt
schwebend, die horizontal wirkende treibt es nach vorn. Manche gut
fliegende Insekten, z. B. die Schwebfliegen, Syrphus, können den
Flug so einrichten, dass der Aufschlag der Flügel eine Zeit lang dem
Niederschlage das Gleichgewicht hält. Solche Insekten „stehen’” dann
in der Luft. Die Flugfähigkeit der Insekten ist eine sehr verschiedene.
Manche müssen, um überhaupt sich erheben zu können, in die Luft
springen und können nur eine kurze Strecke unsicher dahinflattern
— ınanche Heuschrecken —, andere brauchen eine längere Vor-
bereitung, um durch Lufteinpumpen den Körper specifisch so leicht
zu machen, dass dann ein Flug möglich wird, manche fliegen von
der Stelle aus augenblicklich sicher fort und können lange Strecken
zurücklegen. Bei vielen Nachtfaltern fliegen die Männchen leichter
als die Weibchen, deren Hinterleib durch eine grosse Menge Eier
aufgetrieben ist, und manche langlebigere Insektenimagines fliegen nur
während der Begattungszeit, so z. B. der grosse braune Rüsselkäfer.
Die Lautäusserungen der Insekten. Viele Insekten sind im
Stande,
dem menschlichen Ohre wahrnehmbare Töne hervorzubringen.
Diese sind in letzter Instanz stets durch Muskelwirkung erzeugt und
haben oft eine Bedeutung für das Leben der Insekten. So locken häufig
die Männchen ihre Weibchen durch Gesang an, z. B. Grillen und Heu-
schrecken, die Bienen sind im Stande, sich zu rufen, und manche Käfer
suchen ihre Feinde durch knarrende Geräusche abzuwehren.
Die Insektenlaute können in vier verschiedene Abtheilungen gebracht
werden. Es sind dies:
1. Klopflaute,
2. Reibungslaute,
3. Fluglaute,
4. Exspirationslaute oder die eigentliche Stimme.
Der Flug. Die Lautäusserungen. 65
Die Klopflaute werden erzeugt durch Aufschlagen eines festen
Körpertheiles des Insektes auf einen harten Gegenstand.
Hierher gehört das Klopfen der Todtenuhr, Anobium pertinax L.
Dieser kleine Käfer, welcher in altem Holze Gänge frisst, erzeugt ein
tickendes Geräusch durch Aufschlagen mit den Vorderkiefern auf die
Wandung des Ganges.
Die Reibungslaute werden dadurch hervorgebracht, dass zwei
harte Theile des Chitinpanzers gegen einander gerieben werden. Hierher
gehören z. B. die Töne, welche von den Männchen der Feldheuschrecken
durch schnelle Reibung der Schenkel gegen die Flügeldecken erzeugt
werden.
Diese Art der Tonerzeugung ist eine sehr verbreitete. Sie ist
bei den einzelnen Insektenformen stets an bestimmte Körpertheile
gebunden, welche durch kleine Rauhigkeiten an ihrer Oberfläche
dieser Function angepasst sind. Häufig sind mit den tonerzeugenden
Apparaten auch noch tonverstärkende Resonanzapparate verbunden.
Wir erwähnen beispielsweise noch folgende Fälle. Die Männchen der Grab-
heuschrecken — Grille und Werre — und der Laubheuschrecken haben an der
Basis ihrer Flügeldecken; feingezähnte Flügeladern, Schrillleisten, welche gegen
- einander gerieben werden, wobei die mitschwingenden Flügeldecken den Ton ver-
stärken. Die Männchen der Feldheuschrecken geigen mit einer gezähnten „Schrill-
leiste” an der Innenseite der Oberschenkel ihrer Hinterbeine über die Adern der
Flügeldecken. Die Todtengräberkäter erzeugen ein Geräusch, indem sie zwei
geriefte Längsleisten auf dem Rücken des fünften Hinterleibsringes gegen eine
hinten an der Unterseite der Flügeldecken angebrachte Querleiste reiben. Die
Bockkäfer erzeugen Töne durch Reibung des Hinterrandes des Vorderrückens
auf einem unter ihn vorragenden, fein quergerieften Fortsatze des Mittelrückens.
Der Todtenkopfschmetterling kann ein piependes Geräusch hervorbringen dureh
Reibung einer feingerieften Stelle seiner Lippentaster an der Basis des Saug-
rüssels.
Die Fluglaute. Bei vielen schnellfliegenden Insekten werden die
Flügel so rasch bewegt, dass sie wie eine schwingende Metallzunge
tönen.
Die Höhe des Tones wird durch die Anzahl der Flügel-
schwingungen bedingt. Diese Art des Summens ist besonders bei
Fliegen und Bienen häufig. Es gibt aber auch viele Insekten, die
einen völlig geräuschlosen Flug haben, z. B. die Tagfalter.
Die Höhe des Flugtones gestattet auf die Zahl der von den Flügeln in der
Secunde gemachten Schwingungen zu schliessen. So bestimmte Lanpors den Flug-
ton des Mooshummelweibehens auf « und den der Honigbiene auf «‘. Dem-
gemäss macht die erste 220, die zweite aber 440 Flügelschwingungen in der
Secunde,
Die Exspirationslaute. Es kann aber von vielen Insekten noclı
in einer anderen Weise ein summendes Geräusch hervorgebracht werden,
und zwar dann, wenn die feinen Membranen, welche als Stimmbänder
(Fig. 39 Sb) den Tracheen an oder in der Nähe der Stigmen eingefügt
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde. 5
66 Kap. III. Der innere Bau des erwachsenen Iusektes.
sind, beim Ausstossen der Athmungsluft aus den Tracheen durch den
an ihnen vorbeistreichenden Luftstrom angeblasen werden und in Schwin-
gung gerathen. Diese Lauterzeugung geschieht also wesentlich in der-
selben Weise, wie in dem menschlichen Kehlkopfe, d. h. nach dem
Prineip der Zungenpfeife, und kann daher als die eigentliche Stimme
der Insekten bezeichnet werden. In diese Abtheilung gehört das Summen
der Maikäfer,
Die Stimmlaute der Insekten können neben dem Flugtone oder
allein vorkommen. Auch braucht nicht bei jeder Exspirationsbewegung
ein Stimmlaut zu entstehen, sondern es hängt seine Erzeugung, wie
die Lautäusserungen der Menschen, vom Willen ab. Die stärksten
Stimmapparate sind an den 'T'horaxstigmen vorhanden. Als weitere
Beispiele dieser Art der Lauterzeugung erscheinen das Brummen
der Fliegen, das Singen der Stechmücken und das Summen der
Bienen, welche Thiere sämmtlich übrigens auch einen Flügelton haben.
Ueber die Art der Erzeugung des schon im Alterthume berühmten
Gesanges der Cicaden sind die Acten noch nicht geschlossen.
Ausser durch die vorbenannten Hauptarten werden übrigens bei ein-
zelnen Insektenformen wahrscheinlich auch noch in anderer Weise
Töne erzeugt.
Das Nervensystem.
Am Nervensystem der Insekten kann man drei Abschnitte unter-
scheiden, das Centralorgan, die peripherischen Nerven und die
Eingeweidenerven.
Das Centralorgan des Nervensystems (Fig. 42) besteht aus einem
der Oberseite des Schlundes quer auflagernden, starken Nervenknoten,
dem Gehirn oder oberen Schlundganglion (o Sg), welcher durch zwei
seitlich an dem Schlunde herumlaufende Nervenstränge mit einem, an der
Unterseite des Schlundes gelegenen zweiten Nervenknoten, dem unteren
Schlundganglion oder Mundganglion (u Sg) zu einem Schlund-
ringe verbunden ist. An das untere Schlundganglion reiht sich eine
grössere Anzahl von Nervenknoten, bei typischer Anordnung mit jenem
und unter einander durch einen meist scheinbar einfachen Längsstamm
zu einer Ganglienkette verbunden, welche die Mittellinie der Bauchseite
einnimmt und daher als Bauchmark (B M) bezeichnet wird. Diese
Organe entsprechen in ihrer Gesammtheit dem Centralnervensystem der
Wirbelthiere. Oberes und unteres Schlundganglion zusammen entsprechen
ihrer Leistung nach ungefähr dem Gehirn der Wirbelthiere, das Bauch-
mark dagegen deren Rückenmarke.
u ie Yu A u a a u
Die Lautäusserungen. Das Nervensystem. 67
Eine genauere Betrachtung zeigt uns aber, dass jeder Nerven-
knoten aus einem, durch eine Querbrücke verbundenen Ganglienpaare
besteht, welches mit den übrigen Ganglienpaaren durch zwei Längs-
stämme in Verbindung tritt, so dass das gesammte Gebilde also strick-
leiterförmig (Fig. 43) len: ist, eine Meran die nur darum
K B
u ZM BS HG Ou2z Din SB vg
Fig. 42. Schematischer Längsschnitt durch eine Feldheuschrecke; hier nur zur Er-
läuterung der Lagerung des Centralnervensystems eingefügt. o Sg oberes Schlund-
ganglion, ©, Sy unteres Schlundganglion, 3 M Bauchmark, E N paariser Eingeweide-
nerv. (Die übrigen Bezeichnungen vergleiche bei Fig. 29 auf S. 47.)
weniger zur Geltung kommt, weil oft die Brücken ungemein kurz
sind und die beiden Längsstämme sehr nahe aneinander rücken.
In den typischen Fällen, z. B. bei manchen Geradflüglern, sind
im Ganzen 12 bis 13 Ganglienpaare vorhanden, von denen die beiden
ersten, oberes und unteres Schlundganglion, dem Kopfe, die drei
K B 7 H
Fig. 43. Schematische Darstellung der Lagerung des Centralnervensystems einer Feld-
heuschrecke, von oben gesehen. 0 Sg oberes Schlundganglion, « 5 g unteres Schlund-
ganglion, BG I-IIlI die drei Brustganglien, A @ 1—5 die fünf Hinterleibsganglien.
(Die übrigen Bezeichnungen vergl. bei Fig. 30 auf S. 48.)
folgenden, meist stark ausgebildeten, der Brust und die letzten sieben
bis acht Paare dem Hinterleib angehören. Bei anderen Insekten sind
nun einige dieser Ganglienpaare so zusammengerückt, dass sie nur
eine einzige Masse bilden; hierdurch erscheint die Anzahl der Knoten
des Bauchmarkes redueirt (Fig. 44). Am häufigsten verschmelzen
mit einander die beiden hinteren Brustganglien, welche die Hügel-
tragenden Segmente versorgen, z. B. bei fast allen Schmetterlingen. Auch
65 Kap. III. Der innere Bau des erwachsenen Insektes.
die 2 bis 4 letzten Hinterleibsganglien vereinigen sich oft zu einem
Knoten. In anderen Fällen sind einige der ersten Hinterleibsganglien
mit den Brustknoten verschmolzen; in noch anderen verbinden sich
Ya TREE. BGE ug 8, Stg
SS es Be er X 2
B
@
Fig.44. Centralnervensystem A von der Waldameise, Formica rufa L., B vom Maikäfer,
Melolontha vulgaris L., C von der Schmeissfliege, Sarcophaga carnaria L., nach
Ep. Branpr. Sig das zum Eingeweidenervensystem gehörige Stirnganglion, 0Sg oberes
Schlundganglion, © 5 g unteres Schlundganglion, DB @ Brustganglien, A @ Hinterleibs-
ganglien. Die Art und Weise der Verschmelzung der einzelnen Ganglien wird durch
die punktirten Linien angedeutet.
alle drei Brustganglien zu einem einzigen Knoten. Die stärkste Con-
centration des Bauchmarkes tritt aber ein, wenn alle Brust- und
Hinterleibsringe zu einer einzigen im
Thorax gelegenen Masse verschmel-
zen, wie z. B. bei vielen Wanzen
und Fliegen (Fig. 44 C).
Das Gehirn oder obere Schlund-
ganglion ist der Sitz der vielfach so hoch
entwickelten — Bienen, Ameisen — psy-
chischen Functionen der Insekten. Von ihm
entspringen die Fühler- und Augennerven,
desgleichen ein Theil des Eingeweide-
Fig. 45. Gehirn der Ameise nach Leypıs nervensystems (vergl. S. 69). Es ist der-
und GrABEeR. Gr Hauptlappen des Ge- jenige Nervenknoten, welcher seine paarige -
hirnes, Zop Sehlappen, lobus opticus, Zusammensetzung stets deutlich erkennen «
Lo! Riechlappen, lobus olfactorius, der lässt. Seine Ausbildung ist eine wech-
den Fühlernerven abgiebt, Nop Seh- selnde, je nach dem Grade der geistigen
nerv, nervus opticus, zu den Netzaugen Entwicklung des betreffenden Thieres; so
gehend, PA Punktaugen mit deren Ner- beträgt das Volumen des Gehirnes eines
ven, /7 W Hirnwindungen, «Sg unteres Maikäfers nach DuJarpın nur ungefähr
Schlundganglion. Yannn des Körpervolumens, während es bei
der Biene 1/,,„ desselben erreicht. Desgleichen
sind bei geistig entwickelteren Thieren, die häufig als hufeisen- oder pilzhut-
förmige Körper bezeichneten Gehirnwindungen (Fig. 45 H W) stärker entwickelt
als bei anderen. Die Stellen, von denen. die Nerven für die Fühler (Fig. 45 Lo)
und Netzaugen (Fig. 45 Z op) abgehen, gliedern sich als besondere Lappen von
dem primären Hirnlappen (Fig. 45 Gr) ab.
* Ye Rn
Das Nervensystem und die Sinnesorgane. 69
Das untere Schlundganglion oder Mundganglion (Fig. 45 u Sg),
welches mit dem oberen durch die den Schlundring bildenden, sehr verschieden
langen, die Nerven für die Oberlippe abgebenden Commissuren verbunden ist,
bleibt in den überwiegenden Fällen selbstständig. Nur bei einigen Käfern und
Wanzen verschmilzt es mit dem Brustknoten. Es sendet Nervenfäden zu den
Mundwerkzeugen. Es entspricht ursprünglich wohl drei, bereits während des Larven-
lebens verschmolzenen Ganglienpaaren. In manchen Fällen ist die Anzahl der
Abdominalganglien bei Z und Q@ verschieden, so bei Pulex, wo das Z acht,
das 5 sieben hat.
Das peripherische Nervensystem, welches von den Brust- und
Hinterleibsganglien ausgeht, und sich im ganzen Körper verbreitet,
enthält sowohl Bewegungs- als Empfindungsfasern.
Die Stärke der Nervenstämme entspricht sowohl der
Stärke der sie entsendenden Knoten als auch der Grösse
und Stärke der von ihnen versorgten Theile. So sind die
von den Brustknoten ausgehenden, Flügel- und Beinmuskulatur
versorgenden Nerven immer recht stark. Die Anzahl der von
einer Nervenmasse abgehenden Nervenstämme hängt auch theil-
weise zusammen mit der Anzahl der Ganglienpaare, welche zu
diesem Knoten zusammentreten Ist z. B. der letzte Knoten
des Bauchmarkes aus vielen Ganglien zusammengesetzt, so
entsendet er ein ganzes Büschel Nerven in den hinteren
Theil des Abdomen (Fig. 44 D).
Das Eingeweidenervensystem besteht aus einem
mit zwei Wurzeln von dem Gehirn entspringenden, un-
paaren, ein kleines Stirnganglion bildenden (Fig. 44
Stg) Eingeweidenerven und einem ebendaselbst Fie. 16 Zwei Gang-
wurzelnden, paarigen (Fig. 42 EN), welcher, unter lienpaare des
Bauchmarkes der
Laubheuschrecke,
mit die Schluckbewegungen regulirenden Nerven ver- Locusta viridissi-
maL.nach Lrypiıe.
G Ganglion, Nperi-
blasser Fasern ab, welche, gleichfalls nach vorheriger pherische Nerven,
NS Athmungsnerv,
nervus sympathi-
stämme mit Nerven versehen (Fig. 46). cus.
Bildung von kleinen Ganglien, . Schlund und Magen
sorgt. Von dem Bauchmarke geht ferner ein System
Anschwellung zu kleinen Ganglien, die Tracheen-
Die Sinnesorgane.
Die biologische Beobachtung lehrt, dass im allgemeinen die Insekten
» derselben Sinneswahrnehmungen fähig sind, wie der Mensch. Es ist aber
noch nicht in allen Fällen gelungen, mit Sicherheit nachzuweisen, welche
Organe die einzelnen Sinneswahrnehmungen vermitteln.
Zugleich ist es aber sehr wahrscheinlich, dass der Umfang ihrer
einzelnen Sinneseindrücke nicht immer der gleiche ist, wie bei uns.
So scheinen die Untersuchungen von Luspock zu beweisen, dass
Ameisen die unserem Auge unsichtbaren ultravioletten Strahlen des
Speetrums wahrnehmen, während sie gegen die von unserem Öhre
70 Kap. III. Der innere Bau des erwachsenen Insektes.
als Töne empfundenen Schallschwingungen, also diejenigen, deren
Schwingungszahl bis 36 000 geht, völlig unempfindlich sind. Diese
Thatsache schliesst aber keineswegs aus, dass sie vielleicht Schwin-
gungen von höherer Schwingungszahl, die wiederum wir nicht wahr-
nehmen können, als Töne empfinden.
Tastorgane sind einerseits wohl über die gauze Körperoberfläche
der Insekten verstreut, andererseits finden sich dieselben besonders zahl-
reich an den Fühlern, 'Tastern und Fussgliedern, ebenso wie sie bei uns
besonders an den Fingerspitzen, den Lippen, und der Zunge, aus-
gebildet sind.
Sie ermöglichen die Wahrnehmung der Druck- und Temparatur-
empfindungen; sie stellen entweder dünne Hautabschnitte dar, zu
denen reichliche Nervenendigungen treten, oder freistehende Chitinhaare
Fig. 47. Längsschnitt durch den
Fühler einer Wespe nach Hav-
SER. GE K Geruchskegel, @ Gr
Geruchsgrube, @ Z Geruchs-
zellen mit riesig vergrössertem
Kern, TH Tasthaar, TZ Tast-
(Fig. 47 TH) oder Stäbchen, welche von
je einer Nervenfaser versorgt werden.
Geruchsorgane. Als solche werden jetzt
meist besondere an den Fühlern gelegene
nervöse Endapparate angenommen.
Dass die Insekten sehr wohl im Stande
sind, Geruchswahrnehmungen zu machen, ist
eine durch biologische Beobachtungen festge-
stellte T'hatsache. Besonders beweisend ist
der Umstand, dass die aasfressenden und auf
Aas als Ablagestätte ihrer Eier angewiesenen
Insekten solches auch dann rasch aufzufinden
vermögen, wenn es sehr versteckt liegt, sowie
alle die Beobachtung, dass häufig begattungslustige
Schmetterlingsmännchen ihren übrigen Sinnen
völlig entzogene brünstige Weibchen, z. B. in Zuentschachteln einge-
schlossene, auszukundschaften vermögen. Weniger sicher ermittelt ist da-
gegen die Lage der diese Geruchswahrnehmungen vermittelnden Nerven-
endigungen. Indessen sprechen auch die neueren experimentellen Unter-
suchungen von Hauser lebhaft für die ältere Ansicht, dass wenigstens
in vielen Fällen der Sitz des Geruchsvermögens in den Fühlern liegt.
Viele Insekten, welche gegen stark riechende, aber nicht ätzende
Substanzen bei intacten Fühlern stark reagirten, blieben gegen die-
selben unempfindlich, wenn die Fühler abgeschnitten oder mit Paraffın
überzogen wurden.
Hatser nimmt als Geruchsempfindungen vermittelnde Organe die an
den Fühlern der meisten Insektenordnungen verbreiteten zapfen- oder stäbehen-
förmigen Gebilde an, welche meist einer riesigen mit 10—14 Kernkörperchen ver-
sehenen Zelle aufsitzen, an die eine Nervenfaser tritt (Fig. 47). Diese Riechstäbehen
sind entweder in vertiefte Gruben der Fühleroberfläche eingesenkt oder ragen
über diese hervor, umgeben von einem glockenförmigen, oben geöffneten „Geruchs-
Die Sinnesorgane. 7
kegel”. Gruben und Kegel können an ein und demselben Fühler vorkommen. Die
Gruben sind häufig zahlreich, so hat z. B. der männliche Maikäfer deren ungefähr
39000 an jedem Fühler.
Der Versuch, Nervenendigungen, welche bei der Biene sich an der Stelle
finden, wo die Innenfläche der Öberlippe in das Dach der Mundhöhle übergeht,
als Geruchsorgane zu deuten, scheint misslungen.
Geschmacksorgane sind mit “Sicherheit bei den Insekten noch
nicht nachgewiesen worden.
Dagegen ist sehr sicher, dass sie sehr wohl Geschmackswahr-
nehmungen zu machen im Stande sind. Dies beweist schon die That-
sache, dass viele sich auf ein einziges Nahrungsmittel beschränken
und alle anderen verschmähen. Aus Wahrscheinlichkeitsgründen hat
man mehrfach versucht, in der Mundhöhle gelegene Nervenendigungen
als Geschmacksorgane anzunehmen.
Gehörorgane. Die neueren Untersuchungen haben experimentell
erwiesen, dass zwar einige Insekten gegen Töne fast unempfindlich,
andere aber sehr wohl Gehörwahrnehmungen zu machen im Stande sind.
Geschlossen wurde dies schon lange aus dem Umstande, dass viele In-
sekten Töne erzeugen, und daher die Wahrscheinlichkeit, dass sie solche
auch wahrnehmen können, eine sehr grosse ist.
Als Gehörorgane betrachtet man schon länger trommelfellartige
Einrichtungen, welche sich bei den Feldheuschrecken an den Seiten des
ersten Hinterleibsringes und bei den Laubheuschrecken und Grillen an
den Schienen der Vorderbeine vorfinden. Diese sind, wie man experi-
mentell nachgewiesen hat, wohl geeignet, durch Schallwellen in Schwin-
gungen versetzt zu werden und diese auf hinter ihnen angebrachte
Nervenendigungen zu übertragen. Diese schlauchförmigen Nervenendi-
gungen sind nach GrABER stets ausgezeichnet durch in ihnen gelegene
„Nervenstifte”, sowie durch mit diesen in Verbindung tretende saiten-
ähnliche Fasern. Neuerdings sind nun bei Vertretern aller Insekten-
ordnungen Nervenendigungen nachgewiesen worden, welche, ohne mit
Trommelfellen in Verbindung zu stehen, denselben Bau zeigen, wie die
den Trommelfellen der Geradflügler beigesellten, und man nimmt jetzt
mit vollem Rechte an, dass sie gleichfalls Tonempfindungen zu vermitteln
im Stande sind. Die Schallwellen werden auf diese Organe in derselben
Weise durch Vermittelung der äusseren Körperbedeckungen, der Weich-
theile und der Blutflüssigkeit übertragen, wie dies z. B. bei den Fischen
geschieht, welche gleichfalls äusserer Schallzuleitungsapparate zu dem
inneren Obre entbehren. Solche Gehörorgane ohne Trommelfell findet
man bei den Imagines nur an Leibesanhängen, und zwar am häufigsten
an den Beinen und an den Flügeln.
72 Kap. III. Der innere Bau des erwachsenen Insektes.
Am einfachsten sind die Einrichtungen bei den Feldheuschrecken. Hier
liegen die Trommelfelle an den Seiten des ersten Hinterleibsringes. An drei
kleine chitinige Vorsprünge an der Innenseite der Trommelfellmembran setzen
sich Nervenendigungen an, welche von einem Nervenknoten ausstrahlen, der selbst
wieder durch den Gehörnerv mit dem Hinterbrust-Nervenknoten in Verbindung
steht. Eine hinter dem Trommelfell gelegene grosse luftgefüllte Tracheenblase
dient als Resonanzapparat.
Bei vielen Laubheuschrecken und Grillen finden wir die Trommelfelle unter
dem Knie, an den Schienen der Vorderbeine und zwar an jedem Beine meist
zwei an den entgegengesetzten Seiten einander gegenüberliegende ( (Fig. 48 und 49).
Zwischen ihnen schw illt die das Bein ve rsorgende Trachee zu einer grösseren Blase
an, auf der die von dem als Gehörnerv fungirenden Beinnerven versorgten End-
apparate in Form einer Längserhebung aufsitzen. Ausserdem findet sieh etwas
oberhalb des Trommelfelles, supratympanal, ein Büschel direet der Haut an-
sitzender Nervenendigungen. Hier ist also der Nervenapparat nicht direct mit den
Trommelfellen verbunden, sondern die Schallwellen werden von letzteren erst auf
die eingeschobene Blutflüssigkeit übertragen. Bei anderen Formen fehlen nun sowohl
die Trommelfelle, als auch die der Trachee anliegenden Nervenendigungen, und
es bleibt nur ein Analogon des supratympanalen Gehörorganes zurück. In den
Flügeln sind sowohl kleine durchbohrte plattenartige Erweiterungen der Adern
unter der Einlenkungsstelle der Flügel, als auch einzelne Adern selbst Träger
der betreffenden Nervenendigungen.
Fig. 48. Vorderbein
einer Laubheu-
schrecke, Meco- Fig. 49. Schematischer Querschnitt durch die
nema, mit unbe- Schiene einer Feldheuschrecke in der Höhe
decktem Trommel- des Trommelfelles. (2 Cutieula, © M Matrix
fell. f Schenkel, tb der Cuticula, 7’y Trommelfell mit verdünnter
Schiene, 7’y Trom- Cuticula, A mit dem Trommelfell in Verbin-
melfell, 7’r die bei- dung stehendes Gehörorgan. 5 supratympanales
den erweiterten Gehörorgan. @ Z die zu demselben gehörigen
Tracheen. Nach Ganglienzellen, 4 st die mit den Ganglien-
GRABER. zellen verbundenen Hörstifte. Nach GRrABER.
Die Gesichtsorgane der Insekten liegen stets am Kopfe und
empfangen ihre Nerven vom Gehirn. Man unterscheidet zwei Arten, die
einfachen Augen, Punktaugen oder Ocellen, und die zusammengesetzten
Netzaugen oder Facettenaugen.
Die einfachen Augen liegen auf der Mitte des Scheitels. Ihre
Anzahl wechselt von 1 bis 3. Sie stellen glänzende, durchsichtige Ver-
wölbungen der Cutieula dar (Fig. 50 a). Punktaugen kommen bei allen
Insektenordnungen vor, bei den meisten fast regelmässig, bei den Käfern
Die Sinnesorgane. 73
aber nur ausnahmsweise. Bei den Schmetterlingen sind sie, wenn sie
überhaupt vorkommen, durch das Schuppenkleid des Kopfes verdeckt.
Die durchsichtigen, gewölbten Stellen der Cuticula bilden eine Linse
(Fig. 51 L), hinter dieser liest eine gleichfalls durchsichtige, aus der Hypodermis
entstandene Zellenlage (@%), welche als Glaskörper dient, auf sie folgt nach
innen die lichtempfindliche Netzhaut. Die Netzhautzellen (Fig. 51 A) bestehen
an ihrem den Glaskörperzellen zugewandten Ende aus Stäbchen (Fig. 51 5),
welche die eigentliche Lichtwahrnehmung vermitteln, und gehen an dem anderen
in die Fasern des Gesichtsnerven (N) über. Durch die Linse wird auf der Netz-
haut ein umgekehrtes und verkleinertes Bild der Aussenwelt entworfen. Die
Punktaugen wirken also ähnlich wie unsere Augen.
Fig. 50. Kopf einer echten Schlupfwespe Fig. 51. Längsschnitt durch ein Punktauge
von oben. « Punktaugen, 5 Netzaugen, von Musca vomitoria L. nach GRENACHER.
e Fühler. L Linse, @%k Glaskörper, $t Stäbchen,
R Retinazellen, N Sehnervenfasern.
Die Netzaugen sind in einem Paar an, den Seiten des Kopfes
vorhanden, an welchem sie jederseits einen mehr weniger gewölbten
Vorsprung bilden. Ihre Oberfläche zerfällt in eine grössere oder kleinere
Anzahl von meist sechseckigen Feldern oder Facetten (Fig. 52), so dass
sie ein genetztes Aussehen erhalten. Da jede solche Facette mit dem
unter ihr gelegenen und zu ihr gehörigen Nervenapparate einem ein-
fachen Auge morphologisch gleichwerthig ist, so kann man die Netz-
augen mit Recht auch als zusammengesetzte Augen bezeichnen.
Die Grösse der Netzaugen ist sehr verschieden;
während sie bei den meisten Insekten nur einen Theil
der Seitenflächen des Kopfes einnehmen, und daher
durch die Stirn getrennt werden, stossen sie bei anderen, f
z. B. bei den Drohnen der Honigbiene, in der Mitte . 5
d b . 1 Mä h . Mü k t Fig.52.Theilder
zusammen, und bei den Männchen einer Mückenga tung, Opberflächeeines
Bibio, nehmen sie die gesammte freie Kopffläche ein Netzauges mit
(Fig. 54). Die Anzahl der sie zusammensetzenden Fa- den sechsecki-
cetten kann von einigen 20 bis zu vielen Tausenden gen Facetten.
wechseln. So hat z. B. Pselaphus, ein kleiner Käfer, 20, die Ameise 50,
die Stubenfliege 4000, der Weidenbohrer 11 000, eine Wasserjungfer
12 000, der Schwalbenschwanz 17 000, und ein anderer kleiner Käfer,
Mordella, 25 000 Facetten in jedem Auge.
es
74 Kap.
Ill. Der innere Bau des erwachsenen Insektes.
Fig. 53. Augenformen von Käfern. A Calosoma: rundes Auge, B Chrysobothrys:
ovales Auge, (€ Prionus: nierenförmiges Auge, D Polygraphus: von der Fühler-
grube eingeschnittenes Auge, E Geotrypes: von einer Leiste des Kopfschildes ein-
geschnittenes Auge, # Tetropium: Augen zweigetheilt, aber durch eine keine Facetten
tragende Leiste verbunden, & Gyrinus: Augen zweigetheilt, jederseits ein oberes
und em unteres Auge bildend. Die Grössenverhältnisse der Köpfe unter einander
D
Fig. 54. Köpfe ver-
schiedener Insekten,
um die verschiedene
Ausdehnung und
VorragungderAugen
zu zeigen. A von der
Feuerwanze, Pyr-
rhocoris, 5 von der
Arbeitsbiene, (€ von
der Drohne, D von
einer männlichen
Mücke, Bibio.
blieben unbeachtet.
Die Form der Netzaugen ist meist rund, wird
aber häufig länglich und bei vielen Käfern vorn
nierenförmig eingebuchtet. In dieser nierenförmigen
Einbuchtung der Augen lenken sich auch häufig die
Fühler ein, und es kann der Einschnitt so tief werden,
dass die obere und untere Augenhälfte sich nur in
einem Punkte berühren, z. B. bei einem Borken-
käfer, Polygraphus, und bei einem Bockkäfer, Tetro-
pium, andererseits werden die Augen mitunter auch
durch den Rand des Kopfes in eine obere und untere
Hälfte getheilt, z. B. bei den gewöhnlichen Grab-
käfern, Geotrypes, und den Taumelkäfern, Gyrinus,
unserer stehenden Gewässer. Hier erscheint die
Sonderung der Augen in ein oberes und ein unteres
Paar vollendet.
Auf der Grenze der einzelnen Facetten stehen
häufig Chitinhaare.
Jedes zusammengesetzte Auge entspricht so viel Einzel-
augen als es Facetten zeigt, und jedes Einzelauge ist eine
Pyramide, deren Basis von der Facettenfläche gebildet wird.
Ihrem inneren Baue nach sind aber die Einzelaugen des
Netzauges in gewisser Beziehung einfacher als die Ocellen,
und sie vermitteln daher nicht jedes für sich, sondern erst bei
Zusammenwirkung mehrerer einen Gesichtseindruck, der aus so
viel Theilbildchen besteht als Einzelaugen in Thätigkeit treten.
Der durch ein Netzauge hervorgebrachte Gesichtseindruck
gleicht daher einem aus einzelnen Stücken zusammengesetzten
Mosaik und ist zugleich ein verkleinertes und gekriimm-
tes, aber aufrecht stehendes Bild des Gegenstandes. Am
leichtesten ergibt sich das Verständniss dieser Verhältnisse
bei Betrachtung von Fig. 55. Auf dem hier dargestellten sech-
zehn Einzelaugen treffenden schematischen Längsschnitte durch
ein Netzauge erkennen wir zunächst die durchsichtige in
Einzelfacetten getheilte Hornhaut @, welche einerseits in
eine das Auge nach hinten abschliessende Chitinkapsel @‘,
andererseits in die allgemeine äussere Cutieula des Kopfes
(G*) übergeht. Unter ihr liegen m jedem Auge die als Glas-
körper dienenden, gewöhnlich aus mehreren Zellen gebildeten
Krystallkegel (7), an welche sich die hier nach unten ver-
* ” ” 7
Die Sinnesorgane. Die Fortpflanzungsorgane. 1)
diekten Netzhautelemente oder Retinulae (X) anschliessen. Die eigentlich die
Lichtwahrnehmung vermittelnden Gebilde sind die in dem verdickten Theile der
Retinulae gelegenen stäbchenartigen Rhabdome. Die Retinulae verbinden sich
schliesslich mit den Fasern des Sehnerven Z Die Pyramide jedes Einzelauges
ist von den übrigen durch eine für das Licht völlige undurchlässige Pigment-
schicht J abgeschlossen.
Diese Pigmentscheide ist ferner so angeordnet, dass lediglich die in die
Längsachse der Pyramide fallenden Strahlen bis zu den lichtempfindlichen Ele-
menten durchdringen können. So gelanst z. B. von allen von der Spitze A des
Pfeiles A F auf das Netzauge fallenden Strahlen, also von allen zwischen a’ und
a? vorhandenen, nur der durch die Linie «a dargestellte Strahl bis zum
Punkte A/, während alle anderen Strahlen, z. B. a’! bis a/F, von Pigmentscheiden
aufgefangen werden. Dasselbe gilt von den von den Punkten 5—F des Pfeiles aus-
gehenden Strahlen, so dass also lediglich die Strahlen a, b, e, d, e und f bis zu
den liehtempfindlichen Nervenendi-
gungen der Einzelausen 6-11
gelangen und hier ein aus sechs
Einzeleindrücken zusammengesetz-
tes, verkleinertes, gekrümmtes, aber
aufrecht stehendes Bild (A! F’)
des Pfeiles erzeugen. Diese Einrich-
tung der zusammengesetzten Augen
ist blos den Arthropoden eigen-
thümlich.
Bei einigen Gruppen niede-
rer Insekten, z. B. bei den Spring-
schwänzen, Poduridae, kann jedes
Netzauge durch eine Gruppe von
vier bis acht ÖOcellen ersetzt
sein, und bei den Flöhen tritt
sogar nur je ein einfaches Auge
an seine Stelle.
Grössere Gruppen völlig
blinder Insekten gibt es nicht,
dagegen verkiimmern bei im Dun-
keln lebenden Höhleninsekten
die Augen häufig und gehen bei
verloren.
Fig. 55. Schematische Darstellung der Wir-
kungsweise eines Netzauges. Die Erklärung
der Buchstaben ist im Texte gegeben.
einzelnen Gattungen und Arten völlig
Die Fortpflanzungsorgane.
Dieselben bestehen sowohl beim Weibeben als beim Männchen aus
einem Paar Geschlechtsdrüsen, deren beiden Ausführungsgängen,
welche zu einem mittleren, in der Geschlechtsöffnung mündenden, und
an seinem unteren Theile in ein Begattungsorgan umgewandelten
unpaaren Ausführungsgange verschmelzen, sowie aus drüsigen
Anhangsgebilden.
u}
[er]
Kap. III. Der innere Bau des erwachsenen Insektes.
Nur bei vielen Eintagsfliegen fehlt ein unpaarer Ausführungsgang, so dass
bei beiden Geschlechtern je zwei getrennte Geschlechtsöffnungen vorkommen,
während im Gegentheil bei einigen Staphyliniden, z. B. bei Dianous coerules-
cens Gyrr. nur ein unpaarer Eileiter vorhanden, an dem sich rechts und links
Eiröhren ansetzen.
Die weiblichen Fortpflanzungsorgane. Die Geschlechtsdrüsen
des Weibchens (Fig. 56) heissen Eierstöcke, ovaria, ihre paarigen
Ausführungsgänge Eileiter, oviductus, der untere Theil des unpaaren
Eierganges Scheide, vagina. Von dieser Scheide gliedert sich häufig
als besonderer Theil die Begattungstasche, bursa copulatrix, ab, welche
zur Aufnahme der Ruthe des Männchens bei der Begattung dient. Von
Anhangsgebilden sind vorhanden dieSamentasche, receptaculum seminis,
die häufig selbst noch Anhangsdrüsen hat, und die Kittdrüsen, glan-
dulae sebaceae.
Fig.56. Weibliche Geschlechtsorgane eines Fig. 57. Männliche Geschlechtsorgane
Borkenkäfers, Scolytus, nach Lispoemann. eines Maikäfers nach GEGENBAUR. MH die
ER Eiröhren des Eierstockes, yEL paa- aus je sechs Theilen bestehenden Hoden,
riger Eileiter, S7’Samentasche, BT Begat- SL Samenleiter, 5 B Samenblase, D An-
tungstasche, X DKittdrüsen, Sch Scheide. hangsdrüsen, «SG unpaarer Samengang.
Die Eierstöcke sind die Bildungsstätte der Eier sammt der Eischale.
Jeder Eierstock besteht aus einer grösseren oder geringeren Anzahl
von Eiröhren, welche kurz vor der Stelle, wo sie dem Eileiter ansitzen,
am stärksten sind, und nach der Spitze hin sich verjüngen. Hier gehen
sie in einen feinen, zu ihrer Befestigung im Anfange des Hinterleibes
dienenden Faden über. In diesen Eiröhren entstehen die Eier in linearer
Aneinanderreihung, so dass das dem Eileiter zunächst gelegene das
reifste und grösste, das am weitesten nach der Spitze zu gelegene das
jüngste und kleinste ist. Da die Wandungen der Eiröhren sich den
Die weiblichen Fortpflanzungsorgane. 2
Eiern dieht anschmiegen, so werden sie durch diese zu nach der Spitze
verjüngten, perlschnurähnlichen Gebilden aufgetrieben.
Jede Eiröhre (Fig. 58) besteht aus einer bindegewebigen, häufig mit Muskel-
fäden bekleideten Membran, welche einen aus Zellen bestehenden Inhalt umsehliesst.
Am blinden Ende sind diese häufig schwer von einander unterscheidbaren Zellen
sämmtlich gleich gebildet, bald aber sondert sich ein die Innenwand der
Eiröhre auskleidendes, einschichtiges Epithel von den central gelegenen stark
wachsenden Eizellen, welche von den Epithel-
zellen derartig eingeschlossen werden, dass jede
Eizelle in ein besonderes Fach zu liegen
kommt. Die Epithelzellen geben einmal Nährstoffe
an die Eizelle ab, sondern aber ausserdem noch
an ihrer, der Eizelle zugewendeten Fläche eine
Cutieula ab, welche nun das Ei als Eischale
umgibt. Im reifen Ei ist der Kern der Ei-
zelle nicht mehr erkennbar.
Dieses ist der einfachste Fall. Es kommt
aber häufig vor, dass die Epithelzellen lediglich
die Funetion der Absonderung der Eischale
haben, die Versorgung des Eies mit Nährstoffen
dagegen von besonderen Zellgruppen besorgt
wird, die dann zwischen die einzelnen Eier ein-
geschoben erscheinen. Diese Zellen heissen Ei-
Nährzellen oder Dotterzellen. Sind die-
selben in besonderen Fächern zwischen die
Eifächer eingeschoben, so spricht man von Ei-
und Dotterfächern.
Die Gestalt des Eierstockes hängt
ab von der Zahl und Länge der Eiröhren,
welch letztere selbst wieder von der Zahl te Es Härhsehormatinehe Dar-
der in ihnen entstehenden Eier bedingt stellung des Baues der Eiröhren.
wird, sowie von der Art und Weise, IEiröhre ohne Einährzellen, ITEi-
wie die Eiröhren sich dem Eileiter an- röhre mit Einährzellen, 7/7 Stück
fügen einer Eiröhre mit gesondertem Ei-
und Dotterzellenfache. Bf Befe-
Insekten, welche nur wenig Eier stigungsfaden, A Ende der Ei-
auf einmal erzeugen, haben wenige und röhre mit noch nicht differenzir-
kurze Eiröhren (Fig. 56), während bei !@ Zelle 2 Selen, N zklus
: B B zellen, Xp Eiröhrenepithel, Zsch
starker Eiproduction entweder wenige sehr Eischale, rE reife Eier.
lange (Fig. 59), oder viele kurze Eiröhren
(Fig. 61) vorhanden sind. Die Eiröhren setzen sich entweder der
Spitze des dann mässig starken Eileiters als ein mehr minder starkes
Büschel an (Fig. 56, 59), oder aber sie inseriren sich dem alsdann
meist stark aufgetriebenen als Eikelch bezeichneten Eileiter in einer
(Fig. 60) oder zwei Längszonen oder allseitig (Fig. 61). Das Ende des
Eileiters kann dann sogar über die Spitze der Eiröhren hervorragen.
Jederseits scheinbar nur eine, in Wirklichkeit aber zwei, durch einen festen
Muskelüberzug verbundene, nur zwei Eikeime enthaltende Eiröhren haben die
Lausfliegen, Pupipara, z.B.Lipoptena cervi L., die Hirschlausfliege. Zwei getrennte
Eiröhren jederseits kommen den Borkenkäfern (Fig. 56) und den echten Rüssel-
käfern zu; vier sehr lange in jedem Eierstocke (Fig. 59) sind allen Schmetter-
lingen eigenthümlich, zehn bis zwanzig den Feldheuschrecken und vielen Käfern.
78 Kap. III. Der innere Bau des erwachsenen Insektes.
In jedem Eierstocke der Bienenkönigsin sind 100 bis 200 starke Eiröhren
mit eirca je einem Dutzend
Eiern, während die ver-
kümmerten Weibchen jeder-
seits meist nur fünf bis
sechs Eiröhren haben, und
die Oelkäfer, Melo&, haben
jederseits einige hundert
ganz kurze (Fig. 61).
Dem Ende der Ei-
leiter sitzen die Eiröhren
an bei den meisten Käfern
(Fig. 56 und 60) und den
Schmetterlingen (Fig. 59).
Einreihig oder zweireihig
der Länge des aufgetriebe-
nen Eileiters inserirt sind
sie z. B. bei den Feldheu-
schrecken (Fig. 42 auf S. 67)
und manchen Käfern, all-
seitig umgeben sie den sack-
artigen Eikelch bei den Oel-
käfern (Fig. 61) und den
Leuchtkäfern.
Fig. 59. Weibliche Fortpflanzungsorgane des grossen
Kiefernspinners, Bombyx pini L, nach Suckow. ER die
vier Eiröhren des einen Eierstockes, der andere Eier-
stock ist abgeschnitten, 9 EZ paarige Eileiter, 57’ Samen-
tasche mit Anhangsdrüse, XD Kittdrüsen, Sch Scheide,
bT Begattungstasche, V@ Verbindungsgang zwischen
Begattungstasche und Scheide.
Die Samentasche hängt durch einen engen Gang mit dem un-
paaren Eileiter zusammen, und ist entweder ein blosser Sack (Fig. 61),
oder mit einer einfachen (Fig. 59 und 60) oder getheilten Anhangs-
lig.60.Weibliche Geschlechtsorgane eines Schwimm- Fig. 61. Weibliche Geschlechts-
käfers, Dytiscus, nach STEIN. organe eines Oelkäfers, Melo&,
ER Eiröhren, ST Samentasche, 5 7’ D Samentaschendrüse, 5 7’ Begattungstasche.
EL Eileiter mit drüsigen Wandungen, XD Kittdrüsen, Sch Scheide.
drüse versehen. Mitunter ist sie auch in der Mehrzahl vorhanden, z. B.
bei vielen Zweiflüglern. Sie fehlt manchen lebendig gebärenden Insekten-
formen, z. B. den Lausfliegen, bei welchen der Eileiter ihre Funetion
übernimmt.
Weibliche und männliche Fortpflanzungsorgane. 79
Die Seheide ist häufig in eine grosse Begattungstasche (Fig. 56
und 60), die mit ihr oft nur durch einen engen Gang verbunden ist
Fig.62. Männliche Geschlechts- Fig. 63. Männliche Geschlechtsorgane
organe eines Borkenkäfers, To- vom grossen braunen Rüsselkäfer, Hylo-
micus typographus L. bius abietis L.
H Hoden, SZ paarige Samenleiter, D Schleimdrüsen, 5 P Samenblasen, «,5 @ unpaarer
Samengang.
(Fig. 61), ausgestülpt. Bei den Schmetterlingen münden Begattungstasche
und Scheide getrennt unter einander. Es ist aber hier
die Scheide, durch welche die Eiablage geschieht, mit
der den Penis während der Begattung aufnehmenden
Tasche durch einen Gang verbunden (Fig. 59). Bei
manchen lebendig gebärenden Insekten, z. B. den Laus-
fliegen und vielen anderen Zweiflüglern, dient die Scheide
als Fruchthälter, in welchem die Eier ihre Entwicklung
durchmachen.
Die Kittdrüsen sind in der Einzahl (Fig. 61)
oder Mehrzahl vorhanden, einfach ae: (Fig. 56),
oder verästelt (Fig. 60). Fig. 64. Der eine
Die männlichen Fortpflanzungsorgane. Die Ge- ee
schlechtsdrüsen des Männchens (Fig. 57) heissen Hoden, Dytiscus, nach
testes s. testiculi, ihre Ausführungsgänge Samenleiter, x ang:
vasa deferentia, derunpaare Samengang, ductus ejacu- des einfachen Ho-
denschlauches Z,
5 L Samenleiter,
über; an ihm sind häufig Schleimdrüsen, glandulae SL! aufgeknäuel-
ter Theil des-
selben, der
Jeder Hoden besteht aus einer grösseren oder sogenannte
Nebenhoden.
latorius, geht unten in die vorstülpbare Ruthe, penis,
mucosae, vorhanden.
geringeren Anzahl von Samenschläuchen, welche in
ihrer Anlage den Eiröhren entsprechen, aber gemäss dem geringeren
Volumen der producirten Samenmasse relativ kleiner bleiben als jene.
Die Gestalt der Hoden hängt ab von der Anzahl, der Länge und der
Anordnung der Samenröhren.
s0 Kap. IH. Der innere Bau des erwachsenen Insektes.
j
Jeder Hodenschlauch besteht aus einer äusseren bindegewebigen Hülle mit
zelligem Inhalte; letzterer differenzi.t sich in ein einschichtiges, den Blindschlauch
auskleidendes Epithel und eine Lage centraler Zellen. Letztere sind die Samen-
mutterzellen. Während nämlich die centralen Zellen der Eiröhren direet zu Eiern
werden, und zwar häufig noch unter Aufnahme von Nährstoffen aus den Epithelzellen
und Nährzellen, erzeugen die ihnen gleichwerthigen Samenmutterzellen durch Thei-
lung Tochterzellen, und erst diese verwandeln sich in die eigentlichen Samenfäden.
Die Samenröhren sind entweder kurz und aufgetrieben, oval bis rund-
lich oder lang eylindrisch. Im ersteren Falle setzen sich die Samenröhren
entweder biüschel- oder traubenförmig direet dem Ende des Samen-
leiters an, z. B. beim braunen Rüsselkäfer (Fig. 63), oder einer längeren
Strecke desselben, oder sie vereinigen sich in kleineren Gruppen zu
gemeinsamen Ausführungsgängen, welche sich nun erst dem Eileiter
inseriren, z. B. beim Maikäfer (Fig. 57). Am einfachsten sind die Ver-
hältnisse bei den Thieren mit langen Samenröhren. Diese sind häufig
jederseits nur in der Einzahl vorhanden und knäueln sich an ihrem
blinden Ende auf, indem sie zugleich durch eine bindgewebige Hülle zu
einem compacten rundlichen Körper vereinigt werden (Fig. 64). Bei
den Schmetterlingen sind diese beiden Hodenknäuel wieder durch eine
Bindegewebshülle zu einem gemeinsamen unpaaren Körper, also zu einem
scheinbar einzigen Hoden mit zwei Samenleitern vereinigt.
Die Samenleiter, welche häufig sehr lang, und dann mitunter
in ihrem Verlaufe an einer Stelle knäuelförmig zu einem Nebenhoden
(Fig. 64) aufgewunden erscheinen, erweitern sich vor ihrem Uebergange
in den unpaaren Samengang häufig zu Samenblasen (Fig. 62),
in denen der Same eine Zeit lang aufgesammelt wird. Der unpaare Samen-
gang ist mit starker Muskulatur versehen und nimmt an seinem Anfange
häufig Schleimdrüsen auf. Letztere können von sehr verschiedener
Form sein, paarig oder unpaarig, kurz oder langgestreckt, verästelt oder
unverästelt.
KAPITEL IV.
Die Fortpflanzung und die Jugendzustände
der Insekten.
Das Fortpflanzungsgeschäft ist es, welches fast ausschliesslich den
Inhalt der Lebensthätigkeit des erwachsenen Insektes, der Imago, aus-
macht. Hat das Männchen die Begattung vollzogen, das Weibchen seine
Eier abgelegt, so stirbt es in den meisten Fällen alsbald ab (vergl. $. 86).
Alle Fortpflanzungsvorgänge bei Thieren haben das mit einander
gemein, dass ein Theil des Körpers des Mutterthieres zu einem neuen
Thiere, dem Nachkommen oder Kinde, sich entwickelt. Den Theil
eines Mutterthieres, welcher fähig ist, sich zu einem Nachkommen zu
entwickeln, nennt man im allgemeinen Keim.
Ein Keim kann entweder nur aus einer Zelle oder aus einer Zellen-
vereinigung, einem Gewebsstück des Mutterthieres, bestehen. Ein ein-
zelliger Keim heisst Eizelle. Eine solche Eizelle ist der wesentliche
Hauptbestandtheil derjenigen thierischen Fortpflanzungskörper, welche
wir im gewöhnlichen Sprachgebrauche als Ei bezeichnen. Als neben-
sächlicherer Bestandtheil kommt dem Ei noch die Eischale zu. Alle
Insekten, wie überhaupt alle Gliederfüssler und noch viele andere
höhere Thiere, pflanzen sich ausschliesslich durch Eier fort.
Jedes einzelne Insekten-Individuum hat also einmal den Eizustand durch-
laufen und dies gilt auch für diejenigen, welche bereits als Larve
geboren werden. Diese durchlaufen den Eizustand eben im Leibe des
Mutterthieres.
Der alte Aberglaube, dass Insekten direct aus anderen organischen
Substanzen sich bilden können, die Fliegenmade aus faulendem Fleische.
der Floh aus mit Harn befeuchteten Sägespänen, ist längst wider-
legt. Nicht aus diesen Substanzen, sondern aus Eiern, welche die
Fliegenmutter auf das faulende Fleisch, oder der weibliche Floh in
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde. 6
82 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten.
die Sägespäne legte, sind diese Geschöpfe entstanden. Desgleichen
hat man erkannt, dass alle diejenigen bei Insekten vorkommenden
Keime, welche früher als Sporen oder Pseudova unterschieden wurden,
sich morphologisch in keiner Weise von wirklichen Eiern unter-
scheiden. Ueberhaupt kennt die Wissenschaft kein verbürgtes Beispiel
von „Urzeugung”, sondern nur „Elternzeugung”.
In den meisten Fällen hat das Ei aber nicht ohne Weiteres die Fähig-
keit, ein neues T'hier aus sich hervorgehen zu lassen. Die Eizelle bedarf,
um sich zu einem Embryo zu entwickeln, vielmehr einer Anregung von
aussen, nämlich der Befruchtung durch den männlichen Samen. Die
Fortpflanzung durch befruchtete Eier, bei welcher also beide Geschlechter,
sozusagen nach eingegangener Ehe, mitwirken, wird eine gamogene-
tische oder Gamogenese genannt — abgeleitet von yanoz, die Ehe,
yevsaıs, die Erzeugung — im Gegensatz zu den selteneren Fällen, in
welchen eine Fortpflanzung durch unbefruchtete Eier stattfindet und
welche man als parthenogenetische Fortpflanzung oder Partheno-
genese bezeichnet, abgeleitet von rap$evos, die Jungfrau. Wir beschäf-
tigen uns zunächst nur mit der (Gramogenese.
Ei und Samen. Entwicklung im Eı.
Das Ei, ovum, besteht aus der Eiz elle, ovulum, auch Urei
genannt, und der Eischale oder chorion.
Die Eizelle ist eine sehr stark gewachsene Zelle des mütterlichen
Körpers und erlangt, wie wir oben sahen, ihre Ausbildung in den Ei-
röhren des Eierstockes.
Ihr Körper besteht, wie der jeder Zelle, aus einer Protoplasma
genannten Eiweisssubstanz, der aber während des starken Wachsthumes
eine grosse Menge von Reservestoffen, Deutoplasma oder Dotter-
elemente genannt, beigemischt werden. Der Kern der Eizelle, welcher
sich bei dem eben durch die beigemischten Dotterelemente häufig un-
durchsichtig werdenden, reifen Eie oft der Wahrnehmung entzieht, heisst
Keimbläschen. Die eigentliche Membran der Eizelle, welche wenig-
stens zu gewissen Zeiten wohl jedem Ei zukommt, heisst Dotterhaut.
Das starke Wachsthum der ursprünglich kleinen Eizelle wird, wie wir oben
sahen (S. 77), dadurch möglich, dass sie sowohl aus den Epithelzellen der Ei-
röhren, als auch, wo solche vorhanden, aus den Ei-Nährzellen Nahrungsstoffe auf-
nimmt. Trotzdem bleibt aber das Ei doch eine einfache Zelle, selbst wenn die
die Nahrung liefernden Zellen vollständig verbraucht werden, da letztere ja
nicht als ganze Zellen, sondern blos ihrer Substanz nach in die Eizelle übergehen
und von dieser vollständig assimilirt werden. Es wird eine Eizelle durch Aufnahme
der Substanz mehrerer Nährzellen ebenso wenig zu einem mehrzelligen Gebilde,
wie aus einem fleischfressenden Thierindividuum ein zusammengesetztes Thier
dadurch wird, dass es täglich eine Reihe anderer Thierindividuen als Nahrung
in sich aufnimmt.
Das Ei. 53
Die Eischale ist eine aus Chitin bestehende, mehr weniger feste
Membran, welche, wie wir oben sahen (S. 77), bereits im. Eierstocke
erzeugt wird. Sie wird stets durchsetzt von einer oder mehreren kleinen
Oeffnungen, durch welche bei der Befruchtung Samen-
fäden zur Eizelle selbst gelangen können. Eine solche
Oeffnung heisst Mikropyle, abgeleitet von kzpos,
klein, und ruAn, die Pforte.
Die Gestalt der Eier ist zwar im allgemeinen
rundlich oder langgestreckt, kann aber in vielen
”
Fällen stark variiren. Auch Grösse und Zahl der- eines Eies des Hor-
nissenschwärmers,
Sesia apiformis Ur.
einander in Beziehung, als Insekten, welche nur nach Leuckarr mit
dem Mikropylapparat.
m einer der 5 Mikro-
haben, als solche, die zahlreiche Eier produeiren. pyleanäle, welelie von
r E s : R - Ausser Tikro-
Die Eischale ist zwar eine in sehr vielen dem äusseren‘ Mikro
pylgrübchen divergi-
Fällen ungemein widerstandsfähige Hülle der Eier, „sndnachinnen laufen.
besonders bei denjenigen, welche den Winter frei
überdauern müssen, wie z. B. die des Ringelspinners, Bombyx neustria
L., gestattet aber einen Gasaustausch zwischen Ei und umgebender
atmosphärischer Luft während der Entwicklung des Embryo, den man
selben wechseln sehr, stehen aber insofern unter
wenige Eier ablegen, im Verhältniss grössere Eier
A B (& D E F
M N OÖ 12 Q Ss
Fig. 66. Formen der Eier verschiedener Insekten. Dieselben sind ohne jede Rück-
sicht auf ihre relative Grösse gezeichnet.
A der Weisstannen-Triebwickler, Tortrix murinana Hs. B Nonne, Liparis
monacha L. (€ Forleule, Trachea piniperda Pz. D Rundliche indifferente Eiform
sehr vieler Insekten, z. B. der Borkenkäfer. EZ Maikäfer. F Mücke, Chironomus.
G Blattwespe, Lyda pratensis FAzr., Ei an einer Kiefernnadel befestigt. 77 Fliege,
Musca. I Honigbiene. K Rosengallwespe, Rhodites Rosae L. ZL Florfliege, Chry-
sopa perla L. M Essigfliege, Drosophila cellaris L. N Schildwanze, Pentatoma.
O Wasserskorpion, Nepa cinerea L. P Heckenweissling, Pieris Crataegi I. @ Bett-
wanze, Acanthia lectularia L. R Kopflaus, Pediculus capitis DE Gerr., Ei an einem
Haare befestigt. $S Hirschdasselfliege, Hypoderma Actaeon BrAUER.
geradezu als Athmung bezeichnen muss. Sie zeigt oft eine ungemein
zierliche Sculptur, z.B. schr häufig eine netzartige Felderung (Fig. 65).
Der Mikropylapparat besteht bald aus einer einfachen, bald
auch aus mehreren Oeffnungen, welche canalartig die Eischale durch-
6*
84 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten.
setzen. Auf die mannigfachen Anordnungen derselben einzugehen, ist
hier nicht der Platz, wir begnügen uns mit der Abbildung des
Mikropylapparates bei dem Hormnissenschwärmer (Fig. 65), welcher
aus einem kleinen Grübchen besteht, von welehem nach innen diver-
girend fünf feine Uanäle ausgehen.
Als die verbreitetste Eiform kann man ansehen ein Drehungs-
ellipsoid mit geringer Längendifferenz beider Achsen der bildenden
Ellipse (Fig. 66 D). Diese Form kann sich aber nach zwei Richtungen
hin verändern: einmal kommen, z. B. bei vielen Schmetterlingen,
brotförmig niedergedrückte (Fig. 66 C und B) bis scheibenförmige Eier
(Fig. 66 A) vor, andererseits langgezogene Formen (Fig. 66 Ebis H).
Wäbrend die ersteren aber immer radiär gebaut sind, so dass alle
durch die verkürzte Achse gelegten Schnitte einander gleich sind, sind
letztere symmetrisch, indem das Ei nach einer Seite, und zwar nach
der, auf welche die Bauchseite des künftigen Embryo zu liegen
kommt, gekrümmt ist. Die grösste Ausbildung erhält letztere Form
bei den Gallwespen, bei welchen das Ei einem langgestreckten Quer-
sacke gleicht (Fig. 66 K). Es erhalten die Eier mancher Formen ferner
Haftapparate (Fig. 66 R und $), Stiele zur Befestigung (Fig. 66 Z),
Anhänge in der Nähe der Mikropyle (Fig. 66 M und OÖ), oder es
sind die Mikropylcanäle selbst in röhrenförmige Fortsätze ausgezogen.
(Fig. 66 N). Rippungen des Chorion geben manchen Eiern ein
eigenthümliches Ansehen, und an vielen sind Deckel vorgebildet, die
nur mit einer dünnen Randzone der übrigen Eischale anhängen und
sich beim Ausschlüpfen von der Larve leicht abheben lassen, so bei
vielen wanzenartigen Thieren (Fig. 66 N, Q und AR).
Die Reifung der Eier erfolgt meist während des letzten Larven-
stadiums oder im Puppenzustande, so dass das weibliche Insekt sofort
nach Erreichung des Imagostadiums, also nach der letzten Häutung
fortpflanzungsfähig ist. Bei langlebigen Insekten kann dagegen die
Reifung der Eier erst in das Imagostadium fallen und ganz allmälig
nach Massgabe der abzulegenden Eier geschehen, z. B. bei der Bienen-
königin.
Der Samen. Der Samen besteht aus einer dicklichen Flüssigkeit,
welche in Folge der in ihr vertheilten sehr zahlreichen, aber zugleich
sehr kleinen und feinen Samenfäden ein milchiges Ansehen erhält. Er
entsteht in den männlichen Geschlechtstheilen, und zwar bilden sich in
der S. 79 dargestellten Weise die Samenfäden, welche wegen ihrer
selbstständigen Beweglichkeit früher häufig auch Samenthierchen oder
Spermatozoen genannt wurden, aus den in den Hoden befindlichen
Zellen. Jeder Samenfaden ist also eine modifieirte Samenzelle.. Die
Gestalt der Samenfäden ist in der Regel eine einfach fadenförmige, mit
einem etwas dickeren, vorderen Ende, dem sogenannten Köpfchen
Ei und Samen. 85
(Fig. 67 A), dem der bewegliche, sich lebhaft hin und her schlän-
gelnde Schwanz entgegengesetzt wird.
Es gibt aber, besonders bei manchen Orthopteren, auch Samen-
fäden mit besonders ausgezeichneten Anhängen am Kopfe (Fig. 67 B),
sowie solche mit doppeltem Schwanze, z. B. bei einigen Käfern. In
manchen Fällen, z. B. bei manchen Heuschrecken, reihen sich die
Köpfchen der Spermatozoen derartig zusammen, dass sie eine lineare
Reihe bilden, der die nach beiden Seiten abstehenden Schwänze seitlich
ansitzen, wie die beiden Fahnen einer Feder dem Schafte (Fig. 67 (©).
Diese federförmigen Gebilde sowohl, wie überhaupt der Samen der
Insekten in beiweitem den meisten Fällen, werden wiederum eingehüllt
in feste, von den Anhangsdrüsen der männlichen Geschlechtsorgane
re
vB
/
N
4A
Fig. 67. A Einfache Samenfäden von Blaps mortisaga L. B Samenfäden mit anker-
förmigen Köpfchen von einer Heuschrecke, Decticus verrucivorusL. € Vereinigung
von Samenfäden einer andern Heuschrecke, Locusta viridissima L., zu federförmigen
Gebilden. D Spermatophoren von Decticus. B—D nach von SIEBOLD.
abgesonderte Hüllen, welche man als Samenpatronen oder Spermato-
phoren bezeichnet (Fig. 67 D). Nicht lose also, sondern in fester
Verpackung wird der Samen bei der Begattung übertragen.
Von der Zeit der Reifung des Samens gilt dasselbe wie von
der Reifung der Eier. Sie fällt entweder schon in den Puppen-, respec-
tive Larvenzustand, so dass das ausschlüpfende Männchen sofort zum
Beginn der Fortpflanzungsthätigkeit bereit ist, oder sie erfolgt erst all-
mälig während der Lebensdauer des Individuums. Ausbildung und
Reifung von Ei und Samen sind innerliche Vorgänge, welche sich bis
auf die manchmal durch die Schwellung der Eierstöcke bedingte Auf-
treibung des Hinterleibes beim Weibchen der direeten Beobachtung am
lebenden Thiere entziehen.
Die beobachtbare Einleitung des Fortpflanzungsgeschäftes ist dagegen
in der Regel die Begattung des Weibehens durch das Männchen.
56 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten.
Die Begattung. Der wesentliche Vorgang bei der Begattung oder
copula besteht in einer Uebertragung des Samens des Männchens in den
Leib des Weibehens, und zwar der Regel nach schliesslich in die
Samentasche desselben. Dies geschieht meist so, dass die mit dem
unpaaren Samenleiter des Männchens in Verbindung stehende Ruthe in
die Scheide des Weibchens eingeführt wird. Diese geschlechtlic he Ver-
bindung von Männchen und Weibchen kann in sehr verschiedener Weise
ausgeführt werden. Sie kann im Sitzen wie im Fliegen geschehen, so,
dass beide Theile den Kopf gleich gerichtet haben, wobei das Männchen
auf dem Rücken des Weibchens sitzt, oder so, dass beide nach verschie-
denen Seiten sehen.
Nur bei den Libellen beobachten wir einen ganz abweichenden Vorgang.
Bei den Männchen dieser Thiere liest die männliche Geschlechtsöffnung allerdings
an der gewöhnlichen Stelle, nämlich am neunten Hinterleibsringe, das Copula-
tionsorgan dagegen ganz getrennt weit nach vorn, an der Bauchseite, am zweiten
Hinterleibsringe. Durch Umbiegung des Hinterleibes nach dem zweiten Hinter-
leibsringe füllt nun das S sein Copulationsorgan mit Samen, ergreift dann das
© mit dem am Ende seines Hinterleibes befindlichen Raiten im Nacken und
beginnt nun den Hochzeitsflug, bei dem schliesslich das 2 seinen Hinterleib
umbiegt, dem Copulationsorgane des Männchens nähert und die Begattung voll
zieht. Der Fall, dass das Weibchen auf dem Männchen sitzt, wie beim Floh,
oder dass die beiden Thiere mit gleichgerichteten Köpfen neben einander sitzen,
ist selten.
Die Dauer der Copula ist eine sehr verschieden lange. Manche
brünstige Weibchen lassen sich hinter einander von mehreren Männchen
begatten, während andere nur ein einziges zulassen. In einzelnen
Fällen hat die Begattung sofort den Tod des Männchens zur Folge.
So stirbt die die Bienenkönigin begattende Drohne im Augenblicke
der Samenausleerung und jene muss sich der an ihr hängenden
Leiche entledigen, wobei stets ein Theil des abgerissenen Penis in
der Scheide stecken bleibt. Er heisst in der Sprache der Imker das
Begattungszeichen und wird erst später entfernt.
Der Erfolg einer gelungenen Begattung ist also dureh-
aus nicht etwa die Befruchtung der Eier, sondern die Füllung
der Samentasche des brünstigen Weibchens mit Samen.
Die Befruchtung. Dieser Act ist rein von der Initiative des
begatteten Weibehens abhängig. Er fällt in denjenigen Zeitpunkt, in welchem
das aus der Eiröhre des Eierstockes austretende Ei an der Mündung
der Samentasche vorübergleitet. Bei dieser Gelegenheit ist die Mutter
im Stande, das Ei mit einer kleinen Portion des in der Samentasche
von der Spermatophorenhülle befreiten Samens zu übergiessen. Es ge-
schieht dies durch eine Zusammenziehung der Samentasche. Es dringt
bei dieser Gelegenheit einer der beweglichen Samenfäden mit Hilfe
seiner schlängelnden Eigenbewegung durch die Mikropylöffnung in das
Begattung, Befruchtung, Ablage der Eier. 87
Ei und mischt sich mit der Eizelle. Dieses Eindringen eines Samenfadens
in die Eizelle ist der wesentliche Vorgang einer Befruchtung.
Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass der in das Ei eingetretene
Samenfaden sich mit einem Theile des Kernes der Eizelle verbindet, und so ein
neuer Kern gebildet wird, der „Furchungskern”, von dem aus nun die Einleitung
der Furchungsvorgänge beginnt. Der nicht verwendete Theil des ursprünglichen
Eikernes ist schon vorher als „Richtungsbläschen” ausgetreten.
Bei solchen Arten, bei denen sich die Eiablage über eine längere
Zeit vertheilt, dauert die Fähigkeit, befruchtete Eier abzulegen, beim
begatteten Weibchen so lange, als der empfangene Samenvorrath reicht,
beziehungsweise so lange, als letzterer lebenskräftig bleibt.
Der Erfolg der Befruchtung ist der, dass durch sie eine
sonst nicht entwicklungsfähige Eizelle die Fähigkeit erhält,
sich in einen Embryo — so nennt man das junge Thier, so lange
es in den Eihüllen verharrt — umzubilden.
Die Ablage der Eier. Das befruchtete Ei wird meist sofort abgelegt
und die Entwicklung des Embryo geht dann ausserhalb des mütterlichen
Körpers vor sich. Die Anzahl der abgelegten Eier kann von einigen
Tausend bis ungefähr einem Dutzend variiren. Die Eier können ent-
weder einzeln oder zu verschieden gestalteten Haufen vereinigt abgelegt
werden. In vielen Fällen stellt das Weibchen besondere für die Eier
geeignete Unterkunftsstellen her, so z. B. bei den Borkenkäfern den be-
kannten Muttergang, in welchem die Eier vertheilt werden. Am auf-
fälligsten ist diese Vorsorge für Eier und Brut bei vielen bienen- und
wespenartigen Thieren, welche besondere Bauten zu deren Aufnahme
errichten, eine Arbeit, welche bei den geselligen Hymenopteren und
Örthopteren meist von den geschlechtlich verkümmerten Weibchen, den
Arbeiterinnen, übernommen wird. Bei manchen dieser Thiere wird dann
auch die Abwartung des Eies und die Fütterung des ausschlüpfenden
Jungen durch diese Arbeiter oder auch die Mutter besorgt. In allen
anderen Fällen wird das Ei aber so abgelegt, dass das Junge in un-
mittelbarer Nähe entweder Nahrung, wenigstens für seine ersten Lebens-
tage, bereit findet oder doch erbeuten kann. Bei einigen Insekten tragen
die Weibehen die Eier an ihrem Leibe mit herum, entweder in freien
Häufchen oder in durch das Secret der Kittdrüsen gebildeten Eikapseln
vereinigt. In einer geringeren Anzahl von Fällen durchläuft dagegen das
Ei bereits im Inneren des mütterlichen Körpers seine Entwicklung oder
wenigstens einen Theil derselben, so dass entweder mit Embryonen
versehene Eier oder, wenn das Ausschlüpfen der Jungen bereits im
Mutterleibe vor sich geht, diese letzteren selbst abgelegt werden. Bei
völlig entwickelten Weibchen ist wohl immer die Scheide die Stätte, an
88 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten.
welcher die Eier sich entwickeln. Bei den Lausfliegen bleiben aber die
Jungen noch längere Zeit im mütterlichen Körper zurück, werden hier
durch das Secret von modifieirten Kittdrüsen ernährt und erst als fast
verpuppungsreife Larven abgelegt.
Die Anzahl der abgelegten Eier ist wohl am grössten bei den
Termitenweibchen. Nach von BerterscH soll eine Bienenkönigin zur
Zeit ihrer höchsten Thätigkeit durchschnittlich am Tage 1200 Eier
ablegen können und im Ganzen öfters 40 000 bis 50000 Eier pro-
dueiren, während nach Rösen das Flohweibehen nur 12 Eier erzeugt.
Der Fichtenborkenkäfer erzeugt gewöhnlich 30 bis 100 Eier, der Kiefern-
spinner circa 100, ein Eierhäufehen der Nonne enthält bis 150 Eier
und das Nest der Maulwurfsgrille bis 250 Stück.
Einzeln abgelegt werden die Eier von vielen Insekten, z. B.
von den sogenannten Eulen, Noctuae, unter den Schmetterlingen, des-
gleichen bei manchen Lyda-Arten unter den Blattwespen u. s. f., bei
den meisten Kerfen geschieht die Ablage aber in regellosen Haufen.
Fig. 68. Eierring des Ringelspinners, Fig. 69. Blattrolle von dem
Bombyx neustria L., dem Zweige eines Blatte einer echten Kastanie,
Laubbaumes fest angekittet. gefertigt von Attelabus
curculionoides L.
In regelmässige, charakteristisch geformte Haufen werden die Eier
angeordnet, z. B. bei dem Ringelspinner, Bombyx neustria L., dem
Birkenspinner, Bombyx lanestris L., und dem Schwammspinner, Ocneria
dispar L. (Taf. V, Fig. 1E); in letzteren beiden Fällen, und übrigens
in vielen anderen, bedeckt mit einem Ueberzuge aus der Afterwolle
des Weibchens. Aber auch viele andere Insekten vereinigen ihre Eier
zu regelmässig gestellten Haufen, z. B. der Coloradokäfer und die
gewöhnliche Stechmücke, Culex. Solche, die in das Wasser abgelegt
werden, sind mitunter durch gallertartige Masse zu einer Art Laich
verbunden. Die Fälle, in welchen das Weibchen seinen Eiern durch
mühsame eigene Thätigkeit die passende Unterkunftsstelle bereitet,
sind sehr zahlreich. Wir erwähnen hier ausser dem bereits oben an-
geführten Beispiele der Borkenkäfer die Gallwespen, die Schlupf-
wespen und die Riüsselkäfergattung Balaninus, von denen die beiden
ersteren mit Hilfe ihrer Legstachel die Eier in Pflanzentheile, beziehungs-
weise in den Körper von anderen Insekten unterbringen, letztere das
Ei in ein mit dem langen Rüssel in den Fruchtknoten der Nahrungs-
pflanze, z. B. der Haselnuss, genagtes Loch schieben. Manche Käfer
2 ee ic
Die Ablage der Eier. 89
verfertigen regelmässige Blattrollen, in denen je ein Ei untergebracht
wird, z. B. Rhynchites betulae L. auf Birken und Attelabus curculio-
noides L. auf Eichen und echten Kastanien (Fig. 69). Am kunst-
vollsten verfahren aber die Hymenopteren. Diese bauen Wohnungen
für die Eier, beziehungsweise die junge Brut, und speichern entweder
in dieser Wohnung Nahrung für die Larve auf oder füttern die ausge-
kommene in täglicher Brutpflege. Für ersteres sind viele Grabwespen,
unter anderen die gemeine Ammophila sabulosa L., viele ungesellig
lebende Wespen — Eumenes pomiformis Spin. — und viele Blumen-
bienen, unter ihnen Megachile centuncularis FAgr., die Tapezierbiene,
als Beispiel anzuführen. In den beiden ersten Fällen werden Insekten-
larven, in letzteren Blumenstaub als Nahrung für die Larve den Eiern
beigegeben. Für Unterbringung der Eier in kunstvollen Bauten, aber
ohne Beifügung von Nahrung, sondern mit nachfolgender Fütterung
der Larven, bieten uns die geselligen Wespen und Bienen, sowie
Ameisen und Termiten bekannte Beispiele. Aber auch in den Fällen
minder ausgeprägter Brutpflege wird das Ei an solchen Oertlichkeiten
abgelest, an denen die Larve Nahrung findet oder von denen aus sie
leicht zu solcher gelangt. Bei Insekten mit pflanzen- 7 =
fressenden Larven werden also die Eier regelmässig Zee
an oder in der Futterpflanze der Larve abgelegt; der N
Maikäfer, dessen Larve von Pflanzenwurzeln lebt, legt _ }
dieselben in die Erde an pflanzenbesetzte Stellen. Mist- Fig. 70. Eikapsel
4 . . PR: von Blatta
und Aaskäfer legen ihre Eier an thierische Exere- orientalis L.
mente oder Thierleichen. Insekten, deren Larven von a von der Seite
Blattläusen leben, z. B. die Florfliege, Chrysopa, legen gesehen, 5 im
ihre gestielten Eier auf mit Blattläusen besetzte Blät- (uerschnitt, um
ERSTEN: ; die beiden Eier-
ter, und diejenigen Insekten, deren Larven im Wasser „eihen zu zeigen.
leben, legen auch ihre Eier in dasselbe ab, z. B. die
Mücken, die Libellen und die Eintagsfliegen. Beispiele, dass Insekten-
weibchen die abgelegten Eier mit sich herumtragen, haben wir besonders
bei den Geradflüglern, z. B. bei den Afterfrühlingsfliegen — Gattung
Perla Georrr. — und bei den Schaben, z. B. bei der so gemeinen
grossen Schabe, Blatta orientalis L. Bei letzterer, wie bei den Ver-
wandten, sind die Eier auch noch besonders in eine hornige Kapsel
eingeschlossen, welehe vom Weibchen, in die Geschlechtsöffnung ein-
gezwängt, mit sich herumgetragen wird (Fig. 70).
Die bekanntesten Fälle von lebendig gebärenden Insekten finden
sich unter den Zweiflüglern und sind als solche sowohl die gewöhnliche
Schmeissfliege, Sarcophaga carnariaL., als viele Raupenfliegen, z. B. Tachina
fera L., und die Rachendasselfliegen, Cephenomyia, bemerkenswerth. Des-
gleichen kommt Viviparität auch bei einigen Käfern aus der Familie
der Staphylinidae vor. Die lebendig geborenen Blattläuse sind nicht
gamogenetisch, sondern parthenogenetisch entstanden und entwickeln sich
bereits in den Eiröhren (vergl. S. 124).
90
Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten.
Die Verwandlung der Eizelle in den Embryo. Die Entwicklung
des Eies umfasst eine Reihe von Formbildungsvorgängen, durch welche
die gesammte Masse der Eizelle innerhalb der Eischale schliesslich in
ein von zelligen Hüllen eingeschlossenes junges Thier, den Embryo,
umgewandelt wird. Der Embryo bildet sich also aus der Substanz der
Eizelle, steht aber, da er athmet, durch die Eischale hindurch in Gas-
austausch mit der Aussenwelt.
Die Entwicklungsvorgänge sind sehr eomplieirter Natur und wir müssen
uns daher hier mit einigen kurzen Andeutungen begnügen. Der erste wesentliche
Vorgang besteht hier wie überall in der Verwandlung der einen grossen Eizelle
in eine grosse Menge von kleinen Embryonalzellen. Diese ordnen sich nun im
concentrische Schichten, von denen die äussere aus Zellen bestehende, zunächst
einschichtige, den Embryo nach aussen abschliessende Zellblase, als Blastoderm
oder Keimhaut bezeiehnet wird und in Gegensatz tritt zu den von ihr um-
schlossenen dunklen Dotterballen, welche neuerdings immer allgemeiner gleich-
falls als wirkliche Zellen angesehen werden.
Brose Drei
Entwicklungsstadien
Hydrophilus piceus L. nach KowALEwsky.
von
Die Eischale ist entfernt. A erste schild-
förmige Anlage des Embryo. 5 der Keim-
streifen ist deutlich angelegt und in die
Segmente zerfallen. € weiter entwickelter
Embryo, an dessen Keimstreif die Oberlippe,
die Fühler (1),die drei Kieferpaare (2bis4),
sowie die drei Beinpaare (5 bis 7) deutlich
erscheinen. Hinter Nr. 7 findet sich noch
die Andeutung eines vierten, später schwin-
denden Beinpaares. Auf dem hinteren Theile
des Keimstreifens schimmert in der Mitte
das Bauchmark durch.
Aus dem Blastoderm entsteht der
Leib des Insektes mit Ausnahme des
Mitteldarmes, welcher sich aus der centra-
len Masse herausbildet. Ein grosser Theil
dieser letzteren wird aber nicht direct
morphologisch zum Aufbau des jungen
Thieres verwendet, sondern, als „‚Dotter’’
in den Mitteldarm gelangt, allmälig re-
sorbirt und nimmt nur physiologisch an
der Bildung des Embryo theil. Auch die
Embryonalhüllen entstehen durch Falten-
bildung aus dem Blastoderm. Die eigent-
liche Bildung der Leibeswand des Embryo
beginnt damit, dass die Anlage der Bauch-
seite des Embryo in Gestalt einer schild-
förmigen Verdiekung der Keimhaut auf-
tritt (Fig. 714). Diese wird der „Keim-
streif” genannt. Durch Faltenbildungen
und Abspaltungen wird dieser Keimstreif
mehrschichtig; er gliedert sich in Segmente
(Fig. 71 BD), und es entstehen nun aus
ihm die einzelnen Organe des Embryonal-
leibes, besonders das seine Mittellinie ein-
nehmende Centralnervensystem und die als
Einstülpungen von der sich einsenkenden
Mund- und Afteröffnung aus auftretenden
Anlagen des Vorder- und Hinterdarmes,
welche sich erst später mit dem central
entstandenen Mitteldarm vereinigen. Quere
Einschnürungen des Keimstreifes gliedern den Embryonalkörper in seine einzelnen
Segmente, und sackförmige paarige Ausstülpungen des Keimstreifes bilden in den
Fällen, in welchen sie bereits am Embryo auftreten, die Anlagen der Gliedmassen
(Fig. 71B und ©). Zugleich umwächst der Keimstreif, indem er sich peripherisch
ausdehnt, den gesammten Dotter vom Bauche nach dem Rücken zu, so dass sich
schliesslich seine Ränder auf dem Rücken treffen und vereinigen, und nun der
definitive Schluss der Körperwandungen erreicht ist. Sehr früh, bereits lange ehe
die hier angedeuteten Bildungen zum Abschlusse kommen, haben sich Zellfalten
an der Peripherie des Keimstreifes, und zwar zuerst an seinem vorderen und
Die Verwandlung der Eizelle in den Embryo. Die Larve. 5!
hinteren Ende erhoben und mit einander verwachsend, eine Embryonalhille
gebildet. Letztere ist aber ein provisorisches Embryonalorgan, nur für die Dauer
des Embryonallebens berechnet, und ebenso 'vergänglich wie die mitunter am
Embryo auftretenden überzähligen Gliedmassenpaare (Fig. 71 (€), welche vor der
Geburt des Embryo wieder schwinden, oder die bei manchen Dipteren auftreten-
den, zur Sprengung der Eischale beitragenden Stacheln.
Eine von der eben angedeuteten einfacheren Form der Embryonalbildung
scheinbar abweichende ist diejenige mit sogenanntem inneren Keimstreif,
auf welche hier näher nicht eingegangen werden kann.
Die Grundzüge der Entwicklung des Embryo, also der Um-
wandlung der Eizelle in ein nach dem Bauplan des Insektenleibes
gebautes Thier, sind aber im wesentlichen stets die gleichen. Indessen
zeigt das schliessliche Resultat, das so entstandene junge Thier, je
nach der Gruppe, der es angehört, wesentliche Unterschiede in
der Ausbildung und Gestaltung der einzelnen Leibesabschnitte und
Gliedmassen. Es hängt ausserdem die Höhe der Ausbildungsstufe,
welche das Insekt bereits im Ei erlangen kann, bis zu einem gewissen
Grade von der Menge der in der Eizelle gebotenen Bildungsmasse ab.
Im allgemeinen sehen wir nämlich, dass bei solehen Insekten, welche
im Verhältniss zur Imago sehr grosse Eier haben, das junge Thier
bereits innerhalb der Eischale diejenige Segmentirung und diejenigen
Gliedmassen erhält, welche dem erwachsenen Thiere zukommen,
während bei solchen, die sehr kleine Eier haben, dies viel weniger
häufig der Fall ist.
Hat der Embryo die ihm zukommende höchste Entwicklungsstufe
erreicht, so öffnet er die Eischale und schlüpft aus, entweder indem er
durch seine Bewegungen die allmälig morsch gewordene Hülle sprengt
oder, wenn er mit beissenden Mundwerkzeugen versehen ist, indem er
dieselbe durchnagt. Im ersteren Falle erleichtern mitunter an der Eischale
vorgebildete Deckelapparate (vergl. S. S4) das Ausschlüpfen.
Die Larve und ihre Verwandlung in die Imago. Metamor-
phose und Puppenruhe.
Die Larve. Nach dem Verlassen der Eischale wird das junge Insekt
Larve genannt. Alle eben ausgeschlüpften Larven sind kleiner als die
Imago, flügellos und nicht geschlechtsreif. Frei bewegliche, ihrem Nahrungs-
erwerb lebhaft nachgehende oder äusserlich auf ihrer Nährpflanze oder
ihrem Nährthiere lebende Insektenlarven sind mit festeren Chitinhüllen
versehen und meist entschieden, häufig sogar lebhaft gefärbt. Im Inneren
der zu ihrer Nahrung dienenden Substanzen, z. B. im Holze, oder in
der Erde lebende Insektenlarven sind dagegen weich und weisslich.
Je nach der Höhe der Entwicklung, welche der Embryo erreicht
hat, ist der Bau und die äussere Erscheinung der ausschlüpfenden jungen
Larve sehr verschieden.
92 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten.
Wir finden alle Uebergänge von solchen Larvenformen, welche
ohne Weiteres auch dem unbefangenen Beobachter ihre Zugehörigkeit
zu der betrachtenden Imagoform verrathen, also dem erwachsenen Insekte
fast völlig gleichen, bis zu solchen, die so sehr von der Imago ver-
schieden sind, dass die Beobachtung des genetischen Zusammenhanges
zwischen beiden Geschöpfen nöthig war, um ihre Zusammengehörigkeit
erkennen zu lassen. Eine solche Differenz zwischen Larve und Imago
tritt namentlich da hervor, wo entweder der Aufenthaltsort oder die Art
der Nahrungsgewinnung bei Larve und Imago sehr verschieden sind,
— die Larve kann kauende, die Imago saugende Mundwerkzeuge haben,
oder umgekehrt — Larve und Imago also ganz verschiedenen Ver-
richtungen angepasst sind. Bekannte Beispiele sind die Libellen, deren
Larven im Wasser leben, und die Schmetterlinge, deren Durchgang durch
das Raupenstadium heuzutage allerdings eine ganz allgemein bekannte
Thatsache ist, zu deren Erkennung es aber doch früher einer grossen
Reihe von Beobachtungen bedurfte.
Die Anpassung der Larve an ihre besonderen Lebensbedingungen
kann sich nach zweierlei Richtungen hin aussprechen. Lebt die Larve an
geschützten, massenhafte, leicht zu gewinnende Nahrung darbietenden
Oertlichkeiten, so ist der Bau ihrer Mundwerkzeuge und Bewegungs-
organe ein sehr unvollkommener, einfacher im Verhältnisse zur Imago
z. B. bei den Fliegenmaden. Hat die Larve dagegen einen heftigeren
Kampf um’s Dasein zu bestehen, so ist sie mit allerhand, nur diesem
Stadium zukommenden Ausstattungen versehen, d. h. mit häufig recht
complieirt gebauten Larvenorganen, welche bei der Verwandlung in
die Imago wieder verloren gehen. Bekannte Beispiele solcher Larven-
organe sind unter anderen die Tracheenkiemen vieler im Wasser lebender
Larven (vergl. Fig. 85 A) und die an einem Theil der Hinterleibs-
segmente der Raupen befindlichen Afterfüsse (Fig. 75).
Wir können die verschiedenen Larvenformen in folgende sieben
Abtheilungen unterbringen, welche übrigens durchaus nicht scharf
von einander getrennt, sondern durch die mannigfachsten Uebergänge
mit einander verbunden sind.
1. Die Larve ist in allen wesentlichen Zügen der Imago ähnlich
und unterscheidet sich von ihr nur durch geringere Grösse und man-
gelnde Geschlechtsreife. Beispiele hiefür bieten die auch im erwach-
senen Zustande ungeflügelten Thierläuse, Pediculina, und die Haarlinge
oder Federlinge, Mallophaga.
2. Die Larve ähnelt der geflügelten Imago ebenfalls noch so
sehr, dass auch der unbefangene Beobachter sie ohne Weiteres als
deren Jugendform erkennt, unterscheidet sich aber von ihr durch
Die Larve und ihre verschiedenen Formen. 93
Flügellosigkeit, durch kleine Details in der Ausbildung der Glied-
massen und mitunter auch durch ein verschiedenes Verhältniss in der
Grösse der einzelnen Leibesabschnitte. Dies ist bei den typischen
Geradflüglern und Schnabelkerfen der Fall. So ist z. B. die auf Fig. 72
abgebildete Larve einer Feldheuschrecke nicht nur kleiner als die
Imago und flügellos, sondern der Hinterleib ist auch im Verhältniss
zu Kopf und Brust weniger entwickelt als bei der Imago, und die
Fühler, welche bei jener 26 Glieder zeigen, haben deren vorläufig nur 12.
3. Die Larve zeigt noch eine allgemeine Uebereinstimmung mit
der Imago in der Gruppirung der Segmente zu grösseren Abschnitten
und in der Anzahl und Ausbildung der Gliedmassenpaare, dagegen
sind die Einzelheiten ihrer Erscheinung doch von denen des erwachsenen
Insektes wesentlich verschieden. Es gehören viele Larvenformen der
abweichenderen Geradflügler, vieler Käfer, mancher Zweiflügler in diese
Abtheilung; dagegen ist dieselbe auch am allermannigfaltigsten aus-
gebildet. Die Eintheilung des Leibes in Kopf, Brust und Hinterleib
ist deutlich ausgeprägt, der Kopf ist mit Punktaugen, kurzen Fühlern
mi
Fig. 72. Eben ausgeschlüpfte Fig. 73. Larve der gemeinen Stubenfliege,
Larve einer Feldheuschrecke Musca domestica L. mh Mundhacken, si das
nach Euerron $/,. vordere, st‘ das hintere Stigma.
und Mundwerkzeugen versehen, die drei Brustringe tragen drei Bein-
paare, die zur Fortbewegung des Leibes geeignet sind, der Hinterleib
ist aber zliedmassenlos (Taf. I, Fig. 1L, 3ZL, AL, 5L, Taf. II,
Fig. 14L). Die mannigfachen Abweichungen der Details der einzelnen
Körpertheile der Larve von denen der Imago erscheinen hier wesent-
lich als Anpassungen an das abweichende Larvenleben.
4. Die Larven sind träge, weiche und weissliche, madenartige
Geschöpfe, deren mehr weniger rudimentäre Beine nicht mehr zur Fort-
bewegung des Leibes geeignet sind, und welche sich daher durch wurm-
förmige Bewegungen des ganzen Leibes fortschieben. Kopf und Mund-
werkzeuge sind aber noch deutlich ausgeprägt. Hierher gehören z. B. die
Larven mancher Bockkäfer, sowie die der Holzwespen, Sirex (Taf. VI,
Fig. 4L).
5. Die Larven sind im allgemeinen wie die eben unter 4 erwähn-
ten gestaltet, entbehren jedoch bei noch gut ausgebildetem Kopfe der
Beine ganz. Dies ist z. B. bei den Rüssel- und Borkenkäfern, sowie bei
Bienen und Wespen der Fall (Taf. II, Fig. 5Z und 107; Fig. 83 A).
6. Den wurmförmigen Larven fehlen auch ein gesonderter Kopf-
abschnitt und ausgebildete Mundgliedmassen. So sind z. B. die Larven
94 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten.
der eigentlichen Fliegen gestaltet und für sie allein sollte man eigent-
lich den Ausdruck „Made’” reserviren (Fig. 73).
7. Die Larven sind ‚Raupen”, d. h. langgestreckte, deutlich
segmentirte Larven mit gut ausgeprägtem Kopfe, drei Paar Brustfüssen
und Afterfüssen an den Segmenten des Hinterleibes. Erstere dienen
aber weniger als Bewegungsorgane, sondern mehr dazu, um die Nah-
rung, also besonders Blätter und andere Pflanzentheile, in eine den
Mundwerkzeugen bequeme Lage zu bringen. Die Ortsbewegung ist zum
grössten Theile den Afterfüssen übertragen (Taf. III Z, Taf. VI, 3 Z).
Eigentliche Raupen finden sich bei den Schmetterlingen, die ähn-
lichen Jugendformen der Blattwespen heissen Afterraupen. Afterfüsse
kommen aber auch einer Reihe von Zweiflüglerlarven zu.
Einige Einzelheiten über den Bau und das Leben der Larven.
Die Larven haben im allgemeinen die nämlichen inneren Organe wie die
erwachsenen Insekten, und auch die Anordnung derselben ist die gleiche,
ihre Gestaltung dagegen meist wesentlich einfacher. Man kann daher
durch die Section einer grossen Larve, z. B. einer Raupe, einen guten
Einblick in den Bauplan des Insektenleibes gewinnen. Nur die Geschlechts-
organe sind lediglich in der Anlage vorhanden, und besonders fehlen
ihnen stets die Ausführungsgänge mit ihren äusseren Oeffnungen,
Der Darmcanal der Larven ist sets zu reichlicher Nahrungs-
aufnahme eingerichtet, besonders bei Pflanzenfressern, und von dem
Darmcanal der Imago oft sehr verschieden, namentlich dann, wenn
die Nahrung der Larve von der der Imago abweicht. Am deut-
lichsten prägt sich dieses bei den Schmetterlingen aus. Während näm-
lich die auf flüssige Nahrung, auf Blumensäfte augewiesenen Imagines
einen verhältnissmässig wenig umfangreichen, dünnen, nur mit einem
seitlich angesetzten grossen Kropf, dem „Saugmagen” versehenen Darm
(vergl. S. 52), haben, ist der Darm der Raupe ein in gerader Linie
von Mund zu After verlaufender, dieker Schlauch, bei welchem be-
sonders der Mitteldarm (Fig. 74c) zu einem weiten, massigen Behält-
nisse für die reichliche Pflanzennahrung ausgebildet ist.
Ebenso wie manchen Imagines durch Verkümmerung der Mund-
öffnung die Nahrungsaufnahme see ist, sehen wir bei einer Reihe
von ae welche eine nur geringe Kothmassen hinterlassende
Nahrung geniessen, z.B. bei Bienen, en Blattlaus- und Ameisen-
löwen, Chrysopa ua] Myrmeleon, die Abgabe von Koth während des
Larveniebent dadurch gehindert, dass keine offene Verbindung zwischen
Mittel- und Hinterdarm besteht. Der Enddarm der im esse lebenden
Larven mancher Libellen ist mit Tracheenkiemen (siehe S. 96) ver-
sehen und vermittelt also die Athmung.
Bei vielen Larven sind die Speicheldr üsen ungemein stark aus-
gebildet und ein Paar derselben in grosse Schläuche verwandelt, welche
ein fadenziehendes, später an der Luft oder im Wasser erhärtendes
a ee
ne
Form, Bau und Leben der Larven. 95
Secret liefern; man nennt sie Spinndrüsen (Fig. 74a‘). Sie erzeugen
die Seide, aus welcher die Larven sich vielfach sowohl Larven-
wohnungen bereiten, als auch ihre Cocons spinnen, an der sie sich
von erhöhten Orten herablassen, oder mit welcher sie fremde Körper
zu Larven- oder Puppenhüllen verbinden.
Die von den Larven sich selbst bereiteten Wohnungen können
in zwei Formen vorkommen. Entweder sind es Einzelwohnungen
oder Gesellschaftswohnungen. Die Einzelwohnungen sind ent-
weder ganz einfache Schlupfwinkel, Erdlöcher, z. B. die Höhlen der
Cieindelenlarven — oder in die Nahrungsquelle gefressene Gänge —
Borkenkäfer und Rüsselkäfer — oder es sind durch Spinnfäden zu-
sammengezogene Blätter — Wicklerraupen —, oder es sind besondere
Gehäuse, welche aus meist durch Spinnfäden oder Kitt verbundenen
fremden Körpern bestehen. Diese werden alsdann häufig von der
frei beweglichen, mit ihrem Vordertheil aus dem Gehäuse sich vor-
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Fig. 74. Darmcanal nebst Anhängen der Raupe von Bombyx pini L. Nach Suckow.
a Speicheldrüse, a‘ Spinndrüse, 5 Schlund, c Mitteldarm, % Dünndarm, % Mastdarm,
i Harngefässe, von denen zwei Paar der rechten Seite und alle linksseitigen ab-
geschnitten erscheinen.
streckenden Larve mitgeschleppt. Besonders bekannt sind die „Säcke”
vieler Raupen aus der Familie der Psychidae, — wir erwähnen die aus
Sand gebauten, schneckenartigen Hüllen der Raupe von Psyche helix Sıre.
(Fig. 87 B) und die aus dem aufgehäuften Kothe zusammengefügten
Larvenhüllen mancher Käfer, z.B. des bekannten Lilienhähnchens, Lema
merdigera L.— und die aus einem secernirten, flüssig bleibenden, schau-
migen Schleim bestehenden Hüllen der Schaumeicade, Aphrophora
spumaria L., welche im Volke als Kukuksspeichel bekannt sind.
Die Gesellschaftswohnungen sind meist aus Spinnfäden bereitet,
dienen entweder nur als zeitweiliger Aufenthalt — so die Raupen-
nester der Processionsraupe und die Ueberwinterungsnester des Gold-
afters, Liparis chrysorrhoea L. — oder als dauernder — die mit Koth
durchsetzten Gespinnste der geselligen Larven der Gattung Lyda unter
den Blattwespen.
Das Tracheensystem der Larven ist in seinen allgemeinen
Zügen dem der Imagines ähnlich, dagegen ist häufig Zahl und An-
ordnung der Stigmenpaare eine ganz abweichende,
96 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten.
Zunächst ist bei sehr vielen Larven ein den Imagines regel-
mässig fehlendes Stigmenpaar am Prothorax vorhanden, während die
der Imago zukommenden Meso- und Metathoraxstigmen fehlen. Zugleich
Fig. 75. Raupe des Kiefernspinners mit ihren acht Gliedmassenpaaren, von denen
die drei ersteren (5 bis 7) Brustfüsse, die übrigen fünf Paar (8 bis 12) Afterfüsse. Die
vier ersten Gliedmassenpaare, Fühler und drei Kieferpaare, sind in dieser Ansicht
nicht darstellbar. Der Prothorax, sowie die acht ersten Abdominalsegmente zeigen
je ein Luftloch.
sind die Abdominalstigmen deutlich entwickelt. Dies ist z. B. bei
allen Schmetterlings- und Käferlarven der Fall (vergl. Fig. 75, sowie
Taf. I, Fig. 14 L)
In anderen Fällen bleibt blos das erste, am Prothorax gelegene
Stigmenpaar, sowie das letzte Paar Hinterleibsstigmen übrig. So ist
es (Fig. 73) bei den vielen Fliegenlarven, bei denen das letzte
Stigma dann gewöhnlich sehr gross und deutlich ausgeprägt ist. Ein
gutes Beispiel hiervon liefern besonders die Oestridenlarven. Im extremsten
Falle schwinden dann auch die Prothoraxstigmen, und nur das hinterste
Paar des Abdomens bleibt.
Eine Verlängerung der
Hinterleibsstigmen in lange
Athemröhren, welche der
Larve gestatten, dauernd
in einer gewissen Tiefe
unterhalb der Oberfläche
der Flüssigkeit, in welcher sie lebt, zu verharren und dabei doch
zugleich durch die an die Oberfläche gehobene Oefinung der Röhre
zu athmen, ist in diesem Falle sehr häufig. So z. B. bei den Larven
von Eristalis, Ptychoptera (Fig. 76) und Culex.
Fig. 76. Larve von Ptychoptera contaminata L.
nach BRAUER. « Athemröhre.
Es kommen aber auch wasserbewohnende Insektenlarven vor,
bei denen sämmtliche Stigmenöffnungen geschlossen, beziehungsweise
überhaupt geschwunden sind; dafür haben diese Larven aber blatt-
artige oder büschelförmige Anhänge (Fig. 77 und 85 A), in welche
Seitenäste eines Tracheenlängsstammes eintreten und sich verästeln,
Es sind dies die Tracheenkiemen. Gewöhnlich sind dieselben
paarig an den Seiten der Hinterleibssegmente oder der Brustringe
angebracht. Bei den Agrioniden unter den Libellen sind dagegen drei
am Caudalsegment befestigte Kiemenblätter vorhanden und bei den
Aeschniden sind die Tracheenkiemen in sechs Doppelreihen im After-
darm angebracht.
0
Einzelheiten über den Bau der Larven. 97
Das Nervensystem der Larven weicht häufig von dem der
Imago ab. Man kann im wesentlichen zwei Typen unterscheiden.
‘Bei den meisten Hymenopterenlarven, vielen Käferlarven und allen
Schmetterlingsraupen sind 12 bis 13 gesonderte, nur durch doppelte
Längscommissuren zum Bauchmarke vereinigte Nervenknotenpaare vor-
handen, von denen das erste als oberes, das zweite als unteres Schlund-
ganglion im Kopfe gelegen sind, das dritte bis fünfte den Brust-
segmenten und die übrigen dem Hinterleibe zukommen.
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N
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Fig. ‚77. Tracheenkiemen Fig. 78. A Kopf einer Schmetterlingsraupe
der Larve von Baetis bino- jederseits mit einer Gruppe gehäufter
culatus L. nach Parm&n. a Punktaugen, B Kopf einer Blattwespen-
Kiemenblätter, 5 Tracheen- Afterraupe mit einem Punktauge jederseits ;
längsstamm, c Stämme, beide haben kleine, seitliche Fühler.
welche die Kiemenblätter
versorgen, e Darm.
Im anderen, selteneren Falle besteht das Nervensystem aus einem
oberen Schlundganglion und einer grossen centralen Nervenmasse im
Thorax, welche bald völlig ungegliedert ist, bald durch Einschnitte
in eine Reihe von Nervenknoten zerlegt erscheint. Dieser Fall ist am
ausgeprägtesten bei manchen Zweiflüglerlarven, kommt aber in der
zu zweit erwähnten Abart auch bei vielen Käferlarven, z. B. den
Borkenkäferlarven vor.
Die Sinnesorgane-der Larven sind im allgemeinen weniger
gut ausgebildet, als die der Imagines, namentlich sind durchschnittlich
die Taastorgane, also Fühler und Taster, kleiner als bei der Imago.
Geruchs- und Geschmacksorgane sind mit Sicherheit bis jetzt bei den
Larven nicht nachgewiesen, dagegen sind Nervenstifte, also Gehör-
organe an verschiedenen Körpertheilen verschiedener Larven durch
GRABER aufgefunden worden.
Am besten bekannt sind die Gesichtsorgane der Larven. Bei
den der Imago sehr ähnlichen Larvenformen sind auch die Augen der
Larve denen der Imago im wesentlichen gleichwerthig, es kommen
ihnen gleichfalls ein Paar Netzaugen und eventuell scheitelständige
Punktaugen zu. In den Fällen aber, in welchen die Larven von der
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde, 7
98 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten.
Imago stark abweichen, fehlen die scheitelständigen Punktaugen ganz und
die Netzaugen sind durch paarig angeordnete aeen oder Punkt-
augengruppen vertreten oder fehlen So sehen wir z. B. an
dem Kopfe der Blattwespenraupe (Fig. 78B) jederseits nur ein Punkt-
auge, und bei den Schmetterlingsraupen ist jedes Netzauge durch einen
Haufen von fünf einzelnen Punktaugen vertreten (Fig. 78 A). Viele
Larven sind dagegen völlig blind.
Die Anlagen der Geschlechtsorgane sind schon früh kennt-
lich, entbehren aber, wie oben gesagt, fast stets der Ausführungsgänge.
Sollten diese, wie bei manchen Insekten mit unvollkommener Meta-
morphose, in späteren Larvenstadien doch schon angelegt sein, so ist
ihre äussere Oeffnung verschlossen.
Metamorphose der Larve im allgemeinen. Da jede neu-
geborene Insektenlarve, wie wir sahen, von der erwachsenen Imago ver-
schieden ist, mag diese Verschiedenheit auch noch so gering sein, so
muss sie eine Reihe von Umwandlungen durchlaufen, um zur Imago zu
werden. Diese Umwandlungen nennt man Metamorphose. Wenn man
in älteren Schriften von Insekten ohne Verwandlung liest, so kommt dies
daher, dass früher nur diejenigen Verwandlungen als Metamorphose
bezeichnet wurden, bei welchen sehr bedeutende Veränderungen vor
sich gehen. Es ist dies also eine volksthümliche Ausdrucksweise, welche
dieselbe Berechtigung hat, wie der Ausspruch, dass der Vogel keine Meta-
morphose habe, dagegen dem Frosche eine solche zukomme. Aber auelı
der junge Sperling erleidet, vom wissenschaftlichen Standpunkte aus be-
trachtet, eine ganze Reihe von Umwandlungen, ehe er zum erwachsenen
Vogel wird, und nur quantitativ, nicht qualitativ unterscheidet sich seine
Entwicklung von der Verwandlung der Kaulquappe zum Frosche.
Das Larvenstadium ist das Stadium der Ernährung. In ihm sammelt
das aus einem kleinen Ei entstandene Thier durch eigene Nahrungs-
aufnahme diejenige Körpermasse, aus welcher der verhältnissmässig grosse
Leib des erwachsenen Insektes aufgebaut ist.
Nach Lyoxer ist die reife Weidenbohrer-Raupe ohngefähr 72 000
Mal schwerer, als das neu ausgeschlüpfte Räupchen, und die Schmeiss-
fliegenlarve kann in 24 Stunden um das 200fache ihres Anfangsgewichtes
zunehmen.
Es fällt daher auch das gesammte Körperwachsthum des Einzel-
insektes in diese Zeit hinein. Da aber die fertige Chitincuticula nur
wenig oder gar nicht ausdehnungsfähig ist, so tritt jedesmal, wenn die
Körpermasse der Larve so weit zugenommen hat, dass die ursprüngliche
Cutieula dieselbe nicht mehr zu fassen vermag, eine Häutung ein. Die
Metamorphose im allgemeinen und unvollkommene Metamorphose. 99
alte Chitineutieula hebt sich zunächst von ihrer Matrix, der Hypodermis
ab, und die Hypodermiszellen sondern neue Cutieularsubstanz auf ihrer
Oberfläche ab. Ist dieser Vorgang weit genug vorgeschritten, so zerreist
die alte Cuticula und die Larve tritt aus ihr heraus. Der von dem Drucke
der alten Cuticula befreite Larvenleib dehnt sich nun entsprechend seiner
inneren Zunahme an Substanz aus, wobei die noch nicht erstarrte, frisch
abgesonderte Cutieularsubstanz nachgibt, und die Larve erscheint nun, plötz-
lich gewachsen, in neuem Gewande, welches, anfänglich noch hellfarbig und
weich, sich bald färbt, erstarrt und zu einer ebenso unnachgiebigen Körper-
decke wird, wie die alte Cutieula. Diese Häutung erstreckt sich auch auf
die Cuticularauskleidung des Darmecanales und der Tracheen. Da die Los-
lösung der alten Cuticula und die Bildung der neuen ein ziemlich tief .
in die Lebensverrichtungen der Larve eingreifender Vorgang ist, so wird
die Larve kurz vor jeder Häutung träge, entleert ihren Darm, hört zu
fressen auf und scheint zu kränkeln. Nur die Hymenopterenlarven mit sehr
zarter Cuticula scheinen sich während des Larvenlebens nicht zu häuten.
Zeigen also auch die Häutungen gewisse Abschnitte in der Ver-
wandlung an, so ist die innerliche Verwandlung selbst doch eine stetige.
Die unvollkommene Metamorphose. Bei Insekten, deren Larven-
form der Imago schon ziemlich nahe steht, sind alle zwischen die erste
Larvenform und die Imago eingeschobenen Jugendstadien freibeweglich
und nehmen Nahrung auf. Die verschiedenen Larvenformen bilden ferner
einen allmäligen, gleichmässigen Uebergang zwischen erster Larvenform
und Imago. Eine solche Metamorphose nennt man mit Rücksicht darauf,
dass eben der Umfang der von dem Thiere durchlaufenen Umbildungs-
processe ein geringer ist, eine unvollkommene Metamorphose,
Als einfaches Beispiel einer solchen Verwandlung wählen wir
die einer Feldheuschrecke (Fig. 79). Die dem Ei A entschlüpfende
Larve B ist dem Mutterthiere bereits in seinen wesentlichen Zügen
ähnlich, hat aber einen sehr grossen Kopf und nur 12 Fühlerglieder.
Meso- und Metathorax tragen keine Spur von Flügeln und sind zu-
sammen ohngefähr so lang, als der Prothorax. Mit der ersten Häutung
tritt die Larve in das zweite Stadium C; es dehnt sich nun das Ab-
domen etwas aus, so dass der Kopf im Verhältniss kleiner erscheint.
Der Hinterrand des Prothorax schiebt sich faltenartig über den vor-
deren Theil des Mesothorax, und die Antennen haben 16 Glieder.
Bei der nun eintretenden zweiten Häutung tritt die Larve in das
dritte Stadium D. Die Antennen bleiben in demselben 16gliederiz,
dagegen ziehen sich die hinteren und unteren Ecken des Meso- und
Metanotum in kleine lappenartige Vorsprünge aus, die ersten An-
lagen der Flügel (D, b und e). Die dritte Häutung lässt die Larve
7x
[
100 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten.
in das vierte Stadium E übertreten. In diesem hat die Larve 20 Fühler-
glieder, und die nun bereits stärker gewachsenen Flügelstummel
sind nach oben umgeschlagen, so dass die Anlage der Hinterflügel
ce‘ einen Theil der Vorderflügelanlage 5b’ deckt. In dem mit der
vierten Häutung beginnenden fünften und letzten Stadium F erhält die
Larve ein weit nach hinten vorspringendes Halsschild, die Flügel-
stummel sind gewachsen, aber noch in ihrer alten Lage, die Fühler
haben 22 Glieder. Bei der letzten oder fünften Häutung erscheint nun
Fig. 79. Die unvollkommene Metamorphose einer Feldheuschrecke nach Ewmerron.
A Ei. B bis F die fünf Larvenstadien. @ das erwachsene Thier. a, 5, ce die drei
Ringe der Brust. b‘ Vorderflügel, c‘ Hinterflügel. Die den Fühlern beigedruckten
Zahlen bezeichnen die Anzahl der Fühlergl’eder.
die vollkommene Imago @ anfänglich weich, mit noch dicht zusammen-
gefalteten Flügeln, welche sich aber bald ausdehnen und nach
geschehener Erhärtung zurecht legen, so dass die Vorderflügel oder
pergamentartigen Flügeldecken nun die Hinterflügel vollkommen
decken. Die Imago hat 26 Fühlerglieder.
Die vollkommene Metamorphose. Bei vielen Insekten, bei denen
die Larve von der Imago sehr verschieden ist, kann man dagegen
zwei scharf getrennte Abschnitte der Metamorphose unterscheiden. Die
ersten Jugendformen, meist fünf an der Zahl, gleichen einander in ihrem
Bau fast vollkommen, und unterscheiden sich meist nur durch die
Grössenverhältnisse von einander. Sie sind sämmtlich freibeweglich und
nehmen Nahrung zu sich. Durch die vorletzte Häutung, welche das
ee
Unvollkommene und vollkommene Metamorphose. 101
Insekt durchmacht, verwandelt sich dagegen das Thier in ein an allen
Körpertheilen der Imago bereits wesentlich gleichendes Geschöpf, welches
aber keine Nahrung mehr zu sich nimmt, zu einem activen Leben un-
fähig und fast bewegungslos ist. Dieses Ruhestadium heisst Puppe oder
Nymphe, pupa, nympha, chrysalis. Eine Metamorphose, in welcher ein
solcher, Ruhezustand, der Puppenzustand, eingeschoben ist, nennt man
eine vollkommene Metamorphose.
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Fig. 80. Die vollkommene Metamorphose des männlichen Kiefernspinners. A Ei.
B bis F die fünf Raupenstadien. G die Puppe von der Seite, @* dieselbe von unten
gesehen. 4 der eben ausgeschlüpfte Falter, vor Entfaltung der Flügel. Die Zahlen
bezeichnen die Gliedmassenpaare. F’ Vorderflügel, F” Hinterflügel.
Wir wählen als Beispiel einer solchen die Entwicklung des männ-
lichen Kiefernspinners (Fig. 80). Das aus dem im Hochsommer gelegten
Ei A geschlüpfte 16füssige Räupchen B macht nach einander vier
Häutungen durch, von denen zwei noch in den Herbst des Geburts-
jahres fallen, die beiden anderen dagegen in den folgenden Frühling.
Hierbei wächst die Larve von circa 6 mm bis auf SO mm Länge heran.
Bei seiner Geburt durch die Zeichnung von der erwachsenen Raupe
noch deutlich unterschieden, nimmt sie bereits bei der ersten Häutung
alle Auszeichnungen der letzteren an, so dass sich die vier Stadien
C bis F in Fig. SO lediglich durch die Grösse unterscheiden und ein-
ander viel ähnlicher sind, als die entsprechenden Jugendstadien C bis F
bei der Feldheuschrecke (Fig. 79.) Die fünfte Häutung ist es, welche
102 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten.
den definitiven Wendepunkt der Entwicklung bringt. Nach Abstreifung
der alten Haut erscheint nun die bekannte Puppe @, aus welcher
nach einer dreiwöchentlichen Ruhe der Schmetterling 7 ausschlüpft,
anfänglich noch mit zusammengeschrumpften, kleinen, weichen Flügeln,
welche aber bald, durch Eintreibung von Luft in die innerhalb ihres
Geäders verlaufenden Tracheen ausgebreitet, erhärten und nun dem
Schmetterling das auf Taf. III 7Z dargestellte Aussehen verleihen. Ganz
ähnlich verläuft die Entwicklung des Maikäfers: der aus dem Ei
geschlüpfte junge Engerling (Taf. Il, Fig, 14 L*) verwandelt sich,
allmälig wachsend, durch eine Reihe von Häutungen zu dem im
wesentlichen der neugebornen Larve bis auf die bedeutendere Grösse
völlig gleichen erwachsenen Engerling (Taf. II, Fig. 14 L), der durch
die nun folgende Häutung plötzlich in die Puppe (Taf. II, Fig. 14 P)
übergeht. Die Puppe verwandelt sich durch eine weitere Häutung in
die bekannte Imago des Maikäfers.
Die Puppe. Als Puppe bezeichnet man, wie wir eben sahen, das
dem Imagostadium vorhergehende, keine Nahrung aufnehmende und kein
actives Leben führende, vielmehr ruhende Jugendstadium vieler Insekten.
Die Puppe ist der Imago viel ähnlicher als dem letzten Larvenstadium,
aus dem sie entstanden ist, und zeigt stets bereits dieselbe Körper-
eintheilung und dieselbe Anzahl von Gliedmassen und Flügeln, wie die
Imago. Man unterscheidet zwei Hauptformen von Puppen, freie und
bedeckte. Als freie Puppe, pupa libera, bezeichnet man eine solche,
bei welcher sämmtliche Gliedmassen frei von dem Rumpfe abstehen, wie
bei dem erwachsenen Thiere (Taf. II, Fig. 5, 6, 12 und 14 P, Taf. VI,
Fig. 4 P). Hierher gehören alle Käfer- und Hymenopteren-, sowie die
Dipterenpuppen. Als bedeckte Puppe, pupa obtecta, bezeichnet man
eine solche, bei welcher die auch hier bereits deutlich ausgebildeten Glied-
massen derartig dem Körper angelegt oder, um einen trivialen, aber
bezeichnenden Ausdruck zu gebrauchen, angebacken sind, dass die Chitin-
cuticula gleichmässig über sie wegzugehen scheint. Dies ist bei den
Schmetterlingspuppen der Fall.
Auch für die Schmetterlingspuppen, die scheinbar von der Imago
so sehr verschieden sind, gilt völlig der eben aufgestellte Satz, dass
die Puppe bereits dieselbe Segmentengruppirung und dieselben Leibes-
anhänge zeigt, wie die Imago. Am deutlichsten sieht man dies, wenn
es glückt, die Schmetterlingspuppe in dem Momente zu überraschen,
in dem sie die Larvenhaut abstreift; sie ist dann gewissermassen noch
eine pupa libera und zeigt eine viel grössere Uebereinstimmung mit
dem Schmetterling, als in dem eigentlichen fertigen Puppenstadium.
Auf Fig. 81 A und A’ ist eine solche, eben der Raupenhaut entschlüpfte
Puppe des Kiefernspinners abgebildet, bei welcher Fühler, Mund-
BE
Vollkommene Metamorphose, Puppe, Cocon. 103
werkzeuge, Beine und Flügel noch deutlich vom Leibe abstehen und
die Hinterleibsringe noch nicht so weit in der Längsrichtung zusammen-
geschoben sind, wie dies bei der fertigen Puppe der Fall ist, bei
welcher auch z. B. das dritte Beinpaar und das zweite Flügelpaar
fast völlig von dem ersten Flügelpaar verdeckt wird.
Aus dieser Thatsache, dass die Theile der Puppe sich bereits
unter der Haut des letzten Larvenstadiums anlegen und die Puppe
eben alle Theile des Schmetterlings besitzt, erklärt sich auch die
hübsche, früher als höchstes Wunder angestaunte Geschichte, wie es
dem berühmten JoHANNn SWAMMERDANM zu Amsterdam gelang, im Jahre
1668 dem Grossherzog von Toscana zu zeigen, „wie ein Zwiefalter
mit seinen zusammengerollten und verwickelten Theilen in einer
Raupe steckt”.
Fig. 81. Der Kiefernspinner. A Eben der Raupenhaut entschlüpfte Puppe, von der
Seite, A’ dieselbe von unten. D fertige Puppe, von der Seite, D’ dieselbe von unten.
(© eben ausgeschlüpfter Schmetterling. 7 Fühler, 3 Mittelkiefer (Saugrüssel), 5 bis 7
die Brustfüsse, #" Vorderflügel, F“' Hinterflügel. ö
Die Verwandlung der Larve in eine Puppe geht entweder ganz
frei an einem beliebigen Orte, häufig auch in einem von der Larve
bereiteten oder von der Brutpflege übenden Mutter zubereiteten Schlupf-
winkel vor sich, oder die Larve heftet sich vor Beginn ihrer Häutung an
einem fremden Gegenstande fest, oder aber es verläuft die Verwandlung
in einer besonderen, von der Larve abstammenden Hülle. Diese Hülle
kann entweder die ausgebaute und verschlossene Larvenwohnung (vergl.
S. 95) sein, oder sie ist ein besonders zum Zwecke der Verpuppung ver-
fertigter Cocon. Bei dem Bau des letzteren sind meist die modifieirten
Speichel-, beziehungsweise Spinndrüsen betheiligt, deren Seeret entweder
dazu dient, fremde Körper zum Cocon zu verkitten, oder zu Fäden aus-
gezogen zum Bau eines richtigen, mehr weniger dichten, gesponnenen
Cocons, wie wir es am besten vom Seidenspinner kennen, verwendet wird.
In einem solchen Cocon finden wir dann immer die abgeworfene letzte
Larvenhaut neben der Puppe liegen.
Bei vielen Zweiflüglern wird dagegen kein eigentlicher Cocon er-
zeugt, sondern die letzte Larvenhaut hebt sich von der unter ihr gebil-
104 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten.
deten freien Puppe ab, bläht sich auf und erhärtet zu einem sogenannten
Tönnchen. Dieses Tönnchen vertritt dann den Cocon.
Larven, welche sich ohne irgend ein Gespinnst verpuppen, ziehen
sich häufig in die Bodendecke, in Rindenritze, unter Steine u. s., f.
zurück. Als von der Larve besonders bereitete Schlupfwinkel für die
Verpuppung können wir die Puppenwiegen bezeichnen, welche z.B.
von den Borkenkäfer- und vielen Rüsselkäferlarven am Ende der Larven-
gänge genagt und mit Nagespänen ausgepolstert werden.
Eine Verpuppung in den ausgebauten Larvenwohnungen ist recht
häufig. Wir führen als Beispiele an die wasserbewohnenden Larven
der Köcher- oder Frühlingsfliegen, Phryganodea, die Larven mancher
Blattkäfer, z. B. die in Ameisenhaufen lebende von Clythra quadri-
punctataL., welche das aus ihren Exerementen verfertiste Gehäuse als-
dann mit einem Deckel verschliesst, viele sacktragende Raupen, z. B. die
Gattung Psyche und Verwandte, und unter den forstschädlichen Klein-
schmetterlingen die Lärchenminirmotte Coleophora laricella Hex.
Unter den ausschliesslich zum Zwecke der Verpuppung her-
gestellten Gespinnsten sind die aus Seidenfäden hergestellten Cocons
die bekanntesten. Besonders bei den Schmetterlingen kann man alle
Stufen dieser Gespinnste, von einem einfachen, die Puppe an der Unter-
lage befestigenden Gürtelfaden an — so bei dem Kohlweissling, Pieris
Brassicae L. — bis zu lockeren, aus wenig Fäden bestehenden —
bei Nonne (Taf. IV, Fig. 1 P) und Schwammspinner (Taf. V, Fig. 1 P)
— und zu dichten, mit abgebissenen Raupenhaaren durchsetzten Ge-
spinnsten — Kiefernspinner (Taf. III C) — finden. Manche Raupen
kleiden das Innere ihrer Cocons auch noch mit einer kittartigen, sehr
festen Substanz aus; um dem Schmetterling das Verlassen solcher sehr
fester Hüllen zu erleichtern, ist öfters eine besondere Oeffnung am
Cocon ausgespart — so bei dem Nachtpfauenauge, Saturnia pavonia L.,
bei welchem die Oeffnung, wie diejenige mancher Mausefallen, durch’
Stachelfäden derartig verschlossen ist, dass der ausschlüpfende Schmetter-
ling zwar heraus, fremde Eindringlinge aber nicht hinein können —
oder aber es ist ein besonderer, nur durch wenige Spinnfäden an-
gefügter Deckel vorgebildet.
Ausserdem verpuppen sich in seidenen Gespinnsten sehr viele
Hymenopteren. Am bekanntesten sind die seidenen Cocons vieler
Ameisen, vom Volksmunde fälschlich ‚Ameiseneier’”’ genannt; forst-
lich am häufigsten erwähnt werden die gehäuften Cocons der
dem Kiefernspinner nachstellenden Schlupfwespchen aus der Gattung
Microgaster (Taf. III $‘%. Die in Wabennestern lebenden Larven
der geselligen Bienen und Wespen verschliessen die Oeffnung ihrer
Zellen mit einem gesponnenen Deckel, auch bei manchen Käfern, z. B.
bei der Gattung Donacia und bei dem Floh kommen solche Puppen-
gehäuse vor. In allen diesen Fällen sind die Spinnorgane modifi-
eirte Speicheldrüsen. Bei der Larve des Ameisenlöwen, Myrmeleon,
Cocon, Tönnchenpuppe. 105
und Verwandten werden die Spinnfäden hingegen von einem am Mast-
darm befindlichen Spinnorgan verfertigt.
Gesellig lebende und hierbei Gesellschaftswohnungen spinnende
Larven legen ihre Cocons mitunter auch in diesen an, so z. B. der
Eichenprocessionsspinner, Cnethocampa processionea L.
Ebenso wie viele Larvengehäuse, so werden auch viele Cocons
durch Verklebung von fremden Materialen mit Drüsenseereten her-
gestellt. Als sehr bekanntes Beispiel wollen wir die aus Holzstückchen
und Erde hergestellten Cocons der Rosenkäfer, Cetonia, erwähnen.
Auch die Anfertigung der Cocons findet häufig nach dem Prineip
der schützenden Aebnlichkeit (vergl. S. 41) statt. Am auffallendsten
sind auch hier wohl die exotischen Beispiele. So hat z. B. Krrrer
zwei australische Schmetterlingseocons beschrieben, von denen das
eine täuschend die Losung des Riesenkängurus, das andere die trockene
Frucht der, Nährpflanze der Raupe nachahmt.
ENTE
Tr
2
ner
der Larvenhaut, sowie die vorderen und hinteren Stigmen, st und s“, erkennt. B die
in diesem Tönnchen eingeschlossene freie Puppe. °/, nach PAckArp.
Die bei einer grossen Anzahl von Zweiflüglern innerhalb der
letzten Larvenhaut vor sich gehende Verpuppung hat Anlass gegeben,
die in den aus letzteren sich bildenden Hüllen, in Tönnchen (Fig. 82 A)
eingeschlossenen Puppen als eine besondere Art hinzustellen und als
Tönnchenpuppen, pupae coarctatae, zu bezeichnen. Es ist dies aber
insofern falsch, als gar nicht das Tönnchen mit seinem Inhalt,
vielmehr blos sein Inhalt, die eigentliche Puppe, welche ebenso
gut eine freie Puppe, pupa libera, ist, als z. B. die der Käfer, den
anderen Puppen gleichwerthig ist. Am besten ist dies aus Fig. 82 zu
erkennen, auf welcher bei B die freie, mit abstehenden Gliedmassen
versehene, aus dem Tönnchen genommene Puppe der Stubenfliege
deutlich zu erkennen ist.
Hypermetamorphose und verwandte Erscheinungen. Obgleich
die vollkommene und die unvollkommene Metamorphose meist als scharf
geschiedene Arten der Entwicklung hingestellt werden, so sind sie in
Wirklichkeit doch durch mancherlei Uebergänge verbunden.
Am klarsten erkennt man dies bei den bienenartigen Thieren.
Die Verwandlung dieser wird gewöhnlich als vollkommene Meta-
morphose bezeichnet, weil dem Imagozustand eine deutlich ausgebildete
freie Puppe vorhergeht (Fig. 83 C); diese Puppe entsteht aber nicht
so direct aus dem letzten Larvenstadium (Fig. 83 A), wie z. B. die
Schmetterlingspuppe aus der Raupe, vielmehr ist zwischen beide ein
106 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten.
Zwischenzustand (Fig. 83 B) eingeschoben, an welchem bereits die
Leibesanhänge der Imago angelegt sind, aber in viel rudimentärerer
Form als bei der eigentlichen Puppe. Dieser schon seit längster Zeit
bekannte, meist aber in den Lehrbüchern völlig vernachlässigte
Zustand wird passenderweise als Halbpuppe, semipupa s. pseudo-
nympha, bezeichnet. Sie fehlt übrigens allen Blattwespen. Bei letzteren
dauert es dagegen oft lange, ehe die eingesponnene Larve wirklich die
Fig. 83. Die Verwandlung der Hummel nach Packarv. ?/,. A ausgewachsene,
fusslose Larve. 3 die Halbpuppe mit stummelförmigen Leibesanhängen. (€ die
eigentliche freie Puppe mit den deutlich ausgebildeten Gliedmassen der Imago.
Larvenhülle abwirft und als Puppe erscheint. Man findet daher besonders
in den überwinternden Blattwespencocons häufig noch die zusammen-
gezogene Larve (Fig. 84 A).
Ausgehend von der Anschauung, dass die normale, vollkommene
Metamorphose immer nur das Ei, eine Larvenform, die Puppe und die
Imago umfasse, hat man nach dem
Vorgang von FaApre eine Meta-
morphose, bei welcher eine grössere
Zahl deutlich verschiedener Ent-
wicklungsstadien vorhanden ist, als
Fig. S4. Cocon einer Blattwespe. A Pe U en
mit der noch nicht verpuppten Larve. n diesem Sinne kann man dıe Einnt-
B mit der Puppe. ?/.. wicklung der Hymenopteren mit
Halbpuppe auch als Hypermetamor-
phose ansehen, desgleichen auch die gewöhnlich unter die unvoll-
kommenen Metamorphosen gerechnete Verwandlung der Eintagsfliegen,
Ephemeridae. Fehlt hier auch streng genommen eine Puppe, so treten
andererseits zunächst eine sehr grosse Reihe von Larvenhäutungen,
bis zwanzig, auf, und zwischen die fortpflanzungsfähige Imago und die
Larve ist ein neues, gleichfalls geflügeltes und auch flugfähiges Ent-
wicklungsstadium eingeschoben, welches als subimago bezeichnet wird.
Die Larve (Fig. 85 A) kommt auf die Oberfläche des Wassers, streift
ihre letzte Larvenhaut ab und fliegt als Subimago fort, um sich bald
niederzulassen, nochmals zu häuten (Fig. 85 B) und erst dann ihr kurzes
eigentliches Imagoleben zu beginnen.
Begründet wurde übrigens der Begriff der Hypermetamorphose
durch Fagre gelegentlich seiner Forschungen über die Entwicklung
der Käfer aus der Familie der Meloidae. Als Beispiel diene die Ver-
|
Halbpuppe und Hypermetamorphoses 107
wandlung der unserer spanischen Fliege verwandten Gattung Sitaris
(Fig.86). Aus dem am Eingang von Bienennestern durch das Sitaris-
weibehen abgelegten Ei schlüpft eine kleine sechsbeinige Larve A
heraus. Diese dringt activ in das Bienennest, nimmt eine Brutzelle
desselben ein und verzehrt das dort befindliche Bienenei. Nachdem
sie so ihre erste Nahrung genommen, häutet sie sich zum erstenmale
Fig. 85. A Larve der gemeinen Eintags- Fig. 86. Hypermetamor-
fliege, Ephemera vulgata L., mit Tracheen- phose von Sitaris nach FArke,
kiemen, nach Wesrwoop. DB deren männliche Ä erstes sechsbeiniges,
Imago aus der Subimago schlüpfend. € actives Larvenstadium. D
Imago von Palingenia virgo OLıv., dem ge- die zweite mit Stummel-
meinen Uferaas. beinen versehene, maden-
artige Larve. (’ die folgende
Tönnchenpuppe. ZD letztes
madenartiges Larvenstadium.
E die eigentliche freie
Puppe.
und verwandelt sich in ein nur mit kurzen Fussstummeln versehenes,
madenartiges Geschöpf B, das nun von der in der Brutzelle für
die ausschlüpfende Bienenlarve aufgespeicherten Nahrung lebt. Bei
der nun folgenden Häutung bleibt die Larve in der ein Tönnchen €
bildenden Larvenhaut und wird zu einer festen, aber in der Gestalt
von der Larve wenig verschiedenen Puppe, in der sich wiederum
ohne direetes Abwerfen dieser harten Haut eine neue, weichhäutige
Larve D bildet. Erst diese verwandelt sich in die eigentliche freie
Puppe E.
108 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten.
Die Verwandlung der activen sechsbeinigen Larve in eine fast
fusslose Made, welche wohl als eine Anpassung an die nun folgende,
fast parasitische Lebensweise der Larve angesehen werden muss,
erscheint, wenn man nur die äussere Gestalt beachtet, als ein Rück-
schritt in der Entwicklung. Ein ähnlicher Rückschritt in der Ent-
wicklung, aber ohne nachfolgenden Wiederaufschwung zu einer noch
höheren Form, kommt bei den weiblichen Schildläusen vor, deren
deutlich sechsbeinige Larvenform zu einer unbeweglich festsitzenden,
rein als Fortpflanzungsmaschine dienenden, weiblichen Imago wird. Hier
kann man von einer wirklich regressiven Metamorphose reden.
Die Verwandlung der Puppe zur Imago. Die inneren Vorgänge
des Umbaues des jungen 'Thieres zur Imago während der Puppenruhe
sind noch nicht allseitig erforscht.
Wir begnügen uns hier mit der Andeutung, dass bei verschiedenen
Formen der Vorgang ein sehr verschieden intensiver ist, indem bei
einigen eine directe Umwandlung der Larventheile in die Theile der
Imago vorkommt, während bei anderen die Larvenorgane wenigstens
theilweise zerfallen und während der Puppenruhe völlig neu aufgebaut
werden. So ist es z. B. bei der Gattung Musca und Verwandten.
Die Verwandlung ist, da die Puppe athmet, also Kohlensäure
und Wasserdampf ausscheidet, dagegen keine Nahrung zu sich nimmt,
stets mit einem Gewichtsverluste verbunden, welcher besonders bei
den Schmetterlingen genau beobachtet und so bedeutend ist, dass der
Schmetterling in einzelnen Fällen nur ein Viertheil des Gewichtes der
ausgewachsenen Raupe hat.
Wenngleich die Puppe als ein Ruhestadium zu bezeichnen ist
und kein actives Leben führt, so können doch alle Puppen Körperbewe-
gungen machen und manche Insektenpuppen, welche an solchen Orten
leben, aus denen sich die Imago nicht ohne Weiteres befreien kann,
schieben sich vor dem Ausschlüpfen der Imago so weit in das Freie,
dass die Verwandlung ungestört vor sich gehen kann. So die Puppen
der holzbewohnenden Schmetterlingsraupen, z. B. die des Weiden-
bohrers, Cossus ligniperda L., und seiner Verwandten.
Bei mit kräftigeren Nage- oder Grabwerkzeugen versehenen
Imagines bleibt dagegen die Puppe meist an ihrer Ruhestätte, und erst
das erwachsene Thier hat sich aus seinem Schlupfwinkel hervorzu-
arbeiten. So nagen sich z. B. die Borkenkäfer aus ihrer Rindenwiege und
die Holzwespen aus dem Inneren des Holzes hervor, während die Mai-
käfer sich aus der Erde hervorwühlen. Bei den in einem Cocon ver-
puppten Insekten geht dem Ausschlüpfen eine Eröffnung des Cocons
voran, welche bei Schmetterlingen mit festem Cocon theilweise durch
eine Erweichung des Cocons an einer bestimmten Stelle mittelst einer
von der Imago abgesonderten Flüssigkeit geschieht.
Bei der Verwandlung springt die Puppenhülle an einer fest be-
stimmten Stelle auf, und das Insekt arbeitet sich durch eigene Thätigkeit
Verwandlung der Puppe. Zeitlicher Ablauf der Entwicklung. 109
heraus. Anfänglich weich und mit noch zusammengefalteten Flügeln,
erhärtet es bald an der Luft und dehnt die Flügel aus durch Einpumpung
von Luft in die sie durchziehenden Tracheen. Insekten, deren Färbung
nicht, wie das bei den Schmetterlingen der Fall ist, durch Schuppen und
Haare bedingt wird, sind im Anfang matter und heller gefärbt als die
bereits völlig ausgebildeten. Am besten kann man dies an den Borken-
käfern erkennen, die, frisch ausgeschlüpft, stets noch gelb sind. Kurz
nach der Verwandlung erfolgt eine Ausleerung der während der intensiven
Lebensvorgänge in der Puppe erzeugten Harnsubstanzen, wie man am
besten an den Schmetterlingen sehen kann, die bald nach dem Aus-
schlüpfen einen grossen Tropfen gelben oder röthlichen Harnes fallen lassen.
Zeitlicher Ablauf der Entwicklung.
Zur vollständigen Kenntniss des zeitlichen Ablaufes der Entwicklung
eines Insektes gehört die Bekanntschaft mit dessen Flugzeit, Gene-
ration, Ueberwinterungsstadium und Lebensdauer.
Flugzeit. Hierunter versteht man im entomologischen und besonders
im forstentomologischen Sinne die Zeit, in welcher die Imago zur Fort-
pflanzung schreitet. Der Ausdruck findet seine Rechtfertigung in der
Beobachtung, dass im allgemeinen die Zeit der Fortpflanzung die gesammte
Lebenszeit der Imago, des einzigen geflügelten Zustandes, umfasst, und dass
in denjenigen Fällen, wo dieses nicht stimmt, die Imago doch meist nur
während der Fortpflanzungszeit von ihren Flügeln ausgiebigen Gebrauch
macht. Die ohngefähr vierzehn Tage bis drei Wochen währende Lebens-
dauer des Falters des Kiefernspinners ist ausschliesslich den Geschäften
der Begattung und Eiablage gewidmet, und der grosse braune Rüssel-
käfer sucht nur seine Brutstätten im Fluge auf, während er späterhin
seinen Frassstätten laufend zuwandert.
Die Flugzeit der einzelnen Insektenarten ist eine sehr verschiedene.
Während sie z. B. bei der Kieferneule bereits in das zeitige Frühjahr,
Ende März oder Anfang April, fällt, tritt sie beim Kiefernspinner erst
im Hochsommer ein, im Juli, und der Frostspanner fliegt im Spätherbst
von Mitte October wohl bis in den December hinein. Insekten mit mehr-
facher Generation — siehe weiter unten — haben auch eine mehrfache
Flugzeit Die Kiefernblattwespe, Lophyrus Pini L., fliegt sowohl im
April als im Juli und August. Ungünstige Witterung kann den Eintritt
der Flugzeit verzögern, günstige ihn beschleunigen. Besonders erwacht in
110 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten.
zeitigen Frühjahren das Insektenleben gleichfalls zeitiger, als in anderen
Jahren.
Im allgemeinen ist die Flugzeit der einzelnen Insektenarten
annähernd, bei den praktisch beachtenswerthen sogar sehr genau
bekannt. Indessen fehlt es noch an zusammenhängenden phänologischen
Beobachtungsreihen. Als Phänologie — abgeleitet von vwaryn, ich
” * . 3 . [3 [
erscheine — bezeichnet man die Lehre von dem zeitlichen Auftreten
der verschiedenen Erscheinungen der Thier- und Pflanzenwelt im Kreis-
laufe des Jahres. Seit längerer Zeit werden phänologische Beobachtungen
über das Insektenleben angestellt, annähernd regelmässig publieirt aber
nur von einigen der meteorologischen Beobachtungsstationen Oesterreich-
Ungarns [7]. Die österreichischen Publicationen betreffen aber fast gar
keine wirklich wichtigen Forstschädlinge. Man findet von letzteren nur
den Maikäfer, den Heckenweissling, Lacon murinus L. und Lina Populi
L.., erwähnt, also nur einen wirklich hervorragenden Forstschädling.
Auf den meteorologischen Stationen im Königreiche Sachsen [2]
sollen beobachtet werden die Flugzeit des Maikäfers, des grossen
braunen Rüsselkäfers, Hylobius Abietis L.,und des Borkenkäfers, Tomicus
typographus L.; auf den forstlich-meteorologischen Stationen des König-
reichs Preussen und der Reichslande ausserdem noch die des Kiefern-
markkäfers, Hylesinus piniperda L. |9]. Aber ganz abgesehen davon,
dass die Beobachtungen nur auf einzelnen Stationen regelmässig an-
gestellt werden und die Resultate der sächsischen Stationen nur für die
Jahre 1864—1870 publieirt sind, sind dieselben überhaupt zu wenig
genau und zahlreich, als dass bereits jetzt aus ihrer Zusammenstellung
sichere mittlere Werthe für die Erscheinungszeit der einzelnen Insekten
an den verschiedenen Stationen abgeleitet werden könnten.
Die phänologischen Beobachtungen der Pflanzenwelt haben er-
geben, dass innerhalb des Verbreitungsgebietes einer Pflanzenart mit
winterlicher Ruheperiode der Zeitpunkt der Blatt- und Blüthenentfaltung
im Mittel längerer Jahre für den einzelnen Ort constant, dagegen an
anderen Orten mit verschiedenem Klima verschieden ist, und dass der
Unterschied als dem Unterschiede der mittleren Jahrestemperatur an-
nähernd proportional angesetzt werden darf. Indessen darf nicht übersehen
werden, dass hierbei auch noch eine Reihe anderer Faetoren mitspielen und
einmal je nach der Feuchtigkeit und Besonnung des individuellen
Standortes grosse Abweichungen vorkommen können, andererseits die
Witterungsverhältnisse der einzelnen Jahre grössere Verschiebungen
veranlassen. Dennoch zeigt z. B. die Horrmann’sche „Vergleichende
phänologische Karte von Mitteleuropa” [6] mit der Purzeer’schen [10]
„Karte der mittleren Temperaturen des Deutschen Reiches” auffallend
gemeinsame Züge. Es ist ferner aus den vorhandenen Beobachtungen
ersichtlich, dass mit zunehmender oder abnehmender nördlicher Breite,
östlicher Länge und Meereshöhe der Eintritt der Blüthezeit der Pflanzen
verzögert oder beschleunigt wird. Frrrsch hat nun versucht, die Con-
stanten dieser mittleren Verzögerung oder Beschleunigung abzuleiten.
Flugzeit. 743
Dieselben sind z. B. bei den krautartigen Pflanzen für je 1° nördl.
Br. = 38, für je 1° östl. L. = 0°4 und für je 1m Meereshöhe = 0:046.
Nehmen wir z. B. an, die Blüthe einer solehen Pflanze trete in Wien
durchschnittlich am 1. Mai ein, so würde in Lemberg, welches 1°6° nörd-
licher, 77° östlicher und 104m höher liegt, die Blüthe dieser selben
Pflanze eintreten: + 16 X 3:8 + 61
0A + 31
+ 104 X 0046= + 48
—+ 140 d.h. 14 Tage später,
|
|
also am 15. Mai.
Der von Fritsch auf die Annahme, dass das Insektenleben auf
das innigste mit dem Pflanzenleben zusammenhängt, gegründete Ver-
such [4], mit Hilfe der gleichen Constanten die mittlere Verzögerung
oder Beschleunigung der Erscheinungszeit der Käfer und speciell
des Maikäfers zu berechnen, wenn man die mittleren Werthe seines
Erscheinens in Wien zu Grunde .legt, sind dagegen fehlgeschlagen.
Es ergibt die Rechnung stets einen späteren Termin als die wirkliche
Beobachtung an dem betreffenden Orte. Auch der in Tharand durch
uns unternommene Versuch, die Beobachtungen der preussischen forst-
meteorologischen Stationen in gleichem Sinne zu verwerthen, ergab
keinerlei brauchbare Resultate. Die vorstehenden Bemerkungen sind
lediglich deshalb hier eingeschaltet worden, um die Herren Revier-
verwalter aufmerksam zu machen, welch grosses, fast noch unbebautes
Feld für wissenschaftliche Beobachtungen hier vorliegt. Es muss aber
noch hinzugesetzt werden, dass zur Gewinnung für die Praxis verwend-
barer Resultate es nicht genügen dürfte, die erste Erscheinungszeit
der wichtigsten Forstschädlinge längere Jahre hindurch aufzuzeichnen,
sondern dass es namentlich darauf ankommt, die Hauptschwärmzeiten
derselben zu fixiren. Dies gilt besonders für die Borken- und Rüssel-
käfer, da nur so die Frage nach der ein- oder mehrfachen Generation
derselben definitiv gelöst werden kann.
Unzusammenhängende, aber nichtsdestoweniger sehr werthvolle
Beobachtungen haben wir in grösserer Menge. So sagt z. B. RATzEBurG
[XI, p. 358 bis 360]:
„Hier gibt es für den feineren Beobachter etwas zu rechnen, wenn er es
nicht vorzieht, den Gang der Temperatur nach der allmäligen Entwicklung der
Bäume, Hasel, Birke, Hainbuche, Rothbuche, Eiche, oder allgemein verbreiteter
Pflanzen, Huflattich, Osterblume, Anemone, Oxalis, zu beurtheilen. Nicht blos die
Mitteltemperatur des ganzen Frühlings — ungefähr: in Nord- und Mitteldeutschland
7 bis 9°, in Süddeutschland 10°, Südschweiz er entscheidet, sondern auch die
der einzelnen Monate — März, April, Mai —:in Mitteldeutschland etwa 3, 9, 14°. Der
sprichwörtlich veränderliche April kann aber auf 10 bis 11! steigen oder unter HN
herabsinken. Eines der merkwürdigsten Frühjahre war das von 1862 und blieb auch
nicht ohne entomologische Folgen, z. B. fanden sich von Hyles. piniperda L. schon
am 3. Mai fertige Gänge und viele Larven; der Fichtenborkenkäfer lieferte zwei volle
Generationen. Die Buche kam in den 36 Tagen vom 25. März bis 29. April —-
vorher war Schnee und Eis gewesen — zum vollständigen Ergrünen. Diese 36 Tage
ergaben ca. 3750 Wärme, es kam also auf jeden Tag 10° 40, während in ge ‚wöhn-
lichen Jahren, wie 18560 und 1861, wenigstens 45 Tage dazu nöthig sind, da jeder
112 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten.
gewöhnlich nur 8°3° hat, die Buche dann also erst vom 8. bis 12. Mai ergrünt. Im
Jahre 1862 machten sich während jenes Zeitraumes drei Perioden bemerklich:
1. vom 25. März bis 9. April mit 11°3° tägl. Mitteltemperatur, 2. vom 10. April
bis 18. April mit 5%, und 3. vom 19. bis 30 April mit 125% In der zweiten,
retartirenden, hatte ich z. B. am 12. April Morgens 6 Uhr -+ 1'3% und Nach-
mittags 2 Uhr 6°3°, im Mittel also 3'8°%; am 13. Morgens — 1.30%, Nachmittags
+ 6:30, im Mittel 2:5%; den 14. Morgens 1'3% und Nachmittags 7°5°%, im Mittel
4-49 u. s. w. So bestimmte Perioden kommen bei uns sehr selten vor. Die Jahre
1860 und 1861 waren z. B. auffallend verschieden, denn der März hatte kaum
einen warmen Tag — 1362 zuletzt täglich + 17:50 — und der April höchstens
dreimal bis 190%. Daher kamen erst am 2. Mai die ersten Buchenspitzen, und da
bis zum 8. wieder Kälte einfiel, trat erst nach dem 9. allgemeines Ergrünen ein,
und erst am 18. langsames Hervorbrechen der Eichen. Frühzeitige Erscheinungen
im Insektenreiche waren 1862 folgende: Graph. tedella Cr. (hercyniana Ruarz.)
Flug am 5. Mai, Ret. buoliana S. V. Puppen 15. Mai, Gastr. Pini L. Puppen
15. Mai, Anthonomus pomorum L. Puppen und Käfer 15. Mai, am 25. Mai
Werre mit Eiern, am 1. Juni Orchestes Fagi L. Käfer. Auch der Herbst war
lang und mild. Anfangs October im ungeheizten Zimmer noch —+ 15 bis 16° C.,
Piss. piniphilus Hsst. kam noch aus. Eine besondere Bedeutung können die
Frühjahrs-Monate auch für die jetzt üblichen Theerringe gewinnen. So kehrte
sich im Jahre 1869 die Witterung des Februar und März in einer Weise um,
wie es in unserem Jahrhundert nur einmal, 1850, vorgekommen ist. Der Februar,
welcher mehr als 2'5° kälter zu sein pflegt als der März, war diesmal um mehr
als 2:50 wärmer. Das Baumen des Spinners erfolgte daher sehr unregelmässig
und theilweise zu früh.’
„Auffallende Wirkungen des Klimas zeigte die Pinien-Processionsraupe,
Cneth. pityocampa S. V. Davarr's Beobachtungen hierüber sind so lehrreich,
weil er sie in einem Jahre in den verschiedensten Gegenden anstellen konnte.
An den Küsten des Mittelmeeres, zwischen Marseille und Genua, geschah die Ver-
puppung schon gegen Ende März, bei Vevey aber erst Mitte Mai.”
Generation. Die Zeit, welche eine Insektenart braucht, um einen ein-
fachen Entwicklungscyklus zu vollenden, nennt man mit einem Anklange an
den Gebrauch, z. B. Grossvater, Vater und Sohn als drei Generationen”
ein und derselben Familie zu bezeichnen, die „Generation’ des betreffenden
Insektes. Diese Zeit reicht also von dem Augenblicke der Ablage eines Eies
bis zum Eintritt der Geschlechtsreife und zum Beginn der Fortpflanzungs-
thätigkeit bei dem aus diesem Ei entstandenen Thiere: kurz gesagt, von
Ei zu Ei. Im allgemeinen ist die Generation einer bestimmten Insekten-
art eine bestimmte, dieselbe kann aber bei verschiedenen Insektenarten
sehr verschieden lange dauern.
Am häufigsten tritt der Fall ein, dass ein Thier zu seiner Ent-
wicklung zwölf Monate braucht. Diesen Fall bezeichnet man als ein-
jährige Generation. Die Raupe, welche aus dem vom Kiefernspanner-
weibehen im Mai abgelegten Ei schlüpft, verwandelt sich im nächsten
Mai wieder in den fortpflanzungsfähigen Falter. Ein Insekt, welches zu
seinem Entwicklungseyklus dagegen 24, 36, 48 Monate u. s. f. braucht,
hat eine zwei-, drei- oder vierjährige Generation. Ein Beispiel der
letzteren ist im nördlichen Deutschland der Maikäfer, dessen ‚Flugjahre”
Flugzeit und Generation. 113
an einem bestimmten Orte stets nur jedes vierte Jahr, z. B. alle Schalt-
jahre wiederkehren. Die längste bekannte Generation hat eine nord-
amerikanische Zirpe, welche 17 Jahre zu ihrer Entwicklung braucht
und eben nach dieser Eigenthümlichkeit von Linn Cicada septemdecim
getauft wurde.
Es fällt aber auch jede einjährige Generation stets in zwei ver-
schiedene Kalenderjahre und jede xjährige Generation vertheilt sich also,
wenn x eine ganze Zahl darstellt, auf x + 1 Kalenderjahre. Ver-
gleiche hierzu das Beispiel des Maikäfers auf der nächsten Seite.
Andererseits gibt es Insekten, welche ihren Entwicklungscyklus
zwei- oder mehreremale innerhalb von 12 Monaten vollenden, und man
sagt alsdann, dass das betreffende Insekt eine „doppelte, dreifache,
beziehungsweise mehrfache Generation” hat. Ein Beispiel für doppelte
Generation bietet die kleine Kiefernblattwespe, Lophyrus Pini L., während
einige Blattläuse auch unter normalen Verhältnissen eine 9- bis 14fache
Generation haben können. In allen Fällen, in denen bei heimischen
Insekten Saisondimorphismus oder Heterogonie vorkommt, ist eine mehr-
fache Generation vorhanden (vergl. S. 127).
Wir werden im Folgenden bei allen wichtigeren Forstschädlingen
die Verhältnisse ihrer Generation graphisch darstellen.
Die hierbei von uns für die einzelnen Entwicklungsstadien der In-
sekten gewählten Zeichen sind derartig beschaffen, dass sie einigermassen
an das durchschnittliche Aussehen der entsprechenden wirklichen Stadien
erinnern und daher verhältnissmässig leichter im Gedächtniss behalten
werden können, als die bisher zu diesem Zwecke beliebten Buchstaben
oder Farben.
Es wird also das Ei durch einen Punkt (.), die Larve durch einen
Strich (—), die unverpuppt im Cocon liegende Larve durch einen von
einer liegenden Null umschlossenen Strich (©), die Puppe durch eine
liegende ausgefüllte Null (@) und die Imago, also das fliegende Thier,
durch ein Kreuz (+), die Zeit, in welcher das betreffende Insekt frisst, -
durch einen starken schwarzen Strich (ma) bezeichnet. Letzterer wird bei
Larvenfrass unter, bei Imagofrass über den Zeichen für das be-
treffende Stadium angebracht sein.
Es sind die Tabellen ferner so eingerichtet, dass sie auf eirca
zehn Tage, d. h. ein Drittheil Monat, genau die Lebensgeschichte eines
Insektes darzustellen gestatten.
Folsende Beispiele mösen dieses erläutern:
lo} ] Q
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde.,
[0 0)
114 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten.
Liparis monacha L., mit einjähriger Generation.
Sept. | Oct. | Nov. | Dec.
dam Febr. | März |April| Mai Juni | Juli | Aug.
| |
1880 | ae
1881 oe el: 1 1e—-—— - -—- - 90+++
.iee |
a
Melolontha vulgaris L., mit vierjähriger Generation.
| Tan Febr. | März | April| Mai | Juni | Juli | Aug. | Sept. | Oct. | Nov. | Dec.
|
1880 a a . __
1ss1 ------ --------- --- --- --- --- --- ---—--
isgo. le 2 Se Je u 2 u BeuE
BRmen.
1883 |--——-—-—------—-—----------sese
1884 I Hr tr HH HH ++
=
Lophyrus Pini L., mit doppelter Generation.
Jan. |Febr.| März | April| Mai | Juni | Juli | Aug. | Sept. | Oct. Nor Dee.
++ |
1850 | FB u e. ER N. N -
1881 |eoo© soooce Sa | | | | |
Untersuchen wir die Entwicklungsvorgänge bei einem einheimischen
Insekte mit doppelter Generation, d. h. also bei einem solchen, welches in
einem Klima mit deutlich ausgesprochenem Gegensatz von Sommer und
Winter lebt, so finden wir, dass die beiden einzelnen Generationen stets
verschieden lange dauern. Die Generation, welche ganz in die gute
Jahreszeit fällt, währt kürzer als die überwinternde. So braucht z. B. die
Sommergeneration von Lophyrus Pini L. circa vier Monate, die Winter-
Generation. 115
generation hingegen acht Monate (vergl. die vorhergehende graphische
Darstellung). Hieraus erkennen wir sofort, dass die einzelne Generation
eines bestimmten Insektes kenie absolut bestimmte Dauer hat, son-
dern je nach den Witterungs- und besonders auch den Temperatur-
verhältnissen, unter denen sie abläuft, verschieden lange dauern kann.
Dieser Einfluss des Klimas ist erfahrungsgemäss sogar so bedeutend,
dass eine Insektenart, welche in einer bestimmten Oertlichkeit regelmässig
eine doppelte Generation hat, an einem anderen Orte mit rauherem
Klima nur eine einfache, an einem solchen mit günstigerem Klima
dagegen eine dreifache besitzt. Als Beispiel hiefür kann man Hylesinus
piniperda L. anführen. Ebenso kann eine Insektenart, deren Generation in
gewissen mittleren Lagen z. B. vierjährig ist, in südlicheren Gegenden eine
dreijährige haben. Ein Beleg hiefür ist der Maikäfer, der nördlich von
der „Mainlinie’” vier, südlich von derselben dagegen drei Jahre zu seiner
Entwicklung braucht. Es kann ferner auch an demselben Orte eine
bestimmte Insektenart in dem einen wärmeren, also günstigeren Jahre eine
doppelte Generation haben, während sie in dem nächsten rauheren, ungün-
stigeren Jahrgange nur eine einfache Generation vollendet. Ist der
hemmende Einfluss der rauheren Witterung aber geringer, so kann es
zwar in dem betreffenden ungünstigeren Jahre noch zum Beginne der
zweiten Generation kommen, dieselbe braucht aber nicht im Laufe der
12 Monate bereits vollendet zu sein. Hierbei kommen dann auf 24 Monate
drei Generationen, und es entsteht das, was RATzEBURG eine „andert-
halbige Generation” nennt. Hiefür liefert nicht gerade selten Tomicus
bidentatus Hzsr. ein Beispiel.
Ja man hat beobachtet, dass gewisse Insektenarten und häufig sogar
Insektenindividuen auch ohne nachweisbaren Grund einmal bedeutend
längere Zeit im Puppenzustande verharren ais gewöhnlich. Dies nennt
man „Ueberjährigkeit”. Lyda stellata Unrıst hat gewöhnlich eine
einjährige Generation, dagegen findet man häufig, dass aus der im An-
fang Mai entstandenen Puppe nicht Ende Mai oder im Juni die Wespe
ausfliegt, wie eigentlich die Regel wäre, sondern dass der Puppenzustand
bis zum nächsten Mai dauert und dann erst das vollendete Insekt fliegt.
Die Puppenruhe hat also hier, statt drei Wochen, mehr als ein Jahr gedauert.
Aehnliche Verhältnisse kennt man von dem Kiefernprocessionsspinner,
Cnethocampa pinivora Tr.
Diese Verhältnisse hängen damit zusammen, dass die Insekten
„kaltblütige” oder, besser gesagt, „poikilotherme”, d. h.
wechselwarme Thiere sind. Man versteht hierunter solche Thiere,
8*#
116 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten.
deren Eigenwärme, obgleich stets um ein Geringes höher als die des
umgebenden Mediums, der Luft, des Wassers oder der Erde, kurz
des Ortes, an dem sie sich aufhalten, doch mit wechselnder Tempe-
ratur dieses Mediums gleichfalls schwankt. Ihnen stehen die „warm-
blütigen” oder, besser gesagt, „homoeothermen’”, d.h. gleichwarmen
Thiere gegenüber, welche, so lange ihr Leben überhaupt dauert, ihre
Eigenwärme stets auf einer höchstens um 1° ©. ab und zu schwan-
kenden Höhe erhalten. Die Eigenwärme, „Blutwärme”, des gesunden
Menschen beträgt, mag derselbe einer Kälte von — 30° C. oder
einer Wärme von —+ 30° C. ausgesetzt sein, stets ohngefähr 38% ©.
Die Entwicklungsdauer eines warmblütigen T'hieres ist eine be-
stimmte. Die in dem Uterus eines Säugethieres sich entwickelnden,
einer gleichmässigen eirca — 38° bis 40° C. betragenden Wärme
ausgesetzten Eier, beziehungsweise Embryonen, variiren in ihrer Ent-
wicklungsdauer bei derselben Art und Race nur nach Tagen, so dass
man die Trächtigkeitsdauer einer bestimmten Thierart nach Wochen
genau angeben kann. Sie beträgt beim Pferde eirca 48, beim Roth-
wild 34 und beim Kaninchen 4 Wochen.
Das Vogelei bedarf einer bestimmten gleichmässigen Brutwärme
und entwickelt sich dann in einer fest bestimmten Anzahl von Tagen.
Für das Hühnerei beträgt die Brutwärme 40° C., die Brutdauer
21 Tage. Wird diese Bedingung nicht genau erfüllt, erkaltet z. B.
das Ei, so stirbt der Embryo ab, während die Entwicklung des
Forelleneies z. B. ebenso gut bei einer Wasserwärme von + 2 C.
wie von — 10° ©. vor sich gehen kann. Im ersteren Falle vergehen
aber circa 170, im zweiten nur 50 Tage bis zum Ausschlüpfen
des jungen Fischchens.
Ganz analog denjenigen bei den Fischen, sind die Verhältnisse
der Entwicklung bei dem Insektenei. Wir sehen dies am besten
daraus, dass, wenn der Eintritt des Frühjahres und damit der Laub-
ausbruch sich verspätet, auch die auf junge Knospenblätter an-
gewiesenen Räupchen, z. B. die des Ringelspinners, Bombyx neustria
L., später ausschlüpfen. Genaue Beobachtungsreihen von unzweifel-
hafter Sicherheit liegen aber hierüber noch kaum vor, und wir wollen
daher hier immerhin die positiven Angaben Kreenxer’s [Il] über den
Einfluss der Temperatur auf Entwicklungs- und Lebensdauer des
Kiefernspinners bei verschiedenen Temperaturen anführen, allerdings
etwas umgerechnet und vereinfacht. Trotzdem müssen wir aber darauf
hinweisen, dass die lakonische Kürze und apodiktische Sicherheit
derselben, sowie der Mangel jeder Angabe, wie es dem einfachen
Förster möglich wurde, so lange Zeit hindurch die zu solchen Ver-
suchen nöthigen constanten Temperaturen zu erzeugen, dem Werthe
dieser Angaben in den Augen vorsichtiger Forscher bedeutenden Ab-
bruch thun.
Einflüsse, welche die Generation verändern können. 1 br
Zeitlicher Ablauf der Lebenserscheinungen des Kiefern-
spinners bei verschiedenen Temperaturen nach REGenxeEr.
Dauer (in Tagen)
des |
a ni® 0. En I ne en en
En Dana vn nungsvor- pungsvor- ruhe
Ausschlüpfen zur Einspin- ganges ganges
+ 4° bis 5° . —- er a — we
si. ne 500 FE Bi:
1 90 bis 110 . 36 0.00.1.96 — — _
Eid. | 26 | 152... — 15 —
I 150 bis 19°. | 20 RS er 9 49 |
+ 189 bis 21° , LEW | 4884 21), 517, 36
1 200 bis 2. | 17 | 67 2 21,| 26
+ 240 bis 280 . 16 56 1), 2 21
Welche Combinationen verschiedener klimatischer Einflüsse es
in Wirklichkeit verursachen, dass ein und dasselbe Insekt entweder
in verschiedenen Jahren an demselben Orte, oder an verschieden
gelegenen Orten in demselben Jahre, eine verschieden lange Zeit zur
Vollendung einer Generation braucht, ist vorläufig noch nicht sicher
festgestellt. Rarzesurg war geneigt, in dieser Beziehung ähnliche
Verhältnisse anzunehmen wie Boussinsaurr [l, II S. 435] in Bezug
auf die Vegetationsdauer der Gewächse. Nach den Ansichten dieses
französischen Forschers bedarf jede Pflanze einer bestimmten Wärme-
summe, d. h. die Summe der mittleren Tagestemperaturen ihrer
Vegetationszeit soll eine constante sein, während die Dauer der
Vegetationszeit selbst variiren kann. Nehmen wir also theoretisch an,
eine Pflanze brauche die Wärmesumme von 2000° C., so kann sie
sich einmal entwickeln in 100 Tagen mit einer durchschnittlichen mitt-
leren Temperatur von 20° C., aber ebenso gut in 111 Tagen mit 18° C.
und in 91 Tagen mit 22° ©. durchschnittlicher mittlerer Tages-
temperatur. RAatzegure führt dies an dem Beispiel des Maikäfers aus.
Er sagt [XlI, S. 360]:
„Interessant und wichtig ist ferner das Verhalten des Maikärers. In Mittel-
und Norddeutschland ist seine Generation eine vierjährige, im Süden eine drei-
Jährige. Der Grund hierzu liegt sicher in den klimatischen Verhältnissen. Im
Süden erwacht die Natur viel früher und schliesst auch später, was auf Thiere
von biegsamem Charakter wie der Maikäfer, wie auf Pflanzen einen Einfluss haben
118 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten.
muss. Die Engerlinge werden dort also in drei Jahren einen Vorsprung von wenig-
stens drei Monaten, im Vergleich mit dem Norden, erlangen, also schon im dritten
Sommer ihrer Entwicklung fertig sein können, noch dazu wenn man erwägt
dass sie bei uns im vierten Sommer gewöhnlich schon im Juli nicht mehr fressen
und schon im August sich verpuppen. Erıchson fand, dass die Verpuppung zu-
weilen schon im Mai erfolgt, es fehlt also selbst bei uns wenig an einer drei-
jährigen Generation. Schliesslich kommt hier Alles, wie bei den Pflanzen, auf
die Wärmesumme in Boden und Luft an, welche eine Gattung oder Art zu
ihrer Entwicklung bedarf. Findet z. B. der Maikäfer diese nicht im dritten
Sommer, so braucht er dazu den vierten, kann die-ren auch wohl in besonders
günstigen Jahren abkürzen, aber bei uns niemals in drei Jahren fertig werden.
Zählen wir z. B. in Berlin die Mitteltemperatur der 12 Monate zusammen, so erhalten
wir 106°C., in vier Jahren also 4 X 106 = 424"; dagegen gibt Karlsruhe in drei
Jahren 375°, und jenseits der Alpen hat man in drei Jahren reichlich 424". Wollte
man noch die Bodentemperatur berücksichtigen, so würde sich das Verhältniss
im Siiden noch günstiger für den Maikäfer gestalten. In Norddeutschland steigt
in humosem Sandboden, im Waldschatten das Thermometer in der Ueberwinte-
rungstiefe des Maikäfers bei 1m von Ende März bis Ende April und Anfang
des Mai auf + 6" bis + 9° C. Wie verhält sich das nun im Süden? Ein
„Wärmeüberschuss” muss sich auch bei allen anderen Insekten, die den Süden
mit dem Norden theilen, finden; allein da dieser meist nur ein, höchstens zwei
Jahre dauert, so können solche Folgen, wie bei dem eine so lange Entwicklungs-
zeit brauchenden Maikäfer dort nicht eintreten.”
Genauere Untersuchungen über diese Frage sind noch sehr selten. Wir
können hier nur die an Tomicus typographus L. angestellten erwähnen.
Förster UstiG in Tharand fand bei täglich dreimaliger Temperatur-
beobachtung während einer Generation des Fichtenborkenkäfers vom 30. Mai bis
21. Juli eine Wärmesumme von !145% C. oder täglich im Durchschnitt 22:02;
während der zweiten Generation vom 4. August bis 3. October eine Summe von
1228'50 oder täglich im Durchschnitt 20°48". [Thar. Jahrbuch, 25. Bd., S. 256.]
Auch ist hier die Angabe Rarzerurg's [Xl, S. 96] zu erwälnen, dass
bereits dann eine doppelte Generation von Tomicus typographus L. entsteht,
wenn, wie in Mitteldeutschland gewöhnlich, die Mitteltemperaturen der Monate
Mai, Juni, Juli, August, September die Werthe von
1301, 0,2172 0, 21 9 HET EEE FE AlEe erreichen:
Es hat sich nun aber längst gezeigt, dass der Pflanzenphysiologie
die einfachen Boussinaauur’schen Wärmesummen nicht genügen können,
und man hat ausserdem die Summe der Belichtungszeit, während welcher
allein die chlorophylihaltigen Theile assimiliren, sowie die in der
Sonne erreichte — am besten durch einen Aktinometer gemessene —
mittlere Temperatur in Rechnung gezogen. N
Obgleich nun allerdings der thierische Stoffwechsel viel weniger
von der Belichtung abhängt als der pflanzliche, so werden doch auch
zur Erklärung der Verschiebungen in den thierischen Entwicklungs-
vorgängen die einfachen Wärmesummen kaum genügen, besonders
wenn man nur die Lufttemperatur berücksichtigt. Es wird viel-
mehr bei allen ihre Larvenzeit im Boden zubringenden Insekten die
Bodentemperatur und bei den Holz bewohnenden Larven die Tempe-
ratur des Baumes, ja sogar des betreffenden Baumtheils — vergl.
hierüber die genauen Untersuchungen von Krurzscn [8] — in Rücksicht
zu ziehen sein. Desgleichen dürfte festzustellen sein, welches die
Minimaltemperatur ist, bei welcher überhaupt ein Fortschritt der
Entwicklung möglich wird. Auch das Temperaturoptimum, d.h.
Generation und Ueberwinterungsstadium. 119
diejenige Temperatur, welche für irgend einen Vorgang die günstigste,
ihn am meisten fördernde ist, wird zu beachten sein. Es dürften
nämlich diese Optima für die verschiedenen Entwicklungsstadien auch
bei den Insekten ebenso verschieden sein, wie die von denselben ertrag-
baren Temperaturminima. Wissen wir doch durch die Untersuchungen
von Senmper [l2, I. Bd., S. 132], dass ebenso gut wie bei einer Pflanze
für Keimung, Wachsthum, Blüthe ete., so auch bei Thieren, z. B.
bei einer unserer gemeinen Süsswasserschnecken, die Temperatur-
optima für verschiedene Functionen, z. B. für Reifung der Geschlechts-
producte und für Wachsthum verschieden sind, ein Satz, der von
SEMPER zu einem geistreichen Erklärungsversuche des Vorkommens
ungeflügelter, larvenähnlicher, aber doch geschlechtsreifer Orthopteren-
formen in südlichen Ländern, z. B. der sogenannten Stabheuschrecken
verwendet wurde [I2, I. Bd., 8. 156].
Die angeführten Beispiele genügen, um darauf hinzuweisen,
welches reiche und fast noch unbebaute Gebiet für forstentomolo-
gische Forschungen hier vorhanden ist.
Ueberwinterungsstadium. Der Entwicklungscyklus zweier Insekten-
arten mit gleicher Generation kann aber auch unter gleichen klimatischen
Verhältnissen noch ein sehr verschiedenes Bild gewähren, nämlich in
dem Falle, wenn sie in verschiedenen Lebensstadien überwintern, da
jedesmal das Ueberwinterungsstadium am längsten dauert und eine
Ueberwinterung sowohl im Ei-, als im Larven-, Puppen- oder Imago-
zustande möglich ist. Unter normalen Verhältnissen überwintert aber eine
bestimmte Insektenart stets in dem gleichen Entwicklungsstadium, z. B.
die Kieferneule als Puppe, einige Tagfalter als Imago.
Es ist aber nicht möglich, für die einzelnen Insektenordnungen
im allgemeinen anzugeben, in welchem Stadium sie überwintern, indem
dies sogar innerhalb der einzelnen Familien variirt. So weist uns z. B.
eine Zusammenstellung WErnegurg’s nach [I3, S. 29], dass von unseren
einheimischen Grossschmetterlingen, im ganzen betrachtet, 34 °/, als Ei,
66°9 %/, als Raupe, 28-2 °/, als Puppe und 1°5 °/, als Falter überwintern,
während bei Betrachtung einzelner Familien die Resultate sich ganz
anders stellen. So überwintern alle Zygaeniden als Raupen, die meisten
Sphingiden als Puppe und von den Tagfaltern 9°/, als Ei, 54 °/, als
Raupe, 28°/, als Puppe und 9°/, als Falter. Ja, es kommt sogar vor,
dass Insekten, welche man bei nicht allzu enger Begrenzung der Genera
zu einem und demselben Genus rechnen kann, in ganz verschiedenen
Stadien überwintern. Dies geht deutlich aus der folgenden Darstellung
der Generation dreier unserer gemeinsten Spinner hervor:
120 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten.
Generation von Bombyx neustria L.
April| Mai | Juni | Juli Dee.
©
Jan. Febr. | März
Aug. sent. Oct. | Nov.
|
1880 | au
+++
Jan. Febr. | März | April| Mai | Juni | Juli | Aug. sent. Oct. | Nov.| Dee.
1880 | | en | |
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er Er| ERE E ! EEHFTERETEFETTERRETER
1881 ai] er A | |
. . |
Generation von Bombyx lanestris L.
Tessa]
Jan. |Febr.| März | April | Mai | Juni | Juli | Aug. | Sept.) Oct. | Nov. | Dec.
| |
+++
1880 | Eee a 000900808 900899000®©
EB ESEP || ERBEN HERE N EEE | _________ _ AB Eerelee. a
js51 | ee .....eo44+ | |
| . . .
Bei manchen Insektenarten überwintern ferner nur die Weibchen
nach vorhergehender Begattung im Herbste, z. B. bei manchen Mückenarten
und unseren gewöhnlichen Faltenwespen, Vespa, und die T'hatsache, dass
die Honigbienen über Winter in ihren Stöcken keine Drohnen dulden,
dieselben vielmehr vorher in der „Drohnenschlacht” tödten, so dass nur
die Königin nebst den Arbeitern den Winter überdauert, ist jedem
Bienenfreunde bekannt.
Abnorme Witterungsverhältnisse können es aber auch veranlassen,
dass eine Insektenart ausnahmsweise einmal in einem anderen Lebens-
stadium als gewöhnlich überwintert. Allerdings sind Fälle, dass ein Thier
in einem anderen der vier Hauptentwicklungszustände als gewöhnlich
den Winter verbringt, doch selten, indessen hat man z. B. schon gefunden,
dass der Kiefernspinner einen zweiten Winter als Puppe verlebt
[V, Bd. I, S. 147, Anm.]. Dagegen ist es sehr häufig, dass z. B. Raupen,
—
Ueberwinterungsstadium und Lebensdauer. 121
welche gewöhnlich halbwüchsig das Winterquartier beziehen, dies als
ganz junge Thiere zu thun gezwungen werden, so die Kiefernspinnerraupe
nach der ersten Häutung, statt wie gewöhnlich nach der zweiten.
Insekten, welche eine mehrjährige Generation haben, müssen natür-
lich auch mehreremale überwintern. Es kann dies in den gleichen oder
in verschiedenen Hauptlebensstadien geschehen; so überwintern z. B. die
eine zwei- bis dreijährige Generation aufweisenden Eintagsfliegen stets
als Larven im Wasser, während der Maikäfer drei Winter als Larve,
den vierten dagegen meist als Imago überdauert.
Lebensdauer. Wenn ein Insekt den Imagozustand einmal erreicht
hat, so wächst dasselbe, wie wir oben kennen lernten, nicht mehr. Die
Functionen der Imago beschränken sich daher im wesentlichen auf
Ernährung und Fortpflanzung, und in sehr vielen Fällen tritt erstere
derartig zurück, dass die ganze Lebensthätigkeit sich auf das Fort-
pflanzungsgeschäft beschränkt. Das klarste Beispiel hiefür ist die Eintags-
fliege, Ephemera vulgata L., welche nach Erreichung des Imagozustandes
nur wenige Stunden lebt, um Begattung und Eiablage ausführen zu
können. Aber auch in vielen anderen Fällen ist das Imagoleben sehr
kurz. So soll z. B. der Kiefernspinner höchstens 16 Tage als Imago
leben. In allen diesen Fällen und sogar auch dann, wenn zwar. das
Imagostadium überwintert, aber im Frühjahr bald nach ausgeübter
Fortpflanzungsthätigkeit eingeht, deckt sich die Dauer der einzelnen
Generation fast völlig mit der Lebensdauer des Insektenindividuums.
Indessen kommen in dieser Beziehung auch Ausnahmen vor. So lebt
z. B. der grosse braune Rüsselkäfer noch lange Zeit nach Vollendung
seines Fortpflanzungsgeschäftes, und gerade hierauf beruht der grosse,
durch denselben bewirkte Schaden. Am auffälligsten sind aber die Ver-
hältnisse bei den gesellig lebenden Insekten, besonders bei Bienen und
Ameisen. So kann z. B. eine Bienenkönigin sicher bis 5 Jahre alt werden,
und Lusgock hat durch direete Beobachtung nachgewiesen, dass Ameisen-
königinnen bis 8 Jahre und Ameisenarbeiter bis 6 Jahre alt werden
können.
Literaturnachweise zu dem Abschnitte „Zeitlicher Ablauf
der Entwicklung”. — I. Boussinsaust, J. B., Die Landwirth-
schaft in ihren Beziehungen zur Chemie, Physik und Meteorologie.
Deutsch bearbeitet von GrÄGErR. 2 Bde. 8°, Halle 1844 und 1845. —
2. Brunss, ©., Resultate aus den meteorologischen Beobachtungen
im Königreiche Sachsen, Jahrg. I—VII. Bis 1870 reichend. 49, —
3. Davy, Mars, Meteorologie et physique agrieoles. 2me, Edition. Paris
1880. kl. 8%. — 4. Frırscnh, K., Jährliche Periode der Insektenfauna
122 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten.
von Oesterreich-Ungarn. Denkschriften der math.-naturw. Klasse der
kais. Akad. d. Wiss. zu Wien. 1. Diptera. Bd. XXXIV. 1875.
2.Coleoptera. Bd. XXX VII. 1877. 3. Hymenoptera. Bd. XXXVIII. 1878.
4. Lepidoptera. Bd. XXXIX. 1878 und XLI. 1879. 5. Rhynchota.
Bd. XLII. 1880. — 5. Horrmann, H., Zur Kenntniss der Vege-
tationsnormalen. Botanische Zeitung, Bd. XIX. 1861, p. 177—182
und 185—191. — 6. Derselbe. Vergleichende phänologische Karte
von Mitteleuropa. Petermann’s Mittheilungen, Bd. XXVII. 1881,
p. 19—26. Taf. 2. — 7. Jahrbücher der k. k. Central-Anstalt für
Meteorologie und Erdmagnetismus. Officielle Publication. Wien, W.
Braumüller. — 8. Krurzscn, H., Untersuchungen über die Temperatur
der Bäume im Vergleiche zur Luft- und Bodentemperatur. Forstwirth-
schaftliches Jahrbuch der Akademie Tharand. Bd. X. 1854, p. 214—270.
— 9. Mürrrıcn, Jahresbericht über die Beobachtungsergebnisse der
forstlich-meteorologischen Stationen. Jahrg. I—V1I. 1875—1881. 8°. —
I0. Purzcer, F. W., Temperaturkarten des deutschen Reiches. Andree
und Peschel, Physikalisch-statistischer Atlas des deutschen Reiches. I.
Taf. 2—5. — Il. Resener, E., Erfahrungen über den Nahrungs-
verbrauch und über die Lebensweise, Lebensdauer und Vertilgung
der grossen Kiefernraupe. Leipzig. Emil Baensch’s Verlag. 1865. —
2. Semper, K., Die natürlichen Existenzbedingungen der Thiere. 8°.
Leipzig 1880. 2 Bde. 299 und 296 S. — 13. WErnEBURG, A., Der
Schmetterling und sein Leben. 8°. Berlin 1854.
Parthenogenesis und mit ihr zusammenhängende Erschei-
nungen.
Alle unsere bisherigen Betrachtungen über die Fortpflanzung der
Insekten bezogen sich lediglich auf die als Regel bei diesen 'Thieren
auftretende Gamogenesis (vergl. S. 82). Neben ihr gibt es aber, wie
wir bereits sahen, in selteneren Fällen noch eine andere Art der Ei-
fortpflanzung, die Parthenogenesis oder die Jungfernzeugung, bei
welcher das Ei zu seiner Entwicklung einer Befruchtung nicht bedarf.
So auffallend dieser, den ersten Entdeckern schier unglaubliche Vor-
gang, vom physiologischen Standpunkte aus betrachtet, nun auch ist,
so unterscheidet sich doch, so weit wir wissen, morphologisch die
parthenogenetische Entwicklung eines unbefruchteten Eies, wenn sie
überhaupt vorkommt, in keiner Weise von der eines anderen befruch-
teten, gleichen Eies, dagegen bietet die Art und Weise, wie die Partheno-
genesis sich in den Entwieklungseyklus der Insekten einreiht, eine Menge
von Besonderheiten, welche letzteren in manchen Fällen zu einem sehr
complieirten machen.
Die morphologische Gleichheit der parthenogenetischen Entwicklung mit der
gamogenetischen bezieht sich natürlich nur auf die Vorgänge von der Furchung
Literaturnachweise. Parthenogenesis. 123
an. Die Bildung des ersten Furchungskernes, wie wir sie auf 8. 87 andeuteten,
ist, da dieselbe bei der Gamogenese eben wesentlich auf dem bei der Partheno-
genese wegfallenden Eindringen des Samenfadens in das Ei und seiner Ver-
mischung mit dessen Substanz beruht, eine andere. Wahrscheinlich übernimmt
einfach der Eikern, das Keimbläschen, die Rolle des Furchungskernes. Dagegen
ist die Embryonalentwicklung selbst, sowie die Metamorphose die gleiche.
Man kann zwei Hauptabtheilungen der Parthenogenesis unter-
scheiden, die Parthenogenesis im engeren Sinne und die Paedogenesis.
Als Parthenogenesis im engeren Sinne kann man diejenige Form
derselben bezeichnen, bei welcher die Befruchtung einfach wegfällt, ohne
dass dieser Wegfall durch eine zwingende, im Bau des sich partheno-
genetisch fortpflanzenden Mutterthieres begründete Ursache veranlasst
wäre, das Mutterthier vielmehr eine normal gebaute weibliche Imago ist.
Dieselbe kann im Leben einer Insektenart entweder ausnahmsweise vor-
kommen oder regelmässig eintreten.
Ausnahmsweise ist die Parthenogenesis bei einer Reihe von
Schwärmern und Nachtfaltern beobachtet worden, an Forstschädlingen
z. B. bei Bombyx Pini L. Bei dem Seidenspinner kommt sie sogar
in den italienischen Züchtereien ziemlich häufig vor.
Regelmässig kommt Parthenogenesis zunächst vor bei vielen,
ja vielleicht allen geselligen Hymenopteren, z. B. bei der Honigbiene,
sowie bei manchen Blattwespen. Bei den genannten Hymenopteren
tritt sie stets normalerweise neben der gewöhnlichen Gamogenesis
auf, da sich die Männchen aus unbefruchteten, die Weibchen, ein-
schliesslich der Arbeiterinnen bei den geselligen Hymenopteren, aus
befruchteten Eiern entwickeln. Diese Form der Parthenogenesis, bei
welcher aus den unbefruchteten Eiern stets Männchen entstehen,
nennt man Arrenotokie, abgeleitet von anpnv, Genit. anpevos, das
männliche Wesen, und 76x05, die Geburt. Da die Befruchtung ein
von dem begatteten Weibchen willkürlich (vergl. S. 86) eingeleiteter
Vorgang ist, so kann sich auch ein begattetes Weibchen arrenotok
fortpflanzen. So legt z. B. die begattete Bienenkönigin abwechselnd
und nach Bedürfniss befruchtete und unbefruchtete Eier, erzeugt also
weibliche oder männliche Nachkommenschaft nach Belieben. Eine nicht
begattete Königin oder eine solche, die den empfangenen Samen bereits
völlig verausgabte, kann dagegen nur männliche Nachkommenschaft
erzeugen, ist „Arohnenbrütig”.
Andere Fälle von regelmässiger Parthenogenesis, welche bei
einigen Schmetterlingen aus der Familie der Psychiden und Tineiden,
sowie bei einigen Gallwespen vorkommen, sind im Gegentheil dadurch
ausgezeichnet, dass die aus unbefruchteten Eiern erzielte Nachkommen-
schaft stets weiblich ist, während die Männchen aus befruchteten Eiern
entstehen. Man nennt diese Form der Parthenogenese Thelytokie,
abgeleitet von $7jAus, weiblich, und 70x05, die Geburt. Bei den sich
thelytok fortpflanzenden Formen sind meist die Männchen sehr selten
124 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten.
und können local völlig fehlen, daja die Weibchen, wenigstens temporär,
allein zur Erhaltung der Art genügen. In anderen Fällen scheinen
die Männchen sogar ganz zu fehlen, z. B. bei einigen Gallwespen.
Das bekannteste Beispiel für solche Thelytokie ist die Fortpflanzung
von Psyche Helix Sıeg., eines Schmetterlings. Desgleichen kennen
wir von den, die technisch wichtigsten Eichengallen erzeugenden Gall-
wespen von Cynips tinctoria L. und C. calycis OLıy. bis jetzt nur
Weibchen.
Psyche Helix pflanzt sich an vielen
Orten rein parthenogenetisch fort, indem
die, aus den von dem madenartigen 2
(Fig, 87, A) abgelegteu Eiern schlüpfen-
den Jungen stets wieder zu Weibchen
(0 D
d'
1
Fi
Fig. 87. Psyche Helix nach v. SresoLv
werden. In anderen Gegenden kommen
dagegen auch Männchen, wenngleich sel-
ten, vor (Fig. 87, E) und es tritt dann
und Craus. A das madenartive ©. B Q eine gamogenetische Fortpflanzung ein.
Larve in ihrem schneckenförmigen Sacke. Paedogenesis—abgeleitet von
a obere Oeftinung desselben. € Sack ea: Se nd 3
einer Z Larve, in der die verlassene Z 7%!5, Genitiv mALDos, das Kind, un
Puppenhülle steckt. DZ Puppe. E ent- „yssee,
2 die Erzeugung — nennt
wickeltes JS.
man dagegen diejenigen Fälle von
Parthenogenesis, bei welchen das sich fortpflanzende Mutterthier gar
nicht die volle, der Art in der Regel zukommende Imagoform erreicht,
sondern sich bereits in einer Jugendform, als Kind, fortpflanzt.
Da bei den Jugendformen, wie wir oben sahen (vergl. S. 98),
stets die Leitungswege der Geschlechtsorgane fehlen, so ist in diesem
Falle eine Begattung und daher auch eine Befruchtung der Eier über-
haupt nicht möglich, und dieselben entwickeln sich daher entweder
in der mütterlichen Leibeshöhle — bei einigen fortpflanzungsfähigen
Fliegenlarven — oder treten durch besondere Oeffnungen in der
Leibeswand aus, z. B. bei einer parthenogenetischen Mückenpuppe.
Entdeckt wurden diese Verhältnisse bei den unter alter Baumrinde lebenden
Larven einer Gallmückenart, Miastor metroloas Meınerr. Hier entwickeln sich die
Anlagen der Eiröhren, ohne dass es zu der Bildung von Ausführungsgängen kommt;
sie zerfallen vielmehr in einzelne Abschnitte, die aus je einem Eifach mit Eizelle
und Epithel und einem Dotterfache bestehen. Diese liegen frei in der Leibeshöhle
der Mutterlarve, und jede Eizelle entwickelt sich nun auf Kosten der sie ein-
schliessenden Zellen zu einem Embryo, der bald die Eihülle durchbricht, sich auf
Kosten des Fettkörpers und der übrigen, zerfallenden Organe des Mutterthieres
ernährt und wächst, so dass schliesslich nur die Chitinhülle des letzteren übrig
bleibt, die endlich von den Tochterlarven gesprengt wird. Letztere können
nun entweder selbst wieder paedogenetisch Junge erzeugen, oder nach vorher-
gehender Verpuppung sich in die Imago verwandeln (vergl. Fig. 88).
Den Uebergang zwischen der Parthenogenesis im engeren Sinne
und der Paedogenesis bilden diejenigen Fälle, in welchen sich unvoll-
kommene Weibchen parthenogenetisch fortpflanzen. Es ist dies besonders
bei den Blattläusen der Fall. Bei
Weibehen auf, die sich schon durch die äussere Erscheinung von den
diesen treten während des Sommers
Eigentliche Parthenogenesis und Paedogenesis.
125
eigentlichen Weibehen unterscheiden (Fig. 90 A und B), besonders aber da-
durch ausgezeichnet sind, dass sie keine Samentasche besitzen, gar nicht
befruchtet werden können und trotzdem reichliche Nachkommenschaft
erzeugen. Ihre Eier entwickeln sich schon in den Eiröhren
des Eierstockes und die jungen T'hiere werden lebendig
geboren.
Der früher für diese viviparen Blattlausweibchen
gebrauchte Ausdruck „Ammen”, sowie die Bezeichnung
ihrer Eier als „pseudova”, sind neuerdings, als nicht hin-
reichend morphologisch und physiologisch begründet, ver-
lassen worden.
Bei einzelnen Insektenarten ist die Parthenogenese
die einzige bekannt gewordene Fortpflanzungsart,
so z. B. bei den oben erwähnten Gallwespen der levanti-
nischen Galläpfel, Cynips tinctoria L., den Knoppern-
gallwespen, C. calycis OrLıv. und anderen. Ob dieselbe
wirklich auch die einzige hier vorkommende Fort-
pflanzungsart ist, kann vorläufig nicht sicher entschieden
werden, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass ebenso
wie schliesslich bei Psyche Helix, welche man lange
Jahre nur in der parthenogenetischen Weibchenform
kannte, das Männchen entdeckt wurde, auch hier ein-
mal Männchen und damit auch eine gamogenetische
Fortpflanzung gefunden werden wird. Scheint es doch
eine durchgreifende Regel im T'hierreiche zu sein, dass
die ungeschlechtliche Fortpflanzung, welcher Art sie
auch sei, auf die Dauer nicht hinreicht, um den Fort-
bestand der Art zusichern, dass vielmehr immer, wenig-
stens von Zeit zu Zeit, von der Natur auf die geschlecht-
liche Fortpflanzung zurückgegriffen wird.
So. tritt denn, in den uns vollständig bekannt ge-
wordenen Fällen, die regelmässige Parthenogenesis stets
entweder neben der Gamogenesis, oder aber in be-
stimmter, gesetzmässig geordneter, rhythmischer Ab-
wechslung mit ihr auf. Insekten, bei denen das letztere
der Fall, zeigen dann einen zusammengesetzten
Entwicklungseyklus.
Fig. 88. Pae-
dogenetisch
sich fortpflan-
zende Fliegen-
larve aus ver-
dorbenen
Zuckerrüben-
rückständen
nach PAGen
STECHER. @
Augenfleck
der mütter-
lichen Larve.
Sie enthält
fünf junge
Larven, deren
Kopfenden
durch den
gleichen
Augenfleck a’
angezeichnet
sind.
Einfacher und zusammengesetzter Entwicklungseyklus. Bei den
meisten mit ausschliesslich gamogenetischer Fortpflanzung begabten In-
sekten spielt sich die Fortpflanzung genau so ab, wie bei den Wirbelthieren.
Die Nachkommen sind den Eltern in jeder Beziehung ähnlich, jede
folgende Brut ist der vorhergehenden gleich, und wenn wir die Einzel-
126 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten.
brut mit « bezeichnen, so folgen sich dieselben im Laufe der Zeiten
ununterbrochen nach dem Schema:
es
Der Kreislauf der Entwicklung ist also mit jeder einzelnen Gene-
ration geschlossen, alle bei der Fortpflanzung normalerweise möglichen
Vorkommnisse haben sich in dieser einen Generation auch wirklich ab-
gespielt. Von solchen 'Thieren, in unserem Falle Insekten, sagt man,
dass sie einen einfachen Entwicklungsceyklus haben.
Es kommen aber Fälle vor, in denen die aufeinanderfolgenden
Generationen sich nicht in allen Stücken gleichen, bei denen sich zwei
oder mehrere, entweder durch ihre äussere Erscheinung, oder ihren
inneren Bau oder ihre Fortpflanzungsart unterschiedene Generationen
regelmässig folgen, bei denen also alle im Leben der Art möglichen
Erscheinungen nicht in einer jeden, sondern erst in zwei oder mehr
aufeinanderfolgenden Bruten auftreten. Von solchen Thieren sagt man,
dass sie einen zusammengesetzten Entwicklungscyklus haben.
Bezeichnet man zwei verschiedene, regelmässig mit einander ab-
wechselnde Bruten als a und b, so ist das Schema eines aus ihnen zu-
sammengesetzten Entwicklungseyklus:
a—b—a—b—a—b —...... un Bl.
Der gewöhnlich gar nicht als solcher anerkannte, einfachste und
zugleich versteckteste Fall eines zusammengesetzten Entwicklungs-
cyklus liegt bei der doppelten Generation vor,
Hier — z. B. bei Lophyrus Pini L. (vergl. S. 114) — besteht der
Unterschied der beiden im Laufe des Jahres auftretenden, mit einander
abwechselnden Bruten lediglich in der Zeitdauer, welche sie zu ihrer
Vollendung brauchen. Die Sommerbrut braucht vier, die Winterbrut
acht Monate, und wenn wir nun jene mit a, diese mit a‘ bezeichnen,
so folgen sich im Laufe der Zeiten die Bruten nach dem Schema:
a — ua — a — ua — a — ua ......u.8f.
Der Unterschied zwischen Sommer- und Winterbrut erstreckt sich
aber mitunter nicht blos auf die Zeit, die sie zu ihrer Entwicklung
brauchen, sondern kann sich auch auf die äussere Erscheinung
der Thiere beziehen. So ist z. B. die als Puppe überwinternde, im
Frühling fliegende Winterbrut eines bekannten Toagfalters, Vanessa
levana L., gelbbraun mit schwarzer Fleckenzeichnung, während die
aus den Eiern dieser Frühlingsschmetterlinge entstandene und bereits
im August fliegende Sommerbrut schwarz mit gelbweisser Mittelbinde
und einigen röthlichen Randmöndchen ist und derartig von ihren Eltern
abweicht, dass sie ursprünglich, ehe man ihren genetischen Zusammen-
hang kannte, als eine eigene Art, V. prorsa L., bezeichnet wurde.
Die Nachkommen von V. prorsa erscheinen nun wieder in der Form
Zusammengesetzter Entwicklungseyklus. Heterogonie. 127
von Y. levana u. s. f. Diese Abwechslung verschieden gefärbter,
sonst aber gleicher Sommer- und Winterbruten hat man mit WALTAcCE
als Saisondimorphismus bezeichnet.
Heterogonie. Einen zusammengesetzten Entwicklungseyklus, in wel-
chem Generationen, die sich durch verschiedene Art der Eifortpflan-
zung unterscheiden, regelmässig mit einander abwechseln, nennt man
Heterogonie.,
Die einfachste Form der Heterogonie ist die, bei welcher regelmässig
eine gamogenetische und eine parthenogenetische Brut mit einander
abwechseln.
Fig. 89. Die Gallentormen der beiden Generationen von Biorhiza terminalis Hre.
A die Wurzelgalle, aus der die Biorhiza aptera Far. schlüpft, «a Galle mit dem
Loche, durch welches die Wespe auskam. B Terminalgalle mit schwammigem Gefüge,
aus der die Teras terminalis genannte, aus S und @ bestehende Generation schlüpft.
Eine solche Heterogonie finden wir nach der schönen Entdeckung
von Apuer z.B. bei vielen Gallwespen, hier allerdings noch dadurch
auffälliger gemacht, dass auch die Gallen der Sommer- und Winterbrut
verschieden sind. Aus den bekannten, fleischig schwammigen, im Früh-
ling erscheinenden und im Anfang des Sommers schön geröthet reifen-
den Gallen, die an den Triebenden unserer Eichen gemein sind
(Fig. 89 B), schlüpfen ungeflügelte weibliche und geflügelte männliche
Gallwespen aus, welche bisher mit dem Namen Teras terminalis
Hr. bezeichnet wurden. Diese pflanzen sich gamogenetisch fort,
indem das ungeflügelte Weibchen sofort nach der Begattung an die
Wurzeln der Eiche hinabsteigt und an diese mit Hilfe des Legstachels
seine Eier absetzt. Als Folge dieses Stiches entwickelt sich während
des Hochsommers und Herbstes an den Wurzeln eine kleine röthliche
Galle (Fig. 89 A), welche im Winter reift, und aus ihr schlüpfen
128 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten.
nun die Nachkommen der Weibchen und Männchen als gleichfalls unge-
flügelte Weibchen, die unter dem Namen Biorhiza aptera Fapr. bekannt
sind. Diese pflanzen sich alsbald parthenogenetisch fort, indem
sie sofort nach ihrem Ausschlüpfen den Baum hinaufsteigen, die
Terminalknospen der Zweige anstechen und mit Eiern belegen, so
dass nunmehr wieder die erstgedachte schwammige Galle zur Entwick-
lung kommt, aus der im Sommer die Nachkommen der parthenogene-
sirenden Weibchen als getrenntgeschlechtliche Brut ausschlüpfen.
Etwas complieirter wird die Heterogonie, wenn mehrere auf-
einander folgende parthenogenetische Bruten regelmässig zwischen je
zwei gamogenetische eingeschoben werden.
Als Beispiel wählen wir Aphis platanoides ScHrk.
Fig. 90. Aphis platanoides Schrk. nach Craus. A Lebendig gebärendes, unvoll-
za .. 7. . .
kommenes, aber geflügeltes Weibchen. 5 vollkommenes, eierlegendes Weibchen ohne
Flügel. € Männchen mit kurzer, gekrümmter, am Hinterleib vorstehender Ruthe.
Im Herbste findet man auf der Unterseite der Ahornblätter ge-
flügelte und ungeflügelte Individuen dieser Blattlaus, von denen jene
(Fig. 90 0) Männchen. diese (Fig. 90 B) vollständig ausgebildete
Weibchen sind, welche nach vorhergegangener Begattung nun Winter-
eier legen. Aus diesen schlüpfen im Frühjahr junge Larven aus, welche
in vier Häutungen zu geflügelten, aber der Samentasche entbehrenden
Weibchen werden (Fig. 90 A) und sich nun parthenogenetisch fort-
pflanzen, indem sie lebendige Junge gebären. Aus diesen werden
wiederum geflügelte, unvollkommene, vivipare Weibchen, die gleichfalls
parthenogenetisch sind, und so folgen sich im Laufe des Sommers
mehrere Bruten viviparer parthenogenesirender Weibchen, bis im
Herbste die vivipar und parthenogenetisch erzeugten Jungen plötzlich
zu geschlechtlich entwickelten Männchen und Weibchen werden, die
nun auf gamogenetischem Wege wieder die Wintereier erzeugen.
Bezeichnen wir die aus Männchen und Weibchen bestehenden
Bruten mit a, die nur aus parthenogenesirenden Weibchen gebildeten
wieder als db, so kann die Entwicklung der Gallwespen dargestellt
werden durch das Schema:
1 ge u Drae Bea, I a ee dd A ER
während dagegen bei der Blattlaus das Schema ist:
a—b—b—b—a—b—b—b—a...... U. 8
Noch complieirter wird der Vorgang, wenn die parthenogene-
tischen Bruten selbst wieder in verschiedener Gestalt auftreten.
Heterogonie und Generationswechsel. +» 129
Dies ist der Fall bei der berüchtigten Reblaus, Phylloxera
vastatrix. Im Herbste treten hier darm- und rüssellose d und 2 —
Brut « — auf, von denen die letzteren nach erfolgter Begattung stets
nur je ein Ei legen. Aus diesen Eiern schlüpfen im Frühjahr ungeflügelte,
unvollkommene Weibehen — Brut 5b —, welche sich an die Wurzeln
des Rebstockes begeben, und hier — wir übergehen die in Europa
noch kaum beobachtete und nicht nothwendig in den Entwicklungseyklus
hineingehörige blattbewobnende Form — parthenogenetisch eine Reihe
gleicher Bruten hervorbringen. Die letzte so erzeugte Brut erhält aber
Flügel und wird zu parthenogenetisch sich fortpflanzenden, unvoll-
kommenen Weibchen — Brut 5’ — welche nun die Eier legen, aus
denen die zweigeschlechtliche Brut a im Herbste ausschlüpft. Hier ist
das Schema also:
a—b— b—b—b"’—a—b—b—b— b’—-a......usf.
Auch bei vielen unserer gewöhnlichen Blattläuse kommen übrigens
ungeflügelte Generationen lebendig gebärender, unvollkommener Weib-
chen vor, bei manchen so häufig, dass die bei Aphis platanoides
gekennzeichnete geflügelte Form viviparer Weibchen nur nebenher,
gewissermassen als Mittel zur Verbreitung der Blattläuse auf entfernte
Pflanzen auftritt, oder aber es sind die ersten Bruten viviparer
Weibchen flügellos, und erst die späteren kurz vor den Geschlechts-
thieren auftretenden geflügelt. Eine Reihe anderer Erscheinungen,
z. B. die höchst auffallende Entwicklung der Rindenläuse, Chermes,
die wir später noch genauer zu betrachten haben werden, und bei
welcher, trotz der gegentheiligen Angaben Rarzegrurg’s, bis jetzt
nur zwei verschiedene parthenogenetische Bruten, dagegen keine
gamogenetische, nachgewiesen worden sind — LrucKkArT — müssen
ebenfalls hierher gerechnet werden, sind aber noch nicht völlig auf-
geklärt.
Alle die bisher als Heterogonie bezeichneten verwickelten Fortpflanzungs-
erscheinungen werden in den gewöhnlichen Lehrbüchern meist als Generations-
wechsel aufgeführt. Im Anschluss an die neueren Anschauungen reserviren wir
aber letzteren Ausdruck für diejenigen zusammengesetzten Entwicklungseyklen,
bei welchen Eifortpflanzung, und zwar in Form der Gamogenese, und Fortpflanzung
durch mehrzellige Keime (vergl. S. 81), gewöhnlich als Knospung oder
Theilung bezeichnet, abwechseln. Da Knospung und Theilung bei den Metazoen
lediglich auf die Typen der Coelenteraten und Würmer, letzteres Wort im
weitesten Sinne genommen, beschränkt sind, dagegen bei den Arthropoden nicht
vorkommen, so kann bei letzteren und demgemäss auch bei den Insekten von
einem Generationswechsel in unserem Sinne nicht die Rede sein.
Lehrbuch d. mitteieurop. Forstinsektenkunde. 9
KAPITEL V.
Die Insekten als natürliche und wirthschaft-
liche Macht.
Die Bedeutung der Insekten für den allgemeinen Naturhaushalt
ist trotz der durchschnittlich geringen Grösse und Masse des Einzelthieres
eine ganz hervorragende und wird bedingt durch die ungeheure Anzahl
der Arten und Individuen, in welchen sie über das feste Land und die
Binnengewässer vertheilt sind.
Ueber die geringe Durchschnittsgrösse der Insekten belehrt
uns am besten ein Blick in eine Sammlung. Ein Käfer oder eine
Heuschrecke, welche an Körpergrösse dem kleinsten Säugethiere un-
serer Fauna, der Zwergspitzmaus, oder dem kleinsten einheimischen
Vogel, dem Goldhähnchen, Regulus cristatus Koch, gleichkommen,
gehören schon zu den grössten Erscheinungen, und die scheinbar
ziemlich bedeutenden Dimensionen der Grossschmetterlinge kommen
fast ausschliesslich auf Rechnung der nur sehr wenig feste Körper-
masse enthaltenden Flügel. Hirschkäfer, Lucanus cervus L., Wander-
heuschrecke, Pachytylus migratorius L., einige Wasserjungfern aus den
Gattungen Anax und Aeschna, das grosse Nachtpfauenauge, Saturnia
Pyri ScHirr., sowie die Hornisse, Vespa Crabro L., dürften die grössten
Insektenformen unserer Fauna darstellen. Dagegen sind ganze Gruppen
sehr verbreiteter und wichtiger Insekten von durchschnittlich zwerg-
hafter Gestalt. Wir erwähnen hier beispielsweise nur die Borkenkäfer,
die Gallwespen und unter den Schlupfwespen im weiteren Sinne die
Chaleididae und Proctotrypidae.
Um so bedeutender ist die Anzahl der Gattungen und Ar-
ten. GerstÄcker hält die Annahme Hrer’s, die Insekten machten
allein vier Fünftheile aller vorhandenen Thierarten aus, noch für zu
niedrig gegriffen, und schlägt ihre Totalsumme auf wenigstens 180 000
Grösse, Menge und Verbreitung der Insekten. 131
Arten an, von denen 90000 auf Käfer, 25000 auf Hymenopteren,
24 000 auf Dipteren und 22000 bis 24 000 auf Lepidopteren kommen.
Der Staupınger’sche Katalog der Lepidopteren des europäischen Faunen-
gebietes verzeichnet an Grossschmetterlingen 415 Gattungen mit 2849
Arten, an Kleinschmetterlingen 316 Gattungen mit 3213 Arten, und der
durch von Hryven, Rertter und Weise 1883 aufgestellte Katalog der
Käfer Europas und des Kaukasus umfasst 209 dreispaltige, enggedruckte
Octavseiten, auf welchen 1605 Gattungen und, ganz abgesehen von
den zahlreichen Varietäten, 15860 Arten aufgeführt sind.
Dass auch die Menge der Individuen häufig eine sehr be-
deutende ist, lehrt schon der Umstand, dass die Insekten trotz ihrer
geringen Durchschnittsgrösse einen sehr wesentlichen Zug des sommer-
lichen Naturbildes auch in unseren Gegenden abgeben. In einzelnen
Fällen steigert sich bei der Einzelart die Individuenzahl aber in das
Unglaubliche. Wir erinnern an die schon bei uns mitunter so lästig
werdenden Mückenschwärme, die in tropischen Ländern und auf nor-
dischen Hochmooren sich zu sonneverfinsternden Wolken vermehren
können. Die riesigen Wanderheuschreckenzüge und die von ihnen
verursachten Verheerungen sind bekannt; die Züge der Libellula quadri-
maculata L. können bei uns mitunter ununterbrochen ein bis zwei
Tage dauern und einer von ihnen wurde, nach GurstÄcker’s Mit-
theilung, von Corxeuıus auf etwa 2400 Millionen Individuen taxirt.
Borkenkäfer-, Kiefernspinner- und Nonnenfrass sind forstlich die bekann-
testen Fälle solcher Vermehrungen.
Die räumliche Verbreitung dieses unzählbaren Insekten-
heeres ist nun fast ausschliesslich auf das feste Land und die Binnen-
gewässer, d. h. also, da das Meer fast drei Viertel der Erdober-
fläche einnimmt, auf wenig mehr als ein Viertel derselben beschränkt.
Im Meere wird es durch das dort nicht minder zahlreiche Heer der
krebsartigen Thiere ersetzt. Allerdings gibt es auch einige im Salz-
wasser lebende Insekten — besonders ist Halobates, eine nach Art
unserer einheimischen Hydrometra auf der Meeresoberfläiche herum-
laufende Wasserwanze, zu erwähnen [vergl. S. 122, 12, I., p. 279] —
indessen sind sie höchstens nach Dutzenden zu zählen und verschwinden
gegen die Hauptmenge der übrigen Insekten völlig.
Ja sogar so weit scheint sich der Antagonismus zwischen Meer
und Insektenorganismus zu erstrecken, dass die Insekten im allgemeinen
die Kontinente den Inseln vorziehen, und dass bei den auf kleineren,
heftigen Winden ausgesetzten Inseln lebenden Insektenformen häufig
die Flugfähigkeit, also ein ganz typisches Merkmal der Insekten-
organisation, verloren geht, wie die Käferfauna von Madeira und die
gesammte Insektenfauna von Kerguelenland beweist.
Auch die Süsswasserinsekten können nur als ein zwar grosser,
aber doch immerhin nicht völlig typischer Zweig der Kerfwelt an-
gesehen werden, da viele von ihnen nur die Entwicklungszeit im
Wasser zubringen, und diejenigen, welche das Süsswasser als dauern-
des Lebenselement wählen, dasselbe doch auch stets wenigstens zeit-
132 Kap. V. Die Insekten als natürliche und wirthschaftliche Macht.
weilig verlassen können und ihre Athmungsorgane (vergl. S. 56) immer
zur directen Athmung atmosphärischer Luft eingerichtet sind.
Dagegen hat sich, so weit der Mensch auch auf der festen Erd-
oberfläche vorgedrungen ist, überall Insektenleben vorgefunden, wenn-
gleich nicht zu verkennen, dass vom Aequator nach den Polen und
von dem Meeresspiegel nach den Berggipfeln zu eine Abnahme der
Arten- und in vielen Fällen auch der Individuenzahl, welche mit dem
sich vermindernden Pflanzenwuchse Hand in Hand geht, zu verzeich-
nen ist. Aber auch noch die äussersten Polarländer, sowie die höchsten
erreichten Berghöhen haben Insektenleben, und sogar den Eiswüsten
der Gletscher ist eine charakteristische Kerfform, der Gletscherfloh,
Desoria glacialis Nıc., eigen.
Drei Richtungen sind es, in denen die Thätigkeit der Insekten
besonders wichtig ist: Sie beschleunigen den Zerfall kränklicher oder
abgestorbener Organismen, sie bilden die nothwendige Nahrungsquelle
für andere Thiere, für die Insektenfresser, sie vermitteln die Kreuz-
befruchtung vieler Pflanzen.
Die Insekten als Zerstörer. Nach Kırgy und Spenxce halten
sich die von thierischen und pflanzlichen Substanzen nährenden Insekten-
formen annähernd die Wage. Die Bedeutung der lebende Pflanzen und
Thiere verzehrenden Kerfe liegt wesentlich in der durch sie bewirkten
Beschränkung einer übermässigen Vermehrung der ihnen als Nahrung
dienenden Organismen, dagegen beruht die Wichtigkeit der von ab-
gestorbenen Thier- und besonders Pflanzentheilen lebenden darauf, dass
sie deren Substanz eher in den Kreislauf des organischen Lebens wieder
zurückführen, als es der einfache Verwesungsprocess thun würde. Es
ist ein häufig wiederholter Ausspruch Lmxt’s, dass Fliegen einen Pferde-
cadaver ebenso schnell aufzufressen vermögen, als ein Löwe, ein
Paradoxon, welches allerdings durch die Schnelligkeit, mit der die
Schmeissfliegen sich vermehren und mit der ihre Larven wachsen,
eine Berechtigung erbält.
Besonders aber die gegen Witterungseinflüsse widerstandsfähigeren
abgestorbenen Pflanzentheile, Stengel, Stämme, Wurzeln u. s. f. werden
durch die Thätigkeit der Insekten rascher in Humus verwandelt als
es sonst der Fall wäre. Ein Baumstumpf, in den eine Ameisencolonie
sich einnistet, zerfällt z. B. viel schneller als ein anderer.
Die Insekten als Nahrungsquelle für andere Thiere.
Dass viele Thiere ausschliesslich von Insekten leben, und andere,
z. B. viele körnerfressende Vögel, wenigstens zu Zeiten einen grossen
Theil ihres Lebensunterhaltes dem Insektenreiche entnehmen, ist all-
gemein bekannt. Namentlich liefern die Gliederfüssler und Wirbelthiere
ein grosses Contingent an Insektenfressern. Die hauptsächlichsten For-
men der einheimischen Insektenfresser sind im Kapitel VI (S. 187
u. f.) übersichtlich zusammengestellt, ebenso wie die parasitisch in und
von Insekten lebenden Formen (S. 182 bis 187).
Die Rolle der Insekten in der freien Natur. 133
Die Insekten als Befruchter. Von früher ganz ungeahnter
Bedeutung ist die Wirkung der Insekten als Kreuzbefruchter der
Blumen. H. Mürter [Die Wechselbeziehungen zwischen den Blumen
und den ihre Kreuzung vermittelnden Insekten in Scuexk’s „Hand-
buch der Botanik”, I., 1881] sagt: „Für den Erfolg der Bestäubung
macht es einen grossen Unterschied, ob die Narbe einer Blüthe mit
Pollen desselben oder eines getrennten Pflanzenstockes belegt wird.
In manchen Fällen ist der Blüthenstaub einer Pflanze auf ihre eigene
Narbe so wirkungslos, wie ebenso viel unorganischer Staub; oder er
treibt zwar Schläuche, die aber nicht zu den Samenknospen gelangen,
oder diese werden zwar erreicht und befruchtet, bilden sich aber nur
zu kümmerlichen, keimungsunfähigen Samenkörnern aus. Alle solche
Pflanzen können als selbststeril bezeichnet werden. Beiweitem die
meisten Pflanzen sind nun zwar nicht selbststeril, sondern bringen
auch mit eigenem Pollen befruchtet eine kleinere oder grössere Zahl
entwicklungsfähiger Samenkörner hervor, aber in der Regel, wenn
nicht vielleicht sogar immer, wirkt die Befruchtung mit fremdem
Pollen, die Kreuzung, günstiger als die mit eigenem, die Selbst-
befruchtung. Aus Kreuzung mit einem fremden, unter anderen
Lebensbedingungen aufgewachsenen Stocke hervorgehende Nachkommen
sind durchschnittlich grösser, kräftiger und fruchtbarer, sie leisten
durchschnittlich feindlichen Einflüssen, wie z. B. plötzlichem Temperatur-
wechsel oder der Mitbewerbung anderer Pflanzen in dicht besetztem
Lande, viel wirksameren Widerstand als die aus Selbstbefruchtung
hervorgehenden Nachkommen. Nur unter günstigen Bedingungen für
sich aufwachsend, lassen die letzteren bisweilen kein Zurückbleiben
gegen die ersteren erkennen. In strengen Wettkampf mit ihnen ver-
setzt, werden sie regelmässig. von ihnen überwunden.”
Diese so wichtige Uebertragung des Pollens einer Pflanze auf
die Narbe der anderen und die hierdurch bewirkte Kreuzbefruch-
tung kann durch das Wasser, durch den Wind oder durch
Thiere bewirkt werden, und man unterscheidet demnach Wasser-,
Wind- und Thierblüthler. Die ersten bilden eine beschränkte
Minderzahl.
Windblüthler sind alle Nadelhölzer und diejenigen Mono- und
Dieotyledonen, welche wenig auffallende Blüthen haben, also beiläufig
gesagt die meisten unserer forstlich wichtigen Holzarten.
Dagegen sind Thierblüthler die übrigen Pflanzen mit zu wirk-
lichen Blumen entwickelten Blüthen. Mögen bei ihnen auch Schnecken
und Vögel in vereinzelten Fällen die Pollenübertrager sein, so sind es
doch in beiweitem den meisten Fällen Insekten, welche hier die Kreuz-
befruchtung bewirken, und zwar vornehmlich Zweiflügler, Schmetterlinge
und Bienen.
Man kann also mit vollem Rechte behaupten, dass die Insekten
nicht nur als Zerstörer, sondern häufig auch als Beförderer der Vege-
tation auftreten.
154 Kap. V. Die Insekten als natürliche und wirthschaftliche Macht.
Die Insekten als wirthschaftliche Macht überhaupt. Für eine
allgemeine Würdigung der Beziehungen zwischen Insekten und Gesammt-
heit der organischen Natur gibt es die Begriffe „nützlich” und „schäd-
lich” nicht. Ihr erscheint jedes Insekt als ein jedem anderen Geschöpfe
gleichberechtigtes, nothwendiges Glied der organischen Welt. Erst in
dem Augenblicke, in welchem der Mensch den Anspruch erhebt, „Herr
der Natur” zu sein und als wirthschaftliche Macht in die Natur
eintritt, schafft er diese Begriffe.
Als nützlich bezeichnet er nun alles, was seine Existenz zu sichern
und seine wirthschaftlichen Massregeln zu fördern geeignet scheint, als
schädlich alles, was seine Existenz oder den Erfolg seiner wirthschaft-
lichen Massregeln bedroht.
Es darf aber hierbei nicht übersehen werden, dass eine absolute
Entscheidung der Frage, ob ein Thier nützlich oder schädlich ist, in
vielen Fällen gar nicht beigebracht werden kann. Diese Entscheidung
wird verschieden ausfallen je nach den speciellen Interessen des jeweili-
sen Beurtheilers, und sogar ein und dieselbe Person wird von ver-
schiedenen Gesichtspunkten aus ein und dasselbe Thier bald als nützlich,
bald als schädlich zu bezeichnen haben. Hase und Fuchs sind deut-
liche Beispiele hiefür. Dem die Jagdfreuden schätzenden und das
Wildpret verwerthenden Jäger erscheint derselbe Hase als nützlich,
welchen der Gärtner, dem er die Baumschule ruinirt und den Kohl
abgefressen hat, als sehr schädlich bezeichnet, und derselbe Forstmann,
der als Waidmann und Pfleger der Niederjagd den Fuchs als überaus
schädlich verfolgt, beginnt an Schonung Reinekes jedesmal dann zu
denken, wenn ein Mäusefrass seine Kulturen bedroht und er seinen
früheren Feind nun als nützlichen Bundesgenossen im Kampfe gegen
die verderblichen Nager begrüsst.
Auf diese Weise erklärt sich auch die Schwierigkeit der Auf-
stellung eines Verzeichnisses der nützlichen Vögel.
Die nützlichen Insekten. Von den Insekten werden daher im
allgemeinen diejenigen als nützlich bezeichnet, welche entweder für den
Menschen selbst unmittelbar verwerthbar sind, beziehungsweise verwerth-
bare Producte liefern, oder durch ihre Thätigkeit schädliche Pflanzen
und Thiere in Schranken halten.
Als Beispiele der ersten Gruppe sind bekannt die Cochenillen-
laus, Coccus Cacti L., der Seidenspinner, die Gallwespen u.s.f. Aus der
zweiten Gruppe sind anzuführen sämmtliche Insekten, welche den
Unkrautwuchs beschränken, als da sind, um ein forstliches Beispiel
zu wählen, die das forstlich so unwillkommene Haidekraut verzehren-
den Insekten. So frass z. B. nach Jupeıcm’s Beobachtungen in der Mitte
der Sechziger-Jahre Galleruca Capreae L. bei Weisswasser so massenhaft
Nützliche und schädliche Insekten im allgemeinen. 135
an der Haide, dass dieses Insekt wirklich nützlich genannt werden
konnte, und die sonst als Laubholzschädiger bekannten Lina Populi L.
und Saperda populnea L. können, da wo die von ihnen so häufig
angegangenen Aspenausschläge dem Forstmanne unwillkommen sind,
wie z. B. in Nadelholzkulturen, als nützlich bezeichnet werden. Des-
gleichen kann der Forstmann alle Insekten, welche den verschiedenen
Senecio-Arten schaden, als nützliche Bundesgenossen begrüssen, da
auf diesen Pflanzen ein Rostpilz, Coleosporium Senecionis F'r., lebt,
welcher mit dem den Kiefern so verderblichen Kiefernblasenroste,
Peridermium Pini WALLRr. im Generationswechsel steht. Das Auftreten
des Kiefernblasenrostes in einem Revier ist also an das Vorhanden-
sein von Senecio gebunden und letztere Pflanze daher als forstschädlich,
ihre Feinde dagegen als nützlich zu bezeichnen. Desgleichen sind viele
insektenfressende und parasitisch in anderen Kerfen sich entwickelnde
Insekten im allgemeinen als nützlich zu betrachten. Als Beispiel
bringen wir hier nur die Schlupfwespen bei.
Die schädlichen Insekten. Als schädlich sieht man diejenigen
Insekten an, welche entweder das Leben und die Existenz des Menschen
selbst, sowie seine Hausthiere bedrohen oder in betreff der Nahrung und
Wohnung auf solche Gegenstände angewiesen sind, die der Mensch selbst
wirthschaftlich nützt.
Die ganze Viehherden tödtenden Schaaren der Kolumbatscher
Mücke, Simulia Columbatschensis FAgr., in Ungarn, sowie die gleich-
falls die Herden gefährdende Tsetsefliege, Glossina morsitans, im
tropischen Afrika, und der in Südamerika so böse Entzündungen der
unteren Extremitäten des Menschen verursachende Sandfloh, Sarcopsylla
penetrans L., können hier neben allem bekannteren, schädlichen Un-
geziefer Erwähnung finden.
Beispiele von Insekten, welche deshalb als schädlich angesehen
werden, weil sie Gegenstände des wirthschaftlichen Gebrauches des
Menschen in Concurrenz mit ihm als Nahrung und Wohnung benützen,
sind so zahlreich und bekannt, dass wir hier nur auf Coloradokäfer und
Hessenfliege, Cecidomyia destructor Say, als Feinde der Landwirth-
schaft, Kiefernspinner und Nutzholz-Borkenkäfer als Forstschäd-
linge, Apfelmade, Larve von Carpocapsa pomonana L. und Kohl-
weisslingsraupe, als Gartenfeinde, Holzwurm, Anobium pertinax L.,
Kleidermotte, Tinea pellionella L., undSchaben, Periplaneta orientalisL.,
als Feinde der Hauswirthschaft hinweisen können. Ja Gewerbe,
welche scheinbar der Insekteneinwirkung völlig entzogen sind, können
durch wunderbare Verknüpfung von Umständen zeitweilig von solchen
geschädigt werden, z. B. die Schwefelsäurefabrikation: in dem Falle
nämlich, wenn die Larven der grossen Holzwespe, Sirex gigas, in den
zur Verschalung der Bleikammern dienenden Brettern im Verlauf
ihres Nagewerkes auf die Bleiplatten kommen, auch diese mit ihren
scharfen Kiefern durchlöchern und so der schwefligen Säure einen Ausweg
frei machen.
136 Kap. V. Die Insekten als natürliche und wirthschaftliche Macht.
Die forstwirthschaftliche Bedeutung der Insekten.
Der rationellen Forstwirthschaft sind bis jetzt lediglich erschlossen
die westliche kleinere Hälfte derjenigen Gegenden, die GrisesacH als
das Waldgebiet des östlichen Kontinents bezeichnet und in seinem
Mittelmeergebiet ein Theil der italienischen, spanischen und algierischen
Waldungen. Während man also überall, wo Baumwuchs vorkommt, von
Wald- oder Bauminsekten reden kann, so kann man nur für dieses
Gebiet von Forstinsekten sprechen und versteht hierunter alle die-
jenigen Insekten, welche für den Forstmann eine praktische Bedeutung
haben.
Die nützlichen und schädlichen Forstinsekten im allgemeinen.
In der Fauna der rationell bewirthschafteten Waldungen des eben be-
zeichneten Bezirkes kommen forstlich direct nützliche, d. h. an sich
selbst verwerthbare oder verwerthbare Producte liefernde Insekten nur
in beschränktem Masse vor. Zu erwähnen wären nur die andererseits als
Laubholzbeschädigerin zu verurtheilende spanische Fliege, Lytta vesicatoria,
die Knopperngallwespe, Cynips calycis, deren Gallen in Oesterreich-
Ungarn eine nicht unbedeutende Nebennutzung der Eichenwälder bilden,
und jetzt allerdings nur noch in Russland, früher aber auch bei uns, die
wilden Bienen. So berichtet 1829 von PAannewirz |Das Forstwesen von
Westpreussen, p. 116 und 117], dass die wilde Bienenzucht in West-
preussen, besonders unter polnischer Herrschaft, eine sehr bedeutende
Einnahmequelle in Staats- und Privatforsten bildete.
Es wurden Benten, d. h. Bienenstöcke, dadurch hergestellt, dass in die
stärksten Kiefernstämme Löcher von 4—5 Fuss Länge, 1—1!/, Fuss Tiefe und
nur 8 Zoll breiter Oeffnung, oft mehrere über einander, eingehauen und bis auf
ein Flugloch durch eine breite, platte, mit Weidenruthen vorgebundene Holz-
klobe wieder verschlossen wurden. Diese von einer besonderen Innung der Wald-
bewohner, den „Beutnern”, hergestellten Stöcke wurden ihnen gegen Zins oder
Naturalhoniglieferung überlassen, und es brachte noch im Jahre 1773 im Schloch-
auer Beritt die Beutenpacht fast ebensoviel ein, nämlich 507 Thaler, wie die Holz-
nutzung mit 523 Thaler 25 Sgr. Im Jahre 1785 waren in eben diesem Beritt noch
821 beflogene und 3060 unbeflogene Beutenstämme vorhanden, und es dürften bei
der preussischen Besitznahme im Jahre 1772 leicht 20 000 Beuten in den west-
preussischen königlichen Forsten vorhanden gewesen sein.
Auch den forstwirthschaftlich indireet nützlichen Insekten, den
insektentödtenden, welche, wie z. B. die Schlupfwespen und die Raupen-
fliegen, der Forstmann als treueste Bundesgenossen bei der Bekämpfung
von Insektenverheerungen schätzt, steht er dennoch gewissermassen passiv
gegenüber, da er keine Mittel hat, sie nach Bedürfniss da- oder dorthin
zu dirigiren. Wir betrachten dieselben genauer in dem Abschnitte: „Die Be-
schränkung der Insektenschäden durch natürliche Einflüsse” (S. 182 bis 189).
Die Forstinsekten und die von ihnen verübten Pflanzenbeschädigungen. 137
Nur einige wenige Forstinsekten sind dem Menschen direet schäd-
lich. Hierher sind vor allem zu rechnen die Raupen der Gattung Cnetho-
campa, der Processionspinner, deren Haare auf weiche Hautstellen von
Menschen und Thieren und besonders auf Schleimhäute gebracht, unan-
genehme und nicht selten gefährliche Entzündungs-Erscheinungen hervor-
rufen. Aehnliches ist, wenn auch in geringerem Masse, von einigen
anderen behaarten Raupen zu berichten.
Indirect schädlich, nämlich durch Zerstörung werthvoller Forst-
producte, sind dagegen eine grosse Menge der den Forst bewohnenden
Insekten. Man kann dieselben betrachten einmal mit Rücksicht auf die
Art der von ihnen verübten Beschädigung, zweitens auf die Grade ihrer
Schädlichkeit.
Die verschiedenen Arten der durch Insekten verübten Beschädi-
gungen an Holzpflanzen. Die Insektenangriffe auf Holzpflanzen, welche
hier mit reichlicher Benützung der neueren Arbeiten Frank’s [XXV]
abgehandelt werden, sind:
1. Verletzungen, die mit Zerstörung fester Pflanzensubstanz
verbunden sind,
2. Verletzungen, die nur Saftverlust zur Folge haben,
3. dauernde Reizwirkungen, welche die Pflanze zur Erzeugung
krankhafter Neubildungen, sogenannter Gallen, veranlassen.
Verletzungen, die mit einem Verluste fester Pflanzensubstanz ver-
bunden sind, sind beiweitem die häufigsten. Sie werden hervorgebracht
durch Insekten-Imagines oder -Larven mit kauenden Mundwerkzeugen.
Der Rüsselkäfer, der die Rinde eines Fichtenpflänzchens schädigt, die
Raupe, die ein Laubblatt auffrisst, der Borkenkäfer, welcher einen Gang
in Rinde und Splint nagt, die Wicklerraupe, die eine Knospe aushöhlt
und die Holzwespe, welche sich mit ihren scharfen Kiefern ein Flugloch
frisst, schädigen ihre Nährpflanzen sämmtlich in dieser Weise.
Ganz anders wirken die Insekten mit saugenden Mundwerkzeugen.
Diese können keine feste Pflanzensubstanz zerstören. Die durch ihre
feinen Saugrüssel angerichteten direeten Verletzungen sind meist sehr
unbedeutend, dagegen ist für die Pflanze der durch ihr Saugen bewirkte
Saftverlust schädlich. Die Anzahl der so wirkenden Forstschädlinge ist
verhältnissmässig gering; wir erwähnen als Beispiel die Blattläuse und
Verwandte.
Bei der dritten Art der Schädigung ist weder der Verlust an
Pflanzensubstanz, noch der an Saft das Wesentliche, sondern der dauernd
durch das Insekt hervorgebrachte Reiz an jungen, noch neubildungs-
138 Kap. V. Die Insekten als natürliche und wirthschaftliche Macht.
fähigen Pflanzentheilen. Diese werden hierdurch häufig zur Erzeugung
krankhafter Neubildungen angeregt, welche erfahrungsgemäss ganz be-
stimmte, nach Insekten- und Pflanzenart, ja sogar nach den Pflanzen-
theilen wechselnde Formen annehmen und Gallen oder Cecidien
genannt werden.
Eine genaue allgemeine Charakteristik des Begriffes Galle wird durch
die ausserordentliche Mannigfaltigkeit dieser Bildungen unmöglich gemacht. An
höheren Pflanzen versteht man unter Galle eben jedes vielzellige Organ, das in
Folge des dauernd durch ein Thier ausgeübten Reizes eine, meist mit starken
abnormen Wachsthumserscheinungen verbundene, morphologische und histologische
Veränderung seines Charakters erlitten hat.
Gallerzeugende Insekten — von den gallerzeugenden Rundwürmern,
Nematoden und den Gallmilben (vergl. S. 19 bis 23) müssen wir an dieser Stelle
absehen — kennen wir in den Gruppen der Käfer, Hautflügler, Schmetterlinge,
Zweiflügler und Schnabelkerfe. Die geringste praktische Bedeutung haben die
Käfer- und Schmetterlingsgallen. Am wichtigsten sind die von den Hautflüglern
und besonders die von den Gallwespen namentlich an den verschiedenen
Eichenarten erzeugten. Ihnen reihen sich der Wichtigkeit nach die Zweiflügler-
gallen, hauptsächlich von Gallmücken erzeugt, an und erst dann folgen die
Schnabelkerf- und speciell die Blattlausgallen.
Das den Reiz ausübende Thier kann seinen Sitz entweder an der Aussen-
seite oder im Inneren des betreffenden Pflanzentheiles haben. Als Beispiel eines
durch äusserliche Angriffe Gallen erzeugenden Thieres führen wir die, eine Art des
Buchenkrebses hervorbringende Blattlaus, Lachnus exsicator Arr., auf. Ueberhaupt
entstehen alle Blattlausgallen ursprünglich durch äussere Angriffe, die dieselben
erzeugenden Thiere werden aber mitunter allmälig von der wuchernden Galle
umschlossen, so z. B. die taschenartige Beutelgallen an den Ulmenblättern ver-
ursachenden Formen. In diesen Fällen ist der Gallerzeuger auch meist eine Imago,
indessen können, wenngleich seltener, auch gleichzeitig Larven durch äussere
Angriffe gallbildend wirken, z.B. die Larven von Chermes. Gallerzeuger, die im
Inneren des Pflanzentheiles ihren Sitz haben, sind stets Larven, beziehungsweise
noch in der Eischale eingeschlossene Embryonen, die in der Galle ihre Ver-
wandlung durchmachen. Solche Larven können entweder durch eigene Thätigkeit
in die Pflanzensubstanz eindringen — so z. B die aus einem äusserlich an die
Rinde abgelegten Eie schlüpfende Larve von Saperda populnea L., welche be-
sonders an Aspenäusschlag knotige Anschwellungen der Aeste hervorruft — oder
aber bereits innerhalb derselben, aus einem von dem Mutterthiere mit Hilfe des
Legbohrers in den Pflanzentheil versenkten Eie, ausschlüpfen. So stechen z. B. die
eigentlichen Gallwespen, Cynipidae, verschiedene noch wachsende Theile der Eichen
an, um in dieselben ihre Eier abzulegen, und es ist die Bildung der Galle bereits
während der Embryonalentwicklung der Gallwespe im vollen Gange. Worin eigentlich
der Reiz besteht, auf welchen hin die Pflanze durch die Erzeugung einer Galle
reagirt, ist noch nicht völlig aufgeklärt. Die neueren Arbeiten, besonders die von
M. W.Berverisck, machen es aber höchst wahrscheinlich, dass weder die mecha-
nische Beschädigung des Pflanzentheiles, noch auch bei denjenigen Gallinsekten,
bei welchen das Mutterthier die Pflanze behufs Ablage der Eier mit dem Leg-
stachel ansticht, ein von der Mutter in die Pflanze eingebrachtes ätzendes Secret
die direete Ursache des Reizes ist. Vielmehr sprechen viele Anzeichen dafür, dass
ein von dem sich entwickelnden Embryo, beziehungsweise von der Larve selbst
erzeugtes Secret den Reiz bewirkt. Es wird daher wohl anzunehmen sein, dass
auch bei den von Imagines erzeugten Gallen ein Secret, hier vielleicht der
Speichel, die die Gallwucherung bedingende Ursache ist.
Kein noch zur Erzeugung von Neubildungen fähiger Pflanzentheil bleibt von
den Angriffen der Gallerzeuger verschont. Wurzel und Stamm, Blätter und Knospen,
Blüthen und Früchte können Gallen tragen, beziehungsweise sich in solche ver-
wandeln. Sehen wir von den wohl nur durch Angriffe von Gallmilben hervor-
Die Insektengallen. Wurzelbeschädigungen durch Insekten. 139
gebrachten abnormen Haarbildungen ab (vergl. S. 21), so können wir als Haupt-
formen der von Insekten erzeugten Gallen bezeichnen:
1. Krümmungen, Rollungen, Faltungen und Umrissverände-
rungen an Blättern, Blattstielen und Stengeln. Mit ihnen sind häufig
Verdiekungen der einzelnen Organe verbunden. Besonders sind es Gallmücken
und Blattläuse, die diese Wirkungen hervorbringen.
2. Beutel- und Taschengallen an Blättern. Diese werden, ausser
durch Gallmilben, sehr häufig durch Blattläuse hervorgebracht, hervorragende
Beispiele derselben sind die von Schizoneura lanuginosa Hrsg. an Ulmenblättern
hervorgebrachten grossen Blasen, sowie die von der Reblaus an den Blättern der
amerikanischen Reben erzeugten Gallen.
3. Knospenanschwellungen und Triebspitzendeformationen,
verbunden mit Kurzbleiben der Achse und überhäufter Blätterbildung. Die er-
zeugenden Thiere leben alsdann zwischen den krankhaft veränderten Blättern.
In diesen Fällen sind die Schädlinge meist Schnabelkerfe, z. B. die ananas-
förmige Gallen an Fichten hervorrufenden Chermes-Arten, oder Gallmücken,
z. B. Cecidomyia rosaria Lorw, welche an verschiedenen Weidenarten die
bekannten Weidenrosen hervorbringt.
4. Krebsbildungen, d. h. bösartige, zu Gewebszerstörungen führende,
äussere Anschwellungen an Zweigen und Wurzeln. Die von der Blutlaus, Schizoneura
lanigera Hausm., an Apfelbäumen und die von der Reblaus an den Rebwurzeln
erzeugten Schädigungen gehören in diese Abtheilung.
5. Eigentliche Gallen, welche sich an den verschiedensten Pflanzen-
theilen durch Gewebswucherungen um einen in dem Gewebe befindlichen Para-
siten bilden und im Inneren stets eine Larvenwohnung haben. Diese werden theils
von Schmetterlingen — die Zweiggallen von Grapholitha Zebeana Rarz. an Lärche
— theils von Kätern — die Gallen von Ceutorhynchus suleicollis Gyrr. an den
Wurzelhälsen der Brassica-Arten — theils von Gallmücken — die Gallen von Ceci-
domyia saliciperda Dur. an den Stämmen und Aesten der Weiden — theils von
Blattwespen — die rothen Blattgallen von Nematus Vallisnerii Hre. an ver-
schiedenen Weiden — besonders aber von Gallwespen an den verschiedenartigsten
Theilen der Eichen erzeugt. Letztere werden im speciellen Theile eingehende
Besprechung erfahren. Wir verweisen vorläufig auf die S. 127 abgebildete Galle
von Biorhiza terminalis FAur.
Die Folgen der eben genannten drei Arten direeter Insekten-
angriffe sind nun sehr verschieden, je nach den Pflanzentheilen, an
denen sie erfolgen. Wir haben zunächst Wurzel-, Blatt-, Rinde-
sowie Holzkörperbeschädigungen zu unterscheiden.
Wurzelbeschädigungen können erzeugt werden entweder durch
grabende Kerfe, welche beim Bau ihrer unterirdischen Gänge die Wurzeln
zerreissen oder zerbeissen, oder durch Wurzelfresser, oder durch an
den Wurzeln saugende, respective an ihnen Gallen erzeugende In-
sekten. Unter den grabenden Kerfen ist vornehmlich die Werre oder
Maulwurfsgrille zu nennen, als Wurzelfresser sind namentlich Käfer-
larven, als da sind Engerlinge, Drahtwürmer u. s. f., sowie einige
unterirdisch lebende Raupen, z. B. die der Kiefernsaateule, anzuführen.
An Wurzeln saugende Insekten werden dem Forstwirthe nur wenig
nachtheilig, während der Weinbauer augenblicklich an vielen Orten
durch die Reblaus geschädigt wird. In allen Fällen sind es zunächst
die feinen, noch nicht verholzten Wurzeln, welche zerstört werden.
Der hierdurch hervorgebrachte Schaden beruht darauf, dass diese
Wurzeln die das Wasser und die gelösten mineralischen Nährstoffe
140 Kap. V. Die Insekten als natürliche und wirthschaftliche Macht.
aufsaugenden Organe sind. Als nächste Folge einer ausgiebigeren
Wurzelbeschädigung tritt daher stets eine ungenügende Wasserzufuhr
ein, die sich sehr bald durch Welkwerden der Blätter und der
saftigen Triebe kundgibt. Betrifft die Schädigung nicht allein die
feinen Wurzeln, sondern auch die stärkeren, wird besonders auch die
Pfahlwurzel junger Stämme mit ihren Verzweigungen durchschnitten,
wie dies z. B. bei Akazien durch den Frass der Larve von Poly-
phylla fullo L. vorkommt [XVI, 2. Aufl. III. 590 und 591], so ver-
liert die Pflanze ausserdem auch den festen Halt im Boden und
wird leieht durch Wind oder ähnliche Angriffe aus der Erde gerissen.
Blattbeschädigungen können entweder in gänzlicher Entfernung
oder in theilweiser Zerstörung der Laubblätter, unter denen hier im
streng botanischen Sinne natürlich auch die Nadeln der Coniferen
begriffen werden, bestehen. Erstere wird hauptsächlich durch blatt-
fressende Imagines oder Raupen bewirkt; die bekanntesten Beispiele
hierfür sind Maikäfergund grosse Kiefernraupe.
Eine theilweise Zerstörung der Blattsubstanz wird sowohl durch
das Blatt skeletirende oder in dem Blatte lebende und das Mesophyll
oder Blattfleisch ausfressende Larven verursacht oder durch die Stiche
saugender Thiere, sowie durch gallerzeugende Insekten. Die Larven
vieler Ohrysomeliden, die die Blätter minirenden Käfer- und Klein-
schmetterlingslarven — wir erwähnen speciell Lina Populi L. an Pappel
und Agelastica Alni L. an, Erle als Blattskeletirer, Orchestes Fagi L. an
Buche und Tinea complanella Hp. an Eiche als Blattminirer — sind
hierher zu rechnen. Auf ein typisches Beispiel von blattaussaugenden
Schädlingen haben wir bereits bei den Arachnoideen hingewiesen auf
den Tetranychus telarius L. (vergl. S. 23).
Die durch Blattzerstörungen hervorgerufene Schädigung der Holz-
gewächse beruht in letzter Instanz in der Verminderung oder gänz-
lichen Vernichtung der chlorophyllhaltigen Organe, also derjenigen,
durch welche von der Pflanze die Kohlensäure der atmosphärischen
Luft aufgenommen wird und in denen aus eben dieser Kohlensäure und
aus Wasser unter Mithilfe anderer Nährstoffverbindungen und unter dem
Einflusse des Sonnenlichtes organische Substanz erzeugt und Sauerstoff
ausgeschieden wird. Dieser bekanntlich als Kohlensäure-Assimilation
bezeichnete Vorgang wird also durch Blattzerstörungen beeinträchtigt
oder aufgehoben, desgleichen auch die wesentlich an denselben Organen
vor sich gehende Wasserverdunstung.
Als Beschädiger der Rinde, speciell der Borke und des
Weichbastes kommen in praktischer Hinsicht meist nur die nagenden
Insekten in Betracht und ausserdem solche saugende, welche Rinden-
krebs verursachen. Die Angriffe der nagenden Insekten können entweder
von aussen erfolgen, so dass der Holzkörper völlig frei gelegt wird,
oder ohne Entblössung desselben, indem Gänge in Rinde und Splint
gefressen werden.
Als wichtige, die Rinde gänzlich entfernende und zugleich gewöhn-
lich das Cambium und die äussersten Splintschichten verletzende Schäd-
Blatt-, Rinden- und Holzkörperbeschädigungen. 141
linge führen wir beispielsweise auf, an jungen Nadelhölzern den grossen
braunen Rüsselkäfer, Hylobius Abietis L., an Eschen die Hornisse,
Vespa Crabro L.
Beiweitem zahlreicher sind die durch Anlage innerlicher Gänge
den Weichbast und die äussersten Splintschichten vernichtenden Schäd-
linge. Hierher gehören vor allen Dingen die meisten Borkenkäfer,
viele Rüsselkäfer, z. B. die Pissodes- Arten und eine Reihe von
Kleinschmetterlingen, z. B. der Fiehtenrindenwickler, Grapholitha
pactolana Zu.
Eine Verletzung der eigentlichen Borke ist ohne alle Bedeutung.
Anobium-Arten können in derselben zahlreiche, mit braunem Bohr-
mehl ausgefüllte Gänge fressen, ohne dass der Baum den geringsten
Schaden erleidet. Form und Stärke der Borke werden forstentomologisch
nur dadurch wichtig, dass sie gewisse Schutzmassregeln gegen Insekten
erleichtern oder erschweren, so z. B. das Sammeln der Nonneneier,
welches an den dickborkigen Kiefernstämmen unmöglich, auf den mit
feinschuppiger Rinde versehenen Fichten aber wohl durchführbar
ist. So schadet auch die Anlage von Theerringen direct auf der
Borke weder der Kiefer, noch auch den stärkeren Obstbäumen.
Dagegen sind Beschädigungen der Innenrinde und des Weich-
bastes im höchsten Grade gefährlich. Fast ausschliesslich in dieser
Schicht liegen nämlich, wenigstens bei den forstlich in Frage kommenden
Pflanzen, die Wege für die Leitung der stickstoffhaltigen Nährstoffe,
welche während der Zeit, in welcher eine Assimilation stattfindet, von
den assimilirenden Organen, den Blättern, nach dem Stamme und den
Wurzeln zu, also im ganzen abwärts, bei Beginn der neuen Vegetations-
periode, im Frühjahr, aber stammaufwärts, den noch unentwickelten
Knospen aufgespeicherte Reservestoffe zuführend, wandern, eine Wan-
derung, die durch Zerstörung des Weichbastes je nach der Ausdehnung
der Beschädigung ganz oder theilweise unterbrochen wird.
Verletzungen des Holzkörpers einschliesslich der Markröhre
selbst sind ausschliesslich von in demselben Gänge nagenden Insekten
verursacht, niemals durch saugende. Als hervorragende Schädlinge,
welche so wirken, führen wir die Holzwespen, Sirex, und unter den
Borkenkäfern Tomicus dispar Far. an. Auch die Herbstthätigkeit
des Waldgärtners, des Hylesinus piniperda L., welcher zu dieser Zeit
die Markröhren der Kieferntriebe ausfrisst, ist hier anzuführen. Tritt,
wie z. B. in letzterem Falle, eine solche Schädigung an schwachen
Zweigen ein, so wird zunächst die Widerstandsfähigkeit derselben
gegen äussere mechanische Angriffe, z. B. gegen den Wind, sehr
beeinträchtigt, wie wir an den massenhaft durch die Herbst-
stürme herabgeworfenen, von dem Waldgärtner ausgehöhlten Kiefern-
trieben sehen. Aber auch eine physiologische Schädigung der Holz-
gewächse kann auf diese Weise erfolgen. Dies beweist besonders der
grosse Schaden, welchen der eben erwähnte Tomicus dispar, dessen
Gänge, von dem ersten, die Rinde radial durchbohrenden Eintritts-
142 Kap. V. Die Insekten als natürliche und wirthschaftliche Macht.
gange abgesehen, ausschliesslich im Holze verlaufen, in Jüngeren
Laubholzbeständen anrichtet. Es ist dieser Schaden wohl darauf zurück-
zuführen, dass einmal die Bewegung des Wassers und der in ihm
gelösten mineralischen Nährstoffe, andererseits die Leitung der stick-
stofffreien Nährstoffe, der Kohlenhydrate, wesentlich durch den Holz-
körper vermittelt und bei Beschädigung desselben beeinträchtigt wird.
Stärke findet sich nämlich in den jüngeren Holzzellen und in den
Markstrahlen besonders im Herbst in grösserer Menge.
Entblössungen und Verletzungen des Holzkörpers können aber
auch insofern indireet schädlich werden, als durch sie bequemere
Wege für das Eindringen von Pilzen oder Pilzsporen geschaffen werden,
also von Organismen, welche Zersetzungserscheinungen des Holzes,
Wandelbarkeit desselben hervorrufen.
Sowohl durch direete Insektenangriffe, als auch indireet durch die
bei den eben geschilderten Schädigungen von Wurzeln, Blättern, Rinde
und Holz eintretenden Störungen der physiologischen Functionen können
an den Holzpflanzen ferner leiden, beziehungsweise zu Grunde gehen,
Triebe, Zweige, Aeste, ja sogar die ganze Krone oder wenigstens
die Knospen, aus denen sich solche Organe in der Folge entwickeln
sollten. Durch die gleichen Ursachen können auch Blüthen oder
Früchte direet geschädigt, oder deren Entstehung oder normale Aus-
bildung verhindert werden.
Solche Sebädigungen haben dann, ausser den auch wieder von ihnen
mitbedingten weiteren physiologischen Störungen des Baumlebens, erstere
Störungen der normalen Ausbildung der Pflanzenform, letztere
Verminderung der natürlichen Vermehrung durch Samen im
Gefolge.
Als bestes Beispiel für Störung der normalen Baumformausbildung
ist die Herbstthätigkeit des Waldgärtners, Hylesinus piniperda L.,
anzuführen. Aeltere Kiefern verlieren durch seine Angriffe oft so
viele Triebe an dem ganzen Mantel der Krone, dass diese, gleichsam
durch den Waldgärtner verschnitten, ihre gewölbte Form einbüsst, die
Gestalt einer Fichten- oder Cypressenkrone erhält und auch im Inneren
fehlerhafte Verzweigungen bekommt.
Als Zerstörer forstlich wichtiger Samen seien beispielsweise er-
wähnt: in den Fichtenzapfen Anobium Abietis Fagr., Grapholitha
strobilella L., Dioryctria abietella S. V.; in Kiefernzapfen die letztere
und Pissodes notatus FArr.; in den Bucheln Grapholitha grossana Hw.;
in Eicheln Graph. splendana Hpx., Balaninus turbatus Gyrı., B. glan-
dium Mrsn. und B. elephas Schu., letzterer an Quercus cerris L. Alle
diese und verwandte Feinde der Blüthen und Früchte sind aber forstlich
nicht von grosser Wichtigkeit. Beachtenswerther sind Blüthenfeinde dem
Obstzüchter, z. B. der die Blüthen der Apfel- und Birnbäume zer-
störende Rüsselkäfer, Anthonomus pomorum L., sowie die Obstmade,
Schädigung der Baumform u. der natürl. Vermehrung. Heilungsvorgänge. 143
Graph. pomonella L. Forstlich wichtiger ist der indireete Einfluss des
Insektenfrasses auf das Blühen und Samentragen der Bäume. Die Er-
fahrung hat wiederholt gezeigt, dass nach Raupenfrass, z. B. nach
dem des Rothschwanzes, der Nonne, des Goldafters ete., im Nachjahre
eine Verminderung des Blühens und Samentragens folgt. Diese allge-
meine Verminderung ist weit bedeutungsvoller, als die direete Zer-
störung verhältnissmässig weniger Blüthen und Früchte durch vor-
stehend genannte Insekten, sowie durch einige Knospenfresser.
Mit alleiniger Ausnahme der Zerstörung von Blüthen und Früchten
können alle soeben kurz gekennzeichneten Angriffe, wenn sie intensiv
genug sind, den Tod, wenn sie geringer sind, ein Kränkeln des
Baumes zur Folge haben. Ist nur letzteres der Fall, so treten eine
Reihe von Erscheinungen ein, welche auf die Ausgleichung des erlittenen
Schadens abzielen und welche wir als Heilungsvorgänge zusammen-
fassen können. So tritt nach Beschädigung der Wurzeln oder Triebe eine
Neubildung von solchen ein, der Verlust der Laubblätter wird durch
Neubildung blättertragender Zweige, durch das sogenannte Wiederergrünen
ausgeglichen. Die Rinden- und Holzbeschädigungen heilen aus durch
allmälige Ueberwallung der Wunden.
Ehe die Heilung vollständig ist, vergeht aber meist ein längerer
Zeitraum, und während desselben tragen die Lebenserscheinungen der
Pflanze ein abnormes, krankhaftes Gepräge. Solche Erscheinungen,
in denen sich das Kränkeln der Holzgewächse ausdrückt, sind: 1. Das
Auftreten von nach Form und Dimensionen ungewöhnlichen Neubildungen.
2. Die Entstehung der Ersatztheile aus stellvertretenden Trieben oder
schlafenden Knospen. 3. Die Minderung des Zuwachses.
Das Auftreten ungewöhnlicher Neubildungen. Im all-
gemeinen sind die in ihren Dimensionen veränderten kränkelnden Neu-
bildungen kleiner und spärlicher als die normalen. Dünne Belaubung
im Jahre nach der Besehädigung, beziehungsweise nach einem Kahl-
frasse ist bei den Laubbäumen häufig. Nach Nonnenfrass scheinen die
Bäume in dem auf die Beschädigung folgenden zweiten Jahre am meisten
zu leiden. Es erhalten alsdann die neuen Triebe bei der Fichte häufig
nur ganz kurze Nadeln, sie bleiben „Bürstentriebe” (Fig. 91). Bei
der Kiefer entstehen nach Kahlfrass proleptisch aus Seitenknospen
Rosettentriebe, d. h. ganz kurz bleibende Triebe, die dichtstehende,
verkürzte, breite und gesägte einfache Nadeln tragen (Fig. 92).
Andererseits kann aber auch der Fall eintreten, dass, wenn
viele Knospen zerstört sind, dem kleinen übrig bleibenden Rest der
gesammte Saftzufluss zu Gute kommt und die aus ihnen sich bildenden
Organe, z. B. Nadeln oder Blätter, ungewöhnlich gross werden, so
z. B. bei der gewöhnlichen Kiefer, bei welcher alsdann mitunter
sogar Dreinadeligkeit vorkommt.
144 Kap. V. Die Insekten als natürliche und wirthschaftliche Macnt.
Aebhnliche Verhältnisse finden sich nach Krasan [Botanische
Jahrbücher von Enerer, Bd. V, S. 350 und 351] bei den durch
Orchestes Quercus L. angegriffenen Stieleichen. Während nämlich häufig
der erste Trieb durch die direeten, vom Weibchen dieses Springrüssel-
käfers beim Unterbringen ihrer Eier verübten Angriffe geradezu sistirt
erscheint, und die verletzten Blätter verkrümmt sind, werden die am
Johannistriebe direet über den verletzten stehenden Blätter ungewöhn-
lich gross und abnorm geformt, während die am Gipfel stehenden
allerdings wieder ihre normale Form annehmen.
Fig. 91. Seitenzweig einer im Jahre 1856 Fig. 92. Rosettentrieb an Kiefer, nach
durch Nonnenfrass geschädigten Fichte, Rarzerurg [XV, Bd.], Taf. 6, Fig. 2].
welche im Jahre 1855 nur Bürstennadeln
produeirte.
Die Entstehung von Ersatztheilen aus eigentlich nicht
dazu bestimmten Gebilden ist sehr häufig. Das deutlichste Beispiel
liefern die von Retinia buoliana ihrer Gipfeltriebe beraubten Kiefern.
Bei diesen hebt sich nach einer gewissen Zeit ein Trieb des obersten
Quirles und wird nun zum Gipfeltrieb, allerdings nicht ohne dass sein
Aufwärtsstreben eine Verkrümmung des Stammes an der betreffenden
Stelle verursachte.
Für die Bildung von allerdings meist abnorm geformten Ersatz-
organen aus schlafenden Knospen liefert ebenfalls die Kiefer das bei-
weitem beste Beispiel. Aus den am Vegetationspunkte der Kurztriebe
zwischen je zwei Kiefernnadeln befindlichen, gewöhnlich ruhenden
Scheidenknospen entwickeln sich in Folge von Entnadelung und Ver-
stimmelungen des Haupttriebes Scheidentriebe, welche zwar in der
Regel kein hohes Alter erreichen, dagegen aber provisorisch für das
Leben des Baumes von hoher Bedeutung sind.
Abnorme Ersatzbildungen. Zuwachsverlust. 145
Der in Folge von Kränkeln eintretende Zuwachsverlust kann
ein doppelter sein. Einmal kann der Längen-, andererseits der
Stärkenzuwachs leiden. Die Verminderung des Längenzuwachses zeigt
sich darin, dass in den zunächst auf das Jahr der Beschädigung fol-
genden Jahren die Endtriebe der Zweige und besonders die Gipfel-
triebe der Nadelhölzer kürzer bleiben. Erst später erhalten sie allmälig
Rinde.
Fig. 93. Entasteter Wipfel einer im Fig. 94. Die letzten sieben Holzringe einer
Jahre 1857 von der Nonne kahlgefres- im Jahre 1858 fast ganz kahlgefressenen,
senen Fichte, die verschiedene Länge abernichteingegangenen Kiefernstange; nach
der Jahrestriebe zeigend. Rarzegurc. [XV, 1. Bd., Taf. 6, Fig. 4o.]
wieder ihre normale Länge. So hat die Fichte, deren Wipfel oben-
stehend (Fig. 93) abgebildet ist, nach einer im Jahre 1857 erlittenen
Schädigung bis 1859 nur ganz kurze Gipfeltriebe gebildet und erst
im Jahre 1861 wieder einen kräftigen Trieb erzeugt.
Die Minderung des Stärkenzuwachses wird besonders bei
Verlust der Laubblätter oder Nadeln bemerkt, sie tritt mitunter schon
im Frassjahre, bedeutend häufiger aber im Nachjahre ein. Nach einem
grösseren Frasse werden die Jahresringe stets schmäler und schwächer, und
dies kann sich mitunter auf viele Jahre hinaus erstrecken (vergl.Fig.94).
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde. 10
146 Kap. V. Die Insekten als natürliche und wirthschaftliche Macht.
NörDLInGer hat wiederholt an Eichen, auch an Carya alba Miırr..,
den in Süddeutschland alle drei Jahre wiederkehrenden Maikäferfrass
durch besonders schmale Jahresringe bezeichnet gefunden.
Das Auszählen der Jahresringe zur Bestimmung des Baumalters bei
den praktisch so wichtigen Zuwachsermittelungen wird unsicher durch Bil-
dung von Doppelringen, welche bei plötzlicher Entlaubung im Sommer
namentlich an jungen Trieben sicher vorkommen, oder durch Zusammen-
fliessen zweier Jahresringe in einen, mitunter wohl auch durch gänzliches
Ausbleiben eines Ringes. Der durch die Färbung scharf ausgesprochene
Unterschied zwischen Frühjahrs- und Herbstholz, „Weiss- und Braun-
holz”, eines Jahresringes, namentlich beim Nadelholze, macht bei diesem die
Zählungen sehr leicht, sobald keine Störungen im Wuchse eintraten. Bei den
Laubhölzern sind die beiden Schichten des Jahresringes weniger scharf
geschieden, nur die ringporigen Eichen, Eschen und Rüstern grenzen durch
das gefässreiche Frühjahrsholz jeden neuen Jahresring von der dichten
Herbstholzschicht des vorhergehenden Ringes scharf ab.
Störungen in der Harzerzeugung entstehen bekanntlich ebenfalls
nicht blos durch Pilze, welche eine Umbildung der Stärke und der
Cellulose zu Terpentin und dadurch eine krankhafte Vermehrung des
Harzes, sowie Harzausfluss bewirken, z. B. Agaricus melleus L., Aeci-
dium Pini Prrs., Peziza Willkommii R. Hrc. Alle Insekten, welche
die Rinde oder den Holzkörper der Nadelhölzer von aussen verletzen,
z. B. Bockkäfer, Tetropium luridum L., Holzwespen, Graph. pactolana Zur.
und coniferana Rarz., Dioryctria abietella S.V., verschiedene Rüsselkäfer,
Hylobius Abietis L., Pissodes hercyniae Hssr., sowie Borkenkäfer bewirken
einen mehr oder weniger starken Harzausfluss. Aber auch im Innern des
Holzes entstehen abnorme Bildungen, so z. B. die sogenannten „Harz-
ketten”. Wir verstehen darunter im Holze der Kiefern und Fichten
eine krankhafte Vermehrung der Harzkanäle zu concentrischen Ketten,
welche manchmal in einander fliessen; auch können die Harzkanäle im
letzten Jahresringe völlig ausbleiben.
Die Grade der Schädlichkeit und die sie bedingenden Ursachen.
Vom rein theoretischen Standpunkte aus betrachtet, ist jedes Insekt
forstschädlich, welches auf einem verwerthbaren Forstgewächs Wohnung
und Nahrung findet, ebenso wie in der Theorie schon das Abbrechen
eines Blattes den Baum schädigt, indem dadurch die respiratorische
Oberfläche desselben verringert wird. Aber der hierdurch angerichtete
Schaden ist in der Praxis nicht nachweisbar, und auch die durch manche
auf Forstgewächsen lebende Insekten bewirkte Schädigung derselben ist
Zuwachsverlust. Grade der Schädlichkeit. 147
so gering, dass wir sie in praktischer Hinsicht durchaus vernachlässigen
und als unschädlich betrachten können. So verzeichnet z. B. KALTENBACH
[XVIl, S. 643—678] nicht weniger als 537 auf und von der Eiche
lebende Insekten, von denen wir aber höchstens 50 eine wirthschaftliche
Bedeutung beimessen können.
Diejenigen Forstinsekten, bei welchen überhaupt eine schädigende
Thätigkeit nachweisbar ist, werden nach altem Brauche von den Forst-
leuten eingetheilt in unmerklich schädliche, merklich schädliche
und sehr schädliche.
Als „unmerklich schädlich” bezeichnet man solche Insekten,
welche nur ganz unbedeutende Zerstörungen anrichten, also nur ab-
gestorbene Stämme oder Stammtheile befallen, ohne deren technische
Brauchbarkeit wesentlich zu beeinträchtigen, oder solche, die am lebenden
Baume ihrer Seltenheit oder der Eigenthümlichkeit ihres Frasses wegen
weder Absterben, noch sichtbares Kränkeln hervorrufen. Hierher
gehören z. B. sehr viele Blattminirer, viele Arten der Blätter rol-
lenden Rüsselkäfer, Gattung Rhynchites, zahlreiche Cynipiden u. s. w.
„Merklich” und „sehr schädlich” nennt man die Insekten
nach Massgabe der Ausdehnung des beachtenswerthen Schadens. Die
sehr schädlichen gefährden ganze Bestände oder Kulturen, oder auch
ganze Reviere in empfindlichster Weise, die merklich schädlichen
kommen entweder nur an einzelnen Bäumen oder Horsten vor, oder
tödten wenigstens, wenn sie sich auch auf ganze Bestände erstrecken,
die Bäume nicht. Sehr schädlich sind z. B. oft der Fichtenborken-
käfer, Tomicus typographus L., der Kiefernspinner, Bombyx Pini L.,
u.s.w. geworden, während der Rothschwanz, Dasychira pudibunda L.,
Grapholitha tedella Ür., Retinia buoliana S.V., u. s. w. nur zu den
ınerklich schädlichen Insekten gehören.
Wir werden uns hauptsächlich nur mit solchen Forstinsekten
beschäftigen, welche den beiden letzten Abtheilungen zugerechnet
werden, von den unmerklich schädlichen dagegen nur einzelne nebenher
erwähnen. Man darf aber nicht verkennen, dass diese Begriffe keine
absoluten, sondern nur relative sind, denn in verschiedenen Fällen kann
ein und dasselbe Forstinsekt bald nur merklich, bald sehr schädlich
auftreten. So ist z. B. die oben nur als merklich schädlich bezeichnete
R. buoliana 1883 bei Dresden auf Pillnitzer Revier sehr schädlich
aufgetreten,
Rein entomologisch betrachtet, hängt die Grösse der Gefahr,
das heisst des möglichen Schadens, von der Menge und Gefrässigkeit
des Insektes selbst und davon ab, ob dieses mehr oder weniger leicht
Krankheiten, Schmarotzern u. s. w. ausgesetzt ist. Der Kiefernspinner
übertrifft z. B. an Gefährlichkeit vielleicht alle anderen Insekten um so
mehr, als Frasseigenthümlichkeit und mangelndes Wandervermögen
ihn doppelt furchtbar machen. Dann ist nicht unwichtig, ob der Frass
durch Larven oder, wie es weniger häufig und dann weniger empfind-
10*
148 Kap. V. Die Insekten als natürliche und wirthschaftliche Macht.
lich der Fall ist, durch das ausgebildete Insekt erfolgt, wie z. B.
beim Maikäfer. Eine Ausnahme hiervon macht in erster Reihe der
grosse Fichtenrüsselkäfer, Hytobius Abietis L., welcher als Larve ganz
unschädlich ist. Zu den hier nicht unwichtigen Eigenthümlichkeiten
mancher Insekten gehört deren Vorliebe für gewisse Pflanzentheile.
So werden Wurzel- und Weichbastbeschädigungen immer nachtheiliger
sein, als solche der Blätter oder des Holzes. Der Frass der grossen
Kiefernblattwespe, Lophyrus Pini L., würde weit empfindlicher wirken,
wenn ihre Larve auch junge Triebe zerstörte und nicht blos auf
alte Nadeln angewiesen wäre. Der Tannenwickler, Tortrix murinana
Hex., wirkt gerade dadurch so empfindlich, dass er bei Massen-
frass die jungen Triebe vollständig tödtet, während z. B. der Schaden
der einen Fichtenblattwespe, Nematus abietum Hre., dadurch wenig
bedeutend wird, weil die Larve nur auf die eben hervorgebrochenen
Jungen Nadeln angewiesen ist, die Knospen aber meist unberührt lässt,
und deshalb die Triebe nicht absterben. Die Kraft des Insektes, ganze
Triebe abzubeissen oder abzunagen, erhöht dessen Gefährlichkeit, so
z. B. die des Kiefernspinners.
Die Intensität des Schadens, welchen irgend ein Insektenfrass
an Holzgewächsen im einzelnen Falle hervorbringt, hängt aber durch-
aus nicht allein von der Art des Insektes, von dessen Eigenthümlich-
keiten, von dessen Menge und von Grösse und Art der Beschädigung
selbst ab, sondern wird ausserdem noch bedingt durch die Empfind-
lichkeit der Pflanze gegen die Beschädigung, und es ist diese Em-
pfindlichkeit wieder sehr verschieden nach Holzart, nach Alter,
Gesundheitszustand und Standort der Pflanzen, nach der Jahreszeit der
Beschädigung, endlich nach der zufälligen Witterung zur Zeit des
Frasses und nach demselben.
Die einzelnen Holzarten lassen sich bezüglich ihrer mehr oder
weniger grossen Empfindlichkeit gegen Insektenfrass zwar nicht scharf
trennen, immerhin sind aber doch gewisse Unterschiede festzustellen.
Die Erfahrung lehrt, dass das weit weniger reproductionskräftige Nadel-
holz viel mehr Schaden leidet, als Laubholz, dessen grosse Reproduetions-
kraft schon durch seine Fähigkeit, Stock- oder Wurzelausschlag zu trei-
ben, bewiesen wird. Die für Mitteleuropa forstlich wichtigen Laubhölzer
treiben alljährlich vollständig neue Blattorgane, die meisten Nadelhölzer
erzeugen solche nur an den neuen Trieben. Kein Wunder, dass eine
vollständige Entnadelung Kiefer, Fichte oder Tanne viel mehr benach-
theiligen muss, als wie die vollständige Entlaubung eine Buche oder
Eiche. Aus demselben Grunde erklärt sich auch die grössere Empfind-
lichkeit der Nadelhölzer gegen die Einwirkung der schwefligen Säure
und des Steinkohlenrusses, obgleich die Laubblätter an sich empfind-
licher sind, als die Nadeln. [Vergl. v. Schröper in: „Tharander forst-
liches Jahrbuch”, Band 22 und 23.] Eine vollständige Entnadelung
bringt unseren Nadelhölzern den Tod oder wenigstens eine so bedeu-
tende Störung der Ernährung, dass z. B. das Wiederergrünen der
Kiefern nach Spannerfrass selbst im Nachjahr vier Wochen später
Die Bedingungen, welche die Grade der Schädlichkeit bestimmen. 149
erfolgt, als das der unversehrten Bäume. Selbst bei nur theilweiser
Erhaltung der Altnadeln hat RAarzegurg ein anderes Verhalten der
Zweige beobachtet, als vollkommen kahl gefressene zeigten; letztere
trieben später und kümmerlicher. Bezüglich der Folgen einer theil-
weisen Entlaubung steht die nur sommergrüne Lärche den Laub-
hölzern näher als ihren Verwandten, nicht aber bezüglich des
Borkenkäferfrasses, sie wird z. B. durch den Jahr für Jahr wieder-
kehrenden Frass der Coleophora laricella Hex. nur in einen mehr
oder weniger krankhaften Zustand versetzt, aber nicht getödtet. Alte
Birken können jahrelang von Scolytus Ratzeburgii Jans., alte Ul-
men jahrelang von Scolytus destructor OLıv., Eschen jahrelang von
Hylesinus Fraxini Fagr. bewohnt werden, ehe sie absterben, während
den Nadelhölzern jeder stärkere oder länger dauernde Borkenkäferfrass
unmittelbar den Tod bringt. Die verschiedenartigsten Bockkäfer, die
Larven der Gattungen Sesia und Cossus hausen in alten Laubbäumen
jahrelang, während von Tetropium luridum L. befallene Fichten oder
Lärchen in kurzer Zeit absterben. Hierher gehöriger Beispiele liessen
sich noch viele bringen. Thatsache ist, dass ein so ausgedehnter
Schaden, wie ihn der Borkenkäfer in Fichtenwaldungen, der Kiefern-
spinner in Kiefernwäldern hervorrufen, dem Laubholzwald vollständig
fremd ist. Unter den wichtigeren Nadelhölzern ist unzweifelhaft die Fichte
am empfindlichsten gegen Insektenfrass. Für sie ist z. B. die Nonne ein
sehr schädliches, für Kiefer ein nur merklich schädliches Insekt. Auch
die in Fichtenwaldungen vorkommenden, ausgedehnten Borkenkäfer-
verheerungen beweisen die grosse Empfindlichkeit dieser Holzart. Eigen-
thümlich ist freilich dem gegenüber die Thatsache, dass sich die Fichte
nach starkem, langjährigem Wildverbiss viel leichter und bekanntlich
rascher erholt, als die Kiefer und dass sie selbst den Heckenschnitt gut
aushält. Dass die Weisstanne, welche erfahrungsgemäss auch grosse Miss-
handlungen verträgt, dem Insektenfrass gleichfalls unterliegt, wenn auch
seltener wie die Fichte, dafür liefern Beweise Tomicus curvidens GeERM.,
Pissodes Piceae Irr., ebenso die wiederholte Entnadelung der jungen
Triebe durch den Tannenwickler, Tortrix murinana H»x. Die nicht so
gründliche Entnadelung der jungen Triebe der Fichte durch Nematus
abietum Hre. verträgt diese Holzart wohl deshalb so gut, weil die
Larve die Knospen unzerstört lässt (vergl. S. 148). Dass die Lärche
bezüglich der Reproductionskraft den Laubhölzern näher steht als die
übrigen Nadelhölzer, wurde oben bereits erwähnt.
Das Alter, in welchem eine Holzart gewöhnlich von einem
Forstschädlinge angegangen wird, spricht mit bei der Abschätzung des
Grades der Schädlichkeit des letzteren. Gegen grössere, äussere Ver-
letzungen ist altes Holz empfindlicher als junges, d.h. es heilt Wunden,
die durch Schälen des Wildes, durch Abschneiden von Aesten oder
ähnliche Beschädigungen hervorgerufen wurden, durch Ueberwallung
langsamer und daher auch nicht so gründlich aus, wie Jungholz. Gegen
Raupen- und Käferfrass ist letzteres dagegen viel empfindlicher. Ganz
besonders gilt dies von den Keimlingen, sie mögen durch Raupen ihrer
150 Kap. V. Die Insekten als natürliche und wirthschaftliche Macht.
Blattorgane, sie mögen durch Engerlinge ihrer Wurzeln beraubt worden
sein, gleichviel; selbst den Verbiss durch Wild oder Vögel halten die
Keimpflanzen schwer aus. Eine kleine ein- oder zweijährige Kiefer
oder Fichte wird viel leichter durch Hylobius Abietis getödtet, als eine
schon kräftige fünf- bis sechsjährige Pflanze. Die einjährigen Kiefern-
pflänzchen werden durch die Saateule, Agrotis vestigialis Hrx., sicher
getödtet, zweijährige und ältere Pflanzen meist nur beschädigt.
Der Gesundheitszustand der befallenen Pflanzen bedingt
ferner den Grad des Schadens insofern, als gesunde, kräftige Indi-
viduen viel widerstandsfähiger sind. Hieraus erklärt sich die Erscheinung,
dass Laub- und Nadelhölzer, wenn sie bald nach der Verpflanzung, also
ehe sie sich vollständig erholt haben, von Insekten angegangen werden,
viel eher ein Opfer dieser Angriffe werden, als ein oder mehrere Jahre
später. Frisch gepflanzte Laubholzheister werden leichter durch Bupre-
stiden, Bockkäfer, Borkenkäfer, wie Tomicus dispar Fapr. oder Saxe-
senii Rarze. u.s. w., getödtet, als bereits im kräftigen Wuchs stehende
junge Bäume. Dass ein krankhafter Zustand der Waldbäume über-
haupt mehr schädliche Insekten anlockt, ist bekannt. Beweis dafür ist
die Möglichkeit der Fangbäume und die Vermehrung der Borkenkäfer-
gefahr durch Sturmschäden. Trotzdem braucht man nicht anzunehmen,
dass Krankheit der Pflanzen oder Bäume die nothwendige Bedingung
für den Eintritt von Insektenschäden wäre; begünstigt werden die-
selben aber jedenfalls dadurch.
Der Standort ist deshalb von wesentlichem Einfluss auf den
Grad des Schadens, weil dieser im allgemeinen desto beachtenswerther
wird, je schlechter der Standort und je kümmerlicher in Folge dessen
der Wuchs ist. Eine ganze Gruppe von Wicklern lebt vorzugsweise
in den auf entkräfteten Böden stockenden, kümmerlichen Kiefern. So-
gar in Gesellschaft zahlreicher Rüsselkäferarten tödten sie zwar nur
selten eine einzige Pflanze, allein ganze Bestände werden in empfind-
lichster Weise im Wuchse zurückgehalten, obgleich vielleicht nicht
eine einzige Art der dort thätigen kleinen Feinde für sich allein als
sehr schädlich bezeichnet werden möchte. Wie höchst nachtheilig wirkt
z.B. an Fichten der Frass von Grapholitha pactolana Zrvr., sowie der
von Chermes und Coccus in sogenannten Frostlöchern, während anderen-
orts der Schaden leichter überwunden wird,
Von Bedeutung ist ferner die Jahreszeit,- in welcher die
Schädigung erfolgt. Der Frass der Kieferneule ist deshalb ein ganz
anderer als der des Kiefernspanners, weil ersterer oft schon im Mai
beginnt, während die Raupen des Spanners in der Regel erst im Juli
erscheinen. Da sich die kleinen Eulenraupen in die noch frischen Mai-
triebe einbohren und diese in Folge davon bald absterben, scheint
der Eulenfrass gefährlicher zu sein, als der des Spanners. Dieser
Schein hat nicht selten zu übereilten Abtrieben befallener Bestände
geführt. Beim Kiefernspinner entscheidet über den Grad der Schädlich-
keit nicht der Herbstfrass, sondern der Frühjahrsfrass; werden nämlich
im Frübjahre die Knospen und jungen Triebe mit zerstört, so ist mit
Die Bedingungen, welche die Grade der Schädlichkeit bestimmen. 151
grosser Wahrscheinlichkeit Absterben der Bäume zu erwarten. Laub-
hölzer ergrünen nur dann schnell und vollständig, wenn im Frühjahre
alle Blätter gründlich zerstört waren; z. B. nach Maikäferfrass. Bleiben
noch Blattreste oder fand der Frass erst nach Johannis statt, so treiben
in der Regel die Knospen gar nicht oder unvollkommen. Dem Frühjahrs-
frass des Schwammspinners, Ocneria dispar L., folgt in der Regel
Wiederergrünen im Juli; die verspätete Laubentwicklung hat manch-
mal zur Folge, dass die Blätter später abfallen als gewöhnlich, zeitig
kommender Schnee kann dann grossen Schaden anrichten. Dem Sommer-
frass des Rothschwanzes, Dasychira pudibunda L., folgt niemals ein
Wiederergrünen der Buchen in demselben Jahre; der directe Schaden des-
selben ist gering, weil die Blätter schon geraume Zeit ihre Ernährungs-
funetionen verrichtet haben, beachtenswertli kann aber bei wiederholtem
Frass die Benachtheiligung des Standortes sein, weil die noch warme
August- und September-Sonne den unbeschatteten Boden zu sehr aus-
trocknet, überdies aber ein Laubabfall gar nicht eintritt.
Die zufällig eintretenden Witterungsverhältnisse spielen
endlich ebenfalls eine wesentliche Rolle, indem durch sie die Ent-
wieklung der Insekten begünstigt oder benachtheiligt, die Widerstands-
kraft der beschädigten Pflanzen und Bäume erhöht oder vermindert
werden kann. Die Störung des Maikäferfluges durch einen kalten,
nassen Mai ist bekannt. Im zeitigen Frühjahr erscheinende Raupen,
so z. B. die der Kieferneule, werden nicht selten durch Spätfröste und
kalte Regen getödtet. Durch zeitig eintretendes Frühjahr und darauf
folgenden warmen Sommer kann eine Vermehrung der Anzahl der
Generationen vieler Borkenkäfer bedingt, Gefahr und Schaden daher
wesentlich erhöht werden. Besonders trockene Jahre vergrössern die
nachtheiligen Folgen fast jeden Frasses. So litten z. B. die Reviere
der Johannisburger Inspection in Preussen nach Kieferneulenfrass be-
deutend mehr als gewöhnlich, weil ihr Wiederergrünen in den trockenen
Sommer 1868 fiel und die schon gebildeten Triebe wieder vertrock-
neten. In einem feuchten Frühjahr und Sommer überstehen viele
Nadelholzpflanzen Beschädigungen durch Hylobius, an denen sie in
trockener Zeit sicher zu Grunde gegangen wären. Im allgemeinen
darf man wohl sagen, dass alle Witterungsverhältnisse, welche das
Wachsthum der Holzpflanzen günstig beeinflussen, die nachtheiligen
Folgen von Insektenfrass, in der Regel sogar diesen selbst vermindern.
Die sehr und merklich schädlichen Forstinsekten können nun die
bestandbildenden Holzarten in zweierlei verschiedener Art beschädigen.
Einmal können sie die Gesundheit und das Leben der Forstgewächse
bedrohen, andererseits die Brauchbarkeit, beziehungsweise den Markt-
werth der Forstproducte vermindern. Die erste Classe bezeichnet man
als physiologische, die zweite als technische Schädigungen und
theilt demnach die Forstinsekten in physiologisch und technisch schäd-
liche ein. Uebrigens treten beide Schädigungen sehr oft gleichzeitig
152 Kap. V. Die Insekten als natürliche und wirthschaftliche Macht.
auf, und es finden sich zahlreiche Uebergänge von der einen Form zu der
anderen.
Hervorragende Beispiele von physiologisch schädlichen
Insekten sind der Engerling, der grosse und kleine braune Rüssel-
käfer, Hylobius Abietis L., und Pissodes notatus Farr., viele Borken-
käfer, besonders Tomicus typographus L., der Kiefernspinner und der
Kiefernspanner, welche sämmtlich bei mässigem Angriff die Bäume
kränkeln machen, bei massenhaftem Auftreten dagegen tödten. Die-
selben Insekten, welche hier genannt wurden, können, vielleicht mit
Ausnahme des Engerlings und der Rüsselkäfer, auch technisch schäd-
lich werden, wenn das durch sie getödtete Holz nicht bald verwerthet
werden kann und im Preise verliert; blau gewordene Kiefernklötze
kauft niemand gern.
Nur technisch schädlich sind eigentlich blos jene Insekten,
welche bereits todtes, gefälltes Holz angehen, z. B. der Schiffswerftkäfer,
Lymexylon navale L., welcher die für Schiffsbau brauchbaren Eichen-
hölzer noch auf der Werft sehr zu schädigen im Stande ist; viele
der in abgestorbenen Hölzern lebenden Bockkäfer, Hylotrypes bajulus
L., Callidium violaceum L. und variabile L., welche Balken in den
Häusern Hausgeräthe und Holzsammlungen oder Vorräthe beschädigen,
ebenso viele Arten der Anobiiden aus den Gattungen Anobium,
Ptilinus, Lyctus. Die Holzwespen, Sirex, die Holzborkenkäfer, nament-
lich Tomicus lineatus Er., sind meist nur technisch schädlich, können
aber auch physiologisch schädlich werden, wenn sie lebende, krän-
kelnde Bäume angehen und deren Tod beschleunigen.
Gleichzeitig technisch und physiologisch schaden alle
in lebendem Holze hausenden Bockkäfer, so z. B. Cerambyx cerdo
L., dessen Larve ganz gesunde Eichen mit daumstarken Frassgängen
durchsetzt, Tetropium luridum L., dessen Gänge in Fichten- und
Lärchenholz gefunden werden, Saperda carcharias L. in Pappeln und
Aspen; ferner die Cossus-Arten, namentlich Cossus ligniperda FABr.,
dessen Raupe in verschiedenen Laubhölzern starke Gänge frisst,
einige Sesien, namentlich Sesia apiformis Cr. in Aspen und Pappeln.
Andere schaden dadurch physiologisch und technisch, dass die von
ihnen verursachte Beeinträchtigung des Baumlebens zugleich Ver-
krüppelungen der nutzbaren Theile hervorrufen. Beispiel hierzu ist
Retinia buoliana S. V., welche junge Kiefern nicht blos physiologisch
stark beschädigt, sondern auch durch die bekannten posthornartigen
Verkrüppelungen entwerthet. Die Weidenruthengallmücke, Cecidomyia
salicis SCHRE., stört nicht blos das Wachsthum der einjährigen
Ruthen von Salix purpurea, sondern vernichtet durch die von ihr
verursachte Gallbildung auch die Verwendbarkeit der Ruthen zu Korb-
arbeiten vollständig.
Die durch Insekten hervorgerufenen Störungen des forstlichen
Wirthschaftsbetriebes. Vom forstwirthschaftlichen Gesichtspunkte aus-
gehend, theilt man die schädlichen Insekten auch ein inKulturverderber
Physiologische u. technische Schäden. Kultur- u. Bestandsverderber. 153
und Bestandsverderber. Wie jedoch durch zahlreiche Uebergangsformen
der Unterschied zwischen technisch und physiologisch schädlichen Insekten
verwischt wird, so ist das auch hier der Fall, und zwar um so mehr, als
forstlich eine scharfe Grenze zwischen Kultur und Bestand nicht gezogen
werden kann. Unter Kulturverderbern versteht man im allgemeinen
jene Insekten, welche die Gründung eines Bestandes erschweren oder
verhindern, unter Bestandsverderbern dagegen jene, welche das Ab-
sterben oder Kränkeln älterer Bäume oder ganzer Bestände verursachen.
Zu den Kulturverderbern gehören alle den ausgesäeten Samen
zerstörenden Insekten, z. B. die Larven einiger Elateriden, ferner alle
jene, welche vorzugsweise die jungen Pflanzen an ihren oberirdischen
oder unterirdischen Theilen beschädigen. Unter den Wurzelbeschädigern
ist vorzugsweise der Engerling zu nennen, speciell für Nadelhölzer die
Kiefernsaateule. Agrotis vestigialis Hr. und die Larve des Otiorhynchus
niger Fapr. Noch weit zahlreicher sind die Beschädiger der ober-
irdischen Theile der Pfanzen. Einer der schädlichsten oberirdischen
Kulturverderber ist der grosse braune Rüsselkäfer, Hylobius Abietis
L., in etwas älteren Kiefernkulturen oft auch Pissodes notatus Fupr.
Eine grosse Anzahl anderer Rüsselkäfer, die sogenannten grünen und
grauen Laub- und Nadelholzrüsselkäfer, einige Borken- und Bastkäfer,
zahlreiche Mikrolepidopteren, einige Blattwespen, Schild- und Rinden-
läuse u. s. w. können als Beispiele gleichfalls hier genannt werden.
Als Beispiele von Bestandsverderbern sind zu nennen viele
Borkenkäfer, so namentlich Tomicus typographus L., Kiefernspinner,
Nonne, Kiefernspanner und Eule, unter den Rüsselkäfern vorzüglich
Pissodes hercyniae Hesr. Zahlreiche Raupen-Arten schaden dem Laub-
holz, so Processionsspinner, Sesien, Weidenbohrer, Rothschwanz,
Schwammspinner.
Sehr viele Insekten sind gleichzeitig Kultur- und Bestands-
verderber; sei es, dass sie dies in demselben Stadium der Ent-
wicklung sind, sei es, dass sie in dem einen Stadium nur Kulturen,
in dem anderen nur Bestände beschädigen. So schädigt z. B. Tortrix
buoliana $. V. als Larve sowohl Kulturen als Bestände, der Maikäfer
dagegen als Engerling durch Wurzelfrass nur die jungen Pflanzen, als
Imago durch Entblätterung auch ältere Bäume. Hylesinus piniperda
L. tödtet als Larve durch seine Frassgänge alte Bäume, schädigt hin-
gegen als Imago durch das Aushöhlen der Triebe nicht blos diese,
sondern auch junge Kiefern.
Jede merkliche Beschädigung der forstlichen Kulturpflanzen durch
Insekten ist mit Störungen des forstlichen Wirthschaftsbetriebes
verknüpft, erstens weil die Vorbeugungs- und Vertilgungsmassregeln
direete Kosten verursachen, zweitens weil unter Umständen selbst
Verschiebungen im Hauungsplane stattfinden müssen. Alles dies hat
eine Verminderung des Waldertrages zur Folge, am meisten, wenn
ganze Kulturen zerstört, ganze Bestände oder wenigstens eine grössere
154 Kap. V. Die Insekten als natürliche und wirthschaftliche Macht.
Anzahl von Altbäumen getödtet werden. In Folge von Insekten-
verheerungen in Nadelholzbeständen, z. B. durch Borkenkäfer- und
Nonnenfrass in Fichten-, Spinnerfrass in Kiefernrevieren, kann eine der-
artige Ueberfüllung des Marktes mit Holz stattfinden, dass dem Wald-
besitzer schon durch die gedrückten Preise empfindliche Nachtheile
erwachsen. Häufiger noch verursachen die Kulturverderber einen
Aufwand an Kosten wegen der Nothwendigkeit, theurere Kulturmethoden
anzuwenden, — z.B. Pflanzung besonders kräftiger, älterer, verschulter
Pflanzen, — oder durch wiederholt nothwendig werdende Ausbesserungen
zum Ersatz der getödteten Pflanzen; Beispiele hiefür sind Engerling
und Rüsselkäfer. Eine indirecte Schädigung erleidet der Waldertrag
oft dadurch, dass man an den Grenzen besonders gefährdeter Kul-
turen verhindert ist, mit den Schlägen weiter fortzuschreiten, wenn
man die Gefahren nicht vergrössern will, und dies ist eine ganz
wesentliche Störung des wirthschaftlichen Betriebes.
Die Bestandsverderber schaden glücklicherweise nur selten in
solchem Masse, dass, wie oben erwähnt, eine Ueberfüllung des Marktes
mit verkäuflicher Holzwaare eintritt, häufiger geschieht es, dass sie
nur den Zuwachs einzelner Bäume oder ganzer Bestände herabdrücken
— z. B. Raupen, welche durch ihren Frass die Bäume nicht tödten —
oder dass sie die normale Ausbildung der Forstproducte verhindern,
z. B. Grapholitha pactolana.
Die Verminderung des Bestandszuwachses kann durch Beschädi-
gung sämmtlicher oder wenigstens der meisten den Bestand bildenden
Bäume erfolgen — z. B. durch Nonnenfrass in Kiefern. In solchem Falle
ist der Schaden nicht so gross, weil nach wenigen Jahren der volle
Zuwachs wieder eintritt. Sie kann aber auch dadurch erfolgen, dass
eine grössere oder kleinere Anzahl von Einzelbäumen getödtet wird,
z. B. durch den Harzrüsselkäfer, während die anderen unversehrt
bleiben. Hier ist der Schaden beträchtlicher, weil die Verminderung
der Anzahl der den Bestand bildenden Bäume bis zum einstigen Abtrieb
nachtheilig fortwirkt; namentlich ist dies dann der Fall, wenn in
Stangen- oder älteren Hölzern ganze Horste absterben, deren Flächen
gleichwohl nicht gross genug sind, um einen neuen Anbau derselben
zu gestatten. Hier tritt durch langes Freiliegen leicht auch eine Ver-
minderung der Bodenkraft ein, welche erst in später Zeit wieder
behoben werden kann.
Ganz bedeutende Störungen des Wirthschaftsbetriebes können
dadurch verursacht werden, dass man gezwungen wird, todtgefressene,
und sonstig stark beschädigte Bestände, welche nach dem Hauungsplan
eigentlich erst in viel späterer Zeit zur Nutzung gelangen sollten,
schon früher zum Abtrieb zu bringen. Damit trotzdem der Hiebssatz
nicht allzusehr überschritten, der Markt nicht mit Holz überfüllt wird,
ist es dann nicht selten nothwendig, überreife, bereits zum Hieb gestellte
Bestände stehen zu lassen, wodurch weitere Zuwachsverluste erfolgen.
Solche Störungen der Hiebsordnung wirken nachtheilig oft für ganze
Umtriebszeiten und noch länger.
Störungen des forstlichen Wirthschaftsbetriebes. 155
Der Verminderung des Ertrages durch die nicht blos physio-
logisch, sondern auch technisch schädlichen Insekten wurde oben bereits
gedacht. Wohl nur in ganz besonderen Fällen treten diese Schäden so
massenhaft auf wie z. B. durch Cecidomyia salicis Scurk., oder
Tortrix buoliana S. V. Meist hat man es hier glücklicherweise nur
mit stärkeren oder schwächeren Einzelbeschädigungen zu thun. Störungen
und Erschwerungen des forstlichen Betriebes können auch sie in aus-
gedehnter Weise mit sich bringen, wie die gezwungene Wahl gewisser
Fällungszeiten, z. B. Sommerfällung wegen Tomicus lineatus Er.
Mancherlei Ertragsopfer und Störungen des Betriebes bedingen
endlich in direeter und indirecter Weise die gegen Insektenschäden
zu ergreifenden Vorbeugungs- und Vertilgungs-Massregeln; so verursacht
z. B. mehrjähriges Liegenlassen der Schläge, um den Rüsselkäferfrass
zu vermindern, einen Verlust an Zuwachs. Oeftere Fällung von Fang-
bäumen, um Borkenkäferschäden vorzubeugen, bringt nicht selten
Ertragsverluste mit sich, weil die Erntekosten derartiger Einzelhölzer
sich oft etwas höher, die Verkaufspreise dagegen etwas niedriger
stellen, als in den Schlägen. Entrinden von Nutz- und Brennhölzern
drückt den Ertrag aus demselben Grunde herab.
Directe Geldopfer fordern endlich alle Vertilgungsmassregeln,
z. B. das Einsammeln der Rüssel- und Maikäfer, sowie die Anlegung
von Theerringen gegen den Kiefernspinner.
KAPITEL VI.
Entstehung, Abwehr und wirthschaftliche
Ausgleichung erösserer Insektenschäden.
Die durch Insekten verübten Beschädigungen des Waldes sind
zwar häufig und vielfach sehr bedeutend, dagegen kommen sie glück-
licherweise durchaus nicht überall und nicht in jedem Jahre vor.
Wir haben daher in diesem Kapitel zunächst zu untersuchen, welche
Umstände das Eintreten grösserer Insektenverheerungen veranlassen,
Haben wir die Ursachen ihres Auftretens erkannt, so werden wir im
Stande sein, Vorbeugungsmassregeln gegen sie zu treffen. Sind aber,
wie dies leider öfters vorkommt, trotz aller Vorkehrungen, doch grössere
Insektenfrasse entstanden, so müssen wir dieselben zunächst bekämpfen
und dann die den Forsten und ihrer Bewirthschaftung zugefügten Schäden
allmälig wieder zu heilen versuchen. Hierzu gibt dieses Kapitel Anleitung.
Die Entstehung grösserer Insektenverheerungen.
In jedem, auch dem best bewirthschafteten und sorgfältigst beschütz-
ten Forste lebt stets eine grosse Anzahl von Insekten auf Kosten der in
ihm gezogenen Holzpflanzen. Werden durch sie, wie wir auf $. 146 aus-
einandersetzten, theoretisch genommen, die Bäume auch stets geschädigt, so
ist dieser Schaden unter normalen Verhältnissen doch so unmerklich, dass
ihm keinerlei wirthschaftliche Bedeutung zukommt. Diesem glücklichen Zu-
stande wird nun häufig dadurch ein Ende gemacht, dass ein Forstinsekt
plötzlich in grösserer Menge auftritt, rasch zu unzählbaren Schaaren
anwächst, und nun die Waldung und ihre rationelle Bewirthschaftung
auf das empfindlichste bedroht. Zwei verschiedene Ursachen können
ein solches plötzliches Massenauftreten bedingen, nämlich entweder Ein-
Einwanderung der Schädlinge von aussen. 157
wanderung aus einem anderen Reviere oder starke Vermehrung
des in dem Reviere selbst bisher nur in mässiger und daher bedeutungs-
loser Menge vorhandenen Thieres.
Einwanderung von aussen ist nur in selteneren Fällen die
Ursache eines Insektenfrasses. Vielfach beruhen die Angaben, dass
eine solche plötzliche Einwanderung eines Forstschädlings stattgefunden,
vielmehr auf grundlosen Behauptungen lässiger Forstbeamter, welche es
so verdecken wollen, dass ihre Sorglosigkeit einen anfänglich kleinen
und bei gehöriger Vorsicht und Aufmerksamkeit leicht zu unterdrücken-
den Frass zu einer nunmehr schwer zu bekämpfenden Calamität hat
anwachsen lassen. Wir haben aber andererseits auch ganz beglaubigte
Beispiele für Massenüberwanderung, besonders bei der Nonne.
Bis zum Jahre 1853 waren die ostpreussischen Waldungen von
dem bereits seit 1845 in Polen und Lithauen wüthenden Nonnenfrass
verschont. Erst in der Nacht vom 29. zum 30. Juli 1853 traten ganz
plötzlich gewaltige Schwärme von Nonnenfaltern aus den östlich gele-
genen russisch-polnischen Provinzen in den Regierungsbezirk Gumbinnen
über und verbreiteten sich sofort über einen Flächenraum von eirca
60 Quadratmeilen. Diesem Ereigniss fiel im folgenden Jahre ein
‘wesentlicher Theil der Kiefernbestände der Forstinspecetion Gumbinnen-
Goldap zum Opfer. Sodann wurden in der Nacht vom 23. zum 24. Juli
1854 die Forstinspection Gumbinnen-Insterburg und eirca drei Viertel
der Inspectionen Gumbinnen-Tilsit und Pillkallen von ungeheuren,
aus dem angrenzenden Königsberger Bezirk kommenden Schwärmen
von Nonnenfaltern beflogen. Dieser zweiten Invasion folgte ein so
arger Frass, dass fast alle Fichtenbestände der genannten Inspectio-
nen vernichtet wurden.
Auch dieBorkenkäfer, besonders Tomicus typographus L., gehören
zu den Insekten, welehe mitunter nach Einwanderung von aussen Ver-
heerungen anrichten. Das Ueberfliegen derselben auf kleine Entfernungen
ist wohl zweifellos, da nicht selten plötzlich nesterweises Absterben
von Fichten in Beständen erfolgt, in welchen sich vorher sicher keine
Borkenkäfer zeigten. Es ist auch gewiss, dass von Holzvorraths-
plätzen und Brettsägen, welche aus anderen Gegenden mit Borken-
käfern besetztes Holz erhielten, bis dahin völlig borkenkäferfreie
Waldungen infieirt wurden. Fraglich und schwer zu bestimmen ist
dagegen, bis zu welchen Entfernungen ein Ueberschwärmen möglich
ist. Ein Beispiel für weites Ueberfliegen von T. typographus theilt
uns Herr Oberforstmeister H. Tiepzemann aus dem Gouvernement
Nishny-Nowgorod mit. Mitten in einem im Kreise Arsamass liegenden
Kronforst von 2500 ha, der fast ausschliesslich aus Laubholz besteht,
befinden sich zwei 50, beziehungsweise 60 ha grosse Fichtenbestände.
In beiden war kein Windbruch, keine Lichtung, vielmehr guter voller
Schluss, und es waren nie Borkenkäfer in ihnen aufgetreten. Da zeigte
158 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
sich plötzlich im Jahre 1883 der Borkenkäfer so stark, dass sofort
1000 Fichtenstämme gefällt und mit nachfolgender Verbrennung der
Rinde geschält werden mussten. Das Auftreten des Borkenkäfers ist
hier nur durch Ueberfliegen zu erklären. Die nächsten Fichten-
bestände sind aber 15 bis 20km und solche, in denen ein starker
Borkenkäferfrass zur Zeit der Infection des fraglichen Bestandes herrschte,
circa 50 km entfernt.
Massenvermehrung bereits angesiedelter Schädlinge. In den
meisten Fällen treten aber Verheerungen in unseren Forsten dadurch auf,
dass Insekten, welche in mässiger Anzahl dauernd in dem betreffenden
Reviere einheimisch sind und bisher keinerlei merklichen Schaden ver-
ursachten, sich plötzlich stark vermehren und nun schädlich werden.
Ja betrachten wir die wichtigsten forstschädlichen Insekten unbefangen
nach Lebens-, Nahrungs- und Fortpflanzungsweise und vergegenwärtigen
wir uns die in unseren Forsten herrschenden Bestands- und Betriebs-
verhältnisse, so dürfen wir uns viel weniger darüber wundern, dass in
letzteren von Zeit zu Zeit grössere Insektenverheerungen auftreten, als
vielmehr darüber, dass solche Schädigungen nicht viel öfter oder gar
dauernd vorkommen. Sind doch in unseren Forsten alle Bedin-
gungen gegeben, welche ein Massenauftreten von Insekten, die
sich von den bestandsbildenden Holzarten nähren, begünstigen
können! Betrachten wir dies näher.
Die sehr schädlichen Forstinsekten gehören zunächst stets zu den
gemeinsten Insekten der betreffenden Fauna. Kiefernspinner und grosser
brauner Rüsselkäfer sind bekannte Beispiele solcher in jedem Kiefern-
reviere häufiger zu findenden Schädlinge. Hierbei dürfen wir nicht ver-
gessen, dass zum Auffinden mancher ganz gemeiner Insekten immerhin
eine genaue Kenntniss ihrer Lebensweise und ihrer Schlupfwinkel gehört,
und dass in Revieren, auf denen der Laie ein bestimmtes Insekt vermisst,
der Kenner es leicht in Menge findet. Solche dauernd von bestimmten
Forstschädlingen in allerdings unschädlicher Menge besetzte Stellen unserer
Waldungen sind, um mit Aurum [XVI, 2. Aufl. Bd. 3, I. S. 7] zu reden,
die Herde, von welchen aus in Folge ungenügender Aufsicht seitens
des Forstpersonales die Schädlinge sich bei günstiger Gelegenheit über
das ganze Revier verbreiten und nun als ernsthafte Feinde desselben
auftreten können.
Es kommt allerdings der Fall vor, dass Insekten, welche in den
Handbüchern als Forstschädlinge aufgeführt werden, in den Samm-
lungen seltener und von Liebhabern gesucht sind. Dies beruht eines-
theils darauf, dass der eigentliche tiefe Hochwald dem Insektensammler
Massenvermehrung ängesiedelter Schädlinge; Bedingungen derselben. 159
weniger leicht zugänglich ist, als Feld, Garten und Busch; anderer-
seits entziehen sich viele wirkliche Schädlinge, als Imagines, den ge-
wöhnlichen Sammelmethoden der Insektenliebhaber, so z. B. die schnell
fliegenden und nur bei grösserer Hitze schwärmenden Buprestiden,
deren Häufigkeit erst bei Zucht aus Frassstücken erkannt wird. Als-
dann sind manche wirkliche Schädlinge nur auf gewisse, von Sammlern
weniger besuchte Gegenden beschränkt, z. B. Callidium hungaricum
Hssr., — C. insubricum Germ. — welches bis jetzt nur als Seltenheit
aus den südlichen Gebirgen bekannt war, noch in neueren Katalogen
mit 80 Pfg. das Stück angeboten und dennoch von Aurum als
wesentlicher Schädiger des Bergahorns bezeichnet wird. [XVI, 2. Aufl.,
Bd.r8.1,.8. 335.]
Die Herde für die Verbreitung der Forstschädlinge werden je
nach der Natur des betreffenden Thieres und der Beschaffenheit des
Einzelrevieres sehr verschieden sein, und müssen wir in dieser Hin-
sicht auf den speciellen Theil dieses Werkes verweisen.
Die’ wirklichen Forstschädlinge gehören ferner alle zu den Insekten,
welche reichliche Nachkommenschaft erzeugen, und besonders ist bei den-
jenigen, welche unter günstigen Verhältnissen eine mehrfache Generation
haben können, die Vermehrung eine geradezu staunenswerthe.
Einige Beispiele mögen dies erläutern. Nehmen wir an, ein
Nonnenweibehen habe im Jahre 1880 ein Häufchen von 150 Eiern
(vergl. S. 88) abgelegt, so kann unter günstigen Umständen wohl
ein Drittel dieser Eier im Jahre 1881 Weibchen liefern, die begattet
werden und selbst wieder je 150 Eier, also im Ganzen 7500 Eier
legen. Nehmen wir nun wieder an, dass nur ein Drittel dieser Eier,
also 2500 Stück, im Jahre 1882 sich zu fortpflanzungsfähigen Weibchen
entwickeln, von denen jedes wieder 150 Eier legt, so beträgt die Zahl
der von den Nachkommen eines einzigen Weibchens produeirten Eier
bereits jetzt 375000 Stück.
Noch schlimmer wird das Verhältniss bei T. typographus, beson-
ders wenn derselbe, wie z. B. 1874 im Böhmerwalde, drei Bruten macht.
Nehmen wir an, ein Mitte April fliegendes Weibchen habe in seinem
Muttergange 90 Eier abgelegt, so können wir wiederum mit Sicherheit
darauf rechnen, dass im Anfang Juni wenigstens 30 Stück davon zu
fortpflanzungsfähigen und wirklich begatteten Weibchen sich entwickeln.
Legt jedes dieser 30 Weibchen wieder einen Muttergang mit 90 Eiern
an, produeiren sie also zusammen 2700 Stück, und wird Anfang
August beim dritten Fluge wieder nur ein Drittel davon zu Weib-
chen, so nagen diese schon 900 Muttergänge und belegen sie mit
8100 Eiern. Gelangt von diesen wieder nur ein Drittel im nächsten
Frühjahr zum Eierlegen, so kommen beim ersten Fluge im April bereits
27000 Nachkommen des einen im vorhergehenden April ge-
flogenen Weibchens zur Fortpflanzung und können nun 2430000
Eier ablegen.
160 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
Ferner ist der Charakter des pflanzengeographischen Gebietes,
welches den grössten Theil derjenigen Wälder enthält, die heute der
rationellen Forstwirthschaft erschlossen sind, und welches GRrIsEBACH
[Die Vegetation der Erde nach ihrer klimatischen Anordnung] als das
Waldgebiet des östlichen Continentes bezeichnet, ein solcher, dass er
durch Darbietung fast unerschöpflicher gleichartiger Nahrungsquellen
die Insektenvermehrung ungemein begünstigt.
Dieser Charakter besteht namentlich darin, dass in dem genannten
Gebiete ausgedehnte, aus einer einzigen Holzart gebildete, oder nur aus
wenigen Holzarten gemischte Bestände auch in denjenigen Gegenden die
Regel bilden, in welchen durch die Thätigkeit des Menschen noch keine
Veränderung des Waldcharakters stattgefunden hat.
Auch dort, wo der ursprüngliche Charakter des Waldes ein mehr
gemischter war, wie in den Laubwäldern der Auen unserer. grösseren
Ströme, hat die Forstwirthschaft seit Anfang dieses Jahrhunderts aus
wirthschaftlichen Rücksichten häufig künstlich grössere, gleichartige, reine
Bestände geschaffen.
Dass solche gleichmässige Bestände, in denen die Insekten,
deren Jugendzustände vielleicht eben einen Baum getödtet haben,
bereits in nächster Nähe die nöthigen Bedingungen für das Gedeihen
der wiederum von ihnen selbst hervorgebrachten Brut, die für diese
dienlichen Wohn- und Nährpflanzen finden, das Auftreten einer Insekten-
verheerung mehr begünstigen, als z. B. die aus den verschiedensten
Pflanzenarten gemischten tropischen Urwälder, ist leicht zu erkennen.
Dass reine Bestände, — wir erinnern an die norddeutschen Kiefern-
haiden, die Fichtenwälder der mitteldeutschen und österreichischen
Gebirge, die ungarischen Eichen-, die die Ostsee umkränzenden Buchen-
wälder, — den beiweitem grössten Theil der mitteleuropäischen
Wirthschaftswälder ausmachen, weiss jeder Forstmann. Aber auch die
künstlich durch die menschliche Thätigkeit noch nicht verjüngten
Urwälder bilden häufig reine oder wenig gemischte Bestände. Die
Gebirgsurwälder unserer Zone bestehen z. B. vorherrschend aus Nadel-
hölzern, und zwar meist nur aus Fichten und Tannen. Die Eiche
bildet [Griserach I, p. 90] ferner im russischen Tieflande einen
breiten Waldgürtel zwischen dem finnischen Meerbusen und der Steppen-
grenze, östlich bis zum Ural hin, der ihrer weiteren Ausbreitung eine
Grenze setzt. Kommt in solche Waldungen einmal ein grösserer Insekten-
frass — wir erinnern hier an den von 1871 bis 1875 durch den
Fichtenborkenkäfer in dem Böhmerwalde verursachten Schaden — so
ist die Vermehrung des Schädlings eine ganz unglaubliche. In Krumau
im Böhmerwalde hat man auf einem Quadratmeter Rinde 1400 bis
4800 Larven gezählt.
Bedingungen für die Massenvermehrung eines Schädlings. 161
Wirthschaftliche Rücksichten haben ferner dazu geführt, dass den
Insektenschäden weniger ausgesetzte Holzarten, also vornehmlich Laub-
hölzer und speciell die Buche, auf grosse Strecken durch gegen solche
sehr empfindliche Holzarten, durch Nadelhölzer, ersetzt wurden.
In Norddeutschland ist dieser Vorgang ein sehr häufiger. Am
westlichen Harze, in vielen Waldrevieren des Erzgebirges, hat z. B.
die Fichte ziemlich allgemein die Buche verdrängt, der bekannte
Wermsdorfer Wald in Sachsen ist seit Anfang dieses Jahrhunderts aus
einem Laubwalde durch künstliche Verjüngung in einen Nadelwald
übergeführt worden, ebenso der Colditzer Wald. Folgen einer solchen
Umwandlung nun zwar durchaus nicht immer Insektenverheerungen
auf dem Fusse -—— der Wermsdorfer Wald ist z. B. fast ganz von
solchen verschont geblieben — so ist die Chance für dieselben doch
auf jeden Fall eine viel grössere geworden. Auch der Umstand, dass
der Holzmarkt das Tannenholz viel weniger liebt, als das Fichtenholz,
hat in vielen Revieren die Ersetzung der von einer geringeren Anzahl
Insekten bedrohten Tanne durch die viel stärker gefährdete Fichte
veranlasst.
Endlich schliesst die rationelle Forstwirthschaft von selbst die in der
Wildniss vorkommende Art der Beschränkung eines Insektenfrasses aus,
welche darin liegt, dass bei grösseren Verheerungen eben sämmtliche
zusammenhängende Bestände der angegriffenen Holzart ein- und die
betreffenden Schädlinge durch Nahrungsmangel zu Grunde gehen. Der
Forstmann sorgt ja auch nach dem völligen Eingehen grösserer Bestände
stets wieder für die Neubestockung der betreffenden Flächen, und ein
Wechsel der Holzart ist häufig nicht möglich.
Dass in der Wildniss wirklich ein Wechsel der Baumarten auf
weite Flächen hin vorgekommen ist, wurde zuerst von STEENSTRUP
für Seeland nachgewiesen, wo in den Waldmooren die Reste von
Aspe, Kiefer, Eiche, Erle übereinanderliegen und uns so beweisen,
dass diese Bäume in säcularer Aufeinanderfolge abwechselnd die Haupt-
bestandtheile der jeweiligen seeländischen Wälder gebildet haben. Ist
nun diese Verdrängung der einen Holzart durch eine andere von
VaAvpers zunächst auf veränderte Bodeneinflüsse zurückgeführt worden,
so dürfte doch speciell bei der Verdrängung der Kiefer vielleicht
auch Insektenfrass eine Rolle gespielt haben, ohne dass ein solcher
übrigens bis jetzt nachgewiesen wäre.
Beispiele von Flächen, auf denen ein künstlicher Wechsel der
Holzart augenblicklich einfach unmöglich ist, liefern uns die nord-
deutschen Sandflächen, wo die Kiefer der einzige zugleich anbaubare
und einen höheren Ertrag liefernde Baum ist.
Auch die von der neueren Forstwirthschaft besonders bevorzugten
Kahlschläge, sowie die durch sie bedingte Bestandsgründung durch
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde, 11
162 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
Nachverjüngung sind nicht ohne Einfluss geblieben auf die Vermehrung
der für das Eintreten grösserer Insektenfrasse günstigen Bedingungen.
Sind nämlich auch die im Plenterbetriebe bewirthschafteten
Waldungen und die durch Vorverjüngung gegründeten Bestände
durchaus nicht etwa absolut gegen Insektenschäden geschützt — dies
beweisen z. B. nicht blos die im vorigen Jahrhundert so gewaltig
aufgetretenen Borkenkäferverheerungen am Harz- und im Thüringer-
walde, sondern auch in neuester Zeit dieselben Verheerungen im
Plenter- und Urwaldgebiete des Böhmerwaldes — so wird durch die
genannten neueren Betriebs- und Bestandsgründungsarten doch ein-
zelnen schädlichen Insekten die Massenvermehrung sehr erleichtert.
Der grosse braune Rüsselkäfer wird sich z. B. in Wäldern mit Kahl-
schlagwirthschaft, in denen die örtlichen Boden- und Holzabsatz-
verhältnisse ein vollständiges Roden der Stöcke nicht zulassen, viel
stärker vermehren können, als in Plenterschlägen, da ihm in jenen .
viel massenhafteres Brutmaterial zur Verfügung steht. Desgleichen
ist eine mit ausgiebiger Bodenverletzung verbundene Verjüngung durch
Saat oder Pflanzung der Engerlingvermehrung beiweitem günstiger,
als die vielfach fast ohne Bodenverletzung ausführbare Vorverjüngung,
welche überdies keine so bequemen, freien Schwärmflächen darbietet.
Auch zufällige, aber im grossen Durchschnitt doch immer recht
häufig eintretende Naturereignisse schaffen oft plötzlich ganz besonders
günstige Bedingungen für die Massenvermehrung der Schädlinge. Hier-
her gehören besonders Wind- und Schneebrüche, die ja in vielen Fällen
die nächste Veranlassung zu Borkenkäferfrassen sind.
Wir dürfen ferner nicht vergessen, dass öfters ein Insektenschaden
wieder die Veranlassung eines zweiten, secundär eintretenden sein kann.
So folgt Borkenkäferfrass häufig auf Nonnen- oder Kiefernspinnerfrass,
weil ein Raupenfrass, wenn er auch nicht direct zum Absterben der
befallenen Bestände führt, doch ein Kränkeln der Bäume hervorruft,
und diese daher für Borkenkäferangriffe prädisponirt. Die in den Fünf-
ziger und Sechziger-Jahren dieses Jahrhunderts in den ostpreussischen
Waldungen auf den Nonnenfrass folgende Borkenkäferverheerung ist
eine gute Illustration dieses Satzes.
Die Beschränkung der Insektenschäden durch natürliche
Einflüsse.
Aus allem bisher Gesagten geht also hervor, dass viel weniger
die Frage zu lösen ist: Wie entstehen plötzliche Insektenverheerungen ?
Als vielmehr die: Welche natürliche Einflüsse beschränken in unseren
Waldungen und Forsten die Vermehrung der Forstschädlinge derartig,
dass sie nur von Zeit zu Zeit grössere Verheerungen anrichten können ?
Bedingungen der Massenvermehrung. Beschränkende Natureinflüsse. 163
Solche Einflüsse werden ausgeübt: 1. Von der Witterung; 2. von
den insektentödtenden Pilzen; 3. von den insektentödtenden thierischen
Parasiten; 4. von den insektenfressenden Thieren.
Als insektentödtende Witterungseinflüsse können wirken Tempe-
ratur, Feuchtigkeit und Winde.
Temperatureinflüsse können entweder als extreme, dem Insekt
nicht mehr ertragbare Wärme- oder Kältegrade schädlich wirken, oder
auch durch plötzlichen und für eine bestimmte Jahreszeit abnormen
Wechsel das Insektenleben gefährden. So hohe Temperaturen wie erfor-
derlich sind, um ein Insekt durch directe Wirkung zu starker Hitze zu
tödten, dürften im natürlichen Kreislaufe des Naturlebens unserer Breiten
kaum vorkommen. Dagegen tritt bei uns nicht selten der Fall ein, dass
Insekten, vom Froste plötzlich überrascht, in Menge erfrieren, nachdem
die mit dem Sinken der Temperatur eintretende Erstarrung ihnen die
Erreichung sicherer, frostfreier Schlupfwinkel unmöglich gemacht hat.
Als Beispiel kann man die Verhältnisse des Winters 1864-1865
anführen, in welchem in Revieren der Mark und der Provinz Sachsen
die ungewöhnlich lange auf den Bäumen gebliebenen Raupen des
Kiefernspinners und des Kiefernspanners, und zwar erstere schon Mitte
December bei —12:5° C., letztere erst bei bedeutend stärkerer Kälte
im Januar erfroren [XV, I. p. 64]. Dagegen ist die Wirkung sogar
sehr strenger Kälte auf die normalen Ueberwinterungsstadien unserer
Insekten eine nicht sehr grosse. Im Sommer 1854 hatte in Ostpreussen
die Nonne ihre Eier häufig auf die Rinde frei abgelegt und diese
erfroren nicht in dem harten Winter 1854—1855, soviel Hoffnung
man sich auch bei 30—35° C. Kälte darauf gemacht hatte.
Nach den Beobachtungen von Regexer [vergl. S. 116] können
frei liegende Kiefernspinnerraupen bis —12'5° C. vertragen. Die
anderen Stadien erfrieren eher, die Puppen bei —6° C., die Falter
bei —7'5° C., die Eier bei —10° C. Nach Ducraux [Comtes
rendus, Bd.83, 5. 1079] vertragen die Eier des Seidenspinners sehr
gut einen zweimonatlichen Aufenthalt in einer Temperatur von — 8°C,
Von einer mittelbaren Schädigung durch Temperatureinflüsse kann man
in den Fällen reden, in welchen starke Temperaturschwankungen innerhalb
des Winters eine abnorme Unterbrechung der Winterruhe hervorbringen.
Die Feuchtigkeit kann ebenfalls der Insektenwelt vielen Schaden
zufügen. Starke Platzregen zur Flugzeit der Schmetterlinge können eine
grosse Menge derselben vertilgen und auch Raupen, Schmetterlings-
sowohl wie Blattwespenraupen, gehen nach solchen oft massenhaft ein.
Starke Durchfeuchtung der Bodendecke im Winter wird den über-
winternden Larven und Puppen gefährlich, und zwar theils direct, theils
durch Begünstigung der Pilzvegetation (vergl. S. 164).
12
164 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
Dass starke Winde dem Insektenleben gefährlich werden können,
davon haben wir nur vereinzelte, aber sehr drastische Beispiele. Beson-
ders sind grosse Flüge der Nonne, durch heftige Stürme auf die Ostsee
getrieben, daselbst umgekommen,
Forstmeister SchuLtz [„Der Nonnen- und Käferfrass in Ostpreussen und
Russland von 1845 bis 1567 und 1868” in „Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen”,
V, 1873, p. 173] berichtet:
„Dass die Nonne aber schon 1856 nicht eine grössere Verbreitung gegen
Nordosten zu gefunden hat, soll, wie mir von Petersburg mitgetheilt worden,
darin begründet sein, dass über Liv- und Kurland in der zweiten Hälfte des
Monats Juli 1856 ein mehrtägiger orkanartiger Sturm geherrscht hat, welcher,
scharf aus Südosten kommend, die wahrscheinlich im Schwärmen begriffenen
Schmetterlinge auf ihrem nordöstlichen Zuge nach dem Innern von Livland
erfasst und ins Meer getrieben haben soll. Nach diesem Sturm ist nämlich angeblich
die kurländische Küste von Liebau bis Windau auf eine Strecke von 70 Werst
— also auf ohngefähr gleich viel Kilometer — !/, Fuss, d.h. 15 cm, dick und 1 Faden,
d. h. ohngefähr 2 m breit, mit den von den Wellen ausgespülten Schmetterlingen
bedeckt gewesen, welche darnach von den Strandbewohnern als Dungmaterial auf
die Felder gefahren worden sind. Auch an den preussischen Küsten sind 1854,
1855 und besonders 1856 Nonnenfalter in unzählbarer Menge vom Wasser, mitunter
noch lebend, angetrieben, bis fast nach Danzig hinauf, bei Labiau am kurischen
Haft, beim Seebad Kranz, bei Pillau und längs der Nehrung. Ebenso versicherten
zu jener Zeit Seefischer dem Unterzeichneten, grössere Schwärme dieser Falter 3 bis
5 Meilen vom Strande auf der Ostsee angetroffen zu haben. In einem dergleichen
Falle sollen Boot und Segelzeug mit Faltern sehr stark beflogen worden sein.’
Die insektentödtenden Pilze.) Wir wissen heutzutage, dass eine
grössere Anzahl von Krankheiten erzeugt wird durch in das Innere des
menschlichen und thierischen Organismus eindringende, daselbst fort-
wuchernde und gefährliche Zersetzungserscheinungen hervorrufende niedrige
Pilzformen. Diese Krankheiten entstehen durch Uebertragung von Pilz-
keimen auf den gesunden Körper. Man nennt sie „Mykosen”. Als Bei-
spiel sei hier nur kurz der Milzbrand erwähnt. Die Pilze sind also die
Ursache, nicht etwa eine Folge oder eine Begleiterscheinung der betreffen-
den Krankheiten. Es gehen auch alljährlich viele Insekten an solchen
Mykosen zu Grunde. Das bekannteste Beispiel liefern unsere Stuben-
fliegen, die man im Herbste häufig todt an den Wänden und Fenster-
scheiben sitzen sieht, den Körper bedeckt von einem dünnen Flaum von
Pilzfäden und umgeben von einem kleinen Hofe von Staub, welcher aus
den von diesem Pilze erzeugten Keimen besteht.
Die Anzahl der durch Mykosen getödteten Insekten ist eine viel
grössere, als man gewöhnlich annimmt. Dr Bary sagt: „Durchsucht man
1) Dieser Abschnitt ist nach den $. 181 angegebenen Quellen von mir zu-
sammengestellt und nach einer von Herrn Prof. pe Bary in Strassburg gütigst vor-
genommenen kritischen Durchsicht nochmals überarbeitet worden. Wir ergreifen mit
Vergnügen diese Gelegenheit, Herrn Prof. pe Bary, welcher auch die zweite Correc-
tur durehgesehen hat, unseren herzlichsten Dank für seine Freundlichkeit auszu-
sprechen. H. NiITscHe.
Insektentödtende Witterungseinflüsse und Pilze. 165
aufmerksam das Laub und Moos des Waldbodens in feuchter Jahres-
zeit, so erstaunt man über die Menge der daselbst verborgenen pilz-
behafteten Thiere.”’” Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass manches in
der älteren forstlichen Literatur berichtete Massensterben von Forst-
schädlingen, welches von den Beobachtern direct auf Witterungseinflüsse
zurückgeführt wurde, nur indireet mit letzteren zusammenhängt, insofern
als sie nur die Vermehrung der insektentödtenden, dem Praktiker häufig
nicht ohne Weiteres in ihrer wahren Natur erkennbaren Pilze begünstigt
haben. Neuere Untersuchungen haben es auch unzweifelhaft festgestellt,
dass es in verschiedenen Fällen wirkliche Pilzepidemien gewesen sind,
die eine schnellere Beendigung und gründliche Unterdrückung grösserer
forstlicher Insektenverheerungen bewirkt haben. Es gilt dies besonders von
dem Frasse der Kieferneule, welche massenhaft durch einen nahen Ver-
wandten des Stubenfliegenpilzes, durch Entomophthora Aulicae REıcHArpT
getödtet wird, sowie von den Kiefernspinnerraupen, welche durch Botrytis
Bassiana Bars., denselben Pilz, welcher die als Muskardine bekannte
Seidenraupenkrankheit verursacht, sowie von Isaria farinosa Frızs, be-
ziehungsweise Cordyceps militaris Frızs hingerafft werden.
Bezeichnen wir als Pilze alle chlorophylifreien Kryptogamen, so finden wir
Insektentödter sowohl unter den Schizomyceten, als unter den Entomophthoreen
und Ascomyceten.
Als Schizomyceten, Spaltpilze, bezeichnet man „einzellige Pflanzen, die
sich durch wiederholte, meist nur in einer Richtung des Raumes erfolgende
Theilung vermehren und zum Theil auch durch endogen gebildete Sporen fort-
pflanzen. Sie leben isolirt oder in verschiedener Weise vereinigt in Flüssigkeiten
und in lebenden oder todten Organismen, in welchen sie Zersetzungs- und Gährungs-
erscheinungen hervorrufen”. Es sind die kleinsten Organismen, w velche wir kennen.
Von durch Spaltpilze erzeugten Mykosen kennen wir bei Insekten genauer
nur zwei, die „Schlaffsucht”” und die „Faulbrut””. Die erstere kommt bei dem
Seidenspinner, die zweite bei der Honigbiene vor.
Die „Schlaffsucht” — flaceidezza, flacherie, maladie Ss morts-blanes,
maladie des morts-flats — ist die jetzt herrschende Krankheit der Seidenraupe.
Sie trat Ende der Sechziger-Jahre mit schreekenerregender Heftigkeit auf und
tödtete im letzten Jahrzehnt noch immer ein Viertel der Ernte. Die Krankheit
tritt gewöhnlich bald nach der vierten Häutung oder zur Zeit der Spinnreife auf
und ist durch ihren acuten Verlauf ausgezeichnet. Die kranken Thiere zeigen
wenig äussere Symptome: man beobachtet mangelnde oder verminderte Fresslust,
die kranken Raupen werden träge, langsam in ihren Bewegungen, kriechen vom
Futter weg, werden weich und schlaff und bekommen das Ansehen eines leeren,
gefalteten Darmes. Die Nahrung wird unvollkommen verdaut, häufig lässt sich
eine progressiv fortschreitende schwarze Farbe der Raupe constatiren, während in
anderen Fällen die kranken Thiere das Aussehen gesunder selbst bis zum Tode
bewahren. Bald nach dem Tode werden die Leichen — morts-blanes, morts-flats —
weich bis zum Zerfliessen, sind nach 24 bis 48 Stunden tiefdunkel gefärbt, mit übel-
riechenden Gasen und schwarzbrauner, von Spaltpilzen wimmelnder Jauche gefüllt.
In letzterer finden sich zunächst die gewöhnlichen, bei jeder Fäulniss auftretenden,
beweglichen Bacterien. Diese treten aber erst kurz vor dem Tode der Raupe auf,
während bereits in den ersten Krankheitsstadien in dem durch sie milchig getrübten
166 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
Magensafte der Raupen die rosenkranzförmigen Ketten des Micrococcus Bom-
byeis Conx erscheinen. Es besteht dieser Pilz aus ovalen Zellen von höchstens
0:5 .!) Durchmesser, Ähnlich denen, die bei der Harngährung gefunden werden;
dieselben sind entweder einzeln oder paarweise oder zu 4 bis S an einander gereiht,
ja selbst zu längeren gekrümmten Ketten verbunden (Fig. 95). Dieser Spaltpilz
wird von PAsSTEUR und Conn als der wirkliche Erzeuger der Krankheit in Anspruch
genommen. Durch infieirte Nahrung kann diese Krankheit übertragen werden,
und so angesteckte Raupen sterben schon nach 24 bis 48 Stunden. Eine erbliche
Uebertragung der Krankheit kommt nicht vor, dagegen bleiben diese Spaltpilze
Jahre lang lebensfähig [Boruineer 7, S. 41 ff.].
Die „Faulbrut’” der Bienen ist die gefährlichste aller Bienenkrankheiten
und vernichtet nicht selten in kurzer Zeit den Bienenstand ganzer Landstriche.
Sie kam wahrscheinlich schon seit alten Zeiten vor, war aber in früheren Jahren
jedenfalls seltener. Seit 15 bis 20 Jahren gewinnt sie immer mehr an Verbreitung.
Die Krankheit befällt hauptsächlich die Larven der Bienen. Die erkrankten Larven
werden welk und schlaff, fallen zusammen und gehen nach kurzer Krankheits-
dauer zu Grunde. Die abgestorbenen Larven zeigen ein weiches, schmieriges
Ansehen, ” eine trüb-weissliche oder gelbliche Farbe, zerfliessen zu einem
dieken Brei, oder werden trüb-grau bis schwärzlich und zeigen bei der Eröffnung
einen übelriechenden schwarzen Inhalt, der eire richtige Jauche darstellt. Sowohl
die unbedeckelte als die bedeckelte Brut fällt der Krankheit anheim. Bei letzterer
ist der Deckel meist eingefallen und durchbohrt. Hier und da vertrocknen die
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Fig. 95. Micrococcus Bombycis Conn [nach Conn I2, Taf. 5, Fig. 13].
abgestorbenen Larven auf dem Grunde der Zellen zu braunen Krusten, Die
Waben selbst färben sich unter dem Einfluss der durchdringend nach faulen
Eiern riechenden Fäulnissgase schmutzig-schiefrig-bläulich. Während einzelne
Larven gesund bleiben, sterben die meisten ab, und auch die Bienen selbst werden
träge, stellen Flug, Tracht und Reinigung des Baues ein, und ihre hellgelben,
wässerigen Excremente enthalten dunkelkörnige Massen. In einem faulbrütigen
Stocke finden sich immer mehr todte Bienen, als in einem gesunden Volke.
Diese ansteckende Krankheit — welcher man häufig die gutartige Faulbrut,
d. h. eine auf verschiedene, aber nicht infectiöse Ursachen zurückzuführende
Erkrankung: der Bienenlarven entgegenstellt — wurde, nachdem man ihr die
mannigfachsten Ursachen, z. B. gährenden und verdorbenen Blumenstaub und
mangelhafte Ernährung der Brut fälschlich untergeschoben hatte, im Jahre 1868
von Prevss [20] mit mas-enhaft von ihm in faulbrütigen Larven gefundenen Pilzen
in ursachliche Verbindung gebracht. Er bezeichnete letztere als Micrococcus- und
Cryptococcus-Formen, welche er, ähnlich wie es Harıızr that, als Entwieklungs-
formen verschiedener Schimmelpilze ansah. Diese auf dem Gebiete der wissen-
schaftlichen Botanik längst beseitigte Ansicht kann auch in diesem Falle nicht
siltig sein; dagegen besteht Preis’ Entdeckung von der parasitären Natur der
bösartigen Faulbrut auch heute noch völlig zu Recht und wird nach den Unter-
suchungen von F. Con [nicht publicirte briefliche Mittheilung an H. Nırschr]
durch einen sporenbildenden Baeillns, den er als Bacillus melitophthorus zu
bezeichnen vorschlägt, bedingt. Als Bacillus Conw bezeichnet man Spaltpilze,
deren verlängerte eylindrische Zellen meist zu Fäden verbunden sind, sich der
Quere nach theilen und Sporen zu bilden vermögen. Die Krankheit ist sehr
übertragbar, denn eine faulbrütige Wabe in einen gesunden Stock eingehängt,
infieirt denselben binnen wenig Tagen.
!) Der griechische Buchstabe ı. bezeichnet „Mikromillimeter” — 0:001 mm.
Insektentödtende Spaltpilze und Pebrine. 167
Ausser den beiden eben kurz charakterisirten Spaltpilzmykosen wird gewöhn-
lich auch die Pebrine der Seidenraupen als eine solche angesehen, obgleich die
für dieselbe charakteristischen niederen Organismen botanisch noch nicht hin-
reichend untersucht sind, um mit voller Sicherheit als Spaltpilze angesprochen
werden zu können. Bei dieser Unsicherheit unserer Kenntnisse behandeln wir sie
unter dem ihnen in der Voraussetzung, dass es wirklich Spaltpilze seien, gegebenen
Namen als Anhang zu den Spaltpilzen, ohne Gewähr für die Richtigkeit dieser
Stellung.
Die an Pebrine — auch Gattine, Fleckenkrankheit, Petechia, Körperchen-
krankheit, Maladie des corpuscules genannt — erkrankten Seidenraupen zeigen,
sowie die Krankheit heftiger wird, geringe Fresslust und träge Bewegungen. Ihre
Färbung ist eine schmutzig gelbe und ihre Haut erscheint ausserdem mit zahl-
reichen, vom Gelbbraunen bis in das Dunkelschwarze spielenden Flecken besetzt.
Das auf dem Rücken des letzten Segmentes befindliche Horn ist meist verschrumpft
(Fig. 96 A und B); nur in einzelnen Fällen fehlen die schwarzen Hautflecken.
Charakterisirt wird die Pebrine dadurch, dass das Blut, sowie alle Organe des
erkrankten Thieres durchsetzt sind von Massen eines, gewöhnlich als Spaltpilz
bezeichneten, niederen Organismus, des „Micrococcus” ovatus LEpERT.
Diese Parasiten wurden zuerst im Jahre 1856 in Italien entdeckt und nach
ihrem Entdecker „Körperchen des CornArıa” genannt. Anfangs meist nicht als
die Ursache, sondern als die Folge der Pebrine angesehen und nicht als Orga-
227
Fig. 96. Die Pebrine der Seidenraupe. A gesunde Seidenraupe. B an Pebrine
erkrankte Seidenraupe. ( Spinndrüse einer erkrankten Seidenraupe mit knotigen
Auftreibungen. D „Micrococcus’” ovatus L£zerr, der Pebrine-,,Spaltpilz”. a Einzel-
zellen, 5 in Theilung begriffene Zellen [nach Leserr 16, Taf. 1, 3 und 5).
nismen anerkannt, wurden sie zuerst von Le£BErr unter dem Namen „Panhisto-
phyton’” ovatum und von NäÄceLI als „Nosema” Bombyeis richtig gewürdigt.
Die Zellen dieses pärasitischen Organismus kommen entweder vereinzelt
oder paarweise, oder zu kleinen Haufen vereinigt vor. Sie sind oval, beidendig
abgerundet, ohngefähr 4 bis 5 u lang und 2:5 y. dick (Fig. 96, D a und b).
Besonders charakteristische Erscheinungen zeigen die Spinndrüsen der erkrankten
Raupen, welche stellenweise völlig von „Körperchen” erfüllt werden und rosen-
kranzähnlich anschwellen, so dass die Absonderung der Seidenmasse gestört wird
oder ganz aufhört (Fig. 96 C'). Ganz schwach infieirte Raupen können noch ein
Cocon spinnen und sich in einen Schmetterling verwandeln. Dieser ist aber
dann mit „Körperchen” infieirt und auch die von einem kranken weiblichen
Schmetterlinge erzeugten Eier sind angesteckt. Ja man behauptet dies sogar
von den Eiern eines gesunden, aber durch ein krankes Männchen befruchteten
Weibchens. Aus solchen kranken Eiern gehen wieder kranke Ranpen hervor,
168 Kap. VI Eutstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
die meist während der ersten und zweiten Häutung sterben. Werden aus
sesunden Eiern gezogene Raupen durch Uebertragung des Parasiten mittelst der
Nahrung in den Darmcanal oder von verletzten Stellen der äusseren Haut aus
inficirt, so gelangen sie häufig noch bis zur Bildung eines Cocons, in welchem
aber bei stärkerer Infeetion die Puppe zu Grunde geht.
Diese Krankheit hat vielleicht schon im 15. Jahrhundert, bestimmt aber
zu Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts — 1688 bis 1710, später
wieder von 1744 bis 1756. — in verheerender Weise geherrscht, verschwand dann
und trat nach fast hundertjährigem Stillstande wieder allgemein in den Fünfziger-
Jahren unseres Jahrhunderts auf. Die Krankheit herrschte nicht blos in den seiden-
züchtenden Ländern Europas, sondern auch in China und Japan. Im letzten
Jahrzehnt ist sie nahezu verschwunden, seitdem in richtiger Würdigung des Um-
standes, dass nur die in den Eiern eingeschlossenen „‚Körperchen” den Winter über
lebensfähig bleiben, in allen grösseren Züchtereien nur noch wirklich gesunde
Eier zur Zucht verwendet werden. Man erreicht dies durch das von PAsSTEUR ein-
geführte Verfahren der „Zellengrainage”. Es besteht darin, dass die in Copula
befindlichen Pärchen in Einzelzellen isolirt und die Schmetterlinge nach Ablage
der Eier — „grains’’ — auf das Vorhandensein von Körperchen mikroskopisch unter-
sucht werden. Finden sich solche vor, so werden die von diesen Paaren erzeugten
Eier sofort vernichtet |BorLLinger 7, $ 37 ff].
Wir haben im Vorhergehenden die einzelnen aufgeführten Spaltpilze als
besondere Gattungen und Arten bezeichnet und wie wir glauben mit vollem
Rechte. Es darf aber hier nicht verschwiegen werden, dass diese Anschauung
nicht allgemein getheilt wird, weil es von einigen Forschern [vergl. Zopr’s
Arbeiten 25], fraglich gemacht wurde, ob nicht die verschiedenen Gattungen
zugetheilten Formen auch als Glieder eines und desselben Entwicklungseyklus
erscheinen können und weil ferner, bei der Kleinheit der in Frage kommenden
Organismen, vielfach weniger die morphologische Beschaffenheit der Pilzzelle als
die Verschiedenheiten ihrer chemischen Thätigkeit, d. h. die Art der Zersetzungs-
erscheinungen, welche bei ihrem Vorhandensein im Substrate eintreten, nach
Comn’s Vorgange zur Unterscheidung der Arten benützt werden. Gibt doch z. B.
H. Buchxer [iO] an, es sei ihm gelungen, die sogenannten Heubacillen, Bacil-
lus subtilis Conx., in vielen aufeinanderfolgenden Generationen durch Zuchten
in verschiedenen, passend abgestuften Medien der Lebensweise in warmem bewegtem
Säugerhlute derartig anzupassen, dass sie schliesslich dieselbe Wirkung erhalten,
wie die echten Milzbrandbaeillen, Bacillus Anthracis Conun, also wirklich auclı
Milzbrand hervorrufen. Die Bestätigung solcher und ähnlicher Ansichten durch
genaue Nachuntersuchungen bleibt aber vorläufig abzuwarten. Discutabel sind
solche Fragen heutzutage aber überhaupt nur für Schizomyceten und höchstens
noch für die Classe der Saccharomyceten oder Hefepilze, und zwar nur was
die Artfrage anbetrifit. Dagegen ist auch für diese niedrigsten Pilze festzuhalten,
dass sie selbstständige Pilzformen bilden und nicht etwa Entwicklungsformen
verschiedener höherer Pilze sind. Es muss dies bier darum besonders hervor-
sehoben werden, weil diejenigen Pilzforscher, deren Arbeiten sich auch auf
die Mykosen forstschädlicher Insekten ausgedehnt haben und zugleich in die
forstliche Literatur übergegangen sind, also Baıt, HALLıer und Harrıc, letzterer
wenigstens zu der Zeit, in welcher er über diesen Gegenstand publieirt hat [I3,
1869], auf einem ganz entgegengesetzten Standpunkte stehen. Ihre Anschauungen
können bezeichnet werden als eine übermässige Ausdehnung der wesentlich
durch die Gebrüder TurAsse angebahnten und von pE Bary und seinen
Schülern weiter geführten Lehre von dem Pleomorphismus der Fructifications-
organe der Pilze. Diese Lehre besagt, dass innerhalb des Entwiceklungseyklus einer
und derselben Pilzart sehr verschiedene, früher für besondere Arten gehaltene
und besonders benannte Fruchtträgerformen vorkommen können, und zwar ent-
weder in gesetzlich geregelter oder scheinbar ungeregelter Folge. Dieser genetische
Zusammenhang verschiedener Pilzformen ist aber in jedem einzelnen Falle durch
genaue, rein gehaltene Culturen zu‘ beweisen, und dies ist in vielen Fällen,
in welchen z. B. Haızıer einen regellosen genetischen Zusammenhang der ver-
schiedenen niederen und höheren Pilzformen nachgewiesen zu haben glaubte,
Pebrine und insektentödtende Entomophthoreen. 169
vorsichtigen Forschern nicht gelungen. In die Classe dieser, durch ungenügende
Vorsichtsmassregeln und Mangel hinreichender Controlversuche hervorgerufenen
Täuschungen gehören z. B. die Angaben von HALLIer über den genetischen Zu-
sammenhang des Pebrineparasiten mit der Pleospora herbarum TuLasxe, einem
gemeinen, auch auf den Maulbeerblättern vorkommenden Ascomyeeten, sowie die
Angaben von BaAır über den Zusammenhang des weiter unten zu besprechenden,
vorläufig Isaria farinosa Fr. genannten Insektenschmarotzers mit dem gemeinen
Pinselschimmel, Penicillium glaucum Lmx, desgleichen die Behauptung der
Zugehörigkeit des Fliegenparasiten Empusa muscae Conx zu einem Entwicklungs-
eyklus, in welchen auch ein Schimmelpilz, Mucor mucedo L., die Bierhefe,
Saccharomyces cerevisiae Rees, und die auf im Wasser faulenden Insekten vor-
kommende Achlya prolifera Ners AB Es. gehören sollten. Diese nicht bestätigten
Angaben seien hier nur kurz erwähnt. Wir werden ihrer im Folgenden nicht
mehr gedenken.
Als nächste hier in Frage kommende Gruppe der Pilze erscheinen die
Entomophthoreae, deren Hauptinhalt gebildet wird durch die Gattungen Ento-
mophthora Fresentus und Empusa Conn. Diesen ausschliesslich auf lebenden
Insekten parasitirenden und dieselben tödtenden Formen werden neuerdings die
auf Pflanzen schmarotzenden, für uns aber hier nicht in Betracht kommenden
Genera Completoria Leiter auf Farnprothallien und Conidiobolus BrEFELD, auf
Tremellinen lebend, angeschlossen.
Die hier zu erwähnenden epizoischen Entomophthoreen dringen in
die Leibeshöhle lebender Insekten ein, entwickeln sich hier, und nur ihre
Fruchtträger durchbrechen nach dem Tode des Thieres die Körperdecken, um
hier Sporen von bald erlöschender Keimkraft, sogenannte Gonidien, abzuschnüren.
Ausserdem gehören in den Entwicklungseyklus der meisten Formen Dauersporen,
welche innerhalb des Körpers des Thieres entstehen und die Erhaltung der Art
auch unter ungünstigen äusseren Verhältnissen sichern. Die beiden Hauptgattun-
sen, Entomophthora Fresen. und Empusa Conn, unterscheiden sich dadurch,
dass bei Entomophthora der im Inneren des angefallenen Thieres sich ent-
wickelnde Pilz ein aus verzweigten und anastomosirenden Zellfäden (Fig. 97 J)
gebildetes Mycelium darstellt, von dem die sich verästelnden und die Haut durch-
brechenden Gonidienträger (Fig. 97 D) ausgehen, während bei Empusa im In-
neren des Thieres nur lange, einzellige, getrennt bleibende Schläuche auftreten,
welehe mit ihren unverzweigt bleibenden Enden die Haut des Insektes durch-
brechen und je ein Gonidium abschnüren (Fig. 99 F).
Am vollständigsten kennen wir die Lebensgeschichte von Entomophthora
radicans Brkererp (Fig. 97). Im Herbste zeigt sich häufig eine Pilzseuche unter
den Raupen des Kohlweisslings, Pieris Brassicae L. Man erkennt den Eintritt
derselben an der Trägheit, welche sich der vorher lebhaften Raupen bemächtigt.
Plötzlich sterben die Thiere, und noch am Todestage hüllen sie sich in einen
srünlich-weissen Schimmel (Fig. 97 B), der schon nach wenigen Stunden verblüht
und die Raupe völlig unkenntlich, in Form einer braunen verschrumpften Haut
zurücklässt, in unmittelbarer Nähe umgeben von ganzen Haufen weisser Sporen,
den abgeworfenen Gonidien des verblühten und wieder verschwundenen Pilzes.
Diese Gonidien sind kleine, 17 y. lange und 5 y. dicke, farblose Spindeln
(Fig 97 E). Gelangt eine solche wiederum auf die Haut einer Raupe, so beginnt
sie einen BE ehaceh zu treiben, der sich schon in kurzer Entfernung von der
Spore in die Haut einbohrt, dieselbe in der Umgebung der Einbohrungsstelle
bräunend (Fig. 97 @). Der Keimschlauch durchsetzt nun fortwachsend und sich
in mehrere Zellen gliedernd, von denen nur die vorderste Protoplasma enthält,
die Leibeswand der Raupe, bis er allmälig — gewöhnlich am dritten Tage —
in dem Fettkörper anlangt. Hier wächst nun die "Endzelle, und zwar auf Kosten
des Fettkörpers, den sie mit unglaublicher Schnelligkeit durchwuchert, zu einem
verästelten und verfilzten Mycel aus, dessen Fäden (Fig. 97 J) 1 bis 6 u. Dicke
haben. Jetzt beginnt die oben geschilderte Trägheit der bis dahin anscheinend
völlig gesunden Raupe; aber erst wenn der Pilz den gesammten Fettkörper
aufgezehrt hat und sich bereits isolirte, abgeschnürte, längliche Mycelzellen
(Fig. 97 H) im Blute zeigen, tritt die dem Tode vorausgehende Unbew eglichkeit ein.
1
-
‘
1) Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
Die in das Blut gelangenden, abgeschnürten Aeste verbreiten den Pilz bis in die
letzten Schlupfwinkel des Körpers, und die nun straff vom Pilzmycelium ausgefüllten
Raupen sterben, nachdem der Pilz alle inneren Organe, mit alleiniger Ausnahme
der Cutieula und der Chitinhäute von Darm und Tracheen, aufgezehrt hat (Fig.97 C),
gewöhnlich im Laufe des fünften Tages nach der Infeetion. Zwölf Stunden nach
dem Tode brechen dieke Büschel paralleler, in Zellen gegliederter Pilzfäden oder
Fig. 97. Entomophthora radicans Brererp |8, Taf. 1 und 9, Taf. 7). A—J die
Gonidien erzeugende Form, KX—L die Dauersporen erzeugende Form. A Raupe
von Pieris Brassicae L. durch E. radicans getödtet, a die sie an die Unterlage
befestigenden Hyphenbüschel. D dieselbe in einem späteren Stadium, eingehüllt
von dem Schimmelflaum. © Querschnitt durch eine solche Raupe, « Cutieula der
Raupe, 5b Tracheen, e im Darmcanal vorhandene Speisereste. Alle Weichtheile
der Raupe sind aufgezehrt und durch ein dichtes Mycelgeflecht ersetzt, das bei
d einen diehten Hyphenwald durch die Haut getrieben hat. Dieser hat wieder
die Sporen e abgeschnürt. D die Fruchthyphen a, mit Basidien 5 und Sporen ce.
E Einzelsporen stärker vergrössert. F’ Spore «a, welche einen Mycelfaden erzeugt
hat, an dem wieder secundäre Sporen 5 und e entstanden sind. @ ein Stück
Haut der Raupe, auf dem Sporen a gekeimt haben, deren Keimschläuche die
Haut bei db, sie bräunend, durchsetzt und an der Spitze c fortwachsend, weiter-
sewuchert haben. 7 abgetrennte Myceläste im Raupenblute frei schwimmend.
J Verästelter Mycelfaden. K Dauersporen tragende Mycelfäden, « mit Proto-
plasma gefüllt, a‘ leer, d in der Entwicklung begritfene, 5’ reife Dauersporen. Z reife
Dauersporen mit dicker Hülle und Fetttropfen im Innern.
Hyphen zwischen den Beinen der Raupe auf der Bauchseite hervor (Fig. 97 Aa),
dieselbe wie mit Wurzeln auf der Unterlage befestigend, und bald darauf beginnen
auch die fruchttragenden Hyphen die Haut der Raupe zu durchbrechen, die sie
bald als ein dichter Schimmelüberzug umgeben (Fig. 97 DB). Die beim Durchtritt
durch die Haut einfachen Hyphen verästeln sich bald (Fig. 97 D). Die Spitzen
dieser Zweige gliedern sich nun durch Scheidewände als kurze Basidien —
so genannt, weil sie den Gonidien gewissermassen als Basis dienen — ab
Insektentödtende Entomophthoreen. 171
(Fig. 97 D, b), an deren Ende nun die kurzspindelförmigen Gonidien entstehen
(Fig. 97 D, e und E). Sowie dieselben ausgebildet sind, beginnt das Protoplasma
der Basidie durch Wasseraufnahme zu schwellen und Vacuolen zu zeigen, schliess-
lich platzt die Basidie an der Stelle, an der sie mit dem Gonidium zusammen-
hing, und die in Folge ihrer Elastieität wieder zusammenschnurrende Membran
der Basidie schleudert zugleich mit dem Protoplasma die abgelöste Spore einige
Millimeter weit fort. Jedoch nicht alle infieirten Raupen bedecken sich mit der
schimmelartigen Fructification. Manche schrumpfen, nachdem sie in Folge einer
völligen Durehwucherung ihres Inneren durch das Pilzmycelium abgestorben und
durch die oben erwähnten sterilen Hyphenbündel auf der Unterlage fixirt worden
sind, nach vorhergehender Erweichung zu zerbrechlichen Mumien ein. Diese
bestehen aus der wenig veränderten Raupenhaut, welche eine dichte Masse grosser,
diekwandiger Dauersporen von kugliger Form und 25 y. Durchmesser (Fig. 97 L)
als einen weisslichen Inhalt umschliesst. Diese Dan repansd entstehen an dem
Mycelium, sobald dasselbe den ganzen Raupenleib ausgefüllt hat, als seitliche
Auswüchse der Fäden, denen sie fast unmittelbar aufsitzen (Fig. 97 K). Sobald
diese Sporenanlagen auftreten, wandert das Protoplasma der Fäden in sie hinein,
und zwar in dem Masse, als sie wachsen. In den sich entleerenden Mycelfäden
treten nach rückwärts Scheidewände auf und iin dem anfangs gleichmässigen Inhalte
der Dauersporen zeigen sich Fetttröpfehen, die sich schliesslich in der Mitte zu
einem grossen Tropfen sammeln. Die starke Membran spaltet sich in eine dickere
äussere und eine dünne innere. Die Bildung dieser Dauersporen erfordert ohn-
Fig. 98. Entomophthora Aulicae Rrıcnarpr. A Raupe mit den in mäandrischen
Windungen hervorbrechenden Fruchthyphen. Bund €’ Gonidien. (Originalzeichnung.)
gefähr 8 bis 10 Tage. Während die spindelförmigen Sporen ihre Keimfähigkeit
bald verlieren, keimen die Dauersporen erst nach längerer Zeit und sie sind es,
welche die Art während der Ueberwinterung erhalten |Brereıp 8 und 9].
Man kennt übrigens durchaus nicht von allen Entomophthora-Arten beide
Sporenformen. So sind von der forstlich wichtigsten, welche auch auf der Kiefern-
eulenraupe schmarotzt, nur die Gonidien bekannt.
Es ist dies Entomophthora Aulicae Reıcnarpr. Sie wurde zuerst auf der
Raupe von Euprepria aulicaL. entdeckt, dann auf einer Reihe anderer Euprepria-
Arten wiedergefunden und tritt am grossartigsten an der Raupe und Puppe von
Noctua piniperda auf. Aus anscheinend ganz gesunden Raupen dieses Forst-
schädlings bricht häufig ganz plötzlich im Verlauf von 24 Stunden ein schimme-
liger, ohngefähr 1 mm hoher Ueberzug von Fruchthyphen hervor, welche sich
verästeln und an jedem Astende eine — nach unseren Messungen — im Durch-
schnitt 35 u. lange und 21 u. breite, eiförmige Spore mit stumpfer Papille abschnüren
(Fig. 98 B und C') und in der bekannten Weise von sich schleudern. Jede Spore
zeigt im Inneren einen grossen, selten mehrere kleine Fetttropfen. Hält man die
Raupen feucht, so gehen sie bald in derselben Weise wie die von Ent. radicans
befallenen zu Grunde. Trockener gehaltene schrumpfen zu einer, bis auf den
glänzend braun bleibenden Kopf, von weissem Staube bedeckten und mit Mycel
gefüllten Mumie ein, an welcher man die schon von Conn hervorgehobene Charak-
teristik dieser Fructificationsform, ihr Hervortreten in gewundenen Linien erkennen
kann. Diese fliessen bald zusammen und die Pilzbedeckung erscheint in der Form
von mäandrisch gewundenen, den Windungen des Gehirns der Säugethiere ähn-
lichen Wulsten (Fig. 93 A).
172 Kap VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
Nur Dauersporen kennt man von einer an der Raupe von Agrotis sege-
tum ScHirr. vorkommenden Entomophthoree, welche von Conmn als eigene
Gattung aufgestellt und Tarichium megaspermum genannt wurde. Da der
Unterschied zwischen den Gattungen Entomophthora und Empusa, wie oben aus-
einandergesetzt, wesentlich auf der Verschiedenheit der gonidientragenden Hyphen
beruht, so ist die Entscheidung, ob man es hier mit einer Entomophthora-
oder einer Empusa-Form zu thun hat, vorläufig nicht zu treffen. Die Lebens-
geschichte dieses Pilzes ist folgende: Die erkrankten grau- oder grünlich-braunen
Raupen beginnen, vom Kopf anfangend, sich dunkel zu färben, bis sie ganz
schwarz geworden siud. Nun schwellen sie zunächst an, trocknen, während
sie eine ölige Flüssigkeit durchschwitzen lassen, allmälig zu verschrumpften
Mumien ein und füllen sich im Inneren mit einer kolhlschwarzen, zunderartigen
Masse, welche aus undurchsichtigen, kugelrunden, 56 bis 55 p. Durchmesser
haltenden Dauersporen besteht. Die Sporen haben zwei Hüllen, deren äussere
häufig von unregelmässig gewundenen Furchen durchsetzt ist.
Das erste Anzeichen der Krankheit ist, dass in dem bei gesunden Thieren
gelblichen Blute zahllose schwarze Pünktchen auftreten, die ihm unter dem
Mikroskop das Aussehen von eingeriebener chinesischer Tusche geben. Auch sind
zahlreiche farblose Krystalle in ihm vorhanden. Dann beginnen sich die Anfänge
des Pilzes als freie kuglige Zellen von 7 bis 15 p. Durchmesser zu zeigen, die
durch den Zerfall länglicher, gleichfalls im Blute vorkommender Schläuche
entstehen. Aus diesen kugligen Keimen entwickeln sich 5 bis I0 y. dieke, nur
wenige Querscheidewände zeigende Hyphen, die sich verästeln und ein den Körper
völlig durchsetzendes Mycel bilden. Dieses zehrt die Eingeweide der Raupe auf,
seine Spitzen schwellen kuglig an und schnüren sich schliesslich als die oben
beschriebenen, braunen Dauersporen ab.
Sowohl Gonidien- als auch seit Kurzem Dauersporen |23, S. 68] kennt
man bei dem gemeinen Parasiten unserer Stubenfliegen, der Empusa Muscae
Conn. Allherbstlich, in unseren Breiten etwa vom Juli an, tritt eine durch diesen
Pilz verursachte Epidemie der Stubenfliege auf, welche in südlicheren Gegenden,
z. B. in Italien, das ganze Jahr zu finden ist. Die in den ersten Stadien der-
selben äusserst beweglichen und unruhigen Thiere werden bald matt und träge,
um endlich unter krampfhaften Bewegungen mit Beinen und Rüssel, ihrer Unter-
lage fest angeheftet, den Tod zu finden. Der schon vorher aufgedunsene Hinterleib
schwillt mehr und mehr, und es tritt zwischen seinen Ringen eine fettartig aus-
sehende, weisse Substanz hervor. Bald beginnt um das Insekt herum die Bildung
eines Hofes von weisslicher, staubähnlicher, aus Pilzsporen bestehender Masse,
die auch die Beine und Flügel des Thieres über und über bedeckt und sich bis
zum Vertrocknen des Thieres stetig vermehrt (Fig. 99 A). In den jüngeren
Stadien der Krankheit erscheint das Blut der Fliegen durch das Vorhandensein
von zahlreichen kleinen rundlichen, freischwimmenden Pilzzellen milchig (Fig. 99 D).
Diese Zellen, welche denen im Blute von Agrotis segetum beschriebenen
homolog sind, sich aber dureh hefeartige Sprossung vermehren, wachsen (Fig. 99
E a und 5) im Fettkörper aus, um endlich zu langen, einzelligsen, vielfach ge-
wundenen, cylindrischen Schläuchen von 9 bis 11 m Durchmesser (Fig. 99
F a und 5) zu werden, deren dichtgedrängte, auf 19 bis 28 u Durchmesser
anschwellende, kegelförmige Spitzen nach dem Tode des Thieres die Chitinhaut
durchbrechen und die erwähnte fettartige, weisse Masse zwischen den Leibes-
ringen bilden. An der Spitze jeder dieser Fruchthyphen entsteht eine kugel-
förmige Aussackung, welche zu einer Spore von 20 bis 23 u. Länge und 16 bis
23 » Dicke wird, eine eigenthümliche Glockenform annimmt und sich von der
Hyphe durch eine Scheidewand abgliedert, um schliesslich im der schon bei
Entomophthora radicans Bker. geschilderten Weise mit Gewalt weggeschleudert
zu werden und den das Insekt umgebenden Hof bilden zu helfen (Fig. 99 Ba
und 5). Die weggeschleuderte Spore ist umgeben von einem Tropfen Protoplasma
der geplatzten Fruchthyphe, welch letztere beim Platzen zusammenfällt und
alsbald durch eine jüngere ersetzt wird. Trifft die so fortgeschleuderte Spore
den Leib einer Fliege, namentlich die Unterseite des Hinterleibes derselben,
so klebt sie fest und beginnt nun sofort einen Keimschlauch zu treiben,
Insektentödtende Entomophtoreen. 173
der schnell die Chitinhaut durchbricht und nun durch erneute hefeartige Sprossung
bald die bis dahin gesunde Fliege mit Pilzzellen, die bald wieder zu ein-
zelligen langen Schläuchen auswachsen, infieirt. Gelangt die Spore auf eine andere
Unterlage, so treibt sie, dank der im Plasmatropfen mitgegebenen Feuchtigkeit,
auf Kosten desselben einen kurzen Fortsatz in die Luft, an dessen Spitze eine
seeundäre Spore entsteht, die von dem schwellenden Fortsatze fortgeschleudert
Fig. 99. Empusa Muscae Coun [nach Brererp 8, Taf. 3 und 4]. A an Ento-
mophthora-Mykose gestorbene Stubenfliege mit dem sie umgebenden Hofe weg-
geschleuderter Sporen. B Sporen, a mit umgebendem Protoplasmahofe, 5 ohne
denselben. C' Sporen, keimend und secundäre Sporen bildend. D Familien hefe-
artig sprossender Empusazellen aus dem Fettkörper einer Fliege. E «a Empusa-
zellen aus dem Fettkörper im Auswachsen zu Schläuchen begriffen, 5. solche
weiter fortgeschrittene Schläuche. F halbschematische Darstellung der Fructifica-
tion. x Andeutung der Leibeswand, „ Chitinhaare des Fliegenleibes, « die durch
die Leibeswand durchgebrochenen, Sporen tragenden Hyphenenden, db die im
Körper bleibenden Hyphenschläuche, e noch nicht durchgebrochene Schläuche,
d weggeschleuderte, aber an den Haaren der Fliege hängengebliebene Sporen,
zum Theil bereits secundäre Sporen erzeugend.
wird (Fig. 99 ©), wie die primäre Spore von der Hyphe. Gerade diese secundären
Sporen sind sehr geeignet, auf die Unterseite einer über die infieirte Stelle weg-
laufenden Fliege zu gelangen [BrereLv 8, Sorus-Laugach 21]. An feuchten Stellen
sterbende, infieirte Fliegen erzeugen keine glockenförmigen Sporen, sondern die
Schläuche des Myceliums bilden kleine astartige Ausstülpungen und schnüren
meist genau kuglige, farblose, mit dicker Membran versehene, an Fetttröpfehen
reiche Danersporen von 30 bis 50 ı. Durchmesser [23] ab,
174 Kap. IV. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
Die Dauersporen aller erwähnten Entomophthoreen entstehen ohne Copu-
lation, d. h. ohne dass ein geschlechtlicher Act ihrer Bildung voranginge. Es
sind also, um den wissenschaftlichen Ausdruck zu gebrauchen, Azygosporen.
Durch die Arbeiten von Nowarowsky ist aber nachgewiesen worden, dass bei
Entomophthora curvispora Now. und E. ovispora Now. der Dauersporenbildung
eine Copulation vorangeht, diese Sporen also Zygosporen sind. Wir können
auf die Vorgänge bei diesen selteneren und, weil auf indifferenten Fliegen und
Mücken lebend, forstlich gleichgiltigen Arten hier nicht näher eingehen und er-
wähnen dieselben überhaupt nur deshalb, weil ihre Entdeckung |I7 und 18] die
Ursache geworden ist, dass man die Entomophthoreen als eigene Gruppe auf-
gestellt und von den Basidiomyceten, zu denen sie z. B. noch Winter [24] rechnet,
völlig getrennt hat.
Eine weitere, natürliche Gruppe der Pilze sind die Ascomycetes. Für diese
ist es charakteristisch, dass in ihrem Entwicklungskreise stets eine Fruchtträger-
form vorkommt, an der sich im Inneren von Mutterzellen mit besonderer Structur,
welche man Sporenschläuche, Asci, nennt, Sporen entwickeln. Die so
gebildeten Sporen heissen Ascosporen (Fig. 100 ©). Alle insektentödtenden
Ascomyceten gehören in die Unterabtheilung der Pyrenomycetes. Die Pyrenomy-
ceten sind dadurch ausgezeichnet, dass sich die Asci innerhalb besonderer, runder
oder flaschenförmiger Behälter entwickeln, die am Scheitel eine natürliche, enge
Mündung haben, welche mitunter auf der Spitze einer mehr oder weniger aus-
gezogenen Papille steht. Diese Behälter heissen Perithecien. Sie können
entweder direct dem Pilzmycel aufsitzen oder auf sehr verschieden geformten
Fruchtträgern angebracht sein (Fig 100 B,. Ausser den Peritheeienträgern können
im Entwicklungskreise der Pyrenomyceten aber auch noch andere Fructifications-
formen vorkommen, welche die Sporen frei an der Oberfläche der sie bilden-
den Pilzfäden oder Hyphen abschnüren. Diese Sporen nennt man Gonidien
(Fig. 100 Ee) und die sie erzeugenden Fruchtträger Gonidienträger. Diese
Fruchtträger können einmai einfache, von dem Mycelium sich senkrecht abhebende,
in der Mehrzahl vorhandene Fruchthyphen sein, welche entweder direct oder
an secundären Verzweigungen die Gonidien entstehen lassen. Solche einfache
Fruchthyphen bedecken dann das Substrat als ein schimmelartiger Flaum. In
anderen Fällen treten eine grössere Anzahl von dem Mycel entspringender Hyphen
zu einem soliden, sehr verschiedenartig geformten Körper, dem sogenannten
Stroma zusammen (Fig. 101 A), und erst von diesem erheben sich nun die Goni-
dien abschnürenden Hyphen. Die Theile beider Arten der Gonidienträger, von
denen die Gonidien sich unmittelbar abschnüren, welche gewissermassen die
Basis der Sporen bilden, heissen auch hier Basidien. Es gibt übrigens noch
andere, für unsere Betrachtungen unwichtige Formen von Fruchtträgern bei den
Pyrenomyceten Die verschiedenen Formen von Fruchtträgern treten an dem
Mycelium einer bestimmten Pyrenomyceten-Art gewöhnlich nicht gleichzeitig auf,
und man kann im allgemeinen annehmen, dass anfänglich Gonidienträger, später
erst Perithecienträger erscheinen. In vielen Fällen bringt es sogar der Pilz
gar nicht bis zur Entwicklung von Perithecienträgern und pflanzt sich längere
Zeit hindurch ausschliesslich durch Gonidien fort. Desgleichen gibt es Pyrenomy-
ceten, in deren Entwicklungskreis wir keine Gonidienträger kennen. Daher kommt
es, dass die systematische Pilzkunde in früheren Zeiten viele Mycelien mit
Gonidienträgern als selbstständige Pilzarten ansah sowie demgemäss selbstständig
benannte. Trotzdem es heutzutage gelungen ist, den Entwicklungseyklus
vieler Pyrenomyceten vollständig klarzustellen, kennen wir dennoch für eine
grössere Menge von Gonidienträgern die zugehörigen Perithecienträger noch nicht
und sind noch heute genöthigt, sie der Orientirung halber mit besonderen Namen
zu belegen. Ja es gibt wahrscheinlich Formen, denen in ihrem Entwicklungs-
kreise Perithecienträger überhaupt fehlen.
Unter den insektentödtenden Pyrenomyceten kennen wir am vo'lständig-
sten den Entwicklungskreis von Cordyceps militaris Frıes, der auch mitunter
als Torrubia militaris bezeichnet wird, nach dem Namen eines spanischen Mön-
ches Torrupra, welcher von den Antillen stammende, auf dortigen Wespen
schmarotzende Formen dieser Pilzgattung zuerst beschrieb, Gebilde, welche ihrer
Insektentödtende Ascomyceten. 175
Zeit unter dem Namen der „zoophytischen Fliege” bedeutendes Aufsehen
machten. Das Mycelium dieses Pilzes schmarotzt in einheimischen Raupen und
Puppen und tödtet sie. Später brechen aus dem Leibe der Leichen die
orangefarbenen, keulenförmigen, bis 40 mm langen, gestielten Fruchtträger hervor
(Fig. 100 A), die oberflächlich hervorragende, 02 mm bis 0:3 mm lange und
0.13 mm bis 02 mm dicke Perithecien (Fig. 100 B) tragen, welche die Asei
Fig. 100. Cordyceps Frızs. A C. militaris Fr. auf einer Raupe von Bombyx
Rubi L., a unentwickelte, d entwickelte Fruchtträger mit den vorspringenden
papillenartigen Mündungen der Peritheeien. 3 C. entomorhiza Fr. Längsschnitt
durch die Keule eines Fruchtträgers, die Anordnung der flaschenförmigen Peri-
thecien zeigend. (€ Geplatzter Ascus desselben Pilzes mit den acht langen, in
Theilsporen zerfallenden Ascosporen. D Gonidienträger 5, aus Theilsporen «a
von C. militaris gezüchtet und kuglige Gonidien ce abschnürend. E älterer
Gonidienträger Db desselben Pilzes, von einem Mycelfaden « entspringend, e kug-
lige Gonidien, c‘ ovales Spitzengonidium. A—(' nach Turasxe [22, Taf. 1], D und
E nach ve Barry [6a, Taf. 1].
enthalten. Die schlauchförmigen Asci erzeugen je 8 lange, stabförmige, circa
0:0013 mm breite, primäre Sporen, welche sich bei ihrer Reife noch innerhalb
des Aseus in eine Reihe von 0'003 mm langen Theilsporen, bis 160 an einer
Primärspore, gliedern (Fig.100 €). Wenn man die in feuchter Umgebung gehaltenen
Perithecienträger in trockene Luft bringt, werden die reifen Sporen aus den Peritle-
cien herausgeschleudert. Die Theilsporen trennen sich bald von einander. Gelangen
176 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
sie auf feuchten Boden oder auf die Haut einer lebenden Raupe, so beginnen sie,
unter Anschwellung auf das Doppelte ihres ursprünglichen Volumens, Keim-
schläuche zu treiben (Fig. 100 D). Auf dem Öbjectträger künstlich gezogen,
wachsen diese Keimschläuche direct zu kugelgonidientragenden Fruchthyphen aus.
Bei den Raupen dringen sie aber durch die Leibeswand in die Körperhöhle des
Thieres, ohne auf der Oberfläche der Haut dunkle missfarbene Flecken zu er-
zeugen, und beginnen nun kleine blasse, längliche Cylindergonidien (vergl.
Fig. 102 B und (') zu bilden. Diese vermehren sich in dem Blute durch Abschnü-
rung wiederholter Generationen gleichartiger Gonidien, deren Wachsthum und
Vermehrung auf Kosten der Blutmasse der Raupe geschieht. Hiermit hält eine
Erkrankung der Raupe gleichen Schritt, welche nach 14 Tagen bis 3 Wochen
mit dem Tode derselben endigt. Die Raupe ist kurz nach dem Tode durch-
aus weich und schlaff; liegt sie aber in feuchter Umgebung, so beginnen die
Cylindergonidien zu den Mycelfäden des Cordyceps auszuwachsen, alle Organe,
zumal den Fettkörper, durchwuchernd und auf ihre Kosten sich nährend. Es
wird so der Raupenleib von dem Mycelium prall ausgestopft, er schwillt und
erhärtet. Schon nach acht Tagen treten Aeste der Mycelfäden durch die Haut
an die Oberfläche des Körpers, und es bedeckt sich dieser allmälig völlig mit
einem kurzen Flaum weisser, kaum 0:5 mm hoher Fruchthyphen. Diese treiben
allenthalben zahlreiche Aeste, welche auf abstehenden, selten vereinzelten, meist
in zwei- bis fünfgliedrige Wirtel geordneten, pfriemenförmigen Seitenzweigen
runde Sporen von 0:0025 mm Durchmesser, sogenannte Kugelgonidien, in
perlschnurförmiger Verbindung — also reihenweise, succedan — erzeugen
(Fig. 100 Eee). Die erstgebildete, also oberste Gonidie der Reihe ist meist
länglich eylindrisch und mitunter fallen die succedan entwickelten Ketten zu
einem unregelmässigen, die Spitze des Zweiges einnehmenden Häufehen zusammen
(Fig. 100 Ee'). Später erscheinen in dem weissen Flaum orangefarbene, aus
dicht und parallel vereinigten Pilzfäden gebildete Hervorragungen, welche all-
mälig wieder zu Peritheeien-tragenden, orangefarbenen Fruchtträgern heranwachsen.
Es gehören also in den Entwicklungskreis des Cordyceps militaris schon
nach älteren Untersuchungen sicher zwei Sporenarten und zwei Fruchtträgerformen,
und es findet bei dem typischen Entwicklungsgange des Pilzes eine regelmässige,
nothwendige Abwechslung zwischen dem Auftreten der in den Ascis der Perithecien
gebildeten Sporen und deren Theilungsproducten einerseits, und den im Blute des
Insektes von den Keimschläuchen abgegliederten Cylindergonidien andererseits
statt. Dagegen sind die einfachen Fruchthyphen eine secundäre, morphologisch
nebensächliche Form von Fruchtträgern und die auf ihnen succedan abgeschnürten
Kugelgonidien bei ihrer schnellen Entwicklung Einrichtungen zur raschen Ver-
breitung des Pilzes, denn wir haben allen Grund zu glauben, dass die Kugelgonidien
in derselben Weise auf der Haut einer Raupe keimen, in diese eindringen und
Cylindergonidien erzeugen können, wie die Theilsporen' der Primärsporen aus den
Perithecien |pe Barry 6].
Ausser den beiden oben beschriebenen Fruchtträgerformen soll aber nach
Turasse [22] neben den einfachen Fruchthyphen noch eine andere Form Kugel-
gonidien succedan abschnürender Stromata vorkommen, als welche er Isaria
farinosa FrıEs bezeichnet.
Der gemeinsame Charakter der unter dem Genusnamen „Isaria” Hırı
zusammengefassten, gonidientragenden Stromata besteht darin, dass sich von dem
in dem Substrat — also in unserem Falle in dem Leibe des todten Insektes
— verborgenen Mycelium ein mehr oder weniger säulenförmiger, aus Pilzfäden
zusammengesetzter Stamm erhebt, welcher wenigstens an seinem oberen, nicht
deutlich abgesetzten Theile abstehende, einfache oder wiederholt ästig verzweigte
Fäden trägt, die an der Spitze gerader Basidien einzellige Sporen abschnüren,
Es werden meist nur nach den Farben- und Formunterschieden der sehr
variablen Stromata und nach dem Vorkommen auf verschiedenen Substraten eine
ganze Reihe von „Isarienspecies” unterschieden. Am besten bekannt ist diejenige,
welche als Isaria farinosa Frırs bezeichnet wird und höchst wahrscheinlich in den
Entwicklungseyklus von Cordyceps militaris gehört. Sie lebt auf verschiedenen
Raupen und Puppen, besonders von Bombyx Rubi L. und B. Pini L., zunächst in
Insektentödtende Ascomyceten. 177
Form von bis 10 mmhohen Keulchen mit blass orangefarbigem Grunde, welche sehr
bald dicht weiss bestäubt erscheinen durch einen massigen Ueberzug von gonidien-
tragenden Aestchen (Fig. 101 A); oder sie bildet grössere, lebhaft orangegelbe
Körper, die I nım und darüber dick sind, sich senkrecht aus der Raupe erheben,
ihre ziemlich glatte Oberfläche und lebhafte Farbe beibehalten, langsam auf eine
Länge von 15 bis 20 mm heranwachsen und dann von den garbig auseinander-
tretenden Hyphen der Spitze beginnend, auf ihrer Oberfläche Gonidien abschnürende
Zweige treiben. Die einzelnen Fruchthyphen, welche sich stets nur gablig verästeln,
tragen meist nur paarweise opponirte Zweige (Fig. 101 B und (©), zeigen also nicht
die wirtelförmige Anordnung der weitabstehenden Aeste, wie sie oben bei der ent-
sprechenden Form von Cordyceps militaris beschrieben wurde. Diese Differenz
in der Anordnung der Zweige der Fruchthyphen veranlasste pe Bary anfänglich,
an der Zugehörigkeit von Isaria farinosa zum Entwicklungskreise von Cordy-
ceps militaris zu zweifeln, neuere Untersuchungen haben ihn aber veranlasst,
diese Zweifel fallen zu lassen. Die unter und zwischen den Zweispaaren befind-
lichen Stücke der Aestchen hestehen aus je einer kurzeylindrischen Zelle; die
Zweige und Aeste werden ebenfalls von je einer Zelle gebildet, welche sich von
eylindrischem oder flaschenförmigem Grunde aus in ein pfriemenartiges Ende zu-
spitzt, auf dem die kugelrunden Gonidien sich reihenweise abschnüren. Die Unter-
39
R
Al
A Db (& D
Fig. 101. Isaria Hırr. A. Puppe mit den Stromata von I. farinosa Frıes. Nach
NEES von Esengeck. D. Kugelgonidien tragendes Fruchthyphenende von I. farinosa
mit reichlieher Fructification. ©. Desgleichen mit schwacher Fructification D. Des-
gleichen mit ovalen Gonidien von I. strigosa Frırs. D-D nach pr Barry [6].
suchungen von DE Bary [6] haben gezeist, dass die aus diesen Sporen entste-
henden Keimschläuche in der Regel nicht die äussere Haut der Raupen durch-
bohren, sondern durch die Stigmata in die Tracheenhauptstämme eindringen,
und erst, nachdem sie die Substanz dieser durchwucheit und sie, ebenso wie das
anliegende Gewebe dunkelbraun gefärbt haben, in die Leibeshöhle eindringen.
Eine verwandte Form, die Isaria strigosa Fr., hat hellgelbe Stromata
und länglich eylindrische, in Ketten abgeschnürte Gonidien (Fig. 101 D).
Ein weiterer,und zwar sehr wichtiger insektentödtender Pilz tritt meist
nur in der Form einfacher, einen schimmelartigen Flaum bildender Fruchthyphen
auf, kann aber zuweilen auch Isariaform annehmen. Es ist dies die Botrytis
Bassiana Barsamo Ihre aus dem Innern erkrankter und gestorbener Raupen
hervorbrechenden Fruchthyphen sind reich verästelt, farblos und durelı Scheide-
wände in lange Zellen getheilt (Fig. 102 A). Sie treiben einzelne oder gegen-
ständige, einzellige Zweige, welche nun entweder selbst an ihren zugespitzten
Enden, oder an denen der von ihnen entspringenden Zellen zweiter Ordnung,
köpfehenweise Sporen abschnüren. Diese sind Kugelgonidien, bis 16 Stück in
einem Köpfchen, welche dem Basidium mit einem kleinen Stielchen anhängen
und 2 bis 3 u Durchmesser haben (Fig. 102 A). Gelangt eine dieser, ihre Keim-
fähigkeit wenigstens zehn Monate lang bewahrenden Gonidien auf die Haut einer
Raupe, so keimt sie, der Keimschlauch dringt durch die Haut, und während der
‘ Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde. 12
»
178 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
aussenbleibende Theil desselben abstirbt, wächst das eingedrungene Stück, zahl-
reiche, verzweiste, von dem Punkte des Eindringens aus strahlig divergirende
Aeste treibend, weiter. Die Umgebung dieser Stelle wird zu einem missfarbigen
Flecke. Die Fäden durchwachsen nun die Leibeswand, die Muskeln und den
Fettkörper, indem sie diese Theile zerstören, und es bilden sich theils an ihren
freien Enden, theils seitlich, auf kurzen, dünnen Stielen sitzende, 7 bis 15 u lange
und 2 y. breite, cylindrische Gonidien, die gleichfalls köpfehenweise abgeschnürt
werden (Fig. 102 BD). Die von den Stielen losgelösten gelangen in die Blutflüssigkeit
und erzeugen hier, ihre ursprüngliche Gestalt beibehaltend, oder nachdem sie sich
auf das Doppelte oder Dreifache ihrer Länge gestreckt haben, neue, secundäre
Cylindergonidien (Fig. 102 C). Aber erst längere Zeit nach dem Eindringen des
Pilzes enthält jeder durch Anstechen des Körpers an beliebiger Stelle erhaltene, nun
weisslich getrübt erscheinende Blutstropfen zahlreiche Cylindergonidien. Schliesslich
wird die Vermehrung der Gonidien seltener und hört ganz auf. Die vorhandenen
beginnen dagegen zu verästelten Mycelfäden auszuwachsen. Die Ausbildung der
braunen Hautflecken, welche die Infection der Raupen anzeigen, beginnt erst am
390
C
Fig. 102. Botrytis Bassiana Barsawo nach ve Barry [6] A Gonidien tragende
Fruchthyphen, « mit schwächerer, d und e mit reichlicher Sporenproduction.
DB Gonidien abschnürende Keimschläuche aus der Raupenhaut. (€ Cylindergonidien
und Hyphenanfänge, seeundäre Gonidien abschnürend, aus dem Raupenblute.
achten oder neunten Tage nach der Infeetion. Sobald diese sich vergrössern,
werden die Thiere träge und hören auf zu fresssen, werden allmälig regun»slos
und sterben meist am zwölften bis vierzehnten Tage nach der Infeetion, nachdem
sie zuvor, da ein guter Theil der Blutmasse zur Ausbildung der Cylindergonidien
verbraucht wurde, eine schlaffe, weiche Beschaffenheit angenommen. Bald beginnt
aber unter dem Drucke der nun eintretenden Mycelbildung der Leib der Leiche
wieder zu schwellen, und das Mycel durchwuchert den Körper vollständig, die
inneren Organe auflösend und sie, mit Ausnahme der Höhlung des Darmes, völlig
durchdringend. Es folgt nun in feuchter Umgebung der Durchbruch der Frucht-
hıyphen, während die trocken liegende Leiche zur Mumie zusammenschrumpft, aus
welcher noch nach Monaten bei Wiederbefeuchtung Gonidienträger hervorbrechen.
Die durch Botrytis hervorgerufene Mykose ist zuerst an der Seidenraupe
beobachtet worden und wird als „Muskardine” bezeichnet, auch wohl „Kalk-
sucht” oder „Caleino” genannt, wegen des kalkartigen Aussehens der verschim-
melten Raupen. Diese Seuche ist seit 1763 gekannt; sie herrschte besonders in
den Zwanziger- und Dreissiger-Jahren unseres Jahrhunderts in Frankreich, ist aber
seit Mitte der Fünfziger-Jahre fast vollständig aus den Seidenzüchtereien ver-
schwunden. Jetzt kommt die Krankheit nur mehr in feuchten Jahren in den
“
Insektentödtende Ascomyceten und Laboulbenia. 179
verschiedensten Ländern vor, niemals aber so ausgebreitet wie die Pebrine. pE
Bary [6a] wies naclı, dass der Muskardinepilz ein in Europa einheimischer Insekten-
parasit ist, und nicht aus dem Vaterlande der Seidenraupe eingeschleppt zu werden
brauchte, wie früher vielfach behauptet wurde. Derselbe Forscher fand diesen Pilz
bei einer epidemischen Erkrankung der Kiefernspinnerraupe im nordöstlichen
Deutschland.
Im Anschluss an die Ascomyceten sei der Vollständigkeit halber kurz das
Genus Laboulbenia Rorın erwähnt, welches wohl als Vertreter einer eigenen
Familie anzusehen ist. An verschiedenen Carabiden, auf Fledermausfliegen und
besonders auf den gemeinen Stubenfliegen finden sich in Süddeutschland Kleine
bräunliche Schläuche mit Seitenast oft in grosser Menge au
verschiedenen Körpertheilen sitzend Dies sind Pilze, welche
merkwürdigerweise jedes Mycels entbehren und nur mit einer
knopfartigen Verdiekung ihrer zweizelligen Träger (Fig 103«a
und a‘) in der Leibeswand des betreffenden Insektes befestigt
sind. Von diesem Träger erhebt sich als unmittelbare flaschen-
törmige Verlängerung (Fig. 1035) ein spindelförmige Ascosporen,
zu je acht in dünnen Aseis erzengendes Peritheeium. Seitlich
von diesem sitzt ein gesägter Zweig, dem man die Function
eines männlichen Befruchtungsorganes zugeschrieben hat
(Fig 103 d). Die austretenden Sporen keimen sofort, entwickeln
sich ohne Weiteres zu neuen Laboulbenia-Individuen und
werden, wahrscheinlich während der Begattung, von einer Fliege
auf die andere übertragen. Laboulbenia Muscae Pryrırsch
ist die am besten bekannte Art; der Parasitismus dieser Pilze
scheint keinerlei nachtheiligen Einfluss auf ihre Träger aus-
zuüben.
Im Vorstehenden haben wir eine bis jetzt in der forst-
liehen Literatur fehlende rein wissenschaftliche Uebersicht des
Standes unserer Kenntnisse über die insektentödtenden oder
wenigstens bewohnenden Pilze gegeben und fassen nun die
für den Praktiker wichtigen Gesichtspunkte zusammen.
Fig. 103. Er-
wachsenes Indi-
viduum von
Laboulbenia
Von einer Mitwirkung der Spaltpilze (vergl.
Muscae Pey-
Fig. 95) bei der Vertilgung der forstschädlichen
= - SR . rırscH [17]. a der
Insekten ist bis jetzt wenig bekannt geworden. Nur zweizellige Trä-
Harrıc [I3, pag. 487 u. flg.| erwähnt einer Spaltpilz- ser, a‘ sein in
mykose, der „Gattine’’ bei den Larven der gelblichen der Leibeswand
Buschhorn-Blattwespe, Lophyrus rufus F'Apr.; ferner a .
trat eine solche auf bei einem massenhaften Sterben der cinm. re Be =
” 13 ” „* .. I /
Kieferneulen-, Kiefernspanner-, Kiefernschwärmer- und
dem Perithe-
Rothschwanzraupen. Genauere Angaben fehlen aber. cium enthalte-
reen. Mittheilungen über „Empusa-Epidemien”
. Auch Baır [3] berichtet über Spaltpilzinfeetion zeigende H en
. . L el
Kiefernspinnerı aupen. means
Beiweitem wichtiger sind die Entomophtho- Befruchtungs-
organ ?).
bei Forstschädlingen sind sehr häufig. Baız [4, p. 244]
berichtet über eine solche im Jahre 1867 unter den Kiefernspinner-
raupen in der Tuchler Haide ausgebrochene Mykose. Hier wurden
die Raupen, welche bereits circa 5000 Aha kahl gefressen oder
doch stark geschädigt hatten, fast vollständig durch „Empusa” ver-
nichtet. Ferner theilt Oberförster ScuurLtz mit, dass bei einem im
Sommer 1868 im Forstrevier Biezdrowo der kgl. Oberförsterei Zirke
bei Posen ausgebrochenen Kieferneulenfrasse Ende Juni binnen acht
12*
180 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
Tagen ohngefähr 70°%/, der Raupen an „Empusa’” starben, 20°/, noch
erkrankt und nur 10°/, gesund erschienen [5, p. 138 und 139]. Welche
Entomophthoree in diesen Fällen gewüthet hat, ist nicht ohne Weiteres
ersichtlich. Baın ist geneigt, sie als Entomophthora Grylli Fres. zu
bestimmen; Harrıc 13, 478] bezeichnet als Ursache der von ihm
beobachteten Empusa- Myläcen auf Kiefernspinner, Kieferneule und
Rothschwanz ohne Weiteres Empusa Muscae (lonx. Die Ursache einer
im Sommer 1883 in der Primkenauer Haide beobachteten Entomo-
phthora-Mykose der Kieferneule war, nach gütiger Bestimmung von Prof.
DE Bary, Ent. Aulicae REICHARDT, eine Be mit welcher auch
unsere Messungen der Sporen (vergl. S. 171) genau stimmen. Da letztere
in Form und Grösse auch ziemlich mit den bei Baın gegebenen Schil-
derungen übereinstimmen, Ent. Aulicae auch bereits 1834 [3, p. 3] an den
verschiedensten Schmetterlingslarven beobachtet worden ist, so dürfte
wohl dieser Pilz der forstlich hauptsächlich wichtige Raupenvertilger
aus dieser Familie sein. Harrıc’s Darstellungen sind nicht genau
genug, um einen sichern Schluss zu gestatten und die Beobachtungen
Brereup’s, dass eine Uebertragung der E. Muscae auf Raupen miss-
glückte [8, p. 39], spricht auch gegen Harrıc’s Annahme. Die vor-
stehende genaue Beschreibung und Abbildung der verschiedenen in
Frage kommenden Arten wird künftighin dem mit einem Mikroskop
versehenen Forstmanne eine sichere Bestimmung möglich machen.
Auch ist nicht zu übersehen, dass Ent. radicans von der Kohlweisslings-
raupe auf andere Raupen und Fliegen übertragbar ist [8, p. 27].
Tarichium megaspermum Üonn dürfte unter Umständen ein
mächtiger Bundesgenosse im Kampfe gegen die den Nadelholzkulturen
so schädlichen Ackereulenraupen werden |Il].
Die Pyrenomyceten haben in ihrer perithecientragenden Form
bis jetzt noch kaum ausgebreitete Epidemien verursacht. Uns ist nur
eine briefliche Mittheilung von Turasnet an Öberförster MıppELporPpr
bekannt, dass Cordyceps militaris in den südfranzösischen „Landes”
in epidemischer Art die Raupen des Pinienprocessionspinners befallen
hat. Dagegen sind die Gonidien tragenden Formen bereits einigemale
die Ursache gewesen, dass eine theilweise Beschränkung des Frasses
des Kiefernspinners stattgefunden hat. Dies geht z. B. aus einem
von Bam [3, p. 16] mitgetheilten Berichte des Öberförsters von
Cnuanmısso, Oberförsterei Balster bei Callies im Reg.-Bez. Cöslin im
Jahre 1869, hervor. Im höchsten Falle wurden hier im Winterlager,
Mitte März, 33°/, durch solche Pilze getödtete Raupen gefunden,
während allerdings die Untersuchungen von dorther eingesendeter
Raupen durch Baır 68°/, an Isaria-, resp. Cordyceps-Mykose gestorbener
Raupen ergab. Auch an Kiefernspannerpuppen hat ZrrLer eine Isaria-
Infection beobachtet, wie Leserr [15, p. 441] mittheilt. Hier dürfte es
sich um Isaria farinosa FrıEs handeln.
Aus den gesammten vorliegenden Beobachtungen ergibt sich daher,
dass zwar vorläufig nur Entomophthora Aulicae grössere, bereits ver-
heerend auftretende Raupenfrasse unterdrückt hat, dass dagegen regel-
Forstliche Bedeutung der insektentödtenden Pilze. Literatur. 181
mässig ein grosser Procentsatz von allerhand Insektenlarven, Puppen,
u. s. f. durch Mykosen verschiedener Art zu Grunde geht, und daher
die auf Insekten schmarotzenden Pilze einen wesentlichen Factor für
die Erhaltung des Gleichgewichtes im Naturhaushalte bilden.
Sehr interessant ist ferner die von den verschiedensten Forscherr.
gleichmässig berichtete Thatsache, dass von Schmarotzerinsekten befallene
Raupen für eine Infection mit Schmarotzerpilzen unzugänglich sind.
Neuere Literatur über insektentödtende Pilze. — I. Baır,
Mittheilungen über das Vorkommen und die Entwicklung einiger Pilz-
formen. Danzig 1867. 4. 45 Seiten. Separat-Abdruck aus dem Pro-
gramm der Realschule I. Ordn. zu St. Johann in Danzig. Ostern 1867.
— 2. Derselbe. Ueber Krankheiten der Insekten durch Pilze. 8 S. und
2 Taf. 4. Aus den Verhandlungen der 35. Naturforscher- Versammlung.
— 3. Derselbe. Ueber Pilzepizootien der forstverheerenden Raupen.
8. 26 S. und 1 Taf. Danzig 1869. — 4. Derselbe. Pilzepidemie
an der Forleule, Noctua piniperda L. Danckelmann’s Zeitschrift für
Forst- und Jagdwesen. Bd. I. 1869, p. 243—247. — 3. Derselbe.
Weitere Mittheilungen über den Frass und das Absterben der Forl-
eule Noctua piniperda. Danckelmann’s Zeitschrift für Forst- und Jagd-
wesen. Bd. II. 1870, p. 135—144. — 6. Dr Bary, A. Zur Kenntniss
insektentödtender Pilze. Botanische Zeitung. a) Bd. XXV. 1867, p.
1—7, 9—13, 17—21. Taf. I und 5b) Bd. XXVII. 1869, pag. 585—593
und 602— 606. — 7. Boruıncer, O. Ueber die Pilzkrankheiten niederer
und höherer Thiere. Aus: Zur Aetiologie der Infectionskrankheiten
mit besonderer Berücksichtigung der Pilztheorie. 432 5. München 1881.
— 8. Brererp, OÖ. Untersuchungen über die Entwicklung der Empusa
Muscae und Empusa radicans und die durch sie verursachten Epide-
mien der Stubenfliegen und Raupen. Abhandl. der Naturf. Gesellschaft
zu Halle. Bd. XII. 1871, p. 1—50. Taf. I-IV. — 9. Derselbe.
Botanische Untersuchungen über Schimmelpilze. IV. Heft. Leipzig 1881.
Nr. 6, Entomophtora radicans, p. 97—111. Taf. VII. — IO. Buchxer, H.
Ueber die Wirkung der Spaltpilze im lebenden Körper. Aus: Zur Aetio-
logie der Infectionskrankbeiten u. s. f. (vergl. Nr. 7) — Il. Cons, F.
Ueber eine neue Pilzkrankheit der Erdraupen. Beiträge zur Biologie
der Pflanzen. Heft 1. 1870, p. 58—86. Taf. IV und V. — 12. Der-
selbe. Untersuchungen über Bacterien. Beiträge zur Biologie der
Pflanzen. 3. Heft. 1875, p. 111—207 und Taf. V und VI. — 13. Harrıs, R.
Mittheilungen über Pilzkrankheiten der Insekten im Jahre 1868.
Danckelmann’s Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen. Bd. I. 1869, p.
476—500 mit 1 Taf. — 14. Kreme. Ueber die Faulbrut der Bienen.
Henneberg und Drechsler’s Journal für Landwirthschaft. Bd. XXVI.
1878, p. 407—443. — 15. Lesert. Ueber einige neue oder unvoll-
kommen gekannte Krankheiten der Insekten, welche durch Entwicklung
niederer Pflanzen im lebenden Körper entstehen. Zeitschrift für wissen-
schaftliche Zoologie. Bd. IX. 1858, p. 439—453. Taf. XIV und XV.
— 16. Derselbe. Ueber die gegenwärtig herrschende Krankheit des
182 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
Insekts der Seide. Berliner entomologische Zeitschrift. Bd. II. 1858,
p. 148—186. Taf. I-VI. — 17. Nowakowsey, L. Die Copulation bei
einigen Entomophthoreen. Botanische Zeitung. Bd. XXXV,p. 216— 222.
— 18. Derselbe. Ueber die Entomophthoreen. Botanische Zeitung.
Bd. XL, p. 560 und 561. Referat über eine grössere, polnisch ge-
schriebene, seither in den Abh. d. Ak. d. Wiss. zu Krakau erschienene
Arbeit. — 19. Pryrıtscn, J. Ueber einige Pilze aus der Familie der
Laboulbenien, Sitzungsberichte der k. Ak.d. Wiss. zu Wien. Bd. LXIV.
1. Abth. November-Heft 1871. 18 S. 2 Taf. — 20. Preuss. Ueber
die kleinsten mikroskopischen Pilzformen, insbesondere über den Faul-
brutpilz. Eichstädter Bienenzeitung. Bd. XXV. 1869, p. 161—170.
— 21. Sorms-LausacHh, Grar zu. Ueber die herbstliche Epidemie der
Stubenfliege. Bericht über die Sitzungen d. Naturf. Gesellsch. zu Halle.
1869. Sitzung v. 31. Juli, p. 37 und 38. — 22. Turasse, L. R. et C.
Selecta fungorum carpologia. Paris 1861—1865. Fol. 3 Bde. mit Taf.
— 23. Winter, G. Zwei neue Entomophthoraformen. Botanisches
Centralblatt. 1881. Bd. V, pag. 62-64. — 24. Derselbe. Die Pilze
Deutschlands, Oesterreichs und der Schweiz. 1. Abth. Leipzig 1884.
Als Bd. I der zweiten Auflage von Dr. L. Rabenhorst’s Kryptogamen-
flora herausgegeben. — 25. Zorr, W. Die Spaltpilze in Schenk’s Hand-
buch der Botanik. III. Bd. 1. Hälfte. 1884, p. 1-98. — Ausserdem
wurde es uns durch die Freundlichkeit des Verfassers noch möglich,
Correeturbogen von pe Bary, Vergleichende Morphologie und Biologie
der Pilze, Mycetozoen und Bacterien, 8. Leipzig. W. Engelmann.
1884, zu benützen. .
Die insektentödtenden thierischen Parasiten, welche als praktisch
wichtig hier in Frage kommen, sind sämmtlich selbst Insekten, obgleich
allerdings bei Forstschädlingen auch andere Parasiten gefunden werden,
z. B. Gregarinen und Rundwürmer, letztere besonders aus den
Gattungen Mermis, Gordius und „‚Anguillula”. [Vergl. v. Lmstow, Com-
pendium der Helminthologie. 8. Hannover 1878, S. 291—312.] Obgleich
auch manche Käferlarven parasitisch leben, z. B. die als Vertilger der
forstschädlichen Fichtenquirl-Schildlaus, Coccus racemosus Rarz., be-
kannte Larve von Brachytarsus varius FaBr., so recrutirt sich die Haupt-
masse der wichtigen Schmarotzer doch aus den Gruppen der Hymenopteren
und Dipteren.
Von den Hymenopteren sind vor allen Dingen anzuführen
die unter dem Sammelnamen „Schlupfwespen’” zusammenfassbaren
Gruppen der Chaleididae, Proctotrypidae, Braconidae und Ichneumonidae.
Es sind dies Thiere (Taf. I, Fig. 6, 7 und 8), welche sämmtlich als
Larven parasitisch in oder an anderen Insekten oder deren Jugend-
zuständen leben und sich in so reichlicher Gattungs-, Arten- und Individuen-
zahl finden, dass sie, wie in vielen Fällen beobachtet wurde, wesentlich
u.
©
Literatur über insektentödtende Pilze. Thierische Parasiten. 183
zur Verminderung überhandnehmender Forstschädlinge beitragen, ja sogar
öfters direet das Aufhören eines Insektenfrasses bedingen.
Die Verbreitung der Schlupfwespen, die schlechthin auch Ich-
neumonen genannt werden, ist eine ausserordentlich grosse. Sie werden
von ihren beweglichen Wirthen überall hin verschleppt, wo diese
selbst hinkommen. Eine grosse Anzahl mag allerdings auch durch
ihre Wirthe sehr an bestimmte Oertlichkeiten gebunden sein. Am
meisten bekannt sind jene, welche in solchen Insekten wohnen, die schon
seit langer Zeit häufig erzogen worden sind, also die der Schmetter-
linge; die der Käfer und Aderflügler sind schon weniger bekannt,
noch weniger die der Halb-, Zwei- und Netzflügler. Am wenigsten
kennt man jene, welche unter der Erde oder im Wasser lebende
Thiere zu Wirthen haben. Einigemal ist es indessen gelungen, das
Tauchen einer Schlupfwespe, des seiner systematischen Stellung nach
etwas zweifelhaften Agriotypus armatus WArk.,nach Neuropterenlarven
zu beobachten; v. SIEBOLD erzog Agriotypus aus einer Phryganea.
Manche Ichneumonen sind sehr polyphag, so dass sie sich
Wirthe aus allen Insektenordnungen wählen. Andere sind so monophag,
dass sie nicht blos eine bestimmte Art als Wirth aufsuchen, sondern
sogar einen bestimmten Zustand desselben.
Meist haben die Ichneumonen nur eine einfache Generation,
doch ist auch eine doppelte wohl nicht in Abrede zu stellen. Rarze-
BurG sah Microgaster globatus Rarz. Anfangs Mai und wieder Anfangs
August fliegen. Die Raupen zur Aufnahme zweier Bruten finden sich
bei grossem Spinnerfrasse reichlich, warum sollten also die Maiwespen
nicht sofort wieder in vorhandene Raupen legen? Trotz doppelter
Generation der Wirthe können aber Ichneumonen auch nur eine ein-
fache haben. Rarzesurg fand sogar, dass einzelne Ichneumonen der
Blattwespen deren Ueberjährigkeit nachahmten, d. h. nieht eher sich
entwickelten, bis die Mehrzahl der Blattwespen aus anderen, verspä-
teten Cocons ausflog. Dagegen zeigt Pteromalus puparum L. eine ausser-
ordentlich schnelle Entwicklung; er sticht Anfangs Juni die Puppen
von Vanessa polychloros L. an, und Mitte Juli schwärmen schon
die Wespchen. Teleas ovulorum L. braucht ebenfalls nur 4—6 Wochen
Zeit zur Entwicklung, fliegt also etwas später, als die Spinner-
räupchen ausgekommen sein würden. Microgaster solitarius, Rarz.
befällt die Nonnenräupchen wahrscheinlich schon in den Spiegeln,
und fliegt gleich nach Johannis. Kann nun aber T. ovulorum, wenn er
früh, also schon Ende Juli ausfliegt, sofort eine neue Brut in ver-
späteten Spinnereiern oder in einer verwandten Art gründen? Muss
M.solitarius den besten Theil des Sommers sich müssig herumtreiben ?
Wo steckt M. globatus, wenn man ihn im Winter in den Spinnerraupen
nicht findet? Begnügt er sich mit Sommergeneration, wie der Jchneumon
in der Hessenfliege, der bekannten Weizenverwüsterin, Cecidomyia
destructor Say., bei welcher WaAGner nur aus der Sommer-, aber
nicht aus der Wintergeneration Ichneumonen, sogar bis 70°/, erhielt?
154 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
Der Entwicklungszustand des Wirthes ist zu beachten. Selten
entwickeln sich Ichneumonen in Imagines. Es ist aber bekannt, dass
Cocecinellen-Käfer von Braconiden angestochen werden. Im Frübjahre
1869 fand Jupeıcn einen Braconiden, Blacus Nrrs, zu den Cli-
dostomen gehörig, der sich in Strophosomus Coryli Fagr. entwickelt
hatte; an der Seite des Rüsselkäfers sass das weisse Tönnchen des
Blacus fest, aus welchem er diesen erzog; ob schon die Larve des
Käfers angestochen worden war, oder erst dieser selbst, konnte er
nicht ermitteln. Stems fand Ichneumonenlarven in Polygraphus pubes-
cens. Am häufigsten wird der Wirth im Puppenzustande befallen, und
die Ichneumonenbrut entwickelt sich, wenn es noch Sommer ist, hier
schnell, so bei Pteromalus puparum L., sonst überwintert sie in den
Puppen, z. B. Anomalon xanthopus Grv. in der Kieferneule, An.
biguttatum Grv.im Kiefernspinner. Die kleinen Chaleidier, auch Ptero-
malinen genannt, gehen wahrscheinlich meist nur an die zarten Puppen der
Borkenkäfer und Laubholzwickler. Im Larvenzustande werden sehr viele
Insekten befallen, namentlich häufig der Kiefernspinner. In den Eiern sind
bis jetzt noch die wenigsten Schmarotzer nachgewiesen worden, vielleicht
schon wegen der Schwierigkeit der Beobachtung der dahin gehörigen
Mikrohymenopteren; am häufigsten kommt Teleas in Kiefernspinnereiern
vor; schwer zu finden ist er bei Eulen- und Spannereiern ; merkwürdiger-
weise ist er aus den Nonneneiern noch gar nicht bekannt. Als
Imagines überwinternde Ichneumonen finden Schutz unter Moos, alten
Stöcken, Rinden u. s. £.
Der Angriff der Ichneumonen auf ihre Wirthe ist selbst bei den
häufigsten nur sehr selten beobachtet worden. Zuerst sah RATZEBURG
am 17. September 1864 Anomalon eircumflexum eine Kiefernspinner-
raupe anstechen, worauf er die Lage des frisch gelegten Eies in der
Raupe beobachten konnte [Gruxerr, Forstl. Bl., Bd. X]. Der Bohrer der
Ichneumonen dient nur selten als Wehr, nur einige stechen empfind-
lich, und zwar einige der grösseren Arten mit verstecktem Bohrer.
Die meisten Arten brauchen den Bohrer, den die menschliche Hand
nicht fühlt, nur zum Ablegen der Eier. Je tiefer die von dem Ichneumon
aufzusuchenden Wirthe im Holze, in Gallen, Früchten ete. sitzen, desto
länger muss der Legbohrer sein. Die von dem meist senkrecht auf-
gesetzten oder unter dem nach unten gekrümmten Bauche hervor-
geschobenen Bohrer gestochene Raupe oder Puppe wehrt sich durch
Hin- und Herwerfen tüchtig; der Ichneumon wiederholt aber meist
den Versuch, bis er seine Eier, oder auch nur eines für jeden Wirth,
glücklich abgesetzt hat. Einige Arten verrichten den Stich blitzschnell,
z. B. A. circumflexum L., andere brauchen Zeit, ja manche brauchen
den Bohrer stundenlang, z. B. einige Braconiden, namentlich wenn
er in das Holz gesteckt wird. Die Anzahl der in oder an einem
Wirthe lebenden Larven wechselt sehr, von einer einzigen bis zu
mehreren Hundert. Gewöhnlich geht an die bereits angestochene Larve
oder Puppe kein zweiter Ichneumon. Ausnahmen kommen selten vor,
man hat aber doch schon A. circumflexum L. und M. globatus Rarz.
Insektentödtende thierische Parasiten. 185
in einer Spinnerraupe gefunden. Bei den kleinen Ichneumonen scheinen
überhaupt gern mehrere @ in einen Wirth zu legen; wiederholt wurde
dies beobachtet an den Puppen des Kiefernspinners, welehe Eulophus
xanthopus Nrrs heimsucht, ebenso an den Puppen des Fuchses mit
Pteromalus puparum 1; wie sollten sich auch sonst 600 bis 700 Stück
in einer Puppe entwickeln können? |
Die meisten Schlupfwespen entwickeln sich innerhalb ihres
Wirthes. Viele Arten der Chaleidier saugen aber nur äusserlich an
demselben. Die innerhalb der Wirthe lebenden Ichneumonenlarven
erleiden oft die wunderbarsten Umwandlungen ihrer Mundtbeile. Bei
Microgaster globatus Rarz. findet man z. B. anfänglich nur die
warzenförmigen, saugenden Mundtheile; die letzte Häutung verschafft
den kleinen Larven ordentliche, beissende Oberkiefer, mit welchen sie
sich durch die Haut des Wirthes herausfressen können.
Ueber die eigentliche Nahrung der Ichneumonenlarven bestanden
lange irrige Anschauungen. Den Fettkörper der Wirthe können sie
mit ihren saugenden Mundtheilen entschieden nicht verzehren; nur
ganz flüssige Stoffe dienen zu ihrer Ernährung. Wie sollten z. B. die
auswendig saugenden Schmarotzerlarven, z. B. der zu den Chaleidiern
gehörige Entedon Darnm., den Fettkörper erreichen? Dazu kommt
noch, dass viele Schmarotzer von ihrem Wirthe aus dem Larvenzustand
in den der Puppe mit fortgeführt werden, zur Verpuppung ist aber
der Fettkörper unentbehrlich. Nur die Eier-Ichneumonen leeren die
noch mit Flüssigkeit gefüllten, frischen Eier ganz aus.
Eine höchst eigenthümliche Beobachtung theilte RATzEBURG zuerst
mit [VI, Bd. III]. Die von den Säften ihres Wirthes zehrenden Ichneu-
monen nehmen etwas von seinem Wesen an; man bemerkt öfters,
dass zwei aus demselben Wirthe stammende Arten eine sonderbare
„Milchbrüderschaft” zeigen. Aehnliches bestätigt Rurms [Berliner ento-
mol. Zeitschr., Jahrg. 1860, S. 122], indem er von Microgaster glo-
batus Nees mittheilt, dass dieser Schmarotzer aus einer und derselben
Raupe fast immer gleiche Färbung an Flügeln und Beinen habe, aus
einer anderen Raupe derselben Art zeigt er schon manche Verschieden-
heiten, noch mehr der letzteren aber aus Raupen anderer Arten.
RATzegur6 stellte die eigenthümliche Hypothese auf, dass die
Ichneumonen vorzugsweise nur kranke Wirthe annehmen; wir können
diese Ansicht nicht theilen.
Schon die Wahrscheinlichkeit spricht gegen RAatzegurg. Warum
sollen die Ichneumonen ganz besonders kranke Insekten anstechen ?
Der Grund hierzu lässt sich nicht auffinden. Eher möchte man mit
Tascuesgere [XVIN, S. 171] annehmen, dass eine von A. circum-
flexum L. bewohnte Raupe besonders kräftig sein müsse, um sich zur
Puppe verwandeln zu können. Wie sieht es mit den Ichneumonen
aus, welche die unter der Rinde oder im Holze lebenden Larven
bewohnen? Ein Ephialtes vermag wohl durch seine Sinnesorgane die
Stelle am Baume zu finden, :wo im Holz die Bockkäferlarve frisst,
und seinen Legbohrer am richtigen Platz einzubohren, soll derselbe
186 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
aber durch eine vielleicht einen Centimeter starke Holzwand hindurch
auch den Gesundheitszustand seines Wirthes beurtheilen können?
Wenn man sich die Mühe gibt, Borkenkäfer, Bockkäfer, oder in Holz-
pflanzen lebende Rüsselkäfer, z. B. Pissodes, im Zimmer zu erziehen,
so wird man stets eine grosse Anzahl Ichneumonen mit erhalten, auch
dann, wenn der Frass durchaus keine besondere Verbreitung hatte.
Wer je Raupen erzogen hat, weiss, dass die Ichneumonenträger unter
ihnen oft mit ungestörtem Appetit bis zur Verpuppung weiter fressen;
warum sollen sie vorher krank gewesen sein? Einfache Thatsache ist,
dass die Schmarotzer irgend eines Insektes sich mit der Vermehrung
dieses Insektes, ihres Wirthes, selbst vermehren, dass ferner, wenig-
stens bei Raupenfrass, Pilzkrankheiten mit der Vermehrung der Raupen
eintreten, welche dem Frass endlich in Verbindung mit den Schma-
rotzern ein Ende machen. So lange es nicht bewiesen ist, dass die
Ichneumonen nur kranke Raupen anstechen, müssen wir diesen Schma-
rotzern, gegenüber den Insektenschäden, einen grösseren Werth bei-
legen, als es Ratzerurg that, der sie hauptsächlich als nützlich zur
Messung des Procentsatzes der kranken Raupen betrachtete.
Auch andere Hymenopterengruppen liefern Schmarotzer. So sind
einzelne Gallwespen Parasiten, z. B. die grosse Ibalia cultellator Larr.
in Holzwespenlarven; die Chrysididae oder Goldwespen sind durchweg
als Larven parasitisch, zugleich aber forstlich unwichtig, weil sie dem
Forstmanne gleichgiltige Hymenopteren zu Wirthen haben.
Aus der Gruppe der Dipteren sind es besonders die Raupen-
fliegen oder Tachinen, Tachinariae, welche hier in Betracht kommen,
Auch ihre Thätigkeit wird nach unserer Ansicht von RATZEBURG unter-
schätzt; unsere eigenen Erfahrungen und Beobachtungen haben uns die-
selben als sehr wichtige Zerstörer des Insektenlebens erkennen lassen.
Es sind 67 Gattungen mit zahlreichen Arten. Die Lebensweise
mancher ist noch unbekannt. Von sehr vielen weiss man jedoch, dass
sie in oder auf anderen Insektenlarven und Puppen, seltener in Ima-
gines schmarotzen. Die Eier werden nicht in die Wirthe abgelegt,
sondern nur an dieselben und die Larven bohren sich dann bald
hinein. Zur Verpuppung in dem aus der eigenen Haut gebildeten
Tönnchen bohren sie sich meist wieder heraus und lassen sich zur
Erde fallen. Gewöhnlich werden von diesen Schmarotzern wohl die
Eingeweide der Wirthe wirklich verzehrt, nicht blos die Säfte auf-
gesogen, wie von den Ichneumonen. Warum RArtzesurg den Tachinen
einen forstlich so sehr untergeordneten Werth beilegt, vermögen wir
nicht recht einzusehen. Er spricht sogar direct aus, dass alle von
Tachinen befallenen Wirthe schon vorher so krank seien, dass sie
auch ohne die Schmarotzer gestorben wären. Wir können dieser An-
sicht nicht beistimmen. Als ein sehr deutlicher Fall ihrer besonderen
Nützlichkeit erscheint die von Nırscnz im Jahre 1883 bei Döbeln
Insektentödtende thierische Parasiten und insektenfressende Thiere. 187
gemachte Beobachtung, dass von den ein Leindotterfeld verwüstenden
Raupen der auch forstschädlich auftretenden Gamma-Eule, Plusia
gamma L., über 50°/, von Tachinen besetzt waren. Sie hatten sich
allerdings noch verpuppt, gingen dann aber zu Grunde. Als Reprä-
sentanten der grösseren Tachinen erwähnen wir hier die beiden auf
Taf. I, Fig. 9 und 10 abgebildeten Formen, die sehr häufige Echi-
nomyia fera L. und die ebenso häufige Nemoraea puparum Furr.
Auch die verwandten Conopiden leben als Larven parasitisch
in Insekten, so z. B. die der Gattung Conops in den Imagines der
Hummeln. Die gewöhnlich zu den Neuropteren gerechnete Gruppe
der Strepsiptera, welche gleichfalls in Hymenopteren schmarotzen, sei
hier als forstlich unwichtig nur beiläufig erwähnt.
Die insektenfressenden Thiere. Als letzte, aber sehr wichtige
Abtheilung der insektenvertilgenden Ursachen erscheinen die eigentlichen
Insektenfresser, also solche Thiere, welche, ohne in irgend einer
Art von Parasitenverhältniss zu ihren Insektenopfern zu stehen, dieselben
als Nahrung verzehren.
Die für uns praktisch wichtigen gehören entweder zu den Glieder-
füsslern oder zu den Wirbelthieren. Aus der Gruppe der Gliederfüssler
kommen zunächst die spinnenartigen Thiere, Arachnoidea, in Be-
tracht. Ihrer ist bereits auf S. 25 ausführlicher gedacht.
Beiweitem nützlicher sind dagegen die insektenfressenden
Insekten selbst. Wir geben eine kurze Uebersicht der wichtigeren.
Unter den Geradflüglern gibt es einige Insektenfresser, welche
aber, als meist nicht den Wald bewohnend, vom forstlichen Standpunkte
aus kaum in Betracht kommen. Wir erwähnen die südliche Fang-
heuschrecke oder Gottesanbeterin, Mantis religiosa L., unsere ge-
wöhnlichen Grillen, Gryllus campestris L., sowie die forstlich sehr
bekannte Maulwurfsgrille, Gryllotalpa vulgaris L. Letztere ist ein
Thier, welches in seiner Lebensweise und wirthschaftlichen Bedeutung
völlig dem Maulwurfe gleichsteht. Als wüthender Feind aller im Boden
lebender niederer 'Thiere, ist sie ein mächtiger Verbündeter des gegen
die eulturschädlichen Bodeninsekten vorgehenden Land- und Forstwirthes,
macht sich aber bei der Verfolgung ihres Vernichtungswerkes durch Zer-
reissung der Wurzeln ebenso wie der Maulwurf an allen denjenigen
Stellen unmöglich, wo ein feinerer Kulturbetrieb nöthig ist; sie wird
also trotz ihrer eigentlichen Nützlichkeit in Saatkämpen und Forstgärten
zum typischen Schädling. Die räuberischen Libellen mögen dem Forst-
manne manche verborgene, bis jetzt noch nicht hinreichend gewürdigte
Dienste leisten.
Unter den Netzflüglern sind die Larven des Ameisenlöwen,
Myrmeleon, als lebhafte Insektenvertilger bekannt; auch die Larven der
188 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
Florfliegen, Chrysopa, sind nützliche Blattlausvertilger und werden
daher häufig als Blattlauslöwen bezeichnet.
Aus der Gruppe der Käfer kommen zunächst die Cieindelidae
und Carabidae (Taf. I, Fig. 4 u. 5) in Betracht, welche, zum grösseren
Theil auf thierische Nahrung angewiesen, sicher auch ihr redliches
Theil an der Beschränkung der Forstchädlinge haben. Wirklich nach-
gewiesen ist die forstnützliche Thätigkeit der Gattung Calosoma,
deren grösster Repräsentant, C. sycophanta L. (Taf. I, Fig. 4), besonders
den Nadelholzschädlingen nachgeht, während der kleinere C. inquisitor L.
mehr die den jüngeren Laubbäumchen gefährlichen Raupen vertilgt.
Auch die Familie der Staphylinidae hat unter ihren grösseren Ver-
tretern viele Freunde des Forstmannes, wir erwähnen Ocypus olens
Mürr. (Taf. I, Fig. 1) und Staphylinus erythropterus L. (Taf. I.
Fig. 2). Desgleichen sind einige Gattungen mit vorzugsweise kleinen
Arten, wie Homalota MaAnxern, Placusa Er., Phloeopora Er.
etc., welche in Borkenkäfergängen leben, zu erwähnen. Unter den
Silphidae lebt Silpha quadripunctata L. als forstlich nützlicher Räuber
auf Bäumen und Sträuchern, wo sie Raupen verzehrt und nach
ReptenBACHER auch in Menge in den Nestern des Processionsspinners.
Aus der Gruppe der Nitidulariae werden im Laub- und Nadelholze die
langgestreckten flachen Arten der Gattung Rhizophagus Hesr., sowie
Pityophagus ferrugineus L., vielleicht auch die Gattung Ips Far. als
Borkenkäferfeinde angesehen. Forstlich nicht ohne Interesse ist unter
den Trogositidae das fast fadenförmig langgestreckte Nemosoma elon-
gatum L., welches als Feind der Borkenkäfer in den Gängen derselben
lebt, desgleichen aus der Familie der Colydiidae das Colydium filiforme
FAer. in den Gängen des Tomicus monographus Farr. Gleichfalls
als Borkenkäferfeind wird Laemophloeus ferrugineus Srpu. aus der
Familie der Cucujidae angesehen, den Jupercn in Menge in den
Gängen von Tomicus micrographus Gyrr. fand. Von Larven anderer
Insekten nährt sich sowohl Imago als Larve des Clerus formicarius L.
aus der Familie der Cleridae (Taf. I, Fig. 3). Als Blattlausvertilger
sind ferner noch die Larven der Coccinellidae zu erwähnen, deren
häufigste Form Coccinella septempunctata L. ist.
Auch die Gruppe der Hymenopteren enthält viele Insekten-
fresser. Zunächst sind die Ameisen als sehr wichtige Thiere zu
erwähnen. Sie leben nämlich, mit alleiniger Ausnahme der wenigen
in ihren Haufen als Mitbewohner geduldeten Insekten, mit allen
Thieren im ewigen Kriege und suchen selbst grössere durch ihre
scharfen Kiefer und ihren Aetzsaft, den sie weit von sich spritzen, zu
verwunden, womöglich zu tödten. Es gelingt ihnen, grosse Raupen
auf diese Weise zu vernichten, und im Walde wird es Jedem vor-
gekommen sein, dass er einen Trupp Ameisen um eine todte oder
halbtodte Raupe beschäftigt sah. Es ist zwar nicht wahr, dass sie,
wie man erzählt, die Bäume ganz von Raupen säubern; ausgemacht
ist aber, dass in einem von Formica rufa reich besetzten Walde, und
namentlich auf den Bäumen, an deren Fusse ein Ameisenhaufen steht,
Insektenfressende Insekten und Wirbelthiere. 189
die Raupen sparsamer sind, als in ameisenarmen Orten. KoLtAr
beobachtete, dass im Mai, besonders nach Regen, von einem mit Raupen
des Frostspanners bedeckten Obstbaume eine Ameise nach der anderen
mit einer Raupe im Munde herabeilte. Nicht minder wichtig sind
viele Weg- und Grabwespen aus der Gruppe der Pompiliformia
und Crabroniformia, welche als Futter für ihre Larven eine grosse
Menge von Insektenlarven und Imagines verbrauchen, und auch die
eigentlichen Faltenwespen, Vespariae, füttern ihre Larven mit
Raupen, die geselligen, Brutpflege übenden mit vorher gekauten.
Weniger Bedeutung haben die raubenden Zweiflügler aus der
Gruppe der Asilidae. Dagegen sind die Larven der Schwebfliegen,
Syrphidae, als Blattlausvertilger bekannt.
Auch die Schnabelkerfe liefern eine Anzahl Insektenvertilger;
viele Landwanzen aus derGruppe der Geocores saugen andere Insekten aus.
Noch viel kräftiger wirken aber die insektenfressenden Wirbel-
thiere. Am wenigsten dürften hier die Fische in Betracht kommen,
obgleich viele derselben, z. B. die Forellen, auf das Wasser fallende
Insekten mit Vorliebe als Nahrung aufsuchen. Viele Amphibien ver-
zehren gleichfalls Insekten, im Magen der Frösche hat man sogar
Kiefernspinnerraupen gefunden, und von den Reptilien soll die gemeine
Eidechse, Lacerta agilis L., im Frühjahr an den Bäumen herumklettern
und da, wo Nonnenspiegel sitzen, diese zerstören.
Eine ganz hervorragende Rolle spielen dagegen die insekten-
fressenden Vögel.
Als erster forstlich nützlicher Vogel ist der allbekannte Kukuk,
Cuculus canorus L., zu nennen, der beste Raupenvertilger, der auch
behaarte so massenhaft verzehrt, dass seine Magenwand von den ein-
gestochenen Raupenhaaren wie mit Pelz bekleidet erscheint. Aurum
fand bei der Section eines von ihm geschossenen Kukuks in Schlund,
Speiseröhre und Magen 97 etwa zum Drittel erwachsene Eichen-
processionsspinner-Raupen. Der Kukuk vermag sich in Raupenorten in
Menge zu sammeln, weil ihn das Brutgeschäft, welches er anderen
Vögeln überlässt, nicht an bestimmte Orte fesselt, und kann daher
einen beginnenden Raupenfrass im Keime ersticken. Daher unbedingte
Schonung dem Kukuk.
Unter den spechtartigen Vögeln ist der als nützlich bekannte
Wendehals, Jynx torquilla L., welcher am liebsten Ameisen und
deren Puppen verzehrt, forstlich ohne nennenswerthe Bedeutung. Die
Gattung Specht, Picus, hat man als Verzehrer aller möglichen Xylo-
phagen wohl mehr gelobt, als sie es verdient. Von dem Schaden,
den die Spechte bringen, sprechen wir später im Anhange, ihr Nutzen
besteht in der Vertilgung von Insekten; leider sind es aber mit
wenigen Ausnahmen, z. B. Cossus und Verwandte, in der Hauptsache
forstlich gleichgiltige, und zwar nur grössere Bockkäfer-Larven, z. B.
190 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
Rhagium u. s. w., welche sie aufsuchen und verzehren; gegen das ganze
Heer der Borkenkäfer und der Rüsselkäfer bedeutet die Arbeit der
Spechte sehr wenig. Allerdings verzehren sie gelegentlich diese kleinen
Thiere, besonders werden von ihnen die Birken nach Scolytus Ratze-
burgii Jans. häufig stark durchsucht; aber sie tödten doch stets nur eine
geringe Anzahl dieser Bastfresser, wie alle Beobachtungen lehren. Wir
haben z. B. Pissodes Piceae Irr. noch in Masse aus Tannen gezogen,
welche die Spuren einer gründlichen Untersuchung durch Spechte,
wahrscheinlich durch den grossen Buntspecht, P. major L., deutlich
erkennen liessen. Möglicherweise wäre der kleine Buntspecht,
P. minor L., der nützlichste, da er in seiner Lebensweise den Meisen
und Baumläufern ähnelt, sein Nutzen kann aber seiner Seltenheit wegen
nur unbedeutend sein. Der Grünspecht, P. viridis L., ist als bedeu-
tender Ameisenvertilger eine der am wenigsten nützlichen Arten.
Nicht von besonderer Wichtigkeit, allein jedenfalls forstnützlich ist |
der Ziegenmelker, die gemeine Nachtschwalbe, Caprimulgus euro-
paeus L.; sie tritt zwar ziemlich häufig, immer aber nur einzeln auf.
Eine bedeutende Anzahl sehr nützlicher Vögel liefern verschiedene
Familien der Singvögel: Unter der zahlreichen Familie der Finken
finden sich Arten, welche forstlich ohne Bedeutung sind, andere
werden uns als Körnerfresser oft recht unangenehm, z. B. der Kreuz-
schnabel, Loxia, wenn sie auch nebenbei Insekten fressen, namentlich
ihre Jungen damit füttern, wie Fringilla coelebs L., der Buchfink.
Fraglicher Natur sind die Sperlinge, Fringilla domestica L. und
montana L. Beide Sperlinge sind keine Waldbewohner, namentlich
nicht der Haussperling, forstlich daher kaum von Bedeutung; immerhin
verdient jedoch der Sperling wegen seiner Insektennahrung als nützlicher
Vogel Erwähnung, da man sich in Gärten und ÖObstanlagen gegen
seinen Schaden schützen kann, wie besonders RArTzEgurG hervorhebt.
Aurum lobt ihn weniger, und ist allerdings sein Schaden am Getreide,
namentlich der des Feldsperlings, nicht unerheblich. Wir möchten den
Sperling unter den nützlichen Vögeln nicht missen, mit Gewandtheit
fängt er viele grössere Insekten im Flug und ist ein vortrefflicher
Maikäfervertilger. Unter den Bachstelzen ist die weisse, Motacilla
alba L., erwähnenswerth; ist sie auch keine eigentliche Waldbewohnerin,
so vertilgt sie doch auf den Schlägen und an den Waldrändern eine
Menge von schädlichen Insekten, sie sucht emsig die Meterstösse ab,
namentlich im warmen Sonnenschein, wenn Borkenkäfer u. s. w. gern
fliegen. Nicht ohne Nutzen sind die Lerehen, forstlich namentlich
die Heidelerche, Alauda arborea L.; kommt sie auch nie in grossen
Gesellschaften vor, so nimmt sie doch vorzugsweise Insektennahrung
und hilft dadurch wenigstens etwas. Entschiedene Insektenfresser sind
unsere Sänger, die Laubvögel und Grasmücken, Sylvia, namentlich
der kleine Weidenlaubvogel, S. rufa Larm., der allen Wickler-
und Spannerraupen bis in die Gipfel der Eichen und Kiefern so emsig
nachstellt, wie wohl keiner seiner Verwandten. Forstlich besonders
wichtig sind beide Goldhähnch en, Regulus cristatus Koch und
Iusektenfressende Vögel. 191
ignicapillus Bru.; vorzugsweise Nadelholzbewohner, erstere Art mehr
‚im Kiefern-, letztere im ‘Fichtenwalde, suchen sie bis in die äussersten
Spitzen der Bäume kleine Räupchen, Eier, Blattläuse und andere Wald-
feinde. Weniger von forstlicher Bedeutung sind die Nachtigallen,
Lusciola philomela Bcusr. und luscinia L., sowie das Rothkehlchen,
L. rubecula L., ebenso die beiden, den Wald nicht bewohnenden
Rothschwänzcehen, Ruticilla phoenicurus L. und tithys Scor. Die
Drosseln, von denen sechs Arten in Deutschland heimisch sind,
nützen durch das Verzehren grosser Massen von den unter der Laub-
und Moosdecke des Waldes ruhenden Insekten, z. B. der Spanner-
und Eulenpuppen, beiläufig gesagt wohl auch durch Verbreitung
beerentragender Bäume und Sträucher, da sie die unverdaulichen
Theile der Beerennahrung als Gewölle durch den Schnabel wieder
auswerfen, z. B. die Samen von Eberesche, Hollunder, Faulbaum,
Hartriegel, Kreuzdorn, Traubenkirsche u. s. w. Namentlich nützlich
wirken die Singdrossel oder Zippe, Turdus musicus L., die Roth-
drossel, T.iliacus L., und die Schwarzdrossel oder Amsel,
T. merula L. Forstlich fast ohne Bedeutung, wenn auch sonst nützliche
Insektenfresser, sind die in Deutschland heimischen drei Schwalben-
arten, Gattung Hirundo, da keine derselben den Wald bewohnt.
Vorzugsweise Waldbewohner sind dagegen die Fliegenfänger, Gattung
Museicapa, nisten jedoch auch in Gärten; sie leben von Insekten, welche
sie im Fluge erbeuten, weshalb sie denn auch mehr nützliche oder
indifferente verzehren, als schädliche. Als Vertilger schädlicher Insekten,
namentlich auch behaarter Raupen, z. B. vom Kiefernspinner und
Rothschwanz, ist der Pirol, Oriolus galbula L., ein besonders forst-
nützlicher Vogel, wenn er auch als Kirschendieb dem Obstzüchter manch-
mal unangenehm wird. Die Familie der Würger, in Deutschland
durch vier Arten, Lanius excubitor L., minor L., rufus Brıss. und
collurio L., vertreten, gehört zwar zu den Vertilgern schädlicher
Insekten, welche von diesen Vögeln an Dornen aufgespiesst werden, wiegt
aber diesen Nutzen wohl oft durch Plünderung der Nester kleinerer
Vögel wieder auf. Der muntere Zaunkönig, Troglodytes parvulus
Koc#, verzehrt wohl manches Insekt, nährt sich aber vorzugsweise
von Spinnen und ist daher weniger nützlich. Auch die Spechtmeise,
Sitta europaea L., nimmt im Sommer viele Insekten. Von besonderer
Wichtigkeit für den Forstwirth wie für den Obstzüchter ist der Baum-
läufer, Certbia familiaris L., da er das ganze Jahr hindurch, nicht
blos im Sommer wie die Sylvien, fleissig die feinsten und tiefsten
Ritzen aller Arten Bäume nach Eiern, Larven und Puppen von
Insekten absucht; er wird dadurch wirklich zu einem sehr beachtens-
werthen Wohlthäter. Dasselbe gilt von der Familie der Meisen. In
Deutschland kommen acht Arten vor: Kohlmeise, Parus major L.,
Tannenmeise, P.ater L., Haubenmeise, P.cristatus L., Sumpf-
meise, P. palustris L., Blaumeise, P.coeruleus L., Schwanz-
meise,P. caudatus L., Bartmeise, P. barbatus Brıss., Beutelmeise,
P. pendulinus L., letztere allerdings nur selten. Die Meisen sind
19
D) Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
offenbar bezüglich der Insekten die nützlichsten Vögel im Walde.
Aurum widmet daher mit Recht dem forstlichen Werthe dieser nütz-
lichen Thiere eine ganz besondere Abhandlung. Verschiedene Momente
begründen ihre hervorragende Nützlichkeit für Wald- und Obstbau. Die
Meisen sind immer in grosser Anzahl im Walde vorhanden, ihre grosse
Fruchtbarkeit ergänzt stets reichlich die Lücken, welche ein ungünstiger
Winter in ihre Reihen gebracht hat, sie brüten zweimal, und besteht
die erste Brut gewöhnlich aus 12 bis 14 Eiern. Besonders wichtig ist
es, dass sie nicht fortziehen, sondern im Sommer und Winter ihre nütz-
liche Arbeit verrichten, während die Sylvien und andere Insekten-
fresser nach wärmeren Ländern wandern. Ihre geringe Grösse, dabei
ihre ausserordentliche Geschicklichkeit im Klettern gestatten ihnen,
auch die kleinsten Aestehen nach Eiern, Puppen und Larven abzusuchen;
was sie an dem einen Tage nicht finden, das verzehren sie an dem
anderen, denn in grösseren und kleineren Gesellschaften bejagen sie
regelmässig wiederkehrend ihre Reviere. Die verschiedenen Arten sind
auf gewisse Holzgruppen und Höhen besonders angewiesen; vorzüglich
Laubholzbewohner sind die in den tiefen Regionen der Bäume suchende
Sumpfmeise, die sie häufig begleitende Kohlmeise, welche indessen
bis in die mittlere Höhe der Zweige steigt, ebenso die im dichten
Gebüsch am liebsten herumschlüpfende Schwanzmeise, ferner die in
den Gipfeln der Bäume kletternde Blaumeise, welcher dort im Sommer
die Sylvia rufa Lart. Gesellschaft leistet; das Nadelholz ziehen vor die
Tannen- und die Haubenmeise; erstere lebt mehr in den Gipfeln
der Fichten, letztere mehr in Kiefern. |
. Zu erwähnen ist auch der gesellig lebende, wohlbekannte Staar,
Sturnus vulgaris L. Er verzehrt Maikäfer, Rüsselkäfer, Larven aller
Art, Schnecken u. s. w. und ist dem Landwirth nützlicher als dem
Forstwirth, weil er sich im Innern des Waldes nicht lange aufhält,
wenn er auch, durch Nistkästen oder hohle Bäume angelockt, daselbst
brütet.
Aus der Familie der Raben, Corvidae, kommt der Kolkrabe,
Corvus Corax L., weil wesentlich von grösseren Wirbelthieren lebend,
als natürliches Gegengewicht gegen die übergrosse Vermehrung von
forstschädlichen Insekten kaum in Betracht. Besser benehmen sich die
Raben- und Nebelkrähe, Corvus corone L. und cornix L.; beide
sind wohl nur verschieden gefärbte Racen derselben Art. Der Jagd, den
kleinen Vögeln sind sie unzweifelhaft verderblich, ebenso bringen sie
manchen Schaden an Feld- und Gartenfrüchten, dagegen verzehren sie
allerdings eine grosse Masse schädlicher Insekten, namentlich auf dem
frisch gepflügten Acker, auch den Mäusen stellen sie nach; sie sind
dem Landwirth nützlicher als dem Forstwirth. Die Saatkrähe, C. fru-
gilegus L., ist am meisten nützlich unter den Raben, denn sie verzehrt
massenhaft Insekten, Würmer, auch Mäuse, wodurch sie wohl den
Schaden aufwiegt, den sie durch Zerstörung der Nester kleinerer Vögel
sowie des Federwildes und durch das Verzehren von Getreide u. 5. w.
bringt. Die Elster, C. pica L., eine wichtige Vertilgerin der Raupen,
ee
Insektenfressende Vögel und Säuger. 193
auch der behaarten, und anderer schädlicher Insekten, sowie der Mäuse,
schadet sehr den Bruten aller Arten kleiner Vögel, verdient daher kaum
forstlichen Schutz. Die Dohle, C. monedula L., verzehrt lieber Feld-
und Gartenfrüchte, als Insekten und Mäuse, ist daher im Allgemeinen
schädlicher, als man gewöhnlich annimmt; wo sie Gebäude bewohnt,
was bekanntlich in grossen Städten häufig der Fall ist, schadet sie
durch Abbröckeln und Verzehren des Kalkes nicht unwesentlich; im
Walde, namentlich in Feldhölzern, wo sie in hohlen Bäumen nistet,
ist sie als Insektenfeind mehr nützlich als schädlich. Der häufige
Eichelheher, Garrulus glandarius L., der zwar ebenfalls durch Ver-
tilgung schädlicher Insekten, namentlich auch behaarter Raupen, z. B.
von Kiefernspinner und Nonne, manchen Nutzen stiftet, schadet dagegen
nicht blos durch seine Näschereien auf Saatbeeten und durch das Ver-
zehren der Eicheln und Bucheln auf den Bäumen, sondern, was noch
schlimmer ist, durch seine ausgesprochene Vorliebe für Eier und Junge
der meisten unserer, den Wald bewohnenden nützlichen Singvögel; der
sogenannte Nutzen, den er durch das Stecken mancher Eichel bringt,
ist heutzutage ohne Bedeutung. Er verdient keine Schonung.
Von den Raubvögeln könnte man als regelmässige Insekten-
verzehrer höchstens den Wespenbussard, Pernis apivorus L., und
den Thurmfalken, Falco tinnunculus L., anführen. Auch die Eulen
verzehren öfters Maikäfer und Kiefernspinner.
Die Hühnervögel nehmen vorzugsweise vegetabilische Nahrung,
aber auch Insekten. Der Fasan, Phasianus colchicus L., ist nach
wiederholten, namentlich aus Böhmen bekannt gewordenen Beobach-
tungen ein sehr beachtenswerther Vertilger der Raupen des Kiefern-
spinners.
Die Wasser- und Sumpfvögel, wenngleich auch zum Theil
Insektenvertilger, meiden Wald- und Forst im Allgemeinen so sehr,
dass sie, mit Ausnahme der Engerlinge vertilgenden Lachmöve, Larus
ridibundus L., an dieser Stelle keine Erwähnung verdienen.
Die Säugethiere wirken auch kräftig mit, um die allzugrosse Ueber-
handnahme der Insekten zu verhüten.
Die Ordnung der Handflatterer, Chiroptera, stellt ein zahl-
reiches insektenvertilgendes Heer, die Fledermäuse. Die achtzehn
deutschen Arten dieser Familie gleichen sich darin, dass sie nur von
Insekten leben; da sie während der ganzen Nacht, oft schon vor
Sonnenuntergang jagen und nur wenige Pausen der Ruhe widmen, so
gehören sie zu den nützlichsten Thieren. Die verschiedenen Arten
haben bestimmte Jagdgebiete, die einen bejagen die Hofräume, andere
die Wasserspiegel, andere Waldungen, Gebüsche u. s. w. und ‚somit
sind die Waldfledermäuse im engeren wie im weiteren Sinne des
Forstmannes beste Freunde und Gehilfen” (XVI, I, S. 18). Die
forstlich wichtigste Art ist die den eigentlichen Wald bewohnend«
frühfliegende Fledermaus, Vesperugo noctula SCHREB., sie ist
unsere grösste, mit 34 cm Flügelspannung, und unersättlich bei der Ver-
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde. 13
194 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
tilgung der Maikäfer und grösserer wie kleinerer Nachtschmetterlinge,
z. B. der Processionsspinner, Eichenwickler u. s. f. Dieser Art stehen an
Bedeutung nahe: die zweifarbige Fledermaus, V. discolor Narr.;
die Zwergfledermaus, V. pipistrellus Schreg., kleinste Art mit nur
16°5cm Flügelspannung, welche Wohnungen, Gärten und Waldränder
umschwirrt, den grösseren, dichten Wald meidet und im Frühling zuerst
am Platz ist, endlich die spätfliegende Fledermaus, YV. serotinus
SCHREB., eine grosse Art mit 31'’5cm Flügelspannung, zwar nicht
Waldbewohnerin, allein die Waldränder eifrig bejagend. Die rauh-
armige Fledermaus Vesperugo Leisleri Kunr, ist ein Charakterthier
des dichten Hochwaldes. Unter den Vespertilio-Arten ist die Riesen-
fledermaus, V. murinus ScHrep., zu erwähnen, deren kolossaler
Verbrauch an Insekten durch Jäcker [vergl. XVI, 2. Aufl., I, p. 46]
genauer constatirt wurde, und auch die Ohrenfledermaus, Plecotus
auritus L., ist bei ihrer grossen Häufigkeit beachtenswerth.
Aus der Ordnung der Insektenfresser, Insectivora, sind zu
nennen die Spitzmäuse. Nützlich sind alle, mit Ausnahme der Fisch-
laich verzehrenden Wasserspitzmaus, Crossopus fodiens PALr., forst-
lich wichtig ist aber nur die Waldspitzmaus, Sorex vulgaris L., da
sie als Waldbewohnerin Raupen und Puppen aller Art verzehrt. Die
kleine, nur 7cm lange Zwergspitzmaus, S. pygmaeus PaArr., lebt
und wirkt ähnlich wie vorige im Walde, ist aber nicht häufig genug,
um ihr an Bedeutung gleichzukommen. Werthvoll ist der Maulwurf,
Talpa europaea L. Er frisst durchaus keine Pflanzen, was man oft genug
in der Gefangenschaft an demselben beobachtet hat. Wenn man Gewächse
oberhalb seiner Gänge trocknen sieht, so rührt das nicht vom Frasse,
sondern vom Wühlen her. Seine Vertilgung lässt sich daher auch nur
in Oertlichkeiten, wo die Vegetation durch die Menge der Gänge und
Haufen leidet, oder wo er Dämme und ähnliche Anlagen durchwühlt,
rechtfertigen. Im Walde kommt das so leicht nicht vor. Hier ist der
Maulwurf vielmehr nützlich durch Vertilgung schädlicher Thiere,
namentlich der Engerlinge und Werren, überhaupt der in der Erde
lebenden oder ruhenden Insekten und Würmer.
Auch Mitglieder der Ordnung der Raubthiere, Carnivora, nehmen
Insektennahrung zu sich. Am bekanntesten ist dieses dem Waidmanne
von dem Fuchs, Canis vulpes L. Die unverdauten Reste grösserer Käfer,
meist jedoch unschädlicher, finden sich häufig in seiner Losung; inter-
essant ist die Notitz aus Lieberose in der Lausitz, dass in den dortigen
Kiefernwaldungen gelegentlich des Spinnerfrasses die Losung des Fuchses
voll von Eiern der Schmetterlinge gefunden wurde, welche er verzehrt
hatte [Waexer i. Thar. Jahrb. 23. Bd.]; dasselbe berichtet ALrum aus
Neustadt-Eberswalde. Das gleiche gilt vomDachs, Meles Taxus L., dessen
Excremente nach Aurum stets eine Menge Käferfragmente, besonders der
grossen Geotrypes-Formen enthalten. Auch diemarderartigen Thiere
dürften gelegentlich Insekten verzehren, wie dieses gleichfalls von vielen
Nagern, Rodentia, constatirt ist, unter denen wir nur aus eigener Er-
fahrung den Gartenschläfer, Myoxus quereinus L., erwähnen wollen.
Insektenfressende Säuger. Vorbeugungsmassregeln gegen Insektenschäden. 195
Als das wichtigste Gegengewicht gegen die in der Erde über-
winternden Insekten ist schliesslich ein Thier aus der Ordnung der
Paarzeher, Artiodactyla, zu nennen: Es ist das sonst so schädliche
Wildschwein, Sus scrofa L. Drei der wichtigsten Forstinsekten,
Engerling, Kiefernspanner und Eule, können eigentlich nur durch das
Schwarzwild mit Erfolg vertilgt werden; es verzehrt auch die halb-
wüchsig überwinternden Raupen des Kiefernspinners, jedenfalls werden
sie durch das Brechen der Sauen wesentlich gestört, herausgewühlt, ver-
schüttet und zertreten. WaAcxer berichtet aus Lieberose |Thar. Jahrb.
23. B.], dass die Wildschweine fleissig die Schmetterlinge des Spinners
verzehrten; es wurden Sauen beobachtet, die sogar mit den Vorderläufen
sich an den Bäumen aufrichteten, um die Schmetterlinge abzusuchen,
Die wirthschaftlichen Vorbeugungsmassregeln gegen, das
Auftreten von Insektenschäden.
Die soeben angeführten natürlichen Gegengewichte genügen in-
dessen nicht zur Verhütung des Auftretens von Insektenschäden. In
rationell bewirthschafteten Forsten wird überdies nicht selten das ur-
sprüngliche Gleichgewicht des Naturhaushaltes nothgedrungen gestört,
z. B. durch Vernichtung des Schwarzwildes, so dass dort also eine Reihe
dieser natürlichen Gegengewichte gegen die Forstschädlinge überhaupt
nicht mehr besteht. Die Auffassung der Insektenschäden seitens der
Forstwelt ist nun zu verschiedenen Zeiten eine sehr verschiedene ge-
wesen. So schreibt z. B. W. G. Moser im Jahre 1757 in seinen da-
mals hochberühmten „Grundsätzen der Forstökonomie” [II. Bd., 2. Cap.,
S 31, 8. 569]:
„Raupen und Käfer thun auch öfters grosen Schaden, und zwar
eigentlich denen Laubhölzern, besonders den Eichen. Sie gehören zu
denen allgemeinen Land-Strafen, und ist noch zur Zeit kein Mittel da-
gegen bekant; dann das Ablesen, so leicht solches an sich wäre, würde
Kosten und Umstände erfordern, welche den verhoffenden Nutzen
weit überstiegen.”’
Aber bereits zu Ende des vorigen Jahrhunderts war diese, uns
heute geradezu unverständliche, Auffassung verlassen, und schon lange
hat sich die Ueberzeugung Bahn gebrochen, der Forstmann müsse durch
eigene Thätigkeit die Insektenschäden zu vermindern suchen, und
zwar zunächst durch Vorbeugungsmassregeln. Dieselben haben sich
zu beziehen auf: 1. Bestandsgründung, 2. Bestandspflege, 3. Ernte,
4. Forsteinrichtung, 5. Standortspflege, 6. Beobachtung des Insekten-
lebens, 7. Schonung und Hegung nützlicher Thiere.
13*
196 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
Massregeln der Bestandsgründung. Kümmerliche, kränkelnde
Pflanzen werden nicht blos besonders gern von Insekten befallen, sondern
vermögen auch Beschädigungen nicht so leicht auszuheilen, als gesunde
und kräftige. Unverkennbar zeigen dies z. B. die durch den braunen
Rüsselkäfer und durch Engerlinge hervorgerufenen, empfindlichen Schäden.
Man hat deshalb stets für die gegebenen Standortsverhältnisse passende
Holzarten und geeignete Methoden der Bestandsgründung zu wählen.
Man befolge mit einem Worte die durch Erfahrung bewährten Grund-
sätze des Waldbaues. Sind hier auch meist noch andere Rücksichten
massgebend, als die Verminderung von Insektengefahren, so dürfen doch
letztere nicht ausser Acht gelassen werden.
Dort, wo der Standort absolut nur für eine anbauwürdige Holz-
art geeignet ist, z. B. manche Sandböden nur für die Kiefer, manche
Lagen der Gebirge nur für die Fichte, bleibe man bei diesen Holzarten
und versuche nicht, die Erziehung gemischter Bestände zu erzwingen,
so gross deren Vortheile in manch anderer Beziehung auch sein möchten.
Dort, wo der Standort dagegen verschiedenen anbauwürdigen Holzarten
entspricht, empfiehlt sich die Begründung gemischter Bestände. Ist auch
die Monophagie der meisten forstschädlichen Insekten nicht eine so
ausgesprochene, als früher vielfach angenommen wurde, so ist sie doch
fast immer bis zu einem gewissen Grade vorhanden. Der Kiefern-
spinner wird z. B. niemals Laubhölzer beschädigen, und gäbe es keine
reinen Kiefernbestände, sondern nur solche, die mit Eichen und Buchen
oder auch nur mit Fichten gemengt wären, so würde ein wirklich
verheerender Spinnerfrass unmöglich sein. Ebenso sind Verheerungen
ganzer Waldgebiete durch Borkenkäfer nur in reinen oder fast
reinen Nadelholzforsten möglich. Selbst gegen entschieden polyphage
Insekten, wie z. B. die Nonne, vermag eine zweckmässige Bestands-
mischung schützend zu wirken, da sich die verschiedenen Holzarten
bezüglich ihrer Fähigkeit, erlittene Beschädigungen zu überstehen, ver-
schieden verhalten; die Fichte wird sehr leicht todtgefressen, während
die Kiefern und noch besser die Laubhölzer den Schaden überstehen.
Die Wahl der Verjüngungsmethode hat sich nach dem Be-
dürfniss der Holzart und nach den Standsortverhältnissen zu richten,
und zunächst mit Rücksicht hierauf wird sich der Forstmann für natür-
liche oder künstliche, Vor- oder Nachverjüngung entscheiden. Aber
auch die Rücksicht auf Insektengefahren, namentlich auf solche für
die jungen Nachwüchse, kann hierbei eine wesentliche Rolle spielen.
Engerlingschaden würde durch Anwendung der natürlichen Verjüngung,
durch den Plenterschlagbetrieb, auf ein sehr geringes Mass zurück-
geführt werden können. Ebenso würde der Rüsselkäfertrass in Nadelholz-
jugenden durch erfolgreiche Anwendung dieser Betriebsart, wenn auch
nicht beseitigt, so doch durch den Pflanzenreichthum wirthschaftlich
fast unschädlich gemacht. Meist zwingen uns aber andere forstwirth-
Vorbeugung durch Massregeln der Bestandsgründung und Bestandspflege. 197
schaftliche Gründe zum künstlichen Anbau, und zwar zur Nachver-
jJüngung, zu greifen. Dann haben wir zunächst zu entscheiden, ob
Saat oder Pflanzung zu wählen sei. Fast alle Insektenschäden werden
in Saaten, deren richtige Pflege vorausgesetzt, weniger empfindlich,
weil ihr Pflanzenreichthum den Verlust einer grossen Anzahl von
Pflanzen ohne Nachtheil gestattet, während in einer Pflanzung jede
einzelne Pflanze Werth hat, und zwar um so mehr, je weiter der
Pflanzverband ist. hüsselkäferschaden empfindet man z. B. in gut
gelungenen Fichtensaaten so wenig, dass in früheren Zeiten der Irr-
thum vielfach verbreitet war, der Rüsselkäfer schade den Saatfichten
überhaupt nicht. Wählt man, was ja in neuerer Zeit meist geschieht,
die Pflanzung, so sorge man für kräftige, nicht zu eng erzogene
Pflanzen, welche jeder Beschädigung leichter widerstehen. Eine ver-
schulte, kräftige Fichtenpflanze vermag dieselbe Rindenbeschädigung
durch den KRüsselkäfer oder dieselbe Wurzelbeschädigung durch
Engerlinge auszuheilen, an welcher eine kümmerliche Pflanze zu
Grunde geht. Die Wahl der Pflanzmethode wird nicht allein von den auf-
wendbaren Kosten und der Rücksicht auf gutes, schnelles Anwachsen
der Pflänzlinge abhängen, sondern auch von der grösseren oder geringeren
Sicherheit, welche sie gegen das Auftreten von Insektenschäden bietet.
In einer Maikäfergegend ist z. B. ausgedehnte Bodenlockerung, oder
die Herstellung von Kulturerde auf den Schlägen nicht selten von
grossen Nachtheilen begleitet, weil man dadurch den Käfern Brut-
stätten zur Eierablage bereitet. Man vermeide bei den Pflanzungen
zu weitläufigen Verband; wenn 60 bis 100 Pflanzen auf dem Hektar
stehen, können ziemlich viele in Wegfall kommen, ehe eine kost-
spielige Ausbesserung nöthig wird. Aus demselben Grunde können,
namentlich gegen hüsselkäferfrass, auch Büschelpflanzungen, mit etwa
drei Pflanzen in einem Pflanzloch, unter gewissen Verhältnissen em-
pfohlen werden, obgleich im Allgemeinen die Anwendung recht kräftiger
Einzelpflanzen den Vorzug verdient. Unter allen Umständen halte man
auf sorgfältige Ausführung aller Kulturen.
Massregeln der Bestandspflege. Dieselben Gründe, welche uns
zwingen, für die Kulturen möglichst kräftiges Pflanzenmaterial zu ver-
wenden, zwingen uns auch, durch Pflege und Erziehung des jugend-
lichen und älteren Bestandes die Bäume möglichst kräftig und gesund zu
erhalten. Es geschieht dies durch Schaffung oder Erhaltung von Bestands-
schutzholz in jungen, von Bodenschutzholz in alten Beständen, durch
Ausschneiden zu dichten Jungwuchses, durch Läuterungshiebe und Durch-
forstungen, sowie durch Reinhalten des ganzen Waldes von kranken oder
todten Hölzern, welche gefährlichen Insekten als Brutstätten dienen
können. Auch die Herstellung von Gräben, um das Einwandern schäd-
licher Käfer oder Raupen in einen zu schützenden Bestand zu verhindern,
kann als vorbeugende Massregel der Bestandspflege betrachtet werden.
198 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
Uebrigens ist es nicht blos im Garten, sondern auch im Walde
möglich, einzelne besonders werthvolle Bäume durch directe Schutz-
vorrichtungen vor Insektenschäden zu bewahren.
In der Jugend kann es sich hierbei z. B. handeln um Erhaltung
eines sich von Natur einfindenden oder durch künstliche Kultur ge-
schaffenen Bestandsschutzholzesvon Kiefern und Birken in Fichtenkulturen.
Mancherlei Insekten scheinen durch Frost beschädigte Orte mit Vorliebe
heimzusuchen, wenigstens tritt in solchen ihr Frass empfindlicher auf,
als in anderen frostfreien Kulturen, so z. B. der von Grapholitha pacto-
lana Zur., Coccus racemosus Rarz., Chermes Abietis L, u. a. m. Die
Erhaltung eines Bestandsschutzholzes wirkt in dieser Beziehung sehr
wohlthätig. Das zur Standortspflege in lichten Althölzern dienende
Bodenschutzholz ist gleichzeitig auch direet wichtig für die Bestands-
pflege gegen Insektenschäden; so wurde z. B. von Jupeıch Anfangs
der Sechziger-Jahre auf der Herrschaft Brandeis in Böhmen beob-
achtet, dass bei einem ziemlich ausgedehnten Frass des Kiefern-
spinners die mit dichtem Eichenunterwuchs bestockten alten Kiefern-
bestände weit weniger litten, als die reinen Bestände. Eine bestimmte
Erklärung dieser Thatsache ist schwer zu geben, die Vermuthung
spricht aber dafür, dass die Raupen beim Verlassen des Winterlagers
durch den Unterwuchs. verhindert werden, die alten Kiefern eben
so schnell und sicher zu finden und zu besteigen, wie in Beständen
ohne Unterwuchs; viele Raupen können dabei wohl zu Grunde gehen,
ehe sie Nahrung finden. Zu pflanzenreiche Büschelpflanzungen bewirken
oft kümmerlichen Wuchs, ähnlich wie zu dicht aufgegangene Saaten.
Frühzeitiges Ausschneiden derselben kräftigt die bestandbildenden Indi-
viduen, macht sie widerstandsfähiger gegen Insektenschäden. Im späteren
Bestandsleben ist ein rationeller Läuterungs- und Durchforstungsbetrieb,
welcher die den künftigen Hauptbestand benachtheiligenden Vorwüchse,
die vielleicht eine Zeit lang als Bestandsschutzholz dienten, z. B.
Kiefern- und Weichhölzer in Fichtenkulturen, ebenso die unterdrückten
und kränkelnden Stämme zu rechter Zeit entfernt, von ganz wesent-
licher Bedeutung. Die kränkelnden Bäume werden oft Ursache einer
bedenklichen Vermehrung von Borkenkäfern, Rüsselkäfern, z. B. Pissodes,
und Bockkäfern. Die Beseitigung der ersten Brutstätten schützt den
ganzen Wald, deshalb ist dieser stets möglichst rein zu halten. In diesem
Sinne wird auch eine Massregel der Ernte, nämlich die schnelle Auf-
bereitung und Entfernung von Wind- und Schneebruchhölzern, gleich-
zeitig zu einer Massregel der Bestandspflege.
Als Beispiele der Pflege einzelner Bäume verdienen Erwähnung:
Gegen Hylesinus micans Kuc., der Anstrich werthvoller, einzelner
Nadelholzstämme an dem unteren Stammtheil mit einem sowohl
mechanisch schützenden, als auch den Insekten schädliche Stoffe ent-
haltenden Brei; ferner Anstrich der Astwunden aller Holzarten mit
Theer, um das Eindringen von Anobien und anderen verwandten
Holzfressern, ebenso das von Pilzsporen zu verhüten.
Vorbeugung durch Massregeln der Bestandspflege und Ernte. 199
Massregeln der Ernte. Die soeben erwähnten Durchforstungen
sind wenigstens in älteren Beständen gleichzeitig Massregeln der Pflege
und der Ernte. Bei jeder Ernte ist darauf zu halten, dass die geernteten
Forstproducte weder durch Insekten technisch geschädigt werden, noch
auch an sich selbst oder in ihren im Walde ungenützt zurückbleibenden
Theilen, z. B. Stöcken, Reisig ete., Brutstätten für Forstschädlinge bilden.
In ersterer Beziehung ist zu erinnern an den Nutzholzborken-
käfer, Tomicus lineatus Er.; Fällung zur Saftzeit und Entrinden
der Stämme ist wohl das einzige bekannte Hilfsmittel gegen ihn. Gegen
Schädigung werthvoller Eichenklötze durch Lymexylon ist wohl der
baldige Transport dieses Holzes auf geeignete Lagerplätze das sicherste
Vorbeugungsmittel. Die geernteten Forstproducte selbst werden nicht
selten dann zu Brutstätten schädlicher Insekten, wenn sie zu lange
im Walde liegen bleiben, namentlich nicht entrindete Nadelhölzer. Man
sorge daher, soweit diese nicht als Fangbäume verwendet werden sollen,
für rechtzeitige Entrindung oder für baldigen Transport der noch nicht
befallenen Hölzer aus dem Walde, wenn man nicht fortwährend der
Gefahr von Borkenkäferfrass ausgesetzt sein will, und zwar gilt dies
nicht blos für die in regelmässigen Schlägen und durchforstungsweise
gefällten Hölzer, sondern fast in noch höherem Grade auch für alle
Schnee- und Windbrüche. Selbstverständlich nützt die baldige Ent-
fernung bereits befallener Hölzer aus dem Walde allein nichts, da die
sich entwickelnde Brut von nahegelegenen Lagerplätzen in denselben
Wald zurückkehren oder andere benachbarte Wälder infieiren kann.
Wenigstens dort, wo Gefahr der Infecetion durch Borkenkäfer droht,
ist das stärkere Reisig ebenfalls zu entfernen; ist es nicht absetzbar,
so wird es am besten im Walde verbrannt. Sehr nachtheilige Folgen
kann ferner das Belassen der Stöcke, namentlich hoher Stöcke, im
Walde bringen. Sie dienen immer verschiedenen Borken- und Rüssel-
käfern, Hylesinen und Bockkäfern, Holzwespen, also einer sehr
grossen Schaar technisch und physiologisch schädlicher Insekten
als Brutstätten. Da wo man bei gänzlich mangelndem Absatz oder
unter Terrainverhältnissen, welehe Stockrodung nicht gestatten, z. B.
an sehr steilen Hängen, allein der Insekten wegen die Stöcke nicht
roden kann, ist wenigstens für möglichst tiefen Abschnitt der
Stämme zu sorgen. In solchen Einzelfällen, in denen, wie z. B. bei
Sturmverheerungen, die Arbeit nicht so gut ausgeführt werden kann,
wie man zu wünschen und bei regelmässigem Betriebe zu fordern
hat, wo also ausnahmsweise ungewöhnlich hohe Stöcke im Walde
belassen werden müssen, empfiehlt sich wenigstens Entrinden der-
selben bis auf die Wurzeln. Verschenken des dadurch zu gewinnen-
den Materiales an arme Leute erleichtert mitunter eine solche
Massregel. Achnliches kann ja auch in sehr schwierigem Terrain
vorkommen, welches den Tiefabschnitt zu gefährlich für die
Arbeiter macht.
200 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
Massregeln der Forsteinrichtung. Namentlich in Nadelholzwaldungen
ist das Zusammenlegen grosser Flächen gleicher Altersklassen unbedingt
zu vermeiden. Dies Ziel erreicht man einzig und allein durch eine
rationelle Forsteinrichtung, das heisst durch die Bildung vieler kleiner
Hiebszüge. Treten auch in grossen Waldungen der Durchführung einer
solchen Massregel oft bedeutende Schwierigkeiten entgegen, weil wir aus
der Vergangenheit meist eine ungünstige Vertheilung der Altersklassen
übernommen haben, so soll man doch das zu erstrebende Ziel bei allen
Hiebsbestimmungen im Auge behalten. Viele Hiebszüge gewähren viele
Anhiebe, und nur diese ermöglichen einen derartigen Wechsel mit den
Schlägen, dass man niemals an demselben Orte eher weiter zu schlagen
braucht, bis der zuletzt angebaute Schlag wirklich in Bestand gebracht,
das heisst, den ersten Gefahren entwachsen ist. Abgesehen von mancherlei
anderen Gründen, ist dies gerade vom Standpunkte der Vorbeugung gegen
Insektenschäden von grösster Wichtigkeit.
Beispielsweise sei Folgendes erwähnt: In den ausgedehnten
Kiefernwaldungen der Sandebenen hat man beobachtet, dass mit dem
Ueberhandnehmen der Kahlschlagwirthschaft der Maikäferschaden in
erschreckender Weise zugenommen hat. Nicht zu leugnen ist, dass der
Kahlschlagbetrieb die Vermehrung der Maikäfer begünstigt, weil er
grosse freie Schwärmflächen schafft, welche von den Käfern zur Ab-
lage der Eier gern aufgesucht werden. Mehr aber, als diese Betriebs-
art an sich, schadet in dieser Beziehung eine veraltete Forsteinrichtung
mit viel zu grossen Hiebszügen und wenig Anhiebsräumen. Der Wirth-
schafter sieht sich dadurch gezwungen, fast jährlich oder wenigstens
alle zwei oder höchstens drei Jahre Schlag für Schlag an einander zu
reihen, dadurch aber die Schwärmflächen in ganz widersinniger Weise
zu vergrössern. Häufig wechselnde, schmale Schläge können das Uebel
zwar nicht beseitigen, aber ganz wesentlich vermindern.
Der Rüsselkäfer, Hylobius Abietis L., schadet in Kiefern- und
Fichtenpflanzungen bekanntlich am meisten, wenn angrenzend an die
junge Pflanzung schon im nächsten Jahre wieder ein neuer Schlag geführt
wird. Aus diesem wandern die Käfer massenhaft zur Kulturfläche. Sind
aber die Pflanzen bereits durch mehrjähriges Wachsthum hinreiehend
erstarkt, so werden sie durch den Käfer wohl auch beschädigt, aber
nicht so leicht getödtet. Also auch hier ist Wechsel der Schläge geboten.
Jeder Raupenfrass wird am gefährlichsten in gleichalterigen, grossen
zusammenhängenden Beständen. Denken wir beispielsweise an den
Kiefernspinner, Bombyx Pini L.; häufiger Wechsel zwischen jungem
und altem Holze erleichtert jede Begegnung, Sammeln sowie Theeren.
Die Gefahr ist hier also viel leichter zu bekämpfen, als in hundert
und noch mehr Hektar grossen, zusammenhängenden Althölzern. Beginnt
in letzteren der Frass auch zuerst meist nesterweise, so lässt er sich
doch viel schwerer einschränken.
j
Vorbeugung durch Massregeln der Forsteinrichtung und Standortspflege. 201
Die verschiedenen Borkenkäfer, denen wir mit Hilfe von Fang-
bäumen entgegenarbeiten, sind in kleineren Beständen weit leichter
zu bekämpfen, als in grossen, einmal weil in letzteren leicht die ersten,
kleinen, nesterweisen Anfänge eines Frasses wenigstens theilweise
unbemerkt bleiben, dann aber weil ganz gewiss das Fällen von Fang-
bäumen am gründlichsten hilft, wenn diese in die Nähe der Brutstätten
zu liegen kommen. Muss trotz aller Vorsichtsmassregeln einmal ein
Bestand zum Opfer fallen, so ist es doch gewiss viel besser, dieses
Opfer ist durch die Forsteinrichtung auf einen kleinen Raum beschränkt,
als wenn man gezwungen ist, sehr grosse Strecken abzutreiben.
Eigentliche Borkenkäferverheerungen haben bisher stets nur in solchen
Waldgebieten stattgefunden, wo in unabsehbarem Zusammenhange nahezu
gleichalterige Hölzer standen.
Standortspflege. Wiederholt wurde hervorgehoben, dass kräftige,
gesunde Bäume weniger von Insektenfrass zu leiden haben, als kränkelnde,
kümmerliche. Erstens werden letztere wenigstens von einigen Insekten
mit Vorliebe aufgesucht, zweitens vermögen sie weniger Widerstand
zu leisten. Aus diesem Grunde ist eine rationelle Standortspflege auch
vom Gesichtspunkte des Forstschutzes gegen Insekten geboten.
Das verderbliche Streurechen ist unbedingt zu unterlassen, da es
allmälig jeden Boden erschöpft, am schnellsten den flachgründigen. Ferner
hat man dafür zu sorgen, dass der Boden weder nach Führung der Kahl-
schläge, noch in räumdigen Althölzern zu lange ohne Beschattung bleibe,
da er sonst verangert, oder sich mit Unkräutern überzieht, welche ein
kräftiges Wachsthum des nachzuziehenden jungen Bestandes verhindern.
Es ist gewiss nur ein scheinbarer Vortheil, wenn man z. B. durch
Streurechen in von Raupen befallenen Kiefernbeständen Raupen des
Spinners, Puppen der Eule und des Spanners allerdings massenhaft
entfernt. Augenblicklich kann eine solche Massregel wohl Hilfe bringen,
ihre Fortsetzung ist aber unmöglich, weil die Abschwächung der
Bodenkraft endlich zu nachtheilig auf die jetzigen und noch mehr auf
die nachzuziehenden, künftigen Bestände einwirkt. Wenn man, be-
fangen im Vorurtheil, durchaus natürliche Verjüngung erzwingen will,
trotzdem die erste Besamung, vielleicht durch Frost oder andere Er-
eignisse, zu Grunde ging und Samenjahre nicht bald wiederkehren,
wenn man deshalb die lichtgehauenen Althölzer jahrzehntelang räumden-
artig stehen lässt, so verangert, verunkrautet der Boden; die Althölzer
werden nicht selten brandig und im Nadelwalde deshalb umso leichter zu
Borkenkäferwiegen, weil sie ausserdem noch oft vom Sturm gelockert,
also an den Wurzeln beschädigt sind; der endlich doch durch künstliche
Kultur nachzuziehende junge Bestand wird auf dem physikalisch so
herabgebrachten Boden kümmern und von Rüsselkäfern sowie Hylesinen
wiederholt empfindliche Schäden erleiden. Will man durch lichte Stellung
den Althölzern Lichtungszuwachs verschaffen, um’ besonders starke
202 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
Sortimente zu erziehen, oder können aus mancherlei wirthschaftlichen
Gründen durch die Natur sehr licht gestellte Bestände nicht bald
zum Hiebe kommen, so sorge man für ein Bodenschutzholz; vorzugs-
weise gilt dies für alte Eichen- oder Kiefernbestände. Ein Boden-
schutzholz, bestehend z. B. aus Hainbuchen, Rothbuchen, unter Kiefern
sogar aus Eichen, kann mitunter auch als vorbeugende Massregel der
Bestandspflege wirken (vergl. S. 197 u. 198).
Sorgfältige Beobachtung des Insektenlebens im Walde. Fort-
dauernd ist der Wald bezüglich des Insektenlebens sachverständig zu
beobachten. Ausserdem müssen namentlich dann, wenn Gefahren drohen,
wiederholte sorgfältigere Visitationen des Waldes lediglich zum Zwecke
des Schutzes gegen Insekten, ganz besonders aber im Frühjahre statt-
finden. Unterstützt werden diese Untersuchungen eventuell durch Probe-
sammeln von Raupen und Puppen, sowie durch Fällung und Beobachtung
von Probefangbäumen in gewissen, den localen klimatischen Verhältnissen
entsprechenden Zeitabschnitten.
Jedes Uebel ist leichter zu bekämpfen, wenn es noch klein ist, als
wenn es bereits überhand genommen hat. Ganz vorzüglich gilt dies von
dem Insektenfrasse. Das Erstaunen über plötzlich auftretende Massen von
Raupen, von Borkenkäfern u. s. w. erklärt sich mitunter einfach dadurch,
dass man die ersten kleinen Anfänge nicht bemerkte oder nicht beachtete
(vergl. S. 157). Ist deshalb fort und fort der ganze Wald aufmerksam
zu beobachten, so ist dies namentlich nöthig an Oertlichkeiten, welche
besonders zum Insektenfrasse disponirt sind, also z. B. auf armen, trockenen
Böden, in heissen Lagen, in Frostlagen und dergleichen mehr (vergl.
S. 159). Ganz besonders nöthig ist dies auch zu den Zeiten, wenn
Schnee und Duft oder Sturm dem Walde Wunden geschlagen haben. Der
Wipfel beraubte Fichten werden z. B. nicht selten Brutstätten für Borken-
käfer oder für den leicht zu übersehenden Stangenrüsselkäfer, Pissodes
hercyniae Hssr. Meist beginnt ein grösserer Insektenfrass nesterweise
und verbreitet sich von kleineren oder grösseren Herden aus allmälig
weiter. Bemerkt man diese alle rechtzeitig, so kann oft eine grosse
Gefahr ohne Schwierigkeit beseitigt werden. Muss eine genaue Kenntniss
aller Symptome eines drohenden Frasses, z. B. Bohrmehl und Harzerguss
an den Stämmen, Raupenkoth, abgebissene Nadeln, befressene Blätter,
dünne Benadelung der Kronen u. dgl. m., sowie die Fähigkeit zu
Sehen von jedem gebildeten Forstwirth verlangt werden, so können
sie doch nicht beim Hilfs- und Schutzpersonal vorausgesetzt werden.
Dieses ist daher genau praktisch zu unterweisen. Ebenso kann dasselbe
in besonderen Fällen mit einzelnen geschiekten Waldarbeitern geschehen.
mu.
Beobachtung des Insektenlebens und Schutz nützlicher Thiere. 203
Letztere erlangen in der Regel sehr bald einen sie nur selten täuschenden,
praktischen Blick selbst für schwierige Beobachtungsobjeecte.
Dies war z. B. Anfangs der Siebziger-Jahre der Fall auf dem
erzgebirgischen Olbernhauer Revier. Forstmeister ScmaaL hatte einige
Arbeiter zum Auffinden der von Pissodes hercyniae befallenen Fichten-
stangen so gut eingerichtet, dass der Frass, welcher benachbarte Privat-
reviere schwer schädigte, auf dem seinigen mit Erfolg bekämpft wer-
den konnte,
Schonung, Hegung und Aussetzung nützlicher Thiere ist schliess-
lich ein Mittel, und zwar ein nicht genug zu empfehlendes, um Insekten-
verheerungen vorzubeugen. Die unter diesen Gesichtspunkt fallenden
Massregeln haben sich zu erstrecken: 1. auf Verhinderung der Vertilgung
insektenfressender Säuger, Vögel und Insekten; 2. auf die Erhaltung und
Schaffung günstiger Lebensbedingungen für die ebengenannten Verbünde-
ten des Forstmannes; 3. auf die Importirung solcher Verbündeten aus
reichlicher mit ihnen versehenen Gegenden.
Eine direette Sehonung nützlicher Säuger kommt eigentlich
nur in selteneren Fällen zur Anwendung. Wenn der Forstmann darauf
sieht, dass in gefällten hohlen Bäumen vorgefundene Fledermäuse nicht
muthwillig von den Waldarbeitern getödtet, die betreffenden, denselben
Schutz gewährenden Bäume im Winter vielmehr unzerstückt bis zum
Frühjahr liegen gelassen werden, dass der Maulwurf nicht unnöthig weg-
gefangen und der Fuchs nicht übermässig decimirt werde, so hat er
seine Pflicht völlig erfüllt. Wie wichtig die Schonung der Fledermäuse
ist, geht aus der Mittheilung Lerster’s hervor |V, Bd. II, S. 32]:
„dass die Processionsraupen in solchen Gegenden bei Hanau grossen
Schaden gethan hätten, wo einige Jahre vorher mehrere Tausend alter
Eichen gefällt wurden, und zwar zur Zeit des Winterschlafes der Fleder-
mäuse, wodurch diese zu Grunde gingen”. Wir dürfen aber nicht ver-
gessen, dass viele als Insektenvertilger nützliche Säuger oft aus anderen
sehr beachtenswerthen Gründen verfolgt werden müssen. Trotz seiner
Feindschaft gegen die Engerlinge wird man in Saatkämpen den Maul-
wurf ebenso wenig dulden können als die Werre, und das so wesentlich
bei der Vertilgung der in der Bodendecke überwinternden Schädlinge
mitwirkende Schwarzwild wird in einem feinbewirthschafteten Forste
seiner übrigen forstschädlichen Eigenschaften halber dennoch nicht
geschont werden können, ganz abgesehen davon, dass schon die Rück-
sicht auf die angrenzenden Felder dies häufig verbietet.
Viel wirksamer kann der Forstmann vorgehen bei der Schonung
der nützlichen Vögel, schon darum, weil die Gesetzgebung der
meisten Länder ihn in dieser Hinsicht unterstützt (vergl. S. 237). Sorg-
fältige Bekämpfung des besonders in manchen Gebirgswaldungen noch
häufig gesetzwidrig betriebenen Vogelstellerunwesens, Verhinderung der
Tödtung von Thurmfalke, Kukuk und Ziegenmelker durch schiess-
204 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
eifrige Lehrlinge u. A. m. empfiehlt sich in hohem Grade. Vom rein
forstlichen Standpunkte aus ist auch die Einstellung des Dohnenstriches
freudig zu begrüssen,
Eine directe Schonung der nützlichen Insekten ist nur
in seltenen Fällen möglich. Indessen kann der Forstverwalter doch
darauf sehen, dass die in die Raupengräben gerathenen grösseren
Laufkäfer, im Nadelwalde besonders Calosoma sycophanta L., nicht
zugleich mit den Raupen vertilgt werden; ferner kann er besonders
durch ein strenges Verbot des Sammelns von „Ameiseneiern” innerhalb
seines Revieres nützlich wirken. Eine Schonung der forstlich so
ungemein nützlichen Schlupfwespen ist praktisch wohl nur dann
ausführbar, wenn, was jetzt selten sein dürfte, Sammeln der Raupen
im Winterlager als Bekämpfung des Kiefernspinners angewendet wird.
Mit dieser Massregel hätte man dann aufzuhören, wenn die Unter-
suchung der gesammelten Raupen (vergl. S. 223) einen hohen Procent-
satz von Schmarotzer-besetzten Individuen nachweist. Die heutzutage
mehr beliebte Vertilgung durch Klebringe ist auch insofern eine
rationellere, als viele der in den klebengebliebenen Raupen vorhan-
denen Schmarotzer nicht zu Grunde gehen, sondern zur Entwicklung
kommen |[X, S. 14, Anmerk.].
Eine besondere Hegung nützlicher Insekten ist dagegen
überhaupt nicht möglich, wohl aber ist diese bei nützlichen Säugern
und vornehmlich bei insektenfressenden Vögeln durchführbar und
geboten. Hierbei handelt es sich vorzugsweise um die Erhaltung
oder Herstellung passender Schlupfwinkel und Brutstätten
für diese T'hiere. Hohle oder mit Spechtlöchern versehene Bäume sind
also, soweit dies mit anderen forstlichen Rücksichten vereinbar ist, zu
erhalten und der auch als Bodenschutzholz wichtige Unterwuchs, die
willkommenste Niststätte für viele kleine Vögel, ist in den Beständen
zu begünstigen. Anbringung von Schlaf- und Nistkästen kann die Ver-
mehrung von Meisen und Staaren ungemein fördern; wenn letztere
auch dem Landwirthe nützlicher sind als dem Forstwirthe, weil sie
sich im Walde, auch wenn sie dort, durch passende Brutplätze an-
gelockt, nisten, nicht lange aufhalten, so thun immerhin Staarkasten in
der Nachbarschaft von Kulturflächen und Pflanzgärten ibre guten Dienste,
Am meisten empfehlen sich wohl die nach Gloger’scher Vorschrift her-
gestellten Nistkästen aus Holz. Dieselben sind in verschiedenen passen-
den Grössen auszuwählen und vor dem stets nach Osten oder Süden zu
richtenden Flugloche mit Sitzstangen zu versehen. Eine nur einen
kleinen Einschlupf in die untere Abtheilung freilassende Querscheide-
wand schützt die Insassen gegen das Hineingreifen von Katzen, Mardern
u. s. f. Staarkästen können in grösserer Menge an einem höheren
Baume angebracht sein, Meisenkästen sind dunkler und versteckter,
am besten in Nadelholzkronen zu hängen, Rothsch wänzehen- und Fliegen-
schnapperkästchen gehören mehr in offene Lagen [|XXI, S. 171 bis 174].
Natürlich hat der Forstschutzbeamte besonders darauf zu sehen,
dass diese Nistkästen, ebenso wie die natürlichen Niststätten, vor
ER
Schonung, Hegung und Aussetzung nützlicher Thiere. 205
Plünderungen bewahrt bleiben und besonders die Staarkästen nicht
als Bezugsquelle von jungen Bratstaaren dienen. Auch unbefugten
Eiersammlern ist das Handwerk zu legen.
Darbietung von ‚geeigneter Nahrung kann ebenfalls zu
einer Hegungsmassregel werden. Da viele Insektenfresser im Herbste
Beerennahrung zu sich nehmen, wird die Anpflanzung beerentragender
Unterhölzer und Bäume, besonders Ebereschen, ein Anziehungsmittel
für viele nützliche Vögel sein. Anlage von Futterstätten im Winter
auch ausserhalb des Waldes, z. B. in Gärten, hat einen sehr günsti-
gen Einfluss auf die Erhaltung der im Winter schaarenweise streichen-
den Meisen besonders dann, wenn Duft- und Eisanhang den kleinen,
immer hungrigen Thieren das Finden ihrer natürlichen Nahrung un-
möglich macht. Hanfsamen, Kürbis- und Sonnenrosenkerne sind be-
sonders bevorzugte Meisenfutter, und an Bindfäden aufgehangene
Speckschwarten werden von diesen Vögelchen mit Begierde angenommen.
Sie lassen sich bei strengen Wintern wohl auch im Walde anbringen.
Auch auf die Vertilgung der Feinde der insektenfressen-
den Vögel ist besondere Rücksicht zu nehmen. Marder, Katzen
und Eichhörnchen sind auch von diesem Gesichtspunkte aus zu be-
kämpfen, desgleichen Sperber und Lerchenfalke, Eichelhäher und
alle Würgerarten, die beiden letzteren, sowie das Eichhörnchen
namentlich als Nestplünderer.
Aussetzung nützlicher Thiere ist bis jetzt im Interesse
des Forstschutzes nur wenig angewendet worden. Bei den insekten-
fressenden Vögeln erreicht man meist schon mit Hegungsmassregeln,
besonders wenn dieselben auf weiteren Gebieten gleichmässig durch-
geführt werden und der Landwirth sich an denselben betheiligt, den
gewünschten Zweck. Versuche mit Uebertragung von Maulwürfen auf
von Engerlingen bedrohte Kulturflächen sind nach Rarzesure |X,
S. 21 und 22 und Anmerk.] in Posen im Jahre 1868 gemacht worden
und scheinen nicht ganz unwirksam gewesen zu sein. Die Uebertragung
hat aber ihre grossen Schwierigkeiten, da jeder Maulwurf einzeln in
einem grösseren Gefässe mit Erde gehalten werden muss, und so
furchtbar gefrässig ist, dass es reichlichster Fütterung mit Regenwürmern
oder Engerlingen bedarf, um ihn auch nur 24 Stunden am Leben zu
erhalten.
Dagegen kann man die gegen Raupenplagen so sehr nützlichen
Ameisen, besonders Formica rufa, von einem Orte zum andern über-
tragen. Hat auch Rarzesure selbst [XV, II. Bd., S. 429] wenig
günstige Erfahrungen damit gemacht, so gelang es doch 1870 im
pommer’schen Revier Pütt dem Öberförster MıppeLporpr, die Ameisen-
haufen durch künstliche Ableger, welche ohne jede Vorbereitung auf
dem blossen Boden ausgeschüttet wurden, zu vermehren. Allerdings
siedelten sich die Ameisen nie an der Stelle an, wo sie hingeschüttet
wurden, legten aber doch in der Nähe einen neuen Haufen an.
[Mipvernorrr, die „Vertilgung der Kiefernraupe durch Theerringe”,
Berlin 1872, S. 35 und 34.]
206 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
Auch der häufig gemachte Vorschlag, durch Uebertragung Ich-
neumonen-besetzter Raupen diese Schlupfwespen in einen Bestand, in
welchem die Raupen noch gesund sind, zu verpflanzen, muss hier kurz
erwähnt werden. Im allgemeinen scheinen diese Versuche nicht von
grossem Erfolge‘ begleitet gewesen zu sein, da die Kosten für die
Anlegung der hierbei nothwendigen, gegen das Entfliehen der Raupen
schützenden Zwinger zu bedeutend sind. Rarzesurg selbst. bleibt
sich in seinen Anschauungen über diese Massregel nicht gleich [vergl].
xl, S. 12, 140 und 148], auch dürfte sie durch die Anwendung
der Klebringe (vergl. S. 204) überflüssig werden.
Die Bekämpfung von forstschädlichen Insekten durch
Vertilgungsmittel.
Die Erfahrung lehrt, dass in vielen Fällen nun aber weder die
natürlichen beschränkenden Einflüsse, noch auch die wirthschaftlichen
Vorbeugungsmassregeln hinreichen, um in unseren Forsten das Eintreten
grösserer Insektenverheerungen zu verhindern. Der Forstmann hat als-
dann zur Bekämpfung der vorhandenen Insekten zu schreiten, und
zwar durch Vernichtung, da blosse Entfernung derselben ohne gleich-
zeitige Tödtung eine halbe Massregel wäre, welche zwar für den Augen-
blick die bedrohten Bestände schützen, dagegen die Fortpflanzung der
Schädlinge und die Weiterverbreitung des Schadens nicht verhindern
könnte. Es zerfällt also die Aufgabe des Forstmannes in zwei Theile, in
die Beschützung der angegriffenen Pflanzen durch Säuberung derselben
von ihren Feinden, und in die Verhinderung der Fortpflanzung der
Schädlinge. Da erstere, wie wir eben sagten, stets mit Vernichtung der
Sehädlinge verbunden sein soll, so schliesst sie die zweite bereits ein,
dagegen wird in vielen Fällen die directe Säuberung der bereits ange-
griffenen Bäume oder Bestände überhaupt nicht möglich sein und die
Thätigkeit des Forstmannes sich lediglich auf die Verhinderung der
Wiederkehr der Schädigung im nächsten Jahre zu beschränken haben.
Beispiele von Vertilgungsmassregeln, durch welche direct die an-
gegriffenen Pflanzen von ihren Feinden befreit werden, sind das Sammeln
der Maikäfer in von ihnen befallenen Laubholzbeständen, das Zer-
quetschen der Larven der kleinen Kiefernblattwespe, Lophyrus Pini L.,
an den mit ihnen besetzten Zweigen jüngerer Kiefern, sowie das
Theeren älterer Kiefernbestände, durch welches die Kiefernraupen,
welche im vorhergehenden Sommer und Herbtse gefressen haben,
im Frühjahr an dem Wiederaufbäumen verhindert werden.
Dagegen ist z. B. eine direete Vernichtung der einen Baum
schädigenden Borkenkäferlarven ohne gleichzeitige Tödtung des an-
Die Vertileung forstschädlicher Insekten im Allgemeinen. 207
gegriffenen Baumes nicht möglich, die Vernichtung derselben kann
also nur den Zweck haben, ihre Ausbildung zu fortpflanzungsfähigen
Imagines zu verhindern, Auch gegen den Frass der Kieferneulenraupen
wird man direet nur wenig then können und sich auf die Tödtung
der im Boden ihre Winterruhe abhaltenden Puppen beschränken müssen,
eine Massregel, bei welcher also der Schädling erst nach angerichtetem
Schaden vernichtet und lediglich die Verhütung einer Wiederkehr
des letzteren bewirkt werden kann.
Allgemeine Gesichtspunkte. Vom rein theoretischen Standpunkte
aus betrachtet, können Vertilgungsmassregeln eingeleitet werden gegen alle
vier Hauptlebensstadien eines Schädlings, gegen Ei, Larve, Puppe und
Imago; desgleichen können sie vorgenommen werden in jeder Jahreszeit.
Gegen welches Stadium im bestimmten Einzelfalle vorzugehen ist, und zu
welchem Zeitpunkte, hängt vor allen Dingen von der Lebensweise des be-
treffenden Schädlings ab. In zweiter Linie wird man darauf zu sehen haben,
dass die Vertilgungsmassregeln in eine Zeit gelegt werden, in welcher die
nöthigen Arbeitskräfte am leichtesten verfügbar sind. Eine völlige
Vertrautheit mit der Lebensweise des Schädlings ist also die wesentliche
Vorbedingung eines günstigen Erfolges, und eine solche zu vermitteln,
ist die Aufgabe des zweiten, speciellen Abschnittes dieses Buches. Im
allgemeinen wird man gegen das Stadium und zu dem Zeitpunkte zu
operiren haben, in welchem der Schädling am leichtesten zugänglich
ist, in welchem es ferner thunlich ist, viele Individuen auf einmal
zu vernichten. Es wird sich alsdann bei sonst gleichen Umständen
empfehlen, stets gegen das am längsten dauernde Stadium vor-
zugehen, weil dieses die grösste zeitliche Ausdehnung der Bekämpfungs-
massregeln gestattet. Ferner ist es besonders angezeigt, die Schädlinge
hinwegzuräumen, ehe sie zur Fortpflanzung schreiten können.
Beispiele von Vertilgungsmassregeln, welche sich gegen das Ei-
stadium richten, sind das Sammeln und Vernichten der Eierringe des
Ringelspinners, der Eierschwämme des Schwammspinners und vor allen
Dingen der Eierhäufchen der Nonne. In wie grossartigem Massstabe
letzteres häufig betrieben worden ist, geht z. B. daraus hervor, dass
bei dem grossen ostpreussischen Nonnenfrasse auf dem Revier Rothe-
bude vom 8. August 1853 bis zum 8. Mai 1854 150 Kilogramm, d.h.
eirca 150 Millionen Eier gesammelt wurden.
Im Larvenzustande werden sehr viele forstschädliche Schmetter-
linge bekämpft, z. B. der Kiefernspinner, mag man nun das allerdings
in neuerer Zeit mit Recht immer mehr in Abnahme kommende Sammeln
der Raupen im Winterlager oder das Abfangen der bäumenden Raupen
auf Tiheerringen zur Anwendung bringen. Auch die Bekämpfung der
Borkenkäfer durch Fangbäume sollte namentlich eine Larven vertilgung
208 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
sein, da ein vorsichtiger Forstmann mit dem Schälen der Fangbäume
nicht bis zur Verpuppung warten wird. Vertilgungsmassregeln, die
speciell gegen die Puppe gerichtet sind, werden meist nur angewendet
bei solchen Schmetterlingen, welche in diesem Stadium überwintern,
z. B. bei Kieferneule und Kiefernspanner.
Bekannte Beispiele von Vertilgung schädlicher Imagines sind das
Sammeln des Maikäfers, des grossen braunen Rüsselkäfers und der zum
Zwecke des Forstschutzes zuerst von Aurum in Vorschlag gebrachte
Fang der Falter der Kiefernsaateule an sogenannten Aepfelschnüren
(siehe S. 216). Auch das Abkratzen und Sammeln der Fichtenquirl-
schildlaus, Coccus racemosus Rarz., gehört hierher.
Wie es möglich ist, durch richtige Wahl des Zeitpunktes der
Vertilgung viele Individuen auf einmal zu tödten, dafür liefert die
Nonne einen guten Beleg. Das Vernichten der Raupen ist bei diesem
Thiere mit Erfolg nur möglich in der Zeit, in welcher die aus den ein-
zelnen Eierhaufen geschlüpften, späterhin sich zerstreuenden Räupchen
noch familienweise in den sogenannten Spiegeln (Taf. IV, Fig. 1L#)
zusammensitzen. Desgleichen wird die Vertilgung der allerdings den
ÖObstzüchter mehr als den Forstmann schädigenden Raupen des Gold-
afters, Liparis chrysorrhoea L., am leichtesten im Winter besorgt, wenn
sie zwischen versponnenen Blättern, den sogenannten „Raupennestern”,
in grösseren Schaaren zusammensitzen.
In vielen Fällen wird aber zur Erreichung eines wirklichen
Erfolges nicht allein die Berücksichtigung der passenden Jahres-
zeit genügen, sondern auch die passende Tageszeit oder passende
Witterung gewählt werden müssen. So ist z. B. ein erfolgreiches
Sammeln der Maikäfer mittels Schütteln grösserer Bäume nur in den
frühen Morgenstunden oder bei nasskaltem Wetter möglich, weil bei
warmen, sonnigen Tagen die herabfallenden Käfer während des Sturzes
die Flügel ausbreiten und davonfliegen. Dergleichen kann ein bequemes
und erfolgreiches Sammeln der am Tage unterirdisch lebenden Raupen
der Kiefernsaateule nur in der Nacht, wenn sie, hervorgekommen, die
oberirdischen Theile der Kiefernpflänzchen angehen, bei Laternenlicht
vorgenommen werden [XVI, 2. Aufl, III Bd., 2. Abth., S. 129].
Das: vorhin angeführte Beispiel der Vertilgung der Raupen des
Goldafters in ihren Nestern ist auch giltig für die Bemerkung, dass
es wünschenswerth ist, den am längsten dauernden Zustand zur
Vertilgung zu wählen. Gestattet doch gerade die Länge der Winterruhe im
Raupenneste dem Obstzüchter, die Vertilgungsmassregeln zu einer ihm
bequemen Zeit und so gründlich als er es nur irgend wünscht, vor-
zunehmen, und wir finden daher in vielen Ländern diese Massregel
sogar gesetzlich vorgeschrieben. Ueberhaupt erscheint das Ueber-
winterungsstadium, als das längste, in sehr vielen Fällen die erfolg-
reichste Bekämpfung möglich zu machen, vorausgesetzt, dass sich die
Thiere nicht etwa in unzugänglichere Schlupfwinkel zurückziehen.
Letzterer Fall kommt z. B. bei den Engerlingen vor, die sich im
Winter tiefer in die Erde eingraben.
?
Vertilgungsmassregeln im Allgemeinen. 209
Da man stets darauf sehen soll, die Insekten an der Fort-
pflanzung zu verhindern, so verdient bei sonst gleichliegenden Ver-
hältnissen die Vertilgung der Jugendzustände den Vorzug vor der
Vertilgung der Imagines, denn bei letzteren ist man nie sicher, ob
man ihrer nicht erst nach Beginn des Fortpflanzungsgeschäftes
habhaft wird. Auch ist das Imagostadium, als das geflügelte, meist das
beweglichste, und man hat daher neuerdings in der Praxis das früher
vielfach geübte Sammeln der Schmetterlinge aufgegeben. Kann man
aber nur der Imago beikommen, so wird es sich empfehlen, die Mass-
regeln so einzurichten, dass vornehmlich das weibliche Geschlecht ge-
troffen wird. Ein gutes Beispiel hiefür ist das Abfangen der auf-
steigenden, ungeflügelten Frostspannerweibehen
durch Klebringe, die dem geflügelten Männchen
fast ganz unschädlich sind.
Die Vertilgungsmassregeln selbst lassen
sich eintheilen: 1. in solche, bei denen man das
zu bekämpfende Insekt an seinem Aufentbaltsorte
aufsucht; 2. in solche, bei denen man dem wan-
dernden, seinem Frassorte oder seiner Brutstätte
zustrebenden Insekte Hindernisse, an welchen es
gefangen oder getödtet wird, in den Weg legt;
3. in solche, bei denen man den Schädling durch
Darbietung bequemer Schlupfwinkel, willkomme-
nen Frasses oder geeigneter Brutstätten anlockt,
um ihn selbst oder seine Brut späterhin zu vertilgen.
Die Aufsuchung und Vertilgung der Schäd-
linge an ihren Aufenthaltsorten kann man ent-
weder durch Arbeiter oder in selteneren Fällen
. Zu, Y ® re = Na ro@
durch Thiere Schweine-Eintrieb! besorgen Fig, 104." Raupen-
lassen. Die Thätigkeit der Arbeiter kann wiederum quetschzange nach
SPRENGEL. 1/,, nat.
eine dreifache sein. Die einfachste Art ist die, Be
OSSEe.
dass der Arbeiter mit dem Auge den Schädling
sucht und ihn dann entweder direct an Ort und Stelle vernichtet oder
zu späterer Vernichtung sammelt und mitnimmt.
Als Beispiele sind hierzu anführbar das oben schon erwähnte
Zerquetschen der in Spiegeln zusammensitzenden Nonnenräupchen, sowie
das Zerdrücken der an den Kiefernzweigen sitzenden Afterraupen der
Kiefernblattwespen, ferner das Sammeln der grossen Kiefernraupen im
Winterlager oder das direete Fangen der über Tag an den Fichten-
stämmen ruhenden Nonnenfalter.
In sehr vielen Fällen wird sich hierbei der Arbeiter mit irgend
einem mechanischen Hilfsmittel versehen müssen. Soll er z. B. die
Nonnenspiegel zerquetschen, so wird er sich mit Lappen, Werg oder
nach Wırsr’s Angabe mit Schuhbürsten zu versehen haben. Für die
Zerquetschung in Masse zusammensitzender Raupen an Zweigen hat
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde. 14
210 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
Forstmeister Sprengen eine besondere Zange mit breiten Enden und
hölzernen Griffen construirt, mit welcher er gegen die Kiefernblatt-
wespenraupen grosse Erfolge erzielt hat. (Fig. 104.)
Handelt es sich wie bei dem Processionsspinner um die Vertilgung
von Raupen, deren Berührung dem Menschen Nachtheil bringen kann
(vergl. S. 137), so wird der Arbeiter sich durch Handschuhe, um-
gebundene Tücher, Bestreichen der Hände mit Oel u. s. f. gegen diese
Schädlichkeit zu sichern haben. In dem Falle des Processionsspinners
ist es dann noch besonders angezeigt, die in ihren Nestern zusammen-
sitzenden Raupen überhaupt nicht mit der Hand zu berühren, sondern zu
verbrennen, was durch petroleumgetränkte, an langen Stöcken befestigte,
angezündete Werg- oder Lappenbündel geschehen kann.
Kommt es auf einfaches Sammeln ohne gleichzeitige Tödtung
an, so hat sich der Arbeiter einmal mit Werkzeugen zum Aufdecken
der Schlupfwinkel der Schädlinge zu versehen — beim Sammeln der
Kiefernspinnerraupen oder Eulenpuppen im Winterlager sind Hacken
zum Umwenden der Bodendecke mitzunehmen — oder aber mit Werk-
zeugen zur Loslösung der festsitzenden Schädlinge; z. B. mit stumpfen
Messern zum Abkratzen des Coccus racemosus Rarz. von den Fichten-
pflanzen. Sitzen die Schädlinge so hoch, dass sie von dem Arbeiter
nicht ohneweiters mit dem Arme erlangt werden können, so müssen
zu ihrer Erreichung gleichfalls mechanische Hilfsmittel benutzt werden,
z. B. bei hochsitzenden Raupennestern, die besonders von den Gärtnern
angewendeten, an langen Stangen befestigten und durch eine Zugschnur
bewegten, vom dem Forstmann als Aufastungsscheeren bezeichneten
Raupenscheeren.
Die Arbeiter haben ferner beim Sammeln Behältnisse mitzu-
führen, in denen die gesammelten Thiere bis zur Ablieferung auf-
bewahrt werden. Dieselben müssen so eingeriehtet sein, dass die
gefundenen Thiere leicht in sie hineingebracht werden, die bereits ge-
sammelten aber nicht entkommen können. Säcke verdienen hier immer
den Vorzug, besonders wenn sie mit einem bequemen Verschlusse
versehen sind. So empfiehlt z. B. Tascuengere |[XVIN, 8. 83], die
von den Maikäfersammlern geführten Säcke so einzurichten, dass man
in die Sacköffnung den abgeschlagenen Hals eines thönernen Bier-
kruges einbindet. Der an ihm befindliche Henkel dient dazu, den
Sammelapparat mit einem Strick um den Leib des Arbeiters zu be-
festigen, der Verschluss erfolgt durch einen Kork. Zweckmässiger
Weise hat der Sack auch unten eine, während des Sammelns fest
zugebundene Oeffnung, durch die man späterhin die abzuliefernden
Käfer ausschütten kann.
In vielen Fällen entziehen sich die Einzelinsekten den direeten Blicken
des Arbeiters und müssen, bevor man zum Sammeln und Vertilgen
schreiten kann, erst aus ihren Aufenthaltsorten aufgestört werden.
Hierher gehört vor allen Dingen das Sammeln der auf den
Baumkronen fressenden Raupen nach vorhergegangenem Scehütteln
Vertilgung der aufgesuchten und aufgestörten Schädlinge. 211
oder Anprellen der Bäume. Bei stärkeren Bäumen, die nicht wohl zu
schütteln sind, können die einzelnen Zweige mit Hakenstangen er-
schüttert werden. Die Raupen werden so herabgeworfen und können
dann auf dem Boden aufgelesen werden. Auf ähnliche Weise erfolgt
das Abklopfen der blattfressenden Käfer. Regel ist, dass der Arbeiter
seine Blicke hierbei nicht nach der Baumkrone, sondern nach dem
Boden richte, weil das herabstürzende Insekt weit leichter im Momente
des Auffallens wahrzunehmen ist, als dann, wenn es vom Sturze betäubt
regungslos auf dem Boden liegt. Untergebreitete Tücher oder unter-
gehaltene, umgekehrte Schirme können die Arbeit erleichtern. Unter-
gelegte Tücher sind übrigens gleichfalls zu empfehlen, wenn es sich
um das Schälen von Borkenkäferstämmen handelt, weil auf ihnen die
abfallenden Larven und Puppen leicht gesammelt werden können. Von
besonderer Wichtigkeit ist, dass beim Anprellen ‘der Baum keine
Quetschwunden der Rinde erleide; deshalb sind besonders Aststumpfe
zum Anschlagen zu wählen. Am besten bedient man sich zu diesem
Zwecke der zunächst für rein entomologische Sammelzwecke gefertigten
Prellkeulen. Es sind dies schwere, mit Kautschuk umwundene und
mit einem äusseren Lederüberzuge versehene Keulen, die pendelnd
an einem Riemen gegen den Baum geschwungen werden. Da aber
praktische Rücksichten wohl in den meisten Fällen die Anschaffung
dieser ziemlich theuren Werkzeuge verbieten dürften, so hat der das
Sammeln beaufsichtigende Forstmann darauf zu sehen, dass die zum
Anprellen gebrauchten Aexte an ihrer Rückseite mit Werg und Lappen
umwunden werden.
In Erdgängen lebende Schädlinge, z. B. die Maulwurfsgrille, kann
man auf kleineren Flächen mit werthvollen Pflanzen durch eingegossenes
Wasser oder Petroleum aus jenen hervortreiben und dann vernichten.
Auch das von Forstmeister Koch |„Böhmische Vereinsschrift”
1859] gegen die Weisstannentriebwickler, Tortrix murinana Hsx. und
Steganoptycha rufimitrana H. S. angewendete Räuchern gehört hierher.
Die befallenen Bestände werden stark durchforstet, das gewonnene
grüne Reisig in Haufen gleichmässig über die ganze Fläche vertheilt
und dann angezündet. Durch den so erzeugten dichten Rauch werden
die Raupen betäubt, fallen zum grossen Theil von den Bäumen herab
und werden dann in das Feuer gekehrt.
In dritter Reihe ist es möglich, dass die Arbeiter Schädlinge
zerstören, ohne dass ihnen dieselben überhaupt zu Gesichte
kommen.
Als Beispiel einer derartigen Massregel ist zunächst das früher
gegen alle in der Bodendecke überwinternden Schädlinge, z. B. Kiefern-
spinnerraupen, Kieferneulenpuppen, Kiefernblattwespeneocons. ange-
wendete Streurechen mit nachfolgender Abfuhr, Vergrabung oder Ver-
brennung des gewonnenen Materiales auzuführen; ein Verfahren, welches,
nachdem man das Unzweckmässige der Streunutzung überhaupt immer
mehr anerkannt hat, nun wohl überall aufgegeben worden ist.
14*
21
2 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
Ferner ist anzuführen das Feststampfen der Erde, das Rammen,
welches früher in den preussischen Forsten mitunter zur Zerquetschung
der in der Bodendecke ruhenden Kiefernraupen angewendet wurde,
jetzt aber wohl nicht mehr geübt wird. Auch das mehrfach gegen die
kleine Kiefernblattwespe anempfohlene Umackern des Bodens, durch
welches die Cocons so tief unter die Erde gebracht werden, dass die
ausschlüpfenden Wespen sich nicht zu Tlage arbeiten können, gehört
in diese Abtheilung. Ja man hat sogar besondere Instrumente erfunden,
um die im Boden liegenden Schäd-
linge zu zerstören. So z. B. wen-
det ÖOberförster WırrE in Saat-
Jill kämpen, Freisaaten und jungen
N | Pfllanzungen auf steinfreiem Boden
das beistehend abgebildete Instru-
ment an, um die Engerlinge mit-
\ telst systematischer Durchstechung
U des Bodens zu tödten. Die Be-
m schreibung des Verfahrens folgt
| im speciellen Theile.
li Auch die Durchtränkung des
' Bodens mit insektentödtenden Flüs-
sigkeiten ist zu erwähnen. So wurde
' z. B. im Winter 1871 auf einem
Ill fürstlich Schönburg-Waldenburg-
um schen Reviere ein 50- bis 60-
jähriger Mischbestand von Fichte
7) und Lärche auf Anordnung des
i Oberförsters Hrsse dadurch von
dem die Fichten arg schädigen-
den Hylesinus micans Kuvc. befreit,
dass um die durch Untersuchung
| INN als befallen erkannten Stämme eine
Ui) PT dünne Mischung von Chlorwasser
angegossen wurde. Die so behan-
Fig. 105. Engerlingseisen nach Oberförster delten Bäume wurden zum grössten
a "natürlicher Theile gerettet. Auch Bespritzen
Br der Baumkronen mitSchwefelleber-
lösung — 1 Theil auf500 Theile Wasser — ist von Guyor gegen Raupen-
frass empfohlen worden.
Aber nieht nur durch chemische Mittel, sondern auch durch Feuer
hat man es versucht, die verborgenen Schädlinge massenhaft zu ver-
tilgen. Zunächst hat man vielfach . die sogenannten Boden- oder
Lauffeuer angewendet, ja sogar in einem regelmässig alle vier oder
fünf Jahre wiederholten Ausbrennen der älteren Bestände [V, II Bd.,
8. 53, Anm.| ein Mittel gegen grösseren Raupenfrass zu finden geglaubt.
Man hat sich aber überzeugt, dass ein solches Lauffeuer beiweitem
nicht alle im Boden überwinternden Schädlinge, die meist bis in die
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N emmmmiilil)
Indireete Vertilgung der Schädlinge. Schweine-Eintrieb. 213
unteren Schichten der Bodendecke hinabgehen, vertilgt, und daher
seiner sonstigen Gefährlichkeit wegen dies Mittel aufgegeben.
Als letztes verzweifeltes Mittel gegen einen auf anderem Wege
nicht zu beseitigenden Insektenschaden muss aber das Abbrennen
des ganzen, von Insekten geschädigten Bestandes sammt den Schäd-
lingen noch heute empfohlen werden. Besonders in dichten, von dem
Kiefernspinner kahlgefressenen jungen Beständen wird es vor dem
Ausschlüpfen der Falter angewendet werden können, vorausgesetzt, dass
die benachbarten Waldorte noch verhältnissmässig gesund sind, und
man diese alsdann zu retten hoffen darf. Dass hierbei ganz besondere
Vorsichtsmassregeln nöthig, braucht kaum ausdrücklich hervorgehoben
zu werden.
In dem Boden ruhende Schädlinge kann man auch durch Schwein e-
Eintrieb vertilgen. Es wird dieses Mittel besonders bei Kiefernspanner-
und Kieferneulenfrass empfohlen.
Die Schweine fressen nämlich die glatten Puppen dieser Schäd-
linge gern, weniger dagegen behaarte Raupen, wie z. B. die des Kiefern-
spinners. Auch die zähen Cocons der kleinen Kiefernblattwespe, Lophyrus
Pini, sollen sie verschmähen. Natürlich ist darauf zu achten, dass die
Schweine von den jungen Schonungen fern gehalten werden. In den
Ländern, in welchen die Waldservituten noch nicht abgelöst sind,
wo also Viehhutung im Walde noch in der Gewohnheit des Bauern
liegt, wird es vielfach nicht schwer halten, Schweine zum Eintrieb zu
erhalten. Dagegen dürfte in Gegenden, in welchen die Schweine ge-
wöhnlich nur im Stalle gehalten und besonders englische Racen ge-
züchtet werden, die Massregel an der Unmöglichkeit, Schweine zu
erhalten, scheitern; besonders in Ungarn dürfte sie also leicht aus-
führbar sein. Indessen auch in Mecklenburg wird sie noch häufig
gegen den Spanner angewendet, z. B. nach gefälliger brieflicher Mit-
theilung von Forstinspeetor GArTHE in den Dobbertiner Klosterforsten
zur Beschützung der Kiefernstangenhölzer.
Vertilgung der Schädlinge mit Hilfe von künstlich auf ihren
Wegen angebrachten Hindernissen. Die in diese Abtheilung gehörenden
Vertilgungsmassregeln haben vor den bisher geschilderten den grossen
Vorzug, dass alle mit der Aufsuchung der Schädlinge verbundenen
Mühen wegfallen und meistentheils zu gleicher Zeit ein Massenfang, be-
ziehentlich eine Massenvertilgung erreicht wird; dagegen ist ihr Erfolg
noch in weit höherem Grade von der gründlichen Kenntniss der Lebens-
gewohnheit des Schädlings abhängig, und vor Allem ist die genaueste
Abpassung des geeigneten Zeitpunktes nothwendig. Als bestes Beispiel
erscheint das Theeren der vom Kiefernspinner befallenen Bestände, eine
Massregel, welche heutzutage alle anderen früher beliebten Bekämpfungs-
mittel dieses Schädlings verdrängt hat.
214 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
Die seit längster Zeit übliche Form dieser Art von Vertilgungs-
massregeln sind die Raupengräben. Ursprünglich wohl meist dazu
angewendet, das Ueberwandern von Raupen aus einem völlig kahl-
gefressenen Bestande in einen noch unversehrten zu verhindern, und
deshalb bis zu einem gewissen Grade unter die Vorbeugungsmassregeln
gehörig (vergl. S. 197), erweisen sie sich auch als Vertilgungsmassregeln
von hohem Nutzen, wenn man nur gehörig darauf achtet, dass die in
dieselben gerathenen Raupen wirklich getödtet werden. Natürlich sind
Raupengräben nur in nicht felsigem Terrain möglich. Sie müssen wenig-
stens nach der Seite hin, nach welcher das Wandern der Raupen ver-
hindert werden soll, eine möglichst senkrechte Wand haben und auf
ihrem Boden werden ohngefähr von 10 zu 10 Schritt tiefere Fanglöcher
ausgestochen, in welche von Zeit zu Zeit die in den Gräben befindlichen
Schädlinge hineingekehrt und nach vorhergehender Einstampfung mit
der Erde aus einem neben dem alten ausgestochenen, neuen Fangloche
überdeckt werden. N
Nicht nur gegen Raupen, sondern auch gegen flügellose oder doch
ausschliesslich zur Brutzeit fliegende Rüssel- oder Borkenkäfer, gegen die
verschiedenen Otiorhynchus-Arten, gegen den grossen braunen Rüssel-
käfer und die wurzelbrütenden Hylesinus-Arten, besonders gegen H, cuni-
cularius Er. und H. ater Payk., haben sich Fanggräben als Schutz
der Kulturen sehr erfolgreich bewiesen, wenn sie zwischen diesen, deu
eigentlichen Frassstätten, und den angrenzenden, nicht gerodeten Schlä-
gen, den Brutstätten, angelegt werden [XVI, 2. Aufl., 3. Bd., L,
S. 198 u. 238].
Als ein Nachtheil der Raupengräben ist hervorzuheben, dass sich
in ihnen auch viele forstnützliche Insekten, namentlich Laufkäfer,
Calosoma sycophanta u. s. f. fangen; die die Gefangenen vertilgenden
Arbeiter sind daher anzuweisen, diese leicht kenntlichen Thiere vor
der Zerstörung wieder in Freiheit zu setzen.
Als eine Variante der Fanggräben kann man die zur Vertilgung
der Maulwurfsgrille vielfach empfohlenen, konischen Fanglöcher und
eingegrabenen Töpfe bezeichnen, welche auf den Saatbeeten und in
den Pflanzkämpen da eingelassen werden, wo man Gänge entdeckt.
Die Töpfe sind so weit zu versenken, dass ihr oberer Rand unterhalb
des Bodens der Röhren zu liegen kommt, und eine etwa auf ihrem
Grunde befindliche Oeffnung, z. B. bei allen Blumentöpfen, ist sorg-
fältig in der Art zu verstopfen, dass zwar das Regenwasser abfliessen,
die Maulwurfsgrille sich aber nicht durchzwängen kann.
Ein ähnlich wie die Raupengräben wirkendes Verfahren ist das
Aufschütten langer Streifen grünen Reisigs auf Schneisen und Wegen.
Diese unseres Wissens zuerst durch Oberförster Rocn auf dem Gohrisch
bei Kiefernspinnerfrass vorgenommene Massregel hat den Zweck, die
aus einem kahlgefressenen Bestande auswandernden Raupen durch die
sebotene Nahrung auf diesem Reisig so lange aufzuhalten, bis sie von
Arbeitern abgeschüttelt und zertreten werden. Obgleich ursprünglich
FE
Vertilgung der Schädlinge an Wanderungshindernissen. 215
auf ganz sandigem Boden angewendet, hat sie den grossen Vorzug,
auch auf ganz steinigem, flachgründigen Boden, wo Raupengräben nicht
anwendbar sind, vorgenommen werden zu können.
Beiweitem die wichtigste Art der Bekämpfung von Forstschädlin-
sen durch Wanderungshindernisse ist das Anbringen von Ringen
einer klebenden Substanz an Bäumen, deren Kronen geschützt
werden sollen. Seit längster Zeit wurde dies Verfahren von den
Obstzüchtern gegen die im Herbste den Baumkronen zuwandernden,
Augunfähigen Weibchen des Frostspanners, Geometra brumata L.,
angewendet und ist da, wo sich bei Laubhölzern ein Schutz gegen diesen
Schädling empfiehlt, also wohl nur in Pflanzgärten an stärkeren Heistern
auch in die forstliche Praxis übergegangen. Im Jahre 1828 wurde
das Theeren durch Hriıckz auch gegen die Nadelholzschädlinge empfohlen,
und zuerst in dem Jahre 1834 durch Forstmeister Wırtwer in Öber-
schlesien gegen die Nonne, dann 1839 von Oberförster von ZyCHLINSKY
in Grimnitz gegen die Kiefernspinnerraupe angewendet. Nach langer
Vergessenheit 1856 gegen den Kiefernspinner durch den Privatoberförster
ScHRADER zu Wirschkowitzin Oberschlesien und 1866 und 1867 durch Ober-
förster Lange in Glücksburg, Regierungsbezirk Merseburg, wieder auf-
genommen, durch Oberförster Minperporrr in Pütt, Regierungsbezirk
Stettin, und viele Andere weiter ausgebildet, ist es heutzutage als das
wesentlichste Mittel zur Beschränkung des Kiefernspinners anerkannt,
und hat das früher hauptsächlich geübte Sammeln der Raupen im
Winterlager völlig verdrängt. Dass diese Massregel neuerdings so all-
gemeine Anerkennung findet, liegt wesentlich in der Verbesserung
und massenhaften Käuflichkeit geeigneter Klebmittel, welche von der
Industrie unter den verschiedensten Namen, besonders als ‚„Raupen-
leim”, fabrikmässig erzeugt werden. Diese länger fängisch, d. h. klebrig
bleibenden Präparate haben den ursprünglich verwendeten, reinen oder
am Gebrauchsorte durch das Forstpersonal verdünnten, aber trotzdem
bald eintrocknenden Theer völlig verdrängt. Die näheren Details sind
im speciellen Theil bei dem Abschnitte über den Kiefernspinner
nachzusehen.
Auch gegen flugunfähige, Blätter, Knospen und Rinde beschädi-
gende Rüsselkäfer, besonders gegen die Strophosomus-Arten, sind neuer-
dings Klebringe als Schutz wertlivoller Heister wohl nicht mit Unrecht
vorgeschlagen worden.
Während die wesentliche Bedingung des Erfolges der Klebringe
die ist, dass sie zur Zeit, wenn der Schädling freiwillig seinen Aufstieg
gegen die Baumkrone beginnt, bereits angelegt und auch wirklich
fängisch sind, kann man unter Umständen den Schädling auch zwingen,
die Klebringe zu beschreiten, indem man die bereits gebäumten Thiere
durch Anprellen oder Abklopfen von den Frassstätten herabwirft, und
sie hierdurch, nach vorheriger Änlegung von Klebringen, zuneuem Aufstieg
veranlasst. Indessen wird dies nur ein Nothbehelf bei versäumter recht-
zeitiger Theerung sein können.
216 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
Vertilgung der Schädlinge nach vorangegangener künstlicher
Anlockung. Diese dritte Art der Vertilgsmassregeln theilt mit der vor-
hergehenden den Vorzug, dass das mühsame Aufsuchen der Schädlinge
in Wegfall kommt und daher eine grosse Ersparniss an Arbeitskräften
eintritt. Die praktisch wirklich verwendbaren Anlockungsmittel sind
dreierlei, nämlich Nahrung, Ruheplätze oder Verstecke und Brutstätten.
Dargebotene Nahrung kann in der forstlichen Praxis nur im
allerbeschränktesten Masse als Anlockungsmittel verwendet werden. Es
dürfte hierher zu rechnen sein vornehmlich der Fang der Falter unserer
Kiefernsaateule, Agrotis vestigialis, an Schnüren, auf welchen mit ge-
zuckertem Biere getränkte Apfelschnitze aufgereiht werden. Dieselben
sind zur Flugzeit der Falter, also im August und September, am
Abend in der Nähe der von den Weibchen zur Ablage der Eier be-
suchten Kulturen aufzuhängen und die an der willkommenen Speise
sich labenden Falter von Stunde zu Stunde mit Hilfe einer kleinen
Laterne abzulesen. Unter die gegen den grossen braunen Rüsselkäfer
ausgelegten Fangrinden werden häufig und mit grossem Erfolge frische
Kieferntriebe geschoben, welche als gute Nahrung diesen Schädling
anlocken und die Wirksamkeit der Rinden vergrössern. EıcHHOoFF
empfiehlt Fangrinden und Fangkloben auch gegen Engerlingfrass, weil er
gefunden hat, dass die Engerlinge den weichen Bast derselben als
Nahrung den zarten ans vorziehen und el daher unter
diesen Bien sammeln.
Viel häufiger kann man Schädlinge durch geeignete Ruheplätze
oder Schlupfwinkel anlocken. Diese Ruheplätze werden entweder
gleich mit einer Fangvorrichtung versehen oder regelmässig revidirt und
hierbei die angelockten Schädlinge gesammelt. Unter die erste Kategorie
gehören namentlich die mit T'heeranstrich versehenen Pfähle, welche
um einen von den grossen Kiefernblattwespen infieirten Bestand zur
Flugzeit, also bei Lyda stellata Carısr im Mai und Juni, aufgestellt
werden, um die sich gern auf sie setzenden Imagines nach der Leim-
ruthentheorie zu vertilgen. Das beste Beispiel für die zweite Kategorie
sind die zum Theil schon oben erwähnten, gebräuchlichen Fangmethoden
des grossen braunen Rüsselkäfers. Diesem werden auf den von ihm
heimgesuchten Kulturen mit Hilfe von Reisigbündeln oder von mit der
Rindenseite auf den Boden gelegten Nadelholzscheiten — Fangkloben
— oder abgeschälten Nadelholzrinden — Fangschalen — Schlupfwinkel
bereitet, unter die er sich bei warmer Witterung, namentlich sobald er
daselbst noch Frass findet (vergleiche oben) gern in Menge zurückzieht.
Die Schlupfwinkel werden täglich revidirt und die Käfer hierbei gesammelt.
Die grösste Wichtigkeit unter allen Vertilgungsmassregeln nach vor-
hergehender Anlockung kommt denen zu, bei welchen Brutmaterial
dargeboten wird; ist doch der Drang nach passender Unterbringung
der Nachkommenschaft wohl der mächtigste von allen die Handlungen
der Insektenweibehen beherrschenden Instinkten. Hier sind vor allen
vn
Vertilgung der Schädlinge nach vorheriger Anlockung. 217
Dingen die Fangbäume zu erwähnen, welche das wirksamste Mittel
gegen die Borkenkäfer, namentlich gegen Tomicus typographus L.,
bilden, neuerdings aber von Eıcnnorr auch gegen andere Käfer,
z. B. gegen die Pissodes-Arten empfohlen werden. Diese praktische
Massregel wird von Gmeum bereits im Jahre 1787 als in Thüringen
durch Oberförster Gress vorgeschlagen erwähnt, dürfte aber wohl
erst durch die Bec#srein’schen Arbeiten [I und Il] allgemeiner
bekannt geworden sein. Vorher hatte man sich einfach mit dem
Einschlage des stehenden, bereits befallenen Holzes begnügt.
Es werden nun aber erfahrungsgemäss frisch gefällte Stämme von den
schwärmenden Borkenkäfern mit solcher Vorliebe angenommen, dass
diese sich vornehmlich auf solchen concentriren. Sorgt man also
zur Schwärmzeit, und in den Gegenden und Lagen, wo diese Käfer
eine mehrfache Generation haben, so lange als ein Schwärmen über-
haupt zu erwarten ist, dafür, dass stets in der Nähe der zu schützen-
den Bestände frisch geworfene Bäume vorhanden sind, so kann man
einen grossen Theil der Schädlinge von dem stehenden Holze abhalten
und bei rechtzeitiger Schälung der Fangbäume durch nachfolgende Ver-
brennung der Rinde massenhaft vertilgen. Es kommt aber vorzüglich
darauf an, dass die Fangbäume aufmerksam revidirt und vor dem
Ausschlüpfen der Käfer, ja am besten sogar vor der Verpuppung der
Larven (vergl. S. 207), auch wirklich entrindet werden, da das blosse
Werfen von Fangbäumen ohne nachfolgende rechtzeitige Vertilgung
der in ihnen abgesetzten Brut gerade die entgegengesetzte Wirkung,
nämlich eine Hegung dieser gefährlichen Schädlinge, zur Folge haben
muss. Ein anderes ähnliches Vertilgungsmittel sind die häufig gegen
den braunen Rüsselkäfer und die wurzelbrütenden Hylesinus-Arten
angewendeten Fangknüppel, d. h. schräg in den Boden eingegrabene
armstarke Nadelholzstangen, welche die von diesen Thieren zur Ab-
lage ihrer Eier aufgesuchten, flachstreichenden Nadelholzwurzeln nach-
ahmen und von diesen Schädlingen auch wirklich als Brutstätten an-
genommen werden. Hierher gehören ferner die Fangkästen, d. h. aus
Schwartenbrettern roh zusammengefügte, auf den von Engerlingen ge-
fährdeten Kulturen in die Erde eingegrabene und mit lockerer Erde
gefüllte Kästen, durch welche die solche Orte zur Ablage ihrer Eier
bevorzugenden Maikäferweibehen angelockt werden sollen. Dass auch
in den beiden letzten Fällen zur rechtzeitigen Vertilgung der Brut ge-
schritten werden muss, sollen die Massregeln nicht in das Gegentheil
des beabsichtigten Schutzes umschlagen, ist klar.
Ein früher den Faltern der schädlichen Schmetterlingsarten
gegenüber, namentlich bei Nonnen- und Kiefernspinnerfrass vielfach an-
gewendetes Anlockungs- und Vertilgungsmittel waren dieLeuchtfeuer,
eine Massregel, die auf der Beobachtung beruhte, dass Nachtschmetter-
linge durch Lichtschein angelockt werden. Dieselbe ist sowohl ihrer
Gefährlichkeit wegen, als weil man beobachtet hat, dass meist nur die
beweglicheren Männchen (vergl. S. 209) sich einfanden, nunmehr wohl
völlig ausser Gebrauch gekommen.
218 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
Die Ausführung der Vertilgungsmassregeln kann sowohl im
Accord als auch im Tagelohn geschehen und durch Männer, Frauen
oder Kinder besorgt werden. Auch Strafarbeiter können Verwendung finden.
Die Accordarbeit wird, weil billiger, in allen den Fällen vor-
zuziehen sein, in welchen es hauptsächlich darauf ankommt, eine grosse
Menge von Schädlingen zu erhalten, z. B. beim Sammeln des grossen
braunen Rüsselkäfers, wo denn auch die Leistung des einzelnen Arbeiters
leicht zu eontroliren ist. Tagelohnarbeit ist dagegen dann zu bevor-
zugen, wenn es darauf ankommt, dass die Arbeit besonders gewissen-
haft vorgenommen wird, z. B. bei der Herstellung der Klebringe.
In diesem Falle sind aber die Arbeiter seitens des Forstpersonales
genau zu überwachen.
Beim Sammeln von Schädlingen im Accord ist zu beachten, dass
wirklich auch nur die gerade zu bekämpfenden Thiere gefangen und
nicht etwa mit anderen, unschädlichen gemischt werden. Auch müssen
dieselben rein, d. h. ohne Beimischung von Erde, Rindenstückchen etc.
abgeliefert werden. In einzelnen Fällen hat man sich sogar vor Fälschun-
gen zu hüten, z. B. bei der Ablieferung gesammelter Nonneneier vor Bei-
mischung von Mohnsamen oder feinem, schwer wiegendem Schrot. Auch
darauf ist zu achten, dass die Schädlinge wirklich auf dem betreffenden
Revier gesammelt werden und nicht etwa in benachbarten Waldungen,
in welchen in Folge einer sorgloseren Verwaltung, z. B. im Bauernwalde,
die Schädlinge zahlreicher und leichter zu erlangen sind. Desgleichen
ist darauf zu achten, dass bereits abgelieferte Quanten so sorgfältig
verwahrt, oder besser gleich vertilgt werden, dass sie nicht etwa zum
zweitenmale zur Bezahlung vorgewiesen werden können.
Ob Männer, Frauen oder Kinder beschäftigt werden sollen,
hängt einmal von den ortsüblichen Gebräuchen, dann aber besonders von
der Schwere der Arbeit ab. Leichte Sammelarbeit im Accord wird auch
von Kindern und Frauen gut besorgt werden können. Desgleichen
kann sich die gemischte Verwendung verschiedener Arten von Arbeitern
empfehlen; z. B. werden beim Maikäfersammeln Männer zum Schütteln
der Bäume zu verwenden sein, Frauen und Kinder dagegen zum Auflesen
der herabgefallenen Käfer. Kinder sind der besseren Beaufsichtigung:
wegen und zur Vermeidung von Spielereien stets mit Erwachsenen
zusammen zu verwenden, namentlich bei Tagelohnarbeit.
Die Tödtung der gesammelten Schädlinge kann auf ver-
schiedene Weise ausgeführt werden. Am gebräuchlichsten ist das Ver-
brennen oder das Brühen mit siedendem Wasser, sowie das Zerstampfen in
später zuzuschüttenden Erdgruben.
Das Verbrennen ist nur bei kleineren, nicht sehr wasserreichen
Objeeten zu empfehlen, z. B. bei den Nonneneiern. Aber es ist dabei
Vorsicht nöthig, weil die Eier im Feuer leicht explodiren. Auch für
mit Borkenkäfern besetzte, abgeschälte Rinden ist Verbrennen das
beste Mittel, da das früher häufig empfohlene einfache Liegenläassen
a
>
Ausführung d. Vertilgungsmassregeln. Verwerthung gesammelter Schädlinge. 219
derselben nach den Untersuchungen von Forstmeister Dr. Cocno sogar
bei Sonnenschein ein ganz’ unzuverlässiges Mittel ist.
Das Brühen mit siedendem Wasser passt besonders bei Thieren,
welche hart und daher schwer zerstampfbar sind, z. B. bei den sehr
harten braunen Rüsselkäfern. Weichere Raupen und Puppen sind am
besten in Gruben zu zerstampfen und dann zu übererden, da bei
irgendwie leichtfertiger Ausführung des blossen Eingrabens die Raupen
sich leicht auf die Oberfläche durcharbeiten. Auch ein vorhergehendes
Beschütten der Gruben mit ungelöschtem Kalke ist bereits mit Erfolg
angewendet worden. Dagegen ist das Vergraben der mit Borkenkäfern
besetzten geschälten Rinden nach Cocno nieht zweckmässig, weil sich
auch in den eingegrabenen viele Puppen noch zu Käfern entwickeln und
diese dann an die Oberfläche durchdringen können.
Besonderen, im folgenden Abschnitt zu besprechenden, Rücksichten
unterliegt die Wahl der Tödtungsmethode in dem Falle, wenn die
massenhaft gesammelten Schädlinge noch verwerthet werden sollen.
Verwerthung der gesammelten Schädlinge. In denjenigen Fällen,
in welchen massenhaft Schädlinge gesammelt werden, können mitunter
die Sammelkosten durch Verwerthung derselben wenigstens theilweise
wieder gedeckt werden. Man hat z. B. häufig versucht, die Insektenleiber
als Dünger zu verwertlien. Namentlich sind Nonneneier, Maikäfer und
Engerlinge so verwendet worden. Ist nun gleich der Stickstoffgehalt der-
selben ein ziemlich hoher, so eignen sich die Insekten doch deshalb
weniger zur Düngerbereitung, weil ihr Leib allseitig von der sogar gegen
Säuren so ungemein widerstandsfähigen Chitineuticula eingeschlossen
wird. Indessen hat doch die Compostirung vielfach gute Resultate ge-
geben. Auch Oel, Wagenschmiere und Gas sind aus Maikäfern bereitet
worden. Am besten lohnt sich das Sammeln der laubholzbeschädigenden
Lytta vesicatoria L., der spanischen Fliege, welche zur Bereitung der
Zugpflaster verwendet und daher von Apothekern gern gekauft wird.
Insekten, welche zum Zwecke der Vertilgung in Massen eingesammelt
werden, hat man untersucht, um nach ihrem Stickstoffgehalte deren Düngerwerth
zu ermitteln. Krocker [„Verh. des schles. Forstvereines” v. J. 1856, 8. 115] fand
in frischen Nonneneiern 71°52"/, verbrennliche organische Substanzen, 1'48V/,
Aschenbestandtheile und 27%, Wasser. Der Stickstoffgehalt betrug 454°/,. Die
mineralischen Substanzen der Asche bestanden vorherrschend aus phosphorsaurem
Kalk und Kali und etwas kohlensaurem Kali. Legt man dieser Form des
Stickstoffes für 1 %ky den Werth von etwa 1'2 Mark bei, so berechnet sich
der Werth von 100 %kg Eiern auf 5 bis 55 Mark. Die Versuche über Com-
postirung zeigten, dass mit Mistjauche verdünnte Schwefelsäure die Eier selbst
nach Wochen nicht angegriffen hatte, wohl aber that dies, wenn auch langsam, un-
verdünnte Schwefelsäure. Viel leichter gelang die Compostirung, welche für die Ver-
wendung von höchster Wichtigkeit ist, durch alkalische Massen unter Zusatz von hu-
moser Erde, z, B. wenn Eier mit Aetzkalk, der an der Luft zerfallen ist, und Erde
geschichtet und schwach befeuchtet wurden; auch kann man die Eier mit Aschen-
laugen befeuchten, oder mit feuchter Holzasche, der man noch etwas Aetzkalk
Zusetzt, mischen und dann abwechselnd mit schwachen Erdlagen zu Haufen
2230 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
schiehten. Diese ganze Composition muss aber oft umgestochen werden, wobei
ein grosser Theil des Stickstoffes bald in lösliche Form übergeht und sich,
nun als Ammoniak oder auch salpetersaures Salz vorfindet.
Auch bei Maikäfern erreichte Krocker dasselbe, und er empfiehlt den
Maikäfer-Compost ebenfalls für die Landwirthschaft. Die Maikäfer enthielten nach
seinen Untersuchungen 3:5°/, Stickstoff, was einem Düngerwerthe von etwa
4 Mark für I %y entspricht. In Tharand wurden 1856 ebenfalls Versuche über
die Dungkraft der Maikäfer angestellt. Es wurden gefunden:
i R in völlig
e in frischen
Bestandtheile: L. ausgetrockneten
Käfern:
Käfern:
Diuckstofkse sr 3:23 9:6
IEttestV el a ne 3:80 115
Andere organische Stoffe.) „1 KREMER DET 747
Mineralische Stoffe, hauptsächlich aus phosphor-
sauren Verbindungen bestehend. . . . 1:40 42
Wasser &.% u... 2 Be a 2 Nr Br ON, _
100 100
Rechnet man 1 %y des hier theilweise in schwer löslicher Verbindung
vorkommenden Stickstoffes nur zu 1'2 Mark, so wären 100 kg frischer Käfer
reichlich 4 Mark werth, und 1 Al frischer Käfer, welches etwa 27 %g wiegt,
könnte hiernach einen Dungwerth von reichlich 1 Mark beanspruchen. Ein
praktisch ausgeführter Düngungsversuch mit Gerste zeigte, dass die Maikäfer
ein werthvolles, kräftig und schnell wirkendes Düngemittel darstellen, dessen
Wirkungswerth im frischen Zustande mindestens auf !/; bis 1/,, im trockenen
reichlich auf '/, vom guten peruanischen Guano zu schätzen sein möchte. Die
Compostirung erfolgte so, dass man die durch Begiessung mit kochendem
Wasser getödteten Käfer, nachdem sie 3 bis 4 cm hoch ausgebreitet worden
waren, mit staubigem, gelöschtem Kalke einpuderte, und sie dann mit einer
reichlich gleich hohen Erdschichte bedeekte, auf welche wieder Käfer folgten ete.
Der so gewonnene Compost wirkt nach den Erfahrungen sächsischer Landwirthe
ähnlich wie Guano für Feld und Garten; auch gibt er einen vortrefflichen Zusatz
zu Stallmist, Knochenmehl, Superphosphat ete. Aehnlich verhält es sich mit den
Engerlingen.
Ganz ähnlich sind die von Hess [XXI, S. 227, Anm.] reproducirten Analysen
von Payer, und nach diesen ergibt sich, dass die Maikäfer im frischen Zustande
bezüglich des Stickstoffes bei gleichem Gewicht viermal mehr Dungwerth besitzen
als der Stallmist und 1!/;mal mehr als Poudrette.
Die Hxss’sche Anweisung zur Compostbereitung aus Maikäfern
lautet: Die Käfer müssen „zerstampft und mit so viel trockener Erde,
Torfabfällen oder Sägespänen gemischt werden, bis die Masse geruch-
los geworden ist. Reine Maikäfermasse verbreitet nämlich einen ganz
penetranten Geruch, von entweichenden Gasen herrührend, deren mög-
lichste Fixirung zur Begegnung von Düngerverlust geboten erscheint”.
Noch vortheilhafter könnte unserer Ansicht nach Gips verwendet werden.
Was die spanischen Fliegen anbetrifft, so ist für dieselben nach
einer freundlichen Mittheilung der Firma GrHE & Comp. in Dresden,
der russische Markt massgebend, und zwar stellt sich der Preis auf
6—12 Mark für das Kilogramm. Die für den Verkauf beste Tödtungs-
weise ist die durch Aether — 10 ccm auf 1 ! Käfer — in geschlossenen
Gefässen. In der Walachei werden die T'hiere dagegen gewöhnlich
mit heissem Salzwasser umgebracht. ’
Verwerthung d. Schädlinge. Volkswirthschaftl. Rücksichten b. d. Bekämpfung. 221
Die Beurtheilung der Nothwendigkeit und Möglichkeit der
Durehführung von Bekämpfungsmassregeln.
Vorbeugungs- und Vertilgungsmassregeln hat nun aber der Forst-
mann im Einzelfalle nicht ohneweiters anzuwenden. Er wird vielmehr
jedesmal besonders erwägen müssen, inwieweit die allgemeinen forst-
und volkswirthschaftlichen Rücksichten deren Anwendung wünschens-
werth oder nöthig machen. Jede zur Bekämpfung eines Insektenschadens
getroffene Massregel bezweckt ja doch schliesslich die Verhinderung
oder Minderung der Beschädigung des wirthschaftlichen Vermögens. Daraus
folgt, dass nur diejenigen Massregeln empfehlenswerth sind,
deren Erfolg im richtigen Verhältnisse zu dem durch sie
bewirkten Aufwande an Arbeit und Kapital steht. Der Forstwirth
muss sich daher zunächst klar zu werden suchen, ob der Frass ein
solcher ist, dass sich seine Bekämpfung wirklich lohnt. Dies wird der
Fall sein, wenn durch dieselbe werthvolle Bestände voraussichtlich
vor dem gänzlichen oder theilweisen Eingehen geschützt werden können,
oder wenn zu befürchten ist, dass die Unterlassung der Bekämpfung
eine gefährliche Steigerung und weitere Verbreitung des Frasses zur
Folge haben könne. Zu unterlassen würde die Bekämpfung sein, wenn
voraussichtlich schon die natürlichen Gegengewichte ein baldiges Erlöschen
des Frasses erwarten lassen, die Beschädigungen nur eine Zuwachsver-
minderung des Bestandes verursachen oder nur wenige Ausbesserungen
einer Kultur nöthig machen und die Vertilgungsmassregeln höher zu
stehen kommen, als der Werth der Zuwachsverminderung oder der
Aufwand für die Ausbesserung der Kultur beträgt. Ein richtiges Urtheil
hierüber abzugeben, ist gewöhnlich sehr schwierig, da man es oft nur
mit Wahrscheinlichkeiten zu thun hat. Es muss sich stützen: 1. auf
Untersuchungen über die Menge der vorhandenen’ Insekten; 2. auf
die Untersuchung ihres Gesundheitszustandes; 3. auf die Beobachtung
der Witterungsverhältnisse; 4. auf die Untersuchung des Zustandes des
befallenen Bestandes.
Untersuchungen über die Menge der Schädlinge. In einer
grösseren Reihe von Fällen wird bei Begehung der in Frage kommen-
den Bestände der einfache Augenschein den Forstmann über die Menge
der vorhandenen Insekten belehren. Dies ist z. B. der Fall bei den
so leicht wahrzunehmenden Processionsraupen. In anderen Fällen, z. B.
wenn die Schädlinge entweder hoch oben in den Baumkronen oder in
222 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
der Bodendecke verborgen sind, wird der Forstmann nach anderen,
indirecten Kennzeichen urtheilen müssen oder eine planmässige Unter-
suchung anzustellen haben.
Von indireeten Kennzeichen kommt das allgemeine Aussehen des
Bestandes (vergl. unten S. 228), die Stärke der Entnadelung oder
Entlaubung, reichliches Vorhandensein von Harzausfluss oder Bohr-
mehl, sowie bei Raupen oder Maikäfern die Menge des von ihnen
erzeugten Kothes in Betracht. Letztere ist besonders in alten starken
Beständen, deren Bäume sich nicht schütteln lassen, also bei Kiefern-
spinnerfrass im Hochwalde, bei Eichenwicklerfrass auf alten über-
gehaltenen Eichen u. s. f. wichtig, und es kann hier den Forstmann
nicht blos das Gesicht, sondern auch das Gehör belehren, da mitunter
der Koth so massig erzeugt wird, dass sein Herabfallen ein rieselndes
Geräusch hervorbringt. Auch die Ansammlung insektenfressender Vögel,
z. B. des Kukuks, in einem Bestande, sowie die Thatsache, dass die
Sauen in demselben stärker als gewöhnlich brechen, wird vom aufmerk-
samen Forstmanne wohl beobachtet werden.
Planmässige Untersuchungen sind in Form des Probesammelns
anzustellen. Auf einer passend ausgewählten, beschränkten Fläche wird
unter genauer Aufsicht des Schutzpersonales im Tagelohne möglichst
intensiv gesammelt, die Anzahl der gesammelten Schädlinge bestimmt
und alsdann unter Hinzurechnung eines mässigen Zuschlages für über-
sehene Stücke die Gesammtmasse für die fragliche Hauptfläche
berechnet. Da bei starkem Frasse ein direetes Zählen der gesammten, beim
Probesammeln erhaltenen Insektenmenge nicht wohl ausführbar ist, so
misst oder wägt man die erhaltenen Schädlinge, bestimmt dureh Zählen
die Anzahl der durchschnittlich auf 1 !, 1%g oder ein Bruchtheil der-
selben gehenden Stücke und findet dann die Gesammtanzahl durch
Rechnung. Die Genauigkeit des Probesammelns kann in einzelnen Fällen
noch weiter controlirt werden, z. B. bei Kiefernspinnerfrass, indem
man nachträglich die im Winter nach den in der Bodendecke ruhenden
Raupen abgesuchte Probefläche theert und die Anzahl der übrig-
gebliebenen, auf den Theerringen abgefangenen Raupen feststellt.
Das Probesammeln kann aber auch so angestellt werden, dass mit
seiner Hilfe nicht allein ein Schluss auf die Menge der in einem be-
stimmten Bestande vorhandenen Schädlinge möglich wird, sondern auch
diejenigen Revierstellen gefunden werden, in welehen die Anzahl der
Schädlinge am stärksten ist. Man legt zu diesem Zwecke Probe-
bahnen in passender Entfernung, lässt diese im Tagelohn unter genauer
Aufsicht sorgfältig absuchen und durchsehneidet sie alsdann rechtwinkelig
durch ein zweites System von Probebahnen. Stellt man auf den einzelnen
Strecken dieser Probebahnen die Anzahl der gefundenen Schädlinge fest,
so findet man ohneweiters die am stärksten infieirten ‚Stellen.
Bei drohendem Borkenkäferfrass kann man zunächst Probe-
fangstämme werfen und aus deren stärkeren oder schwächeren Be-
setzung auf die vorhandene Borkenkäfermenge schliessen.
Untersuchungen über Menge und Gesundheitszustand der Schädlinge. 223
Die Untersuchung des Gesundheitszustandes der Forstschädlinge.
Sind so viel Forstschädlinge vorhanden, dass ihre Menge bedrohlich
erscheint, so muss der Forstwirth sich über den Gesundheitszustand der-
selben klar zu werden suchen. Denn, wenn ein hoher Procentsatz als
krank nachgewiesen werden kann, z. B. 50°, und darüber, so sind
Vertilgungsmassregeln überflüssig. Eine Erkrankung der Forstschädlinge
wird angenommen werden können: 1. wenn die lebenden ein auffallendes
Benehmen zeigen, 2. wenn eine Untersuchung des Innern der getödteten
das Vorhandensein von Schmarotzer-Insekten oder Pilzen nachweist, 3. wenn
eine ungewöhnliche Sterblichkeit eintritt.
Als auffallendes Benehmen wird man besonders Trägheit der Be-
wegungen und Unlust zum Fressen ansehen können. Indessen sind diese
Zeichen durchaus nicht untrüglich, vielmehr muss man bedenken, dass
z. B. auch vor jeder Häutung die Raupen träge und fressunlustig
werden, und viele erkrankte Thiere anfänglich gar keine abnormen
Lebensäusserungen zeigen. Gewissheit über das Vorhandensein einer
Epidemie kann nur die Untersuchung der Thiere gewähren. Zunächst
wird eine solche stets auf den leichteren Nachweis von Schmarotzer-
Insekten, erst in zweiter Linie auf den Nachweis von Schmarotzerpilzen
zu gehen haben. In einfachen Fällen genügt die Untersuchung von 50 bis
100 Stück auf das Gerathewohl eingesammelter Thiere. Handelt es sich aber
um die Beurtheilung der Verhältnisse in ausgedehnteren Beständen, so
müssen mehrere, an verschiedenen, weiter von einander entfernten Stellen
gesammelte Proben von je 50 bis 100 Stück untersucht werden.
Untersuchung auf Infection mit Schmarotzer-Insekten.
Nur in seltenen Fällen ist es möglich, äusserlich am lebenden Thiere
die Stelle nachzuweisen, an welcher das mütterliche Schmarotzer-Insekt
durch einen Stich mit der Legscheide seine Eier in das Wirthsthier
eingebracht hat, oder an welcher die aus äusserlich am Leibe des
Wirthes abgelegten Eiern geschlüpften Larven sich in das Innere
hineingefressen haben. Nur an nackten Raupen und Afterraupen ist
diese mitunter. als: dunkler Fleck zu erkennen. Die Section muss
also hier zu Hilfe genommen werden. Da die Auffindung von Schmarotzer-
Insekteneiern ungemein mühsam ist, so wird man stets nur auf den
Nachweis von Larven oder Puppen bedacht sein. Auch werden in der
Praxis, obgleich alle vier Lebensstadien der Insekten: Eier, Larven,
Puppen und Imagines, von Schmarotzern bedroht sind, meist nur die
beiden mittleren, d. h. die Larven oder Puppen der Forstschädlinge, auf
Infeetion mit Schmarotzern untersucht. Am häufigsten hat der Forst-
mann Veranlassung, Raupen zu untersuchen, z. B. im Winterlager
gesammelte Kiefernspinnerraupen. Zuvörderst tödtet man die Raupen
am besten, indem man sie eirca eine Stunde in einem zugedeckten
224 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
Gefässe mit weiter Mündung stehen lässt, in welches man ein mit
Schwefeläther oder Benzin getränktes Papier- oder Wergbäuschehen
geworfen hat. Die im Todeskampfe zusammengezogenen Raupen streckt
man zunächst durch sanften Zug, fasst dann jede einzelne mit der
linken, eventuell handschuhbekleideten Hand — am besten an beiden
Enden, den Kopf zwischen Zeige- und Mittelfinger, das Hinterende
zwischen Daumen und Goldfinger — und schneidet mit einer feinen
Scheere in einigen vorsichtigen Schnitten die Leibeswand am Rücken,
womöglich ohne Verletzung des Darmes, in ganzer Länge auf.
Alsdann breitet man die Raupe in einem Schüsselchen von dunkler
Farbe — „Bunzlauer Geschirr” eignet sich hierzu sehr gut — aus,
so dass die Eingeweide im Wasser flottiren und spült sie einige-
male ordentlich durch. Sind Scehmarotzerlarven vorhanden, so werden
dieselben bald zwischen den Eingeweiden herausfallen und gegen den
dunkleren Boden der Schüssel als weisse „Maden” abstechend, leicht
erkannt werden. Wird das Wasser trübe, "was besonders dann geschieht,
wenn bei dem Aufschneiden Därme verletzt wurden und der Darm-
inhalt einiger Raupen ausgetreten ist, so muss man dasselbe erneuern.
Anfänger haben sich zu hüten, dass sie nicht Stücke des Raupenleibes,
z. B. die gelblichen Anlagen der Geschlechtsorgane oder abgeschnittene
Stücke der Spinndrüsen, für Parasitenlarven halten. Rarzesurg hat
gefunden, dass unter 11cm lange, jüngere Raupen des Kiefern-
spinners keine Schmarotzer enthielten. Findet man Schmarotzer, so
können dies Schlupfwespen- oder Tachinen-, d. h. Raupenfliegen-Larven
sein. In Betreff der Kennzeichen dieser Larven müssen wir auf den
speciellen Theil verweisen. Will man Puppen auf Schmarotzer unter-
suchen, so bricht man dieselben einfach in der Mitte auf und spült
den Inhalt im Wasser aus, wobei man leicht etwa vorhandene
Schmarotzerlarven findet. Nimmt man die Untersuchung der Puppen
gleich im Walde vor, so kann man sich das Ausspülen im Wasser
ersparen, da in ihnen ja die Schmarotzer meist in bereits vorgerückteren
Entwicklungsstadien enthalten, also bereits grösser sind und ohne weitere
Schwierigkeit in dem zwischen den Fingern herausgedrückten Puppen-
inhalte erkannt werden können. Schwer erkrankte Puppen lassen sich auch
ohne Untersuchung des Innern, an ihrer Steife und Unbeweglichkeit
erkennen. Im Allgemeinen ist die Untersuchung auf Schmarotzer-
insekten ein nicht sehr reinliches Geschäft, und man thut daher gut, zur
Notirung der gewonnenen Resultate sich eines Gehilfen zu bedienen.
Wenn bereits viele Forstschädlinge den Schmarotzern zum Opfer
gefallen sind, so findet man die Spuren ihrer Verwüstungen an den
übrig gebliebenen Ei-, Larven- und Puppen-Hüllen, sowie den Cocons.
Eierschalen und Puppenhäute, sowie Cocons zeigen sich auf eine
Art durchbrochen, welche von der bei normalem Ausschlüpfen des
Insektes eintretenden abweicht; z. B. zeigen die von Teleas zerstörten
Eier des Kiefernspinners ein kleines rundes Loch, während die Ei-
schalen, aus denen ein Räupchen schlüpfte, unregelmässig zerfressen
sind. Dagegen haben die Tönnchen von Lophyrus, aus denen ein
‘
Untersuchung auf Infeetion mit Schmarotzer-Insekten und -Pilzen. 225
Ichneumon ausschlüpfte, eine unregelmässige, kleine Oeffnung (Taf. VI,
Fig. 3, C*), während die Blattwespe bei ihrem Ausschlüpfen einen
regelmässigen Deckel abnagt (Taf. VI, Fig. 3, C). Neben durch
Schmarotzer-Insekten getödteten Larven oder Puppen findet man häufig
die Cocons der Schlupfwespen (Taf. III, S“) oder die Tönnchen der
Tachinen; bei Puppen sind sie oftmals mit der getödteten Puppe im Oocon
eingeschlossen. Am bekanntesten sind die von Microgaster getödteten
Kiefernraupen, welche schon vonweitem an dem sie umgebenden
silberweissen Coconhaufen erkennbar sind (Taf. III $').
Untersuchung auf Infection mit Schmarotzerpilzen,
auf Mykosen. Das Vorhandensein einer Mykose bei den Forstschäd-
lingen ist mitunter schon im Walde durch Beobachtung festzustellen.
Häufig zeigen z. B. die von Pilzen infieirten Larven und Raupen
missfarbige Flecke, und wenn eine ausgedehntere ‚„Empusa’”- oder
muskardineartige Mykose ausbricht, so findet sich wohl bald ein oder
das andere eingegangene, äusserlich mit Pilzfäden bedeckte Thier.
Sind solehe Beobachtungen nicht vorhanden, so kann der Forstwirth,
besonders wenn es sich um Raupen handelt, eine Anzahl derselben
bei guter Fütterung einzwingern und abwarten, ob eine grössere
Sterblichkeit unter denselben ausbricht. Ist diese durch Pilze ver-
ursacht, so lassen sich solche sofort nach eingetretenem Tode im
Innern der Raupe nachweisen. In einzelnen Fällen kann dies schon
ohne Mikroskop geschehen. So weist eine milchige Trübung des
Blutes, welches man dadurch gewinnt, dass man eine Raupe vorsichtig
mit der Nadel ansticht und durch leichtes Drücken ein Tröpfehen
austreten lässt, auf das Vorhandensein von Cylindergonidien, also
auf eine muskardineartige Erkrankung hin. Es bricht fermer bei
Raupen, welche an „Empusa”-Mykose eingegangen sind, sofern die-
selben nicht zu trocken gehalten werden, binnen 24 Stunden der
Pilzüberzug durch. Wenn man nun die todten Raupen auf ein Stück
Fensterglas legt, ein mit Wasser getränktes Fliesspapier- oder Werg-
bäuschehen hinzufügt und ein gewöhnliches Glas darüberstülpt, so
bildet sich, wenn eine „Empusa”-Erkrankung vorliegt, um jedes schimmel-
bedeckte Thier binnen weiteren 24 Stunden ein Hof von weisslichem
Staube, d. h. von weggeschleuderten Sporen, und die Raupe verjaucht
bald nach dem Verblühen des Pilzes. Verzögert sich dagegen der
Ausbruch einer Pilzvegetation längere Zeit, so ist eher auf muskardine-
artige Mykose zu schliessen. Sicher ist letztere dann angezeigt, wenn
das an der Luft liegende Thier anfangs schlaff, nach 24 Stunden
aber prall ausgestopft erscheint. Direete Verjauchung ohne vorherigen
Schimmelausbruch weist auf das Vorhandensein einer Spaltpilzmykose
hin, Trocknet die nicht sehr feucht gehaltene Raupe zu einer zer-
breehlichen Mumie ein, die mit zunderartigem Marke, d. h. mit Pilz-
cel gefüllt ist, so ist eine nicht zum Ausbruch gekommene Ento-
mophthoreen-Mykose oder muskardineähnliche Erkrankung wahr-
scheinlich, Ist sie dagegen mit hellem oder dunkelm Staube gefüllt,
so ist eine Ausbildung von Entomophthoreen-Mykose zu vermuthen.
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde. 15
226 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
Gewissheit liefert nur die mikroskopische Untersuchung, zu welcher
aber, besonders wenn etwa eine Spaltpilzmykose nachgewiesen werden
soll, ein so gutes Mikroskop und eine so bedeutende Uebung in seinem
Gebrauche gehört, wie in den meisten Fällen dem praktischen Forst-
wirthe nicht zu Gebote stehen. Ist dies dennoch der Fall, so werden die,
S. 164 bis 181, gegebenen Beschreibungen und Abbildungen der in
Frage kommenden Pilze eine sichere Bestimmung ermöglichen. Anderen-
falls hat man sich an einen Fachmann zu wenden.
Die Beobachtung der Witterungsverhältnisse. Die Witterungs-
verhältnisse können in zweierlei Weise bestimmend auf das Urtheil über
die Nothwendigkeit von Gegenmassregeln einwirken. Sowohl in dem Falle,
wenn sie für das Leben und die Gesundheit der Forstschädlinge ungünstig
erscheinen, als auch dann, wenn sie dem Baumwuchs und der Aus-
heilung der erfolgten Beschädigungen günstig sind, wird der Forstmann
von künstlichen Vorbeugungs- und Vertilgungsmassregeln ganz oder
theilweise absehen können. Es sind dies diejenigen Witterungsverhältnisse,
welche RarzegurGg als frasshindernde und genesungsfördernde
[XV, 3. 63] bezeichnet und denen er die frassfördernden und ge-
nesungshindernden entgegenstellt.
Die frasshindernden Witterungseinflüsse sind bereits auf S. 162 aus-
führlich erörtert worden. Im allgemeinen werden die genesungsfördernden
mit jenen zusammenfallen und auch nach den speciellen Boden- und
Standortsverhältnissen des betreffenden Revieres und Bestandes wechseln.
In dürren Lagen werden z. B. reichliche Niederschläge das Wieder-
ergrünen in einem kahlgefressenen Kiefernbestande begünstigen, während
in einem feuchten Auwalde ein trockener Winter günstig wirken kann.
Untersuchung des befallenen Bestandes. Von hervorragender
Wichtigkeit ist die Frage, ob voraussichtlich die von Insekten befallenen
Bäume oder Bestände durch den Frass sicher getödtet werden, oder
ob sie nur Beschädigungen erleiden, welche entweder überhaupt blos
den Zuwachs vermindern, oder erst durch Wiederholung den Tod des
Bestandes befürchten lassen. Im ersten Falle wäre es überflüssig, Mass-
regeln zu ergreifen, welche lediglich den Schutz des Bestandes selbst
bezwecken, während sie im letzteren Falle ganz am Platze sein können.
Unter Umständen kann der Zustand eines befallenen Bestandes auch
Massregeln überflüssig oder geboten erscheinen lassen, welche der Weiter-
verbreitung des Uebels Halt gebieten sollen. Die auf eine eingehende
Untersuchung gestützte Prognose wird in vielen Fällen leicht, in anderen
schwer, in noch anderen gar nicht mit Sicherheit zu geben sein® In
schwierigen Fällen ist sie überhaupt nur unter aufmerksamer Beachtung
der soeben besprochenen Umstände möglich. Dabei ist ferner nicht zu
Br
Witterungsverhältnisse. Untersuchung des befallenen Bestandes. 227
übersehen, dass die verschiedenen Standortsverhältnisse, die einzelnen
Holzarten und die verschiedenen Altersstufen derselben von grossem
Einfluss auf die Beantwortung der Frage sind.
Bei Besprechung der verschiedenen durch Insekten verübten
Beschädigungen (S. 137 u. f.), sowie der die Grade der Schädlichkeit
bedingenden Ursachen (S. 146 u. £.), ist bereits auf die Möglichkeit
einer Prognose hingewiesen worden.
Die Beachtung des Standortes ist insofern wichtig für die Vor-
hersage, als im Allgemeinen die Gefahren durch Insektenbeschädigungen
dann am grössten sind, wenn ungünstiger Standort einen kümmer-
lichen Wuchs der Bäume bedingt, während günstigere Standortsver-
hältnisse die Widerstandskraft derselben stärken. Nur dort, wo der
schlechtere Standort lediglich Folge rauhen Klimas ist, verhält sich
die Sache insofern anders, als durch ein solches Klima für gewöhnlich
auch das Insektenleben beeinträchtigt wird. So wird man Maikäfer-
schaden in höheren Gebirgslagen nie zu fürchten haben; selbst
Borkenkäferfrass gestattet dort in der Regel eine günstigere Prognose,
weil nur in ungewöhnlich warmen Sommern mehrfache Generation zu
fürchten ist (vergl. S. 117 und 113).
Dass von unseren heimischen Holzarten die Laubhölzer im allge-
meinen weit weniger empfindlich sind als Nadelhölzer, dass sie namentlich
in den höheren Altersstufen einer wirklich tödtlichen Verletzung durch
Insektenfrass viel weniger ausgesetzt sind, wurde früher schon erwähnt
(vergl. S. 148). Man wird deshalb in älteren Laubholzbeständen selten
nothwendig haben, kostspielige Bekämpfungsmassregeln anzuwenden.
Bei Raupenfrass, wie z. B. bei Frass von Dasychira pudibunda L.,
Geometra brumata L.. Tortrix viridana L. u. s. w., wird in der Regel
nichts zu thun sein, weil die Kosten der Vertilgungsmassregeln meist
grösser sein würden, als der durch den Frass bewirkte Verlust an
Zuwachs oder Samen. Von Borkenkäfern, Buprestiden, Bockkäfern oder
anderen im Holze lebenden Insekten heimgesuchte alte Bäume kann
man, obgleich sie den Frass meist Jahre lang aushalten, ohne Kosten
entfernen, soweit dies nöthig erscheint, um eine weitere Ausbreitung
des Uebels zu verhindern. Man braucht sich aber damit nicht zu
übereilen. Empfindlicher sind jüngere Bäume, namentlich frisch
gepflanzte Heister. Borkenkäfer, einige Buprestiden und Rüsselkäfer,
Raupen u. s. w. können junge Buchen, Eichen, Eschen, Rüstern,
Birken ete. schwer schädigen und schon in einem Jahre tödten. Man
bemerkt dies meist zur rechten Zeit, um die kranken Stämmchen
noch vor Ausfliegen der Käferbrut entfernen zu können. Ein sicheres
Kennzeichen ist namentlich das schneller als beim Nadelholze ein-
tretende Welken der Blätter; auch an der Rinde verdächtiger Bäumchen
wird man bei aufmerksamer Untersuchung die Bohrlöcher entdecken.
Sehr leicht ist es, Raupen- oder Käferfrass an den Blättern zu bemerken.
In allen den hier genannten Fällen ist also die Prognose nicht sehr
schwierig, aber auch meist nicht nothwendig.
57
228 Kap. VI, Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
Etwas Anderes ist es mit den weit empfindlicheren Nadel-
hölzern, diese erfordern grössere Aufmerksamkeit (vergl. S. 149).
Nicht bios die alten, dern auch die jungen und ganz jungen Be-
stinde sind viel mehr der Gefahr ausgesetzt, durch Insektenfrass ver-
nichtet oder schwer geschädigt zu werden, als Laubhölzer von dem-
selben Alter.
Bei jungen Nadelhölzern treten die Symptome sehr bestimmt
auf. Keimlinge und selbst etwas ältere Pflanzen lassen als schwächliche
Individuen die tödtliche Erkrankung leicht erkennen. Wenn die noch
zarten Wurzeln von Engerlingen onen werden, so lassen die
Pflänzchen noch an "demselben Tage die Nadeln hängen, und man
braucht gar nicht das Rothwerden derselben abzuwarten, um ihren Tod
vorauszusagen. Schwächere Beschädigungen heilen die Pflanzen wohl
auch wieder aus. Die stets mit dem Tode verknüpfte Schädigung der
jungen Kiefern durch Larven von Pissodes notatus FAer. kennzeichnet
sich im Juni und Juli leicht durch Welken der Triebe, ebenso sterben
von Hylesinus cunicularius Er. befallene junge Fichten sehr bald
ab. Leicht beurtheilen sich auch die Schäden, welche an jungen
Kiefern und Fichten durch den Frass des grossen Rüsselkäfers, an
Kiefern durch die Saateule hervorgerufen ea. Die Prognose bereitet
hier keine Schwierigkeiten. Dede als die etwa zu ergreifenden
Massregeln vom Zustande der Pflanzen selbst abhängen, kann man
ruhig abwarten, ob sich dieselben erholen oder nicht, ehe man für
die eingegangenen durch Ausbesserung der Kultur Ersatz schafft
In älteren Nadelholzbeständen handelt es sich dagegen um den
Schutz und die Erhaltung wirthschaftlicher Objeete, welche leicht und
schnell nicht wieder ersetzt werden können. Sichere Todeskennzeichen
fehlen hier zwar ebenfalls nicht, sind aber nicht immer so deutlich
ausgesprochen, wie bei den jungen Pflanzen. Plötzliches Absterben
kommt beim alten Baum, also bei einem aus vielen kleinen Individuen
bestehenden Gesammtindividuum nicht vor, das Absterben erfolgt mehr
allmälig. So grünt manchmal der Wipfel noch längere Zeit, während
unten am Stamme die Rinde sich bereits loslöst: ein sicheres Kenn-
zeichen des Todes. Wir müssen schon zufrieden sein, wenn sich die
bestimmten Todeszeichen noch vor Winter oder während des Winters
einstellen, damit die Axt dem Verderben des Holzes vorbeugen kann.
Zunächst ist hier der Frass der Rinden-, Bast- und Holzbeschädiger,
in der Hauptsache also der Käferfrass, von dem der Nadelbeschädiger,
also hauptsächlich dem Raupenfrasse, zu unterscheiden.
Im Falle eines Käferfrasses, welcher im Nadelholze für jüngere
und alte Bäume gleich gefährlich ist, gewöhnlich auch zum baldigen
Abtriebe drängt, ist zuerst die Rinde zu beobachten, an der sich die
Borkenkäfer durch Bohrlöcher und Wurmmehl, Pissodes piniphilus
Hssr. und hercyniae Hssr., sowie Tetropium luridum L:u2a%
durch Harztropfen verrathen. Das Bleichen und Rothwerden der Nadeln
tritt zuweilen bald ein, bei Fichte schneller als bei Kiefer; manchmal
bleibt es auch bis zum Winter oder bis zum nächsten Frühjahre aus.
Untersuchung des befallenen Bestandes. 229
Dies istz. B. bei Frass von Pissodes piniphilus der Fall und bei Borken-
käfern dann, wenn der Anflug erst im Spätherbst erfolgte. Von Borken-
oder Stangenrüsselkäfern befallene Bäume sind unrettbar verloren. Eine
Ausnahme hiervon machen höchstens die alten Kiefern, welche in ihrer
dieken Borke nur Ueberwinterungsgänge des Hylesinus piniperda L.
zeigen. Die wirklich befallenen Bäume bieten also keine Schwierig-
keiten bezüglich der Prognose, sie müssen schon wegen der Gefahr der
W ns des Uebels unter allen Umständen gefällt, bei Borken-
käferfrass auch entrindet und entfernt werden, selbst für den Fall, dass der
betroffene Bestand nicht mehr zu retten As, umso mehr aber, wenn
letzteres noch möglich. Nur bei glücklicherweise seltenen, besonderen
Unglücksfällen ist diese Möglichkeit ausgeschlossen, wenn man gegen
Borkenkäfer mit Fällung von Fangbäumen stets in richtiger Weise vorgeht.
Schwierige Zweifel entstehen dagegen oft bei den Nadelfressern,
beiRaupenfrass, da der T'od oder die mögliche Genesung des befallenen
Baumes oder der befallenen Bestände nicht blos von der Art des
Nadelholzes und von der Insektenart abhängt, sondern ganz wesentlich
von der Intensität des Frasses und von der Witterung (vergl. S. 226).
Nur in seltenen Fällen werden einzelne Stämme wirklich todt gefressen,
das heisst inmitten des Frasses getödtet. Der Abtrieb eilt hier zwar
nicht so sehr wie bei „Wurmtrockniss”, weil sich die Schädlinge nicht
innerhalb der Frassobjeete entwickeln, und man Zeit hat, die Kranken
länger zu beobachten, allein die Frage darnach, ob und welche Ver-
tilgungsmittel zu ergreifen sind, muss wesentlich auch nach dem Zu-
stand des befallenen Bestandes eninchieden werden. Ist letzterer einmal
rettungslos verloren, so sind zu seinem Schutze keine Kosten auf-
zuwenden, sondern nur zur Verhinderung der Verbreitung des Uebels
in Nachbarbestände. Lärche und Tanne werden seltener eingehendere
Untersuchungen nothwendig machen, viel öfter Fichte und Kiefer.
Als Zeichen eines bald zu erwartenden Todes nach Raupenfrass
gilt das Trocknen und Welken der Knospen, sowie selbstverständlich
das Auftreten von Borkenkäfern, Hylesinen und Bockkäfern. Wenn
die Knospen beim Durchschneiden nirgends mehr grüne Nadelchen
zeigen, dann ist allerdings der Baum todt, indessen kann man nicht
umgekehrt aus dem grünen Inhalte der Knospen stets auf Gesundheit
schliessen; dergleichen Bäume sterben trotzdem manchmal plötzlich ab.
Für die Fichte kommt besonders der Frass der Nonne in Be-
tracht, der nicht selten den Tod herbeiführt, manchmal aber wenig
schadet. In der Regel zeigen die Fichten meist ein früheres Roth-
werden der Nadeln als die Kiefern, so bei Nonnenfrass, oft schon im
Herbste. Es ist das sehr auffallend, wenn scheinbar nur eine so geringe
Beschädigung der Bäume stattfand, dass ein Viertel oder selbst die
Hälfte der Benadelung erhalten blieb. Im Sommer ist also die Prognose
äusserst schwierig und unsicher. Kiefern halten einen viel stärkeren
Frass aus als Fichten. Man wird also bei Nonnenfrass für erstere wohl
immer auf Wiedergenesung hoffen dürfen. Auch nach dem Frasse der
Forleule hat man wiederholt beobachtet, dass sich trotz vollständigen
230 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
Kahlfrasses die Bäume wieder erholten, selbst solche, bei denen schon
viele Knospen abgestorben waren, ein Beispiel, welches lehrt, dass man
mit der Vorhersage des Todes vorsichtig sein muss. Andererseits ist
in Folge des durch Kiefernspanner eingetretenen Kahlfrasses, allerdings
unter Hinzutritt anderer ungünstiger Umstände, schon unerwartet der
Tod eingetreten. Noch grössere Schwierigkeiten bietet die Vorhersage
in Kiefernbeständen beim Frass des Spinners, und ist man in früheren
Zeiten nicht selten wegen irriger Vorhersage zu schnell mit dem Ab-
triebe vorgegangen. Allerdings ist auch bei Kiefern die Zerstörung der
Knospen in grosser Ausdehnung eine Todesursache. Je mehr Knospen
zerstört wurden, desto zahlreicher treten auch andere Anzeigen schwerer
Erkrankung hervor, wie Rosetten (Fig. 92) und Scheidentriebe (vergl.
S. 144). Einzeln, also unbedeutend, erscheinen Rosetten auch nach
Spanner-, zuweilen auch nach Eulen- und Nonnenfrass, massenhaft
jedoch nach dem Frass des Kiefernspinners, und sind immer mit
kümmerlicher Ausbildung der Jahresringe verknüpft. Hat man auch
dann noch bezüglich der Vorhersage Zweifel, so untersuche man, ob
der Weichbast schon gelbfleckig oder wässerig wird oder sich gar
zunderartig auflöst, im hohen Grade „aufgebacken” erscheint, und
ob dem letzten Jahrringe nicht schon Harzcanäle und Herbstholz,
„Braunholz”, fehlen. In vielen Fällen sind, selbst ohne Eintritt der Bil-
dung von Rosetten, schon die vorhergehenden Ringe mehr. oder weniger
abnorm; theils sind sie sehr schmal, theils zeigen sie „Harzketten’’
(vergl. S. 146), welehe immer ein bedeutendes Sinken der Lebens-
thätigkeit bekunden. An einzelnen hoffnungslosen oder sehr zweifel-
haften Bäumen kann man dann auch „fenstern”, d. h. man schneidet
ein Rindenfenster von einigen Quadratcentimetern aus, um auf dem
dadurch entblössten Splinte die austretenden Harztröpfehen beobachten
zu können. Dies kann zum Vergleiche zwischen gesunden und kranken
Stämmen sowohl im Winter, wie im Sommer geschehen. Kleine und
sehr sparsame Harztröpfchen verrathen eine bereits eingetretene Schwäche
des Baumes.
Auch der Zustand der Benadelung kann ein die Prognose wesent-
lieh unterstützendes Zeichen sein, um so mehr, weil es im Grossen
sichtbar ist, und weil man doch nicht jeden einzelnen Baum genau
untersuchen kann. Blos nach der Benadelung darf man indessen nicht
urtheilen, denn selbst Kahlfrass ist nicht gleichbedeutend mit Todt-
frass. Sicher ist er dies nur in dem Falle, wenn auch viele Knospen an-
oder abgefressen oder die Triebe selbst von den Raupen stark be-
schädigt wurden, wie es bei starkem Spannerfrass oft der Fall ist.
Für Stämme, welche ohne wesentliche Beschädigung der Knospen
wenigstens noch die halbe Benadelung erhalten haben, droht gar keine
Gefahr; anders ist es bei solchen, welche nur noch eine geringe An-
zahl von Nadelbüscheln zeigen. Für Stangenhölzer, die nicht wenigstens
100 Nadelbüschel und für ältere Bäume, welche nicht wenigstens
200 Nadelbüschel pro Stamm behalten, ist nach Ratzerurc Gefahr
zu befürchten,
Untersuchung des befallenen Bestandes. Werth des angegriffenen Holzes. 231
Die Möglichkeit der Durchführung zweckmässiger Bekämpfungs-
massregeln hängt ferner auch ab von den Hilfsmitteln, über welche der
Waldbesitzer verfügen kann. Der Kleinbesitzer ist meist nicht in der
Lage, so bedeutende Kosten aufzuwenden wie der Grossbesitzer, wie
namentlich der Staat. Da aber auch ein kleiner Wald zum Herde für die
Ansteckung weiterer Bezirke werden, also eine Gefahr für die All-
gemeinheit bringen kann, und da der Wald ausser seinem directen wirth-
schaftlichen Werthe für den Besitzer auch eine weitere Bedeutung für das
Volkswohl überhaupt hat, so wird es die Aufgabe des Staates, die wirth-
schaftlichen Massregeln der Kleinbesitzer durch Gewährung des Rathes
von Sachverständigen, unter Umständen auch durch Arbeitskräfte, durch
Stellung von Militär oder Sträflingen, sowie durch Vorstreckung des
nöthigen Geldes (vergl. 8. 244) zu unterstützen, die Bekämpfung der
Forstschädlinge aber gesetzlich zu fordern.
Werth und Behandlung der von Insekten befallenen oder
getödteten Bäume und Bestände.
Trotz aller. Vorbeugungs- und Vertilgungsmassregeln wird man
leider die Insektenschäden niemals ganz aus dem Walde verbannen
können, ja das Zusammenwirken vieler, eine ausserordentliche Ver-
mehrung der Schädlinge begünstigenden Umstände kann auch heute noch
selbst einem ganz rationell bewirthschafteten Walde wirkliche Insekten-
verheerungen bringen, wenn auch nicht in so erschrecklicher Ausdehnung
wie jenen Waldungen, in welchen eine solche Wirthschaft noch nicht zu
finden ist. Deshalb verdient die Frage nach dem Werth und nach der
Behandlung des von Insekten befallenen oder bereits getödteten Holzes
die Beachtung des Forstwirthes. Geben auch Wissenschaft und Erfahrungen
noch keine vollständig genügende Antwort auf diese Frage, so lassen
sich doch wenigstens einige Fingerzeige gewinnen.
Der Werth des von Insekten befallenen oder getödteten Holzes
wird direct und am deutlichsten beeinträchtigt durch die sogenannt
technisch schädlichen Insekten (vergl. S. 152), zum Theil schon
ehe die befallenen Bäume getödtet sind, zum Theil erst nach dem Tode
oder nach der Fällung derselben. Indirect findet eine solche Schädigung
dadurch statt, dass das von Insekten getödtete Holz an Qualität ver-
liert, und zwar um so mehr, je länger es stehen bleiben muss, ehe es
zur Fällung gelangt. Es erklärt sich dies dadurch, dass, je länger das
getödtete oder tödtlich befressene Holz auf dem Stocke steht, desto mehr
232 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
der natürliche, von Pilzen eingeleitete oder begleitete Zersetzungsprocess
vorschreitet. Auch dürfte hierbei wohl die Jahreszeit, in welcher das Holz
abgestorben ist, nicht ohne Einfluss sein.
Beispiele nur technisch schädlicher Insekten im todten Holze
und solcher, die bereits im lebenden Holze hausen, also zugleich
physiologisch schädlich werden, vergleiche 8. 152. Von den die Qualität
des Holzes durch Todtfressen der Bäume schädigenden Insekten sind
in erster Reihe Kiefernspinner und Nonne, sowie die Bastzerstörer unter
den Borkenkäfern zu nennen.
Bezüglich der Werthverminderung lassen sich nach Raupenfrass
zwei Hauptklassen unterscheiden: Winter- und Saft-Raupenholz.
Ersteres ist das in dem auf den Frass folgenden Winter gefällte und
aufbereitete, letzteres das später, nach dem Winter gefällte Holz. Das
Winter-Raupenholz ist, wie die Erfahrungen gelehrt haben, das bessere,
weil der Zersetzungsprocess in ihm durch die rechtzeitige Fällung und
die mit ihr verbundene Austrocknung verhindert wird. Zwischen diesen
Hauptwerthklassen gibt es natürlich als Uebergänge zahlreiche Ver-
schiedenheiten, welche sich auf fest bestimmte Stufen nicht zurück-
führen lassen, und daher die Gewinnung massgebender Erfahrungen
° erschweren. Zwischenklassen, welche etwa aus den schon im Frass-
sommer selbst getödteten, „todtgefressenen” Stämmen sich bildeten,
nimmt indessen Forstmeister ScuurLtz nicht an, denn vor Ende Juli
gibt es keine ganz abgefressenen Bäume.
Vorzügliches Interesse gewähren in dieser Beziehung die grossartigen Er-
fahrungen, welche man bei dem letzten Nonnenfrasse in Ostpreussen bezüglich
der Fichte gemacht hat. Forstmeister Schuurrz, mit dessen Angaben auch die des
Oberförsters AuLEMmAnN ziemlich harmoniren, hat sie in den Verhandlungen des
Schlesischen Forstvereines gelegentlich mitgetheilt, auch hat er ihnen eine besondere
Abhandlung [,„Georgine”, Zeitschrift für landwirthschaftl. Cultur, Gumbinnen 1856]
gewidmet: „Ueber die Dauer des von der Nonne getödteten Holzes als Bauholz,
Vortrag, gehalten im ökonomischen Vereine”. Man durfte diese vor vielen Sach-
verständigen vorgetragenen Resultate schon damals als reif ansehen, sie haben
aber auch noch später die Probe ausgehalten. So heisst es z. B. in einer brieflichen
Mittheilung an Rarzesung: „Klobenholz, welches im Sommer 1855 getödtet, aber
gleich im nächsten Winter eingeschlagen, instructionsmässig gespalten und dann
geschält und aufgeklaftert worden war, konnte noch im Jahre 1860 als gutes
Brennholz angesprochen werden, während die damals nicht gefällten, abgestandenen
Hölzer desselben Bestandes, also Saft-Raupenholz, zum Theil schon so verwittert
sind, dass sie beim Fällen oft in 2 bis 3 und mehr Stücke zerspringen.”
Sehr beachtenswerth sind auch folgende Untersuchungen: Oberforstmeister
v. Massow veröffentlicht in der „Forst- und Jagdzeitung” [J. 1856, S. 223] die von
Dr. Sonsenschkin angestellten Untersuchungen über die Frage, ob die ostpreussischen
nonnenfrässigen Fichten vom Jahre 1855, welche 1856, obgleich vollständig entnadelt,
noch auf dem Stamme standen, den ganz gesunden gegenüber einen Unterschied
darböten. Beide Hölzer wurden zuerst der trockenen Destillation unterworfen und
von beiden fast dieselben Quantitäten der Zersetzungsproducte gewonnen, nämlich
aus dem gesunden Holze: Wasser 61'5%/,, Theer 40%/,, Kohle 13°/,,"Gas 20°50/,,
Essigsäure 10/,, während man vom todten Holze nur etwa 0:50, Theer, 1°/, Kohle
mehr, dafür etwas weniger Gas erhielt, was vielleicht daher rührte, dass das
analysirte gesunde Holz mehr fein-, das kranke mehr grobjährig war. Letzteres
hatte übrigens auch ein kleineres specifisches Gewicht.
Er,
Eu #
Werth und Behandlung des von Insekten angegriffenen Holzes. 233
Nach diesen Untersuchungen wird angenommen, dass das Raupenholz, wenn
es überhaupt rechtzeitig, d. h. vor Beginn der nächsten Safteireulation gefällt wird,
als Brenn- und Bauholz gleichen Werth und gleiche Dauer mit dem gesunden hat.
Die nachtheiligere Einwirkung des Raupenfrasses auf die Qualität
des Holzes erklärt sich wohl dadurch, dass durch Vernichtung der
Blattorgane die Verdunstung des Wassers mehr oder weniger plötzlich
in dem bis dahin gesund vegetirenden Baume gestört wird, während
bei Borkenkäferfrass die verdunstenden Blattorgane noch lange thätig
bleiben, wenn auch die Zerstörung der Bastschicht durch den Käfer
schon sehr weit vorgeschritten ist.
Das durch Borkenkäfer getödtete Holz wurde in Preussen dem
Raupenholze vorgezogen, auch wenn beides frisch abgestorben war.
Dies berichten übereinstimmend die Forstmeister SchuLtz und AHLEMANN.
Vielleicht dürfte sich aber hierbei ein Unterschied ergeben, je nach-
dem die Fichten von der ersten oder von einer späteren Generation
des Käfers getödtet wurden. Das erst im Sommer befallene Holz ist
möglicherweise brauchbarer.
Nach Wurmfrass fällt auch die Rinde leichter ab, wodurch die
Austrocknung noch mehr befördert wird. Eigenthümlich auffallend ist
die Ende August 1874 im Böhmerwalde wiederholt beobachtete Er-
scheinung, dass die äusseren Splintschichten der vom Borkenkäfer
stark befallenen, mit Larven, Puppen und jungen Käfern besetzten,
aber noch lebenden Fichten bereits eine blaue Färbung angenommen
hatten. Dieses Blauwerden bemerkte man aber nur an jenen Stamm-
theilen, welehe mit Brut besetzt waren, während die untersten, nicht
befallenen Stammtheile noch eine gesunde Farbe zeigten.
Die Behandlung der von Insekten befallenen oder getödteten
Bäume und Bestände ist nicht blos als Vorbeugungs- oder Vertilgungs-
massregel gegen schädliche Insekten wichtig, sondern auch vom Gesichts-
punkte der Forstbenutzung, d. h. von dem der Verwertbung des Holzes
zu
betrachten. Beide Rücksichten gehen nicht selten Hand in Hand, mit-
unter widersprechen sich dieselben aber.
Um Kulturverderber kann es sich an dieser Stelle nicht handeln,
da von ihnen kein absatzfähiges Material zerstört wird. Anders ist es mit
Bestandsverderbern. Hier tritt neben die Rücksicht auf die Insektengefahr
selbst, die auf den richtigen Zeitpunkt der Benutzung, bevor das kranke
oder getödtete Holz an Werth verliert.
Bei alten Laubhölzern drängt, wie wir früher sahen, der Insekten-
vertilgung wegen die Fällung nicht; nach Raupenfrass an Blättern und
Blüthen erholen sie sich stets und Käfer- wie Raupenfrass im Bast oder
im Holze halten sie gewöhnlich Jahre lang aus. Dagegen kann die
möglichste Erhaltung der technischen Brauchbarkeit des Holzes baldige
Fällung wünschenswerth machen, wenn Insektenlarven im Holz ihre
[2
234 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
zerstörenden Gänge fressen; denn, je länger man diese gewähren lässt,
desto mehr wird der Werth des Holzes geschädigt. Beispiele hierzu
liefern Cerambyx cerdo L. in Eichen, Cossus ligniperda FABr., Saperda
cacharias L. und Sesia apiformis UL. in Aspen, Tomicus domestirne FR
in verschiedenen Laubhölzern, Birken und Buchen u. s. w. Auch starker
Frass von Scolytus Ratzeburgii Jans. kann eine schleunige Fällung
von Birken nöthig machen, nicht etwa wegen der Schäden, welche
die Käferlarven durch ihren Frass direct anrichten, sondern weil das
kränkelnde Birkenholz sehr bald an Qualität verliert.
Wie bei den Vorbeugungs- und Vertilgungsmassregeln, handelt
es sich auch hier mehr um ai Nadelhölzer, als um die Laubhölzer.
In älteren Nadelholzbeständen tritt leider häufig der Fall ein,
dass sich die Rücksichten auf Bekämpfung des Frasses, die auf eine
sute Hiebsordnung und die auf beste Verwerthung des befallenen oder
getödteten Holzes widersprechen, und deshalb lässt sich auch nur im
Einzelfalle bestimmt vorschreiben, was zu thun sei.
Bei Käferfrass ist, wie wir oben sahen ($. 229), die Prognose
meist leicht, weit schwieriger bei Raupenhölzern. Von Borkenkäfern oder
Stangenrüsselkäfern befallene Stämme lassen niemals Hoffnung auf Er-
haltung zu; sie müssen möglichst alle gefällt werden, ehe die Brut
ausgeflogen ist, nicht blos um die Vergrösserung des Uebels zu ver-
hindern, sondern auch, um sie verwertlien zu können, bevor die
Qualität des Holzes Schaden gelitten hat, mögen dadurch auch Gefahren
bezüglich der Hiebsordnung hervorgebracht, mag dadurch auch der
Holzmarkt überfüllt werden, gleichviel. Ist dagegen die Brut einmal
ausgeflogen, dann kann es ale: sein, mit dem Hiebe die bereits
setödteten Bäume oder Bestände zu verschonen, wenn nämlich die vor-
handenen Arbeitskräfte auf neue Objecte des Frasses concentrirt werden
müssen. Erleidet dadurch auch der Werth .des später zu schlagenden
Holzes Schaden, so muss solchen Falles doch die Rücksicht auf
energische Bekämpfung der kleinen Waldverderber obenan stehen. Ja
selbst der Hieb ganz gesunder, zu Fangbäumen dienender Hölzer muss
der Nachräumung der bereits getödteten vorausgehen. Weder Ueber-
füllung des Marktes, noch Furcht vor. Schaffung von Windlöchern
dürfen davon abhalten.
Etwas anders gestaltet sich die Sache bei den Raupenhölzern
Je unsicherer hierbei oft die Prognose ist, desto mehr kann man
wenigstens einige Rücksichten auf die Hiebsfolge nehmen, da überdies
durch das versuchsweise Stehenlassen befressener, noch zweifelhafter
Bestände die Insektengefahr nicht unmittelbar vergrössert wird. Nur
dann, wenn die einen sicheren T'od verkindenden Borkenkäfer secundär
auftreten, gestaltet sich die Sache anders. Aeltere und jüngere Orte,
welche bereits im Wirthschaftsplane zum Hiebe gesetzt sind, müssen,
wenn sie ganz entnadelt wurden, oder wenn überhaupt die vorstehend
angegebenen Kennzeichen den wahrscheinlichen Tod erwarten lassen,
Kofort seschlagen werden. Selbst die bezüglich ihres Wiederergrünens
en Ge dieser Kategorie wird man am besten sofort mit
Behandlung des von Insekten angegriffenen Holzes. j 235
abtreiben, weil dadurch noch seiner Qualität nach gutes Holz gewonnen
werden kann. Es versteht sich von selbst, dass dann der Hieb in
allen anderen, gar nicht oder nur unerheblich befressenen Hiebsorten
ruhen muss. Aehnlich ist mit jenen älteren Beständen oder Bestands-
theilen zu verfahren, welche zwar nicht planmässig zum Hiebe gesetzt
sind, denen man jedoch ohne wesentliche Störung der Hiebsordnung
leicht beikommen kann. Bei zweifelhaften Beständen dieser Kategorie
empfiehlt sich schon mehr eine Zögerung mit dem Abtriebe. Wenn
jüngere, entschieden unreife Bestände oder solche, deren Abtrieb nur
mit gefährlichen Störungen der Hiebsfolge verknüpft ist, in Frage
kommen, so soll ihr Einschlag allerdings erst dann erfolgen, wenn die
sichere Gewissheit des Todes entweder durch unzweifelhafte Kennzeichen
als direete Folgen des Raupenfrasses, oder durch das Auftreten von
Borkenkäfern, namentlich in Fichten, vorliegt.
So lange es thunlich, wird man allerdings auch aufdie Möglichkeit
des Absatzes Rücksicht nehmen müssen, denn das geschlagene Holz ist
eine Waare, welche sich nicht jahrelang im Walde aufbewahren lässt,
ohne Schaden zu erleiden. Gerade diese Rücksicht hat man in neuerer
Zeit mehr in den Vordergrund treten lassen als früher. Nur dann wird
man also auch zum Abtriebe der noch zweifelhaften Bestände schreiten
dürfen, wenn der Einschlag wegen geringer Ausdehnung des Frasses
nicht so bedeutend ist, dass dadurch die Preise gedrückt würden. Je
ausgedehnter der Frass war, je mehr also eine nachtheilige Ueber-
füllung des Marktes durch grossen Einschlag zu fürchten ist, desto
mehr wird man den Abtrieb der zweifelhaften Orte verzögern. Ja oft
wird man wohl gut thun, sich auf plänterweise Entnabme der einzelnen,
zweifellos getödteten Bäume und Baumgruppen zu beschränken, obgleich
eine solche Plänterwirthschaft bekanntlich tausendfältige andere Un-
annehmlichkeiten für die Wirthschaft mit sich bringt.
Bezüglich des Einschlages selbst lassen sich folgende allgemeine
Gesichtspunkte angeben, die allerdings nach den verschiedenen Um-
ständen die verschiedensten Modifieationen erleiden können und müssen.
Zuerst ist der Hieb möglichst in jene Bestände zu legen, wo Lang-
nutzholz — Stämme und Klötze — ausgehalten werden soll. Ist noch
Brut von Borkenkäfern oder Stangenrüsselkäfern vorhanden, so begnüge
man sich nicht damit, die Hölzer rasch zu verkaufen und aus dem Walde
zu schaffen; die Lagerplätze, auf welche die Käufer solche Hölzer
bringen, werden dann zu Infeetionsherden für den eigenen Wald, wenn
sie sich in der Nähe desselben befinden, oder für andere Waldungen.
Die Brut ist vielmehr vor dem Verkaufe des Holzes zu vernichten. Ist
sie bereits ausgeflogen, so kommt es bei Raupenhölzern hauptsächlich
darauf an, die Austrocknung möglichst zu beschleunigen. Es geschieht
dies am besten durch vollständige Entrindung oder wenigstens durch streifen-
oder platzweises Entfernen der Rinde.
256 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
Soll Spaltnutzholz aufbereitet werden, so folgen die damit beauf-
tragten Arbeiter sofort hinter denen, welche das Langholz fällten. Entrindung
und unter Umständen Vernichtung der Käferbrut ist hier ebenfalls nöthig.
Nach der Aufbereitung des Nutzholzes und nach dessen Sicherung
vor Verderben geht man an die Aufbereitung des Brennholzes. Ganze
oder theilweise Entrindung ist hier nur nöthig, wenn Käferbrut vor-
handen ist.
Alles Spaltholz soll zum Zwecke besseren und rascheren Aus-
trocknens kleiner gespalten werden, als es sonst gewöhnlich üblich ist.
Namentlich Raupenholz darf nicht ungespalten, rund in die Stösse
geschichtet werden, deshalb ist auch das sogenannte Knüppel- oder
Prügelholz zu spalten, welches sonst gewöhnlich ungespalten bleibt.
Alles gespaltene Holz soll erst einige Zeit an der Luft, womöglich
in der Sonne liegen, ehe es aufgeschichtet wird, damit es vorher gut
austrockne. Bei Schichtung der Stösse selbst sind dann ganz besonders
jene Vorsichtsmassregeln zu beachten, welche im Allgemeinen die Rück-
sicht auf eine gute Austrocknung bedingt. Man schichte weder im Walde,
noch auf Vorrathsplätzen zu grosse Massen zusammen und stelle die
Stösse auf Unterlagen.
Bietet sich die freilich leider seltene Gelegenheit, das frisch ge-
fällte Holz, sei es Langnutzholz oder Spaltholz, wenn es nicht bald
verkauft werden kann, sondern in Vorrath längere Zeit liegen bleiben
muss, selbst ungeschält, sogleich in das Wasser zu werfen, so thue
man es, weil die Erfahrung lehrt, dass durch das Auslaugen des Holzes
im Wasser vortheilhaft auf dessen Qualität eingewirkt wird. Ein in diesem
Sinne ebenfalls vortheilhaft wirkendes, sofortiges Triften oder Flössen
des frisch gefällten Holzes wird wegen des hohen Gewichtes desselben
selten und nur auf sehr günstigen Wasserstrassen thunlich sein.
Die gesetzliche Regelung der Bekämpfung der Forst-
schädlinge.
Die Wichtigkeit einer rationellen Bekämpfung der Forstschädlinge,
sowie die Thatsache, dass ein Wald zum Infeetionsherd für den andern
werden kann, hat in vielen Kulturstaaten den Erlass gesetzlicher Vor-
schriften hierüber hervorgerufen. Dort, wo die dem Einzelnen möglichen
Massregeln des Forstschutzes nicht mehr ausreichen, muss die Forst-
polizei eingreifen.
Diese gesetzlichen Vorschriften haben sich zu erstrecken: 1. auf
die Schonung insektenfressender, nützlicher Thiere, als wichtige Vor-
Der Einschlag d. v. Insekten getödteten Holzes. Gesetzliche Vorschriften. 237
beugungsmassregel; 2. auf Massregeln der Bekämpfung von Insekten-
schäden bei bereits eingetretener Gefahr.
Die gesetzlichen Vorschriften über die Schonung nützlicher Vögel,
in erster Reihe der Insektenfresser unter ihnen, sind nicht blos für die
Forstwirthschaft, sondern auch für Landwirthschaft, Obst- und Gartenbau
von Bedeutung. Bereits seit einer Reihe von Jahren beschäftigt diese
Frage die öffentliche Meinung und die gesetzgebenden Factoren der
Kulturstaaten.
Die Schriften des Dr. GLOGER waren namentlich die Ursache, dass
man in der Mitte dieses Jahrhunderts anfing, einen energischen Schutz für
die nützlichen Vögel zu fordern. Die widersprechendsten Ansichten machen
sich jedoch stets geltend, wenn es sich um die Lösung der schwierigen Auf-
gabe handelt, zum Zwecke dieses Schutzes Gesetze zu erlassen. Die
grösste Schwierigkeit liegt darin, dass es nicht möglich ist, Nutzen und
Schaden, welchen die verschiedenen Arten der sogenannt nützlichen Vögel
bringen, genau abzuwägen (vergl. S. 134). Selbst die nützlichsten
Insektenfresser können unter Umständen durch Vertilgung entschieden
nützlicher Insekten oder auch dadurch, dass sie sich zeitweise von
Obst und Getreide nähren, im einzelnen Falle schaden. Deshalb hat es nie
gelingen wollen, ein wirklich richtiges, allgemein anerkanntes Ver-
zeichniss der nützlichen oder der schädlichen Vögel aufzustellen, und des-
halb zeigen die bestehenden gesetzlichen Vorschriften in den verschie-
denen Ländern ganz wesentliche Unterschiede.
Einen durchgreifenden Schutz einzelner Arten kann man nicht erlangen,
weil es unrichtig wäre, bei der Bevölkerung die Kenntniss der Ormnithologie
vorauszusetzen, welche genügt, um die zu schützenden Arten von anderen zu
unterscheiden. Deshalb hat man z. B. im Königreich Sachsen durch das
Gesetz vom 22. Juli 1876 ein absolutes Verbot des Fangens und Erlegens der
kleineren Feld-, Wald- und Singvögel erlassen. Nach diesem Gesetze sind ferner
nicht mehr Gegenstand des Jagdreehts: Lerchen, Drosseln und alle kleineren
Feld-, Wald- und Singvögel, zu welchen jedoch Rebhühner, Wachteln, Becassinen,
Schnepfen und wilde Tauben, sowie die kleineren Raubvögel und alle Würger-
arten nicht zu rechnen sind. Durch Verordnung von 1878 wurden die Ziemer
und durch solche von 1882 Sperlinge, Raben, Krähen, Elstern, Dohlen und Heher
von der Schonung wieder ausgenommen. Früher wurden in Sachsen nach dem
Mandat von 1817 alle kleinen Vögel sehr richtig zur Niederjagd gerechnet.
Weniger durchgreifend verfuhr man in anderen Ländern.
In Preussen sind durch Ministerialreseripte vom 4. Februar 1860 und
18. September 1867 die Bezirksregierungen veranlasst worden, das Tödten, Fangen
und Feilbieten derin einem beigefügten Verzeichnisse aufgezählteninsektenfressenden
Vögel, sowie das Ausnehmen und Zerstören ihrer Nester ete. durch Polizeiverord-
nungen bei Strafe zu untersagen. Diese Verordnungen sind nach einem gemein-
samen Formulare abgefasst, jedoch mit den aus ihrer geographischen Lage und
sonstigen besonderen Verhältnissen sich ergebenden Modificationen. Auch bestimmt
$ 33 des Forst- und Feld-Polizeigesetzes vom 1. April 1850:
238 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
.Mit Geldstrafe bis zu 30 Mark oder mit Haft bis zu 1 Woche wird bestraft,
wer, abgesehen von den Fällen des $ 368, Nr. 11 des Strafgesetzbuches, auf
fremden Grundstücken unbefugt nicht jagdbare Vögel fängt, Sprenkel oder ähn-
liche Vorrichtungen zum Fangen von Singvögeln aufstellt, Vogelnester zerstört
oder Eier oder Junge von Vögeln ausnimmt. Die Sprenkel oder ähnliche Vor-
richtungen sind einzuziehen.”
Der hier citirte $ 368, Nr. 11 des Reichsstrafgesetzbuches, bestimmt:
„Mit Geldstrafe bis zu 60 Mark oder mit Haft bis zu 14 Tagen wird bestraft:
11. Wer unbefugt Eier oder Junge von jagdbarem Federwild oder von
Singvögeln ausnimmt.””
In Bayern verbietet eine Verordnung vom 4, Juni 1566 das Einfangen,
Tödten und den Verkauf von 32 besonders genannten Vogelarten. Diese Verbots-
bestimmungen sind auch bei der Jagdausübung zu beachten. Ausnahmen können
die Kreisregierunger zu wissenschaftlichen und Unterrichtszwecken, sowie auch im
Interesse der Landwirthschaft bezüglich einiger Vogelarten für einen bestimmten
Bezirk auf einen bestimmten Zeitraum gestatten.
In Württemberg wird durch Verordnung vom 16. August 1878 den nicht
zur Jagd gehörigen, im Freien lebenden Vögeln theils ein unbedingter Schutz
gewährt, in Folge dessen sie überhaupt nicht gefangen oder getödtet werden
dürfen, theils durch eine Schonzeit ein bedingter. Ausgenommen sind: Uhu,
Weinen, Habicht, Milane, Adler, Geier, Falken, jedoch nicht der Thurmfalke,
Elster, grosser Würger, Kolkrabe und Fischreiher. Unter bestimmten Voraus-
setzungen kann die Erlegung gewisser, nur bedingt geschützter Vögel, nämlich der
Saatkrähen, Eisvögel, Mäuse- und Wespenbussarde, Thurmfalken, Sperlinge und
Staare auen in der Schonzeit gestattet werden. Das Ausnehmen oder Zerstören
der Eier, Jungen und Nester aller bedingt oder unbedingt geschützter Vögel ist
verboten. Das Feilhalten, der Verkauf und Ankauf geschützter Vögel, ihrer Eier
und Nester ist unter Strafe gestellt. Bei einer Ueberhandnahme der nicht ge-
schützten schädlichen Vögel, und wenn die zu ihrer Erlegung zunächst befugten
Jagdberechtigten eine Verminderung nicht bewerkstelligen, kann obrigkeitliche
Ermichagine zum Vogelfang an einzelne gut prädicirte Personen in widerruflicher
Weise für bestimmte Dauer gegeben werden. Dispensationen von den Verboten
kann für wissenschaftliche und sonstige Zwecke in einzelnen Fällen das Mini-
sterium des Innern ertheilen.
In Baden ist durch Verordnung vom 1. October 1864 das Einfangen und
Tödten der heimischen Singvögel, mit Einschluss der Meisen, Lerchen, Drosseln,
Amseln und Staare, der Schwalben, Krähen, Spechte und sonstigen kleineren Feld-
und Waldvögel, welche nicht zum Jagdwild gerechnet werden, verboten. Gestattung
von Ausnahmen ist, wo dringende Gründe es erheischen, dem Ministerium vor-
behalten. Bezirks- und Ortspolizeibehörden sind ermächtigt, diese Vorschriften
auf den Schutz anderer Vögel, wie namentlich der Mäusebussarde, Thurmfalken
und Eulen, mit Ausnahme des Uhus, da auszudehnen, wo besondere Verhältnisse des
Bezirkes oder der Gemarkung dies nöthig machen. Auch $ 70 des Forstgesetzes
von 1873, neue Fassung des Gesetzes von 1833, verbietet den Fang der Meisen
und anderer Waldvögel, mit Ansnahme der zur Jagd gehörigen und der Raub-
vögel, sowie das Ausnehmen oder Zerstören der Nester derselben.
In Oldenburg erklärt das Gesetz vom 11. Januar 1873 für nützlich alle
wildlebenden, mit Ans der jagdbaren und der in einem Verzeichniss auf-
geführten Vögel, Raubvögel, Uhu, Würger, Rabenvögel und Fischreiher. In
Betreff der j jaedbaren Vögel kommen die Jagdgesetze zur "Anwendung. Das Fangen
und Tödten der nützlichen Vöcel, das Ausnehmen oder Zerstören der Eier oder
Nester derselben ist ausser in Häusern oder umschlossenen Gärten verboten. Eine
Ausnahme kann vom Ministerium, beziehungsweise von den Regierungen mit
Rücksicht auf besondere locale Umstände vom 1. Juli bis 15. Februar gestattet
werden. Verboten ist ferner der gewerbsmässige Handel mit todten und lebenden
nützlichen Vögeln und deren Eiern; ausnahmsweise ist der Handel mit Drosseln,
„Krammetsvögeln”, vom 1. October bis 8. December gestattet
Auch in Oesterreich hat sich die Gesetzgebung des Vogelschutzes neuer-
dings sehr angenommen. In den Jahren 1868 bis 1874 sind fast für jedes Kron-
Pi;
Er,
Gesetzliche Vorschriften über die Schonung nützlicher Vögel. 239
land besondere Gesetze erlassen worden, welche unter sich wesentliche Verschieden-
heiten zeigen. Schon die ältere Zeit weist dergleichen Verordnungen auf, so in
Böhmen in den Jahren 1804, 1819, 1837, 1839, 1847, 1851; in Niederösterreich
werden ältere Verordnungen 1852 von neuem kundgemacht
Am einfachsten und weitgehendsten sind die Gesetze für Steiermark, vom
10. December 1868, und für Kärnten, vom 30. November 1870. Ersteres ver-
bietet den Vogelfang, Ausnehmen der Eier und Jungen und das Zerstören der
Nester überhaupt. Das Verbot erstreckt sich nicht auf das der Jagd vorbehaltene
Federwild. Weitere Ausnahmen kennt dieses Gesetz nicht. Das Gesetz für Kärnten
lautet fast gleich, nur nimmt es noch eine Anzahl speciell benannter Raubvögel,
Adlerarten, Wanderfalke, Blaufuss-, Lerchen-, Zwergfalke, Gabelweihe, schwarzen
Milan, Hühnergeier, Sperber, Rohrgeier, Uhu, grosse und kleine Sperrelster, Dorn-
dreher, Elster, Kolkrabe aus.
Die* Landesgesetze von Salzburg, vom 18. Januar 1872, und Istrien,
vom 2. September 1870, fordern politische Bewilligung für den Fang aller jener
namentlich aufgeführten Vögel, welche sich hauptsächlich oder auch nur zum
Theile von Insekten nähren, unter Einhaltung einer Schonzeit vom 1. Februar
in Salzburg, beziehungsweise 1. Januar in Istrien bis 31. August. Besonders benannt
sind in einem Anhange alle schädlichen Vögel, deren Erlesen u. s. w. jederzeit
gestattet ist; es sind dieselben wie die im Gesetz für Steiermark genannten, unter
Zufügung der Raben- und Nebelkrähe und Weglassung des Dorndrehers.
Das Gesetz für Böhmen, vom 30. April 1870, zählt A die schädlichen,
B die hauptsächlich sich von Insekten und Mäusen und (€ die sich nur theilweise
von Insekten nährenden Vögel auf. Erstere können durch das Jagdschutzpersonal
stets in jeder Weise vertilet werden; die unter (€ genannten können mit Be-
willigung der Gemeindebehörde, des Grundbesitzers und des Jagdberechtigten unter
Einhaltung einer Schonzeit vom 1. Februar bis zum 14. September gefangen oder
setödtet werden; der Fang und das Tödten der unter D genannten Vögel ist
sänzlich verboten. Sperlinge gehören unter (©, Staare, Spechte unter DB. Aehnliche
Bestimmungen enthält das Gesetz für Galizien vom 21. December 1874.
Die Gesetze für Niederösterreich, vom 10. December 1865, Ober-
österreich, Mähren, Schlesien, Vorarlberg, Bukowina und Görz,
sämmtlich vom 30. April 1870, sowie für Krain, vom 17. Juni 1870, ver-
langen nur für den Fang speciell genannter Vogelarten, welche sich hauptsäch-
lich von Insekten nähren, die behördliche Bewilligung, die unter Einhaltung
einer Schonzeit und mit Genehmigung der Grundbesitzer ertheilt werden kann
Das Fangen und Tödten der nur zum Theil von Insekten lebenden, ebenfalls
speciell genannten Vögel ist ausser der Schonzeit nur von der Zustimmung
des Grundbesitzers abhängig. Die Schonzeit ist allgemein vom 1. Februar bis
31. August bestimmt. Die schädlichen Vögel können jederzeit gefangen und getödtet
werden.
Das Gesetz für Tirol, vom 30. April 1870, nennt, ähnlich wie oben das für
Kärnten, speeiell nur die schädlichen Vögel, welche stets gefangen und getödtet
werden können. Alle übrigen Vögel haben eine Schonzeit vom 1. Januar bis
15. September. Während der übrigen Zeit können sie, wenn der Grundbesitzer
keine berechtigte Einsprache erhebt, gegen Erlegung gewisser Gebühren gefangen
und getödtet werden. Zum Erlegen der Vögel mit Schusswaffen ist die Geneh-
migung des Jagdberechtigten erforderlich. Die Bewilligung politischer Behörden
ist nicht nöthig.
Das Gesetz für Dalmatien, vom 20. December 1874, macht das Fangen
und Tödten der zum Theil von Insekten lebenden Vögel ausser der Schonzeit,
welche vom 1. Februar bis 30. September dauert, von keiner behördlichen oder
sonstigen Bewilligung abhängig. Für Triest besteht kein Schutzgesetz.
Fast sämmtliche Landesgesetze, ausgenommen die für Galizien, Kärnten,
Niederösterreich und Steiermark, verbieten gewisse Fangarten, aber auch hier herrscht
keine Uebereinstimmung. Meist gelten als verbotene Fangarten: der Gebrauch
geblendeter Lockvögel und das Fangen mittelst Netzen, namentlich mittelst der
240 Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
Deck- und Stecknetze. Das Fangen mit klebrigen Stoffen ist in Böhmen verboten.
Dohnen sind nur in Krain ausdrücklich untersagt, Schlingen überhaupt in Istrien,
solche an Hecken und Gebüschen in Görz, Mähren, Salzburg und Vorarlberg.
Das Gesetz für Istrien untersagt jede Fangart an den stehenden Gewässern bei
herrschender Trockenheit, ierner den Fang zur Schonzeit; in Schlesien ist be-
sonders verboten das Fangen mittelst Zudecken der Wassergräben, das sogenannte
Brünnelfangen. Nur das Gesetz für Mähren verbietet das Fangen mittelst be-
täubender oder vergifteter Aesung u. s. w.
Auch in anderen Ländern ist neuerdings Manches für den Vogelschutz
geschehen. Erwähnenswerth ist z. B. das in der Schweiz erlassene Bundesgesetz
über Jagd- und Vogelschutz vom 17. September 1875. Es ist darin ein Verzeichniss
der zu schonenden Vögel gegeben; Ausnahmen sind zu wissenschaftlichen Zwecken
gestattet. Gewisse Fangmethoden, Netze, Vogelherde, Lockvögel ete. sind verboten.
Am 29. November 1875 wurde ein Vertrag zwischen Oesterreich
und Italien zum Zwecke des Vogelschutzes abgeschlossen, welcher aus sechs
Artikeln besteht, die sich indessen so sehr in Einzelheiten, namentlich bezüglich
der Fangmethoden einlassen, dass es bisher in Oesterreich noch nicht gelingen
wollte, die einzelnen Landesgesetze mit diesem Vertrag in Einklang zu bringen.
Auch der deutsche Reichstag beschäftigt sich seit 1876 vergeblich mit den Be-
mühungen, ein Vogelschutzgesetz zu erlassen, welches sich an diesen internationalen
Vertrag anschliessen sollte. Vorläufig verspeist man im südlichen Oesterreich und
in Italien die kleinen nützlichen Vögel mit und ohne Polenta nach wie vor. Nach
der genauen Zählung von VArron kamen im Herbste 1883 allein zu Udine we-
nigstens 140.000 Stück Vögel, und zwar meist kleine Singvögel auf den Markt.
[,Monatschr. d. deutsch. Vereines z. Schutze d. Vogelwelt’”, 1884, Nr. 1].
Ein wirklich durchführbarer internationaler Vertrag dürfte nur
aus einem einzigen Artikel bestehen, welcher ähnlich dem ersten
Artikel des österreichisch-italienischen Vertrages lauten müsste, nämlich:
„Die Regierungen beider Theile verpflichten sich, im Wege der Ge-
setzgebung Massregeln zu treffen, welche geeignet sind, den für die Boden-
kultur nützlichen Vögeln den thunlichsten Schutz zu gewähren.”
Alles Weitere ist vom Uebel, denn nirgends ist das Beste so
sehr des Guten Feind, wie hier. Die Einzelheiten müssen wegen zu
grosser Verschiedenheit der localen Verhältnisse den einzelnen Gesetz-
gebungen überlassen bleiben. Wo es irgend durchführbar, wäre
es angezeigt, sämmtliche Vögel zum Gegenstand des Jagd-
rechtes zu erklären, wie dies auch BorGGrREVE und v. HomEyver
wollen, geeignete Schonzeiten zu bestimmen und je nach dem
localen Bedürfniss Vorschriften, beziehungsweise Verbote gewisser
Fangmethoden zu geben. Sind die Vögel Gegenstand des Jagd-
rechtes, dann hat es die überwachende Polizei nur mit den Jagd-
berechtigten, nicht mit der ganzen Bevölkerung zu thun.
Gesetzliche Vorschriften bezüglich der Bekämpfung von Insekten-
schäden bei bereits eingetretener Gefahr bestehen in vielen Kultur-
ändern. Die Nothwendigkeit, den einzelnen Waldbesitzer gegen die gefähr-
lichen Folgen der Nachlässigkeit der anderen in privat- und allgemein-
wirthschaftlicher Hinsicht zu schützen, rechtfertigt hier einen gesetzlichen
Eingriff in das Recht der freien Gebahrung mit dem Eigenthum.
Auf specielle technische Vorschriften über die Art und Weise der
zu ergreifenden Massregeln kann sich die Gesetzgebung natürlich nicht
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Gesetzliche Vorschriften über Vogelschutz und Insektenbekämpfung. 241
erstrecken, sie hat nur zu fordern, dass bei drohender Gefahr die geeigneten
Massregeln ergriffen werden, während die Beurtheilung dessen, was als
geeignete Massregel zu betrachten sei, besonderen Sachverständigen zu
überlassen ist.
Beispielsweise seien hier einige der in Deutschland und Oesterreich gel-
tenden gesetzlichen Bestimmungen mitgetheilt.
Das Feld- und Forstpolizeigesetz vom 1. April 1880 für Preussen be-
stimmt in $ 34:
„Mit Geldstrafe bis zu 150 Mark oder mit Haft wird bestraft, wer, ab-
gesehen von den Fällen des $ 368, Nr. 2 des Strafgesetzbuches, den zum Schutze
nützlicher oder zur Vernichtung schädlicher Thiere oder Pflanzen erlassenen
Polizeiverordnungen zuwiderhandelt.”
Die hier angezogene Bestimmung des Strafgesetzbuches für das deutsche
Reich lautet:
$ 368. „Mit Geldstrafe bis zu 60 Mark oder mit Haft bis zu 14 Tagen
wird bestraft:
2. Wer das durch gesetzliche oder polizeiliche Anordnungen gebotene
Raupen unterlässt.”
Es ist eine etwas eigenthümliche Bestimmung dieses Strafgesetzbuches,
dass es nur des Raupens gedenkt, und nicht einmal klar ausspricht, welche
Raupen gemeint sind; die Vermuthung spricht für die von Liparis chrysorrhoea.
Das Recht, die oben erwähnten Polizeiverordnungen zu erlassen, beruht
zunächst auf dem Gesetze vom 11. März 1850. $ 6 desselben besagt: Zu den
Gegenständen der ortspolizeilichen Vorschriften gehören:
a) Der Schutz der Personen und des Eigenthums,
b) der Schutz der Felder, Wiesen, Weiden, Wälder ete.; und $ 11 er-
mächtigt die Bezirksregierung zum Erlass von derlei Verordnungen für ihren Bezirk.
Ferner beruht dieses Recht auf dem Gesetze vom 20. September 1867 in
Verbindung mit der Kreisordnung vom 13. December 1872, der Städte-Ordnung
vom 30. Mai 1853 und dem Gesetze über die allgemeine Landesverwaltung vom
26. Juli 1880.
Diese Polizeiverordnungen gehen mit den Strafandrohungen nicht so weit,
wie das Strafgesetzbuch und das Forstpolizeigesetz. In den Provinzen Ostpreussen,
Westpreussen, Brandenburg, Pommern, Schlesien, Sachsen kann für einen „Amts-
bezirk”, Guts- oder Stadtbezirk, der Amtsvorsteher, z. B. der Bürgermeister mit
Zustimmung des Amtsausschusses bezw. Gemeindevorstandes bis 9 Mark, mit Ge-
nehmigung des Regierungs-Präsidenten bis 30 Mark, für den „Kreis” der Landrath,
mit Zustimmung des Kreisausschusses: bis 30 Mark, für den „Regierungsbezirk’ der
Regierungs-Präsident mit Zustimmung des Bezirksrathes und ebenso für die „Pro-
vinz’’ der Oberpräsident mit Zustimmung des Provinzialrathes bis 60 Mark Geld-
strafe festsetzen. In den Provinzen Posen, Westfalen, Rheinland, Hannover,
Holstein, Hessen-Nassau konnten vor der Publication des Forstpolizei-Gesetzes
durch Polizeiverordnungen nur 9 Mark Strafandrohung für den Ortsbezirk, und
30 Mark für den Regierungsbezirk erlassen werden.
Die einzelnen Verordnungen enthalten selten nähere Bestimmungen über
Insektenvertilgung, die Befugniss zum Erlass solcher ist aber ohne Zweifel vor-
handen, nur hat der Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten in der
Verfügung vom 12. Mai 1880 angeordnet, dass behufs gemeinsamer Behandlung
der Fälle ihm die zu erlassenden Polizeiverordnungen vorher mitgetheilt werden
sollten.
Als Beispiele von solchen neueren Polizeiverordnungen sind zu nennen:
Die für den Regierungsbezirk Münster vom 6. Mai 1582 und die für den Regierungs-
bezirk Minden vom 24. April 1882. Es ist darin das Fangen etc. der insekten-
fressenden Vögel untersagt, das Raupen der Obstbäume, das Vertilgen des
Colorado-Käfers geboten.
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde, 16
242 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
Aus älterer Zeit führen wir als Beispiele bezüglicher Verordnungen an:
Die im Regierungsbezirk Potsdam aufGrund des $ 11 des Gesetzes vom 11.März1850
erlassene Verordnung vom 3. Februar 1863, betreffend die zwangsweise Vernichtung
der grossen Kiefernraupe, sowie die gegen den Maikäfer erlassenen Verordnungen in
Schleswig vom 15. März 1870, in Liegnitz vom 13. März 1867, in Bromberg vom
28. Juni 18566 und die des Amtshauptmanns zu Osterode a. H. vom 3. Februar
1579. Der Erfolg soll vielfach ein recht günstiger gewesen sein. So wird aus
Osterode mitgetheilt, dass nach Erlass der Verordnung in den 29 Gemeinden
des Amtes gesammelt, abgeliefert und dafür bezahlt wurden:
1379 1880 1881
Maikäfer .. ı.' . '.....761641), _ — Pfund
Bingerlmgent nm... 6 15221/,, 14810 z
Dafür bezahlt . . . 247.18 15221 1481 Mark.
Auch zum Schutze nützlicher Insekten finden wir eine vereinzelte
gesetzliche Vorschrift im Feld- und Forstpolizeigesetze vom 1. April 1880. Es
heisst daselbst:
$ 37. „Mit Geldstrafe bis zu 100 Mark oder mit Haft bis zu 4 Wochen
wird bestraft, wer unbefugt auf Forstgrundstücken:
2. Ameisen oder deren Puppen — Ameiseneier — einsammelt, oder Ameisen-
haufen zerstört oder zerstreut.”
Das Forstgesetz für das Königreich Bayern vom 28. März 1852, in neuer
Textirung vom Jahre 1879, bestimmt:
Art. 46. „Zeigen sich Spuren schädlicher Insekten, so sind die Vertilgungs-
und Sicherheitsmassregeln, welche die Forstpolizeibehörde auf Antrag des Forst-
amtes anzuordnen hat, unweigerlich zu befolgen.
Beschwerden gegen solche Anordnungen bewirken keinen Aufschub.
Werden dieselben nicht ungesäumt vollzogen, so hat die Forstpolizeibehörde
zu verfügen, dass die Ausführung auf Kosten des Säumigen durch das Forstamt
bewirkt werde.”
Nach Art. 77 wird der Waldbesitzer, welcher den betreffenden Anordnungen
nicht Folge leistet, mit 1':S0 bis 90 Mark bestraft.
Bezüglich der Felder, Wiesen ete. kann die Vertilgung schädlicher Insekten
auf Grund des Art. 12) des Polizeistrafgesetzbuches für Bayern vom 26. December
1571 angeordnet werden, welcher lautet:
„Einer Geldstrafe bis zu 5 Thalern unterliegt:
2. Wer den Distriets- oder ortspolizeilichen Vorschriften zuwider handelt,
durch welche den Grundbesitzern gemeinschaftliche Leistungen zum Schutze
der Fluren gegen schädliche Thiere auferlegt werden.”
Das Forstpolizeigesetz vom 8. September 1879 für Württemberg bestimmt
in Art. 12:
„Wenn einem Walde durch Naturereignisse oder schädliche Thiere Gefahr
droht, insbesondere wenn sich Spuren schädlicher Insekten zeisen, so hat der
Waldbesitzer unverzüglich nach erlangter Kenntniss von solcher Gefahr dem Revier-
oder Forstamt, in deren Dienstbezirk der bedrohte Wald liest, Anzeige zu machen.
Das Forstamt hat auf diese oder sonst ihm zukommende Anzeige nöthigen-
falls sofort die zur Abwendung oder Verminderung der Gefahr dienenden An-
ordnungen zu treffen, welche die Waldbesitzer auf ihre Kosten auszuführen haben.
Treffen die Anordnungen verschiedene Waldbesitzer, so haben diese die Kosten
nach Verhältniss des Flächengehaltes der zu schützenden Waldbestände gemein-
schaftlich zu tragen. In Streitfällen hat das Forstamt die Kostenantheile der Ein-
zelnen zu ermitteln und festzustellen.
Wird von den Waldbesitzern gegen die zum Schutze der Waldungen von
dem Forstamte angeordneten Massregeln Beschwerde an die höhere Forstpolizei-
behörde erhoben, so kann hierdurch, wenn Gefahr auf dem Verzuge haftet, der
Vollzug nicht aufgehalten werden.
Kommt ein Waldbesitzer den Anordnungen nicht ungesäumt nach, so kann
die Forstpolizeibehörde deren Ausführung neben der etwa anzusetzenden Strafe
auf Kosten des Säumigen bewirken.”
Gesetzliche Vorschriften über Insektenbekämpfung. 243
Zuwiderhandlungen gegen diese Bestimmungen werden nach Art. 20, Abs. 5,
mit Geldstrafe bis zu 150 Mark bestraft.
Das Königreich Sachsen besitzt kein Forstpolizeigesetz, dagegen wurde
ein besonderes Gesetz, den Schutz der Waldungen gegen schädliche Insekten
betreffend, am 17. Juli 1876 erlassen. Dasselbe besagt:
$ 1. „Jeder Waldeigenthümer ist verpflichtet, in seiner Waldung die zur
Abwehr und Vertilgung forstschädlicher Insekten dienenden Massregeln zu ergreifen.”
$ 2. „Ebenso ist jeder Inhaber eines Holzlagerplatzes in solcher Nähe
des Waldes, dass letzterem durch Borkenkäfer, die aus Lagerhölzern kommen,
Gefahr erwachsen kann, verpflichtet, die zur Vertileung der in den Hölzern sich
zeigenden Käferbrut dienlichen Massregeln zu ergreifen.”
Im Weiteren sind durch $ 3 als überwachende Behörden die Amtshaupt-
mannschaften, beziehentlich Kreishauptmannschaften bestimmt. Nach eingeholten
Gutachten von Sachverständigen haben sie unter Festsetzung eines Termines und
unter Androhung einer Geldstrafe bis zu 150 Mark die Ausführung der nöthigen
Schutz- und Vertilgungsmassregeln anzuordnen, im Falle der Nichtbeachtung des
Termines aber die Ausführung sofort auf Kosten des Säumigen bewirken zu lassen.
Rechtsmittel gegen solche Anordnungen haben keine aufschiebende Kraft.
Die Ortsbehörden und Polizeiorgane haben nach $ 4, sobald sie von einem
beachtenswerthen Auftreten forstschädlicher Insekten Kunde erhalten, der Bezirks-
hauptmannschaft, beziehentlich una schaft davon Anzeige zu erstatten.
Die Sachverständigen sind nach $ 5 zur Untersuchung von Waldungen oder
Holzlagerplätzen ermächtigt und er laut $ 6 für ihre Bemühungen, Reisekosten
und sonstige Auslagen Vergütung aus der es
Das badische Forstgesetz in seiner jetzigen Fassung von 1873 — die
ältere Fassung ist vom 15. November 1833 — bestimmt:
$S 69. „Wenn schädliche Insekten die Forste anfallen, so hat die Forst-
behörde — Bezirksforstei — unverzüglich die zur Vertilgung derselben nöthigen
Massregeln einzuleiten.
Müssen in besonderen Fällen die angegriffenen Stämme selbst gefällt werden,
so sind sie unverzüglich entweder aus dem Walde zu schaffen, oder die Rinde
ist davon zu trennen, und gleich jener, welche von den Stöcken abgelöst werden
muss, nebst dem nach Absonderung des Wellen- und Prügelholzes übrig bleibenden
kleineren Reisig und nebst dem unter den gehauenen Stämmen zusammengerechten
Moose im Walde zu verbrennen.”
S 2 der zugehörigen Vollzugssverordnung vom 30. Januar 1855 besagt:
„Handeln Privat- Waldbesitzer gegen die Bestimmungen der $SS..... und
57 bis 70 des Forstgesetzes, so sind dieselben unter Bezeichnung des V Srkanens
in das Frevelregister einzutragen, und dem ersten Absatz des $ 178, Art. 2, des
Gesetzes gemäss beim Frevelgerichte zu bestrafen.”
Dieser $ 178 besagt: „Die Privat-Waldbesitzer werden wegen Verletzung
derjenigen Vorschriften, an deren Beobachtung sie nach $ 88 gebunden sind,
gleich anderen Uebertretern bestraft.”
Im Grossherzosthum Weimar wurde am 4. April 1868 eine Bekannt-
machung vom Departement des Innern des Staatsministeriums erlassen, welche
die Grundbesitzer zum Sammeln und Tödten der Maikäfer und Engerlinge bei
einer Strafe bis zu 10 Thalern verpflichtet. Die Besitzer forstmässig benutzter
Grundstücke sind nach $ 2 davon ausgenommen.
Im Herzogsthum Brandeehrdte wurde 1864 ein Gesetz, betreffend die
Vertilgung der Engerlinge, erlassen. In diesem Jahre wurden dort in 155 Gemeinden
2563 Centner 66 Pfund S Loth — etwa 143 Millionen — Maikäfer mit einem Kosten-
aufwande von 6571 Thaler 2 Groschen 7 Pfennig gesammelt und getödtet.
Solche Sammlungen wurden von Zeit zu Zeit wiederholt auf Kosten der Gemeinde-
kassen angeordnet. Für die fisealischen Forsten wird festgehalten, dass nur die
an die Felder srenzende Waldfläche durch Engerlinge leide, und dass der zu
leistende Beitrag der betreffenden Fläche höchstens ein Drittel der für Acker-
land zu entriehtenden Quote betrage.
Ausserdem finden Ameisen Schutz, wie in Preussen. Das Forststrafgesetz
vom 1. April 1879 bestraft nach $ 23 mit Geld bis zu 50 Mark oder mit Haft
16*
244 Kap. VI. Enstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden.
bis zu 14 Tagen, wer „in Forsten Ameisen oder deren Puppen — Ameiseneier — ein-
sammmelt oder Ameisenhaufen zerstört.”
Das österreichische Forstgesetz vom 3. December 1852 bestimmt:
$ 50. „Auf die Beschädigung der Wälder durch Insekten ist stets ein
wachsames Auge zu richten. Die Waldeigenthümer oder deren Personale, welche
derlei Beschädigungen wahrnehmen, sind, wenn die dagegen angewendeten Mittel
nicht zureichen, und zu besorgen steht, dass auch nachbarliche Wälder von
diesem Uebel ergriffen werden, verpflichtet, der politischen Behörde bei Strafe
von 5 bis 50 fl. Conv.-M. sogleich die Anzeige zu erstatten. Zu einer solchen
Anzeige ist übrigens Jedermann berechtigt.’
$ 51. „Die politische Behörde hat unter Mitwirkung geeigneter Sachver-
ständiger sogleich in Ueberlesung zu nehmen, ob und welche Massregeln gegen die
etwa zu besorgenden Insektenverheerungen zu treffen seien, und das Nöthige, nach
früherer unverzüglicher Einvernehmung der betheiligten Waldeigenthümer und
ihres Forstpersonales, schleunigst zu verfügen. Alle Waldeigenthümer, deren
Wälder in Gefahr kommen könnten, sind zur Beihilfe verpflichtet, und müssen
den Anordnungen der politischen Behörde, welche hierin selbst zu Zwangsmass-
regeln befugt ist, unbedinste Folge leisten. Die Kosten sind von den betheiligten
W aldeigenthümern nach Massgabe der geschützten Waldflächen zu tragen.”
Der im Jahre 1878 dem Abgeordnetenhause vorgelegte Entwurf eines
neuen Forstgesetzes enthielt in den $$ 49 und 50 in etwas anderer Fassung ganz
ähnliche Bestimmungen, fügte aber im $ 5l noch sehr richtig hinzu, dass die
anzuorduenden Massregeln auch auf solche Bestände, welche nicht auf Waldboden
stocken, und auf im Bereiche der Insektenverbreitung überhaupt abgelagerte
Hölzer und daselbst befindliche Holzeinfriedungen ausgedehnt werden können.
Gegen die Borkenkäferverheerungen Anfang der Siebziger-Jahre im Böhmer-
walde wurden besondere Massreseln mit Hilfe der Gesetzgebung ergriffen. Durch
die Gesetze vom 10. April 1874 und vom 1. April 1875 wurden den Gemeinden
und Kleingrundbesitzern daselbst, welchen eigene Mittel zur schnellen Auf-
arbeitung der in ihren Wäldern vom Borkenkäfer befallenen Holzmassen oder
zur Aufforstung der betreffenden Waldflächen fehlten, zu diesen Zwecken unver-
zinsliche, in höchstens fünf Jahren zurückzuzahlende Vorschüsse im Betrage von
150 000 fl. aus Staatsmitteln gewährt. Ein Gesetz vom 23. December 1879 ver-
längerte den Termin der Rückzahlung dieser Vorschüsse vom 1. Januar 1880 an
um weitere 15 Jahre und brachte die Kosten für die Organe zur Leitung und Beauf-
sichtigung der Arbeiten im Betrage von 15 363 fl. 95 kr. zur Abschreibung.
Uebrigens wurde in Oesterreich ein besonderes Gesetz zum Schutze der
Bodenkultur gegen Raupenschäden und Maikäfer erlassen, und zwar 1868 für
Niederösterreich und Steiermark, 1570 für Böhmen, Bukowina, Görz, Istrien,
Kärnten, Krain, Mähren, Schlesien, Tirol und Vorarlberg, 1872 für Salzburg.
Dieses Gesetz verpflichtet alle Besitzer und Pächter von Grundstücken zur Er-
greifung von Vertilgungsmassregeln gegen Raupen und Maikäfer. Die Säumigen
sind mit 1 bis 10 fl. oder mit Arrest bis zu 48 Stunden zu bestrafen. Die
Gemeindevorsteher haben darüber zu wachen, dass die Betreffenden ihren
Verpflichtungen nachkommen, und gegen die Säumigen die Strafe zu verhängen.
Gemeindevorsteher, welche dies unterlassen, werden mit 10 bis 20 fl. bestraft,
welcher Betrag in die Ortsarmenkasse fliesst.
In einigen Kronländern, z. B. in Böhmen, Mähren und Schlesien, wurden
Prämien für die Einbringung von Engerlingen und Maikäfern ausgeschrieben. Die
Erfolge sind indessen den Erwartungen nicht entsprechend gewesen, wie wieder-
holte Anträge auf Erhöhung der Prämien zeigen.
KAPITEL VU.
Allgemeine Einführung in die systematische
und praktische Entomologie.
So wichtig auch für den Forstverwalter eine allgemeine Kenntniss
des Baues und der wirthschaftlichen Bedeutung der Insekten ist, so ist
in der Praxis doch vor Allem die Bekanntschaft mit den einzelnen
wichtigen Insektenarten nothwendig. Um diese zu erwerben, ist zunächst
erforderlich die Kenntniss des Insektensystemes und der Regeln, nach
welchen die Insekten wissenschaftlich benannt werden; ausserdem bedarf
der Forstmann auch einer Anleitung zum Beobachten und Sammeln
der Forstinsekten; desgleichen muss er mit den wichtigsten literarischen
Hilfsmitteln vertraut sein.
Die wissenschaftliche Eintheilung und Benennung der
Insekten.
Allgemeine Systematik. Die Klasse der Insekten wird in Ord-
nungen abgetheilt. Bei ihrer Aufstellung wird der Zoologe geleitet von
dem Bestreben, solche grössere Gruppen zu bilden, dass die Insekten,
welche in den wesentlichsten Zügen des äusseren und inneren Baues,
sowie der Fortpflanzung einander gleichen, in eineOrdnung vereinigt werden.
Eine völlige Uebereinstimmung über den Umfang, den man den
einzelnen Ordnungen zu geben hat und somit über die Anzahl der-
selben existirt nicht. Zwar sind einzelne grössere Gruppen, z. B. die
Schmetterlinge und Zweiflügler, so scharf von der Natur begrenzt, dass
sie sich ohneweiters von selbst als Ordnungen ergeben. Manche kleinere
Gruppen zeigen aber einmal so eigenthümliche Züge, dass man zunächst
geneigt ist, sie als selbstständige Ordnungen anzusehen, andererseits
stimmen wieder andere in unwichtigeren Aeusserlichkeiten derartig
246 Kap. VII. Systematische und praktische Entomologie.
überein, dass leicht die Versuchung eintritt, im Grunde unnatürliche
Vereinigungen vorzunehmen.
Beispiele nach unserer Ansicht zu weitgetriebener Vermehrung der Ordnun-
gen sind z. B. ‘die früher beliebte Aufstellung der Gruppe der parasitischen
Strepsiptera, die wir zu den Neuroptera rechnen, als eigene Ordnung, sowie
der neuerdings gemachte Versuch, die Thysanura als eigene Hauptgruppe der
Insekten von den Orthoptera zu trennen. Nach unserer Ansicht widernatürliche,
durch äussere Habitusähnlichkeiten veranlasste Zusammenziehungen einander
fernstehender Formen sind z. B. die Vereinigung der mit beissenden Mundwerk-
zeugen versehenen parasitischen Federlinge und Haarlinge, der Mallophaga, mit
den eigentlichen Läusen, den Pediculina und die mitunter versuchte Zusammen-
ziehung der eigentlichen Neuroptera mit den wohl auch als Pseudoneuroptera
bezeichneten Orthoptera amphipbiotica.
Es handelt sich daher für unseren praktischen Zweck darum,
weder allzu weitgehende Trennungen, noch auch dem jetzigen wissen-
schaftlichen Standpunkte widersprechende Vereinigungen vorzunehmen,
Wir folgen dem in den meisten neueren praktischen Insektenkunden
gleichfalls angenommenen System, welches niedergelegt ist in dem
Handbuch der Zoologie von Carus und GerSTÄcKER, II. Band,
Leipzig 1863, ohne uns in Betreff der Unterordnungen und anderen
kleineren Abtheilungen streng an dasselbe zu binden. Ausführlich aus-
einander zu setzen, warum die Vertreter der einzelnen, in diesem
System angenommenen Ordnungen wirklich als auch im inneren Bau
mit einander verwandt angesehen werden müssen, ist an dieser Stelle
nicht möglich. Es ergibt sich dies wenigstens theilweise aus der im
speciellen Theile gegebenen allgemeineren Besprechung der einzelnen
Insektenordnungen. Hier kommt es nur darauf an, diejenigen Merk-
male des Baues und der Fortpflanzung hervorzuheben, welche uns
gestatten, Definitionen für die angenommenen sieben Ordnungen auf-
zustellen.
Die wesentlichen Merkmale, nach welchen wir die Insekten-
ordnungen abgrenzen können, sind:
A. am Körper der Imago
1. die Beschaffenheit der Mundwerkzeuge,
2. dasVerhältniss derVorderbrust zuden beiden anderen Brustringen,
3. die Beschaffenheit der Flügel;
B. in Betreff der Fortpflanzung
4. die Verhältnisse der Metamorphose.
Bei der Betrachtung der Mundwerkzeuge handelt es sich zu-
nächst um die Frage, ob dieselben kauend oder saugend sind, und
in die Diagnose ist, der Kürze wegen, nur diese allgemeine Angabe
aufgenommen, obgleich, wie der specielle 'T'heil ergeben wird, die
Verschiedenheit der Ausbildung gerade der saugenden Mundtheile
wesentlich bei der Abgrenzung der Ordnungen berücksichtigt wird.
Ebenso wie die Verhältnisse der Mundwerkzeuge weitgehende
Schlüsse auf die Nahrungsweise der Insekten zulassen, so gestatten
Allgemeine Systematik. Die Ordnungen der Insekten. 247
die Verhältnisse der drei Brustringe zu einander Schlüsse
auf die Bewegungsart der Thiere.
Die Beschaffenheit der Flügel ist gleichfalls von hervorragender Be-
deutung, besonders für den äusseren Habitus der einzelnen grösseren
Gruppen. Daher kommt es auch, dass die wissenschaftlichen Bezeichnungen
der Ordnungen wesentlich von der Flügelbeschaffenheit abgeleitet sind.
So wird das Wort Orthoptera abgeleitet von öplos gerade, und rrepoyv der
Flügel, Geradflügler, und Lepidoptera von ksrts, Gen. kertöos die Schuppe und
mtepoy der Flügel, Schuppenflügler, d. h. Schmetterlinge u. s. f. Nichtsdestoweniger
dürfen wir nicht vergessen, dass das Merkmal der Flügelbeschaffenheit für die Ab-
grenzung der Ordnungen erst in zweiter Linie steht, da einmal, wollte man das-
selbe zu sehr berücksichtigen, eine grössere Zersplitterung der Ordnungen stattfinden
müsste, andererseits in allen Ordnungen Thiere vorkommen, bei denen die Flügel
verkümmern oder fehlen, die aber dennoch ihrem ganzen übrigen Bau nach un-
bedingt zwischen andere geflügelte Formen eingereiht werden müssen. Dies ist
auch der Grund, warum die früher beliebte Gruppe der Aptera aufgelöst wurde
(vergl. S. 38).
Dass wir das so wichtige Merkmal der Metamorphose in
letzte Linie stellen, geschieht nicht, weil wir seine Bedeutung unter-
schätzten, sondern weil die Verhältnisse derselben sich nicht ohne-
weiters aus der Betrachtung des Einzelthieres, sondern erst aus einer
überlieferten oder durch Beobachtung gewonnenen Kenntniss seiner
Lebensgeschichte ergeben.
Nach diesen vier Merkmalen lassen sich die Insekten in sieben
Ordnungen theilen und die Definitionen derselben folgendermassen geben:
Die Geradflügler, Orthoptera, sind Insekten mit kauenden
Mundwerkzeugen, freiem Prothorax und unvollkommener Metamorphose.
Die Netzflügler, Neuroptera, sind Insekten mit kauenden Mund-
werkzeugen, freiem Prothorax, zwei Paar häutigen, reichlich geaderten
Flügeln und vollkommener Metamorphose.
Die Käfer, Coleoptera, sind Insekten mit kauenden Mundwerk-
zeugen, freiem, stark entwickeltem Prothorax, zwei Paar Flügeln, von
denen das vordere zu Flügeldecken umgebildet ist, und vollkommener
Metamorphose.
Die Hautflügler oder Immen, Hymenoptera, sind Insekten mit
kauenden oder kauenden und saugenden Mundwerkzeugen, wenigstens dorsal
dem Mesothorax verwachsenem Prothorax, zwei Paar häutigen, verhältniss-
mässig sparsam geaderten Flügeln und vollkommener Metamorphose.
‚Die Schmetterlinge, Lepidoptera, sind Insekten mit saugenden
Mundwerkzeugen, dem Mesothorax verwachsenem, ringförmigem Prothorax,
zwei Paar häutigen, beschuppten Flügeln und vollkommener Meta-
morphose.
Die Zweiflügler, Diptera, sind Insekten mit saugenden Mund-
werkzeugen, dem Mesothorax verwachsenem, ringförmigem Prothorax, einem
248 Kap. VII. Systematische und praktische Entomologie.
Paar häutiger, wohl ausgebildeter Vorderflügel, einem Paar zu Schwing-
kölbehen verkümmerter Hinterflügel und vollkommener Metamorphose.
Die Schnabelkerfe, Rhynchota, oder Hemiptera, sind Insekten
mit saugenden Mundwerkzeugen, freiem Prothorax und unvollkommener
Metamorphose.
Die hier befolgte Aneinanderreihung der sieben Ordnungen ist
gewählt worden, einmal weil zweifelsohne die einfacheren Formen der
Orthopteren anzusehen sind als diejenigen Insekten, welche die niedrigste
Stufe der Ausbildung unter den heute lebenden Formen repräsen-
tiren, also der Urform des Insektes, aus welcher wir uns die übrigen
durch allmälige Umwandelung entstanden denken, zunächst stehen.
Ferner aber ist diese Aneinanderreihung, wenn wir dieselbe nicht
auf eine gerade Linie, sondern auf eine geschlossene Curve vertheilen,
wobei dann wiederum die siebente Ordnung neben die erste zu stehen
kommt, eine solche, dass alsdann stets diejenigen Ordnungen neben-
einander kommen, welche in den zur Diagnose verwendeten Haupt-
merkmalen übereinstimmen, und dass zugleich die Mittelstufen auch eine
Mittelstellung einnehmen. Es erhellt dies aus dem folgenden Schema:
Metamorphose unvollkommen
——
Prothorax frei
Ri Orthoptera Rhynchota
” Neuroptera Diptera
m
Pıothorax
wachsen
Coleoptera Lepidoptera
ver
Mundwerkzeuge kauend
puosngs 95n92y19Mpunm
Hymenoptera
—— m u —
nur kauende oder Prothorax nur dorsal
kauende und saugende | mit dem Mesothorax ver-
Mundwerkzeuge wachsen
Metamorphose vollkommen
Die einzelnen Ordnungen werden wieder eingetheilt in Familien,
Gattungen und Arten, auch werden ausserdem häufig Unter-
ordnungen, Zünfte, Untergattungen und Varietäten unterschieden,
Dass alle diese Gruppen lediglich aus praktischen Rücksichten
gebildet werden, um sich in der Fülle der vorliegenden Formen
orientiren zu können, erhellt am besten aus folgender Thatsache:
Für die bekannte charakteristische Käferform der „Rüsselkäfer”
gründete Liwxt die Gattung Curculio und rechnete im Jahre 1772 zu
ihr nach der XII. Ausgabe seines „Systema naturae’’ 98 Arten. In dem
„Systema entomologiae’” unterscheidet FAgrıcıus 1775 bereits 152 Arten
und diese sind im Jahre 1792 in seiner „Entomologia systematica”
bereits angewachsen auf 405 Arten, aus allen Welttheilen zusammen-
genommen. Die Forschungen der letzten 90 Jahre haben nun diese
Allgemeine Systematik und Nomenclatur. 249
Formen so vermehrt, dass heutzutage nach Ausweis der neuesten
Auflage des „Catalogus Coleopterorum Europae et Caucasi’”’ von 1883
allein aus dem europäischen Faunengebiete, einschliesslich
des Kaukasus 2660 Arten des Genus Curculio im Linx#’schen Sinne
bekannt sind, ganz abgesehen von den vielen Varietäten.
Dafür ist aber auch aus den wissenschaftlichen Entomologien
das Genus Curculio L. überhaupt verschwunden und hiefür die
Familie der Curculionidae gebildet worden, im Ganzen über 10 000
Arten mit über 1100 Gattungen umfassend, von welch letzteren auf
die europäische Fauna allein 204 kommen.
Es sind daher auch die Gattungen Gruppen von relativem
Werthe, welche, je nach der Entwicklung der Wissenschaft, Verände-
rungen unterliegen können, mit Recht aber nur insoweit, als eine
zu gross werdende Gattung in Untergattungen getrennt, beziehungs-
weise von einer, heterogene Formen umschliessenden, Gattung eine
andere neue Gattung abgezweigt werden darf. Aber auch diese Ver-
änderungen sollten nur im Nothfalle vorgenommen werden.
Als noch viel beständiger muss vom systematischen Standpunkte
aus die Art angesehen werden. Allerdings ist es bei dem jetzigen
Stande der zoologischen Wissenschaft nicht möglich, genau zu definiren,
was man unter „Art’ versteht, und es ist eine völlig unabweisbare
Consequenz der Descendenztheorie, dass auch die Art etwas Veränder-
liches ist. Nichtsdestoweniger kommt für systematische Zwecke diese,
wenn eintretende, nur in sehr langen Zeiträumen sich äussernde
Variabilität nicht in Frage, und die Feststellung der Merkmale der-
jenigen Formenkreise von Individuen, welche wir als „Arten” be-
zeichnen, d. h. der Gesammtheiten solcher Individuen, die
einander in allen wesentlichen Merkmalen völlig ähneln
und gleiche Nachkommenschaft erzeugen, bildet den Inhalt
der beschreibenden Zoologie, beziehungsweise Entomologie.
Nomenclatur. Zur kurzen Bezeichnung jeder grösseren Gruppe,
sei es Klasse, Ordnung, Familie oder Gattung, bedient man sich eines
lateinischen Namens. Die wissenschaftliche Bezeichnung der Art setzt
sich dagegen nach Linn®’s Vorgang zusammen aus zwei lateinischen
Namen, einem Gattungs- und einem Artnamen, welche sich in gewisser
Beziehung verhalten wie Familien- und Vorname bei den Menschen. Ist
nun, wie wir oben erfuhren, der stets vorauszustellende Gattungsname
nieht absolut unveränderlich, so ist doch nach den heute allgemein an-
genommenen Regeln der Nomenelatur der Artname, der einem Thier
einmal gegeben worden, völlig unveränderlich, und man fügt, ge-
wöhnlich in Abkürzung, den Namen desjenigen Schriftstellers hinzu,
welcher diesen Namen gegeben hat.
Der Curculio notatus des Fagrıcrus wird also heute gewöhnlich
als Pissodes notatus Fagr. bezeichnet, weil die ursprüngliche Gattung
250 Kap. VII. Systematische und praktische Entomologie.
Curculio als zu sehr angewachsen (vergl. S. 249) zur Familie erhoben
und der besseren Gruppirung wegen in viele Gattungen getheilt worden
ist. Sollten nun fernerhin die Arten der Gattung Pissodes — was
übrigens sehr unwahrscheinlich ist — sich derartig durch neue Ent-
deckungen vermehren, dass man aus Zweekmässigkeitsrücksichten eine
weitere Trennung dieser Gattung in zwei vornehmen müsste, so könnte
zwar der „kleine braune Rüsselkäfer” einmal seinen Gattungsnamen
Pissodes verlieren; dagegen müsste er immer den Artnamen „notatus”,
und zwar unter Beifügung des Namens des Autors, der ihm den-
selben gegeben, also „motatus Farr.” behalten. Beruht doch nur auf
dieser Regel die Möglichkeit, sich wissenschaftlich darüber zu
verständigen, welche Thierform mit einem bestimmten Namen be-
zeichnet wird.
Da Irren nun aber einmal menschlich ist, so ist es vorgekommen
und kommt noch vor, dass gegen die letztere Regel gesündigt wird,
d. h. dass aus Versehen ein einmal vergebener Name in einer fol-
genden Schrift nicht demjenigen T'hiere beigelegt wird, dem ihn der
ursprüngliche Beschreiber gab, sondern einem Verwandten. Sowie
dieser Irrthum nun entdeckt wird, so muss er corrigirt werden, und
zwar, um nicht die ganze Grundlage unserer wissenschaftlichen Nomen-
clatur fraglich zu machen, sogar dann, wenn sich der falsche Name
bereits in irgend welchen Kreisen eingebürgert hat. Eine solche Aen-
derung ist dann nicht eine willkürliche Neuerung, wie Laien denken,
sondern eine nothwendige Wiederherstellung des alten Zustandes. Das
in forstlichen Kreisen bekannteste Beispiel hierfür ist das des grossen
braunen Rüsselkäfers. Diesen hatte Lmms Curculio Abietis getauft,
dagegen den einen der kleinen braunen Rüsselkäfer Curculio Pini.
RaArzegurgG verwechselte nun die Thatsache und bezeichnete den
grossen braunen Rüsselkäfer als Curculio Pini, den kleinen da-
gegen als Curculio Abietis. Trotzdem nun aber vermöge der ungemein
weiten Verbreitung der Rartzegurg’schen Werke der Name Curculio
Pini sich für den berüchtigten Kulturverderber in der Forstwelt ein-
gebürgert hatte, musste derselbe doch verlassen werden, sobald bemerkt
wurde, dass hier ein Irrthum vorliege, und es heisst daher, seitdem
SCHÖNHERR das Genus Hylobius und GxrMmAr das Genus Pissodes
für die hier in Frage kommenden Thiere von dem ursprünglichen
Genus Curculio abgetrennt haben, der grosse braune Rüsselkäfer Hylobius
Abietis L., der hier in Frage kommende kleine braune Kiefern-Rüssel-
käfer hingegen Pissodes Pini L., und diese berechtigte Wiederherstellung
ist neuerdings auch in den forstzoologischen Werken, die lange Rarze-
BURG’S Autorität ausschliesslich folgten, zu ihrem Rechte gekommen.
Die 'T'hatsache, dass übrigens vielfach auch in rein wissen-
schaftlichen Werken gegen diese Regeln theils direet gesündigt wurde,
theils Thiere, die schon bekannt und benannt waren, von dieses Um-
standes unkundigen Schriftstellern als neu beschrieben und selbstständig
zum zweitenmale benannt wurden, ist Schuld daran, dass man häufig
bei einem Insekte mehrere Namen angeben muss. Wir werden diese
Nomenclatur. 351
Synonyme im speciellen Theile auf das thunlichst geringe Mass zurück-
zuführen suchen.
Ist es daher auf das dringendste geboten, auch in praktisch-entomo-
logischen Werken den von der Wissenschaft festgestellten Speciesnamen
anzuerkennen, so liegt andererseits die Frage, welchen Gattungs-
namen man hier zu wählen habe, durchaus nicht ebenso klar, schon
darum, weil dieser, wie oben gezeigt, auch in den rein wissenschaft-
lichen Büchern nicht unveränderlich ist. RaTzegurg hat in der 6. Auflage
dieses Buches meist den Familien- als Gattungsnamen gebraucht.
Während z. B. allgemein bereits damals die kleine Kiefern-
blattwespe Lophyrus Pini L. genannt wurde, nennt er dieses zu
der Familie der Blattwespen, Tenthredinidae, gehörige Thier noch
Tenthredo Pini L. Dieses Verfahren trägt doch den Anforderungen der
Wissenschaft etwas zu wenig Rechnung und erschwert auch die Orien-
tirung für Denjenigen, welcher sich über diese oder jene Gattung
in entomologischen Büchern genauere Auskunft holen will, als die
Waldverderber geben können. Will man andererseits alle diejenigen
Gattungsnamen aufnehmen, die in den neuesten Insektenkatalogen
von den beschreibenden Entomologen aufgestellt wurden, so läuft man
Gefahr, den Praktiker überhaupt der Segnungen der binären lateinischen
Nomenelatur zu berauben. Diese bestehen ja darin, dass der Gattungs-
name sofort die Vorstellung einer grösseren Gruppe mit gemeinsamen
Merkmalen weckt, zu welcher das oder die durch beigefügte Art-
namen unterschiedenen Thiere gehören. Die Namen Felis Leo, Felis
Tigris, Felis Lynx besagen, dass Löwe, Tiger und Luchs gemeinsam
dem Katzengeschlechte, der Gattung Felis, zugehören. Schafft man
dagegen, wie dies neuerdings geschehen, für jede dieser Formen eine
Untergattung, und nennt den Löwen Leo barbarus, den Tiger Tigris
regalis, den Luchs Lynx vulgaris, so wird — abgesehen davon, dass
dieser Vorgang den oben angeführten Regeln gemäss unserer Ansicht
nach ganz unstatthaft ist — zwar der Specialist hierdurch seiner
Anschauung Ausdruck geben können, dass Löwe, Tiger, Luchs zu
gesonderten Gruppen der Katzenfamilie gehören, dagegen ist der zu-
nächst wichtige Eindruck, dass wir es mit Katzenarten zu thun
haben, völlig verwischt.
Um nun in Betreff der Nomenclatur die directen Bedürfnisse des
praktischen Forstmannes und die Ansprüche der Wissenschaft mit ein-
ander zu vereinigen, soll in dem speciellen Theile folgender Weg ein-
geschlagen werden:
1. Es wird auf das strengste jede Art mit dem wissenschaftlich
richtigen Artnamen bezeichnet werden.
2. Es werden die Gattungsnamen so gewählt, dass nicht etwa
jede neueste, auf kleinen Unterschieden beruhende Untergattung ange-
nommen wird, sondern nur solche Hauptgattungen, welche sich mit den
352 Kap. VII. Systematische und praktische Entomologie.
dem praktischen Forstmanne zu Gebote stehenden, einfachen Unter-
suchungsmitteln bestimmen lassen.
3. Damit aber sowohl ein Vorwärtsforschen in rein entomologischen
neueren Werken, als auch ein Zurückgehen auf Rarzegurc erleichtert
werde, wird bei allen wiechtigeren, genauer besprochenen Formen, hinter
dem in diesem Buche nach den eben gekennzeichneten Grundsätzen
gewählten Namen zugefügt werden:
a) der Name, unter welchem sie in dem neuesten wissenschaftlichen
Katalog der betreffenden Gruppe aufgeführt ist, so z. B. bei den
Käfern in dem „Oatalogus Coleopterorum Europae et Caucasi” von
L. v. Heyoen, R. Reiter u. J. Weise, Berlin 1883;
b) der Name, den sie in Rarzegurg’s grossem Werke „Die Forst-
insekten” |V.], oder in den seiner „Waldverderbniss” [XV.] bei-
gegebenen Nachträgen trägt.
Folgendes Beispiel möge dies erläutern:
Der eine grössere Fichtenbastkäfer wird bezeichnet werden als:
Hylesinus glabratus ZETT.
Cat. Col. Eur. 1883: Hylastes glabratus Zerr.
Rarzee. Forstinsekt.: Hylesinus decumanus Er.
Wir verwahren uns übrigens ausdrücklich gegen die Annahme, als
glaubten wir etwa auf diese Weise eine vollständige Synonymie zu geben.
Es soll vielmehr lediglich dem Fortgeschrittenen, wie dem auf älteren
Standpunkte Stehengebliebenen die Anknüpfung erleichtert werden.
Für Art, Gattung und Familie haben sich auch deutsche Namen
eingebürgert, die man leider nicht ganz fallen lassen kann. Sind auch
manche deutsche Namen etwas bezeichnender als die lateinischen, so
leiden sie doch oft an dem grossen Fehler, nur Provineialismen zu sein.
Wo die Fichte vorherrscht, pflegt man z. B. Hylobius Abietis L. den
Fichtenrüsselkäfer, in Kiefergegenden Kiefernrüsselkäfer zu nennen.
Gegen solche Uebelstände vermag aber kein Autor anzukämpfen; deshalb
müssten wir es eigentlich für einen Fortschritt halten, wenn auch in
der Praxis nur die lateinischen Namen angewendet würden. Schwer ist
das nicht, selbst die gewöhnlichsten Waldarbeiter merken sich solche
Namen leicht. Trotzdem haben wir indessen die Ratzerurg’schen und
andere deutsche Namen festgehalten, weil sie sich unter den Forstwirthen
sehr eingebürgert haben.
Die eben dargeleste lateinische Bezeichnung der Einzelart wird als die
Lins®’sche binäre Nomenelatur bezeichnet. Mitunter hat man versucht, die-
selbe durch eine dreifache, ternäre zu ersetzen, indem man noch den Namen
einer grösseren Gruppe, also’ z. B. den der Familie, vorsetzte. Dies ist besonders
Nomenclatur. Bestimmung der Forstschädlinge. 253
in den älteren Schriften Rarzesurg’s für die Schmetterlinge geschehen. So nennt
er den Kiefernspinner Phalanea Bombyx Pini, um anzudeuten, dass derselbe zu
den Nachtschmetterlingen, seinen Phalaenen, gehört. Dieser Gebrauch ist in der
wissenschaftlichen Literatur, als zu complieirt, völlig verlassen worden und sollte
auch in den forstlichen Büchern, in denen er ausnahmsweise noch spukt, ver-
schwinden. Als ein unwissenschaftlicher, aber für die Praxis nicht gerade zu
verwerfender Gebrauch ist ferner die Weglassung des Gattungsnamens zu erwähnen.
So bezeichnet man häufig den Tomicus typographus kurzweg als „typographus”,
den Pissodes notatus als „notatus”, u. s. f. Bei den allergewöhnlichsten Formen
mag das zum Gebrauche für den Unterbeamten und Waldarbeiter angehen, als
richtig kann man es nicht ansehen.
Das Bestimmen der Forstschädlinge und die Anlegung von
forstentomologischen Sammlungen.
Die Bestimmung des Urhebers eines forstlichen Insektenschadens.
Im speciellen Theile dieses Buches werden alle bisher als sehr und
merklich forstschädlich erkannten Insekten, sowie auch der grössere
Theil der unmerklich schädlichen so genau beschrieben, dass es dem
Forstmanne möglich wird, sicher zu entscheiden, ob ein von ihm ge-
fangenes Insekt, in welchem er diesen oder jenen Forstschädling ver-
muthet, dieser wirklich auch ist oder nicht. Hat er also z. B. einen
Rüsselkäfer gefangen, den er für den Harzrüsselkäfer, Pissodes herceyniae,
hält, so kann er, falls diese Vermuthung richtig, sich Gewissheit ver-
schaffen; wenn dies nicht der Fall ist, er aber doch nicht allzu falsch
rieth, auch wohl ausfindig machen, welchen verwandten Schädling er
fälschlich für den Harzrüsselkäfer ansah.
Dagegen reichen die Angaben des speciellen Theiles durchaus
nicht aus, etwa jedes im Walde gefangene Insekt nun auch wirklich
zu bestimmen. Ueberhaupt ist die sichere Bestimmung eines beliebigen
einheimischen Insektes durchaus keine so leichte Aufgabe, als der Laie
es sich gewöhnlich denkt. Für den praktischen Forstmann handelt es
sich aber auch durchaus nicht um eine solche directe Bestimmung,
sondern vielmehr darum, eine entdeckte Beschädigung an Holz-
pflanzen auf ihren Urheber zurückzuführen.
Die Art der Beschädigung wird es also sein, von welcher er zu-
nächst auszugehen hat, und zur Erkennung des Schädlings nach den
Kennzeichen des Frasses leitet der dritte, aus Hilfstabellen bestehende
Theil dieses Buches an.
Mit der Durchsicht dieser Tabellen ist also in jedem zweifel-
haften Falle zu beginnen, und sehr häufig werden die daselbst auf-
geführten Kennzeichen bereits vollständig genügen, um den Urheber
des Schadens sogar daun sicher anzusprechen, wenn er bereits die
254 Kap. VII. Systematische und praktische Entomologie.
Stätte der Beschädigung verlassen hat und dem Forstmanne nicht
mehr in die Hände fiel.
Ist letzteres aber der Fall, hat der Forstmann den Schädling in
Händen, so werden die in den Tabellen gegebenen Verweisungen auf
den speciellen Theil es meist möglich machen, völlige Gewissheit
über Namen und Lebensgeschichte zu erlangen. Trotzdem könnte
es aber doch einmal vorkommen, dass alle in diesem Buche nieder-
gelegten Angaben nicht genügten, um einen Frass oder ein schädigendes
Insekt sicher zu erkennen. Es kann dies aber nur in dem Falle ein-
treten, wenn ein bisher völlig unbeachtet gebliebener und als völlig
gleichgiltig angesehener Bewohner eines unserer Waldbäume sich aus-
nahmsweise einmal so vermehrt, dass er in diesem einen Falle
als merklich schädlich angesprochen werden müsste. Alsdann ist
natürlich eine Bestimmung nach Frasskennzeichen nicht ausführbar,
und es ist nur dann auf eine sichere Bestimmung des Urhebers zu
rechnen, wenn der Beobachter das gefangene T'hier, resp. dessen
Jugendstadien, an einen Fachmann einsendet. Sind nur Jugendzustände
gefangen worden, so wird häufig auch der Fachmann nur dann sichere
Auskunft geben können, wenn er dieselben lebend erhält und im Stande
ist, die Imago zu erziehen, denn ausser bei den Schmetterlingen, sind
die Jugendzustände unserer Insekten durchaus nicht vollständig be-
kannt, und es dürfte nur wenige Forscher geben, die z. B. die Larve
eines Bockkäfers sicher der Art nach bestimmen können.
Die Anlage von forstlichen Insektensammlungen. Nach unseren
Erfahrungen wird nur Derjenige die Forstinsekten mit Sicherheit kennen
lernen, welcher sich einen entomologischen Blick dadurch erwirbt, dass
er sich mit irgend einer Insektengruppe speciell beschäftigt. Es ist daher
dem angehenden Forstmanne nicht genug zu empfehlen, sich eine kleine
Insektensammlung anzulegen, und zwar sind, wenn es nur auf den eben
angedeuteten Zweck der Schärfung des entomologischen Blickes ankommt,
die Käfer als Sammelobjecte am meisten zu empfehlen.
Wir geben daher hier einige kurze Andeutungen über das Insekten-
sammeln, müssen aber ausdrücklich bemerken, dass dieselben durchaus
nicht für Entomologen bestimmt sind, sondern für Leute, welche das
Sammeln als unentbehrliches Mittel zu praktischen Zwecken betrachten,
und können daher Anweisung zu schwierigeren Methoden der Aufbewahrung,
z. B. eine Anleitung zum Spannen der Schmetterlinge, zum Anstecken
besonders kleiner Insekten auf Silberdraht oder sogenannte „Minutien-
nadeln” u. s. f. hier nicht geben. Wer eingehender sammeln will, wird
sich am besten mit einem erfahrenen Sammler in Verbindung setzen,
oder einer guten, ausführlichen, gedruckten Anleitung folgen müssen.
Als solche möchten wir beispielsweise die im „Naturaliensammler”, Leipzig,
Verlag von Otto Spamer, enthaltene, von dem verstorbenen v. KIESENWETTER ver-
fasste Anweisung zum Insektensammeln bezeichnen.
Bestimmung der Forstschädlinge. Forstliche Insektensammlungen. 2355
Auch in der „Praktischen Insektenkunde” von TascHENnBERG [XXI] sind
sehr gute Anleitungen enthalten.
Tödtung der Insekten. Die Käfer lassen sich am leichtesten
sammeln; man wirft sie in ein mit starkem Brennspiritus gefülltes
Fläschchen. Will man jedoch behaarte Käfer, z. B. Cicindela, Melolontha
u. s. f., gut präpariren, so muss man sie freilich, ebenso wie alle In-
sekten mit weichen Flügeln, welche im Spiritus leiden, auf trockenem
Wege tödten. Am schnellsten kommt man mit dem seiner Gefähr-
lichkeit wegen allerdings vorsichtig zu behandelnden Cyankalium
zum Ziele. In ein mit Papierschnitzeln gefülltes Fläschehen gibt
man ein in Papier gewickeltes Stück, etwa von der Grösse eines
Schrotes Nr. 4; dies reicht für viele Tage hin. Manche Farben leiden
allerdings durch das Cyankalium, so das Gelb vieler Hautflügler.
Will man einen noch sichereren Verschluss des Cyankaliums haben,
so legt man das Stückchen auf den Boden eines weithalsigen Fläsch-
chens, bedeckt es mit trockenem Gipspulver und giesst dann schnell
eine Lage mit Wasser angemachten Gipses darauf. Dieser erhärtet
bald, desgleichen zieht auch der darunter liegende trockene Gips
Feuchtigkeit von oben an, und es bildet nun das Ganze eine feste
Masse, die vor jeder unerwünschten Berührung mit dem Oyankalium
schützt, während die Dämpfe desselben durch die poröse Gipsschicht
durchdringen und alle in die Flasche gebrachte Insekten tödten. Damit
diese nicht zu sehr durcheinandergerüttelt werden, bringt man
einige zusammengeknäuelte lange Löschpapierschnitzel in das Glas.
Weniger sicher tödten, aber auch weniger gefährlich sind Schwefel-
äther oder Chloroform. Man schüttet 10 bis 20 Tropfen auf die Lösch-
papierschnitzel und sie behalten in gut verkorktem Fläschehen während
mehrerer Stunden ihre tödtende, wenigstens betäubende Wirkung. Gut
ist es, vor dem Herausnehmen der Insekten noch einmal frische Tropfen
in das Fläschchen zu geben, um das Wiedererwachen der angesteckten
Thiere zu verhindern. Um den Kork des Fläschehens nicht zu oft
öffnen zu müssen, bringt man durch denselben eine Federspule mit
Holzstöpsel und steckt kleinere Insekten durch diese in die Flasche.
Lebendig in Flaschen mit Löschpapierstreifen nach Hause gebrachte
Käfer tödtet man am besten durch Versenken der Flasche in kochendes
Wasser. In kleinen Reagenzgläschen untergebrachte kann man leicht
und schnell durch kurzes, vorsichtiges Erhitzen über der Lampe oder
dem Lichte tödten, Für grössere Schmetterlinge empfiehlt sich das
Anspiessen der lebenden Thiere und sofortiges, vorsichtiges, seitliches
Drücken des Thorax. Hierauf werden sie am besten unter einer
kleinen Glasglocke mit Aether betäubt und getödtet. Letzteres kann auch
erst auf dem Spannbrett geschehen. Kleinschmetterlinge, z. B. Wickler,
gibt man lebendig in kleine, flache Pappschächtelchen, deren Deckel
- mit Hilfe einer starken Nadel durchlöchert ist; einige auf letzteren
gegossene Tropfen Aether genügen, um das Thier zu betäuben oder
zu tödten, worauf man es leicht an die Nadel bringen kann, ohne
es zu beschädigen.
256 Kap. VII. Systematische und praktische Entomologie.
Die Zubereitung für die Sammlung. Die getödteten Insekten
werden auf Nadeln gespiesst. Gewöhnliche Stecknadeln sind zu diesem
Zwecke nicht zu empfehlen, vielmehr erwerbe man besondere Insekten-
nadeln von eirca 4 cm Länge, in zwei bis drei verschiedenen, den
verschiedenen Insektengrössen angepassten Stärken. Beim Anspiessen
wird das Insekt ohngefähr zu zwei Drittel bis drei Viertel der Nadel-
höhe emporgeschoben.
Soll eine Sammlung sauber aussehen, so hat man darauf zu
achten, dass sämmtliche Insekten in gleicher Höhe angespiesst sind.
Grössere Käfer und meistenstheils auch Wanzen werden von obenher
durch die rechte Flügeldecke aufgesteckt. Bei allen anderen grösseren
Insekten, z. B. Schmetterlingen, Hautflüglern, Fliegen u. s. f., wird die
Nadel durch den Thorax gestochen. Kleine Insekten klebt man mit
Gummi auf 6 bis 8 mm lange, an der Basis 3 mm breite, dreieckige
Schnitzel von starkem Papier; auf die Spitze des Drei-
eckes kommt das Insekt, an der Basis wird die Nadel
durchgestochen (Fig. 106). Gut ist es, einige Exemplare
verkehrt, d. h. mit dem Rücken aufzukleben, damit man
auch die Unterseite vollständig betrachten kann.
Sehr empfehlenswerth ist es, auf kleinen, unterhalb
des Insektes angespiessten Etiquetten Fangzeit, Fundort
und sonstige Bemerkungen zuzufügen. Auch verschieden-
farbige Papierblättchen, die am besten mit einem kleinen
Locheisen ausgeschlagen werden, können dazu dienen,
Insekten von verschiedenen, vom Sammler häufiger be-
BE — suchten Gegenden auseinanderzuhalten (vergl. Fig.106).
Fig. 106. Auf ein Aufbewahrung und Erhaltung der ge-
Papierdreieck sammelten Insekten. Zur Aufbewahrung gehören
aufgeklebter Kä- dicht schliessende Holzkasten, etwa 40 cm lang,
fer mit Fundbe- ; i
ie 30 cm breit und 6 em hoch, mit Glasdeckel. Am besten
ist es, den Boden mit einer dünnen Korklage zu über-
ziehen, oder ihn aus sehr weichem Linden-, Weiden- oder Pappelholz
herstellen zu lassen, um die langen Nadeln, am sichersten immer mit
einer kleinen Drahtzange, leicht und fest einstecken zu können.
Der beste Verschluss ist der mit doppeltem, gut gearbeitetem Falze.
Es genügt aber nicht, sich eine Sammlung anzulegen, dieselbe
ınuss vielmehr auch bewahrt werden. Die ärgsten Feinde derselben
sind Staub, Licht, Feuchtigkeit und Raubinsekten. Der Staub wird
durch gut gearbeitete Kästen abgehalten, das Licht, welches die
Farben ausbleicht, durch Einschliessen der Sammelkästen in dunkle
Schränke oder Bedecken ihrer Glasscheibe mit einem Vorhange oder
Pappdeckel. Gegen die Feuchtigkeit wahrt man sich durch pas-
sende Wahl des Aufstellungsortes, wobei besonders feuchte Zimmer zu
vermeiden sind. Auch das Aufstellen der Sammelkästen an Aussen-
mauern, besonders an der Wetterseite gelegenen, ist sehr schädlich. Die
Feuchtigkeit schadet den Insekten übrigens nicht allein direct, sondern
besonders durch Begünstigung der Schimmelvegetation. Schimmel ist
Anlegung forstlicher Insektensammlungen. 257
die sichere Folge einer feuchten Aufbewahrung und zerstört eine
Sammlung unfehlbar. Bei rechtzeitiger Wahrnehmung der Gefahr
kann Trocknen der Insekten und nachträgliches Abpinseln mit Spiritus
oder Benzin bei nicht behaarten oder beschuppten Thieren wohl noch
einmal helfen.
Die schlimmsten thierischen Feinde der Sammlung sind
Milben, Holzläuse, Larven der Käfergattungen Anthrenus und Der-
mestes, sowie Motten. Dieselben können in einen Kasten nur dann
eindringen, wenn derselbe nicht gut schliesst oder öfters offen gelassen
wird. Beides ist sorgfältig zu vermeiden. Sind auf diese Weise oder
durch infieirte, aus einer fremden Sammlung übernommene Exemplare
solche Schädlinge eingeschleppt worden, was man an ihren auf dem
Boden des Kastens sich anhäufenden Kothresten, dem sogenannten
Wurmmehl, bemerkt, so sind dieselben zu tödten. Sicher wirkt eine
längere, mässige Dörrung der Insekten, oder aber bei unbehaarten
Thieren ein Einwerfen derselben in Spiritus, oder das Eingiessen einer
kräftigen Poıtion gut gereinigten Benzins, welches man allmälig
in dem wohlverschlossenen Kasten verdunsten lässt.
Häufig schützt man auch die Sammlungen durch Einbringen einer
stark riechenden oder giftigen Substanz in die Kästen. In früheren
Zeiten bediente man sich hierzu des metallischen Quecksilbers, welches
man frei auf dem Boden des Kastens umherlaufen liess. Seiner Ge-
fährlichkeit wegen ist dies Mittel durchaus zu verwerfen, und man
verwendet jetzt meist kıystallisirtes Naphthalin, welches in jeder
Droguenhandlung oder Apotheke billig zu haben ist. Dieses wird am
besten in einer kleinen, durchlöcherten, auf dem Boden des Kastens
festgeleimten oder festgesteckten Schachtel angebracht. Das Beste ist und
bleibt fleissige Benutzung und Revision der Sammlung. Endlich sei
noch erwähnt, dass es ganz fehlerhaft ist, Sammlungen in Glaskästen
an der Wand aufzuhängen, wie es so oft geschieht, weil das Licht
allmälig die Farben, namentlich die vieler Schmetterlinge, zerstört.
Zucht der Insekten. In sehr vielen Fällen wird aber gerade
für den praktischen Forstmann das Sammeln allein nicht genügen.
Eine grössere Anzahl der für ihn wichtigen Thiere sind auf diese
Weise nicht leicht zu erbeuten, z. B. viele Borkenkäfer, Buprestiden
u. s. f. Desgleichen sind die einfach draussen im Walde gefangenen
Schmetterlinge häufig bereits so stark abgeflattert, dass sie für eine
Sammlung nicht taugen. Dagegen sind viele dieser Thhiere leicht zu
erziehen.
Am leichtesten geht dies bei allen das Holz und die Rinde be-
wohnenden Käfern, Schmetterlingen, Holzwespen u. s. f. Trägt man
Stammstücke oder Aeste, welche von deren Larven besetzt sind, ein
und verschliesst sie in passende Behälter, so werden sich dieselben,
besonders wenn man dafür sorgt, dass sie im Zimmer nicht zu sehr
austrocknen, normal weiter entwickeln und zu Imagines verwandeln.
Sogar einzelne grössere, aus ihren Frassgängen herausgenommene
Larven, z. B. solche von Bockkäfern und die Raupen des Weiden-
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde. 17
258 Kap. VII. Systematische und praktische Entomologie.
bohrers, können in Gläsern mit Sägespänen erzogen werden. Insekten,
welche in den von ihnen bewohnten Pflanzentheilen als Larven oder
Puppen überwintern, werden am besten den Winter über im Freien
gelassen, und den gewöhnlichen winterlichen Witterungsverhältnissen
ausgesetzt. Dies gilt z. B. besonders bei in den Gallen überwintern-
dern Gallwespen. Erst im Frühjahr bei Eintritt der wärmeren Witterung
zwingert man sie dann richtig ein. Raupen müssen öfters frisches
Futter haben, dies ist namentlich mühsam bei den Laubfressern,
denen man täglich frisches Laub geben muss, wenn man dasselbe nicht
etwa in einer Wasserflasche, in welche die fressenden Raupen nicht
fallen können, im Zwinger aufstellen kann. Am schwierigsten ist es,
räuberische Larven, welche frische Insekten und feuchte Erde brauchen,
wie Oaraben und Staphylinen, durchzubringen. Ueberhaupt sind die in der
Erde lebenden Insekten, wenn auch Pflanzenfresser, wie z. B. Enger-
linge, schwer zu erziehen. Die Erziehung der Schmarotzer, welche
noch so manche neue Entdeckung versprechen, gelingt nebenher,
wenn man ihre Wohnthiere oder Wirthe — jede Art in einem
getrennten Behälter — ordentlich verpflegt. Da die Schmarotzer, nament-
lich die Ichneumonen, oft sehr klein sind, so darf man das Glas
oder den Kasten, in welchem sie auskommen, nicht eher öffnen, bis
sie alle todt sind, damit bei unvorsichtigem Oeffnen die besten Stücke
nicht unbemerkt entschlüpfen. So erhält man meist mehr Exemplare,
als ınan gleich aufspiessen oder aufkleben kann. Will man diese ver-
wahren, so bringt man sie zwischen Schichten von Watte. In einer
Schachtel kann man sie dann auch leicht verschieken. Vor allen
Dingen muss der Name des Wirthes, aus welchen man die Schmarotzer
erzogen hat, vermerkt werden, womöglich auch die Zeit des Aus-
kommens, das Benehmen dieser Schmarotzer im Zwinger, und hinsicht-
lich der Wirthe: woher sie kamen, wann sie eingezwingert wurden,
wie und wann sie starben u. s. £.
Als Zuchtzwinger verwendet man am besten Holzkästen, die
behufs Zulassung von Licht und Luft an den Seiten mit Glas und
Gaze oder feinem Messingdrahtgeflecht verschlossen sind. Verpuppen
sich die in ihnen gehaltenen Insekten im Freien in der Bodendecke, so
hat man auf den Grund des Zwingers eine Erdschicht zu bringen. Auch
grössere Einmachegläser, welche oben einen umgebogenen Rand haben,
über welchem sich ein Gaze- oder durchlöcherter Papierverschluss
leicht festbinden lässt, thun gute Dienste. Sprengt man von einem
solchen Glase den Boden ab, und setzt dasselbe auf einen mit Erde
oder Sand gefüllten, von Zeit zu Zeit von unten begossenen Blumen-
topf, so erhält man gute Zwinger für im Boden überwinternde Puppen.
Sammlung von Jugendzuständen. Aber nicht allein Insekten- -
imagines hat der Forstmann zu sammeln. Es ist für ihn sehr wichtig,
auch die Eier, Larven und Puppen der Forstschädlinge genau zu
kennen und zur Vergleichung in späteren Fällen aufzuheben, besonders
dann, wenn er gleichzeitig durch Zucht unzweifelhaft feststellt, welche
Imagines zu diesen Jugendzuständen gehören.
Insektenzucht. Sammlung von Jugendstadien und Frassstücken. 259
Einige dieser Objeete, z. B. die Eier und Puppen vieler
Schmetterlinge lassen sich ohneweiters trocken aufbewahren. Grössere
Insektenlarven, besonders Schmetterlingsraupen, können, nach vorher-
gehendem vorsichtigen Ausdrücken ihrer weichen Innentheile durch
den After, über einem Kohlenfeuer oder einer mit einem Drahtnetz
bedeckten Spirituslampe, mittelst eines Strohhalmes oder einem Glas-
röhrchen aufgeblasen und getrocknet werden. Es erfordert diese Arbeit
aber viel Uebung und Geschicklichkeit. Beiweitem die meisten Jugend-
zustände müssen aber in gut verschlossenen Gläschen in Spiritus auf-
bewahrt werden. Guter Brennspiritus mit ohngefähr !/, Wasser verdünnt,
leistet hier gute Dienste.
Die zur Zeit wohl unübertroffenen Meister im Raupenausblasen und in der
Herstellung biologischer Insektensammlungen überhaupt sind Dr. Max GEMMINGER,
Adjunet an der zoologisch-zootomischen Sammlung in Miinchen und Oberförster
F. A. Wacntt, Entomolog an der k. k. Anstalt für forstliches Versuchswesen zu Wien.
Letzterer hat in den „Mittheilungen aus dem forstlichenVersuchswesen Oesterreichs”
herausgegeben “von A. v. SECKENDORFF, I. Bd, 3. Heft, 1878, S. 279 bis 282, in
einem besonderen Aufsatze eine sehr genaue Anweisung zum Ausblasen der
Raupen gegeben.
Auch eine kleine Sammlung von Frassstücken ist von hoher
Wichtigkeit für den Forstmann sowohl zu eigener Belehrung als zum
Unterrichte seiner Zöglinge. Alle Frassgänge in Holz oder Rinde sind
ohne Schwierigkeit wenigstens eine Zeit lang aufzubewahren. Man
hat hierbei nur darauf zu sehen, dass die Frassstücke handlich zu-
geschnitten, grössere dünne Rindenstücke zwischen Brettern flach ge-
presst werden, und dass man neben den, natürlich besonders werthvollen,
völlig normal ausgebildeten Frassstücken auch undeutlicher ausgeprägte,
sicher bestimmte mitnimmt, da draussen im Walde die letzteren meist
die überwiegende Mehrzahl bilden und daher dem angehenden Forst-
manne gleichfalls vorgeführt werden müssen. Sind die Gänge tief im
Holze verborgen, so werden geschickt gelegte Quer- und Längsschnitte,
sowie glücklich gesprungene Spaltstücke häufig sehr lehrreich sein, so
z. B. bei Frassstücken der Nutzholzborkenkäfer.
Befressene Blätter werden in derselben Weise für die Sammlung
zwischen Fliesspapier getrocknet und dann auf weisse Papierbogen
aufgeklebt, wie für das Herbarium zuzubereitende Pflanzen.
In jedem Falle ist genaue Etiquettirung des Frassstückes nach
Art, Zeit, Fundort und Pflanze unumgänglich nothwendig. Erfahrungs-
gemäss unterliegen aber alle gesammelten Frassstücke mit der Zeit
den Angriffen von Insekten. Namentlich berindete Nadelholzstücke
werden durch die Larven von Anobium molle L. gründlichst zerstört
und Laubhölzer, obgleich weniger gefährdet, sind den Angriffen von
Bockkäfern, z. B. von Hylotrypes bajulus L., Callidium violaceum
L., und C. variabiie L., ausgesetzt.
Bemerkt man diese Schädigungen zeitig, so sind die Stücke noch
dureh starkes, die Schädlinge tödtendes Dörren zu retten. Viel besser
aber ist es, dieselben gleich von vornherein zu schützen. Dies kann
bei werthvollen, nicht zu grossen Exemplaren dadurch geschehen, dass
al
260 Kap. VII. Systematische und praktische Entomologie.
man die durch Erhitzung von allen etwa bereits in ihnen vorhandenen
Schädlingen befreiten Holzstücke vom Buchbinder in feste Pappkästen
einkleben lässt, welche an den Seiten, an welchen das Frassstück
dem Blicke zugänglich sein muss, mit Glasscheiben versehen sind.
Einfacher ist es, wenn man die Stücke gründlich mit einer nicht zu
starken Lösung von arseniksaurem Natron, Na, As O,, bepinselt; kleinere
Stücke kann man eine Zeit lang in einer solchen Lösung liegen
lassen. Die Lösung ist so zu verdünnen, dass ein auf eine schwarze
Unterlage gebrachter Tropfen beim Trocknen keinen nennenswerthen
weissen Fleck hinterlässt. Zu beachten ist besonders, dass arseniksaures
Natron ein starkes Gift und zugleich eine Lauge ist, welche die
Hände des unvorsichtig mit ihm umgehenden Sammlers angreift. Sehr
rauhborkige Stücke streicht man vorher am besten mit Spiritus an,
dann zieht das Conservirungsmittel leichter in alle Ritze ein.
Sammelgeräthschaften und Lupen. Wer das Sammeln ein-
gehender betreiben will, hat sich noch mit Fanggeräthen, als da sind:
Schmetterlingsnetzen, Käferketschern, Raupenschachteln, Schachteln mit
weichem Boden zum Aufstecken gefangener Schmetterlinge, Fliegen,
Libellen u. s. f. zu versehen. Hierauf können wir an dieser Stelle
nicht näher eingehen.
Unentbehrlich für jeden Forstmann, welcher sich nur einiger-
massen mit Entomologie beschäftigen will, sind dagegen eine feine
Pincette und eine Lupe. Letztere wird ihm auch bei botanischen
Untersuchungen gute Dienste leisten. In schwarze Hormschalen ein-
geschlossene Einschlaglupen mit zwei verschieden starken Gläsern,
welche entweder jedes einzeln, oder wenn man stärkere Vergrösserung
wünscht, zusammen gebraucht werden, sind am meisten zu empfehlen.
Das eine Glas sollte sechs-, das andere circa zehnmal im Durchmesser
vergrössern. Zusammengenommen vergrössern sie dann ohngefähr fünf-
zehnmal. Wirklich tadellose, achromatische und aplanatische Lupen
dieser Art sind nicht billig und kosten zwischen 12 und 20 Mark.
Unübertroffen sind die von der Firma F. W. Scheck in Berlin ge-
lieferten Taschenlupen. Aber auch billigere, bei jedem ÖOpticus zu
erhaltende, nicht völlig achromatische und aplanatische Handlupen,
die von 5 Mark an zu haben sind, können ausreichen. Bei dem
Gebrauche der Lupe gewöhne sich der Anfänger folgendermassen zu
verfahren: er,nimmt das zu untersuchende Insekt zwischen die drei
ersten Finger der linken Hand, hält die Lupe mit der rechten dicht
vor das Auge und sucht nun, die rechte mittelst des Kleinfingers gegen
die linke stützend, die richtige Entfernung, die Brennweite. Er
stelle sich so, dass das Licht auf das Object fällt. Die Lupe weit vom
Auge zu halten und so durchzusehen, ist ganz unpraktisch. Um das
Gesehene richtig deuten zu können, wird man Beschreibungen eines
guten Buches hinzuziehen, hier und da auch wohl eine Abbildung
vergleichen müssen.
Zur wirklich entomologischen Bestimmung kleinerer Käfer,
2. B. der Borkenkäfer, bei denen es vielfach auf die Anzahl der
Optische Instrumente, Allgemeine Literatur. 261
Fühlerglieder und feine Seulpturverhältnisse der Flügeldecken ankommt.
genügt eine gewöhnliche Handlupe mit fünfzehnmaliger Vergrösserung
nicht. Hier wird eine schärfere Lupe oder ein Mikroskop nöthig.
Oylinderlupen von circa dreissigfacher Vergrösserung sind wohl die
billigsten hierzu tauglichen Instrumente, Auch kann man schwächere
Objectivsysteme eines guten Mikroskopes als Handlupen verwenden,
z. B. Nr. 4 oder höchstens Nr. 5 von Harrnack in Potsdam. Es
gehört aber zur Benutzung dieser stärkeren optischen Hilfsmittel eine
ziemliche Uebung, da ihre Brennweite eine sehr geringe ist, das
Glas also dem zu untersuchenden Objecte sehr stark genähert werden
muss. Man klebt daher Tbiere, die so untersucht werden sollen, am
besten vorher auf ein Papierdreieck (vergl. S. 256) und steckt dann
die Nadel auf ein Stäbchen Hollundermark als Handgriff.
Noch schwieriger ist die Verwendung des zusammengesetzten Mikroskopes,
da sogar ziemlich kleine Insekten zuerst in passender Weise präparirt werden
müssen, damit sie bei durchfallendem Lichte betrachtet werden können, und zur
Untersuchung eines nur irgendwie grösseren Insektes die Theile desselben
auseinandergelest und einzeln zu mikroskopischen Präparaten verarbeitet
werden müssen. Anweisung zu solchen Präparationen zu geben, geht über den
Plan dieses Buches hinaus. Wir möchten nur kurz darauf aufmerksam machen,
dass ein Forstmann, der ein Mikroskop anschaffen will, sich wohl hüten möge,
eines der in den Schaufenstern der gewöhnlichen Optiker ausgestellten, oft für
den Laien recht verlockend aussehenden Mikroskope zu kaufen. Es sind dies
meist schlechte, nach völlig veralteten Systemen gebaute Ungeheuer, mit deren
Ankauf er sein Geld ebenso sicher wegwirft, wie wenn er eines der für Spottgeld
in den Zeitungen angepriesenen „Mikroskope mit 2000facher Vergrösserung” er-
steht; 60 bis 120 Mark ist das Mindeste, was man an ein brauchbares Mikroskop
wenden muss. Bezieht man von einer soliden Firma, z. B. E. Harrxack, Potsdam,
Waisenstrasse 39. — C. Reichert, Wien, VIII. Laudongasse 40. — F. W. SCHIECK
Berlin SW, Halle’sche Strasse 14 — SEIBERT & Krarrt, Wetzlar — R. Wrnckk£r,
Göttingen. — C. Zeiss, Jena, ein einfaches Stativ mit Hufeisenfuss und fest-
stehendem Objecttisch, einem mittleren Oculare, z. B. Haxrnack Nr. 3 und
zwei Objectiven, z. B. Harrnack Nr. 4 und. Nr. 7 und verbittet sich gleichzeitig die
Beigabe von Objectträgern, Deckgläschen, Pincetten, Nadeln, Messern u. s. f.,
welche man billiger in besonderen Handlungen — Glaswaaren z. B. bei W. P. Stexper
in Leipzig u. A., Stahlinstrumente z. B. bei ©. Franex oder O. Moscke in Leipzig
— ersteht, so ist man sicher, ein durchaus brauchbares und längere Zeit
Werth behaltendes Instrument zu erhalten, welches allen Ansprüchen eines Forst-
mannes genügen kann.
Allgemeine Literatur.
Für diejenigen Forstleute, welche tiefer in die Entomologie ein-
dringen wollen, als dieses Buch es gestattet, seien zunächst einige all-
gemeinere literarische Hilfsmittel aufgeführt.
Burmeister, H. Handbuch der Entomologie. I Bd. Allgemeine Entomo-
logie. gr. 8. Mit 16 Steindrucktafeln. 4. 1832. Berlin bei Reimer.
Eine noch heute sehr brauchbare Schrift, welche ihrer Zeit bahnbrechend war.
Carus, J. V. und Gerstäcker, C. E. A. Handbuch der Zoologie.
8. I. Bd. 1868—1875. II. Bd, 1863. Leipzig, Wilhelm Engelmann.
Der zweite Band enthält eine ausgezeichnete Darstellung der Arthropoden
aus GERSTÄcrErR'S Feder.
262 Kap. VII. Systematische und praktische Entomologie.
Leunss, J. Synopsis der drei Naturreiche. 8. Erster T'heil. Zoologie.
2. Aufl. von Lupwıs, H., I. Bd. 1883, II. Bd., 1. Abtheilung
1884. Hannover, Hahn’sche Buchhandlung.
Die erste Abtheilung des zweiten Bandes enthält den Haupttheil der Ento-
mologie. Dieses Buch gestattet auch ein Bestimmen der gewöhnlicheren
Insektenarten.
Craus, ©. Grundzüge der Zoologie. 8.4. Aufl, I. u. II. Bd. 1880—1882,
Marburg, Elwert’sche Verlagsbuchhandlung.
Derselbe. Lehrbuch der Zoologie. 8. 2. Aufl. mit 706 Holz-
schnitten. 1883. Marburg und Leipzig. Elwert'sche Verlagsbuch-
handlung.
Neueste und beste Lehrbücher der wissenschaftlichen Zoologie für Studirende,
ersteres für weitergehende Bedürfnisse berechnet, letzteres mit vortrefflichen
Abbildungen.
Kırey, W. und Spexer, W. Einleitung in die Entomologie. Heraus-
gegeben von Oxznx. 4 Bd. mit Kupfert. gr. 8. 1823— 33. Stuttgart und
Tübingen bei Cotta.
Aelteres Werk mit vielen schätzbaren biologischen Notizen.
GraBer, V. Die Insekten. 8. I. Bd. 1877. II. Bd. 1877 und 1879.
München, R. Oldenbourg.
Interessant geschriebene, auch zur Lectüre zu empfehlende Darstellung des
Baues und der Lebensweise der Insekten.
Wir lassen nun eine Anzahl von Werken in wesentlich historischer
Reihe folgen, welche entweder ausschliesslich praktisch entomologischen
und forstentomologischen Inhaltes sind oder neben Anderem allgemeinere
Uebersichten über Forstinsekten bringen. Diese sind im vorhergehenden
und folgenden Texte dieses Buches lediglich mit der ihnen hier gegebenen
römischen Zahl, und zwar in eckigen Klammern eitirt. Alle in
eckige Klammern eingeschlossenen Citate mit arabischen Ziffern be-
ziehen sich auf die speciellen, dem Abschnitte, zu welchem sie gehören,
angefigten Literaturverzeichnisse. In dem vorliegenden ersten Theile finden
sich solche speecielle Literaturverzeichnisse auf 8.121 u. 181, in dem zweiten
Theile werden sie allen wichtigeren Insektengruppen beigegeben werden.
Beobachtungen über Forstinsekten sind am meisten in Deutschland
und Oesterreich angestellt und veröffentlicht worden. Der hohe Werth
der Waldungen, ein gewisser wissenschaftlicher Sinn der Forstwirthe
drängten zu solchen Studien hin. Diese wurden angeregt und unterstützt
durch den Stand der Naturwissenschaften, namentlich auch der Entomo-
logie in den genannten Ländern, Die forstlichen Zeitschriften und Vereins-
berichte enthalten massenhaftes, namentlich in biologischer Beziehung
werthvolles Material. Eine Uebersicht der neuen Arbeiten dieser Rich-
tung ist alljährlich im „Tharander forstlichen Jahrbuche” ent-
Allgemeine Literatur. 263
halten, und zwar im „Repertorium” unter den Rubriken „Versuchswesen”,
„Zoologie”, „Botanik”, speciell in dem Abschnitt „Krankheiten, Beschädi-
. - } { -
gungen, Missbildungen” und „Schutz gegen T'hiere”.
IV.
vi.
x.
xl.
Becusteim, J. M. und Scharrengere G. L. Vollständige Natur-
geschichte der für den Wald schädlichen und nützlichen Forst-
insekten. gr. 4. 3 Theile. Leipzig 1804 u. 1805. Mit ill. Kpfn.
. Becustein, J. M. Forstinsektologie oder Naturgeschichte der für
den Wald schädlichen und nützlichen Insekten. 8. Gotha 1818.
Mit 4 ill. KpftfIn.
TuıerscHh, E. Die Forstkäfer oder vollständige Naturgeschichte
der vorzüglichsten, den Gebirgsforsten schädlichen Insekten, haupt-
sächlich der Borkenkäfer. gr. 4. Stuttgart und Tübingen 1830.
Mit 2 Kpftfln.
Korrar, V. Naturgeschichte der schädlichen Insekten in Beziehung
auf Landwirthschaft und Forsteultur. 8. Wien 1837.
. Rarzegure, J. T. ©. Die Forstinsekten, oder Abbildung und Be-
schreibung der in den Wäldern Preussens und der Nachbarstaaten
als schädlich oder nützlich bekannt gewordenen Forstinsekten.
gr. 4. 3 Theile. Berlin 1839, 1840 und 1844. Mit vielen ill.
Kupfertafeln.
Derselbe. Die Ichneumonen der Forstinsekten in forstlicher und
entomologischer Beziehung. 3 Theile. gr. 4. Berlin 1844, 1848
und 1852. Mit Kupfertafeln.
. König, G. Die Waldpflege. 8. Gotha, -Becker’sche Verlagsbuch-
handlung. 1. Aufl. 1849, 2. Aufl. von ©. Grese. Gotha, Thiene-
mann 1859. (3. Aufl. vergl. Nr. XIX).
NörpLinger, H. Die kleinen Feinde der Landwirthschaft. 8.
Stuttgart, J. G. Cotta. 1. Aufl. 1855, 2. Aufl. 1869. Mit Holzschn.
. Derselbe. Nachträge zu Ratzeburg’s Forstinsekten. 8. Stuttgart 1856.
(2. Aufl. vergl. Nr. XXIV.)
. Rarzesure, J. T. C. Die Waldverderber und ihre Feinde. 8.
Berlin, Nicolai’sche Buchhandlung. Mit 8 T£ln. u. Holzschn.
1. Aufl. 1841. 6. Aufl. 1869.
. Derselbe. Die Waldverderber und ihre Feinde. 8. Berlin, Nicolai-
sche Buchhandlung. 7. Aufl. in vollständig neuer Bearbeitung
herausgegeben von J. F. Jupeıcn 1876. Mit 10 Tfln. u. Holzschn.
Henscuer, G. Leitfaden zur Bestimmung der schädlichen Forst-
insekten, mit Angabe ihrer Lebensweise, der gegen dieselben seit-
her mit Erfolg angewendeten Vorbauungs- und Vertilgungsmittel ete.
8. Wien, Braumüller. 1. Aufl. 1861. 2. Aufl. 1876.
Korenarı, F. A. Die für den Forstmann wichtigsten schädlichen
Insekten, nach den neuesten Erfahrungen zusammengestellt. 8. In
den Verhandlungen der Forstseetion für Mähren und Schlesien.
Heft 43. Brünn 1861.
264
XIV.
XV.
XVi.
xVvil.
XVil.
AIX.
X.
xXl.
xxll.
xx.
XXIV.
XXV.
xXVil.
XXVı.
Kap. VII. Systematische und praktische Entomologie.
Dösxer, E. Ph. Handbuch der Zoologie, mit besonderer Berück-
sichtigung derjenigen 'Thiere, welche in Bezug auf Forst- und
Landwirtschaft, sowie hinsichtlich der Jagd vorzüglich wichtig
sind. 8. Aschaffenburg 1862. I. Wirbelthiere, II, wirbellose Thiere.
Rarzegurg, J. T. C. Die Waldverderbniss oder dauernder
Schade, welcher durch Insektenfrass, Schälen, Schlagen und Ver-
beissen an lebenden Waldbäumen entsteht. gr. 4. 2 Theile.
Berlin, Nicolai’sche Buchh. 1866 und 1868. Mit vielen farbigen
Tafeln.
Aurum, B. Forstzoologie. Berlin, Jul. Springer. I. Säugethiere.
1872. II. Vögel. 1873. III. Insekten. 1874 und Ende 1875.
2. Aufl. 1876—1882. Mit vielen Holzschn.
Karrensach, J. H. Die Pflanzenfeinde aus der Klasse der
Insekten. Ein nach Pflanzenfamilien geordnetes Handbuch
sämmtlicher auf den einheimischen Pflanzen bisher beobachteten
Insekten zum Gebrauch für Entomologen, Insektensammler,
Botaniker, Land- und Forstwirthe und Gartenfreunde. Mit
402 charakteristischen Holzschnitt-Illustrationen der wichtigsten
Pflanzenfamilien. 8. Stuttgart. Jul. Hoffmann. 1874.
Tascuzxgers, E.L. Forstwirthschaftliche Insektenkunde oder Natur-
geschichte der den deutschen Forsten schädlichen Insekten ete.
8. Leipzig 1874. Mit Holzschn.
Grege, ©. Der Waldschutz und die Waldpflege. Dritte wesent].
erweiterte Auflage von Dr. G. Könıe’s Waldpflege. 8. Gotha.
Thienemann. 1875. (1. und 2. Aufl. vergl. Nr. VII.)
(use, ©. Aus dem Forstschutz. kl. 8. Berlin und Leipzig.
H. Voigt. 1876.
Hess, R. Der Forstschutz. 8. Leipzig. Teubner. 1878.
TascHhengerg. Praktische Insektenkunde. I bis V. 8. Bremen.
M. Heinsius. 1879 bis 1880. Mit Holzschn.
v. Binzer, ©. A. L. Schädliche und nützliche Forstinsekten. 8.
Berlin. Wiegandt, Hempel und Parey. 1880.
NörpLIınGER, H. Lebensweise von Forstkerfen oder Nachträge
zu Ratzeburg’s Forstinsekten. Zweite vermehrte Auflage. 4.
Stuttgart. J. G. Cotta. 1880. (vergl, Nr. IX.)
a) Frank, A. B. Die Krankheiten der Pflanzen. 8. Breslau.
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b) Derselbe. Die Pflanzenkrankheiten in Schenk’s Handbuch
der Botanik. gr. 8. I. 1881, S. 327—570.
NÖRDLINGER, H. Lehrbuch des Forstschutzes. 8. Berlin. P. Parey.
1884. Mit Holzschn.
Henscner, G. Der Forstwart. 8. Wien. Wilhelm Braumüller.
1878—1882. Mit Holzschn. |
XXWVIN. Kauscminger. Lehre vom Waldschutz. 3. Aufl. neu bearb. von
H. Fürst. 8. m. 4 TfIn. Berlin. Parey. 1883.
K. k. Hofbuchdruckerei Carl Fromme in Wien.
OWL... Anfchten Taf]
EIEEL IE Ge
7. Ocypus olens. Mill. 2. Stanhylinus erythronterus.L. 3. Clerus formicartus..L
7.Calosoma syconhantadlı. 5. Carabus hortensis.L. 6 Anomalon errcumflevum.Iı.
7. Limpia instigator Bubr. 8. Ichneumon mgritartus Gr». 9 Nemoraen zuuarum.Pubr
10. Echinomyta fera.L. Ulithobius forficatus.L
Hhädhehe (Nadl. u Laubhebe Rp FF
7. Adimoma capreae L. 2 Agelastica alni.l. 3.Lına nopudu.L. 4 Phyllobius argentatus.L,.
3. Hrrlobius abıetis.h. 6.F Yssordes notatus.Fabr. 7. Bostrychus tynographusL. ö.Bestr. bidens.Labr.
9 Eylesinus ater.Payk. 10 Ihz! pinsnerda.b, U Scolytus destructor: Oh. 12Saperda carchartas.L
13. Agrılus viridıs.L. 14. Meloiontha vulgaris Fabr I Lylta vestcateriach.
Gastronacha pini.h. | lirefernsyunner
SPECIELLER THEIL.
Die rechte Praxis ist die Tochter der rechten
Theorie, und insofern nichts praktischer als die
Theorie. ROSENKRANZ,
KAPITEL VIU.
Die Gerad- und Netzflügler.
Die in diesem Kapitel zusammengefassten beiden Insektenordnungen
haben zwar für Landwirthe und Gärtner, sowie für Fischer — für diese
als Köderinsekten — eine nicht zu unterschätzende Bedeutung, sind
jedoch für den Forstwirth von allen Insektenordnungen die wenigst
wichtigen.
Die Geradflügler.
Die Geradflügler, Orthoptera, sind Insekten mit kauenden
Mundwerkzeugen, freiem Prothorax und unvollkommener
Metamorphose.
Diese ziemlich weite Definition schliesst sowohl sehr niedrige als
ziemlich hoch entwickelte Insekten ein, von den flügellosen Spring-
schwänzen unserer Wälder und Teichoberflächen, sowie den silberglänzenden
„Fischehen” unserer Speisekammern, durch die Ohrwürmer, Schaben,
Grillen und Heuschrecken, bis zu den Termiten und Libellen. Als
typische mittlere Vertreter der ganzen Ordnung kann man die springenden
grösseren Geradflügler, die Heuschrecken und Grillen ansehen, zu welchen
denn auch die einzige forstlich sehr schädliche Art gehört, die Maul-
wurfsgrille oder Werre (vergl. 8. 268).
Die Berechtigung, der Ordnung der Geradflügler den soeben angedeuteten
Umfang zu geben, wird seit Anfang des Jahrhunderts und auch neuerdings viel-
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde. 18
266 Kap. VIII. Die Gerad- und Netzflügler.
fach bestritten; für die praktische Zoologie scheint uns aber eine mösglichste
Vereinfachung der grossen Gruppen, deren Bildung ja stets nur eine Sache der
Uebereinkunft ist, dringend geboten. Auch finden sich trotz aller äusseren Ver-
schiedenheit ausser den in der Definition angegebenen Eigenthümlichkeiten weitere
übereinstimmende Züge im Bau der Mundwerkzeuge und in der Anzahl der
Hinterleibsringe.
Was zunächst die Mundwerkzeuge betrifft, so ist bei dieser Ordnung fast
durchgehend die ursprüngliche Form des dritten Kieferpaares soweit gewahrt, dass
man die Zusammensetzung der „Unterlippe” aus den beiden Hinterkiefern, sowie
die morphologische Uebereinstimmung jeder ihrer Hälften mit dem entsprechenden
Mittelkiefer deutlich erkennt (Fig. 107, vergl. auch S. 30 und 31).
Es ist ferner in bei weitem den meisten Fällen die typische Anzahl der
Hinterleibsringe vollständig erhalten, ja vielfach noch durch secundäre Theilungen
auf elf vermehrt (vergl. S. 39). Nur bei den, was die Mundwerkzeuge betrifft, die
äussersten Ausläufer der Gruppe bildenden Formen, z. B. bei den Libellen und
den in dieser Beziehung verkümmerten Eintagsfliegen, sowie in Betreff der Hinter-
leibsringe bei den Springschwänzen, finden wir Abweichungen. Es bilden ferner
die Verhältnisse der typisch unvollkommenen Metamorphose, die übrigens noch
mancherlei Abstufungen zeigt, das gemeinsame
Band aller hier zusammengefassten Formen.
Diese Gruppe umschliesst nicht nur die nach
heutigen Anschauungen der hypothetischen
gemeinsamen Stammform am nächsten stehen-
den, also niedrigsten aller lebenden Insekten,
sondern ist auch diejenige, welche im fossilen
Zustande am frühesten in den sedimentären
Gesteinen auftritt, nämlich bereits in der
Kohlenformation nachweisbar ist.
Wir trennen die Ordnung der
Geradflügler in drei Unterordnungen:
Die Thysanuren, die echten Gerad-
7 > flügler und die Afternetzflügler.
Fig. 107. I Linker Mittelkiefer Die Unterordnung], die Thy-
(Unterkiefer) und II die beiden in sanuren, Thysanura, sind kleine be-
der Mitte verschmolzenen Hinter-- naarte oder beschuppte, nur mit rudi-
kiefer (Unterlippe) der Werre, tär Murdwsk 5
Gryliotalpa vulgaris Lamm. men ären Mundwerkzeugen versehene,
flügellose Orthopteren, deren 10glie-
driger Hinterleib an seinem Ende borstenförmige Schwanzfäden oder
einen Springapparat trägt. Sie umfassen die drei Familien der
Campodidae, der Poduridae oder Springschwänze und Lepismatidae
oder Borstenschwänze.
Die Campodidae, ausgezeichnet durch das Vorhandensein von Beinpaaren
auch an den Hinterleibsringen, stellen die niedrigste der lebenden Insekten-
formen dar.
Die Springschwänze, Poduridae, mit einer Springgabel an der Unter-
seite des Hinterleibes, sind sehr kleine, in feuchten Oertlichkeiten lebende
Insekten, welche dem Naturfreunde durch ihre raschen Bewegungen auffallen.
Podura aquatica L. findet sich häufig im Frühjahr in grösseren Mengen auf
der Oberfläche ruhiger Lachen. Podura (Degeeria) nivalis L. tritt öfters mitten
im Winter zahlreich auf dem Schnee auf, welcher dann wie mit grobem Schiess-
pulver bestreut aussieht, und’ Podura (Desoria) glacialis Nıc. ist einer der
wenigen Bewohner der Alpengletscher.
Die mit langen Schwanzborsten und metallisch glänzenden Schuppen ver-
sehenen Borstenschwänze, Lepismatidae — von Atzıoue, die Sehuppe —
treten uns am häufigsten in dem sehr verbreiteten, unsere Wirthschaftsräume be-
Thysanuren, Lauf- und Schreitschrecken. 267
wohnenden und die Vorräthe benagenden Silberfischehen oder Zuckergast, Lepisma
sacharinum L, entgesen.
Die Unterordnung II, die echten Geradflügler oderSchrecken,
Orthoptera genuina, sind meist geflügelte, grössere Geradflügler mit
zwei ungleichen Flügelpaaren, deren breitere Hinterflügel in der Ruhe
ganz oder theilweise unter die schmalen, häufig zu pergamentartigen
Flügeldecken umgewandelten Vorderflügel untergefaltet sind, Ihre
stets das Land bewohnenden Larven haben die gleiche Lebensweise
wie die Imago. Sie zerfallen wiederum in drei schon durch die Art
ihrer Bewegung unterschiedene Zünfte, in die Lauf-, Schreit- und
Springschrecken.
Die Laufschrecken, Orthoptera cursoria, umfassen zwei in
manchen anderen Beziehungen sehr von einander abweichende Familien,
die der Ohrwürmer und der Schaben.
Die Ohrwürmer, Forficulidae, sind leicht kenntlich an der am Ende
ihres Hinterleibes vortretenden Zange, deren ungegliederte, den Raifen der
übrigen Orthopteren (vergl. S. 40) entsprechende Arme beim d stärker aus-
gebogen sind wie beim ©. Sie haben dreigliedrige Tarsen. Die Vorderflügel sind zu
kurzen, hornigen Flügeldecken verwandelt, unter welche die grossen, aber sehr
zarten Hinterflügel in mehrfacher, höchst complieirter Faltung untergeschlagen
werden. Die von den Flügeldecken nicht geschützte Oberseite des Hinterleibes
ist wie bei den im Habitus ihnen ähnlichen Staphylinen unter den Käfern (vergl.
Kap.IX) fest chitinisirt. Es sind nächtliche, meist von Pflanzensubstanzen lebende
Thiere, welche zwar oftmals in Gärten durch Anfressen des herabgefallenen
Obstes, der Küchengewächse und Wurzeln, sowie der Blumen, schädlich werden,
forstlich jedoch keinerlei Bedeutung haben. Dass sie mit ihren Zangen kneipen
könnten, ist ein ebenso grundloser Aberglaube wie die Volksmeinung, dass sie
im Freien schlafenden Menschen in die Ohren kröchen. Die bei uns verbreiteten
Arten sind Forficula auricularia L. und F. minor L. Man fängt sie, indem man
ihnen für ihren Tagesaufenthalt passende Schlupfwinkel, als da sind: Rindshufe,
Reisigbündel und Weidenkörbe darbietet, späterhin ausklopft und alsdann die
herausfallenden Thiere zertritt.
Die Schaben, Blattidae, zeichnen sich durch ihren platten eiförmigen
Körper, den senkrecht gestellten, unter der grossen Vorderbrust verborgenen Kopf,
die flachen Schenkel und stark gestachelten Schienen, sowie die mitunter aller-
dings rudimentär bleibenden oder fehlenden, an der Naht über einander greifenden
Flügeldecken aus. Die Raife sind gegliedert. Es sind nächtliche, sehr gefrässige
Thiere, welche forstlich ganz unbedeutend sind. Ein ganz unschädlicher Wald-
bewohner ist die bei uns häufige Blatta (Eetobia) Lapponica L. Dagegen richten
andere Arten in den Wohnungen und Vorrathsräumen, besonders in den Bäcke-
reien und Mühlen vielfachen Schaden an. Es sind dies bei uns die einheimische
Blatta (Phyllodromia) Germanica L., die deutsche Schabe, ein kleines, bis
13mm langes, gelbbraunes Thier, sowie die aus Asien bei uns eingeschleppte
Blatta (Periplaneta) orientalis L., die Küchenschabe, auch Schwabe oder
Russe genannt, ein sehr häufiges, bis 30 mm langes, dunkelschwarzbraunes Thier.
Die Schreitschrecken, Orthoptera gressoria, sind wesentlich tropische
Thiere, welche für uns ohne jede Bedeutung erscheinen.
Sie zerfallen in die beiden höchst sonderbar gestalteten Familien der
Fangheuschreeken, Mantidae, und der Gespenstheuschrecken, Phasmidae.
Die ersteren sind raubgierige, andere Insekten verzehrende Thiere, welche nur
in einer Art, der wegen ihrer erhoben getragenen vorderen Raubbeine (vergl. $. 34)
sehr unpassend „Gottesanbeterin” genannten Mantis religiosa L. bis nordwärts
der Alpen reichen. Die Gespenstheuschrecken sind dagegen träge, pflanzen-
fressende Thiere, welche meist durch „schützende Achnlichkeit” (vergl. S. 41)
vor ihren Feinden gesichert sind. Sie gleichen nämlich Theilen ihrer Wohnpflanzen,
18*
268 Kap. VIII. Die Gerad- und Netzflügler.
so z. B. das „wandelnde Blatt”, Phyllium siccifolium L., in Ostindien, und der
einem dürren Zweige ähnliche Bacillus Rossii FAgr. in Südeuropa.
Die Springschrecken, Orthoptera saltatoria, sind sofort kennt-
lich durch ihr zu Sprungorganen umgewandeltes drittes Beinpaar. Sie
umfassen die allbekannten Heuschrecken und Grillen. Wissenschaftlich
werden sie wieder in drei Familien eingetheilt: die Erdheuschrecken,
die Laubheuschrecken und die Feldheuschrecken.
Die Erdheuschrecken, Gryllidae, sind Springschrecken mit
walzigem Körper, mässig langen borstenförmigen Fühlern, dreigliedrigen,
keine Sohle tragenden Tarsen, kurzen, rechtwinklig gebrochenen, sowohl
dem Rücken wie den Seiten des Leibes sich anlegenden Flügeldecken,
unter denen die zu einem Strange zusammengefalteten, grossen Hinter-
flügel peitschenförmig nach hinten vorragen. Hinterleib mit zwei faden-
förmigen, vielgliedrigen Raifen. Gehörorgane an den Vorderschienen.
Das Männchen oft mit einem Stimmorgan an der Basis der Flügeldecken.
Die Vertreter dieser Familie leben meist unterirdisch in selbst-
gegrabenen Gängen. Sie sind theils Raubthiere, theils Allesfresser.
Man kann sie wieder in zwei Abtheilungen bringen, in solche mit
normalen Vorderbeinen und einer langen Legscheide beim Weibchen,
und solehe mit Grabbeinen und ohne Legscheide. Zu der letzeren
Abtheilung gehört die Maulwurfsgrille, zu der ersteren die Feldgrille.
Die Maulwurfsgrille, auch Werre, Reutwurm, Reitkröte,
Erdkrebs, Erdwolf oder Schreekwurm genannt.
Gryllotalpa vulgaris Larr.
Rarzegurs, Forstinsekten: Gryllus Gryllotalpa L.
Dieses dunkelbraune, am Körper kurz seidenglän-
zend behaarte, bis 50 mm lange Thier (Taf. VI, Fig. 5)
ist durch seine zu Grabschaufeln verwandelten Vorder-
beine und das grosse, wie der Panzer eines Krebses
Fig. 108. Rechtes
Grabbein der Maul-
wurfsgrille, Gryllo-
talpa vulgaris Late.
gebaute Brustschild charakterisirt. Seine Bedeutung für
den Forstmann liegt darin, dass es in Saatkämpen
und Pflanzgärten unterirdische Gänge wühlt und hierbei
die Wurzeln der jungen Bäumchen zerreisst oder zerbeisst. Die Pflanzen
gehen dann meist ein. Vertilgung des Insektes durch Aufsuchen und Zer-
stören der Nester, sowie durch Fang in eingegrabenen Töpfen (vergl. S. 214)
ist angezeigt.
Beschreibung. Imago: Kopf vorgestreckt, Antennen kaum über das Hals-
schild zurückreichend. An den Vorderbeinen sind alle Abschnitte kurz, stark und
platt gebaut (Fig. 108). Trochanter mit einem spitzen Zahnfortsatz, Schenkel und
Schiene verbreitert, letztere unten mit vier starken Zähnen versehen. Tarsus
abgeplattet und der Aussenfläche der Schiene inserirt, die beiden ersten Glieder
gleichfalls mit starkem Zahn. Flügeldecken kurz, beim S mit einer Schnill-
ader an der Basis. Hinterleib beim S' mit 9, beim @ mit 7 Segmenten. Sehr
lange, behaarte, abwärtsgekrümmte Raife.
Springschrecken, Erdheuschrecken, insbesondere Maulwurfsgrille. 269
Larven von den Erwachsenen in dem ersten Stadium, in welchem sie
zunächst weissen Ameisen gleichen, durch einfachere Bildung der Grabbeine und
den gänzlichen Mangel, in den späteren Stadien durch die unvollständige Aus-
bildung der Flügel und Flügeldecken unterschieden (Taf. VI, Fig. 5 ZL* u. L.).
Eier gelblich weiss, fast hanfkorngross (Taf. VI, Fig. 5 E).
Biologie. Fortpflanzung. Die Werre hat gewöhnlich eine einjährige
Generation, wie schon Rozser von RosenHor [9] ausführlich schildert, es kann
jedoch auch ausnahmsweise Ueberjährigkeit vorkommen.
Jan. |Febr. März| April| Mai Juni | Juli Aug. Sept. | Oct. | Noy. | Dee.
-_- 44444 +
Die Behauptung von Nızssing, eine zweijährige Generation sei die Regel,
wird augenblicklich meist bestritten. Für sie spricht allerdings die Thatsache, dass
man im Frühjahr neben den grossen alten Werren oftmals halbwüchsige Larven
in Menge findet So wurde dies z. B. im Frühjahr 1886 in Primkenau von Ober-
förster KLorFEr beobachtet.
Die Begattungszeit, welche man sogar bei diesem schwerfälligen Insekte
mit Recht Flugzeit nennen kann, weil es alsdann wirklich manchmal fliegt und
überhaupt öfter als sonst seine Gänge verlässt, tritt meist Anfang Juni ein. Doch
kann dieselbe schon im Mai anfangen und bis Juli dauern. Das Männchen lockt
in den Gängen das Weibchen durch ein dem Knarren einer abgelaufenen Weckuhr
oder dem fernen monotonen Rufe des Ziegenmelkers, Caprimulgus Europaeus L.,
gleichendes Schrillen, welches durch die oben erwähnte Schrillleiste an den
Flügeldecken hervorgebracht wird. Die Begattung findet des Nachts oder in den
Gängen statt, und zvrar sehen hierbei Männchen und Weibchen nach verschie-
dener Seite, copula aversa. Das Weibchen baut nun eine ungefähr 8 bis 15 cm
tief unter der Oberfläche des Bodens gelegene, hühnereigrosse Nesthöhle, deren
Wände es mit seinem Speichel glättet und so festigt, dass man sie in bindigem
Boden als ein Ganzes herausgraben kann. Zu ihrem seitlichen Eingange führt
ein meist schneckenförmig gewundener Gang. In dieses Nest legt nun das
Weibchen gewöhnlich Ende Juni beginnend und wohl spätestens im Anfang Juli
seine Eier. Man hat bis jetzt höchstens 250 Stück in einem Neste gefunden. Das
Weibchen stirbt nicht sofort nach der Eiablage, sondern verbleibt häufig in der
Nähe des Nestes in einem von dem zuführenden Gange senkrecht abgehenden,
10 bis 30 cm tiefen Schachte als „Wache”. In manchen Fällen soll allerdings,
wie schon Bouca& vermuthet, das Weibchen einen Theil seiner eigenen Brut auf-
fressen.
Die Jungen kommen nach 8 bis 14 Tagen aus den Eiern als kleine, 5 mm
lange Larven und bleiben, da sie sich noch nicht einzugraben verstehen, die
ersten drei bis vier Wochen im Neste, vermindern sich aber in ihm auffallend da-
durch, dass das in der Nähe bleibende Weibchen welche verzehrt. Sie sollen sich
zuerst von humushaltiger Erde und feinen Pflanzenwürzelchen nähren. Nach
Ablauf dieser ersten vier Wochen tritt die erste Häutung ein, nach weiteren vier
Wochen, also ungefähr im August, folgt die zweite und im September die dritte
Häutung, nach welcher sie eine durchschnittliche Grösse von 2'5 cm erlangt
haben. Nun gehen sie etwas tiefer und beginnen den Winterschlaf. Vom Wetter
des nächsten Jahres hängt es ab, wie zeitig sie erwachen und sich darauf zum
viertenmale häuten, wobei die Flügelstumpfe auftreten. Die letzte Häutung zum
. vollkommenen Insekt erfolgt Mitte Mai, spätestens Anfang Juni. [XXIl, IV, S. 196].
270 Kap. VIII. Die Gerad- und Netzflügler.
Verbreitung. Dieses Thier ist durch ganz Europa, vom südlichen
Schweden bis Spanien, von der atlantischen Küste bis zum Ural, ver-
breitet.
Nach Nızssine [7] steigt sie in den Alpen bis 2300 m Höhe, ist wohl aber
in der norddeutschen Ebene am häufigsten. Frischer, lockerer und nicht be-
schatteter Boden ist ihr der liebste, wenn sie auch nöthigenfalls im Wasser
schwimmt, ja auf diese Weise über Ströme setzt und ihre Gänge sogar in Moor-
boden anlegt. Nach Rarzegurg [XI, S. 68] war sie im Neustädter Forstgarten auf
den niedrigsten Saatbeeten, wo früher Erlenbruch war, am schlimmsten.
In ihren Gewohnheiten lässt sie sich vollkommen mit dem Maul-
wurfe vergleichen, mit dem sie in Folge der Anpassung an dieselben
Lebensbedingungen sogar eine habituelle äussere Aehnlichkeit hat. Sie
ist ein unterirdisches und nächtliches Thier, welches sowohl als Larve
wie als Imago in selbstgegrabenen, bei jungen Larven kaum feder-
kieldieken und ganz flachstreichenden, bei der Imago fingerstarken
und etwas tiefer verlaufenden Gängen ihrer Nahrung nachgeht. Diese
Gänge prägen sich in lockerem Boden meist als langgestreckte, ge-
schlängelte Aufwürfe aus. Sie ist, wie nicht nur der directe Versuch,
sondern auch der Bau des Darmcanales nachweist (vergleiche den
Darmeanal der Maulwurfsgrille Fig. 33, S. 51, mit dem Darm des
typisch carnivoren Laufkäfers Fig. 35, 8. 53) ebenso wie der
Maulwurf wesentlich auf thierische Nahrung angewiesen, verzehrt nicht
nur Regenwürmer und Schnecken, sondern auch alle unterirdisch
lebenden Insektenlarven, namentlich Engerlinge und Drahtwürmer. Sie
wirkt durch ihre Nahrung also häufig sogar günstig. Trotzdem ist
auch ziemlich festgestellt, dass sia an kleinen Eichen und Buchen oft
die Keime schon abfrisst, noch ehe dieselben über die Erde kommen
[XI, S. 69], und dass ein von Aurum [XVl, 2. Aufl., III, 2, S. 327]
geschildertes halbes oder ganzes Durchbeissen junger Buchenpflanzen
unmittelbar über dem Wurzelanlauf auf kein anderes Thier als die
Werre zurückgeführt werden konnte. Auch hält sie sich in der Ge-
fangenschaft ziemlich lange bei rein pflanzlicher Nahrung, und bei
unseren Versuchen in Tharand wurden häufig Regenwürmer nur ungern
angenommen.
Wirthschaftliche Bedeutung. Ihr Schaden beruht aber
durchaus nicht etwa blos auf den eben geschilderten Pflanzenbeschädi-
gungen, er wird vielmehr hauptäschlich dadurch bedingt, dass die Werre
bei der Herstellung ihrer Gänge die Wurzeln vieler Pflanzen mit
Hilfe ihrer Grabschaufeln zerreisst oder mit ihren Kiefern abbeisst.
Ferner werden vielfach junge Pflanzen durch das Aufwerfen der Gänge
gehoben und vertrocknen. Auch hierin gleicht sie also völlig dem Maul-
wurfe. Diese letztere Thätigkeit macht sie daher für jeden feineren gärtne-
rischen Betrieb zu einem höchst schädlichen Thiere, dessen übergrosse
Vermehrung sogar die Existenz eines Gärtners in Frage stellen kann,
und sie wird natürlich auch zu einem gefürchteten Feinde des Forst-
mannes überall dort, wo dessen Pflanzenzucht einen mehr gärtnerischen
Charakter einnimmt, also in Saat- und Pflanzbeeten. Hier leiden
Sämlinge und ein- bis zweijährige Pflänzchen sowohl der Nadel- als
oR
Die Maulwurfsgrille oder Werre. 271
der Laubhölzer am meisten. Wenn man Gänge an solchen vorüber-
streichend findet, so wird man sie auch bald kränkeln und absterben
sehen. |
Abwehr. Das gründlichste Mittel, um der Werre auf die Dauer
Abbruch zu thun, ist das Aufsuchen und Zerstören der Nester
mit Eiern und Brut.
Unterstützen kann man diese Massregel durch Wegfangen
und Tödten der älteren und jüngeren Thiere ausserhalb
des Nestes. Einzelne, besonders werthvolle Pflanzen- oder auch Saat-
beete kann man ferner durch besondere Vorsichtsmassregeln schützen.
Man muss die Arbeiter speciell zum Aufsuchen der Nester instruiren.
Wer sich Uebung im Auffinden derselben verschafft, wird sie schon in einiger
Entfernung erkennen. Da, wo sich im Juni oder Juli, zuweilen schon im Mai,
häufig Röhren zeigen, oder wo man ungewöhnlich viele Werren über der Erde
bemerkt oder gefangen oder Abends schrillen gehört hat, da achte man be-
sonders auf den Pflanzenwuchs. Auf Grasplätzen — denn auch diese muss man,
da von ihnen öfters der Herd des Frasses sich ausbreitet, im Auge behalten —
sieht man das Gras an einzelnen Stellen absterben und gelb werden, auf Saat-
beeten geht es mit den Keimlingen ebenso. Hier wird man dann auch bald die
etwa nur 2’5cm tief unter der Erdoberfläche verlaufenden Röhren des Insektes
entdecken. Sie sind etwas erhaben, besonders nachdem es geregnet hat, man
kann leicht mit dem Finger hineinfahren und sie verfolgen. Da, wo sie in einem
Kreise laufen, der 15 bis 30cm Durchmesser zu haben pflegt, oder wo überhaupt
viele Gänge benachbart zu sehen sind, und da, wo sie sich etwas mehr in die
Tiefe senken, hat man das 8 bis 15cm tief stehende Nest zu erwarten. Das
Aufsuchen des bei dem Neste Wache haltenden Weibehens macht aber, da der
Gang beim Graben leicht verstopft wird, oft Mühe, ist auch unnöthig, da das
Weibchen, wenn es seine Eier abgelegt hat, nicht mehr schaden kann, viel-
leieht gar nützt durch Verzehrung der eigenen Brut. Liegen die Nester im
entblössten, nicht mit kurzem Grase oder jungen, dichtstehenden Pflanzen be-
setzten Boden, so muss man den Boden, besonders nach Regen, aufmerksam be-
trachten, Man erkennt die Stellen dann nicht von weitem und muss Schritt vor
Schritt suchen, um die oben beschriebenen, kreisenden Röhren zu entdecken.
Selbst wenn im Juli die Nester schon alle fertig sind, und schon sämmtlich
Junge haben, ist es immer noch Zeit zur Vertilgung. Dann darf man aber
nicht mehr nach den aufgelaufenen, kreisenden Röhren suchen, da solehe nicht
mehr von dem inzwischen träger gewordenen @ angelegt werden; die frischen
Gänge, welche man noch sieht, rühren vom d' her. Man muss jetzt also auf
andere Merkzeichen achten. Das sind Löcher, wie mit dem kleinen Finger in
den Boden gestochen, rundlich oder von unregelmässig zerrissener Form, wahr-
scheinlich von dem lauernden @ herrührend. Sind diese Löcher nur flach, so
geht man gleich wieder davon ab; kann man aber bis über den halben Finger
senkrecht hineinfahren, so kommt man sicher zu dem Gange, welcher kreisend
zum Neste führt. Entweder ist dasselbe dann noch voll, oder halb oder ganz
entleert; dann hat es oft oben eine, noch unter der Oberfläche liegende Oeffnung,
aus welcher die Jungen wahrscheinlich ihren Ausgang genommen und sich seitwärts
unter der Erde verbreitet haben. Das Zertreten der gesammelten Eier ist mühsam,
das Ersäufen der Brut nicht immer möglich. Es genügt aber schon, wenn man
sie sammt dem Erdnest an die Luft setzt, denn besonders bei Sonnenschein
schrumpfen sie schon nach einigen Stunden ein. Natürlich hat man gleichzeitig
dafür zu sorgen, dass die Jungen sich nicht zerstreuen können.
Das Fangen der einzelnen Werren geschieht am besten zur Begattungs-
zeit. Es ist zur Ausführung des Geschäftes zwar Ruhe und Ausdauer nöthig, allein
es erfordert keine mechanischen Kräfte, und können daher Kinder oder andere
Arbeiter in den Feierabendstunden dazu gebraucht werden. In den ersten Tagen
des Juni, wenn das Wetter warm und still und die Luft nicht zu trüb ist, be-
272 Kap. VIII. Die Gerad- und Netzflügler.
gibt man sich gegen Sonnenuntergang nach den blossen oder mit Gras oder
Kulturpflanzen bewachsenen Orten, wo man die Werre vermuthet. Man
theilt sie sich in Gedanken in kleinere Plätze von einigen Quadratmetern und
geht, auf einem jeden mehrere Minuten verweilend und nach allen Richtungen
lauschend, langsam und vorsichtis, am besten barfuss, durch, bis man das
unterirdische Schrillen hört. Ein paar Schritte, und man ist dem Gesange so
nahe, dass man mit Bestimmtheit die Stelle erkennt, wo der Sänger dicht unter
der Oberfläche sitzt und, da er gern eine kleine Erdöffnung in der Nähe hat,
zarte, über diese hangende Pflanzentheile, wahrscheinlich durch den schwirrenden
Flügelschlag, hin und her bewegt. Ein geschickter Schlag mit einer Hacke, die
man in Bereitschaft hält, und die Werre liegt auf der Erde. Ist das Wetter
günstig, so kann die Arbeit 8 bis 14 Tage lang allabendlich wiederholt werden.
Nach einer Stunde ist es zu finster, als dass man die herausgeworfene Werre
ohne Laterne gut finden könnte, aber in dieser einen Stunde kann man 10 bis
20 Stück fangen. Man wird, nach dieser Schilderung, einige Aehnlichkeit zwischen
dem Werrenfangen und dem Maulwurfsfangen mittelst des Spatens finden. Ersteres
ist aber ungleich leichter ausführbar, da der Feind sich leichter zu erkennen
gibt und auch nicht ganz so empfindlich gegen Geräusch ist, wie der feinhörige,
schlaue Maulwurf, auf dessen Jagd sich daher nur wenige Leute ordentlich
verstehen, da auch zum Hinauswerfen desselben mehr Kraft und Schnelligkeit
gehört.
Man kann auch die Werren durch Ausgiessen aus ihren Röhren heraus-
treiben und dann tödten. Es ist aber schwer, unter der zahllosen Menge hori-
zontaler, flach laufender Gänge die abschüssigen herauszufinden, in denen das
Thier sitzt. Trifft man den richtigen Gang, so braucht man nur 10 bis 20 Tropfen
Brennöl in das Loch zu tröpfeln, dann etwas Wasser aus einer Giesskanne nach-
zugiessen, um in wenig Minuten die Werre herauszutreiben. Neuerdings dürfte
wohl besser Petroleum oder Seifensiederlauge anzuwenden sein. Hamren empfiehlt
eine Mischung von zwei Theilen Steinkohlentheer und einem Theil Terpentinöl
[XXIl, IV, S. 197].
Ist die Zerstörung der Nester versäumt oder unvollständig bewirkt worden,
so fängt man die Werren am besten durch aufgestellte Töpfe weg. Man
kann dazu alte Blumentöpfe nehmen und das Wasser-Abzugsloch von unten
decken. Sie werden da, wo man auf den Saatbeeten die schwach aufgeworfenen
Röhren bemerkt, so in die Erde eingelassen, dass die Röhre gerade über ihre
Oeffnung hinwegführt. Wenn nun das Thier seine unterirdische Promenade hält
und an den Topf kommt, so fällt es hinein und kann nicht wieder heraus. Ge-
legentlich leert man die Töpfe aus und tödtet die Thiere. Mit der Aufstellung
der Töpfe muss man gleich im Frühjahre anfangen, damit die Larven, welche
man im vorigen Sommer mit den Töpfen nicht fangen konnte, nicht mehr zum
Fressen kommen. Sehr grossen Nutzen darf man sich aber von diesem Mittel
nicht versprechen. Arrum [XVI, 2. Aufl., III, 2, S. 328] empfiehlt „schmale lange
Blechkasten, welche in die Wege zwischen den Saatbeeten bis zu ihrem oberen
Rande eingesenkt werden, und zwar in den verschiedenen Wegen an verschie-
denen Stellen, so dass durch dieselben die ganze Beetlänge abgestellt ist. Glatt-
wandige Löcher, z B. mit dem „Mausebohrer” hergestellt und mit einem Rasen-
stück belegt, fangen ebenfalls gut. Die Werre geht gern Mittags in dieselben
hinein”. Eine grosse Reihe anderer in populären Werken angegebener Schutz-
mittel dürfte dem Bereiche des Aberglaubens angehören.
Die eigentlichen Grillen, Gattung Gryllus L., sind ausser durch den
einfachen Bau der Vorderbeine und die Legscheide des ©, durch den gewölbten
Kopf, mit langen Fühlern, den quadratischen Prothorax und die den Hinterleib
ganz deckenden Vorderflügel mit Stimmorgan beim g ausgezeichnet. Wir haben
zwei einheimische Arten. Die Feldgrille, G. campestris L., ein schwarzes,
20—26mm langes Thier mit bräunlichen Flügeln und blutrother Unterseite der
Hinterschenkel, lebt in ganz Europa mit Ausnahme von Skandinavien häufig in
Erdlöchern und nährt sich von Pflanzen. Das Heimchen, G. domesticus L.,
16— 20mm lang, ist lederbraun mit einigen dunkleren Zeichnungen. Es lebt in
Häusern, namentlich in Küchen, Bäckereien ete. in der Nähe der Feuerstätte
Maulwurfsgrille, Grille, Laub- und Feldheuschrecken. 273
und ist wegen seines melancholischen Zirpens oft gern gelitten, wird aber auch
durch seinen Frass an Kiüchenvorräthen, Brot, Malz u. s. w. mitunter lästig.
Die Laubheuschrecken, Locustidae, sind Springschreeken mit seitlich
zusammengedrücktem Körper, sehr langen, borstenförmigen Fühlern, viergliedrigen,
söhligen Tarsen und Gehörorganen an den Vorderschienen, deren meist gut ent-
wickelte, in der Ruhe seitlich dem Körper anliegende, dachartig getragene Flügel-
decken die längsgefalteten Hinterflügel völlig verdecken, Männchen mit einem
Stimmorgan an der Basis der Vorderdügel, Weibehen mit grosser, frei hervor-
ragender, säbelförmiger Legscheide.
Eine forstliche oder überhaupt wirthschaftliche Bedeutung kommt diesen
Thieren kaum zu. Am verbreitetsten sind bei uns die grüne Laubheuschrecke,
Locusta viridissima L. und der Warzenbeisser, Decticus verrucivorus L. Letzteres
Thier soll im Anfange der Dreissigerjahre dieses Jahrhunderts allerdings einmal
in der Oberförsterei Jagdschütz, Regierungsbezirk Bromberg, die jungen 6- bis
12jährigen Kiefernbestände angegangen und tüchtig befressen haben [V, III, S. 266,
und 5, S. 95.]
Die Feldheuschrecken, Acridiidae, wegen des schnarrenden, beim Auf-
fliegen von ihnen hervorgebrachten Tones auch Schnarrheuschreecken genannt,
sind Springschrecken mit seitlich zusammengedrücktem Körper, kürzeren faden-
förmigen Fühlern, schmalen dreigliedrigen Tarsen; bei den Arten mit gut aus-
gebildeten Flügeln decken die in der Ruhe dachartig getragenen Flügeldecken
die längsgefalteten Hinterflügel vollkommen. Hinterleib mit einem Paar seitlich
angebrachter Gehörorgane. Die Stimme des Männchens wird durch Reibung
des Hinterschenkels an den Flügeldecken bewirkt. Weibchen ohne vortretende
Legscheide.
Im Allgemeinen ist diese Familie wirthschaftlich sehr bedeu-
tungsvoll, da sie die Formen einschliesst, welche man als „Wander.
heuschrecken’ bezeichnet.
Es ist dies in Europa namentlich Pachytylus migratorius L., mit der nahe
verwandten Art oder Varietät P. cinerascens Fagr., wozu noch in Südeuropa ein-
schliesslich Ungarn und in Algier Caloptenus Italicus L., in Algier, Syrien, Per-
sien und Arabien Acridium (Schistocerca) peregrinum Ouıv., in Süd-Russland,
Kleinasien, Cypern und Algier Stauronotus Maroccanus Tnaungere (eruciatus
Crarp.) kommen. Auch in Nordamerika gibt es wandernde Heuschrecken.
Die eigentliche Wanderheuschrecke, P. migratorius L., ist dauernd über
einen grossen Theil der alten Welt verbreitet, und zwar wird ihre nördliche Ver-
breitung in Spanien, Italien, den östlichen Donauländern und in Asien bis Japan
hin ohngefähr durch die Juni-Isotherme von 20° C. bedingt. Südlich von dieser
Linie kommt sie wohl in ganz Afrika nördlich vom Aequator, überall in Asien,
einschliesslich des indoaustralischen Archipels, sowie in Australien nördlich vom
Wendekreis des Steinbockes vor. In den uns näherliegenden Theilen dieses Ge-
bietes fällt die Flugzeit des Thieres gewöhnlich Anfang Juli;’ einige Wochen
später werden die überwinternden Eier abgelegt. Das Ausschlüpfen der Larven
findet Ende des nächsten Mai statt, und das Larvenleben dauert bis zur Ver-
wandlung in die Imago 36 bis 44 Tage. Ein warmer Herbst begünstigt eine
massenhafte Eiablage, ein warmer und trockener Vorsommer das Ausschlüpfen, dem
eine mehrtägige mittlere Wärme von 18% C. vorangegangen sein muss, sowie die Ent-
wicklung der Brut. Hat nun durch das Zusammentreffen solcher günstiger Tempe-
raturverhältnisse einmal irgendwo eine Massenvermehrung des Insektes statt-
gefunden, so verwüsten erst die Larven und später die ausgebildeten Thiere
zunächst die Gräser und Feldfrüchte, oft so stark, dass man nicht mehr erkennen
kann, was der Acker getragen hat. und gehen bei Nahrungsmangel auch Laub
an. Wird ihnen nun schliesslich aber doch der Nahrungsraum zu eng, so fliegen
die Imagines in riesigen Schwärmen nach unverwüsteten Gebieten über und über-
schreiten häufig auf diese Weise die Grenzen ihres normalen Vorkommens. Finden
sie an den erreichten Stellen gerade günstige Witterungsverhältnisse, so können
sie sich auch hier sogar einige Jahre hindurch fortpflanzen, ja auch weiter aus-
breiten, bis ein einziger kalter und nasser Frühsommer dieser Ausbreitung ein
274 Kap. VIII. Die Gerad- und Netzflügler.
plötzliches Ende setzt, und in Folge dessen die Wanderheuschrecke sich in ihre
gewöhnlichen Grenzen zurückzieht. Solche Jahre einer Ausbreitung der Heu-
schrecken über ihre constanten Grenzen hinaus waren z. B. 1740 bis 1749,
1834 bis 1836, 1874 bis 1876 u. s. f. Die Grenze dieser ausnahmsweisen Ver-
breitung in allen Stadien innerhalb Deutschlands wird meist durch die gebrochene
Linie Ulm-Berlin-Posen gebildet. Dieses Gebiet erobert sie aber niemals durch
Ueberschreitung der Alpen, sondern sie umbiegt letztere, von Osten durch Ungarn
und Schlesien kommend. Züge von Imagines sind dagegen bis Edinburg, dem
südlichen Schweden und Dünaburg beobachtet worden. Hier pflanzen sich die
Heuschrecken aber nicht mehr fort. Weitere Belehrungen findet man in den
schönen Arbeiten von Körren [6] und GrrsTÄcker [3].
Als Gegenmittel wendet man das Aufsuchen der Eier, das Eintreiben der
Larven in besonders dazu aufgeworfene Gruben mit nachträglicher Vernichtung
daselbst, sowie das Zerquetschen mittelst beschwerter Schleifen oder Walzen an.
Forstlich schädlich wird die Wanderheuschrecke kaum. Aller-
dings wurden im Heuschreckenjahre 1835 nach den Berichten von
Oberförster Enserken [3, 8. 92]in Tschiefer, Regierungsbezirk Liegnitz,
die dort „Springer” oder „Sprengsel” genannten Heuschrecken den
ein- und zweijährigen Kiefernsaaten schädlich, und nach RATZEBURG’S
Untersuchung war unter den Schädlingen auch P. migratorius L. ver-
treten. Es betheiligten sich aber an diesem Frasse noch viele einheimische
Formen, namentlich der im Walde heimische Stenobothrus biguttulus L,,
Oedipoda coerulescens L., Bryodema tuberculata FABr., Psophus stri-
dulus L., Caloptenus Italicus L. und Tettix bipunctatus L.
Aus den österreichischen Alpenländern liegen uns noch Mit-
theilungen über Entblätterung von Holzbeständen durch Feldheuschrecken
vor. So berichtet Pırascn [4, S. 241], dass im Sommer 1862 auf dem
Anninger Forste im Wiener Walde ein Schwarm einer von GRUNERT
als Stethophyma fuscum Pırr. (variegatum Surzer) bestimmten Heu-
schrecke das Laubholz, besonders aber Esche und Mehlbeerbaum,
Sorbus aria Üreurz., entblättert und sogar die Tannennadeln nicht ver-
schont habe. Anfang October gingen die Schädlinge ein. In demselben
Jahre, sowie 1864 und 1866, wurden ferner die Buchenbestände der
Domaine Gairach im südlichen Steiermark durch die flügellose Pezo-
tettix alpinus Kor. verwüstet. Rıchrer |8] berichtet, dass das Uebel
in einer geschützten, von Norden nach Süden streichenden Berg-
schlucht in einer Seehöhe von 400 m, und zwar an dem Westabhange
auftrat und sich von da noch nach oben verbreitete, ohne den von
Westen nach Osten streichenden Gebirgskamm mit 600m Seehöhe
zu erreichen. Ende August 1864 waren eirca 23 ha entlaubt, 1866
waren dagegen 40 ha angegangen. Weisserlen waren nicht angenommen
worden, und die Schattenseite der Berge war verschont geblieben. Das
Leben der Bestände wurde nicht bedroht, dagegen blieb der Zuwachs
zurück.
Die III. Unterordnung, die Afternetzflügler, Orthoptera
Pseudoneuroptera, sind meist geflügelte Geradflügler mit zwei gleich-
gebauten häutigen, in der Ruhe meist nicht zusammenfaltbaren Flügel-
paaren. Nur die grösseren Formen, wie die Eintagsfliegen und Wasser-
Jungfern, sind bei uns allgemein bekanntere 'Thierformen.
Feldheuschrecken und Afternetzflügler. 275
Ihre wirtbschaftliche Bedeutung ist in der gemässigten Zone
äusserst gering, besonders sind sie forstlich völlig gleichgiltig. In den
wärmeren Ländern dagegen sind die zu dieser Abtheilung gehörigen
Termiten als höchst schädliche Thiere bekannt und gefürchtet.
Die Afternetzflügler zerfallen wieder in drei Zünfte, für welche
passende deutsche allgemeine Ausdrücke fehlen. Es sind die Physopoda,
Corrodentia und Amphibiotica mit zusammen sieben Familien.
Die Physopoda umfassen nur die eine Familie der Blasenfüsse.
Die Blasenfüsse, Thripidae, sind kleine, schmale und abgeflachte Tbiere,
deren deutlich nach dem Typus der kauenden Mundwerkzeuge gebaute Kiefer
trotzdem der Gewinnung von Pflanzensäften angepasst sind und zu einer Art spitzem
Saugrüssel zusammentreten, deren zweigliedrige Tarsen statt der Klauen mit
einer blasenförmigen Haftscheibe versehen sind, und deren fast 'gar nicht ge-
aderte, gleichgebildete Flügelpaare an ihrem gesammten Aussenrande lange, wimper-
artige Haare tragen.
Einige in verschiedene Gattungen vertheilte Arten werden durch Ansaugen
der Zierpflanzen den Gärtnern schädlich, wir erwähnen hier nur den Getreide-
blasenfuss, Thrips cerealium Haum., mit ungeflügeltem S und geflügeltem 9,
Die Imago ist rostbraun mit gelb gezeichneten Extremitäten und Hinterleibsein-
schnitten. Die blutrothe, ungeflügelte Larve findet sich häufig in jungen Getreide-
ähren, welche in Folge dessen taub werden.
Die Corrodentia, besonders biologisch durch ihre aus trockenen pflanzlichen
und thierischen Substanzen bestehende Nahrung gekennzeichnet, lassen sich in
drei im äusseren Habitus ziemlich verschiedene Familien trennen, in die Pelz-
fresser, die Holzläuse und Termiten.
Die Pelzfresser, Mallophaga, sind lausähnliche Aussenschmarotzer an
Säugern und Vögeln, welche sich von abgenagter Haar- und Federsubstanz
ernähren und von den eigentlichen Läusen durch kauende Mundwerkzeuge
unterscheiden. Man nennt sie auch Haarlinge und Federlinge. Für den
Forstmann ist beachtenswerth der Hundehaarling oder die unechte Hundelaus,
Trichodectes canis Nırz. Es empfiehlt sich, diese Thiere durch häufiges Waschen
der Hunde — eventuell mit grüner Seife und Benzin — zu bekämpfen, da
sie nicht nur ein äusserst lästiges Ungeziefer sind, sondern auch in ihrer
Leibeshöhle den finnenähnlichen Jugendzustand eines der gemeinsten Hunde-
bandwürmer beherbergen, nämlich der Taenia cucumerina Ru»., so genannt
wegen der beiderseitig zugespitzten, kürbiskernähnlichen Gestalt der ein-
zelnen Glieder. Werden aus den abgegangenen Bandwurmgliedern ausgetretene
Bandwurmeier von dem Haarlinge verschluckt, so entwickelt sich die Finne in
dem Haarling, verschluckt der nach der juckenden Stelle beissende Hund einen
so infieirten Haarling, so entwickelt sich in seinem Darme die Finne wieder zu
einem Bandwurme.
Auch unser Wild und Raubzeug leidet an Haarlingen, z. B. Rothwild an
Trichodectes longicornis Nırz., das Damwild an Tr. tibialis Pıocer, der Fuchs
an Tr. micropus GIEBEL u. s. f.
Unter dem Federwild ist namentlich der Auerhahn stark von Federlingen ge-
plagt, besonders von Goniodes chelicornis. Am erlegten Hahne ziehen sich dieselben
gewöhnlich massenhaft am Kopfe zusammen. Uebrigens haben fast alle wilden
und zahmen Vögel, sogar die Wasservögel, verschiedene Arten von Federlingen.
Die Holzläuse, Psocidae, sind kleine abgeplattete Aiternetzflügler, welche
sich durch lange borstenartige Fühler, fehlende Lippentaster und zwei- oder drei-
gliedrige Tarsen auszeichnen.
Sie finden sich zahlreich an Bäumen, altem Holz, in alten Vorräthen und
dergl. Die einzige uns hier interessirende Art ist Troctes pulsatorius L., ein
flügelloses Thierchen, welches besonders in vernachlässigten Insektensammlungen
den zarteren Exemplaren schädlich wird und ein klopfendes Geräusch hervorbringen
kann. Naphthalin in einer durchlöcherten Pappschachtel in die Kästen gebracht,
vertreibt es sicher.
276 Kap. VIII. Die Gerad- und Netzflügler.
Die Termiten, Termitidae, auch „weisse Ameisen’ genannt, sind staaten-
bildende Afternetzfügler mit kurzen, perlschnurförmigen, 13—20gliedrigen Fühlern,
unter sich gleichgebildeten Brustringen und zwei Paar an Form und Grösse
gleichen, hinfällisgen Flügeln. In den meist in besonders hergestellten Wohnungen
lebenden Staaten finden sich ausser der eierlegenden Königin, zu dieser Zeit mit
stark aufgetriebenem Hinterleibe, noch geflügelte Männchen, ungeflügelte klein-
köpfige Arbeiter und grossköpfise Soldaten. Diese beiden letzteren geschlechtlich
verkümmerten Stände recerutiren sich aber nicht nur wie bei den Bienen und
Ameisen aus Weibchen, sondern nach Lesp&s und Fr. MürrLer aus beiden Ge-
schlechtern. Bei weitem die meisten Termiten sind tropische Thiere; besonders sind
die afrikanischen, bis 4m hohe Hügel bauenden Formen bekannt. Freilebend
dringen bis nach Europa nur drei Arten vor. Die Colonien von Termes lucifugus
Rossı leben in Südeuropa. ähnlich in alten Baumstümpfen wie bei uns manche
Ameisenarten, gehen aber auch in Pfähle, Pfosten u. s. f., welche sie mit so
vollkommener Schonung der Aussenfläche durchwühlen, dass man häufig erst
bei dem Zusammensturz die Grösse der Verwüstung übersieht,
Auch die Amphibiotica sind wesentlich durch ein biologisches Moment ge-
kennzeichnet, nämlich dadurch, dass die Jugendzustände aller hierhergehörigen
Formen im Wasser leben, also in einem anderen Medium, als die auf das Luft-
leben angewiesenen, erwachsenen Thiere. In der Verwandlung haben sie das
gemein, dass bei ihnen Larve und Imago mehr von einander verschieden sind,
als bei den vorhergehenden Gruppen.
Man theilt diese Zunft in drei sehr natürliche Familien, in die Afterfrühlings-
fliegen, die Eintagsfiegen und die Libellen.
Die Afterfrühlingsfliegen, Perlidae, sind stärker chitinisirte, meist
grössere Thiere mit plattgedrücktem Leibe, langen, borstenförmigen Fühlern, häufig
weichbleibenden Mundwerkzeugen, dreigliedrigen Tarsen, zwei Paar häutigen,
grossen Flügeln, von denen das hintere breit und zusammenlegbar ist, sowie mit
zwei langen, gegliederten Raifen an dem Hinterleibsende. Die ungefüügelten, der
Imago hier noch sehr ähnlichen Larven leben als arge Räuber in rasch flies-
senden Gewässern unter Steinen ete. und haben häufig Tracheenkiemen an den
Brustringen. Im Spätfrühling verlassen sie die Gewässer, indem sie an Pflanzen
und Pfählen ete. in die Höhe kriechen, sich dort anheften und zur Imago häuten.
Die abgelegten Häute findet man um diese Zeit häufig. Die erwachsenen Thiere,
unter denen wir besonders Perla marginata Paxz. anführen, bilden bei uns unter
dem Namen „Grillen’ einen beliebten Forellenköder.
Die Eintagsfliegen, Ephemeridae, sind zarthäutige Formen mit kurzen,
borstenartigen, unten verdickten Fühlern, völlig rudimentären Mundtheilen, stark
entwickelter Mittelbrust, grossen Vorder-, kleinen oder radimentären Hinterflügeln,
vier- bis fünfgliedrigen Tarsen, sowie zwei bis drei borstenförmigen Afteriäden
am Hinterleibe. Augen und Vorderbeine beim S' sehr vergrössert. Die der
Imago ziemlich unähnlichen, mit stark entwickelten Mundwerkzeugen versehenen,
an den Seiten des Hinterleibes Trachesnkiemen, hinten dagegen gefiederte
Schwanzborsten tragenden, sehr räuberischen Larven leben in den Gewässern,
theilweise im Schlamm eingegraben. Nach mehrjähriger Entwickelungszeit verlassen
sie, nunmehr mit Flügelstummeln versehen, meist im Hochsommer, das Wasser,
häuten sich zu der geflügelten Subimago (vergl. 8.106, Fig. 85) und verwandeln
sich nach kurzem Fluge durch nochmalige Häutung in die eigentliche Imago. Nach
der nunmehr in neuem Fluge vorgenommenen Begattung lässt das Weibchen
die Eier in zwei wurstförmigen Packeten auf einmal in das Wasser fallen und
stirbt bald darauf. Die im Gegensatze zu dem langen Larvenleben meist nur aur
wenige Stunden beschränkte Dauer des Imagozustandes, sowie die Massenhaftig-
keit, in welcher einzelne Arten an stillen Sommerabenden plötzlich dem Wasser
entsteigen, haben von jeher die Aufmerksamkeit der Naturbeobachter auf diese
Thiere gelenkt. Besonders bekannt ist das gemeine Uferaas, Ephemera vul-
gata L., sowie die schneeweisse Palingenia horaria L., und die „Theissblüthe”,
P. longicauda Orıv., in Süddeutschland und Oesterreich. In der Flugzeit zündet
man an den Ufern der Ströme, z. B. an der oberen Elbe im August, Feuer an,
welche diese Thiere dann in so ungeheuren Schwärmen umflattern, dass man die
Afternetzflügler, Literaturnachweise. 277
mit versengten Flügeln Herabfallenden massenhaft zusammenkehren kann. Die so
gewonnenen Insektenleiber werden getrocknet und entweder mit Lehm zu Kugeln
geknetet von den Fischern als Grundköder angewendet [XXIl, 1V, 179] oder unter
dem Namen ‚„Weisswurm’” als Ersatz der Ameiseneier zur Fütterung insekten-
fressender Vögel benützt. Nachbildungen verschiedener gemeiner Arten werden
bei der Fliegenfischerei als Köder für lachsartige Fische verwendet.
Die Libellen oder Wasserjungfern, Libellulidae, sind Afternetz-
flügler mit grossem querwalzigen, freien Kopfe, sehr kleinen pfriemenförmigen
Fühlern, gut entwickelten Mundwerkzeugen, grosser Mittel- und Hinterbrust,
gleichgebildeten, mit Flügelmal versehenen Vorder- und Hinterflügeln und
schlankem, ungegliederte Raife tragendem Hinterleibe. Während die vorher-
gehenden beiden Gruppen in ihrem kurzen Imagoleben überhaupt kaum
Nahrung zu sich nehmen, sind die Wasserjungfern verhältnissmässig langlebige,
äusserst bewegliche, zu raschestem und ausdauerndstem Fluge befähigte Räuber,
die Falken unter den Insekten. Nach der im Fluge (vergl. S. 86) vor-
genommenen Begattung legt das @ die Eier in das Wasser, und die aus-
schlüpfenden Larven sind gleichfalls schlimme Räuber. Sie sind leicht kenntlich
an dem ungemein verlängerten, zu einem unpaaren, unter Kopf und Brust
zurückklappbaren und plötzlich vorstreckbaren Greiforgane umgewandelten dritten
Kieferpaare, der hier gewöhnlich „Maske” genannten Unterlippe. Sie athmen
durch Tracheenkiemen, welche bei den kleineren Arten als drei lanzettliche
Blätter an der Hinterleibsspitze sitzen, bei den grösseren in dem Enddarm
verborgen sind. Diese Larven sind gefährliche Feinde der Fischbrut. Wir
erwähnen hier als auffallendere Arten die mit dunkelblaubraunen Flügeln
versehene Seejungfer, Calopteryx virgo L., die sehr grosse Aeschna grandis L.
und die mitunter in grossen Zügen wandernde Libellula quadrimaculata L.
Literaturnachweise zu dem Abschnitt „Die Geradflügler”.
— |. v. Arten. Werren im Saatkamp. Zeitschr. für Forst- und Jagd-
wesen 1884, Bd. XVI, S. 175 und 176. — 2. Bouca#. Natur-
geschichte der schädlichen und nützlichen Garteninsekten etc. 8.
Berlin 1833. — 3. GerstÄcker, A. Die Wanderheuschrecke. Mit
2 Taf. Farbendruck. 8. Berlin 1876. — 4, Gruxerr. Heuschrecken-
schwärme. Grunert’s Forstliche Blätter. 5. Heft. 1863, 8. 233— 242.
— 5, Insertensachen. Pfeil’s Kritische Blätter. X. 1. Heft. 1836,
Ss. 92—95. — 6. Körren, Fr. Th. Die geographische Verbreitung
der Wanderheuschrecke. Petermann’s geographische Mittheilungen 1871,
S. 361-366. Taf. 18. — 7. Niessıne, C. Meine Beobachtungen
über die schädliche Maulwurfsgrille und wie ich den Verwüstungen
derselben mit Erfolg entgegentrete. Deutsches Magazin für Garten-
und Blumenkunde 1863. 8. 337—348. — 8. Rıcurer, D. Die Ent-
laubung eines Waldes durch Heuschrecken. Oesterreichische Monats-
schrift für Forstwesen. XVI. Bd. 1866, S. 658—661. — 9. RozseL,
A. J. Insektenbelustigung. Bd. II, Nr. 5. Der gefligelte Maulwurf.
278 Kap. VII. Die Gerad- und Netzflügler.
Die Netzflügler.
Die Netzflügler, Neuroptera, sind Insekten mit kauenden
Mundwerkzeugen, freiem Prothorax, zwei Paar häutigen, reich-
lich geaderten Flügeln und vollkommener Metamorphose.
Von den hierhergehörigen Formen sind allgemeiner bekannt die
Florfliege, der Ameisenlöwe und die Köcherfliege. Eine grössere wirth-
schaftliche Bedeutung für den Menschen haben diese Thiere kaum, wenn-
gleich gewöhnlich die räuberischen, andere Insekten verzehrenden Ver-
treter dieser Ordnung unter die nützlichen Insekten gerechnet werden.
Forstlich sind fast alle unbedeutend.
Diese in ihrem Habitus sich besonders den Amphibiotica anschliessenden
Formen sind von jenen besonders durch die vollkommene Metamorphose, bei
welcher also ein wirklicher Puppenzustand vorkommt, geschieden. Wir theilen
sie in drei Unterordnungen, die Plattflügler, Pelzflügler und Fächerflügler.
Die I. Unterordnung, die Plattflügler, Planipennia, sind ausge-
zeichnet durch ihre gleichgebildeten, nicht faltbaren Vorder- und Hinterflügel.
Die Larven leben meist nicht im Wasser. Sie werden wiederum in drei Familien
getrennt, in die Breitflügler, Sialiden und Scorpionsfliegen.
Die Breitflügler, Megaloptera, sind Netzflügler mit grossen gleichgebil-
deten Flügeln, deren auf dem Lande lebende Larven mit starken, durch eine
Vereinigung von Vorder- und Mittelkiefer gebildeten Fangzangen versehen sind
und vom Raube anderer Insekten leben. Zu ihrer Verwandlung fertigen sie feste
Cocons.
Beachtenswerth ist die Gattung Myrmeleon. Diese Thiere ähneln als
Imago den Libellen, unterscheiden sich jedoch von diesen leicht durch die zwar
kurzen, aber doch deutlich vortretenden, an der Spitze keulenförmig verdickten
Fühler, und die in der Ruhe dachartig dem Körper aufgelagerten Flügel. Es
sind träge, schlecht fliegende Thiere, von denen bei uns zwei Arten, M. formi-
carius L. mit gefleckten und M. formicalynx FAgr. mit ungefleckten Flügeln vor-
kommen. Ihre Larven leben in trockener Erde und Sand und höhlen rückwärts-
gehend einen Trichter aus, auf dessen Grunde sie auf vorbeilaufende Insekten,
namentlich auf Ameisen, lauern, woher sie den Namen Ameisenlöwen erhalten
haben. Die Larve, die so gedrungen ist, dass sie ausserhalb ihres Triehters, auf
die Hand genommen, wie eine dunkle, staubige Pille erscheint, fällt sofort durch
die grossen, gekrümmten Saugzangen auf. Diese ragen, wenn sich das Thier
in den Hinterhalt legt, allein aus dem kleinen Sandtrichter hervor. Der Sand
muss trocken sein und leicht rollen, denn nur so benachrichtigen fallende
Körnchen die lauernde Larve von der Nähe einer Beute; sie bombardirt dann fort-
während mit einem feinen Sandregen aus der unteren Spitze ihres Trichters
nach dem oberen Rande, wodurch die zufällig vorüberlaufenden Insekten herunter-
gerissen werden. Die ausgesaugte Beute schleudert die Larve mit einem Rucke
des Kopfes aus dem Trichter hinaus. Gefällt es den Larven an einer Stelle
ihres Sandrevieres nicht, so verlassen sie dieselbe und siedeln sich in der Nähe
an, indem sie sich in Gängen unter dem Sande rückwärts fortbewegen. Deshalb
sind von den zahlreichen Falllöchern einer Gegend durchaus nicht alle bewohnt.
Gern suchen sie sich geschützte Stellen unter Felsvorsprüngen, Mauern u. dergl.
aus, allein häufig findet man den Trichter auch ganz im Freien. Die Verpuppung
erfolgt in einem sehr harten Cocon in der Erde. Trotzdem, dass die Larven der
Ameisenlöwen so manches schädliche Insekt verzehren, denn sie fressen alles, was
in ihre Grube fällt und was sie bewältigen können, sind sie schon deshalb nicht
vorwiegend nützlich, weil sie namentlich sehr viele nützliche Ameisen vertilgen.
Netzflügler. 279
Viel zarter und träger sind die Imagines der verwandten Florfliegen,
welche die Gattungen Chrysopa und Hemerobius bilden, erstere mit faden-
förmigen, letztere mit perlschnurförmigen längeren Fühlern. Hemerobius micans
Ouıv. und Chrysopa perla L., sind zwei häufige Formen. Man sieht die Florfliegen
zu sehr verschiedenen Jahreszeiten mit Jangsamem Fluge umherschwärmen, bemerkt
sie aber vorzüglich in Menge im Herbste und selbst im Winter, wenn sie in warme
Räume, an die Fenster der Zimmer kommen, um dort zu überwintern. Sie befetigen
ihre weissen oder grünlichen Eier mittelst eines haarfeinen, weissen Stielchens an
Gewächsen sö, dass man ein Häufchen Schimmel zu sehen glaubt (vergl. 8. 83,
Fig. 66 L). Wenn die Larve auskommt, ist sie genöthigt, sich durch Zusammen-
ziehung fortzuschnellen, um von ihrem hohen Sitze auf die Pflanzenfläche zu ge-
langen. Sie hat 6 kräftige Beine und einen grossen Kopf. Die Saugzangen sind
namentlich bei Chrysopa lang, dünn und einwärts gebogen, bei Hemerobius kürzer
und breiter. Diese länglich-lanzettförmigen Larven sind verschieden bunt gefärbt,
öfters seltsam costümirt. Sie leben nämlich in Blattlausherden, unter welchen
sie starke Verwüstungen anrichten, und indem sie die Häute der ausgesaugten
Blattläuse über sich werfen, vereinigen sich diese mit dem ebenfalls auf den
Rücken geworfenen, eigenen Kothe zu einem Sacke, den sie wie ein Schilder-
haus mit sich schleppen. Die etwas gekrümmte, grünliche Puppe ruht in einem
rundlichen, erbsengrossen, weissen Cocon, welcher an Blättern oder Zweigen
angesponnen ist. Die ganze Verwandlung ist im warmen Sommer innerhalb
vier bis fünf Wochen vollendet, kann sich daher mindestens zweimal in einem
Jahre wiederhohlen. Man kann diese immerhin nützlichen Thiere im Anklange
an die Bezeichnung „Ameisenlöwe” als „Blattlauslöwen” bezeichnen.
Die Sialidae seien hier erwähnt wegen der nicht blos ihrer Gestalt nach
sehr auffallenden, sondern auch nützlichen Gattung Rhaphidia, Kamelhalsfliege,
deren breiter, herzförmiger, sehr beweglicher Kopf auf einem übermässig ver-
längerten Prothorax sitzt, weleher dem Thiere seinen deutschen Namen verschafft
hat. Die an ihrem gleichfalls bereits verlängerten Prothorax kefintliche, unter
Baumrinde lebende, sehr bewegliche Larve ist ein gewaltiger Räuber.
Die in den deutschen Nadelwaldungen wohl häufigste Art, R. ophiopsis
Schum., ist entschieden forstlich nützlich; ihre gewandte, der Imago sehr ähn-
liche Larve dringt vermöge ihres beweglichen Körpers in die feinsten Risse und
- verzehrt wohl alle Insekten, die ihr vorkommen; RATZEBURG fand sie oft in der
Nähe höchst wahrscheinlich von ihr ausgefressener Nonneneier. Die lang vor-
gezogenen Spitzen ihrer Oberkiefer sind für ihre nützlich räuberische Arbeit
sehr geeignet. Im Winter sind die Larven vollkommen ausgewachsen; im Früh-
jahre findet man die munteren Puppen in der Rinde; im Mai und Juni fliegen
die Imagines, welche durch die sonderbaren, kecken Bewegungen des langen
Halses und Kopfes auffallen. Ob die anderen fünf deutschen Arten oder die mit
etwas kürzerem Halse versehene, verwandte unter Eichenrinde lebende Inocellia
crassicornis Schum., auch nützlich wirken, ist nicht direet bestimmt, aber höchst
wahrscheinlich.
Die Familie der Scorpionsfliegen, Panorpidae, auch Schnabelfliegen
genannt, ist dadurch gekennzeichnet, dass die Unterseite des Kopfes in einen
langen, die Mundtheile tragenden Schnabel ausgezogen ist. Scorpionsfliege heisst
besonders die Gattung Panorpa wegen des zu einer blasigen Zange aufgetrie-
benen letzten Hinterleibssegmentes des d. Auch sie sind räuberische Thiere.
Panorpaco mmunis L. ist eine bei uns sehr verbreitete Art.
Die II. Unterordnung, die Pelzflüger, Trichoptera, enthält nur die
einzige Familie der Frühlings- oder Köcherfliegen, Phryganidae, und umfasst zarte
Netzflügler mit verkümmerten Mundwerkzeugen, sehr kurzer Vorderbrust, lang
gespornten Beinen und zwei Paar behaarten oder beschuppten, ungleichartigen
Flügeln, deren hinteres Paar oft einfaltbar ist. Ihre meist mit fadenförmigen
Kiemenbüscheln an den weichen Hinterleibsringen versehenen, im Wasser
lebenden Larven bauen sich ein festes, oft köcherartiges Gehäuse, aus welchem
sie dann nur mit dem stärker chitinisirten Kopfe und der lange Beine tragenden
Brust hervorschauen, und in welchen sie sich schliesslich verpuppen. Die Ge-
häuse werden aus den verschiedensten Materialien, Sand, Schilfstückchen, Steinchen
280 Kap. VIII. Die Gerad- und Netzflügler.
Schneckenschalen u. s. f. gefertigt; ihr Bau und ihr Material ist bei jeder ein-
zelnen Art bestimmt. Es sind wohl räuberische Thiere, welche sogar der Fisch-
brut zu schaden vermögen. Sie werden von den Fischern als „Strohwürmer”
oder „Sprocken” bezeichnet und häufig als Angelköder verwendet.
Die erwachsenen Insekten sind meist träge Dämmerungsthiere, welche
in ihrem äusseren Habitus häufig an Motten erinnern. Sie flattern in der Nähe
des Wassers umher und bilden eine Lieblingsnahrung der Fische. Nachbildungen
derselben werden als künstliche Fliegen bei dem Flugangeln verwendet. (Ver-
gleiche hierüber W. Biscuorr’s Anleitung zur Angelfischerei II. Aufl. 1883.
München, bei Braun und Schneider.)
Die III. Unterordnung, die Fächerflügler, Strepsiptera, wird von
uns nur zur Vereinfachung des Systems hier aufgenommen. Ebensogut könnte sie
aber auch als eigene Klasse, und zwar als Uebergang von den Netzflüglern zu
den Käfern betrachtet‘ werden. Es sind sehr kleine Insekten, bei welchen die
Männchen mit halbkuglig vorragenden, sehr grob facettirten, fast gestielt er-
scheinenden Augen, gegabelten oder gekämmten Fühlern, kleiner Vorder- und
Mittelbrust, grosser Hinterbrust versehen sind; ihre Vorderflügel bilden kleine,
an der Spitze aufgerollte, häufig mit den Flügeldecken der Käfer verglichene
Stummel, während die längsgefalteten Hinterflügel sehr gross und stark sind. Die
ungeflügelten, wurmförmigen Weibehen, sowie ihre späteren beinlosen Larven-
stadien leben parasitisch in dem Leibe von Hymenopteren. Das erste sechs-
beinige Larvenstadium dringt in den Bienenwohnungen bereits in die Bienen-
larven ein und macht hier nun eine regressive Metamorphose durch. Die
Puppen ragen alsdann zwischen den Hinterleibsringen der erwachsenen Wirthe
hervor, aber nur das Männchen verlässt das Wirthsthier, während das Weibchen
auch nach seiner Häutung daselbst verbleibt. Xenos vesparum Rossı ist häufig
auf Polistes gallica, Stylops melittae Kırz. auf Andrena-Arten. Von dieser
Gattung leitet man die Bezeichnung „stylopisirt”’ für mit Strepsipteren besetzte
Hymenopteren ab.
KAPITEL IX.
Die Käfer,
Die Käfer, Coleoptera, sind Insekten mit kauenden Mund-
werkzeugen, freiem, stark entwickeltem Prothorax, zwei Paar
Flügeln, von denen das vordere zu Flügeldecken umgebildet
ist, und vollkommener Metamorphose.
Wie mannigfaltig auch die Körper-
gestalt der Käfer ist, so werden doch bei
weitem die meisten zu dieser Ordnung ge-
hörigen Insekten sofort auch dem Laien
durch dieFlügeldecken (vergl. 8. 35 bis 38)
kenntlich, welche während der Ruhe als
feste Schutzorgane nicht nur das zweite
Flügelpaar, dieeigentlichen Flugflügel, ver-
bergen, sondern auch die beiden hinteren
Brustringe und meist auch den gesammten
Hinterleib derartig überlagern, dass von
oben gesehen ein typischer Käfer nur aus
dem Kopf, einem der Vorderbrust entspre-
chenden „Halsschilde” und dem von den
Flügeldecken bedeckten Rumpfe zu be-
stehen scheint. Ihre kauenden Mund-
werkzeuge sind im Allgemeinen nur da-
durch von denen der vorbesprochenen
Fig. 109. Kletterlaufkäfer, Calo-
soma sycophanta L. Z Oberlippe,
BVorderbrust, Halsschild, 5 Schild-
chen, FlI zu einer Flügeldecke
umgewandelter Vorderflügel der
rechten Seite, #7 II der zusammen-
gefaltete Hinterflügel der linken
Seite.
Gerad- und Netzflügler unterschieden, dass die Verschmelzung der beiden
Hinterkiefer zur Unterlippe (vergl. S. 31) eine weiter gehende ist und
demgemäss ein grösserer Unterschied zwischen der Unterlippe und den
Mittelkiefern besteht.
Ebenso wie den erwachsenen Insekten ist auch den Larven eine
bestimmte Form nicht eigenthümlich, und wir finden die verschiedensten
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde.
19
282 Kap. IX, Die Käfer.
Gestalten von der frei lebenden, ausgefärbten Raubkäferlarve bis zu dem
weisslichen, aber noch mit Füssen versehenen Engerlinge und der eine
fusslose Made darstellenden Rüssel- oder Borkenkäferlarve. Allen ist
aber ein gesonderter, fest chitinisirter Kopf eigenthümlich, sowie wesent-
lich kauende Mundwerkzeuge. Die Puppe: ist stets eine freie (vergl.
S. 102 und Taf. II, Fig. 12 und 14.P.).
Die Verbreitung der Käfer reicht auf dem festen Lande und im
Süsswasser wohl ungefähr ebenso weit, als die Verbreitung des organi-
schen Lebens überhaupt. Die Zahl der im Ganzen bekannten Arten
wird auf 80000 geschätzt, von denen auf das sicherlich am besten durch-
forschte europäische Faunengebiet über 15000 und auf Deutschland
ungefähr 6 000 kommen.
Die Käfer nähren sich ebenso wie ihre Larven von den verschie-
densten lebenden oder todten oder bereits in Zersetzung begriffenen
organischen Substanzen. Die Thierfresser unter ihnen werden gewöhnlich
als wirthschaftlich nützlich angesehen, die Pflanzenfresser als schädlich.
Für den Forstmann sind die Käfer neben den Schmetterlingen die
wichtigste Insektenordnung. Obgleich einige derselben forstlich auch
nützlich sind, so ist doch der von vielen Arten angerichtete Schaden
bei weitem überwiegend. Man braucht nur die Namen Maikäfer, Enger-
ling, Rüssel- und Borkenkäfer zu nennen, um dem einfachsten Forst-
manne in das Gedächtniss zu rufen, dass sowohl die erwachsenen Käfer
wie ihre Larven den Holzgewächsen, und zwar physiologisch ebenso wie
technisch schaden können.
Allgemeines. Die Gestalt der erwachsenen Käfer ist ungemein
verschieden; dieselbe kann linear, gestreckt und scheibenförmig, ab-
geplattet oder kugelig sein. Einen grossen Einfluss auf den äusseren
Habitus hat ferner die Verbindungsweise der einzelnen Leibesabsehnitte,
welche entweder scharf durch tiefe Einschnitte gegen einander ab-
gegrenzt sind, z. B. bei den Laufkäfern (vergl. Fig. 109) oder ganz
aneinander schliessen, dass der Umriss des Leibes eine fortlaufende
Curve darstellt (vergl. Taf. II, Fig. 3 F'). Letzteres findet man nament-
lich häufig bei Wasserkäferın. Auch die Länge der Gliedmassen im
Verhältniss zum Stamme des Leibes kann sehr verschieden sein. So
werden die Fühler häufig sehr lang, und es entstehen dann ganz abenteuer-
liche Gestalten, wie bei manchen Bockkäfern. Bei plötzlichem Schrecke
ziehen viele Käfer alle Gliedmassen dicht an den Leib, und bei
einigen finden sich sogar auf der Unterseite besondere Furchen vor,
in welche Fühler und Beine derartig eingelegt werden können, dass
sie die Oberfläche des Chitinpanzers nicht überragen (vergl. 8. 293).
Dieser Chitinpanzer ist meist mittlerer Härte, kann aber zu einer
ungemein festen Schutzdecke, — z.B. bei manchen Rüsselkäfern — oder
Allgemeines, 283
zu einem dünnen, biegsamen Häutchen werden, wie z. B. bei der
Familie der Malacodermata.
Die Käfer sind im Allgemeinen als mittelgrosse Thiere zu cha-
rakterisiren, unter denen allerdings auch Riesen, — z.B. Hirschkäfer
und Cerambyx cerdo L. — und Zwerge, — z. B. viele Borkenkäfer —
vorkommen, und zwar letztere weit häufiger als erstere.
Die Färbung der Käfer ist meist unauffällig, mit geringen
Zeichnungen; dunkle Metallfarben sind häufig, aber auch helle Farben,
wie Schwefelgelb und Zinnoberroth, kommen vor, z. B. bei Cteniopus
sulphureus L. und Pyrochroa coccinea L., ferner lebhaftester farben-
spielender Metallglanz, sowie Seiden- und Sammetschimmer, namentlich
bei Chrysomeliden und Scarabaeiden. Die Sculptur der Oberfläche,
besonders der Oberseite von Kopf, Halsschild und Flügeldecken, ist
nicht nur für den Habitus, sondern auch für die Abgrenzung der
Einzelart häufig wichtig. Ganz glatte, gestreifte, punktirte, in Reihen
punktirte, gerunzelte Oberflächenbeschaffenheit ist sehr häufig. Auch
Haare und Schuppen finden sich vielfach, und besonders die Färbung
der letzteren ist für die Gesammtfärbung des frischen, noch nicht
abgeriebenen T'hieres oft entscheidend, z. B. bei vielen Rüssel-
käfern.
Der Kopf ist stets gut ausgebildet, bald frei vorragend, bald
mehr oder weniger in oder unter das Halsschild eingezogen. Er trägt
mitunter bei beiden Geschlechtern oder nur beim d' hornartige Aus-
wüchse. Dasselbe ist übrigens auch vom Halsschild zu sagen. Die
Netzaugen fehlen nur wenigen Höhlenkäfern, bei den übrigen sind
sie gut entwickelt und variiren von kreisrunder zu oblonger und
nierenförmig eingeschnittener Gestalt. Im äussersten Falle trennt der
Einschnitt jedes Auge in zwei gesonderte Hälften (vergl. S. 74, Fig. 53).
Punktaugen fehlen in der Regel.
Die Fühler sind sehr verschieden geformt, theils gleichartig,
theils ungleichartig und in letzterem Falle meist gebrochen, also aus
Schaft und Geissel bestehend.
Die Mundwerkzeuge sind am Kopfe, entweder vorder- oder
unterständig eingelenkt, so dass also die Vorderkiefer entweder in
der Richtung der Längsachse vorragen, wie bei den Laufkäfern,
Schrötern u. s. f., oder senkrecht zu dieser nach unten gestellt sind,
wie bei den Borkenkäfern. Bei den Rüsselkäfern und Verwandten
sind sie an der Spitze einer mehr weniger ausgeprägten Verlängerung
des Kopfes, Rüssel genannt, angebracht. Die Vorderkiefer sind gewöhn-
lich starke Beisszangen, welche nur sehr selten häutig werden, da-
gegen öfters bei den Männchen zu secundären Geschlechtscharakteren
ausgebildet sind, z. B. bei den Hirschkäfern. Die Laden der Mittel-
kiefer sind dagegen häufig lederartig, ihre Taster viergliedrig. Der
Ladentheil der zur Unterlippe verschmolzenen Hinterkiefer ist meist
wenig entwickelt, und ihre Taster sind meist dreigliedrig.
Die Brust ist durch die starke Entwickelung der Vorderbrust
zum Halsschilde gekennzeichnet. Die Mittelbrust ist der kleinste Ab-
192
284 Kap. IX. Die Käfer.
schnitt, dagegen erscheint die wesentlich die Flugmuskeln einschliessende
Hinterbrust sehr stark entwickelt.
Die Beine sind durchgehend Laufbeine, welche allerdings in
vielen Fällen durch Sohlenbildung zu Gangbeinen werden. Die Um-
bildung der Vorderbeine zu Grabbeinen, z. B. bei den blatthörnigen
Käfern, und die Verwandlung der Hinterbeine in Sprung- oder Schwimm-
beine tritt verhältnissmässig selten auf.
Die Fussglieder sind meist an allen drei Beinpaaren in der
Zahl fünf entwickelt. Solche Käfer heissen pentamer, ihre Gesammt-
heit Pentamera. In einer grossen Gruppe ist aber das vorletzte der fünf
Fussglieder so schwach entwickelt, dass es nur bei genauester Be-
trachtung erkannt wird, uud diese Thiere daher als viergliedrig, tetramer,
die Gruppe als Tetramera, bezeichnet werden. Neuerdings nennt man
sie daher gewöhnlich „verborgen fünfgliedrige”, Cryptopentamera, oder
„falschviergliedrige”, Pseudotetramera (Fig. 110). Es gibt ferner auch
Formen, welche in Wirklichkeit vier Fussglieder an allen drei Beinpaaren
haben; bei ihnen ist aber gleichfalls das vorletzte so
gering entwickelt, dass es lange übersehen wurde und
ar-- diese Käfer daher als „dreigliedrige”, Trimera, be-
zeichnet wurden. Auch für diese werden jetzt oft die
Ausdrücke Cryptotetramera oder Pseudotrimera an-
gewendet. Käfer, welche an den beiden ersten Bein-
paaren fünfgliedrige, an dem hintersten dagegen vier-
Fig.110. Beinvon gliedrige Tarsen haben, nennt man Heteromera.
Ey Kane er Die auf dem Rücken der Mittelbrust eingefügten
em Tarsusı adas Flügeldecken bedecken meist vollständig die beiden
nicht mitgezählte hinteren Brustringe und den Hinterleib. Nur an ihrer
vorletzte Glied. Basis tritt fast immer in der Mittellinie des Leibes
zwischen denselben ein kleines Stück Mittelbrust
hervor, das Schildchen, scutellum (Fig. 1095). Sonst stossen sie gewöhn-
lich in der Mittellinie des Körpers mit einem geraden Rande, dem
Innenrande, genau zusammen. Nur selten klaffen sie oder greifen über-
einander. Oft ist der Aussenrand der Flügeldecken ein Stück weit
nach unten umgeschlagen. In einzelnen Gruppen werden die Flügel-
decken kürzer und lassen entweder nur das letzte Ende des Hinter-
leibes, das dann Schwanzstück, pygidium, heisst, frei, oder sie sind
abgekürzt und bedecken nur wenige Ringe des Hinterleibes, wie z. B.
bei den Staphyliniden. In seltenen Fällen sind sie zu ganz schwachen
Rudimenten verkümmert. Es ist dies namentlich bei den Weibchen
mancher Leuchtkäfer der Fall, welehe hierdurch ein larvenähnliches
Aeussere erhalten. Diesen fehlen dann gleichzeitig die Flugflügel,
welche übrigens auch bei gut entwickelten Flügeldecken fehlen können.
Letztere verwachsen dann mitunter in der Mitte derartig, dass die Naht
verschmilzt und die Flügeldecken eine zusammenhängende Schutzplatte
des Rumpfes bilden. Nur in seltenen Fällen sind die hinteren Flug-
flügel kürzer oder ebenso lang wie die Flügeldecken; der Regel nach
werden sie bedeutend länger und sind dann sowohl der Länge nach,
Allgemeines. 235
wie quer auf die Längsachse einfaltbar. Meist wird nur die Spitze
gegen die Basis eingeschlagen; bei verkürzten Flügeldecken kommt
aber auch eine doppelte Einfaltung der Quere nach vor. Das Geäder
besteht wesentlich aus Längsadern und verkümmert bei den kleineren
Formen. Beim Fluge werden die Flügel entweder unter den geschlossen
bleibenden, zu diesem Zwecke in der Schultergegend besonders aus-
geschnittenen Flügeldecken hervorgeschoben, so z. B. bei den Gold-
käfern, Cetonia, oder es werden — und dies ist der häufigere Fall —
die Flügeldecken bei Entfaltung der Flügel gehoben und während des
Fluges geöffnet getragen.
Der Hinterleib ist dadurch ausgezeichnet, dass die Bauch-
platten stärker chitinisirt sind als die Rückenplatten und eine meist
ganz feste, kahnförmige Kapsel für die Eingeweide bilden, über welche
die weichen Rückenplatten als dehnbare Decke übergespannt erscheinen.
Nur die _von den Flügeldecken nicht bedeckten Rückenplatten sind
stärker chitinisirt. Diese Einrichtung ist besonders wichtig bei den
Weibchen, welche sehr viel Eier produeiren, deren Hinterleib also
sehr aufschwillt. Die Zahl der Rückenplatten ist stets grösser als die
der Bauchplatten, da letztere an den ersten Hinterleibsringen meist ver-
kümmern, während zugleich die zum Ansatz der Flugmuskeln stark
erweiterte Bauchhälfte der Hinterbrust sich nach hinten vorschiebt.
Auch verschmelzen öfters einzelne Bauchplatten miteinander, Die
letzten Hinterleibssegmente sind häufig eingezogen und treten in Be-
ziehung zu den äusseren Geschlechtsorganen, welche nur beim Ge-
brauche vorgestreckt werden. Der häufig sehr starke Penis wird
neuerdings vielfach mit den ihn auszeichnenden Chitinstücken zur
Unterscheidung der einzelnen Arten verwendet. Die Weibchen haben
öfters eine längere Legröhre.
Aeusserlich lassen sich beide Geschlechter meist nur an der
Form der um die Geschlechtsöffnung herum liegenden Chitinplatten unter-
scheiden. In anderen Fällen sind dagegen deutliche secundäre
Geschlechtscharaktere vorhanden (vergl. S. 43—45).
Die meist sehr einfach geformten Eier bieten keinerlei erwähnens-
werthe Eigenthümlichkeiten. Sie werden von den Weibchen stets an
die für die Larven geeignete Nahrungsquelle abgelegt, und es werden zu
ihrer Unterbringung oft besondere Vorkehrungen getroffen (vergl. S. 88
und 89).
Die Larven sind entweder einer freien Lebensweise angepasst,
mit gut entwickelten, eine verhältnissmässig rasche Fortbewegung ge-
stattenden Extremitäten und vorgestreckten Mundwerkzeugen versehen,
alsdann auch meist lebhafter gefärbt, oder zur Lebensweise in der Erde
oder in ihren Nahrungssubstanzen eingerichtet und dann meist mit
gering entwickelten Beinen und unterständigen Mundwerkzeugen aus-
gestattet, weich und weisslich gefärbt. Im extremsten Falle, z. B. bei
den Rüssel- und Borkenkäferlarven, fehlen die Beine vollständig. Eine
Ortsbewegung ist dann nur durch Krümmungen des Körpers möglich
und wird durch die Besetzung des Hinterleibes mit Haaren, Dornen
286 Kap. IX. Die Käfer.
oder rauhen Chitinplatten vielfach unterstützt. Uebergänge zwischen
den Extremen finden sich oft vor. Die an dem gut chitinisirten Kopfe
befindlichen Mundwerkzeuge sind stets nach dem Typus der kauenden
Mundwerkzeuge gebaut, auch dann, wenn einzelne Theile derselben,
z. B. bei den Schwimmkäfern, Dytiscus, die Vorderkiefer, zu hohlen,
durchbohrten Saugzangen verwandelt sind.
Die Nahrung der Larven ist entweder die gleiche wie die der
Käfer selbst, z. B. bei den fleischfressenden Raubkäfern, dem Puppen-
räuber Calosoma sycophanta L., oder die Nahrung beider ist ver-
schieden. Es kann dann die Nahrung der beiden genannten Lebens-
stadien immerhin noch denselben Objecten, aber verschiedenen Theilen,
entnommen sein; so sind z. B. sowohl der Maikäfer wie der Enger-
ling Pflanzenfresser, aber der erstere verzehrt die Blätter, letzterer die
Wurzeln der Pflanzen. Es können aber auch die Nahrungsquellen völlig
verschieden sein; so fressen z. B. die Imagines vieler Käfer Blüthen-
staub, z. B. die Anthrenus- und Dermestes-Formen, während die
Larven thierische Kost verzehren. Manche Käferlarven sind auch Koth-
und Aasfresser. Sehr viele leben ferner parasitisch im Inneren lebender
Pflanzen und tödten dieselben bei starken Angriffen. Diese Thiere
sind für den Forstmann von besonderer Wichtigkeit, z. B. viele Rüssel-
und alle Borkenkäferlarven. Meist findet man hier leichter die Larven
wie die Käfer, und es bietet hier oft schon die Form des Larvenfrasses
sichere Anhaltspunkte für die Bestimmung des Schädlings. Nur wenige
Käferlarven leben parasitisch in anderen Thieren; aus uuserer Fauna
ist besonders der als Larve in Coccus racemosus Rarz. schmarotzende
Anthribus varius Far. zu erwähnen (vergl. auch S. 106 und 107).
Die Verpuppung geschieht entweder frei oder in einem mehr
weniger gut ausgebildeten Cocon. Die im Holze lebenden Larven
machen häufig vertiefte Puppenwiegen, welche sie mit genagten
Spanpolstern auskleiden, z. B. die Pissodes-Arten. Bei in der Erde
oder in Pflanzentheilen lebenden Puppen frisst sich stets der Käfer
auf die Aussenwelt durch und erzeugt also Fluglöcher. Oefters ver-
lässt aber die Larve bereits vor der Verpuppung das Innere ihrer
Nährpflanze und metamorphosirt sich in der Bodendecke.
Systematik. In einem praktischen Zwecken gewidmeten Buche
theilt man die Käfer am besten zunächst in vier grosse Abtheilungen
nach der Anzahl ihrer Fussglieder, soweit man solche mit blossem Auge
oder mässiger Lupenvergrösserung erkennen kann.
Käfer mit 5 Fussgliedern an jedem Beinpaar heissen Pentamera.
4 Tetramera.
n n n n n N n
n n 3 n ran n n
Solche, welche an den beiden vorderen Beinpaaren 5, am hinteren
4 Fussglieder haben, heissen Heteromera.
Trimera.
Dass die wissenschaftliche Entomologie diese Eintheilung jetzt verwirft,
ist nicht nur darin begründet, dass die Bezeichnungen auf einer oberflächlichen
Allgemeines, Systematik. 287
Beobachtung beruhen und wenigstens die Namen Tetramera und Trimera oft
durch die Bezeichnung Cryptopentamera und Cryptotetramera ersetzt werden
(vergl. S. 284), sondern auch darin, dass dieses künstliche System, streng durch-
geführt, zu einer Zerreissung natürlicher Verbindungen führen muss. Kommen
doch z. B. in der sehr natürlich abgegrenzten Familie der Staphylinidae, welche
im Allgemeinen zu den Pentameren gehört, auch fast alle anderen, überhaupt
bei Käfern bekannten Zahlenverhältnisse an den Fussgliedern vor, und sinkt doch
bei manchen Pselaphidae, welche mit den Staphylinen nahe verwandt sind, und
daher auch in die Pentameren eingereiht werden müssen, die Zahl derselben auf
zwei. Trotzdem sind diese Ausnahmen so wenig zahlreich und beziehen sich meist
auf praktisch so wenig wichtige Thiere, dass man sie in einem Werke wie
das vorliegende vernachlässigen kann. Ja zur ersten Orientirung ist die Einthei-
lung nach den Fussgliedern um so wichtiger, als die beschreibende Entomologie
sich neuerdings darin gefällt, die Trennung der Käfer in einzelne Familien immer
weiter zu treiben, und der Anfänger daher leicht den Ueberblick über die Zu-
sammengehörigkeit der einzelnen Gruppen verliert. Wir folgen im Allgemeinen
in unserer Eintheilung dem „Verzeichniss der Käfer Deutschlands’ von G. Kraarz
und nehmen im fast vollständigen Anschlusse an dasselbe 61 Familien an,
deren Uebersicht hier folgt.
Die Familien der einheimischen Käfer.
a) Pentamera. 22. Lathridiidae. 43. Melandryidae.
1. Carabidae. 23. Mycetophagidae. 44. Lagriariae.
Denk 24. Dermestidae. 45. Pedilidae.
dan 25. Byrrhidae. 46. Anthicidae.
4. Hydrophilidae. 26. Georyssidae. #7. Pyrochroidae.
5. Staphylinidae. 27. Parmnidae. 48. Mordellonae.
6. Pselaphidae. 28. Heteroceridae. 49. Rhipiphoridae.
2. Clavigeridae. 29. Lucanidae. ee
SE maorike. 30. Scarabaeidae. 51. Oedemeridae.
9. Silphidae. 31. Buprestidae. el
In elhsnhidae. 32. Eucnemidae. :
I nhaniidae. 33, Elateridae. 52. Bruchidae.
12. Trichopterygidae. 34. Dascillidae. ES ee aliialne:
18. Soaphidiidae, 35. Malacodermata. | 54. Cureulionidae.
ne. 36. Cleridae. 55. Scolytidae.
db ass 37. Lymexylonidae. | 56. Cerambyeidae.
Te Nekrdutae; 38, Ptinidae. 57. Chrysomelidae.
17. Trogositidae. 39. Anobiidae. d) Trimera.
18. Colydiidae. b) Heteromera. 58. Erotylidae.
19. Rhysodidae. 40. Tenebrionidae. 59. Endomychidae.
20. Cucujidae. | 41. Cistelidae. 60. Coceinellidae.
21. Cryptophagidae. 42. Pythidae. 61. Corylophidae.
In der vorstehenden Uebersicht sind die Namen der für den
Forstmann bedeutungslosen Familien petit, die nützlichen cursiv,
die merklich schädlichen gesperrt und die sehr schädlichen fett
gedruckt. Nur die beiden letzteren Gruppen, sowie die unmittelbar
sich ihnen anschliessenden, werden in sieben getrennten Abschnitten
288 Kap. IX. Die Käfer.
ausführlicher behandelt werden, es sind dies die Familien 29 und
30; 31, 32 und 33; 35, 37, 38, 39 und 50; 52, 53 und 54; 55; 56;
57, also im Ganzen 16 Familien. Die übrigen 45, nur nützliche und
gleichgiltige Formen enthaltenden, behandeln wir in kurzer Ueber-
sicht auf den folgenden Seiten. Wer Genaueres verlangt, muss sich
an speciellere Werke halten, unter denen uns zur Bestimmung deut-
scher Käfer im Allgemeinen am bequemsten zu sein scheint:
L. REDTENBACHER, Fauna austriaca, die Käfer. 3. Aufl. 2 Bde..
1874, Wien.
Die meisten „Käferbücher” populärer Natur taugen nichts.
Die forstlich nützlichen und gleichgiltigen Käfer.
In der folgenden Aufzählung werden im Zusammenhange kurz
diejenigen Käferfamilien berührt werden, welche keinerlei dem Forst-
mann schädliche Thiere enthalten und demgemäss eine ausführlichere
Schilderung nicht erfahren können.
Die beiden ersten Familien, die Laufkäfer, Carabidae, und die
Schwimmkäfer, Dytiscidae, enthalten fast ausschliesslich Raubkäfer,
welche von anderen Thieren leben. Auch ihre Larven sind meist auf
die gleiche Nahrung angewiesen. Es werden daher die grösseren Gat-
tungen und Arten der Laufkäfer, die Vertilger so mancher schädlichen
Insekten und anderen Ungeziefers, als wirthschaftlich nützlich angeseben.
Für den Forstmann kommen hauptsächlich die Waldbewobner in Be.
tracht, die Gattungen Cicindela oder Sandkäfer, Carabus oder Lauf-
käfer im engeren Sinne (Taf. I, Fig. 5) und vornehmlich Calosoma
oder Kletterlaufkäfer, von denen C. sycophanta L. namentlich zur
Zeit eines grösseren Raupenfrasses oft massenhaft in den befallenen
Nadelholzbeständen auftritt und hier sowohl als Imago (Taf. I, Fig. 4 F),
wie als Larve (Taf. I, Fig. 4L), kräftig gegen die Raupen kämpft.
Diese sämmtlichen Gattungen verdienen also den Schutz des Forst-
mannes, welcher ihnen denselben aber höchstens insoweit gewähren
kann, dass er die häufig in den Raupengräben und namentlich in den
Fanglöchern sich ansammelnden Exemplare von den Arbeitern vor
Vernichtung der Raupen, beziehungsweise vor Zuschüttung der Fang-
löcher herausnehmen und in Freiheit setzen lässt.
Die Schwimmkäfer, welche trotz der ganz anderen Form ihres
Körpers, der wie eine verlängerte Linse geformt ist, den Laufkäfern sehr
eng verwandt sind, müssen als forstlich gleichgiltig angesehen werden.
Dagegen ist erwähnenswerth, dass die grösseren Arten, namentlich
Dytiscus marginalis L, der sogenannte „Gelbrand”, sowohl erwachsen
Br ’
'
Die forstlich nützlichen und gleichgiltigen Käfer. 239
wie als Larve der Fischbrut und sogar schwächeren erwachsenen Fischen
verderblich werden.
Als wirthschaftlich ganz gleichgiltig sind die hier sich an-
schliessenden, gleichfalls wesentlich im Wasser lebenden Familien der
Taumelkäfer, Gyrinidae, und der Wasserkäfer, Hydrophilidae, zu be-
zeichnen. Erstere tummeln sich, zierliche Bögen schlagend, schaaren-
weise auf der ruhigen Oberfläche unserer Gewässer; letztere durch
die keulenförmige Gestalt ihrer Fühler vor den übrigen im Wasser
lebenden Käfern ausgezeichnet, schwimmen nicht sehr gut und schreiten
mehr in der Tiefe der Gewässer zwischen den Wasserpflanzen einher,
von denen sie einen grossen Theil ihrer Nahrung entnehmen.
Die Carabidae und Dytiscidae sind trotz der grossen Verschiedenheit
ihrer äusseren Gestalt durch den Bau ihrer Mundwerkzeuge als sehr nahe ver-
wandt kenntlich. Es ist nämlich bei beiden die äussere Lade der Mittelkiefer in
einen zweigliedrigen Taster verwandelt, so dass also das zweite Kieferpaar hier
vier Taster aufweist. Unter die Carabidae rechnen wir auch die mit einigen
Verwandten häufig als getrennte Familie behandelte Gattung Cicindela.
Die Sandkäfer, Cicindela, welche wegen der räuberischen Lebensart ihrer
in fast senkrechten Erdröhren lebenden Larven von Ratzegurg als forstlich
nützlich wohl überschätzt wurden, gehören in unseren sandigen Kiefernwäldern
zu den auffallendsten Insektenerscheinungen, da die auf dunklem oder metallisch
glänzendem Grunde scharf hell gezeichneten Käfer bei Sonnenschein vor dem
störenden Wanderer häufig auffliegen, um nach kurzer Flucht wieder einzufallen.
Die oberhalb lebhaft grüne C. campestris L. dürfte wohl bei uns die häufigste
sein. Zoologisch sind diese Thiere, welche man vielleicht deutsch noch besser als
„Fluglautfkäfer” bezeichnen könnte, durch den beweglichen Haken an der Spitze
der Innenlade der Mittelkiefer, sowie durch den grossen, das Halsschild an
Breite erreichenden Kopf mit vortretenden Augen charakterisirt.
Unter den Erdlaufkäfern umfasst die Gattung Carabus die grössten Formen.
Von den nahe verwandten Kletterlaufkäfern, Gattung Calosoma, denen ein
queres Halsschild zukommt (Taf. I, Fig. 4 F), sind sie im Habitus durch ein
mehr quadratisch abgerundetes Halsschild verschieden (Taf. I, Fig. 5 F). Es
sind meist nächtlich lebende Thiere, welche in Verbindung mit ihren beweg-
lichen, meist dunkel gefärbten. grossen Larven (Taf. I, Fig. 5 L) von thierischer
Nahrung leben. Besonders häufig werden ihnen, wie Autumn hervorhebt [XVI, III, 1,
S. 49 u. 50], die nächtlich zum Vorschein kommenden Erdraupen, namentlich die
der Ackereulen, und die zeitir im Herbst in die Bodendecke hinabsteigenden
Raupen, sowie die Puppen forstschädlicher Schmetterlinge, z. B. der Kieferneule,
des Kiefernspanners, des Rothschwanzes etc. zur Beute fallen. Ob ihr häufiges
Erscheinen an Orten mit Raupenfrass, wo sie sich in den Fanggräben oft massen-
haft anhäufen, auf einer dann wirklich eintretenden massenhaften Vermehrung
beruht oder blos auf einer stärkeren Concentration auf die Stellen, wo sie viel
Frass finden, mag hier dahingestellt bleiben. Die häufigsten Arten unserer
Gebirgswaldungen sind C. violaceus L, auronitens FıArr., sylvestris Panz.,
während C. glabratus Payk., cancellatus Iır., granulatus L., intricatus L.,
hortensis L. häufig in den Waldungen der Übene und Vorberge gefunden werden.
Die forstwirthschaftlich nützlichste Gattung ist ohne Zweifel die Gattung
Calosoma oder Kletterlaufkäfer, da sowohl Käfer wie Larven nicht auf die
Jagd am Erdboden beschränkt sind, sondern ihrer Beute, den Raupen, auch auf
die Bäume zu folgen vermögen. Wir erwähnen hier besonders den grossen Kletter-
laufkäfer C. sycophanta L., auch Puppenräuber, Baumkäfer, Mordkäfer,
Raupenjäger, Bandit, Sycophant genannt, mit grün- und rothgoldiger Oberseite
(Taf. I, Fig. 4 F), bis 35 mm lang und den kleinen, 15—20 mm langen, oberhalb
tief bronzebraunen C. inquisitor L. Ihre an den gleichen Orten wie die Käfer
vorkommenden Larven, von denen die der grösseren Art bis 50mm Länge
290 Kap. IX. Die Käfer.
erreicht, sind durch die fest chitinisirten, schwarzbraunen Doppelschilder auf dem
Rücken jedes Leibesringes, welche mit den gleichfalls dunklen und festen Bauch-
schildern durch helle weiche Gelenkhäute verbunden werden (Taf. I, Fig. 4 L),
sehr leicht kenntlich. C. sycophanta findet sich nicht nur in unseren Nadelholz-
wäldern bei Frass von Kiefernspinner, Nonne und Kieferneule zahlreich ein,
sondern geht auch nach Arrum den Processionsspinnerraupen tapfer zu Leibe.
Preı. hat ein und dasselbe Exemplar 10—15mal nacheinander je eine Eulen-
raupe von dem Baume herabholen sehen, und NırschE nahm in Primkenau aus
einem einzigen Raupengrabenfangloche über 20 Exemplare heraus. C. inquisitor L.
ist dagegen mehr auf Laubwälder angewiesen und geht hier namentlich in
jüngeren Stangenhölzern den Spannerraupen nach. TAscuengere [XVIl, S. 209]
hat seine Nützlichkeit zuerst gewürdigt.
Auch unter den vielen kleineren Gattungen und Arten der so zahlreichen
Gruppe — es finden sich 168 Gattungen und über 1800 Arten in Europa —
wären gewiss noch manche forstnützliche Thiere zu verzeichnen. RATZEBURG sperrte
zwei Stück Harpalus ferrugineus FAzr. mit fünf Engerlingen in ein Glas; nach
fünf Tagen fehlten zwei Engerlinge, nur deren Köpfe waren zu finden. Es
mehren sich aber auch die Nachrichten über Pflanzenfresser unter den Caraben,
namentlich bezüglich der Gattungen Harpalus Larr., Amara Box. und ihrer
Verwandten. Der bekannte Getreidelaufkäfer, Zabrus tenebrioides GorzE (gibbus
FaApr.), benagt bei Nacht die noch milchigen Körner der Getreideähren und seine
Larven zerkauen die Blätter der jungen Getreideplanzen und saugen dieselben
aus. Näheres vergleiche bei Taschengere [XXlII, 2, S. 2—7].
Es liegt ferner auch eine neuere Beobachtung über die forstliche Schäd-
lichkeit von Harpalus pubescens Mürr. (ruficornis Far.) und wahrscheinlich
auch vonH. aeneus FAsr. vor. Czecu [Centralbl. für d. ges. Forstwesen, Jhrg. IV,
1878, S. 371] hat sicher beubachtet, dass ersterer Käfer in mit Brettchen gegen
Mäuse- und Finkenfrass gedeckten Saatbeeten sich unter die Brettchen gewühlt,
die Samen von Laub- und Nadelhölzern seitlich angenagt und theilweise aus-
gefressen hatte. Er wurde mehrmals direct beim Zerkauen der Samen des ameri-
kanischen Färbermaulbeerbaumes, Maclura aurantiaca Nurr., betroffen. Auch
wurden die Samen von Pinus- und Picea-Arten angegangen, die der Abies-Arten
dagegen verschont. Auf nur mit Reisig gedeckten Saatbeeten kam dieser Frass
nicht vor, dagegen sind Harpalus-Arten auch unter Moosdeckung häufig.
Die Familien der Staphylinidae, Pselaphidae und Clavigeridae
lassen sich als „Stutzflügler” zusammenfassen, da sie verkürzte
Flügeldecken als wesentliches Kennzeichen besitzen. Sie stellen die
zahlreichste Gruppe aller einheimischen Käfer dar und nähren sich im
erwachsenen Zustande meist von faulenden thierischen und pflanzlichen
Substanzen, als Larven häufig auch von anderen lebenden niederen
Thieren. Die grösseren Arten, unter denen wir als besonders häufig
Staphylinus(Ocypus) olens Mürr. (Taf. I, Fig. 1) und St. erythropterus L.
(Taf. I, Fig. 2) hervorheben, nützen daher wohl mehr durch ihre Be-
theiligung an der Beseitigung von Thierleichen ete., als durch directe
Bekämpfung forstschädlicher Insekten. Dagegen leben viele kleinere
Arten als Larven in den Gängen der Borkenkäfer und nähren sich
daselbst wahrscheinlich von deren Eiern und Larven.
Aus der Kraarz’schen Monographie der deutschen Staphylinen hat Arrum
[XVI, III, 1, S. 69] die positiven Angaben über forstnützliche Thätigkeit der
einzelnen Arten zusammengestellt, und wir fügen nach NÖRDLINGER und PERRIS
einige Ergänzungen bei. Hiernach leben räuberisch:
Die forstlich nützlichen und gleichgiltigen Käfer. 291
in den Gängen von die Larven von
Hylesinus ligniperda Fasr.. . .... ». Homalota celata Er.
Biylesinus’piniperda. L. .. .....4».2 00...) Homalota sp:?
e R N Te Quedius scintillans Grv.
Hylesinus minor Hrrc RG fuliginosus Gav.
Placusa sp.?
Phloeopora reptans Gkv.
Xantholinus collaris Er.
Homalium vile Er.
Leptusa analis Gyr.
Homalota cuspidata Er.
Phloeopora reptans Grv.
Homalium pusillum Gev..
Gleichfalls in den Gängen des letzteren Borkenkäfers kommt noch die
Larve von Coryphium angusticolle Stra. vor, soll aber von dem Koth der Borken-
käfer leben, und die Larve von Quedius dilatatus FAgr. vernichtet die Hornissen-
brut in den Nestern.
Tomicus 6-dentatus Börner .
Tomicus laricis FApr.
Die in der Form den Staphylinen äusserst ähnlichen, aber durch
die geringere Zahl der Tarsalglieder und die häufig keulenförmige
Gestalt der Fühler, sowie Unterschiede in den Mundwerkzeugen von
ihnen abweichenden Pselaphidae und Clavigeridae sind zwerghafte,
meist in den Nestern von Ameisen als Einmiether lebende Käferchen.
Der Statur und Lebensweise nach schliessen sich diesen die forstlich
gleichfalls völlig gleichgiltigen Scydmaenidae an, welche aber keine
verkürzten Flügeldecken haben.
Trotzdem die Lebensweise ihrer Vertreter äusserst verschieden ist,
werden die Silphidae nach derjenigen der häufigeren und grösseren ein-
heimischen Arten oft als Aaskäfer bezeichnet. Am bekanntesten ist
die Gattung Necrophorus oder Todtengräber, deren Arten meist durch
abwechselnd roth und schwarz quergezeichnete Flügeldecken kenntlich
sind. Diese Thiere bringen ihre Eier an kleinen Thierleichen unter,
nachdem sie letztere zuvor durch allmähliche Unterwühlung in den Boden
versenkt, begraben haben. Die meisten Arten der nahe verwandten Gat-
tung Silpba legen ihre Eier gleichfalls gern an Aas, welches alsdann
den ausschlüpfenden Larven zur Nahrung dient; an eingegangenen
Stücken Wild findet man z. B. häufig die grösste deutsche Art Silpha
tittoralis L. Andere sind kühne Räuber, namentlich die forstlich durch
Vertilgung vieler Raupen entschieden nützliche S. quadripunctata L.,
der Vierpunkt-Aaskäfer.
Silpha quadripunctata L., welche durch je zwei schwarze Punkte auf
den ledergelben Flügeldecken und ledergelbe Einfassung des dunklen Hals-
schildes leicht kenntlich ist, wird im Mai auf Eichenheistern und Buchenstangen
kletternd gefunden, wo sie die daselbst fressenden Spannerraupen kräftig bekämpft.
Nach REDTENBACHER soll sie auch in den Nestern der Processionsspinner in Masse
vorkommen. Die Larven einiger anderen mattschwarzen Arten, namentlich von
S. atrata L. und S. opaca L., gehen bei Nahrungsmangel gelegentlich an die
Blätter der jungen Runkelrüben, welche sie skelettiren [vergl. XXI, II, S. 10].
292 ‘Kap. IX. Die Käfer.
Von den in der systematischen Uebersicht auf S. 257 nunmehr
folgenden Familien Nr. 10—15 erwähnen wir im Anschluss an die
Silphidae nur die Histeridae, weil die durch die Abstutzung ihrer
Flügeldecken und die spiegelblanke Oberseite leicht kenntlichen
Hauptgattungen dieser Familie gleichfalls häufig in Aas und Mist
gefunden werden.
Da die im Miste lebenden Arten der Gattung Hister nicht direete Mist-
fresser sein, sondern sich ränberisch von den dort lebenden eigentlichen Mist-
käfern nähren sollen, ss vermuthet ArLrum auch unter den kleinen unter alter Rinde:
lebenden Arten Räuber, welche vielleicht in ähnlicher Weise, wie die schon oben
angeführten kleinen Staphylinen, forstnützlich werden können [XVI, III, 1, 8. 74].
Bestimmt wird dies von NÖRDLINGER [XXIV, S. 2] nach Perrıs angegeben von
Platysoma oblongum Far. und Plegaderus discisus Er., von denen ersterer
den Larven von Tomicus 6-dentatus Börner, letzterer denen von Tomicus
(Crypturgus) pusillus Gyır. nachgehen soll.
Auch die Familien Nr. 15—23 könnten hier völlig übergangen
werden, wenn nicht in der forstlichen Literatur einige kleine Vertreter der
Nitidulidae, Trogositidae, Colydiidae und Cucujidae, welche öfters in
den Borkenkäfergängen angetroffen werden, als Borkenkäferfeinde an-
gesehen werden müssten.
Aus der Gruppe der Nitidulidae oder Glanzkäfer wird am häufigsten
erwähnt der auf Cruciferenblüthen lebende und bei starker Vermehrung die
Rapsernte empfindlich schädigende Rapsglanzkäfer, Meligethes aeneus Fasr. Der
Käfer selbst frisst sich nämlich im Frühjahr in die Rapsknospen ein, und die
Larve zerstört Blüthen und Schoten oft vollständig [vergl. XXI, II, S. 12].
Als Verbündete des Forstmannes werden dagegen manche unter Baumrinde
und in den Gängen der Borkenkäfer lebende kleine Formen, namentlich die lang-
gestreckten, flachen Arten der Gattung Rhizophagus, angesehen. Rh. depressus
FApr. und der etwas seltenere Rh. grandis Gyrr. wurden von REDTENBACHER in
den Gängen von Hylesinus micans Kus. raubend angetroffen. Wegen ähnlicher
Lebensweise wird Ips ferrugineus L. und I. quadripustalatus L. geschätzt.
Unter den Trogositidae ist das fast fadenförmig langgestreckte Nemosoma
elongatum L. zu erwähnen. Dieses 5 mm lange, glänzend schwarze, an der Basis
und Spitze der Flügeldecken gelbgezeichnete Käferchen ist, wie Errcnson mittheilt,
von verschiedenen Beobachtern in den Gängen von Hylesinus vittatus FApr. in
Rüster als Räuber angetroffen worden. Autum hat es in den Gängen von
Lymexylon dermestoides L., Tomicus domesticus L. und T. Saxesenii Rarz.
gefunden und wir selbst haben es aus Frassstücken von Hylesinus (Phloeo-
tribus) Oleae FArr., sowie aus altem Buchenholz in Gemeinschaft mit Tomicus
bicolor Hzsr. erzogen.
Die gleiche Bedeutung haben einige Vertreter der Colydiidae. Colydium
filifforme Far. und Oxylaemus variolosus Dur. leben in alten Eichen, und zwar
wesentlich in den Gängen von Tomicus monographus FıAzr. Desgleichen wurde
der zu den Cucujidae gehörige Laemophloeus ferrugineus SrrH. von JUDEICH
in Menge in den Gängen von Tomicus micrographus L. gefunden.
Die Familie der Speckkäfer, Dermestidae, ist zwar dem Forst-
manne in seinem Berufe völlig gleichgiltig, verdient hier aber doch
Erwähnung, weil die gewöhnlich behaarten Larven sämmtlicher Formen
von abgestorbenen thierischen Substanzen leben, und zwar einige in
Aas, die meisten aber in getrockneten Fellen, Bälgen und Naturalien.
Schlecht vergiftete ausgestopfte Bälge, sowie in ungenügend verschlossenen
Die forstlich nützlichen und gleichgiltigen Käfer. 293
Kästen aufbewahrte Insektensammlungen sind daher der Zerstörung durch
dieselben ausgesetzt.
Der eigentliche Speckkäfer, Dermestes lardarius L., schwarz, mit breiter,
gelbgrauer, schwarzgepunkteter Binde über der Wurzel der Flügeldecken, 8 bis
9 mm lang, sowie dessen langbehaarte, mit zwei hornigen Haken am Hinterleibs-
ende bewaffnete Larve geht trockene Fleischwaaren und ausgestopfte Thiere an.
Der 5 mm lange, schwarze, durch zwei weisse Haarpunkte auf den Flügeldecken
ausgezeichnete Pelzkäfer Attagenus pellio L. lebt auf Blüthen, während seine
gleichfalls behaarte, aber der Hornhaken am Hinterleibsende entbehrende Larve
ein gefürchteter Feind der Hausvorräthe, Kleider. Herbarien uud Naturalien-
sammlungen ist. Gleichfalls auf Blüthen leben die Käfer der Gattung Anthrenus,
während ihre Larven, ausgezeichnet durch ein langes Büschel Haare am Hinter-
leibe, namentlich die des nur 25 mm langen A. museorum L., die Hauptfeinde
der Insektensammlungen sind.
Als auffallende einheimische Käferform sei Byrrhus, die Haupt-
gattung der Byrrhidae, erwähnt, welche wegen ihrer abgerundeten Körper-
gestalt den deutschen Namen „Pillenkäfer”” erhalten hat: Die Bauch-
seite dieser Käfer ist mit tiefen Furchen versehen, in welche alle
Leibesanhänge derartig eingelegt werden können, dass sie für eine
oberflächliche Betrachtung völlig verschwinden. Mehr an feuchten
Orten, ja mitunter in fliessendem Wasser leben die wenigen ein-
heimischen Vertreter der Familien der Georyssidae, Parnidae und
Heteroceridae. Diese sowohl wie die später folgenden Dascillidae
können hier keinerlei Besprechung finden.
Aus der Familie der Cleridae ist durch das Verzehren schädlicher
Holzkäfer, besonders der Borkenkäfer, forstlich in hohem Grade nützlich
Clerus formicarius L., und zwar sowohl als Käfer wie als Larve (Taf. I,
Fig. 3 F und 2).
Dieser Käfer wird namentlich in Nadelholzrevieren an alten stehenden und
gefällten Stämmen, Meterstössen u. s. f. häufig gefunden. Seine rosenrothe, be-
wegliche Larve mit horizontal vorgestrecktem Kopfe, stark chitinisirter Vorderbrust,
durch je zwei feste Chitinschilder auf den beiden übrigen Brustringen und ein
einfaches Schild auf dem Endringe ausgezeichnet, lebt unter der Rinde und geht
daselbst gleichfalls den holzbewohnenden Käfern und Käferlarven nach. Auch seine
Verwandten leben, wenigstens als Larven, meist von anderen Thieren, so z. B. die
Larve von Trichodes apiarius L. in Bienenstöcken auf Kosten der Bienenlarven,
und deshalb wird sie von den Imkern sehr gefürchtet.
Die Familie der Ptinidae ist forstlich ganz gleichgiltig.
Aus der Gruppe der Heteromera erwähnen wir lediglich die
Familie der Tenebrionidae, weil sie den einzigen häufiger künstlich
gezogenen Käfer enthält, den ursprünglich in Mehlvorräthen, auf Korn-
böden ete. lebenden Mehlkäfer, Tenebrio molitor L., dessen Larve, unter
dem Namen „Mehlwurm” bekannt, ein sehr gutes Futter für insekten-
fressende Stubenvögel abgiebt.
Von den Trimera sind nur die Coccinellidae, im Volksmunde als
„Marienkäferchen”, „Herrgottschäfchen” bezeichnet, erwähnenswerth. Die
sehr beweglichen Larven dieser nützlichen Thierchen leben auf Blättern
z
von anderen Thieren, namentlich von Blattläusen, und sind daher als
nützlich anzusehen.
294 Kap. IX. Die Käfer.
Die gemeinste Art ist Coccinella septempunctata L. mit hellvioletter
Larve. Diese kommt im Hochsommer häufig auch auf den Kartoffelpflanzen
vor und verpuppt sich auch dort, indem sich die Puppe mit der Hinterleibs-
spitze an den Blättern festheftet. Da diese Puppe lebhaft gelb und schwarz ge-
zeichnet ist, wird sie neuerdings vielfach mit der ähnliche Farben zeigenden,
natürlich aber freibeweglichen Larve des Coloradokäfers verwechselt, und eine
ganze Reihe falscher Gerüchte über das Auftreten dieses gefürchteten über-
seeischen Kartoffelfeindes rühren von solchen Verwechselungen her (vergl. S. 612).
Die Blatthornkäfer, insbesondere der Maikäfer und seine
Verwandten.
Die von LATrREILLE aufgestellte Gruppe der Blatthornkäfer,
Lamellicornia, ist dadurch ausgezeichnet, dass die letzten Glieder ihrer
Fühler zu starken, zusammen eine Keule bil-
denden Blättern werden, und dass ihre Larven
Engerlinge sind, d. h. blinde, fleischige, bauch-
wärts eingekrümmte und daher stets seitlich
liegende, weissliche Larven mit gut entwickeltem
Kopfe, stark ausgebildeten Beinpaaren und sack-
artigem Hinterleibe (Taf. II, Fig. 14 L). Mai-
\ ; käfer und Hirschkäfer können als typische Ver-
a -B treter angeführt werden. In neuerer Zeit hat
Fig. 111. A Fühler des man diese sehr natürliche Gruppe in zwei
Hirschkäfers. B Fühler des
Rz Familien getrennt, in die Lucanidae und
Maikäfers.
Scarabaeidae, und zwar namentlich nach der
Beschaffenheit der Fühler, deren Blätter bei den Lucaniden, z. B. beim
Hirschkäfer, mit ihren scharfen Rändern aneinanderstossend eine gesägte
Keule bilden (Fig. 111 A), während dieselben bei den Scarabaeiden, z. B.
beim Maikäfer, mit ihren Flächen gegeneinander zu liegen kommen
(Fig. 111.B) und als richtige Blätter erst bei fächerartiger Entfaltung
erkannt werden.
Forstlich wirklich wichtige Käfer umfasst die Familie der Lucaniden
nicht, doch seien hier als häufige grössere Mitglieder unserer Fauna er-
wähnt der Hirschkäfer Lucanus cervusL. und der Balkeuschröter Dorcus
parallelepipedus L., deren Larven morsche Laubholzstämme bewohnen.
Die Lucanidae, eigentlich nur durch den Bau der Fühlerkeulen und
durch den Habitus getrennt, schliessen sich sonst im Bau nahe den Scarabaeiden
im engeren Sinne an. Bei den typischen Formen ist in der stärkeren Entwicke-
lung der Vorderkiefer des S', welche bei dem Hirschkäfer zu völligen Geweihen
ausgebildet sind, ein sehr auffallender secundärer Geschlechtscharakter gegeben.
Die Blatthornkäfer im Allgemeinen. 295
Die Käfer nähren sich von den ausfliessenden Baumsäften, die Larven dagegen
von mulmigem Holze, welches sie durchwühlen, und zwar meist in Eichen*’und
Buchen. Von kleineren Formen gehören unserer Fauna noch an: Platycerus cara-
boides L. und Sinodendron cylindricum L.
Die Scarabaeiden im engeren Sinne theilen wir für unsere
Zwecke am besten nach GersrÄcker's Vorgang in fünf auch biologisch
leicht charakterisirbare Gruppen, in die Mistkäfer, die Grabkäfer,
die Laubkäfer, die Riesenkäfer und die Blumenkäfer.
Die neuere systematische Entomologie trennt dagegen die Scarabaeiden
in zehn Unterfamilien, nämlich 1. Coprini, 2. Aphodiini, 3. Hybalini, 4. Geotrypini,
5. Trogini, 6. Glaphyrini, 7. Melolonthini, 8. Rutelini, 9. Dynastini und
10. Cetoniini.
Die Unterfamilien 1 und 2 bilden gemeinsam die Gruppe der Coprophaga
Lartr. oder Mistkäfer, so genannt, weil die Käfer den frischen Mist aufsuchen
um, da ihre Larven vom Miste leben, in diesem ihre Eier abzulegen. Bei uns
sind es meist kleinere Formen. Copris lunaris L. und die zahlreichen Aphodius-
Arten körinen als Repräsentanten dienen.
Aehnlich in ihrer Lebensweise an Mist und faulenden thierischen Sub-
stanzen, aber durch die Mundtheile unterschieden, ist die Gruppe der Grabkäfer,
Arenicolae M.-Lreay. Die Eier werden von ihnen nicht direct in den Mist
gelegt, sondern in Erdhöklen, die mit einem Mistpfropfen verschlossen werden.
Das Genus Geotrypes, welches unsere gewöhnliche Dungkäfer umschliesst, z. B.
G. vernalis L., G. stercorarius L. und Trox sabulosus L. sind häufire, bekannte
Vertreter dieser aus den Unterfamilien 3—5 bestehenden Gruppe. Beide Abthei-
lungen sind insofern im Haushalte der Natur beachtenswerth, als sie Abfallsstofte
entfernen, bleiben forstlich aber gleichgiltig.
Die dritte Gruppe dagegen, die Phyllophaga Burm., Laubkäfer, ge-
nannt, umfasst einige forstlich höchst beachtenswerthe Formen. Unter diesem
Namen vereinigt man die Unterfamilien 6—8. Biologisch stimmen sie insofern
überein, als die Imagines sich von Blättern und Blüthentheilen nähren, während
die in der Erde lebenden Larven Pflanzenwurzeln geniessen.
Die neunte Unterfamilie bildet die Gruppe der Riesenkäfer oder
Dynastini. Diese vornehmlich exotischen, vielfach, wie schon ihr deutscher Name
besagt, sehr grossen Formen zeichnen sich durch besonders hervortretende secun-
däre Geschlechtscharaktere aus. In unserer Fauna sind sie nur durch sehr wenige
und verhältnissmässig kleine Formen vertreten. Am bekanntesten ist Oryctes
nasicornis L., der Nashornkäfer, dessen Larve bei uns meist in Gerber-
lohe lebt.
Die zehnte Unterfamilie umfasst die Blumenkäfer, Melitophila Lark.,
prachtvoll gefärbte, metallisch glänzende, meist exotische Formen, deren Imagines,
die ebenfalls häufig secundäre Geschlechtsunterschiede aufweisen, sich von
Blüthenstaub und ausfliessenden Pflanzensäften nähren, während die Larven in
faulendem Holze und in Ameisennestern sich aufhalten. Die Gattung Cetonia
repräsentirt die wohlbekannten Goldkäfer bei uns, deren häufigster C. aurata L. ist.
Forstlich wirklich wichtig ist nur die zu den Laubkäfern gehörige
Unterfamilie der Melolonthini, welche ihren Hauptvertreter im Maikäfer
findet.
Die Melolonthini sind mit sieben- bis zehngliedrigen Fühlern
versehen, deren Keule bei den kleineren einheimischen Arten drei-
gliedrig, bei den grösseren sechs- bis siebengliedrig und bei den
Männchen meist stärker entwickelt ist. Die Schienen der Vorderbeine,
namentlich bei den Weibchen, sind stark und zum Graben eingerichtet,
die Fussklauen sind gleich, mit Ausnahme der Gattung Hoplia. Von
296 Kap. IX. Die Käfer.
den Stigmata des Hinterleibes liegen das zweite bis sechste Paar nahe
dem Innenrande der Bauchhalbringe, alle in einer Richtung und von
den Flügeldecken bedeckt. Das siebente Paar ist frei und in der Naht
zwischen Rücken- und Bauchschiene des vorletzten Ringes gelegen.
Die drei letzten Stigmata jeder Seite sind klein und rund, die vor-
deren länglich. Die Färbung der Käfer ist meist dunkel und un-
ansehnlich, wenigstens bei den einheimischen Arten. Wir haben hier
nur die wichtigsten drei Gattungen zu erwähnen, die sich durch folgende
Merkmale unterscheiden:
Fühlerkeule des
Aftergriffel vorhanden d Tblättrig '
Q 6blättrig
Fühlerkeule des
eiTkläting: IN Sr rer eb: 12.28 > ebolyphyllas
Aftergriffel fehlt . . Q 5blättrig |
Fühlerkeule des ;
Fu. 0 Splattro) al . .‚Rhizotrogus.
Die Gattung Melolontha, Maikäfer, umfasst drei mitteleuropäische
Arten, von denen aber nur zwei, der
RR LEN EN et -.. . . Melolontha.
gemeine Maikäfer, M. vulgaris Fapr.,
und der Rosskastanienmaikäfer, M. Hippocastani Fark.,
so häufig sind, dass sie forstschädlich werden. Beide stimmen in ihrer
Lebensweise so völlig überein, dass ihr Artunterschied in der Praxis
vernachlässigt werden kann.
Die Maikäfer fressen, ohne dass, wie bei anderen Forstinsekten, Jahre
des Nachlasses, mit einem gewissen Frasseyklus abwechselnd, einträten, und
es schadet nicht nur der Käfer durch Kahlfrass, sondern besonders die im
Boden lebende Larve durch Zerstörung der Wurzeln. Man hat mit der
grössten Bestimmtheit darauf zu rechnen, dass jeden fünften, respective
vierten Sommer ein bedeutender Maikäferflug, ein Hauptflug, erscheinen
wird; was innerhalb dieser Jahre fliegt, der Zwischenflug, ist jedenfalls
immer unbedeutender, wenn auch bei der Vertilgung nicht zu übersehen.
Die Flugjahre sind übrigens nicht die gefährlichen. Die Millionen von
Käfern fressen zwar manchen Baum ganz kahl, mancher büsst auch wohl
Blüthen und Früchte ein, und der Zuwachs leidet, aber selten geht
einer darnach ein. Viel schlimmer gestaltet sich der Frass in den Nicht-
flugjahren oder Engerlingjahren, denn keine Holzpflanze ist vor dem achte
bis zwölften Jahre vor der Larve sicher, welche im frostfreien Herbst
bis November frisst; ja in manchen sandigen Revieren ist durch sie
öfters überhaupt jeder Neuanbau in Frage gestellt worden. Auch stärkere
Stämme werden noch an den schwächeren Wurzeln befressen, einzelne
auch getödtet. Man sammle die Käfer also weniger, um der Entlaubung
der von ihnen befallenen Stämme vorzubeugen, sondern vielmehr um
Maikäfer im Allgemeinen. 297
die benachbarten Pflanzungen und Saaten vor den Engerlingen zu
schützen. Leider sehen das viele Leute nicht ein, weil sie, wenn ihre
Pflänzlinge anfangen roth zu werden, gar nicht mehr an den Flug,
welcher vor einem Jahre oder vor zwei Jahren da war, denken. Zur
Abwehr dieser schweren Schäden kann der Forstmann zunächst Vor-
beugungsmassregeln ergreifen, indem er eine solche Art des Be-
triebes und der Bestandesgründung wählt, bei welcher eine möglichst
geringe Zahl passender Brutstätten für die Maikäfer entstehen. Ferner
kann er zur Vertilgung der Schädlinge schreiten, und zwar sowohl
des Käfers, wie des Engerlings. Die Vertilgung des Käfers, welche durch
Sammeln während der Flugzeit zu geschehen hat, wird hierbei zugleich
zur Vorbeugung gegen das starke Auftreten der Larven. Die Vertilgung
der Larven durch Sammeln wird meist gleichzeitig mit der Bodenbearbei-
tung vorzunehmen sein. In Saat- und Pflanzschulen wird man aber auch
dann gegen die Engerlinge vorzugehen haben, wenn man am Welken
der Pflänzlinge erkennt, dass sie von Maikäferlarven angegriffen sind. Ganz
besonders gegen die Käfer zu empfehlen ist ein gleichzeitiges gemein-
sames Vorgehen in weiterem Umkreise, wozu, wenn irgend möglich,
auch die, ja nicht minder schwer wie Waldbesitzer heimgesuchten, Land-
wirthe herbeizuziehen sind. Besteht doch in manchen Ländern sogar
eine gesetzliche Verpflichtung zur Vertilgung dieser Thiere (vergl. S. 240
bis 244). In den stark von Engerlingen geplagten Gegenden ist ferner
besonderes Gewicht auf den Schutz der nützlichen Thiere zu legen, wie
namentlich des Maulwurfes, des Staares und der Saatkrähen. Ausführ-
lichere Schriften über den Maikäfer haben Prirnincer [I], Kromm [12]
und BoprnmüLzer [4] verfasst. Ein grösserer hierauf bezüglicher Aufsatz
ist auch in der „Allgemeinen Forst- und Jagdzeitung” 1864 enthalten [14].
Beschreibung. Imago. Wir verzichten auf eine eingehende Schilderung
dieser allbekannter Käfer und geben nur die folgenden Unterschiede zwischen
den beiden wichtigsten Arten an:
M. vulgaris Far. M. Hippocastani FApr.
Spitze des Hinterleibes:
In einen ziemlich breiten und von der | Schnell verengt und dann in einen
Wurzel an gleichmässig verschmälerten | dünnen, an der Spitze meist wieder er-
Aftergriffel ausgezogen. weiterten Aftergriffel ausgezogen.
Flügeldecken:
Einfarbig rothbraun. | Rothbraun mit schmalem, schwarzem
Saume.
Länge:
25—30 mm | 20—25 mm
Drittes Fühlerglied des d:
Einfach. | Vorn mit einem Zahn.
l,ehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde. 20
298 Kap. IX. Die Käfer.
Die Puppe (Tfl. I, Fig. 14 P) ist gelblich oder bräunlich mit zwei-
spitzigem Hinterleibsende.
Die Zarve (Tfl. II, Fig. 14 Z u. L*), auch Glime und Quatte genannt,
gehört zu den Engerlingen mit viergliedrigen Fühlern. Letztere sind ebensolang
als der Kopf und haben an ihrem vorletzten Gliede einen die Anlenkung des
letzten Gliedes überragenden, zugespitzten Fortsatz. Die langbehaarten, gut aus-
gebildeten drei Beinpaare nehmen von vorn nach hinten an Grösse zu. Die
Klauen der beiden ersten sind schlank pfriemenförmig, die des hinteren dagegen sehr
kurz. Das Hinterleibsende bildet einen grossen, dick aufgetriebenen, durch eine
Furche quergetheilten Aftersack, welcher häufig wegen des im Enddarm lange zu-
rückgehaltenen, durch die Leibeswand durchschimmernden Kothes bläulich erscheint.
Der After ist quergestellt, vor demselben auf der Bauchseite eine längere Doppelreihe
feiner Stacheln und neben diesen jederseits ein kleineres, fein bedorntes Feld.
Diese genauere Beschreibung kann dazu dienen, um die Maikäferengerlinge
von den Engerlingen der Mistkäfer, mit denen sie öfters verwechselt worden
sind, zu unterscheiden. In Frage können hier nur die Gattungen Aphodius und
Geotrypes kommen. Die Larve der ersteren ist auch mit viergliedrigen Fühlern
versehen, aber die Beine sind nur mit vereinzelten Dörnchen besetzt, und bei
der Larve von Geotrypes, welche nur dreigliedrige, sehr kurze Fühler lıat,
ist das dritte Fusspaar sehr verkürzt. Die ebenfalls engerlingsartigen Larven der
Lucaniden sind durch die läng:gestellte Afteröffnung gekennzeichnet.
Die Eier sind weisslich und von Hanfkorngrösse.
Biologie. Fortpflanzung. Der Flug der Käfer beginnt, je nach
der Witterung, Ende April oder im Mai — in höheren Gebirgslagen,
wo der Käfer überhaupt nur wenig vorkommt, erscheint er erst im
Sommer, einzelne Exemplare erst Ende August — und dauert drei bis
vier, auch wohl sechs Wochen, wenn man ein grösseres Flugrevier
nimmt. Im Anfange der Flugzeit sind die Männchen überwiegend,
und auch zu Ende derselben, wenn schon viele Weibchen nach erfolgter
Eiablage eingegangen sind, werden sie wieder vorherrschend. An den
Bäumen verrathen sich die Käfer dann bald durch ihren schwirrenden
Flug während der Dämmerung, oder durch den F'rass; sie werfen
abgebissene Blattstücke herunter, die z. B. an Birken viel Aehn-
lichkeit mit den von der Nonne abgebissenen haben. Ihr Koth liegt
diek unter den Bäumen. Das Weibchen sucht sich, nach erfolgter Be-
gattung, im Fluge eine passende Brutstelle — unbenarbten, ziemlich
lockeren, trockenen, seltener bewachsenen, festen und nassen Boden —
schiebt, indem es sich in den Boden gräbt, ein lockeres Erdhäufchen
aus demselben hervor und geht bis 25 cm tief hinein, um von seinen
60 bis 70 Eiern 12 bis 30 Stück, selten mehr auf einmal abzulegen,
Nach vier bis sechs Wochen erscheinen die Larven. Sie bleiben längere
Zeit beisammen und zerstreuen sich erst im zweiten Sommer, dann aber
nach allen Seiten in der Erde fortwandernd. Zum Winter gehen die
Engerlinge tiefer in die Erde, und im Frühling begeben sie sich
wieder unter die Oberfläche.
Der Maikäfer hat in Norddeutschland eine vierjährige Generation;
wärmeres Klima bedingt eine dreijährige, z. B. in der Schweiz und in
Süddeutschland; in dem rauhen Östpreussen ist neuerdings durch
GERIKE eine fünfjährige festgestellt worden [7]. Bei der vierjährigen
(vergl. die graphische Darstellung, S. 114) sind die Larven erst im
vierten Sommer ausgewachsen, bei der dreijährigen schon am Ende des
Maikäfer. Fortpflanzung, Generation, Flugjahre, Frass. 299
dritten. Aber auch bei der vierjährigen Generation fressen sie meistens
nicht mehr um Johannis, oder sie verpuppen sich wohl schon gar im
Juli, sehr selten schon im Mai. Gewöhnlich geschieht dies erst im
Herbst oder im nächsten Frühjahre, und zwar in einer inwendi«
geglätteten Erdhöhle, die bald, im Winter, ungewöhnlich tief, bis fast 1 m,
bald, im Sommer, nur 0'3m tief unter der Erdoberfläche liegt. Die
Käfer fliegen, auch wenn sie sich schon im Herbst entwickelt haben sollten,
doch meist erst im nächsten April oder Mai aus; nur ausnahmsweise
verlassen sie schon im Herbste die Erde und fliegen im September oder
October, oder einzelne kommen schon im Februar des Flugjahres zum
Vorschein. Man hat daher in Norddeutschland alle vier Jahre einen
stärkeren Flug zu erwarten und nennt diesen Hauptflug. Um auszu-
fliegen, machen sich die Käfer einen Gang in die Höhe, und lassen im
Boden Löcher, wie mit einem Stocke gestochen, zurück.
Nach den Hauptflügen berechnet man die Flugjahre. Merkwürdig
ist die für die Trägheit des schwärmenden Käfers sprechende That-
sache, dass oft benachbarte Gegenden ganz verschiedene Flugjahre
haben, wie z. B. Eberswalde, Berlin, Potsdam; ja drei Meilen von
Ebeiswalde beobachtete RarzegurG noch abweichende Flugjahre. In
Eberswalde sind nach Rarzesurg und später Aurtum die Schaltjahre
Flugjahre, z. B. 1856, 1860, 1864 u. s. f,, in Franken die dem
Schaltjahre folgenden, also 1857, 1861, 1865, in Westphalen im
Münsterlande die zweiten auf das Schaltjahr folgenden Jahre, also
1858, 1862, 1866. Auch Dresden und Tharand haben die Schaltjahre
als Flugjahre, während bei Wilsdruff, circa 8km von Tharand, das
dem Schaltjahre vorhergehende Jahr Flugjahr ist, also, um bei dem
obigen Beispiel zu bleiben, 1855, 1859, 1863 u. s. f., wie JupEıcH in
langen Jahren beobachtete. Im Süden ist natürlich alle drei Jahre
ein Flugjahr. Nach Nörpuinger waren z. B. in Hohenheim die Jahre
1857, 1860, 1863, 1866 Flugjahre und aus Basel werden angeführt
als solche 1830, 1833, 1836, 1839, welche auch für den Jura und
das Elsass Geltung hatten, aus Bern dagegen die Jahre 1831, 1834,
1837, 1840 u. s. f. In Ostpreussen, wo also die Generation fünf-
jährig ist, waren 1866, 1871, 1876 und 1881 Flugjahre.
Der Frass. Der Käfer geht besonders die Laubhölzer an und
liebt vorzüglich Eichen, Ahorn, Rosskastanien, Birken, Weiden, Pappeln,
Ebereschen, Buchen, Hainbuchen, verschmäht auch Obstbäume und
Linden nicht, Nadelhölzer dagegen fast ganz, indem er von den
Kiefern und Fichten höchstens die männlichen Kätzchen angeht, da
also nicht leben kann, wo nicht neben diesen zugleich Laubholz oder
die Lärche, deren Nadeln er gern annimmt, vorkommt. Nur im
Nothfalle nimmt er Gras und Kräuter an. Am meisten frisst er auf
hervorragenden oder freistehenden Stämmen, weil er diese umschwärmen
kann, und zieht sich deshalb, öfters weit von seiner Brutstätte ab-
streichend, gern nach den Chausseebäumen.
Die Larve nährt sich im ersten Sommer meist nur von den
feinen Humustheilchen, die im Boden vertheilt sind. Im dritten und
20*
300 Kap. IX. Die Käfer.
vierten, zuweilen schon im zweiten Sommer, wird ihr Frass an den
Wurzeln der jungen Holzpflanzen, wie auch an Kräutern und Gräsern,
besonders garten- und landwirthschaftlichen Gewächsen merklich. Die
Pflanzen verrathen sich, was für die Erkennung wichtig ist, durch ihr
kümmerliches Aussehen; an Kiefern und überhaupt Nadelhölzern,
welche mehr als die Laubhölzer leiden, sind die vorjährigen Nadeln
kürzer, struppiger und meistens auch bleicher und trockener als ge-
wöhnlich, und der diesjährige Trieb entwickelt sich langsam und un-
vollkommen. Reisst man die Pflanzen aus, so zeigen sie, auch wenn
sie schon sechs- bis achtjährig sind, nur geringe Widerstandskraft; die
Seiten- oder Thauwurzeln sind abgefressen, und oft ist selbst an
den dieken Wurzelsträngen die Spitze abgebissen. Bei schwächeren
Pflanzen ist die befressene Wurzel so nackt und kahl wie eine Rübe.
Im Kleinen ähnelt der Frass dem der Mäuse, geht auch zuweilen
ringsherum bis dicht unter, ja, wenn sich eine starke Moosschicht um die
Pflanzen gebildet hat, selbst bis über den Wurzelknoten, ist aber stets
vom Wühlmausfrass durch den Mangel der Zahnspuren und dem-
gemäss durch das unreine, faserige Aussehen der Nageflächen leicht
zu unterscheiden. Dagegen wird es einigen Scharfsinnes bedürfen, um
ihn nicht mit dem von Agrotis vestigialis Rorr. zu verwechseln. Hat der
Frass an einer Stelle gewüthet, wo blos Gras oder Kraut stand, so
zeigt sich dieses auf einem ziemlich scharf abgegrenzten Platze wie
vergelbt und verbrannt. Wo solche Plätze in den Schonungen dicht
beisammen liegen, da fehlt auch das Holz, und man bemerkt, dass
solche Maikäferlöcher immer wieder von legenden Käfern gesucht
werden. Manchmal zeigt sich der grösste Frass nieht einmal in unmittel-
barer Nähe der Käferflüge; um zu schwärmen und zu fressen gehen
die Käfer oft in die geschlossenen Bestände, wo sie wenig oder gar
nicht legen. In den wüchsigen, geschlossenen Beständen hat man
daher immer am wenigsten zu fürchten. Auch in den Samenschlägen
thut die Larve wenig Schaden, wenn die jungen Pflanzen kräftig
stehen, ebenso auf schmalen Schlägen. Am liebsten sind ihnen grosse
Kahlschläge, auf welchen das Weibchen ungehindert niedrig umher-
fliegen kann, um die zur Ablegung der Eier geeignetsten Stellen,
nämlich solche, wo der Boden verwundet ist, aufsuchen. Saatbeete
werden entweder vom Käfer direct mit Brut belegt, oder sie werden
von den Larven angegangen, welche vor dem Säen. schon im Boden
waren oder mit aufgebrachtem Composte dahin kamen; endlich üben
eine Anziehung die in Gärten mit Erde überkarrten Orte. Die
legenden Käfer ziehen sich gern nach solehen lichten, lockeren Stellen.
Ihre Brut lebt hier anfänglich von den Wurzeln der bald sich ein-
findenden Kräuter und Gräser, geht später aber an die inzwischen
kultivirten Holzpflanzen, die dann schnell ihrer Wurzeln beraubt
werden. Zu den üblen Folgen des Frasses gehört noch das Kränkeln
so vieler angefressenen Holzpflanzen, in denen sich dann .oft Borken-
und Rüsselkäfer ansiedeln und enorm vermehren, wenn man nicht
sehr aufmerksam ist.
Fr
Maikäfer. Frass und Abwehr. Vorbeugungsmassregeln. 301
Abwehr. Am wirksamsten wird man dem sehr beträchtlichen
Schaden der Maikäfer und seiner Larve durch Vorbeugungsmass-
regeln steuern. Diese haben sich zu erstrecken auf die richtige Wahl
der Betriebsart, auf passende Anlage der Pflanzenerziehungsstätten und
richtige Ausführung der Kulturen.
Betriebsart. In Gegenden, welche stark unter Engerlingschaden
leiden, ist der Plenterschlagbetrieb wit natürlicher Verjün-
gung, wenn derselbe nach den örtlichen Bedingungen überhaupt
anwendbar ist, zu empfehlen, weil die Mutterkäfer am wenigsten gern
nach solchen Verjüngungen gehen, und weil sie vorzüglich da, wo
der Boden nicht wund gemacht worden ist, ungern legen. Dass hier
dann auch der Frass der Larven, wenn er vorkommt, nicht so fühlbar
wird, liegt wesentlich an der grösseren Menge der vorhandenen
Pflanzen. Die Larven bleiben nicht an einer Stelle, sondern arbeiten
sich mühsam von einer zur anderen. Bei grossem Pflanzenreichthum
bleiben dann oft gesunde Pflanzen genug übrig, um später einen
geschlossenen Bestand zu bilden. Auf den nach kahlem Abtriebe an-
gebauten Flächen verhält sich das anders, und die Erfahrung hat
nun schon seit mehreren Jahrzehnten, seit der Ueberhandnahme der
Kahlschläge, besonders in den sandigen Ebenen der Mark, gelehrt,
dass sich die Maikäfer immer stärker vermehren, und es immer
schwerer wird, einen geschlossenen Bestand zu erziehen. Kahler Ab-
trieb befördert direct den Engerlingfrass. Wo die Kahlsehlagwirthschaft
nicht zu vermeiden ist, haue man womöglich nicht dicht vor dem
Flugjahre, sondern warte mit dem Hiebe bis nach demselben, damit,
ehe der nächste Flug wieder eintritt, der Boden schon berast oder
mit jungen Pflanzen gedeckt ist, der Käfer hier also zum Legen
weniger eingeladen wird. Besser als sehr grosse Kahlschläge sind jeden-
falls häufiger wechselnde, schmale Schläge, denn an den Schatten-
rändern der Schonungen, längs eines haubaren Bestandes fliegen die
Mutterkäfer nur ungern. Am schlimmsten ist die Gefahr, wenn man
jährlich oder fast jährlich einen Schlag an den anderen reiht, und so
sehr grosse zusammenhängende Kulturflächen schafft, wie es in der
That leider noch häufig geschieht. Diesen Fehler kann man freilich
nur dann vermeiden, wenn eine zweckmässige Forsteinrichtung kleine
Hiebszüge mit zahlreichen Anhiebsräumen schafft, eine Massregel, welche
übrigens noch aus vielen anderen Gründen nicht dringend genug
empfohlen werden kann.
Auch eine richtige Anwendung des Waldfeldbaues dürfte sich
in manchen Fällen nützlich erweisen, namentlich wenn man es so
einrichtet, dass im Flugjahre die gefährdete Fläche bereits mit der
Feldfrucht, besonders mit Waldkorn, bestellt ist, da die Käfer Ge-
treidefelder nur ungern als Brutstätten wählen.
Anlage der Pflanzenerziehungsstätten. Saatkämpe und Pflanz-
schulen sind es, in denen der Engerlingschaden am ausgesprochensten
aufzutreten pflegt. Bei der Anlage solcher ist daher mit besonderer
Vorsicht zu verfahren.
302 Kap. IX. Die Käfer.
E. Hryer empfiehlt zunächst die Verlegung der Forstgärten auf
Stellen mit möglichst bindigem Boden, nur die oberste Bodenschicht
sei etwas lockerer zu halten [IO, S. 128].
Ein Saatkamp sollte ferner in gefährdeter Gegend womöglich ent-
fernt von grösseren Partien von Laubholz angelegt werden, weil hier-
durch den Mutterkäfern das Ueberfliegen von den Frassstätten nach den
Brutstätten erschwert wird. Andererseits ist womöglich auch eine freie
Lage der Saatkämpe zu vermeiden, und sind dieselben daher in dem
Schutze benachbarter älterer Bestände anzulegen. Den schärfsten Aus-
druck findet diese Regel in der Anweisung von Harrıc zur Anlage
von „Neurodebeeten mit Seitenschutz” |[8, S. 150].
Tu. Harrıc sagt: „Der gefürchtetste Feind ständiger Saatkämpe ist und bleibt
aber immer die Maikäferlarve ... Vorkehrungen gegen das Ablegen der Eier
helfen allein. In Saatkämpen bewirkt man dies am einfachsten, indem man eine
Boderfläche beständig unter Pflanzenschutz erhält, die den jährlichen Bedarf an
Saatbeetfläche um das acht- bis zehnfache übersteigt, dass man von dieser Be-
standsfläche alljährlich so viel Neurod herstellen und zu Sratbeeten bearbeiten
lässt als das Bedürfniss erforlert, während das ausgenutzte Saatbeet des vorher-
gegangenen Jahres sofort wieder mit einer raschwachsenden Holzart in dichten
Bestand gebracht wird, wozu drei- bis fünfjährige Weymouthskiefern besonders
geeignet sind. Lässt man die Rodungen in der Richtung von Nordost nach Süd-
west aufeinander folgen, so erhält man im Schutzbestande zugleich einen Seiten-
schutz der Saatbeete, der dem Gedeihen der Pflanzen in hohem Grade förderlich ist.”
Ferner ist darauf zu sehen, dass die Bodenbearbeitung im
Saatkampe erst nach der Flugzeit vorgenommen wird, also im eigent-
lichen Sommer. Dies hat zugleich den Vorzug, dass alsdann die etwa
bereits vorhandenen Engerlinge oberflächlich liegen und deshalb bei
der Bodenbearbeitung leichter entfernt werden können. Ueberhaupt
ist bei der Herstellung der Saatkämpe auf die Säuberung des Bodens
von Schädlingen besonders zu sehen, sowie darauf, dass mit der etwa
zur Verbesserung des Bodens zugeführten Erde nicht grössere Mengen
schädlicher Thiere zugeführt werden. Ist der Boden der Saatkämpe
wirklich gründlich von Engerlingen gereinigt, so können Isolirungs-
gräben gegen das Einwandern der Engerlinge aus den benachbarten,
nicht gesäuberten Orten schützen [I2, S. 38].
Sind in ständigen oder wenigstens mehrmals zu benutzenden
Kämpen die Pflanzen unmittelbar vor der Flugzeit entnommen, so
thut eine hohe, dichte Bedeckung derselben mit Reisig sehr gute Dienste
gegen das Ablegen der Eier. Die Aussaat darf dann aber erst zu einer
Zeit erfolgen, welche sichert, dass die Keimlinge den Boden nicht
vor Ablauf der Flugzeit verlassen.
In ganz besonders gefährdeten Lagen kann man die jungen Pflänzlinge mit-
unter auch dadurch schützen, dass man zwischen die Saat- und Pflanzreihen den
Engerlingen besonders genehme Futterpflanzen einbringt, welche sie von den Holz-
pflanzen ablenken. Zu diesem Zwecke werden namentlich Lattich, bezw. Salat,
und Mohrrüben empfohlen [2, S. 25]. Es wird ferner vielfach eine besondere Be-
reitung des Bodens angerathen, so von Tu. Harrıc [I7, S, 22 u. 23] das Unter-
bringen einer 20 cm hohen Schicht frisch abgefallenen Eichenlaubes mit nach-
folgender Aufschüttung von Rasenasche oder feiner Erde, von GRIEsHAMMER [6]
die Einlage kurz geschnittener Zweige von Wachholder und Fichte in die Rillen
Maikäfer. Vorbeugungsmassregeln. 303
der Saatbeete, und zwar so, dass bei den nebeneinanderliegenden Stücken die
Nadeln immer gegeneinander gerichtet sind, wodurch den Engerlingen die Be-
wegung in der Saatrille erschwert werden soll.
Ausführung der Kulturen. Für diese gelten zunächst natürlich,
soweit dies überhaupt mit der Bestellung einer grösseren Fläche ver-
einbar ist, alle in Betreff der Anlage von Saatkämpen gegebenen
Winke. Namentlich wird es sich auch hier empfehlen, nicht im Flug-
jahre, sondern erst nach der Flugzeit zu kultiviren. Ausserdem dürfte
auch ein mehrjähriges Liegenlassen der Schläge, wie es gegen den
grossen braunen Rüsselkäfer so wirksam ist, nützlich sein, weil sich
während dieser Zeit der Schlag mit Pflanzenwuchs überzieht.
Bei Pflanzung sind im Allgemeinen diejenigen Methoden zu
bevorzugen, welche mit der geringsten Bodenverwundung verbunden
sind, also für: ballenlose Pflanzen z. B. die mit dem v. BurtLar’schen,
dem Scuaar’schen, dem Warrtengerg’schen Eisen, dem Pflanzdolch,
Setzholz oder ähnlichen Instrumenten, vorausgesetzt, dass man nicht
eine streifenweise Bodenbearbeitung damit verbindet, wie dies häufig
geschieht. Ebenso ist die Spaltpflanzung mit dem Beil, mitdem v. ALEMANN-
schen Spaten oder mit dem sogenannten Keilspaten der gewöhnlichen
Löcherpflanzung vorzuziehen. Auch die Pflanzung mit dem BierMANSs-
schen Spiralbohrer dürfte einen Vorzug verdienen, weil bei dieser
Methode der Durchmesser des Pflanzloches verhältnissmässig klein ist.
Kann man Ballenpflanzen verwenden, was freilich in den am meisten
gefährdeten Revieren mit Sandboden gewöhnlich unthunlich ist, dann
sind diese anderen vorzuziehen. Eine mit dem Hohlbohrer ausgeführte
Ballenpflanzung widersteht dem Frasse der Engerlinge am besten, weil
es diesen durch den bindigen Ballen erschwert wird, alle feineren
Wurzeln der Pflanzen abzubeissen. Bei Pflanzung mit entblösster
Wurzel empfiehlt es sich übrigens, wie gegen andere Insektenschäden,
kleine, aus etwa drei Pflanzen bestehende Büschel zu verwenden.
Auf langjährige Erfahrung gestützt, spricht sich v. WITZLEBEN
[3, $S. 19] ganz besonders gegen die v. Manteurrer’sche Hügel-
pfanzung aus, weil bei dieser der Boden sowohl bei der Bereitung
der Kulturerde im Herbste, als auch im Frühjahre durch das Plaggen-
hauen am meisten entblösst und dadurch dem Eierablegen des Käfers
Vorschub geleistet wird.
Als Gegensatz der Hügelpflanzung wird von DAnckELmAnN und
Arrum die Senkpflanzung [XVI, III. Bd., 2, S. 102) sehr empfohlen.
„Das Pflanzloch wird zu dem Zwecke so tief gemacht, dass, nachdem die
Pflanze eingesetzt und die Erde um dieselbe angetreten ist, die Oberfläche des
Pflanzloches etwa eine Hand hoch tiefer liegt, als die des umgebenden Bodens.
Die Larven nämlich fressen bekanntlich im Sommer sehr oberflächlich. Die von
den Seiten her gegen die eingesetzten Pflanzen anrückenden gelangen somit, beim
Pflanzloche angelangt, aus der Erde an die ihnen höchst widerwärtige Aussenwelt
und suchen sich einen anderen Weg. Der Herr Oberförster Bayer in Ringen-
walde hat mit 21cm tiefer Stellung der Pflanzen unter dem Niveau der Kultur-
fläche grosse Erfolge erzielt.” Für die flachwurzelnde Fichte dürfte freilich diese
Senkpflanzung eine Unmöglichkeit sein.
304 Kap. IX. Die Käfer.
Unter den Saaten empfehlen sich weniger die schmalen Rinnen-
saaten und die Stecklöcher- und Plattensaaten, als die breiten Streifen-
und die Vollsaaten trotz der für sie nöthigen ausgedehnteren Boden-
bearbeitung, weil die Pflänzchen auf den ersteren sehr zusammen-
gedrängt stehen und öfters ganze Plätze ausgefressen werden, während
bei den letzteren, mehr zerstreuten, die Larven überall einzelne
Pflanzen übrig lassen. Auch ist es rathsam, umfangreiche „Maikäfer-
löcher”, ehe sich von hier aus die Larven verbreiten, durch Gräben
abzusperren.
Schutz nützlicher T’hiere. Dieser gehört zu den allerlohnendsten
Vorbeugungsmassregeln, umsomehr, als er nicht nur gegen die Maikäfer,
sondern auch gegen eine Unzahl anderer Schädlinge gleichzeitig wirkt.
Ganz besonders ist der Staar als Maikäfervertilger wichtig,
schon deshalb, weil man denselben leichter als andere nützliche
Vögel durch das Aufhängen von Brutkästen nach einem bestimmten,
gefährdeten Orte hinlenken kann [vergl. I2 und 9].
Der Hauptfeind der Engerlinge ist der Maulwurf, den man auf Kulturen
und Saatbeeten, selbst wenn er hier und da einige Pflanzen durch seine Gänge
vernichtet, nicht stören darf. Wo noch Schwarzwild erhalten ist, sieht man das-
selbe eifrig in den Maikäferorten brechen; das hört auf sobald es im Herbs
kälter wird, und der Engerling tiefer in der Erde geht. Sehr wichtig sind auch
Vögel. Unter diesen zeichnen sich nächst dem Staar besonders die Krähen, vor-
züglich Saatkrähen und Dohlen, in teichreichen Gegenden auch die Möven aus,
weshalb man in Böhmen über Austrocknen der Teiche klagt. Wahrscheinlich
sind auch noch mehrere Wadvögel, wie die Brachvögel, Regenpfeifer, Wasser-
läufer und Strandläufer, nützlich, da sie häufig in der Erde naclı Würmern suchen.
Unter den Raubvögeln fangen besonders die Eulen, Bussarde, Thurmfalken und
Weihen unzählige Käfer weg. Auch die Ziegenmelker, Würger, gewiss auch noch
viele kleinere Insektenfresser, wie Meisen, Drosseln, Sänger, Fliegenschnäpper
u. dergl., zahme Hühner, Enten und Pfauen fressen die Larven wie die Käfer sehr
gern. Endlich sind auch Fledermäuse und Fuchs zu erwähnen, welche Käfer
fangen, und Marder, Dachs, Igel, wahrscheinlich auch die Spitzmäuse, welche
ebenfalls den Engerlingen beikommen können.
Ausser den Vorbeugungsmassregeln sind aber auch Vertilgungs-
massregeln sehr häufig angezeigt, und zwar können sich diese sowohl
gegen die Käfer richten und werden, wie bereits erwähnt, dann
gleichzeitig zu Vorbeugungsmassregeln gegen den Engerlingfrass, als
auch gegen die Engerlinge selbst.
Das Sammeln der Käfer ist jedenfalls das beste Mittel. Alle
Maikäfer eines Revieres wird man freilich nicht absuchen; das ist
aber auch nicht nöthig, denn wenn auch im Innern der geschlossenen
Bestände alle bleiben, so schaden sie hier nicht fühlbar, weil nur
junge, ein- bis sechsjährige Pflanzen in grosser Ausdehnung von ihnen
zerstört werden; und wenn auf den Schonungen auch nur ein Theil
der Käfer vernichtet wird, so gewährt das den jungen Pflanzen schon
grosse Erleichterung. Der Einwand, dass nach der Säuberung der
Schonungen und der Ränder derselben sich doch wieder Käfer aus
anderen Gegenden herbeiziehen werden, ist nicht ganz richtig, da der
Maikäfer sehr träge ist, ja nicht einmal gewisse von ihm gewählte
Horste von Bäumen gern verlässt, die er daher auch öfters ganz
Maikäfer. Vertilgung, Käfersammeln. 305
kahl abfrisst. Erfahrungen haben auch bereits gezeigt, dass Orte,
welche im Flugjahre gründlich gereinigt werden, später Ruhe haben,
und dass hier auch während des nächsten Flugjahres weniger Käfer
als anderswo fressen.
Um den Zweck möglichst vollständig zu erreichen, muss man
schon vor der Flugzeit an das Sammeln denken. Man muss in der
Nähe der zu schützenden Schonungen und der Flächen, welche inner-
halb des nächsten Frassceyklus, also der nächsten vier Jahre, kulti-
virt werden sollen, alle starken Bäume, welche sich beim Sammeln
nicht vollständig reinigen lassen würden, auf 100 bis 200 Schritte
weit an den Rändern wegnehmen. Schwächere, noch schüttelbare,
hervorragende Stämme, deren Wipfel die Käfer gern umschwärmen
und nachher besetzen,, sind dagegen angenehm. Solche Stämme werden
zu sehr nützlichen Fangstämmen, wenn sie auf der Schonungsfläche
zerstreut stehen. Sie gewähren noch den Nutzen der Kontrole, denn
wenn sie, die immer am ersten befallen werden, ihre vollbelaubten
Wipfel haben, so thaten die Sammler gewiss rechtzeitig ihre Schuldig-
keit. Alsdann ist noch zu beachten: 1. Dass man mit dem Samıeln
gleich nach dem ersten Auskommen anfängt, was, ganz so wie bei
anderen Insekten, in trockenen Distrikten eher als in feuchten, an
Mittagsseiten eher als an nördlichen geschieht. Wartet man so lange,
bis ganze Schwärme die Bäume bedecken, so ist schon viel versäumt.
2. Man darf nicht alle Tage auf gleichen Erfolg rechnen, ja man
wird sogar das Sammeln an gewissen Tagen, wenn die Käfer wenig
oder gar nicht fliegen, aussetzen müssen, um nicht Arbeitslohn un-
nöthig zu verschwenden. Gewöhnlich zeigt es sich schon am Abend
vorher, wenn man am nächsten Morgen eine gute Lese zu erwarten
hat; ist es nämlich warm und windstill, so umschwärmen die Käfer
in dichter Schaar die Baumwipfel, an welchen sie am nächsten Morgen
festsitzen.
Beim Sammeln selbst hat man folgendes Verfahren zu beachten:
1. Es wird in den frühen Morgenstunden begonnen, wenn der Morgen nicht sehr
kalt und nass ist, in welchem Falle die Käfer zu fest sitzen. Hat man Menschen
genug, so hört man gegen Mittag auf, weil die Käfer an warmen Tagen sehr
beweglich werden, im Herunterfallen ihre Flügel ausbreiten und leicht davon-
fliegen. Hat man jedoch nicht so viel Leute, dass man herumzukommen hoffen
darf — und zwar nicht blos 2- bis 3mal, sondern da, wo haubare benachbarte
Bestände immer wieder neue Käfer herbeiziehen, wohl 6 bis 8mal —, so kanr
auch besonders mit den unter 3 erwähnten Vorsichtsmassregeln das Sammeln
den ganzen Tag ununterbrochen oder wenigstens Nachmittags, wenn die grösste
Hitze vorüber ist, fortgesetzt werden, weil immer noch viele Käfer zur Erde
kommen, namentlich bei kühlem Wetter.
2. Man berücksichtige besonders alle einzeln stehenden oder doch aus
dem Bestande hervorragenden Stämme, dann auch die freien Gebüsche, während
die von hohem Holze, namentlich von Kiefern, überwipfelten nicht abzesucht zu
werden brauchen, weil sie der Käfer nicht gern annimmt, sich hier nur bei Regen
und Sturm versteckt.
3. Stämme und Aeste werden mit kurzen, kräftigen Erschütterungen ge-
schüttelt oder angeprällt. Schüttelt man so langsam, dass der Wipfel sich hin
und her wiegt, so fallen die Käfer nicht so gut, und wenn sie fallen, so werden
sie weit weggeschleudert und fliegen dabei sehr häufig während des Fallens auf.
306 Kap. IX. Die Käfer.
4. Sind so starke Stämme vorhanden, dass sie nicht mehr geschüttelt
werden können, so müssen die erreichbaren Aeste mit langen Haken oder Stangen
gereinigt werden. Wenn man Jungen unter den Sammlern hat, so machen sich
diese gegen eine geringe Gratification ein Vergnügen daraus, den Baum zu be-
steigen, die unteren Aeste durch Auftreten zu erschüttern und dann den dünneren
Zopf mit den Händen zu schütteln.
5. Es müssen ausser den Kindern, welche sehr gut zum Aufsammeln zu
gebrauchen sind, auch einzelne Erwachsene — etwa 1 auf 4 bis 6 Kinder — da
sein, welche die Stangen tragen und die ganzen Stämme schütteln. Die Kinder
umstellen dann mit auf den Boden gerichteten Blicken den Baum, ehe derselbe
angestossen wird; denn man findet die Käfer so leicht nicht mehr, wenn sie
schon in den Unterwuchs gefallen sind. Laken, Tücher, Säcke lassen sich hier
nicht anwenden, weil der Boden meist zu stark bewachsen ist und das Aus-
breiten sehr erschwert.
6. Sammeln im Tagelohn unter gehöriger Aufsicht ist dem Accorde vorzu-
ziehen, weil so reiner abgesucht wird, und auch keine Zeit durch das Ausmessen
verloren geht.
7. Die Gefässe der Sammler müssen inwendig glatt sein, am besten eng-
halsige Wasserkrüge; auch nützt ein dann und wann vorgenommenes Um-
schwenken derselben, wodurch die Käfer sich mit den Beinen verwirren und
vom Herauskriechen abgehalten werden. Von Zeit zu Zeit werden die Töpfe, noch
ehe sie ganz voll sind, einzeln auf einem festen Wege ausgeleert und die Käfer
mit Kloben zerstampft oder mit den Stiefeln zertreten; schüttet man sie auf grosse
Haufen, so fliegen viele davon.
Recht zweckmässig ist das von TascHengere |[XVIll, S. 83] empfohlene
Verfahren. Die Sammler erhalten Säckchen, in deren oberes Ende der Obertheil
einer zerbrochenen Bierfasche fest einzubinden ist; der Flaschenhenkel gibt eine
gute Handhabe, der Hals ein leicht verschliessbares Eingangsloch. Unten sind
die Säckcken durch ein Band geschlossen, durch dessen Lösung das Ausschütten
der Käfer in einen grösseren Sack, wenn diese weiter transportirt werden sollen,
oder auf sonst geeignete Plätze erfolgen kann, ohne dass sie zum Theile davonfliegen.
8. Je nachdem das Auskommen langsam bei kaltem Wetter oder schneller
und mehr massenhaft erfolgt, muss das Sammeln täglich oder nach Pausen von
zwei bis drei Tagen wiederholt werden. i
Neuerdings theilt ©. Cosno [Jahrbuch des Schlesischen Forst-
vereines 1886, S. 200—203] mit, dass Maikäfer durch Leuchtfeuer,
in welche sie Abends beim Schwärmen massenhaft bineinfliegen und
verbrennen, bekämpft werden können.
Das Sammeln und Vertilgen der Engerlinge geschieht zunächst
am zweckmässigsten im Anschluss an die Bodenbearbeitung, nament-
lich der Saat- und Pflanzkämpe. Je gewissenhafter hier vorgegangen
wird, je genauer jeder blossgelegte Engerling aufgelesen wird, desto
sicherer kann man auf einen guten Erfolg rechnen. Oftmals wird sich
sogar ein mehrmaliges Umgraben des Bodens rein zum Zwecke der
Engerlingvertilgung lohnen. In den immerhin seltenen Fällen, wo die
Bodenbearbeitung im Grossen mit dem Pfluge vorgenommen wird,
lässt man am besten sammelnde Kinder hinter dem Pfluge hergehen,
wie dies in vielen Fällen auch der Landmaun thut. Die dem Pfluge
häufig folgenden Vögel, Krähen, Möven, Staare werden auch hier
nützlich mitwirken.
Die durch die Bodenbearbeitung nach oben gebrachten Engerlinge
einfach liegen zu lassen in der Voraussetzung, dieselben könnten sich
nicht wieder eingraben und kämen an der freien Luft, namentlich im
‘
Maikäfer. Vertilgung der Engerlinge. 307
Sonnenlichte, bald um, ist durchaus unzweckmässig. In die leichten
Böden, um die es sich hier meist handelt, graben sie sich sogar mit
Leichtigkeit wieder ein. Schweineeintrieb wird nur in seltenen Fällen
Anwendung finden können. Kronx [I2, S. 31—33] spricht allerdings
sehr für ihn.
Aber auch in bereits ausgeführten Kulturen wird man sehr oft
zur Vertilgung der einzelnen, die jungen Pflanzen schädigenden Enger-
linge schreiten müssen.
Es ist schon vorher erwähnt worden, dass wir bei der Vorverjün-
gung nicht so viel von dem Maikäferfrasse zu besorgen haben. Man wird
also sein Hauptaugenmerk auf die Pflanzungen und Saaten im Freien
richten müssen. Sind die Saaten nicht zu ausgedehnt, und hat man
geschickte Arbeiter genug, so wird man, bescnders wenn der Frass
nicht gar zu heftig ist, und ganz vorzüglich in dem Jahre oder in den
Jahren vor der Verpuppung, noch manche Pflanze, die ohne Abwehr
vernichtet worden wäre, erhalten können. In den Rinnensaaten kann
man mit geringen Arbeitskräften am meisten ausrichten; denn
hier übersieht man den Schaden mit einem Blicke, und bei gehöriger
Aufmerksamkeit bemerkt man den Frass gleich von seiner ersten Ent-
stebung an. Kennzeichen sind folgende: Erstens welken die jungen
Pflänzehen schon in wenigen Stunden, nachdem ihre Wurzeln von der
Larve befressen wurden, und werden schon nach einigen Tagen roth,
besonders in troekenen Sommern, wenn die oberflächlich noch nicht
abgefressenen Wurzelfasern keine Nahrung mehr finden, oder wenn
die ganze Wurzel bis dicht unter den Wurzelknoten abgefressen ist.
Man kann also Anstalten treffen, noch ehe der Frass sich weit ver-
breitet hat. Zweitens wird — wieder ein Beweis des horizontalen Fort-
wanderns — die Richtung, welche der Fresser genommen hat, in den
Reihen sehr gut angedeutet, so dass ein geschickter Arbeiter in kurzer
Zeit eine Menge Engerlinge ausheben und tödten kann. Entdeckt
man den F'rass erst, wenn schon viele Pflänzchen roth werden oder
gar trocknen, so darf man nicht unter diesen die Engerlinge suchen,
sondern man muss den Gang verfolgen, welchen sie, bei jüngeren
Pflänzchen schneller, bei älteren langsamer, genommen haben, und
dann erst die Pflanzen ausheben, welche zwar noch grün sind, aber
durch welke und hangende Nadeln andeuten, dass der Fresser in der
Nähe ist. Ist der Boden nicht zu locker, so kann man die Gänge
der Larve unter der Erde mit dem eingeschobenen Finger oder einer
biegsamen Ruthe leicht verfolgen.
Inden Pflanzungen ist die Vertilgung viel schwieriger. Von den
jungen, zwei- bis dreijährigen Pflanzen entfernen sich die Larven sehr
bald wieder, weil sie schnell mit den schwachen Wurzeln fertig sind,
und unter den vier- bis sechsjährigen leben sie wieder lange versteckt,
weil die Wurzeln nicht so leicht ganz zerstört werden, und die
Pflanzen erst spät den Feind verrathen. Daher kommt es auch, dass
die jüngeren Pflanzungen oft grösstentheils vernichtet werden, während
die älteren nur durchlichtet sind. Man muss also bei den ersteren auf-
308 Kap. IX. Die Käfer.
merksamer sein als bei den letzteren; denn an diesen halten sich die
Engerlinge wochen-, ja monatelang, ehe sie die ganze Wurzel auf-
gezehrt haben. Bei diesen könnte man also mit dem Hinauswerfen
und Tödten der Engerlinge allenfalls bis zur Zeit, wo man sie mit
frischen Pflanzen auswechselt, warten. Bei den jüngeren ist es aber
unerlässlich, und auch selbst bei den älteren am meisten zu rathen,
dass man sie gleich, sowie man den Frass an ihrem welken oder
verfärbten Aussehen bemerkt, mit
einem starken Erdballen hinaus-
wirft und die herausfallenden
Larven tödtet. Zögert man damit,
so ist zu fürchten, dass die Larven
weiter wandern, oder dass sie
bei Annäherung des Herbstes in
eine Tiefe gehen, bis zu welcher
man nicht leicht mit dem Spaten
dringt. Rücksicht aufdie Schonung
von Pflanzen darf hier nicht vom
Vertilgen abhalten.
Wird ein natürlicher
Anflug von Engerlingen zer-
stört, und will man letztere ver-
mindern, um entweder eine neue
Besamung oder Kultur aus der
Hand eintreten zu lassen, so bleibt
weiter nichts übrig, als Aufsuchen
der Feinde durch Aufhacken des
Bodens oder Schweineeintrieb.
Letzterer vermag freilich im
Winter nichts zu helfen, wo die
Engerlinge zu tief liegen. ALtum
[XVI,- II. Ba., 1021, 08:22107]
empfiehlt für werthvolle einzelne
Fig. 112. Engerlingseisen nach Oberförster u, die seit langer "Zeit
Wırte in Gross-Schönebeck. im Choriner Pflauzengarten ge-
übte Praxis, dieselben von Zeit
zu Zeit, auch wenn sich ein
Kränkeln an ihnen noch nicht bemerken liess, auf Engerlinge an
den Wurzeln zu untersuchen.
Zur Reinigung der Saat- und Pflanzkämpe von oberflächlich
fressenden Engerlingen hat Öberförster Wırre in Gross-Schönebeck
das obenstehend abgebildete, schon S. 212 erwähnte Engerlingseisen
construirt. In einem hölzernen, eisenbeschlagenen Körper von der
Gestalt einer Stubenbürste mit kurzem Stiele und oberem Querholze
sind vier Reihen von ohngefähr je 20 gusseisernen, 9 cm langen Stacheln
in Abständen von 1'’5cm eingelassen. Mit diesen wird nun systema-
tisch der gesammte Saatkamp durchgestochen. Damit sich Erdklumpen
.
Maikäfer. Vertilgung der Engerlinge. 309
und Wurzeln beim Ausziehen nicht zwischen die Zinken einklemmen
und an weiterer Arbeit hindern, gehen die Stachein durch ebensoviel
Löcher einer durch zwei Stifte (b) in Oesen geführten Eisenplatte (a)
von 46cm Länge und Scm Breite, die an ihren schmalen Seiten über
das Holz vorragt. Auf diese vorspringenden Theile setzt nun der Arbeiter
beim Herausziehen seine beiden Füsse und streift so alle Unreinig-
keiten aus den Stacheln heraus. Natürlich ist das Instrument nur in
fast völlig steinfreiem Boden anzuwenden. Es kostet 15 Mark und die
Reinigung für 1ha Saatkamp 48 bis 72 Mark.
Ferner wird vielfach die Herrichtung von besonderen Fangstätten
für Engerlinge empfohlen, welche natürlich nur dann nicht schädlich
wirken, wenn rechtzeitig zur Vertilgung der Engerlinge in ihnen ge-
schritten wird.
Die ältesten sind die Fangkästen. Es sollen nämlich da, wo man den
Angriff der Käfer am meisten fürchtet, rohe, aus Schwarten zusammengeschlagene
Kästen, etwa 50 bis 60 cm lang und breit und 15 bis 20 cm hoch, eingegraben werden,
damit die Käfer, durch die lockere Erde der Kästen angelockt, nach diesen gehen
und hier ihre Eier ablegen.
Die Angabe, dass man diese Fangkästen durch Beigabe von Mist viel
wirksamer machen könne — vergl. unter Anderem Hzss XXI, S. 226 — dürfte, wie
schon Arrum richtig vermuthet, in vielen Fällen auf einer Verwechslung von
Mistkäferlarven mit Engerlingen beruhen. Nach Heyezr [IO, S. 129] sollen sich
auch in Composthaufen die Engerlinge in Massen ansammeln. Forstinspector
VOoLMAR empfiehlt, grössere ausgestochene Rasenplaggen mit der Grasseite nach
unten auszulegen, weil unter diese die Engerlinge sich gern hinziehen und leicht
gesammelt werden können [I7].
Eıcanuor [5] empfiehlt, die Engerlinge in Baumschulen durch Auslegen von
Fangrinden und Fangknüppeln zu bekämpfen. Es sollen sich die Engerlinge
unter frischen Rinden und zartrindigen, noch frischen Knüppeln von Holzarten,
welche vom Maikäfer befressen werden, wenn diese zwischen Saat- und Pflanzrillen
ausgesetzt werden, sammeln, diese benagen und einmal so den Pflanzen weniger
schädlich werden, nach Aufhebung der Rinden u. s. f. aber leicht gesammelt
werden können. Ausgedehnte, auf 150 preussischen Staatsforstrevieren in den
Jahren 1883, 1884 und 1836 ausgeführte Versuche, über welche Arrum berichtet
[l, « und 5], haben einen nennenswerthen Erfolg nicht ergeben. In den einzelnen
Fällen, wo eine einigermassen grössere Anzahl von Engerlingen erbeutet wurde,
stellten sich die Kosten als viel zu hoch heraus. Etwas besser scheinen sich nach
Artum [ld] die von Oberförster Arpenroru zu Bodland, Regierungsbezirk Oppeln,
zuerst angewendeten Fanglöcher zu bewähren. Letzterer suchte die Larven in
der trockenen Jahreszeit an passend hergerichtete Punkte und kühle Bodenstellen
mit verwesender Pflanzensubstanz hinzuziehen, und richtete zu diesem Zwecke
im Mai Fanglöcher von 30cm im Quadrat und gleicher Tiefe her, welche er mit
feuchtem Moose füllte und oben mit Erde fest bedeckte. Die erste Nachsuche
wurde nach vier Wochen vorgenommen und sollte bis Ende September allmonat-
lich wiederholt werden. Vielleicht empfiehlt es sich, statt der Fanglöcher ähn-
liche Fanggräben herzustellen.
In Betreff der Häufigkeit des Maikäfers und ihrer Larven verweisen wir
auf das S. 242 Gesagte, sowie auf das folgende, von TAscHENBERG allerdings für land-
wirthschaftliche Verhältnisse angeführte Beispiel [XXII, II, S. 37 und 38]. Im
Jahre 1868 wurden auf Anregung von Oekonomierath Dr. STADELMANN inner-
halb der Provinz Sachsen ungefähr 60 000 %g Maikäfer gesammelt und wesent-
lich zu Dünger verarbeitet.
Ueber die Tödtung der Maikäfer und die Compostbereitung aus
denselben vergl. S. 219 und 220.
310 Kap. IX. Die Käfer.
Nach Arrum [XVI, III. Bd., 1, S. 93] gehen auf das 5 I-Gefäss,
die Metze, 1390—1469 Stück Maikäfer, nach TAscnengere [XVII, 2,
S. 38] auf das Kilogramm 1060 Stück.
Die Gattung Polyphylla umfasst nur eine mitteleuropäische Art,
den Walker, P. fullo L., welcher vor allen heimischen Blatthornkäfern
durch seine Grösse, durch die braune, unregelmässig weiss gefleckte
Oberseite, sowie durch die riesige Fühlerkeule des Männchens aus-
gezeichnet ist. Der im Juli fliegende Käfer ist ein ausgesprochener
Sandbewohner, tritt aber nur strich- und jahrweise häufiger auf, so
dass der Schaden, den die Imago durch Entblättern von Nadel-
und Laubholz macht, kaum in Betracht kommt. Dagegen nährt sich
seine, den Maikäferengerling an Grösse stark übertreffende Larve von
den Wurzeln aller auf leichtestem Sandboden noch fortkommenden
Gras- und Holzarten und kann daher dort sehr schädlich werden, wo
es sich um Aufforstung von schlechten, leichten Böden und nament-
lich um die Befestigung von Dünen durch Strandhaferpflanzungen
handelt. Sammeln der Käfer und Aufsuchen der einzelnen Larven
an den Wurzeln der kränkelnden Pflanzen könnte unter Umständen
angezeigt sein.
Diese grösste deutsche Melolonthide von 25 bis 35 mm Länge ist bald hell-
bald dunkelbraun und an Kopf, Halsschild, Schildchen und Flügeldecken stark
mit weissen, unregelmässige Flecken bildenden Schuppen besetzt. Die Brust ist
lang greis behaart. Fühler zehngliedrig mit verlängertem dritten Gliede, Keulen-
blätter beim Ö' bis 10mm, beim @ nur ohngefähr 1’5 mm lang. Der Käfer kann
durch Reiben des Hinterleibsabsturzes gegen die Innenseite der Flügeldecken ein
deutliches zirpendes Geräusch hervorbringen und verräth sich durch dasselbe,
wenn man an das Stämmchen klopft, auf dem er sitzt [ALrum XVl, 2. Aufl.,
Bd."11,1, 8090].
Die bis 80 mm lange Larve ähnelt im allgemeinen Habitus bis auf feinere
Seulpturunterschiede derjenigen von Melolontha vollkommen, unterscheidet sich
nach Dr Haan aber dadurch, „dass das dritte und vierte Gelenk der vier
hinteren Beine auf der Hinterseite flach gedrückt ist, und dass dem hintersten
Beinpaare die Klauen ganz fehlen”. Die Dauer der Generation ist noclı
unbekannt.
Kahlfrass durch die Imago ist schon 1731 durch Friscu in der Mark bei
Straussberg, namentlich an Eichen beobachtet worden, und kommt auch an anderen
Laubhölzern, z.B. an Pappeln, Buchen, Akazien ete. vor. Am meisten werden aber
die Kiefern bevorzugt, besonders schlechtwüchsige Kusseln. Auch Gras verschmäht
der Käfer nicht.
Von Larvenfrass wird anfänglich nur an Graswurzeln berichtet und nament-
lich betont Rarzegurg [V, I. Bd., 8.77 und 78] die Schädlichkeit desselben für
den Sandhafer, Elymus arenarius L. und das Sandrohr, Ammophila arenaria
Lk, die an unseren norddeutschen Küsten viefach behufs Dünenbefestigung an-
gebaut werden. Doch erwähnt er bereits auch den Larvenfrass an Kiefern-
wurzeln. DAnckELMAnn und Artum haben dies bestätigt und im Lieper Revier
einen grösseren Schadeu an Birken und Akazienwurzeln nachgewiesen. An letzteren
wurden bis 2cm starke Pfahlwurzeln abgefressen. „Die Nagefläche zeigte sich
unrein und faserig und somit von dem unterirdischen Frasse der Wühlmäuse
auffallend verschieden” [XVI, 2. Aufl, II. Bd., $S. 91]. Arrux [I,a S. 668] ist der
Meinung, dass man die bei Engerlingfrass unwirksamen Fangknüppel (vergl. 8. 309)
mit Vortheil gegen die stärkere Larve des Walkers anwenden könnte.
h
Walker, Sonnwendkäfer und Rutelinen. 311
Die Gattung Rhizotrogus umfasst ungefähr ein Dutzend deutsche
Arten, von denen aber nur eine, der Sonnwendkäfer, Rh. solstitialis L.,
als Imago dadurch einigermassen forstschädlich wird, dass er bei
massenhaftem Auftreten um die Zeit der Sonnenwende die Holz-
pflanzen entblättert. Am gefährlichsten scheint er den Nadelhölzern, und
zwar namentlich den Kiefern [Aurum, XVI, III. Bd.,, 2, S. 88] zu
werden, deren junge Triebe er häufig angeht; auch die Johannistriebe
der Laubhölzer leiden unter ihm. Nöthigenfalls könnte man ihn durch
Sammeln bekämpfen. Seine nach den gewöhnlichen Angaben von Gras-
wurzeln lebenden Larven sind — vielleicht nur deshalb, weil man sie
für junge Maikäferengerlinge gehalten hat — noch niemals als forst-
schädlich angegeben worden.
Dieser 15 bis 16 mm lange Käfer gehört zu der Gruppe der Gattung Rhizo-
trogus, welche nur 9 Fühlergiieder hat. Er ist dunkelbraun, am Kopfschild, den
Seiten der Vorderbrust, den Flügeldecken, Fühlern und Beinen braungelb. Hals-
schild, Brust und Bauch, besonders ersteres, meist stärker mit gelblichgrauen
Haaren dicht besetzt. S' mit stärkerer Fühlerkeule und Halsschildbehaarung als das Q.
Die Larve von Rhizotrogus ist nach Scuıöpte [16, S 314 — 317] derjenigen des
Maikäfers ungemein ähnlich, nur kleiner, mit schlankeren Füssen und längeren
Klauen versehen, das dreieckige, oberhalb des Clypeus durch die Scheitelnähte
von den Seitentheilen des Kopfes abgegrenzte Epistom ist hier 1!/,mal so breit
als lang, hinten in einen mässig spitzen Winkel ausgezogen, während es bei Melo-
lontha 2mal so breit als lang, hinten in einen sehr spitzen Winkel ausgeht.
Der Käfer fliegt namentlich Abends, in Mitteldeutschland gewöhnlich Ende
Juni, Anfangs Juli, und zwar am liebsten in sandigen, spärlich mit Baumwuchs be-
standenen Gegenden und in Getreidefeldern. Die Weibchen sind träger, als die beweg-
licheren Männchen und bleiben gern am Boden. Bald nach der Begattung werden die
Eier in den Boden abgelegt, und die jungen Larven nähren sich nun von Gramineen-
wurzeln. Dem Landmann sollen sie schon öfters an der Wintersaat Schaden
gethan haben. Die Angaben über die Generation sind widersprechend. ALTUM
schliesst daraus, dass in manchen Gegenden jedes zweite Jahr ein Sonnwend-
käferflugjahr ist, auf eine zweijährige Generation; TASCHENBERG gibt nur eine ein-
jährige zu.
Anhangsweise sei noch die zweite Unterfamilie aus der Gruppe
der Laubkäfer erwähnt, die der Rutelini. Sie umfasst eine Reihe
kleinerer einheimischer Arten, deren Imagines von Zeit zu Zeit wohl
schon einmal durch Entblätterung von Laubhölzern beschränkten forst-
lichen Schaden verursacht haben, deren Larven aber bisher trotz
ihres manchmal massenhaften Vorkommens in den Kulturen unschäd-
lich geblieben sind. Sie werden meist wegen ihrer Flugzeit als Juni-
käfer bezeichnet und die gewöhnlichsten Arten sind Anisoplia segetum
Hesr. (fruticola Fagr.), Phyllopertha horticola L. und Anisoplia aenea
Desezer (Frischii Farr.).
Die Rutelini unterscheiden sich dadurch von den Melolonthini, dass
stets die Fussklauen ungleich sind; ferner sind die Stigmata des Hinterleibes
so vertheilt, dass die drei letzten Paare auf der nach aussen, die vorderen auf
der nach innen gerichteten Seite des von den Flügeldecken bedeckten Theiles
der Bauchhalbringe liegen, die drei letzten in einer schräg nach aussen gehenden
Linie. Das letzte Stigma liegt also auch noch in der Bauchschiene des vorletzten
Körperringes.
312 Kap. IX. Die Käfer.
Die oben genannten und noch einige andere Arten werden von RATZEBURG,
der sie noch zu der Gattung Melolontha rechnet, als Entblätterer von Laub-
pflanzen, namentlich von Weiden, Birken, Erlen ete., angeführt, ferner gibt er an,
SAxEsENn habe die Ph. horticola L, auch an Fichtenwurzeln gefunden |V, 1. Bd.,
S. 51]. Auch soll diese Art die Bergwiesen des Harzes geschädigt haben. ALrum
hat sie massenhaft auf der Nordseeinsel Borkum auf „‚Seekreuzdorn”, Hippophae
rhamnoides L., Brombeeren und Zwergweiden angetroffen [XVI, II. Bd., 1, S. 85].
Abklopfen der Käfer, Sammeln und Tödten kann bei übermässiger Ver-
mehrung gelegentlich angezeigt sein.
Wirthschaftlich von Bedeutung wird in grossem Masse überhaupt nur eine
Art, die Anisoplia Austriaca Hssr., deren Verbreitungscentrum im südlichen Russ-
land liegt, aber auch bis Oesterreich übergreift, und welche nach der Roggen-
blüthe die noch milchigen Getreidekörner massenhaft ausfrisst, deshalb in dortiger
Gegend zu den die Landwirthschaft am allermeisten gefährdenden Käfern gehört.
Vergl. hierüber die Angaben von Körren [Il, S. 141—177].
Literaturnachweise zu dem Abschnitt „Die Blatthorn-
käfer, insbesondere der Maikäfer und seine Verwandten”. —
Il. Arrum. «) Ueber den Erfolg der Versuche zur Vertilgung der Enger-
linge mittelst Fangknüppel und Fangrinde. Zeitschr. für Forst- und
Jagdwesen 1885, Bd. XVII, S. 662—669; b) Zur Vertilgung der Mai-
käferlarven. Daselbst 1887, Bd. XIX, S. 141—153 — 2. BerıcHr über die
zwanzigste Versammlung des Sächsischen Forstvereineszu Annaberg 1875,
S, 24—27. — 3. Bericnt über die gemeinschaftl. Sitzung des Sächs.
Forstvereines und der Sächs. Landwirthe. Leipzig 1874, 8. 18—21. —
4. BoDEnMmÜLLER, F. J. Die Maikäfer und Engerlinge. 8. Freiburg i. Br.
1867. — 5. Eıcunnorr. Fangknüppel und Fangrinden gegen Engerling-
frass. Zeitschr. für Forst- und Jagdwesen 1882, Bd. XIV, S. 610
bis 613. — 6. Grıssuanmer. Schutz gegen Engerling in Saatbeeten.
Forstliche Blätter 1873, S. 383 und 354. — 7. Gerike. Ueber die
Generation der Maikäfer. Forstliche Blätter. Dritte Folge. 6. Jahr-
gang 1882, S. 81 und 82. — 8. Harrıc, Th. Das Insektenleben im
Boden der Saat- und Pflanzkämpe. Pfeil’s Kritische Blätter. Bd. XLIII,
1, 8.142 —151.— 9. Hryer Th., Staare als Schutzwehr gegen Engerlinge.
Allg. Forst- und Jagdzeitung 1865, S. 74. — 10. Hryer, E. Ueber Be-
gegnung des Schadens durch Mäuse und Engerlinge in Forstgärten. Allg.
Forst- und Jagdzeitung 1865, XLI. Bd., S. 126 —129. — Il. Köpprn.
Die schädlichen Insekten Russlands. St. Petersburg 1880. III. Bd. der
„Beiträge zur Kenntniss des russischen Reiches”. — I2. Kronn. Die Ver-
tilgung des Maikäfers und seiner Larve. Erfahrungen und Beobach-
tungen. 8. Berlin 1864. J. Springer. — 13. v. MAnteurreL. Die Vertil-
gung der Maikäfer. Allg. Forst- und Jagdzeitung 1865, S. 100—103.
— 14. MasskeGern zur Vertilgung der Maikäfer und deren Larven. Allg.
Forst- und Jagdzeitung 1864. XL. Bd., S. 311—317. — 15. PLieninger.
Gemeinfassliche Belehrung über den Maikäfer als Larve und als
Käfer. 8. Stuttgart und Tübingen 1834. 3. Aufl. 1875. — 16. Scmiöpre,
J. ©. De Metamorphosi Eleutheratorum Observationes. 2 Bde. 8. Kopen-
hagen 1861—1883. 2. Bd. Theil VIII, m. Taf. — 17. VERHANDLUNGEN
des Harzer Forstvereines. Jahrgang 1861, 8. 20—23. — 18. VoLMAR.
Zur Vertilgung der Maikäferlarve. Monatsschrift für das Forst- und
Jagdwesen. XVII. 1873, S. 231—234.
Pracht- und Schnellkäfer. Buprestiden im Allgemeinen. 313
Die Pracht- und Schnellkäfer.
Die Familien der Prachtkäfer, Buprestidae, und Schnellkäfer,
Elateridae, stimmen, was ihre äussere Erscheinung betrifft, in dem ge-
streckten Umriss des vorn und hinten verengten, am Kopfe abgestutzten,
au dem Hinterleibsende zugespitzten Körpers, in der Abplattung des
Leibes, der Form ihrer meist gesägten Fühler und der geringen Ent-
wickelung der Beine überein. Sie unterscheiden sich aber, die zum
Sprunge unfähigen Prachtkäfer, durch die meist metallisch glänzende
Färbung, die gewöhnlich unscheinbarer gefärbten Schnellkäfer, vom
Volke häufig Schmiede, auch Knipskäfer und Schuhmacher genannt,
durch das Vermögen, aus der Rückenlage, in welcher sie sich todt
stellen, hoch emporzuschnellen. Die Prachtkäfer sind ferner Sonnenthiere,
die nur am Sommermittag kräftig schwärmen, die Schnellkäfer dagegen,
gewöhnlich verborgener lebende Formen, vielfach Nachtthiere.
Die Larven der Prachtkäfer sind meist durch eine gegen den
Kopf und die auf sie folgenden Glieder sehr verbreiterte, abgeplattete
Vorderbrust, sowie durch ihren Frass im Baste der Holzpflanzen aus-
gezeichnet, die Larven der Schnellkäfer, in der Praxis „Drahtwürmer”
genannt, leben in der Erde und im Mulme und nähren sich vielfach von
Pflanzenwurzeln. Auf dieser Nahrungsweise der Larven beruht die ver-
schiedene wirthschaftliche Bedeutung beider Familien, welche schon oft-
mals auch im Forste sehr schädlich aufgetreten sind, während dagegen
die Käfer selbst nur in seltenen Fällen Grund zur Anklage gegeben
haben. Als Typus der forstschädlichen Prachtkäfer kann man die
Gattung Agrilus Sor. (Taf. II, Fig. 13), als solchen der Schnellkäfer
die Gattung Elater L. (Fig. 119) hinstellen.
LATREILLE vereinigte die beiden, soeben kurz nach leicht erkennbaren Merk-
malen charakterisirten Familien mit den zwischen ihnen stehenden Eucnemidae als
Sternoxi und begründete die Zusammenfassung der namentlich wegen ihrer ver-
schiedenen Larvenformen von den späteren Systematikern in die genannten drei
Familien zerlegten Gruppe durch die allen gemeinsamen Kennzeichen der Ver-
ringerung der Bauchsegmente auf fünf und die eigenthümliche Gestaltung der
Mittelbrust, welche vorn in der Medianlinie stets deutlich ausgehöhlt ist und hier
einen mehr weniger stark ausgebildeten, nach vorn vorragenden, zapfenförmigen
mittleren Fortsatz der Vorderbrust aufnimmt.
Allgemeines über die Buprestiden. Die Käfer, deren Chitin-
panzer sehr fest gefügt ist, sind meist metallisch gefärbt, mit flacherer
Rücken- und gewölbterer Bauchseite. Der Kopf erscheint senkrecht
gestellt und in das Halsschild bis zu den Augen eingezogen. Die meist
schon vom vierten Gliede an deutlich nach innen gesägten Fühler
sind auf dem untersten Theile der Stirn, zwischen den unteren Enden
Lehrbuch d. ınitteleurop. Forstinsektenkunde. 21
314 Kap. IX. Die Käfer.
der länglich ovalen Augen, meist in Fühlergruben, eingelenkt. Die
Mundtheile sind gewöhnlich kurz und gedrungen, oft sogar etwas ver-
kümmert. Hierauf ist die Thatsache zurückzuführen, dass man häufig
in den Puppenwiegen Käfer findet, welche nicht im Stande waren,
sich völlig durchzunagen und eingehen mussten. Das mit dem übrigen
Körper fester als bei den Elateriden vereinigte Halsschild schliesst
sich mit seinem Hinterrande den Flügeldecken genau an, und seine
Hinterecken sind nie in lange Spitzen ausgezogen. Der mittlere Fort-
satz der Vorderbrust reicht zwischen den Vorderhüften durch und
greift in eine entsprechende Grube der Mittelbrust ein, in welche
er jedoch nicht frei versenkt werden kann, wie bei den Elateriden.
Die Flügeldecken verbergen den ganzen Hinterleib, der 8 Rücken-
und 5 Bauchhalbringe zeigt. Von letzteren sind die beiden ersten
verwachsen. Beine kurz und gedrungen. Tarsen fünfgliedrig, die ein-
zelnen Glieder häufig herzförmig und mit einer filzigen Sohle ver-
sehen.
Die Flugzeit der Buprestiden fällt in den warmen Sommer. Die
Käfer treiben sich gern im heissesten Sonnenschein auf Blumen herum,
deren Blüthenstaub sie fressen, sind alsdann sehr flugfertig und flüchtig,
während sie bei kühler, feuchter Witterung träge werden und sich leicht
sreifen lassen. Sie verleugnen also auch in unseren gemässigten
Gegenden den allgemeinen Charakter der am reichlichsten in den Tropen
vertretenen Familie nicht. Bei uns kommen ungefähr 100 Arten vor,
aus Europa sind angeführt 291 Arten. Nach der Begattung, bei
welcher nach Perrıs [I7, S. 134] das d auf dem Rücken des 9 sitzt,
legt letzteres mit Hilfe einer Legscheide seine Eier einzeln oder in
enger zusammengerückten Gruppen in oder an die Nährpflanze.
Die Larven sind weisslich und weich, blind und fusslos. Der
Kopf ist tief in den, wie eine riesige Kragenfalte über seinen hinteren
Theil übergeschlagenen Prothorax zurückgezogen, aus dem er aber
auch hervorgestreckt werden kann; doch nur sein vorderer, gewöhnlich
vorragender Theil ist stärker chitinisirt. Die Fühler sind dreigliedrig,
ihr letztes sehr kleines Glied in das vorletzte zurückziehbar, die
Taster des dritten Kieferpaares, die Lippentaster, völlig rudimentär. Der
Thorax ist meist stark abgeflacht, durch die Kragenfalte äusserst breit
erscheinend und oben mit einem mehr weniger stark chitinisirten Schilde
versehen. Die beiden hinteren Thoracalringe sind quergezogen und
meist gleichfalls viel breiter als das schwanzförmig erscheinende, zehn-
gliedrige Abdomen.
Sehen wir von den hier nicht in Betracht kommenden und auch
biologisch abweichenden Larven der Gattung Trachys ab, so kann man
die Buprestidenlarven in zwei Gruppen theilen: Die erste enthält die
typische, mit stark abgeflachtem und verbreitertem Thorax und abge-
rundetem letzten Hinterleibsgliede (Fig. 113) versehene Mehrzahl der
Formen, die andere umfasst nur die Larven der Gattung Agrilus mit
Coraebus, bei welchen die drei Thoracalringe und namentlich der Pro-
thorax zwar immer noch etwas breiter als die Hinterleibsringe, aber
Buprestiden im Allgemeinen. 315
nur wenig abgeflacht sind, und deren letzter Hinterleibsring in zwei
stark chitinisirte Spitzen ausgezogen erscheint (Fig. 114).
Mit Ausnahme der blattminirenden
Larven der Trachys-Arten und einiger
die Wurzeln und Stengel von Kräutern
bewohnenden, abweichenden Formen sind
die Buprestidenlarven sämmtlich Holz-
bewohner, welche an jüngeren Bäumen
zwischen Rinde und Holz, an älteren
Stämmen im Holze oder in der Rinde
flache, meist stark geschlängelte, allmählich
breiter werdende und mit Bohrmehl fest
ausgestopfte Gänge fressen. Die abge-
flachten Larven halten den Hinterleib
meist in der Ebene des Ganges gekrümmt
und nach vorn umgebogen (Fig. 115). Zur
Verpuppung nagen sie sich eine im Quer-
schnitt elliptischa Puppenwiege im
Holze oder in der Rinde. Bei den sehr ab-
geflachten Formen dreht sich nach Arrum
die Larve in dieser Puppenwiege um, so
dass der Kopf der Puppe, respective des
Käfers, nach der Seite zu liegt, von welcher
die Larve in die Puppenwiege eingedrungen
ist und letztere daher, wenn der Käfer sich
herausgenagt, hat, nur eine Oeffnung zeigt
(Fig. 116 A). Bei den mehr eylindrischen
Formen dagegen dreht sich die Larve
nicht um, frisst vielmehr vorwärts bis
dicht unter die Rinde, und der Käfer
nagt sich nun an dem dem Eingangsloche
der Larve entgegengesetzten Ende der
Puppenwiege heraus, so dass die ver-
lassene Puppenwiege alsdann zwei Oeff-
nungen hat (Fig. 116 ©).
Die Fluglöcher, welche die in der
Puppenwiege stets mit dem Rücken gegen
die Achse des Stammes gewendet liegenden
Käfer nagen, sind dem Querschnitt ihres
Körpers entsprechend stets elliptisch
(Fig. 116B) und bei den Formen mit
sehr abgeflachtem Rücken, wie bei
Agrilus, werden die Fluglöcher daher
Fig. 113. Fig. 114.
Fig. 113. Larve von Chrysobo
thrys Solieri Lar., nach Perrıs,
[I7, TA. 4, Fig. 100.]
a von oben, b von der Seite.
Fig. 114. Larve von Agrilus
viridis L. nach Ratzegure. |V,
Bd. BAT. TsRioe]
Fig. 115. Frass von Buprestis
(Anthaxia) quadripunctata L.
in einem Kiefernzweige.
von zwei verschieden gekrümmten Bogen begrenzt, von denen der
flachere dem Rücken des ausschlüpfenden Käfers entspricht (Fig. 116 D).
Da, wie wir oben erwähnten, die Mundwerkzeuge der Käfer schwach
sind, so kommt es öfters vor, dass einzelne Exemplare sich nicht bis
21*
316 Kap. IX. Die Käfer.
auf die Oberfläche durchzunagen vermögen und in ihren Puppen-
wiegen eingehen.
Systematik. Die europäischen Buprestidae werden in 27 Gat-
tungen getheilt, welche selbst wieder in 6 Unterfamilien getrennt sind.
Der Vereinfachung wegen gebrauchen wir hier die Namen der Haupt-
gattung jeder Unterfamilie als Sammelgattungsnamen, setzen nur der
ÖOrientirung halber die Namen der engeren Gattungen in Klammer
bei und betrachten sie als Untergattungen. Wir gebrauchen also, da
manche Unterfamilien forstlich gar nicht in Frage kommen, als
Sammelbezeichnungen die Namen Buprestis, Chrysobothrys und Agrilus.
Gattung Buprestis L. Käfer mit verschieden grossem, mitunter sogar
verschwindendem, aber niemals dreieckigem oder nach hinten zugespitztem Schild-
chen, Brustgrube zur Aufnahme des Vorderbruststachels von Mittel- und
Hinterbrust zugleich gebildet. Zarven von typischer Buprestidenform mit Gabel-
Fig. 116. Puppenwiegen und Fluglöcher von Buprestiden. A und B Buprestis
(Poecilonota) rutilans Fasr. A Puppenwiege im Längschnitt bei erhaltener
Rinde; a Flugloch, 5 zwischen Holz und Rinde hinlaufender, mit Frassmehl voll-
gestopfter Gang. B Flugloch. C und D Agrilus; €‘ Puppenwiege von Agrilus
elongatus Hssr. (tenwis Rarz.) nach Aurum [5, S. 366], im Längschnitt an
einem entrindeten Frassstück. D Flugloch von Agrilus sp.? Alle Figuren in
natürlicher Grösse.
linie auf dem Prothoraxschilde. Zur Orientirung kann auch hier Fig. 113 dienen.
Wir reehnen hierher die Lacordaire’sche Gruppe I, Buprestides vrais, mit
Hinzufügung von Chalcophora.
Untergattung Chalcophora Sor. Schildchen rund, punktförmig. Erstes
Glied der Hintertarsen bedeutend länger als das zweite, beide nicht gelappt. Stirn
in der Mitte mit tiefer Längsfurche, Spitze der Flügeldecken nicht abgestutzt,
mit einem spitzen Dorn am Nahtwinkel.
Untergattung Dicerca Escascn. Schildchen punktförmig. Erstes und
zweites Glied der Hinterfüsse nicht gelappt und fast gleichlang. Fortsatz der
Vorderbrust eben oder in der Mitte gefurcht, stets grob punktirt. Flügeldecken
nach dem Ende hin in einer geschweiften Linie verengt und in eine zweizähnig
abgestutzte Spitze ausgezogen. Letzter Bauchring mit zwei bis drei Zähnchen.
Untergattung Poecilonota EscuscH. Schildchen quer, dreimal so breit
als lang, hinten gerade abgestutzt. Halsschild ia der Mitte am breitesten, hinten
etwas verengt.
Untergattung Buprestis_L. im engeren Sinne (Ancylocheira Escusch.),
Schildehen rund, punktförmig. Von den beiden ersten nicht gelappten Gliedern
der Hintertarsen ist das erste bedeutend länger als das zweite. Spitzen der
Flügeldecken abgestutzt, mit je zwei Zähnchen. Stirn ohne tiefere Mittelfurche.
Systematik und forstliche Bedeutung der Buprestiden. 317
Untergattung Melanophila Escusca. Körper ziemlich flach. Schildchen
sehr klein und gerundet. Die beiden ersten Tarsalglieder der Hinterfüsse ge-
streckt, nicht gelappt, das erste bedeutend länger als das zweite. Das Halsschild
viel breiter als lang, sein Hinterrand zur Aufnahme der Flügeldeckenwurzel
zweimal flach ausgebuchtet. Flügeldecken etwas breiter als das Halsschild, hinten
abgerundet, ihr Aussenraud fein gekerbt. Die von ihr nochmals abgetrennte Unter-
gattung Phaenops Lacorn. ist nur durch die sehr kleinen und gerundeten
Fühlergruben unterschieden.
Untergattung Anthaxia Escnscn. Käfer. Schildehen dreieckig, Halsschild
breiter als lang, mit fast geradem Hinterrande. Flügeldecken ebenso breit als das
Halsschild, hinter der Mitte verengt, die Spitze jeder einzelnen abgerundet und
gekerbt. Zarve. Typische Buprestidenform, aber auf dem Metathorax oben und
unten je zwei Warzen.
Die nächste uns interessirende Unterfamilie ist die der Chrysobothrinı.
Sie umfasst die Formen mit dreieckigem, hinten zugespitztem Schildchen, welche
einfache Klauen haben, und deren gerundete Fühlergruben vorn auf der Stirn
so weit von dem Augenrande gelegen sind, dass sie das Epistom stark verengen.
Die Larven haben die typische Buprestidenform (Fig. 113). In Europa kommt
nur vor die
Gattung Chrysobothrys EscuscH. Kopf bis zu den Augen in das Hals-
schild eingezogen, Stirn gewölbt, Halsschild beinahe doppelt so breit als lang,
beiderseits zur Aufnahme der gerundeten Wurzeln der Flügeldecken ausgerandet.
Flügeldecken breiter als das Halsschild, sehr flach gewölbt, hinter der Mitte
verengt, der Seitenrand und die Spitze fein gesägt, mit flachen Gruben. Fortsatz
der Vorderbrust breit, hinter den Vorderhüften beiderseits zu einer seitlichen Ecke
ausgezogen und dann wieder zugespitzt. Erstes Glied der Hintertarsen verlängert.
Die dritte hier anzuführende Unterfamilie, die der Agrilini, ist durch ein drei-
eckiges Schildehen und gespaltene oder gelappte Klauen an den nicht unge-
wöhnlich verkürzten Tarsen gekennzeichnet. Die Larven haben die zweite Form
(vergl. S. 314) mit wenig verbreitertem Thorax und zweispitzigem Hinterleibsende
(Fig. 114).
Die Gattung Agrilus Sor. (Tfl. II, Fig. 13) hat folgende Merkmale:
Körper langgestreckt, Flügeldecken hinter der Mitte gewöhnlich etwas erweitert,
dann schnell zugespitzt. Halsschild breiter als lang, am Hinterrand beiderseits
tief ausgerandet zur Aufnahme der Wurzel der Flügeldecken. Schildehen deutlich,
dreieckig, nach rückwärts zugespitzt. Fortsatz der Vorderbrust gegen die Mittel-
brust gewöhnlich breit und kurz. Füsse lang, das erste Glied der Hinterfüsse
länger als das zweite, die ersten vier Fussglieder unten gelappt. Oberseite metallisch
gefärbt, mit schuppenartigen Punkten auf den Flügeldecken. Wir begreifen unter
dem Namen Agrilus auch die Untergattung Coraebus Lar., welche sich nur
durch breitere Tarsalglieder, von denen besonders das erste nicht verlängert ist,
auszeichnet.
Forstliche Bedeutung der Buprestiden. Vom forstentomologi-
schen Standpunkte aus kann man die Buprestiden je nach der Wichtig-
keit des Frasses ihrer Larven in vier Gruppen eintheilen:
1. Die unschädlichen Larven bewohnen anbrüchige, wandelbare
Stämme oder Stöcke, z. B. Buprestis Mariana L. Kiefernstöcke.
2. Die merklich schädlichen Larven gehen Stamm und Aeste
älterer, noch lebenskräftiger Bäume an, z. B. Buprestis rutilans Farr.
starke Linden.
3. Die sehr schädlichen Larven verursachen das Eingehen jüngerer
Taaubholzheister, z. B. Agrilus viridis L. von Rotbbuchen.
4. Die sehr schädlichen Larven bewirken das Absterben der
Zweige an älteren und der Kronen an jungen Stämmen, namentlich
Agrilus bifasciatus OLıv. an Eichen.
318 Kap. IX. Die Käfer.
Die in Stöcken brütenden Buprestiden. Buprestis (Chalcophora)
Mariana L., die grösste deutsche Art, bis 30 mm lang, ist auf der Oberseite
schwarz mit groben kupferglänzenden Furchen und Gruben. Sie bewohnt, wie
schon oben bemerkt, abgestorbene Kiefern und Kiefernstöcke.
Buprestis (Dicerca) Berolinensis Hssr., die nächstgrösste deutsche Art,
bis 20 mm lang, auf der Oberseite kupferfarbig oder metallisch grün, mit dunkleren
Flecken, lebt in anbrüchigen Buchen und Hainbuchenstämmen, während ihre
nächsten, gleichfalls der Untergattung Dieerca angehörigen Verwandten, B. aenea
L. und B. Alni Fıscn. ähnlich in Erlen leben.
B. flavopunctata Dr Geer. (Ancylocheira flavomaculata Fazr.), entwickelt
sich in anbrüchigen Kiefernstöcken, in Frankreich wird sie in solchen der See-
kiefer gefunden.
B. (Ancylocheira) rustica L., in Weisstanne.
B. (Melanophila) decostigma FAzr. im Süden in abgestorbenen Pappeln.
Die in starken alten Stämmen brütenden Buprestiden. Auch
diese Formen haben nur eine geringe foıstliche Bedeutung.
Buprestis (Poecilonota) rutilans L. Der Lindenprachtkäfer ist einer
der schönsten deutschen Formen. Er ist 10—14 mm lang, schön metallisch grün
mit blauem Schein, das Halsschild und die Flügeldecken rothgolden. Seine
Larve hat, wie überhaupt die der ganzen Untergattung, die typische Buprestiden-
form und lebt in den Aesten stärkerer alter Linden, in denen sie theils in der
Rinde, theils im Splinte breite, unregelmässig geschlängelte, dicht von Bohrmehl
ausgefüllte Gänge frisst. Schliesslich nagt sie sich eine gekrümmt in die dicke
Rinde oder das Holz hineindringende Puppenwiege, in welcher die Puppe mit
dem Kopfe nach oben liegt (vergl. Fig. 1164). Die Käfer, welche Ende Mai, Anfang
Juni fliegen, nagen sich durch 5 mm breite, ovale Fluglöcher heraus (vergl. Fig. 116 B).
Folge des Larvenfrasses ist das Dürrwerden und Abfallen der Rinde in der be-
fressenen Zone. In Deutschland allgemein verbreitet, aber überall selten. Nur
von Artum [7] ist sie einmal als wirklich schädlich in Teplitz an einer
grösseren Menge von Winterlinden, Tilia parvifolia Enrn., gefunden worden, und
zwar auf der Südseite der Stämme, auf Streifen von mehreren Metern Länge.
Hier in Tharand wurde sie nur in Aesten beobachtet. Die Dauer der Generation
ist unbekannt, dürfte aber mehrere Jahre umfassen. Gegenmittel haben sich noch
nicht nöthig gemacht.
B. (Poecilonota) decipiens MAnnern. ist von Perrıs [18, S. 159] unter
ähnlichen Verhältnissen in Rüster fressend gefunden worden. Diese Art wird
neuerdings wieder mit B. rutilans L. vereinigt.
B. (Poecilonota) variolosa Payk. (conspersa GyLL.) ist ein sehr naher
Verwandter. Dieser 8&—10 mm lange Käfer ist schwarz, mit mehr oder weniger
deutlichem Erz- oder Kupferglanz und hellen metallischen Flecken auf den Flügel-
decken. Der Kopf ist erzglänzend. Er ist ein Bewohner älterer Aspen, in denen
er in ganz analoger Weise, wie die vorhergehende Art in Linden, frisst. In
grösserer Ausdehnung fressend ist er nur von Arrum [XVI, III, 1, S. 123 und
124] im Biesenthaler Revier beobachtet worden, und zwar an der Sonnenseite
der Stämme. Das Holz wird an den unterhöhlten Stellen anbrüchig. Die Gene-
ration soll eine dreijährige sein.
Bemerkt sei noch, dass auch Vertreter der Unterfamilie der Agrilini
in älteren Stämmen fressend gefunden wurden. Wir erwähnen nur Agrilus
sexguttatus Hssr., welcher nach Dösner und NÖRDLINGER in Süddeutschland
ältere Pappeln schädigen soll, und nach ersterem Autor [XIV, II, S. 70] bei
Aschaffenburg sich Ende der Fünfzigerjahre an der Zerstörung einer Allee von
Pappeln, italienischen sowohl als Schwarzpappeln, betheiligt hat.
Der gleichfalls in Süddeutsehland vorkommende A. (Coraebus) undatus
Fagr. lebt nach Nörpuisger [VII, 2. Aufl, S. 5] unter der Rinde starker Eichen
und nach Prrrıs |2, S. 144] in Südfrankreich in der Korkeiche, in deren Rinde
er wenigstens technisch zu schaden scheint.
Auch Nadelhölzer mittleren Alters scheinen dem Buprestidenfrasse zu unter-
liegen, wenigstens ist Buprestis (Phaenops) cyanea Fapr., ein einfarbig dunkel-
Forstsehädliche Buprestiden. 319
‚blau gefärbter Käfer, mit sehr dicht runzeligpunktirter Oberseite, von 7—10 mm
Länge, nicht nur in Südfrankreich nach Perr:s [l8, S. 122] ein hervorragender
Schädling an der Seekiefer, sondern SCHREINEr [I7,] hat ihn auch als Feind der
gemeinen Kiefer in Deutschland denuneirt, allerdings ohne dass man hier bis
jetzt einen grösseren Frass dieses Thieres nachweisen könnte.
Die in jüngeren Stämmen, Heistern und Stangen brü-
tenden Buprestiden. Die dritte der von uns angenommenen biolo-
gischen Prachtkäfergruppen ist bis jetzt wesentlich an Laubhölzern
sehr schädlich geworden. Wenn wir in der Gattuug Agrilus die meisten
und am längsten bekannten Schädlinge finden, so tritt nach neueren
Beobachtungen in zweiter Linie auch noch die Gattung Chryso-
bothrys hinzu. Diese ist übrigens nicht auf die Laubhölzer beschränkt,
sondern manche Arten derselben kommen auch in Nadelhölzern vor, aus
denen auch noch Anthaxia, eine Untergattung von Buprestis, als
häufigerer Bewohner jüngerer Stämme bekannt und als Schädling
beobachtet worden ist.
Als Laubholzschädlinge sind folgende Arten anzuführen:
Agrilus viridis L., Klauen an der Wurzel mit einem breiten Zahn, Hals-
schild viel breiter als lang, im Verhältniss zu den Flügeldecken kurz, uneben,
grob querrunzelig, mit undeutlicher Mittelfurche, jederseits hinter der Mitte mit
einem schräg gegen die Seiten hin verlaufenden, mehr oder weniger deutlichen
Eindrucke. Schildehen sehr fein punktirt, mit deutlicher Querleiste. Flügeldecken
an der Basis eingedrückt, mit stark vortretenden Schultern, hinter diesen seitlich
zusammengedrückt, hinter der Mitte etwas erweitert, dann verengt, an der Spitze
abgerundet, schwach divergirend, fein gezähnelt, schuppig gerunzelt, fast un-
behaart. Vorderbrust bei beiden Geschlechtern, beim 45 etwas deutlicher, aus-
gerandet, letzter Bauchring einfach abgerundet. In Folge seiner grossen Ver-
schiedenheit der Färbung, Grösse u. s. w. trägt derselbe Käfer nicht weniger als
11 Namen, welche erst v. KIEsEnwETTER in seiner vortrefflichen Arbeit über die
deutschen Bupresten klar gestellt hat: Normale Farbe olivengrün mit bläulicher
oder kupferiger Stirn und messingfarbener Unterseite (viridis L., Panz., viridipennis
Lar. capreae Curvr.); bronzefarbige und kupferige Stücke (Aubei Lar., fagi RArz.,
quercinus Repr2.); grüne, blaugrüne, biaue bis violette Exemplare (nocivus Rarz.,
distinguendus Lar., bicolor Reprz); Stücke mit goldgrünen oder blauen Flügel-
decken, deren Halsschild und Kopf jedoch messingfarben oder kupferig (linearis
Panz.); endlich eine ganz schwarze Varietät (Bupr. atra Far.). Grösse ebenfalls
sehr schwankend, 5—8 mm.
A. betuleti Rarz., dem vorigen sehr ähnlich, unterschieden durch das im
Verhältniss zu den Flügeldecken breitere Halsschild, dessen Seitenrand verflacht
und gegen den Mitteltheil scharf abgesetzt ist. Länge 5 mm.
A. elongatus Hessr. (tenuis Rarz., Sahlbergii MAnnernH., viridis Lar.). Dem
A. viridis L. ähnlich an Gestalt und durch die metallisch grüne, bronzene oder
blaue Färbung, in der Regel jedoch etwas grösser, auch sind die Flügeldecken
hinten nicht so stark verengt, wie bei jenem. Bei beiden Geschlechtern ist das
letzte Bauchsegment an der Spitze ausgerandet, besonders tief beim Sg. Vor dem
Hinterrande des ersten Bauchsegmentes hat das überdies zwei deutliche, neben-
einander gestellte Körnchen. Die Fühler sind verhältnissmässig lang und dünn.
Halsschild breiter als lang, mit deutlicher Mittelfurche; ein kleines gebogenes
Längsleistehen in den Hinterecken gewöhnlich deutlicher, als bei A. viridis.
Länge 6—7 mm.
A. angustulus Irr. (olivaceus Gyrr.). Etwas kleiner als die vorigen. Eben-
falls verschieden metallisch grün, blau u. s. w. gefärbt. Das unebene Halsschild
in den Hintereeken mit einem fast bis zur Mitte reichenden geraden Leistchen.
Fühler tiefer gesägt als bei A. elongatus. Bauchsegment bei beiden Geschlechtern
nicht tief, aber deutlich ausgerandet, beim ' überdies mit Längseindruck. Hinter-
320 Kap. IX. Die Käfer.
rand des ersten Bauchsegmentes beim ÖS mit zwei nebeneinander gestellten
mehr oder weniger deutlichen, länglichen Körnehen oder erhabenen Längsfalten.
Länge 4:5 —6 mm.
A. pannonicus Pırrer (biguttatus Fapr.). Klauen an der Spitze zweispaltig.
Sehildehen mit einer deutlichen Querleiste. Oberseite oliven- bis blaugrün. Flügel-
decken am Ende abgerundet und hinten in der Nähe der Naht mit einem weissen
Haarfleck. Die unter den Flügeldecken vorsehenden Ränder des Hinterleibes mit
drei solchen weissen Flecken. Die grösste deutsche Art, 9—12 mm lang.
A. subauratus GeerL. (coryli Rarz.). Klauen
gleichfalls zweispaltig, Schildehen eben, ohne deutliche
Querleiste. Halsschild grün. Flügeldecken meist kupfer-
golden, mitunter aber in verschiedenen Metallfarben
vaılirend. Länge 7—9 mm.
Chrysobothrys affınis Faer. Dunkelkupfer-
farben; Halsschild doppelt so breit als lang. Flügel-
decken mit einigen schwach erhabenen Längslinien,
von denen die der Naht zunächst stehende nicht so
erhaben ist, dass der Raum zwischen ihr und der
Naht als Furche erscheint. An der Wurzel jeder
Flügeldecke ist eine vertiefte Grube und auch ihr
mittleres Drittel ist durch zwei goldige, glänzende
Grübchen hinten und vorn abgegrenzt. Länge
11—14 mm.
Als Nadelholzschädlinge sind folgende
Formen zu erwähnen:
Chrysobothrys Solieri Lar. ist von seinem
eben beschriebenen nächsten Verwandten durch das
im Verhältniss viel schmälere Halsschild und die viel
grösseren Gruben auf den Flügeldecken ausgezeichnet.
Zwischenraum zwischen der ersten erhabenen Längs-
linie und der Flügeldeckennaht furchenartig vertieft.
Die Färbung ist meist etwas dunkler als bei der
vorigen Art. Länge 10—12 mm.
Buprestis (Anthaxia) quadripunctata L.
Käfer dunkel erzfarben, mit sehr geringem Glanze.
Auf dem Halsschild vier in einer Querreihe stehende
Fig. 117. Buchenstämmchen Punkte. Länge 4—6 mm. Eine sehr nahe Verwandte
mit Larvengängen und Flug- Yon ähnlicher Lebensweise ist die B. u. 1
löchern von Agrilus viri- Lebensweise. Die sämmtlichen hier in
=
ds L.
Frage kommenden Agrilus-Arten fliegen im
Juni und Juli. Der Mutterkäfer belegt jüngere Stämme von Laub-
hölzern mit einer grösseren Anzahl von Eiern. Die Larven fressen
zahlreiche geschlängelte und sich durchkreuzende Gänge. Eine Unter-
scheidung der verschiedenen Arten blos nach ihren Frassgängen und
Fluglöchern ist sehr schwer. Am leichtesten ist an der Grösse der
Fluglöcher, welche einen Querdurchmesser von 3,5 mm erreichen,
A. pannonicus PILLER zu erkennen. A. subauratus GegL. soll sich
nach ALrum durch „breitere, stellenweise zu grösseren Plätzen’ erweiterte
Frassgänge auszeichnen. Der Frass dauert zunächst die wärmeren
Monate des Flugjahres, geht dann das nächste Jahr fort, und erst im
dritten Kalenderjahre, im Mai, verpuppt sich die Larve ohne sich um-
zukehren in einer Puppenwiege mit gesondertem Ein- und Ausgang
(Fig. 116 ©). Die Generation dauert mithin 24 Monate, ist also zweijährig.
Forstschädliche Buprestiden. 321
Jan. |Febr. | März April| Mai Juni dal Aug. |Sept. | Oct. , Nov. | Dee.
|
++++ | |
1880 z Gr |
|
| |
I}
Zur Verpuppung gehen die Larven in das Holz, und der Käfer
nagt sich an der-dem Eingange der Larve entgegengesetzten Seite
der Puppenwiege heraus. Mitunter werden übrigens von den grösseren
Formen auch ältere diekrindige Stämme belegt.
Chrysobothrys’affinis Farr. fliegt nach Autumn [6], dem
wir die genauesten Beobachtungen über dieses Insekt verdanken, im
Beginn des warmen Sommers. Der Mutterkäfer legt aber an jeden
Stamm nur 1—3 Eier, und zwar an Eichen von Heister- und schwacher
Stangenstärke, meist dicht über dem Wurzelanlauf. Die weniger ge-
schlängelten und der Gestalt der Larve entsprechend sehr flachen
Gänge verlaufen im Baste. Die Puppenwiege, in der sich die Larve
wieder umkehrt, ist oval, und die Eingangsöffnung, an der auch der
Käfer sich durch die Rinde herausfrisst, wird wieder mit Nagemehl
verstopft. Aeusserlich ist die Stelle des Frasses nicht kenntlich. Die
Generation ist zweijährig, vielleicht sogar dreijährig.
Chrysobothrys Solieri Lap. ist in seinem Larvenstadium ein Be-
wohner des Nadelholzes, und zwar der gemeinen Kiefer und der See-
kiefer. Bei letzterer kommt die Larve (Fig. 113 a und b) in Frankreich
nach Perris [I7, S. 120] nur an schwachen Stangen und Stämmchen von
höchstens 15 em Durchmesser, sowie an schwachen Aesten älterer Bäume
sehr häufig vor. Die Gänge laufen geschlängelt, immer breiter werdend
und mit Frassmehl dicht verstopft zwischen Rinde und Splint. Erst
in dem dem Flugjahre des Käfers vorhergehenden Herbste geht die
Larve in das Holz, wo sie sich eine flache Puppenwiege nagt, in der
sie überwintert, um erst einige Wochen vor dem Ausfliegen des Käfers
zur Puppe zu werden. Die Flugzeit auch dieser Art fällt in den
Juni oder Juli. Die von Prrrıs als einjährig bezeichnete Generation
scheint in unserem Klima zweijährig zu sein, wenigstens lassen dies
die Beobachtungen von KLınsernörer schliessen. Von Schreiner [16]
sind die Larven in schwächeren Kiefern in der Neumark und bei
Dresden gefunden worden.
Buprestis quadripunctata L. ist in seiner Jugend gleichfalls ein
Kiefernbewohner, welcher schon von Rarzesurg [V, S. 52] in ab-
gestorbenen jungen Pflanzen und Zaunlatten, aber auch in zehnjährigen
jungen Stämmen gefunden wurde. Letzteres Vorkommen wird von
Arrum [XVI, III, 1, S. 120] bestätigt, nach welchem dieser Käfer
D
32
99 Kap. IX. Die Käfer.
kümmernde Kiefernpflanzen zu tödten vermag. Er hat ebenfalls eine
zweijährige Generation. Die von denen der übrigen Buprestiden nur
wenig abweichenden Frassgänge mit Larve zeigt Fig. 115 auf S. 315.
Schaden. Alle hier angeführten Agrilus-Arten. stimmen darin
überein, dass durch den Frass der jungen Larven, welcher sich mit
Vorliebe auf der Sonnenseite, Südwestseite, der befallenen Stämmehen
hält, und gern von dem Ansatze eines Astes ausgeht, Heister oft in
grösserer Ausdehnung zum Eingehen gebracht werden. Namentlich ist
dies der Fall, wenn die Stämme völlig geringelt werden. Man kann
den Frass in seinen späteren Stadien daran erkennen, dass sich die
Rinde, namentlich die dünne, über den Larvengängen ein wenig hebt.
An altem Frasse blättert sich die Rinde ab und reisst, wenn Ueber-
wallung und Heilung eintritt. Trockene Lage begünstigt den Frass
sehr, und unterdrückte Stämmchen werden am liebsten befallen. Auch
verpflanzte Stämmchen werden gern von dem Käfer angenommen.
A. viridis L. geht in erster Linie Buchen, dann Eichen, ferner Erlen,
nach NÖRDLINGER auch Aspen und Linden, nach Aus und Gory Birken
und nach Erıcnson sogar Rosen an.
A. elongatus H»sr. und angustulus Irr. schädigen in erster Linie
Eichen, sind aber auch in Buchen beobachtet worden. Ersterer frisst häufig
in Verbindung mit Chrysobothrys affinis FABr. und Tomicus dispar. FABR.
A. pannonicus PırLer ist ein typischer Eichenbewohner.
A. betuleti Rarz. wurde aus Birken gezogen.
A. subauratus Ger. ist von Ar,rum gleichfalls aus Eichen erzogen.
Den stärksten Schaden von A. viridis L. hat Burkuarpr [V, I, Nachträge,
S. 12— 16] im Brammwalde beobachtet. Im Jahre 1837 wurden daselbst 1400 Buchen-
pflänzlinge in einer Kultur getödtet, von einer anderen Pflanzung gingen über
die Hälfte, nämlich 300 Stück, ein.
Am Harze wurden ausgedehnte Schäden, die sehr wahrscheinlich auf Agrilus
angustulus Irr. zurückzuführen sind, an Eichen von 1—2m Höhe nach RATzEBURG im
Jahre 1835 beobachtet; über ein Drittheil der gepflanzten Eichen gingen zu Grunde,
Agrilus elongatus Hssr. ist 1876 nach Arrum [5] in den pommerischen Staats-
forstrevieren an Eichen sehr schädlich geworden. Im Revier Grammentin gingen
in diesem Jahre allein 7502 Eichenheister ein. Auch aus Rogelwitz, Regierungs-
bezirk Breslau, wurden ihm ähnliche Fälle gemeldet. Diese Thatsachen wider-
legen die Rarzesurg’sche Angabe, dass die Agrilenschäden im Westen häufiger
sein sollen als im Osten.
Auch Chrysobothrys affinis FABr. kann höchst wahrscheinlich für
sich allein Eichenheister und schwächere Stangen zum Eingehen bringen,
und der Schaden ist um so beträchtlicher, als der Angriff des Insektes
an jungen Bäumen stets so tief erfolgt, dass der ganze oberirdische Theil
eingeht. In den vorpommerischen Revieren Mühlenbeck und Torgelow
ist nach Arrum [6, S. 39] am Ende der Siebzigerjahre dieses Insekt
durch seine ausgedehnten, im Verein mit Agrilus elongatus Hssr. ver-
übten Beschädigungen zur Kalamität geworden.
Auch die Kiefernfeinde unter den Buprestiden, Chrysobothrys
Solieri Lap. und Buprestis quadripunctata L., sind sicher im Stande,
junge Bäume primär zum Eingehen zu bringen, doch liegen Berichte
über wirklich grössere Schäden vorläufig nicht vor.
Forstschädliche Buprestiden. 323
Abwehr. Oberförster Kırcaner |5, S. 371] hat zum Schutze gegen
Agrilus-Frass vorgeschlagen, noch nicht angegangene Stämmchen mit
einem bis zur Krone reichenden Anstrich von 2 Theilen Lehm, 1 Theil
Kalk und 1 Theil Kuhdünger zu versehen. Dieselbe Massregel dürfte
sich unter Umständen auch gegen Chrysobothrys-Frass anwenden lassen,
besonders gegen Chr. affinis Far. an Eichen.
Das beste Vorbeugungsmittel dürfte aber hier, wie in so vielen
Fällen, die Erziehung recht kräftiger Pflanzen sein, da erfahrungsgemäss
unterdrückte und kränkelnde Stämmchen auf schlechtem Boden diese
Käfer am meisten heranziehen. Auch rechtzeitige Durchforstungen werden
sich namentlich gegen die Verbreitung der hier genannten Kiefernschäd-
linge nützlich erweisen.
Ist der Angriff des Insektes einmal erfolgt, so muss man die be-
wohnten Stämmchen, noch ehe . die Käfer herausfliegen, im Monat Mai
und in der ersten Hälfte des Juni herausnehmen und verbrennen. Man
muss zu dieser Zeit, wenn die oben angegebenen Umstände etwa ein-
treten, sehr aufmerksam sein, und sowohl nach dem Aussehen des Laubes
oder der Nadeln sich richten, als auch die Rinde an vielen Stämmen
bis zur Höhe von 1'5—2 m genau betrachten.
Gehen die Larvengänge an Laubholzheistern nicht ganz bis auf
den Wurzelknoten, so kann man durch Abschneiden des Stämmchens
über diesem noch einen gesunden Ausschlag bewirken.
Buprestiden, welche durch innere
Ringelung gesunde Eichenzweige zum
Absterben bringen. Zu dieser Gruppe ist
vorläufig nur Agrilus (Coraebus) bifasciatus
OLıv., der „zweibindige Eichenprachtkäfer” zu
rechnen.
A. bifasciatus Orıy. Der Käfer ist 11—15 mm
lang, erzgrün und glänzend. Das letzte Drittel der
Flügeldecken ist blauschwarz mit zwei, dicht mit
greisen Härchen besetzten, zackigen Querbinden.
Die nach dem Typus der Agrilini gebaute Larve
ist bis 20 mm lang, der Prothorax 5 mm, die übrigen
Ringe 4 mm breit. Auf der Rückenseite trägt der
Prothorax ein bräunliches, im Gegensatz zu verwandten
Formen durch zwei LäÄngsfurchen gekennzeichuetes
Chitinschild. Afterglied in zwei gebräunte Chitinspitzen
ausgehend [I8, S. 140, 4, S. 146].
Lebensweise. Der mehr auf den Süden
angewiesene Käfer fliegt im Juni oder Juli, und Fig. 118. Von Agrilus
das @ belegt die Maitriebe verschiedener Eichen a
5 = UF 22 geringelter Eichenzweig
namentlich auch der Kork- und Steineichen, mit nach Nörprinaer [XXIV,
je einem Ei. Die Larve frisst anfänglich unter S. 5].
3
24 f Kap. IX. Die Käfer.
der Rinde, später in der Markröhre und schliesslich im Holze einen
geschlängelten, mit Nagemehl angefüllten Gang durch mehrere Jahres-
triebe 1—1'5n weit abwärts und wendet sich im Frühling des Jahres,
in welchem sie sich verpuppt, wieder nach der Peripherie des Zweiges.
Hier schneidet sie nun, ohne die Aussenrinde zu verletzen, die Innen-
rinde, den Weichbast und Splint tief ein, indem sie einen scharfen, in
sich zurücklaufenden oder doch spiraligen Gang (Fig. 118) nagt, der
völlig die Saftzufuhr zu dem oben liegenden Stück verhindert. Sowie dies
geschehen, dreht sie wieder nach oben in das Holz um und nagt schliess-
lich oberhalb der Ringelstelle eine schleifenförmige gegen die Rinde zu
gewendete Puppenwiege, in welcher der Käfer sich entwickelt, um
schliesslich im Juni oder Juli durch die letzte dünne Deckschichte das
bekannte Buprestidenflugloch zu nagen und so frei zu werden. Werden
ältere Eichen stärker befallen, so zeigen sie dann als Folge des Frasses
eine grössere Anzahl 1—2m langer dürrer Aeste. In Heistern und
Schälwaldausschlägen geht der Frass meist bis in den eigentlichen
Stamm; in Folge dessen stirbt die Krone ab.
Nach Aurum ist die Generation im Elsass wenigstens dreijährig,
wenn nicht vielleicht vierjährig. Dies. wird noch wahrscheinlicher,
wenn man die sehr genauen Untursuchungen von A. pE TREGOMAIN
über die Generation dieses Käfers in den Steineichen Südfrankreichs,
namentlich des Departement du Gard, berücksichtigt. Hier ist nämlich
die Generation schon sicher zweijährig, und man kann also annehmen
dass sie in dem rauheren Elsass länger dauert. Sie stellt sich im
Süden folgendermassen dar:
Jan. | Febr. | März | April| Mai | Juni
Juli | Aug.
Sept. | Oct. | Nov. | Dee.
| 7 et
7
Die Bekämpfung kann nur in dem rechtzeitigen Abschneiden
und Verbrennen der befallenen Aeste vor dem Juni des Flugjahres
bestehen, und muss mehrere Jahre hindurch fortgesetzt werden, wenn
sie durchschlagend wirken soll. In Südfrankreich hält man nur das
Entfernen der eben erst welkenden Zweige für rationell, weil bei
späterem Abschneiden auch viele mit einem, vorläufig nicht näher
bestimmten, Ichneumoniden besetzte Larven getödtet werden, und man
also auch viele nützliche T'hiere vernichtet.
Dieser Frass ist zuerst aus Südfrankreich durch ABEILLE DE PERRIN, CHAMPENOIS
und Prrrıs [I8, S. 140—144] Ende der Sechzigerjahre genau geschildert worden.
Der erste Forstmann, welcher den Schader würdigte, war TuIkrar, „conservateur
des for&ts’”’ zu Nimes. Auf seine Veranlassung studirten REGIMBEAT, „inspeeteur des
ur
Forstschädliche Buprestiden. Elateriden im Allgemeinen. 325
for&ts’”’ zu Nimes und pE TriGomAın, „sousinspecteur des forets” zu Uzes die
Lebensweise des zweibindigen Eicheuprachtkäfers und legten ihre genauen, durch
viele Abbildungen erläuterten Beobachtungen 1876 und 1877 in Bd. XV und
XVI der „Revue des Eaux et For@ts” nieder. Der Hauptschaden geschieht hier
in den in kurzem Umtriebe bewirthschafteten Steineichen-Niederwaldungen, und
es werden namertlich die 20—25jährigen, dicht vor dem Abtriebe stehenden
Bestände angegriffen. In Deutschland, wo der Käfer im Allgemeinen recht selten
ist, trat er zuerst 1877 in dem Forstbezirke Colmar im Elsass in den Eichen-
schälwaldungen auf, und wurde darüber zuerst von Aurum [4,] berichtet.
Die zweite der Familien, in welche die Sternoxi des LATREILLE neuer-
dings getheilt werden, sind die forstlich unwichtigen Eucnemidae, welche
zwischen den Buprestiden und Elateriden die Mitte haltend jenen in Form
und Lebensweise der Larven, diesen als Imagines ungemein nahe stehen.
Sie weichen von beiden aber doch dadurch ab, dass wenigstens bei den
typischen Gruppen die Fühler auf der Stirn eingelenkt sind und das Spring-
vermögen meist mangelt. Von diesen gewöhnlich dunkelfarbigen, lichtscheuen,
nächtlichen Thieren ist der auch noch mit schwachem Sprungvermögen begabte
Trixagus (Throscus Late.) dermestoides L., ein 3—4 mm langes, röthlichbraunes
Käferchen, mit anliegender, feiner seidenglänzender Behaarung am häufigsten.
Die Larve von Melasis buprestoides L. wurde von NÖRDLINGER in einem starken
Schwarzerlenstocke und dessen 10 cm starkem Ausschlage, der im Begriffe stand,
in Folge dieses Angriffes einzugehen, angetroffen [XXIV, S. 6 und 7]. Auch in
Eichen, Buchen und Birken ist sie gefunden worden. Da die Larvengänge hori-
zontal im Stamm verlaufen, springt angegangenes Holz beim Spalten in dieser
Richtung. Der Käfer selbst ist schwarz, S-9 mm lang und nahe verwandt mit
dem ähnlich lebenden und gleichfalls schwarzen Tharops melasoides Lar.
Allgemeines über die Elateriden. Die einfarbigen oder nur
einfach gezeichneten, schwarz, braun, gelb oder roth gefärbten Käfer
haben einen oft in das Halsschild eingesenkten, gerade vorgestreckten
oder mehr weniger geneigten, niemals wie bei den
Buprestiden senkrecht gestellten Kopf, mit mässig
grossen, rundlichen Augen. Die elf- oder zwölfgliedri-
gen, gewöhnlich einfach gesägten, mitunter gekämmten
Fühler sind vor den Augen unter dem leistenartig
vortretenden Seitenrande des Kopfes eingefügt. Die p;,, 119. Elater san-
Mundtheile sind gut ausgebildet, die Oberlippe deut- guineus L. von oben
lich entwickelt, die Vorderkiefer zweispitzig, die Mittel- gesehen,
kiefer mit zwei Laden und viergliedrigen Tastern, die
Hinterkiefertaster dreigliedrig. Das Halsschild ist zur Aufnahme starker
Muskulatur polsterartig gewölbt und seine Hinterecken in zwei mehr
weniger lange, nach hinten gerichtete Spitzen ausgezogen (Fig. 119 und
Fig. 120a). Seine Unterseite ist vorn oft zu einer etwas nach unten ge-
bogenen, die Mundwerkzeuge verdeckenden Platte(Fig. 120 b) ausgebildet
und verlängert sich nach hinten in den Bruststachel (Fig. 120 ec), der in
eine vor den Mittelhüften liegende Vertiefung der Mittelbrust (Fig. 120 d)
frei versenkt werden kann. Die Beine sind einfach gebaut, mit linearen
Schienen, Vorder- und Mittelhüften kugelig, Hinterhüften lang querge-
zogen. Das Schildchen ist deutlich, die Flügeldecken langgestreckt, an der
Basis etwas aufgetrieben, vorn bauchwärts umgeschlagen ni punktstreifig.
Auf der starken Muskulatur der Biorderhinse dem Bruststachel
und der Brustgrube, sowie der freien Beweglichkeit des Halsschildes
326 Kap. IX. Die Käfer.
gegen den übrigen Körper beruht das wichtigste biologische Merkmal
der Elateriden, die Fähigkeit der sich bei Berührung todt stellenden
Käfer, aus der Rückenlage ziemlich hoch emporzuschnellen, wobei
sie dann gewöhnlich wieder auf die Beine kommen. Als Vorbereitung
zu dem Sprunge biegen sie den Prothorax soweit nach der Rücken-
fläche des Körpers zurück, dass seine Achse einen stumpfen Winkel
mit der Achse des übrigen Körpers bildet und der Käfer hohl zu
liegen kommt (Fig. 120 B); hierbei wird die Spitze des Bruststachels
(c) fest an den Vorderrand der Brustgrube (d) angestemmt und wirkt
gewissermassen als Stellholz. Indem nun das Thier mit starker Muskel-
anstrengung plötzlich den Bruststachel wieder in die Brustgrube zu-
rückscehnappen lässt, schnellt die Vorderbrust nach der Bauchseite vor
(Fig. 120 C'), der aufgetriebene Basaltheil der Flügeldecken schlägt mit
bedeutender Kraft auf die Unterlage in der Richtung des Pfeiles I und
der Rückstoss treibt den Körper in der Richtung des Pfeiles II empor.
Fig. 120. Elater (Corymbites) aeneusL. A von der Bauchseite.e B im Profil
in der Stellung vor dem Sprunge, den Bruststachel am Rande der Brustgrube
angestemmt. (€ im Profil im Anfange des Sprunges. a Ecken des Halsschildes,
b vordere Verlängerung der Vorderbrust, c Bruststachel, d Brustgrube. Pfeil I
Richtung des Stosses, Pfeil II Richtung des Rückstosses.
Man findet die Käfer im Sommer auf Blumen, unter Rinden und
Steinen. Ihre Flugzeit fällt nach Beume [Il, 6, S. 197] entweder in
das Frühjahr oder in den Sommeranfang. Die im Frübjahre fliegenden
Arten, zu denen sämmtliche bis jetzt bekannte Forstschädlinge gehören,
sind bereits im vorigen Herbst aus der Puppenhülle geschlüpft und
haben als Käfer überwintert; die erst im Anfang des Sommers
fliegenden haben ihre, übrigens bei allen einheimischen Elateriden drei
Wochen dauernde Puppenruhe im April, Mai oder Juni durchgemacht,
Die im Boden oder morschem, faulem Helze lebenden Larven
(Fig. 121),in der Praxis „Drahtwürmer’ genannt, ähneln bei oberfläch-
licher Betrachtung in ihrer allgemeinen Körpergestalt, in der Färbung
und Consistenz ihres Chitinpanzers ziemlich den bekannten Mehl-
würmern, unterscheiden sich aber von ihnen sofort durch den ab-
eplatteten Kopf mit gezähntem Vorderrande. Sie haben kurze drei-
gliedrige Fühler, drei Paar kurze, robuste Beine, einen sparsam be-
haarten Hinterleib und an der Unterseite des letzten Hinterleibsgliedes
eine zapfenförmig vorragende Afterröhre. Sie treten in zwei Haupt-
nA TE
Allgemeines über Elateriden. 327
formen auf. Die einen sind etwas abgeplattet mit gleichfalls abgeplattetem
und nach hinten abgeschrägtem letzten Hinterleibs- oder Aftergliede,
welches am Ende gewöhnlich einen tiefen, von zwei kurzen Spitzen be-
grenzten Ausschnitt zeigt. Seitenränder und Spitzen des letzten Hinterleibs-
gliedes meist gezähnt (Fig. 121 A). Die anderen sind drehrund mit gleich-
falls drehrundem, kegelförmig zugespitztem Aftergliede (Fig. 121. B).
Weitere Unterschiede zwischen den Tenebrioniden- und Elateridenlarven
sind folgende: Bei den Tenebrionidenlarven hat der gewölbte Kopf einen ge-
raden Vorderrand mit Epistom und Oberlippe. Mittel- und Hinterkiefer sind an
ihrem Stammtheile nicht verwachsen; Mittelkiefer mit einfacher Lade. Der einge-
drückte Kopf der Elateridenlarven hat dageren weder deutliches Epistom, noch
Oberlippe. Mittel- und Hinterkiefer sind in ihren Stammtheilen verwachsen, der
Mittelkiefer mit zwei Laden, von denen die äussere einen zweigliedrigen Taster
darstellt, die innere sehr klein ist. Abweichende Formen sind die Larven der
Agrypnini, welche auch an der After-
röhre gebogene Zähne haben, sowie
die weichhäutigen, langgestreckten,
auch im Bau ihrer Mundtheile eine
völlige Sonderstellung einnehmenden
Cardiophorus-Larven.
Die Elateridenlarven sind
Allesfresser, welche sich sowohl
von Humus und morschen Holz-
theilen nähren können, als auch
thierische Kost und pflanzliche
Substanz zu sich nehmen, nament-
lich im Boden liegende Sämereien
und Pflanzenwurzeln angehen.
Ueber die Dauer der Generation,
die übrigens wahrscheinlich mehr- 4. B.
Jährig ist, liegen noch keine siche- Fig. 121. Elateridenlarven. « von dem
5 : ück b von der Seite gesehen.
ren Nachweise vor. BELING ist ge- Rücken, i
8 A von Lacon murinus L. B von Elater
neigt, die Generation der meisten (Agriotes) lineatus L.
Formen als dreijährig anzusehen. A a nach Scnöpre [I6, Pars IV, Taf. VI,
UntersolcherVoraussetzung würde Fig. 2].
sich dieselbe für die zahlreichen A b und B Original.
Formen mit Frühjahrsflugzeit graphisch folgendermassen darstellen lassen.
| Jan. |Febr. | März | April| Mai | Juni | Juli | Aug. | Sept. | Oct. | Nov. | Dec.
l \
1880 | N re Be ET ee ee a I Be
1831 ------------------------ -—
| en
| 9 ade nun let
1885 Me ee euer
PER eeı
[0 o)
Kap. IX. Die Käfer.
Die deutschen und europäischen Elateriden zerfallen in zwei
Unterfamilien, die Agrypnini und die Elaterini, welche sich dadurch
unterscheiden, dass bei ersteren die Fübler in tiefe, spaltenförmige,
auf der Unterseite des Prothorax eingeschnittene Furchen eingeschlagen
werden können, während bei den eigentlichen Elaterini diese Fühler-
furchen fehlen. Wir fassen alle eigentlichen Elaterini in die Gattung
Elater zusammen, die engeren Gattungen als Untergattungen behandelnd.
Die forstschädlichen Elateriden. Die forstlich vorläufig ernst-
licher in Frage kommenden Schnellkäfer sind von den Agrypnini
Lacon murinus L., von den Elaterini Elater subfuscus MürL., E. aeneus
L., E. lineatus L. und E. marginatus L.
Die Gattung Lacon ist von den wenigen übrigen einheimischen engeren
Gattungen der Agrypninen dadurch unterschieden, dass bei ihr die Fühlerfurchen
nicht bis an die Hüften der Vorderbeine reichen.
L. murinus L. Käfer. Dieser einzige, aber gemeine Vertreter der Gattung
in Deutschland ist ziemlich breit, flach gewölbt und allenthalben mit dicht anlie-
gender, grau und hellbraun oder weiss marmorirter Behaarung bedeckt. Länge
11—16 mm.
Die La»ve (Fig. 121. A) gehört zu den abgeplatteten Formen (vergl. S. 326)
mit gezähntem und ausgeschnittenem letzten Hinterleibssegmente. Sie ist ziemlich
gross, bis 26 mm lang, und von allen mit ihr verwechselbaren Verwandten durch
den spitzwinkeligen Grund des Ausschnittes unterschieden.
Die Gattung Elater begreift nach unserer Zusammenfassung die gesammten,
nicht zu den Agrypninen gehörigen Schnellkäferformen. Sie wird in eine grössere
Anzahl von Untergattungen zerlegt, von denen wir nur vier näher in Betracht
zu ziehen haben, nämlich Athous EscascH, Corymbites Larrk., Agriotes
EscascH., Dolopius Escuscn. Sie gehören sämmtlich zu denjenigen mit ein-
fachen ungezähbnelten Fussklauen und nach aussen allmählich verschmälerten
Hinterhüften, welche hier, weil sie zum Theil den angezogenen Schenkelring und
Schenkel zu verdecken im Stande sind, Schenkeldecken genannt werden. Sie
lassen sich durch folgende Kennzeichen unterscheiden:
Stirn mit deutlicher Quer-
kante, Tarsen stets theil-
Stirn und Oberlippe wenig | weise erweitert -. -. ©. 2 2 2... .Athous
geneigt, die Mundöffnung
daher vorn am Kopfe. Stirn ohne deutliche Quer-
kante, die schmalen Schen-
keldecken nicht gezähnt . . . „.Corymbites.
Stirn und Oberlippe auf [ Seitenrandlinie des Hals-
die untere Fläche des | schildes auf die Unterseite
Kopfes heruntergebogen, | herabgezogen . . . 2». 20.2... Agriotes.
Querkante der Stirn undeut-
lich, daher Oberlippe nicht | Seitenrandlinie auf der
scharf von der Stirn ab- [| scharfen Seitenkante des
gesetzt. Halsschildes hinlaufend . . » . . Dolopius.
Die Larven von Athous und Corymbites gehören zu den abgeflachten
Formen mit ausgeschnittenem und gezähntem Hinterleibsende, die von Agriotes
und Dolopius zu den drebrunden.
Elater (Athous) subfuscus Mürr. Käfer ziemlich langgestreckt, heller
oder dunkler bräunlichgelb, der Kopf, das Halsschild mit Ausnahme der Ränder,
die Brust und die Basis des Hinterleibes schwärzlich oder rehbraun. Halsschild
breiter als lang, mit kurzen, nach hinten ein wenig hervortretenden Hinterecken,
ohne Kiel. Flügeldecken punktstreifig, in den Zwischenräumen fein, aber deutlich
u
vorn aufhörender Mittelfurche und stark
Die forstschädlichen Elateriden. 329
punktirt. Die Tarsalglieder vom ersten an an Breite abn:hmend, das vierte
ungefähr ebenso lang als das dritte. Länge 7—10 mm.
Larve. Larve mässig abgeplattet, biconvex, stark glänzend, gleichmässig
bräunlichgelb, mit dunklerem Kopf und Prothorax. Afterglied (Fig. 122 a) etwa
um ein Viertel länger als breit, an den Seiten wulstig gerandet und hier jeder-
seits mit vier kurzen, stumpfen, zahnartigen, nach hinten an Grösse bis zum
vorletzten zunehmenden Höckern. Die Oberseite des Aftergliedes polsterförmig
gewölbt mit kurzer Mittelfurche. Ausschnitt klein, an der Basis gerundet, am
Hinterende eckig und fast ganz geschlossen. Die beiden Spitzen zweizahnig,
der äussere Zahn lang, spitz und aufwärts gerichtet, der innere kurz und dick.
Länge bis 18 mm bei 2 mm Breite [Il«, S. 289].
E. (Corymbites) aeneus L. Käfer. Ziemlich breit, flach gewölbt, glatt
und glänzend metallisch in verschiedenen Nuancen. Fühler vom vierten Gliede
an schwach gesägt, Halsschild ungefähr
ebenso lang als breit, mit flacher, nach
gekielten Hinterecken, mässig punktirt.
Die Flügeldecken fein punktirt gestreift,
mit flachen, sehr fein punktirten Zwischen-
räumen. Beine dunkel metallisch oder
roth. Länge 11—16 mm. Sehr gemein.
Larve. Weniger abgeplattet, blass
bräunlichgelb, an den beiden Enden
etwas dunkler, Afterglied (Fig. 1225)
ebenso lang als breit, mit leistenförmig
erhabenem Rande, der aussen jederseits
drei kleine, flache, stumpfe Höcker trägt
und eine polsterförmig gewölbte, unregel-
mässig gerunzelte, mit vier nach hinten
eonvergirenden Längsfurchen gezeichnete
Oberfläche einschliesst. Ausschnitt doppelt
so breit als lang, an der Basis sehr flach ö
gerundet, nach hinten gar nicht verenst, Bio! 1930 Die, Atterelieder
die denselben begrenzenden Spitzen mit = A =
zwei kurzen, dicken, schwarzbraunen
Zähnen. Länge bis 23 mm bei 3:3 mm
Breite [Ifa, S. 281].
einiger
Elateridenlarven, und zwar von:
a Elater (Athous) subfuscus MüÜrr.;
b E. (Corymbites) aeneus L.;
a - : . (Agriotes) lineatus L.;
E. (Agriotes) lineatus L. (segetis 4 E. See L:
BiERK.) Käfer greis behaart. Fühler, Füsse 4 5 nach Scuröpre [16, Pars V
und Flügeldecken gelbroth, letztere mit a =: 13 und Taf X Fio 3 3
abwechselnd dunkleren und helleren Be en 3];
: E: 3 ce und d nach der Natur; d nach einem
Zwischenräumen zwischen den regel- Bere schenOrieinalexenalar
mässigen Punktreihen. Unterseite und nt a ee
Halsschild dunkelbraun, letzteres ebenso
breit als lang, kissenaıtig gewölbt und an den Vorderecken stark herabgebogen,
dicht punktirt. Flügeldecken vorn nur wenig breiter als das Halsschild, in der
Mitte am breitesten. Länge 9 mm. Sehr gemein.
Larve. Drehrund, schlank, blass bräunlichgelb (Fig. 121 5). Afterglied
(Fig. 122c) ziemlich lang, schwach behaart, kegelförmig zugespitzt, in einen
schwarzbraunen kurzen Stachel ausgehend, nur in der Mitte etwas erweitert. An
seinem Vorderrande jederseits ein tiefdunkel umrahmter, runder Eindruck, von
Beuing als Luftloch bezeichnet. Afterröhre in einem von dem vorderen Bauchtheile
des Aftergliedes durch eine erhabene, bogenförmige Leiste abgegrenzten Felde
stehend. Länge bis 20 mm, Durchmesser 2 mm [ll, a, S. 138].
E. (Dolopius) marginatus. L. Käfer langgestreckt, flach, spärlich greis
behaart, bräunlich rostroth, am Grunde der Fühler, am Saume des Halsschildes
und in einem breiten Längsstreifen auf der Mitte jeder Flügeldecke heller ge-
zeichnet, so dass ein dunklerer Nahtstreif und jederseits ein dunklerer Randschatten
entsteht. Beine gleichfalls heller. Länge 4 mm. Sehr gemein.
22
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde, au
350 Kap. IX. Die Käfer.
Larve. Drehrund schlank, bräunlichgelb, glänzend fein und dicht punktirt.
Afterglied (Fig. 122 d) ziemlich lang, fast vollständig kegelförmig, nur etwas in der
Mitte erweitert, am hinteren Ende mit mehreren Reihen kleiner, gebräunter, je ein
Haar tragender Warzen umgeben, von denen die zwei an der Spitze einander
stark genäherten und eine etwas weiter nach vorn gerückte besonders deutlich.
Ende des Aftergliedes in eine kleine braune Stachelspitze ausgezogen. Länge
bis 15mm bei 1’6 mm Durschmesser [Il, a, S. 143].
Forstliche Bedeutung der Elateriden. Die bis jetzt bekannt
gewordenen, durch Schnellkäfer verursachten forstlichen Schäden sind
zunächst in den Käferfrass und den Larvenfrass einzutheilen.
Die Käfer sollen mitunter junge Laub- und Nadelholztriebe
derartig benagt haben, dass diese abstarben oder umknickten, und
junge Pflänzchen am Wurzelknoten abgebissen haben. Irgend welche
bedeutendere Beschädigung dieser Art ist aber nicht bekannt geworden.
Schon RArzesurG [V, Bd.I, Nachtrag S. 7] berichtet über das Benagen von
Rosenstengeln und Pfropfreisern durch Lacon murinus und Hryrowsky [I] beob-
achtete 1863 in Böhmen, dass dieser Käfer „im Juni und Juli jung> Triebe von
Eichen durchfrass, so dass sie vollkommen abtrockneten”. Am oben angeführten
Orte wird ferner von RArzEBURG nach den Mittheilungen von SAxEsEN und
BOoRKHAUSEN ein Frass von E. tesselatus an den Haupttrieben vier- bis sechsjähriger
Fichten berichtet, in Folge dessen Saftausfluss und gelblicher Ueberzug der Triebe
auf eine Ausdehnung von ungefähr 50 cm eintrat. Dieselben knickten nun leicht
ab. Da der Name des Autors nicht angegeben ist, lässt sich nicht entscheiden,
welche von den beiden häufigen Arten, E. (Corymbites) sjaelandicus Mürr. —
C. tesselatus FABRr. oder der jetzt C. tesselatus L. genannte (. holosericeus
Orıv. gemeint ist. Auch von E. (Corymbites) castaneus L. wird nach SAXESEN
angegeben, dass er sich in „Knospen’” einfrässe. Die Bemerkung, dass auch junge
Pflänzehen über dem Wurzelknoten in der Erde von Schnellkäfern abgefressen
würden, beruht auf der vorläufig vereinzelten Mittheilung von Brume [I2] welchem
eine grössere Anzahl von zweijährigen, in Büscheln gepflanzten Kiefern in dieser
Weise von E. marginatus L. vernichtet worden sind.
Bei weitem wichtiger sind die Schäden, welche die Elateriden-
larven anrichten. Zunächst fressen sie in Saaten und Saatkämpen
ie keimenden Samen an oder aus. Dieser Frass ist an Eicheln,
Bucheln, Ahorn- und Hainbuchensamen, sowie an den verschiedensten
Nadelholzsämereien mehrfach in so ausgedehntem Massstabe aufgetreten,
dass der ganze Anbau in Frage gestellt oder vernichtet wurde. Ferner
ist mehrmals ein starker Frass an den Wurzeln und den unterirdischen
Stammtheilen junger Nadelhölzer und älterer Laubhölzer beobachtet
worden. Achnlicher Schaden ist ferner seit langer Zeit an den
Wurzeln von Feld- und Gartenfrüchten, namentlich an den Wurzeln
des Getreides bekannt, und es sind als Schädlinge die Larven der
oben näher charakterisirten vier Elaterenarten sicher nachgewiesen.
Es dürften dies aber durchaus nicht die einzigen so thätigen 'Thiere
sein, und es empfiehlt sich, zur Erweiterung unserer Kenntnisse in
jedem neuen Falle die Schädlinge zur Bestimmung an einen Fachmann
einzusenden.
Unsere Mittel zur Abwehr solcher Schäden sind augenblicklich
noch sehr gering, und man kann ihnen nur dadurch vorbeugen, dass
man an solchen Stellen, an denen bei der Bodenbearbeitung sich
eine grössere Menge von Drahtwürmern zeigt, entweder die beab-
Die forstliche Bedeutung der Elateriden. 351
sichtigte Kultur vorläufig aufgibt, oder aber die Drahtwürmer
sammeln lässt oder sie dadurch vernichtet, dass man den Rasen,
zwischen dessen Wurzeln sie sich ursprünglich aufhalten, verbrennt
und erst dann untergräbt. Von landwirthschaftlicher Seite [XX, II, S.
61] wird empfohlen, Oel- und Rapskuchen in haselnussgrossen Stücken
in den Boden zu bringen, weil diese die Drahtwürmer anlocken,
zugleich aber auch vernichten sollen. (?)
Ueber Samenbeschädigungen durch Elateridenlarven berichtet zuerst Tu.
Harrıc [14], welcher angibt, dass „Springkäferlarven” sich in einer Ahornsaat
besonders häufig in das Innere des keimenden Samens einfrassen.
Genauere Angaben macht zuerst Wıssmann in einem Briefe an RATZEBURG
[XV,II,S.358]. Es handelt sich hier um die 1860 mehrfach beobachtete Vernichtung
keimender Bucheln, in welche sich die Larven von der Spitze her einfrassen.
Ohne sicheren Beweis wird als Thäter die Larve von E. subfuscus Mürr. an-
gesehen, eine Vermuthung, die uns aber um so wahrscheinlicher ist, als in der
Tharander Sammlung eine Buchel unbekannten Ursprunges mit eingebohrter Larve
vorhanden ist, welehe mit Sicherheit so bestimmt werden kann. Ueber ähnliche
Schäden, welehe dureh Förster MüLLer im Revier Torfhaus im Harze an einer
Buchenplätzesaat 1876 beobachtet wurden, berichtet ferner Arrum [3, 8. 76].
Grössere Zerstörungen an Eichelsaaten erlitt 1876 Oberförster MÜLLER
zu Uslar [2 und 3, S. 76]. Die Cotyledonen waren stark von den Larven durch-
bohrt, die Keime dagegen anfänglich unversehrt. Die
Larve von E. lineatus L. war hier die Tohäterin. G
Der Kamptheil, in welchem die Larven frassen, wurde
völlig vernichtet. Ein grösserer Frass an Saateicheln
aufeiner eirca 3 ha grossen Fläche wurde durch Revier-
törster DiETZE 1882 auf dem Forstrevier Burgaue bei
Leipzig beobachtet. Hier waren wesentlich nur die
Cotyledonen (Fig. 123) angegangen, und es entwickelten fig. 123. Eichel mit zwei
sich einige in Tharand in Töpfe eingelegte, oft von in den einen Samenlappen
mehreren Larven angegangene Eicheln noch ganz eingefressenen Larven von
normal. Auch die Saat selbst hat sich, wie wir uns Fjater subfuscus Mürr.
im Sommer 1886 überzeugen konnten, nach einigen
Nachbesserungen ziemlich gut entwickelt. Nach der Bestimmung von NITSCHE
waren an dem Frasse betheiligt die Larven von Lacon murinus L., Elater
subfuscus Mürr., E. aeneus L. und E. lineatus L.
Im Frühjahr 1876 fand Bruing [9, S. 95] mehrfach Larven von E. sub-
fuscus Mürr, in Mittelwaldbeständen unter der Laubdecke des Bodens mit dem
Kopfe tief innerhalb der hornigen, klaffenden Hülle ksimender Hainbuchen-
samen stecken, mit der Zernagung des Samenkorns beschäftigt. In einem Ge-
fässe mit Walderde unterhaltene Larven zernagten Bucheln, Eicheln und
Haselnüsse.
Den bedeutendsten Schaden, den wir kennen, haben Elaterenlarven an
Nadelholzsamen angerichtet. Von der Herrschaft Nassenfuss in Krain berichtet
Jupeıcah |[I0, S. 312) nach brieflicher Mittheilung des Besitzers, Baron v. Brrs,
Folgendes: In einem mit 5°5%y angekeimten Nadelholzsamen — Fichte, Tanne,
Schwarzkiefer und Lärche — im April 1879 besäten Saatkamp wurden sämmt-
liche Samen von einer Agriotes-Larve ausgefressen. In Mai wurde die, Fläche
umgestochen, abermals mit der gleichen Menge Samen besät, und wurden die
Rillen mit verdünnter Carbollösung begossen. Nach 14 Tagen war aber
abermals sämmtlicher Samen ausgefressen, so dass die Erziehung von Pflanzen
auf dieser Fläche aufgegeben werden musste. Einige in einem Glase mit Erde
eingesperrte Larven frassen eingestreuten Nadelholzsamen in vier Tagen voll-
ständig aus.
Die ersten Angaben über die Beschädigung junger Holzpflanzen durch
Elateridenlarven rühren von Th. Harrıc her, welcher die Thatsache beiläufig bei
Gelegenheit der obenerwähnten Brum’schen Beobachtung vorbringt. Auch hierbei
22*
992 Kap. IX. Die Käfer.
soll E. marginatus L. der Thäter gewesen sein. 1874 beobachtete dann nach
Arıum |I] Bünte auf der Oberförsterei Falkenhayn bei Spandau den Frass von
Elaterenlarven an den Thauwurzeln und bis 7 mm starken Pfahlwurzeln junger
Akazienpflanzen. An letzteren war die Rinde völlig unterhöhlt. Die Thäter waren
nicht sicher zu bestimmende Elateridenlarven mit ausgeschnittenem Aftergliede
[3, S. 80]. Ferner sind Aurum [5, S. 78] Beschädigungen von einjährigen Fichten-
pflänzchen aus Spiegelsberge bei Bielefeld und an Kiefernpflänzchen aus Lietze-
görke, Regierungsbezirk Frankfurt a. d. Oder, bekannt geworden. In beiden
Fällen waren meist die Thauwurzeln ab- und auch die Pfahlwurzel durch-
gefressen. Aus den Thätern wurde E. marginatus L. und E. aeneus L. er-
zogen. Auch in Schöneiche in Schlesien beobachtete Oberförster Gupovius einen
ähnlichen Frass an einjährigen Kiefern [13]. Bauniscn [8, S. 313] berichtet, dass
er am 10. Mai 1884 in einem Besamungsschlage im Odergebirge m Mähren
30 bis 40 Procent der aufgegangenen Tannensämlinge von einer Elateriden-
larve unmittelbar unter der Bodenoberfläche abgebissen gefunden und die Larve
in vielen Fällen bei der Arbeit beobachtet habe. Aus dem häufigen Vorkommen
von Elater (Athous) niger L. und E. (Agriotes) aterrimus L. in der
genannten Oertlichkeit schliesst er, dass die Schädlinge die Larven dieser beiden
Arten gewesen seien.
Literaturnachweise zu dem Abschnitte die Pracht- und
Schnellkäfer. — I, Arrum, Elaterenlarven. Zeitschr. f. Forst- und
Jagdw. Bd. VII, 1875, 8. 369. — 2. Derselbe. Elaterenfrass an
Saateicheln. Daselbst Bd. VIII, 1876, S. 498. — 3. Derselbe. Die
forstschädlichen Elateren. Daselbst. Bd. X, 1879, S. 73—81. — 4. Der-
selbe. Der zweibindige Prachtkäfer Buprestis bifasciata OL. (ein
neuer Eichenfeind). Daselbst Bd. XI, 1879, S. 145—151. Mit Ab-
bildung. — 9. Derselbe. Zwei Eichenheister-Prachtkäfer, Buprestis
(Agrilus) tenuis und coryli. Daselbst Bd. XI, 1879, 8. 365—371.
Mit Abbildungen. — 6. Derselbe. Buprestis (Chrysobothrys) affınis
Far. Daselbst. (Ein neuer Eichenfeind.) Bd. XII, 1880, 8. 35 bis
41. — 7. Derselbe. Der Linden-Prachtkäfer Buprestis (Lampra)
rutilans Fasr. Daselbst. Bd. XII, 1880, S. 99—101. — 8. Bauniscn, F.
Die Elaterlarve als Tannenschädling, Centralblatt f. d. ges. Forstwesen.
X. Jahrg., 1884, 8..312 und 313. — 9. Beumg. Ueber Elateriden-
frass. Tharand. forstl. Jahrbuch. Bd. XXVIIL, 1878, 8. 93—95. —
I0. Derselbe. Ueber Schnellkäferlarven. Daselbst. Bd. XXIX, 1879,
S. 305—312 mit Anmerkung von Jupeıcah. — Il. Berinc, Th. Beitrag
zur Metamorphose der Käferfamilie der Elateriden. Deutsche entomolo-
gische Zeitschrift a) Bd. XXVI, 1883, S. 129—144, 8. 257—304, b)
Bd. XXVIII, 1884, 8. 177—216. — 12. Brume, in Verhandlungen des
Hils-Solling-Forstvereines, Jahrg. 1858, S. 36 und 37. — 13. Ba. (Borc-
GrevE). Abermaliser Frass von Elateriden-(Springkäfer-)Larven auf
Kiefernsaatbeeten. Forstliche Blätter, XV. Jahrg., 1878, S. 319 und
320. — 14. Harrıc, Th. Das Insektenleben im Boden der Saat- und
Pflanzkämpe. Kritische Blätter für Forst- und Jagdwiss. Bd. XLII,
Heft I, S. 146. — 15. Heyrowsky, in Vereinsschr. f. Forst-, Jagd- u.
Naturkunde, herausgeg. v. d. Verein böhmischer Forstwirthe 1864, Heft IL,
S. 73. — 16. Scmöpte, J. C. De Metamorphosi Eleutheratorum Ob-
servationes. Kopenhagen 1861—1872, Vol. I. Pars IV und V. Mit zu-
sammen 10 Tfln. — 17. Schreiwer. Ueber das Vorkommen zweier ge-
FR"
Literaturnachweise. Die Weichkäfer und ihr Schaden. 3585
fährlichen Buprestiden (Chrysobothrys Solieri Lap. und Phaenops eyanea F..,
in der gemeinen Kiefer. Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen. Bd. XIV)
1882, 8. 52. — I8. Perrıs, E. Histoire des Insectes du Pin maritime.
Troisieme Suite. Annales de la societ& entomologique de France 1854,
ser. 3, Bd. II, p. 84-160, Til. 4 und 5. — 19. Derselbe. Larves
des Col&opteres. 8. Paris 1877.
Die forstschädlichen Käfer aus den übrigen Familien der
Pentameren und der Heteromeren.
Merklich forstschädliche Insekten umfassen ausser den soeben aus-
führlicher behandelten Familien der Pentameren noch die Malacodermata,
Lymexylonidae und Anobiidae, sowie unter den Heteromeren die Meloidae.
Die Weichkäfer, Malacodermata, sind, wie schon der Name
besagt, besonders durch die wenig feste Chitinbedeckung ausgezeichnet.
Allgemein bekannt sind die um die Sommersonnenwende fliegenden
Leuchtkäfer, unter denen Lampyris (Lamprorhiza) splendidula L.
die bei uns verbreitetste Art ist, und die im Frühjahre häufigen
„Schneider”’, zu der Gattung Cantharis L. gehörig. Von einigen ge-
meinsten Arten von Cantharis hat man beobachtet, dass sie im Früh-
jahre die Triebe junger Eichen unter der Spitze angenagt und ausgesogen
haben, worauf der oberhalb der Verwundung gelegene Theil welkte und
leicht abbrach. Cantharis fusca L., C. obscura L. und vielleicht auch
C. rustica Farr. haben in einzelnen Fällen so geschadet, sind also
wirthschaftlich auf die gleiche Stufe zu stellen mit den Imagines einiger
Elateriden (vergl. S. 330).
Beschreibung. Die Malacodermata, auch Cantharidae genannt, sind
ziemlich langgestreckte, weiche, biegsame Käfer mit lederartiger Bedeckung. Sie
haben zehn- bis elfgliedrige, faden- oder borstenförmige, gesägte oder gekämmte,
an der Stirn eingefügte Fühler, viergliedrige Mittel- und dreigliedrige Hinter-
kiefertaster und gewöhnlich ganzrandige Augen. Die Vorder- und Mittelhüften
ragen walzenförmig vor, die vorderen haben einen Anhang, die Hinterhüften sind
erweitert, die Schenkel sind an der Seite des Schenkelringes befestigt und die
Schienen meist ohne Enddornen. Die @ einiger Arten sind ungeflügelt. Ihre frei
lebenden Larven sind sämmtlich Fleischfresser und scheinen sich vielfach von
Schnecken zu nähren.
Die Vertreter der einzigen hier zu erwähnenden Unterfamilie, der Cantha-
rini, haben im Gegensatz zu den Leuchtkäfern, deren Kopf fast vollständig unter
dem Halsschilde verborgen ist, einen freien Kopf, eine nicht deutlich entwickelte
Oberlippe, gerundete, nicht zusammengedrückte Beine. Das vierte Tarsalglied ist
zweilappig und der Hinterleib siebengliedrig.
In der Gattung Cantharis L. sind die Käfer erkennbar an den vor den
Augen auf der Stirn voneinander entfernt eingefügten Fühlern, dem beilförmigen
Endgliede der Taster, dem quer viereekigen, an den Vorderecken abgerundeten
Halsschild, den langgestreckten, abgeflachten Flügeldecken mit parallelen Rändern,
die den ganzen Hinterleib bedecken, und den einfachen oder an der Wurzel
334 Kap. IX. Die Käfer.
zahnförmig erweiterten Fussklauen. Bei den in Frage kommenden Arten isi
letzteres nur an der äusseren Klaue der Fall.
Die Larven treten mitunter in riesiger Menge auf dem Schnee auf, heissen
im Volksmunde „Schneewürmer” und sind häufig im Verdacht gewesen, vom
Himmel gefallen zu sein.
C. obscura L., der Eiehenweichkäfer, ist schwarz, sparsam und kurz
grau behaart, nur die Seitenränder des Halsschildes, die beiden Wurzelglieder
der Fühler und die Seitenränder der Bauchriage gelbgesäumt. Länge 9—13 mm.
C. fusca L., gleichfalls schwarz, nur die Vorderhälfte des Kopfes, die
Fühlerwurzeln, das Halsschild, mit Ausnahme eines schwarzen Fleckes am Vorder-
rande, und die Seitenränder des Hinterleibes gelbroth. Länge 11—15 mnı.
C. rustica FArr. ist der vorigen Art sehr ähnlich, aber der schwarze Fleck
nimmt die Mitte des Halsschildes ein, und wenigstens die Schenkelbasis der
Vorderbeine ist roth. Länge 10 bis 14 mm.
Forstliche Bedeutung. Die von diesen Thieren angerichteten Schäden
sind zuerst von RATZEBURG auf die Autorität einiger Beobachter in den Rhein-
landen hin bekannt gemacht worden. Anfangs der Fünfzigerjahre wurden von
KöLEer und ScHröper in der Oberförsterei Hürtsen, Regierungsbezirk Aachen, in
fünf- bis achtjährigem Eichenschälwalde C. obscura L. in ungeheurer Menge
an den jungen Trieben der Stockausschläge gefunden. Diese wurden unter-
halb der Spitze angenagt, bis sie umknickten. Die Nagestelle wurde sofort,
später auch der ganze Trieb schwarz |19]. Eine ähnliche Beschädigung, aber an
verschulten, fünf- bis fünfzehnjährigen, stämmigen Eichenheistern, beobachtete
Ende Mai, Anfang Juni im Jahre 1861 Bor@erevE in der Oberförsterei Tronecken,
Regierungsbezirk Trier. Auch hier war C. obscura L. die Hauptthäterin und die
beiden anderen Arten nahmen nur in geringem Masse an der Beschädigung
theil [18]. Zusammengestellt hat RAarzesurc die ihm bekannten Fälle in seiner
Waldverderbniss [XV, II, S. 162 und 358, Tl. 42, Fig 11 und 12].
Nach Dözxer [XIV, II, S. 77] ist die gleiche Beschädigung durch C. fusca L.
im Spessart auch an Kieferntrieben beobachtet worden. An den Eichen scheint
mitunter ein Zuwachsverlust einzutreten, trotzdem der Johannistrieb den Schaden
gewöhnlich ausgleicht. Gegenmittel gegen diese Schädlinge haben sich noch nicht
nöthig gemacht und könnten höchstens im Abklopfen und Sammeln der Käfer
bestehen.
Die kleine Familie der Lymexylonidae, welche in ilrem
äusseren Habitus den Cantharis-Arten und Verwandten nahe steht, aber
gestreckter und weniger abgeplattet ist, bildet einen Uebergang von
den Weichkäfern zu den Nagekäfern, den Anobiidae. Wir fassen
hier die beiden gewöhnlich unterschiedenen Gattungen in eine,
Lymexylon, zusammen. Von den beiden häufigeren, hier hauptsächlich
zu erwähnenden Arteu ist Lymexylon (Hylecoetus) dermestoides L.,
ein sehr gewöhnlicher Bewohner der im Walde stehen gebliebenen
Stöcke, namentlich der Tannen- und Buchenstöcke, an denen dann
die gruppenweise zusammensitzenden Bohrlöcher der Larven wie durch
einen Schuss groben Schrotes verursacht aussehen. Das von den Larven
ausgeworfene grobe Nagemehl liegt mitunter in grosser Menge um
stark bewohnte Stöcke herum. Ein forstlicher Schaden erwächst durch
dieses Thier nicht, Lymexylon navale L. geht schon im Walde an-
brüchige Eichen an, wird dann aus dem Walde auf die Holzlagerplätze
verschleppt, pflanzt sich hier in dumpfig lagerndem Holze weiter fort,
w
u m
ä
Weichkäfer und Lymexyloniden. 335
und ist seit dem vorigen Jahrhundert als Zerstörer der Eichenholz-
vorräthe auf den Werften berüchtigt. Daher sein deutscher Name Werft-
käfer. Aus der allerneuesten Zeit sind uns gerade von den Werften her,
in denen allerdings seit Einführung des Eisens und Stahles als Haupt-
baumaterial für grössere Schiffe die Eichenholzvorräthe abgenommen
haben, grössere Klagen über diesen wohl stets nur technisch schädlichen
Käfer nicht bekannt geworden.
Beschreibung. Die Lymexylonidae sind langgestreckte, fast walzige
Käfer mit freiem Kopfe, fadenförmigen, gesägten oder gekämmten Fiihlern,
schwachen Mundwerkzeugen, lang zapfenförmigen, vorstehenden Hüften und sechs-
bis siebengliedrisem Hinterleibe.
Ihre im Holze lebenden weisslichen Zarven sind langgestreckt, mit
kapuzenförmiger, über den Kopf etwas
übergreifender Vorderbrust und kurzen
Beinen.
Die Gattung Lymexylon in unserem
Sinne umfasst die Formen mit gut ent-
wickelten Flügeldecken im Gegensatz zu der
die Tropen bewohnenden Gattung Atractoce-
rus mit sehr verkürzten Flügeldecken. Fig. 124. Mittelkiefer-
Bei der Untergattung Hylecoetus tastermitQuastenanhang
verbergen die Flügeldecken den ganzen auf von Lymexylon der-
der Bauchseite siebengliedrigen Hinterleib, mestoides L.
während sie bei der Untergattung Lymexy-
lon im engeren Sinne noch die Spitze des
sechsgliedrigen Hinterleibes freilassen.
L. (Hylecoetus) dermestoides L.
Der Käfer dieser sehr verbreiteten Art ist
durch einfach gesägte Fühler in beiden
Geschlechtern ausgezeichnet. mit einem
grossen, sehr deutlich hervortretenden,
büschelförmigen Anhange am zweiten Gliede
des Mittelkiefertasters (Fig. 124). Es kommt
in zwei Färbungen vor: ZL. morio FABR.
ist schwarz, mit schwarzen oder wenigstens
dunkelbraunen Flügeldecken, ZL. proboseideus
FAer., gleichfalls schwarz, aber mit gelben
Beinen und Flügeldecken, letztere an der
Spitze gebräunt. Die Z dieser in der Grösse
stark variirenden Art sind meist kleiner wie die @. Länge des d 6-13 mm,
des @ I—20 mm.
Die Larve, bis 22 mm lang, hat einen glatten, fühlerlosen Kopf mit deut-
licher Gabellinie und sehr festen, schneidenden Vorderkiefern. Die Vorderbrust
ist stark und gewölbt, mit gekörnter Rückenplatte, die beiden hinteren Brust-
ringe sind ebenso stark als die acht vorderen Hinterleibsringe. Das neunte
Hinterleibsglied ist in einen langen, an der Spitze zweitheiligen, mit Chitin-
zäbnen versehenen Schwanzfortsatz ausgezogen (Fig. 125 A).
Im Norden Deutschlands tritt an Stelle des L. dermestoides L. eine
andere Art, die sich beim Z durch gekämmte Fühler und einen einfachen, nicht
quastenförmigen Anhang des dritten Gliedes der Mittelkiefer auszeichnet. Es ist
dies L. (Hylecoetus) flabellicornis Scuxeim.
Lymexylon navale L. Käfer. 5 mit quastenförmigem Anhange an dem
dritten Gliede der Mittelkiefertaster, schwarz, ein Fleck vorn auf der Flügel-
deckennaht, Hinterleib und Beine gelb. @ röthlich oder lehmgelb, Kopf und
Flügeldeckenspitzen schwarz. Länge sehr verschieden, 5—12 mm.
Fig. 125. A. Larve vonLymexylon
dermestoidesL. (Original.) BLarve
vonL. navale L. nach RATzegurg.
6 Kap. IX. Die Käfer.
Larve derjenigen der vorigen Art ähnlich, aber dadurch leicht unter-
scheidbar, dass das letzte Segment nicht in einen lang zugespitzten, sondern
in einen cylindrisch nach oben aufgetriebenen, mit kurzen Dornen besetzten
Fortsatz endet. Unten hat sie eine etwas vorstehende Afterröhre. Füsse drei-
gliedrig, mit einfachen Klauen und behaart. Kopf stark. Länge ungefähr
14 mm (Fig. 125 D).
Lebensweise. Die Flugzeit von L. dermestoides L. fällt mit dem
Buchenausschlag zusammen, also in den April oder Mai [15]. Das Weibchen legt
seine Eier in Ritzen alter Stöcke von Tanne, Eiche, Buche, Birke, Ahorn u. s. £.
und scheint zur Einbringung derselben mitunter bereits vorhandene Gänge
anderer holzbewohnender Käfer, z. B. des Tomicus domesticus L. zu benutzen.
Wir finden dann späterhin die Larven in drehrunden, bogenförmig im Inneren
des Holzes verlautenden Gängen, welche an ihrem dünneren Anfangsende aller-
dings mit Bohrmehl vollgestopft sind, aber auch, wenn sie noch von der Larve
bewohnt werden, in Verbindung stehen mit frei an der Oberfläche des Stockes
mündenden Ausfuhrkanälen, durch welche die Larven während ihrer Arbeit mit-
unter soviel Bohrmehl auswerfen, dass man im ersten Augenblicke glaubt, solch
ein Stock wäre frisch abgesägt und es läge noch das Sägemehl da. Die Art,
wie die Larven diese Ausfuhrkanäle herstellen und überhaupt die ganze Art
ihrer Arbeit ist noch nicht völlig klargelegt. Durch diese Kanäle fliegen dann
auch die Käfer aus, deren Generation einjährig zu sein scheint. So häufig dieser
Käfer auch im Walde dem Forstmann begegnet, so kann er doch nicht als forst-
schädlich angesehen werden, ja nach einer neueren von Purox [4] mitgetheilten
Anschauung von MaArnrEu soll die Larve Insekten fressen, also fast nützlich sein
und mit ihren Gängen das Holz nur deshalb durchwühlen, um auf die holz-
bewohnenden Borkenkäferlarven Jagd zu machen. Auf die Schwierigkeit, diese
Nahrung in allen Fällen zu finden, wird von Puroxn die so sehr auffallenden
Grössendifferenz der Käfer zurückgeführt, die Zwerge sollen eben Hungerleider
sein. Definitive Aufklärung können nur neue Untersuchungen geben.
Die Flugzeit von L. navale L. fällt gewöhnlich in den Juni oder Juli.
Das Weibchen belegt ältere Eichenstämme, sowohl gefällte als stehende, mit
seinen Eiern, aber stets nur an solchen Stellen, an denen die Rinde entfernt ist
oder an Sägeschnitten, und zwar in bereits vorhandene Risse. Auch an Edel-
kastanien hat v. Heyoen [XXIV, S. 9] Versuche, die Eier abzulegen, gesehen.
Die Larven fressen dann ähnliche, nur dünnere Gänge wie die Hylecoetus-
larven, aber auch über die normale Form dieser sind wir schlecht unterrichtet,
da die erste von Lınxü; gegebene und von Rarzesuxg [V, I, S 40] reprodueirte
Abbildung kaum der Wirklichkeit völlig entsprechen dürfte. Lınsö beobachtete
auf einer Reise durch Westgothland eine grosse Verheerung durch diese Thiere
auf der Admiralitätswerfte bei Gothenburg, die ihm in seiner Reisebeschreibung
zu der Bemerkung veranlasste: „Bewunderungswürdig, dass ein so elender Wurm
für so viele tausend Thaler Schaden thun kann!” Es wird erwähnt, dass neuer-
dings auch in Pola, dem österreichischen Kriegshafen an der Adria, ähnliche
starke Verwüstungen vorgekommen sein sollen. Authentische Darstellungen der-
selben sind uns nicht bekannt. Auf den Hamburger Werften ist der Käfer jetzt
unbekannt. Vermeidung der Aufnahme bereits befallener Stämme in die Hoiz-
vorräthe dürfte die Einschleppung des Käfers, und Antheeren des gelagerten Holzes,
welches schon Linx& empfiehlt, die Weiterverbreitung desselben verhindern.
Anmerkung über holzzerstörende Seethiere. Wir nehmen
hier Gelegenheit, einige Thiere zu erwähnen, die zwar weder zu
den Insekten gehören, noch dem Forstmanne in seinem eigentlichen
Wirkungskreise begegnen, dennoch aber für ihn dasselbe Interesse
haben wie der Werftkäfer, nämlich als Zerstörer von Nutzhölzern,
allerdings nicht auf dem Lagerplatze, sondern an der Stelle ihrer
Anwendung, im Meere. Dieselben sind zum Theil schon durch
NÖRDLINGER |l2, S. 197—203] in die forstliche Literatur eingeführt.
Badia
Lymexyloniden. Anmerkung über holzzerstörende Krebse. 33
Es sind zunächst zwei kleine Krebse zu nennen, welche an
den europäischen Küsten die Oberfläche des im Meere versenkten
und nicht von Schlamm bedeekten Holzwerkes mit maeandrischen
Gängen durchsetzen, nämlich die Bohrassel, Limnoria lignorum
Rartuke (terebrans Lracn) und der Bohrflohkrebs, Chelura terebrans
Paıw. Vielfach vergesellschaftet und in ihrem Frasse einander sehr
ähnlich, fügen sie namentlich den Hafenbauten vielen Schaden zu.
Beide sind Mitglieder der Ordnung der Ringelkrebse, Arthrostraca, welche
zwar mit den Schalenkrebsen, Thoracostraca, zu denen unser gewöhnlicher
Flusskrebs gehört, in der Zahl der Leibessegmente und Gliedmassen überein-
Paıtıprr von der Seite gesehen. B. Die Bohrassel Limnoria lignorum RArukE
vom Rücken gesehen. FI und F II die beiden Fühlerpaare. B. die sieben freien
_ Brustringe. H der Hinterleib. Die Leibesringel sind mit römischen, die Glied-
massen mit arabischen Zahlen bezeichnet. Beide Figuren 10mal vergrössert.
Frass von Limnoria in Nadelholz nach einem vom Professor Dr. Morsıus an
der Ostküste von Schleswig gesammelten Exemplare. Natürliche Grösse.
stimmen, aber durch die nicht gestielten, sitzenden Augen und den Mangel des
eigentlichen grossen Rückenschildes unterschieden sind. Die 13 Segmente des
Vorderleibes verschmelzen nämlich nicht, wie bei unserem Flusskrebs zu einem
einzigen grossen Kopfbruststück oder Cephalothorax, sondern es treten nur die
sechs ersten, die beiden Fühler-, die drei Kiefer- und ein Kieferfusspaar tragenden
zu einem kleinen Cephalothorax zusammen, während die sieben hinteren Ringel
frei bleiben (vergl. S. 15, Fig. 11, sowie Fig. 126 A). Die Ringelkrebse umfassen
zwei Unterordnungen, die Flohkrebse, Amphipoda, und die Asseln, Isopoda.
Die typischen Amphipoda sind Ringelkrebse mit seitlich zusammen-
gedrücktem Leibe, kiementragenden Brustfüssen und gut ausgebildetem Hinter-
leibe mit je einem Schwimmfusspaare an den drei vorderen und je einem Spring-
fusspaare an den drei hinteren Hinterleibsringeln. Entsprechend ihrer Leibesform
bewegen sie sich in der Seitenlage fort.
BY) Kap. IX. Die Käfer.
Die hier in Frage kommende Form, der Bohrflokkrebs, gehört zu
der Unterordnung der Crevettina mit kleinem Kopfe und Augen, sowie viel-
gliedrigen, beinförmigen Kieferfüssen und bildet für sich die Familie der
Cheluridae, mit fast eylindrischem Körper, bei denen die vierten, fünften und
sechsten Hinterleibsringel verwachsen und mit sehr verschieden gestalteten Bein-
paaren besetzt sind.
Gattung Chelura (Fig. 126 A). Erstes Fühlerpaar zugespitzt, sieben-
gliedrig, mit Nebenast. Zweites Fiühlerpaar etwas länger, sehr stark, mit platten-
förmjgen, unterwärts langbeborsteten Geisselgliedern. Die beiden vorderen Bein-
paare sind scherentragend, das vierte Hinterleibsbeinpaar (Fig. 1264, 17)
ist langgestreckt und an der Spitze in zwei flache Aeste getheilt, das fünfte
(A, 18) breit und dreilappig, das sechste (A, 79) lang, mit langgestrecktem,
gezähntem, einfachem Endgliede. ‚Das dritte Hinterleibssegment (A, XIZ) mit
langem, nach oben und hinten gerichtetem Dornfortsatze.
Es gibt nur eine Art, die Ch. terebrans PruLıprr. Dieses zuerst 1839 [Il] -
bekanrt gewordene Thierchen frisst an den Mittelmeerküsten und den atlanti-
schen Gestaden Europas und Amerikas das im Meere befindliche Holzwerk von
dem Meeresgrunde bis zur Ebbegrenze an und macht in ihm drehrunde Gänge
von 15mm Durchmesser, die mit Ausnahme der Astknoten das Holz gänzlich
durchsetzen. Holzpfähle mit einem Querschnitte von 30 cm im Geviert können in
zehn Jahren völlig zerstört werden. Die Holztheilehen dienen den Thieren zur
Nahrung. Dieser bis 5 mm lange Flohkrebs ist oft mit der Bohrassel vergesell-
schaftet, letztere dagegen kann auch selbstständig vorkommen, z. B. in der Ostsee.
Die Bohrassel gehört zu den Isopoden. Die Isopoda oder Asseln (vergi.
Fig. 126 B) sind Ringelkrebse mit breitem, niedergedrücktem, gewölbtem oder
abgeflachtem Körper und kurzgeringeltem, oft rückgebildetem Hinterleibe. Die
an den sieben freien Segmenten sitzenden Beinpaare sind Schreit- oder Klammer-
füsse; die Hinterleibsbeinpaare sind mit Ausnahme des letzten plattenförmig und
zu Kiemen verwandelt.
Wir rechnen mit GrrstÄcker die hier in Frage kommende Form zu der
Familie der Sphaeromidae, welche sich biologisch durch ihr Einrollungsvermögen
charakterisiren. Ihr Kopf ist stark in der Quere entwickelt, die beiden Fühler-
paare sind annähernd gleich, die sicben Beinpaare entweder sämmtlich Wandelbeine
oder die vorderen mit einer Greifhand endend. Abdominalsegmente öfters zum
Theil verschmolzen, die vereinigten hinteren bilden ein erosses Schwanzschild.
Die Gattung Limnoria unterscheidet sich von allen anderen zu dieser
Familie gehörigen Formen durch die geringe Verschmelzung der Hinterleibs-
segmente, von denen die fünf ersten (Fig. 126 B, XVI—-AVIII) frei bleiben und
nur die beiden letzten (B, XIX und XX) zu einem breiten, runden Schwanzschilde
verschmelzen. Das an diesem angebrachte letzte Hinterleibsbeinpaar. (B, /9)
hat einen einfachen Innenast, während der äussere zu einer naclı aussen ge-
krümmten starken Kralle verkümmert. Die beiden Fühlerpaare, welche durch
keinen Stirnfortsatz getrennt »ind, sind beinahe gleichlang, das erste vier-, das
zweite fünfgliedrig, wenn man von der feineren Unterabtheilung der Endglieder
absieht.
Wahrscheinlich existirt nur eine Art, Limnoria lignorum RArukr, mit
den Charakteren der Gattung. Dieses 4—5 mm lange Thierchen, welches die
europäischen Küsten vom Mittelmeer bis zur Schleswig’schen Ostküste bewohnt,
bohrt im Holz drehrunde Gänge bis 2 mm Durchmesser. Dieselben sind so dicht
an einander angebracht, dass nur ganz dünne Zwischenwände stehen bleiben und
zunächst die oberflächlichen Holzschichten, allmählich aber die ganzen Stücke in
eine schwammige Masse verwandelt werden. In Fig. 126 € ist ein Frassstück
abgebildet. An der irischen Küste werden nach Srxrer [20, Bd. I, S. 156) auch
feste Kalksteine angegangen.
Bereits am Ende des vorigen Jahrhunderts wurde man durch DicquEMARE
[16] in Havre auf dasselbe aufmerksam, aber erst 1834 wurden seine Verwüstungen
durch Sternensox an der englischen Küste genauer beobachtet und von CoLDSTREAM
beschrieben, und zwar bei Gelegenheit des Baues eines Leuchtthurmes auf Belt-
Rock [14]. Hier wurden die Pfosten zerstört, auf welchen der provisorische Leucht-
thurm errichtet war. Auf dem ‚ Trinity-Zimmerplatze” wurden die diesen tragenden
Pfähle innerhalb vier Jahren auf ungefähr die Hälfte des Durchmessers abgenagt.
Ende der Dreissigerjahre des Jahrhunderts sind auch die Hafenanlagen in Ply-
mouth sehr erheblich geschädigt worden [Il]. Die verschiedensten Holzarten
werden zerstört, sind aber durch dichten Beschlag mit eisernen Nägeln zu
schützen, Teakholz soll nicht angegangen werden.
Uebrigens können auch Mitglieder der nahe verwandten Gattung Sphaeroma
Holz anbohren. Dies ist sowohl an der brasilianischen Küste wie in der Präsident
schaft Madras in Vorderindien beobachtet worden.
Anmerkung über holzzerstörende Krebse und „Bohrwürmer”. 339
Fig. 127. Der Schiffsbohrwurm Teredo navalis L. und seine Zerstörungen
nach v. BauuHaAuner [I]. A. Ein Stück Holz mit Bohrgängen und Thieren; a die
Löcher,. durch welche die Athemröhren 5 frei in das Wasser ragen; c ein in
seiner ganzen Länge aufgedeckter Bohrwurm. Bei d ist die Kalkauskleidung der
Gänge erhalten; e sind leere geöffnete Gänge. B. Ein ganzer Bohrwurm aus dem
Holze genommen; «a die kleine Schale; 5b äusserer Oeffuungsmuskel; e Fuss;
d verwachsener Mantel; e „Palette”; f Athemröhren. C. Vordertheil des Bohr-
wurmes; a Schale; e Fuss mit Saugnapf. D. Linke Schale von aussen, die
verschiedene Sceulptur der einzelnen, durch römische Zahlen bezeichneten
Schalabschnitte zeigend. E. Rechte Schale von innen, um den Muskelfortsatz a
zu zeigen. F. Palette von Teredo navalis. G. Palette der nahe verwandten
Untergattung Xylotrya.
A und B ungefähr um die Hälfte verkleinert, € und E natürliche Grösse,
D, @ und F ungefähr um das Doppelte vergrössert.
Die gefährlichsten Feinde alles längere Zeit im Meerwasser
untergetauchten Holzes sind aber Weichthiere, Mollusca, nämlich eine
Reihe von Muschelarten, welche der Gattung Teredo angehören und
im gewöhnlichen Leben fälschlich als Bohrwürmer bezeichnet werden.
Die Gattung Teredo (Fig. 127) gehört zu den Muscheln mit verwachsenen
Mantelrändern, ist aber vor allen anderen durch ihre ungemein verlängerte wurm-
förmige Gestalt ausgezeichnet (B), sowie durch die Kleinheit ihrer zweiklappigen
Schale, welche nrr einen sehr geringen Theil des Leibes an dessen angeschwollenem,
vorderem Ende bedeckt (B, a). Der grösste Theil des Mantels liegt also völlig
frei. Die wunderbar dreilappig geformten Schalen (D und E) schliessen bauch-
340 Kap. IX. Die Käfer.
wärts nur an einem einzigen Punkte zusammen und lassen vorn und hinten
zwischen sich je eine weite, klaffende Oeffnung. Der vorderen entspricht eine
Spalte des sonst vollständig verwachsenen Mantels, durch welche der kleine
cylindrische, an seinem abgestumpften vorderen Ende mit einem Saugnapfe ver-
sehene Fuss (B und (, c) vorgestreckt werden kann. An seinem hinteren Ende
geht der Körper in zwei kurze, ungleich lange Athemröhren aus (B, f f), von
denen die längere als Einfuhröffnung für das Athemwasser, die kürzere als
Ausfuhröffnung dient. An der Basis dieser Athemröhren sind im Mantel zwei
schaufelähnliche (B e und F), bei manchen ausländischen Arten gefiederte (G)
Kalkstückehen, die sogenannten „Paletten’ eingelagert.
An den von Teredo bewohnten Hölzern bemerkt man äusserlich nur kleine
runde, ungefähr 1—1'’5 mm im Durchmesser haltende, schräg in das Holz ein-
dringende Löcher, aus welchen die ungestörten Thiere ihre beiden Athemröhren
herausstrecken, Durch letztere wird aber nicht nur das Athemwasser, sondern
zugleich mit ihm auch die im Meerwasser enthaltene, fein vertheilte, organische
Substanz, von der sich die Muscheln nähren, aufgenommen, und auch der Koth,
das Bohrmehl und die jungen Larven ausgestossen. Die beim Bohrgeschäfte fein
zerriebenen Holztheile dienen der Muschel nämlich nicht als Nahrung, diese sucht
vielmehr im Inneren der Pfähle nur Schutz für ihren weichen Körper. Der Bohr-
kanal, in welchem eine solche Muschel lebt, erweitert sich von der Eingangs-
öffnung aus allmählich bis zu einem abgerundeten blinden Ende, in welchem
der Vorderleib mit Schale und Fuss ruht (A, c). Die ganze Innenseite des voll-
endeten Kanales ist mit einer festen, von der Manteloberfäche der Muschel ab-
gesonderten, gleichmässigen, weissen Kalkschicht ausgekleidet (A, d). Jeder Bohr-
gang, dessen Länge bis 4) cm betragen kann, ist von seinem Bewohner völlig
ausgefüllt.
Teredo ist getrennten Geschlechtes und scheint eine einjährige Generation
zu haben. Die Eier werden von dem Mutterthiere in die Mantelhöhle aus-
gestossen, entwickeln sich zu kleinen Larven, die hier auch noch eine kurze
Metamorphose durchmachen, und gelangen alsdann, allerdings noch in einer dem
erwachsenen Thiere sehr wenig ähnlichen Gestalt, durch die Athemröhre in das
Meer. Sie sind zwar schon mit einer zweiklappigen Schale versehen, schwimmen
aber mit Hilfe eines an ihrem Vorderende befindlichen Wimpersegels frei umher.
Diese freien Larven treten in unserer Nordsee ungefähr Ende Juni auf [5].
Bald setzen sich die Thierchen aber an einem Pfahle, und zwar in einer
passenden äusseren Ritze desselben, fest, verwandeln sich schon im Laufe von
8—14 Tagen in anfänglich zwar noch sehr kleine, aber typisch geformte „Bohr-
wirmer” und beginnen nun das Bohrgeschäft, welches sie lediglich nach Mass-
gabe ihres allerdings ziemlich raschen Wachsthumes forttreiben. Das hierbei
benutzte Bohrwerkzeug ist die Schale.
Diese (D) besteht aus drei, auch ihrer Seulptur nach verschiedenen Theilen,
deren hinterer (D III) im Leben von einer Falte des Mantels bedeckt wird. Auf
dem vorderen Schalenabschnitte (DI) ist der Rand jedes Anwachsstreifens mit
äusserst feinen, scharfen Zähnen besetzt, und auch die rechtwinkelig zu den
ersterwähnten gestellten Anwachsstreifen an der vorderen Hälfte des mittleren
Schalenabschnittes (D, II«a) zeigen eine Ähnliche, aber gröbere Bewaffnung. Die
nur sehr wenig ausgiebigen Sperr- und Schliessbewegungen der Schalen werden
hier — anders als bei den gewöhnlichen Flussmuscheln oder den Austern, bei
denen die Oeffnung durch das elastische Schlossband bewirkt wird — beide
durch die Muskelwirkung verursacht. Die Sperrmuskeln setzen sich aussen an
den Rückentheil der Schale (B, b), die Schliessmuskeln greifen auch an einem
von den Schalenwirbeln nach innen tretenden langen Schalfortsatz an (E, a).
Der Fuss kann sich mit seinem Saugnapfe (©, ec) im Grunde der Höhlung fest-
setzen, und durch das Zusammenwirken der Fuss-, Sperr- und Schliessmuskeln
wird nun der Schale eine langsame Drehbewegung gegeben, bei welcher ihre,
wie eine Feile wirkende Oberfläche das Holz abraspelt. Die zunächst schräg
gegen die Holzoberfäche eindringenden Gänge werden bald in der Richtung der
Holzfaser weiter getrieben und weichen von ihr nur so weit ab, als zur Um-
gehung benachbarter, bereits vorhandener Gänge nothwendig ist. Niemals kreuzt
en m
Anmerkung über den Schiffsbohrwurm. Nagekäfer. 341
ein Bohrwurm die Röhre eines anderen, die einzelnen Gänge liegen aber häufig
so dicht beisammen, dass nur ganz dünne Scheidewände zwischen ihnen stehen
bleiben und das völlig schwammig gewordene Holz, seine Widerstandsfähigkeit
gänzlich verliert. Im Meere schwimmende Hölzer, also auch Schiffsrümpfe und ein-
gerammtes Pfahlwerk, werden binnen wenigen Jahren vollständig zerstört, le'zteres
in den Meeren mit Ebbe und Fluth bis zur Höhe des mittleren Wasserstandes.
Die in Europa gefürchtetste Form ist der gemeine Schiffs-
bohrwurm Teredo navalis L., der in unseren Meeren einheimisch und
nicht, wie man früher glaubte, aus tropischen Meeren eingeschleppt
ist. Indessen treten seine Verheerungen zu Zeiten stärker als ge-
wöhnlich auf, in den etwas brackigen Wässern der holländischen
Kanäle und Binnenmeerbusen besonders in regenarmen, warmen
Jahren, in welchen der Salzgehalt derselben ein wenig steigt. Solche
Jahre waren 1731, 1770, 1827 und 1859. Im ersteren Jahre ver-
ursachte die Entdeckung, dass die Pfahlwerke, welehe die holländi-
schen Deiche stützen, völlig von diesem Thiere durchwühlt seien, in
den Niederlanden einen panischen Schrecken. In letzterem Jahre
wurde eine wissenschaftliche und technische Commission zur Auffindung
einer wirksamen Abwehr so schwerer Schäden niedergesetzt. Der
äusserst gründlichen, durch v. BAUMHAUER gegebenen Zusammenfassung
der Arbeiten dieser Commission |l, S. 23], der wir die meisten der
vorstehend gegebenen, naturgeschichtlichen Thatsachen entnommen
haben, verdanken wir auch die folgenden praktischen Winke.
Zunächst steht fest, dass keine Holzart, weder eine einheimische
noch eine fremdländische, an und für sich gegen die Angriffe des
Bohrwurms gesichert ist.
Ferner hilft gegen seine Angriffe keinerlei äusserlicher Anstrich
des Holzes, ja nicht einmal der Beschlag mit grossköpfigen, dicht
an einander gereihten Eisennägeln, da die sehr kleinen Larven immer
noch Stellen finden, an denen sie zwischen den Nägelköpfen eindringen
können. Der einzige wirkliche Schutz besteht in einer Imprägnation
des Holzes mit Kreosot; aber auch nur die Stellen, welche vollständig
imprägnirt sind, werden nicht angegriffen. Da nun die Imprägnation
der Nadelhölzer leichter gleichmässig gelingt, wie die des Eichen-
holzes, haben sich imprägnirte Nadelholzpfähle widerstandsfähiger
erwiesen als Eichenpfähle. Holzschiffe werden unterhalb der Wasser-
linie durch einen Kupferbeschlag geschützt.
Die Nagekäfer oder Anobiidae sind kleine eylindrische, dunkel
gefärbte Käfer mit unter dem Halsschild verborgenem Kopfe, welche in
ihrem Habitus Aehnlichkeit mit den Borkenkäfern haben, sich von
ihnen aber durch die fünfgliedrigen Tarsen, die nicht gebrochenen Fühler
und die mit wohl ausgebildeten Beinen versehenen Larven unterscheiden.
Sie sind von grosser wirthschaftlicher Bedeutung durch die technischen
Schäden, welche sie den aufbereiteten und verarbeiteten Hölzern zu-
fügen; namentlich sind als Balken- und Möbelzerstörer die durch den
342 Kap. IX. Die Käfer.
klopfenden Paarungsruf der Männchen bekannten „Todtenuhren”’ Anobium
pertinax L. und An. domesticum Fourcr. bekannt und An. (Ernobius)
molle L. ist der gefährlichste Feind aller berindeten Nadelholzstücke,
also auch der Frassstücksammlungen, welche der Forstmann sich etwa
anlegt (vergl. 5. 346). Ausserdem ist An. Abietis Fagr. als Zerstörer der
Fichtenzapfen, und An. nigrinum Srrm. als Vernichter von Kiefern-
trieben, deren Markröhre er aushöhlt, bekannt. Grössere physiologische
Schädigungen von Holzgewächsen fallen ihnen nicht zur Last.
Beschreibung. Die Käfer der Anobiidae in dem hier angenommenen
Umfang sind meist klein bis mittelgross, eylivdrischh, mit oberwärts von dem
Halsschild bedecktem Kopfe, nicht gegen die Mittelbrust verlängerter Vorder-
brust und fünf Bauchringen. Ihre neun- bis elfgliedrigen Fühler sind gesägt,
sekämmt oder mit drei grösseren Endgliedern versehen und auf der Stirn am
Vorderrand der Augen eingefügt. Die Vorder- und Mittelhüften sind kugelig
oder oval, die Hinterhüften quer.
Die Larven sind weisslich, diek, mit Querwülsten auf dem Rücken der
Segmente, fein behaart und bauchwärts eingekrümmt, mit deutlich entwickeltem,
gut chitinisirtem Kopfe, der bedeutend schmäler ist als die stark aufgetriebenen
Brustringe; die Füsse sind gut entwickelt und behaart, der
Hinterleib nicht deutlich gegen die Brust abgesetzt, neun-
gliedrig (Fig. 128).
Die Käfer, welche sehr verschieden leben und theils
auf Blüthen, theils in Pilzen, an altem Holze, unter Rinde etc.
gefunden werden, belegen im Anfange der wärmeren Jahres-
zeit namentlich trockene pflanzliche Substanzen mit ihren
Bi So \ Eiern, und die Larven, welche weniger Feuchtigkeitsbedürf-
ig. 128. Larve . z F en Re “ :
niss als die meisten übrigen Käferlarven zu haben scheinen,
durchsetzen ihre Brutstätten dann mit vielfach gewundenen
von Anobium
emarginatum Gäne
Durr. (Original.) a 2 er e: : #
ee Die Familie der Anobiidae lässt sich für unsere
1 : :
Zwecke in zwei grosse Gruppen theilen, in die Anobiini und
die Apatini, welche sich wesentlich durch die Beschaften-
heit der Tarsalglieder unterscheiden. Bei den Küfern der ersteren sind,
ebenso wie bei der durch die Einlenkung der Fühler auf der Stirn unter-
schiedenen, verwandten Familie der Ptinidae die beiden ersten Tarsalglieder
ungefähr gleichlang, bei den Apatini dagegen bleibt das erste Tarsalglied
so klein, dass es oft übersehen wurde, während die Glieder 2 und 5 sehr
gross sind.
Auch die Larven dieser beiden Gruppen sind, wenngleich einander sehr
ähnlich, doch deutlich unterscheidbar. Die der Anobiini sind ziemlich stark
behaart, mit Punktaugen und sehr kleinen dreigliedrigen Fühlern versehen, welche
in einer Einsenkung aussen am Grunde der gezähnten Vorderkiefer so gut ver-
borgen sind, dass sie bis zu den genauen Untersuchungen von Perris als fühlerlos
angesehen wurden. Vor ihrer Verpuppung bauen sie eine dünne Hülle aus zu-
sammengeleimtem Nagemehl. Die Larven der Apatini sind dagegen weniger
behaart, haben keine Punktaugen, deutlich erkennbare Fühler und ungezähnte
Vorderkiefer. Ihr Vorderleib ist mehr aufgetrieben als bei den Larven der
Anobiini.
Wir unterscheiden unter den Anobiini nur zwei Gattungen, nämlich
Anobium und Ptilinus.
Bei der Gattung Anobium im weiteren Sinne sind die Käfer dadurch
charakterisirt, dass die drei Endglieder der nicht sägeförmig gezähnten Fühler
gross und langgestreckt sind, ohne dabei eine Keule zu bilden. Die Larven sind
durch, bei den verschiedenen Arten verschieden angeordnete, Dörnchen auf der
Rückenfläche der Segmente ausgezeichnet. Diese Gattung wird meist in eine
ee
Die Nagekäfer oder Anobiiden und ihre forstliche Bedeutung. 345
Xeihe kleinerer Gattungen getheilt, welche wir als Untergattungen betrachten.
Wir erwähnen hier folgende:
Untergattung Anobium FaAsr. im engeren Sinne. Fühler elfgliedrig,
die drei letzten Glieder sehr lang, oft länger als die übrigen zusammen.
Halsschild bis zu den Vorderhüften zum Einlegen des 'zurückgeschlagenen
Kopfes ausgehöhlt, sein Vorderrand als vorspringende Kante bis zu den Gelenk-
gruben der Vorderbeine verlaufend. Flügeldecken mit regelmässigen Punkt-
streifen.
Untergattung Xestobium Morscn. Fühler elfgliedrig, die drei letzten
- Glieder länglich, Halsschild nicht ausgehöhlt, seine Seitenränder schneidend,
Flügeldecken nur punktirt ohne Streifen. Fussglieder kurz und dick.
Untergattung Ernobius Tmus. Fühler elfgliedrig, die drei letzten
Glieder stark verlängert, Halsschild nicht ausgehöhlt, Flügeldecken nur punktirt,
Füsse zart und lang, ihr erstes Glied verlängert, die folgenden allmählich kürzer
werdend.
Bei der Gattung Ptilinus im weiteren Sinne sind dagegen die Käfer durch
die gesägten, gekämmten oder wedelförmigen Fühler, deren letzte Glieder nicht
oder nur wenig vergrössert sind, ausgezeichnet. Ihre Zarven sind durch den
Mangel der kleinen Dörnchen auf der Rückenseite von denen der Gattung
Anobium unterschieden. Jetzt werden auch die Ptilinus-Formen in verschiedene
Untergattungen eingetheilt, die wir hier übergehen können.
Von den Apatini haben wir nur zwei Gattungen zu erwähnen.
Gattung Lyctus. Körper langgestreckt, oben gewölbt, Kopf vorgestreckt.
Augen vortretend, Fühler elfgliedrig mit zwei grösseren Endgliedern.
Gättung Apate. Körper cylindrisch, Kopf unter dem rauhen gekörnten
Halsschilde versteckt. Fühler zehngliedrig mit drei grösseren, gesägten End-
gliedern.
Forstliche Bedeutung. Die Käfer der Anobiidae sind als solche
völlig unschädlich, dagegen sind die Larven mannigfach lästig und verderblich.
Nach dem Schaden derselben kann der Forstentomologe die Anobiidae in
folgende Gruppen bringen:
1. Die Larven bewohnen, ohne eigentlich zu schaden, die Rinde von
älteren Stämmen.
?. Die Larven leben in noch stehenden Bäumen, deren Holz sie technisch
schädigen.
3. Die Larven bewohnen die Aeste der Gipfel von Bäumen und bringen
sie zum Absterben.
4. Die Larven fressen junge Triebe an und zerstören sie.
5. Die Larven bewohnen und zerstören Nadelholzzapfen.
6. Die Larven zerstören ältere, bearbeitete trockene Hölzer, Bretter,
Balken etc. in den Holzlagern, Hausgeräthe, Möbeln u. s. w.
Von den in der Borke älterer Stämme brütenden Anobiiden
ist hier nur zu erwähnen:
Anobium emarginatum Durr. Käfer langgestreckt, pechbraun mit feiner
xelblichgrauer Haarbedeckung. Halsschild mit rechtwinkelig vorgezogenen
Vorderecken, abgerundeten Hinterecken und stark gerandet. Hinten auf seiner
oberen Fläche trägt es jederseits einen durch halbkreisförmige Linien be-
grenzten Eindruck, zwischen denen nach dem Schildchen zu ein mittlerer, er-
habener, selbst wieder abgeflachter Kamm verläuft. Die Flügeldecken sind fein
und regelmässig punktirt gestreift.
Die gänzlich unschädliche Larve bewohnt, oberflächlich unregelmässige,
kurze, mit braunem Bohrmehl gefüllte Gänge fressend, die Borke älterer stärkerer
Fichten, ohne je tiefer zu gehen. Die Fluglöcher des Käfers sind an Stärke
denen des Tomicus typographus L. ähnlich und haben oft bereits überflüssige
Furcht vor drohender Borkenkäferverheerung erweckt. Nur aus diesem Grunde
wird dieses Thier hier erwähnt,
Br Kap. IX. Die Käfer.
Aus der zweiten biologischen Gruppe, welche in anbrüchi-
gen Stellen stehender Bäume brütet, sind namentlich zwei Arten zu
nennen:
Anobium (Xestobium) rufo-villosum DE GrEr (pulsator ScHALL.
tesselatum Fazr.). Käfer dunkel pechbraun, oberwärts mit grösseren und
kleineren unregelmässigen Flecken goldgelber Härchen, Halsschild ohne Höker,
breiter als lang, gewölbt, der Vorderrand in einen stark vortretenden Bogen
vorgezogen, der Seitenrand breit und flach gegen die Scheibe abgesetzt.
Länge 5—7 mm.
A. (X estobium) plumbeum Irr. Käfer schwarz, auf der Oberseite mit
grünlichem Metallglanze, mit starker gelber oder bräunlicher Behaarung.
Fühler und Beine braun, letztere an den Enden mehr weniger rothgelb.
Länge 4 mm.
Diese Käfer sind wesentlich Laubholzbewohner und ihre Larven leben
in anbrüchigen oder blossgelegten Stellen, Aststummeln u. dergl. A. rufo-
villosum DE GEER meist an| Eiche, A. plumbeum Irr. an Buche und Birke.
Ausserdem kommen noch eine Reihe anderer Formen vor, die wir hier über-
gehen können. Dass solche Beschädigungen technisch schädlich werden können,
ist sicher. Diese Käfer aber, wie EicHuHorr dies gethan hat [7], darum als
schädlich anzusprechen, weil ihre Gänge das Eindringen der Fäulniss in die
Stämme besonders begünstigten, ist, wie ALrtum sehr richtig darlest [XVI, III,
1, S. 154], übertrieben, da die Erreger der Fäulniss doch verschiedene Pilz-
arten sind und die Sporen derselben so geringe Dimensionen haben, dass sie
sehon in jeder feinsten Ritze sich festsetzen und überhaupt an jeder rauhen
Wundfläche haften können. Wenn man nun neuerdings sehr zweckmässiger-
weise in gut gepflegten Revieren zur Vermeidung des Faulwerdens der auf-
geasteten Bäume die Schnittflächen antheert, so ist diese Massregel wesentlich
gegen die Fäulnisspilze gerichtet. Dass sie auch gegen das Eindringen der
Anobiidae schützt, ist allerdings einer ihrer weiteren Vortheile.
Die dritte biologische Gruppe, deren Larven Aeste zum
Absterben bringen, umfasst vorläufig nur zwei Insekten:
Apate (Sinoxylon) bispinosa Orıw. Käfer schwarz, lang grau
behaart. Mundwerkzeuge, Fühler, Flügeldecken und Beine mit Ausnahme
der Schenkel braun. Fühlerkeule gross, nach innen tief gesägt, fast so
lang als der übrige Fühler. Flügeldecken grob punktirt, an der Spitze in
eine Schrägfläche abgestutzt, auf deren Mitte nahe neben der Naht jederseits
ein derber gerader Dorn und zwei bis drei erhabene Körnchen stehen.
Länge 6—7 mm.
Dieses Thier ist schon seit langer Zeit in Tirol und Italien als ein den
Reben schädliches bekannt geworden, und es hat ihm in dieser seiner Eigen-
schaft auch Costa [5] eine längere Besprechung gewidmet. Es frisst nämlich
die sehr starke Larve im Holze der Weinreben und schwächt sie so, dass sie
leicht abbrechen. Es heisst daher in Bozen „Rebendreher”. Nach einem sehr
schönen Frassstücke, welches die Tharander Sammlung Herrn Professor HENSCHEL
in Wien verdankt, scheint schliesslich die Larve ähnlich den Zweig zu ringeln,
nur viel tiefer, wie Agrilus bifasciatus Orıv. die Eiche (vergl. S. 323). Es ist
ferner im Jahre 1855 im österreichischen Küstenlande im k. k. Forstamte
Montana beobachtet worden, dass dieses Thier sich auch in die Gipfel 15—30jäh-
riger Eichen einbohrt, wodurch die befallenen Stammtheile zum Absterben ge-
bracht werden. Die Thäterschaft steht ausser Zweifel, da zwei in eingesandten
Frassstücken gefundene todte Käfer von Koruar in Wien sicher bestimmt werden
konnten [8].
A. (S.) sexdentata Orıv., der nächste Verwandte des vorhergehenden,
wird durch ve TricomAaın ebenfalls als ein Beschiidiger der Steineichen in Süd-
frankreich angegeben. Er bewohnt vielfach die von Agrilus bifasciatus Orıv.
befallenen Zweige, in denen er ähnlich frisst, wie A. bispinosa Ouıv. Sein
Frass ist an den runden Fluglöchern auch äusserlich von dem des Eichen-
prachtkäfers zu unterscheiden (vergl. S. 324 und 325) und soll irgend welche
grössere Bedeuturg nicht haben.
Die Nagekäfer oder Anobiiden und ihre forstliche Bedeutung. 345
Die vierte hier angenommene Anobiengruppe, deren Larven
Triebzerstörer sind, umfasst zwei Mitglieder der Untergattung Ernobius.
Es sind dies folgende:
Anobium (Ernobius) nigrinum Sr. Käfer ziemlich gestreckt, fast
eylindrisch, schwarz, etwas glänzend, fein greis behaart, mit röthlichen Fühlern
und Tarsen. Halsschild quer, gleichmässig gewölbt, feinkörnig punktirt, in der
Mitte mit einer glatten, schwach vertieften Längslinie. Ecken abgerundet. Viertes
bis achtes Fühlerglied sehr klein und gedrängt, die drei letzten gross und
stark. Länge 3—4 mm.
Anobium (Ernobius) Pini Sr. Käfer länglich, glänzend roströthlich,
ziemlich dicht greis behaart. Halsschild quer mit breit verflachten Seiten und
stumpfen, leicht verrundeten Vordereeken, fast eben, nur an der Basis jederseits
flach eingedrückt. Fünftes bis achtes Fühlerglied dieht gedrängt, viel kürzer als
die übrigen. Länge 3 mm.
Von diesen beiden Käfern wird der zweite nur deshalb erwähnt, weil ihn
Harrıc [V, 1, S. 43] einmal mit Tortrix Buoliana S. V. aus jungen Kiefern-
trieben erzogen hat. Entschieden wichtiger ist dagegen A. nigrinum Sr., dessen
Larve die Markröhre von Kieferntrieben in ähnlicher Weise von unten nach
oben ausfrisst, wie die Imago von Hylesinus piniperda L. Da trotz der deutlich
vorhandenen Beine die Larve wohl mit einer Borkenkäferlarve verwechselt
werden kann, hat dieses Thier Veranlassung zu dem Glauben gegeben, H. pini-
perda brüte auch in Kieferntrieben.
Im Grossen sind Schädigungen durch A. nigrinum Sr. nur selten
beobachtet worden; die stärkste bekannte wird von RATzEBuURrG erwähnt [XV, 2
S. 422]. Im Jahre 1867 wurde in Eberswalde eine Kultur mit sechsjährigen
Kiefern ausgeführt, welehe unter Insektenschäden ganz besonders zu leiden hatte,
und es fand sich hier die Larve dieses Thieres in den Gipfelirieben von fast der
Hälfte der dürrgewordenen Pflanzen. Gegen A. nigrinum ist in den Trieben
älterer Kiefern nichts zu thun. Haust es in Kulturen, so dürfte Ausschneiden
und Vernichten der befallenen Triebe das einzige anwendbare Mittel sein. Die
Generation wird von RATZEBURG als zweijährig angegeben.
Die fünfte Anobiengruppe umfasst die Zapfenbewohner. Als
solche werden, und zwar aus der Fichte angeführt:
Anobium (Ernobius) Abietis FAgr. Käfer oben rostroth, unten dunkler,
überall mässig fein punktirt und mit kurzer gelblicher, seidenschimmernder Be-
haarung. Halsschild uneben, mit drei schwachen Längserhabenheiten vor dem
Schildehen. Fünftes Fühlerglied länger als das vierte, sechste und siebente, achtes
Füblerglied sehr kurz, fast quer. Länge 3 bis 4 mm.
A. (Ernobius) longicorne Sr. Käfer verlängert, fast eylindrisch, pech-
schwarz oder braun, Fühler, Taster, Schienen und Tarsen rothbraun. Halsschild
quer, gleichmässig gewölbt, mit abgestumpften Vorderecken. Fühler namentlich
beim g lang, die Glieder vier bis acht kurz und dieht aneinander gedrängt, die
drei letzten sehr lang und nicht verdickt. Länge 25 mm.
A. (Ernobius) angusticolle Rarz. Käfer länglich, dunkelbraun glänzend,
fein behaart. Halsschild bedeutend schmäler als die Basis der Flügeldecken,
gewölbt mit abgesetzten, stark aufgebogenen Seitenrändern, so dass es von oben
fast rhomboidal aussieht. Fühler länger als der halbe Körper, die Glieder
drei bis acht verkehrt kegelförmig, das fünfte und siebente länger als die übrigen,
die drei letzten Glieder so lang als die acht übrigen zusammen. Länge
2:5—3 mm.
Ausserdem wird noch erwähnt A. abietinum Gyrr. aus Föhrenzapfen
[XXVI, S. 141].
Namentlich A. Abietis FAgr. ist überall sehr häufig. Die Zapfen werden
noch am Baume mit den Eiern belegt, die Larven gehen dann tiefer und die
kranken, bald abfallenden Zapfen sind am Harzausflusse kenntlich. Zunächst
wird die Spindel und dann die Basis der Schuppen angegriffen. Im nächsten
Frühjahre erfolgt die Verpuppung, bald darauf die Verwandlung in den Käfer.
Die Generation ist also einjährig.
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde, 23
346 Kap. IX. Die Käfer.
Einziges Gegenmittel dürfte Sammela und Verbrennen der am Boden
liegenden kranken Zapfen im Herbst und Winter sein. Auch die anderen
Schädiger der Fichtenzapfen trifft man gleichzeitig mit dieser Massregel. Es
scheint übrigens fast, als ob alle diese Arten auch in Nadelholzästen und
-Rinde bıüten könnten.
Die sechste biologische Gruppe von Anobien mit Werkholz,
Balken und Hausrath bewohnenden Larven ist zweifelsohne die
praktisch wichtigste, dagegen leidet der Forstmann als solcher am wenigsten
unter ihren Schädigungen. Hier sind zu erwähnen:
Anobium domesticum Fourc. (siriatum OLıv.). Käfer pechbraun, sehr fein
und kurz grau behaart, Stirn mit einer Beule, Halsschild vor dem Schildehen
mit einem von beiden Seiten zusammengedrückten, nach rückwärts stumpf
zugespitzten Höcker, neben welchem sich hinten zwei tiefe Eindrücke bilden, und
ungekerbtem Seitenrande; Flügeldecken hinten abgerundet und regelmässig
punktirt gestreift. Länge 3—4'5 nım.
A. pertinax L. (striatum Farr.). Käfer mattschwarz, äusserst kurz bräunlich
behaart. Halsschild auf der hinteren Hälfte mit einem nach vorn gabelförmig
getheilten Längskiel, neben diesem jederseits noch eine beulenartige Erhöhung,
in den Hinterecken ein scharf abgegrenzter Fleck goldgelber Härchen. Länge
4:5—5 nım.
A. rufo-villosum Dr Geer. (vergl. oben S. 344) ist gleichfalls in Balken,
Fussböden ete. schädlich.
A. (Ernobius) molle L. Käfer länglich, rostroth, fein greis behaart,
Halsschild breiter als lang, so breit als wie Basis der Flügeldecken, der Quere
nach gleichmässig gewölbt, mit nicht abgeflachten herabgebogenen Seiten, das
fünfte und siebente Fühlerglied länger als die benachbarien. Länge 5 mm.
Ptilinus pectinicornis L. Käfer länglich, eylindrisch, etwas glänzend
schwarzbraun, Flügeldecken heller, mit feiner greiser Behaarung. Fühler und
Beine rostroth, Halsschild vorn stärker gekörnt, vor dem Schildehen mit einer
kleinen gerundeten, glatten, glänzenden Beule. Flügeldecken mit feinen, unregel-
mässigen Punktreihen. Fühler des S von dem vierten Gliede an lang gekämmt,
Q mit nur gesägten Fühlern und auf der hinteren Hälfte des Halsschildes jeder-
seits mit einer geglätteten Stelle. Länge 3—5 mm.
Pt. costatus Gyın Käfer dem vorigen sehr ähnlich, etwas dunkler, die
Kammforisätze der Fühler des Z sind jedoch viel kürzer und dem © fehlen
die beiden geglätteten Stellen am Halsschilde. Länge 3—5 mm.
Lyctus unipunctatus Hssr. (canalieulatus FaBr.). Käfer langgestreckt,
oben etwas flacher, braun. Kopf und Halsschild gerunzelt, letzteres fast viereckig,
in der Mitte mit einer tiefen Längsgrube. Flügeldecken fein punktstreifig, zwischen
den Punktreiken Längsreihen feiner Härchen. Länge 3—4 mm.
Die ersten Angriffe aller dieser Thiere auf bearbeitetes Holz, bei Eichen-
holz namentlich auf den Splint, erfolgen fast unmerklich und erst wenn die Käfer
sich durch ihre, meistsenkrechtzur Richtung der Larvengänge stehenden Fluglöcher
herausbohren, merkt man, dass der betreffende Gegenstand „wurmstichig” ist.
Dann zeigen sich an ruhig stehenden Gegenständen um die Löcher herum kleine
Häufehen von Bohrmeh), „Wurmmell”. Die Larven vermeiden bei ihrem Frasse
meist die Oberdäche der befallenen Gegenstände, höhlen aber unter ihr die
Holzmasse in dicht gedrängten unregelmässigen Gängen so stark aus, dass die-
selbe jede Festigkeit verliert und leicht zusammenbricht. Namentlich der Splint,
die jüngeren Holzschichten, sind ihren Angriffen unterworfen. A. molle L. —
welches übrigens nach TAscHEnBERG auch in Nadelholztrieben vorkommen soll (?)
[XXI, II, S. 82] — zieht berindetes Nadelholz allem anderen Brutmateriale
vor. Vor ungefähr 10 Jahren musste fast die ganze Frasssticksammlung der
Forstakademie Tharand, soweit sie aus Nadelholzabschnitten bestand, wegen der
Schädigung durch diesen Käfer erneuert werden.
Lyctus unipunctatus Hsstr. ist namentlich ein Eichenfeind, kann aber
auch andere Laubhölzer angehen, und wird, namentlich entrindeten Stücken und
zwar vornehmlich dem Splintholze schädlich [13 und 14]. Hier in Tharand wurde
dieser Käfer einmal dem Eichenholzvorrathe eines Tischlers geradezu verderblich.
VE
Die Nagekäfer und die Pflasterkäfer oder Meloiden. 347
Als Vorbeugungsmittel gegen die Schäden aller dieser Käfer
ist der Anstrich oder besser die Imprägnirung des Holzes mit einer
giftigen Lösung anzuwenden, ein Mittel, welches allerdings in Wohn-
räumen durchaus nicht überall anwendbar ist.
Kupfervitriol, Zinkvitriol, Chlorzink, Zinnchlorür, arsenige Säure
und Quecksilbersublimat sind versuebt worden, und zwar scheinen die
vier letzteren Substanzen am wirksamsten zu sein, namentlich bei
allseitiger Imprägnation [14]. Wo dies möglich ist, thut man gut, der
Lösung Alkohol zuzusetzen, weil eine alkoholische Lösung besser
in das Holz eindringt als eine wässerige. In der akademischen
Sammlung zu Tharand werden zu schützende Stücke erst mit un-
verdünntem Spiritus stark angestrichen und dann mit einer Lösung
von arsenigsaurem Natron in Wasser bepinselt. Dieses Verfahren hat
sich gut bewährt.
In den verschiedensten trockenen Esswaaren, Sammlungsgegenständen,
Droguen, Herbarien und Büchern wird auch noch schädlich Anobium paniceum L.
Die Familie der Pflasterkäfer, Meloidae, ist die einzige aus
der gesammten Gruppe der Heteromera hier zu erwähnende. Am
bekanntesten sind die im Frühjahr häufigen, trägen, blauen „Mai-
würmer”, d. h. verschiedene Arten der Gattung Melo&, und die
spanische Fliege Lytta vesicatoria I. Fast alle zu dieser Familie ge-
hörigen Insekten enthalten einen höchst giftigen Stoff, das Cantharidin,
das aber, wie so viele andere Gifte, mit der gehörigen Vorsicht
angewendet, auch als Heilmittel dienen kann. Wegen ihres Cantharidin-
gehaltes werden die Maiwürmer als Volksmittel gegen die Hundswuth
angewendet, und derselbe Stoff ist der wirksame Bestandtheil in den
aus der einheimischen spanischen Fliege und verschiedenen ausländischen
Lytta- und Mylabris-Arten hergestellten Zugpflastern.
Forstlich schädlich ist lediglich die Imago der gemeinen spanischen
Fliege, der Lytta vesicatoria L. (Taf. II, Fig. 15 F), welche im Juni
bei uns oft plötzlich in grossen Mengen erscheint und verschiedene
Laubhölzer, namentlich Eschen entblättert. Jüngere Pflanzen leiden oft
bedeutend durch diesen Kahlfrass. Das Sammeln der Käfer, welches sich
ja bei wirklich stärkerem Auftreten schon wegen des nicht unbedeutenden
Verkaufswerthes der vorsichtig getödteten und getrockneten Käfer lohnt
(vergl. S. 220), ist das einzige anwendbare Gegenmittel.
Beschreibung und Biologie. Die Käfer der Meloidae sind weich-
häutig, mit senkrecht stehendem, hinter den Augen erweitertem und dann plötz-
lich zu einem dünnen Halse verengtem, hochgewölbtem Kopfe, rundlichem oder
herzförmigem Halsschilde und letzteres an Breite stark übertreffenden Flügel-
decken. Die auf der Stirn oder vor den Augen eingefügten, neun- bis elfeliedrigen
Fühler sind borsten- oder fadenförmig, mitunter gegen die Spitze verdickt. Die
Hüften stehen zapfenartig vor, die Fusskiauen sind in zwei ungleich dicke
Hälften gespalten.
23*
Kap. IX, Die Käfer,
Die Larven des Meloidae treten, da ihre Verwandlung eine Hyper-
metamorphose ist (vergl. S. 106— 108) in sehr verschiedenen aufeinanderfolgenden
Formen auf. Die erste ist eine kleine, gefärbte und einen festen Chitinpanzer
tragende, sechsbeinige Larve mit Augen, deutlichen Fühlern und längeren Schwanz-
fäden, welche, da ihre Tarsen dreizähnige, mitunter einem antiken Dreizack
gleichende Klauen tragen, ehe man ihre Zugehörigkeit zu den Meloidae kannte,
von Durour als eine eigene Gattung, Triungulinus, beschrieben wurde. (Fig. 129.)
Diese aus den haufenweise im Boden abgelegten Eiern schlüpfenden Larven
kriechen auf Blumen und besteigeu die verschiedenen hier Honig sammelnden
Bienenarten, an deren Haarbedeckung sie sich mit ihren Klauen festhalten. In
jeder grösseren Sammlung von Blumenbienen findet man mit solchen Thierchen
besetzte Exemplare, die früher auch Bienenläuse, Pediculus melittae, genannt
wurden. Die Larven lassen sich nun in die Bienennester tragen, dringen in die
Brutzellen ein, verzehren die abgelegten Bieneneier und unterliegen kurz hinter-
einander mehreren Häutungen, bei denen sie zunächst ihre Augen allmälig ein-
büssen, weichhäutig und weisslich werden und zur Honignahrung übergehen.
Bei der vierten Häutung werden die Larven zu engerlingähnlichen, weisslichen
Geschöpfen, welche sich bei der nächsten Häutung in eine Art brauner Tönnchen-
puppen verwandeln. In diesem Stadium überwintern sie, verwandeln sich im
nächsten Frühjahr durch eine abermalige Häutung wiederum in weissliche, sechs-
beinige, engerlingartige Larven, um nunmehr erst bei der siebenten Häutung zu
normalen pupae liberae zu werden, aus welchen schliess-
lich zur Flugzeit im Vorsommer die Imago ausschlüpft.
Bei einzelnen Formen wird die Winterruhe in den
Bienennestern selbst, bei anderen ausserhalb derselben
in der Erde abgemacht. Nur wenige Formen leben statt
in Bienen-, in Heuschreckennestern, z. B. die Gattung
Epicauta, deren nördlichste Form Ep. rufidorsum GözE
(verticalis ILr.) nach Tascuengere [XXll, II, S. 98] das
Kartoffelkraut in Böhmen stark befressen hat.
Die beiden hier zu besprechenden Gattungen sind
Fig. 129. 4A Erste Melo& und Lytta, von denen wir aber nur die letztere
Larvenform von ausführlich behandeln.
Lytta vesicatoria L. Gattung Melo&L.: Käfer dunkelblau oder schwärz-
B Klauen einer Meloe- lich mit Metallelanz. Leib mit sehr kurzer Hinterbrust,
Larve des ersten dick und weich, von den gleichfalls weichen Flügeldecken,
Stadiums. die basalwärts an der Naht übereinandergreifen, meist nur
unvollkommen bedeckt. Fühler elfgliedrig, fast rosen-
kranzförmig, beim Ö' länger und in der Mitte oft mit verdickten Gliedern. Flug-
fügel fehlen. Mittelhüften die Hinterhüften bedeckend. Die Klauen sind unge-
zähnt, beide Hälften gleichlang.
Als Arten erwähnen wir Melo& proscarabaeusL. und M. violaceus Marsn.,
welche im Frühjahr allenthalben im Grase häufig sind, sich von Pflanzen nähren und
wie ihre Verwandten bei Berührung an den Gelenken der Beine Tropfen eines gelben,
durchsichtigen Saftes ausstossen, der bei manchen Personen blasenziehend virkt.
Gattung Lytta L.: Käfer langgestreckt, Hinterbrust verlängert, der walzige
Leib von den mässig weichen, einzeln abgerundeten Flügeldecken vollständig
bedeckt. Schildehen vorhanden. Fühler fadenförmig, elfgliedrig, an der Spitze
stets verdünnt, mit verlängert walzenförmigen Endgliedern. Flugflügel gut aus-
gebildet. Mittelhüften von den Hinterhüften entfernt.
Lytta vesicatoria L. Küfer: Seiten des Halsschildes vor der Mitte eckig
erweitert, nach rückwärts verengt, seine Scheibe uneben. Der ganze Käfer lebhaft
goldgrün oder bräunlich grün, Fühler und Füsse dunkler. Unterseite grauweiss
behaart. Kopf und Halsschild fein zerstreut punktirt. Die weichen Flügeldecken
fein und dicht runzelig punktirt mit schwach erhabenen, feinen Längslinien.
Länge 11—14 mm. (Taf. II. Fig. 15 F.)
Larve. Nur die erste Larvenform, welche aus den ungefähr 2cm tief von
dem Weibchen zu 40—50 Stück in eine selbstgegrabene Erdhöhle abgelegten,
gelben, keulenförmigen Eiern auskriechen, istlänger bekannt. Es ist ein richtiger
Die spanische Fliege und ihre forstliche Bedeutung. 549
2 mm langer Triungulinus (Fig. 129 A), der sich von den entsprechenden Larven-
formen der Verwandten durch die weissliche Färbung der Gliedmassen, der Unterseite
und namentlich der Mittel- und Hinterbrust, sowie des ersten Hinterleibssegmentes
auszeichnet. Erst in der jüngsten Zeit ist es Licutensrtein [I0] und BEAUREGARD [2]
zunächst durch künstliche Zucht festzustellen gelungen, dass die Entwickelung
auch der spanischen Fliege an die im Boden angelegten Nester von Blumen-
bienen sich knüpft, dass die Generation typisch einjährig ist und gerau in
derselben Weise vor sich geht, wie wir dies oben für die Meloidae im Allge-
meinen schilderten. Sie gehört aber zu den Formen, welche zur Winterruhe die
Bienennester verlassen und sich zwischen denselben im Boden eingraben.
Künstlich sind die Larven ernährt worden mit Eiern und Honig von Ceratina,
Megachile und Osmia tridentata. In der freien Natur, und zwar vorläufig nur
bei Avignon in Südfrankreich sind die „Tönnchen’” im Boden zwischen den sehr
dünnen, aus einem seidenartigen Gespinste bestehenden Zellen von Colletes
signata Kırsr und einer anderen unbestimmten Colletes-Art gefunden worden [2].
Es ist demnach kaum einem Zweifel unterworfen, dass auch die einheimischen
Colletes-, Megachile-, Ceratina- und Osmia-Arten, soweit sie dünnwandige
Zellen in den Erdboden bauen, in Deutschland die Wirthe der spanischen
Fliegen sind. Wenn übrigens RATZEBURG die parasitische Entwickelung der
spanischeu Fliege bezweifelt, weil sich in diesem Falle das „plötzliche massen-
hafte Auftreten des Insektes schwer erklären lasse”, so ist zu bemerken, dass
allerdings auch nach den neueren Forschungen dieser letztere Umstand ziemlich
räthselhaft bleibt.
Graphisch können wir die Generation von Lytta vesicatoria L. folgender-
massen darstellen:
|
|
| it ISISISISISHSISHS|
| |
|
|
Jan. |Febr.| März April Mai Juni Juli | Aug. IRRE | Oct. | Nov. | Dec.
[_ | |
SE
1880 | +++ab ec le | cr ec | ce c
Sesie=S ISIS)
ı
| © © e | d |
1881 |geseossoosceo=-—-=-@ +++ | |
| | | RR |
Wir bemerken hierzu, dass die Z’riungulinus-Form, sowie die ihr schnell
folgenden Uebergangsstadien mit a, die erste engerlingartige Larve mit 5 und
die zweite mit d bezeichnet ist. Zur Bezeichnung des tönnchenartigen, falschen
Puppenzustandes c, in dem das Thier überwintert, haben wir der Unterscheidung
halber dasselbe Zeichen gewählt, wie für die im Cocon ruhenden Blattwespen-
larven, obgleich wir wohl wissen, dass zwischen diesen beiden Entwickelungs-
zuständen sehr verschiedener Thiere eine morphologische Parallele völlig
unzulässig ist. Die in die forstliche Literatur übergegangenen, schon von Anfang
an sehr unwahrscheinlichen Angaben von Kırckner |9] über den Kampf der
spanischen Fliegenlarven mit Engerlingen sind nunmehr völlig zu streichen,
desgleichen die niemals bestätigten Angaben von Becnstern und C. A. Löw über
ein ähnlich periodisch vierjähriges Auftreten, wie bei dem Maikäfer.
Forstliche Bedeutung und Abwehr. Die Käfer erscheinen im Juni
plötzlich und massenhaft, aber durchaus nicht überall und in jedem Jahre gleich
häufig. Sie leben am liebsten auf Eschen, auch auf ausländischen, aut
Liguster und Flieder, gehen aber auch an Ahorn, Pappeln und Rosen, Sambucus,
Lonicera- und Spiraea-Arten, sowie an Bignonia catalpa L. Sogar Thalictrum
sollen sie nach TascHengere annehmen. Sie schaden besonders den Eschen, wenn
sie noch jung und blattarm sind, denn oft bleiben nach dem Frasse nur die
Blattstiele stehen, und manches Stämmchen geht ein oder kümmert. Gewöhnlich
erfolgt nach Kahlfrass das Wiedergrünen erst im folgenden Jahre; nur im heissen
Juli 1870, und zwar auf sehr kräftigem Kalkboden ist es RATZEBURG vorgekommen,
dass es sofort erfolgte, dass also ein, allerdings nur kurzer Ersatztrieb sich
bildete, der merkwürdigerweise auch eine Verdoppelung des Jahresringes zur
9350 Kap. IX. Die Käfer.
Folge hatte. Namentlich in Baumschulen und Pflanzgärten wird ihr Frass
schädlich, aber auch den Samenschlägen können sie Nachtheil bringen, und
Artum |XVI, III, 1, S. 162] erwähnt eines Falles aus dem Regierungsbezirk
Gumbinnen, in dem eine einzeln stehende Esche in Folge des Frasses einging.
Die Käfer verbreiten einen unangenehmen Geruch, den man an dem aus
diesen Thieren bereiteten Pflaster kennen lernen kann. Man wird durch ihn
leicht zu den Bäumen, auf welchen sie in grosser Menge fressen, geleitet und
kann sie abschütteln oder abklopfen, was Morgens, wenn sie träge sind, besser
gelingt, als am Tage.
Nach Arrum werden im Süden zu ihrem Fange eigens Ligusterhecken
angepflanzt, welehe sie dort alljährlich regelmässig annehmen. Man darf sie beim
Sammeln nicht mit blossen Händen zu lange anfassen, indem unangenehme
Ausschläge darnach entstehen. Auch kann man sie in Schirme klopfen.
Zur Tödtung wird mitunter ausser den auf S. 220 angegebenen Substanzen
auch Terpentinöl verwendet, von dem man einige Tropfen in ein gut schliessendes
Gefäss giebt. Vor dem Verkauf können sie am besten künstlich, eventuell im
Backofen, gedörrt werden.
Das Cantharidin, von dem in den offieinellen Arten durchschnittlich
0-5 Procent enthalten ist, hat die Formel C, H,0O,. Rein ist es neutral und
krystallisirt in farblosen Säulen oder Blättchen des rhombischen Systems, welche
sich in Aether, Chloroform und Essigäther, sowie in fetten und ätherischen Oelen
leicht lösen. Zur Herstellung des spanischen Fliegenpflasters werden die fein
gepulverten Insekten mit einem Bindemittel verrieben.
Nur als äusseres, blasenziehendes Reizmittel wird das Cantharidin in der
rationellen Mediein augenblicklich angewendet, innerlich dagegen meist nur bei
missbräuchlicher, grösstentheils auf Aberglauben beruhender Anwendung gegeben,
und diese ist um so verwerflicher, als stärkere Dosen für Menschen, Säuger und
Vögel — angeblich mit Ausnahme des Igels und der Hühner — tödtlich wirken
können. Zufällig eingetretene Vergiftungen mit spanischen Fliegen sind durch
Brechmittel und Eingeben schleimiger Substanzen zu behandeln; Oele sind
aber, als Lösungsmittel des Cantharidins, streng zu vermeiden.
Literaturnachweise zu dem Abschnitte „Die übrigen forst-
sehädlichen Familien der Pentameren und der Heteromeren’.
Il. BaumHAuER, E. H. von. Sur le taret et les moyens de preserver
le bois de ses degäts. Archives Neerlandaises des Sciences exactes et
naturelles. T. I., 1866, p. 1—45, TA. 1. — 2, BrAuresarn, H. Sur le
mode de developpement naturel de la Cantharide. Comptes rendus.
Bd. C., 1885, S. 1472—1476. — 3. Branpr. J. F. und RATZEBURG.
Medicinische Zoologie. 4. II. Bd., Berlin 1833. Cantharida. S. 110 —
129, Taf. XVI—XIX. — 4, CoLpstream. Ueber Bau und Lebensart von
Limnoria terebrans. Uebersetzung in Isis. 1838, S. 39—46, Tfl. I. —
5. Costa, A. Degl’ Insetti che attacano l’albero ed il frutto dell’
Olivo ete. Napoli 1877, S. 222—227, Taf. VIlla, C. — 6. DicaurmARE.
Ueber ein holzzernagendes Seeinsekt. Lichtenberg’s Magazin. II. Bd., 2.
1783, S. 40—53. Taf. I. — 7. Eıcnnorr. Käferschaden nach Aufästungen.
Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen. I. Bd., 1869, S. 137 und 138. —
8. F. G. Ein neuer Feind der Eiche. Oesterreichische Vierteljahrs-
schrift für Forstwesen. VI. Bd., 1.Heft, 1856. S. 271— 273. — 9. KırcHner,
L. Ueber die Larven der Lytta vesicatoria unter Engerlingen. Verhandl.
der Forstsection für Mähren und Schlesien. 51. Heft, 1863, S. S0—82. —
Literaturangaben. Rüsselkäfer und Verwandte. 351
I0. Lichtenstein, J. Sur les metamorphoses de la Cantharide (Lytta vesi-
eatoria Fabr.). Comptes rendus. Bd. LXXXVIII, 1879, 8. 1089— 1092. —
li. Moorz, E. Ueber das Vorkommen des Teredo navalis und der
Limnoria terebrans im Hafen von Plymouth. Froriep’s Notizen. VII,
1838, Nr. 136, S. 49—53. — 12. NörpLinGEr. Die Holzzerstörer auf den
Schiffiswerften. Pfeil’s kritische Blätter. Bd. L, 1. Heft, $S. 191—192.
13. Derselbe. Der Splintkäfer. Pfeil’s kritische Blätter. 1862. XLIV. Bd.,
2. Heft, S. 234—238. I4. Derselbe. Wieder der Splintkäfer. Lyetus
eanaliculatus L. Pfeil’s kritische Blätter. 1870. LII. Bd., 1. Heft, S. 256
— 260. — 15. Preır. Bemerkungen zur Gattung Hylecoetus Latr.
Stettiner entomolog. Zeitung, Bd. XX, 1859, S. 74—83 mit 1 Taf. —
16. Prıcıpp1, A. Chelura terebrans a new Amphipod Genus. Annals of
natural history. Vol. IV., London 1840, S. 94—96. Til. III, Fig. 5. —
17. Puron, A. Observation de M. Mathieu sur le Hylecoetus dermestoides.
Annales de la Societe entomologique de France. 5° ser., T. VIII, 1878.
Bulletin, S. 127— 129. — I8. Rarzepurg. Forstinsektensachen. Nr. 5 in
Grunert, forstliche Blätter. Heft 5, S. 165—167. 19. Derselbe. Insekten-
sachen, Nr. 6 in Pfeil, kritische Blätter, Bd. XXXIJ, 1. Heft, S. 143 —
145. — 20. Semper, K. Die natürlichen Existenzbedingungen der Thiere.
8. Leipzig 1880. Bd. I, II.
Rüsselkäfer und Verwandte.
Eine grosse Gruppe der tetrameren Käfer ist ausgezeichnet durch
die vordere, an ihrer Spitze die Mundwerkzeuge tragende Verlängerung
des Kopfes, den Rüssel. Zugleich kommt ihnen sämmtlich eine einheit-
liche Larvenform zu, eine weissliche, bauchwärts eingekrümmte, fusslose,
oder nur Stummel tragende, blinde Made, mit stark chitinisirtem, deut-
lich abgesetztem Kopfe (Taf. II, Fig. 5 und 6,Z). Biologisch sind diese
Käfer ausgezeichnet durch ihre ausschliesslich pflanzliche Nahrung,
sowie dadurch, dass sich das Weibchen bei Unterbringung der Eier an
zur Brutstätte gewählten Pflanzen niemals selbst in das Innere dieser
einfrisst, sondern die Eier entweder äusserlich ablegt oder doch nur in
ein von aussen mit dem Rüssel gebohrtes Loch. Die Larven leben
zum Tbeil im Boden, meist aber im Inneren der Nährpflanze — einige
mehr äusserlich an derselben — und vollenden hier vielfach auch ihre
gesammte Metamorphose, sodass erst der fertige Käfer sich herausfrisst.
Vereinzelte Formen kommen parasitisch in anderen Insekten vor.
Wir theilen für unsere Zwecke diese mit Rüsseln versehenen Käfer
am besten in drei grössere Familien, die Bruchidae, die Attelabidae
und die Curculionidae.
352
[2 7)
-
Kap. IX. Die Käfer.
Die Tetrameren lassen sich leicht in drei grosse natürliche Abtheilungen
trennen. Die erste derselben ist charakterisirt durch die im Ganzen eiförmige
Gestalt, die mittellangen Fühler, den Rüssel und die weisse, rundliche, fusslose,
bauchwärts eingekrümmte, mit starkem Kopfe versehene, phytophage Larvenform.
Ill 11 I
Fig. 130. Köpfe (I), Hinterkiefer (II) und
Mittelkieferhälfte (III), von verschiedenen
Rhynchophoren. A Bruchus atomarius L.
B Anthribus varius Farr. CO Attelabus
eurculionoides L. D Rhynchites Betulae
L. E Pissodes Pini L. FF Tomicus
typographus L. Die Köpfe sind schwächer,
die Mundwerkzeuge stärker vergrössert, und
die bei den verschiedenen Käfern ange-
wandten Massstäbe sind sehr ungleich.
Diese Abtheilung kann man als
Rüsselkäfer, Rhynchophora,
bezeichnen (vergl. Taf. II, Fig. 5).
Ihnen stehen gegenüber zu-
nächst dieim Ganzen langgestreck-
ten, mit sehr langen, oft den Leib
überragenden Fühlern’ versehenen,
rüssellosen Formen, deren phyto-
phage Larven gleichfalls im Innern
ihrer Nahrungsquelle leben und
daher weisslich sind, sich aber
durch ihre verlängerte, niemals
bauchwärts eingekrümmte, schwach
abgeplattete Gestalt, die starke
Vorderbrust und die kurzen Beine
scharf von denen der ersten Gruppe
unterscheiden. Diese Abtheilung
enthält nur die Familie der
Bockkäfer, Cerambycidae (vergl.
Nat. Ile Bir. 12).
Die dritte Gruppe begreift oben
gewölbte, unten mehr abgeflachte,
rüssellose Käfer mit abgerundetem
Gesammtumrisse, mit kurzen
Fühlern und meist frei lebenden,
beweglichen und entschieden ge-
färbten, mit langen Beinen ver-
sehenen, phytophagen Larven.
Diese Abtheilung umfasst die
Familie der Blattkäfer, Chryso-
melidae (vergl. Taf. II, Fig. 2).
Obgleich auch die beiden
letzten grossen Abtheilungen dem
Schicksal einer weiteren Zer-
splitterung in kleinere Familien
nicht entgangen sind, werden sie
von der neueren Systematik, wie
wir schon erwähnten, doch wieder
als zwei einheitliche Familien auf-
gefasst.
Die Rhyncehophora da-
gegen werden auch jetzt noch
in verschiedene Familien getrennt,
und zwar z. B. im Kataloge von
L. v. Heyven, REITTER und Weise
in nicht weniger wie 12. Diesem
Vorgange können wir uns aus
praktischen Rücksichten nicht an-
schliessen, gehen vielmehr auf die
drei alten Liwsnü’schen Gattungen
Bruchus, Attelabus und Curculio als Typen zurück und betrachten jede als
eine Familie. Die Unterschiede dieser beruhen wesentlich in den Mundtheilen
und in der Form der Fühler.
Unter die Bruchidae in unserem weiteren Sinne
rechnen wir mit Westwoo» alle diejenigen Rüsselträger, welche frei vorstehende,
fadenförmige Taster an Mittel- und Hinterkiefer haben, also die Bruchidae im
Die Tetrameren im Allgemeinen. Samenkäfer oder Bruchiden. 353
engeren Sinne — neuerdings mit Hervorsuchung eines alten, gewöhnlich auf
eine Meloidengattung bezogenen Namens wieder Mylabridae genannt — die
Anthribidae und die Nemonygidae (Fig. 130 A und B).
Sämmtliche andere Rüsselträger sind ausgezeichnet durch sehr kurze, kegel-
förmige Taster an Mittel- und Hinterkiefer (Fig. 130 C—F). Sie lassen sich aber
leicht nach den Fühlern in zwei Abtheilungen bringen. Bei den einen sind die
Fühler nicht gebrochen und zerfallen nicht in Schaft und Geissel (C’ und D).
Diese Formen fassen wir zusammen als Attelabidae im weiteren Sinne, welche
dann die neueren Faırilien der Apionidae, Rhynchitidae und Attelabidae
im engeren Sinne enthalten.
Die anderen haben deutlich gebrochene Fühler mit Schaft und Geissel,
und diese kann man als Curculionidae oder eigentliche Rüsselkäfer bezeichnen
(Fig 130 E). Bei dieser ganz allgemeinen Eintheilung gehören dann aber unter
letztere Gruppe auch die Borkenkäfer (Fig 130 F), denn man dürfte vom
rein morphologischen Standpunkte aus vergeblich trachten, eine scharfe Scheidung
zwischen ihnen und den noch heute zu den eigentlichen Rüsselkäfern gerechneten
Gattungen Baris Germ. oder Cossonus Craırv. zu finden.
Wir werden aber trotzdem hier aus biologischen Gründen eine Trennung
vornehmen, da die sämmtlichen Borkenkäfer olıne Ausnahme sich dadurch aus-
zeichnen, dass die Mutterkäfer zur Ablage ihrer Eier mit ihrem ganzen Leibe
in die Nährpflanze der Larven eindringen, also „Muttergänge” machen. Dies ist
vom forstentomologischen Siandpunkte höchst wichtig. Dagegen vereinigen wir
die vier neueren Familien der Hylesinidae, Scolytidae, Tomicidae und
Platypidae unter dem weiteren Begriffe der Scolytidae. Die Rhynchophoren
zerfällen wir also für unsere praktischen Zwecke am besten in die vier grossen
Familien, der Bruchidae, Attelabidae, Curculionidae und Scolytidae.
Die Familie der Bruchidae im weiteren Sinne. Unter diesem
Namen fassen wir mit Westwoonp alle rüsseltragenden Käfer mit frei
vorstehenden, fadenförmig entwickelten Mittel- und Hinterkiefertastern
zusammen, also die neueren von uns als Unterfamilien betrachteten
Gruppen der Bruchidae im engeren Sinne, der Anthribidae und
der Nemonygidae. Nur die beiden ersteren haben auf einige Be-
achtung seitens des Forstmannes Anspruch.
Die Unterfamilie der Bruchidae im engeren Sinne ist bio-
logisch sehr scharf dadurch charakterisirt, dass die Entwickelung
ihrer sämmtlichen Vertreter vollständig im Inneren von Samen, bei
uns namentlich in Hülsenfrüchten, abläuft, aus denen sich dann der
fertige Käfer herausfrisst, Am bekanntesten ist der in Erbsen sich
entwickelnde und die Erbsenernte oft empfindlich schädigende Bruchus
(Mylabris Grorr.) pisorum L. und B. atomarius L. (granarius L.).
Forstlich kann in Frage kommen Bruchus villosus FABRr.,
welcher bei uns häufig die Samen der Akazien und der Besenpfriemen
zerstört. Je nachdem man letztere Pflanze an irgend einer bestimmten
Stelle wünscht oder vernichtet haben will, wird man daher diesen
Käfer entweder durch Verbrennen der von ihm befallenen Samen-
hülsen bekämpfen oder gewähren lassen müssen.
Die Unterfamilie der Bruchidae (Fig. 130 A) ist leicht kenatlich
durch den kurzen Rüssel mit deutlicher Oberlippe, die hufeisenförmig gestalteten
Augen, in deren Ausschnitt die nicht gebrochenen, vorn nur wenig verdickten,
dagegen öfters gezähnten, meist elfgliedrigen Fühler eingelenkt sind, und das
grosse, von den Flügeldecken freigelassene Pygidium.
Bruchus villosus Fasr. (after Marsu., Cysti PAyk.) ist ein kleiner, schwarzer,
an der Oberseite gleichmässig fein grau behaarter Käfer, dessen Fühler nach
354 Kap. IX. Die Käfer.
der Spitze gleichmässig verdickt sind und kürzer als der halbe Leib bleiben.
Halsschild quer, ziemlich trapezförmig, mit abgerundeten Vorderwinkeln. Die
ganz schwarzen Beine haben ungezähnte Schenkel. Länge 2—2'5 mm.
Die natürliche Verbreitung der Berenpfrieme Sarothamnus vulgaris Wım.
(Spartium scoparium L.) wird durch die ausgedehnten Samenzerstörungen
dieses Käfers bei uns beschränkt, und Arrum [XVI, III, 1, S. 164] macht mit
Recht darauf aufmerksam, dass dort, wo Besenpfrieme den Kulturen schädlich
wird, der Käfer nicht zu bekämpfen ist, während er da, wo diese Pflanze als
Bodenschutz und Bodendeckung für Pflanzungen geschätzt oder zur Anlage von
Remisen für Federwild und Hasen gewünscht wird, vom forstlichen Standpunkte
aus als schädlich angesehen werden muss. Ebenso kann letzteres dort der Fall
sein, wo man Samen der Akazie, Robinia pseudacacia L., zum Zwecke der
Pflanzenerziehung gewinnen will.
Die Unterfamilie der Anthribidae hat biologisch keine so
scharfe Charakteristik wie die vorige. Die meisten ihrer Vertreter
brüten zwar im Holze, aber meist nur in anbrüchigem, und haben
daher forstlich keine Bedeutung. Die einzige, den Forstmann inter-
essirende Gattung ist Anthribus, deren Larven parasitisch in den,
unsere jungen Laub- und Nadelhölzer schädigenden Schildlausarten
leben. Am bekanntesten ist Anthribus varius FaAsr., welcher in
dem auf jüngeren Fichten lebenden Fichtenquirl-Schildlaus Coccus
racemosus Rarz. ungemein verbreitet ist und meist leicht gezogen
werden kann, wenn man eine grössere Menge mit Schildlaus-Weibchen
besetzter Ficehtenzweige in eine Schachtel thut.
Nach unserer Begrenzung umfasst die Unterfamilie der Anthribidae
alle rüsseltragenden Käfer mit deutlicher Oberlippe und fadenförmigen Tastern,
bei denen die Fühler am Ende deutlich und plötzlich zu einer Keule verdickt
sind, die rundliche Augen und ein so stark ausgeschnittes zweites Tarsalglied
haben, dass das dritte in dem Ausschnitt eingesenkt erscheint.
Bei der Gattung Anthribus Georr. (Brachytarsıs ScHöxn.) sind die Käfer
ausgezeichnet durch ihren gedrungenen, stumpf eiförmigen Körper, mit dreieckigem,
flachgedrücktem Kopfe, an dem die Augen den Vorderrand des Thorax berühren.
Die elfgliedrigen Fühler haben am Ende eine aus drei grossen, dicht aneinander
gelegten Gliedern bestehende Keule. Thorax quer viereckig, am Grunde zweimal
ausgebuchtet. Vorderhüften klein und fast zusammenstossend. Larve ohne Bein-
rudimente,
A. varius Fasr. Käfer schwarz, dicht punktirt, unten dichter, oben spar-
samer, fein gelbgrau behaart. Flügeldecken tief punktirt gestreift und mit grauen
Makeln gesprenkelt. Länge 2'5—4 mm. Larve, wie oben bereits erwähnt, in Coccus
racemosus schmarotzend.
A. fasciatus Forst. (scabrosus Fapr.). Käfer schwarz, Flügeldecken
punktirt gestreift, roth, die Zwischenräume der Punktstreifen erhaben und
abwechselnd roth und schwarz gewürfelt. Länge 3—4 mm. Larve nach unserem
Züchtungsresultate in grossen, an Acer pseudoplatanus vorkommenden Coccus-
Weibchen lebend.
Die Familie der Attelabidae im weiteren Sinne, wie wir sie
mit Westwoop annehmen, umfasst alle rüsseltragenden Käfer mit
kurzen kegelförmigen Tastern, welche zugleich keine gebrochenen,
sondern gerade, nicht aus Schaft und Geissel bestehende Fühler haben,
also die Brentidae, die Attelabidae im engeren Sinne, zu
welchen wir auch die Gattung Rhynchites rechnen und die Apionidae.
N
a ar
Die Bruchiden und Attelabiden. 355
Die Brentidae sind in Europa nur durch eine einzige Art
vertreten und kommen hier nicht in Betracht. Die Apionidae
umfassen das einzige, dafür aber sehr artenreiche Genus Apion Hessr.
und werden wegen der äusserst zierlichen Zuspitzung ihres Kopfes
„Spitzmäuschen” genannt. Sie sind zwar als Larven mitunter schäd-
lich, indem diejenigen mancher Arten in den Stengeln von Garten-
pflanzen, z. B. Malven, oder in den Köpfen des Klees leben. Forst-
lich kommen sie aber in keinerlei Betracht.
Dagegen sind die Attelabidae im engeren Sinne forstlich
einigermassen beachtenswerth, da viele Vertreter derselben Blätter
mehr weniger künstlich zu Rollen zusammenwickeln, in denen sie
ihre Eier absetzen. Es sind an unseren Laubhölzern namentlich zu
erwähnen Attelabus curculionoides L. an Eiche, Apoderus Coryli L.
an Hasel, Rhynchites Betulae L. an Birke und Rh. Populi L. an
Pappel. Der ähnlich wie Rh. Populi L. wickelnde Rh. Alni Mürr.
(betuleti FAer.) ist ein den Weinstock schwer schädigendes Insekt.
Beschreibung. Von der Gruppe der Attelabiden in unserem Sinne
kommen für uns drei Gattungen in Betracht:
Gattung Apoderus Ouıw. Käfer. Rüssel kurz und dick, kaum länger
als die Hälfte des übrigen Kopfes, der hinter den vorspringenden Augen stark
verlängert und durch eine dünne, halsförmige Einschnürung mit dem vorn
gleichfalls in eine enge, dünne Röhre ausgehenden Halsschilde verbunden ist.
Hinterrand des Halsschildes wulstig aufgeworfen. Fühler zwölfgliedrig, mit vier-
gliedriger, kurz behaarter Keule. Schienen innen gezähnt. Die einzige in Mittel-
europa praktisch in Frage kommende Form ist:
A. Coryli Orıv. mit glattem, nur wenig punktirtem Halsschilde und ein-
farbigen Flügeldecken. Länge 6—7 mm. Bei der normalen häufigen Form sind
Halsschild und Flügeldeeken roth oder rothgelb, Kopf und Unterseite dagegen
schwarz. In einigen Varietäten werden zunächst das ‚Halsschild und dann auch
die Flügeldecken schwarz.
Gattung Attelabus L. Küfer. Rüssel kurz und dick, etwas kürzer als
der übrige Kopf, der hinter den Augen nicht verlängert und nicht halsartig ein-
geschnürt ist. Halsschild gleichmässig gewölbt, nach vorn verengt. Fühler
elfgliedrig, Keule dreigliedrig. Schienen innen gezähnt.
Auch bei dieser Gattung kommt praktisch nur eine Art in Frage, es ist
der von England bis Spanien und von Sibirien bis zum Kaukasus verbreitete:
A. curculionoides L. Flügeldecken mit Punktreihen, deren Einzelpunkte
ziemlich gross und nicht sehr dicht aneinandergereiht sind, Raum zwischen den
Punktreiben wieder fein punktirt. Bei der gewöhnlichen Form Kopf und Unter-
seite tiefschwarz, Halssch ld und Flügeldecken roth. Die schwarze, beziehungs-
weise bläuliche Färbung kann bei einigen Varietäten mehr weniger ausgedehnt
auf Halsschild und Flügeldecken übergreifen. Länge 3—5 mm.
Gattung Rhynchites Hssr. Rüssel wenigstens von Kopfeslänge, meist
sänger. Kopf hinter den Augen etwas verlängert, aber nicht eingeschnürt. Hals-
schild kaum länger als in der Mitte breit, nach vorn verengt, an den Seiten
etwas gerundet erweitert. Fühler elfgliedrig mit drei getrennten Endgliedern,
stets in der Nähe der Mitte des Rüssels eingefügt. Vorderkiefer auch an
der Aussenseite mit Zähnen versehen. Innenrand der Vorderschienen nicht gezähnt,
Bei denjenigen Arten, welche besondere Kunsttriebe zur Unterbringung
ihrer Eier ausüben, ist, da dieses immer nur durch die @ @ geschieht, der Rüssel
der letzteren uach Länge und Statur, Einlenkung der Fühler und Gestaltung
der Vorderkiefer von dem der 3 Ö verschieden.
356 Kap. IX. Die Käfer.
Aus dieser 24 paläarktische Arten umfassenden Gattung haben wir nur
einige Arten hervorzuheben, unter ihnen Vertreter der beiden Untergattungen,
in welche Rhynchites zerfällt wird. Die erste nur wenige Formen umfassende
Untergattung Bytiscus ist ausgezeichnet durch kleine, kurz oval bleibende und
daher die Episternen der Hinterbrust nicht erreichende Hinterhüften. Hierher gehört:
Rh. Alni Mürr. (betuleti Fasr.), der Rebenstecher. Käfer mit glattem
Halsschilde und zahlreichen Längsreihen unter sich gleicher, mittelgrosser, nicht
zusammenfliessender Punkte auf den Flügeldecken. Der ganze Körper ist ein-
farbig grün oder blau, die Stirn seicht gefurcht. Länge mit Rüssel 6 —9 mm.
d mit Seitendorn am Halsschilde. Zu derselben Untergattung gehört in Europa
nur noch
Rh. Populi L., dessen Käfer sich durch die geringere Grösse, nur
4—6 mnı Länge einschliesslich des Rüssels, durch die tiefe Furchung der Stirn
und durch die blaue Färbung der Unterseite bei grünen oder goldrothen Flügel-
decken, also durch Zweifarbigkeit auszeichnet.
Die zweite Untergattung, welche oft als Rhynchites im engeren Sinne
bezeichnet wird, hat lange, quer bis zu den schmalen Episternen der Hinterbrust
reichende Hinterhüften.
Rh. Betulae L., der Trichterwickler, die einzige hier näher zu besprechende
Form ist ein kleiner, 25—4mm langer, mattschwarzer Käfer mit bräunlicher
Behaarung. Rüssel breit und kurz, beim ÖS' etwas kürzer, beim Q@ ebensolang
wie der hinten verengte Kopf. Hinterschenkel des Ö stark verdickt, innen mit
einer Reihe feiner Sägezähne, ebenso die Hinterschienen an ihrer Innenseite be-
setzt. Hinterschenkel des @ einfach keulenförmig, Schienen innen rauh gekörnt.
Forstliche Bedeutung der Attelabiden. Diese Familie zerfällt
biologisch nach Wasmann [63, S. 227] nach der Art der von dem
Weibchen geübten Brutunterbringung und also auch nach der Lebens-
weise ihrer Larven in fünf Gruppen:
1. Die Fruchtbohrer legen ihre Eier in junge Früchte, deren
Stiel sie anschneiden, damit die Frucht bald abfalle, z. B. Rhynchites
Bacchus L., der Apfelbohrer.
2. Die Holzbohrer legen ihre Eier in holzige Zweige, von
deren Mark wahrscheinlich die Larve lebt, z. B. Rhynchites pubes-
cens Fapr. an Eiche, eine Brutversorgung, der übrigens eine forst-
liche Bedeutung nicht zukommt.
. 3. Die Triebbohrer legen ihre Eier in junge Triebe, welche
sie anschneiden, damit sie welken und abfallen, z. B. Rhynchites
conicus Irr. an Stein- und Kernfruchtbäumen.
4. Die Blattstecher legen ihre Eier in ein Bohrloch am
Grunde der Mittelrippe eines Blattes, welches in Folge dessen ver-
trocknet und abfällt. Hierher gehört Rbynchites Alliariae Pay. an
Kichen- und Obstbäumen.
5. Die Blattwickler, welche ihre Eier in künstlich zusammen-
gewickelte Blätter legen, die alsdann vertrocknen und mit ihrer
Blattsubstanz den Larven zur Nahrung dienen. Nur letztere Gruppe
ist forstlich beachtenswerth, weil nur sie schon mitunter durch aus-
gedehntere Blätterzerstörung merklich schädlich wurde. Die Art, wie
diese Käfer die Blätter rollen, ist aber noch sehr verschieden. Wir
unterscheiden zunächst Blattwiekler, die keinen Blattschnitt ausführen,
und solche, die denselben anwenden.
pi
Attelabiden im Allgemeinen und blattwiekelnde Formen. 357
A. Blattwickler ohne Blattschnitt.
Diese Käfer schneiden den Trieb, welcher die zum Wickeln
bestimmten Blätter trägt, an, sodass er welkt und wickeln dann ein
oder mehrere Blätter zu lang herabhängenden zapfenförmigen Rollen,
in denen die Eier untergebracht werden. Hierher gehört der an den
meisten Laubhölzern und Fruchtbäumen vorkommende Rh. Alni Mürr.
(betuleti Fagr.), welcher aber, weil er namentlich an den Reben im
Süden durch seine Thätigkeit hervorragend schädlich ist, als Reben-
stecher bezeichnet wird.
Dieser ir allen weinbauenden Ländern, namentlich am Rhein, in Oesterr-
reich, in Frankreich und Italien, mit sehr verschiedenen Trivialnamen bezeichnete
Käfer fliest von Mai bis Juli und dreht die oben beschriebenen Wickel zur
Unterbringung seiner Eier, die meist in der Mehrzahl in einem Wickel sich
finden. Die Larven verlassen erwachsen den Wickel und verpuppen sich in einer
kleinen Erdhöhle. Die Generation ist einjährig. Die fertigen Käfer erscheinen
theils noch in demselben Herbst und überwintern alsdann frei, theils verlassen
sie die Erde erst im näclısten Frühjahr. Nur in Weinbergen, in denen das Thier
schonhäufig sehr schädlich autgetreten ist, empfiehlt sich das Ablesen der Käfer
und das Sammeln und Verbrennen der Wickel.
In der deutschen Literatur sind die genauesten Beobachtungen über den
Rebenstecher von NöRrnLIxGEer [VIll, S. 152—174 und XXIV, S. 15] und von
ScHmiDr-GöBEL [56] publieirt worden.
Rh. PopuliL. lebt namentlich auf Aspen und verwendet angeblich immer
nur ein Blatt zu seiner Rolle.
B. Blattwickler mit Blattschnitt.
Diese T'hiere verwenden stets nur den Endabschnitt eines
Blattes zur Herstellung ihres Wickels, nachdem sie denselben vorher
durch einen Einschnitt von dem Basalstücke theilweise abgetrennt
haben.
Im einfachsten Falle wird von einer Seite her der Ein-
schnitt bis über die Mitte weggeführt, sodass die Verbindung
zwischen Blattbasis und Wickel durch den stehen gebliebenen
Randtheil der Blattfläche vermittelt wird, während die Mittel-
rippe durchgetrennt ist. Fig. 131 stellt ein solches Röllchen
aus einem Haselblatte dar, welches von dem einzigen in
Mitteleuropa so, arbeitenden Käfer, von Apoderus Coryli L.
verfertigt ist. Wir haben diese. an der Durchschneidung
der Mittelrippe leicht kenntlichen Rollen am häufigsten auf
Hasel gefunden, während sie RarzerurG und WASsMAnN
[63, S. 229] auch von Erlen-, Buchen-, Hainbuchen-, Eichen-
und Birkenbüschen kennen. Die gesammte Entwickelung von
Apoderus geht in dem Wickel selbst vor sich und dauert
nur zwei Monate, so dass eine höchstens einjährige Generation
Regel zu sein scheint. Dagegen kann unter ee Ver-
hältnissen auch eine doppelte Generation vorkommen. - r
Die übrigen Blattwickler mit Blattschnitt schneiden Fig. 18%, ‚Van.Apo-
dagegen von beiden Seiten gegen die unverletzt bleibende
Mittelrippe zu, und der Wickel bleibt also mit der Blattbasis
durch die Mittelrippe verbunden. Die aus dem abgegrenzten
Blatttheile gemachten Wickel können aber wieder nach zweierlei Prineipien eon-
struirt sein.
derus Coryli L. aus
einem Haselblatte
verfertigtes Röllchen.
358 Kap. IX. Die Käfer.
Attelabus curculionoides L. macht kurze, eylindrische Röllchen (Fig. 132),
welche so gefertigt sind, dass die zu einer Spirale gebogene Mittelrippe den
Rand der die obere Begrenzung der Rolle bildenden Kreisfläche einnimmt. Der
hierzu ausgeführte Schnitt ist ganz einfach gerade. Nie werden mehrere Röllehen
aus einem Blatte gefertigt. Am häufigsten werden Eichenblätter gewickelt, doch
im Süden und in Gärten, z. B. im Tharander Forstgarten, werden auch häufig
Blätter der echten Kastanie benützt. Auch an Erlen hat Nırscnhe solche Röllchen
Fig. 132. Blattrolle aus dem Blatte einer echten Kastanie gefertigt von Attelabus
eurculionoides L.
beobachtet. Die Larven entwickeln sich nach Wasmann viel langsamer, als die
von Apoderus, überwintern im Wickel und gehen erst im nächsten Frühjahre
zu einer kurzen Puppenruhe in die Erde. Ihre Generation ist also einjährig.
Rhynchites Betulae L. macht dagegen kegelförmige, an ihrem dicken
Ende wie eine Papiertüte zugebogene Wickel, welche mit ihrer Spitze der stehen-
gebliebenen Blattbasis anhängen, bei denen also die Mittelrippe völlig gestreckt
im Inneren der Tüfe liest (Fig 133 5). Die beiden zur Abtrennung der Wickel-
A B C
fläche gemachten Einschnitte sind ferner sehr complieirt und treten an die
Mittelrippe in verschiedener Höhe heran (Fig. 133 A). Der in der rechten Blatt-
hälfte befindliche beginnt in Form eines aufrechtstehenden $ näher am Blattstiel
und tritt ziemlich tief an die Mittelrippe heran, während in der linken Blatthälfte
der Einschnitt einem liegenden $S— @ — ähnelt und höher an die Mittel-
rippe herantritt. In einer schönen Arbeit haben nun Deser und Hekıs [I2]
nachgewiesen, dass diese Anbringung der Schnitte, die für die Ausführung der
Arbeit vortheilhafteste ist. Da die Schnitte nicht an denselben Punkt der Mittel-
SE.
Blattwickelnde Attelabiden. Cureulioniden im Allgemeinen. 359
rippe herantreten, so ist die Verbindung von Tüte und Blattbasis eine sehr feste,
andererseits bietet aber die Form der abgetrennten Blatthälften auch vom
mathematischen Standpunkte aus betrachtet beim Wickeln grössere Vortheile,
als wenn die Einschnitte einfachere Curven wären. Ja es lässt sich sogar nach-
weisen, dass der rechtsseitige S-förmige Einschnitt in bestimmtem geometrischen
Verhältnisse zu dem rechtsseitigen Blattrande steht, wenn man von dessen
Zähnelung absieht (Fig. 133C'). Man kann nämlich die untere Hälfte des stehenden
S auffassen als Theil eines Kreises, der zu dem äusseren Blattrande nach der
von Huygens aufgestellten Evolvententheorie im Verhältnisse von Evolute zu
Evolvente steht. Der Käfer löst also praktisch eine höchst schwierige, mathe-
matische Aufgabe, nämlich die Evolute aus der Evolvente zu construiren.
Das Geschäft des Aufrollens beginnt auf der rechten Blatthälfte, um
welche dann gewissermassen als Decke die linke Blatthälfte äusserlich herum-
gewickelt wird. Nachdem das Weibchen zwei bis vier Eier in kleine, besonders
hierzu zwischen Oberhaut und Mark des Blattes ausgenagte Taschen gelegt hat,
schliesst es die Tüte am unteren Ende.
Das ganze complicirte Werk erfordert ungefähr eine Stunde. Die aus den
bald nach Belaubung der Birken abgelegten Eiern ausschlüpfenden Larven sind
nach zwei bis drei Monaten ausgewachsen, fressen sich durch den Wickel durch,
fallen zu Boden, bauen sich hier eine kuglige, innen geglättete Höhle, in der
sie sich im Herbst verpuppen. Der Käfer schlüpft im nächsten Frühjahr aus, die
Generation ist also einjährig. Gewöhnlich trifft man diese Wickel auf Birken,
und nur ausnahmsweise auf Buchen, Hainbuchen, Erlen und Haseln. Im Tharander
Forstgarten ging der Käfer im Frühjahr 1887 aber nicht blos die einheimischen
Birkenarten, sondern auch die ve:schiedensten dort gezogenen ausländischen an,
z. B. die amerikanische Betula lenta L.
Ein abwehrendes Einschreiten gegen diese Käfer hat sich bisher noch
nicht nöthig gemacht.
Die Familie der Rüsselkäfer, Curculionidae, im engeren
Sinne. Allgemeines. Als Rüsselkäfer im engeren Sinne bezeichnen
wir alle rüsseltragenden tetrameren Käfer, welche deutlich gebrochene
Fühler haben und deren Weibchen behufs Ablage der Eier die Wohn-
pflanzen der zukünftigen Larven nur äusserlich besuchen, nicht mit
ihrem ganzen Leibe, Muttergänge machend, in sie eindringen oder die
Eier direct in den Boden legen. Die Jugendzustände dieser Formen
bieten, was ihren Bau betrifit, gegenüber denen der übrigen, bereits
besprochenen Rüsselträger keine scharfen Unterschiede. Die Zahl der
hierher gehörigen Formen ist sehr bedeutend. Sind doch allein aus
dem europäisch-kaukasischen Faunengebiete nicht weniger als 204
Gattungen mit 2662 Arten bekannt geworden.
Für den Forstmann sind aber nur verhältuissmässig wenig Gat-
tungen und Arten wirklich wichtig, wenngleich die Zahl der Arten,
welche von Holzpflanzen leben, bedeutend grösser ist. Dagegen ge-
hören jene beachtenswerthen Arten zu den allergefährlichsten Feinden
unserer Forste. In den meisten Fällen sind es die Larven, in einigen,
darunter aber den wichtigsten, die Käfer, selten beide Zustände zu-
eleich, welche die Verheerung veranlassen.
; Die Familie der Rüsselkäfer, Curculionidae, zerfällt in 2 grosse
Unterfamilien, in die Kurzrüssler, Curculionides, und die Langrüssler,
Rhynchaenides, abgeleitet von zwei grossen ‚älteren Gattungen Cur-
eulio L. und Rhynchaenus Gyrr., welche von der modernen
Systematik schon längst in kleinere, schärfer begrenzte Gattungen
360 Kap. IX. Die Käfer.
aufgelöst worden sind. Jede dieser Unterfamilien muss der Uebersicht
halber wieder in eine Reihe von Gruppen zerlegt werden, von denen
wir aber hier nur wenige eingehend behandeln können. Es sind dies
unter den Kurzrüsslern die Gruppen der Otiorrhynchina und Phyllo-
biina, unter den Langrüsslern die Hylobiina, die Cryptorrhynchina,
die Pissodina, die Balaninina, die Orchestina, die Cionina, die Antho-
nomina, die Magdalina, also im Ganzen 10 Stück.
Die Kurzrüssler oder Curculionides sind im Allgemeinen durch
den kurzen breiten Rüssel gekennzeichnet, an welchem ziemlich vorn,
in der Nähe der Mundwinkel, die mit langem, die Augen wenigstens
erreichendem Schafte versehenen Fühler eingelenkt sind. Die über-
haupt bekannt gewordenen Larven leben sämmtlich unterirdisch von
Pflanzenwurzeln. Einem Theile dieser Kurzrüssler fehlt das zweite
Flügelpaar, die eigentlichen Flusflügel. Wir rechnen mit dem schwe-
dischen Entomologen C. G. Tmomson alle Augunfähigen Kurzrüssler
zu der Gruppe der Otiorrhynchina, während wir, wieder nach diesem
Forscher, alle übrigen hier erwähnenswerthen Gattungen in der Gruppe
der Phyllobiina zusammenfassen.
Die Lebensgeschichte der zu den Otiorrhynchina gehörigen
Arten ist nur bei verhältnissmässig wenigen aufgeklärt, eine That-
sache, aus welcher hervorgeht, dass in beiweitem den meisten Fällen
nur die Käfer selbst, nicht die Larven forstlich schädlich werden,
denn wäre dies anders, so wären wir längst schon besser über die
Biologie der Larven unterrichtet. Die meisten derselben scheinen
äusserlich an der Nährpflanze zu leben, namentlich unterirdisch nach
Art der Engerlinge die Wurzeln zu verzehren.
Der Schaden der Käfer bestekt wesentlich im Benagen von
Rinde und Blättern bei Laub und Nadelholzpflanzen jüngeren und
höchstens mittleren Alters. Wirklich grossartige Verheerungen sind
durch sie noch nicht hervorgerufen worden. Das gleiche gilt von der
Gruppe der Phyllobiina.
Zu den Kurzrüsslern gehört die Mehrzahl derjenigen Formen,
welche von RATzEBuURG in den früheren Auflagen dieses Werkes als
graue, grüne und schwarze Rüsselkäfer zusammengestellt worden sind,
also die Gattungen Otiorrhynchus Germ., Cneorrhinus ScHÖNH.,
Strophosomus BitLe., Brachyderes ScHönH., Sitona GERM., Metallites
GERM., Polydrusus GERM., Phyllobius SchönH. und Scythropus ScHÖNH.
Als Langrüssler, Rhynchaenides, bezeichnen wir die Formen
mit im allgemeinen längerem und drehrundem Rüssel, deren mit ver-
hältnissmässig kurzem, die Augen meist nicht erreichendem Schafte
versehene Fühler näher an der Mitte als an der Spitze des Rüssels
eingelenkt sind. Diese Gruppe enthält Formen, welche theils als
Käfer, theils als Larven schaden, und wir sind namentlich über die
Lebensweise der letzteren, die bäufig im Inneren ihrer Nährpflanze
leben, vielfach sehr gut aufgeklärt.
Den Uebergang von der vorhergehenden Unterfamilie bildet die
Gruppe der Hylobiina, indem hier der Rüssel selbst zwar schon
Cureulioniden im Allgemeinen. 561
völlig die Kennzeichen der Langrüssler trägt, dagegen die Fühler
an ihm noch ziemlich weit vorn eingelenkt sind. Hierher gehört vor
allem die Gattung Hylobius ScHöxH., mit ihrem hervorragendsten
Vertreter dem H. Abietis_L., der ja unter dem missbräuchlich auf ihn
gedeuteten Namen (urculio Pini oder als „grosser brauner Rüssel-
käfer”’” jedem Forstmanne als Erbfeind unserer Nadelholzkulturen
bekannt ist. Diese Gattung schadet nur als Käfer, der Larvenfrass
ist nicht von praktischer Bedeutung. Ihr schliesst sich die Gattung
Cleonus SCHÖNH. an.
Die Cryptorrhynchina oder Verborgenrüssler heissen so, weil
sie im Stande sind, den Rüssel völlig in eine auf der Brustmitte ver-
laufende Rinne zu verbergen. Hierher gehört von wichtigen Thieren
lediglich der als Erlenrüsselkäfer, Cryptorrhynchus Lapathi L., bekannte
Forstschädling, dessen Larven gefährliche Feinde für die jüngeren
Erlenbestände sind.
Die Pissodina, in ihrer äusseren Erscheinung den Hylobiina,
namentlich dem grossen braunen Rüsselkäfer, sehr ähnlich, aber trotz-
dem durch die höhere Einlenkung der Fühler leicht zu unterscheiden,
sind, wenigstens was die wichtigsten Arten der Gattung Pissodes
Germ. betrifft, auch biologisch leicht zu kennzeichnen. Ihre Larven
leben zwischen Rinde und Holz von Nadelhölzern und bringen daher
meist ältere Stämme durch Unterbrechung der Safteireulation zum
Absterben. Nur zwei Arten haben eine abweichende Lebensweise, die
eine geht an jüngere Stämme, die andere an Zapfen. Stets sind aber
die Larven, nicht die Käfer selbst, schädlich. Die „kleinen braunen
Rüsselkäfer”’, von Rarzegurg als Kulturverderber angeführt, und der
Harzrüsselkäfer, ein Bestandsverderber, gehören hierher.
Die Balaninina sind die typisch ausgebildeten Langrüssler ;
ihr fadendünner, gekrümmter Rüssel übertrifft mitunter, namentlich
bei dem Weibchen, an Länge den gesammten übrigen Leib.
Nur die Gattung Balaninus „Nussbohrer”’” kommt hier in Frage.
Biologisch ist sie eine scharf begrenzte Gruppe, deren Larven im
Inneren von Baumfrüchten leben, welche sie durch Aufzehren des
Samens taub machen.
Die Orchestina sind kleine Langrüssler mit kräfüg ausgebildeten
Springbeinen. Ihre Larven sind Blattminirer, während die Käfer als
Blattfresser die immerhin nicht sehr beträchtlichen Zerstörungen der
Larven vergrössern. Hierher gehört als Buchenfeind Orchestes Fagi L.
Die Cionina sind wenig bemerkenswerthe Blattzerstörer, deren
einzige forstlich aufzuführende Art der Eschenblattkäfer, Cionus Fraxini
DE Geer ist.
Von den dem Gärtner, namentlich dem Obstzüchter, sehr schäd-
lichen Anthonomina wird forstlich meist nur eine Art, der den Kiefer-
nadeln verderbliche Brachonyx pineti Pay. (indigena Hesr.) erwähnt.
Die die „blauen Rüsselkäfer” umfassenden Magdalina werden
als Larven in. älteren Nadelholzkulturen schädlich,
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde. IL
362 Kap. IX. Die Käfer.
Systematik. Die grosse Anzahl der Rüsselkäfer macht eine
Eintheilung dieser Familie in Unterfamilien und Gruppen nöthig.
Wir folgen in der Begrenzung dieser Gruppen im Wesentlichen dem System,
welches C. G. Tuonsox in seinem berühmten Werke: Skandinaviens Coleoptera
Tom. VIL u. X. Lund 1865 u. 1868 angewendet hat, Da dieser Forscher aber
die Gattungen Calandra und Cossonus im weiteren Sinne als eine eigene
Familie Cossonidae von den eigentlichen Curculionidae getrennt hat, ein Vor-
gang, dem wir uns der Einfachheit wegen nicht anschliessen können, so hätten
wir eigentlich diese Gruppen mit in die Systematik der Curculionidae im
weiteren, gewöhnlichen Sinne aufnehmen müssen. Da sie aber für den Forst-
mann von keinerlei Bedeutung sind, glaubten wir von dieser Umarbeitung um
so eher absehen zu dürfen, als uns auch das Tuousox’sche System noch
durchaus nicht für die Dauer festzustehen scheint.
Familie: Eigentliche Rüsselkäfer, Curculionidae.
1. Unterfamilie, Kurzrüssler, Curculionides. Rüssel kurz und
breit, Fühlerschaft lang, zurückgelegt die Augen wenigstens erreichend,
Einlenkungsstelle der Fühler der Rüsselspitze näher, wie den rundlichen
Augen. Fühlerfurche nach vorn bis zur Einlenkung der starken Vorder-
kiefer verlängert. Mittelkiefer von den Hinterkiefern, d. h. also von dem
Kinn der „Unterlippe” meist verdeckt.
1. Gruppe. Otiorrhynchina. Kopf hinter den Augen kaum ver-
längert, Halsschild kuglig oder kurz eiförmig. Schildchen fehlt. Flügel-
decken ohne vorstehende Schultern, an der Naht verwachsen. Flug-
flügel fehlen.
a) Formen mit freien Fussklauen.
Gattung Otiorrhynchus Gern.
Käfer: Kopf vorgestreckt, Rüssel an der Wurzel der Fühler lap-
pig erweitert, Fühler am Mundwinkel eingelenkt, die kurze Fühlerfurche
nach dem oberen Augenrande gerichtet. Fühlerschaft doppelt so lang wie die
Furche, Geisel 7gliedrig mit 3gliedriger Keule. Flügeldecken an den Schultern
stark gerundet, meist in der Mitte am breitesten. Schienen mit gekrümmtem
Haken.
Larve; Die wenigen bekannten nach Engerlingsart im Boden von Pflanzen-
wurzeln lebend. Von dieser grossen, über 300 europäische Arten zählenden
Gattung sind forstlich wirklich beachtenswerth nur einige Arten, welche zu der
Untergattung Otiorrhynchus im engeren Sinne gehören, ausgezeichnet durch
zehnstreifige Flügeldecken, gekörnten, gerunzelten oder punktirten, nicht glatten
und glänzenden Bauch und an der Spitze nicht besonders erweiterte Vorder-
schienen. Es sind dies zunächst;
Ot. niger FAgr. und
Ot. ovatus L., welche in Folge der Wurzelbeschädigungen, die ihre
Larven vollführen, in die 1te von uns gebildete biologische Gruppe der Rüssel-
käfer (vergl. S. 370 u. f.) gehören. Ausserdem kommen ncch in Betracht:
Ot. singularis. L.
Ot. irritans Hssı. und
Ot. perdix Orıv., welche, wie die meisten übrigen Kurzrüssler, nur als
Käfer durch Rinden- und Blattbeschädigungen unangenehm werden, und daher
in unsere 6te biologische Gruppe (vergl. S. 403) zu rechnen sind.
Systematik der Cureulioniden. 363
b) Formen mit am Grunde verwachsenen Fussklauen.
&) Fühlerschaft die Augen kaum überragend, Fühler nicht
auffallend verdünnt.
Gattung Cneorrhinus Scuöss. Küfer: Rüssel vorn nicht erweitert, Kopf
hinter den das Halsschild nicht berührenden Augen nicht eingeschnürt, Fühler-
furche nach abwärts gebogen. Glied 1 der Fühlergeissel verlängert, die übrigen
kurz und gedrungen; Schienen der Vorderbeine an der Spitze schaufelförmig
erweitert, Hinterschienen aussen schief abgeflächt und dicht kurz beborstet.
Allgemeine Körperform kurz und gedrungen,
Larve: im Boden lebend. Die einzige deutsche Art,
Cn. plagiatus Scuatt. (geminatus FABr.) zerstört als Käfer durch ober-
irdischen Frass ganz junge Kiefernkulturen und gehört daher in unsere 6te
biologische Gruppe (vergl. S. 403).
Gattung Strophosomus Bırız. Küfer: Rüssel vorn nicht erweitert, Kopf
hinter den das Halsschild fast berührenden, stark vorstehenden kleinen Augen
eingeschnürt, Fühlerfurche unter die Augen gebogen. Glied 1 und 2 der Fühl er-
geissel verlängert, die übrigen kurz. Hinterschienen an der Spitze aussen nicht
schief abgeflächt. Allgemeine Körperform kurz und gedrungen.
Larve: in der Erde lebend, an dürren Stellen unter der Moosdecke,
Forstlich wichtig sind nur zwei Arten:
Str. obesus Marsa. und
Str. Coryli FApr., welche beide als Käfer Rinde und Blattorgane junger
Nadel- und Laubhölzer anfressen und daher iu unserer 6ten biologischen Gruppe
besprochen werden (vergl. S. 403). Erwähnt wird ausserdem noch Str. lateralis
PAyk (limbatus FABR.).
ß) Fühlerschaft die Augen weit überragend, Fühler auffal-
lend verdünnt.
Gattung Brachyderes ScHhöx#. Käfer: Rüssel an der Spitze mit einem
halbkreisförmigen Eindrucke. Fühlerfurche nach dem unteren Rande der stark
vorstehenden Augen gerichtet, Glied 1 und 2 der Fühlergeissel stark verlängert,
2 am längsten. Ende der Hinterschienen etwas erweitert, schwarz beborstet. All-
gemeine Körperform langgestreckt.
Larve: Im Boden lebend.
Die einzige hier in Frage kommende Art ist Br. incanus L., welche
schon lange dafür bekannt ist, dass sie Rinde und Blattorgane von Laub- und
Nadelhölzern, namentlich von Kiefern, als Käfer benagt, In neuerer Zeit ist aber
auch die Larve als Wurzelzerstörerin von Nadelhölzern bekannt geworden, und
dieser Käfer wird daher sowohl in unserer 1ten biologischen Gruppe (vergl.
S. 371) als auch in der 6ten (vergl. S. 403) besprochen werden,
2. Gruppe. Phyllobiina. Kopf hinter den Augen verlängert,
. Halsschild fast eylindrisch, in der Mitte wenig oder gar nicht auf-
getrieben, Schildchen vorhanden, wenngleich oft schwach entwickelt.
Flügeldecken an der Naht nicht verwachsen, mit vorstehenden Schulter-
beulen und parallelen Aussenrändern, Körperform also immer lang-
gestreckt. Flugflügel entwickelt.
a) Formen mit freien Fussklauen.
Gattung Sitona Geru. Küfer: Rüssel mit vertiefter Mittelfurche, Fühler -
furchen scharf ausgeprägt und unter die Augen winklig herabgebogen, Fühler-
schaft die Augen nicht überragend. Kinn die Mittelkiefer nicht verdeckend.
Larve: Im Boden lebend. Die Angaben über Verpuppung in Cocons an
den Blättern der Nährpfanzen scheinen apokryph zu sein, Die gewöhnlich in
den Forstentomologien erwähnten Formen:
24*
364 Kap. IX. Die Käfer.
S. lineatus L. und
S. Regensteinensis Hssr. sind als sehr’ polyphage Thiere auch durch Ab-
fressen von Nadeln unangenehm geworden, und werden daher S. 407 in der
Tten biologischen Gruppe erwähnt.
b) Formen mit am Grunde verwachsenen Fussklauen.
«) Fühlerfurchen unter die Augen herabgebogen.
Gattung Metallites Germ. Käfer: Rüssel sehr kurz, vierkantig, Fühler-
furchen tief, scharf nach abwärts gebogen, aber auf der Kehle nieht zusammen-
fliessend. Geisselglied 1 kurz und dick, aber länger und dicker als 2, Glied
4 bis 7 sehr kurz,
Larve: Im Boden lebend.
Als sogenannte „grüne Fichtenrüsselkäfer”’ kommen in Betracht:
M. mollis Germ. und
M. atomarius Ouıv., welche beide als Käfer durch Benagen von Nadelr
und Trieben Fichtenkulturen schädigen, daher in der 7ten unserer biologischen
Gruppen (vergl. S. 408) abgehandelt werden.
Gattung Polydrusus Gerwm. Käfer: Rüssel sehr kurz, Fühlerfurchen tier,
scharf nach abwärts gebogen und auf der Kehle sich vereinigend. Körper weich,
beschuppt. Geisselglieder 1 und 2 schlank und von ziemlich gleicher Länge.
Larve: Im Boden, Die Angabe, dass sie in zusammengesponnenen
Gipfelblättern von Laubhölzern lebte, scheint völlig apokryph.
Als Laubholzschädiger durch Blatt- und Rindenbenagung werden in der
Tten unserer biologischen Gruppen anzuführen sein (auf S. 408).
Pol. mollis Srroem. (micans FABr.) und
Pol. cervinus L.
Gattung Scythropus Scuöxn. Käfer: Rüssel sehr kurz, an der Spitze
mit einem halbkreisförmigen glatten, durch eine erhabene Bogenlinie von dem
übrigen Rüssel abgegrenzten Felde, Fühlerfurche seicht. Fühler die kleinen
Augen weit überragend,
Larve unbekannt.
Sc. mustela Hesr. ist erwachsen als Nadelfresser auf Kiefern bekannt
geworden und gehört in die 7te biologische Gruppe (vergl. S. 408).
3) Fühlerfurchen auf der Oberseite des Rüssels convergire nd.
Gattung Phyllobius Scuösu. Käfer: Fühlerfurchen sehr seicht. Fühler-
schaft die sehr vorspringenden Augen weit überragend.
Larve: Unter der Erde lebend. Die gegentheiligen Angaben wahrscheinlich
apokryph.
Aus dieser Gattung sind namentlich:
Ph. argentatus L.,
Ph. psittacinus Germ.,
Ph. viridicollis Faerr. und
Ph. oblongus L. als Laubholzbenager in der 7ten biologischen Gruppe
(vergl. S. 408) zu erwähnen.
2. Unterfamilie, Langrüssler, Rhynchaenides. Rüssel lang und
meist drehrund, Fühlerschaft kürzer, zurückgelegt die Augen meist nicht
erreichend. Einlenkung der Fühler meist vom Mundwinkel entfernt in der
Mitte zwischen der Rüsselspitze und den meist länglichen, quergestellten
Augen. Fühlerfurche nach vorn nicht verlängert. Vorderkiefer abgeplattet.
Mittelkiefer von den Hinterkiefern, d. h. also von dem nur stielartig
entwickelten Kinn der „Unterlippe” meist nicht verdeckt. Rand des Hals-
schildes die Augen meist erreichend und öfters theilweise verdeckend.
Systematik der Cureulioniden. 365
A. Pygidium von den Flügeldecken bedeckt. Flügeldecken am
Ende nicht einzeln für sich abgerundet. Fussklauen meist frei, unten
nicht gezähnt.
1. Vorderhüften in der Mittellinie an einander stossend, Schen-
kel meist unbewaffnet.
a) Rüssel ziemlich dick, nur leicht gebogen. Vorderkiefer kurz.
Augen meist quergestellt. Fühler meist kurz hinter der Rüsselspitze
eingelenkt. Flügeldecken nur sehr selten den Grund des Halsschildes
verdeckend.
3. Gruppe. Hylobiina. Schienen an der Spitze mit einem starken
Haken. Flügeldecken hinten nicht schnabelförmig verengt und herab-
gebogen. Epimeren der Hinterbrust frei. Glied 7 der Fühlergeissel
gross und der Fühlerkeule stark genähert.
Gattung Hylobius Scaöxu. Küfer: Fussklauen gross, weit auseinander
stehend, Flügeldecken den Grund des Halsschildes nicht bedeckend. Schildehen
deutlich. Rüssel ziemlich lang, gerundet, schwach gekrümmt, an der Spitze
etwas erweitert. Fühler nahe am Mundwinkel eingefügt, der Schaft den Vorder-
rand der Augen kaum erreichend, die zwei ersten Geisselglieder länglich, die
folgenden kurz. Halsschild auf der Bauchseite vorn ausgeschnitten und seitlich
mit bewimperten Augenlappen. Fühlergrube lang, nach dem Unterende .der
Augen aufsteigend. Schildchen deutlich. Flügeldecken mit stumpf vorstehenden
Schultern, jede mit kleiner Schwiele vor der Spitze. Beine lang, Schienen mit
kräftigen Hornhaken an der Spitze, Vorderschienen mit zweibuchtigen Innen-
rändern. Geflügelt.
Larve in flachstreibenden, absterbenden Nadelholzwurzeln lebend.
Als wichtigster aller Rüsselkäfer in forstlicher Beziehung ist hier
H. Abietis L, der grosse braune Rüsselkäfer zu nennen, welcher in
Verbindung mit dem biologisch fast gleichwerthigen
H. Pinastri Gyrr. als Nadelholzkulturverderber durch Rindennagen in
der 8ten biologischen Gruppe behandelt werden wird.
Zu erwähnen ist ferner noch
H. piceus DE GEER (pineti Farr.).
Gattung Cleonus Scnöxu. Käfer: Fussklauen an der Basis verwachsen.
Flügeldecken den Grund des Halsschildes bedeekend. Schildehen klein. Rüssel
kürzer als das Halsschild, oben flachgedrückt, kantig, fast immer gekielt oder
gefurcht, beiderseits mit einer tiefen, schnell nach abwärts gebogenen Fühler-
furche. Halsschild unten und vorn stark ausgeschnitten, gewöhnlich so lang als
am Grunde breit, am Hinterrande oben zweimal gebuchtet, vorn verengt und
mit seitlichen gewimperten, die grossen senkrecht stehenden Augen erreichenden
Lappen versehen. Flügeldecken lang gestreckt, Schultern nicht vorragend.
Geflügelt.
Larve unterirdisch. frei im Boden an Pflanzenwurzeln lebend. Forstlich
erwähnt wird nur
Cl. turbatus Faurs., der als Käfer in ähnlicher Weise wie der grösse
braune Rüsselkäfer zu schaden im Verdacht steht. (Vergl. S. 411.)
4. Gruppe. Phytonomina. Forstlich unwichtig.
5. Gruppe. Bagoina. Forstlich unwichtig.
b) Rüssel lang, eylindrisch oder fadenförmig. Fühler kurz vor
der Mitte des Rüssels eingelenkt.
366 Kap. IX. Die Käfer.
6. Gruppe. Lixina. Forstlich unwichtig.
7. Gruppe. Erirrhinina. Forstlich unwichtig.
2. Vorderhüften in der Mittellinie von einander abstehend.
Halsschild an die Flügeldecken dicht anstossend. Schienen kürzer
als die Schenkel, an der Spitze mit einem Haken. Fussklauen frei.
8. Gruppe. Cryptorrhynchina. Rüssel in eine Furche der Mittel-
brust einschlagbar, Vorderschenkel verlängert. Halsschild mit deut-
lichen Augenlappen.
Gattung Cryptorrhynchus Ir. Käfer: Fühler nahe der Mitte des langen,
walzenförmigen, gebogenen Rüssels eingefügt; von den sieben Geisselgliedern
sind die ersten beiden länglich, die folgenden kurz. Drittes Fussglied zwei-
lappig. Vorderhüften von einander entfernt, zwischen denselben auf der Vorder-
brust eine scharf begrenzte, tiefe Furche zur Aufnahme des Rüssels, welche erst
auf der Mittelbrust endigt. Flügeldecken kaum doppelt so lang als breit, an der
Spitze verengt, bedecken den After ganz. Schildchen deutlich. Hinterschenkel
ragen nicht über die Flügeldeckenspitze hinaus.
Larve: Im Inneren des Holzkörpers von Laubhölzern lebend.
m Cr. Lapathi L. (vergl. S. 391) schadet als Larve durch Schwächung und
Deformirung jüngerer Aeste und Stämme von Lavbhölzern und wird in der 3ten
biologischen Gruppe behandelt.
9. Gruppe. Pissodina. Rüssel nicht einschlagbar. Hinterbrust
wenig verkürzt. Basis der Fühlerkeule glatt, fast glänzend.
Gattung Pissodes Germ. Käfer: Fühler nahe der Mitte des Rüssels
e’ngefügt. Fühlerfurche läuft ziemlich gerade bis zum unteren Augenrande. Rüssel
so lang oder wenig kürzer, als das nach vorn stark verengte Halsschild, dessen
Hinterrand zweimal schwach gebuchtet. Schildehen rund, erhaben. Vorderhüften
durch einen schmalen Zwischenraum getrennt. Schenkel ungezähnt. Schienen
gerade, mit starkem Hornhaken an der Spitze. Flügeldecken wenig breiter, als
das Halsschild, den Hinterleib bedeckend, vor der Spitze mit schwielenartiger
Erhabenheit. Körper geflügelt.
Larve: Zwischen Rinde und Holz älterer oder jüngerer Nadelhölzer lebend
oder in den Zapfen.
Aus dieser Gattung sind fast alle einheimischen Arten für den Forstmann
durch ihren Larvenfrass wichtig. Wir finden unter ihnen Kulturverderber
. notatus FAzr. (vergl. S. 377), ferner Bestandsverderber
. Piceae Irr. (vergl. S. 391),
. Pini L. (vergl. S. 388),
. Harcyniae Hssr. (vergl. S. 383),
. piniphilus Hssr. (vergl. S. 380) und Zapfenzerstörer
. validirostris GyLL. (vergl. S. 400). Letzterer wird in der öten bio-
logischen Gruppe, die fünf ersten in der 2ten Gruppe behandelt.
B. Pygidium von den Flügeldecken nicht bedeckt, oder aber
die Fussklauen unten mit einem Zahn bewaffnet. Schienen meist
kürzer als die Schenkel. Fühler mit dünnem, an der Spitze keulen-
‘förmig verdicktem Schafte.
as Bas Bao Bas Bao:
1. Pygidium stets nackt. Episternen der Mittelbrust oberwärts
verbreitert und zwischen dem Grunde der Vorderbrust und den Flügel-
decken sichtbar. Episternen der Hinterbrust breit. Hinterleib nach
hinten zu ansteigend.
N Wi
Systematik der Cureulioniden. 367
a) Hinterleibsringe 2 bis 4 an den Seiten nicht zahnaıtig vor-
gezogen.
10. Gruppe. Balaninina. Rüssel sehr lang, dünn fadenförmig
und gekrümmt. Augen nicht vorstehend. Halsschild vorn nicht ver-
eugt und bauchwärts vor den Vorderhüften kaum ausgeschnitten.
Hinterhüften den Rand der Flügeldecken fast erreichend. Spitzen der
Schienen nach einwärts gebogen.
Gattung Balaninus Germ. Käfer: Körperumriss rhombisch. Fühler
hinter der Mitte des Rüssels eingelenkt. Fussklauen mit einem Zahn versehen.
Wenigstens die Hinterschenkel gezähnt. Füssglied 1 der Hinterbeine in einem
Ausschnitt des Schienenendes eingelenkt.
Larve lebt im Inneren der Früchte von Waldbäumen, welche sie aus-
frisst und vor der Verpuppung, die im Boden erfolgt, verlässt.
Forstlich erwähnenswerth in der öten biologischen Gruppe sind:
B. nucum L. (vergl. S. 398),
B. tesselatus Fourc. (vergl. S. 399),
B. glandium Marsn. (vergl. S. 399),
welche.durch ihren Larvenfrass die Samenernte, beziehungsweise den Ertrag, bei
Haselnüssen und Eicheln, beeinträchtigen.
b) Hinterleibsringe 2 bis 4 an den Seiten zahnartig vorgezogen
11. Gruppe. Coryssomerina. Forstlich unwichtig.
12. Gruppe. Ceutorrhynchina. Forstlich unwichtig.
13. Gruppe. Baridiina. Forstlich unwichtig.
2. Episternen der Mittelbrust zwischen dem Grunde der Vorder-
brust und den Flügeldecken nicht sichtbar. Episternen der Hinter-
brust linear verlängert. Hinterleibsring 3 unterwärts an den Seiten
nur sehr selten zahnartig vorgezogen. Rüssel wenig gebogen. Vorder-
hüften meist aneinanderstossend.
a) Die Hinterbeine sind Springbeine.
14. Gruppe. Orchestina. Rüssel gegen die Brust eingebogen,
ziemlich gerade. Augen auf der Stirne einander genähert oder zu-
sammenstossend. Fühler mit wenig verlängertem Schaft. Hinterleib
mit ziemlich gleichlangen Ringen. Vorderschienen aussen an der
Spitze mit einem kurzen, gekrümmten Zahn bewaffnet. Hinterschienen
unbewehrt.
Gattung Orchestes Ir. Käfer: Fühler deutlich gekniet, hinter der Mitte
des Rüssels, näher den Augen als der Spitze eingefügt, mit 6 oder 7 Geissel-
gliedern, von denen die ersten länglich. Rüssel dünn, rund, mässig gebogen.
Augen gross, rund, vorragend, nur durch eine schmale Hornleiste getrennt.
Halsschild gewöhnlich breiter als lang, vorn verengt, an den Seiten schwach
gerundet erweitert. Schildehen klein, aber deutlich. Flügeldecken länglich-
eiförmig, fast doppelt so breit als das Halsschild, den Hinterleib entweder voll-
kommen bedeekend oder das Pygidium freilassend. Hinterbeine mit stark ver-
diekten Schenkeln, die häufig mit einer Reihe von Zähnchen bewaffnet sind.
Fussklauen am Grunde mit einer grossen zahnförmigen Erweiterung.
La»ve lebt minirend in den Blättern von Laubhölzern, in denen sie sich
auch verpuppt.
O. Fagi L, (vergl. S. 395) und
O. Quercus L. (vergl. S. 395), welche als Larven die Blattorgane von
Buche und Eiche nicht unbeträchtlich beschädigen.
b) Die Hinterbeine sind keine Springbeine,
c) Wenigstens ein Hinterleibsring an den Seiten hinterwärts
zahnartig verlängert.
15. Gruppe. Cionina. Fühler vor der Mitte des Rüssels einge-
lenkt, mit fünfgliedriger Geissel. Vorderhüften keglig vorgestreckt,
aneinanderstossend. Hinterhüften quer, von einander abstehend, die
Epimeren der Hinterbrust erreichend. Hinterleibsringe 1 und 2 sehr
gross, 2 bis 4 zahnförmig verlängert. 2
Gattung Cionus Craırv. Käfer: Rüssel dünn, fadenförmig. Augen nicht
vorragend, vorn an den Seiten des Kopfes. Halsschild kurz, vorn und rückwärts
abgestutzt, vorn etwas verengt. Schildchen länglich. Flügeldecken breit vier-
eckig, eiförmig, mehr als um die Hälfte breiter wie das Halsschild, nur wenig
länger als zusammen breit, den ganzen Hinterleib bedeckend. Schenkel mit |
starkem Zahn vor der Spitze, Schienen an der Spitze mit oder ohne Endsporn.
Drittes Fussglied zweilappig. Klauenglied mit einer einzigen, entweder einfachen
oder in zwei ungleiche Hälften gespaltenen Klaue.
368 ; Kap. IX. Die Käfer.
Forstlich erwähnenswerth sind in der 4ten biologischen Gruppe: |
ü
|
|
Larve: lebt äusserlich als Blattbenager an den Blättern von Kräutern und
Bäumen, an denen sie auch in einem kleinen Cocon die Puppenruhe durchmacht.
Von den vielen einheimischen Arten leben die meisten an Verbascum
und Scrophularia, nur eine in der 4ten biologischen Gruppe besprochene lebt
an der Esche, nämlich
C. Fraxini De Geer (vergl. S. 396), welche sie als Larve sowohl wie als
Käfer schädigt.
16. Gruppe. Tychiina. Forstlich unwichtig.
P) Hinterleibsringe nicht zahnartig verlängert.
a) Fühlergeissel fünfgliedrig.
17. Gruppe. Gymnetrina. Forstlich unwichtig.
b) Fühlergeissel siebengliedrig.
18. Gruppe. Elleschina. Forstlich unwichtig.
19. Gruppe. Anthonomina. Rüssel dünn, fadenförmig, wenig
gebogen, Augen vollkommen rund, vorstehend, vom Halsschild entfernt.
Vorderbeine länger als die anderen, Schildchen gross und erhaben.
Flügeldecken vorn abgestutzt, mit erhabenem Vorderrande.
Gattung Anthonomus Germ. Käfer: Fühler vor der Mitte des langen
dünnen Rüssels eingefügt. Augen an den Seiten des Kopfes ein wenig vor-
springend. Schildchen länglich. Flügeldecken breiter als das Halsschild, mit
stumpfwinklig vorragenden Schultern, nach hinten gewöhnlich etwas erweitert.
Beine verlängert, besonders die Vorderbeine, wenigstens die Vorderschenkel mit
einem Zahn. Letztes Fussglied verlängert. Klauen mit einem Zahn,
Larve meist in den Blüthenknospen von Kern- und Steinobst, deren
Fruchtknoten und Staubfäden sie zerstört. So wichtig aber diese Thiere für
den Gärtner sind, so wenig kommen sie für den Forstmann in Frage. Nur
A. varians Paye. (vergl. S. 400) ist neuerdings durch Larvenfrass in
Kiefernknospen schädlich geworden und im Anschluss an seine fruchtzerstörenden
Verwandten in der 5ten biologischen Gruppe erwähnt.
Systematik und forstliche Bedeutung der Curculioniden, 369
Gattung Brachonyx Scuöxn. Käfer: Fühler hinter der Mitte des Rüssels
eingefügt. Geisselglieder kurz, nur 1 und 2 länglich. Augen an den Seiten des
Kopfes, schwach gewölbt. Halsschild merklich länger als breit, gegen die Spitze
schwach verengt. Schildehen klein, punktförmig, etwas erhaben. Flügeldecken
etwas breiter als das Halsschild, mehr als doppelt so lang als zusammen
breit, gegen die Spitze etwas erweitert, fast walzenförmig, den Hinterleib ganz
bedeckend. Schenkel ungezähnt, Schienen halb so lang als die Schenkel, an
der Spitze ohne Hornhaken, Fussglied 3 sehr breit, zweilappig, das Klauenglied
kurz, nur wenig vorrasend, mit zwei einfachen Klauen.
Larve lebt und verpuppt sich in den Nadelscheiden der Kiefer.
Br. pineti Pay. (indigena Hssr.) ist die einzige Art, welche mitunter
die Kiefernadeln als Käfer sowohl, wie als Larve beschädist und wird in der
4ten biologischen Gruppe (S. 398) erwähnt.
20. Gruppe. Magdalina. Fühler nur wenig gekniet. Hinter-
ecken des Halsschildes nach unten spitz vorgezogen, vorn etwas ein-
geschnürt, vor den Vorderhüften nieht ausgeschnitten. Schildchen
deutlich. Flügeldecken den Grund des Halsschildes bedeckend, an
der Spitze einzeln abgerundet. Schienen an der Spitze mit einem
Haken. Vorderhüften aneinanderstossend, Hinterhüften quer, wenig
von einander abstehend, die Epimeren der Hinterbrust erreichend.
Fussklauen frei.
Gattung Magdalis Germ. (Magdalinus Scuönn.). Käfer: Fühler in der
Mitte des Rüssels eingefügt, Schaft an der Spitze keulenförmig, Geisselglied 1 und
2 gewöhnlich länglich, Keule zugespitzt. Rüssel rund, mässig lang, an der Spitze
öfter verdickt. Fühlerfurche zum unteren Rande der Augen gerichtet. Augen gross,
mehr oder weniger vorragend, einander ziemlich genähert. Schildehen dreieckig.
Flügeldecken walzenförmig. Schenkel meist gezähnt. Fussglied 3 sehr breit,
zweilappig, Klauenglied mit zwei kleinen, einfachen Klauen.
Larve lebt zwischen Rinde und Holz oder in den Markröhren von Holz-
pflanzen.
Forstlich kommen nur einige in den Stämmchen und Trieben jüngerer
Nadelhölzer lebende Formen iu Betracht. Es sind dies die in der 2ten bio-
logischen Gruppe erwähnten.
M. memnonia Farp. (carbonaria Fapr., vergl. S. 374),
M. violacea L. (vergl. S. 374),
M. duplicata Gern. (vergl. S. 374). Sie schaden sämmtlich nur als Larven.
_ Die forstliche Bedeutung der Rüsselkäfer. Bisher haben wir
die Rüsselkäfer im engeren Sinne nur in systematischer Reihenfolge be-
trachtet. Für die speciellen Zwecke des Forstmannes werden sie aber
besser nach ihrer Lebensweise und ihrem Schaden, also biologisch ein-
getheilt. Obgleich nun einige Arten, wie schon oben bemerkt, zweifel-
los sowohl als Käfer wie als Larven schaden, so ist doch auch bei
diesen der eine Frass vorherrschend, und wir theilen die Rüsselkäfer
daher zunächst in zwei grosse Abtheilungen, je nachdem vorherrschend
der Larven- oder der Käferfrass in das Gewicht fällt, und bringen diese
Hauptabtheilungen nach der Art ihrer verschiedenen Zerstörungen in
kleinere Gruppen.
3
lad
‘
0 Kap. IX. Die Käfer.
A, Rüsselkäfer, deren Larvenfrass vornehmlich schadet.
1. Die Larven befressen die Würzeln junger Nadelhölzer,
welche in Folge davon eingehen, z. B. Otiorrhynchus niger FABk.
2. Die Larven zerstören die saftleitenden Rindenschichten an
Nadelholzstämmen und bringen die Bäume zum Absterben.
a) in Kulturen, z. B. Pissodes notatus FaABr.
b) in älteren Beständen, z. B. Pissodes Harcyniae Hßsr.
3. Die Larven bewohnen die inneren Rindenschichten und den
Holzkörper jüngerer Laubholzstimme und Aeste, welche in Folge
dessen deformirt werden und leicht abbrechen. Es ist dies
Cryptorrhynchus Lapathi L.
4. Die Larven schädigen Blattorgane und Trieb- oder Blüthen-
knospen von Holzgewächsen, z. B. Orchestes Fagi L.
5. Die Larven zerstören die Früchte von Holzgewächsen und
beeinträchtigen die Samenernte, z. B. Balaninus glandium MaArsu.
B. Rüsselkäfer, welche vornehmlich als Käfer schaden, und
zwar durch oberirdisches Benagen von Rinde, Knospen und Blattorganen,
6. Im Boden brütende, flugunfähige Kurzrüssler, z. B. Strophosomus
Coryli FABr.
7. Im Boden brütende, flugfähige Kurzrüssler, z. B. Metallites
mollis GERM.
$S. In Nadelholzwurzeln brütende und namentlich die Nadel-
holzkulturen schädigende Langrüssler, besonders Hylobius Abietis L.
Rüsselkäfer, deren Larven die Wurzeln junger Nadelholz-
pflanzen befressen. Es gehören zu dieser biologischen Gruppe nach
dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse nur einige wenige Arten
der Gattung Otiorrhynchus, zu denen neuerdings noch Brachyderes
incanus gekommen ist. Es ist aber wahrscheinlich, dass späterhin
noch andere als biologisch gleichbedeutend erkannt werden dürften.
Otiorrhynchus niger Farr. (ater Hzst. und Rarz.). Käfer: Schwarz,
sehr dünn behaart, beinahe kahl, Halsschild so lang als breit, dicht gekörnt,
Flügeldecken punktirt gestreift, beim S gestreckter als beim Q, Zwischenräume
gerunzelt. Beine mit Ausnahme der Füsse und eines Theiles der Schenkel
roth, Kniee gewöhnlich schwarz. Länge 8—12 mm.
Larve: Nach Berne fusslos, schmutzig weiss, glasig glänzend, oben stark
gewölbt, unten etwas abgeplattet, mit grossem gerundeten, polsterförmig ge-
wölbten, hornigen, braungelben Kopfschilde und plumpen dreieckigen, schwarz-
braunen, an der Aussenseite im unteren Theile breit rinnenförmig vertieften,
an ihrem stumpflichen Ende gekerbten Mandibeln. Rücken mit quer stehenden
Keilwulsten, auf dem zweiten bis einschliesslich vorletzten Segmente mit je
6 langen und 6 kurzen, zusammen 12, Längenreihen bildenden Haaren. Die
Oberseite des ersten Segments glatt, stark glänzend, mit theils vereinzelt, theils
in je einer Seitengruppe stehenden Haaren, unmittelbar hinter dem Kopfe ver-
waschen rostbräunlich gesäumt. Die eiogekrümmte Bauchseite auf jedem der
ersten 11 Segmente mit einer Querreihe von 8 kurzen steifen Borstenhaaren,
welche an jedem ihrer beiden Enden von einem kurzen, vorderen und einem
hinteren langen Haar auf wulstiger Erhöhurg flankirt wird. Das stumpfe End-
segment an der Oberseite mit 8, an der Unterseite mit 4 Haaren in Querreihe.
Alle vorstehend gedachten Haare bräunlichgelb. Länge bis 12 mm, Dicke bis 4:5 mm.
Rüsselkäfer mit junge Nadelholzwurzeln fressenden Larven. Otiorrhynchus. 371
Puppe: Nach Being weiss, das breite und lange Gesicht der Brust an-
liegend, unterhalb der Augen mit je vier langen, unten geschwärzten, nach oben
hin kastanienbraunen Borsten in unregelmässiger Längenreihe. Zwischen den
Augen zwei und weiter nach hinten hin vier ähnliche Borsten in Querreihe.
Halsschild am gekanteten, steil abfallenden Vorderrande mit vier dergleichen
Borsten, im hinteren Theile mit einer Anzahl meist kurzer, schwärzlicher Borsten
in unvollständigen Querreihen. Der kegelförmige Hinterleb am Rücken jeden
Segments mit einer Querreihe von 6 bis 12 ungleich langen, braunen, dornen-
förmigen Borsten, die auf den späteren Segmenten immer kräftiger werden. Der
letzte Leibesabschnitt mit 2 dicken braunspitzigen Dornen und 6 schwarz-
braunen Borsten endend. Die seitwärts gespreizten, weit vorragenden Kniee
mit je einer langen und oberhalb dieser mit einer weit kürzeren und dünneren
gefärbten Borste. Länge bis 10mm, Breite bis 5 nım.
Wir geben diese genaue Larven- und Puppenbeschreibung als Beispiel,
wie künftighin die nur ungenau bekannten Entwickelungsstadien der Rüssel-
käfer beschrieben werden sollten.
O. ovatus L. Käfer: Viel kleiner und gedrungener als der vorige.
Schwarz, fein behaart. Halsschild grob gekörnt, die Körner auf der Mitte sehr
deutliche Längsrunzeln bildend. Flügeldecken fein punktirt gestreift. Zwischen-
räume gerunzelt, Fühler und Beine rothbraun. Länge 5mm. Larve nicht näher
beschrieben.
Brachyderes incanus L. Käfer: Pechbraun, mehr oder weniger dicht mit
grauen und braunen, hier und da metallischen Schuppen besetzt. Fühler rost-
braun. Rüssel an der Spitze breit eing-drückt, Halsschild dicht punktirt, Flügel-
decken punktirt gestreift. Länge S—11mm. Larve nicht näher beschrieben.
Lebensweise. Man kennt genauer nur Ot. niger Fagr, Nach den
übereinstimmenden Angaben von Rarzesurc und Berne [Ad] tritt
die Fortpflanzungszeit dieser Käfer, bei denen man, da sie ungeflügelt
sind, nicht von einer Flugzeit reden kann, normaler Weise im
Frübjahr, ungefähr Anfang und Mitte Mai ein. Die Eier werden von
den Weibchen in den Boden jüngerer Fichtenbestände oder Kulturen
abgelegt. Die Larven schlüpfen bald aus, fressen die zarten Wurzeln
der jungen Fichtenpflanzen ganz und schälen die Rinde der etwas
stärkeren so rein ab, dass es aussieht, als sei sie mit einem Messer
abgeschabt. Gegen die Mitte des Juli sind die Larven der Mehr-
zahl nach ausgewachsen, verpuppen sich dann an der Stelle, wo
sie bis dahin lebten, in einer innen geglätteten Höhlung. Nach
etwa vierwöchentlicher Ruhe werden von Mitte August bis gegen
Ende September aus den Puppen Käfer, die grösstentheils in den
Puppenhöhlen bleiben, um im nächsten Frühjahr zu erscheinen und
der Ernährung und Fortpflanzung obzuliegen. Viele Käfer zeigen sich
aber schon im Herbst und überwintern in der Bodendecke. Es stellt
sich demnach die einjährige Generation folgendermassen dar:
Jan. Febr. März April| Mai Juni | Juli | Aug. Sept. | Oct. | Nov. | Dee.
| } | | | |
RE ee
| |
+
+4+4+4+++
euere | | |
| | | |
1881 un TEREEHEeR LER, ae | |
”
Kap. IX. Die Käfer.
Diese normale Generation scheint sich aber stets bei einer Massenver-
mehbrung des Insektes zu verschieben. Auch Berıns [4d] sagt: „die Verpuppung
erfolgt aber nicht bei allen Larven gleichzeitig oder binnen einer kurzen
sommerlichen Frist, sondern vielmehr in der Weise, dass im Hochsommer
10 bis 12 Wochen lang frische Puppen an ein und demselben Fundorte angetroffen
werden. Eine Anzahl von Larven überwintert und aus diesen gehen dann die
ersten Puppen des nächsten Sommers hervor.” Auch ist von allen Beobachtern,
die über grössere Frassschäden berichten, constatirt, dass die Käfer von Mai
bis August und September zahlreich erschienen, was auch theilweise darin seinen
Grund haben mag, dass die Käfer wohl, ebenso wie der grosse braune Riüssel-
käfer, nicht unmittelbar nach der Eiablage eingehen, sondern noch längere Zeit
leben.
Schaden. Derselbe tritt namentlich in Gebirgsrevieren von un-
sefähr 500 — 1000 m Seehöhe auf. Er betrifft junge Fichten bis zum
Alter von 10 Jahren, sowohl in Saatkämpen als in Kulturen, und es
werden, trotz entgegengesetzter, vereinzelt in der Literatur zu finden-
der Angaben, weder Plätzesaaten, noch Riefensaaten, noch Büschel-
pflanzungen verschont. Das stärkere Auftreten in einer oder der ande-
ren Kultur hängt nicht von der Kulturmethode, sondern von anderen
Umständen ab, namentlich von der stärkeren oder schwächeren Ent-
blössung des Bodens, da in entblössten Boden die eierlegenden Weib-
chen leichter eindringen. Auch die Güte des Bodens scheint ohne
Einfluss auf das Auftreten des Käfers zu sein. Der Schaden ist in
älteren Kulturen fühlbarer als in jüngeren, weil die Ausbesserung
jener schwieriger ist. Die oben geschilderte Zerstörung der zarten
und die Entrindung der stärkeren Wurzeln lässt die Pflanzen krän-
keln, aber es wird übereinstimmend angegeben, dass nur selten der
Schaden in dem ersten Frassjahre bedeutend ist, und dass erst bei
andauerndem Frasse im zweiten oder dritten Jahre ein stärkeres Ein-
gehen eintritt. Meist sind nur wenige Larven, 2 — 8, an einer Pflanze, es
sind aber schon 20 -- 25, jasogar bis 50 zusammen fressend gefunden
worden. Im Riesengebirge sind junge Lärchen ebenso wie die Fichten
beschädigt worden. Man erkennt die beschädigten Pflanzen im ersten
Jahre am Gelbwerden einzelner Nadeln, erst später tritt das Roth-
werden vieler Nadeln und schliesslich das Vertrocknen der Pflanzen
ein, welche sich, ihres Wurzelhaltes beraubt, leicht auch aus dem
diehtesten Pfanzenbüschel einzeln ausziehen lassen.
O. ovatus L. ist wesentlich auch als Kulturverderber bekannt
geworden. Seine Larve schadet an den Wurzeln bis sechsjähriger Fichten.
Die Schädlichkeit des schwarzen Rüsselkäfers als eines Fichtenkultur-
verderbers wurde zuerst 1827 durch v. Bere [5a] im königl. preussischen Earz
sicher festgestellt und darauf durch Ratzegung [48 a;V.S. 141] nach Nachrichten
aus den verschiedensten Gebirgsforsten bestätigt. Grössere Schäden wurden
geschildert aus der königl. preussischen Oberförsterei Königshof im Harze 1847
und 1848 durch Gumrau [22], Schmiedefeld in Thüringen 1850 durch v. Ernst
[17], Arnsberg im Riesengebirge 1853 durch Haass [245], aus dem königl.
sächsischen Oberfrauendorfer, jetzigen Schmiedeberger Revier in Erzgebirge 1861
durch Scnaarn |53], aus dem ebenfalls im Erzgebirge gelegenen herrschaftlich
v. Schönberg'schen Revier Neuhausen 1865 — 1869 durch OÖ. Künn [32] und
aus dem herzogl. Braunschweig’schen Revier Wangelnsted: 1572—1876 durch
Worrr [Hils Solling-Forstverein 1377, 8. 49].
Rüsselkäfer mit junge Nadelholzwurzeln fressenden Larven. Otiorrhynchus. 373
Weitere sicher constatirte Fälle fanden auf königl. sächsischen Staatsforst-
revieren nach Mittheilung von Professor Kunze 1860 auf Altenberger Revier und
nach Oberförstercandidat Tınaerus 1882 auf Rehefelder Revier statt.
Ueber Schaden durch O. ovatus berichtet Guntau [22] aus Königshof
und NöRDLinGer [XXIV S. 17 und 18] aus dem Revier Elchingen bei Neresheim
in Württemberg.
Die Beschädigungen der Larven von Brachyderes incanus sind erst
neuerdings von J. Czecu [Il] beschrieben worden. Mit zweijährigen Fichten
bestellte Beete einer Pflanzschule wurden 1879 in grösserer Ausdehnung durch
Abfressen der feineren und Entrindung der stärkeren Wurzeln völlig vernichtet.
Der Hauptfrass fiel in den Mai und Anfang Juni, dann im Juli erschienen nach
dreiwöchentlicher Puppenperiode die Käfer.
Ueber den Schaden, welchen die drei soeben besprochenen Arten als
Käfer angerichtet haben, berichten wir weiter unten.
Abwehr. Zunächst handelt es sich hier um Vorbeugungsmittel.
Kulturen, welche in berastem Boden ausgeführt werden, sind
weniger gefährdet als solche in entblösstem. Kulturmethoden mit ge-
ringer Bodenverwandung werden sich also nicht nur im Flachlande
gegen den Engerlingschaden, sondern auch im Gebirge gegen den
Frass der Otiorrhynchus-Larven empfehlen, und das mehrjährige Liegen-
lassen der Schläge ist nicht nur gegen den braunen, sondern auch
gegen die schwarzen Rüsselkäfer zu empfehlen.
In letzterem Falle handelt es sich aber nicht darum, den im
Boden zurückgebliebenen Wurzeln zum völligen Absterben Zeit zu
geben, sondern den Boden verrasen zu lassen.
Vertilgungsmittel sind namentlich gegen den Käfer anzuwenden.
Hier kann nur Sammeln helfen. Meist ist dies einfach durch Absu-
chen der befallenen Orte gemacht worden. Nach Berme |[4d] geht
O. niger FaBr. auch unter die gegen den grossen braunen Rüsselkäfer
ausgelegsten Rindenplatten, Als bestes Fangmittel des O. ovatus L gibt
NÖRDLINGER das Auslegen von quadratschuhgrossen Moosdecken in
die Riefenzwischenräume der Fichtensaat an. In diese verkroch sich
der Käfer am Tage und konnte handvollweise aufgelesen werden.
Im erzgebirge’schen Revier Neuhausen wurden nach Künx im Jahre
1867 auf den eirca 15 ha grossen Kulturen von Mitte Juni bis Ende
August gegen einen Accordlohn von 1 bis 2 Pfennigen pro Schock
etwa 1!/, Million Käfer gesammelt.
Ist eine Kultur einmal stark beschädigt, so hilft das Vertilgen
der Larven durch Aufsuchen im Boden nach Ausziehen der befal-
lenen Pflanzen nicht mehr viel. Wenn man dieses aber im Herbst
vornehmen lässt, so kann man viele in den Puppenhöhlen überwinternde
Käfer und, bei unregelmässiger Generation, wohl auch Puppen und
Larven vernichten.
Rüsselkäfer, deren Larven die saftleitenden Rindenschichten
an Nadelholzstämmen zerstören und diese zum Absterben bringen.
Diese Formen zerfallen in Kultur- und Bestandsverderber. Die Kul-
turverderber sind wieder in sofern getrennt zu behandeln, als die
374 Kap. IX. Die Käfer.
einen, mehrere Magdalis-Arten, die oberen Quirle bewohnen, während
Pissodes notatus, der „kleine braune Kiefernkulturrüsselkäfer”, ge-
wöhnlich die jungen Srämme tief unten angeht. Die Bestandsver-
derber gehören sämmtlich zu der Gattung Pissodes.
Die Gattung Magdalis [vergl. S. 369] umfasst eine Anzahl
kleinerer blauer und schwarzer Rüsselkäfer, unter denen wir be-
sonders M. violacea L. und M. memnonia Far. hervorheben, deren
Larven durch Zerstörung der Bastschiehten oder der Markröhre
jungen schlechtwüchsigen Kiefernpflanzen im Alter von 3 bis 10 Jahren
gefährlich werden können, und zwar um so mehr, als sich ihr Frass
häufig mit dem von Anobium nigrinum Sr. (S- 345), Buprestis quadri-
punctata L. (S. 320), Tomicus bidentatus Hssr. und Pissodes notatus
FaAgr. verbindet. Ausreissen und Verbrennen der befallenen Pflanzen,
vor dem Ausschlüpfen der Käfer hilft gegen diese ganze üble Ge-
nossenschaft.
Beschreibung. Magdalis violacea L. Käfer: Farbe blau, Kopf un-
deutlich punktirt, Augen flach, Rüssel kaum gebogen, Grund jeder Flügeldecke
in einen gerundeten Lappen vorgezogen, der die Basis des Halsschildes jeder-
seits überragt und dadurch zweibuchtig erscheinen lässt. Flügeldecken punkt-
streifig, Zwischenräume doppelt so breit als die Punktstreifen mit einer starken
Punktreihe. Vorderschenkel mit einem grossen Zahn. Klauen einfach. Länge
3,5—4,8 mm.
M. duplicata Germ. Küärer: Farbe blau. Dem vorigen sehr ähnlich, aber
der Kopf dicht punktiıt, Rüssel deutlich gebogen. Zwischenräume der Flügel-
decken glatt und reihenweis stark punktirt, Streifen selbst stark. Länge 3—5 mm.
M. memnonia Fand. (carbonaria Fapr.). Käfer: Farbe schwarz. Hals-
schild so lang als breit, ohne Höcker. Grund jeder Flügeldecke in einen gerun-
deten Lappen vorgezogen, der die Ba:is des Halsschildes jederseits überragt
und dadurch zweibuchtig erscheinen lässt. Flügeldecken punktstreifig, Zwischen-
räume gewölbt und runzlig, mit einer Punktreihe. Vorderschenkel mit einem
grossen Zahn. Klauen einfach, Länge 4— 7 mm.
Lebensweise und forstliche Bedeutung. Die Generation der
sämmtlichen Magdalis-Arten scheint einjährig zu sein und die Flugzeit in den
Mai und Juni zu fallen.
Für M. memnonia Far». stellt sie sich nach Perrıs ungefähr folgender-
massen [46, S. 256 und 257].
| Jan. Febr. | März | lea Juni | Juli |, Aug. |Sept. | Oct. | Nov. Dee.
1880 ||
BENERTIgETE |
| 2
A | | | ++
1551 u unsese+tt +++ | | | | |
Die für uns in Frage kommenden Formen sind wesentlich Nadelholz-
insekten, welche nicht nur die obersten 2—3 Jahresstriche der gemeinen Kiefer,
der Schwarzkieier, der Seekiefer und der Weymouthskiefer angehen, sondern
Br I
Rüsselkäfer mit bastzerstörenden Larven, Magdalis und Pissodes. 375
auch in Fichten brüten. Letzteres ist namentlich von M. violacea L. sicher nach-
gewiesen, einem Käfer, welcher häufig secundär die Gipfel der von Grapho-
litha pactolana befallenen Pflanzen oberhalb der Wicklerfrassstelle bewohnt
[Jupeıca XI, S. 77]. Er kommt aber gelegentlich auch an stärkeren Stämmen vor.
M. duplicata Geru. scheint am häufigsten in den verschiedenen Kiefer-
arten zu sein und auch Zweige zu bewohnen [27, S. 610].
Der Frass der Magdalis-Arten scheint nicht immer gleich zu sein. Schon
Zınke schildert 1797 [38, S. 61] denjenigen des „Violettrüsselkäfers’” als von
den Knospen ausgehend und in die Markröhre vordringend, eine Angabe, die
neuerdings von Arrum [XVI, Bd. III., 1, S, 214] bestätigt wird. 1856 schilderte
Perrıs den Frass der Larven von M. memnonia Faro. in Seekieferzweigen in
ganz ähnlicher Weise, und HexscnheL [27] berichtet das gleiche von M.
duplicata Gerw., während er für M. violacea L. daran festhält, dass die Larven
zwischen Rinde und Holz leben, eine Beobachtung, welche mit den Angaben
der meisten übrigen Forscher stimmt und welche wir selbst für diesen Käfer
und für M. frontalis Gyrr. bestätigen können. In den uns vorliegenden Frass-
stücken in Kiefer und Fichte verlaufen die Larvengänge stets durchaus peri-
pherisch und greifen tief in den Splint ein, so dass vielfach die ganze der Rinde
benachbarte Holzschicht in Wurmmehl verwandelt ist. Die Puppenwiegen dringen
noch tiefer in den Splint ein. Hier sind also noch genauere Beobachtungen
nöthig.
Ueber wirklich grössere Verheerungen, welche von den Magdalis-Arten
verursacht wurden, liegen noch wenig Beobachtungen vor. . Arrum berichtet
[XVI, Ba. 3, 1, 8. 212], dass M. violacea L. einmal recht schädlich in der Nähe
von Eberswalde aufgetreten sei.
Die Gattung Fissodes (vergl. S. 366) ist es, welcher die
in dieser biologischen Gruppe zu erwähnenden fünf weiteren Schäd-
linge angehören.
Während die Generation der verschiedenen Pissodes-Arten, die
sämmtlich Nadelholzfeinde sind, eine verschiedenartige zu sein scheint
und ngeh mancher Aufklärung bedarf, ist, mit Ausnahme des
P. validirostris Gyrr., ihre Lebensweise sehr übereinstimmend.
Die Eier werden in die Rinde von Nadelholzstämmen abgelegt.
Die ausschlüpfenden Larven fressen sich bis auf den Splint durch
und machen, diesen kaum berührend, allmählich breiter werdende,
geschlängelte Larvengänge, die schliesslich in eine stets wenig-
stens theilweise in den Splint eingreifende Puppenwiege mit Span-
polster enden. Sind mehrere Eier an einer Rindenstelle abgelegt, so
gehen von dieser Stelle die Larvengänge strahlig auseinander, und
dieser „Strablenfrass” (Fig. 135 A u. 136) kann alsdann auf den ersten
Blick mit manchen Borkenkäfer-Frassfiguren, namentlich mit Stern-
gängen, verwechselt werden. Bei aufmerksamer Betrachtung wird man
aber sofort erkennen, dass es sich hier nicht um strahlig auseinander
tretende, stets gleich breite Muttergänge handelt, wie bei den
Borkenkäfer-Sterngängen, von denen erst secundär Larvengänge ab-
gehen, sondern um allmählich stärker werdende Larvengänge,
von denen also keine anderen secundären Gänge abgehen. Bei gerin-
ger Anzahl von gleichzeitig abgelegten Eiern, oder starker Besetzung
des Baumes, und daher wirr durcheinander gehenden Gängen, kann
dieser Habitus wohl auch undeutlich werden.
376 Kap. IX. Die Käfer.
Auch der Schaden und die Bekämpfung dieser fünf Käfer zeigt
gemeinsame Züge. Die in Folge unterbrochener Saftstıömung krän-
kelnden und schliesslich absterbenden Bäume sind aus dem Bestande
zu entfernen, bevor noch die Käfer zum Ausfliegen kommen. Werth-
loses, schwaches, mit Larven besetztes Material ist ganz zu verbrennen.
Stärkeres, verwerthbares Material wird entrindet und die Rinde ver-
brannt. Etwa in den Splintpuppenwiegen zurückbleibende Larven und
Puppen sind ausserdem zu zerquetschen oder auszustossen.
Die charakteristischen Unterschiede der 5 Hauptarten, sowie des
erst später als Samenbeschädiger zu nennenden P. validirostris GyLL.,
lassen sich folgendermassen zu einer Bestimmungstabelle vereinigen :
Flügeldecken
mit schmaler
Querbinde
hinter der
Mitte 2 0.0.0.,00 ve er RE Din
a [der Fiieer-
ee) der Flügel
BER. decken mit
winkligen
: sehr grossen
Hinterecken.
u.verschieden
Flügeldecken starken
mit breiter Punkten . . 2 22 28 SR Piceaellrrs
Querbinde
hinter der Punkte mittel-
| Mitte. | stark, Hinter-
ecken des
Punktstreifen |
der Flügel- en =
DER | spiingend . P. notatus Farr.
decken mit
ech | Punkte fein
Punkten. 2 J
| Hintereeken
des
Halsschildes
rechtwinklig P.validirostris Gyrr.
Halsschild
mit kreisrun-Grundfarbe des Käfers rostbraun . . . . . P. piniphilus Hssr.
den, vertief-
ten, durch
ebene Zwi-
schenräume |
getrennten
Punkten und
abgerundeten
Hinterecken. |
Grundfarbe des Käfers schwarz . . . . . . P. Harcyniae Hssr.
Pissodes im Allgemeinen und Pissodes notatus. 377
Der braune Kiefernkultur-Rüsselkäfer oder
Weisspunkt-Rüsselkäfer,
Pissodes notatus Far. (Taf. II, Fig. 6),
wird dadurch schädlich, dass die überwinterten Weibchen nach erfolgter
Begattung im Frühjahr ihre Eier in oder an die Rinde 4- bis Sjähriger
Kiefernpflanzen bis 1m oberhalb des Bodens ablegen, die ausge-
kommenen Larven sich in die Bastschichten einfressen und stamm-
abwärts allmählich breiter werdende Larvengänge erzeugen. Dieser
Frass, welchersich balddurch Welken
und Röthung der Nadeln anzeigt,
bringt, namentlich wenn eine grössere
Anzahl Larven an einem Stämmehen
frisst, die Pflanze zum Absterben. Die
Verpuppung geschieht im Hoch-
sommer, innerhalb der am Ende der
Jaarvengänge in den Splint einge-
senkten Puppenwiegen mit Span-
polstern. Noch in demselben Herbste
schlüpft der Käfer aus, um am Fusse
der Stämmchen zu überwintern.
Die Larven sind namentlich in
sandigen Kiefernrevieren auf Boden
geringer Qualität sehr gefährliche
Feinde der Kulturen. Einen weite-
ren, aber äusserst geringen Schaden
kann der Käfer selbst durch An-
stechender Triebe im Frühjahr behufs
“Nahrungsgewinnung verursachen.
Die Abwehr besteht in dem
rechtzeitigen Ausreissen und Ver-
brennen der mit Larven besetzten,
durch die gerötheten Nadeln = Fig, 134. Kiefernstämmchen über dem
kennzeiehneten Stämmchen im Juni Wurzelknoten mitPuppenwiegen und
und Juli. Spanpolstern von Pissodes notatus
FABr. besetzt.
Beschreibung. Käfer: Hinter-
ecken des runzlig-gekörnten Halsschildes
scharf und mässig spitzwinkelig, sein Hinterrand deutlich zweibuchtig. Punktstreifen
der Flügeldecken mit ziemlich kleinen Punkten besetzt, Zwischenraum 3 und 5
nur wenig erhaben. Grundfarbe rothbraun. Die Ober- und Unterseite fast regel-
mässig mit weisslichen Schüppchen besetzt, welche auf vier Punkten des Hals-
schildes und dem Schildehen besonders dicht stehen. Vor der Mitte der Flügel-
decken eine an der Naht unterbrochene, hinter derselben eine durchgehende,
aussen gelbe, innen weissliche Schuppenbinde. Länge 5—7'5 mm.
Puppe: Als Entwickelungsstadium eines Rüsselkäfers sofort an dem bereits
deutlich ausgebildeten Rüssel kenntlich. Ihre Oberseite ist nach Perrıs [46, S. 424]
mit kleinen röthlichen, auf Höckerchen aufsitzenden Dornen versehen, von denen
der Kopf zwei, das Halsschild vier und der Hinterleib sechs Reihen trägt.
Earve von dem Habitus der gewöhnlichen Rüsselkäferlarven.
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde. 235
78 Kap. IX. Die Käfer.
Lebensweise. Alle deutschen Forscher stimmen in ihren An-
gaben insofern überein, als sie die Generation dieses Käfers als eine
einjährige ansehen, bei welcher normalerweise der Flug in die
Monate Mai und Juni, der Larvenfrass in die Monate Juni und Juli,
die Verpuppung in den Monat August und das Ausschlüpfen des
Käfers in denselben Herbst fällt. Im Imagostadium soll dann der
Käfer am Fusse der Stämme in der Bodendecke überwintern, um
sich erst im nächsten Frühling fortzupflanzen. Es ergibt sich also
die folgende graphische Zusammenstellung:
|
|
Jan. |Febr. | März | April| Mai
Juni | Juli | Aug. Sept. Oct. | Nov.| Dec.
| |
| |
+++++ .
| . | . alilese oralen er
| | |
1850
| | Kr]
BER |
a |
1881 +++ +44+ +++ a | |
au E |
I|
Ebenso einig sind dagegen auch alle diese Beobachter darüber,
dass öfters auch zu anderer Zeit Puppen und namentlich überwinternde,
halbwüchsige Larven gefunden werden, so dass also Abweichungen
von der normalen Flugzeit nicht selten sind,
Nach Prrrıs [46, p. 425—431] soll in Südfrankreich, wo der
Käfer häufig in der Seekiefer auftritt, diese Ausnahme Regel sein
und sich dort die Generation, obgleich auch einjährig, folgendermassen
stellen:
Jan. |Febr. März April Mai | Juni | Juli | Aug. | Sept.| Oct. | Nov. Dec.
|
ie | |
150 | +t+H tt
RER = |
| |
I CT | il |
Vergleichen wir dieses Schema mit dem oben gegebenen, so
leuchtet sofort ein, dass, wenn bei zeitigem Frübjahr die Flugzeit
früher als gewöhnlich eintritt, es wohl noch zu einer Fortpflanzung
der Käfer im Herbste kommen könnte, wodurch dann überwinternde
Larven entstünden, die im nächsten Jahre erst später als gewöhnlich
die Käfer lieferten. Es entstünde alsdann das, was RATZEBURG
„anderthalbige”’ Generation nennt, d, h. drei Generationen innerhalb
zweier Jahre [V, Bd. I, S. 143].
Der Käfer benagt die Triebe und Zweige der Pflanzen, in
welche er seine Brut ablegt, auch behufs Nahrungsgewinnung. Anstatt
aber plätzend kleinere Flächen von Rinde zu entblössen, sticht er
nn ee
Kiefernkultur-Rüsselkäfer. Pissodes notatus. 379
die Rinde tief an, indem er seinen Rüssel fast bis an die Augen
einbohrt, und es erhält dadurch der Frass das Aussehen von Nadel-
stichen [V, Bd. I, S. 144].
Die Ablage der Eier geschieht normalerweise an die unteren
Quirle der Stämmchen jüngerer Nadelhölzer, meist nicht höher als
1m vom Boden. Gewöhnlich wird die gemeine Kiefer im Alter von
4—12 Jahren angegriffen. Indessen scheinen auch sämmtliche andere
Kiefernarten, nach Dösser [XIV, li, S. 135] die Schwarzkiefer,
nach Perrıs [46] die Seekiefer, nach Verwuarn [XXIV, S. 18]
die Weymouthskiefer von ihm angegangen zu werden. Nach NÖRDLINGER
[XXIV, S. 18] und Jupeıcn [295] kommt er auch in Fichten vor, und
ersterer hat ihn auch aus Lärchen gezogen. Ausserdem ist er von
Fintermann [V, Bd. I, S. 144] und Hockmäuster [XVI, Bd. III, 2, 5.203]
auch im oberen Theile von 14—30jährigen, kränkelnden Kiefern-
stangen und ausnahmsweise auch schon in Kiefernstöcken gefunden
worden.
Die Eiablage geschieht so, dass die Eier in mehrfacher Anzahl
an eine Stelle der Rinde abgelegt werden. Die ausschlüpfenden Larven
fressen sich einzeln durch die Rinde und beginnen nun jede für sich
in den’ weichen Schichten von Rinde und Splint geschlängelte, all-
mählich sich verbreiternde und hinter der Larve mit Bohrmehl gefüllte
Larvengänge zu fressen. An dem normalen Brutmateriale, d. h. an
jüngeren Stämmchen, sind sämmtliche Gänge dicht gedrängt nach ab-
wärts gerichtet. Ist die Larve reif, so höhlt sie eine muldenförmig
bis in das Holz eindringende, elliptische Puppenwiege aus, welche
sie mit langfaserigen Nagespänen auspolstert und nach oben zu ver-
stopft. Hier verpuppt sie sich, und der Käfer frisst sich nach seinem
Ausschlüpfen in der Richtung nach oben durch Spanpolster und
Rinde durch, hier runde Fluglöcher hinterlassend. Ist stärkeres
Material mit Brut belegt worden, haben die Larven also mehr Platz,
so gehen die Larvengänge nach Hocnuäuster [Ie, 5. 494] von dem
ursprünglichen Ablagerungsorte der Eier strahlenförmig auseinander.
Schaden und Abwehr. Der Käferfrass ist bis jetzt wohl noch
niemals ernstlich schädlich geworden, Dagegen ist der Larvenfrass
in schlechtwüchsigen Kiefernkulturen ungemein zu fürchten. Nament-
lich liebt der Käfer kränkelndes Material und nimmt daher besonders
gern früher beschädigte Stämmcehen an. Arrum führt einen Fall an,
wo er auf einer [XVI, Bd. IIT, 1, S. 202] durch Lauffeuer geschädigten
Kultur besonders stark auftrat, Schon bald nach Beginn des Larven-
frasses welken die Nadeln und röthen sich, und die Wurzeln werden
locker.
Hieraus ergibt sich, dass zunächst das beste Vorbeugungsmittel
gegen sein Auftreten die Erziehung gesunder und kräftiger Pflanzen,
sowie die Entfernung alles kränkelnden Materiales ist,
Die Vertilgung ist ferner gleichfalls sehr leicht. Man lässt die
an der Röthung der Nadeln leicht kenntlichen, befallenen Pflanzen
vor der durch Untersuchung einiger Probestämmchen leicht festzu-
25*
380 Kap. IX. Die Käfer.
stellenden, wahrscheinlichen Zeit des Ausschlüpfens der Käfer, also
wohl meist im Juni oder Juli durch Arbeiter ausreissen und ver-
brennen.
Befürchtet man in einer Kultur einen stärkeren Schaden, und
müssen zugleich zu Kulturzwecken Vorwüchse im nächsten Jahre
entfernt werden, so kann man im Herbst oder zeitigen Frühjahre
die zu entnehmenden Stämmchen durch tiefe Ringelung künstlich
krank machen und so als Fangstämme verwenden, die später natür-
lich rechtzeitig entfernt werden müssen [XVI, Bd. III, 1, S. 203].
Die Angaben, dass P. notatus auch in Kiefernzapfen brüte, beruht
vielleicht auf einer Verwechselung mit dem sehr ähnlichen
P. validirostris Gyr. (vergl. 5. 400).
Der Kiefernstangen-Rüsselkäfer,
Pissodes piniphilus Hesr.
ist ein nicht zu unterschätzender Feind der Kiefernstangenhölzer
und kann bei nachlässiger Kontrole in den Kiefernforsten der Ebene
wohl sicher ebensoviel Schaden anrichten, wie der alsbald zu er-
wähnende Harzrüsselkäfer in älteren Fichtenbeständen der Gebirgs-
reviere wirklich schon gebracht hat.
Der einem kleinen P. notatus Far. ähnliche Käfer mit zwei-
jähriger Generation, dessen Flugzeit Ende Juni fällt, belegt Kiefern-
stangen und die oberen dünnrindigen Theile älterer Kiefern mit seinen
Eiern; die gekrümmten Gänge der ausschlüpfenden Larven bringen
die Bäume von oben zum Absterben. Die Verpuppung geschieht in
ähnlichen Spanpolsterwiegen wie bei P. notatus Fapr. Die bedeutende
Höhe, in welcher der Anflug meist geschieht, erschwert die Erken-
nung des Angriffes, dessen Bekämpfung aber durch die längere Dauer
der Generation, insbesondere des Larvenlebens, erleichtert wird.
Einschlag der befallenen Bäume, die an ihren kümmernden
Maitrieben im zweiten Jahre zu erkennen sind, Schälung des werth-
vollen Materiales und Verbrennung der Rinde und der werthloseren
Wipfelstücke sind die anzuwendenden Gegenmassregeln.
Beschreibung. Käfer: Hinterecken des glatten, dicht mit grossen,
runden, vertieften Punkten besetzten Halsschildes stumpfwinklig und etwas ge-
rundet. Die Zwischenräume 3 und 5 der aus ziemlich kleinen Punkten be-
stehenden Streifen der Flügeldecken nur wenig erhaben. Grundfarbe rostbraun,
Körper mässig dieht mit gelbgrauen Schuppen besetzt; statt der hinteren
Fleckenbinde jederseits ein grosser röthlicher Schuppenfleck. Länge 4— 5 mm.
Puppe und Larve denen des Weisspunktrüsselkäfers sehr ähnlich, nur
etwas kleiner.
Lebensweise. Die Annahme von Aurum [Id], dass die Ge-
neration dieses Kiefernfeindes eine zweijährige sei, scheint uns auf
sehr zwingenden Gründen zu beruhen. Die Flugzeit fällt normalerweise
Ende Juni, spätestens in den Juli.
Pissodes notatus und P. pinipbilus. 381
Die Larven entwickeln sich nur langsam, überwintern das erste-
mal als schwache Würmchen und zum zweitenmale als erwachsene
Larven, die in dem nun folgenden zweiten Frühjahre ihres Lebens
ihre Puppenwiegen nagen und sich im April und Mai verpuppen.
Im Juni schlüpfen dann die Imagines aus. Die Generation lässt
sich also graphisch folgendermassen darstellen:
Mai | Juni Juli | Aug. | Sept. Oct. | Nov. | Dee.
| I
| | | +++
|
2 2
|
Jan. Febr. | März | April
| __ BEFENe Dil BRD Le um a.
+++ |
15831 -——-—- -—- - - —— un
Bewiesen wird die Annalıme von Arrum durch die Thatsache, dass er im
Jahre 1878 Käfer aus sicher nur durch P. piniphilus HBST. getödteten Kiefern-
stangen erzog, an denen der Maitrieb 1876 normal entwickelt, der Maitrieb
1877 dagegen bereits verkümmert war. Wäre die Generation einjährig, d. h.
wäre der Anfug erst im Juni 1877 erfolgt, so hätte ein nachtheiliger Einfluss
anf den bereits fertigen Maitrieb 1877 nicht stattfinden können, Auch fand
Oberförster Perersen [Id S. 89] zur Flugzeit 1876 im Walde alle Stadien
des Insektes von kaum sichtbaren Larven bis zu flugreifen Käfern. Ebenso
fand Nırsche Mitte October 1887 in denselben Rollen zwei ganz verschieden
grosse Larvenformen, welche durch keine Uebergänge verbunden waren, also
wohl von zwei verschiedenen Jahrgängen herrührten.
Betrachtet man die von RartzesurgG mitgetheilten Beobachtungen
[48 d], auf welche er die Annahme einer einjährigen Generation gründet,
kritisch, so wird man auch finden, dass sie sich ebensogut mit einer zwei-
jährigen Generation vereinigen lassen, wenigstens scheint es uns sehr unwahr-
scheinlich, dass die „sehr kleinen Larven”, welche er am 12. April im Bernauer
Stadtwalde auffand, dieselben gewesen seien, aus denen er im Juni des gleichen
Jahres Käfer zog.
Zur Ablage der Eier wählt das Weibchen Kiefernstämme mit
glatter dünner Rinde, also namentlich Stangenhölzer, und es werden
besonders die etwa 30—40jährigen häufig angegangen. Aber auch in
jüngeren Beständen, sowie in älteren kann der Käfer sich einfinden.
In letzteren, auf welche er namentlich bei längere Jahre hindurch
fortdauerndem Frasse gern überzugehen scheint, greift er nur die
oberen, dünnborkigen Stammtheile, dieses obere Drittheil aber bis in
die Krone hinein an. Er bevorzugt absterbende und unterdrückte
Stangen. Bei starkem Frasse finden sich an einem Stamme oft mehrere
hundert Larven. Die Eier werden nach Arrum mehr vereinzelt abge-
legt, und es soll daher bei dieser Pissodes-Art seltener zur Aus-
bildung richtig strahliger Frassfiguren kommen, welche aber, wie uns
eigene Beobachtungen auf Tharander Revier zeigten, trotzdem durchaus
nicht ausgeschlossen sind. Die Form der geschlängelten, oft um-
382 Kap. IX. Die Käfer.
kehrenden, krummgelegten, häufig 10—15 cm langen, schwachen, nur
in der Rinde verlaufenden Larvengänge ist die gewöhnliche aller
Pissodes-Arten. Die Puppenwiegen gehen in das Holz und sind meist
mit ihrer Längsrichtung der Achse des Baumes parallel. Sie sind mit
einem Spanpolster ausgekleidet.
Schaden. Obgleich der Kiefernstangen-Rüsselkäfer wohl auch
zunächst geschwächtes Material vorziehtt — er wurde ja z. B. durch
Rırtzegurg als Schädling zuerst aus pommerschen durch Forleulen-
frass, und böhmischen durch Mikrolepidopterenfrass primär ge-
schädigten Beständen bekannt — so ist doch unzweifelhaft, dass er
auch sehr gern völlig gesunde Bäume angeht, welche er primär zu
tödten im Stande ist. Die Erkennung des Frasses ist, trotz der auch
bier auftretenden Harzflecke, da der Käfer auch an Stangen besonders
die oberen Partien angeht, kurz nach Beginn desselben nicht leicht,
und man ist wohl vielfach geneigt gewesen, das durch ihn verursachte
Eingehen von Kiefernstangen anderen Einflüssen zuzuschreiben, dass
man in den leichter erreichbaren Theilen derselben keine Käfer fand.
Im zweiten Kalenderjahre des Larvenlebens macht sich ein starker
Angriff sicher durch Kümmern des Maitriebes und spätere Röthung
der Nadeln kenntlich. Da die Generation aber eine zweijährige ist,
so hat man in dem zweiten Sommer und Heıbste noch vollständig
Zeit, die nöthigen Gegenmassregeln zu treffen. Die Kalamität kann
mehrere Jahre hintereinander dauern.
Die Abwehr kann nur in gründlicher Durchforstung und in der
rechtzeitigen, rücksichtslosen Entfernung aller als besetzt erkannten
Bäume bestehen. Dieselben sind zu schälen, und ist die Rinde zu
verbrennen. Sind schon Puppenwiegen gebildet, so hat das Ausstossen
dieser in der weiter unten beim Harzrüsselkäfer geschilderten Weise zu
erfolgen (vergl. S. 386).
Geschichtliches: Nachdem zuerst im Jahre 1834 G. L. Harrıc
unseren Käfer in seinem forstlichen Conversationslexikon S. 168 unter die
Forstinsekten aufgenommen, gab RarzesurG 1862 [48 d| die erste genauere Be-
schreibung eines im Bernauer Stadtforste stattgefundenen Frasses. Einige weitere
Notizen über ihn verdanken wir 1865 Geor« [195], und die genauesten Be-
obachtungen hat Arrum [Id] 1879 gegeben. Der in letzterem Aufsatze am aus-
führlichsten geschilderte Frass wurde von Oberförster PETERSEN im königl.
preussischen Staatsforstrevier Ziegenort, Regierungsbezirk Stettin, beobachtet,
und hatten daselbst auf eirca 352 ha befallener Fläche 1874 : 900 rm, 1875 : 1637 rm,
1876 :3863 „m, 1877:2996 rm, in diesen vier Jahren also zusammen 9396 m
Kiefernholz in Folge des Fıasses dieses Käfers eingeschlagen werden müssen,
also auf dem Hektar: 27 rm. Der Käfer ist auch in den sächsischen Revieren
nicht selten. Der neueste Frass wird von WESTERMEIER [65] aus der Oberförsterei
Falkenwalde, Regbez. Stettin, gemeldet. Er trat 1884 als Folgeerscheinung eines
stärkeren, von 1881—1883 daue:nden Kieferspannerfrasses fast in allen Stangen-
hölzern des Hauptrevieres auf, besonders stark aber in 2 Jagen, in denen 600),
der Stangenzahl mit 30°/, der Holzmasse entfernt werden musste. Die Generation
war zweijährig.
ee
ae ne
Kie’ernstangen- und Harzrüsselkä’er. 383
Der Harzrüsselkäfer,
Pissodes Harcyniae Hssr. (Curculio Hercyniae Rarz.),
ein schwarzer, auf dem Rücken weissgezeichneter, 5— 7 mm langer
Käfer, ist ein gefährlicher Feind der Fichte, namentlich der 40jährigen
und älteren Bestände in Gebirgsrevieren.
Die Eierablage durch das Weibchen fällt in den Mai bis Juli,
und erfolgt an 50—S0jährigen glattrindigen Fichtenstämmen. Die in
die Rinde eindringenden und im Bast weitergrabenden Larven er-
zeugen strahlenförmig auseinander gehende Larvengänge, an deren
Ende sich die mit einem Spanpolster ausgekleidete, meist zur Hälfte
in das Holz versenkte Puppenwiege findet. Sie tödten nicht nur
kränkliche, sondern auch völlig gesunde Stämme,
4A B
= on = —&
li
ll)
I
| Ä e
|
WM lınım Im
Fig. 135. Frass von Pissodes Harcyniae Hesr. an Fichte.
A strahlenförmiger Larvenfrass an der Innenseite eines Rindenstückes ohne
Puppenwiegen. B Puppenwiegen an einem stark besetzten Holzstücke.
Der Anflug des Käfers verräth sich durch das Austreten anfäng-
lich heller, später aber weisswerdender Harztröpfehen, welche dem
Stamme das Aussehen geben, als wäre er mit Kalk angespritzt.
Durch genaue alljährige Revision der bedrohten Fichtenbestände
von Seiten besonders auf die Erkennung der Zeichen des Frasses
geschulter Arbeiter, und durch schleuniges Fällen der befallenen
Stämme mit nachfolgendem Entrinden und Ausstossen der Puppen-
wiegen ist man bis jetzt in allen bedrohlichen Fällen des Käfers
wirklich Herr geworden.
Beschreibung. Käfer: Hinterecken des glatten, dieht mit grossen,
runden, vertieften Punkten besetzten Halsschildes stumpfwinklig und etwas ge-
rundet. Der dritte und fünfte Zwischenraum der aus ziemlich grossen, vier-
eckigen Punkten bestehenden Punktstreifen der Flügeldecken erhaben. Grund-
farbe mattschwarz, äusserst sparsam mit gelbweissen Schuppen besetzt, welche
384 Kap. IX. Die Käfer.
nur auf einigen Flecken des Halsschildes, dem Schildehen und zwei schmalen
unterbrochenen Querbinden der Flügel dichter stehen. Länge 6—7 mm.
Puppen und Larven bieten gegenüber denen anderer Pissodes-Arten wohl
nur Grössenunterschiede.
Lebensweise. Die Generation dieses Käfers ist immer noch
streitig. Alle Beobachter stimmen zwar darin überein, dass Käfer
vom Mai bis August in zahlreicher Menge gefunden werden, dass
innerhalb dieser Zeit auch die Eiablage geschieht, und dass im
Winter meistens Larven in den Stämmen sind. Die Deutung dieses
Befundes ist aber eine verschiedene. Von der einen Partei wird an-
genommen, dass die im Spätsommer oder Herbstanfang auskommenden
Käfer Nachzügler sind, während die normalen Flugzeiten in den Juni
und Juli fallen, die dann auskommenden Käfer sofort wieder zur
Fortpflanzung schreiten, sich begatten und Eier ablegen sollen. Die
ausschlüpfenden Larven überwintern, verpuppen sich im nächsten
Frübjahre und liefern in dem sich anschliessenden Sommer alsbald
sich wieder fortpflanzende Imagines.
Die Generation wäre also nach dieser Auffassung einjährig:
Jan. Be na Mai | Juni | Juli | Aug. [Sept. | Oct. | Nov. | Dec.
Be a |
1880
| TEE
ER RETEERE |
|
Die andere Partei nimmt an, dass die normale Fortpflanzungs-
zeit etwas zeitiger fällt, nämlich bereits in den Mai und Anfang
Juni, dass die diesen Eiern entstammenden Larven auch als solche
überwintern und erst im Juli und August des folgenden Jahres, also
etwa nach 14 Monaten Käfer liefern, welche sich nicht mehr in
demselben Jahre fortpflanzen, sondern als Imagines überwintern,
sich erst im nächsten Mai begatten und Eier legen. „Es führt also
der Käfer [schriftliche Mittheilung von Forstmeister Scuaar]) im
Herbst ein reines Schlaraffenleben und nährt sich von jungen Nadeln.”
Die Generation wäre nach dieser Auffassung zweijährig:
| | | |
| Jan. Febr. | März |April| Mai
| = —
|
Juni | Juli | Aug.
Sept. | Oct. | Nov. | Dec.
| | | |
sn a
| | URN
| | | |
1882 PAR REGEL RESELIREREI LEE EON | | | |
Harzrüsselkäfer, Pissodes Hareyniae. 385
Die Mehrzahl der Beobachter stimmt letzterer Ansicht bei,
und es spricht für sie der Umstand, dass in der am klarsten für
die einjährige Generation eintretenden Notiz von Kerrxer [30]
durchaus nicht nachgewiesen wird, dass die im Juni und Juli aus-
kommenden Käfer wirklich auch in demselben Jahre zur Fortpflan-
zung schreiten. Andererseits fehlen aber, soviel uns bekannt, positive
Angaben, dass der Käfer ausserhalb des Stammes im Winterlager
auch wirklich beobachtet worden sei. Seine Ueberwinterung wird
nur aus der Thatsache geschlossen, dass bereits sehr zeitig im Mai,
Ja im April Käfer erschienen sind, also zu einer Zeit, wo in den
Stämmen noch keine ausschlüpfungsreifen Puppen vorkommen. Es
ist also die Anstellung weiterer Beobachtungen über diese Frage
dringend zu wünschen.
Zur Ablage der Eier werden am liebsten Fichten von 50—80
Jahren gewählt. Aber auch jüngere Stangenhölzer, sowie ältere, bis
100jährige Fichten werden nicht verschmäht und bei starker Ver-
mehrung werden auch Aeste befallen. Bevorzugt werden ferner
unterdrückte und kränkelnde, z. B. durch Schneebruch beschädigte
Stämme, aber auch ganz gesunde, dominirende werden häufiz ange-
sangen.
Der Anflug geschieht meistens dort, wo die Rinde schwach
und glatt ist, und nur in der Minderzahl der Fälle werden stärkere
Stämme in den unteren Theilen befallen, wodurch die Erkennung
des ersten Angriffes erschwert wird. Das angeflogene Weibchen legt
seine Eier in ein mit dem Rüssel in die Rinde gebohrtes Loch.
Diese Beschädigung hat den Austritt von Harztropfen zur Folge, welche
anfänglich klar sind, späterhin aber weiss werden und dem Stamme
das Aussehen geben, als sei er mit Kalk bespritzt. An rauhrindigen
Bäumen tritt dieses Hauptkennzeichen des Anfluges weniger deutlich
auf. Schält man die Rinde einige Zeit nach dem Anfluge ab, so er-
scheint der Umkreis der Anstichstelle gebräunt. Nur in selteneren
Fällen werden die Eier einzeln oder zu zweien in ein Bohrloch ge-
lest, meist wird eine grössere Anzahl gleichzeitig untergebracht,
und der Strahlenfrass ist daher bei nicht zu starker Zusammen-
drängung der Gänge deutlich (Fig. 135 A). Diese Gänge verlaufen
wesentlich in der Rinde ohne in den Splint einzugreifen und treiben
erstere, sobald sie noch dünn ist, flach wulstförmig auf. Sie bleiben
aber durchaus nicht immer im gleichen Niveau, so dass öfters an
abgehobenen Rindenstücken ihr Gesammtverlauf nicht klar vor-
liegt. Am Ende der gekrümmt verlaufenden Gänge wird die 7—10 mm
lange und 3 mm breite, ovale Puppenhöhle angelegt, welche meist
in der Längsriebtung des Stammes liegt und tief in den Splint ein-
greift, Verschlossen wird sie durch ein langfaseriges Spanpolster.
Ist ein Stamm mit vielen hunderten von Larven besetzt, so wird
die ganze Rinde auf weite Strecken zerstört, und es drängen sich
dann auf ganz geringem Flächenraum sehr viele Puppenwiegen zu-
sammen. Das von Wırrkomm [40, S. 244] erwähnte Holzstück mit
386 Kap. IX. Die Käfer.
74 Puppenwiegen auf einer Splintoberfläche von 34 cm Länge (nicht
dm, wie dort fälschlich gedruckt ist) und 14cm Breite ist noch
heute in der Tharander Sammlung.
Schaden. Die Stämme reagiren nicht gerade sehr schnell auf
die Beschädigung; es kann ein Baum noch grün und doch von
hunderten von Larven besetzt sein. Sind Larvengänge nicht an der
ganzen Peripherie des Stammes vorhanden, so tritt die Röthung der
Wipfel, das Dürrwerden und die Ablösung der Rinde erst allmählich
ein. Andererseits kommt es [nach brieflicher Mittheilung von Forst-
meister ScHAaL]| gar nicht selten vor, dass schon ein einziger die
ganze Peripherie des Stammes umfassender Gang diesen tödtet. Die
Schäden, welche hierdurch namentlich in Gebirgsrevieren entstanden
sind, sind schon sehr bedeutend gewesen, wie man aus der folgenden
geschichtlichen Skizze ersehen mag.
Abwehr. Da ganz gesunde Bestände zwar gegen den Frass des
Harzrüsselkäfers, P. Harcyniae Hssr., nicht völlig geschützt sind, ihm
aber doch weniger leicht unterliegen, so sorge man zunächst für die
Erziehung kräftiger Bäume, entferne bei Durchforstungen alles kränk-
liche und unterdrückte Material und veranlasse bei etwa eintretenden
Schädigungen durch Wind- oder Schneebruch die schleunige Fällung
und Aufarbeitung aller beschädigten Stämme.
„Im Erzgebirge begann der Frass immer in den beherrschten
Stämmen; ist man hier recht aufmerksam und legt sofort eine recht
scharfe Durchforstung ein, so kann man das Uebel möglicherweise
im Keim ersticken. In den dieser Gefahr ausgesetzten Gebirgs-
revieren sind ferner geschickte Waldarbeiter auf das Erkennen
befallener Stämme anzulernen. Diese haben dann alljährlich im
Frübjahre und, wenn bereits die Kalamität grösser geworden sein
sollte, den ganzen Sommer hindurch die Bestände systematisch zu
durchgehen und jeden befallenen Stamm anzuzeichnen. Ist die Zahl
dieser Stämme noch gering, so können dieselben Arbeiter das Fällen
der Stämme und die weiteren Verrichtungen übernehmen. Sind viele
Stämme befallen, so beauftragt man mit diesen Arbeiten eine zweite
Kolonne Arbeiter. Die Entrindung muss dem Fällen sofort folgen,
die Rinde ist zu verbrennen. Geschieht die Entrindung zur Zeit, wo
noch keine Puppenwiegen angelegt sind, genügt diese Massregel. Sind
bereits Puppenwiegen mit Spanpolstern vorhanden, so hat man letztere
auszustossen”’ [ScHaAr]. Ein einfaches Ueberfahren des geschälten
Stammes mit der Schneide der Axt genügt nicht, vielmehr muss man
hierzu alte, abgekehrte Reisigbesen, deren Ruthen leicht in die
Puppenwiegen eindringen, anwenden, wie dies zuerst RATZEBURG
[48 d. S. 160] vorschrieb. Auch dürften dazu die neuerdings vielfach
zur Reinigung der Obstbäume angewendeten Stahldrahtbürsten sehr
geeignet sein.
Ist die Vermehrung des Insektes bereits stark geworden, so
gehe man mit dem Fällen der erst kürzlich angegangenen Bäume
nicht zu schnell vor, weil die einmal von dem Insekt krank ge-
A + Gh
En 2
Harzıüsselkäfer, Pissodes Hareyniae. 387
machten gern von den später auftretenden Nachzüglern als Brut-
plätze benutzt werden, also gewissermassen als Fangbäume dienen.
Von dem Werfen von Fangbäumen hat man bis jetzt kaum nennens-
werthe Resultate gehabt. Ist das Schälen nachlässigerweise bis zu
dem Zeitpunkte verschoben worden, wo der Käfer bereits ausgebildet
in den Puppenwiegen liegt, so müssen Tücher untergelegt, und
die Rinden auf diesen in das Feuer getragen werden. Etwa befallene
Aeste und geringere Wipfel ete. können gleich mit verbrannt werden.
Die Hauptsache ist auch hier die energische Bekämpfung des
Insektenfrasses in seineg Anfängen.
Geschichtliches. Als Rarzesurg [V 1, S. 122] im Jahre 1839 nach
Sıxesen’s Beobachtungen den Harzrüsselkäfer unter die Forstinsekten aufnahm,
war eine wirklich grössere Verheerung dieses damals in den Sammlungen
geradezu seltenen Käfers noch nicht bekannt geworden. Vielmehr konnte von
ihm nur ausgesagt werden: „Dass das Insekt merklich schädlich werden
kann, wenn es sich stark vermehrt, ist nicht zu bezweifeln.” Erst Anfang der
Sechzigerjahre trat ein grösserer Frass ein, und zwar in den königl. hannoveri-
schen und herzogl. braunschweigischen Fichtenwaldunsen des Harzes, in welchen
in Folge der drei ungewöhnlich dürren Sommer 1857, 1858 uud 1859 viele
Stämme kränkelten. Die befallenen Reviere waren die hannoverischen Forst-
inspeetionen Zellerfeld und Lautenthal, namentlich das Revier Lautenthal II,
sowie die braunschweigischen Reviere Seesen, Wolfshagen, Oker und Harzburg.
Die dort befindliehen umfangreichen, 50—120jährigen Fichtenbestände waren
der Sitz des Frasses. Nachdem im Jahre 1860 zuerst ein stärkerer Frass des
Käfers bemerkbar geworden, wurden die ersten Gegenmittel angewendet. Da
jedoch in diesem Jahre die befallenen Fichten etwas zu spät geschält wurden
und daher viele Käfer auskamen, nahm der Frass 1861 zu, und die Bekämpfung
musste stärker betrieben werden. Während man aber auch jetzt noch nur die
wirklich kranken Stämme fällte und entrindete, ging man 1862 überhaupt gegen
alle durch Harzausflüsse als befallen gekennzeichnete Stämme vor, und setzte
dies in den Folgejahren fort, so dass man schliesslich im Jahre 1865 den Feind
als besiegt ansehen durfte.
Die Grösse des Schadens erhellt am besten aus den Angaben von Lorenz
[40, S. 238], dass in dem Betriebsjahre 1861/62 in der aus den vier Re-
vieren Lautenthal I, Lautenthal II), Wildemann und Grund bestehenden da-
maligen Harzforstinspeetion Lautenthal mit 6767 ha Holzbodenfläche eirca 3400 ha
infieirt waren, und in Summe 117967 angebohrte Stämme mit einem Aufwande
an Visitations- und Schälerkosten von 11100 Mark gefällt wurden. Von diesen
117967 Stämmen waren stark, d. h. nach alt-bannoverischem Brauch circa 45 cm
iiber dem ersten Wurzelansatz gemessen,
bis 20 cm über 20—35 cm über 35—50 cm über 50 cm Durchmesser
83835 33251 840 41 Stück.
Der Erfolg der Bekämpfungsmassregeln geht daraus hervor, dass nach den
von Sırvers inden Verhandlungen des Harzer Forstvereines 1867 niedergelegten
Mittheilungen in dem Forstreviere Lautenthal II auf einer infieirten Fläche von
etwas über 700 Aha folgender Einschlag von Wurmholz nothwendig wurde:
—————————————————————
|
Betriebsial | Festmeter „Wurmlolz” | Verausgabte Visitations- |
u | Gesammtmasse | pro Hektar ‚und Schälerkosten in Mark
| ae | 12539 | 17:26 | vr 59a
| 1862/3 | 5879 | 8-21 1110
Boa. | 1885 | 2:66 | 402
| en | |
j | 20305 | 28:13 | 6732
388 Kap. IX. Die Käfer,
Dieser Durchschnittssatz der „Wurmhölzer’ für das Hektar bleibt nicht
viel hinter dem stärksten zurück, welcher von Wevexınn [64, S. 103] in stark
befressenen 60—S0jährigen Beständen des Forstrevieres Zellerfeld im Jahre 1862
auf 33 cbm, bei weniser stark befressenen auf 24 cbm und bei einzeln befressenen
auf 14cbm für das Hektar angegeben wird.
Der Käfer hat sich nach dieser Zeit an vielen anderen Stellen, z. B.
im sächsischen Erzgebirge, sehr schädlich erwiesen. Im Jahre 1867 trat er
zuerst, wie Forstmeister ScHAAL brieflich mittheilt, in dem sächsischen Staats-
forstreviere Olbernhau, 1870 noch viel stärker auf, desgleichen in den nahe-
liegenden Privatwaldungen von Purschenstein und Pfaffrode. Auf Olbernhauer
Revier wurde sofort gegen ihn vorgegangen, und es gelang die Unterdrückung
des Frasses im Laufe der Jahre 1870 bis 1876 so, dass er jetzt nur noch ver-
einzelt vorkommt. Auf den Revieren aber, wo mam®lässiger gegen das Insekt vor-
gegangen war, hat der Frass länger augedauert und ist der Schaden ein viel
grösserer geworden. Im Olbernhauer Revier erstreckte sich der Frass des
Käfers auf ungefähr 400 ha 50- bis 8Cjähriger Fichtenbestände. Zum Zweck
der Veıtilgung des Käfers wurden in den Jahren 1870 bis 1876 gegen 6000/m
gefällt, und dürften die Visitations- und Vertilgungskosten, welche vielfach
mit anderen allgemein auszuführenden Arbeiten zusammen aufgerechnet wurden,
Schlägerlöhne, Plätzerlöhne, etwa 1500 Mark betragen haben.
In der Literatur machten zuerst 1860 Aumaczn [3] und NÖRDLINGER [42 a]
auf diesen Frass aufmerksam. Hierauf folgten 1863 wichtige Aufsätze von
Rarzesung [48e] und Grese [20], Lorenz [40], Weperıno [64], NÖRDLINGER
|42 5] und Beuine [4a], sowie 1869 ein exacter Zuchtbericht von KELLNXER [30].
Ausserdem enthalten die Verhandlungen des Harzer Forstvereines 1862—1865
reichliches Material.
Der braune Kiefernbestands-Rüsselkäfer,
Pissodes Pini L. (Curculio Abietis Rarz.) und der
Tannen-Rüsselkäfer
P. Piceae ILL.
sind Feinde namentlich älterer, starkborkiger Nadelholzstämme, und
zwar bevorzugt ersterer die gemeine Kiefer, während letzterer ein
ausschliesslicher Bewohner der Tanne ist.
Ihre Flugzeit fällt in den Juni, die Larven überwintern und
die Generation wird als einjährig angenommen. Ihre Frassfiguren
ähneln (vergl. Fig. 136) vollständig der des Harzrüsselkäfers, nur
sind die Larvengänge und Puppenwiegen, der durchschnittlich be-
deutenderen Grösse der Käfer entsprechend, auch länger und breiter
als bei dem ersteren. An gut ausgebildeten Stücken ist der Strahlen-
frass unverkennbar. Obgleich schon mehrfach über den von diesen
Käfern in älteren Kiefern- und Tannenbeständen angerichteten Schaden
geklagt wurde, ist doch eine von ihnen verursachte wirkliche Ver-
heerung bis jetzt nicht bekannt geworden. Einschlag der befallenen
Stämme mit Scehälung und Verbrennung der Rinde dürften zur Abwehr
in den meisten Fällen genügen. Dagegen geht in gelegentlich an-
gegriffenem, schwächerem Material der P. Pini mit seinen Puppenwiegen
mitunter so tief in den Splint, dass die hier ohnehin nicht lohnende Schä-
lung unterbleiben und das ganze Stämmchen verbrannt werden muss.
Beschreibung P. Pini L. (Curculio Abietis Rarz.). Käfer: Hinter-
ecken des runzlig gekörnten Halsschildes scharf und rechtwinklig, sein Hinter-
Pissodes Pini und Piceae. 389
rand kaum zweibuchtig und kaum schmäler als der Grund der Flügeldecken.
Punktstreifen der Flügeldecken mit grossen viereckigen, grubenförmigen Punk-
ten, die abwechselnden Zwischenräume etwas erhabener. Grundfarbe braun.
Ober- und Unterseite mit gelben Schuppen, welche vor der Mitte zu einer
schmalen, an der Naht unterbrochenen, hinter der Mitte zu einer schmalen,
durchgehenden, einfarbig gelben Querbinde verdichtet sind. Länge 6—9 mm.
Dieser von Lmx& wirk-
lieh C. Pini genannte Käfer INIHUITINNIDINENINNNINNIN INN
ist es, dessen Name fälschlieh MINI |
von RATZEBURG auf den ge-
wöhnlichen grossen braunen
Rüsselkäfer übertragen wurde,
der in Wahrheit von Lmn& C.
Abietis getauft worden war.
Die Autorität RAtzegure’s hat
diese Verwechselung in der
Forstwelt derartigeingebürgert,
dass noch heute ältere Forst-
leute den zuletzt erwähnten
Käfer, unseren gefährlichsten
Nadelholzkulturverderber, als
Curceulio Pini fälschlich be-
zeichnen.
Lebensweise. Ge-
nauere Beobachtungen über
die Dauer der Generation
dieses T'hieres fehlen noch,
dagegen wird seine Flug-
zeit übereinstimmend als
um die Zeit der Sommer-
sonnenwende fallend an-
gegeben und der Larven-
zustand als der normale
Ueberwinterungs - Zustand
angesehen. Man könnte
daher graphisch die Gene-
ration genau so darstellen,
wie dies auf S. 384 in der
Mitte für P. Harcyniae
Hssr. geschehen ist. Fig. 136. Strahlenfrass von Pissodes PiniL.an
Als Brutmaterial su- Weymouthskiefer. Rindenstück in !/, natürl.
chen die Weibchen nament- Grösse. Nach JupeıcH [29 5].
lich ältere Stämme von Pınus-Arten auf, und zwar findet man sie meistens
in den starkborkigen Theilen, ohne dass etwa die oberen Stamm-
partien mit dünnerer Rinde verschmäht würden. Jupeıcn fand eine
Weymouthskiefer sowohl an den Stellen mit nur 5 mm starker, wie
solche mit vierfach stärkerer Rinde besetzt [295]. Auch aus Fichten
soll P. Pini L. schon mehrfach gezüchtet worden sein.
Arrum [XVI, III. 1, S. 205] ist geneigt anzunehmen, dass auch hier der
Primär frass meist an den oberen Stammpartien beginnt und erst im Laufe
der Infektion der untere Stammtheil besetzt wird. Ja auch ganz schwaches
Material wird befallen. So meldet Berıng [4 c] einen Frass in einer nur 5cm
Fig.137. Stück eines
entrindeten Kiefern-
stämmchens mit Pup-
penwiegen von Pis-
sodes Pini L. ?/,
Grösse. In
der unteren Hälfte
sind gewöhnliche
Puppenwiegen, im
Längsschnitt oben
dagegenim Holz ver-
borgene. a Larven-
gangspuren auf dem
Splint, welche sich
bei 5 in die Puppen-
wiegen herabsenken,
ce der zu den ver-
borgenen Puppen-
wiegen führende, mit
Nagespänen ver-
stopite Gang, d die
Puppenwiegen,
e Flugloch.
natürl.
Kap. IX. Die Käfer.
Durchmesser über dem Boden haltenden Schwarzkiefer.
Trotzdem dürfte es wohl dem heutigen Stande unserer
Kenntnisse kaum mehr entsprechen, mit RATZEBURG den
P. Pini unter die Kulturverderber zu rechnen. LETZNER
berichtet aus dem Riesengebirge über starken Frass
unseres Käfers in Kpieholzästen [36]. Diese Knieholz-
bewohner sind es übrigens, welche Rarzesurc als eine
von den Entomologen nicht anerkannte neue Art, P.
sudeticus, beschrieben hat [XV, II, S. 371].
Die Eier werden von dem Weibchen meist
häufchenweise abgelegt, und es entsteht alsdann
durch die von einem Punkte ausgehenden Larven-
gänge ein typischer Strahlenfrass. Auf Figur 136
ist eine solche 9strahlige Frassfigur abgebildet.
Artum hat dagegen solche mit bis 30 Strahlen
gesehen. Die Länge der einzelnen Gänge kann
bis 20 cm betragen. Die Breite dieser Gänge und
die Länge der Puppenwiegen, welche stets in den
Splint eingreifen, sowie die Stärke der Fluglöcher
variirt nach der Grösse der Exemplare. Die Flug-
löcher haben 2,5 —Amm Durchmesser und sind
kreisrund.
Die mit groben Spanpolstern ausgekleideten
Puppenwiegen (Fig. 137) greifen stets in den
Splint ein, liegen aber an starkborkigen Stämmen
theilweise auch in der Rinde, und das Flugloch
liegt dann ausschliesslich in letzterer. Besetzt der
Käfer aber schwache, dünnrindige Stämmehen, so
geht die Larve mitunter tiefer in das Holz, so
dass nach Ablösung der Rinde die Puppenwiegen
selbst nicht sichtbar sind, sondern nur der
allmählich in die Tiefe hinabsteigende Eingang zu
denselben. Frisst der Käfer sich dann heraus,
so macht er ein eigenes Flugloch, welches also
auch im Holze sichtbar ist. Beide Puppenwiegen-
formen können aber in unmittelbarer Nähe von
einander an ein und demselben Frassstück vor-
kommen. Auf diese Eigenthümlichkeit wurden wir
an einigen in 'Iharand von Studiosus JAROSCHKA
sen. gesammelten Frassstücken aufmerksam. Publi-
eirt wurde dies Verhältniss zuerst bald darauf durch
Berise [4e)].
Schaden und Abwehr. Dass der Käfer
merklich schädlich werden kann, ist wohl zwei-
fellos. Grössere Schäden sind bis jetzt aber noch
wenig beobachtet worden. Georg [19 6] berichtet
allerdings über einen stärkeren Frass dieses Käfers
in Verbindung mit P. piniphilus Hssr. aus der Klosteroberförsterei
Lüneburg und Arrun [XVI, III. 1, S. 205], über einen ähnlichen Frass
Kiefernbestands- und Tannenrüsselkäfer. Erlenrüsselkäfer. 391
an Weymouthskiefer aus Dinklage in Oldenburg. In Betreff der Abwehr
ist auf das oben Gesagte zu verweisen,
P. Piceae Irr. Käfer: Hinterecken des runzlig gekörnten Halsschildes
scharf und spitzwinklig. Sein Hinterrand deutlich zweibuchtig, Punktstreifen
erst etwas hinter der Basis der Flügeldecken mit viereckigen, starken, ab-
wechselnd grösseren und kleineren grubenförmigen Punkten, Zwischenräume
3 und 5 deutlich erhabener, Grundfarbe dunkelbraun, die Oberseite mit braunen
und gelben Schuppen besetzt, letztere vor der Mitte der Flügeldecken jeder-
seits einen gelben Punkt, hinter derselben eine einfarbig gelbe, aussen ver-
breiterte, an der Naht unterbrochene Binde bildend. Länge 6—10 mm.
Die Lebensweisevon P. Piceae Irr. ist der des P. Pini L. un-
gemein ähnlich. Nur scheint der Flug nach Rırgen [49] etwas später zu
fallen, in den Ausgang des Juli, und die Generation sicher einjährig zu
sein. RıiEGEL war es auch, der unseres Wissens zuerst den Strahlenfrass
einer Pissodes-Art deutlich beschrieb. Nach Hocnnäusster sollen die
Centren der Strahlenfrässe gern in Astwinkeln liegen [XVI, III. 1,8. 204].
Der Käfer ist, soweit bekannt, völlig monophag, ein typisches Tannen-
insekt, und geht auch nicht in junge Stämme. Dagegen soll er gern
Scheitholz, Windfälle, absterbende Stämme und Stöcke annehmen.
Einen grösseren Schaden erwähnt Aurum kurz aus Schlesien, wo auch
die Käfer im Frübjahr in Menge an den Stöcken frisch gefällter
Tannen gefunden wurden. JupeıcH berichtet, dass im Jahre 1868 auf
dem damaligen königl. sächsischen Staatsforstrevier Chemnitz ein
sehr erheblicher Schaden an Tannen verursacht wurde. Die Haupt-
flugzeit war daselbst Ende Juni und Anfang Juli.
Durch reine Wirthschaft im Walde kann auch dieser Käfer
wohl am besten unschädlich gemacht werden.
Rüsselkäfer, deren Larven die tieferen Rindenschichten und
den Holzkörper junger Laubholzstämme und Aeste bewohnen.
Hierher gehört nur ein Käfer, nämlich der
Erlenrüsselkäfer oder Erlenwürger
Cryptorrhynchus Lapathi L.
Die Larve dieses Käfers frisst namentlich in jüngeren Erlen-
und Weidenstämmehen zuerst oberflächlich unter der Rinde, bohrt
sich dann tiefer in das Holz und fiisst einen aufsteigenden
Gang. Im Laufe des Sommers eıkenut man den Frass von aussen
daran, dass an der ÖOeffnung, welche die Larve an der Öber-
fläche unterhält, braune, langfaserige Nagespäne in Menge hängen.
Dieser Frass tödtet vielfach jüngere Erlenlohden, deformirt auch und
schwächt die nicht absterbenden so, dass sie leicht abbrechen. Auch
in Weidenkulturen wird das Tbier schädlich, und zwar hier auch als
Käfer durch Benagen der Ruthenspitzen. Ausschlagen und Ver-
brennen des von lebenden Larven und Puppen besetzten Materiales
ist das einzige anwendbare Gegenmittel.
Beschreibung. Cryptorrhynchus Lapathi L. Käfer: pechbraun oder
schwarz. Der hintere, dritte Theil der Flügeldecken, Mitte der Schenkel, Seiten
392 Kap. IX. Die Käfer.
des Halsschildes und Vorderbrust dicht weiss oder röthlich-weiss beschuppt.
Halsschild und Flügeldecken mit Büscheln aufstehender, schwarzer Schuppen.
Geflügelt. Länge 7—9 mm.
Larve weisslich mit stark chitinisirtem, braunem Kopfe, ohne besondere
weitere Kennzeichen.
Lebensweise. Die Generation dieses gefährlichen Erlen- und Weiden-
feindes ist noch nicht vollständig klar gestellt. Die normale Flugzeit fällt in
den Mai, wenngleich bei starkem Frasse auch im ganzen Verlaufe des Sommers
Käfer, und zwar auch in der Begattung, zu finden sind. Das Ausschlüpfen
findet namentlich dann, wenn im Zimmer gehaltene Zuchten beobachtet werden,
im Herbste statt, während in der freien Natur es zwar auch meist zur Ent-
wickelung des Käfers kommt, dieser aber in den Larvengängen überwintert.
Die Streitfrage ist nun die, ob die im Herbste auskommenden Käfer aus Eiern
stammen, welche im Frühjahre desselben Jahres abgelegt wurden, oder aber
aus solchen, welehe schon aus dem Jahre vorher stammen. Die Mehrzahl der |
Autoren ist, unserer Ansicht nach, ohne hinlängliche Beweisgründe für die |
——
SER
an
Fig. 138. Frass : A frischer
Larvengang mit Larve. B älterer Frass mit beginnender Ueberwallung der
äusseren Wunde. (C' Frassstück, aus dem der Käfer bereits ausgeflogen ist, an
dem die Nagespäne aber noch erhalten sind. « oberflächlicher Anfangsfrass der
Larve. 5b aufsteigenderLarvengang. ce Larve. d Nagespäne. e Flugloch.
erstere Alternative, also für die einjährige Generation, während HenscHEL
[x1, 2. Aufl., S. 179], allerdings auch ohne Angabe seiner Gründe, ebenso ent-
schieden für die zweijährige Generation eintritt und Arrum [XVI, 2. Aufl.,
III, 1. S. 222] mit Vorsicht darauf hinweist, dass die Frassart der Larve eine
derartige sei, wie man sie sonst meist nur bei Insekten mit zweijähriger
Generation findet.
Das gewöhnliche Bild des Frasses ist folgendes. Die aus den meist
einzeln an die Rinde von jüngeren Erlen und Weiden abgelegten Eiern aus-
schlüpfenden Larven fressen zunächst einen unregelmässigen Hohlraum unter
der Rinde und dringen erst allmählich tiefer in den Holzkörper ein. In letzterem
machen sie nun bei dünnen Stämmehen im Centrum, bei stärkeren auch ex-
centrisch einen aufwärtssteigenden, bis 10 cm langen, drehrunden Larvengang
und schieben die braunen, ziemlich langfaserigen Nagespäne aus einem in der
Nähe ihrer ersten Angriffsstelle angebrachten Loche heraus. Im Umkreise der
>
ne une m
Erlenrüsselkäfer, Cryptorrhynchus Lapathi. 393
letzteren sieht die Rinde blass und missfarbig aus, und es bleiben hier die von
dem reichlich austretenden Safte befeuchteten Späne in dicken Polstern hängen.
Bei schwächerem Frasse sind die Larven vereinzelt, mitunter sind aber
auch viele in einem Stamme. Namentlich in schwächeren Weiden sind sie
nach Arrum’s Beobachtungen oft dicht gedrängt und von einander nur durch
wenige Nagespäne geschieden. Die zur Verpuppung reife Larve dreht sich um,
sodass die Puppe gestürzt, den Kopf nach unten, liegt. Der ausschlüpfende Käfer
steigt den Gang bis zu der Stelle herab, wo der Larvenfrass oberflächlich begann,
und frisst dort ein rundes Flugloch dureh die dünne Rinde (Fig. 138 C). Der
Käfer scheint vorzugsweise in den Larvengängen zu überwintern. Dass er dies
nicht in der Bodendecke thut, beweist nach TAscHengEr@ |[XXII, II, S. 161] schon
der Umstand, dass er sich, trotzdem seine Wohnplätze bei Halle stark den Ueber-
schwemmungen ausgesetzt sind, niemals in dem angeschwemmten Röhricht und
Gestrüpp findet.
Als Brutstätten werden benutzt zunächst unsere beiden Erlenarten,
Alnus glutinosa GÄrrn., die Schwarzerle, und A. incana Wırrv., die Weisserle
[44], ferner verschiedene Weidenarten, namentlich Salix caprea L., S. viminalis
L., S. purpurea L. und S. triandra L., ferner, in selteneren Fällen, Birken
und Pappeln. Die früher häufig gemachte Angabe, dass blos die Schwarzerlen
befallen würden, hat sich nicht bestätigt. Eine eigenthümliche Beobachtung
theilt Aurum [XVl. III, S. 221] aus der Gegend von Neustadt, von den Leuen-
berger Wiesen mit; der Käfer hat dort mit consequenter Vermeidung der
Schwarzerlen nur die gemischt mit diesen wachsenden Weisserlen, und zwar
starke Stangen, von unten bis 6 m hoch befallen, selbst 30- und mehrjährige
Bäume nicht verschont. ALtum vermuthet, dass die Rinde der älteren Schwarz-
erlen dem Käfer vielleicht zu borkig sei, weshalb er die glatteren Weisserlen
vorziehe. Die 2—3jährigen Lohden, oft auch die 4jährigen und älteren sind dem
Käfer die liebsten. An Birken fand NÖRDLINGER die beiden letzten Jahrestriebe
bewohnt und zerstört. Nach Zese [69] wurden auch Aeste und hervor-
stehende Wurzeln belegt. Bei Weiden fand TAscHEnBERG vorzugsweise die Wurzel-
stöcke von der Brut bewohnt.
Autum sagt: „Eine Entwickelung findet beim jährlichen Schnitt der Ruthen
lediglich in den Stecklingen und in den Stummeln der früheren Ruthen statt“.
Am häufigsten findet man den Frass in Erlenrändern, die sich an Gräben,
Teichen etc. hinziehen. Die Angabe NörvLinger’s [XXIV, S. 175], dass eram häufig-
sten sei in Erlen, denen zeitweilig die nöthige Feuchtigkeit fehlt, dürfte daher
wohl kaum zutreffen.
Der Käfer selbst benagt die Rinde der jüngeren Zweige derjenigen
Bäume und Sträucher, deren stärkere Lohden oder Wurzelstöcke er als Brut-
material wählt. Aus der vorstehenden Schilderung geht hervor, dass der Name
des Käfers, den er erhielt, weil er zuerst zufällig auf Ampfer, dem Lapathum
der Alten, gefunden wurde, nicht bezeichnend ist.
Schaden und Abwehr. Wir berücksichtigen zunächst den
Larvenfrass. Die stark befallenen Erlen gehen entweder ein, oder
sie werden an den Frassstellen leicht vom Winde abgebrochen. Der
Schaden ist gegendweise so bedeutend, dass ganze Erlenbestände zu
Grunde gerichtet werden. Halten die Stämmchen den Frass aus, so
werden sie doch durch die Ueberwallung der Frassstellen stark de-
formirt und entwerthet. Der Frass verräth sich ausser durch die aus-
geworfenen Nagespäne an schwächeren Stämmehen namentlich auch
durch das Welken der Blätter. Letzteres zeigt den Feind auch in
den Weidenhegern an, wo häufig in Folge des Larvenfrasses in den
Stecklingen ein Ruthenbüschel nach dem anderen abstirbt.
Sowohl in Erlen- als in Weidenbeständen kann das Ausschneiden
oder Heraushauen des von den Larven besetzten Materiales mit nach-
Lehrbuch d. ınitteleurop. Forstinsektenkunde. 26
394 Kap. IX. Die Käfer.
folgender Verbrennung als zweckmässige Vertilgungsmassregel an-
gesehen werden, wenngleich bei starkem Frasse dies mitunter dem
vollkommenen Abtriebe des Bestandes gleichkommt.
Bei der Unregelmässigkeit der Generation des Käfers wird in
der Regel der Sommerhieb am besten sein. Wo es die Standorts-
verhältnisse gestatten, wird man zum Anbau von Eichen, Eschen,
Ahorn oder Rüstern schreiten müssen. Der früher hier und da ge-
machte Vorschlag, an Stelle der so sehr gefährdeten Schwarzerle,
Weisserlen anzubauen, ist haltlos geworden, seit man sich überzeugt
hat, dass letztere Holzart ebenso gut und verderblich von dem Rüssel-
käfer befallen wird, wie erstere.
Der Frass des Käfers ist weit weniger schädlich. Indessen
ist durch die von RossmÄssLer mitgetheilte Beobachtung von Muru
[50, S. 200] constatirt, dass er durch Benagen der Rinde junge
Stämmehen eines Schwarzerlenaufschlages zum Eingehen gebracht hat.
Ein Nagen an Weidenrinde hat Nörpuinger [XXIV, S. 19] beobachtet,
und Arrum berichtet, dass er in Weidenhegern die Rinde bis auf
den Splint benagt. Hierdurch sterben oft die Ruthenspitzen ab, und
wenn auch die Ruthe seitlich eine neue Spitze bildet, diese aber wieder
getödtet und ersetzt wird u. s. f., so verliert sie völlig ihren Gebrauchs-
werth. Bereits verholzte Ruthen sterben in Folge dieser Beschädigung
nicht ab, die Stiche überwallen vielmehr und haben dann einige
Aehnlichkeit mit ausgeheilten Hagelschlagverletzungen.
Gegen den Käfer selbst ist kaum vorzugehen. Ein erfolgreiches
Sammeln desselben ist nicht möglich, da besondere Fangmittel, welche
sich beim grossen braunen Rüsselkäfer so gut bewähren, nicht be-
kannt sind und sich die an den Stämmchen sitzenden, aus der
Ferne nicht leicht sichtbaren Käfer bei unvorsichtiger Annäherung
des Menschen sofort auf den Boden fallen lassen, wo man sie nicht
erkennt.
Rüsselkäfer, deren Larven die Blattorgane von Holzgewächsen
beschädigen. Der hier in Frage kommenden Käfer sind nur wenige.
Allerdings leben die ziemlich zahlreichen Arten der durch ihr Spring-
vermögen ausgezeichneten Gattung Orchestes fast sämmtlich auf
Laaubhölzern, deren Blätter ihre Larven zerstören, indem sie minirend
das Blattfleisch unter Schonung der Epidermisschichten verzehren,
aber nur eine Art,
der Buchen-Springrüsselkäfer,
Orchestes Fagi L.,
auch Buchenrüssler genannt, richtet häufig grössere Verheerungen an,
indem er namentlich ältere Buchenbestände derartig befällt, dass
fast kein Blatt verschont bleibt. Da dieser Frass bald nach dem
Ausschlag des Buchenlaubes eintritt, ist öfters eine Verwechselung dieser
Beschädigung mit Frostschaden vorgekommen. Der Käfer schadet
gleichfalls durch Frass an Blättern und Früchten.
Auch der Eichen-Springrüsselkäfer, O. Quercus L., ist mit-
unter schon massenhaft aufgetreten.
Erlenrüsselkäfer und Springrüsselkäfer, Orchestes. 395
Beschreibung. Orchestes Fagi L. Käfer: Rüssel ziemlich lang, Augen
gross, nicht völlig aneinanderstossend. Fühler in der Mitte des Rüssels einge-
lenkt, Fühlerschaft bedeutend länger als
Geisselglied 1, Fühlergeissel 6gliedrig. Hals-
schild quer mit abgerundeten Seiten und, eben-
so wie die Flügeldecken, ohne aufrecht stehende
Borsten. Flügeldecken punktstreifig mit flachen
Zwischenräumen. Körperumriss länglich. Vorder-
schenkel mit kleinem Zahn. Die verdickten
Hinterschenkel fein gezähnelt.e. Grundfarbe
schwarz, Fühler und Fussglieder braungelb.
Oberseite dicht grau behaart. Länge 2— 25mm.
Die Puppe, in einem dünnen Cocon inner-
halb der kugelig aufgetriebenen Blattmine
liegend, ist nur am Kopfe mit einigen Dornen-
höckern versehen, sonst nur dünn behaart, die
Afterdornen sind einander sehr genähert.
Larve: Gabellinie auf dem Kopfe schon
vom Hinterrande an getheilt; ein geiheiltes
dunkles Nackenschild auf dem Prothorax und
ein nach oben gerichtetes Fleischzäpfchen auf \
dem letzten Hinterleibssegment. Hinterbrust
und Hinterleibsringe an den Seiten warzig vor- Fig. 139. Buchenblatt mit Larven-
tretend, ohne Keilwülste. Hinterleibsringe ober- frass (a) und Käferfrass (b)
wärts mit je 2 Wärzchen, welche zum Fort- von Orchestes Fagi L.
schieben in der Mine dienen.
O. Quercus L. Käfer: Rüssel ziemlich lang, Augen sehr gross, fast ganz
miteinander verwachsen. Fühler gleich hinter der Mitte des Rüssels eingelenkt,
Fühlergeissel 6gliedrig. Halsschild und Schultern mit aufrecht stehenden Borsten
besetzt. Flügeldecken fein punktstreifig. Umriss breit eiförmig. Grundfarbe roth-
braun. Augen, Brust und erste Ringe des Hinterleibes unten schwarz. Oberseite
dicht gelb behaart, bei unabgeriebenen Stücken vorn mit einer dichter behaarten,
nach hinten zugespitzten Stelle. Vorderschenkel in der Mitte mit kleinem Zahır.
Hinterschenkel stark, unten mit 8 kleinen Zähnchen. Länge 2:5 — 35 mm.
Lebensweise. Die Generation des Buchen-Springrüsslers ist einfach
und einjährig, wie die folgende Darstellung zeigt.
| }
| Han Febr. |März | April | Mai | Juni | Juli | Aug. Set. Oct. Nov.) Dec.
1880 Zr anr Ahr HH
SIE |
| 1881 +++ +44 HH ++ + | | | |
|
Die überwinterten Käfer erscheinen mit Beginn des Laubausbruches auf
den Buchen. Die Weibehen legen die Eier einzeln an die Mittelrippe der Blätter,
mitunter mehrere an dasselbe Blatt. Die Larve frisst nun gegen den Rand und
die Spitze des Blattes zu einen Gang zwischen den beiden Epidermisschichten
und erweitert diese Mine ziemlich plötzlich am Rande des Blattes, so dass
sie blasenförmig aufgetrieben erscheint (Fig. 139). Hier verpuppt sich auch die
Larve in einem runden Cocon. Das Larvenleben dauert ungefähr drei Wochen,
die Puppenruhe ungefähr 14 Tage. Die bereits Mitte Juni auskommenden
Käfer befressen zunächst das Laub und die Fruchtansätze der Buchen,
gehen aber auf verschiedene andere Pflanzen über. So wurde nach
ALTum und Fickerr [lc] auf Rügen das Obst, namentlich Kirschen, Him-
26*
396 Kap. IX. Die Käfer.
beeren und Stachelbeeren, so stark vom Käfer befressen, dass es ungeniessbar
für den Menschen war. Auch Blumenkohl wurde angegangen, und Beine
[4 5] fand, dass diese Thiere in den den befallenen Buchenbeständen benachbarten
Roggenfeldern die Aehren benagteu. Diese Beschädigung war es, auf welche hin
früher eine besondere Art, Curculio segetis, aufgestellt worden ist. Mit Beginn
der kühleren Jahreszeit verlässt der Käfer die Blätter, um in der Bodendecke
und in Rindenritzen zu überwintern, dann bei Beginn der wärmeren Jahreszeit
wieder zu erscheinen und zur Fortpflanzung zu schreiten.
Schaden. Wenn der Käfer sich massenhaft vermehrt, so wird durch den
Larvenfrass ein grosser Theil der Blattfläche der Buchen zerstört, und diese
sehen dann, da die Minen sich bräunen und schliesslich aus der Blattfläche aus-
fallen, wie erfroren aus. Da die Buche nur langsam in der Reproduction neuer
Blattorgane ist, so ist der Zuwachsverlust nicht unbeträchtlich. Am liebsten nimmt
der Käfer ältere Bestände an, verschont aber auch jüngere Pflanzen nicht. Dass
letztere wegen ihrer im Allgemeinen geringeren Widerstandstähigkeit infolge starken
und wiederholten Frasses eingegangen wären, ist in der Praxis noch nicht vorge-
kommen. An den Rändern der Bestände ist der Schaden meist stärker als im
Inneren, aber auch in gemischten Beständen werden die Buchen angegangen.
Stärkere Verheerungen werden berichtet vom Pfälzerwalde im Jahre 1869 [13]
und aus Rügen im Jahre 1875. Es boten nach Arrtum „auf stundenlangen
Fahrten die dortigen Buchenreviere ununterbrochen dasselbe Bild. Millionen und
Milliarden Blätter waren an der Spitze gebräunt von den niedrigsten Zweigen
bis an die höchsten Gipfelpartien.” Auch bei Tharand zeigt sich der Käfer öfter
schädlich.
Der Käferfrass wird schon von RATZEBURG als mitunter nicht unbedeutend
angegeben, namentlich der von den eben aus dem Winterlager hervorgekommenen
Käfern ausgeübte, welche nicht nur die jungen Buchenblätter, sondern auch die
Fruchtknoten angehen. Schon durch die letztere Thätigkeit kann die Buchelmast
beeinträchtigt werden, besonders da auch die neuen Käfer im Juni und Juli an
die Cupula der Buche gehen und in Folge dieses Frasses nach Artum und
Fickerr die Bucheckern vorzeitig aufspringen und taub bleiben. An manchen
Stellen soll 1875 auf Rügen hierdurch ein bedeutender Theil der Mast vernichtet
worden sein.
Der Eichen-Springrüssler ist in der Lebensweise dem vorigen sehr
ähnlich. Nur wird nach Nörprınger das Ei in die Mittelrippe des Blattes
selbst abgelegt, und die Larve frisst in der Mittelrippe ein Stück weiter, ehe sie
auf die Blattdäche übergeht. Befallen werden bei uns nach NÖRDLINGER [XXIV,
S. 20) die verschiedenen Arten der sommergrünen Eichen ohne Unterschied.
Derselbe beriehtet auch, dass namentlich die unter dem Schutze lichter Kiefern-
bestände erzogenen Eichen besonders gelitten hätten. Nach Hess soll der Frass
besonders auf unterdrücktem Unterholze vorkommen. So z. B. 1875 bei Giessen.
v. Vursesus [61] will dagegen beobachtet haben, dass im Jahre 1856 auf dem
herzogl Brauuschweigischen Revier Ottenstein die Stieleichen gegenüber den
Traubeneiehen bei weitem bevorzugt wurden.
Gleichfalls auf Eiche kommt vor O. Ilicis FAgr., ist aber auch aus Birken
erzogen worden. ©. Alni L. brütet in Pappel- und Ulmenblättern, ©. Populi
FABr. ist gemein auf Pappeln und Weiden.
Abwehr. Eine wirksame Bekämpfung der Springrüsselkäfer gibt es nicht.
Von Natureinflüssen, welche die Verbreitung dieser Käfer hindern könnten, sind ausser
der Thätigkeit der Insekten fressenden Vögel noch zu erwähnen der Frost, der
nach Rartzerure [XV, Bd. II, S. 134] einmal die ausgewachsenen Larven zum
Verlassen ıhrer Minen zwang.
Die Arten der Gattung Cionus ÜOraırv. sind namentlich auf
Königskerze, Verbascum und Scrophularien angewiesen, auf deren
Blättern ihre fusslosen Larven, durch einen zähen Schleim fest-
gehalten, leben. Nur eine Art,
Blur >
Springrüsselkäfer und Eschen-Rüsselkäfer, Cionus. 397
der Eschen-Rüsselkäfer,
Cionus Fraxini DE GEER
befrisst nicht nur als Larve, sondern auch als Käfer die Eschen-
blätter und macht, da er mehrere Generationen in einem Sommer haben
kann, mitunter merklichen Schaden.
Beschreibung: Cionus (Stereonychus) Fraxini DE Geer. Käfer: Augen
getrennt. Geisselglied 1 und 2 verlängert und einander gleich. Flügeldecken
punktstreifig mit gleichmässig dicht punktirten Zwischenräumen, oben abgeflacht.
An jedem Fusse nur eine Klaue. Grundfarbe rothbraun, Fühlerspitzen dunkler.
Oberseite mit grauen und braunen Schuppen dicht besetzt, letztere auf dem Hals-
schild einen grossen Fleck und auf den Flügeldecken eine Binde bildend;
Färbung sehr variirend. Länge 3—3'5 mm.
Puppe eingeschlossen in einem fast durchsichtigen, gelbliehen Cocon von
35mm Länge. Letzterer wird gebildet aus dem Schleim, welcher die 6—8mm lange
Larve dicht bedeckt und aus einem auf der Oberseite des letzten
Hinterleibsringes befindlichen Zäpfchen abgesondert wird. Sie ist grünlichgelb,
hat einen schwarzen Kopf, trägt auf dem Prothorax ein getheiltes, schwärzliches
Nackenschild und ist mit einzelnen Härchen besetzt. Füsse sind nicht vorhanden,
dagegen die Weichen der Bauchseite durch eine Mittelfurche des Hinterleibes
in zwei Lappen getheilt [XVIl, S. 429].
Lebensweise. Die Generation dieses Käfers ist eine mehrfache. Bei uns
scheinen nach Jupeicn [29 «a | wenigstens zwei Generationen vorzukommen.
PrrAGarLo gibt für Nizza im Laufe der Monate April bis Juli eine dreimalige
Eierablage an. Im Frühjahre erscheinen die Käfer, deren Weibchen die Blätter
der Esche mit Eiern belegen. Die auskommenden Larven, deren Leben im Süden
bis zur Verpuppung 10—12 Tage dauert, sitzen durch ihren klebrigen Schleim-
überzug festgehalten meist an der Unterseite der Blätter und fressen, die Rippen
vermeidend, auf der Blattäche die Epidermis und das Blattteisch platzweise aus,
lassen jedoch die Epidermis der Oberseite stehen. Die Ränder des Frasses bräunen
sich bald. In einzelnen Fällen wird auch die Oberseite angegangen, sodass dann
die Epidermis der Unterseite stehen bleibt Will die Larve sich verpuppen, so zieht
sie sich etwas zusammen, der Schleim erhärtet um sie zu einer tönnchenförmigen
Hülle, in der schliesslich die noch stärker geschrumpfte Larve frei liegt und in
den 6—8 Tage währenden Puppenzustand übergeht. Diese Verpuppung findet
öfters an den Blättern selbst, meist aber in der obersten Bodendecke statt.
Der Käfer, der beim Ausschlüpfen aus dem Cocon ein regelmässig rundes Deckel-
chen abschneidet, frisst Löcher in die Blätter und verschont selbst die Knospen
nicht. In welchem Zustande das Thier überwintert, ist noch unbekannt, dies dürfte
aber wohl sicher als Puppe oder Käfer geschehen. Die Dauer einer Generation
im Sommer scheint 3 bis höchstens 4 Wochen zu betragen und es könnte daher
auch bei uns wohl mitunter eine dreifache Generation vorkommen (vergl. auch 55).
Schaden. Bei uns ist der Käfer ausschliesslich auf die Esche angewiesen,
im Süden geht er auch au den Oelbaum. Durch den combinirten Frass von
Larve und Käfer vertrocknen viele Blätter, und bei starkem Frasse kann es zur
theilweisen oder vollkommenen Entblätterung kommen. Fine Verwechslung mit
Frostschaden ist dann möglich. Bei Tharand waren 1869 5-6 m hohe Bäume
so stark befallen. 1364 beobachtete KeLrxer einen stärkeren Frass auf Winter-
steiner Revier im Thüringer Walde. Ein Eingehen von Bäumen in Folge dieses
Frasses wurde noch nie bemerkt, ist bei der grossen Reproductionskraft der Esche
auch nicht wahrscheinlich, dagegen kann Zuwachsverlust die Folge sein. An
Oliven ist der Käfer schädlicher, da er Blüthen- und Fruchtbildung verhindern kann.
Durch Abklopfen der Käfer auf untergehaltene Tücher oder Schirme könnte
man nöthigen Falles den Schaden vermindern.
Der Kiefernscheidenrüssler, Brachonyx pineti Payk.,
die einzige Art der Gattung, macht seine Entwickelung in den die
Nadelpaare tragenden Kurztrieben unserer gemeinen Kiefer durch:
398 Kap. IX. Die Käfer.
die so befallenen Nadeln bleiben anfänglich im Wachsthume zurück
und röthen sich später. Ausgedehnter Schaden ist noch nicht verursacht
worden. Leider ist es kaum möglich, gegen diesen Schädling mit
Bekämpfungsmassregeln vorzugehen.
Beschreibung. Br. pineti Payk. (indigena Hssr). Käfer: Körper schmal-
eylindrisch mit einem dünnen, glänzenden, gebogenen Rüssel, Flügeldecken
tief punktstreifig, mit schmalen, gewölbten Zwischenräumen. Grundfarbe braun,
Rüssel und Augen schwarz, Fühler, Beine und Flügeldecken rothgelb. Oberseite
gelbgrau, ziemlich gleichmässig behaart. Länge 2:8 mm.
Larve weisslich, mit grossem Kopfe und ansehnlich behaart. Länge 3 mm.
Lebensweise und Schaden. Die überwinternden Käfer kommen im
Frühjahr hervor und belegen die sich entwickelnden Nadelpaare mit je einem
Ei. Zwischen der Basis der beiden Nadeln, innerhalb der Scheide frisst die
Larve ihren Gang und verpuppt sich im Juli Im August schlüpft der Käfer
durch ein seitliches Flugloch heraus. Der Käfer benagt der Nahrung wegen die
jungen Maitriebe und sticht die Nadeln an. Die in Folge des Angriffes der Larve
kurz bleibenden Nadeln fallen gegen den Herbst ab. Ein starker, wiederholter
Frass kann schlechtwüchsigen jungen Kiefern nachtheilig werden. Man könnte
dann vielleicht durch Abschneiden der befallenen Triebe vor Ausschlüpfen des
Käfers oder durch Abklopfen des letzteren Gegenmassregeln treffen.
Eine Verwechslung des Frasses dieses Rüsselkäferss mit dem von
Cecidomyia (Diplosis) brachyntera Schwäc. kann, wenn man nur auf die
Erscheinung des Frasses sieht, leicht varkommen. Die Larve der letzteren
Mückenart, die genau so lebt wie die des Käfers, ist aber an dem Mangel eines
abgesetzten Kopfes und durch ihre orangerothe Färbung leicht zu erkennen,
Rüsselkäfer, deren Larven den Samenertrag forstlich wiehtiger
Holzgewächse schädigen, gibt es nur wenige. Zunächst sind in dieser
Gruppe die Nussbohrer, Balaninus Geru., leicht kenntlich an ihrem
fadendünnen, namentlich bei den Weibchen sehr langen Rüssel, zu
erwähnen, von denen drei, nur schwer unterscheidbare Arten in
Eicheln und Haselnüssen brüten. Das Weibehen bohrt mit seinem
Rüssel die halbwüchsige junge Frucht an und schiebt ein Ei in das
Bohrloch. Die auskommende Larve nährt sich von dem Kern, den
sie ganz oder theilweise ausfrisst. Die so angegriffenen Früchte
fallen meist etwas zeitiser ab, als die gesunden, die Larve bohrt
sich dann durch ein grosses kreisrundes Loch heraus und geht in
den Boden, wo sie sich verpuppt und verwandelt. Ein grösserer
wirklicher Schaden ist bis jetzt nur selten beobachtet worden. Die drei
bei uns erwähnenswerthen Arten sind: der Nussrüssler, B. nucum
L., der grosse Eichelrüssler, B. glandium MaArsn., und der kleine
Eichenrüssler, B. tesselatus Foukrc.
Beschreibung. B. nucum, L. Käfer: Rüssel des S' zwei Drittel, des ? fast
so lang als der Körper, Fühlergeissel dieht abstehend behaart, die letzten Glieder
verhältnissmässig kurz, nur wenig länger als breit, Alle Schenkel mit starkem
Zahn. Flügeldecken einzeln nur wenig abgerundet, mit beinahe rechtwinkeligem
Nahtwinkelaneinanderstossend. Körper mässig dicht behaart, Haare dunkelbräunlich-
grau, auf den Flügeldeeken hellere und dunklere, zu schiefen Querbinden geord-
nete Flecken bildend. Länge 5—7 mm.
B. glandium Marsn. (venosus Gera). Rüssel des g halb so lang, des 2
zwei Drittel so lang als der Körper. Fühler mit langgestreckten Geisselgliedern,
Kiefernscheiden-Rüssler, Brachonyx; Nussbohrer, Balaninus. 399
die nur am Ende eines jeden mit langen, einzelnen Haaren besetzt sind, und
mit lang zugespitzter, deutlich gegliederter Fühlerkeule. Alle Schenkel mit
einem starken Zahn, der des Hinterschenkels an seinem Innenrande mit dem
Schenkel einen halbkreisförmigen Ausschnitt bildend. Flügeldecken hinten einzeln
abgerundet, dicht gelbgrau behaart, dieHaare an der hinteren Hälfte der Deekennaht
aufgerichtet und eine Art Kamm bildend. Länge 6—8 mm.
B. tesselatus Fourc. (furbatus Gyrr.). Rüssel des nur wenig kürzer,
des © ebensolang als der Körper. Fühlergeissel mit langgestreckten, nur am
Ende eines jeden mit langen einzelnen Haaren besetzten Gliedern und lang
zugespitzter, deutlich gegliederter Fühlerkeule, Alle Schenkel mit einem starken
Zahn, Flügeldecken nicht einzeln abgerundet, sondern in ziemlich rechtwinkligem
Nahtwinkel aneinander stossend. Körper mässig dicht behaart, gelbgrau und
braun gefleckt. Naht der Flügeldecken ohne aufrechtstehende Behaarung. Länge
4—6 nım.
Lebensweise. Die Flugzeit der Käfer fällt ungefähr in die Monate Mai
bis Juli; um diese Zeit sind von verschiedenen Beobachtern die Weibehen bei
dem Bohrgeschäft beobachtet worden, Das zum Zwecke der Eiablage gefertigte
Loch ist sehr kleir, vernarbt bald und ist an der reifen Frucht nur mit Auf-
merksamkeit zu erkennen; um so deutlicher ist dasjenige, welches die Larve
als Ausgangspforte frisst, um sich in den Boden zurückzuziehen und hier in
einer innen mit einer schleimigen Absonderung ausgeglätteten Höhle der Ver-
puppung zu harren. Diese erfolgt der gewöhnlichen Annahme nach im folgenden
Frühjahr, und die Käfer erscheinen dann wieder zur Flugzeit, sodass also als
Regel eine einjährige Generation angenommen wird. Die von RATZEBURG und HArTIG
[V., 1, S. 149 u. 150] angestellten Zuchtversuche zeigen aber, dass auch in dieser
Beziehung Unregelmässigkeiten vorkommen können und eine Ueberjährigkeit der
Larven, sowie ein spätes Ausschlüpfen der Käfer mit nachfolgender Ueberwinterung
nicht selten ist. Monophagie scheint bei diesen Käfern nicht vorzukommen, da alle
drei Formen sowohl aus Haselnüssen wie aus Eicheln gezogen wurden. RATZEBURG
gibt an, dass mitunter ein Viertel bis ein Drittel aller Haselnüsse und Eicheln
zerstört wird. Nach Arrum [XVI, III, 1, S. 215] waren im Jahre 1874 die Eicheln
in zwei Schutzbezirken des unweit von Eberswalde gelegenen Lieper Revieres
ganz besonders stark befallen, sodass man im nächsten Frühjahr die aus-
sewanderten Larven massenhaft auf dem Boden der Eichelschuppen fand.
Gegen den Käfer selbst ist durch Abklopfen wohl kaum vorzugehen, und
auch durch Aufsammeln und Verbrennen der herabgefallenen, madigen Früchte
wird man nur dann etwas erreichen, wenn diese Arbeit so schnell ausgeführt
wird, dass die Larven nicht Zeit haben, vorher auszuwandern. In Samennieder-
lagen wird man auf Reinhaltung der Schuppen zu sehen haben und die auf
deren Boden aufgehäuften Larven vertilgen müssen.
Im Süden lebt in der echten Kastanie, Castanea vesca Gärrx., nach
PERRIS, und in der Zerreiche, Quercus Cerris L., nach Jupeıcn, als Feind der
Samen dieser beiden Bäume eine langgestreckte, hellere Balaninus-Art, B. Ele-
phas Gyrr., welche nicht selten die Ernte bedeutend schädigt. Andere kleinere
Balaninus-Arten leben in fremden Pflanzengallen. So ist z. B. B. villosus
FAgr. aus den Eichengallen von Biorhiza terminalis Hrc. gezogen worden.
Der Vollständigkeit wegen weisen wir bei dieser Gelegenheit noch einmal
darauf hin, dass Orchestes Fagi L. die Bucheckernernte beeinträchtigen kann,
allerdings nicht durch seinen Larven-, sondern durch Käferfrass (vergl. S. 396).
Die Obsternte wird gleichfalls durch Rüsselkäfer-Larvenfrass häufig
bedroht, indem die als Blüthenstecher bekannten Arten der Gattung Anthono-
mus Germ. ihre Verwandlung in den Blüthenknospen des Kernobstes, A. pomo-
rum L. an Aepfelbäumen, A. cinctus Revrs. (Pyri Scuöxe.) an Birnbäumen
durchmachen und hierbei Staubfäden und Fruchtknoten völlig vernichten.
In seiner Lebensweise etwas mehr den Balaninus-Arten angenähert ist
A. rectirostiris L. (druparum L,), dessen Larve in den Blüthen der Traubenkirsche,
400 Kap. IX. Die Käfer.
Prunus Padus L. lebt, deren Früchte sie jedoch in der Entwicklung nicht hin-
dert, sodass sie schliesslich im Innern des Kernes lebt. Wirthschaftliche Bedeutung
hat dieser, allerdings in einem Forst-Holzgewächse brütende Rüsselkäfer nicht.
Dagegen ist eine andere Art derselben Gattung, A. varians PAyk., neuer-
dings als in Kiefernknospen brütend, erkannt worden, und der durch diesen
Larvenfrass verursachte Schaden soll nicht ganz unbeträchtlich sein.
Beschreibung. Anthonomus varians PAyk. Käfer: Dünn gleichmässig
behaart. Das tief punktirte Halsschild und die keine bindenartige Zeichnung tra-
genden, oft schwarz gerandeten Flügeldecken braunroth. Der übrige Körper mit
Ausnahme der gelben Fühler schwarz. Rüssel glänzend, kaum punktirt. Schildchen
nicht gekörnt und greis behaart. Auf dem Hirterende der Flügeldecken verbindet
sich der dritte Punktstreif mit dem achten. Schenkel mit einfachem Zahn, der am
Hinterschenkel klein bleibt. Länge 3 mm.
Lebensweise. Die einzige Beobachtung über das Brutgeschäft und den
Schaden dieses Thieres rührt aus Russland von LinpemAnn her, dessen Angaben
Köppen [3l, S. 227] reprodueirt. „Wenn man in alten Kiefernwäldern sein
Augenmerk dem jungen Nachwuchse zuwendet, so fällt es sofort auf, dass ein
grosser Theil desselben aus sehr kränklichen Bäumen besteht. Sie wachsen
unregelmässig; der Stamm ist gekrümmt in Folge der Vernichtung der Gipfel-
knospe; die Anzahl der Zweige ist sehr gering, und auch diese sind spärlich
mit vergilbten Nadeln besetzt. Aber ungeachtet dieses kränklichen Aussehens
fristen diese Bäumchen noch einige Jahre ihr elendes Dasein, bis sie endlich
aus Entkräftung absterben oder, wenn sie sich erholen, zum Bauholze untaug-
lich werden. Soleher Kiefern gibt es im Walde der Petrowskischen landwirth-
schaftlichen Akademie bei Moskau sehr viele, und überhaupt bildet diese Erschei-
nung keine Ausnahme oder Seltenheit. Ich habe mich überzeugt, dass die
Urheber jenes kränklichen Zustandes der genannten Bäumchen zwei kleine
Rüsselkäfer sind. Brachonyx pineti Paye. und Anthonomus varians PAyk.
Der letztere kommt bei uns in enormer Anzahl vor. Im Laufe der ersten Hälfte
des Mai nährt er sich von den Nadeln junger Kiefern und von den Säften
junger Triebe, die er ihnen in derselben Weise entzieht, wie es Hylobius
Abietis L. thut. Um Mitte Mai findet das Eierlegen statt. Zu diesem Behufe
steigen die Weibchen auf die Knospen, bohren mittelst des Rüssels ein kleines
Loch hinein und deponiren daselbst ein oder zwei Eier. Die Larven zehren an
dieser Knospe, die je nach dem Masse der Beschädigung entweder vertrocknet
oder einen schmächtigen und unregelmässig gekrümmten Trieb abgiebt.’”
Ein wirklicher Nadelholzsamenzerstörer ist dagegen ein Pissodes,
welcher in den Zapfen verschiedener Kiefernarten seine Metamorphose durch-
macht und jetzt gewöhnlich als P. validirostris Gyr. bezeichnet wird. Der
erwachsene Käfer frisst sich durch ein kreisrundes Loch aus dem Zapfen
heraus. Ein namhafter wirthschaftlicher Schaden ist von ihm indessen noch nicht
bekannt geworden.
Beschreibung. Pissodes validirostris GyrL. (sirobili Repre.). Käfer
dem P. notatus FArr. äusserst ähnlich. Hinterecken des fein runzlig gekörnten
Halsschildes scharf rechtwinkelig, aber weniger spitz als bei notatus, Hinterrand
kaum zweibuchtig. Punktstreifen der Flügeldecken mit kleinen, fast gleichgrossen
Punkten. Grundfarbe braun. Ober- und Unterseite mit weisslichen Schuppen,
Schildehen und zwei Punkte auf dem Halsschild dicht weiss beschuppt. Auf den
Flügeldecken die vordere Querbinde rothgelb, an der Naht unterbrochen, die
hintere Querbinde nach aussen breiter und rothgelb, innen schmäler und weisslich.
Lebensweise. Schon RArzesurG hatte durch Harrıc erfahren, dass ein
Pissodes in Kiefernzapfen brüte, nahm aber an, dass dies P. notatus FaArr. sei.
REDTENBACHER wollte in der die Schwarzkiefernzapfen bewohnenden Form eine
eigene, namentlich durch geringere Zuspitzung der Hintereeken des Halsschildes
von P. notatus Farr. zu unterscheidende Art erkennen, welche er P. strobili
nannte. Diese Art wird jetzt als synonym mit P. validirostris betrachtet, den
GYLLENHAL in SCHÖNHERR’S grossem Risselkäferwerke beschrieb.
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EN r
Anthonomus varians, Pissodes validirostris. Als Käfer schädl. Rüssler. 401
Fraglich erscheint es doch noch, ob dieser Zapfenbewohner nicht wenigstens
oftmals P. notatus Farr. ist. Die Bestimmung nahe verwandter Arten dieser
Gattung ist wegen der Veränderlichkeit derselben bezüglich der feinen Unter-
schiede in der Gestalt des Halsschildes, in der Skulptur und Beschuppung
der Flügeldecken äusserst schwierig und unsicher. Die endgiltige Entscheidung
muss erst weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben.
RATZEBURG gibt eine recht gute Abbildung des Frasses in den gespaltenen
Zapfen und sagt, dass gewöhnlich nur eine Larve den einzelnen Zapfen bewohnt,
aber auch bis drei Stück in einem Zapfen vorkommen können. „Solche Zapfen
erlangen wohl die normale Grösse, erscheinen aber immer mehr zugespitzt, von
mehr grüner, nachher ins gelbgraue übergehender Farbe und zeigen, wegen mangel-
hatter Ausbildung der Nüsse, die Schuppen nicht so deutlich hervortretend”. Ueber
die Generation des Käfers berichtet zuerst ALrum [li], in dessen Versuchsgefässen
aus von der Larve besetzten, von niedrigen, kusseligen Kiefern beiEberswalde gebro-
chenen Zapfen im Herbste die Käfer auskrochen. ALrum nimmt an, ohne weitere
Begründung für diese Ansicht zu geben, dass der Käfer kurz nach seinem Aus-
schlüpfen die einjährigen Zapfen mit Eiern belegt und dann abstirbt, sodass
die Generation einjährig wäre.
Die Angabe von Arrum, dass man bewohnte Zapfen nicht am Boden finde,
ist eine nicht gerechtfertigte Verallgemeinerung seiner eigenen Erfahrungen.
Gelegentlich einer akademischen Forstreise fanden wir bei Darmstadt in einem
50—60jährigen Kiefernbestande im August viele Zapfen auf dem Boden. In einigen
derselben befanden sich noch Larven, in anderen bereits Puppen, woraus auf die
vollständige Entwicklung des Käfers im September mit Sicherheit geschlossen
werden kann. Nach Harrıc [V, 1, S. 144] soll in der Hasenheide bei Berlin oft
die Hälfte oder Dreiviertel der Zapfen eines Baumes befallen sein. In der Gegend
von Wien bewohnt der Käfer häufig die Zapfen der Schwarzkiefer.
Als Imagines schädliche Rüsselkäfer. Allgemeines: Auf den
vorhergehenden Seiten haben wir kennen gelernt, dass fast alle
Rüsselkäfer, deren Schaden zunächst auf der Thätigkeit ihrer Larven
beruht, gelegentlich auch als Imagines Blätter oder Nadeln, Knospen
oder Triebe, sowie die Rinde an den Nährpflanzen ihrer Larven zum
Zwecke der Ernährung benagen, und dass diese im Grossen und Ganzen
fast monophagen Thiere also auch hierdurch dem Forstmann lästig
werden können.
Es giebt aber ausserdem eine Reihe von Rüsselkäfern, deren
Larven für den Wirthschaftsbetrieb gar keine Bedeutung haben, da
sie in der Erde entweder von den Wurzeln forstlich gleichgültiger
Gewächse, oder in denjenigen abgestorbener Bäume leben, deren
Imagines aber durch ihr ausgedehntes Befressen oder Benagen
oberirdischer Pflanzentheile in hohem Masse schädlich werden.
Diese biologische Gruppe, deren Mitglieder vornehmlich in die Unter-
familie der Kurzrüssler und in die den letzteren zunächst stehenden
Gruppen der Langrüssler gehören, ist im Gegensatz zu den vorigen
meist polyphag, wenngleich einige Arten sich allerdings wenigstens
insofern der Monophagie nähern, als sie die Nadelhölzer den Laub-
hölzern bei weitem vorziehen oder umgekehrt, wie denn z, B. der wich-
tigste dieser Käfer, Hylobius Abietis L., nur im Nothfalle oder aus
individueller Laune Laubhölzer angeht. Auch ist hierbei zu berück-
siehtigen, dass fortschreitende Beobachtungen auch solche Käfer, welche
früher in der Literatur als monophag geschildert wurden, immer mehr
402 Kap. IX. Die Käfer.
als polyphag nachgewiesen haben, und dass manche schiefe Angaben auf
der für den praktischen Forstmann nicht unbedeutenden Schwierigkeit
beruhen, die „schwarzen, grauen und grünen Rüsselkäfer” sicher zu
bestimmen. Anderseits wird aber für die Praxis in vielen Fällen der
eine oder der andere Käfer ausschliesslich als Nadelholz- oder Laub-
holzinsekt Wichtigkeit haben, und alle hier zu erwähnenden Formen
stimmen insoweit überein, als sie Kulturverderber sind, wenngleich
manche vielfach wählerisch sind in Bezug auf die Altersklasse der
von ihnen als Nahrung aufgesuchten Pflanzen. Manche schädigen
hauptsächlich Saatbeete oder Pflanzkämpe, andere hingegen ältere
Kulturen.
Um uns die Uebersicht über die zahlreiche Menge der hier in
Frage kommenden Tbiere zu erleichtern, theilen wir sie in drei
Gruppen. Die erste umfasst die flügellosen Kurzrüssler, also nach
unserer Auffassung die ÖOTIORRHYNCHINA, die zweite die geflügelten
Kurzrüssler oder PnyrLogıma, an welche wir aus praktischen Gründen
auch den zu den Langrüsslern gehörigen „grossen weissen Rüssel-
käfer””’ Cleonus turbatus Fans. schliessen. Beide Gruppen gehören
insofern näher zusammen, als ihre Larven frei in der Erde leben.
Die dritte Gruppe umfasst die Mitglieder der Gattung Hylobius, deren
Larven in absterbenden Nadelholzwurzeln hausen. Diese Eintheilung
ist von uns deshalb beliebt worden, weil sich aus den hier angeführten
biologischen Eigenthümlichkeiten gemeinsame Züge für die gegen die
Vertreter jeder dieser drei Gruppen anzuwendenden Abwehrmassregeln
ergeben.
Im Boden brütende, flugunfähige Kurzrüssler, welche als
Käfer schaden. Es sind dies die vier Gattungen Otiorrhynchus,
Cneorrhinus, Strophosomus und Brachyderes. Hervorzuheben sind aus
deren Arten zunächst die Beschädiger ganz junger Nadelhölzer,
Otiorrhynchus ovatus L. in Fichtenkulturen, Cneorrhinus plagiatus
Schaut. in Kiefernkulturen, denen sich zwei Strophosomus-Arten, Str,
obesus Mars. und Str. Coryli FApr. anschliessen. Schädlich werden sie
namentlich durch platzweises Benagen der Rinde und in zweiter Linie
auch durch Nadelfrass.
An Laubhölzern schaden gleichfalls zunächst durch Benagen
der Triebrinde Ot. singularis L. und die besonders polyphagen grauen
Rüsselkäfer Str. Coryli FApr., Str. obesus Marsn., sowie strichweise
auch Cn. plagiatus ScHarz. Von geringer Bedeutung sind einige
andere, weiter unten mit aufzuführende Otiorrhynchus-Arten und
Brachyderes incanus L.
Beschreibung. Ot. singularis L. (picipes FaAzr.), Käfer: Flügeldecken
mit je 10 Streifen, Kopf und Halsschild verhältnissmässig klein, zusammen viel
kürzer als die Flügeldecken, Schenkel mit kaum angedeutetem Zahn. Oberseite dicht
beschuppt, Halsschild flach gekörnt, Flügeldecken punktstreifig, jeder Punkt eine
Schuppe tragend. Zwischenräume mit einer Borstenreihe. Grundfarbe dunkel-
rothbraun, Schuppen gelbgrau, Beine dunkelbraun. Länge 6—7 mm.
Ot. irritans Hssr. Käfer: Flügeldecken mit je 10 Streifen, Kopf und Hals-
schild verhältnissmässig klein. Alle Schenkel ungezähnt. Halsschild nicht länger
Als Käfer schadende, flugunfähige Kurzrüssler. 403
als breit, Flügeldecken deutlich gerunzelt, gestreift und mit grossen, sehr flachen,
unregelmässig zerstreuten Grübchen besetzt, gelb behaart, Grundfarbe und Beine
schwarz. Länge 7—8 mm.
Ot. perdix Orıv. Käfer: Flügeldecken mit 10 Streifen, mit haarförmigen
Schuppen bestreut, die Zwischenräume mit einer Borstenreihe. Körper lang-
gestreckt, fast parallel, oben flachgedrückt. Schenkel ungezähnt. Streif 3 der
Flügeldecken verbindet sich mit Streif 6. Grundfarbe schwarz, Schuppen goldgelb,
Halsschild fast oval, gekörnt. Länge 10—11 mm.
Ot. niger und Ot. ovatus sind auf S. 370 u. 371 zu vergleichen.
Cneorrhinus plagiatus ScHhaLL. (geminatus Fazr.). Käfer: bräunlich, an
der Seite weisslich beschuppt. Die kugelig gewölbten Flügeldeeken mit kurzen
weissen Borstenhaaren. Länge 5—6 mm.
Strophosomus obesus Marsn. Käfer: Fühlerfurchen in einem sehr stumpfen
Winkel schwach abwärts gebogen. Glied 1 und 2 der Fühlergeissel gleichlang.
Die Stirn in der Mitte mit einer Furche und durch eine Quernaht von dem
Rüssel getrennt. Flügeldecken ohne erhabenen Rand an der Wurzel; überall, auch
am Schildehen, dicht grau beschuppt und mit kurzen, aufrecht stehenden Härchen
in den Zwischenräumen der Punktstreifen besetzt. Länge 4—4'5 mm.
Str. Coryli Fızr. Käfer: Dem vorigen zum Verwechseln ähnlich, aber auf
der Vorderhälfte der Flügeldeckennaht fehlen die Schuppen, sodass hier ein
kurzer schwarzer Strich erscheint. Länge 4—4'’5 mm.
Str. lateralis Paye. (limbatus Faer.). Käfer: Die tief punktirt-gestreiften
Flügeldecken an der Wurzel mit scharfem, erhabenem Rande. Schwarz, etwas
glänzend. Oberseite sparsam mit goldelänzenden Schuppen besetzt, die nur an
den Seiten der Flügeldecken zu einem Längsstreifen und am Schildchen ver-
diehtet sind. Länge 4—5 mm.
Brachyderes incanus L. vergleiche S. 371.
Lebensweise und Frass. Wirklich vollständige Beobachtungen über
die Generation irgend eines dieser Thiere, mit Ausnahme der bereits auf S. 371
geschilderten von Otiorrhynchus niger FArr., fehlen uns noch ganz; indessen
stimmen alle Angaben darin überein, dass die Käfer überwintern, im Frühjahr
erscheinen, ihr Fortpflanzungsgeschäft besorgen, dann verschwinden und erst
im Herbste wieder auftreten. Der Frass kann also in zwei Perioden eintreten,
einmal im Herbst durch die eben ausgeschlüpften Käfer, ferner im Frübjahr
durch die überwinterten. Die Imagines scheinen nach der Begattung abzusterben.
BerınG [4 c] hat ferner beobachtet, dass die Verpuppung von Str.
coryli Fagr. Ende Juli, Anfang August erfolgt und der Käfer nach vierwöchent-
licher Puppenruhe auskommt. Die Generation wird daher von Arrum als einjährig
angenommen und dürfte ähnlich verlaufen wie bei Ot. niger, nur scheint die
Flugzeit etwas früher einzutreten und daher auch das Larvenleben ein etwas
längeres zu sein. Für die übrigen Arten ist anzunehmen, dass die Verhältnisse
ähnliche sind. Die speciellen Angaben über den Schaden der einzelnen Arten
sind folgende.
Schaden der Otiorrhynchus-Arten. Ot niger Farr., dessen wesentliche
Bedeutung in dem $. 372 genau geschilderten Frasse seiner Larve liegt, ist auch
mitunter als Käfer durch Benagen der oberirdischen Theile junger Fiehten bis
zum Alter von 20 Jahren lästig geworden. Nach Arrum [XVI, III, 1,8. 185] frisst
er plätzend an der Rinde junger Fichten dicht über den Wurzelstock, „steigt aber
allmählich höher hinauf, sodass wir ihn Anfangs Sommer an den Maitrieben fressend
finden”. Die weitere Angabe Arrum’s, der auch Haas [24 b] zustimmt, dass er
nur an Stamm und Triebe gehe und die Nadeln verschmähe, wird widerlegt
durch die Beobachtung von Scraar, dass bei Gelegenheit des oben (8. 372) we-
schilderten Larvenfrasses im Erzgebirge auch Millionen Käfer die Nadeln abfrassen;
allerdings gingen nur wenige 16- bis 17jährige Fichten ein, da noch immer einige
Benadelung blieb, dagegen erlitten die jüngeren Orte herbe Verluste. Eine Fichten-
pflanzung von eirca 2 ha wurde in zwei Jahren fast völlig vernichtet.
404 Kap. IX. Die Käfer.
Ot. ovatus L., über dessen Larvenschaden auch schon oben kurz berichtet
wurde, istim Käferstadium namentlich auch als Fiehtenkulturverderber beach-
tenswerth. Die ersten Angaben über einen Frass desselben stammen von NöRrD-
LINGER [XXIV, S. 17 und 18], welchem Lmpxer berichtete, dass in Elehingen
dieser Käfer auf einer von seinen Larven durch Wurzelfrass stark geschädigten
Fichtenkultur (vergl. S. 373) die übrig gebliebenen, etwa 4jährigen Pflanzen durch
Benagen der Rinde dicht über dem Boden gefährdet und vieifach getödtet hätte.
Der Schaden fiel in den Juli. Neuere Nachrichten gibt Arrum [I g], welchem An-
fang der 80er Jahre aus den Öberförstereien Reifenstein und Leinefelde im Reg.-
Bezirk Erfurt, aus Pelplin im Reg.-Bezirk Danzig und einigen anderen Preus-
sischen Revieren ein- bis zweijährige Fichtenpflanzen eingesendet wurden, die
dieht über dem Wurzelknoten ringsum auf eine Breite von nur 1—2 mm scharf
geringelt waren, sodass das Holz frei lag. Obgleich der Urheber dieser Beschä-
digung nicht ertappt wurde, ist Arrum doch geneigt, O. ovatus L. als den
Thäter anzusehen, da dieser im Jahre 1883 im herzogl. Braunschweigischen Re-
vier Stiege bei ähnlichen Beschädigungen !/,—1'/, jähriger Fichten sicher bethei-
ligt war, und da der mitgefangene Strophosomus Coryli Fapr. nach seiner An-
sicht höher hinauf zu fressen pflegt.
Ot perdix Orıv. wird von Dögxer [XIV, II, S. 123] als auf jungen Fichten
in Gebirgsgegenden vorkommmend angegeben. NÖRDLINGER sagt ferner: [XXIV,
S. 17) „Ganz auffallend ist überhaupt die Masse Otiorrhyncehen: ater, tenebricosus
Rarz., gemmatus FAsr., squamiger Dvrr., geniculatus Geru., scabripennis ScHönn.
und noch anderer, welche man im Juni in Tirol an den eben austreibenden,
noch ganz weichen Fichtenschossen und besonders auch an den zarten Schossen
von Berberitzen fressen findet.” Wir erwähnen diese Notiz, um die Forstleute zu
weiteren Beobachtungen anzuregen und zugleich zum Beweise, dass wirklich viele
hierhergehörige Käfer polyphag sind.
Ot. irritans Hrsr. hat nach Rarzerurg [XV, II, S. 374] in der Oberförsterei
Schönlanke, Reg.-Bezirk Bromberg, 1860 durch Nadelfrass an Kiefern bedeutend
geschadet, und Arrum [XVI, III, 1, S. 186] gibt an, dass derselbe „in Preussen
und Posen Kiefernsaaten ruinirt habe”.
Auch Laubholzverderber gibt es unter den Otiorrynchus-Arten. Zunächst
ist es Ot. singularis L., (picipes Farr.), weleher in Westfalen nach Arrum
[xVI, III, 1, S. 184] in den Jahren 1872, 74 und 76 in verschiedenen Revieren
sehr energisck die Triebe jüngerer, ungefähr 1 m hoher Eichen, von der Spitze
nach abwärts steigend, benagte. Der Frass geschah meist in der Nacht, während
des Tages hielten sich die Käfer in benachbarten Schlupfwinkeln. Auch an den
Trieben junger Aepfel- und Zwetschkenbäume schadet der Käfer oftmals durch
Rindenbenagen, wie denn überhaupt noch eine ganze Reihe von Otiorrhynchus-
Arten als Feinde des Obst- und Weingartens auftreten. So wird Ot. laevigatus
Fırr. den Pfropfreisern schädlich, desgl. Ot. raucus FaArr., während Ot. sulcatus
FaAgr. und Ot. Ligustici L. auch an die Weinstockknospen gehen.
Schaden der Strophosomus-Arten. Str. Coryli Far. ist ein schon
mehrfach sehr bedeutend schädlich gewordener, polyphager Rüsselkäfer. Zunächst
ist seine Thätigkeit öfters in Fichtenkulturen unangenehm bemerkt worden,
Der Hauptschaden besteht in platzweiser Benagung der Rinde. Sicher wird
dies zuerst eonstatirtt durch Wırrkomm 1856 auf dem ehemaligen Dorfhainer
Revier bei Tharand, von Assmann [2] 1875 in Hermeskeil in der Rheinprovinz,
ferner durch Ranrrr [47] im Jahre 1876 auf Cunnersdorfer Revier in der Sächsi-
schen Schweiz an 2- und 3jähbrigen Fichtenpflanzungen, Die genauesten Beobach-
tungen theilt aber Bracumann [9] mit, welcher dieselben auf dem kg. Sächsischen
Staatsforstrevier Einsiedel von 1872—1878 anstellte. Hier wurden, sowohlin Saaten
wie in Pflanzungen, Fichten zuerst durch Nadelfrass, dann aber auch stark durch
Rindenfrass beschädigt. In allen diesen Fällen war Str. Coryli FAgr. mit Hylo-
bius Abietis L. vergesellschaftet, indessen nahm letzterer mehr die älteren
Pflanzen an, und wenn beide an älteren Pflanzen zusammen vorkamen, so zeigte
sich eine „strenge Arbeitseintheilung”, indem Str. coryli FAsr. nur die jüngeren
Ötiorrhynchus, Strophosomus, Cneorrhinus. 405
Theile derselben befrass, während Hyl. Abietis L. die älteren benagte. Die an-
tängliche Vermuthung Arrum’s [XVI, III, 1, S. 174], dass diejenigen Schäden an
Nadelholz, welche dem Str. Coryli Fasr. zugeschrieben wurden, vielmehr von
dem sehr nahe verwandten, aber durch Mangel des schwarzen Striches auf der
Vorderhälfte der Flügelnaht leicht kenntlichen Str. obesus MaArsn. verübt sein
dürften, jener also reines Laubholzinsekt sei, sind schon durch die eigenen
neueren Angaben Arrum’s [Iy], der ihn selbst als Fichteninsekt kennen lernte,
hinfällie geworden, und auch wir können bestätigen, dass auf Tharander Revier
dieser Käfer häufig in Nadelholzkulturen vorkommt. JupeıcHn hat ihn z. B. in
einer Kultur der indischen Pinus excelsa Warr. zahlreich thätig gefunden.
Ebenso häufig, ja vielleicht noch häufiger, sind aber die Klagen über den
Schaden dieses Käfers in Eichenheisterpflanzungen und in Pflanzgärten,
wo auch Birken, Buchen und Haseln angegangen werden,
Strophosomus obesus Marsn., sein nächster Verwandter, ist zunächst als
Beschädiger von Kiefernkulturen zu nennen. Er benagt namentlich einjährige
Kiefern an Nadeln, Knospe und Rinde. so z. B. nach Arrum bei Fürstenwalde
[2] und Nienburg an der Werra [XVI, III, 1, S. 174]. Der ärgste Schaden
wird aber neuerdings von Forstmeister Paschen [45] aus der grossherzogl.
Mecklenburgischen Forstinspection Kaliss gemeldet, wo seit dem Jahre 1880
regelmässig grössere Verwüstungen einjähriger Kiefernpflanzungen vorkommen.
Der Käfer erscheint hier Ende April, befrisst zunächst die Nadeln und später
die Epidermis des Stämmchens und vernichtet im Laufe von 14 Tagen mitunter
sehr bedeutende Strecken. So wird berichtet, dass im Jahre 1883 eine einjährige
Kiefernkultur von 185 ka binnen 3 Wochen völlig zerstört wurde. Der Käfer war
mitunter so häufig, dass z. B. in den um einen Saatkamp angebrachten Fang-
gräben in den 5 m von einander entfernten Fanglöchern in jedem 0'3 ! dieser
Thiere gefangen wurden.
Ein grösserer Frass an Laubhölzern ist uns von diesem Käfer nur
an Eichen und zwar auf dem kgl. Sächsischen Staatsforstrevier Lossnitz bei
Freiberg bekannt geworden. Der Schaden besteht sowohl im Ausnagen der
Knospen als auch im Schälen der Triebe.
Strophosomus lateralis Pay. (limbatus FARr.), welcher im Allgemeinen
zu den durchaus nicht häufigen Käfern gehört, ist doch auch einmal schädlich
aufgetreten, und zwar hat er [74] 1858 in der Forstinspeetion Eschede in
Hannover eine einjährige Kiefern-Streifensaat durch Abfressen der Nadeln
völlig ruinirt. Der Schaden trat Anfang August ein.
Schaden von Cneorrhinus. Cn. plagiatus Schaut. ist zwar ebensowenig
ein monophages Nadelholzinsekt, wie die Strophosomus-Arten, da er nach den von
Arrum [I a, $S, 31] mitgetheilten Berichten von Oberförster Renne zu Lembeck
bei Wulfen in Westfalen 1870 in einer 15 Morgen grossen Eichenheister-
pflanzung durch Anfressen der Knospen im Verein mit anderen Käfern recht unan-
genehm geworden ist.
Trotzdem hat er in wirklich sehr ausgedehntem Masse nur an jungen Kiefern
Schaden gemacht. Ueber seinen stärksten Frass berichtet nach Oberförter STUMPFF’s
Beobachtungen Arrum [I al. Es war seit 1833—1338 in det Oberförsterei
Grünhaus bei Treptow a. d. Rega ein Dünenstrich von einer Meile Länge und
einer Viertelmeile Breite, also beiläufig 1000 Aka, mit Kiefern in zu weitem Ver-
bande angebaut worden. Da sich aus letzterem Grunde die Kulturen nicht
schlossen, versuchte man zwischen diese alten Kiefernkusseln seit 1863 ein-
jährige Kiefern und Seestrandkiefern einzubringen, ein Versuch, der aber seit
1870 wieder aufgegeben wurde, weil hier Cn. plagiatus Schatz. meist kurz
nach Beendigung des Pilanzgeschäftes Ende April und Anfangs Mai erschien
und durch Nadel- und Rindenfrass die Pflanzen zum Eingehen brachte. Jetzt
werden deshalb dort nur noch kräftige Kiefernballenpflanzen verwendet. Der
Käfer frisst nur in den kühleren Stunden und vergräbt sich während der Tages-
hitze oberdächlich in den Sand. Die Häufigkeit des Käfers geht daraus hervor,
dass von 1866—1870 644000 Stück gesammelt wurden, davon nicht weniger
406 Kar. IX. Die Käfer.
als 5120600 allein im Jahre 1870. 5 bis 30 Stück waren häufig an einer
Pflanze, 74 die höchste Anzahl. Mit Anfang Juni verschwand der Käfer wieder.
Auch im Gemeindeforst Döverden, Schutzbezirk Krähe, Oberförsterei Nienburg,
in Hannover, wurden von 1865—1868 70000 einjährige Kiefern nach BopEn
vernichtet |[la, 8. 36].
Schaden von Brachyderes. Br. incanus-L. ist in etwasälteren Kiefern-
kulturen ein sehr häufiger Nadelfresser, dessen Thätigkeit zwar gewöhnlich nicht
merkbar wird, der aber doch schon öfters ausgedehnteren Schaden verursacht hat;
so z. B. nach den von RArzerurG [48 b] wiedergegebenen Mittheilungen von PüscaeL
1850 im herzoglich Anhaltischen Forstrevier Gross-Möhlau, wo er auf einer
Fläche von 60 Morgen die Nadeln acht- bis neunjähriger Kiefern am Rande
derartig befrass, dass sie fast sämmtlich abfielen und man die wie verbrannt
aussehenden, befallenen Flecke in der Kultur schon von weitem erkennen konnte.
In demselben und dem folgenden Jahre wurden acht- bis zwölfjährige Kiefern-
kulturen auf dem königlich Sächsischen Staats-Forstreviere Gohrisch nach Srem
[98, S. 245 und 46], namentlich auf den trockeneren Partien, auf weite Strecken
derartig befressen, dass die Nadeln allmählich vertrockneten. Der Frass fand im
Frühjahre statt, und zwar durch die unter den abgefallenen Nadeln überwin-
terten Käfer, die im Februar in ihrem Winterverstecke massenhaft zu finden
waren. Nach Rarzegurc |V, I, 8. 129] ist dieser Käfer auch an Birken merklich
schädlich geworden, und zwar namentlich durch ausgedehnte Schälung
der Rinde.
Abwehr. Obgleich man sicher weiss, dass die Larven aller
vorstehend erwähnten Käfer im Boden von Pflanzenwurzeln leben,
so ist man doch noch nicht im Stande gewesen, als Vorbeugungs-
mittel gegen den Käferfrass eine Vernichtung derselben zu unter-
nehmen. Indessen deutet die Beobachtung von PaAscHen, dass auf
rajolten Saatkämpen Strophosomus obesus Marsa. nicht gefunden wird,
darauf hin, dass die Larven eine starke Bodenbearbeitung nicht ver-
tragen, und Arrum [45 b, S. 394] schlägt wohl in Folge dieser Beob-
achtung vor, zu der Zeit, wo man Larven vermuthen kann, den
Boden mittelst Spaten oder Waldpflug stark zu werfen. Man kann
weiter in den Fällen, in welchen ganz junge Nadelbolzpflanzen den
Angriffen besonders ausgesetzt sind, wie z. B. die einjährigen Kiefern
der Zerstörung durch Cneorrhinus plagiatus SCHALL. oder Strophosomus
obesus Marsn., dadurch die Gefahr verringern, dass man gleich mit
älteren Pflanzen kultivirt, wie dies z. B. in der Forstinspektion Kaliss
durch PaAschen geschehen ist, welcher durch das Pflanzen kräftiger,
zweijähriger, verschulter Kiefern gute Resultate erzielt hat.
Vorbeugungsmittel gegen die Einwanderung der Käfer
und Vertilgungsmittel dieser flügellosen Thiere gleichzeitig sind
auf dazu geeignetem Terrain die Fanggräben, in deren Boden man
Fanglöcher anbringen kann. Beweis hiefür ist der oben angeführte
reichliche Fang von Str. obesus Marsrn. in Mecklenburg. Auch von
Brachyderes incanus L. wurden in den am Boden der Fanggräben
angebrachten Fanglöchern mitunter an einem Tage mehrere Metzen
Käfer gesammelt [48 b, S. 156]. Da aber die Käfer meist wenig be-
weglich sind, wenn sie einmal am Orte des Frasses angelangt sind,
so dürften nur um die Kulturen angebrachte Fanggräben wirken,
während ein Durchschneiden der Kulturen mit solehen weniger an-
a Ey GN
ann ne
Brachyderes. Abwehr der flugunfähigen Kurzrüssler. 407
gezeigt erscheint; auch solche, die mit frischen Nadelholztrieben ge-
füllt wurden, hatten nur wenig Erfolg.
Dagegen hat vielfach das Sammeln genützt. Ohne vorherige
Anlockung wurde in grossem Masse durch Kinder Strophosomus
obesus MarsnH. in Kaliss gesammelt, desgleichen Cneorrhinus plagiatus
Schar. in Grünhaus [vergl. 8. 405]. In letzterem Falle musste aber
in den Dünen auch die Sandschicht am Fusse der einzelnen Pflänzchen
genau auf die während der Hitze dort vergrabenen Käfer untersucht
werden. Strophosomus Coryli FApr., der sonst sehr schüchtern ist,
lässt sich doch während der Tage der Begattung nach BracHmann
leicht von den Pflanzen ablesen. Noch leichter kann man die
Schädlinge an besonderen Anlockungsvorrichtungen fangen,
so z. B. die meist nächtlich fressenden Otiorrhynchus-Arten, indem
man ihnen in der Nähe ihres Frasses Schlupfwinkel herrichtet, also
Fangrinden mit Moosdecken auslegt. An den mit frischen Nadel-
holzreisern geköderten Fangrinden, wie sie für den grossen braunen
Rüsselkäfer ausgelegt werden, fängt man viele Strophosomus, und
Autum empfiehlt gegen Str. obesus Marsn. Auslegen von Kiefern-
reisigbündeln, die man späterhin auf Tücher ausklopfen soll. Bei
den im Sommer ausschlüpfenden Käfern, welche erst im nächsten
Frübjahre zur Fortpflanzung schreiten, ist es besonders angezeigt,
diese Massregeln schon im Herbste vorzunehmen.
Man findet vielfach das Abklopfen der Käfer von den Frass-
pflanzen selbst in untergehaltene Schirme oder in untergebreitete
Tücher angerathen. Es stimmen jedoch, ganz abgesehen davon, dass
dies nur in älteren Kulturen möglich ist, -alle genauen Beobachter
darin überein, dass die Käfer ungemein scheu sind und sich bei
irgendwie unvorsichtiger Annäherung des Menschen sofort herabfallen
lassen und todt stelleu. Hieraus geht hervor, dass von dieser Mass-
regel kaum eine wesentliche Hilfe zu erhoffen ist.
Handelt es sich um den Schutz hochstämmiger Laubholzheister,
besonders in Pflanzgärten, so wird das Anlegen von Theerringen
sehr wirksam sein, da ja diese Arbeit zugleich sicher eine solche
Erschütterung der Bäumchen hervorbringt, dass die weiter oben be-
findlichen Käfer zur Erde fallen und nun am Wiederaufstiege ge-
bindert sind. Dieses Verfahren hat zuerst der königlich Sächsische
Oberförster Lenmann in Lausnitz gegen Strophosomus obesus Marsn.
vorgeschlagen [9, S. 76, Anm.].
Im Boden brütende, flugfähige Kurzrüssler, welche als Käfer
schaden. Von den flugfähigen Kurzrüsslern, welche wir mit 'T'momson
systematisch als die Familie der Phyllobiini zusammengefasst haben,
sind zwar eine grössere Reihe von Arten der Gattungen Sitona GErM.
Metallites Germ., Polydrusus GErM., Scythropus ScHönH. und Phyl-
lobius Schönn. in der Literatur als forstschädlich bezeichnet; eine
wirkliche Bedeutung als sehr schädliche Thiere für den Forstmann
haben aber wohl nur, von RATzZEBURG So genannt,
408 Kap. IX. Die Käfer.
die grünen Fichten-Rüsselkäfer,
Metallites mollis GERM. und M. atomarius OLıy.
Beide Arten gehen an alle Nadelhölzer, am liebsten an die
Gipfeltriebe 10- bis 20jähriger Stämmchen, welche dann, oft ringsum
benagt, umknicken oder abbrechen. Sie werden wohl nur deshalb
als „Fichtenkäfer” angeführt, weil sie am häufigsten im Gebirge, wo
die Fichte herrscht, auftreten. M. atomarius ist mitunter auch in der
Ebene an Kiefern lästig. Das einzige wirksame Mittel gegen sie ist
Abklopfen auf Tücher, und zwar in den kühleren Morgenstunden,
wenn die Käfer noch festsitzen. Im Vertrauen auf ihr Flugvermögen
scheinen sie nämlich etwas weniger scheu zu sein, als ihre unge-
flügelten Verwandten.
Beschreibung. Sitona (Sitones Scnönn.) lineatus L. Küfer: Augen
wenig vorstehend, Geisselglied 1 anderthalbmal länger als 2, letzteres konisch,
fast doppelt so lang als 3; Flügeldecken punktirt gestreift, mit parallelen Seiten
und regelmässig abgerundeter Spitze. Oberseite des Körpers braun, grau oder
grünlich beschuppt, Halsschild breiter als lang, sehr dicht und fein punktirt,
hinter der Mitte am breitesten mit 3 heller beschuppten, geraden Längsstreifen ;
Flügeldecken mit abwechselnd heller beschuppten Zwischenräumen der Punkt-
streifen. Länge 4—5 mm.
Sitona Regensteinensis Hsst. Käfer: Augen stark vorspringend. Hals-
schild aa den Seiten stark gerundet erweitert, mit grossen tiefen, durch deut-
liche, glänzend glatte, maschenartige Zwischenräume getrennten Punkten, etwas
aufgebogenem Vorderrande und drei dichter beschuppten Längsstreifen. Flügel-
decken nach hinten etwas breiter, mit regelmässigen Punktstreifen. Schwarz,
etwas glänzend, mit grauen Schuppen und Börstchen fleckig besetzt. Schaft der
Fühler, Schienen und Füsse rothbraun. Länge 3:5—5 mm.
Metallites mollis Germ. Käfer: Schwarz oder braun, fein behaart, Fühler
und Beine blass gelbbraun. Oberseite und Seiten der Brust mit grünen, glän-
zenden, länglichen Schuppen bekleidet, welche längs der Flügeldeckennaht fehlen.
Schildehen klein und gerundet. Die Zwischenräume auf den fein punktirten
Flügeldecken fast viermal so breit als die Punkte. Die Naht und die beiden
äusseren Zwischenräume sehr fein grau behaart ohne grüne Schuppen. Schenkel
mit einem kleinen Zähnchen. Länge 5°5—7 mm.
M. atomarius Orıv. Käfer: Schwarz oder braun, mit haarförmigen, grauen
oder grün glänzenden, niederliegenden Haaren nicht so dicht bekleidet, wie der
vorige. Zwischenräume der tief punktirt-gestreiften Flügeldecken etwa doppelt
so breit als die Punkte. Fühler und Beine röthlich gelbbraun, die Schenkel
undeutlich gezähnt. Länge 4—5 mm.
Polydrusus mollis StroEm. (micans FApr.). Käfer: Der kurze Fühlerschaft
ist halb so lang als die Geissel und erreicht nicht den Hinterrand der Augen.
Geisselglied 1 kürzer und dicker als 2, Oberseite schwarz, dicht mit haarför-
migen, gold- oder kupferartig glänzenden Schuppen bekleidet. Halsschild breiter
als lang. Flügeldecken doppelt so breit als das Halsschild, nach rückwärts
bauchig erweitert, tief punktirt gestreift. Fühler und Beine bräunlich roth.
Schienen hinterwärts abgeplattet und diese Fläche durch zwei Längskanten be-
grenzt. Nur die Hinterschenkel schwach gezähnt. Oft findet man ganz abge-
riebene, daher schwarze, wenig beschuppte Exemplare. Länge 7—8 mm.
P. cervinus L. Käfer: Schaft der Fühler ist nur wenig kürzer als die
Geissel und reicht über die Augen hinaus. Schenkel deutlich gezähnt. Geissel-
glied 1 etwas dicker als 2. Schwarz mit länglich runden, grünen, grauen oder
kupferglänzenden Schuppen bedeckt. Flügeldecken punktiri gestreift, in den
Zwischenräumen mit unbeschuppten, nur äusserst fein behaarten, fast nackten
Flecken, daher scheckig erscheinend. Fühler, mit Ausnahme des dunkleren End-
knopfes, und Beine röthlich gelbbraun. Länge 4 mm.
Im Boden brütende, Augfähige Kurzrüssler, 409
Scytropus mustela Hsst. Käfer: Alle Schenkel ungezähnt. Grundfarbe
braun, Oberseite und Unterseite mit haarförmigen Schuppen dicht bekleidet, auf
den Flügeldecken fleckig, braun und grau, auf den Seiten des Halsschildes und
auf der Deckennaht silbergrau. Fibler u. Extremitäten rostroth. Länge 6—9 mm.
Phyllobius viridicollis Fasr. Käfer: Flügeldecken ohne Schuppen. Glied
3 bis 7 der Fühlergeisel fast knopfförmig. Schenkel ungezähnt. Oberseite des
Käfers glänzend glatt, nur die Seiten des Halsschildes und die Brust grün be-
schuppt. Schwarz oder pechbraun, Flügeldecken tief punktirt-gestreift. Fühler
und Beine braungelb. Länge 4 mm.
Ph. oblongus L. Käfer: Flügeldecken ohne Schuppen. Glied 3—7 der
Geissel kurz, kegelförmig. Schenkel gezähnt. Oberseite des Käfers schwarz oder
pechbraun, letzterenfalles Halsschild und Kopf dunkler, überall mit abstehenden
grauen Haaren. Flügeldecken tief punktirt-gestreift. Länge 5 mm.
Ph. Piri L. (vespertinus Fapr.). Käfer: Flügeldecken mit schmalen, fast
haarförmigen Schuppen. Glied 3—7 der Geissel sehr kurz, knopfförmig. Schenkel
stark zusammengedrückt und gezähnt. Grundfarbe dunkelbraun. Schuppen hell-
metallisch und kupfergoldis, auf dem Schildchen weiss. Flügeldecken durch ab-
wechselnde Nuancen der Schuppen längsgestreift erscheinend. Länge 55—8 mm.
Ph. glaucus Scor. (calearatus FaBr.). Käfer: Flügeldecken mit schmalen,
fast haarförmigen, schmutzig gelbgrünen bis graugrünen oder schmutzig kupfer-
farbenen Schuppen. Glied 3—7 der Fühlergeissel kegelförmig, Glied 2 sehr lang,
viel länger als 1. Schildchen länger als breit, in den meisten Fällen an den Spitzen
abgerundet, mitunter jedoch auch spitz. Beine immer rostfarben, mehr oder weniger
dicht grau behaart, nie beschuppt. Schenkel stark gezähnt. Länge 6—9 mm.
Ph. argentatus L. Käfer: Flügeldecken dicht mit rundlichen, glänzend
grünen Schuppen bedeckt und mit darüber vorragenden langen, aufstehenden,
weissen Haaren. Glied 3—7 der Fühlergeissel kurz kegelförmig. Schenkel gezähnt-
Fühlergruben nur durch einen schmalen Raum auf der Oberseite des Rüssels
von einander getrennt. Fühler und Beine gelb, Schenkel manchmal schwärzlich.
Länge 5 mm.
Ph. psittacinus Germ. Käfer: Dem vorigen ähnlich, aber etwas grösser.
Leieht zu unterscheiden durch braune Behaarung der Flügeldecken. Fühler-
gruben an den Seiten des Rüssels, weiter von einander getrennt, als bei Ph. argen-
tatus. Länge 7—8°5 mm.
Ph. maculicornis Geru. Käfer: Flügeldecken mit rundlichen Schuppen nnd
sehr kurzen, oft kaum wahrnehmbaren Haaren, Schenkel mit Zahn. Grundfarbe
schwarz, oben und unten grün oder blaugrün, äusserst dicht beschuppt. Füsse
und Fühler gelbbraun. Spitze des Schaftes und Keule meist dunkler. Länge 5—6 mm.
Lebensweise und Abwehr. Die Entwickelung aller vor-
stehend genannten Arten ist noch sehr wenig bekannt. Soweit die
sicheren Beobachtungen reichen, leben ihre Larven, wie die der
übrigen Kurzrüssler, im Boden von Pflanzenwurzeln, ohne dass bis
jetzt durch sie hervorgebrachte forstliche Schäden bekannt geworden
wären. Die in den verschiedenen Insektenkunden immer wiederholten
Angaben, dass die Larven verschiedener Arten an den oberirdischen
Theilen von Holzpflanzen vorkämen, dürften wohl sämmtlich auf
Irrthum beruhen.
Für die Sitona-Arten ist eine Verwechselung mit Hypera-Arten, welche
allerdings ähnlich wie die Larven von Cionus Fraxini L. an den Blättern ver-
schiedener Kräuter vorkommen, wahrscheinlich, während die Angabe von Ti.
Stuper über die Minirarbeit der Larve von Phyllobius argentatus L. in Buchen-
blättern eine offenbare Verwechselung mit Orchestes Fagi L. einschliesst, da die
Larve jenes Thieres bereits durch Goureau im Boden gefunden wurde, ebenso
wie die des verwandten Ph. oblongus L. durch SchwmivgerGer. Auch die An-
gaben von Boucnt: über das Vorkommen der Larven von Polydrusus cervinus L.
Lehrbuch d, mitteleurop. Forstinsektenkunde, 27
410 Kap. IX. Die Käfer.
in Eichenblätterquasten sind äusserst zweifelhaft, da die der anderen Arten nach
GourEAU gleichfalls unterirdisch leben. Sicher im Boden lebt auch nach neueren
Angaben die Larve von Sitona hispidulus FAsr. [Brıscuke 10] und die von
Metallites atomarius Ouıv. [Berne 4e].
Die speciellen Angaben über die einzelnen Arten sind folgende:
Sitona lineatus L. ist nach Berg durch Befressen und Abfressen von
Nadeln an den beiden letzten Trieben junger Fichtenkulturen im sehr milden
Winter 1877/73 schädlich geworden, so dass eine ausgedehnte Nachbesserung
nothwendig wurde. Auch Aurum sagt kurz von ihm, dass er „Kiefern, Kiefern-
zapfen und Nadelholzsamen, namentlich der frisch gemachten Aussaat durch das
Befressen der Cotyledonen schädlich geworden” sei [XVI, III, 1, S. 178]. Der
verwandte Sitona Regensteinensis Hessr. hat sich bei einem Frasse von Stro-
phosomus Coryli Fızr. an Eichen ein wenig mitbetheilist. Im Allgemeinen
erscheint dieser Frass aber eine gelegentliche Ausnahme zu sein, da die Angaben
über Schaden der verschiedenen Sitona-Arten durch Befressen der Blätter von
Schmetterlingsblüthlern viel häufiger sind. Uebrigens ist neuerdings an Kleefeldern
auch Larvenschaden beobachtet worden.
Metallites mollis Germ. und M. atomarius OLıv. sind, wie bereits oben
bemerkt, wesentlich Nadelholzschädlinge, welche zunächst ältere Kulturen an-
gehen. Der an den Trieben und zumeist an den Gipfeltrieben durch Benagen
derselben gemachte Schaden besteht in der Schwächung dieser Triebe, welche
dann leicht umbrechen; doch werden auch Nadeln benagt. An Fichten scheint
allerdings die Röthung und das Abfallen derselber, wodurch der Frass schon
von weitem kenntlich wird, von dem Erkranken der befallenen, noch sehr weichen
Triebe herzurühren, aber an den Kiefern werden nach Tascurxger@ [60, S. 36]
durch M. atomarius Orıv. sicher die Nadeln, soweit sie in den Scheiden sitzen,
angegriffen und hängen dann an einigen nicht zernasten Fasern herab. M. mollis
Gern. ist wesentlich ein Gebirgsthier, M. atomarius Ourv. dagegen auch in
der Ebene häufig. In Jahren grosser Verbreitung werden 30—50°/, der Fichten
befallen. Anfangs gehen sie an Stämmchen von 12—20 Jahren. Ende Juni, wenn
hier die Oberhaut zu stark wird, nehmen sie junge, frisch gepflanzte Stämmehen
an. Diese Beobachtungen sind schon von SAaxesen und Harrıg gemacht und
durch Oberforstrath MicHAeEL, Revierförster HEINEMANN, OHNESORGE bestätigt wor-
den. In jüngster Zeit haben wir wieder von stärkeren Verheerungen bei Stol-
berg am Harz (1887) durch Barrers und im Schwarzwalde bei Donaueschingen
durch Forstverwalter EschBorn und Forstmeister Görz-Innsbruck, gehört. Die
kleinere Art M. atomarius Orıv. scheint mehr polyphag zu sein, da sie von
Forstmeister ScHaAL in Grünthal, Sachsen, auch an jungen Buchen als schäd-
lich beobachtet wurde. Unter den Feinden dieses Käfers sind nach Kunze [33]
besonders anzuführen zwei Mordwespen, Cerceris variabilis ScHhke. und €. labi-
ata Fagr., welche ihn zugleich mit Strophosomus Coryli Fasr. als Futter für
ihre Larven eintragen.
Aus der Gattung Polydrusus werden P. mollis Srrorm. (micans FARRr.)
und P. cervinus L. als Laubholzschädlinge, welche bald nach dem Laub-
ausbruche auftreten, aufgeführt, ohne dass irgend welche grössere Blätterfrässe
derselben bekannt geworden wären. Ersterer soll namentlich Buchen, Haseln
und Eichen, letzterer Fichen und Birken angehen. Dass wir es aber auch hier
nicht mit ausschliesslichen Laubfressern zu thun haben, geht daraus hervor,
dass „Br.” (7I] von einem Frasse von P. mollis (micans Fazr.) in dem
oberbayerischen Revier Kranzberg berichtet, wo dieser Käfer von den zuerst
befallenen jungen Eichen auf die untergebauten, 3jährigen Weymouthskiefern
überging und deren Nadeln so stark befrass, dass sie nur durch rechtzeitiges
Sammeln gerettet wurden. Auch berichtet Arrum [XVI, III,1, S.180] nach den
Berichten von Forstrath Mürter über einen im Mai 1879 im Revier Wernigerode
vorgekommenen Frass von P. cervinus L. an Lärche. Zuerst wurden die neu-
gepflanzten Lärchen kahl gefressen und später die vorjährige Pflanzung theil-
weise entnadelt. Erstere gingen ein. Der Frass verlief am Stämmchen von oben
nach unten. Es wurde Abklopfen auf untergelegte Laken nöthig, wobei „Hand-
ee
: Metallites, Phyllobius und Verwandte. Cleonus. 411
körbe voll” gesammelt wurden. Als ausserdem auf Buchen, Eichen und Erlen
vorkommend, nennt Aurum am obigen Orte auf die Autorität von REDTENBACAER
hin noch: P. tereticollis De GeEEr (undatus Faer.), P. flavipes DE Geer,
P. chrysomela Orıv., P. sparsus Gyır, P. picus Fasr,
Scytropus mustela Hsst. wurde durch Jupeıck in der letzten Auflage
dieses Buches [S. 50] in die Reihe der Forstschädlinge eingeführt, weil er im
April 1873 und Mai 1374 von ihm in Menge auf jungen Kiefern in dem königl.
Sächsischen Staatsforstrevier Höckendorf bei Tharand aufgefunden wurde.
Die oben beschriebenen Phyllobius-Arten sind wesentlich Laub-
holzsehädlinge durch Knospen- und namentlich Blattfrass. Nur ganz
vereinzelt wird über einen Schaden an Nadelholz geklagt. Wir
stellen die wichtigeren der uns in der Literatur aufgestossenen An-
gaben über das Vorkommen dieser Thiere zusammen, bemerken aber zu-
gleich, dass dieselben wegen grosser Polyphagie der letzteren nur einen
untergeordneten Werth haben.
Ph. viridicollis FAer. ist sehr häufig auf jungen Buchen, kommt aber
nach SAxzsen auch an jungen Eichen oft vor, desgleichen an Saalweiden, Aspen,
Himbeeren, und nach Arrum auch an Kiefern. Fichten soll er, nach Saxzsen,
dagegen verschonen.
Ph. oblongus L. ist auf allen Laubhölzern gemein und schadet besonders
in den Baumschulen den Obstbäumen, worüber ScHMIDBERGER |[IV, 258] aus-
führlich berichtet.
Ph. Piri L. (vespertinus Faser.) hat Arrum im Mai 1875 auf jungen
Birken bei Eberswalde fast einen Kahlfrass verursachen sehen [XVI, III. 1.,
S. 182], desgleichen wurde er an Eichen beobachtet, deren Knospen er nach
einer von RATzEgurG |[V, I., 141] reprodueirten Beobachtung von UrscH nament-
lich vor ihrem Aufbrechen benagen soll.
Ph. glaucus Scor. (calcaratus FAzr.) ist nach Dösner den Erlen schäd-
lich, ebenso wie Ph. argentatus L. häufig den Buchen. Arrum [XVI, III. 1.,
S. 182] erwähnt nach den Mittheilungen von Forstmeister ScHAAL die Zerstörung
einer eirca 5 ha grossen Buchenkultur im königl. Sächsischen Staatsforstrevier
Olbernhau. Sein Schaden soll einmal nach den von RATzEBURG mitgetheilten
Beobachtungen von BorRCHMEYER in einem zweijährigen Buchenschlage in lichtem
Stande bedeutender gewesen sein, als in dunkleren Partien. Auch Birken bat
er angegangen. Aehnlich schadet namentlich in Gebirgsgegenden Ph. psittacinus
Germ. und Ph. maculicornis Gere.
Ph. pineti Repre. wird nach seinem Entdecker in Oesterreich ob der
Enns durch seine Menge den Fichten schädlich. Nach DESBROCHERS DES LoGEs
[13] ist diese Art nichts Anderes als Ph. argentatus L.
Ph. Urticae Dr Geer (alneti Fıpr.), dem Ph. glaucus Scor. nahe ver-
wandt, namentlich durch dunkle Beine von ihm zu unterscheiden, ist forstlich ganz
unwichtig, da er nach verschiedenen Beobachtern in der Hauptsache auf Brenn-
nesseln lebt. DESBROCHERS DES Logzs betrachtet ihn als synonym mit glaucus Scor.
Als Anhang zu dieser biologischen Gruppe und als Uebergang
zu der Würdigung des grossen braunen Rüsselkäfers wollen wir
hier kurz erwähnen
Cleonus. turbatus Fanrs. (glaucus GyuL.),
den grossen weissen Rüsselkäfer,
ein Name, der wohl charakteristischer ist, als der von RATZEBURG
benutzte: „Grosser grauer Rüsselkäfer”. Er ist sehr häufig mit dem
grossen braunen Rüsselkäfer vergesellschaftet und wird massenhaft
27 +
412 Kap. IX. Die Käfer.
mit diesem in Fanggräben erbeutet. Eine durch ihn verübte wirk-
liche forstliche Beschädigung ist aber bis jetzt nieht nachgewiesen.
Beschreibung: Cleonus turbatus FAurs, (glaucus Gyr.) Käfer: Fuss-
glieder der Hinterbeine verlängert, Glied 1 bis 3 ohne filzige Sohle, nur am Rande
wimperartig behaart. Rüssel kürzer als das Halsschild, mit einer erhabenen
Mittellinie und nach unten gebogenen Fühlerfurchen. Halsschild am Hinter-
rande zweimal gebuchtet, in der Mitte gegen das Schildehen erweitert, vorn
mit erhabener Mittellinie, hinten mit einer Grube. Flügeldecken langgestreckt,
an der Wurzel einzeln abgerundet, in die Buchten des Halsschildes hineinragend,
an der Spitze einzeln abgerundet, vor der Spitze an der Verbindungsstelle der
mittleren Punktstreifen mit einem deutlichen, vorn dicht weissbehaarten, hinten
nackten Höcker, übrigens dicht weissgrau, seltener bräunlich, fleckig behaart,
mit tiefen Punktstreifen und länglichen Grübchen. Fühler mit 7gliedriger Geissel,
Glied 1 derselben fast doppelt so lang wie 2, der Schaft die Augen nicht er-
reichend. Schenkel ungezähnt. Länge 10 bis 12 mm.
Lebensweise: Die alten Angaben, dass dieser Käfer ähnlich wie
Hylobius Abietis L. in Nadelholzwurzeln brüte, beruhten auf Vermuthungen,
welche hinfällig geworden sind, seitdem Lang [34] direkt durch Zucht nach-
gewiesen hat, dass seine Larve, wie diejenigen der Kurzrüssler, frei im Boden
vorkommt und von jungen Kiefernwurzeln lebt. Ein Schaden durch dieselbe
ist aber bis jetzt noch nicht bekannt geworden, ebensowenig wie ein Schaden
des Käfers selbst. Die in die Lehrbücher übergegangenen Mittheilungen in
Betreff des letzteren haben als einzige positive Unterlage die von RATZERURG
[V, T, S. 138] mitgetheilten Beobachtungen von Krockmann über den von einge-
zwingerten Käfern an Kiefernmaitrieben und deren Nadeln verübten Frass, zu
welchem sie vielleicht nur ausnahmsweise durch Hunger getrieben wurden.
Nach Arrum [XVI, III, I, S. 187] tritt unser Käfer in den Kiefernschlägen, von
denen der Abraum nicht entfernt wurde, zeitiger auf als der grosse braune
Rüsselkäfer. Die sicher verbürgte Thatsache, dass er später von hier aus auf
die Kulturen überwandert und dabei massenhaft abgefangen werden kann, ist
also vorläufig nur ein Verdachtsgrund für seine Schädlichkeit. Beiläufig ver-
dient hier Erwähnung, dass andere Cleonus-Arten wirthschaftlich sehr beachtens-
werth sind, namentlich der im südöstlichen Europa und besonders im südlichen
Russland häufige Cl. punctiventris Germ., dessen Imago die Blätter der eben
aufgehenden Runkelrübensaaten befrisst, während die Larve später deren
Wurzeln zerstört.
In Nadelholzwurzeln brütende und namentlich die Nadel-
holzkulturen als Käfer schädigende Langrüssler. Die allein hierher
gehörige Gattung Hylobius umfasst vier mitteleuropäische Arten, von
denen drei bis jetzt in die Forstinsektenkunde eingeführt sind. Von
wirklicher Bedeutung, und zwar von hervorragendster, ist aber nur
der grosse braune Rüsselkäfer,
Hylobius Abietis L.
Rarzegurg’s (Qurculio Pini L. (Taf. II, Fig. 5).
Sein nächster Verwandter ist Hylobius pinastri GyrL., welcher
entomologisch zwar unterschieden wird, für die Praxis aber nur inso-
feın in Betracht kommt, als stets ein gewisser mässiger Procentsatz
der gefangenen „Rüsselkäfer” aus dieser Art besteht. Er erfordert
also keine besondere Behandlung im grossen Wirthschaftsbetriebe.
(Näheres $S. 415.)
Cleonus. Allgemeines über Hylobius, 413
Die dritte Art Hylobius piceus Dr G£rr (pineti FAgr.) ist vor-
läufig nur verdächtig. (Näheres S. 415.)
Allgemeine Orientirung. Der grosse braune Rüsselkäfer,
dessen Schäden seit Anfang des Jahrhunderts mit der Ausbreitung
von Kahlschlagwirthschaft und Nachverjüngung namentlich durch
Pflanzung in erschreckendem Masse zugenommen haben, ist ein
Kulturverderber ersten Ranges, welcher namentlich junge
Kiefern- und Fichtenpflanzen tödtet, indem er die Rinde plätzend
benagt. Aber ebensowenig verschont er die übrigen Nadelhölzer,
ja sogar nicht einmal die Laubhölzer. In reinen Laubholzrevieren
kommt er aber nicht vor, da er ausschliesslich in flachstreichenden,
eben absterbenden Nadelholzwurzeln brütet. Seine Brutstätten sind
daher die neuesten, nicht gerodeten Nadelholzschläge, und sein
Schaden wird da am bedeutendsten, wo man solche nicht gerodete
Flächen bereits in dem auf den Hieb folgenden Frühjahre wieder in
Kultur bringt. Bei der trotz aller neueren gegentheiligen Behaup-
tungen im wesentlichen doch zweijährigen Generation ist
nämlich jede ungerodete oder schlecht gerodete Schlagfläche in dem
zweiten auf den Schlag. folgenden Sommer — also bei einem im
Winter 1879/80 abgetriebenen Bestande im Sommer 1881 — die
Geburtsstätte unzähliger Rüsselkäfer, welche, wenn sie beim Aus-
schlüpfen hier bereits junge Pflanzen vorfinden, diese bequem ge-
botene Nahrung sofort annehmen und den im allgemeinen weniger
wichtigen Herbstfrass beginnen. Finden die Käfer keine Nahrung
an ihrer Geburtsstätte, so wandern sie zu Fuss den nächsten jungen
Nadelholzkulturen zu. Nur wenige kommen noch in ihrem Geburts-
jahre zur Fortpflanzung, alle aber überwintern in der Bodendecke
und verüben im nächsten Frühjahre, nach Vollendung des Haupt-
fortpflanzungsgeschäftes, wozu sie die neuen Schläge — in unserem
Beispiele die vom Winter 1881/82 — aufsuchen, den sehr schäd-
lichen Frühjahrsfrass in den jungen Kulturen. Im Herbste des
zweiten Kalenderjahres ihres Lebens gehen viele Käfer zugrunde.
Es können aber einzelne auch den zweiten Winter überleben, so
dass also oft mehrere verschiedene Jahrgänge gleichzeitig fressen.
Die gegen den braunen Rüsselkäfer mögliche Abwehr besteht
einmal in Vertilgungsmassregeln, und zwar bevorzugt die ge-
wöhnliche forstliche Praxis vielfach das Sammeln, welches mit
Hilfe besonderer Fangapparate geschieht, unter denen wieder Fang-
rinden und Fangkloben am beliebtesten sind. Es erscheint aber
die bisher gewöhnlich geübte Praxis, diesen Fang nur in den direkt
durch. den Käfer gefährdeten Kulturen vornehmen zu lassen, als
falsch, weil mau dann meist nur Käfer fängt, welche wenigstens
einen Theil ihres Fortpflanzungsgeschäftes bereits besorgt haben,
Viel besser ist es, dies zunächst auf den Brutstätten zu thun, sobald
die jungen Käfer aus denselben auszukommen beginnen, also auf
den vorjährigen Schlägen — in unserem Beispiel auf dem Schlage
vom Winter 1879/80 im späteren Frühjahre und Sommer 18831.
414 Kap. IX. Die Käfer.
Auch in Fanggräben kann man den ausser im zeitigen Früh-
jahre nur selten fliegenden Käfer fangen, diese wirken aber zu ver-
schiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten sehr verschieden, Im
Umkreise der Schläge gezogene Gräben können kurz nach der
Hiebsführung zur Flugzeit im Frühjahr nur wenig nützen, da sie
nicht zu verhindern vermögen, dass der dann häufig fliegende Käfer
diese als Brutstätten benutzt. Zu der Zeit dagegen, wenn die Haupt-
masse der Käfer aus den nichtgerodeten Wurzeln auskommt, also im
zweiten auf den Hieb folgenden Sommer und Herbst — in unserem
Beispiel 1881 — sind sie von grossem Nutzen zum Abfangen der dem
Herbstfrasse oder den Winterquartieren zuwandernden Käfer, deren
Mehrzahl noch nicht zur Fortpflanzung geschritten ist. Dort, wo die
Anlegung von Fanggräben um die Schläge nicht möglich ist, wird
man den Käfer durch Darbietung von Brutstätten und vielleicht auch
Nahrung länger auf den Schlagflächen fesseln und so die Fangzeit
für denselben auf diesen Schlägen verlängern können. Im Umkreise
der Kulturen gezogene Gräben schützen sowohl im Herbste wie
im Frühjahr die auf denselben befindlichen Pflanzen vor den aus den
Brutstätten oder Winterquartieren zuwandernden Käfern.
Das beliebteste Vorbeugungsmittel ist das zwei bis drei
Jahre lange Liegenlassen der nicht zu rodenden Schläge.
Durch diese Massregel wird erreicht, dass für die nach dieser
Zeit begründete junge Kultur die Feinde nicht sofort dem Boden,
auf dem sie stockt, direkt entsteigen. Eine wirkliche Verminderung
der Rüsselkäfer kann sie aber nicht hervorbringen. Auch das an
vielen Stellen aus verschiedenen Gründen überhaupt nicht thunliche
Roden der Wurzeln ist nicht immer wirksam, da eine gleich mit
der Schlagführung verbundene Entfernung der Wurzeln zwar einen
grossen Theil des Brutmateriales wegschafft, die Käfer selbst und
deren Nachkommenschaft aber nicht trifft. Nur späteres Roden der
Schläge, zu einer Zeit, in welcher die Wurzeln zwar mit Larven
besetzt, die Käfer aber noch nicht ausgeschlüpft sind, also der Regel
nach bis spätestens Ende des auf den Abtrieb folgenden ersten
Winters mit baldiger Abgabe oder Verbrennung der Stöcke trifft
zugleich die Thiere durch Brutvernichtung. Künstliche, in Nach-
ahmung der flachstreichenden Nadelholzwurzeln, durch schräg einge-
grabene, frisch geschnittene Nadelholzknüppel — Brutknüppel —
hergestellte Brutstätten werden von den Käfern gern angenommen
und helfen, wenn rechtzeitig zur Zerstörung der in ihnen unterge-
brachten Brut geschritten wird, zweifelsohne zur Verminderung der
Käfer, sind aber viel zu theuer. (Vgl. S. 429.)
Der grösste Erfolg dürfte aber da erreicht werden, wo man,
ohne dabei eine vollständige Vernachlässigung der bisher üblichen
Vorkehrungsmassregeln, namentlich der Schutzgräben um die Kulturen
und der Rodung der mit Larven besetzten Wurzeln eintreten zu
lassen, durch passende Forsteinrichtungsmassregeln die Schläge
so legt, dass der Hieb in demselben Jahrzehnt womöglich nur einmal
u ee
Allgemeines über den grossen Rüsselkäfer. Hylobius-Arten. 415
denselben Waldort trifft, zu einer Zeit also, wo die benachbarten,
vor 6 bis 9 Jahren begründeten Kulturen bereits dem Angriffe der
Rüsselkäfer, welche sich auf der neuen Hiebsfläche entwickeln, im
wesentlichen entwachsen sind.
Beschreibung. Hylobius Abietis L. Käfer: Dunkelbraun, glanzlos,
goldgelb behaart. Halsschild nach vorn verengt und vor dem Vorderrand seitlich
leicht eingeschnürt, dicht punktirt und längsgerunzelt. Schildchen so lang als
breit, behaart. Flügeldecken kettenartig gestreift-punktirt, mit flachen, gerunzelten
Zwischerräumen und zwei aus Haarschuppen gebildeten, gelben Fleckenquer-
binden, zwischen denen und hinter denen noch einzelne Haarflecken stehen.
Punktreihen vorn kaum tiefer als hinten. Schenkel peckbraun, stark gezähnt.
Alte, namentlich überwinterte Käfer dunkler und schmutzig braun, Querbinden
und Behaarung oft abgerieben. Länge 7—14mm. d mit einer mehr oder weniger
scharf ausgesprochenen, flachen Grube auf der Unterseite des letzten Hinterleibs-
ringes,
Hylobius pinastri Gyrı. Käfer: Den kleineren Exemplaren des vorigen
sehr ähnlich, schwarzbraun, etwas glänzend, weisslich behaart Halsschild vor
dem Vorderrande nicht oder kaum merkbar eingeschnürt, dicht und tief punktirt,
aber nicht längsgerunzelt. Schildchen etwas breiter als lang, behaart. Flügel-
decken stark kettenartig gestreift-punktirt mit schmäleren, gerunzelten Zwischen-
räumen und zwei aus Haarschuppen gebildeten, weisslichen Fleckenquerbinden.
Punktreihen vorn tiefer als hinten. Schenkel mehr röthlichbraun mit weniger
starkem Zahn. Gleichfalls häufig abgerieben. Länge 7—9 mm.
Hylobius piceus DE Ger (pineti Fapr.). Käfer: Schwarzbraun, glatt,
glänzend, sparsam weissgelb behaart. Halsschild stark gerunzelt mit starkem
Mittelkiel. Schildchen glatt, unbehaart. Flügeldecken mit Reihen sehr grosser und
tiefer, grubenförmiger Punkte, Zwischenräume bis hinten stark gekörnt und gleich-
mässig mit kleinen gelben Haarflecken bestreut. Schenkel kaum gezähnt. Länge
12—16 mım.
Charakterisiren wir zunächst kurz die Bedeutung der beiden letzteren, un-
wichtigeren Arten. Der dem Hylobius Abietis L. zum Verwechseln ähnliche Hyl.
pinastri Gyrr., welcher sich nur durch seine durchschnittlich kleinere Statur, die
geringere vordere Einschnürung des nicht längsgerunzelten Halsschildes, die mehr
weissen Flügeldeckenzeichnungen und die mehr röthlichen Beine von jenem unter-
scheidet,ist im Allgemeinen biologisch seinem Verwandten völlig gleichwerthig. Nur
soll er nach Kerner |30 5] vorzüglich die Kiefer lieben, wenngleich er auch
Fichtenpflanzen befrisst. Auch fliegt er nach dem genannten Forscher gern und
leicht, und gelangt dadurch auf hohe Kiefern, woselbst er junge Zweige benagt.
Aus letzterer Thatsache und aus einer Verwechselung dieses Käfers mit seinem
gemeineren Vetter erklärt sich die eine Zeit lang in der Literatur Aufsehen
erregende und zu Polemik Anlass gebende, irrthümliche Behauptung eines sonst
so guten Beobachters, wie Könıs, dass Hyl. Abietis L. zunächst in den Baum-
kronen vorkommen und diese beschädigen sollte |VIl, 1. Aufl., S. 106], während
die Kulturen nur soweit unter ihm zu leiden hätten, als Käfer von Ueber-
ständern herabfallen könnten. Ueberall wird Hyl, pinastri gleichzeitig unbe-
wusst mit als ‚grosser brauner Rüsselkäfer” gesammelt. Nach KELrxer macht
er gewöhnlich in Thüringen an 6—10/, der eingelieferten Rüsselkäfer aus. Auf
dem Tharander Walde fanden sich 1877 unter 1500 untersuchten Rüsselkäfern
8:60/, desselben.
Von noch weit geringerer Bedeutung ist Hyl. piceus Dr GEEr (pineti Fazr.),
die grösste deutsche Hylobius-Form, welche mitunter als „Lärchenrüssler”
bezeichnet wird. Seine Einführung in die Forstinsektenkunde verdankt er einem
Aufsatze von Srürrz [59], der ihn in Schlesien in Lärchenstöcken brütend fand,
und im Zwinger constatirte, dass die Käfer nur Lärchenzweige benagten. Er ist
daher vorläufig nur verdächtig.
416 Kap. IX. Die Käfer.
Lebensweise. Die Biologie des grossen braunen Rüssel-
käfers, dieses gefährlichen Nadelholzfeindes, enthält noch mancherlei
ungeklärte Punkte, dürfte aber für die Bedürfnisse der Praxis
bereits genügend bekannt sein. Die Flugzeit des Käfers fällt,
nachdem er bei hinreichend warmer Temperatur schon früher seine
Winterverstecke verlassen, in das wärmere Frühjahr, von Ende
April bis Mai und Anfang Juni. Um diese Zeit fliegt der Käfer
wirklich häufig, und wird nicht nur in der Nähe seiner Brut-
stätten, sondern auch entfernt von ihnen, ja sogar in bewohnten
Ortschaften etc. schwärmend gefunden. Als Brutmaterial be-
nutzt er ausschliesslich im Absterben begriffene, flachstreichende
Nadelholzwurzeln bis zu 1cm Stärke herab, d. h. also in unserem
Wirthschaftswalde namentlich die Wurzeln der im vorhergehenden
Winter geschlagenen Fichten und Kiefern. Er findet sich zu dieser
Zeit auf den Schlägen ein, namentlich auf denjenigen, auf welchen
der Abraum noch nicht völlig entfernt wurde, begattet sich hier,
theils oberirdisch, theils bereits in der Bodendecke und belegt die
oberen Wurzelenden, seltener die Stöcke selbst, mit einzeln unterge-
brachten Eiern. Die Larven fressen wurzelabwärts, zunächst nur im
Baste, späterhin tiefer, auch den Splint furchend, so dass eine von
mehreren Larven befallene Wurzel schliesslich wie eine cannelirte
Säule aussieht. Bei Beginn der rauheren Jahreszeit sind die Larven
meist bereits ausgewachsen und nagen sich eine tiefe Splinthöhle,
in welcher sie überwintern. In letzterer ruhen sie ohne wesentliche
Veränderung bis zum warmen Frühjahr des nächsten Jahres und ver-
puppen sich dann, um im Vorsommer oder Sommer zum Käfer zu
werden, der also gewöhnlich, je nach den Temperaturverhältnissen,
12 bis 18 Monate nach der Ablage des Eies fertig ist. Finden die
ausschlüpfenden Käfer jetzt Brutmaterial und sind sie überhaupt
zeitig ausgebildet, so begatten sie sich schon jetzt und legen einen
Theil ihrer Eier ab. Später auskriechende Käfer kommen aber in
demselben Jahre, in welchem sie ihre Metamorphose vollendeten, gar
nicht zur Fortpflanzungsthätigkeit und schreiten erst im Frühjahr
des nächsten Jahres hierzu, in Gemeinschaft mit ihren früher
reifen Brüdern, welche bereits im vorigen Jahre einige Eier ab-
legten, den Haupttheil des Fortpflanzungsgeschäftes aber gleichfalls
erst jetzt verrichten. Eine zweijährige Generation erscheint also als
Regel, da die Käfer, deren Leben als Ei z. B. im Frühjahr 1880
begann, erst im Jahre 1882 wieder den Haupttheil ihres Fort-
pflanzungsgeschäftes besorgen. Auf denjenigen Revieren aber, auf
welchen sich eine besonders starke Vermehrung der Rüsselkäfer be-
merkbar gemacht, stellen sich eine Reihe von Unregelmässigkeiten
ein, welche im Einzelfalle das Allgemeinbild, wie wir es oben gaben,
trüben. Hiefür ist namentlich der Umstand massgebend, dass nach
älteren und neueren Untersuchungen die Ablage der Eier durch die
Weibchen nicht, wie sonst bei den meisten anderen Insekten, schnell
hintereinander geschieht, sich vielmehr auf einen längeren Zeitraum
Hylobius, Lebensweise und Generation. 417
vertheilen kann, und demgemäss auch der Zeitpunkt der Ausbildung
der jungen Käfer sich nicht auf eine so kurze Zeit beschränkt, wie
die praktischen Forstmänner, in missverständlicher Auslegung der doch
schliesslich immer nur allgemeine Abstraktionen darstellenden, kurzen
Angaben der Lehrbücher, durchschnittlich angenommen haben. Es kann
daher der Zeitraum, in welchem junge Käfer zum Vorschein kommen,
von Sommeranfang bis zum Eintritt des Herbstes reichen. Die sehr
früh auskommenden Käfer können noch passendes Brutmaterial finden
und so eine einjährige Generation haben. Am seltensten dürfte der
trotzdem von völlig glaubwürdiger Seite beobachtete Fall sein, ‘dass
aus sehr zeitig gelegten Eiern gekrochene Larven bereits im Jahre der
Eierablage sich verpuppen und als Puppen überwintern oder gar noch .
vor Winter zu Käfern werden. Solche wohl auch als Zeitlinge oder
nothreife Käfer bezeichnete Thiere gehören stets zu den Ausnahmen.
Für die von anderer Seite neuerdings aufgestellte Hypothese der
doppelten Generation ist keinerlei Beweis erbracht worden. Die
Hauptmenge der im Frübjahre und Sommer ihrer Fortpflanzung nach-
gehenden Käfer stirbt im Herbste desselben Jahres ab. Genaue Beob-
achtungen haben aber gelehrt, dass dies nicht immer der Fall ist,
und dass ein Theil der Käfer nicht nur den ersten, sondern auch
den zweiten, und in einzelnen Fällen sogar den dritten Winter über-
dauern kann, so dass unter gleichzeitig gesammelten Rüsselkäfern
nicht weniger als drei verschiedene Jahrgänge sein können. Für die
Praxis dürfte wohl aber nur der Umstand wichtig sein, dass das
Ausschlüpfen der Käfer aus dem Brutmateriale eventuell zeitiger ein-
treten kann, als man theoretisch bisher meist annahm.
Nach dem eben Gesagten ist es einleuchtend, dass die Generationsver-
hältnisse des grossen braunen Rüsselkäfers schwerer graphisch darzustellen sind,
als die irgend einer anderen Art.
Nach den Angaben von Arrum [I f, S. 157] stellten sich dieselben für
die märkischen Kiefernreviere, wenn wir mit dem Zeichen & die in den Puppen-
wiegen ruhende Larve bezeichnen, folgendermassen:
2 FE VE Er ee EEE EINE EEE |
Jan. |Febr. | März |April| Mai | Juni | Juli | Aug. Sept. | Oct. |Nov. | Dec.
ERRZIIEEETCERED j I
+++ HH ++
1380 | ® | @ @ @ | @ @ Km Im Im ME | EEE mE Hmmm ms je Mn mm Mae mm
©oeoo9990909
1881 soelseosee ooeoooooe seo++4+++44t+4ttt+tr+H
|
| | |
BSR rettet
|
Drücken wir aber die Resultate des durch v. Orrex in dem Jahre 1882/83
unter möglichst natürlichen Umständen an wirklichen Wurzeln angestellten Zwin-
gerversuches [43 d, S. 90 u. f.) graphisch aus, und zwar für die Eier, welche
zuerst, also bereits im Mai abgelegt wurden und daher auch 1883 am zeitigsten
Käfer lieferten, so erhalten wir folgendes Bild:
&
418 Kap. IX. Die Käfer.
Jan. |Febr. | März
|
| ee: |
1882 | LEE lee |
April| Mai | Juni | Juli
Aug. | Sept.| Oct.
Es wäre dies das Bild einer typisch einjährigen Generation, wenn nicht
die weiteren Versuche von v. OrrEn, sowie namentlich diejenigen von ZIMMER
bewiesen, dass die im Juni — in Wirklichkeit die ersten bereits am 29. Mai —
ausgeschlüpften Käfer nicht vielfach den nächsten Winter, hier also 1883/84,
überdauerten und dann erst im nächsten Frübjahr sich weiter fortpflanzten.
Wollen wir dagegen das andere Extrem der in dem angezogenen
v. Orpzn’schen Versuche gewonnen Resultate darstellen, dass nämlich noch bis
in den August hinein Copulation der Käfer und somit wahrscheinlich auch Ablage
von Eiern stattgefunden hat, aus denen dann die im August, respective Septem-
ber 1883 auftretenden Käfer herstammten, und nehmen wir mit v. Orpen an, dass
auch diese sich noch fortpflanzten, während andererseits einige der Käfer, welche
bereits 1882 sich fortgepflanzt hatten, auch noch 1883, dann aber natürlich
gleich im Frühjahr Brut erzeugten, so erhalten wir das folgende complieirte Bild:
Ku socoee
[|
.o.o+++
18853 sSooososoooooo®
| Jan. |Febr.| März April| Mai | Juni | Juli | Aug. | Sept.| Oct. | Nov. | Dec.
1882 | a al
| DO Gear RU BEIN FRE a
.) man ---— --- 999999890bl
155) | besez| bt
| ı | |
ar rear Poopeo See et] he Eee
[| —— nun
Es kommen alsdann in dem Jahre 1883 nebeneinander zwei neue Gene-
rationen vor, bl und c, von denen 5! die Geschwister der bereits im Jahre 1882
von denselben Eltern a erzeugten Generation b, die Generation c dagegen die
Enkel von a enthält. Diese graphische Darstellung weiter zu verfolgen, wäre
unthunlich, wir heben nur noch in Betreff der längeren Lebensdauer und mehr-
fachen Eiablage der Rüsselkäfer hervor, dass K. E. G. Zınmer [67] z.B. folgende
Beobachtungen gemacht hat: Ende März 1856 gesammelte Käfer legen vom
Mai bis zu Anfang September, und zwar von Mitte Juni ab spärlich. Trotzdem
leben die Käfer zum Theil weiter und der letzte stirbt erst am 18. März 1858.
Am 10. Juli 1856 aus den Wurzeln frisch herausgeschnittene junge Käfer
beginnen einen Monat später, am 10. August, zu legen und legen bis zum
17. September. Von ihnen überwintern 12 Stück und legen wieder vom 8. März
bis zum 12. October 1857. Es gehen in die Ueberwinterung nunmehr 10 Stück,
von denen im Frühjahr 1858 noch 4 leben, welche nun wieder bis zum 30. Juni
Eier legen. Am 10. Juli 1858 stirbt der letzte Käfer. Die Gesammtsumme der
abgelegten Eier betrug 1737 Stück.
Vollständige Ausbildung des Käfers in demselben Jahre, in welchem die
Brutstätten mit Eiern belegt wurden, vor völligem Eintritt des Winters ist z, B.
von Geor@ [I9a, S. 165] und von v. Lırs [39 c] sicher beobachtet worden,
desgleichen neuerdings von Eıcuuorr. Es scheint aber, dass dies im Wesent-
lichen nur in künstlichen Brutstätten, z. B. in Brutknüppeln, in welchen ab-
norme Entwickelungsbedingungen gegeben sind, stattfindet, und tür die Praxis
Hylobius, Generation und Geschichte. 419
ohne jede Bedeutung ist. Erwähnt sei noch, dass Bırpermann [6] aus seinen
Versuchen eine einjährige Generation als Regel annimmt, wobei aber die
Entwickelung in 2 verschiedenen Kreisen verlaufen soll: a) von Mai bis
November mit Ueberwinterung des Käfers und Fortpflanzung im zweiten Jah:e.
b) Vom Juli des einen Jahres bis zum nächsten Juli mit Fortpflanzung in dem-
selben Jahre, in welchem die Käfer entstanden.
Geschichtliches. Seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts wird dieser
Käfer und sein Schaden immer erwähnt, zugleich aber mit anderen grösseren
Rüsselkäfern verwechselt, namentlich mit den jetzt Otiorrhynchus niger Fark.
und Pissodes Pini L. genannten Arten. Häufig kommt er unter verschiedenen
Namen vor, so z. B. bei von DER Borck, der seinen Frass bereits aus dem
Jahre 1802 sehr gut beschreibt, als Carabus aterrimus [7]. 1826 wird ihm
unter dem Namen Curculio pini von M. Warter ein eigenes Büchlein gewidmet
[62], aber erst Rarzesurg in seinen Forstinsekten stellte seinen Schaden und
die wesentlichen Grundzüge seiner Fortpflanzung fest. Zugleich gab seine Autorität
dem Namen Curculio pini L. die weiteste Verbreitung, und noch heute ist der-
selbe vielfach in der Forstwelt gebräuchlich, trotzdem wohl sicher nachgewiesen,
dass Lınn& unseren „grossen braunen Rüsselkäfer” wirklich ursprünglich Cur-
culio Abietis genannt hat. Der Kernpunkt der Frage dreht sich darum, ob in
der zweiten Auflage der „Fauna suecica” Linn&’s, in welcher zuerst diese beiden
Namen vorkommen, die Diagnosen oder die Namen der beiden in der ersten
Aulage ohne eigentliche lateinische Namen als Cureulio 446 und Curculio 447
bezeichneten Käfer verwechselt wurden. Wer sich für die klare Begründung der
jetzt allgemein angenommenen Anschauung, dass die Diagnosen von Mitarbeitern
Linx&’s verwechselt wurden, interessirt, lese den klaren diesbezüglichen Aufsatz
von Döner [I4] nach. Die späterhin folgende und allmählich zu beängstigender
Höhe anschwellende Literaturluth über unseren Käfer enthält neben vielen
mehr weniger werthvollen Mittheilungen über Bekämpfungsmittel auch sehr
gute biologische Beobachtungen, welche aber nicht die genügende Beachtung
gefunden haben. Es sind dies namentlich die Untersuchungen von v. Lırs 1854
und 1855 [39[, Maxrrını 1855 [41] und Zmmmer-Püchau 1858—1860 [67].
v. Lips hat zuerst genaue Experimente mit der künstlichen Brut gemacht und
nachgewiesen, dass der Käfer zwei Winter überleben könne [395, S. 165], und
Zimmer hat in ausgedehntestem Massstabe die Thatsache constatirt, dass die-
selben Käfer mehrere Jahre hintereinander Eier legen können, Die Angaben von
v. Lies und Zımver waren aber in der Vereinsschrift des Vereines Böhmischer
Forstwirthe so sicher vergraben, dass es erst der neueren, völlig selbstständigen
und ohne Kenntniss der Arbeiten seiner Vorgänger — die wir selbst erst kürzlich
neu „entdeckten” — unternommenen Untersuchungen von v. Orren [43] bedurfte,
um die bereits von Jenen über öÖftere Begattung im Herbste und lange
Lebensdauer gefundenen Thatsachen neu bestätigt, der Allgemeinheit zugänglich zu
machen. Die weiteren genauen Untersuchungen sind namentlich durch Arrun [I e,
F, , m] ausgeführt, weicher sich ein besonderes Verdienst erworben hat durch
den Nachweis, wie draussen im Wirthschaftswalde, namentlich in Kiefern-
revieren der Ebene, die Generation sich stellt, ohne Anwendung künstlicher
Brutstätten. Fälle, in welchen Käferbrut durch vertrauenswürdige Beobachter
in alten Metersıtössen, Brückenhölzern und in stehendem Holze beobachtet
wurde, sind bekaunt, dagegen rühren die meisten älteren Angaben hierüber von
Verwechslung mit Pissodes-Arten her.
Verbreitung, Frass und Schaden. Der „Rüsselkäfer” ist ein
weit verbreitetes, sehr häufiges Thier. Er wird nicht blos, wie der
früher besprochene (vgl. S. 372) Otiorrhynchus niger FaBr. vorzüg-
lich in den Gebirgswaldungen schädlich, sondern auch in der Ebene.
Die durch ihn hervorgerufenen empfindlichen Verwüstungen reichen
in unseren mitteldeutschen Gebirgen, wie Erz- und Riesengebirge, bis
zu einer Meereshöhe von etwa 800 m.
420 Kap. IX. Die Käfer.
Aırum giebt an, dass der Käfer im köngl. Preussischen Harzrevier Herzberg
bei 700 m Höhe noch stark schade undin dem Bayerischen Oberlande die Grenze
seiner Schädlichkeit und überhaupt seines Vorkommens bei 900 bis 1000 m Höhe
erreiche. Nach den sehr genauen Mittheilungen von v. Orren [43 5] ist der
Schaden im ganzen, dem Erzgebirge angehörigen, köngl. Sächsischen Forstbezirk
Bärenfels nicht blos in den tieferen Lagen,
sondern bis hinauf zu etwa 660 bis 800 m
Höhenlage ein sehr bedeutender.
Nur der Käfer thut uns
Schaden. Am liebsten sucht er
Nadelhölzer auf, besonders junge,
3—6jährige, durch Verpflanzung,
schlechte Erziehung, Schütte u. dgl.
kränklich gewordene Pflanzen, aber
selbst einjährige Pflanzen und Keim-
linge verschont er nicht. Auch der
auf den Schlägen liegen bleibende,
noch nicht trocken gewordene Ab-
raum wird vom Käfer befressen.
Im Nothfalle geht er aber auch in
den Kulturen an ältere Stämmchen,
welche er 1—3 m hoch befrisst. Der
Fig. 141. Von dem grossen braunen
Rüsselkäfer benagter Maitrieb, der
noch in demselben Jahre an der
Spitze abstarb, nachdem sich unter
Fig. 140. Rüsselkäferfrass an der Wunde drei Scheidenknospen
einem Nadelholzstimmehen. entwickelt hatten,
Frass in den Wipfeln alter Kiefern rührt meist von einem Verwandten,
dem Hylob, pinastri Gyrr. her (vgl. S. 415). Die Kiefer ist seine
Schaden des grossen braunen Rüsselkäfers. 421
Lieblingspflanze, dann folgt die nicht viel weniger gern angenommene
Fichte und schliesslich die Tanne, aber auch Lärche, Weymouths-
kiefer und sogar Wachholder verschmäht er nicht völlig. Ein tüchtiger
Rüsselkäferfrass kann ganze Kulturen vernichten, jedenfalls sehr be-
deutende Ausbesserungen nöthig machen. Der Käfer schadet dadurch,
dass er dieRinde platzweise abnagt; an den Frassstellen (Fig. 140),
die bis auf den Bast oder bis auf den Splint reichen, oft den Um-
fang einer Erbse haben und’ bald vereinzelt, bald dicht beisammen
stehen, tritt Harz aus, welches die Rinde wie mit einem Grind über-
zieht. Meist sind die Wunden Ursache einer Säftestockung, welche
sich bei der Kiefer im Erscheinen zahlreicher Scheidentriebe aus-
spricht. Diese treten selbst da, wo der Käfer dem 1—2jährigen Triebe
eine Frasswunde, die an Braunfleckigkeit, Missfarbigkeit und Verhar-
zung zu erkennen ist, beigebracht hat, sofort unterhalb der Verletzung
knospend hervor (Fig. 141). Wo Fichte und Kiefer befallen werden,
leidet die Fichte immer mehr als die Kiefer, da sie nicht Scheidentriebe
bringen kann. Es ist ganz gewöhnlich, dass einzelne Fichten inmitten
eines Pflanzbüschels, wenn sie auch gar nicht so stark benagt sind,
plötzlich roth werden. Die Kiefern sterben ebenfalls häufig unmittel-
bar nach den Angriffen ab, kümmern aber oft mehrere Jahre, oder
sie verfallen in ihrem kränklichen Zustande anderen Insekten, welche
dann den Tod bringen.
Der Rüsselkäferfrass unterscheidet sich nach Arrum [Im] dadurch von
dem der ähnlich fressenden Hylesinen, dass der Rüsselkäfer von oben herab
den Rüssel ansetzt, zuerst also immer die obere Rinde beschädigt und dann
erst die tieferen Schichten angeht. Er muss den Rüssel immer von neuem an-
setzen, so dass stets einzelne, wenngleich oft zusammenfliessende, Frassplätze
entstehen, während, wenn die kleineren Hylesinen einmal bis auf das Holz
gelangt sind, sie gern in der Tiefe weitergehen und die innere Rindenschicht
unterhöhlen; namentlich ist dies, da sie von unten nach oben fressen, an den
oberen Wundrändern der Fall. Auch findet ihr Frass theilweise noch an den
unterirdischen Theilen der Stämmchen statt.
Stärkere Rinde meidet Hylobius immer und soll auch durch Noth ge-
zwungen höchstens 6jährige Triebe anfallen. Unangenehm sind ihm die Extreme
von Hitze und Kälte, sowie windiges und regnerisches Wetter. Dies, sowie häufige
Berührung und Bewegung der Frasspflanzen, vertreibt ihn von oben; er ent-
schädigt sich dafür aber durch heimliches Fressen in der ihm angenehmen
Kühle des Grases und Mooses am Wurzelknoten, wo er dann noch schädlicher
ist als am Stamme. Wenngleich, wo Kiefer und Fichte gemischt angebaut
wurden, wie oben bemerkt, die Kiefer bevorzugt wird, so ist in reinen Kiefern-
und reinen Fichtenkulturen der Schaden doch völlig gleich und kann so stark
werden, dass die Möglichkeit der Verjüngung in Frage gestellt wird.
Dass er den Tannen weniger schädlich wird, liegt zunächst wohl daran,
dass in den Gegenden, wo die Tannenbestände eine grössere Wichtigkeit haben,
meist Vorverjüngung angewendet wird, welche ausserordentlich pflanzenreiche junge
Bestände liefert. Ueber den Frass an Lärchen wird selten berichtet, so z. B.
von Assmann [2]. Ueber Beschädigung von Wachholder klagt Schemger [54,
S. 362]. An zweijährigen Weymouthskiefern hat der grosse braune Rüsselkäfer
auf einer österreichischen Herrschaft so stark gefressen, dass sämmtliche Rinde,
Knospen und Nadeln völlig entfernt waren und nur der nackte Holzkörper
zurückblieb [70].
[8
Kap. IX. Die Käfer.
Ueber diejenigen Fälle, in welchen der Rüsselkäfer in äl’eren Kulturen
stärkeren Schaden gemacht haben soll, vergleiche man die Mittheilungen von
RATZEBURG [XV, I., S. 115—120]. Es sollen durch den Frass eine Reihe von
Verzweigungsfehlern an Kiefern hervorgebracht worden sein; jedoch ist zu
bemerken, dass uns der Beweis, es habe hier wirklich Hyiobius Abietis gefressen,
nicht völlig erbracht scheint. Neuerdings ist aber solcher Hochfrass an 15- bis
20jährigen Kiefernstangen, von denen viele getödtet wurden, auch von ALTum
und Gopsersen beobachtet worden [I ’, S. 303 und 304]; in einem Falle war
Hyl. pinastri der Hauptthäter, im anderen die gemeinere Form. ?
Der grosse braune Rüsselkäfer kann aber auch in Laubholz-
kulturen schaden, wenn sie von Nadelholzbeständen umgeben oder
mit Nadelhölzern gemischt sind. Namentlich thut er dies aber dort,
wo frische Nadelholzschläge nicht gerodet, sondern sofort mit Eicheln
besäet werden. Hier benagen die in den Nadelholzwurzeln ausge-
brüteten Rüsselkäfer die jungen Eichenpflanzen in der schädlichsten
Weise. In reinen Laubholzrevieren oder -Reviertheilen tritt dagegen
nie ein Schaden ein, da hier die Brutstätten fehlen.
So monophag die Larve ist, welehe nur in Nadelholzwurzeln, und zwar,
wie angenommen wird mit Ausschluss von Wachholder und Taxus, lebt, so poly-
phag ist der Käfer selbst. Schon Rarzegure [V, I., S. 13+] erwähnt, dass er
auch junge Erlen und Birken benagen kann, und beschreibt einen Fall von
Knospenzerstörung an Erlen in dem Eberswalder Forstgarten, welcher zur Ver-
nichtung manches Stämmchens führte [XV, II., S. 244]. Wırrkomm berichtet von
einem auf Spechtshäuser Revier bei Tharand 1856 stattgefundenen Frass in
einer Eichenheisterpflanzung, und NörptinGer beobachtete den Frass an Eichen-
und Birkenpflanzen, sowie an Apfelbäumehen |XXIV, S. 18]. Am ausführlichsten
berichtet aber Arrum [le] über: Schaden an Eicherheistern in den königl.
Preussischen Oberförstereien Stepenitz, Reg.-Bez. Stettin, und Knesebeck, Provinz
Hannover. In den Hanbergen des Reg.-Bez. Arnsberg wurden ferner 1879
und 1880 die einjährigen Eichenausschläge, desgleichen diejenigen von Birke,
Erle und Weide, sehr stark befressen. Auch später kamen solche Frässe vor,
so im Reg.-Bez. Köln, und zwar sowohl auf Fichtenabtriebsflächen, die sofort
mit Eichenheistern bepflanzt wurden, als auch bei Eichenschälwaldanlagen, in
welche als Schutzholz Kiefern reihenweise zwischen je 2 Reihen gelester Eicheln
eingepflanzt worden waren. In letzterem Falle trat der Schaden nach dem ersten
Abtrieb, bei welchem natürlich auch die Kiefern mit abgetrieben worden waren,
auf, indem die Kiefernwurzeln als Brutstätte dienten und die Eichenausschläge
das Frassobjeet darboten [Arrum In].
Abwehr. Die älteste Form derselben ist bei diesem gefürch-
teten Feinde die direkte Vernichtung, und wir beginnen daher mit
den Vertilgungsmassregeln.
Bei der ziemlich bedeutenden Grösse des Käfers ist das direkte
Sammeln möglich und wird auch vielfach ausgeübt, doch müssen
die hierzu verwendeten Personen einige Kenntnisse von der Lebens-
weise des Käfers haben. So findet er sich gern auf frischem Boden,
an Gräben, auf Schutthaufen, an harzenden Wurzeln, welche man
am besten noch etwas aus dem Boden reisst, und an harzüberlaufenen
Stöcken ein und wird oft in der die Stöcke direkt umgebenden Moos-
und Bodendecke gefunden, wo er sich während der Hitze verkriecht.
Auch an den Sägespänen der Schneidemühlen kann des Morgens
im Frühjahr im Thau der Käfer oft in Masse gesammelt werden.
Die bei diesem direkten Sammeln gemachten Erfahrungen haben dazu
|
|
Schaden und Abwehr des grossen braunen Rüsselkäfers. 423
r
geführt, Anlockungsmittel zu erfinden, um an diesen einen reich-
licheren Fang zu machen. Als solche sind gebräuchlich und wirksam :
a) die Fangrinden, auch Fangschalen genannt. Es sind dies
‘frisch geschälte Stücke von Kiefern- oder Fichtenrinde von ungefähr
30—50 em Länge und 15—20 cm Breite, welehe mit der Bastseite
nach unten flach auf den Boden gelest und mit Rasen oder Steinen
beschwert werden. Diese Rinden bieten, namentlich wenn man unter
sie noch kleine Stücke frischen jungen Kiefern- oder auch Fichten-
reisigs legt, den Käfern willkommenen Schutz und zugleich Nahrung.
Die unter ihnen sich verkriechenden Käfer müssen täglich gesammelt
werden. Sind Rinden und Reisig vertrocknet, so bedürfen sie der
Erneuerung. Rasenbedeckung hält die Rinden länger fängisch.
Die erste Erwähnung der Fangrinden geschieht 1832 durch Car. LiegicH
[37], der von ihrer Anwendung auf der Planer Herrschaft in Böhmen berichtet.
Die weitere Köderung des Käfers durch untergeleste Zweige soll nach Herss
[XXI, 257] zuerst im Weimarischen an den Ilmbergen versucht worden sein;
augenblicklich ist sie sehr verbreitet. Eine weniger wirksame Abänderung der
Fangrinden besteht in den Rindenrollen, d.h. in längeren Rollen abgeschälter
Ficehtenrinde von jüngeren Stämmen, in deren Hohlraum sich der Käfer auch
versteckt, sie trocknen aber viel leichter aus, und die Käfer sind schwerer
herauszuschütteln. Ueber die passende Grösse der Fangrinden sind natürlich die
Angaben der verschiedenen Praktiker sehr wechselnd.
b) Fangkloben, d.h. Kloben von frisch geschlagenem Fichten-
oder Kiefernholze, welche mit der Rindenseite gegen die Erde gelegt
und, damit sie besser fängisch sind, geplätzt werden. Damit sie die
Käfer noch mehr anlocken, entblösst man nämlich den Bast hier und
da auf 5—10 cm Länge und 3—5 cm Breite und drückt die Kloben,
wenn der Boden benarbt ist, gegen aufgerissene oder mit der Hacke
verwundete Stellen desselben.
ce) Fangbündel, d. h. armlange und schenkeldicke, frisch ge-
brochene und gebundene Fichten- oder Kiefern-Reisigbündel. Zu
diesen wird man, wenn auch nicht zuerst, so doch dann seine Zu-
flucht nehmen müssen, wenn man Kloben nicht hat, oder sich die
Rinde nicht schälen lässt.
An deren Stelle ist von Zimmer in Püchau [67, 1859, S. 19] die An-
wendung von Ähnlichen Bündeln frischer Kiefernwurzeln empfohlen worden.
Man kann mit den Anlockungsmitteln auch Vorrichtungen ver-
binden, aus denen die Käfer nicht so leicht wieder herauskommen.
Solche Fallen ähnliche Anlagen sind zunächst:
d) die Fanglöcher, d. h. Gruben von 30 cm im Viereck und
derselben Tiefe, welche man entweder mit frischem Nadelholzreisig
bedeckt oder auf dem Grunde mit solchem belegt. Diese werden in
passenden Abständen auf den Kulturen oder Schlägen vertheilt.
Eine von Forstmeister Zınmer in Moritzburg [68] angewendete Variante
der Fanglöcher sind die Fangflaschen, welche bis zum Halsrand in den
Boden eingegraben, mit einer hineingeschütteten Mischung von Holzessig, Holz-
theer und Terpentin fängisch gemacht und oben mit einem frischen Rinden-
424 Kap. IX. Die Käfer.
stück bedeckt werden. Zimmer lässt die Flaschen besonders blasen. Sie sind
bauchig, von eirca 20 cm Durchmesser und haben einen 15 cm langen, 4—5 cm
weiten Hals.
e) Weit wirksamer sind noch die Fanggräben. Man macht
diese, wie Raupengräben, 30 cm tief und 10—15 cm breit, und bringt
auf der Sohle alle 5—6 Schritte ein 10—15 cm tiefes und ebenso
breites Fangloch an. Auf steinigem Boden genügen allenfalls auch
zahlreiche kleine isolirte Grabenstrecken, da die Käfer nicht blos wie
die Raupen blindlings in die Gräben fallen, sondern diese sogar
eifrig aufsuchen, wahrscheinlich weil ihnen die Kühle darin angenehm
ist. Aus letzterem Grunde gewähren auch Gräben auf unbenarbtem
Boden in heissen Lagen, wo die Käfer Schutz gegen die Sonne suchen,
mehr Nutzen, als auf berastem oder durch Unkräuter beschatteten
Boden in frischen Lagen. Doppelt wirksam ist es, wenn man die
Gräben mit frischem Fichten- oder Kiefernreisig bedeckt, oder letzteres
auf der Sohle ausbreitet. Die in die Gräben gefallenen Käfer sind
stets zu vernichten. Die früher übliche Art, die Kulturen mit solchen
Gräben zu durchschneiden, ist jetzt weniger beliebt. Man legt sie
besser im Umkreise der Brutstätten an und fängt so die von diesen
abwandernden Käfer ab.
Pascnen [45 a] lässt in der Forstinspection Kaliss in Mecklenburg die
Gräben nur 25 cm breit, 20 cm tief mit senkrechten Wänden und alle 10 m ein
20 cm tiefes Fangloch herstellen. Die Kosten für das laufende Meter betragen
nur 1,5—2 Pf. Die Fanggräben bewähren sich nur in wenig bindisem Boden,
sind aber dort oft von sehr grossem Nutzen. Nur därf man sich nicht darauf
verlassen, dass die Käfer in denselben zugrunde gehen, da die Verminderung
in den Fanglöchern nicht blos von Insektenfressern herrührt, sondern auch da-
durch geschieht, dass viele Käfer sich in den Boden verkriechen und später wie-
der herausarbeiten. Auch wühlen sie sich vielfach nach den beim Herstellen der
Gräben abgestochenen Nadelholzwurzeln hin. Die gefangenen Käfer müssen also
vernichtet werden. Die Gräben dürfen anfänglich nicht zu breit gemacht werden,
damit man sie später nachstechen kann. Wir werden auf dieselben sofort noch
einmal bei den Vorbeugungsmitteln zu sprechen kommen.
Viel wichtiger aber als die Vertilgungsmittel sind die
Vorbeugungsmassregeln. Diese bezwecken
I. Den direkten Schutz der Kulturen gegen den Frass der
vorhandenen Käfer, und zwar kann sich dieser Schutz beziehen auf
die ganze Fläche oder nur auf die einzelnen Pflanzen.
A. Schutz der ganzen Kulturen wird erreicht:
a) Durch Isolirungsgräben. Diese sind genau so anzulegen
wie die eigentlichen Fanggräben, von denen sie sich nur dadurch unter-
scheiden, dass sie im Umkreise der Kulturen angelegt sind. Ueber
die beste Zeit ihrer Wirksamkeit wird später noch gehandelt werden.
Auch in ihnen werden die Käfer zerstampft oder gesammelt.
Das Sammeln hier wie in den oben geschilderten Fangapparaten
geschieht am besten im Accord, und man kann zu demselben mit Erfolg
Frauen und Kinder benutzen. Die Bezahlung geschieht nach dem
Hundert, für welches z. B. auf Tharander Revier 6 Pfennige gezahlt
werden.
nn nn nun ee
Abwehr des grossen braunen Rüsselkäfers. 425
Die Abzählung wird meist den Sammlern überlassen, und man ver-
langt dann, dass die Käfer todt zu 100 oder 500 in Düten gepackt abgeliefert
werden und prüft bei jeder Ablieferung ein’'ge Düten als Stichproben auf die
Richtigkeit der Zahl. Man kann aber auch die Bestimmung der Zahl dem Per-
sonal übertragen, und da das jedesmalige direkte Zählen zu beschwerlich, so
zählt man den Inhalt eines halben oder ganzen Liters mehrmals aus und nimmt
den abgerundeten Durchschnitt dieser Zählungen als bestimmend an. Am besten
werden die Käfer zuerst durch kochendes Wasser getödtet und dann abgetrocknet
gezählt, da viel mehr nasse Käfer, deren Beine angelegt sind, in ein Gefäss
gehen als trockene. Auf jeden Fall muss man entweder immer nass oder immer
trocken zählen, da sonst Ungleichheiten entstehen.
Als Beispiele starken Sammelns seien folgende erwähnt: Nach v. Bea«
[9 5, S. 204] und Corra wurden im Jahre 1853 in der königl. Sächsischen Oberforst-
meisterei Grillenburg in ihrem damaligen Umfange auf 14 795 Acker — 8372 ha
Nadelholzfäche gesammelt rund 1427000 Stück Käfer mit einem Aufwand von
rund 1096 M. In den Jahren 1381—1884 wurden nach v. Orpen [435, S. 83]
im königl. Sächsischen Forstbezirke Bärenfels auf sieben Revieren gesammelt:
HSSTRRE 2 A 32800
HSS SER u U er ERBEER WEN 220 281365600
SS Eee we 2500,
IS ER ER 22231/662200
Summe. . 9852600,
von denen auf die einzelnen Monate folgende Procente kamen:
Mai Juni Juli August September
12°), 43%), 27) 12"), 6%
Beim Beginn des Fanges, wenn die Lente noch nicht geübt sind, kann
man etwas mehr zahlen als späterhin, desgleichen am Ende der Fangzeit, wenn
die Käfer schon wieder seltener werden. Dort, wo Rüsselkäfergräben vorhanden
sind, muss man den Preis entsprechend niedriger setzen. Die Fangrinden, Fang-
kloben u. s. f. lässt man am besten durch das Schutz- und Hilfspersonal herstellen.
b) Durch Schlagruhe oder Liegenlassen der Schläge.
Diese Massregel bezweckt, die Bestandsbegründung auf eine Zeit zu
verlegen, wo auf der zu kultivirenden Fläche keine oder nur noch wenig
Rüsselkäfer anzutreffen sind. Wird gleich im Frühjahr nach der
Hiebsführung, noch dazu auf ungerodeter Schlagfläche kultivirt, so
finden die aus den Wurzeln im zweiten Sommer ausschlüpfenden
Käfer sofort Nahrung und vernichten jede Pflanze. Da die Käfer
ferner Keimlinge weniger gern angehen, so wird meist für Saat eine
einjährige, für Pflanzung eine zweijährige Schlagruhe empfohlen.
Namentlich im ersteren Falle ist von einer nachtheiligen Verange-
rung und Verunkrautung der Schläge noch nicht die Rede, und es
hat sich die Massregel auf den meisten Revieren als höchst segens-
reich erwiesen.
c) Durch Vertreibung des Käfers. Die hierzu empfohlenen
Mittel sind der Schafeintrieb und das Kalkstreuen. Beide
dürften heute nur noch wenig angewendet werden, namentlich das
letztere, das sich ziemlich nutzlos erwiesen hat,
Das Aushüten der Kulturen mit Schafen soll nach einer grösseren
Anzahl von Berichten aus der Praxis den Rüsselkäfer sicher vertreiben. Uns
ist nicht bekannt, dass neuerdings dieses übrigens noch von BorG6GrREvE [8]
1881 erwähnte Mittel wirklich in grösserem Massstabe angewendet würde.
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde, 28
426 Kap. IX. Die Käfer.
Namentlich dürfte die Gefahr des Verbeissens seitens der Schafe gegen dasselbe
sprechen. Es ist uns auch nicht gelungen nachzuweisen, wo dieses Mittel zuerst
empfohlen wurde. Vielleicht war es Forstmeister NerscH [39a, S. 64, Anmerk. d.
Redaction]; in einem daselbst angeführten Briefe von PreıL wird es als im
Hannover'schen ganz gebräuchlich bezeichnet. Desgleichen empfehlen die Schaf-
weide FıscuzAcH [18] mit Rücksicht auf Erfahrungen in Württemberg und zwei
Anonymi J. F. und M. W. [72] nach Versuchen im südlichen Böhmen. Der
Versuch wird aber auch von einem so gewiegten Beobachter wie v. Lırs [392,
S. 178] nach eigener Erfahrung als in der Praxis vollständig geglückt bezeich-
net. Er ist der Meinung, dass die scharfe Ausdünstung der Schafe und ihres
Kothes die Hauptursache des Verschwindens des Käfers sei. Zugleich werde aber
auch der dem Käfer Deckung gewährende Graswuchs in Schranken gehalten.
Der Versuch, die Rüsselkäfer durch Bestreuen der Kulturen mit
Kalkpulver aus denselben zu vertreiben, ist zuerst von RuscH [52] in der
Oberförsterei Grundschütz bei Oppeln in Oberschlesien gemacht worden. Das
Kalkpulver wurde dadurch gewonnen, dass man Haufen ungelöschten Kalkes
unter einer Erd- oder Rasendecke an der Luft zerfallen liess. Haass [24 a] erfand
zum Einstreuen einen eigenen „Kalkeinstäuber”, aber schon WeınscHenk [66]
überzeugte sich von der vollkommenen Nutzlosigkeit der Massregel.
d) Durch richtige Kulturmethode. Im Durchschnitt ist die
Saat der Pflanzung vorzuziehen, weil sie viel mehr Pflanzen liefert.
Andererseits sind jüngere und schwächere Pflanzen, wenngleich der
Käfer ganz junge nicht gerade bevorzugt, dem Frasse ebenfalls aus-
gesetzt und unterliegen ihm leichter als kräftige, etwas ältere. Will
man daher pflanzen, und dies ist wohl heutzutage vielfach der Fall,
so wirke man besonders bei der so empfindlichen Fichte, aber auch
bei Kiefer, auf die Erziehung kräftiger Pflanzen; man vermeide also
zu dichten Stand der Pflanzen in Saat- und Pflanzbeeten und Verdäm-
mung durch Unkraut, wobei Rasenasche vortreffliche Dienste leistet;
denn nur so erhält man Kulturpflanzen, welche einen den Käfer nicht
einladenden, stark berindeten Wurzelknoten und weit herabreichende
Benadelung haben. Hrımıcke [26] giebt ausserdem viel auf die Herbst-
pflanzung, weil im Herbste die Rinde härter wird, und vorzüglich weil
die Käfer im Herbste weniger fressen. Hügelpflanzung und Ballenpflan-
zung werden ebenfalls vielfach empfohlen, weil auf solchen Kulturen
die Pflanzen sicherer ünd schneller in normales Waehsthum kommen
und daher widerstandsfähiger sind, als dies bei anderen Kultur-
methoden der Fall ist. Ausführlich bespricht Grimm [21], besonders für
die Bayerischen Verhältnisse, waldbauliche Vorbeugungsmassregeln
gegen den Rüsselkäfer bei langsamer Vorverjüngung der Fichten und
„Absäumungshieben” der Kiefern.
B. Sehutz der einzelnen Pflanzen wird erreicht:
a) In Fichtenpflanzungen durch Einsprengung der im Durch-
schnitt den Käfern genehmeren Kiefern, welche gewissermassen die
Käfer von den Fichten ablenken.
b) Bei Kiefer und Fichte für kürzere Zeit nach der Pflan-
zung, bis sich die Pflänzchen ordentlich erholt haben, durch Ueber-
zug des Stämmchens mit einer dem Käfer widerstehenden Substanz.
Abwehr des grossen braunen Rüsselkäfers. 427
Henmıckz [26] verwendete hierzu mit gutem Erfolge Lehm; die Pfänzchen
werden bis zur Hältte ihrer Stämmehen in einen dünnen Lehmbrei eingeschlagen
und dann gepflanzt, sodass nach dem Trocknen eine Kruste bleibt, die nur lang-
sam vom Regen abgespült wird. Rusarrer |5l] bestrich die Pflanzen vor der
Pflanzung mittelst einer Bürste oder eines Pinsels bis zum ersten Quirl mit
Theer, mit besonderer Schonung von Nadeln und Wurzeln. Letzteres Mittel
wurde in Böhmen schon 1826 vorgeschlagen, wie Water [62, S. 15] mittheilt,
allerdings nur, um die stehenden, verschonten Fichten in einer Pflanzung vor
dem Käfer zu retten; in dieser Form verdient die Massregel die Kritik WALTER’s,
der sie als im Grossen undurchführbar bezeichnet.
c) Bei Laubholzpflanzungen auf altem Nadelholzboden oder in
der Nähe von Hauptbrutherden der Rüsselkäfer kann man die ein-
zelnen älteren Heister, namentlich die Eichenheister, durch breite
Theerringe, die ziemlich tief angelegt werden können, schützen;
im Folgejahre, nach der Eintroeknung, sind sie zu erneuern. Da man
die Ringe aber im Sommer legen muss, ist möglichst zäher Leim zu
wählen [Arrum 1 n].
II. Indirekter Schutz der Kulturen wird erreicht:
A. Durch Verminderung der Brutstätten und durch
Larvenvertilgung.
a) Das Roden der Nadelholzwurzeln auf den frischen Schlägen
entzieht dem Käfer zweifelsohne eine Menge von Brutplätzen, und
es ist unzweifelhaft, dass auf einer Winterschlagfläche, auf welcher
bereits beim Hiebe oder im zeitigen Frühjahr die Rodung gründlich
durchgeführt wurde, und von welcher der die Käfer im Frübjahr
anlockende Abraum entfernt worden ist, sich weniger Käfer ent-
wiekeln können, als auf einer nicht so behandelten. Namentlich ist
nach Ep. Hryer [28] Rodung mit dem Waldteufel zu empfehlen.
Am vollständigsten erreicht man aber die Säuberung des Bodens, wenn
man nach dem Kahlabtrieb des Bestandes einige Jahre Waldfeld-
bau treibt. Hierzu bringt Ev. Hryer gleichfalls gewichtige Bei-
spiele aus der Praxis. Auch auf der Herrschaft Pisek in Böhmen hat
man, wie die Verhandlungen des Böhmischen Eorstvereins 1861 be-
weisen, den Rüsselkäferfrass durch Waldfeldbaubetrieb vollständig
verhindert.
Man daıf aber nie vergessen, dass man auch durch die sorg-
fältigste Rodung beim Hieb oder kurz nach demselben eben nur auf
der so behandelten Fläche die Entwickelung der Käfer
verhindert, dagegen aber kaum eine Verminderung derselben
überhaupt erreicht. Eine solche Massregel kann daher nur dort
anempfohlen werden, wo aus irgend welchen zwingenden Gründen
unmittelbar nach dem Hiebe die Schlagfläche wieder in Kultur ge-
bracht werden soll. Ueberall, wo dies nicht der Fall ist, ist es besser,
die Rodung erst dann vorzunehmen, wenn die Wurzeln bereits mit
Brut besetzt sind. Eine soleme Rodung vernichtet, wenn sie mit
baldiger Abgabe, beziehungsweise Verbrennung der Stöcke verbun-
den ist, einen grossen Theil der überhaupt zur Entwiekelung gekom-
“ menen Larven. Verbrennen des in gleichmässigen Haufen über den
28*
[7]
8 Kap. IX. Die Käfer.
Schlag vertheilten Abraumes im Frühjahr kann auch noch die von
ihm angelockten Käfer mit vernichten, und hierbei gewinnt man noch
nebenbei zu Düngungszwecken geeignete Asche.
Dieses letztere Mittel wird bereits 1852 von Werısschenk [66, S. 147]
mitgetheilt und neuerdings von Engter [l6] und Borscreve [8] empfohlen.
Natürlicherweise muss das Roden jedenfalls beendet sein, ehe
die Käfer ausschlüpfen, und je nach der Auffassung, welche die ein-
zelnen Forscher über die Generation der Rüsselkäfer gewonnen haben,
wechselt der von ihnen für die Beendigung der Rodung angegebene
Termin. So lehrt Aurum [I f, S. 158], dass die Rodung bis zum
Juni des zweiten auf das Schlagjahr folgenden Jahres zu beenden
sei, während v. Oppen der Ansicht ist, dass man bereits im zweiten
Winter fertig sein müsse. Letzteres dürfte sich schon aus dem Grunde
empfehlen, weil man dann sicher nicht zu spät kommt.
Will man durch diese Massregel zugleich die wurzelbrütenden Hylesinen
treffen, so ist bereits im Sommer des ersten Jahres zu roden. Da dann aber
wohl vielfach noch nicht die Ablage der Eier der Rüsselkäfer vollendet ist, so
ist es nur consequent, wenn Diejenigen, welche mit Eıcnnorr [15, S. 486—487]
den Schwerpunkt der Massregel auf die Vernichtung der Brut in den Schlägen
gelegt wissen wollen, auch das Auslegen von Brutknüppeln noch vor der Abfuhr
der gerodeten Wurzeln empfehlen, um die weitere Käferbrut aufzunehmen. Aus
allen diesen Erwägungen erklärt es sich auch, wie v. Orrrn dazu kommen kann
[435, S. 148], die Baumrodung als geradezu verwerflich zu bezeichnen. Anders
würde sich dies allerdings stellen, wenn der Vorschlag vos Scuemeer [34, S. 364]
befolgt werden könnte, vor dem Hiebe die gesammte Holzmasse zuvor zu
ringeln, dann würden bereits die Wurzeln der noch stehenden Bäume bei der
Rodung mit Brut besetzt sein können, was allerdings der ursprüngliche Vor-
schlag nicht bezweckt.
Bei Eichenschälwald, in welchem Nadelholzstreifen eingesprengt waren,
kann nur die baldige Rodung der Nadelholzwurzeln, soweit dies ohne Beschädi-
gung der Eichenwurzeln möglich ist, helfen; und die Massregel muss durch
Auslegung von Fangmaterial zur Zeit des Auskommens der Käfer aus den übrig-
gebliebenen Wurzeln verstärkt werden. Eichenschälwaldanlagen auf Nadelholz-
abtriebsfächen dürfen nur nach vorheriger gründlicher Stockrodung oder nach
zweijähriger Schlagruhe begründet werden.
b) Brutknüppel. Man kann die Käfer auch durch Darbietung
künstlicher Brutstätten zur Unterbringung ihrer Eier an solchen
Plätzen veranlassen, an welchen man die Larven späterhin leicht
vertilgen kann. Man braucht hierzu die Brutknüppel oder Brut-
stangen, d. h. armdicke bis mannslange Knüppel oder Stangen von
Kiefern und Fichten, mit glatter Rinde, welche im April und Mai,
wenn der Saft schon darin ist, gehauen und auf den Schlägen zu
je 2-3 Stück so eingegraben werden, dass sie, an dem einen Ende
30—50 cm hoch mit Erde bedeckt, die Wurzelstränge gleichsam nach-
ahmen, aber am anderen, etwa 3—5 cm hervorragenden Ende erkannt
werden können; nöthigenfalls sind sie des leichteren Auffindens wegen
hier auch noch durch Brüche oder Pflöcke zu bezeichnen. An diesen
Stangen, besonders wenn sie in den jungen Schonungen ausgelegt werden
— weniger im haubaren Holze oder auf frisch abgeholzten Schlägen,
wo die Käfer den Wurzelsträngen den Vorzug geben —, legen die
PZN
Abwehr des grossen braunen Rüsselkäfers. 429
Käfer sehr gern, und man kann die Brut hier leicht beobachten und
vertiligen. Auch beachte man hier die Möglichkeit einer einfachen
Generation und revidire vor Winter noch die Stangen, um, im Falle
die Brut schon flugfertig wäre, sie sogleich zu entfernen.
Vielfach werden die hier geschilderten Vorrichtungen „Fang”-Knüppel
genannt. Da dies aber äusserst leicht zu Missverständnissen Anlass giebt, benutzen
wir lieber den obigen, zuerst von Eıchuorr [15] angewendeten Namen. Die
Brutknüppel sind Anfangs der Fünfzigerjahre durch v. Lırs erfunden worden,
und Rartzegure hat zuerst hierüber berichtet [48 c, S. 230]. Der Erfinder giebt
selbst genauere Mittheilungen im Jahre 1858 [39c]. Auch Geror« [19 a und e]
empfiehlt diese Massregel. Neuerdings berichtet auch HarrrLesen [25], dass
diese Massregel schon seit 1853 im Hannover'schen Harze völlig bekannt war.
In neuester Zeit wird sie wieder durch v. Orpen sehr warm empfohlen, und
zwar [43c, S. 358] in zweimaliger Anwendung auf jeder Schlagfläche: 1. Im Jahre
der Schlagführung behufs Erlaugung der Brut von auf die Schläge einwandern-
den Käiern; 2. im Jahre nach der Schlagführung behufs Erlangung der Brut
der daselbst entstehenden Käfer. Vom theoretischen Srandpunkte aus scheint
uns er-teres nur dann nothwendig zu sein, wenn sehr zeitig, z. B. wegen der
Hylesinen, gerodet werden muss, und letzteres wegen der Kostspieligkeit ver-
werflich. Die Vertilgung von 8400 Stück Larven an 78 Brutknüppeln kostet
nach v. Orren 17 M 8 Pf, 100 Stück kosten also 20 Pf, während dort beim
Sammeln für 100 Käfer nur 6 Pf gezahlt werden. v. Orrzn sucht aber diese
Preisdifferenz dadurch abzuschwächen, dass er sagt, hierdurch wären für die
nächste Generation 68400 Käfer weniger geworden. Dies ist aber offenbar ein
Trugschluss, denn man hätte dasselbe erreichen können, wenn man auf dem
Schlage die Eltern, welche die 8400 Larven produeirt haben, abgefangen hätte,
d.h. nur 840 Käfer, vorausgesetzt, dass davon die Hälfte Weibchen gewesen seien,
von denen jedes 20 Eier gelegt hätte. Bei Anwendung von Fangrinden ete. im
Jahre nach der Schlagführung hätte dies nicht 17 M 8 Pf, sondern nur 54 Pf
gekostet, und obendrein hätte man alle doch vielleicht von denselben Weibehen
an anderes Brutmaterial abgelegten Eier auch noch mit in dem Kauf gehabt.
B. Durch Forsteinrichtungsmassregeln. Am besten kann
man den Rüsselkäfer bekämpfen, wenn durch eine rationelle Forst-
einrichtung für die Bildung kleiner Hiebszüge gesorgt wird, welche
einen solchen Wechsel der Schläge ermöglichen, dass von keiner
Kultuifläche aus eher weiter geschlagen wird, bis der junge Bestand
kräftig genug geworden ist, um den ihn etwa noch treffenden Rüssel-
käferfrass auszuhalten. Letzteres ist sicher der Fall, wenn an einem
und demselben Orte in jedem Jahrzehnt nur einmal geschlagen wird.
Auf die Wichtigkeit der Bildung kleiner Hiebszüge, welche nicht blos wegen
der Insektengelahren, sondern überhaupt auch wegen des aus noch anderen Gründen
wünschenswerthen Schlagwechsels nothwendig ist, hatin der Literatur am entschie-
densten und wiederholt Jupeıch aufmerksam gemacht. Es erscheint unbegreif-
lich, dass si’'h noch heute Stimmen geltend machen, welche davon nichts wissen
wollen. Wenn in einem 1200 ha grossen Reviere 30 Hiebszüge gebildet werden,
deren jeder im Durchschnitt 40 ha gross ist, so ist es möglich, jährlich in
drei verschiedenen Orten zu schlagen und doch erst nach zehn Jahren mit dem
Hieb an denselben Ort zurückzukehren. Für den 100jährigen Umtrieb würde
jeder Einzelschlag die ganz entsprechende Grösse von etwa 4 ha erhalten. Wäre
dieses Ziel der Forsteinıichtung errei ht, so wäre es nicht möglich, dass von
einem neuen Schlsge Rüsselkäfer in solche Kulturen wanderten, welchen deren
Frass noch verderblich wird. Dass man ein solches Ziel wegen der meist sehr
ungünstigen Bestaudsgruppirung im wirklichen Walde oft üb-rhaupt nicht voll-
ständig erreichen kann, oft erst nach Verlauf mehrerer Umtriebszeiten, kann
430 Kap. IX. Die Käfer.
und darf uns nicht davon abhalten, ihm zuzustreben. Man soll das Beste nicht
des Guten Feind sein lassen. Weil unsere Vorfahren eine rationelle Eintheilung
des Waldes in kleine Hiebszüge nicht kannten, sind wir heute wicht mehr ent-
schuldigt, wenn wir unseren Nachkommen dieselbe fehlerhafte Eintheilung über-
geben. Wie man sich bei ungünstiger Bestandsgruppirung durch Loshiebe, durch
Bildung vorübergehender Hiebszüge zu helfen hat, zeigt uns die Lehre der
Forsteinrichtung. Kaum bedarf es der Erwähnung, dass natürlich in sehr kleinen
Wäldchen ein soleher Schlagwechsel überhaupt nicht zu erreichen ist; dort
lassen sich aber auch leichter andere Vertilgungsmittel mit Erfolg anwenden.
Der richtige Gedanke, namentlich des grossen Rüsselkäfers wegen, nicht
fortwährend Schlag an Schlag zu reihen, hat übrigens in der Literatur schon
oft Ausdruck gefunden, ist aber noch lange nieht genügend in die Praxis über-
gegargen. Auch neuerdings ist mehrfach diese Forsteinrichtungsfrage betont
worden, so z. B. von Forstmeister ScnuLemann zu Bromberg [57]. Derselbe will
in jeder Abtheilung — jedem „Distriet”’” — zwei Jahresschläge zu etwa 7 ha
hintereinander führen, und zwar so, dass während dieser zwei Jahre die südliche
Hälfte der etwa 28 ha grossen Abtheilung entnommen wird, Er nimmt an, dass
die auf dem ersten Schlage sofort auszuiührende Kiefernsaat vom Rüsselkäfer
nicht befallen werde, was übrigens doch etwas zweifelhaft ist. In dem von ihm
gegebenen, durch eine Karte verdeutlichten Beispiele eines 800 ha grossen,
ebenen Kiefernforstes erhält er auf diese Weise allerdings jährlich nur eine
einzige Schlagfäche. Nach zehn Jahren wird die nördliche Hälfte der Abtheilung
abermals in zwei Jahresschlägen verjüngt. Der Zweck des vorbeugenden Schutzes
gegen den Rüsselkäfer wird dadurch freilich erreicht, allein die gavze von ihm
vorgeschlagene Hiebsordnung im Rahmen einer veralteten Periodentheilung ist
unserer Ansicht nach keine glücklich gewählte; im Kiefernwalde ist sie allen-
falls anwendbar, wenn auch nicht zweckmässig, für den Fichtenwald wäre sie
im höchsten Grade fehlerhaft.
In anderer Form sucht, wie Arrum mittheilt. Oberförster GoDBERSEN [I 2,
S. 306] den Schutz gegen Rüsselkäferfrass durch Schlagwechsel zu erreichen.
Die Schläge sollen mindestens 100 m entfernt von den am meisten gefährdeten,
3— jährigen, Kulturen liegen, und soll erst dann ein Schlag auf die Kultur
folgen, wenn diese dem Frasse des Rüsselkäfers der Hauptsache nach entwachsen,
also etwa Sjährig ist. Ein zum Hiebe stehender Bestand soll nun im ersten
Jahrzehnt mit 60—80 m breiten Coulissen durchhauen werden, im zweiten Jahr-
zehnt kommen die stehengebliebenen Streifen zum Abtriebe. Vor der Kultur
mit einjährigen Pflanzen bleibt der Schlag zwei Jahre liegen, es wird also die
erste Coulisse im dritten Jahre bepflanzt, und erst im 11. Jahre von jetzt an
gerechnet gelangt der an diese erste Kultur angrenzende Streifen des Altholzes
zum Hiebe. Ganz gewiss ist auch durch dieses Verfahren ein vorbeugender
Schutz gegen Rüsselkäferfrass gegeben, vorausgesetzt, dass die 10 Jahre stehen
bleiben sollenden Streifen des Altholzes dies wirklich thun und nicht durch
Sturm oder andere Unfälle Schaden leiden. Wäre letzteres der Fall, so würde
man durch solche Coulissenschläge die Gefahr des Rüsselkäferfrasses wesentlich
vermehrt, anstatt vermindert haben. Im Kiefernwalde mag eine solche Schlag-
führung allenfalls möglich, daher unter Umständen vielleicht sogar zu gestatten sein,
dort nämlich, wo sehr grosse, gleichalterige Bestände im Zusammenhange zum
Hiebe vorliegen. Im sturmgefährdeten Fichtenwalde ist sie ganz verwerflich, wie
hundertfältige Erfahrungen gelehrt haben. Die im Fichtenwalde mögliche Coulissen-
wirthschaft des Hochgebirges, wo die Bäume sehr kurz und stämmig sind, hat
für die Rüsselkäferfrage keine Bedeutung. Immerhin ist aber wohl zu bedenken,
dass man dort, wo in Kiefern die Standortsverhältnisse eine Coulissenwirthschaft
wirklich ermöglichen, meist auch durch Loshiebe im Altholz eine entsprechende
Waldeintheilung in kleine Hiebszüge schaffen kann, während die Coulissen-
schläge für die Zukunft abermals eine ungünstige Bestandsgruppirung zur
Folge haben.
C. Dass auch die Schonung der Feinde der Riüsselkäfer,
namentlich die aller insektenfressenden Säuger, einschliesslich Fuchs
Abwehr des grossen braunen Rüsselkäters, Literaturnachweise. 431
und Marder, sowie der insektenfressenden Vögel, namentlich auch der
Krähen, geeignet ist, das Gleichgewicht im Forsthaushalt zu beför-
dern, ist selbstverständlich. Von irgendwelcher genaueren Darlegung
dieser Frage müssen wir aber hier absehen, weil diese theoretisch
ganz richtigen Massregeln nur in den seltensten Fällen draussen in
der Praxis wirklich durchgeführt werden dürften.
Fassen wir den neueren Standpunkt der Rüsselkäferfrage kurz
zusammen, so müssen wir besonders darauf hinweisen, dass jetzt der
Schwerpunkt weniger darauf zu legen ist, die Kulturen direkt zu
schützen, als vielmehr darauf, die Menge der Rüsselkäfer zu vermin-
dern. Das oft jahrzehntelange, mit grossen Opfern durchgeführte
Sammeln auf den Kulturen selbst hat verhältnissmässig nur wenig
genützt, und man wendet sich deshalb mehr zur Bekämpfung des.
Käfers auf seinen Brut- und Geburtsstätten. Hier ist er zu sammeln
oder bei seinem Abmarsch abzufangen, so dass er überhaupt wo-
möglich zu keiner Fortpflanzung komme. Dies ist um so wichtiger,
nachdem v. Lips, Zimmer und v. Oppen uns die Langlebigkeit des-
selben kennen gelehrt haben. Wird diese Massregel künftighin in
Verbindung mit einer zweckmässigen Forsteinrichtung durchgeführt, so
dürfen wir wirklich darauf hoffen, in Zukunft des bösen Feindes
allmählich Herr zu werden.
Literaturnachweise zudem Abschnitte „Rüsselkäfer
und Verwandte”. I. Aurum, B. a) Cureulio geminatus. Zeitschrift
für Forst- und Jagdwesen V, 1873, 8. 32—39. b) Zoologische
Miscellen. Daselbst VII, 1875, S. 368 und 369. c) Zoologische Mi-
scellen: Der Buchen-Springrüsselkäfer, der Strahlenfrass der Pissodes-
larven, die Generation der Pissoden. Daselbst VIII, 1876, S. 283
und 284 und S. 494—496. d) Der Kiefernstangen-Rüsselkäfer. Da-
selbst X, 1879, 8. 85—92. e) Der grosse braune Rüsselkäfer (Hylo-
bius abietis L.) als Laubholzzerstörer. Daselbst XII, 1880, 8. 608
bis 611. f) Zur Entwickelungsgeschichte und Vertilgung des grossen
braunen Rüsselkäfers, Hylobius Abietis L. (bei Ratzeburg Cureulio
pini). Daselbst XVI, 1854, S. 140—167. g) Zerstörung junger Fichten-
pflanzen durch Strophosomus ceoıyli und ÖOtiorrhynchus ovatus, Da-
selbst 1885, XVII, 8. 587—591. Ah) Anthribus varius als Schild-
lausvertilger. Daselbst XVII, 1885, S. 710. ) Pissodes validirostris
Schönh. (strobili Redtb.), Zerstörer von Kiefernzapfen. Daselbst XVIII,
1886, S. 43—44. k) 1. Forstzoologische Beobachtungen im Sommer
1886; 2. zur Generation des Pissodes notatus; 3. zur Generation des
Pissodes piniphilus. Daselbst XIX, 1887, S. 113—114. /) Altes und
Neues über Entwiekelung, Lebensweise und Vertilgung des grossen
braunen Rüsselkäfers. Daselbst XIX, 1857, S. 299—307. m) Zur
Vertilgung der wurzelbrütenden Hylesinen und des grossen braunen
Rüsselkäferss auf Kiefernkahlschlagflächen. Daselbst XIX, 1887,
S. 393—400. n) Rüsselkäfergefahr für Eicheneulturen, Daselbst XIX,
1887, 8. 639—644. — 2. Assmann. Auftreten des Curculio (Hylo-
432 Kap. IX. Die Käfer.
bius) pini und des Strophosomus coryli. Forstliche Blätter 1875,
S. 258 u. 260. — 3. Auhagen. Ueber das Auftreten des Harz-
rüsselkäfers (Cureulio Hercyniae). Allgemeine Forst- und Jagdzeitung
XXXVI, 1860, 8. 462. — 4. Berine. a) Der Harzer Rüsselkäfer.
Allgemeine Forst- und Jagdzeitung XXXIX, 1863, 8. 167—170.
b) Der Buchenrüsselkäfer und der Saatrüsselkäfer, Tharander Jahrbuch
XXI, 1871, S. 78 u. 79. c) Entomologische Mittheilungen. Daselbst
XXXII, 1883, S. 87—100. d) Der grosse schwarze Fichtenrüssel-
käfer. Daselbstt XXXVIL 1887, S. 86—92. — 5. v. Bere.
a) Der rothfüssige Rüsselkäfer. Allgemeine Forst- und Jagdzeitung
1827, 8. 555. b) Beiträge zur Beantwortung der Frage: Wie ist
dem Schaden des grossen braunen Kiefern-Rüsselkäfers zu begegnen ?
Tharander Jahrbuch X, 1854, S. 201—209. — 6. Biepermann. Zur
Rüsselkäferfrage. Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen XVII, 1885,
S. 594—599, mit Nachschrift von Altum. — 7. v. DER Borck. Der
Rüsselkäfer, Carabus aterrimus. G. L. Hartig’s Journal für das
Forst-, Jagd- und Fischereiwesen 1806, 8. 655. — 8. BorsGrevez, B.
Zur Generation der forstschädlichen Rüsselkäfer. Forstliche Blätter
XVII, 1881, S. 347—351. — 9. Bracamann. Ueber Verbrei-
tung und Auftreten des Strophosomus coryli. Tharander Jahrbuch
XXIX, 1879, S. 72—76. — 10. Briscake, G. 8. A. Ueber die
Larven von Sitones hispidulus Fabr. Entomologische Monatsblätter
1876, 8. 38. — Il. Czecn J. Entomologische Notizen. (Brachyderes
incanus L.) Centralblatt für das gesammte Forstwesen VI, 1880,
S. 123. — 12. Deser. Beiträge zur Lebens- und Entwickelungsge-
schichte der Rüsselkäfer aus der Familie der Attelabiden. 1. Abth. mit
einer mathematischen Zugabe von E. Heiss. 4, Bonn 1846, 55 S. mit
4 Tafeln. — 13. Desprocuzrs ves Loges, J. Monographie des Phyllo-
biides d’Europe. L’Abeille. M&moires d’entomologie par de Marseul XI,
1875, 8. 659— 748. — IA. Dösner. Ueber die richtige Benennung des
grossen und kleinen Kiefern - Rüsselkäfers. Allgemeine Forst- und
Jagdzeitung XXXIX, 1863, 8. 231—285. — 15. Eıcahnorr, W. Zur
Naturgeschichte des grossen braunen Rüsselkäfers. Zeitschrift für
Forst- und Jagdwesen XLI, 1884, 8. 473—490. — 16. Enter. Ein
Beitrag zur Rüsselkäferfrage. Forstliche Blätter XIX, 1882, 8. 174
und 175. — 17. v. Ernst. Entomologische Aphorismen. Verhandlungen
des Schlesischen Forstvereins 1851, S. 2933—296. — 18. Fıscugaca, C.
Der Rüsselkäfer, vertrieben durch Schafweide. Monatschrift für das
Forst- und Jagdwesen 1869, 8. 142 und 143. — 19. Geore, W.
a) Insektensachen. Pfeil’s Kritische Blätter XL, 1, 1858, $. 160
bis 168. b) Die Pissodes-Arten in der Umgegend von Lüneburg und
über die Vertilgungsmittel wider dieselben in Burckhardt’s Aus dem
Walde, Heft 1, 1865, $S. 114—122. c) Die Vertilgung des Rüssel-
käfers Hylobius Abietis Fabr. ete. durch Fangknüppel. Daselbst Heft 1,
1865, 8. 122—125. — 20, Grese, F. Specielle, den Harzrüsselkäfer
im königlich Hannover’schen Lautenthaler Forstreviere betreffende
Erfahrungen. Grunert’s Forstliche Blätter, Heft 5, 1863, S. 202 bis
Literaturnachweise über Rüsselkäfer. 435
205. — 21. Grimm. Ueber die Verhütung des Rüsselkäferschadens in
Fichten- und Föhrenbeständen. Allgemeine Forst- und Jagdzeitung
LIII, 1877, S. 336—341. — 22. Gumtau. Beschädigung junger
Fiehtenbestände in der Öberförsterei Königshof durch Insekten in
den Jahren 1847 und 1848. Verhandlungen des Harzer Forstvereins,
Jahrgang 1849—1852, S. 17—20. — 23. Gusz. Rüsselkäfergräben.
Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen XVI, 1884, S. 519—521, mit
Nachschrift von Altum, 8. 521—522. — 24. Hass. a) Der Kalk-
einstäuber zur Abwehr der Verwüstungen durch den grossen braunen
Rüsselkäfer. Verhandlungen des Schlesischen Forstvereins 1851,
S. 290—292; b) Ueber den schwarzen Rüsselkäfer Cureulio ater ete.
Daselbst 1854, S. 146—148. — 25. Harrıegen. Zur Rüsselkäfer-
frage. Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen XIX, 1887, S. 686—688.
— 26. Hrınıckr, R. Einige Erfahrungen zur Verhütung der Rüssel-
käferschäden. Allgemeine Forst- und Jagdzeitung XXXIV, 1858, 8. 464
bis 467. — 27. HenscHer, G. Entomologische Notizen. Centralblatt für
das gesammte Forstwesen V, 1879, S. 610. — 28. Hryer, Ed. Ueber
Begegnung des Schadens durch den Cureulio pini. Allgemeine Forst-
und Jagdzeitung XL, 1864, $. 34—36. — 29. JupeıcH, F. a) Cionus
Fraxini, De Geer (Eschenrüsselkäfer).. 'Tharander Jahrbuch XIX,
1869, S. 37—48. b) Entomologische Notizen. Daselbst XIX, 1869,
S. 347 und 348. — 30. Kerner, A. Generation des Harzrüssel-
käfers. Allgemeine Forst- und Jagdzeitung XXXXV, 1869, 8. 117.
b) Ueber Hylobius pinastri. Protokoll der 15. Versammlung
Thüringischer Forstwirtbe. 8. Gotha 1875. S. 17—19. — 31. Köppen,
Fr. Tu. Die schädlichen Insekten Russlands. 8. Petersburg 1880. —
32. Künn. Mittbeilungen über einen Frass von Otiorrhynchus ater etc.
Tharander Jahrbuch XIX, 1869, S. 49—52. — 33. Kunze, M.
Entomologische Notizen. Ebendaselbt XX, 1870, 8. 239. —
34. Lang. Zur Biologie des „weissen Kiefernrüsselkäfers”. Forst-
wissenschaftliches Centralblatt XXVI, 1882, S. 502—504. — 35. Len-
MANN. Der Kiefernrüsselkäfer. Pfeil’s Kritische Blätter XL, 2, 1858.
S. 168—180. — 36. Lerzwer. Bewohner und Beschädiger des Knie-
holzes. Arbeiten der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische
Cultur 1854, S. 87—90. — 37. Lissıch, Car. Ueber Rüsselkäfer-
schaden. Allgemeines Forst- und Jagdjournal II, 1832, 8. 160. —
38. v. Lmker. Der besorgte Forstmann. 8. Weimar 1798. —
39. v. Lies. a) Der grosse Rüsselkäfer (Cureulio pini). Smoler’s
Vereinsschrift für Forst-, Jagd- und Naturkunde, Heft 18, 1854,
S. 55—65. b) Der Rüsselkäfer Cureulio pini. Pfeil’s Kritische Blätter
XXXVI, 1855, 2, S. 152—181. c) Ein Beitrag zur Rüsselkäferfrage.
Monatschrift für Forst- und Jagdwesen 1858, 8. 150—152. —
40. Lorwunz. Das schädliche Auftreten des Harzrüsselkäfers in den
königlich Hannover’schen Harzforsten, mit Nachschrift von M. Will-
komm. Tharander Jahrbuch XV, 1863, $S. 235 —245. — 4l. Mar-
rını. Den Cureulio pini betreffend. Pfeil’s Kritische Blätter XXXVI,
1, 8. 137—149. — 42. NÖRDLINGER. a) Ueber Curculio hereyniae Hb.
434 Kap. IX. Die Käfer.
am Harz. Pfeil’s Kritische Blätter 1860, XLII, 2, S. 288 bis
290. b) Der Harzer Rüsselkäfer Curculio hereyniae Hb. Pfeil’s
Kritische Blätter 1863, XLVI, 1, S. 260—263. — 43. v. Oppen, G.
a) Zur Lebensdauer des Hylobius abietis. Zeitschr. f. Forst- u. Jagdwesen
XV, 1883, S. 547—548. 5) Untersuchungen über die Generations-
verhältnisse des Hylobius abietis. Ebendaselbst XVII, 1885, S. 81
bis 118 und 8. 141—155. c) Zur Rüsselkäferfrage. Ebendaselbst
XIX, 1887, 8. 344—362. — 44. Österbers, Ep. Schaden, veranlasst
durch die Larve von Cryptorrbhynchus Lapathi in den Stadt- und
Stiftswaldungen von Lauingen a. d. Donau. Monatschrift für das
Forst- und Jagdwesen 1859, 8. 354—256. — 45. Pascuen, F.
a) Ueber die Anwendung von Fanggräben, insbesondere zur Ver-
tilgung des Cureulio pini. Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen XIV,
1882, S. 533—535; 5b) Cureulio (Strophosomus) obesus und das
Auftreten desselben in der grossherzoglich Mecklenburgischen Forst-
inspection Caliss, mit Nachschrift von Altum. Zeitschrift für Forst-
und Jagdwesen XVIII, 1886, S. 339— 395. — 46, Prrrıs, E. Histoire
des insectes du pin maritime. Annales de la soc. entomol. de France
gi’me serie, IV, 1856, p. 245—257 u. 423—486. — 47. Ranrrr. Ueber
das gemeinsame Auftreten des Cureulio pini und Strophosomus
coryli. Forstliche Blätter 1876, S. 61 u. 62. — 48. Rarzegurc. a) Forst-
insekten I. Curculio ater. Pfeil’s Kritische Blätter XXIX, 2, 1851,
S. 221—225. b) Insektensachen. Daselbst XXX, 2, 1851, 8. 155
und 156. c) Insektensachen. Daselbtt XXXVIIL, 1, 1856, 8. 224
bis 234. d) Die Nachkrankheiten und die Reproduction der Kiefer
nach dem Frass der Forleule. 8. Berlin 1862. e) Forstinsekten-
sachen. Nr. 1. Kiefernstangen-Rüsselkäfer Cureulio (Pissodes) pini-
philus. Nr. 2. Harzrüsselkäfer Curculio (Pissodes) Hercyniae. Nr. 3.
Erlenrüsselkäfer Cureulio Lapathi. Grunert’s Forstliche Blätter,
Heft 5, 1863, 8. 151—161. — 49. Rıreer. Beitrag zur Kenntniss
der Lebensweise des Weisstannen-Rüsselkäfers Curculio (Pissodes)
Piceae Jll. Monatschrift für das württembergische Forstwesen III,
1852, 8. 28 und 29. — 50. RossmÄsster. Bemerkungen über einige
bisher nur noch wenig beobachtete forstschädliche Insekten. Tharander
Jahrbuch II, 1845, S. 197—200. — 5l. RusarteL, Ca. Schädliche
Forstinsekten. Schweizerisches Forstjournal VI, 1855, 8. 143. —
92. Rusch. Beobachtungen über den Rüsselkäfer ete. Verhandlungen
des Schlesischen Forstvereins 1842, S. 115—119. — 53. ScHAAL.
Der schwarze Rüsselkäfer. Allgemeine Forst- und Jagdzeitung XXX VIII,
1862, 85. 320. — 54. Scnenmger. Ueber Rüsselkäferschaden. Allgemeine
Forst- und Jagdzeitung XLIV, 1868, 8. 361— 366. — 99. SCHMIDT, A.
Cionus fraxini. Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen 1885, XVII,
S. 504 und 505. — 56. Scnmipr-GögeL, H. M. Der Rebenstecher,
sein Leben und Treiben und seine Vertilgung. 8. Wien 1882, 74 8.
mit Holzschnitten. — 57. SchuLemAann. Beitrag zur Abwendung des
Rüsselkäferschadens in Kiefernforsten. Mit 1 Tafel. Zeitschrift für
Forst- und Jagdwesen IX, 1878, 8. 544—548. — 38. Stem, F. Bei-
Literaturnachweise über Rüsselkäfer, Borkenkäfer, 435
träge zur Forstinsektenkunde. Tharander Jahrbuch VIII, 1852,
S. 223—256. — 39. Srürtz, R. Hylobius Pineti Fabr., der grösste
deutsche braune Nadelholz-Rüsselkäfer, als Feind der Lärche, Forst-
liche Blätter 1873, S. 356—358. — 60. TascHuengere. Die grünen
Rüsselkäfer Ratzeburg’s, in Judeich’s Deutscher Forst- und Jagd-
kalender III, 2, 1875, S. 32—42. — 6l. v. Vurtesus, A. Insekten-
schaden an den Blättern der Eiche ete. Verhandlungen des Hils-
Solling-Forstvereins. Jahrgang 1856, S. 59—63 mit 1 Tafel. —
62. Warrer, M. Bemerkungen über die Verheerungen des Fichten-
rüsselkäfers, Cureulio pini Lin. und einige Hilfsmittel zur Vertilgung
desselben. kl. 8. Carlsbad 1826. — 63. Wasmans, E. Der Trichter-
wickler, eine naturwissenschaftliche Studie über den Thierinstinkt. 8.
Münster 1884. 266 S. mit Holzschnitten und Tafeln. — 64. Weper-
xınn, G. W. Das Auftreten des Harzrüsselkäfers, Cureulio (Pissodes)
Hercyniae, an der Fichte im Forstreviere Zellerfeld in den Sommern
1860, 1861 und 1862. Monatschrift für das Forst- und Jagdwesen
1863, S. 100—107. — 65. WESTERMEIER. Ein Frass des Kiefern-
stangenholz - Rüsselkäfers, Pissodes piniphilus Herbst. Allgemeiner
Holzverkaufs-Anzeiger 1886, Nr. 36, S. 416. — 66. WeEInscHENK
Zwei Berichte etc. Verhandlungen des Schlesischen Forstvereins 1852,
S. 141—148. — 67. Zimmer, K. E. G. (Püchau, } 1860). Der Cureulio pini
und Mittel zu seiner Vertilgung. Smoler’s Vereinsschrift, Heft 30.
1858, S. 63—71; Heft 31, 1859, S. 3—26; Heft 37, 1860, S. 48
bis 57. — 68. Zimmer, A. (Moritzburg). Neue Methode, Rüsselkäfer zu
fangen. Forstwissenschaftliches Centralblatt XXIII, 1879, S. 256. —
69. Zee. Aphoristische Mittheilungen. 1. Cureulio Lapathi Linn. Ver-
handlungen des Schlesischen Forstvereins 1843, 8. 73—75. —
70. B... Ueber Schaden an Weymouthskiefern durch Hylobius
abietis. Centralblatt für das gesammte Forstwesen VI, 1880, 8. 277.
— 71. Bp. Zur Geschichte schädlicher Forstinsekten. Allgemeine Forst-
und Jagdzeitung LII, 1876, 8. 364. — 72. J. F. u. M. W. Ver-
treibung des Cureulio Pini. Vereinsschrift des Böhmischen Forst-
vereins,' Heft: 65, 1869..8. 74. — 73. .... Aus dem Pfälzerwalde.
Allgemeine Forst- und Jagdzeitung XLV, 1869, 8. 473 und 474. —
DA 4 Strophosomus limbatus. Allgemeine Forst- und Jagdzeitung
XXXIV, 1858, S. 452.
Die Borkenkäfer.
Die Borkenkäfer, Scolytidae im weiteren Sinne, sind den eigent-
lichen Rüsselkäfern zoologisch nahe verwandte, kleine bis kleinste,
beinahe walzenförmige, tetramere Käfer mit gebrochenen, aus Schaft
und Geissel mit Endknopf bestehenden Fühlern und nach unten ver-
breiterten Schienen. Sie brüten fast durchweg in Holzpflanzen, aber auch
in diesen wieder nur in den verholzten Theilen, und legen ihre Eier stets
436 Kap. IX. Die Käfer.
in „Muttergänge”, d. h. in Höhlungen mit kreisrunden Eingängen,
den Bohrlöchern, welche der hierbei mit seinem ganzen Körper
in die Pflanze eindringende Käfer nagt. (Taf. II, Fig. S—11.)
Die weissen, fusslosen, bauchwärts eingekrümmten, weichen, nur
am deutlich abgesetzten Kopfe stärker chitinisirten Larven sind denen
der Rüsselkäfer so ähnlich, dass es sehr schwer hält, eine nicht mehr
an ihrer natürlichen Wohnstätte befindliche Larve von einer ähnlich
grossen Rüsselkäferlarve zu unterscheiden. Dagegen sind die meist durch
das Zusammenwirken von Mutterkäfern und Larven gebildeten Frass-
figuren so ungemein charakteristisch, dass nicht allein für den nur
einigermassen Geübten ein Borkenkäferfrass sofort von jedem anderen
Insektenfrasse unterscheidbar ist, sondern auch in den meisten Fällen
aus der Gestalt der Frassfigur und der befallenen Holzart auf die Art,
welcher der Thäter angehört, geschlossen werden kann.
In den meisten Fällen werden wenigstens von den in Stämmen
brütenden Nadelholzbewohnern solche mit stockenden Säften, also
kränkliche oder beschädigte Hölzer, Windwürfe, Schneebrüche, durch
Raupenfrass vorbereitete Stimme oder geschlagenes Holz angenommen.
Die mehr auf schwächeres Nadelholzmaterial und Laubhölzer ange-
wiesenen gehen aber auch au ganz gesundes Material, welches bei
starker Vermehrung auch von den ersteren keineswegs verschont
wird. Vielmehr bestehen gerade die stärksten Borkenkäferschäden in
der Tödtung vorher ganz gesunder, älterer Nadelholzbestände.
Viele Borkenkäfer sind insofern monophag, als sie eine be-
stimmte Holzart als Brutstätte bevorzugen und nur ausnahmsweise
auf verwandte Pflanzen übergehen. Andere, besonders eine Reihe von
Nadelholzbewohnern, sind mehr polyphag. Ihre geographische Ver-
breitung ist eine sehr weite und wird wohl nur durch die Waldgrenze
beschränkt.
Im Freien bemerkt man die Borkenkäfer nur dann in grösserer
Menge, wenn sie schwärmen, Dieses Schwärmen findet bei den ausser-
halb ihrer Gänge überwinternden Formen beim Eintritt der ersten
schönen Frühlingstage statt, hingegen bei denen, welche im Frühjahr
oder Sommer ihre Metamorphose vollenden, bald nach ihrem Aus-
schlüpfen, immer aber nur an warmen, sonnigen Tagen gegen Mittag
und Abend. Einige Formen, z. B. Hylesinus piniperda L., brauchen
allerdings weniger Wärme, sind also Frühschwärmer, während
andere erst in der wärmeren Jahreszeit auftreten, also Spätschwär-
mer sind, z. B. Tomicus typographus L. Die Zahl der gleichzeitig
schwärmenden Käfer ist mitunter so bedeutend, dass man an Oertlich-
keiten mit passendem, reichlichem Brutmateriale ganze Wolken be-
obachten, und oft mit einem Schlage des Hutes eine ganze Anzahl
fangen kann. Die Oberfläche der Brutstätten, z. B. von geschlagenen
Stämmen, Meterstössen u. s. f., ist dann mitunter dicht von ihnen bedeckt.
Be
Allgemeines über Borkenkäfer. 437
Ist die Generation einjährig, d. h. wird ein Entwicke-
lungseyklus im Verlaufe von ungefähr 12 aufeinander folgenden
Monaten vollendet, so giebt es nur eine Hauptschwärmzeit; ist die
Generation mehrfach, so folgen sich im Laufe von Frühjahr und
Sommer mehrere Schwärmperioden. Der in der neueren Zeit heftig
geführte Streit, ob eine bestimmte Art einfache oder mehrfache Gene-
ration hat, ist insofern ein ziemlich müssiger, als sich diese Frage
für die einzelne Art im Allgemeinen überhaupt nicht entscheiden
lässt. Es hängt dies durchaus nicht von der Art, sondern von der
Temperatur ihres Wohnortes ab. Alle Borkenkäfer, vielleicht mit
alleiniger Ausnahme der krautartige Pflanzen bewohnenden, können
sowohl einfache wie doppelte oder sogar mehrfache Generation haben;
letztere kommt aber nur in verhältnissmässig wärmeren Jahren oder
Gegenden vor. In Mittel- und Südeuropa scheint die mehrfache
Generation Regel zu sein. Diese theoretisch im Allgemeinen unmög-
liche Entscheidung hat aber trotzdem im gegebenen Einzelfalle, in
einer bestimmten Gegend und in einem bestimmten Jahre, für den
praktischen Forstmann eine sehr grosse Wichtigkeit, und es müssen
alle Kräfte daran gesetzt werden, um Gewissheit darüber zu erlangen,
weil nur dann die Abwehr genügend besorgt werden kann. Im
Zweifelsfalle ist es stets zu empfehlen, sich auf eine mehrfache Gene-
ration einzurichten.
Nachdem die Käfer beim Schwärmen passendes Brutmaterial
gefunden, beginnen sie sofort mit der Anlage der Brutstätten, indem
sie ein Bohrloch nagen und durch dieses in die Pflanze eindringen.
Ihr Verhalten hierbei ist aber sehr verschieden, je nachdem dieses
Bohrloch bei den Rindenbrütern höchstens bis auf das Holz ge-
trieben wird, oder bei den Holzbrütern in letzteres eindringt.
Wir beginnen mit den Rindenbrütern. Hier wird bei den in
Vielweiberei lebenden Formen nach Eiıcuuorr, dem neuesten und
genauesten deutschen Monographen der Borkenkäfer [15 a], das Bohr-
loch wahrscheinlich vom Männchen hergestellt, das alsbald unter
diesem eine kleine Höhlung, die sogenannte Rammelkammer, aus-
frisst, in welcher sich ihm einige Weibchen zugesellen, die nach hier
erfolgter Begattung von der Rammelkammer, in welcher das Männchen
zurückbleibt, ausgehend, jedes einen Muttergang an der Grenze
von Holz und Rinde fressen und mit Eiern belegen. Bei den ein-
weibig lebenden scheint das Weibchen auch das Bohrloch zu fressen
und während dieser Arbeit, oder im Inneren des Ganges von dem
Männchen begattet zu werden. Am Anfange solcher einfacher Gänge
vorkommende Erweiterungen sind daher nicht als Rammelkammern
anzusehen. Die Muttergänge sind entweder linear oder unregel-
mässig. Im ersteren Falle nagt das Weibchen rechts und links kleine
Grübchen für die Aufnahme der einzeln abgelegten Eier, und von
diesen Eiergrübchen gehen dann die meist deutlich von einander
getrennt bleibenden Larvengänge ab. Bei unregelmässigen Gängen
werden die Eier haufenweise in den Gang selbst abgelegt, und die
4538 Kap. IX. Die Käfer.
Larven erweitern diesen Gang, geschaart fortfressend, zu einem
Familiengange oder graben verworrene, vielfach verschmel-
zende, unregelmässige Gänge. Je nachdem von dem Bohrloche
nur ein Gang abgeht oder mehrere, spricht man von einarmigen
oder mehrarmigen Muttergängen, ferner je nach der Rich-
tung, welche der Muttergang an dem stehenden Baume hat, von
Lothgängen und Wagegängen, Namen, welche Eıcnsorr durch
Längs- und Quergänge zu ersetzen vorschlägt. Frassfiguren, bei
denen mehrere einzelne Muttergänge strahlenartig von der Rammel-
kammer ausgehen, nennt man Sterngänge. Obgleich im Allgemeinen
die einzelnen Arten entweder ausschliesslich Loth-, Wage- oder
Sterngänge nagen, sind doch diese Bezeichnungen nicht streng im
mathematischen Sinne zu nehmen, und die gegebenen Raumverhält-
nisse bedingen oft Abweichungen von der Normalform. Namentlich
werden im schwachen Material Quergänge häufig zu Schräggängen,
und mehrarmige Loth- oder Wagegänge nähern sich häufig der
Sternform. Im Allgemeinen sind die Rindengänge bei Trennung von
Rinde und Holz auf den einander zugewendeten Flächen beider zu
erkennen, greifen aber je nach den einzelnen Arten tiefer bald in
jene, bald in dieses ein. Während der Eschenbastkäfer, Hylesinus
Fraxini FAgr., stets auch das Holz tief furcht, verlaufen die Gänge
des Kiefernmarkkäfers, Hylesinus piniperda L., meist nur in der Rinde.
Die Richtung der Larvengänge verläuft im Allgemeinen recht-
winkelig gegen die Muttergänge, so dass also von Quermuttergängen
längsgerichtete Larvengänge und von Längsmuttergängen quergerich-
tete Larvengänge entspringen. Die den blinden Enden der Mutter-
gänge zunächst liegenden Larvengänge gruppiren sich um diese
Enden aber vielfach strahlenförmig. Bei einzelnen Formen, z. B. bei
Hylesinus crenatus Fapr., biegen die ursprünglich längsgerichteten
Larvengänge später in die Querrichtung über, verlaufen also schliess-
lich dem Muttergange parallel. Die Länge der Larvengänge ist der
Art nach sehr verschieden. Hylesinus Fraxini FaAgr. hat z. B. sehr
kurze, Scolytus intricatus Rarz. ungemein lange Larvergänge. Die
sich von den abgenagten Rinden- und Holztheilen nährenden Larven
verpuppen sich nach vollendetem Wachsthume, dem die allmählich
zunehmende Breite des Ganges entspricht, in einer Puppenwiege,
welche entweder in der Rinde oder auf der Grenze von Rinde und
Holz gelegen, einen ovalen Umriss zeigt, oder mit einer runden
Oeffnung senkrecht in das Holz eindringt. Nach erfolgtem Aus-
schlüpfen fressen alle Rindenbrüter kreisrunde, je nach der Stärke
des Käfers verschieden grosse, direkt über der Puppenwiege gele-
gene Fluglöcher, durch welche sie ihre (Greburtsstätte verlassen.
Ausser Bohr- und Fluglöchern kann man manchmal noch Luftlöcher
unterscheiden, welche behufs Ventilation von den Mutterkäfern in der
Decke der Muttergänge durch Nagen von innen angebracht werden.
Bei den Holzbrütern, zu denen wir uns nun wenden, scheinen
allein die Weibehen die Muttergänge zu fressen, nachdem, wenigstens
Frassfiguren der Borkenkäfer im Allgemeinen. 439
bei den Arten mit flugunfähigen Männchen, die Begattung bereits
kurz nach Vollendung der Metamorphose an der Geburtsstätte, inner-
halb der Gänge stattgefunden hat. Von dem Bohrloche aus wird stets
eine radial in das Holz eindringende Eingangsröhre angelegt, und
von ihr aus werden dann die eigentlichen Brutröhren im Holze
weiter getrieben. Bei den Nutzholzborkenkäfern, d. h. bei der Unter-
gattung Trypodendron, verlaufen diese Brutröhren stets in einem
senkrecht auf die Längsachse gerichteten Querschnitte des Stammes,
und es werden die Eier an der oberen und unteren Seite der Röhren
— diese Orientirung bezieht sich hier auf den stehenden Stamm — ein-
zeln in von der Mutter genagte, halbkugelförmige Eiergrübchen abge-
legt. Die ausschlüpfenden Larven fressen nun kurze, senkrecht gegen
die Brutröhre, also in der Richtung der Holzfaser verlaufende
Larvengänge. Auf diese Weise entstehen die sogenannten Leiter-
gänge. Auch bei einem Mitgliede der Untergattung Xyleborus,
nämlich bei Tomicus Saxesenii Ratz., wird die Frassfigur durch Zu-
sammenwirkuug von Mutter- und Larvenfrass hergestellt, indem die
Larven die Brutröhren nach unten und oben erweitern, hier aber
durch unregelmässigen Frass, welcher schliesslich buchtige, weitere
Familiengänge erzeugt, in denen Larven, Puppen und junge Käfer
geschaart durcheinander liegen. Ob sich in diesen Fällen die Larven
blos von den abgenagten saftreichen Holztheilchen nähren oder
nach Vollendung des Larvenganges auch von dem Pilzrasen, welcher
sich nach Tn. Harrıc in letzterem bildet, oder wenigstens von dem
in die Larvenhöhle durchschwitzenden Holzsafte, steht noch nicht
sicher fest. Bei den übrigen Mitgliedern der Untergattung Xyleborus,
insoweit ihre Lebensweise genauer bekannt ist, werden hingegen von
den tiefer in das Holz eindringenden Eingangsröhren aus durch den
Mutterkäfer mehr oder weniger sich gabelnde, in ein und demselben
. Stammquerschnitte gelegene Brutröhren weiter getrieben und entweder
in diesen Gabelgängen direkt die Eier abgelegt, z. B. bei Tomi-
cus monographus FABr., oder ausserdem noch senkrecht gegen die
primären Gabelgänge in der Richtung der Holzfaser verlaufende,
secundäre Brutröhren angelegt, die ebenso wie die primären
zur klumpenweisen Eiablage dienen. In allen Fällen, in welchen
Gabelgänge erzeugt werden, nehmen die Larven an der Erzeugung
der Frassfigur keinen Amtheil, können sich also nicht von saftigen
Holztheilchen nähren, sondern entweder lediglich von dem an den
Wänden der Brutröhren ausschwitzenden Safte, oder von dem auch
hier vorkommenden, bereits oben erwähnten Pilzrasen. Pilze sind es
auch, welche die für die Holzgänge der Borkenkäfer so charakte-
ristische schwarze Färbung der Wände erzeugen, welche diese Gänge
wie mit einer glühenden Stricknadel gebrannt erscheinen lässt. Bei
allen Holzbrütern kommt es weder zur Bildung besonderer Puppen-
wiegen, noch auch zur Entstehung von besonderen Fluglöchern, in-
dem die fertigen Käfer durch die Brut- und Eingangsröhren und
schliesslich durch das primäre Bohrloch ihre Geburtsstätte verlassen.
Kap. IX. Die Käfer.
440
welche die Brutstätten der
icht der Formen,
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Frassfiguren der Borkenkäfer im Allgemeinen. — Systematik. 441
4A. Rindengänge, welche die jungen Käfer schliesslich durch neu ge-
nagte Fluglöcher verlassen.
{ a) Regelmässige Muttergänge mit zweiseitig angebrachten Eiergruben,
deutlich gesonderten Larvengängen und besonderen Puppenwiegen.
1. Einarmige, längsgerichtete Muttergänge mit quergerichteten Larven-
gängen.
2. Einarmige, quergerichtete Muttergänge mit längsgerichteten Larven-
gängen.
3. Zwei- oder mehrarmige, längsgerichtete Muttergänge mit querge-
richteten Larvengängen.
4. Zwei- oder mehrarmige, quergerichtete Muttergänge mit längsge-
richteten Larvengängen.
5. Sternförmige Muttergänge mit strahlig von denselben ausgehenden
Larvengängen.
b) Unregelmässige Muttergänge ohne Eiergruben mit unregelmässigen,
verworrenen Erweiterungen durch Larvenfrass, ohne besondere Puppenwiegen.
6. Familiengänge.
B. Holzgänge, welche die jungen Käfer schliesslich durch das alte
Bohrloch verlassen.
c) Lineare Muttergänge, welchen sich durch Larvenfrass entstandene Fort-
setzungen anschliessen.
7. Leitergänge, deren von dem Mutterkäfer genagte Theile, Eingangs-
röhre und Brutröhren, in der Ebene eines Stammquerschnittes liegen,
während die kurzen, von den Larven genagten, und von je einer
Larve ganz ausgefüllten Larvengänge in der Richtung der Holzfaser
senkrecht nach oben und unten abgehen.
8. Familiengärge, deren von dem Mutterkäfer genagte Theile, Ein-
gangsröhre und Brutröhren, in der Ebene eines Stammquerschnittes
liegen, aber durch unregelmässigen Larvenfrass in der Richtung der
Holzfaser nach oben und unten zu unregelmässig gebuchteten, geräu-
migen Gesellschaftslarvenlagern erweitert werden.
d) Lineare Muttergänge, die zugleich als Larvenlager dienen und niemals
durch Lärvenfrass ausgedehnt werden.
9. Gabelgänge aus Eingangsröhre und Brutröhren bestehend, welche
sämmtlich in der Ebene eines Stammquerschnittes liegen.
10. Gabelgänge, bei denen die Eingangsröhre und die Brutröhren erster
Ordnung in der Ebene eines Stammquerschnittes liegen, während
die gleichfalls vom Mutterkäfer genagten, zugleich aber als Larven-
lager dienenden, längeren Brutröhren zweiter Ordnung in der Rich-
tung der Holzfaser senkrecht nach oben und unten abgehen.
Die Figuren 7—6 sind rein schematisch gehalten, ohne direkte Beziehung
auf bestimmte Arten, dagegen stellt Nr. 7 den Frass von Tomicus lineatus Ouıv.,
Nr. & den von T. Saxesenii Rarz., Nr. 9 den von T. monographus FAsr. nach
EıcHHorr, und Nr. /0 den von T. dispar Fark. dar.
Systematik und Bestimmungstabellen. Die Borkenkäfer im
weiteren Sinne, die Scolytidae (vgl. $. 352 und 353), zerfallen in
zwei Unterfamilien, die Scolytiri und die Platypini, von denen nur
erstere in Europa für den Forstmann wirkliche Bedeutung haben.
Sie unterscheiden sich folgendermassen:
Platypini. 'Scolytini-
Kopf breiter als das Halsschild, Kopf schmäler als das Halsschild,
Augen gewölbt vorragend. Erstes Augen flach. Erstes Fussglied kür-
Fussglied länger als die iibrigen zer als die übrigen zusammen.
zusammen.
Lehrbuch d, mitteleurop. Foretinsektenkunde. 239
442 Kap. IX. Die Käfer.
e
Ä\
|
A B e D
Fig. 143. Aund B ganzer Käfer und Vorderbein von Platypus cylindrus FAßk.,
C und D dasselbe von Scolytus intricatus Rarz.
Die Platypini umfassen nur die Gattung Platypus, welche aus
einer grossen Anzahl exotischer, namentlich amerikanischer Käfer
besteht. In Europa kommen nur zwei Arten vor.
Beschreibung: Gattung: Platypus Hssr. Körper lang, walzenförmig.
Kopf frei, senkrecht, breiter als das ihn nicht überragende Halsschild. Augen
rundlich, hervorragend. Fühler gekniet, mit 4gliedriger Geissel. Keule sehr gross,
plattgedrückt, derb. Halsschild lang, walzenförmig, vorn gerade abgestutzt, an
der Basis beiderseitig gebuchtet, an den Seiten zur Aufnahme der Vorder-
schenkel mit einem tiefen Ausschnitt. Flügeldecken an der Spitze steil abfallend.
Bauch horizontal. Schenkel und Schienen breitgedrückt, die Vorderschienen an
der Aussenfläche meist mit sehr deutlichen, parallelen Schrägleisten. Füsse sehr
lang und dünn, das erste Glied mindestens so lang als die folgenden zusammen.
Das vierte Fussglied zwar klein, aber so deutlich, dass man diese Gattung
streng genommen nicht zu den Cryptopentameren rechnen sollte. Das Klauen-
glied wieder sehr lang, länger als die Glieder 2, 3 und 4 zusammen.
Die Scolytini zerfällen wir wiederum in drei Hauptgattungen,
als welche wir annehmen Scolytus GeoFFR., Splintkäfer, Hylesinus
Faprr., Bastkäfer, und Tomicus Larr., Borkenkäfer. Die beiden
ersteren sind von der letzteren unterschieden durch die freie Haltung
des Kopfes, der für den Betrachter von oben durch das Halsschild
nicht vollständig verdeckt wird, sowie meist auch durch die Zwei-
lappigkeit des dritten Fussgliedes, ein Kennzeichen, welches aller-
dings bei einigen kleineren Arten der Gattung Hylesinus undeutlich
wird und namentlich bei der Untergattung Polygraphus so schwin-
det, dass letztere einen direkten Uebergang zu den Tomicus-Arten
bildet. Trotz dieser näheren Zusammengehörigkeit unterscheiden sich
die Gattungen Scolytus und Hylesinus leicht dadurch, dass bei
ersterer der Hinterleib nach oben schräg abgestutzt ist (vgl. S. 444),
ein Kennzeichen, welches ihr wohl auch den deutschen Namen
„Stutzkäfer”, der allerdings auch für Hister verwendet wird, sowie
den freilich aus Gründen der Priorität nicht dauernd beizubehal-
tenden, aber sehr charakteristischen Namen Eccoptogaster Hssr. ver-
sehafft hatte: „Käfer, denen der Bauch hinten ausgeschnitten ist.’
Sie zerfällt nicht in weitere Untergattungen.
Die Gattung Hylesinus besteht dagegen aus den einfach ceylin-
drisch gestalteten Formen, welche hier wieder in neun Untergattungen
getheilt werden.
Die Gattung Tomicus, früher meist Bostrychus oder Bostrichus
genannt, ist ausgezeichnet durch das stets einfach cylindrische dritte
Fussglied und den unter dem Halsschild verborgenen Kopf, in der
a ee
7.
Systematik der Borkenkäfer im Allgemeinen. 443
Mehrzahl ihrer wichtigen Formen ferner dadurch, dass der Absturz
der Flügeldecken besonders gestaltet erscheint, und zwar meist durch
tiefere, gewöhnlich auch Zähne tragende Eindrücke. Sie wird in ein
Dutzend Untergattungen getheilt.
Der europäischen Fauna gehören von der Unterfamilie der
Scolytini nach den neuesten Angaben ungefähr 130 Arten an, von
denen aber nur etwa 30 forstlich beachtenswerth sind.
Will man die kleineren Arten, namentlich die der Gattungen Hylesinus
und Tomicus, sicher bestimmen, so genügt, wenn man nicht über bereits sicher
“bestimmtes Vergleichsmaterial verfügt, die Anwendung sogar einer stärkeren
Lupe oder eines schwächeren Objectives eines guten, zusammengesetzten Mikro-
skopes, z. B. Nr. 4 von Harrnack, durchaus nicht, und es muss daher das
zusammengesetzte Mikroskop selbst benutzt werden. Es sind aber in den folgen-
den Tabellen alle diejenigen Kennzeichen weggelassen worden, welche sich auf
nur schwer präparirbare Theile beziehen, also z. B. auf die Mundwerkzeuge.
Dagegen konnte die genaue Schilderung der Fühler nach Geisselgliederzahl und
Keulenform, sowie die der Fussglieder nicht umgangen werden. Diese Theile
sind aber verhältnissmässig leicht als Dauerpräparate herzustellen, wozu wir die
folgende Anleitung geben. Will man von frischgefangenen Borkenkäfern mikro-
skopische Präparate machen, so löst man, eventuell unter einer Präparirlupe, die
zu untersuchenden Theile mit in Hefte gefassten Nadeln oder einem feinem
Messer ab, bringt sie auf den Objectträger, befeuchtet sie mit reinem, unver-
dünntem Spiritus, giebt alsdann ein Tröpfelien reinen Glycerins darauf und deckt
sie mit einem nicht zu feinen Deckgläschen. So hergestellte Präparate genügen
zu einer Untersuchung und lassen sich von geübter Hand durch Verschluss mit
schwarzem Maskenlack auch in Dauerpräparate umwandeln. Dagegen wird die
Herstellung letzterer einfacher, wenn man statt des Glycerins ein Tröpfehen
Glyeeringelatine verwendet, welche zuvor im Wasserbade über einer Spirituslampe
flüssig gemacht wurde. Diese erstarrt alsbald und lässt sich viel leichter mit
Maskenlack einschliessen. Ebenso kann man auch bereits in der Sammlung auf-
gestellte Käfer untersuchen, wenn sie vorher aufgeweicht werden, was am besten
dadurch geschieht, dass man den mit Spiritus befeuchteten Käfer in einem kleinen
Reagensglase, welches man zur Noth aueh durch einen silbernen Löffel ersetzen
kann, in Wasser einige Minuten kochen lässt. Fühler und Beine von getrockneten
Käfern kann man aber auch ohne vorheriges Kochen untersuchen, wenn man die
abgelösten Theile mit Xylol oder Kreosot befeuchtet, in einen Tropfen flüssigen
Canadabalsams bringt und dann deckt. In diesem Falle bleiben aber dem Unge-
übten leicht Luftblasen in den Hohlräumen des präparirten Käfertheiles zurück.
Einen Einschluss mit Lack brauchen solche Präparate nicht unbedingt Die
nöthigen Reagentien bezieht man am besten aus Specialgeschäften, z. B. von Dr.
GEORG GRÜBLER in Leipzig, Dufourstrasse Nr. 17. Canadabalsam kann gelöst, in
Metalltuben wie die Oelfarben bezogen werden.
Gattungs-Beschreibung: 1. Gattung: Scolytus GEorFr. (Eccopto-
gaster Hest., Rarz.) Kopf geneigt, von oben meist
sichtbar, mit sehr kurzem Rüssel. Augen lang, vorn
etwas ausgebuchtet. Fühler gekniet, mit 7gliedriger
Geissel und einer letztere an Länge überragenden,
derben, geschuppten Keule. Halsschild gross, nach vorn
Fig. 144. Fühler von etwas verengt, oben meist fein punktirt. Flügeldecken
Scolytus Ratzeburgii An der Basis nicht erhaben gerandet, an der Spitze
Jans. nicht abschüssig gewölbt, niemals eingedrückt oder
gezähnt. Naht am Schildehen vertieft. Bauch nicht
horizontal, sondern vom zweiten Ringe an steil gegen den After aufsteigend,
Schienen nach aussen ganzrandig, ohne Zähne oder Dornen, nur mit einem End-
haken, die vorderen gekrümmt. Hinterhüften ziemlich weit, die vorderen wenig
von einander entfernt. Drittes Fussglied breiter als die vorhergehenden, zweilappig.
29*
444 Kap. IX. Die Käfer.
e
"UIOT Purfo SIeJS Om Aop ur Surifonegr aofromz
Bestimmungstafel für die Gattung Seolytus.
Zweiter Bauchring stets in der Mitte mit
inem langen, nach hinten gerichteten Dorn.
Rüstern- oder Pappel bewohner mit loth-
rechten Muttergängen Se. Re multistmiatus:
g u.Qinder Mitte des dritten u.
| Fiügetäecken mit einer | vierten Bauchringes mit einem
geringeren Anzahl weit- | Höcker. Rüsternbewohner mit
gestellter, tiefer Punkt- ] lothrechten Muttergängen . . . Geoffroyi.
streifen, in deren
Zwischenräumen feinere
Punktreihen stehen.
Wenigstens das g' mit
Auszeichnungen am
dritten und vierten
Bauchring u. goldgelber
Stirnbürste. Grössere,
d allein auf der Mitte des dritten
Bauchringes mitHöcker undleisten-
artigem, besonders in der Mitte
erhöhtem Hinterrande des vierten
Bauchringes.. Birkenbewohner
mit lothrechten Muttergängen. . Ratzeburgii.
meist 5—6 mm lange
Formen.
| Bu & "3 Halsschild fein punktirt, besonders
re auf der Scheibe. Obstbaum-
J u. Er bewohner mit lothrechten, oft
el Flügel- langen Muttergängen ... .. Pruni.
ge A decken | Halsschilä überall mit dichten und
= & 5 | glänzend. tiefen, auf der Scheibe nur etwas
&: = > feineren Punkten. Hainbuchen-
= & 3 bewohner mit kurzen, wagerechten
Ss Be (nmussaner SAN TE Carpini.
eE50© Halsschild wenig glänzend, grob
; wo, 5 oe Obstbaumbewohner
2 _ > mit kurzen, lothrechten Mutter-
08 Flügel- |gängen ........0...... Tugulosus.
< Sn | re | Eee stark glänzend, auf
; o® der Scheibe fein punktirt. Eichen-
Nu 5 | Bewohner mit kurzen, wagerechten
2.0 & Muttergängen und sehr langen
| 2 e & ee ee eeenttlcatus.
os
. Gattung: Hylesinus Rarz., Gyuv. Kopf geneigt, von oben meist sicht-
bar, mit einem sehr kurzen, mehr oder weniger deutlichen Rüssel. Fühler ge-
kniet, mit 5—Tgliedriger Geissel und einer geringelten, geglied:rten oder
derben Keule. Halsschild fast stets nach vorn verengt, oben gleichmässig punktirt.
Flügeldecken an der Basis meist erhaben gerandet und einzeln abgerundet, an
Bestimmungstafel für Scolytus. Systematik von Hylesinus. 445
der Spitze abschüssig gewölbt, niemals eingedrückt oder gezähnt. Bauch horizontal.
Schienen nach aussen mit Zähnen oder Dornen. Drittes Fussglied meist herz-
förmig oder zweilappig, nur bei wenigen Arten einfach.
Wohl von allen Hylesinen, wenigstens von den meisten, kommen ausser
den dunklen auch lichtbraune oder gelb gefärbte Käfer vor; da dies nur unreife,
noch nieht ausgefärbte Exemplare sind, können sie nicht als besondere Arten,
nicht einmal als sogenannte Varietäten betrachtet werden.
1. Untergattung: Hylastes Er. Fühlergeissel lang, mit sieben, nach vorn
wenig breiter werdenden Gliedern. Fühlerkeule nicht zusammengedrückt, geringelt
kurzeiförmig. Kopf in einen kurzen, aber deutlichen Rüssel verlängert. Augen
langoval, vorn ganzrandig. Vorderbrust vor den Hüften vertieft, beiderseits mit
einer von letzterer bis zum Vorderrand verlaufenden, scharfen Kante. Vorder-
hüften aneinander stehend. Basis der Flügeldecken nicht oder kaum erhaben
gerandet. Die ersten drei Fussglieder ziemlich gleich lang, das dritte herzförmig
oder zweilappig.
2. Untergattung: Hylesinus Far. im engeren Sinne. Fühlergeissel mit
sieben, nach vorn nicht breiter werdenden Gliedern. Fühlerkeule länger als die
Geissel, etwas zusammengedrückt, geringelt, lang zugespitzt. Augen langoval,
vorn ganzrandig. Vorderhüften von einander entfernt. Flügeldecken an der Basis
erhaben gerandet, meist bunt beschuppt. Die drei ersten Fussglieder ziemlich
gleich lang, das dritte breiter als die vorhergehenden, zweilappig.
3. Untergattung: Hylurgus Larr. Fühlergeissel mit sechs, nach vorn
breiter werdenden Gliedern. Fühlerkeule nicht zusammengedrückt, geringelt, kurz,
kugelig gerundet. Augen langoval, vorn ganzrandig. Vorderbrust vor den sich
einander berührenden Vorderhüften fast gar nicht ausgerandet, diese daher etwas
entfernt vom Vorderrand stehend. Basis der Flügeldecken kaum erhaben gerandet.
Körper dicht punktirt und lang behaart. Erstes Fussglied länger als die folgen-
den, das dritte herzförmig.
4, Untergattung: Myelophilus Eıcmm. (Blastophagus Eıcaa.). Fühler-
geissel mit sechs Gliedern. Fühlerkeule nicht zusammengedrückt, geringelt, eiför-
mig zugespitzt. Augen langoval, vorn ganzrandig. Vorderbrust sehr kurz, bis zu
den nahe zusammenstehenden Vorderhüften ausgerandet. Flügeldecken an der
Basis schwach erhaben gerandet, einzeln abgerundet, Oberseite nur weitläufig
punktirt, dünn behaart. Erstes Fussglied etwas länger als das folgende, das
dritte breit zweilappig.
5. Untergattung: Dendroctonus Er. Fühlergeissel mit fünf, nach vorn
viel breiter werdenden Gliedern. Fühlerkeule zusammengedrückt, gerundet, ge-
ringelt. Augen langoval, vorn ganzrandig. Vorderbrust kurz, bis zu den einander
sich berührenden Vorderhüften ausgerandet. Vorderrand des Halsschildes tief
ausgerandet, Basis der Flügeldecken schwach erhaben gerandet. Körper gross,
lang behaart. Erstes Fussglied am längsten, das dritte zweilappig.
6. Untergattung: Xylechinus Cnaar. Forstlich völlig unwichtig und
daher genügend gekennzeichnet in der Bestimmungstafel auf folgender Seite.
7. Untergattung: Carphoborus Eıcan. Fühlergeissel mit fünf, nach vorn
kaum breiter werdenden Gliedern. Fühlerkeule zusammengedrückt, gerundet,
geringelt. Augen nierenförmig, vorn in der Mitte tief ausgerandet, Vorderbrust
kurz, bis an die sich berührenden Vorderhüften ausgerandet. Basis der Flügel-
decken erhaben gerandet. Erstes Fussglied etwas kürzer als die folgenden, das
dritte schwach herzförmig.
8. Untergattung: Polygraphus Er. Fühlergeissel mit 5, nach vorn
breiter werdenden Gliedern. Fühlerkeule zusammengedrückt, zugespitzt, nicht
geringelt, viel länger als die Geissel. Augen durch einen Fortsatz der Stirn in
zwei Theile gespalten. Vorderbrust kurz, bis an die sich berührenden Vorder-
hüften ausgerandet. Basis der Flügeldecken erhaben gerandet. Die ersten drei
Fussglieder kurz, das dritte einfach, nicht herzförmig.
9. Untergattung: Phloephthorus Worr. Forstlich völlig unwichtig
und daher genügend gekennzeichnet in der Bestimmungstafel auf folgender Seite.
Die Untergattungen und forstlich wichtigen Arten sind folgende:
446 Kap. IX. Die Käfer,
Gattung Hylesinus. Untergattung.
Fühlerkeule aus 3 deutlich getrennten Gliedern Phloeophthorus.
bestehend
[ Fühlerkeule
N kurz, Hylastes
zugespitzt
— —
pusssgjum 7 poıfossu,f 91x}
Srıparfo, [OSstosao]ynd
Fihlerkeule £
g "2
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® -
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3
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Su
- 0
® ©
B>3
ı u
Hylesinus. .
solid, aber vorn
|
—n
DD
—
geringelt abgerundet
[Pssı9310]yn Ad
vorn
EU 7» Myelophilus
> UL
A11P31]89
| Fühlerkeule
| zugespitzt
(8)
—
Augen vorn nicht
Dendroctonus
I
lang,
zugespitzt
Fühlerkeule > [ Fühlerkeule
=
=
ausgeschnitten \
en
& (9)
IIE—>R 2, jAugen vorn leicht eingebuchtet. . Xylechinus .
= es vorn tief eingebuchtet. . . Carphoborus
(8)
Fussglied 3 eylindrisch, das rudimentäre Fussglied 4 an der
Spitze tragend. Fühlerkeule solid, ARSSrnEST Fühlergeissel
Sgliedrig, Augen zweitheilig. -. ... ... er .rolygrapkus
Bestimmungstafel für die Gattung Hylesinus.
[ Punktstreifen der Flügeldeeken mässig stark mit flachen
Zwischenräumen
\ Punktstreifen der Flügeldecken tief eingekerbt
förmig erhöhten Zwischenräumen .
| Hraisschita en
Mitte ebenso breit
Länge
4—5 mm
PEakeeRig nur allmäh- |
lich nach vorn verengt.
(10) | Länge 2—3 mm .
| Halsschild \_
abgerundet
dreieckig
Länge 4—5 mm
Länge 3 mm .
|
dunkelbraun bis schwarz
| ohne Schüppehen. Länge 45—5°5 mm
Flügeldecken gleich-
mässig abgerundet
gescheckt mit (13)
Schüppchen bedeckt.
Länge 2—3 mm Flügeldecken hinten
| steil abfallend
langbehaart. Länge 4—5 mm.
Die zweite Längsreihe
[ hört vor Beginn des
| Absturzes auf
haartragender (15)
Höckerchen jeder-
seits neben der
Flügeldeckennaht | reicht bis a. d. Ende
der Flügeldecken
(6)
Länge S-9 mm .. .
. Länge 2—3 mm .
. Länge 1'5 mm .
Fr
N
x
Halsschild i.
Mitte breiter als
| hinten (12)
als hinten (17)
d.
(18)
But
/ kiel-
447
Arit:
Spartii (4).
rhododactylus.
ater (17).
eunicularius
(5 u. 12).
attenuatusu.Verw,
glabratus.
palliatus (70).
crenatus.,
Fraxini (6 73).
vittatus u, Verw.
(14).
ligniperda (7 u. 7).
piniperda (8 u.
15).
minor (16).
micans (9).
pilosus (2).
minimus.
poligraphus (3,
17 u. 18).
448 Kap. IX, Die Käfer.
3. Gattung. Tomicus Lark. (Bostrichus Raız., Gyr.) Kopf kugelförmig,
ohne Rüssel, meist unter das Halsschild zurückgezogen, dieser von oben nicht oder
nur wenig sichtbar. Nur die Untergattung Crypturgus macht hievon eine Aus-
nahme. Fühler gekniet, mit zwei- bis fünfgliedriger Geissel und einer meist zusam-
mengedrückten Keule. Halsschild vorn meist höckerig gerunzelt, hinten punktirt
oder glatt. Flügeldecken an der Basis bei einigen Arten erhaben gerandet, bei
anderen nicht, an der Spitze abschüssig, oft stark eingedrückt und gezähnt.
Bauch horizontal. Schienen aussen gezähnt oder bedornt. Drittes Fussglied stets
einfach, nie herzförmig oder zweilappig.
Die häufig vorkommenden, licht gefärbten gelben Exemplare dieser
Gattung sind nur unreife, noch nicht ausgefärbte Käfer.
1. Untergattung: Crypturgus Er. Kopf sehr wenig, aber doch merkbar
verlängert, nicht ganz unter dem Halsschilde versteckt, von oben theilweis sichtbar.
Fühlergeissel sehr kurz, zweigliedrig, viel kürzer als die ovale, vorn winklig zuge-
spitzte, nicht geringelte Keule. Halsschild mehr oder weniger länger als breit,
gleichartig punktirt, ohne Höcker. Flügeldecken hinten einfach abgerundet, ohne
Unebenheiten. Nahtstreifen nur wenig stärker vertieft als die anderen Streifen.
Vorderbrust nicht ganz bis zu den sich stark berührenden Vorderhüften ausge-
schnitten. Schienen breit gedrückt, nach vorn verbreitert, mit abgerundeter
Aussenecke. Vier sehr kleine europäische Arten, welche durch ihre lang walzen-
förmige Gestalt den kleinsten Arten der Untergattung Hylastes ähneln.
2. Untergattung: Cryphalus Er. Fühlergeissel viergliedrig. Die Keule
rundlichoval mit gerade erscheinenden, schräg herumlaufenden, beborsteten
Quernähten. Halsschild breiter als lang, hoch gewölbt, nach vorn etwas ver-
schmälert, an der Basis fein gerandet, vorn mit einem Höckerfleck. Augen vorn
ausgerandet. Schildehen punktförmig. Flügeldeecken dieht mit schuppenartiger
Behaarung bestäubt, hinten einfach gewölbt, ohne Unebenheiten. Schienen zu-
sammengedrückt, vorn erweitert, aussen abgerundet und sehr fein gezähnelt. Die
drei ersten Fussglieder gleich lang. Fühler und Beine bräunlich- oder röthlich-
gelb. Fünf europäische Arten.
3. Untergattung: Ernoporus Tuoms. Der Untergattung Cryphalus
Er. sehr nahe stehend. Hauptsächlich dadureh unterschieden, dass die Augen nicht
ausgerandet sind, und dass das Halsschild in der Mitte des Vorderrandes zwei
bis vier besonders hervorragende Körnchen hat. Fühlergeissel viergliedrig. Die
ovale Keule mit mehr oder weniger nach vorn convexen, beborsteten Quer-
nähten. Hinterschenkel bei einigen Arten dunkler. Fünf europäische Arten.
4. Untergattung: Glyptoderes Eıcnn. Fühlergeissel fünfgliedrig. Die
Keule langeiförmig, mit Borstenringen. Halsschild breiter als lang, hochgewölbt,
vorn gehöckert und am Vorderrande mit vier dieht beisammenstehenden Körnchen.
Schildehen deutlich. Flügeldeeken hinten flach abgerundet, an der Naht sehr
schwach eingedrückt oder auch mit einem Höckerchen. Schienen zusammen-
gedrückt, nach vorn erweitert, aussen fein gezähnt. Drei sehr kleine europäi-
sche Arten.
5. Untergattung: Pityophthorus Eıcun. Fühlergeissel fünfgliedrig.
Die Keule oval, an den Rändern deutlich geringelt, fast gegliedert. Halsschild
nicht breiter als lang, an der Basis deutlich gerandet, vorn mit Höckerchen.
Flügeldecken einfach punktirt gestreift, mit nieht punktirten Zwischenräumen,
hinten beiderseits mit einer glatten Furche und mit mehr oder weniger deut-
lichen Höckerchen. Schienen schmal, an der Spitze abgestutzt, mit nur einzeln
gezähntem Aussenrand. Fünf kleine europäische Arten. *g
6. Untergattung: Taphrorychus Eıcnu. Fühlergeissel fünfgliedrig,
kürzer als die Keule. Diese kreisrund, beiderseits mit spitzenwärts convexen,
beborsteten, um einen basalen Kern annähernd concentrischen Quernähten. Augen
ohne Ausrandung. Halsschild nicht breiter als lang, vorn runzlig gehöckert, an
der Basis nicht gerandet. Flügeldeeken punktirt gestreift, hinten steil abgeflacht,
ohne Höcker. Schildchen kaum sichtbar. Schienen nach vorn etwas erweitert,
aussen gezähnelt. Zwei europäische Arten.
Systematik der Gattung Tomieus. 449
7. Untergattung: Thamnurgus Eıcun. Fühlergeissel fünfgliedrig, faden-
förmig, etwas länger als die Keule. Diese oval, von hinten verhüllt, vorn mit
schwächer beborsteter Abstutzungsfläche. Augen tief ausgerandet. Halsschild auf
der Scheibe tief, gleichartig punktir, mehr oder weniger länger als breit.
Flügeldecken walzenförmig mit tiefen, undeutlich gereihten Punkten, hinten
mit flachem Absturz ohne Höcker oder Zähne. Schildehen kaum sichtbar. Schienen
kaum zusammengedrückt, an der Spitze schief abgestutzt, aussen und innen mit
Enddorn. Fünf europäische Arten.
8. Untergattung: Xylocleptes Ferr. Fühlergeissel fünfgliedrig, etwas
kürzer als die Keule. Diese rund, beiderseitig mit concentrischen, spitzenwärts
stark convexen Borstenreihen. Halsschild nicht viel länger als breit, vorn
und hinten gerundet, höckerig und punktirt, an der Basis nicht gerandet.
Flügeldecken länger als das Halsschild, am Absturz beim S' eingedrückt und
gezähnt, beim © furchenartig eingedrückt und mit Körnchen besetzt. Schienen
wenig zusammengedrückt, nach vorn erweitert, am Aussenrande gezähnelt.
Vorderfüsse zurücklegbar. Eine europäische Art.
9. Untergattung: Tomicus Larr. im engeren Sinne. Fühlergeissel
fünfgliedrig. Die gerundete Keule vorn, mit Ausnahme des derben Basalringes,
weich, mit beborsteten Quernähten, auf der Hinterdäche durch den bis an die
Spitze erweiterten, derben Basalring verhüllt. Halsschild meist stark gewölbt,
nach vorn abgerundet verschmälert, vorn schuppenartig gehöckert, an der Basis
kaum gerandet. Flügeldecken mit furchenartig vertieftem Nahtstreifen. Absturz
meist eingedrückt und am erhabenen Rande verschieden gezähnt. Schienen nach
vorn wenig verbreitert, am Aussenrande gezähnt. Die Beine sind mehr oder
weniger bräunlich- oder röthlich-gelb, nur wenige Arten haben dunkle Hüften,
Schenkel und Schienen. Gegen zwanzig europäische Arten.
10. Untergattung: Dryocoetes Eıcan. Fühlergeissel fünfgliedrig. Keule
durch den derben Basalring fast ganz verhüllt, an der Spitze schief abgestutzt,
schwammig. Augen schwach ausgerandet. Halsschild fein schuppenartig ge-
höckert, an der Basis nicht erhaben gerandet. Flügeldecken an der Basis ohne
erhabenen Rand, hinten abschüssig gewölbt, mehr oder weniger gefurcht, Ab-
sturz nicht gerandet und nicht gezähnt. Schienen breit gedrückt mit abgerun-
deter, gezähnelter Aussenkante. Vorderfüsse in eine Rinne der Schienen zurück-
legbar. Fünf europäische Arten.
11. Untergattung: Xyleborus Eıcun, Fühlergeissel fünfgliedrig. Keule
wenigstens auf der Vorderfläche, wenn auch undeutlich geringelt. Augen vorn
tief ausgerandet. Halsschild vorn höckerig gerunzelt, hinten fein punktirt oder
glatt, theils walzerförmig, theils kugelig, an der Basis nicht erhaben gerandet.
Flügeldecken regelmässig punktirt gestreift, deren Nahtstreif nicht oder kaum
vertieft, an der Wurzel ohne erhöhten Rand. Vorderbrust bis zu den Hüften
ausgeschnitten. Schienen nach vorn verbreitert, mit abgerundetem, gezähntem
Aussenrand. Alle Füsse zurücklegbar. Die SS scheinen meist ungeflügelt zu
sein. Acht europäische Arten.
12. Untergattung: Trypodendron Srtera. Fühlergeissel viergliedrig,
kürzer als die Keule. Diese gross und derb, nach vorn erweitert, ungeringelt.
Halsschild breiter als lang, stark gewölbt, vorn schuppig gekörnt, an der Basis
fein gerandet. Flügeldecken an der Spitze ohne Zähne, höchstens schwach ge-
furcht, an der Basis ohne erhabenen Rand. Vorderbrust bis zu den Hüften aus-
geschnitten. Schienen nach vorn stark verbreitert, am abgerundeten Aussenrande
sägeartig gezähnt, zur Aufnahme der Fussglieder gefurcht. Ein sich nach rück-
wärts ziehender Fortsatz der Stirn theilt die Augen vollständig in zwei Hälften
und ist hierdurch diese Gattung von allen anderen Tomicus-Arten leicht zu
unterscheiden. Stirn des g tief ausgehöhlt. Drei europäische Arten. }
Von einer Tabelle zur Bestimmung der einzelnen Tomicus-
Arten sehen wir hier ab, geben aber eine solche für die zwölf Unter-
gattungen.
450 Kap. IX. Die Käfer.
Gattung: Tomieus.
Fühlergeissel 2gliedrig, viel kürzer als die vorn zugespitzte Keule . .
Augen einfach, höchstens vorn
etwas ausgeschnitten; sehr
kleine Formen .
Fühlergeissel 4gliedrig. . . - » - 2... 0...
Augen zwei-
theilig; grössere
| Formen.
[EsWerkenle fast drehrund, lnseire mit
Borstenringen . . . -
Absturz der Flügeldecken ohne re
breiten, gerandeten Eindruck und zande, tel aus
; Fühlerkeule geschnitten.
ohne deutliche Zähne, dagegen
.„.| zusammenge-
manchmal abgeflacht oder mit
{ drückt, kurz
kleinen Körnchen versehen. AugenamVorder-
und von rund-
rande ohne deut-
lichem Umriss. {Jichen Ausschnitt
oder nur schwach
ausgerandet.
.|Absturz der Flügeldecken beiderseits neben der Naht mit tiefer,
nicht punktirter Furche.
SLIp91TSg [Essıodıojyn Tg
Absturz der Flügeldecken mit breitem und
gerandetem Eindruck. Der Rand wenigstens
| beim Z mit deutlichen Zähnen, z. B. so:
11
u |
12
Bestimmungstafel für die Gattung Tomicus.
Kleinste, nur 1—1'5 mm lange
Rindenbrüter in Nadelholz . . .
Fühlerkeule rundlich oval, mit ge-
rade erscheinenden, schräg herum-
laufenden, beborsteten Quernähten.
Rindenbrüter in Nadelhölzern .
Fiihlerkeule oval, mit mehr weniger
nach vorn convexen, beborsteten
Quernähten. Rindenbrüter inLaub-
hülzernun.., cp
Fühlerkeule derb, nach vorn etwas
verbreitert und nieht durch Borsten-
reihen gegliedert. Holzbrüter in
Laub- und Nadelholz
Rindenbrüter in Laubhölzern .
Halsschild gleichmässig En en, brüten in Gallen kraut-
artiger Gewächse.. .
Halsschild vorn deutlich et oder a hinten fein
punktirt; Holzbrüter
Fühlerkeule kreisrund, beiderseits mit spitzenwärts convexen,
beborsteten, annähernd concentrischen Quernähten. Rindenbrüter
in Buchen
Fühlerkeule vorn schief abgestutzt und auf dieser Fläche mit
Borstenreihen. Rindenbrüter in Laubholz und Nadelholzwurzeln
Keule oval, an den Rändern deut-
lich geringelt, fast gegliedert .
u Fühlerkeule beiderseitig mit con-
Ay
centrischen,
a
spitzenwärts stark
convexen Borstenreihen
Fühlerkeule vorn, mit Ausnahme
des derben Basalringes mit be-
borsteten Quernähten . . .
451
Untergattung:
Crypturgus (2.
Cryphalus (2).
Ernoporus (2).
Trypodendron
(4 u. 5).
Glyptoderes (6).
Thamnurgus.
Xyleborus (7).
Taphrorychus.
Dryocoetes (8).
Pityophthorus
(9 u. 10).
Xylocleptes(23).
Tomieus/71,12,14)
452 Kap. IX. Die Käfer.
Anmerkung: Die zur leiehteren Erkennung der Untergattungen in der
Bestimmungstafel für die Gattung Tomicus auf Seite 450 und 451 beigefügten
und mit Cursiv gedruckten Zahlen bezeichneten Figuren stellen folgende Arten
dar: 1. T. pusillus GyrrL.; 2. T. Piceae Rarz.; 3. T. Fagi Fasr.; 4. und 5. T.
lineatus Orıv.; 6. T. binodulus Rarz.; 7. T. dispar Fıarr.; 8. T. autogra-
phus Rarz.; 9. und 10. T. micrographus L.; 17. uud 74. T. typographus L.;
12. T. chalcographus L. Es sind dieselben, wie auch die in den Bestimmungs-
tabellen für die Gattungen Scolytus und Hylesinus (8. 444, sowie $. 446 und
447), sämmtlich Originalzeichnungen.
Forstliche Bedeutung der Borkenkäfer. Wir theilen der
besseren Uebersicht halber die Borkenkäfer in fünf biologische
Gruppen, die wieder in zwei Hauptabtheilungen zusammengefasst
werden können, in Rindenbrüter und Holzbrüter,
1. Wurzelbewohnende Rindenbrüter, welche als Käfer die Rinde
Junger Nadelholzpflanzen am Wurzelknoten plätzend benagen, z. B.
Hylesinus cunicularius Er.
2. Wurzeln und auch Stämme bewohnende Rindenbrüter, welche als
Larven ältere Nadelholzbestände gefährden: Hylesinus micans Kue.
3. Stamm bewohnende Rindenbrüter, welche als Larven die
Bastschicht der Nadelhölzer zerstören, als Käfer Triebe aushöhlen,
sogenannte Waldgärtner: Hylesinus piniperda L. u. minor Hre.
4. Stamm und Aeste bewohnende Rindenbrüter, welche als
Larven durch Zerstörung der Bastschicht den Laubhölzern schaden,
z. B. Scolytus Ratzeburgii Jans.
5. Stamm und Aeste bewohnende Rindenbrüter, welche als
Larven durch Zerstörung der Bastschicht den Nadelhölzern schaden,
z. B. Tomicus typographus L.
6. Im Holze selbst brütende Borkenkäfer, welche physiologisch
und technisch Laub- und Nadelhölzer beschädigen, z. B. Tomicus
dispar L. und T. lineatus OLıv.
Wurzelbewohnende Rindenbrüter, welche als Käfer die Rinde
junger Nadelholzpflanzen am Wurzelknoten plätzend benagen.
Hierher gehören zunächst eine Reihe Bastkäfer, nämlich drei grössere
Formen,
der schwarze Kiefern-Bastkäfer, Hylesinus ater PAyk.,
der schwarze Fichten-Bastkäfer, H. cunicularius Er. und
H, ligniperda FApkr.,
drei kleinere, H. attenuatus Er.,H. angustatus Hssr.undH. opacus Er.,
sowie mehr ausnahmsweise Tomicus autographus Rarz.
Die meisten sind gefährliche Kulturverderber, welche in ganz
ähnlicher Weise, wie der grosse braune Rüsselkäfer, schaden und
durch Rodung, am besten der schon mit Brut besetzten Wurzeln,
.
Forstliche Bedeutung der Borkenkäfer. Wurzelbewohnende Rindenbrüter. 453
durch Fangrinden und -Kloben, sowie durch Verbrennen der getödteten
Pflanzen sammt den an diesen sitzenden Käfern erfolgreich bekämpft
werden können. Auch hier ist Schlagruhe nothwendig.
Beschreibung: Hylesinus (Hylastes Er.) ater Payr. Käfer lang ge-
streckt, walzenförmig, schwarz, mässig glänzend. Halsschild länger als breit, bis
über die Mitte mit fast geraden Seiten, dann nach vorn verengt, oben stark
und ziemlich dicht, an den Seiten feiner, aber dichter, fast runzelig punktirt,
auf der Mitte mit mehr oder weniger deutlicher, glatter, aber nicht erhabener
Längslinie. Flügeldecken an der Basis fast gerade abgestutzt, nicht erhaben
gerandet, stark punktirt gestreift, die Streifen am Hinterabsturz stärker vertieft,
Nahtstreif wenig tiefer als die anderen; Zwischenräume breiter als die Streifen,
vorn dicht und fein, etwas runzelig punktirt, hinten körnig gerunzelt und sehr
fein und dünn behaart. Rüssel und Stirn dieht punktirt, ersterer an der Spitze
beiderseits mit grubenförmigem Eindruck, mit einer kleinen erhabenen Mittel-
linie, welche sieh bis zur Stirn fortsetzt. Fühler und Füsse röthlich-braun.
Drittes Fussglied wenig breiter als die beiden ersten, herzförmig. d auf dem
letzten Hinterleibssegment mit einer kleinen Grube. Länge 4—4'5 mm.
H. (Hylastes Er.) cunicularius Er. Käfer mässig lang gestreckt, etwas
gedrungener als der ihm sehr ähnliche H. ater, schwarz, mässig glänzend. Hals-
sehild nichtlänger, als in der Mitte breit, an den Seiten etwas gerundet erweitert,
vor der Mitte nach vorn verengt, oben stark und ziemlich dicht, an den Seiten
feiner, aber dichter, fast runzelig punktirt, auf der Mitte mit mehr oder weniger
deutlicher, glatter, aber nicht erhabener Längslinie. Flügeldecken an der Basis
fast gerade abgestutzt, nicht erhaben, stark punktirt gestreift, die Streifen neben
der Naht, namentlich in der Nähe des Schildchens, etwas tiefer als die andern;
Zwischenräume nicht breiter als die Streifen, körnig gerunzelt, sehr dünn
behaart, die ganze Skulptur der Flügeldecken ist gröber als bei H. ater. Rüssel an
der Spitze beiderseits mit grubenförmigem Eindruck, mit einer kleinen, erhabenen
Mittellinie, welche etwas feiner und kürzer als die glatte Linie des H. ater ist.
Stirn und Rüssel dicht punktirt. Fühler und Füsse röthlieh-braun. Drittes Fuss-
glied herzförmig, wenig breiter als die beiden ersten. auf dem letzten Hinter-
leibsring mit einer kleinen Grube. Länge 3:5—45 mm.
H. (Hylastes Er.) attenuatus Er. Küfer lang gestreckt, walzenförmig
pechbraun, gewöhnlich mit schmutzig braunröthlichen Flügeldeeken. Halsschild
kaum länger als breit, die Seiten wenig erweitert, nach vorn verengt, oben
stark und dicht, an den Seiten etwas feiner punktirt, auf der Mitte mit einer
feinen, erhabenen Längslinie. Flügeldecken an der Basis fast gerade abgestutzt,
nicht erhaben gerandet, stark punktirt gestreift. Streifen nach hinten etwas ver-
tieft, Zwischenräume etwas gewölbt, mit einer regelmässigen Reihe Körnchen
und Haarbörstehen. Rüssel an der Spitze etwas eingedrückt, an der Basis mit
einer feinen vertieften Längslinie. Kopf dicht, fein lederartig punktirt. Fühler
und Füsse röthlieh-braun. Drittes Fussglied herzförmig, wenig breiter als die
beiden ersten. Länge 2—2:5 mm.
H. (Hylastes Er.) angustatus Hssr. Käfer dem H. attenuatus Er. äusserst
ähnlich, doch fast immer etwas grösser. Halsschild wenig länger als breit,
stark punktirt, mit deutlich erhabener Mittellinie. Zwischenräume auf den Flügel-
deeken vorn breiter und unregelmässig, nach hinten zu etwas schmäler und mit
einer fast regelmässigen Reihe von Körnchen und Börstehen besetzt. Länge
2.5—3 mm.
H. (Hylastes Er.) opacus Er. Käfer demH. angustatus am ähnliehsten,
aber gedrungener, glanzlos, dünn behaart, schwarz. Halsschild an den Seiten
gerundet, so lang als an der weitesten Stelle breit, nach der Spitze mehr ver-
sehmälert als an der Basis, dieht und tief punktirt, mit einer feinen, erhabenen
Längslinie. Flügeldecken an der Basis fast gerade, tief punktirt-gestreift,
Zwischenräume nach hinten etwas verschmälert, fein gekörnt und behaart. Kopf
454 Kap. IX. Die Käfer.
dicht, sehr fein punktirt, Rüssel etwas gewölbt, ohne eingedrückte oder erhabene
Linie. Fühler und Füsse röthlich. Drittes Fussglied herzförmig, wenig breiter
als die beiden ersten. Länge 25 mm.
Der dem H. ater sehr ähnliche, wohl sehr selteneH. brunneus Er., sowie
der gleichfalls sehr seltene H. linearis Er. und der zweifelhafte H. corticiperda Er.
seien hier nur als in unser Faunengebiet gehörig genannt. Der kleine, forst-
lich ganz gleichgiltige H. Trifolii Müır., der sich normalerweise in den
Wurzeln des Klees entwickelt, ist übrigens von NÖRDLINGER auch in armdieken
Stämmen der Besenpfrieme gefunden worden [XXIV, S. 26].
H. (Hylurgus Lane.) ligniperda Fazr. Käfer langgestreckt, matt
pechbraun oder schwarz, ziemlich lang und dicht behaart, besonders an den
Seiten des Halsschildes und an der Spitze der Flügeldecken. Halsschild deutlich
länger als breit, nach vorn verengt, an den Seiten nicht gerundet erweitert,
dieht punktirt, mit glatter Mittellinie. Flügeldeeken an der Basis fast gerade
und fein erhaben gerandet, punktirt-gestreift, die Streifen vorn und an den
Seiten undeutlich, nach hinten stärker vertieft, Zwischenräume runzlig gekörnt;
auf dem Hinterabsturz der zweite Zwischenraum stark eingedrückt. Kopf und
Rüssel sehr dicht körnig punktirt. Rüssel an der Basis quer eingedrückt, an der
Spitze mit einer kurzen, erhabenen Linie, in der Mitte mit einem kleinen
Höckerchen. Fühler und Füsse rostroth. Drittes Fussglied wenig breiter als die
beiden ersten, herzförmig. Länge 4—5 mm.
Tomicus (Dryocoetes Eıchn.) autographus Rarz. (villosus GyLL.)
Zottiger Fiehten-Borkenkäfer. Käfer braun, etwas glänzend, lang greisbehaart.
Halsschild etwas länger als breit, in der Mitte gerundet erweitert, ziemlich
grob, vorn etwas schuppig punktirt, mit einer schmalen, mitunter undeutlichen,
erhabenen Mittellinie. Flügeldecken an der Wurzel breiter als das nach hinten
verengte Halsschild, Schultern daher vortretend, grob punktirt-gestreift, mit
feineren Punktreihen auf den Zwischenräumen. Nahtstreifen kaum vertieft. Ab-
sturz einfach schräg abgewölbt. Länge 3—4 mm.
Lebensweise. Sämmtliche hier zu erwähnende Formen sind
Frühschwärmer, die meist als Käfer überwintern, in den ersten
warmen Frübjahrstagen die neuen Nadelholzschläge besuchen und
hier die flachstreichenden Wurzeln, sowie die Wurzelstöcke mit Eiern
belegen. Die normale Frassfigur aller Arten besteht aus kürzeren
oder längeren, einarmigen Längs- oder Lothgängen mit regelmässigen
Eiergrübehen und quer abgehenden Larvengängen, welche allerdings
nur, solange die Larven noch ganz jung und die Gänge sehr kurz
sind, deutlich getrennt bleiben, später aber sich stets so kreuzen und
verwirren, dass die ganzen tieferen Rindenlagen auf beträchtliche
Ausdehnung hin in braunes, dem „Schnupftabak ähnliches” [Arrun,
2 f, S. 394] Frassmehl verwandelt sind. Je nach dem Klima und der
Lage des Revieres im Vorsommer oder etwas später, sicher aber im
Juli ist die erste Generation vollendet und fliegt aus, um sofort
wieder auf der gleichen Schlagfläche in dem noch unversehrten Brut-
materiale zur Fortpflanzung zu schreiten. Diese zweite Generation
wird noch in demselben Herbste fertig, schlüpft aus und überwintert
in der Bodendecke oder unter Rindenplatten.
Die Generation ist also eine doppelte und stellt sich für Mittel-
deutschland schematisch ungefähr folgendermassen:
Wurzelbewohnende Rindenbrüter. Beschreibung und Lebensweise. 455
Rinne nn nn nn rn mn no mm nn ass nn nee nn nn nenn num nn nn nn nenne
11 I | |
h | |
Jan. Febr. März En Mai | Juni
Juli | Aug. |Sept.
HEIEZI- ser 44t+tt
FERTTERERERTEENTE,
IR | | = FErzEr
2 |
| 1881 +++ +++ +t++++
während für Süddeutschland die Flugzeiten etwas früher eintreten
mögen. Eıcunorr |I5«, S. 80] ist sogar geneigt, unter Umständen eine
dreifache Generation anzunehmen.
Während früher eine einjährige Generation als Regel angesehen wurde,
und auch Arrum, welcher anfänglich eine zweijährige Generation anzunehmen
geneigt war [XVI, 1. Aufl.], später [XVI, 2. Aufl.] die einjährige vertheidigte,
hat derselbe neuerdings ausdrücklich das Vorhandensein einer doppelten auch
in der Mark anerkannt [2 /, S. 395].
Abweichende Frassfiguren sind nur selten beobachtet worden. So berichtet
Eıcanorr [l5a, $. 88], dass H. attenuatus Er. öfters die Bohrlöcher und Mutter-
gänge des H. ater Pay. zum Eindringen benutzt und von hier aus weiter frisst.
Bei H. ligniperda Far, beschreibt derselbe Autor [15 a, S. 99] hirschhornähnlich
gegabelte Gänge. Solche kennen wir, beiläufig bemerkt, auch von Tomicus
longicollis Gyrr., der von Oberförster KrorrEr neuerdings in Primkenau in
Schlesien an Kiefern gefunden wurde, es war uns aber nicht möglich, bei
dieser merkwürdigen Frassfigur Mutter- und Larvengänge zu unterscheiden.
Ausserdem finden sich mehrfach Angaben in der Literatur, dass nament-
lich die hier erwähnten Mitglieder der Untergattung Hylastes an den Pfahl-
wurzeln junger Nadelhölzer gebrütet haben sollen, so z. B. bei HexscHer [Xl.
1. Aufl., S. 80] für H. angustatus Hesr. an Kiefern, einem Käfer, den auch
JupeicH [Xl., S. 66] aus jungen Fichtenpflanzen erzogen hat. Auch liegt uns
jetzt gerade eine in diesem Frühjahr vom königl. sächsischen Staatsforstrevier
Colditz eingesendete Fichtenpflanze vor, an welcher deutlich ein in den Splint
eingreifender Muttergang von H. cunicularius Er. zu sehen ist. Aehnliches
berichtet auch Rarzesure [6l ), S. 400] von den Kiefernbewohnern. Trotzdem
dürfte eine solche Brutstätte Ausnahme sein. Wenngleich Tomicus autographus
Rarz. auch nach unserer Beobachtung der Regel nach in Wurzelstöcken und
Wurzeln brütet, so ist andererseits die Angabe von Aurum [XIV, II, 1, S. 308], dass
er auch an beschädigten oder durch anderen Insektenfrass getödteten Stämmen
secundär oft vorkomme, völlig unzweifelhaft. Wir haben sehr häufig die gleiche
Beobachtung an aufbereiteten Meterstössen gemacht, wo er mit H. palliatus
Gyrr. gemeinschaftlich vorkam. Der Larvenfrass scheint uns aber in diesem
Falle praktisch völlig gleichgiltig zu sein. NÖRDLINGER berichtet [XXIV, S. 33],
dass dieser Käfer gleichfalls fremde Bohrlöcher, z. B. solche von H. pilosus
Rarz. oder T. Saxesenii Rarz. zum ersten Eindringen benutzt. Eine ganz verein-
zelte Beobachtung ist die von Kuxze, dass auf dem früheren Neusorger Revier,
jetzt zum königl. Sächsischen Staatsforstrevier Zöblitz geschlagen, T. autographus
Rarz. einmal in Erlen gebrütet hat, und zwar an den Stämmchen.
Schaden. Der einzige, wirklich in Betracht kommende Frass
ist der von den Käfern selbst verübte, welche in biologischer Be-
ziehung dem Hylobius Abietis L. fast gleichgestellt werden müssen.
Er besteht in der Benagung der Rinde junger Nadelholzpfanzen
im Alter von ungefähr 3 bis 10 Jahren, und zwar sowohl oberirdisch
an dem unteren Theile der Stämmchen, als auch unterirdisch in den
456 Kap. IX. Die Käfer.
Wurzelknoten und den oberen Theilen der Pfahlwurzeln. Entsprechend
ihrer Natur als Borkenkäfer dringen diese Thiere aber tiefer ein als
der Rüsselkäfer (vergl. 5. 416) und unterhöhlen gern die Rinde,
indem sie namentlich an den Bast gehen und nach oben fressen.
Grindiger Harzausfluss findet sich auch hier. In Folge dieses Frasses
gehen die jungen Pflanzen ein, nachdem sich der Angriff des Käfers
zunächst durch das Gelbwerden der Nadeln verrathen hat, und werden
oft sehr bedeutende Nachbesserungen in den Kulturen nothwendig.
Nur wenig befressene Pflanzen, namentlich etwas ältere, halten einen
einmaligen Frass zwar aus, behalten aber, sogar wenn sie sich
dauernd erholen, Missbildungen am Wurzelknoten.
Beiweitem am meisten verbreitet sind H. ater Payk., der ein
ausschliessliches Kieferninsekt ist, und nicht nur die gemeine Kiefer,
sondern auch alle anderen bei uns kultivirten Pinus-Arten angeht,
und H. cunicularius Er., welcher seinen Verwandten an Fichte er-
setzt. Die drei kleinen Vertreter der Untergattung Hylastes wurden
häufig an Kiefer beobachtet, doch ist H. angustatus Hssr. nach
den von Eıcnsorr [15 a, S. 90] mitgetheilten Beobachtungen von
SCHREINER im Thüringer Walde auch an Fichten gefunden worden.
H. ligniperda FıApr. ist, was seine Brutstätte betrifft, sicher ein
Kieferninsekt. Trotzdem er öfters als forstschädlich aufgeführt wird,
ist aber ein wirklicher Nachweis eines Schadens nicht bekannt ge-
worden. Die Aufführung des Tomicus autographus Rarz. an dieser
Stelle beruht auf einem von Jupzıcn beobachteten Frass an jungen
Fichtenpflanzen [Xl, S. 65, Anm.] auf Hohenelber Herrschaft im
Riesengebirge.
Eine Mittheilung von Oberförster Brume, dass H. ater Paye. auch
40jährige Kiefern getödtet habe [9], beruht, wie schon HArTIG vermuthet, wahr-
scheinlich auf einer Verwechslung mit H. piniperda L. Dasselbe gilt von den
Beobachtungen von H. Prrır, der diesen Käfer auf der Insel Usedom in Kiefern-
zweigspitzen gefunden haben will [V, I, S. 220]. Dagegen kann sich der Frass
gelegentlich etwas höher aufwärts erstrecken, wie z. B. Hexschrt [XI, S. 65)
das „Beschaben” der Rinde bis zum ersten oder zweiten Astquirl hinauf beob-
achtet hat. Rarzerurg berichtet von diesen Käfern, welche er in die Forstento-
mologie eingeführt, in seinen „Forstinsekten” nur geringe Beschädigung. v. BERG
erwähnt zuerst einen stärkeren Frass von H. cunicularius Er. vom Hasenberg
im Revier Wildemann am Harz aus dem ‚Jahre 1840, und v. HOLLEBEN [35,
S. 41] berichtet 1845 ausführlich und rechnet ihn zu den sehr schädlichen
Käfern. Wahrscheinlich schon 1828—1830, sicher aber zu Anfang der vierziger Jahre
hat derselbe in dem Paulinenzeller Forst ungefähr 12 ha Fichtenpflanzung zer-
stört. Seit dieser Zeit wurde der Fichtenbastkäfer vielfach als schädlich beob-
achtet, z. B. von Fürst zu Berg im Bayerischen Regierungsbezirk Pfalz [19]
im Jahre 1874, und wird in allen Forstinsektenkunden ausführlich behandelt,
desgleichen von Ercnnorr in seiner Monographie. Die genauesten Schilderungen
der Kiefernschädlinge, besonders des H. ater Payk., giebt Eıchuorr und neuer-
dings Arrum [2 /], welcher aus den Revieren in der Umgegend von Eberswalde
diese Käfer als der Wiederaufforstung der grossen Kiefernschlagflächen sehr
schädlich kennen gelernt hat. i
Abwehr. Als Vorbeugung gegen den Frass dieser Käfer ist
zunächst die Verhinderung einer stärkeren Vermehrung derselben
Lebensweise und Abwehr von Hylesinus ater und H. eunieularius. 457
anzusehen. Dieser Zweck wird erreicht durch Verminderung der
Brutstätten, hier also, da wir es mit wurzelbrütenden Formen zu
thun haben, durch Rodung der Wurzelstöcke. Je vollständiger diese
erfolgt, desto grösser ist ihre Wirksamkeit. Demgemäss ist auch
intensiver Waldfeldbau, bei welchem sie besonders gründlich zu ge-
schehen pflegt, empfehlenswerth, wie schon v. Horresen [35] be-
tont. Da aber eine so vollständige Rodung, dass wirklich jede Brut-
stätte vernichtet würde, nicht durchführbar ist, die Käfer auch
gelegentlich an den Wurzeln kränkelnder, stehender Pflanzen brüten,
so empfiehlt es sich, die Wurzelstöcke als Anlockungsmittel für die
Käfer zu benutzen und erst dann zu roden, wenn sie bereits mit Brut
belegt worden sind. Dies muss vor dem Ausfliegen der ersten Gene-
ration, also bei einem Winterschlage im Juni geschehen. Gegen die
zweite Generation kann man durch Darbietung von künstlichem Brut-
material, z. B. durch Eingraben von Brutknüppeln, in derselben
Weise, wie gegen den grossen braunen Rüsselkäfer vorgehen und
bei rechtzeitiger Vernichtung der abgelegten Brut Erfolge erreichen.
In allen diesen Fällen müssen aber die besetzten, gerodeten Wurzeln
und herausgenommenen Brutknüppel nicht etwa blos abgefahren,
sondern wenigstens äusserlich angeschwält werden.
Um die Kulturen selbst zu schützen, ist es nothwendig, nament-
lich in denjenigen Fällen, wo eine gründliche Rodung nicht durch-
führbar war, mit dem Wiederanbau wenigstens ein, noch besser zwei
Jahre zu warten, weil sonst die auskommenden Käfer gleich an Ort
und Stelle ihr Zerstörungswerk an den kurz nach der Frühjahrs-
pflanzung noch nicht erstarkten Pflanzen beginnen können. Aber auch
wenn eine solche Vorsichtsmassregel beobachtet oder der Schlag
gründlich gerodet wird, empfiehlt es sich auf dazu geeignetem Ter-
rain, die Kultur vor dem Anbau mit einem Fanggraben zu umgeben,
in welchem sich die, wie der grosse braune Rüsselkäfer, zu Fuss
ihrem Frassorte zuwandernden Käfer leicht fangen. Auch die gegen
den braunen Rüsselkäfer ausgelegten Fangrinden, Faugkloben u. =. f.
dienen gleichzeitig zum Fange der wurzelbrütenden Hylesinen, da diese
Fangvorrichtungen von den Borkenkäfern sehr gern aufgesucht werden.
Arrtum berichtet z. B. [2, f, $S. 392], dass an einzelnen Kloben „20
bis 50, ja bis 200 Hylesinen” gefunden wurden und empfiehlt [2 f,
S. 396], die an diesen ansitzenden Thiere gleich mit einem Holz-
stücke zu zerquetschen, ihre Reste aber dann abzustreifen, damit man
an den folgenden Tagen leichter die frisch zugewanderten Käfer er-
kennen könne.
Die bereits angegriffenen, durch ihr Welken kenntlichen Pflanzen
sind zu entfernen und zu vernichten, am besten durch Verbrennen.
Von besonderer Wichtigkeit ist es aber hierbei, dass die kranken
Pflanzen nicht einfach herausgezogen werden, weil alsdann die an den
Wurzeln fressenden Käfer, namentlich bei trockenem Wetter, abge-
streift im Boden zurückbleiben. Dieselben missen vielmehr mit Ballen
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde. 30
58 Kap. IX. Die Käfer.
ausgehoben, dann mit trockenem Reisig durchsetzt, zusammengehäuft
und verbrannt werden. Dabei gewinnt man überdies eine gute
Kulturerde.
Wurzel- und auch stammbewohnende Rindenbrüter, welche
als Larven ältere Nadelholzbestände beschädigen. Hierher gehört nur
der Riesen-Bastkäfer,
Hylesinus (Dendroctonus Er.) micans Kuve.
Die Larven dieses Thieres, welche gewöhnlich in den Wurzeln
und dem unteren Stammtheile der Fichtenstämme mittlerer Alters-
klassen, seltener auch an höher gelegenen, beschädigten Stellen älterer
Bäume regellose Familiengänge fressen, bringen bei starkem Vor-
kommen durch Unterbrechung der Safteireulation die befallenen
Stämme zum Absterben.
Gegen diesen Angriff, der sich leicht durch grosse Harztrichter
und krümlichen Harzausfluss kenntlich macht, ist als Vorbeugungs-
mittel die Erziehung unterwärts ganz unbeschädigter Stämme geboten.
Die Vertilgung wird nach Einschlag der erkrankten Stämme und
Rodung der Wurzeln am besten durch Anschwälen der mit dem
Feinde noch besetzten Theile erreicht.
Beschreibung. H. (Dendroetonus Er.) micans Kus. Käfer länglich,
wenig glänzend, schwarz, mit langen, grau-gelben Haaren nicht sehr dicht
besetzt. Halsschild viel breiter als lang, nach vorn stark verengt, vor der Spitze
etwas eingeschnürt, am Vorderrand tief ausgerandet, oben ziemlich tief, aber etwas
ungleichmässig punktirt, mit mehr oder weniger deutlicher, glatter Mittellinie.
Flügeldecken punktirt gestreift, mit breiten, runzlig gekörnten Zwischenräumen,
Der breite, an der Spitze flach eingedrickte Rüssel und der Vordertheil des
Kopfes runzlig gekörnt. Fühler und Füsse gelb-roth. Länge S—9 mm.
Lebensweise und Schaden. Ein direktes Schwärmen dieses
Käfers ist von Sachverständigen überhaupt noch nicht beobachtet
worden, die Eiablage scheint aber hauptsächlich in den wärmeren
Monaten, Mai bis August, stattzufinden. Seine Generation erscheint
jedoch äusserst complieirt, und zwar besonders deshalb, weil von allen
Beobachtern gleichmässig ein Ueberwintern, sowohl der Larven,
wie der Käfer, sicher festgestellt wurde. Am einfachsten scheinen
sich die hieraus ergebenden Zweifel zu lösen, wenn man mit
Oberförster Grück [24, S. 388] annimmt, dass zwei Generationen
A und B, nebeneinander herlaufen, und zwar so, dass bei der
Generation A die Eiablage in den Mai und Anfang Juni fällt, der
Larvenfrass während der Monate Juni, Juli und August dauert und
der Käfer im September erscheint, um als soleher zu überwintern.
Bei der Generation B fiele dagegen die Eiablage wesentlich in den.
Juli und August, die im August ausschlüpfenden Larven überwintern
und verwandeln sich erst Ende Juni oder Anfang Juli des nächsten
Jahres nach kurzer Puppenruhe in den Käfer. Graphisch kann mau
dies folgendermassen darstellen:
Hylesinus micans, Beschreibung und Lebensweise. 459
| |
| Jan. geht. März 'April| Mai | Juni | Juli | Aug. Sept. Oct. | Nov. | Dec.
| ++ |
150 | Innen kera et +
" | | |
1881 +++ +++ +++ +++ +++ ER | |
! # & | | |
1 T | l ni Bern;
[iso Mean FHITTL-un a
| | | EIERN,
\ Be Da
Hiermit steht, ausser einigen nicht völlig beweiskräftigen Mittheilungen
von Eıc#sorr [15 a, S. 127], nur die Deutung einer von Urrıcı [73, S. 151]
semachten Beobachtung in Widerspruch. Dieser Forscher hat nämlich in dem
einen Belauf der Oberförsterei Thale gefunden, dass die überwinterten Käfer erst
im Juni zur Eiablage geschritten, und aus diesen Eiern bereits von Mitte Juli
bis Anfang August allerdings noch unreife gelbe Käfer entsprungen waren. Zu-
gleich fand er am 23. Juli sehr zahlreiche Eier und ganz junge Larven und
meint nun, da ihm „eine derartige Verspätung des Eierlegens von Anfang Juni
bis Mitte Juli kaum wahrscheinlich ist”, dass diese Eier vermuthlich von den
zuerst ausgekommenen Nachkommen der Wintergeneration abgelegt worden
seien. Die erst im August ausgekommenen Käfer sollen sich aber nicht fort-
pflanzen. Es hätte also hier eine doppelte Generation stattgehabt. An anderen
Stellen des Revieres konnten Anzeichen für eine solehe nicht gefunden werden.
Der Käfer macht bei seinem ersten Angriff einen unregel-
mässigen Wagegang oder einen knieförmig gebogenen, auch doppelt
knieförmigen Muttergang [Unrıcr 73, S. 154], in welchem die Eier
in einem oder mehreren Haufen von 50 bis 150 Stück abgelegt
werden. Die auskummenden Larven fressen, eng gedrängt nebenein-
ander nach oben fortschreitend, einen gemeinsamen Hohlraum unter
der Rinde, an dessen oberem Ende man sie dicht nebeneinander in
gestreckter Stellung arbeitend findet. Zum Zwecke der Verpuppung
gehen sie wieder in den mit harzdurchdrungenem Wurmmehl gefüllten
Frassraum zurück und bilden jede für sich einen Puppenhohlraum.
In diesem Lager überwintern auch die Käfer. die sich höchstens
etwas weiter wurzelwärts zurückziehen. Nach Kourar [44 b] sollen
dagegen die Käfer in der Nadelstreu überwintern. Der Angriff ist zu-
nächst an dem wenigstens 3 mm haltenden, grossen Bohrloche leicht
zu erkennen, aus welchem bald reichlich Harz, vielfach mit Nage-
mehl gemischt, austritt, um sich bald in krümliche, weissliche Klumpen
zu verwandeln, welche nach einem treffenden Vergleiche Aurum’s
wie abgefallene Mörtelbrocken aussehen. Dies ist namentlich an den
Wurzeln charakteristisch, während an höher gelegenen Angriffsstellen
häufig Harztrichter auftreten und eine bedeutende Grösse — ein vorlie-
gendes Exemplar misst 33 mm Länge und 23 mm Querschnitt — er-
reichen. Der den Gang verlassende Käfer durehbohrt dieselben öfters. Am
30*
460 Kap. IX. Die Käfer.
liebsten wählt der Käfer zu seinem Angriff bereits beschädigte Stellen
mit Harzaustritt, also an den tieferen Baumpartien durch Wagenräder
verletzte Wurzeln, Schälstellen des Wildes, ferner angelaschte Bäume
und solche, an denen bei der Durchforstung Zwiıeselstangen tief weg-
geschnitten wurden. An diesen tieferen Theilen der Stämme, ungefähr
bis Brusthöhe, ist der Käfer bisher am häufigsten gefunden worden,
und man darf, obgleich er vereinzelt überall auch schon höher an-
getroffen worden ist, diese als seine normale Brutstätte annehmen.
Erst Grück [24] fand, dass in einem Belaufe des Revieres Neu-
pfalz, Regierungsbezirk Coblenz, der Käfer mit Vorliebe die oberen
Stammtheile in-15 bis 20 m Höhe angegangen hatte, gewöhnlich durch
Schnee- und Eisbruch beschädigte Gipfelstellen an sogenannten
„Bajonettfichten”. Ja es genügt schon eine durch Reibung eines
benachbarten Astes geschädigte Rindenstelle, um ihn anzulocken.
Dagegen ist allgemeine Kränklichkeit und unterdrücktes Wachsthum
durchaus nicht nöthig, vielmehr werden häufig die schönsten und
dominirendsten Stämme angegangen,
Als Brutpflanze wählt der Käfer fast ausschliesslich die Fichte.
Erfoigt der Angriff an höheren Stellen, so steigt der Käfer allmählich
stammabwärts [24, S. 386]. Randbäume in südlicher und östlicher
Lage, sowie lichte, warme Bestände sind am meisten gefährdet. Am
häufigsten werden Stangenhölzer von 20 bis 40 Jahren befallen, mit-
unter aber auch ältere Bestände, z. B. 60jährige [Grück, 24, S. 385].
Geht er gelegentlich auch einmal die Kiefer an [73, S. 156; 20,
S. 60], so scheint es selten zu einer wirklichen Fortpflanzung zu
kommen, und werden die Bohrgänge bald wieder verlassen. Erst neuer-
dings berichtet Hrxscuer [32 e], dass H. micans in ausgebreiteter
Weise in Böhmen in Kiefern gefunden worden sei, und Artum
erwähnt [2 g S. 243], dass in Gauleden, Regierungsbezirk Königs-
berg, dieser Käfer in Kiefernstangen zahlreich gebrütet habe.
Der Käfer ist zu den sehr sehädliehen zu rechnen. Wenn-
gleich sein erster Angriff durchaus nicht sofort tödtlich wird, so gehen
doch bei fortgesetztem Frasse neuer Generationen die Bäume ein.
Am Stamme kommt es namentlich darauf an, ob nur ein geringerer
Theil der Peripherie angegangen oder derselbe ringsum befressen ist.
In letzterem Falle geht der oberhalb der Frassstelle gelegene Theil
ein, Die Wurzeln sterben unterhalb der angegriffenen Stelle ab; ist
nur eine Wurzel so beschädigt, so lebt der Stamm weiter, die Zer-
störung einer grösseren Anzahl der Hauptwurzeln tödtet ihn jedoch.
Geschieht dies mit vielen Stämmen, so wird der Bestandesschluss
gefährdet. [73].
Dieser Käfer wurde zuerst 1794 durch v. Sterstorrrr [67, S. 59 und 60,
Fig. 14 und 15], allerdings unter dem Namen „Bostrichus ligniperda”, in die
Forstentomologie eingeführt, aber noch Rarzesurg, der [V, I, S. 217] wesent-
lich nur Beobachtungen von Saxesen wiedergiebt, kannte keinen ernstlichen
dureh denselben verursachten Schaden. Auch Sreı konnte in einer ersten Mit-
theilung hierüber nichts berichten [68 a, S. 235], kannte aber bereits zwei Jahre
Hylesinus micans, Schaden und Abwehr. 461
später, 1854 [68 5, S. 277], eine grössere Verheerung durch H. micans von dem
königl. Sächsischen Staatsforstrevier Neudorf im Erzgebirge, wo er seit dem
Jahre 1852 in vierzig- bis fünfzigjährigen Fichtenbeständen derartig überhand
senommen hatte, dass der Einschlag von circa 500 Klaftern ®/,-elligen Scheit-
holzes nothwendig wurde. 1858 berichtet Korrar [4 5] über einen grösseren Frass
an zehn- bis fünfzehnjährigen Fichten im kaiserlichen Parke zu Laxenburg
bei Wien. Anfänglich hatte hier der Käfer nur in einzelnen alten, kranken, über-
ständigen Fichten, die jahrelang Widerstand leisteten, gelebt. Man fällte nach
Möglichkeit und, da man bald das Brüten in den Wurzeln, besonders in den
angefaulten, beobachtet hatte, so rodete man auch diese, die Gruppirung des
Parkes immer wieder durch neue kräftige Stämme, die in einem Alter von
zehn bis fünfzehn Jahren aus dem nahen Gebirge entnommen wurden, ver-
Jüngend. Aber auch diese befiel das Insekt, besonders durch die warmen Jahre
1856 und 1857 begünstigt. Auf der 1567er Versammlung des Harzer Forst-
vereines [21] wurde über sein Vorkommen im Harze, Thüringer Walde und’
Anhalt, sowie auch in der Ebene bei Braunschweig im Marienthaler Forstreviere
von mehreren Seiten berichtet, der Käfer aber im wesentlichen noch als wenig
bedeutend betrachtet. Auf der 1872er Versammlung desselben Vereines berichtet
GEBBERS [20] von einem Frasse in der königl. Preussischen Öberförsterei Thale
am Harze, wo der Käfer einen 10 ha grossen, fünfunddreissigjährigen, mit
Kiefern gemischten Fichtenbestand angegangen und hier zwei Drittel aller
Fichten besetzt habe, ein Frass, der genauer von Urrıcı [73] geschildert
wurde. Aus dem königl. Preussischen Revier Neupfalz, Regierungsbezirk Coblenz,
berichtet Grück [24] über einen stärkeren Frass, der, von benachbarten
Gemeindewaldungen ausgehend, mehrere Bestände der genannten Oberförsterei
schädigte.
Abwehr. Als Vorbeugungsmittel ist vor allem die Erziehung
gesunder, an den unteren Theilen unbeschädigter Bäume zu nennen.
Mit Recht betont daher Eıcnnorr |[I3 a, S. 128]. dass Büschelpflanzung,
welche häufig zur Bildung von Zwillingen führt, vermieden werden
sollte und man bei der Durchforstung von letzteren nicht nur den einen
Stamm, »ondern, wenn thunlich, beide entfernen müsse. Ungefährlich
sind dagegen Büschelpflanzungen, wenn sie zur Gewinnung schwachen
Materials zeitig genug ausgeschnitten werden. Ferner ist die Ent-
nahme der vom Wild geschälten Stangen, von Wipfelbrüchen u. dgl.
anzurathen. Die Erhaltung einzelner werthvoller Stämme
kann durch die Umkleidung des unteren Stammtheiles mit einer den
Käfer abhaltenden Schutzschicht erreicht werden. Als solche wird
die vom Hofgärtner Leınweger im Laxenburger Park bei Wien an-
gewendete empfohlen.
Das Recept des Anstriches ist folgendes: Man übergiesst fünf Pfund
ordinären Tabak mit einem halben Eimer warmem Wasser, lässt ihn vierund-
zwanzig Stunden so stehen und drückt ihn gehörig aus. Dieser Aufguss wird
dann mit einem halben Eimer Rindsblut gemengt und ein Theil gelöschten
Kalkes und sechzehn Theile frischer Kuhexeremente hinzugesetzt, so dass alles
ein Brei wird. Diesen Brei lässt man in einer offenen Tonne einige Zeit gähren
und täglich mehrmals umrühren. Der Anstrich wird, nachdem man die Stämme
bis an die oberen Wurzeln von Erde entblösst und gereinigt hat, mittelst eines
Maurerpinsels von den freiliegenden Wurzeln an bis 06m am Stamme auf-
wärts aufgetragen. Dies wird drei Tage hintereinander wiederholt, bis sich eine
Kruste am Stamme bildet, die dann vom Regen nicht abgewaschen wird und
auch den Bäumen nicht schadet [Korrar 44 b].
In bereits angegriffenen Beständen muss man zur Vertilgung
der Käfer und Larven schreiten. Die angegangenen Stämme sind ein-
462 Kap. IX. Die Käfer.
zuschlagen und die Stöcke, falls die unteren Stammtheile auch befallen
sind, sorgfältig zu roden. Die Stockhölzer werden alsdann mit dürrem
Reisig durchsetzt in lockere Haufen geschichtet und angebrannt. Die
namentlich durch das ausgetretene Harz genährte Flamme schlägt
hoch auf, verkohlt aber nur die Rinde, während das Holz unbe-
schädigt bleibt [Urrıcı 73, S. 158]. Stehenlassen der gerodeten Stöcke
an der Luft genügt nicht zur Tödtung der Brut. Stämme, welche
auf diese Weise nicht zu behandeln sind, werden geschält, eventuell
auf untergelegten Tüchern, und die Rinde wird verbrannt.
Grück empfiehlt hierzu mehr als die gewöhnlichen Schnitzmesser den
Rorn’schen Rindenschäler [64]. Hesse hat einen Bestand durch Begiessen der
Umgebung der befallenen Bäume mit Chlorwasser gerettet (vgl. S. 212).
Stammbewohnende Rindenbrüter, welche als Larven die
Bastschicht der Nadelhölzer zerstören, als Käfer Triebe aushöhlen.
Der grosse oder schwarze Kiefern-Markkäfer,
Hylesinus piniperda L. (Taf. II, 10) und
der kleine oder braune Kiefern-Markkäfer,
H. minor Hre.,
zusammen wohl auch als „Waldgärtner” bezeichnet, sind gefährliche
Feinde der Kiefernbestände mittlerer und höherer Altersklassen. Wenn
sie auch kränkelnde Bäume vorziehen, so brüten sie (Fig. 145 und
146) bei starker Vermehrung doch auch vielfach in gesunden, können
diese zum Eingehen bringen und werden, auch wenn sie nicht gleich
ganze Bestände vermichten, durch die Gefährdung des Bestandschlusses
schädlich. Hylesinenfrass ist ferner häufig eine unwillkommene Folge-
erscheinung von Raupen-, namentlich von Kieferneulenfrass. Hierzu
kommt noch, dass die Käfer vom August an die Endtriebe der
Kiefernzweige von unten nach oben nagend aushöhlen (Fig. 147)
und hierdurch derartig schwächen, dass sie in Menge von den Herbst-
stürmen herabgebrochen werden. Werden Kiefern alljährlich in dieser
Weise angegriffen, so verändert sich ihre ursprünglich breite Kronen-
form in eine spitze, fichtenähnliche, wie bei einem unter der Schere
gehaltenen Baume (Fig. 147). Diese Verluste an Trieben und Nadeln
haben alsdann nicht nur einen Zuwachsverlust und Lichtstellung
der Bestände, sondern auch vielfach eine Minderung der Samenernte
zur Folge. Rechtzeitiger Einschlag und Entrindung der mit Brut
besetzten Bäume, verbunden mit Verbrennung der Rinde, ist als
Abwehr eines schon vorhandenen Frasses, rechtzeitiges Werfen von
Fangbäumen als Vorbeugungsmittel zu empfehlen. Im Sommer noch
nicht abgefahrene Kiefernstämme müssen wie Fangbäume behandelt
werden.
Beschreibung: H. (Myelophilus Eıcrn.) piniperda L. Käfer läng-
lich, schwarz glänzend, Flügeldecken nur bei jungen braunroth. Kopf und
Rüssel fein und nicht dicht punktirt, letzterer vorn etwas eingedrückt, mit
Die Waldgärtner, Hylesinus piniperda und H. minor. 463
feiner, erhabener Mittellinie. Halsschild kürzer als an der Basis breit, vorne
verengt, kugelförmig, vor der Spitze leicht eingeschnürt, oben weitläufig, nicht
tief punktirt, mit undeutlicher, glatter Mittellinie. Flügeldecken fein punktirt-ge-
streift, Zwischenräume vorn runzlig-punktirt und gehöckert, nach hinten zu mit
einer Reihe borstentragender kleiner Höckerchen. Der zweite Zwischenraum
trägt jedoch auf dem Absturz selbst keine Höckerehen und erscheint daher vor-
züglich beim d furchenartig, etwas vertieft. Fühler und Füsse rostroth. Länge
4—4-5 mm.
H. (Myelophilus Eıcan.) minor Hre. Käfer dem H. piniperda äusserst
ähnlich, der zweite Zwischenraum trägt aber auch auf dem Absturz Höckerchen,
erscheint daher nicht vertieft. Die Flügeldecken sind auch bei ganz reifen Exem-
plaren nur röthlich-braun, nicht oder nur selten schwarz. Meist sind ausser den
Fühlern nicht blos die Füsse, sondern die ganzen Beine rostroth. Länge 3:5—4 mm.
Lebensweise: Wie aus den vorstehenden, genauen Diagnosen
hervorgeht, sind die zoologischen Unterschiede dieser beiden
Arten, d. h. bei H. piniperda L. die bei vollständig ausgefärbten
Exemplaren dunklere Färbung der Flügeldecken — zuerst von v. BINZER
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Fig. 145. Fig: 146.
Fig. 145. Ein Stück Kiefernrinde von der Innenseite mit Frassfiguren von
Hylesinus piniperda L.; links unten ein frischer Gang nur mit Eiergruben.
a Bohrloch mit krückenförmigem Anfange des Mutterganges, 5 Luftlöcher.
Fig. 146. Kiefernrolle mit Frassfiguren von Hylesinus minor Hrg. Am oberen
Theile ist die aufgesprungene Rinde noch nicht abgefallen.
[6] scharf betont — sowie, mit Rarzegurg zu reden [235, S. 377],
die „Schattenfurche neben der Naht am Absturze”, die zuerst SAXESEN
auffand, doch schliesslich so fein, dass in der Praxis wohl sehr viel
häufiger eine Verwechselung beider Arten vorkommen würde, wenn
S
464 Kap. IX. Die Käfer.
nicht ihre Frassfiguren äusserst verschieden wären. H. piniperda L.
macht nämlich einarmige, senkrechte, am stehenden Baume von dem
Bohrloch nach unten verlaufende, gewöhnlich mit einem Luftloche
versehene, 7 bis 14cm lange Muttergänge mit krückenstockartig
gebogenem Anfangstheile, von denen bei typischer Entwickelung der
Frassfigur dicht gedrängte, langgestreckte Larvengänge in der Quer-
richtung abgehen, um in a auf der Grenze von Rinde und
Holz gelegenen Puppenwiegen zu enden ER werden die starkborkigen
unteren Stammtheile vorgezogen, und die Gänge verlaufen meist so
vollständig in der Rinde, dass das Holz höchstens von den Mutter-
gängen, nicht aber von Larvengängen und Puppenwiegen oberfläch-
lich gefurcht wird. Die Bohrlöcher des Käfers, welche meist recht
verborgen unter Rindenschuppen angelegt werden, sind trotzdem oft
durch sie umgebende, kleine hellgelbe Harztrichter ausgezeichnet.
Der Anflug des Käfers ist oft ein sehr heftiger, so dass nament-
lich Fangbäume häufig so dicht mit Frassfiguren besetzt sind, als
überhaupt nur möglich. An starkem Holze kann man auf das laufende
Meter bis 60 Gänge zählen, jeder durchschnittlich mit 100 Eiern
belegt. Nehmen wir auch nur die Hälfte der Gänge und die Hälfte
der sich zum Käfer ausbildenden Larven, so würden sich an Stämmen
von 10 bis 13m Länge gegen 20 000 Käfer entwickeln! Er scheint
ferner anfänglich die liegenden Stämme gern von der Unterseite
anzugehen.
Das oben über die Richtung der Muttergänge Gesagte bezieht sich
wesentlich auf den stehenden Baum. Am gefällten kommt es auf die Lage an.
Liegt ein Ende höber als das andere, so richten die Käfer ihre Gänge ein-
heitlich von oben nach unten. Bei wagerecht liegenden kommen sowohl
nach dem Wurzelende, wie nach dem Zopfende gerichtete gemischt vor [Eıcan. I5 a,
Ss. 104].
H. minor Hrg. macht dagegen (Fig. 146) zweiarmige, quer-
gerichtete Muttergänge, ungefähr von der Gestalt einer liegenden
Klammer —— , bei denen die kurze mittlere Eingangsröhre von dem
Bohrloche nach oben geht. Diese Muttergänge dringen stets bis in
den Splint, während die von ihnen in der Längsrichtung des Baumes
nach oben und unten abgehenden kurzen, nicht sehr dicht stehenden
Larvengänge bald nur in der Rinde verlaufen, bald aber auch den
Splint seicht furchen. Die Puppenwiegen liegen dagegen stets im
Holz, und zwar mit ihrer Längsachse in radialer Richtung, so-
dass nur ein kreisrundes Loch ihre Lage anzeigt. Der Käfer zieht
frischeres, saftreiches Holz dem welken vor und brütet vorzugsweise
in den Stammtheilen mit dünner, röthlichgelber, blättriger Rinde,
welche über den Muttergängen und an den Stellen, wo die Flug-
löcher sie reihenweise durchkohren, gern aufspringt. Der Käfer ist da-
her im Durchschnitt in jüngeren Stangenhölzern und in den oberen
Theilen älterer Bäume heimisch, während H. piniperda_L. die unteren
Theile vorzieht. Trotzdem kommen gelegentlich Frassgänge beider
Arten in unmittelbarer Nähe von einander vor.
Lebensweise von Hylesinus piniperda und H. minor. 465
Beide Käfer sind im Allgemeinen typische Schädlinge unserer
gemeinen Kiefer, kommen aber auch in sehr vielen, ja vielleicht
in allen anderen Pinus-Arten vor. Angriffe auf Fichte sind ferner
durchaus nicht sehr selten, ohne dass man deshalb berechtigt wäre,
von einem Schaden an letzterer Holzart zu reden. Im Allgemeinen
sind die Waldgärtner der Verbreitung der gemeinen Kiefer ent-
sprechend bei uns mehr Insekten der Ebene wie des Gebirges.
In grosser Ausdehnung fressen beide Arten nach Prrrıs [58] in Südfrankreich
an der Seekiefer, sowie in den verwandten Arten. In Weymouthskiefer wurde
H. piniperda L. bereits 1846 zu Hohenheim beobachtet [XXIV, S. 21]. JupEıcH
berichtet über einen ausgezeichneten Frass an derselben Holzart aus dem Tharan-
der Forstgarten [38 5, S. 260]. Im Schwarzwald ist H. minor Hre. [XXVI, S. 22]
auch in Legföhren getroffen worden, während Eıc#nuorr berichtet, dass ihm von
dem Vorkommen von H. piniperda L. im Knieholz nichts bekannt geworden sei
[5 a. S. 102]. Die geographische Verbreitung des bekannteren H. piniperda L. ist
gleich derjenigen seiner Nährpflanzen eine eircumpolare, indem er sowohl in ganz
Europa und Nordasien bis nach Japan hin, wie auch in Nordamerika vorkommt.
Südlich geht er bis auf die canarischen Inseln [I5 a, S. 106]. Was das Brüten in
Fichten betrifft, so sind die Angaben Becnstei’'s [ll, S. 190 bis 192] von Rarze-
BURG zunächst angezweifelt worden [V, 1, S. 209], doch hereits 1863 berichtet
WiırLkonm, dass Braun den Kiefern-Markkäfer im Reussischen in Fichte gefunden,
eine Beobachtung, welche Braun selbst genauer und auf H. minor ausgedehnt
1867 [9] publieirt. Es geschah dies in Folge einer neuen gleichen Beobach-
tung von GIGGLBERGER [23 a] in der Bayerischen: Oberpfalz, welcher hierüber
noch mehrmals geschrieben [23 5 und c] und sowohl RArzEegurG wie NöRD-
LINGER mit Frassstücken und Käfern versehen hat. Letztere erkannten, jener
brieflieh [235, S. 377] für H. piniperda L., dieser ausserdem in einem be-
sonderen kleinen Artikel, auf Grund eigener Untersuchungen des Materiales
die Richtigkeit dieser Beobachtungen an. Weitere eigen beobachtete Fälle
führt NÖRDLINGER in seinen Nachträgen [XXIV, S. 21 und 22] an, und Juprıca
beriehtet 1876 [XI, S. 116] vom Tharander Revier und aus Böhmen Gleiches.
Wir können hinzusetzen, dass wir in neuerer Zeit wiederholt dieselbe Beob-
achtung gemacht haben. An Lärchen brütend ist der Käfer unseres Wissens
blos in Sibirien gefunden worden, und zwar durch v. Mınpenporrr [45 b, S. 243]
Gelegentliche ältere Mittheilungen, dass er auch Tannen annähme, scheinen
uns apokryph. Was Wırrkoum [75 5] darüber berichtet, beruht auf bewusster
Anpassung an den Sprachgebrauch der russischen Ostseeprovinzen, in welchen
die Kiefer „Tanne” genannt wird. Desgleichen scheinen uns die Mittheilungen,
dass der Käfer auch Fichtentriebe ausgefressen habe, vorläufig nicht beglaubigt.
Beide Arten sind Frühschwärmer, H. piniperda L. allerdings
in noch hervorragenderem Masse als H. minor Hr. Sie überwintern
als Käfer und werden von den ersten warmen Frühjahrstagen
hervorgelockt. Zu dieser Zeit sind sie in riesigen Mengen auf den
Winterschlägen, von denen das Holz noch nicht abgefahren wurde,
an den Holzniederlagen der Sägemühlen u. s. f. zu beobachten.
Die Weibehen beginnen alsdann die Anlage der Muttergänge und
werden, halb im Bohrloche steekend, von den aussen sitzenden Männ-
chen begattet. Die Eiablage geht recht allmählich vor sich und kann
in demselben Muttergange, von dem Anfange bis zum Ende fort-
schreitend, einige Wochen in Anspruch nehmen, worauf dann die
später abgelegten Eier entsprechend später Larven, Puppen und Käfer
liefern. Im allgemeinen kann man bei normaler mittlerer Früh-
jahrswitterung 14 Tage auf das Eistadium, sieben bis acht Wochen
466 Kap. IX. Die Käfer.
auf das Larvenstadium und 14 Tage auf das Puppenstadium rech-
nen, so dass also nach Rartzesurg 75 bis 84 Tage, nach Hzss
11 bis 12 Wochen [33, S. 511] von der Eiablage bis zur Aus-
bildung der anfänglich noch strohgelben, bald aber sich ausfärbenden
Imago vergehen. Beobachtet man also einen Hauptflug Ende März,
so kann man Ende Juni auf Käfer rechnen.
H. minor soll nach Arrum meist etwas später fliegen alsH. piniperda, was
EicHHorr für den Elsass leugnet, trotzdem es auch in Südfrankreich nach PERRIS
[58, S. 222] Regel sein soll, dass er nicht vor April schwärmt.
In Betreff der Schwärmzeit dürften aber wohl überhaupt die
lokalen und klimatischen Verhältnisse stark mitsprechen. Es verspätet
sich nämlich bei rauher Frühlingswitterung der Flug der Hylesinen
oft so sehr, dass man noch bis in den Mai hinein frische Gänge
findet. Auch die Entwickelungsdauer der Käfer wird stark von der
Temperatur beeinflusst, wie erst kürzlich Hrss |33] klar zeigte.
Während nämlich in Fangstämmen, die im Schatten eines etwa 60jähri-
gen Kiefernbestandes lagen, die Entwickelung von der Eiablage bis zum
Ausfliegen des Käfers ungefähr die oben angegebene Zeit von 11 bis
12 Wochen betrug, ging sie in Stämmen gleichen Alters, auf einem der
Südwestsonne exponirten Kahlschlage viel rascher vor sich und nahm
nur sieben bis acht Wochen in Anspruch. Diese Thatsache ist sehr zu
berücksichtigen, wenn es sich um Entscheidung der Frage nach der
Generation der Kiefern-Markkäfer handelt. Rarzesurg und viele seiner
Nachfolger waren geneigt, als Regel eine einfache Generation anzu-
sehen, indem sie annahmen, dass die im Sommer ausgekommenen
Käfer in demselben Jahre nicht wieder zur Fortpflanzung schritten,
sondern sich direkt in die Triebe einbohrten. Dieser Behauptung
stehen viele ganz positive Beobachtungen entgegen, welche das Vor-
kommen einer zweiten Generation nachweisen ; dagegen ist an vielen
Orten ebenso unzweifelhaft eine nur einfache Generation constatirt,
und die Behauptung von Eıcnnorr, dass die doppelte Generation die
Regel bilde und vielleicht eine dreifache vorkomme, eine ebenso
unberechtigte Verallgemeinerung, wie die entgegenstehende RATZE-
Burg’s. Vielmehr sind Höhenlage und Klima des Reviers, sowie die
gerade herrschende Jahreswitterung die Faktoren, von denen es
abhängt, cb eine einfache oder doppelte Generation vorkommt.
Grapbisch lassen sich die Verhältnisse der Generation ungefähr
folgendermassen darstellen:
Einfache Generation von Hylesinus piniperda L.
Jan. Febr.) März April Mai Juni | Juli | Aug. | Sept. | Oct. | Nov. Den
| | | |
| aunzumen
++ |
12 ers [rlisleeleee
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| ee | a
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1881 een,
Lebensweise von Hylesinus piniperda und H. minor. 467
Doppelte Generation.
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| Jan.
Febr. | März April| Mai | Juni | Juli | Aug. | Sept.| Oct. | Nov. | Dec.
| A an | BB 27) We eure
1880 "IL 044 | |
| | um -a+tt+trtt+tr tt
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| |
- —
Kiefern-Markkäferbrut im Herbste wurde unseres Wissens zuerst von
GeorG [22] gefunden, doch ist derselbe noch nicht geneigt, hieraus auf eine
doppelte Generation zu schliessen, was auch RATZEBURG nicht thut. ALTUM
ist bereits in der ersten Auflage seiner Forstzoologie [XVI, III, 1, S. 231] nach
seinen Beobachtungen überzeugt, dass bei frühem Sommerfluge des H. piniperda
der Käfer zu einer zweiten Brut schreitet. Er sagt: „Wiederholt habe ich unter
dieser Voraussetzung bemerkt, wie einzelne starke Kiefern sich im Laufe des
Sommers mit Harztrichtern an ihrem unteren Stammende bedeckten und das
Bohrmehl händevoll um den Wurzelknoten angehäuft lag. Bohrt der Käfer
nämlich lebende Stämme an, so wird seine Thätigkeit nicht nur durch das
Bohrmehl, sondern noch auffälliger durch starken Harzausflus aus den Bohr-
löchern verrathen, der die Oeffnung freizulassen und somit eine Trichterform
anzunehmen pflegt. Unsere 1871 erloschene Kiefernspinnerkalamität zeigt durch
allmähliches Absterben einzelner Stämme im Altholze noch fortwährend ihre
Nachwirkung, so dass in den stark heimgesuchten Beständen weit mehr Stämme
eingehen, als gewöhnlich. Der alte Kiefernhochwald stellt sich ja stets allmählich
licht. An diesen kranken Stämmen nun zeigt sich in höchst auffallender Weise
die eben genannte Erscheinung. Schon aus der Ferne erregen die zahlreichen
weissen Flecke an denselben die Aufmerksamkeit. Das ist schon im Juli der
Fall. Die Annahme, dass sich der Käfer an solchen zum Winterschlafe einbohre,
ist schwerlich zu approbiren. Mitten im Sommer verkriecht sich kein Insekt zur
Winterruhe, das hervorquellende Harz würde den Käfer tödten, und die Flug-
löcher im Herbste beweisen striete, dass darin eine Generation zu Stande
gekommen ist. An und für sich wäre es möglich, dass ein spätes Frühlings-
schwärmen des Käfers dieselbe Erscheinung zur Folge hätte, zumal nach bereits
erfolgter Entfernung aller gefällten Stämme und des Klafterholzes, sodass sich hier
folglich nicht eine zweite, sondern die erste, einzige Generation entwickelt hätte.
Allein meine Notizen zeigen mir gerade für das Jahr, in dem die genannte
Erscheinung besonders hervorstechend auftrat, den Anfang März (7. bis 10.)
als sehr lebhafte Schwärmzeit an.” Dieser Ansicht schliesst sich JupeıcH (XI,
S. 112] völlig an. Eicunorr [I5 a, S. 112] triti dann mit voller Entschiedenheit
für eine wenigstens doppelte Generation auf, und die hierdurch veranlassten
Beobachtungen von Czeca [l2] und Hess [33] sprechen, erstere für eine mit-
unter sogar dreifache, letztere für eine öftere doppelte Generation.
Doch nicht nur bei ihrem Brutgeschäft, also wesentlich durch
Larvenfrass, bedrohen die Kiefern-Markkäfer unsere Bestände, sondern
auch durch Käferfrass, durch welchen irn Spätsommer und Herbst
die bekannten Abfälle, Abbrüche oder Brüche an den Kiefern
erzeugt werden. Die jungen, eben fertig gewordenen Käfer beider
Arten, welche in ihrem Gebuitsjahre nicht mehr zur Fortpflanzung
schreiten, bohren sich dann in die jungen Triebe benachbarter
Kiefern. Das Bohrloch, welches sich durch das austretende und
verhärtende, in Form eines Trichters dasselbe umgebende Harz
leicht kenntlich macht, befindet sich meist 2 bis 5 cm unterhalb der
468 Kap. IX. Die Käfer.
Spitzknospen, also im jüngsten und zartesten Theile des Triebes.
Ist es weiter von der Knospe entfernt, und geht der vom Käfer
ausgefressene Gang nicht bis an dieselbe, so entwickelt sie sich zu-
weilen, und die hohle Triebröhre füllt sieb wieder mit Holzmasse,
Meist erkennt man dies an den kurzen Bürstennadeln und an einer
Anschwellung des Triebes schon von weitem. Der Käfer frisst nur
die Markröhre aus, ohne aber je darin zu brüten, wie Anob. nigrinum
Er., und entfernt sich dann bald wieder daraus. Von den durch Schmet-
terlingsraupen verursachten Aushöhlungen von Trieben unterscheidet
sich dieser Borkenkäferfrass durch den Mangel an Raupenkoth in
den Röhren. Die Triebe brechen, mit oder ohne Zapfen, an der
Stelle des Bohrloches leicht herunter, oft wenn der Käfer noch darin
sitzt, und bedecken nicht selten den Boden merklich.
Diese Triebzerstörung wurde lange Zeit nur dem H. piniperda L. zuge-
schrieben. Aber schon Perrıs [98, S. 222] kennt auch H. minor Hrc. aus
Seekieferntrieben. EıcnHorr [15 a, S. 118] berichtet, dass SchREINER den letzteren
häufig in Trieben gefunden, Arrum ist neuerdings auch damit bekannt gewor-
den [XVI, III, 1, S. 262], und auch Jupzıcn hat bei Meissen H. minor Hre. in
Trieben gefunden. Arrum glaubt auch beobachtet zu haben [2 c], dass die
Käfer mitunter statt der Triebe die Stämme 2 bis 3 cm starker Kiefern angehen
und in deren Rinde unregelmässige Gänge fressen, ohne hier zu brüten.
Sobald anhaltender Frost eintritt, in unseren nördlicheren Gegen-
den also im November und December, verlässt der Käfer die Triebe
und bohrt sich an Randbäumen, zuweilen auch an Stöcken, in der
Gegend des Wurzelknotens durch die Rinde bis auf den Splint. Um
ihn hier zu suchen, muss man, wenn die Bohrlöcher nicht über der
Erde zu sehen sind, das Moos des Bodens etwas entfernen und auf
das Wurmmehl und die Harzkrümelchen, welche vor den Bohr-
löchern liegen, achten. An diesen Stellen überwintern sie. Nach
TASCHENBERG sollen die durch Harztrichter kenntlichen Ueberwinte-
rungsgänge oft ziemlich weit am Stamme hinauf vorkommen [XXII,
II, 8. 207].
Schaden. Wir haben es hier mit den wichtigsten Kiefern-
käfern zu thun. Sie wirthschaften durch ihren Larvenfrass ähnlich
wie der Fichten-Borkenkäfer. Indessen tritt dieser häufiger primär auf,
während die Kiefern-Markkäfer meist nur nach Raupenfrass, Schnee-
brüchen, Windwürfen, Ueberschwemmungsbeschädigungen und nament-
lich auch nach Waldbränden, welche die Kiefernstämme beschä-
digen, also secuudär, grosse Verbreitung erlangen. H. minor
bohrt meist nur stehendes Holz an und wurde früher als der
seltenere Käfer betrachtet, seitdem man aber mehr auf ihn achtet
und auch die Wipfelpartien in kränkelnden Beständen beob-
achtet, hat man ihn immer häufiger gefunden. H. piniperda begnügt
sick meist mit liegendem Holze, da ihn der Harzfluss aus den Bohr-
löchern des stehenden Holzes leicht erstickt; jedoch überwindet er
diesen auch, und man findet ihn nach Eulenfrass meist gemeinschaft-
lich mit H. minor, welcher letztere vielleicht für Verlangsamung der
Saftbewegung sorgt und dem H. piniperda dadurch vorarbeitet. Daher
Schaden von Hylesinus piniperda und H. minor. 469
findet man Stämme, an welchen erst H. minor in den Zweigen des
Wipfels haust, die absterben, ehe noch H. piniperda hinzukommt. Die
Fälle, in welchen beide Arten gemeinschaftlich einen ganzen Bestand
befallen und ihn ganz oder grösstentheils tödten, sind selten. In
soleben Fällen betheiligen sich gewöhnlich auch die Holzwespen,
welche im Innern der kranken oder abgestorbenen Stämme wirth-
schaften. Auch werden nicht nur die Stangenhölzer und Althölzer
als Brutplätze aufgesucht, sondern mitunter, namentlich von H. pini-
perda L., auch jüngere Kulturen im Alter von 12 bis 15 Jahren als
solche benutzt. Auch schon die Anlage der Ueberwinterungsgänge
kann schwächlichere Bäume empfindlich schädigen und sogar zum
Eingehen bringen, Der Frass von H. piniperda L. hat meist am ein-
gegangenen Stamme die Ablösung grösserer Rindenstücke zur Folge,
während die dünne Rinde der von H. minor Hra. bevorzugten
glatteren Stammtheile sich in kleinen Plättchen loslöst.
Ueber ausgedehntere Beschädigungen durch Larvenfrass der Kiefern-Mark-
käfer liegen schon ältere Berichte vor. So fand Gror« [XI, S. 115] die Käfer
Ende der Fünfzigerjahre im Reviere Grünhagen bei Lüneburg in 60jährigen
Kiefernbeständen in solcher Masse vor, dass im Winter vorher auf 47 ha 398
Fangbäume gefällt werden mussten, und dass doch noch Käfer genug das
stehende Holz angingen, weshalb Berichterstatter im Juli sämmtliche Bestände
mit einem Holzhauer absuchen und alles vom Käfer angegriffene Holz abgeben
musste; ja es musste die Revision noch später wiederholt werden, weil viele
Stämme erst nachher roth wurden. Die stärksten und gesundesten gingen
massenweise zugrunde. Am schlimmsten hauste der Käfer da, wo erst einmal
eine Blösse im Bestande war, die er dann immer mehr vergrösserte. Obgleich
bier auch von Jahren vor 1857 die Rede ist, so spielte doch dieses durch seine
ungewöhnliche Wärme berühmte und berüchtigte Jahr, welches auch in anderen
Gegenden Ausnahmserscheinungen hervorrief, die Hauptrolle. Auf verschiedenen
Preussischen Revieren wurde im Jahre 1862 über den Kiefern-Markkäfer geklagt.
Die Vergrösserung einmal vorhandener Blössen durch den Markkäfer beob-
achtete RATzEsurg im Gebirge, in den Bernburger Forsten des Harzes, wo aller-
dings der Käfer in den durch Boden und klimatische Verhältnisse nicht
begünstigten Kiefern leichtes Spiel hatte. Ganz besonders lehrreich sind die vor
Wırrkomm [75 5] gegebenen Schilderungen ausgedehnter Verheerungen von
H. piniperdaL. in Verbindung mit Tomicus sexdentatus Boerrn. und T. biden-
tatus Hest. in den Wäldern der Ostseeprovinzen. Schöne Beispiele für die
Neigung des H. piniperda L., durch Bodenfeuer geschädigte Kiefern anzugehen,
führt Rarzegure [V, S. 210] nach Beobachtuugen von Hryer an. Irgendwie ge-
köpfte Bäume befällt der Käfer, wie Nırsche beobachtete, mit ganz besonderer
Schnelligkeit. Sehr allgemein sind die Klagen über die Kiefern-Markkäfer als
Nachfolger der die Kiefern beschädigenden Raupen, und zwar scheint diese
Erscheinung nach Kieferneulenfrass noch. regelmässiger als nach Kiefernspinner-
frass vorzukommen. Ein neuerer Fall davon wird von Krorrer von der Herr-
schaft Primkenau berichtet [43, S. 75]. Ueber grössere Beschädigung durch
unsere beiden Käfer in Folge einer Salzwasserüberschwemmung von Kiefern-
beständen dureh Sturmfluth berichtet v. Bimzer [6] nach den Mittheilungen von
Oberförster BaLruasar von dem Revier Born auf dem Darss an der Ostsee.
Später ging der Käfer hier aber auch massenweise gesunde Bäume an. Absterben
von Kiefern in Folge des Vorhandenseins massenhafter Ueberwinterungsgänge
hat ausser Rarzerurg [Xl, S. 116] namentlich auch Tascnengere [XXIl, I,
S. 207] beobachtet.
Bei weitem gefürchteter sind aber die Schäden, welche durch
Anbohren und Vernichten der Zweigspitzen entstehen und
470 Kap. IX. Die Käfer.
den Thätern, weil sie gewissermassen die Bäume verschneiden,
von Linn& die Bezeichnung hortulanus naturae eintrugen, ein Name,
der sich in der Uebersetzung „Waldgärtner” in die forstliche
Praxis übertrug. „Abfälle” oder „Abbrüche” wurden auch an
Krummholzkiefern und Weymouthskiefern beobachtet. Diese Abfälle
sind so gewöhnlich, dass sie fast überall und alljährlich vorkommen,
glücklicherweise aber im geschlossenen Bestande mehr einzeln, in
Massen nur in Lücken desselben oder an freien Rändern, wo der
Käfer, von nahen Holzhöfen, Ablagen, besonders von den Holzstössen
naher Schläge u. s. f. herkommend, leicht zuschwärmen kann und
dabei hauptsächlich auf die hervorragenden Stämme, besonders auf
WIE ART,
Fig. 147.
Fig. 147. Triebzerstörungen durch Hylesinus piniperda L. und H. minor Hre.
hervorgebracht. In der kleinen Landschaft links sieht man bei aa Kiefern mit
normaler Kronenbildung, während die bei 5b durch die Arbeit der „Waldgärtner”
gelichtete Wipfel zeigen. Rechts ein von dem Käfer ausgehöhlter Trieb, ce Bohr-
loch mit Harztrichter, d aufgeschnittener Frasskanal.
alte, übergehaltene Kiefern, einfällt, die ihn also von Junghölzern
ableiten. Aeltere Stämme verlieren oft so viele Triebe an dem
ganzen Mantel der Krone, dass diese ihre gewölbte Form einbüsst,
und fast die Gestalt von Fichten oder Cypressen, mit einzeln her-
vorragenden Armen, annimmt, auch im Innern fehlerhafte Verzwei-
gung bekommt und der Baum endlich anfängt wipfeldürr zu werden
(Fig. 147). Im Laufe der Jahre gehen so auch zahllose Zapfen ver-
loren, und es kann möglicherweise das Wirthschaften in Samen-
schlägen dadurch unmöglich gemacht werden. Im jüngeren Holze
werden die Wipfel eigenthümlich lückig. Aber es fehlen die beiden
Abwehr des Schadens der „Waldgärtner”. 471
Kiefern-Markkäfer doch auch mehr im Innern der Bestände nicht. Der
Schaden, den sie hier anrichten, trifft nicht blos die befallenen, einzeluen
Bäume, sondern indirekt den ganzen Bestand, weil alles, was den
ohnehin lichten Kronenschluss der Kiefer noch weiter lichtet, nach-
theilig für den Boden wirkt. Hierauf ist entschieden Gewicht zu
legen, und verdienen schon deshalb die Käfer gründlich verfolgt zu
werden. Sie finden sich auch an jungen, besonders schlechtwüchsigen
Kiefern in der Markröhre ein; ihre Gegenwart wird hier an dem mit
weissem Harztrichter aussen bekleideten Bohrloche der jungen Triebe
erkannt, sowie an den massenhaft auftretenden Scheidentrieben.
Es können in Folge dieser Triebbeschädigungen, wenn sie sich
Jahr für Jahr wiederholen, ältere Kiefern auch direkt eingehen,
und durch Verbindung von Rinden- und Triebbeschädigungen werden
die schlimmsten Verheerungen durch die Kiefern-Markkäfer erklärlich.
Abwehr. Als Vorbeugungsmittel ist ausser der Erziehung
gesunder Bestände, passender Durchforstung und Entfernung aller
- geschädigten Stämme das rechtzeitige Werfen von Fangbäumen
zu bezeichnen. Ueber die Wirksamkeit dieser Massregeln, deren
specielle Ausführung wir im Allgemeinen weiter unten bei Gelegen-
heit des Fichtenborkenkäfers besprechen, ist kein Streit, wohl aber
verdient hervorgehoben zu werden, dass in neuerer Zeit vielfach über
die Dauer der Zeit, in welcher die Fangbäume zu werfen und zu ent-
rinden sind, Streitigkeiten entstanden. Die Regel hiefür ist nun ganz
allgemein, dass Fangbäume so lange geworfen werden müssen, als
- Käfer schwärmen, also in warmen Revieren und Jahren, in denen
doppelte Generation zu vermuthen ist, vom Februar bis September,
während in kälteren Jahren und Revieren dies nur im Frübjahr noth-
wendig wird. Die Entrindung hat stattzufinden, sobald die Larven aus-
geschlüpft sind, und sie muss im Allgemeinen für die erste Generation
Anfang Juni vollendet sein. Auf Schlägen lagernde Stämme müssen
wie Fangbäume behandelt werden, da sowohl hier, als bei anderen
Borkenkäfern das blosse Abfahren des befallenen Holzes aus dem
Walde nicht genügt. Erfolgt die Abfuhr nur nach benachbarten
Consumtionsorten, so finden die Käfer häufig ihren Weg nach dem
Walde zurück. Wird das Holz weit transportirt, so werden dadurch
nicht selten diese Waldverderber fremden Waldungen zugeführt. Die
Rinde ist zu verbrennen, da in blos abgeschälten oder abgeschnitzten
Rindenstücken sich doch viele Larven entwickeln können. Hat man
es auch mit H. minor Hrc. zu thun, so muss man besonders darauf
achten, dass die Schälung vollendet ist, ehe die Larven die Puppen-
wiegen bezogen haben, da diese im Holze liegen, und sich daher auch
in geschälten Stämmen Käfer entwickeln können. Mit Puppenwiegen
von H. minor Hr. bereits besetzte Zopfenden und schwächere
Stämme sollten wenigstens angeschwält werden.
Innerhalb der Bestände selbst werdeu, wenn hier viele krän-
kelnde Stämme, z. B. in Folge von Raupenfrass, vorhanden sind,
die gefällten Fangbäume nicht mit besonderer Vorliebe angenommen.
472 Kap. IX. Die Käfer.
Weit besseren Erfolg hat alsdann die Herstellung stehender Fang-
bäume durch Köpfung von Kiefern an der Stelle, wo die dünne,
hellbräunliche Rinde anfängt. Solche stehende Fangbäume müssen
natürlich nach erfolgtem Anfluge gefällt und entrindet werden. Einen
grösseren comparativen Versuch mit einigen Tausend Stück Fang-
bäumen beider Art hat KLoprer in Primkenau neuerdings auf An-
rathen von NrrsgH& durchgeführt, „und der Erfolg sprach in hervor-
ragender Weise für die geköpften” [43, S. 45 und 46]. Man hat
auch das Zusammenharken der im Herbst unter den Bäumen liegen-
den grünen Triebe empfohlen. Da aber die meisten schon wieder
vom Käfer verlassen sind, wenn sie abfallen, so darf man sich keine
grosse Wirkung von diesem Mittel versprechen.
Stamm und Aeste bewohnende Rindenbrüter, welche als
Larven den Laubhölzern schaden. Die zahlreichen, in diese biolo-
gische Gruppe gehörigen Arten der Gattungen Scolytus, Hylesinus
und auch Tomicus sind für die Praxis sehr ungleichwerthig. Die-
jenigen, welche nur in ganz schwachem Materiale oder in abge-
storbenen Stämmen und Stöcken vorkommen und zum Theile noch
immer für Sammler unter die Seltenheiten gehören, sind durch-
aus unwichtig und können hier nur kurz erwähnt werden. Andere
sind dagegen häufiger vorkommende, wirklich das Leben von Laub-
holzstämmen gefährdende Käfer, welche zwar nur in Ausnahmefällen
ausgedehntere Verwüstungen hervorbringen, dagegen sehr häufig
durch Zerstörung werthvoller Einzelbäume und kleinerer Baumgruppen,
namentlich auch von Alleebäumen, unangenehm werden. Ziehen wir aber
im Allgemeinen einen Vergleich zwischen diesen Laubholzschädlingen
und den biologisch und systematisch verwandten Nadelholzformen,
so müssen wir erstere, namentlich mit Rücksicht auf die viel grössere
Widerstandskraft und das stärkere Reproductionsvermögen der Laub-
hölzer, als die weit weniger gefährlichen erklären. Wir fassen die
wichtigeren nach den einzelnen, von ihnen bevorzugten Holzarten
zusammen und behandeln einige andere mehr als Anhang.
Rüstern-Borkenkäfer. Obgleich die Rüstern, und zwar gleich-
mässig unsere Feldrüster, Ulmus campestris L. und die Flatterrüster
U. effusa Wırnn., von einer grösseren Anzahl von Borkenkäfern heim-
gesucht werden, als die anderen Laubhölzer, so sind hier doch nur
drei Arten einer genaueren Erwähnung werth, nämlich
der grosse Rüstern-Splintkäfer, (Taf. II, Fig. 11)
Scolytus Geoffroyi GOEZE,
der kleine Rüstern-Splintkäfer,
Sc. multistriatus MArsn. und
der kleine bunte Rüstern-Bastkäfer,
Hylesinus vittatus FABr.
von denen die beiden ersten kurze Lothgänge (Fig. 148) machen,
während der dritte kleine doppelarmige Wagegänge (Fig. 149) er-
Rindenbrütende Rüstern-Borkenkäfer. 473
zeugt. Von den Frassfiguren der beiden Splintkäfer sind wieder
die von Sc. multistriatus Marsn. durch geringere Stärke der Mutter-
und Larvengänge und grössere Zahl und Gedrängtheit der von einem
Muttergange ausgehenden Larvengänge leicht zu unterscheiden. Alle drei
Formen können jüngere und kränkliche Bäume zum Absterben bringen,
und namentlich Sc. Geoffroyi GorzE hat schon Rüsternbestände durch
im Gipfel beginnende und allmählich herabsteigende, jahrelang
wiederholte Angriffe, denen schliesslich eine grössere Zahl Stämme
zum Opfer fiel, unangenehm gelichtet. Ihr grösster Schaden hat aber
immer in Alleebäumen stattgefunden. Fangbäume sind gegen diese
Schädlinge wirksam.
"Beschreibung. Scolytus Geoffroyi Gorze (destructor Ouıv., Ratze-
burgü Tums., Eccoptogaster scolytus Rarz.).. Käfer schwarz oder pech-
braun, glänzend. Halsschild etwas breiter als lang, ziemlich weitläufig und
fein, auf der Scheibe sehr fein punktirt. Flügeldecken braun, oft verwaschen
dunkel gefleckt, nach hinten verschmälert, tief punktirt-gestreift; Zwischenräume
breit und flach, fein und unregelmässig gereiht-punktirt. Stirn fein gerunzelt,
mit kurzen gelben Haaren. Der dritte und vierte Bauchring in der Mitte mit
einem kleinen Höckerchen. Fühler und Füsse röthlich-gelb, Schenkel und
Schienen braun, oft mit schwärzlichen Flecken. Beim S Stirn etwas flachge-
drückt, Afterspitze mit langen gelben Haaren. Beim P Stirn flach gewölbt,
Afterspitze ohne solche Haare. Länge 4—6 nım.
Sc. multistriatus Marsu. Käfer schwarz oder pechbraun, mässig glänzend.
Halsschild etwas länger als breit, auf der Scheibe fein und nicht dicht, an den
Seiten diehter und gröber punktirt. Flügeldecken braun, nach hinten ver-
schmälert, sehr dieht punktirt-gestreift, mit fast gleich starken Punkten. Stirn
sehr fein gerunzelt, nadelrissig. Der zweite Bauchring an der Spitze mit einem
grossen, wagerecht nach hinten gerichteten Dornfortsatz. Fühler und Beine röth-
lieb-braun. Beim d' die Stirn etwas flachgedrückt, an den Seiten und hinten mit
graugelben Haarbörstchen eingefasst. Stirn des 9 etwas gewölbt, ohne Borsten-
kranz. Länge 3—3°5 mm.
In Rüstern leben noch die seltenen Sc. pygmaeus FıArr. und Sc.
Kirschi SkaL.; auch Sc. Pruni Rarz. soll sich in Rüster verirrt haben
[XXIV, S. 27].
H. (Hylesinus Fark. i. eng. Sinne) vittatus Fasr. Käfer oval, glanzlos.
Halsschild etwas breiter als lang, nach vorn verengt, an der Basis sehr schwach
gebuchtet, äusserst feinkörnig punktirt, gelblich beschuppt mit zerstreuten
grösseren Körnchen besetzt, eine Mittellinie nur angedeutet. Flügeldecken hinten
abschüssig gewölbt, mit bräunlich-gelben und weisslichen Schüppehen dicht be-
kleidet, welche mitunter unregelmässige, viereckige Fleckehen, mitunter schräge
Längsbinden bilden, fein punktirt-gestreift; die flachen Zwischenräume erreichen
sämmtlich den Spitzenrand. Kopf und der sehr kurze Rüssel äusserst feinkörnig
punktirt und beschuppt, Fühler und Beine gelbroth. Länge 2—2'5 mm.
Sehr nahe steht diesem Käfer noch der H. Kraatzi Eıcan., welcher sich
von ihm namentlich dadurch unterscheidet, dass der zweite Zwischenraum der
Punktstreifen auf dem Flügeldeckenabsturze nicht bis zur Spitze herabreicht,
sondern sehr versehmälert und etwas abgekürzt ist. Die verwandten südlichen
Arten, H. Perisi CHar. und H. vestitus Murs. et Rey., gehören unserem Faunen-
sebiete nicht an.
Lebensweise. Die Frassfiguren der beiden hier in Frage
kommenden Scolytus-Arten bestehen aus verhältnissmässig kurzen
Längsgängen, die nur selten Luftlöcher haben. Auch bei dem grossen
Lehrbuch d. mitteleurops Forstinsektenkunde.! 31
474 Kap. IX. Die Käfer.
Rüstern-Splintkäfer (Fig. 148) sind sie meist nur 2—3 cm lang und
2:5—3 mm breit, bei dem kleinen erreichen sie dieselbe Länge, sind
aber viel schmäler. Die Larvengänge sind dagegen bei beiden ausge-
dehnt, mitunter 10—15 cm lang und laufen fast sternförmig von dem
kurzen Muttergange in der Rinde fort, in welcher auch die Puppen-
wiegen liegen. Nur bei dünnerer Rinde wird auch der Splint vom
Muttergange und den Puppenwiegen leicht gefurcht. Die grössere
Regelmässigkeit in der Anordnung der Larvengänge lässt die schwächere
Frassfigur des kleinen Rüstern-Splintkäfers leicht erkennen. Der
bunte Rüstern-Bastkäfer, H. vittatus Fasr, macht dagegen typisch
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Kiel,
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STEHEN mM IC
Fig. 149. Frass von Hylesinus
Fig. 148. Frassfigur von Scolytus Geoffroyi vittatus Faze. in Ulmenrinde.
Original nach einem von Prot.
HenscHEL in Wien geschenkten
Original. Präparate. !/, nat. Grösse.
GoezE in Ulmenrinde. !/, nat. Grösse.
zweiarmige, im ganzen 2—4 cm lange Wagegänge, welche haupt-
sächlich in der Rinde verlaufen. Die mittlere Eingangsröhre geht
nicht bis auf den Splint, sodass an der Innenseite der Rinde die
beiden Arme des Mutterganges durch eine kleine, unverletzte Rinden-
stelle (Fig. 149 a) getrennt erscheinen. [XXIV, S. 26]. Die Larven-
gänge sind kurze, in der Rinde verlaufende Längsgänge. Ganz ähnlich
frisst der nur schwer von H. vittatus FApr. unterscheidbare H. Kraatzi
Eıcan.
Rindenbrütende Rüstern-Borkenkäfer. 475
Der grosse Rüstern-Splintkäfer und seine Genossen sind Spät-
schwärmer, welche frühestens im Mai zur Fortpflanzung schreiten,
Sc. multistriatus Marsh. nach Eıcunorr [15 a, S. 161] sogar erst
im Juni und Juli. Ob letzterer eine doppelte Generation hat,
ist noch nicht festgestellt, dagegen sprechen verschiedene Beobach-
tungen dafür, dass die beiden ersteren oft noch einen Augustflug
haben. Auf jeden Fall überwintern die Larven.
Ueber einen Augustflug von Sc. Geoffroyi Gorze berichtet sicher Arrum
[2 d]| aus dem königl. Preussischen Staatsforstrevier Lödderitz. NÖRDLINGER
fand im August junge Käfer von H. vittatus Farr. [XX!V, S. 26] und Leyo-
HECKER [!5 a, S. 143] fand ihn am 21. Mai stark schwärmend. Wie wir uns durch
Untersuchung der Käfer, die aus einem von Prof. HrxscHer in Wien der Tharan-
der Sammlung geschenkten Frassstücke genommen wurden, überzeugen konnten,
sind die Frassgänge vonH. vittatus FAgr. genau denen desH. Kraatzi Eıcan., welche
EıcHHorr abbildet, gleich, sodass also von Seiten NÖrDLInGEr’s keine Verwechs-
lung vorliegt [15 a, S. 141]. Sc. multistriatus Marsn. ist nach Aırum [XVI, III,
1, S. 247] in Frankreich durch v. Sarısca in Pappel gefunden worden, und Sc.
Geoffroyi GoEZE wird von HenscHeL auch als gelegentlicher Eschenbewohner
bezeichnet [XIl, 2. Aufl., S. 205].
Der Schaden aller dieser Formen besteht lediglich in dem
Larvenfrass. Der Angriff von Sc. Geoffroyi GoEze ist am genauesten von
Oberförster Brecner in Zoeckeritz bei Bitterfeld beobachtet worden.
Hier befällt er [XVI, III, 1, S. 244] unbemerkt die obersten Zweige
der Ulmen, bringt diese zum Absterben und steigt dann allmählich
tiefer herunter, schliesslich den Baum tödtend. Sein Angriff erfolgt
stets nur an saftigen Stellen. Auch jüngere Bäume kann er befallen,
wie die Beobachtungen von ScHinpLer [66, S. 16] zeigen, der den-
selben nicht nur an einzeln stehenden Samenbäumen, sondern auch
an einer „fünfjährigen Maiss” in dem Sellyer k. k. Fondsforste in
Ungarn fand. Nach demselben Beobachter kommt Sc. multistriatus
MaArsH. mebr in den Aesten vor. Ein sehr bekannt gewordener Fall
von Alleebaumzerstörungen durch beide Splintkäfer ist der von Rarze-
BURG [62 c] berichtete auf dem Tempelhofer und Schöneberger
Ufer zu Berlin, wo verpflanzte Bäume von 20—30 cm Durchmesser,
die durch Grundwasser geschädigt waren, in Folge dieser Angriffe
eingingen. Andererseits kennt Rarzesura einzelne ältere Rüstern,
welche viele Jahre lang den Käfern widerstanden [XV, II, S. 266].
Ein wirklicher Schaden von H. vittatus FAagr. wird nur durch
ScHINDLER beschrieben |66, S. 18 bis 20], und zwar aus den bereits
oben erwähnten Sellyer Forsten, wo 1858 „1200 Stück 1 bis 2 Zoll
starke und 6 bis 10 Schuh hohe Rüsternstämmchen” dem Käfer, der
durch v. FrRAUENFELD bestimmt wurde, zum Opfer fielen und entfernt
werden mussten.
Abwehr. Einschlag der befallenen Bäume und Verbrennung
der mit Larven besetzten Aeste und der stärkeren Rinde ist ein
Vertilgungsmittel. Öberförster BrecHher hat mit Erfolg gegen die
grösseren Splintkäfer Fangbäume, beziehungsweise -Aeste angewendet
31*
6 Kap. IX. Die Käfer.
IxVI, III, 1, S. 244]. Rarzegurg berichtet [V, 1, S. 228], dass man
in Brüssel junge Alleebäume durch Anstrich mit Steinkohlentheer zu
schützen versucht habe.
Beachtenswerth ist ferner das, was GRrUNERT zunächst aus Frankreich
mittheilt [26 5, S. 74]. Bei den von Borkenkäfern angegangenen Rüstern sucht
man dort gewissermassen eine Verjüngung der Rinde durch Abschälen von 5 bis 6
Längsstreifen von der Wurzel bis in die Aeste verlaufend oder durch ein Ab-
nehmen der rauhen Borke bis auf eine ganz dünne Schicht über dem Baste, oft
auch durch eine Verbindung beider Massregeln herbeizuführen. Das Mittel soll
nicht erfolglos sein, und man sieht in dieser angeblich schützenden Weise unter
Anderem auch die riesigen Ulmen im königl. Park in Brüssel behandelt.
RATzegure schlägt für diese Procedur den Namen ‚,‚Searification” vor und sucht
ihre Wirksamkeit in der Entstehung von Ueberwallungschichten.
Eschen-Borkenkäfer. Die beiden hierher gehörigen
Formen sind
der kleine bunte Eschen-Bastkäfer,
Hylesinus Fraxini FABr. und
der grosse schwarze Eschen-Bastkäfer,
H. crenatus FApr.
Ersterer lebt in Stämmen und Aesten von Eschen aller Alters-
klassen über Heisterstärke, während der im allgemeinen seltenere,
schwarze Eschen-Bastkäfer namentlich alte Eschen mit starker, rissiger
Rinde bevorzugt. Obgleich die Eschen den Angriffen dieser Käfer
häufig lange Widerstand leisten, so sterben doch bei alljährlich
wiederholtem Angriffe, der namentlich bei dem bunten Eschen-Bast-
käfer in der Krone beginnt und dann stammabwärts fortschreitet,
oftmals nicht nur einzelne Aeste, sondern ganze Bäume und Baum-
gruppen ab. Da H. Fraxini Faser. auch liegendes Holz angeht, kann
man ihn durch Fangbäume bekämpfen. Wegen H. crenatus FABRr.
hilft nur Einschlag der stark befallenen Stämme mit nachfolgender
Entrindung und Verbrennen der brutbesetzten Rinde.
Besehreibung: H. (Hylesinus Far. i. eng. Sinne) Fraxini FaBkr.
Käfer oval, pechbraun bis schwarz, unten dieht greis behaart. Halsschild fast
doppelt so breit als lang, nach vorn verengt, an der Basis fast gerade abge-
stutzt, oben fein runzelig punktirt und gehöckert, mit gelblieh-grauen Schüppehen
bedeckt, an der Basis vor dem Schildehen beiderseits mit einem bräunlichen
Fleck. Flügeldecken von der Basis nach hinten fast gleichmässig gewölbt, hinten
nicht steil abschüssig, fein punktirt-gestreift, mit flachen, gehöckerten und hinten
reihig gekörnelten Zwischenräumen, unregelmässig buntscheckig beschuppt.
Kopf sehr fein und dicht punktirt, grau behaart. Rüssel sehr kurz. Fühler und
Füsse rothgelb. Länge 2:5—3'2 mm.
H. (Hylesinus Far. i. eng. Sinne) crenatus Fasr. Küfer lang eiförmig,
gewölbt, schwarz, etwas glänzend, fast unbehaart. Halsschild etwas breiter als
lang, nach vorn verengt, am Hinterrand beiderseits tief gebuchtet, an den Seiten
serundet, tief und dieht punktirt, mit einem glatten Punkt auf der Mitte der
Seheibe und einem flachen Eindruck beiderseits vor dem Hinterrand. Flügel-
decken gekerbt-gestreift, nach hinten nicht steil abfallend, Zwischenräume quer-
runzelig, mit kurz beborsteten Höckerehen. Kopf und der an der Spitze einge-
drückte, breite Rüssel runzelig punktirt. Fühler und Beine braun-röthlich. Länge
4:5—5'5 mm.
Rindenbrütende Eschen-Borkenkäfer. Auen
Gelegentlich bewohnt (vgl. S. 472) auch Scolytus Geoffroyi Göze
die Esche.
Lebensweise. Die beiden Eschenbastkäfer sind nicht nur
durch ihre Grösse und Färbung zoologisch leicht unterscheidbar,
sondern auch ihren Frassfiguren nach. Der gemeinere von beiden,
H. Fraxini FAer., macht deutliche doppelarmige, meist 5 bis 8 cm
lange Wagegänge mit kurzer mittlerer Eingangsröhre, von denen eine
grössere Anzahl kurzer, dieht gedrängter Larvengänge meist ziemlich
senkrecht nach oben und\unten abgehen (Fig. 150). Die Muttergänge
sowohl wie die Larvengänge schneiden meist tief in das Holz ein,
und nur an sehr starkborkigen Stämmen verlaufen sie mehr in der
| M Mi || ,
N u ") I
Fig. 150. Fig. 151. Fig. 152.
Fig. 150. Frass von Hylesinus Fraxini Farr. in einer stärkeren Eschenrolle.
t/, nat. Gr.; Original.
Fig. 151. Frass desselben Käfers mit abnorm gerichteten Muttergängen in einem
sehr schwachen Aste. !/, nat. Gr.; Original.
Fig. 152. ‚‚Rindenrosen” an Esche, entstanden als Folge der Ueberwinterungs-
gänge des bunten Eschenbastkäfers. !/, nat. Gr.; Original.
Rinde wie im Splint. In Folge dessen sieht ein stark mit H. Fraxini
Fapr. besetztes Aststück, nachdem die Rinde entfernt wurde, häufig
aus, als wäre es zierlich mit künstlichem Schnitzwerk versehen. Die
Puppenwiegen liegen entweder mit ihrer Längsachse in der Peri-
pherie des Holzes oder dringen senkrecht in dasselbe ein (Fig. 151),
wiebei H. minor Hrg. an Kiefer. Beide Formen können an einem und
demselben Frassstück vorkommen. Bei starkem Anfluge ist ein Baum
mitunter so dicht mit Frassfiguren besetzt, dass Gang dicht an Gang
gedrängt erscheint, ohne die mindeste Unterbrechung.
478 Kap. IX. Die Käfer,
Die Frassfiguren können je nach dem Material einige Unterschiede zeigen.
In ganz starken Stämmen werden die hier wirklich horizontalen Muttergänge
länger und können nach Arrum [XVI, III, 2, S. 275] bis 16°6 cm lang werden,
in schwachen Aesten weichen sie dagegen öfter von der Querrichtung ab und
erscheinen alsdann mehr längsgestellt (Fig. 151), ohne dass dies hier immer
der Fall wäre. An sehr harte, z. B. durch Sonnenbrand ausgedörrte Stellen
gehen die Käfer ungern; ist an einem Baume eine solche Längszone vorhan-
den, so hören an ihrer Grenze die Muttergänge wie abgeschnitten auf, und nur
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Fig. 153. Fig. 154.
Fig. 153. Eschenrolle mit Frassgängen von Hylesinus crenatus FAsr. I nor-
maler, zweiarmiger Muttergang (a b) mit sehr langen Larvengängen c, welche
zum Theil (ec) wieder von hinten herum kommen. II und III angefangene ab-
norme Muttergänge.
Fig. 154. Stark besetzte Eschenrinde mit dichtgedrängten Frassfiguren von
demselben Käfer [Nıtschk, 55].
die äussersten Larvengänge verirren sich, unregelmässig geschlängelt, in dieselbe.
Die Menge der Gänge ist oft ganz unglaublich. Auf einer Rolle der Tharander
Sammlung von 100 cm Länge und 13'5 cm mittlerem Durchmesser ist buch-
stäblich nicht 1 gmm ohne Frassgang, und an einem anderen Stamme
von 280 cm Länge, einem oberen Umfange von 32°5 cnı und einem unteren von
60 cm wurde die Anzahl der vorhandenen Fluglöcher von uns auf ungefähr
24000 Stück berechnet. Auf drei verschiedenen Rindenstellen von je 1 gdem
Fläche wurden je 232, 246 und 262 Fluglöcher gezählt.
Hylesinus Fraxini und H. vittatus. 479
Auch H. crenatus Far. macht der Regel nach zweiarmige, in
das Holz eingreifende Wagegänge, deren einer Arın aber mitunter sehr
kurz ist (Fig. 153), wie denn überhaupt diese Gänge die Länge derjenigen
des bunten Eschenbastkäfers, welche sie an Stärke beiweitem über-
treffen, nicht erreichen. Häufig nur 2 bis 4 cm lang, messen die
längsten uns bekannten nur 8°5 cm für beide Arme zusammen. Die
von ihnen abgehenden Larvengänge sind dagegen viel länger, häufig
bis 30 cm, und verlaufen nur eine kurze Strecke in der Längsrich-
tung des Baumes nach oben oder unten, biegen dann aber mehr
weniger rechtwinklig in die Querrichtung um, sodass sie schliesslich
den Muttergängen parallel verlaufen... Die grossen ovalen Puppen-
wiegen liegen an der Grenze von Rinde und Holz, in letzteres ver-
tief. Die soeben beschriebene und abgebildete normale Frassfigur
erkennt man aber nur dann, wenn die Frassfiguren vereinzelt stehen
(Fig. 153). An stark besetzten Stämmen verwirren sich die Gänge
derartig, dass man nur selten ein klares Bild bekommt. Sogar ein
solches, wie das in Fig. 154 abgebildete, ist verhältnissmässig selten,
Wenngleich auch gelegentlich in dünner berindeten Aesten vorkom-
mend, finden sie sich am häufigsten in den starkborkigen Stämmen
und starken Aesten. ;
Rartzegure [V, 1, S. 223] kannte nur einarmige, ganz kurze Wagesänge,
aber schon Neumann II [53,] beschreibt die zweiarmigen Gänge als Regel,
desgleiehen NÖRDLINGER [XXIV, S. 25]. Die Angaben von Arrum [2 d, S. 399],
dass die Gänge immer nur einarmige Wagegänge wären, lassen sich also nicht
festhalten, ebensowenig wie die, dass der Käfer, ehe er den eigentlichen Mutter-
gang anlegt, gewöhnlich erst in der Rinde hakenschlagend einen Minirgang
fresse. Die ausführlichste Beschreibung isolirter, deutlicher Frassfiguren rührt
von Nırsche her [55]. Neben den normalen Muttergängen kommen, wie
schon Neumann [53] und Barrıox [46] abbilden, ganz unregelmässige, mehrarmige
vor (Fig. 153 II und III).
Der gewöhnliche Brutbaum von H. Fraxini Fapr. ist die ge-
meine Esche, Fraxinus excelsior L. In unserem Forstgarten ist er
auch auf Ornus Europaea Pers. vorgekommen.
Im Süden geht er an den Oelbaum — Nırsche hat schöne derartige
Frassstücke von der Riviera zurückgebracht — und einmal ist er auch von
Kerzer [41 a] an Akazie beobachtet worden, desgleichen nach Hexscaer [32 d]
von Lippert im Apfelbaum. Ganz kürzlich hat Hexscr#eu [32 f] den Käfer auch
einmal in letztjährigen Eichentrieben und einjährigen Stockausschlägen, die ihm
aus Tribuswinkel bei Baden zugesendet wurden, brütend gefunden. Er hatte sich
hier in die Knospenachseln oder die Knospen selbst eingebohrt, und zwar so
zahlreich, dass die Schosse' sicher bald absterben und vertroeknen mussten, und
die Larven also vielleicht nicht einmal Zeit zur Entwiekelung gefunden haben
dürften.
Auch H. crenatus Fapr. ist, wie schon bemerkt, ein typischer
Eschenkäfer, wurde aber nach den ausführlichen Mittheilungen von
Barzıon, die Körser [46] übersetzt hat, in Russland, im Gouverne-
ment Cherson, auch in alten Eichen zahlreich gefunden. Die geogra-
phische Verbreitung beider Formen dürfte wenigstens dieselbe sein,
wie die der gemeinen Esche. H. Fraxini FApr. ist von Skandinavien
480 Kap. IX. Die Käter.
bis nach Italien, von Frankreich bis Russland bekannt und soll sogar
in Californien vorkommen [I5a, $. 136]. H. crenatus Far. ist durch
ganz Europa verbreitet. Die frühere Angabe, dass er vorzugsweise
ein Gebirgsthier sei, ist unhaltbar. Er kommt ebensogut im bayeri-
schen Gebirge, im Harz und im höheren Erzgebirge, wie in den
Ebenen der Provinz Sachsen und am Ostseestrande vor.
Die Generation des bunten Eschenbastkäfers wurde von
RarzEeBurG als einjährig angesprochen und wird vielfach auch jetzt
als ausschliesslich einjährig angegeben, was für die meisten Lagen
richtig sein mag. Dagegen weist Eıcnuorr [I3 a, S. 138] für den Elsass
im Jahre 1879 sicher eine doppelte Generation nach. Die gewöhnliche
Flugzeit dieses überhaupt nicht sehr früh schwärmenden Käfers fällt
meist in den April und Mai, und es kommt bei doppelter Generation
dann noch ein zweiter Flug von Mitte August an hinzu. Die Ueber-
winterung geschieht stets als Käfer, und zwar wie zuerst NÖöRD-
LINGER nachwies [IX, S. 40], „in unregelmässig gefressenen, meist in
der Nähe von Aesten oder Aststellen sich findenden Gängen”. Diese
Gänge, welche nach Henscaer [32 c] etwas gebogen, aber nahezu
horizontal sind und 2cm Länge nicht übersteigen, liegen „aus-
schliesslich in der Grünrindenschicht und sind gedeckt von der
äusseren dünnen Rindenhaut”. Sie sind es, von denen, nachdem beim
ersten Angriff Ueberwallung durch Wundkork eingetreten ist, bei
erneuten Angriffen in späteren Jahren die Bildung jener „Rinden-
rosen” (Fig. 152) ausgeht, die zuerst Rarzegura [XV, 2, S. 275]
beschrieb und abbildete, und welche vielfach mit Unrecht als eine
krebsartige Bildung angesehen werden. Hexschzr glaubt, dass die
Anlage dieser Ueberwinterungsgänge oft bereits im August beginnt.
Bei H. crenatus FABr. sprechen die in der Literatur vorhandenen
Angaben für eine doppelte Generation, und zwar in der Art, dass
aus den in der ersten Flugperiode Ende April und Mai abgelegten
Eiern bis zum Juli Käfer entstehen, welehe wieder brüten und deren
Nachkommen dann als Larven überwintern. Indessen überwintern
vielfach auch die Käfer, und Aurum ist geneigt, einen April- und
einen Octoberflug anzunehmen.
Die genaueren Angaben über Flugzeit und Entwickelung rühren von
NEUMANN II [53], Nörpuinger |XXIV, S. 25] und Arrum [2 d, S. 400 —401]
her. Auch eine Beobachtung von Nırsch£ [55, S. 188] stimmt mit doppelter
Generation.
Schaden. Die Frage, ob H. Fraxini FApr. nur kränkliche
Bäume angehe oder auch gesunde, wird von verschiedenen Schrift-
stellern verschieden beantwortet. Rassmann, einer der ältesten Bericht-
erstatter, schreibt |60, S. 187], dass der Käfer 1836 im Reviere
Alt- und Neu-Sternberg, Regierungsbezirk Königsberg in Preussen,
stets vorzugsweise die stehenden, gesunden Bäume wählte, und auch
Artum [XVI, III, 1, S. 277] ist geneigt, dies anzunehmen. Froh-
wüchsiges Jungholz wird aber stets gemieden, wie ALtum von Ebers-
walde berichtet und die Jupzın’schen Beobachtungen in Tharand be-
Rindenbrütende Eschen- und Eichen-Borkenkäfer. 481
stätigen. Andere Autoren, z. B. Eıcnuorr |I5a, S. 139] und Henscheu
[32 c] sprechen aber dafür, dass meist nur kränkelnde Bäume an-
gegangen werden. Der Anflug erfolgt häufig vom Wipfel herab nach
unten. Auch nimmt der Käfer mit besonderer Vorliebe geschlagenes
und aufbereitetes Holz, Meterstösse und dergleichen an. Was den
Schaden betrifft, so ist sicher, dass nicht sehr kranke Bäume den
Frass oft viele Jahre aushalten, obgleich häufig die Zweige absterben.
Mehrt sich aber der Angrifl, gehen die Frassfiguren rings um den
Stamm herum, oder erreicht ihre Häufigkeit gar das oben geschil-
derte Extrem, so gehen die Bäume sicher ein. Für H. crenatus Far.
gilt in Betreff des Schadens wohl im Allgemeinen genau dasselbe, wie
für seinen bunten Verwandten, dass nämlich sein starker Angriff Bäume
wirklich tödtet, andererseits diese einem schwachen lange widerstehen
können, Beachtenswerth für diese Art ist besonders, dass ihre Larvengänge
sehr lang sind und horizontal um den Stamm verlaufen, sodass an
schwächeren Stämmen und Aesten die Frassgänge nicht nur bis auf
die der Lage des Mutterganges entgegengesetzte Seite reichen, son-
dern wieder auf die Vorderseite kommen können (vgl. Fig. 153 c‘‘),
also fast 360° umfassen. Hierdurch wird leicht eine fast vollständige
Ringelung und demgemäss eine sehr starke Saftstromunterbrechung
veranlasst.
Abwehr. Als Vorbeugung lässt sich das Werfen von Fang-
bäumen, in welche wenigstens H. Fraxini FaABr. sicher geht, gut
empfehlen. Dieses Werfen müsste spätestens Mitte April geschehen.
Ist eine schnelle Entwiekelung bemerkbar, so wäre noch im Anfang
August eine neue Reihe von Fangbäumen herzustellen. Auch für
H. crenatus Fagr. werden Fangbäume angerathen, nur hätte man
hier mehr starkborkige zu wählen. Aurum [2 b, 8. 401] empfiehlt die
Herstellung stehender Fangstämme durch künstliche Beschä digung
starker Stämme an ihrer unteren Partie. Als Vertilgungs mittel
kann nur Einschlag und Entrindung der befallenen Stämme mit
nachfolgender Rindenverbrennung wirken. Doch dürfte es namentlich
bei hohem Anfluge schwer sein, gleich den Anfang des Angriffes zu
erkennen.
Eichen-Borkenkäfer, welehe Rindenbrüter sind und physio-
logisch schaden, sind überhaupt nicht zahlreich. Beashtenswerth ist
unter ihnen nur
der Eichen-Splintkäfer,
Scolytus intricatus RaArz.,
welcher verschiedene Eichen, auch ausländische angeht und durch
sein Brutgeschäft, bei welchem ganz kurze, einarmige Muttergänge mit
riesig langen Larvengängen gemacht werden, schwächere Stämme und
Aeste zum Eingehen bringen kann.
Beschreibung: Scolytus intricatus Rarz. (Eccoptogaster pygmaeus GYLL.).
Käfer schwarz, dünn greis behaart. Halsschild fast etwas breiter als lang, auf
der Scheibe stark glänzend, fein und weitläufig, an den Seiten dichter und
482 Kap. 1X. Die Käfer.
gröber, etwas runzelig punktirt. Flügeldecken matt pechbraun, nach hinten
etwas verschmälert, mit sehr dichten, feinen, etwas unregelmässigen Punktstreifen,
welche hier und da durch schräg gerichtete feine Runzeln und Strichel unter-
brochen werden. Naht nur am Schildehen, nieht weit nach hinten vertieft. Stirn
fein nadelrissig. Fühler und Beine röthlich-braun. Bauchringe bei beiden Ge-
schlechtern einfach, letztere äusserlich nicht sicher zu unterscheiden. Länge
3—3'5 mm.
Lebensweise. Die Frassfiguren dieses Käfers bestehen aus
kurzen, einarmigen, den Splint tief furchenden Wagegängen von 1
bis höchstens 3 cm Länge. Von ihnen gehen, gleichfalls in den
Splint tief eingreifend, lothrechte,
etwas geschlängelte, 10 bis 15 cm
langeLarvengängeab, deren Puppen-
wiegen bald in der Rinde liegen,
bald in den Splint eindringen. Iso-
lirte Frassfiguren (Fig. 155 A) sind
verhältnissmässig selten, dagegen
findet man oft schwächere Stämm-
chen und sogar solche bis zu 15 cm
Stärke derartig besetzt, dass ein-
zelne Larvengänge kaum mehr unter-
scheidbar sind, vielmehr der Splint
in seiner ganzen Ausdehnung durch
parallele Längsfurchen wie cannelirt
erscheint. Die Muttergänge, deren
Einzelbezirke man nicht mehr ab-
grenzen kann, erscheinen dann als
kurze Querfurchen (Fig. 155 B).
Als Flugzeit wird der Mai ange-
geben. Die Begattung erfolgt nach
Jupeıcn’s Beobachtungen ganz im
Freien. Sieheres über die Genera-
tion weiss man aus dem Freien
nicht. Bei mehrmaliger künstlicher
Zucht in Tharand fand JupeıcH die
B
4.
Fig. 155. Frass von Scolytus intrica-
tus Rarz. in Eiche. a die kurzen Wage-
gänge, A schwacherAst mit einer isolir-
ten Frassfigur, die in Folge künstlicher
Zucht entstanden. B starker Frass in
einem älteren Stämmcehen. Originale.
Heister, welche schon kränklich,
von Agrilus-Arten angegangen
eingesprengt sind, kann er auch
Generation einjährig mitüberwintern-
den Larven. Als Brutbaum wählt
Sc. intricatus RATz. meist unsere
gewöhnlichen Eichenarten, und
zwar schwächere Stämme und
namentlich auch solche, die primär
sind. Wo ausländische Eichen
diese befallen. So berichtet schon
Wesrwoon [V, I, 8. 229], dass ein Stamm von Quercus Lusitanica
im Jardin des Plantes von ihm 1838 getödtet worden sei, und das
Gleiche wurde neuerdings zu Tharand im Forstgarten an der nord-
amerikanischen Quercus Prinos, var. tomentosa beobachtet. Sehr gern
befällt er auch eingeschlagenes Holz, das zu Zäunen, Bänken, Pfählen
Rindenbrütende Eichen- und Birken-Borkenkäfer. 483
u. s. f. benutzt wurde. Ausserdem kommt er, wie schon RATZEBURG
wusste [XV, S. 185], ausnahmsweise auch in Buche vor.
Die Ansichten über die Schädlichkeit dieses Thieres sind ge-
theilt. Meist wird es als nur unbedeutend angesehen, da neuere
genaue Angaben über ausgedehntere Verwüstungen nicht vorliegen,
ausser einer von Arrum [XVI, III, 1, S. 248] eitirten Mittheilung
von WECKBECKER, dass Ende der Siebzigerjahre in der Oberförsterei
Ville, Regierungsbezirk Cöln, eine grosse Anzahl junger Eichen von
ihm getödtet sein sollen. Aber Rarzesura [V, I, S. 229] weiss bereits
1839 in seiner Forstinsektenkunde eine Reihe von Schädigungen an-
zuführen, unter denen die ursprünglich von Aupouın mitgetheilte, in
Folge deren im Vincenner Walde bei Paris 50 000 Stämme 20- bis
30jähriger Eichen hatten gefällt werden müssen, immer wieder
eitirt wird.
Ausserdem lebt Tomicus (Dryocoetes) villosus FAsr. namentlich unter
der dieken Rinde älterer Eichen und guter Kastanien. Er unterscheidet sich
von seinem bei uns gemeinen Verwandten, dem T. autographus Rarz. (vgl.
S. 454), dadurch, dass sein grobhöckerig punktirtes Halsschild nach hinten nicht
verengt und so breit wie die Basis der Flügeldecken ist. Letztere sind noch
gröber als bei T. autographus punktirt-gestreift, mit einem am Absturz breit
furchenartig vertieften Nahtstreifen; der ganze Käfer ist sehr lang behaart. Länge
2-3—3 mm. Eine forstliche Bedeutung kommt diesem Thiere nicht zu.
Für den Osten bleibt es beachtenswerth, dass Bartıon [46] im Cherson-
schen Gouvernement in Russland an starken Eichen auch Hylesinus crenatus
FApr. gefunden hat.
In Birke kommt nur ein rindenbrütender Borkenkäfer vor,
nämlich
z der Birken-Splintkäfer,
Scolytus Ratzeburgii Jans.,
dessen Angriffe leicht kenntlich sind durch die in Reihen geordneten
Luftlöcher, welehe von dem Weibchen in die Decke des lothrechten
Mutterganges, von dem lange Larvengänge abgehen, gefressen werden,
und sich als schwarze Punkte deutlich von der weissen Rinde ab-
heben. Er kommt meist nur in bereits erkrankten Birken vor und
hat daher keine grosse, forstliche Bedeutung.
Beschreibung. Scolytus Ratzeburgii Jans. (destructor Trms., Eccopto-
gaster destructor Rarz.) Küfer schwarz, glänzend. Halsschild kaum länger als
breit, vorn etwas ausgerandet, auf der Scheibe sehr fein und weitläufig, an den
Seiten etwas gröber punktirt. Flügeldecken nach hinten wenig verschmälert,
fein punktirt-gestreift. Zwischenräume breit und flach, sehr fein, etwas unregel-
mässig gereiht punktirt. Stirn fein gerunzelt, in der Mitte mit einem namentlich
beim 2 deutlichen Längskiel. Fühler und Füsse röthlich-braun, Schienen und
namentlich Schenkel dunkler. Beim d' Stirn flach vertieft und dicht mit
langen, gelben Haaren besetzt, der dritte Bauchring in der Mitte des Hinter-
randes mit einem kleinen Höcker, der Hinterrand des vierten Ringes in der
Mitte leistenartig erhaben, die quere Erhabenheit etwas ausgerandet. Beim ?
dritter und vierter Bauchring einfach, Stirn flach gewölbt, nur spärlich und kurz
behaart. Länge 4+5— 7 nım.
454 Kap. IX. Die Käfer.
Lebensweise. Dieses lange Zeit mit dem grossen Rüstern-Splint-
käfer zusammengeworfene Thier ist namentlich durch seine auch auf
dem Holze deutlich kenntliche Frassfigur gut charakterisirt. Seine
Muttergänge sind stets bedeutend grösser als die von jenem, bis 10 cm
lang, und beginnen häufig mit einer unregelmässigen Krümmung
(Fig. 156). Die Copula findet so statt, dass das Männchen auf der
Rinde sitzt und das halb im Bohrloch steckende Weibchen begattet.
Die Larvengänge bilden, dicht gedrängt und bis 15 cm lang, eine
meist völlig abgeschlossene Frassfigur. Die Muttergänge haben oft
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Fig. 156. ea, Ikatk
Fig. 156. Birkenrolle mit Frassfigur von Scolytus Ratzeburgii Jans. Original.
Fig. 157. Luftlöcherreihen von demselben Käfer an Birke. Die senkrechten
Reihen gehören zu Muttergängen, die schrägen zu Minirgängen. Original.
nur 2 bis 4, manchmal jedoch mehr Luftlöcher; ein uns vorliegendes
Frassstück zeigt deren 9 auf einem 7'5 cm langen Muttergange
(Fig. 157). Aber es giebt auch, wie Aurum zuerst nachwies [XVI,
III, 1, S. 245], unregelmässige, schräg gestellte Gänge, welche gar
nicht zur Ablage von Eiern dienen, dicht unter der äusseren Rin .e
verlaufen, ebenfalls oft mit reihenweise geordneten Luftlöchern ver-
sehen und schon von weitem zu erkennen sind. Die Puppenwiegen
liegen meist in der Rinde, greifen aber mitunter auch in den Splint ein.
Rindenbrütende Birken- und Obstbaum-Borkenkäfer. 485
Der Birken-Splintkäfer ist jedenfalls merklich sehädlich. Wenn
er auch nach den bisherigen Erfahrungen nur kränkliche, ältere oder
Jüngere Birken, oder wenigstens solche, welche von kimmerlichem
Wuchse sind, angehen soll, so beschleunigt er deren Absterben doch
in oft störender Weise. Mittheilungen über grössere Schäden haben
wir nur aus dem Osten, aus den ÖOstseeprovinzen und dem übrigen
Russland, wo der Käfer bis nach Sibirien und Transkaukasien vor-
kommt und sein Frassbaum eine wichtige und verbreitete Holzart ist
145, S. 249].
Wirrkoma [75 5, S. 240] berichtet über einen starken Frass zu Dondangen
in den Ostseeprovinzen, wo namentlich durch Waldbrände beschädigte Bäume
häufig von ihm vollends getödtet werden. Nach Reese [45, S. 250] ist er bei St.
Petersburg oft schädlich geworden, und im nördlichen Russland fallen ihm
nach LIinpEMmAnn namentlich die Alleebäume zum Opfer.
Gegenmittel ist wohl nur Fällen und rechtzeitiges Entrinden, was
bei der wohl stets nur einjährigen Generation — im Winter findet
man Larven und Puppen — leicht möglich. Ob der Käfer durch Fang-
bäume genügend angelockt werden kann, ist uns nicht bekannt. Bei
künstlicher Zucht im Zwinger nimmt er frisch gefälltes Birkenholz
sehr gern an.
Die Obstbaum-Borkenkäfer sind hier auch zu erwähnen,
da oftmals Obstbäume eingesprengt in Laubholzwaldungen vorkom-
men, und auch richtige Waldbäume, wie Eberesche, Sorbus aucuparia
L., und Traubenkirsche, Prunus padus L., befallen werden. Zwei
Formen sind wichtiger, nämlich
der grosse Obstbaum-Splintkäfer,
Scolytus Pruni Rarz. und
der kleine Obstbaum-Splintkäfer,
Sc. rugulosus RATz.
Die Muttergänge beider Arten sind Lothgänge, von denen die
an ihrem Anfange meist eine gelappte Erweiterung zeigenden von
Sc. Pruni Rartz. bedeutend grösser und stärker sind, als die des
zweiten. Von einem wirklichen durch sie verursachten Schaden wissen
wohl nur die Obstzüchter zu berichten.
Beschreibung. Sc. PruniRarz. (Eceoptogaster Pyri Ratz., castaneus RATz.)
Käfer schwarz, glänzend. Halsschild nicht länger als hinten breit, oben äusserst
fein und weitläufig, feiner als bei Sc. intricatus, an den Seiten etwas gröber punk-
tirt, sein Vorderrand rothbraun. Flügeldecken dunkel- oder roth-braun, nach hinten
kaum verschmälert, mit einer grossen Zahl eng aneinanderstehender, fast
gleich starker Punktstreifen, an den Seiten verworren punktirt. Naht am Schild-
chen ziemlich weit nach hinten vertieft. Stirn nadelrissig, Fühler und Beine
röthlich-braun. Bauchringe bei beiden Geschlechtern einfach; überhaupt sind
letztere äusserlieh nicht sieher zu unterscheiden. Länge 3—4'5 mm.
Die grösseren Exemplare des Sc. Pruni unterscheiden sich von den ihnen
sonst recht ähnlichen, ungewöhnlich kleinen weiblichen Exemplaren des Sc.
Ratzeburgii Jans. leicht durch den Mangel der erhabenen Längslinie auf der
Stirn, welche letztere Art auszeichnet.
486 Kap. IX. Die Käfer. *
Sc. rugulosus Rarz. Käfer länglich oval, pechbraun, wenig glänzend.
Halsschild länger als breit, ziemlich stark nach vorn verengt, Vorderrand schmal
röthlich gesänmt, dieht und tief mit länglichen Punkten besetzt, welche nament-
lich an den Seiten zu Längsrunzeln zusammenfliessen. Flügeldecken matt,
dunkelbraun, an der Spitze lichter, nach hinten stark verschmälert, mit dicht
gedrängten, tiefen Punktstreifen, feinen Runzeln und feinen aufrecht stehenden
Haarbörstehen. Naht vom Schildehen aus nur weniz nach rückwärts vertieft.
Stirn fein nadelrissig. Fühler, Schienen und Tarsen röthlich-braun. Bauch bei
beiden Geschlechtern ohne Höcker oder Dornen, gewölbt, gleichmässig nach
dem After zu aufsteigend. Länge 2—2'5 mm.
Lebensweise. Die Frassfigur von Sc. Pruni (Fig. 158), welche
den Splint deutlich furcht, besteht aus 5 bis 6 cm, ja ausnahmsweise
10 bis 12 cm langen Muttergängen, die bald stammaufwärts, bald staınm-
abwärts gefressen sind und gewöhnlich mit einer lappigen, fast einem
schlecht gezeichneten Kartentreff ähnlichen Figur beginnen. Nörp-
i LInGER |XXIV, S. 27] nennt diese
Erweiterung wohl mit Unrecht Ram-
melkammer, da nach direkten Beob-
achtungen von JupeıcH die Begattung
hier in derselben Weise vollzogen
wird wie bei Sc. Ratzeburgii Jans.
(vgl. S. 484). Da, wo die Gänge
isolirt stehen, erkennt man, dass die
zahlreichen Larvengänge, welche nach
rechts und links divergirend abgehen,
an dem oberen und unteren Ende des
sa Mutterganges sich nicht aneinander-
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A | In schliessen, wodurch eine deutlich zwei-
N \ \ zeilige Anordnung der Larvengänge
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| entsteht. Die Larvengänge sind lang,
furchen den Splint gleichfalls und
enden in häufig tief in letzteren ein-
greifenden Puppenwiegen.
Die Muttergänge von Sc. rugu-
Fig. 158. Frass von Scolytus Pruni losus Ratz. sind ähnlich, aber viel
Rarz. in Eberesche. Original. kürzer und gewöhnlich ohne die
eben geschilderte Erweiterung. Auch
seine Larvengänge sind weniger zahlreich. Ausnahmsweise sollen nach
Aurum [XVI, III, 1, S. 249] auch kurze Wagegänge als Muttergänge
vorkommen. Die Brutbäume beider Käfer sind Apfel- und Birnbaum,
Kirsche, Pflaumenbaum, Traubenkirsche, Weissdorn, Eberesche. Der
kleinere soll nach Arrum auch an Aprikosen vorkommen, und der
grössere wurde ausnahmsweise auch in Rüster gefunden (vgl. S. 473).
Grössere Schäden von ihnen sind nur an Obstbäumen bekannt. Aurum
berichtet, dass der kleine Obstbaum-Splintkäfer häufig bei Eberswalde
die Pflaumen empfindlich schädige, und ein grosser Frass an Obst-
bäumen wird aus Schlesien durch Lerzner |49] geschildert. JupEicH
hat bei dreimaliger, künstlicher Zucht des Sc. Pruni in Weisswasser
Obstbaum- und minder wichtige Laubholz-Borkenkäfer. 487
stets eine nur einfache Generation beobachtet, eine solche scheint also
jedenfalls Regel zu sein; Ausnahmen sind freilich nicht unmöglich. Die
Ueberwinterung geschieht wohl meist als Larve. Besonderes über
Vorbeugung und Vertilgung ist bei diesen Arten nichts zu sagen,
höchstens wäre anzuführen, dass man vielleicht in Obstbaumplan-
tagen die Stämmchen durch einen Anstrich schützen könnte.
In alten, anbrüchigen Hainbuchen frisst ferner Scolytus Carpini Rarz.
Er macht ähnlich wie Sc. intricatus Rarz. kurze Wagegänge. Die einzige in
der Literatur zu findende Mittheilung über seine forstliche Bedeutung ist die von
RATZEBURG citirte Angabe Reıssıa’s [XV, II, S. 215], dass er ein „Feind der
alten Kopfholz-Hainbuchen, welehe im Darmstädter Oberwalde und im Revier
Bessungen in lichten Eichenbeständen vorkommen”, sein soll. Der Käfer brütet
nach RaArzesurg an der Grenze der gesunden und absterbenden Borke, bis bei
öfterer Wiederkehr der Stamm selbst eingeht. Hier in Tharand ist er selten.
Beschreibung. Sc. Carpini Rarz. Käfer pechschwarz, etwas glänzend.
Halsschild etwas länger als breit, auf der Scheibe fein und ziemlich dicht, an
den Seiten gröber und dichter punktirt. Flügeldecken dunkelbraun, nach hinten
wenig verschmälert, sehr dieht und gleich stark punktirt-gestreift, aber nicht
gerunzelt; an den Seiten ist die ganze Punktirung dichter und verworren, die
Vertiefung der Naht erstreckt sich vom Schildehen aus etwas weiter nach hinten
als bei Sc. intricatus, aber nicht so weit als bei Sc. Pruni. Fühler, Schienen
und Füsse gelbbraun. Stirn fein nadelrissig, beim S (?) etwas eingedrückt, beim
® flach gewölbt, Bauchringe bei beiden Geschlechtern einfach. Länge 3—3°5 mm.
Die in Rothbuchen vorkommenden Borkenkäfer sind ohne jede prak-
tische Bedeutung. Häufig ist an ihnen, und zwar meist in alten Stöcken oder be-
schädigten Stellen starker Bäume, Tomicus bicolor Hssr., und zuweilen kommt
Tomicus Fagi FAgr. in schwachen Aesten und unterdrückten Stämmchen vor.
Beide haben, ersterer seiner Grösse entsprechend etwas stärkere, letzterer
schwächere, sehr unregelmässige Muttergänge mit meist längs verlaufendeu
Larvengängen. Auch der gewöhnlich in Eichen brütende Scolytus intricatus
Rarz. kommt gelegentlich in Buche vor, desgleichen Hylesinus oleiperda Fapr.
Beschreibung. Tomicus (Taphrorychus Eıcun.) bicolor Hsst. Käfer
walzenförmig, pechbraun bis schwarz, mässig glänzend, mit langen grauen
Haaren überall besetzt. Halsschild etwas länger als breit, nach vorn abgerundet
verschmälert, vorn runzlig gehöckert, hinten fein und dicht punktirt, ohne glatte
Mittellinie, in der Mitte leicht quer eingedrückt und vor dem Eindruck lichter
gefärbt. Flügeldecken dicht punktirt-gestreift, die Zwischenräume fast ebenso
stark wie die Hauptstreifen punktirt, so dass die Flügeldecken oft unregel-
mässig punktirt erscheinen. Absturz steil abfallend mit tieferem Nahtstreifen.
Fühler und Beine blassbräunlich. Beim Ö Stirn nur dünn behaart, Absturz der
Flügeldecken flach mit erhöhter Naht; beim 2 Stirn mit dichter grau-gelber,
borstenartiger Behaarung, Absturz der Flügeldecken etwas gewölbt. Länge
2—2:3 mm
T. (Ernoporus Tums.) Fagi Farr. Käfer langgestreckt, walzenförmig,
peehschwarz, wenig glänzend. Halsschild so lang wie breit, vorn auf der Scheibe
mit einem aus einzeln stehenden Höckerchen bestehenden Höckerfleck, welcher
die Mitte nicht überragt, am Vorderrande mit zwei kleinen, eng beisammen
stehenden, vorragenden Körnchen. Flügeldecken viel länger als das Halsschild,
äusserst fein und dicht gerunzelt, mit kurzen Haarbörstchen reihenweise be-
setzt; an den Seiten mit Spuren von Punktstreifen. Augen vorn ganzrandig.
Fühlerkeule dunkel, mit nach vorn in ovalem Bogen gekrümmten Nähten. Hinter-
schenkel dunkel. Länge 1’5—1'8 mm.
In Linde fressen zwei Borkenkäfer, nämlich Tomicus Tiliae Panz. und
T. Schreineri Eıcnn., beide der Untergattung Ernoporus Tuums. angehörig.
In Aspe und Pappel kommt Tomicus (Glyptoderes) binodulus Rarz. (aspe-
488 Kap. IX. Die Käfer.
ratus GYLL.) vor, wo auch gelegentlich Scolytus multistriatus Marsh. gefunden
wurde. In Ahorn lebt Tomicus (Dryocoetes) Aceris Lmpemans, in Erle
Tomicus (Dryocoetes) Alni Geore und Glyptoderes Alni Linvemann. In der
Hasel findet sieh Tomicus (Dryocoetes) Coryli PErkrs.
Hier seien noch kurz einige Borkenkäferformen erwähnt, welche in dico-
tyledonen Holzpflanzen, Stauden und Kräutern vorkommen, aber keine direkten
Beziehungen zum Walde haben.
Im Süden ist besonders der Olivenbaum in Betracht zu ziehen. Dass
in ihm auch Hylesinus Fraxini FAgr. vorkommt, wurde bereits erwähnt (S. 479),
und ausser dem gleichfalls bereits oben erwähnten Hylesinus oleiperda FAsr.,
welcher dem H. crenatus Far. am nächsten steht und nach Costa einarmige
kurze Wagegänge macht, frisst hier namentlich als specifischer, wirthschaftlich
sehr beachtenswerther Schädling der doppelarmige Wagegänge erzeugende, mit
lang dreiblättriger Keule versehene Phloetoribus Oleae Far. Aus Spanien
haben wir ferner durch Wırrkomm Lothgänge in Oelbaumrinde erhalten, die
wahrscheinlich von Scolytus armatus ComorLı, einer Varietät von Sc. multistria-
tus Marsn., herrühren.
Im Feigenbaum lebt der kleine Tomicus (Hypoborus) Ficus ERr.,
im Maulbeerbaum Tomicus (Liparthrum) Mori Aus.
An Spartium scoparium Wımm., der Besenpfrieme sowie in Ulex
Europaeus L., und Cytisus laburnum L. kommt ferner der kleine Hylesinus
Phloeophthorus) Spartii Nörpr. vor. Er macht als Muttergänge unter der Rinde
Gabelgänge, bei welchen die Gabelschenkel fast längs gestellt nach oben ver-
laufen. Auch Hylesinus Trifolii MüLer, der meist in Kleewurzeln brütet, wurde
von NÖRDLINGER [XXIV, S. 23] in Besenpfrieme gefunden.
In der Waldrebe Clematis vitalba L. wohnt namentlich in Süddeutsch-
land häufig Tomicus (Xylocleptes) bispinus Durr, dessen Muttergänge
unregelmässig zu sein scheinen.
In Epheustämmen lebt Hylesinus (Kissophagus) Hederae ScaMipr.
An wirklich krautartigen Gewächsen, nämlich Teucrium scorodonia
Mvcn., Origanum vulgare L., auch Lamium album L. und Betonica officinalis
L. kommt Tomicus (Thamnurgus) Kaltenbachii Bacn. vor, der an den
Stengeln dieser Pflanzen Gallen erzeugt, welche aber nicht, wie Eıcnsorr [I5 a,
S. 209] noch nach den irrigen Angaben von Perrıs berichtet, durch oberfläch-
liches Anfressen der Stengel seitens des Weibehens erzeugt werden, sondern
nach den ganz genauen Untersuchungen von Buppegere [10] durch das Ein-
dringen des Weibehens in die Stengel, wo es die Eier in unregelmässige
Höhlungen ablegt. Dies ist wiehtig, weil hierdurch eine angebliche Ausnahme in
der Biologie der Borkenkäfer, der einzige Fall, in welchem das Borkenkäfer-
weibehen seine Eier von aussen her ablegen sollte [15 a, 8. 13], beseitigt wird.
Rindenbrütende Borkenkäfer, welche Nadelholzstämme und
Aeste bewohnen und nur als Larven schaden. Von den in dieser
fünften Gruppe zu erwähnenden Thieren, welche zum Theil als
Schädlinge allerersten Ranges angesehen werden müssen, sind zwar
wohl nur sehr wenige wirklich monophag, und manche sogar ziem-
lich polyphag, dagegen kann man bei den meisten eine Holzart als
bevorzugte Brutstätte angeben, und da diese zugleich die Bedeutung
der Käfer für die Praxis kennzeichnet, so theilen wir hiernach,
unter dem eben angedeuteten Vorbehalte, da der Lärche eigene
specifische Borkenkäfer fehlen, die hierhergehörigen Thiere in,
Tannenschädlinge, Kiefernsehädlinge und Fichtenschäd-
linge. Weniger wichtige, nur beiläufig zu erwähnende Formen be-
Nadelholz-Borkenkäfer i. Allg. und Tannen-Borkenkäfer i. Bes. 489
handeln wir aber mit Abweichung von dieser Grundeintheilung im
Anschluss an ihre wichtigeren Verwandten, auch wenn sie eine
andere Nährpflanze haben. Am besten abgeschlossen sind
die Tannen-Borkenkäfer, unter welchen nur zwei wirklich
beachtenswerthe Thiere vorkommen, nämlich
der krummzähnige Tannen-Borkenkäfer,
Tomicus curvidens GERM. und
der kleine Tannen-Borkenkäfer,
T. Piceae Rarz.
Diese zwei Bestandsverderber, von denen namentlich der erstere
schon lange gefürchtet ist, sind in allen Tannenrevieren um so unan-
genehmere Gäste, als bisher keine Berichte über die Anwendbarkeit
von Fangbäumen als Vorbeugungsmittel gegen ihre Schäden vorliegen,
und ihre Vertilgung insofern Schwierigkeiten bereitet, als gegen T. cur-
videns Germ., da dessen Puppenwiegen häufig völlig im Splint versenkt
liegen, das Verbrennen der Rinde der befallenen Stämme nicht ge-
nügt, diese vielmehr selbst angekohlt werden müssen, und weil der in
den Gipfelpartien erfolgende Angriff von T. Piceae Rarz. schwer in
seinen Anfängen erkennbar ist.
Der an Grösse individuell sehr ver-
schiedene, krummzähnige Borkeukäfer ist
im männlichen Geschlechte an dem grossen,
hakenförmigen zweiten Zahne des Ab-
sturzes, im weiblichen an der goldgelben
Stirnbürste leicht kenntlich. Seine Mutter-
gänge haben als Grundform die Gestalt
einer einfachen —- oder doppelten,
liegenden Klammer —<. Der kleine Fig. 159. Absturz der Flügel-
Tannen-Borkenkäfer ist von ihm durch decken bei f undQ@von Tomi-
die viel geringere Grösse und den Mangel
jeder Bezahnung am Flügeldeckenabsturze
leicht unterscheidbar.
cus curvidens GERM.
Beschreibung. Tomicus curvidens Germ. Käfer walzenförmig, pech-
braun, wenig glänzend, lang gelblich behaart. Vorderbrust nach hinten zwischen
den Vorderhüften mit scharfem Fortsatz. Die runde Fühlerkeule mit fast gerader
Basalnaht, die folgenden Nähte leicht nach der Basis zu gekrümmt. Halsschild
etwas länger als breit, vorn breit gerundet, gehöckert, in der Mitte auf der
Scheibe beiderseits quer eingedrückt, hinten fein, nieht dieht punktirt, mit
glatter Mittellinie. Flügeldeeken etwas länger als das Halsschild, mit tiefen,
nach hinten, namentlich beim S' breiter werdenden Punkt- oder Kerbstreifen;
Zwischenräume sehr fein reihig-punktirt. Absturz fast senkrecht mit einem fast
kreisförmigen, glänzenden, punktirten Eindruck. Beim S in der Regel beider-
seits drei Zähne, von denen der oberste, Zahn 1, klein, nach aufwärts gerichtet,
Zahn 2 sehr gross, hakenförmig nach unten gekrümmt, 3 ebenfalls gross, aber
wenig gekrümmt ist. Zwischen Zahn 2 und 3 befinden sich zwei zahnförmige
Höckerchen. Beim 9 werden diese Höckerchen sehr undeutlich, und treten nur
die drei Zähnchen hervor, bleiben aber viel kleinerer als beim Z und sind
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde, 32
490 Kap. IX. Die Käfer.
nicht gekrümmmt. @ überdies mit einem Büschel langer, gelber Haare auf der
Stirn. Vorderschienen nach vorn etwas erweitert, mit Rinnen für die Füsse.
Länge 2:5—3 mm.
Lebensweise. Die Muttergänge dieses wichtigen Käfers ver-
laufen wagerecht, oder, wenn sie sehr gedrängt sind, mehr oder
weniger schräg (Fig. 160). Sie sind in der Regel zweiarmig, mit
längerem Fingange; mitunter stossen mehrere so zusammen, dass
scheinbar unregelmässige Sterngänge entstehen, eine Form, die EıcH-
Horr [Id a, 8. 247, Anm.] sogar geneigt ist, als die normale anzusehen,
wobei er den Käfer als polygam annimmt. Mutter- und Larvengänge
furchen meist den Splint, erstere stärker als letztere. Die Larve bohrt
sich zur Verpuppung oft reichlich 2 mm tief in den Splint, legt alsdann
die Puppenwiege also ganz im Holze an und verschliesst das zu letzterer
führende kleine Bohrloch mit feinen Bohrspänen. In diesem Falle
findet man unter der Rinde keine Puppen-
wiegen, sondern am Ende der Larvengänge
aufdem Splinte nur weissliche, punktförmige
Erhöhungen von kaum 1 mm Durchmesser;
entfernt man diese, so sieht man darunter
das kleine Eingangsloch, welches zur ver-
senkten Puppenwiege führt. Oft liegen aber
auch die Puppenwiegen im Baste oder nur
oberflächlich im Splinte.
Die gewöhnlichen Brutbäume des
Käfers sind stärkere Weisstannen, Abies
pectinata Dec., und zwar in der so über-
wiegenden Mehrzahl der Fälle, dass er nur
in Tannenwäldern als wirklich heimisch an-
zusehen ist [I a, S. 246]. Doch wurde er
mehrfach auch in Fichte und Lärche
[XXIV, S. 31], sowie in anderen, namentlich
auch ausländischen Nadelhölzern gefunden.
Solche Vorkommen sind beschrieben von
NÖRDLINGER |56 a] an einer abgestorbenen, in einem
Tannenbestand befindlichen starken Kiefer zu
Herrenalb, invom Schnee gedrückten Weymouths-
kiefern zu Adelberg [56c] und in einer Balsam-
tanne, Abies balsamea Miırtr., zu Tübingen [XXIV,
S. 31]. Letzterer Frass wird neuerdings aus dem
Park von Gross-Wisternitz bei Olmütz an 15jähri-
gen Stämmehen bestätigt [76]. Körren fand den
Käfer in Baden-Baden an der Nordmannstanne, Abies Nordmanniana STtev.
[45, S. 258 Anm.], und Korrar [44 a] in den kaiserlichen Parkanlagen bei Wien
ausser in Fiehten und Lärchen auch in der sibirischen Pechtanne, Abies
Pichta Fore. vom Altai und in der Libanon-Ceder, Cedrus Libani Bark.,
deren kostbaren 50jährigen Stamm der Käfer bald tödtete. In Lärchen wurde
er 1876 auch in Tharand beobachtet. Ganz vereinzelt steht die Meldung von
RıeseL [63 c], dass er einmal auch in einer Buche gebrütet habe; die Bestim-
mung des Frasses erfolgte hier freilich nur nach der Gangform, nicht nach dem
Käfer selbst.
Fig. 160. Frass von Tomi-
cus curvidens Ger". in
Weisstanne; die kleinen
schwarzen Punkte deuten
die Oeffnungen der Puppen-
wiegen an.
Krummzähniger Tannen-Borkenkäfer, Tomicus curvidens. 491
Entsprechend der Verbreitung seiner Brutpflanze ist der krumm-
zähnige Tannen-Borkenkäfer hauptsächlich als Mittelgebirgsthier an-
zusehen, das z. B. im Schwarzwalde, im Thüringerwalde, in der
rauhen Alb, in den Vogesen und im Erzgebirge häufig vorkommt.
Er gehört zu den Frühschwärmern, welche schon im April fliegen,
und es ist allseitig zugegeben, dass er, wie schon RarzegurG nach
den Mittheilungen von Zese als wahrscheinlich bemerkt, eine doppelte
Generation hat, im Juli also zu einer zweiten Brut schreitet, die noch
im Herbst vollendet wird, sodass — einige Ausnahmen abgerechnet
— das Thier als Käfer in den Puppenwiegen der zweiten Generation
überwintert. In heissen Jahren ist eine dreifache Generation direkt
beobachtet worden, so in Schemnitz durch Kanrıca [39, S. 59].
Schaden. Die Weisstanne hat ihren wichtigsten und gewöhn-
liehsten Feind an diesem Borkenkäfer. Wo sie in reinen und ge-
mischten Beständen vorkommt, selbst bis auf die höchsten Punkte
des Schwarzwaldes und des Cantal in der Auvergne [NÖRDLINGER,
XXIV, S. 31], folgt er ihr. In Württemberg und Böhmen soll
schon kein Tannenrevier mehr sein, wo er nicht lästig oder ge-
fährlich würde. Hier müssen öfters Hunderte von starken Bäumen,
welche plötzlich oder allmählich getödtet worden sind, gefällt werden.
Ganz besonders schädlich wurde er in den Sechzigerjahren als Be-
gleiter des Tannenwicklers in der Gegend von Karlsbad. Er unter-
scheidet sich’in seinem Angriffe von dem Fichten-Borkenkäfer da-
durch, dass er am liebsten die Stämme einzeln befällt, und von
einmal entstandenen Lücken aus sich weiter verbreitet. Scheinbar
ganz gesunde Stämme, bei denen Saftausfluss die ersten Angriffe
zurückschlägt, fallen ihm schliesslich doch zum Opfer [15 a, S. 247].
Er brütet sowohl in den Gipfeln wie in den unteren Stammtheilen
starker Bäume, in Stangenhölzern und Schonungen ist er dagegen noch
nicht schädlich geworden. Kasora sah ihn allerdings solche ebenfalls
angehen, er wurde aber durch den Saftausfluss zurückgetrieben, und
die Stangen blieben gesund |[V, 1, 8. 191]. Ueber die Schnelligkeit,
mit der sein Angriff nachtheilig wird, lauten die Berichte sehr ver-
schieden. Einigen Angaben zufolge soll derselbe bereits nach wenigen
Wochen ein Gelbwerden der Nadeln verursachen, und der stärkste
Stamm ihm höchstens ein halbes Jahr Widerstand leisten [z. B. 39,
S. 62], nach anderen soll ein Baum jahrelang bewohnt werden
können, ehe er abstirbt.
Dieser Käfer wurde in Württemberg schon 1803 durch v. SponEck im
Engelsbrander Gemeinderevier und 1807 durch Grürer im Revier Blitzenreute
als schädlich erkannt [V, 1, S. 190]. 1835 mussten gleichfalls in Württemberg
im Revier Murrhardt 2700 /m, und zwar von den stärksten Sortimenten gefällt
werden [XXIV, S. 31]. Rarzesure [V, 1. S. 190] berichtet auch aus Ober-
schlesien von Schäden. 1851 fand ein Frass im Boonwalde bei Zofingen in der
Schweiz statt [78] und 1863 ein solcher in Ungarn auf dem Schemnitzer Revier
[39], wo vom Mai 1863 bis zum August 1864 12953 Stämme in Folge der
Angriffe dieses Käfers gefällt werden mussten. Bei dem grossen Böhmischen
Borkenkäferfrass in Folge des Windbruches im Jahre 1868 trat in den Tannen-
g2=
492 Kap. IX. Die Käfer.
beständen dieser Käfer massenhaft auf [l8, S.6]. Auf Tharander Revier fielen
ihm Ende der Sechziger- und Anfang der Siebzigerjahre die durch die Einwir-
kung des Lokomotivrauches kränkelnden Tannen an den Weiseritzhängen fast
sämmtlich zum Opfer.
In Verbindung mit diesem grösseren Tannen-Borkenkäfer kommt
häufig auch der kleine Tannen-Borkenkäfer vor.
Beschreibung. Tomicus (ÖCryphalus) Piceae Rarz. Käfer länglich
oval, gewölbt, braun, greis behaart. Halsschild viel breiter als lang, an der Basis
am breitesten, vorn mit einem bis etwas über die Mitte reichenden, aus concen-
trisch gereihten Höckern gebildeten Fleck, der Vorderrand jedoch ohne beson-
ders hervorragende Körnchen. Flügeldeecken kaum doppelt so lang als das Hals-
schild, gewöhnlich heller gefärbt, undeutlich, kaum sichtbar punktirt, mit äusserst
feinen Schuppenhärchen bestäubt und mit längeren, greisen, aufgerichteten
Haaren reihenweise besetzt. Augen vorn in der Mitte etwas ausgerandet. Länge
1’5—2 mm.
Lebensweise. Dieser winzige Käfer macht, wie zuerst NÖRD-
LINGER 1848 nachwies, unregelmässige, mehr platzartige Muttergänge
(vgl. das Schema Fig. 142, Nr. 1°), in welchen die Eier einzeln ab-
gelegt werden. Die Larven fressen aber von hier aus jede für sich
in der Rinde einen getrennten, kurzen Larvengang, der in einer
mitunter in den Splint eingreifenden Wiege endet. Sein Brutbaum
ist wohl ausschliesslich die Weisstanne, welche er sowohl in den
jüngeren Schonungen, als in den älteren Beständen angeht. In letzteren
richtet sich der Angriff wesentlich gegen die Gipfel und Aeste, aus
denen er aber auch allmählich tiefer heruntersteig. Nur einmal
wurde er von NÖRDLINGER in einer Fichtenwurzel [XXIV, S. 36] und
in Steiermark von HrnscHeu in 10- bis 15jährigen Lärchen [32 5, S. 15]
gefunden. Die Generation des Käfers, welcher normalerweise als
Imago überwintert, wird von Eıcunorr als wenigstens doppelt ange-
geben [I5 a, S. 174]. Er schwärmt zuerst im März und April, zum
zweitenmale im Juni, und vielleicht kann es zu einer dritten Gene-
ration kommen. Der erste bekannt gewordene grössere Frass dieses
Thieres in Verbindung mit seinem eben beschriebenen, krummzähnigen
Vetter ist von Rırsen aus Adelmannsfelden in Württemberg be-
schrieben [63 5b]. Die Bemerkung von Kaution, dass Bostrichus abietis
in Schemnitz gleichfalls häufig an jüngeren Tannenbeständen 1863
aufgetreten wäre |39, S. 60], bezieht sich offenbar auf unseren Käfer.
Die schwersten Beschuldigungen gegen ihn erhebt Eıcnuorr [13 a,
S. 173 bis 175], welcher ihn 1872 in dem Vogesenrevier Albersch-
weiler als sehr schädlich kennen lernte. Er ist geneigt, ihn als den
schädlicheren der beiden Tannen-Borkenkäfer anzusehen und ihm die
Schuld an dem nach den verschiedensten Berichterstattern stets von
oben nach unten fortschreitenden Absterben der Tannen bei Borken-
käferfrass zuzuschreiben. Auch hier in Tharand trat der Käfer häufig
in Gesellschaft des T. curvidens auf.
Abwehr. Gegen die, wie wir eben sahen, mitunter sehr be-
deutenden Schäden dieser Tannenfeinde sind bis jetzt stets nur
Vertilgungsmittel angewendet worden, und zwar Einschlag der be-
Kleiner Tannen-Borkenkäfer, Tomieus Piceae. 493
fallenen Stämme mit nachfolgender, rechtzeitiger Schälung und
Verbrennung der Rinde. Dort, wo der kleine Tannen-Borkenkäfer
mitfrisst, muss aber auch alles schwächere Material, welches nicht
gut. entrindet werden kann, Gipfelstüicke und Aeste, dem Feuer
übergeben werden. Fortgesetzte, consequente Reinigung des Revieres
in dieser Weise hat in den meisten Fällen zu wirklich erfolgreicher
Abwehr genügt, trotzdem bei diesem Verfahren sicher viele Larven
und Puppen im Holze zurückbleiben, in welchem sie sich, auch nach
Entfernung der Rinde, normal entwiekeln können [Jupeıcn, 38 b], da
ähnlich wie bei Hylesinus minor Hre. (vgl. 5. 464) und oftmals auch
bei Scolytus Pruni Rarz. (vgl. S. 486), die Puppenwiegen des
krummzähnigen Borkenkäfers häufig im Splint vertieft liegen. Wollte
man daher bei der Bekämpfung ganz sorgfältig verfahren, so müsste
man, wie schon RıeseL [63 b] sehr richtig bemerkt, eigentlich die
ganzen Stämme dem Feuer übergeben, was aber wohl nur dann
thunlich ist, wenn in der Nähe industrielle Anlagen vorhanden sind,
welche, wie z. B. Glashütten oder Eisenschmelzen, auch noch nicht
ganz ausgetrocknetes Holz als Feuerungsmaterial verwenden können,
Denn’ eine längere Aufstapelung des Holzes auf dem Walde benach-
barten Lagerplätzen würde immer noch die Gefahr der Rückkehr
der auskommenden Käfer nach dem Walde einschliessen. Das Ver-
brennen des Holzes blos zum Zwecke der Vernichtung dürfte wohl
nur für die geringwerthigsten Sortimente zu empfehlen sein. In den
leichteren Brennhölzern könnte man den versteckten Feind dadurch
tödten, dass man sie in dem mit Rinde und Astholz gespeisten Feuer
etwas röstete, Mit schweren Nutzhölzern, Klötzen und Stämmen wird sich
nicht viel anfangen lassen. Ueber die Anwendung von Fangbäumen
gegen diese Käfer liegen unseres Wissens bisher keine Berichte vor.
Arrum [XVI, III, 1, S. 303] bezweifelt ihre Wirksamkeit, während
Eıchuorr [I5 a, S. 248] mehr von ihnen erhofft. Er ist auch der An-
sicht, dass es sich zur Bekämpfung des kleinen Tannen-Borkenkäfers
empfehle, „Versuche zu machen mit zartrindigen Fangknüppeln, Zopf-
enden und Reisig, welche eventuell mit dem Stammende in die Erde
einzugraben wären, um sie länger frisch zu erhalten” [15 a, S. 175].
„Gute Wirthschaft, voller Bestandesschluss’”’ ist das beste Vorbeu-
gungsmittel [XVI, III, 1, S. 303]. Ausführliches in letzterer Be-
ziehung, sowie auch über die Behandlung der Fangbäume, findet
man in dem der Darstellung der Fichten-Borkenkäfer angehängten
Abschnitte über „Abwehr.
Viel zahlreicber und polyphager sind diejenigen Borkenkäfer
dieser Abtheilung, welche wir nach ihrem bevorzugten Brutbaume als
Kiefern-Borkenkäfer bezeichnen wollen. Es sind unter ihnen
viele sehr beachtenswerthe Feinde des Forstmannes, wenngleich sie
an Wichtigkeit sicher weit hinter den später zu besprechenden
Fichten-Borkenkäfern zurücktreten, und „Wurmtrocknisse’”’ so aus-
sedehnter Art wie letztere noch niemals verursacht haben, sondern
erst im Gefolge der Kiefernkahlfrass erzeugenden Schmetterlingsraupen
494 Kap. IX. Die Käfer.
und in Verbindung mit den aus biologischen Gründen bereits oben
(S. 468) besprochenen Kiefern-Markkäfern, Hylesinus piniperda L.
und H. minor Hre., in grösserem Masse schädlich geworden sind.
Welehe Schäden ihnen im Besonderen zur Last zu legen sind, wird
nach den Arten getrennt abgehandelt werden. Dagegen wollen wir
uns auf eine Besprechung der Abwehrmassregeln bei den einzelnen
Arten nicht einlassen, ja nicht einmal solche für die Kiefern-Borken-
käfer allein bringen. Es stimmen nämlich die Lebensgewohnheiten
der verschiedenen, die gleichen Altersklassen der Kiefern bewohnen-
den Borkenkäfer so nahe einerseits unter sich, andererseits mit denen
der ähnlich lebenden Fichten-Borkenkäfer überein, dass wir erst nach
Behandlung der letzteren eine zusammenhängende Besprechung dieses.
Themas geben können.
Unter den Kiefernfeinden dieser Abtheilung steht obenan
der grosse oder 12zähnige Kiefern-Borkenkäfer,
Tomicus sexdentatus Borrxn.
Diese grösste aller Tomicus-Arten, welche nicht nur die gemeine
Kiefer und ihre näheren Verwandten, sondern zuweilen auch die
Fichte befällt, ist als Käfer an den sechs, jederseits am Rande des
Flügeldeckeneindruckes stehenden Zähnen leicht kenntlich, während
ihre Frassfigur, welche im Ganzen fast 1 m Länge erreichen kann,
durch die bis 4 mm erreichende Breite der lothrechten, zwei- oder
mehrarmigen Muttergänge sich vor allen anderen auszeichnet.
Der bei uns meist nur gefälltes, starkes Holz angehende Käfer
hat bis jetzt gewöhnlich blos als Begleiter anderer Borkenkäfer, z. B.
des Hylesinus piniperda L., einige Bedeutung erlangt.
Beschreibung: Tomicus sexdentatus Boern., (stenographus Durt., RATz.,
typographus Gyıı., pinastri Becast.) Käfer fast walzenförmig, nach vorn und
hinten etwas verengt, schwarz oder braun, glänzend, lang gelblich behaart.
Vorderbrust nach hinten zwischen den Vorderhüften mit scharfem Fortsatz.
Fühlerkeule eiförmig, erste und zweite Naht derselben winklig gegen die Spitze
vorgezogen. Halsschild länger als breit, vorn breit abgerundet, gekörnt, hinten
weitläufig, tief punktirt, mit glatter Mittellinie. Flügeldecken tief und grob
punktirt-gestreift, mit glatten, an den Seitenrändern und hinten punktirten
Zwischenräumen. Absturz schräg, vertieft, glänzend, grob und weitläufig punktirt,
am Aussenrande beiderseits mit sechs, nur ausnahmsweise mit fünf Zähnen,
von welchen der vierte am längsten und an der Spitze gewöhnlich verdickt ist.
Auf der Stirn vorn ein Höckerehen und hinter demselben ein mehr oder weniger
deutlicher, glatter Querwulst. Vorderschienen vorn verbreitert, mit einer zum
Einlegen der Füsse bestimmten Furche. Länge 5°5—8 mm.
Lebensweise. Die Frassfigur besteht normalerweise aus
einem lothrechten, zweiarmigen, sehr langen Muttergange, dessen
Arme von einer geräumigen Rammelkammer beginnen und in ihrer
Decke vielfach Luftlöcher haben; oftmals gabeln sie sich aber, oder
es gehen drei bis vier Arme von der Rammelkammer ab, sodass als-
dann mehrarmige Lothgänge entstehen. Die Muttergänge sowohl, wie die
verworrenen Larvengänge bleiben gewöhnlich fast ausschliesslich in
der Rinde, und nur an schwachberindeten Stücken greift der Mutter-
Kiefern-Borkenkäfer, bes. Tomicus sexdentatus. 495
gang in das Hcelz ein. Die Länge der einzelnen Arme kann, wie
schon RATZEBURG wusste |V, 1, S. 187], bis auf 40 cm steigen und
erst kürzlich massen wir hier in Tharand eine Frassfigur von über
80 cm Gesammtlänge. Die Breite der Muttergänge steigt bis zu 4 mm.
Der gewöhnliche Brutbaum des zwölfzähnigen Borkenkäfers ist
bei uns die gemeine Kiefer, der er in ihrem geographischen
Verbreitungs-Gebiete von Lappland bis an die Mittelmeerküsten und
Transkaukasien und vom Atlantischen bis zum Stillen Ocean folgt
[45, S. 254 und I5a, 8. 213].
Er verschmäht aber auch keineswegs ihre südlicheren Verwandten, sodass er
in den Mittelmeerländern häufig an Seh warzkiefer, P. laricio Poır., und See-
kiefer, P. pinaster SoLann (maritima Poır.), wohnt, wie uns in Betreff der letzteren
in den Südwestfranzösischen Landes namentlich Perrıs [58, S. 179 bis 184] sehr
ausführlich schildert. Ausserdem geht er aber sicher auch an Fichte, wie schon
RATzegurg [V, 1, S. 186] und Nörpuinger berichten [56 d, S. 264] und NEUMEISTER
[54, S. 294] am genauesten darstellt. Hierister auch nach RATzesurG und SAXESEN
in Gesellschaft von Hylesinus micans gefunden worden. NEunrister berichtet
(94, S. 294] bei Gelegenheit eines in Folge des Windbruches im December
1868 auf Langebrücker Revier bei Dresden auftretenden Borkenkäferfrasses:
„Ferner verdient das Auftreten des Bostryehus stenographus in stehenden
Fichten erwähnt zu werden. Es ist unbestreitbar, dass dieser Käfer die stehende
Fichte ebenso stark wie B. typographus beziehen kann
und mithin, ceteris paribus, gefährlicher für die Fichte als
für die Kiefer wird, welch letztere Holzart er in der Regel
nur im liegenden Zustande annimmt. In zwei Abtheilungen
trat stenographus durchgängig und so massig auf, dass
man anfangs wohl glauben konnte, es mit besonders grossen
Exemplaren des B. typographus zu thun zu haben. In
gefällten und zersehnittenen Fichten ist stenographus
nur zweimal gefunden worden.” Von der Richtigkeit der Fig. 161. Flügel-
Bestimmung in diesem Falle hat sich Jupeican überzeugt, deckenabsturz von
welcher den Käfer auch 1888 auf demselben Revier im Mehr- Tomicus sexden-
zahl in Fichtenklötzen fand. tatus BoErn.
Die Generation des zwölfzähnigen Borkenkäfers wurde ursprüng-
lich als einjährig angesehen und seine Flugzeit etwas später, als die
des achtzähnigen Fichten-Borkenkäfers angesetzt, sowie angegeben,
dass seine Entwickelung etwas langsamer vor sich gehe; dagegen ist
in neuerer Zeit auch bei ihm in Deutschland mehrfach eine doppelte
Generation beobachtet worden, wobei die erste Flugzeit in den April
oder Mai, die zweite in den Juli fiel. Der Käfer überwintert dann
als Imago. Man findet aber auch Winterlarven. Die genauesten Beob-
achtungen über doppelte Generation sind von Prrrıs an der See-
kiefer in Südfrankreich gemacht worden.
Schaden. Der Käfer wird gewöhnlich auf Schlägen und Holz-
plätzen in liegenden, frisch gefällten Stämmen, und zwar nur in starken
gefunden. Bemerkenswerth ist es, dass er hier oft an den höheren
Partien der Stämme, wo die Rinde dinn wird, wohnt, wodurch
sich das häufige Verkümmern der hier zu stark in den Splint einge-
betteten Brut erklären möchte. Wahrscheinlich nimmt ihm Hylesinus
piniperda L., der immer früher kommt, den Platz weg, da sich dieser
am liebsten am unteren Stammende einquartiert, wo dann die Gänge
496 Kap. IX. Die Käfer.
des Nachzüglers kaum alle Platz finden. Diese Umstände mögen
auch seine Vermehrung im Zaum halten, und am stehenden Holze,
das er sicher öfters annimmt, scheint er nur dann zu schaden, wenn
liegendes Holz seine Vermehrung ungewöhnlich begünstigt hat. Auch
geht er mitunter an schwächeres Material; so fand ihn z. B. DögBneEr
[XIV, S. 175] an solchem im Revier Burgjoss und Prrrıs gelegent-
lich auch in Südfrankreich. In einem ähnlichen, von HEnscHEL aus
Ungarn mitgetheilten Falle war der Käfer zuerst in die kränkelnden
Samenbäume eines südlich gelegenen Schlages gegangen und hatte
sich von da in einem anstossenden Stangenorte verbreitet, der als
„räumdig und mit stufigem Holze bestanden” geschildert wird;
einzelne der 18- bis 24jährigen Stangen waren 26 bis 30 cm stark.
Röthung der Nadeln war schon nach vier Wochen sichtbar, während
nach Hylesinus-Frass die Röthung erst später erfolgt. Ein grösserer,
ausschliesslich durch T. sexdentatus Borrn. hervorgebrachter Frass
ist uns nicht bekannt, dagegen tritt der Käfer häufig secundär in
durch Raupenfrass verwüsteten Wäldern auf, z. B. Ende der Sechziger-
jahre in Ostpreussen in den durch Nonnenfrass gelichteten Revieren
[Antemann Ib, S. 1051. In Russland, wo er überhaupt nach Körppen
|45, S. 254—257 und 390] häufiger zu schaden scheint als bei
uns, ist sein Frass als Folgeerscheinung der durch die Kieferneule,
den Kiefernspanner und sogar die Kiefernscheidengallmücke, Ceci-
domyia brachyntera ScHwäg., verursachten Beschädigungen beachtens-
werth. Auch durch Waldbrände beschädigte Waldorte sucht er gern
auf, wie Wırtkomm [75 b, S. 234] berichtet. Er brütet ausser mit
Hylesinus piniperda L., vielfach mit Tomicus Laricis FABr. zusammen.
Gleichfalls als Bestandsverderber sind anzusehen
der sechszähnige Kiefern-Borkenkäfer,
Tomicus acuminatus GYLt.,
der vielzähnige Kiefern-Borkenkäfer, T. Laricis FAsBr. und
seine häufig mit ihm verwechselten Verwandten.
Die beiden mit Namen in der Ueberschrift aufgeführten
Käfer werden stets in den Forstinsektenkunden genannt, trotzdem
man ihnen nur wenig wirkliche Schädigungen nachweisen kann.
Namentlich die Angaben über T. Laricis FıpBr., von dem schon
Rartzegurg [V, 1, S. 188] sagt, dass er seinen lateinischen Namen
sehr mit Unrecht trage, „weil er unter allen Nadelhölzern am selten-
sten in der Lärche zu finden sei”, entbehren, was speciell seine
forstliche Bedeutung anbelangt, der wünschenswerthen Schärfe. Er
besitzt nämlich eine Reihe, erst in jüngster Zeit besser charakteri-
sirter Verwandter, die ihm so ähnlich sind, dass man bis jetzt nur
selten entscheiden kann, ob es sich bei Angaben in der Literatur
wirklich um T. Laricis FaApr. oder eine der letzteren Arten handelt.
Die folgende Zusammenstellung der uns bekannt gewordenen Litera-
turangaben und die genauen Diagnosen sollen daher besonders zu
weiteren Beobachtungen anregen.
a
Kiefern-Borkenkäfer, bes. Tomieus aeuminatus. 497
T. acuminatus Gyuv. (Fig. 162) ist kenntlich durch drei jeder-
seits an dem Rande des Flügeldeckeneindruckes stehende Zähne, von
denen stets der unterste am kräftigsten ist und beim d in zwei
stumpfe Spitzen ausgeht. Er macht Sterngänge mit sehr langen
Armen in den dünnrindigen Theilen älterer und in jüngeren Kiefern,
T, Laricis FABr. und seine Verwandten sind kenntlich an dem fast
kreisrunden, beinahe senkrecht gegen die Längsachse des Käfers ge-
stellten Flügeldeckeneindrucke, der bei T. Laricis Farr. (Fig. 163)
selbst fein gekerbt, und ausserdem noch jederseits mit drei, etwas
mehr nach innen gerückten stärkeren Zähnen versehen ist. Die biolo-
gische Charakteristik des auch in anderen Nadelhölzern vorkommen-
den T. Laricis Fagr. liegt aber in der Gestalt seiner Frassfigur, welche
aus einem unregelmäsgig gebuchteten, kurzen Muttergange besteht, in
welchem die Eier haufenweise abgelegt werden, und von dem aus
die Larven gemeinschaftlich weiterfressend, einen Familien-Rinden-
gang erzeugen. Die zoologisch ziemlich schwierige Unterscheidung
der verwandten Arten scheint dagegen um
so begründeter, als alle diese mehr oder
weniger regelmässige, mehrarmige Loth-
oder Sterngänge mit Eiergrübchen erzeugen,
von denen die Larvengänge einzeln abgehen.
Alle diese Formen dürften mehr als Beglei-
ter oder Nachfolger anderer Schädlinge, wie
als selbstständige Verwüster anzusehen sein. Fig. 162. Flügeldeckenab-
Beschreibung: Tomicus acuminatus Sn ee ung Ten
Gyir. (geminatus Zerr.). Käfer walzenförmig, Tomicus acuminatus GyLL.
nach vorn fast gar nicht, nach hinten etwas mehr
verengt,pechbraun, etwas glänzend, greis behaart. Vorderbrust nach hinten zwischen
den Vorderhüften mit scharfem Fortsatz. Fühlerkeule stumpf-eiförmig mit leicht
gegen die Spitze gekrümmten Nähten. Halsschild länger als breit, vorn breit
abgerundet, gekörnt, hinten fein und weitläufig punktirt, ohne glatte Mittellinie.
Flügeldecken kaum länger als das Halsschild, fein punktirt-gestreift, mit ge-
reiht-punktirten Zwischenräumen. Absturz schräg, vertieft, glänzend, etwas
runzelig, aber nicht tief punktirt, am Aussenrande jederseits mit drei Zähnen,
von welehen der unterste der grösste ist und etwa in der Mitte des Randes
steht; Nahtwinkel etwas vorgezogen. Beim d' ist der dritte, unterste Zahn
sehr breit und ausgerandet, sodass er wie zwei miteinander verwachsene
Zähne, als Doppelzahn erscheint. Vorderschienen nach vorn etwas verbreitert,
mit zum Einlegen der Füsse bestimmten Rinnen. Länge 3—3'7 mm.
Lebensweise. Die ersten Frassstücke des Käfers hat RırgeL,
der auch selbst hierüber eine kurze Notiz [63 a] veröffentlichte, in
Herrenalb im Schwarzwalde gefunden, und Nörnuinger [vgl. XXIV,
S. 31] beschrieb sie. Am genauesten schildert sie nach eigenen Beob-
achtungen Henscnen [XIl, 2. Aufl., S. 105]: „Die Sterngänge sind
meist drei- bis fünfstrahlig, die einzelnen Arme oft bis 8 cm lang
und nicht selten über 2 mm breit; tief in den Splint eingeschnitten,
besonders wenn die Rinde sehr dünn ist, weniger tief bei diekerer
Rinde; gerade oder leicht geschwungen, nie gabelig getheilt. Die
Eiernischen sind gross, tief und nicht sehr zahlreich, wechselweise
498 Kap. IX. Die Käfer.
in Ziekzackform gegenüber gestellt. Sind die Larvengänge normal ent-
wickelt, so erreichen sie nicht selten die ausserordentliche Länge von
10 bis 13 em; sie sind stark geschlängelt, durchziehen und berühren
sich oft und sind schwach auf der Splintlläche sichtbar. Die abnormen
Formen sind jedoch bei diesem Käfer weit häufiger und sogar vor-
wiegend. Die Larvengänge sind dann vereinzelt, drei bis viermal
breiter als die Muttergänge, meist muschelförmig ausgenagt, kurz,
tief in den Splint und nicht selten sogar in das Holz eingesenkt.”
Der Brutbaum des Käfers ist die gemeine Kiefer. In Herren-
alb bewohnte er nach Rırcen 10 bis 15 cm starke Kiefernstangen
und die oberen Theile einer alten Kiefer. Henscnen hat ihn „in
Oesterreich” in 40- bis 60jährigen Kiefern in den Gipfelpartien und
in stärkeren Aesten, vorzüglich in der A gefunden, also
stets nur an Stammtheilen mit dünner, blätteriger, rothgelber Rinde
[XIH, Aufl. 1, S. 64 und 65]. Rupzkı fand ihn an der Südküste der
Krim auch in Pinus laricio Poır. [45, S. 257]. Nach Henscker fällt
die Flugzeit in den Mai; Mitte October waren die noch weichen
Käfer fertig, überwinterten unter der Rinde und flogen Anfang Mai
nächsten Jahres aus. In diesem Falle wurde also die einjährige
Generation beobachtet. Tascuengerg [XVIII, S. 160] giebt an, dass
unter Umständen auch eine doppelte oder anderthalbige Generation
vorkommen kann. Der Käfer ist von Lappland bis nach Sieilien und
vom Kaukasus bis nach Spanien [I5 «a, S. 232] verbreitet, aber
nirgends gemein; in Süddeutschland und Oesterreich scheint er
häufiger zu sein als bei uns. Grössere Schäden sind von ihm nicht
zu verzeichnen, dagegen rechnen ihn sowohl RızgeL wie HENSCHEL
und SIEMASCHKo, der ihn im Gouvernement St. Petersburg beobachtete
[45, S. 257], zu den merklich schädlichen.
Wachtr hat für den T. acuminatus Gyrr. nebst einigen Verwandten die
Gruppe der sogenannten doppelzähnigen Borkenkäfer geschaffen [74], zu welchen
er ausser einigen von uns zu den näheren Verwandten des T. Laricis FApr.
gerechneten, gleich zu erwähnenden Formen, namentlich den T. duplicatus
SaHue. und den T. Judeichii Kırscn zählt. T. duplicatus ist weiteren Kreisen bis Jetzt
eigentlich nur nach einem Exemplare, einem Sauszerg’schen Originale bekannt,
denn die in der forstlichen Literatur vorhandenen Angaben, dass er zahlreicher
in Oesterreich mit T. typographus zusammen aufgetreten sei, die im Wesent-
lichen von HrawA [34] und Preirrer [99] stammen, sind dadurch entstanden,
dass nach den sicheren Nachweisen von KELLxer [42 5], HenscheL [32a und
32 5] und Mick [52] der weiter unten genauer zu erwähnende T. amitinus
Eıchn. fälschlich als T. duplicatus bestimmt wurde. Ein Originalexemplar von
Tomicus duplicatus Sante. hat aber inzwischen CLemens MÜLLER in Dresden
für seine Sammlung erworben. Bei der dadurch nunmehr möglich gewordenen
direkten Vergleichung mit den Originalexemplaren von T. Judeichii Kırscn hat
es sich herausgestellt, dass beide Formen identisch sind. 7’ Judeichüi Kırsch ist
demnach als Art zu streichen und als Synonym zu T. duplicatus Saure. zu
stellen, einem Käfer, welcher vorzugsweise nördlicheren Gebieten und dem
östlichen Russland anzugehören scheint.
Wir wenden uns jetzt zu dem vielzähnigen Kiefern-
Borkenkäfer und seinen Verwandten.
1
Tomicus acuminatus, T. Larieis und Verwandte. 499
Beschreibung: Tomicus Laricis Fasr., Rarz. Käfer walzenförmig,
nach hinten fast gar nicht, nach vorn etwas stärker verengt, pechschwarz oder
-braun, etwas glänzend, dünn greis behaart. Vorderbrust nach hinten zwischen
den Vorderhüften mit scharfem Fortsatz. Fühlerkeule kreisrund, erste Naht der-
selben fast gerade, in der Mitte wenig, aber doch merkbar nach vorn gekrümmt,
die folgenden Nähte gerade oder sehr wenig nach der Basis zu gekrümmt.
Halsschild kaum länger als breit, nach vorn verengt, gekörnt, hinten ziemlich
dicht punktirt, ohne deutliche Mittellinie. Flügeldecken länger als das Hals-
schild, dieht und tief punktirt-gestreift, die flachen, glatten Zwischenräume
mit je einer äussert feinen und weitläufigen Punktreihe, Absturz
fast senkrecht, mit kreisförmigem, punktirtem, glänzendem Ein-
druck, der Aussenrand desselben gekerbt und beiderseits mit
drei, bei J und ® gleichgeformten, etwas nach innen gerückten
Zähnen, von denen der unterste zwischen Mitte und Spitzenrand,
in der Verlängerung des sechsten Zwischenraumes steht. Vorder-
sehienen nach vorn etwas verbreitert, mit einer Rinne für die
Füsse. Länge 3:5—4 mn.
Fig.163. Flügel-
Lebensweise, In früherer Zeit wurden dem Re
T. Laricis stets mehrarmige Lotbgänge zugeschrieben. von T. Laricis
Es scheint diese Angabe auf einer Verwechselung mit Far.
seinen Verwandten zu beruhen; denn wie zuerst NÖRDLINGER beob-
achtete, aber als Abnormität ansah [vgl. XXIV, S. 29], EicuHorr
auf die Beobachtungen Schremer’s hin, die er selbst controlirte, mit-
theilt [15 a, S. 240], Aurum nach eigenen vielfachen Erfahrungen
bestätigt [XVI, 2. Aufl., III, 1, S. 301], und wir selbst mehrfach
gesehen haben, macht der Käfer Rindenfamiliengänge. Der Mutter-
gang besteht aus einem
kurzen, 1 bis 3 cm langen,
unregelmässigen, am Ein-
gange oft mit einem stiefel-
artigen Knick beginnenden,
den Splint höchstens streifen-
den Längsgange, der auch
Seitenarıne zeigen kann. In
diesem werden die Eier
haufenweise abgelegt, nicht
etwa regelmässig in Eier-
nischen vertheilt. Dieser _ i
Mnttereans wird nun durch Fig. 164. Halbschematische Zusammenstellung
DD i von Frassgängen des Tomicus Laricis FaABr.
den Larvenfrass zu einem nach Nörnuinger [XXIV, S. 29] und Eıcnnorr
keine bestimmte Formen ein- [l5«a, S. 241]. «a Eierhaufen, 5 Larven. Das
haltenden Frassplatze un- Bohrloch ist schwarz angedeutet. '/, nat. Grösse,
regelmässig erweitert, an dessen Rand die Larven gemeinsam weiter-
nagen, hier und da auch wohl einen Einzelgang über seine Grenze
hinaustreiben. Besser als Worte erläutern dies die in Fig. 164 nach
NÖRDLINGER und Eıcnnorr gegebenen Abbildungen. Die Generation
wird von RATzegurg sicher als doppelt angesehen, womit auch andere
Angaben übereinstimmen. Er scheint ein Spätschwärmer zu sein.
Als Brutbaum scheint er mit Vorliebe die Kiefer zu wählen,
doch ist er auch in Fiehten nicht selten und soll Lärchen und
500 Kap. IX. Die Käfer.
Weisstannen gleichfalls angehen [V, 1, S. 188; I5 a, S. 240; XVI,
2. Aufl., III, 1, 8. 301].
NÖRDLINGER will ihn auch in Pinus strobus L. und P. Halepensis Miırr.
gefunden haben [XXIV, S. 30). Er kommt sowohl in starken Bäumen als in
schwächeren Stangen vor. Dagegen scheint die immer citirte Angabe RATze-
BURG's [V, 1, S. 189], dass er junge Kiefernkulturen in Gesellschaft mit anderen
Kulturverderbern zerstöre, neuerdings nicht bestätigt worden zu sein.
Noch viel unsicherer ist alles, was wir über den Frass seiner
drei näheren Verwandten wissen. Unter ihnen ist zunächst zu er-
wähnen:
T. suturalis Gyır. (nigritus Gyr.) Käfer dem T. Laricis sehr ähnlich.
Fühlerkeule mit nach der Basis gekrümmten Nähten. Halsschild etwas mehr
nach vorn verschmälert, hinten mit deutlicher, glatter Mittellinie. Absturz der
Flügeldecken nicht kreisrund, sondern schmäler als bei T. Laricis, oval, am Rande
mit drei etwas nach innen gerückten Zähnehen, von denen das unterste, wie
bei T. Laricis, zwischen Mitte und Spitzenrand, am Ende des sechsten Zwischen-
raumes steht. Bei vollständig ausgefärbten Exemplaren sind Schienen und
Schenkel dunkel. Beim d' stehen die Zähne des Absturzes mehr am Seitenrand,
beim 9 sind sie stumpf, der zweite und dritte Zahn ist noch mehr nach innen
gerückt. Die Flügeldeckenspitze des @ ist hell-braunroth gefärbt. Länge 3 mm.
Lebensweise. Dieser lange Zeit nur für eine Varietät von T. Laricis
FABr. angesehene Käfer unterscheidet sich von diesem nach EıchHorr [15 a,
S. 244] deutlich durch seine Frassfigur, die aus mehreren von einer geräumi-
gen Rammelkammer ausgehenden Lothgängen besteht, welche aber die Neigung
haben, etwas schräg zu verlaufen. Die Larvengänge beginnen in deutlichen,
getrennten Eiergrübchen. Er findet sich in Kiefer und Fiehte und bevorzugt die
höheren Stammtheile mit dünner Rinde, kommt nach Eıc#uorr aber auch in
Stöcken vor. Jupeich hat ihn einmal aus 5- bis 6jährigen Kiefernpflanzen er-
zogen. HenscHeL kennt ihn auch aus der Zirbelkiefer [32 e].
T. proximus Fıcun., dem T. Laricis FAgr. ebenfalls sehr ähnlich, früher
wohl meist mit ihm verwechselt. Käfer walzenförmig, pechbraun oder schwarz,
dünn greis behaart. Vorderbrust mit scharfem Fortsatz zwischen den Vorder-
hüften. Fühlerkeule kreisrund, mit etwas welligen Nähten. Halsschild kaum
länger als breit, vorn breit abgerundet, gekörnt, hinten stark, aber nicht dicht
punktirt, mit etwas undeutlicher, glatter Mittellinie, auf der Scheibe in der Mitte
leicht quer eingedrückt; Flügeldecken etwas länger als das Halsschild, tief
punktirt-gestreift, die Punkte, namentlich hinten in die Breite gezogen, ‚sodass
die Zwischenräume querrunzlig erscheinen, letztere schmal, gereiht-punktirt.
Absturz fast seukrecht, mit kreisförmigem, grobrunzlig punktirtem Eindruck,
dessen Seitenrand an seiner oberen Hälfte drei oder vier Zähnchen trägt, von
denen das unterste etwa in der Mitte des Randes liegt. Beim S sind vier deut-
liche Zähne vorhanden, die drei unteren nahe beisammenstehend, beim 9 er-
scheint der dritte Zahn nur als stumpfer Höcker. Vorderschienen nach vorn
etwas erweitert, mit Rinnen zum Einlegen der Füsse. Länge 3—4 mm.
Lebensweise. Der Frass dieses Käfers ist bis jetzt nur nach den von
SCHREINER an Kiefern gesammelten Exemplaren durch Eıcaunorr [I$a, S. 236— 238]
beschrieben worden. Er frisst ganz ähnlich wie der vorhergehende, aber die
von der Rammelkammer angehenden Lothgänre halten sich strenger an die
Senkrechte, und die ganze Figur nähert sich daher weniger der Sterngangform.
T. rectangulus Eıcan. (Laricis Perrıs?). Käfer dem T. Laricis äusserst
ähnlich. Die runde Fiühlerkeule hat jedoch deutlich nach vorn gekrümmte
Nähte und am Absturz der Flügeldecken befinden sich beiderseits beim d
als Fortsetzung des ersten, dritten, vierten und fünften Zwischenraumes stärker
hervortretende Zähnchen, beim ® nur drei, indem bei ihm der dritte Zahn nur
Tomicus suturalis und T. bidentatus nebst Verwandten. 501
als stumpfer Höcker erscheint; das unterste Zähnchen befindet sich bei beiden
Geschlechtern fast in der Mitte des Randes, während es bei T. Laricis etwas
tiefer steht. Länge 3—4 mm.
Lebensweise. Ueber den Frass dieses namentlich in den verschiedenen
Südeuropäischen Kiefern formen lebenden Käfers weiss man mit wirklicher
Sicherheit gar nichts, denn alle Angaben von EıcHHorr sind begründet auf die Ver-
muthung, dass der von Perrıs [58, S. 184—187] als T. Laricis aus den Kiefern-
Strandwäldern der Landes beschriebene Käfer T. rectangulus sei. Seinen T.
Laricis bezeichnet Perrrıs als sehr häufig, ungemein schädlich, in abgestorbenen
Stämmehen und Stämmen jeder Dimension brütend und schildert seine Frass-
figur als einen mehrarmigen Lothgang mit geschwungenen Armen. Er soll stets
in Südfrankreich eine sicher dreifache Generation haben.
Mehr als Kulturverderber und Feinde der strauchartigen Kiefern
sind zu betrachten
die hakenzähnigen Kiefern-Borkenkäfer,
Tomicus bidentatus Hssr., T. quadridens Hre.,
T. bistridentatus Eıcnn. und Verwandte,
Die hier genannten Kiefernkäfer bilden eine sehr gut abge-
schlossene Gruppe, welche sich zoologisch dadurch charakterisirt, dass
bei den dd am oberen Theile des Flügeldeckenabsturzes ein grosser
Hakenzahn steht (Fig. 165), zu dem noch ein oder mehrere kleine
Höcker kommen können, während bei den 2? nur eine Furche
jederseits der Naht und keine oder höchstens kleine Zähnchen vor-
handen sind. Biologisch sind sie durch meist tief in den Splint
Fig. 165. Flügeldeckenabsturz der Jg von a) Tomicus bidentatus Hesr.
b) T. bidentatus var. f, c) T. quadridens Hre. und d) T. bistridentatus Eıcan.
eindringende Sterngänge gekennzeichnet, sowie durch ihre Vorliebe
für schwächeres, dünnrindiges Material. Der Hauptschaden von T.
bidentatus Hssr. besteht in der Vernichtung junger Kiefernpflanzen
von 5 bis 12 Jahren. T. bistridentatus Eıcan. erscheint namentlich
in Gebirgslagen als Feind der Krummholzkiefer.
Beschreibung: Tomicus bidentatus Hssr. (bidens Fasr., Rarz.). Käfer
walzenförmig, pechschwarz oder -braun, etwas glänzend, aber nicht so fettglänzend
wie T. chalcographus L., fein behaart, nach hinten etwas lichter gefärbt. Vorder-
brust ohne Fortsatz zwischen den Hüften. Fühlerkeule eiförmig mit fast geraden
Nähten. Halsschild kaum länger als breit, nach vorn verschmälert, in der Mitte
beiderseits quer eingedrückt, vorn gekörnt, hinten gröber punktirt als bei
T. chalcographus, mit etwas erhabener, glatter Mittellinie und einem glatten
Fleckehen beiderseits. Flügeldeeken meist bis zum Absturz punktirt-gestreift,
die Punkte an den Seiten diehter und feiner als auf dem Rücken. Der Absturz
beim Z sehräg, kreisrund, glatt, wenig vertieft, oben beiderseits mit einem
grossen, nach abwärts gekrümmten Zahn, beim 2 ohne Zahn, neben der erhabenen
502 Kap. IX. Die Käfer.
Naht beiderseits gefurcht, mit gewölbten Seitenrändern. Stirn des @ nicht aus-
gehöhlt. Bei beiden Geschlechtern Vorderschienen nicht erweitert, Schenkel und
Schienen etwas dunkler. Länge 2—2'3 mm.
Nicht selten findet sich beim d' dicht oberhalb des grossen Zahnes
noch ein kleines Zähnchen; var. f Eıcnu. Manche Q9 zeigen auf der Stirn ein
nadelstichähnliches Grübchen; var. trepanatus Nörpt.
T. quadridens Hr. Käfer dem T. bidentatus sehr ähnlich, beim
befindet sieh aber am Absturze unterhalb des grossen Hakenzahnes, etwa in der
Mitte des Randes, ein kleiner, kegelförmiger Zahn, beim ® zeigt der wulstige
Seitenrand neben der Furche am Absturz beiderseits zwei mehr oder weniger
deutliche, kleine Höckerchen. Wenn diese sehr undeutlich sind oder fehlen, ist
das @ von dem des T. bidentatus nicht zu unterscheiden. Mitunter hat das
Weibehen eine dichte greise Haarbürste auf der Stirn; var. c. Eıchn. Länge
1-5 2:3 mm.
T. bistridentatus Eıcnuu. Käfer dem vorigen sehr ähnlich, meist etwas
grösser. Das Ö hat am Rande des Absturzes, ausser dem kleinen Zähnchen in der
Mitte, oberhalb des Hakenzahnes noch ein kräftiges Zähnchen.
T. Lipperti Henscuer. Bei dieser Form kommen zu den drei jederseits
bei den ZZ von T. bistridentatus vorhandenen Zähnen noch jederseits zwei
kleinere weitere hinzu, welche zwischen dem Hakenzahn und dem unteren
Zahn eingeschoben sind.
Lebensweise. Die vorstehend geschilderten vier Arten, welche
in ihren Körpermerkmalen, trotzdem sie sich entomologisch gut aus-
einanderhalten lassen, wie wir sahen, gewissermassen Variationen
eines und desselben Grundthemas sind, haben auch eine gemeinsame,
Form der Frassfigur, den Sterngang, und zwar greifen, da diese
Thiere im Grossen und Ganzen schwaches Material mit dünner Rinde
bevorzugen, die Muttergänge sowohl, wie die Larvengänge meist tief
in den Splint ein; von einer gemeinsamen, ausgebuchteten, tief ein-
geschnittenen Rammelkammer gehen 3 bis 7 1—5 cm lange Mutter-
gänge sternförmig auseinander, je nach der Stärke des Materiales mehr
oder weniger dicht besetzt mit deutlichen, grossen Eiernischen. Dem
entsprechend sind an stärkeren Aesten und Stämmchen die von einem
Muttergange ausgehenden Larvengänge zahlreicher als an schwächeren.
Nach Eıcnnorr sollen bei den typischen T. bidentatus Hssr. die
Muttergänge mehr parallel der Schaftachse verlaufen [15 a, S. 256]
und öfters geknickt sein, bei T. bistridentatus Eıcna. mehr rad-
speichenartig auseinanderstehen und namentlich in stärkerem Brut-
holze in weiten bogenförmigen Krümmungen verlaufen [15 d], endlich
bei T. quadridens Hre. weniger tief in den Splint eingreifen, also
mehr in der Rinde bleiben. Nach unserer Anschauung ist die hier
wiedergegebene Verschiedenheit viel weniger auf die Käferart, als
auf die Stärke der befallenen Aeste oder Stämmcehen und auf die
mehr oder weniger dichte Zusammendrängung der Frassfiguren zurück-
zuführen, sodass uns also eine Bestimmung der speciellen Art nach
den blossen Frassgängen kaum möglich erscheint, während für alle,
ganz abgesehen davon, dass sie gewöhnlich nur an Kiefern fressen,
T. chalcographus L. dagegen vorwiegend Fichteninsekt ist, eine dem
scharfen Beobachter leicht kenntliche, aber schwerer zu beschreibende
Tomicus bidentatus und Verwandte. 503
charakteristische Gestalt der Gänge besteht, die eine Verwechselung
mit denen des „Kupferstechers” nicht leicht gestattet. Die Puppen-
wiegen gehen oft tief in den Splint.
Als Brutbaum wird von allen heimischen Arten in unseren Gegen-
den regelmässig die gemeine Kiefer benutzt, und zwar hauptsäch-
lich an dünnberindeten Stellen, sodass also die Gipfelstücke stärkerer
Stämme und Kulturen besonders von ihnen angegangen werden. Ausser-
dem werden aber alle anderen Kiefernarten gern von ihnen ange-
nommen; im Süden sind demge-
mäss Pinus laricio Poır. und P.
pinaster Sor. vielfach befallen,
und in höheren Gebirgslagen ist
die so sehr variirende Berg-
kiefer, P. montana Miırr., ihren
Angriffen ungemein ausgesetzt.
Namentlich kommt T. quadridens
Hre. sowohl in den Gebirgsföhren
der Pyrenäen, wie in den Leg-
föhren des Schwarzwaldes [XXIV,
S. 32] und den Sumpfkiefern des
Erzgebirges vor, und T. bistri-
dentatus EıcHn. ist nicht nur von
Perrıs in den Hakenkiefern der
Pyrenäen gefunden worden, son-
dern auch ein ganz regelmässiger
Bewohner des Knieholzes im
Riesengebirge, wo wir ihn häufig
selbst beobachtet haben.
Auch an Zirbelkiefern, P.
cembra L., gehen diese Thiere, wie
nach FischBacH NÖRDLINGER [XXIV,
S. 32] für T. quadridens Hrc. und
EiıchHorr nach FANnkHAUSER für T.
bistridentatus Eıcan. [155] mittheilt und
Hessc#EL [32e, S.536] bestätigt. KeLLer
berichtet [41], dass letztgenannte Art
ee Momeennne, m eierete Mm
finden sei und im Bündtner Oberland
an der Lärche, am Buochseshorn an der Fichte, im Canton Uri an der Leg-
föhre und im Canton Wallis an der Arve beobachtet wurde. T. Lipperti Henscn.
wurde bis jetzt nur in der Aleppokiefer, P. Halepensis Mırr., gefunden [32 g].
T. bidentatus Hssr. ist ausserdem auch an Weymouthskiefern, die er sogar
nach Arrum [XVI, 2. Aufl., III, 1, S. 306] besonders zu bevorzugen scheint, häufig.
Derselbe kennt ihn auch aus Lärche. Harrıc hat ihn einmal zahlreich an
Fichten beobachtet [29], und Nörpuinger [XXIV, S. 32] fand T. quadridens Hre.
sogar an Picea obovata Le. (Schrenkiana Anr.) von der sibirischen Waldgrenze.
Schon hieraus geht hervor, dass die geographische Verbreitung dieser Arten
eine sehr weite ist.
T. bidentatus H»sr. ist ein Spätschwärmer, der erstim Mai oder
Juni zum ersteumale fliegt [15 a, S. 257]. Die erste Generation ist
Fig. 166. Frassfiguren von Tomicus
in stärkerem und
schwächerem Materiale. Originale.
504 Kap. IX. Die Käfer.
bereits im Juli fertig, es folgt der zweite Flug, und die zweite Gene-
ration überwintert dann als Käfer in den Puppenwiegen oder brütet
noch einmal; die letzterenfalls entstehende dritte Generation über-
wintert als Larven. Dies wurde sowohl in Deutschland von verschie-
denen Seiten, als auch in Südfrankreich von Prrrıs [58, S. 190]
beobachtet. Aus diesem Umstande erklärt sich auch die Angabe von
Rarzegurg, dass der Käfer eine 1!/,fache Generation habe. Er
schliesst dies nämlich aus dein Umstande, dass immer im Winter
sowohl Käfer als Larven zu finden sind. Die verwandten Arten
scheinen nach Allem, was man weiss, sich genau so zu verhalten.
Schaden. T. bidentatus Hssr. und seine Verwandten gehören
sicherlich zu den sehr schädlichen Kieferninsekten. In unseren alten
Kiefernbeständen, wo sie ungemein häufig in den Aesten brüten,
trägt der zweizähnige Borkenkäfer viel zur Lichtung der Kronen bei.
Aus den Östseeprovinzen meldet Wırukomm [75 b], dass im Angern-
schen Kronforste bei einer Menge 50- bis 100jähriger Kiefern der
Wipfel und nicht selten auch das ganze obere Dritttheil in Folge
seines Angriffes dürr war, und Köppen stellt ähnliche Angaben anderer
Berichterstatter aus Russland zusammen [45, S. 259]. Dieser Käfer
geht auch in den Abraum der Kiefernschläge [I5 a, 8. 255] und
T. quadridens Hre. ist auch in Kiefernklaftern im Elsass gefunden
worden [I3 a, S. 260].
Seinen Hauptschaden richtet T. bidentatus Hssr. aber in unseren
Kulturen an, wo er ganz gesunde Pflanzen der verschiedenen
Kiefernarten, namentlich im Alter von 5 bis 12 Jahren, aber auch
noch jüngere, tödtet. Er ist also ein starker Verbündeter von Pissodes
notatus FABrR. Grössere Verheerungen in Kulturen waren schon
Rarzegure [V, I, S. 193] aus Oberschlesien bekannt. Auf durch
Feuer beschädigte Kulturen ist besonders zu achten, da der Käfer
solche nach . Nörpumeer |[XXIV, S. 31] mit Vorliebe annimmt.
TascnHengere [XVI, S. 161] theilt mit, dass 1872 in dem von
Oberförster v. Bernuru verwalteten Reviere 10 000 7jährige Kiefern
befallen waren. Ueber häufigere Verwüstungen in Weymouthskiefern-
und Seekiefernkulturen berichtet Aurum |XVI, III, 1, S. 306], des-
gleichen über vernichtenden, ausgedehnten Frass in Kiefernstangen-
orten. In dem einzigen Falle, in welchem er aus Fichten bekannt
geworden [29], hatte der Käfer in der Oberförsterei Segeberg in
Schleswig-Holstein über die Hälfte der Pflanzen einer 8- bis Yjährigen
Fichtenkultur, die im Schutze eines älteren Kiefernbestandes durch
Saat erzogen und dann freigestellt worden war, vernichtet. T. bistri-
dentatus Eıcnm. scheint seinen zweizähnigen Verwandten namentlich
im Gebirge zu ersetzen und besonders den verschiedenen Bergkiefer-
formen zu schaden. So in den Pyrenäen nach Prrrıs, in der Schweiz
nach Eıcnnorr und FankHauser [l5 5] dem Krummholz, und nach
unseren Beobachtungen im Riesengebirge dem Kniebolz.
Die Vermuthung von Eıchuorr [155], dass die nach Arrum im Riesen-
. „ ni „ 2
gebirge gefundenen Exemplare des „T. chalcographus”, sowie der an Arrum
Tomieus bidentatus und Hylesinus minimus, Fichten-Borkenkäfer,. 505
durch HexscheL aus Steiermark gesendete und brieflich möglicherweise als neue
Art „Bostrichus alpinus’ bezeichnete, dort ganze Flächen von Legföhren ver-
nichtende Käfer nichts weiter als T, bistridentatus Eıchn. seien, ist uns daher
sehr wahrscheinlich.
Als letzter aller typischen Kiefernbewohner sei noch angeführt:
Hylesinus(CarphoborusEiıcha.)minimusF%Apr. Käfer länglich, schwärzlich,
durch dichte, schüppchenartige Behaarung grau erscheinend. Halsschild nicht länger
als breit, nach vorn stark verengt und etwas eingeschnürt, oben sehr dieht und
fein, etwas körnig punktirt, mit etwas undeutlicher Mittellinie und mit grauer
Schüppchen bedeckt. Flügeldecken gekerbt gestreift, an der Spitze oft röthlich.
Zwischenräume sehr schmal, äusserst fein gerunzelt und dicht mit grauen, wenig
abstehenden Borstenhärchen besetzt. Am Absturz ist die Naht und der dritte
Zwischenraum verbreitert und kielartig erhöht, und mit dem ebenfalls verbreiterten
und erhöhten Seitenrande verbunden; der zweite Zwischenraum ist dagegen ver-
schmälert und vertieft. Füsse und Fühler gelbbraun. S auf der Mitte der Stirn
mit zwei Höckerchen, 2 daselbst mit einem glänzendglatten Flecke. Länge
13—1'5 mm.
Lebensweise und Bedeutung. Dieser nach Eıcnnorr [lda, S. 130]
wahrscheinlich ziemlich früh schwärmende und eventuell zweimal im Jahre
brütende, kleinste Bastkäfer frisst in jungen Kiefernpflanzen, schwächeren Knüppeln
bis zu 5cm Stärke [V, 1, 8.219] und namentlich in schwächeren und schwächsten
Aesten von einer Rammelkammer aus 3- bis darmige, schmale, noch etwas in den
Splint eingreifende Sterngänge mit verhältnissmässig kurzen und sparsamen
Larvengängen. Er kommt nach einem unserer Sammlung von Henschet geschenk-
ten Frassstücke auch an Schwarzkiefer vor. Auf seine forstliche Bedeutung hat
bis jetzt nur Arrum [XVi. III. 1, S. 275] aufmerksam gemacht, welcher ihn für
die Kulturen, wo er mit T, bidentatus Hrsr. gelegentlich zusammen haust, nicht
wesentlich schädlich hält, dagegen seinem Frasse Schuld giebt, erheblichen
Antheil an dem allmählichen, unerwünsehten Lichterwerden der Kronen in 40-
bis 60jährigen Kiefernstangenorten zu haben. Auch hier wirkt er mit T. biden-
tatus undLamia(Pogonochaerus) fasciculata DE GrEr zusammen. Da der Käfer
in den Gängen überwintert, kann man gegen ihn durch Sammeln und Verbrennen
des von den Herbststürmen herabgeworfenen "Reisigs vorgehen.
Die zu dieser fünften biologischen Gruppe gehörigen
Fichten-Borkenkäfer im weitesten Sinne haben von jeher
die grösste Beachtung unter allen ihren Verwandten gefunden und
als Verursacher der grössten Verheerungen auch verdient. Allen voran
steht der Buchdrucker Tomicus typographus L., dem sich in neuerer
Zeit als wenigstens ebenbürtig, ja vielleicht sogar, weil sicher sehr
polyphag, als noch schädlicher der früher als besondere Art nicht
unterschiedene T. amitinus Eronm. zugesellt. Beide sind Bestandes-
verderber allerersten Ranges, welche oftmals in Fichtenwäldern
Hunderte, ja Tausende von ha vernichtet haben und, obgleich sie
unter gewöhnlichen Verhältnissen am liebsten kränkelndes Material
angehen, ihr Frass daher vielfach erst als Folge von grösseren anderen
Unglücksfällen, namentlich von Windbruch und Raupenfrass verderb-
lich geworden ist, doch sicher auch gesunde Bäume befallen und
tödten können. Dies beweisen wohl alle grösseren Borkenkäferver-
heerungen, namentlich auch die im Böhmerwalde Anfang der Siebziger-
jahre dieses Jahrhunderts. Diesen beiden Arten schliesst sich eine
Reihe anderer eigentlicher Borkenkäfer, sowie Bastkäfer an, von
denen zwar, wie wir bei den einzelnen Arten ausführen werden,
Lehrbuch d, mitteleurop. Torstinsektenkunde, 33
506 Kap. IX. Die Käfer.
auch jede Art gelegentlich für sich allein schadet — es gilt dies
namentlich für die schwächeres Material bevorzugenden Arten, die
dann Kulturverderber werden können —, die aber im Grossen und
Ganzen ihre wesentliche Bedeutung durch Ergänzung des Frasses
von T. typographus L, und T. amitinus Eıcnn. gewinnen. Unter
ihnen ist als regelmässiger Begleiter des Buchdruckers der Kupfer-
stecher, T. chalcographus L, hervorzuheben, welcher sich, da er
mit Vorliebe die oberen Stammtheile angeht, zu jenem verhält wie
Hylesinus minor Hre. zu H. piniperda L. (vgl. $. 464). Nicht minder
vergesellschaftet sich mit den vorhergehenden ebenfalls als Bestands-
verderber der doppeläugige Fichten-Bastkäfer H. poligraphus
L., während die forstliche Bedeutung des noch häufigeren, ja geradezu
überall sehr gemeinen H. palliatus Gyrr. neuerdings geringer ange-
schlagen wird, da man ihn meist nur secundär auftretend findet.
Seltener, aber für Gebirgsreviere immerhin beachtenswerth, ist dann
sein grösserer Verwandter, H. glabratus Zerr. Mehr als Verderber
schwächeren Materiales treten eine Reihe anderer, bisher forstlich
weniger beachteter Käfer auf, unter denen wohl T. micrographus
GyrL., T. Abietis Ratz. und T. pusillus Gyr. schon hier eine vor-
läufige Erwähnung verdienen.
Wir behandeln zunächst
die achtzähnigen Fichten-Borkenkäfer,
Tomicus typographus L. (Taf. II, Fig. 7), und
T. amitinus Eıcrn.,
denen wir als eine auf das engste verwandte, aber eigentlich wohl
nur im Hochgebirge für die Zirbelkieferbestände wirklich beachtens-
werthe Art, T. Cembrae Hrrr anschliessen. Diese 4
bis 5 mm langen Käfer sind von allen anderen leicht
dadurch zu unterscheiden, dass sie am Rande des
tief eingedrückten Absturzes der Flügeldecken jeder-
seits vier deutliche Zähne tragen, von denen der
dritte von oben am grössten ist. T. typographus L.
ist leicht an dem reifartig getrübten Innentheile des
Fig. 167. Flügel- Flügeldeckeneindruckes kenntlich, während derselbe
deckenabsturz von bei T. amitinus Eıcnn. vollständig glänzt. Trifft man
sn BICRE, achtzähnige Borkenkäfer in Fichte, so können beide
“ ıten in Frage kommen; brüten sie dagegen in
anderen Nadelhölzern, so spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, dass
man es mit der zweiten Art, dem T. amitinus zu thun hat. Was
die Frassfiguren betrifft, so macht T.typographus mehr reine, meist
zweiarmige Lothgänge mit wenigen Luftlöchern, während die einiger-
massen der Sternform sich nähernden, oft mehr als zwei Brutarme
zeigenden Lotbgänge von T. amitinus stets auch viel mehr Luft-
löcher haben.
a ee ee nn
Die achtzähnigen Fichten-Borkenkäfer, Tomicus typographus u, Verwandte. 507
Beschreibung: Tomicus typographus L. (octodentatus Gyır.). Küfer
walzenförmig, nach vorn und hinten etwas verengt, schwarz oder braun, glänzend,
lang gelblich behaart. Vorder- 3
brust nach hinten zwischen den _ Ft:
Vorderhüften mit scharfem fl ah
Fortsatz. Fühlerkeule eiförmig,
erste Naht derselben nur wenig
nach vorn gebogen, die zweite
winklig gegen die Spitze vor-
gezogen. Halsschild
länger als breit, vorn breit
abgerundet, gekörnt, hinten
fein zerstreut punktirt. Flügel-
decken tief und grob punktirt-
gestreift, mit fast glatten, nur
an denSeiten und hinten punk-
tirten Zwischenräumen. Absturz
schräg, vertieft, nicht glänzend, Ihm
sondern reifartig getrübt, zer- ) Ma Mein £ vi) N
streut punktirt, am Aussen- "| (if eh RE, EN RSS eu il)
£ a E E Sul], Ju ) Di TG
rande beiderseits mit vier Me ATI
Zähnen, von denen der dritte
am grössten und an der Spitze
verdickt ist. Verschiedene Un-
regelmässigkeiten dieser Zähne
sind übrigens nicht selten; bei
manchen Stücken sind die Zähne
weniger stark entwickelt als
bei anderen, manchmal ist der
dritte Zahn nicht grösser als
die übrigen, mitunter sogar
durch eine Erhöhung des Ab-
sturzrandes mit dem zweiten
Zahn verbunden und dergleichen mehr. Am Vorderrande der Stirn fast immer
mit einem kleinen, hervorragenden Körnchen. Vorderschienen nach vorn ver-
breiter, mit einer zum Einlegen der Füsse bestimmten Furche. Länge
45 —5'5 mm.
T. amitinus Eıcan. (duplicatus Hrawa). Käfer dem T. typographus L.
sehr ähnlich, deshalb früher stets, auch von RATZEBURG, mit diesem verwechselt.
Er ist jedoch fast immer etwas kleiner und schlanker, nach vorn etwas mehr
verschmälert. An der Fühlerkeule ist nicht blos die erste, sondern auch die
zweite Naht nur in schwachem Bogen nach vorn gekrümmt. Die Schienen,
Schenkel und Hüften sind meist dunkler. Auf der Stirn fehlt das erhabene
Körnehen. Am leichtesten unterscheidet sich diese Art jedoch von T. typographus
dadurch, dass bei ihr der Absturz der Flügeldecken niemals reifartig getrübt,
sondern glänzend und weitläufig, etwas runzlig punktirt ist. Länge 4—45 mm.
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Frassfigur von T. typographus L.
I/, nat. Grösse. Original.
Fig. 168.
T. Cembrae Heer. Käfer dem T. typographus L. und T. amitinus Eıcun.
sehr ähnlich. Ersterem gleicht er fast ganz in Gestalt und Grösse, sowie bezüg-
lich der Bildung der Fühlerkeule, deren zweite Naht winkelig gegen die Spitze
vorgezogen ist; er unterscheidet sich von ihm jedoch durch den glänzenden,
runzlig punktirten, nie reifartig getrübten Absturz der Flügeldecken, sowie durch
den Mangel des erhabenen Körnchens auf der Stirn. Von T. amitinus Eıcun.
unterscheiden sich typische Exemplare des T. Cembrae Heer durch grössere,
nach vorn weniger verschmälerte Gestalt, durch stärkere Behaarung und durch
die der Form des T. typographus ähnlichen Nähte der Keule. Mit beiden Arten
hat er gemein, dass bei regelmässiger Bildung stets der dritte Zahn am Rande
des Absturzes der grösste und an der Spitze verdickt ist. Länge 4:5 bis 5’dnım.
33*
508 Kap. IX. Die Käfer.
Es ist nicht zu verkennen, dass sowohl bezüglichder Gestalt, als auch der
Behaarung und der Fühlerkeule Uebergangsformen zwischen T. Cembrae und
T.amitinusvorkommen, welche
— nicht sicher zu bestimmen sind.
nl A Ein T. amitinus des Tharander
UN Waldes ist allerdings von
einem echten T. Cembrae des
Hochgebirges sehr verschieden,
nicht so scharf unterschieden
sind aber wohl meist die in
den mittleren Höhen der Alpen
vorkommenden Formen beider
Arten. :
Lebensweise. Die
Frassfigur (Fig. 168) von
T. typographus L. besteht
aus deutlichen, ein- oder
mehrarmigen, 3 bis 4 mm
breiten, 10 bis 15 cm
langen, den Splint meist
kaum berührenden Loth-
gängen mit Rammelkammer.
Diese liegt gewöhnlich voll-
ständig in derRinde, sodass
Ah man sie an unverletzt ab-
h N geschälten Stücken häufig
gar nicht sieht. Die ein-
Fig. 169. Frassfigur von Tomicus amitinus Eıcnn. und zweiarmigenLothgänge,
!/, natürl. Grösse. Original, welche nur sehr sparsam
mit Luftlöchern versehen
sind, bilden die Regel, und wenn mehrere Gänge von einer Rammel-
kammer ausgehen, so verlaufen dieselben grösstentheils parallel der
Längsachse des Baumes, sodass bei Betrachtung eines stark besetzten
Rindenstückes in der Quere jene zeilenartige Anordnung der Mutter-
gänge auffällt, welche Lmxs& veranlasst hat, den Käfer „Buch-
drucker” zu taufen. Die von deutlichen, weitgestellten Eiergrübchen
quer abgehenden Larvengänge bleiben ebenfalls in der Rinde, sind
mässig, meist 5 bis 10 cm lang und enden in Rinden-Puppenwiegen.
IN)
I ih
iin hi
Die Frassfigur des T. amitinus Eıcnn. (Fig. 169) besteht gewöhnlich
aus mehrarmigen Muttergängen, welche zwar im Grossen und Ganzen
auch als Lothgänge bezeichnet werden können, bei denen die ein-
zelnen Brutarme aber eine grössere Neigung zur Bogenbildung und
zu schrägem Verlaufe zeigen, sodass Annäherung an Sterngangform
vorkommt. Zugleich sind, wie uns zuerst Forstmeister ScuaaL be-
lehrte, und unsere sehr guten, von Oberförster KLoPFEr gesammelten
Frassstücke deutlich zeigen, die Luftlöcher viel Sahlesıcher als bei
T. typographus L. As Frassfiguren kommen bei beiden Arten
gelegentlich überall vor, naeh z. B. in Aesten, welche auch
angegangen werden. Einen scharfen Unterschied der Frassfigur von
Lebensweise von Tomieus typographus und T. amitinus, 509
T. Cembrae Herr. gegenüber der von T. amitinus Eıcnn. können
wir nach den uns durch die Freundlichkeit von Professor HENnscHEL
vorliegenden Frassstücken nicht finden. Nur ist das Kaliber der
Löcher und Gänge der etwas grösseren Statur des Käfers entsprechend,
gewöhnlich etwas stärker. Auch die von Kerrer [Alb] gegebene
Beschreibung der Frassfigur des T, Cembrae sowie die von BiIscHOFF-
Enınger gelieferte Abbildung [81] stimmt fast ganz mit der des
T. amitinus überein; auffallend ist, dass der erstere Forscher in der
Arve vorwiegend vierarmige, in der Lärche vorwiegend dreiarmige
Sterngänge der Käfer fand.
Da bis jetzt die Frassfigur von T. amitinus Eıcan. im Durchschnitt nur
ziemlich schlecht abgebildet wurde, sei auf die mustergiltigen, schon 1870 von
Hıawa |34] gegebenen und im Gegensatz zu denen von T. typographus L.
gestellten, photolithographischen Abbildungen hingewiesen. Allerdings werden
sie dort irrthümlich dem T. duplicatus Sau. zugeschrieben (vgl. S. 498).
Der gewöhnliche Brutbaum des T. typographus L. ist die
Fichte oder gemeine Rothtanne, Picea excelsa Link. In der
Literatur finden sich zwar schon von Anfang des Jahrhunderts her
Angaben, dass der Käfer auch in Kiefern, Lärchen, Tannen und
Arven gebrütet haben soll, die Richtigkeit dieser Angaben ist aber,
ganz abgesehen davon, dass in manchen älteren Fällen, namentlich
wenn es sich um Kiefer und Tanne handelt, einfach sprachliche Ver-
wechselungen vorgelegen haben mögen, stark zu bezweifeln, seitdem
Eıc#uorr den T. amitinus als eine gut unterschiedene Art nachwies,
die aber dem T. typographus trotzdem sonahe steht, dass eine frühere
Verwechselung beider sehr erklärlich ist. In höchstem Grade
wahrscheinlich wird eine solche z. B. für die früher als besonders
beweisend angesehene Mittheilung über das Vorkommen des T. typo-
graphus in Kiefern von Srrıy auf Tharander Revier. Hier spricht
die sehr deutlich [69 b, S. 274] abgebildete Sternform der Gänge für
T. amitinus. Alle neueren Untersuchungen von achtzähnigen, aus
anderen Holzarten als der Fichte stammenden Borkenkäfer haben
denn auch fast stets ergeben, dass es sich bier um T. amitinus Eıchn.
oder T. Cembrae Hrer handelte. T. amitinus Eıcnn. bevorzugt näm-
lich zwar auch die Fichte, geht aber sicher gleichfalls an Kiefern,
Knieholz-Kiefern [Jupeıcn 1888], Lärchen und Tannen. Nur
ganz ausnahmsweise scheint T. typographus andere Holzarten als
Fichte zu bewohnen; so liegen uns z. B. einige Exemplare dieses
Käfers vor, welche HenscheL in Steiermark in Lärche fand und auch
Arrum hat ihn neulich in dieser Holzart beobachtet |2 g, 8. 243].
In manchen Fällen kommt T. typographus L. allein vor, so z. B. war
unter 3100 an Jupeicn im Jahre 1884 aus dem Gouvernement
Nischni-Nowgorod in Russland durch Oberforstmeister 'TiEDEMAnN
(vgl. S. 157) gesendeten Käfern kein einziger T. amitinus Eıcnn.
Andererseits können beide Arten in einem und demselben Bestande
und in demselben Baume vorkommen. Kerrner [42 a] fand im
Thüringer Walde im Sommer 1874 in demselben Stamm !/, T. typo-
510 Kap. IX. Die Käfer.
graphus und ”/, T. amitinus. T. Cembrae Heer ist ursprünglich nur
aus der Arve bekannt, dagegen liegen uns durch Prof. HenscHeu
auch Frassstücke desselben in Lärche vor. Auch Jupeıcn hat ihn in
Lärche in der Schweiz und in Steiermark ziemlich zahlreich gefunden.
Die geographische Verbreitung des T. typographus L. entspricht der-
jenigen seines bevorzugten Brutbaumes, der Fichte, reicht also von
Lappland bis zu den Alpen und vom Ural bis nach Frankreich. Er
ist demgemäss vorwiegend ein Mittelgebirgsthier, welches jedoch
auch in der Ebene vorkommt, wie z. B. die grossartigen ÖOstpreussi-
schen und Russischen Wurmtrocknisse beweisen. Er kann andererseits
in den Hochgebirgen bis zu 2000 m Höhe steigen, wie EicHHOFF
angiebt |I5 a, 8. 221]. Ueber die geographische Verbreitung von
T. amitinus Eıcnm. ist noch wenig Genaues bekannt. Man kennt ihn
hauptsächlich aus Mitteldeutschland, Oesterreich und den Alpen-
ländern. T. Cembrae Hrer ist nicht nur aus dem alpinen, sondern
auch aus dem Sibirischen Verbreitungsgebiete der Zirbelkiefer be-
kannt [45, S. 254].
Die angeblich weitere, über die Fiehtenregion hinausgehende Verbreitung
des T. typographus L. im Russischen Reiche bis nach dem Stillen Ocean und
in die Kaukasusländer, wie sie uns Körren schildert [45, S. 252], muss aus
denselben Gründen, aus denen sein normales Vorkommen in anderen Holzarten
wie der Fichte vorläufig als nicht bewiesen anzusehen ist, als noch nicht fest-
gestellt betrachtet werden.
Die Menge der Borkenkäfer ist eine bei starkem Angriffe der-
selben fast unglaublich grosse. Sie bilden bei ihrem Schwärmen, wie
schon v. Sırrstorprr |[67, $. 15] weiss, mitunter geradezu kleine
Wolken, und stark befallene Bäume sind so dieht von ihnen besetzt,
dass kein Quadrateentimeter vorhanden ist, auf dem nicht Mutter- oder
Larvengänge vorhanden wären. Cocno [Il a, S. 16] berechnet die
Zahl der Käfer in einem von ihm untersuchten Stamme von 28°8 cm
mittlerem Durchmesser und 20 m Länge auf rund 34000 Stück.
Die achtzähnigen Borkenkäfer, namentlich T. typographus L.,
sind Spätschwärmer, deren Flug meist frühestens im April ein-
tritt. Ueber die Generation derselben lassen sich, da dieselbe ganz
besonders stark von den Witterungsverhältnissen beeinflusst wird,
keine bestimmten Angaben machen. Es kann je nach der geographi-
schen und der Höhen-Lage der einzelnen Oertlichkeit und nach
ihrem Klima, sowie nach den speciellen Witterungsverhältnissen des
Jahres eine einfache, 1!/sfache, doppelte oder dreifache Generation
vorkommen. Bei mittlerer Lage und nicht allzu rauhem Klima dürfie
die doppelte Generation die normale sein. Die Ueberwinterung kann
sowohl als Käfer in der Bodendecke oder in Rindenritzen, als auch
als Larve oder Puppe in der Rinde erfolgen.
Gegenüber der von Eıcuuorr immer wiederholten Behauptung, dass vor
ihm das Vorkommen mehrfacher Generation beim Borkenkäfer leichtsinniger-
weise nicht genug gewürdigt worden sei, reprodueiren wir hier wörtlich einige
Angaben der letzten Ausgabe dieses Buches: „Entwickelungszeit gewöhnlich
8 bis 10 Wochen, zuweilen auch wohl über 3 Monate, je nach der Lage des
Ortes und der Witterung. Oft ist also die ganze Brut schon im Juli, zuweilen
E
RR nu
Verbreitung und Generation der achtzähnigen Fichten-Borkenkäfer. 511
in Süddeutschland schon im Juni fertig, und kann bei günstiger Witterung eine
neue folgen. Eine doppelte Generation entsteht schon, wenn — wie in Mittel-
deutschland gewöhnlich — die Monate Mai bis September eine Mitteltemperatur
von 13°, 17°, 19°, 17%, 14° C. haben. Wenn die jungen Käfer in demselben
Jahre nicht mehr brüten, fliegen sie oft gar nicht aus, sondern fressen unregel-
mässige, verworrene Gänge um ihre Wiege herum.... 1874 fanden im Böhmer-
wald drei Hauptflüge statt, der erste vom 21. bis 24. April, der zweite vom 4.
bis 10. Juni, der dritte vom 2. bis 5. August.’
Beispiele davon, dass wirklich in rauhen Lagen T. typographus L. nur
einfache Generation habe, sind von den zuverlässigsten Beobachtern mitgetheilt
‘ worden, z. B. durch v. Ber aus Schweden [5c] und von HerxscheL aus Wild-
alpen in Steiermark an Aırum [2e].
In milden Lagen findet der erste Flug zur Zeit des Ausschlagens der
Buchen oder, wie Eıc#Horr [l5a, S. 223] bemerkt, zu Ende der Auerhahnbalz
statt. Die graphische Darstellung einer doppelten Generation kann also folgender-
massen gegeben werden:
I !
I
| |
: |
|| Jan. Is ‚März | April Mai | Juni | Juli | Aug. Sept. | Oct. |wor. Dee.
| |
1880 |
|
|
|
. |
--00+4++ |
Bu FFIR
| 1881 |F ++
| ++
|
|
Pre FORLFOREN |
|
Es wurden hierbei, soweit dies bei der Art der graphischen Darstellung
angeht, die Untersuchungen über die Dauer der einzelnen Entwickelungsstadien
von Pape [V, I, S. 171] und Quexser [5a, S. 122] berücksichtigt, welche die
Zeitdauer von der ersten bis zur neuen, zweiten Eiablage auf 86, beziehungsweise
77 Tage angeben, von denen allerdings in beiden Fällen ungefähr 30 auf die
Ausfärbung und Erstarkung der Käfer gerechnet werden. Dass dies bei warmer
Witterung schneller gehen kann, wie EıchHorr hervorhebt, sei aber gern zu-
gegeben. Hierbei ist ferner angenommen, dass die Ueberwinterung als Imago
erfolgt. Es können aber auch die im August fertig gewordenen Käfer nochmals
legen, sodass dann eine dritte Generation entsteht. Wenn diese im Larvenzustand
iiberwintert, was häufig vorkommt (vgl. auch Cocno Ild), so ist die graphische
Darstellung folgende:
aa \Febr., März April| Mai | Juni | Juli | Aug. | Sept.| Oct. | Nov. | Dee.
—-——- 00++
Hierbei ist zu bemerken, dass, wie Cocno [lld] genau nachweist, die
Winterkälte den Larven nichts anbat, wie überhaupt die Lebenszähigkeit
des Käfers in seinen verschiedenen Stadien eine solche ist, dass die Larven
sogar durch 'ein kürzeres Verflössen der Stämme nicht getödtet werden, und
Käfer, welehe drei Wochen in geflösstem Holze eingefroren waren, späterhin
ungestört zu ihrer Zeit ausgeflogen sind [v. Smrstorrr 67, S. 21]. Sogar ein
Anrösten der Rinde tödtet nicht immer alle in dem Stück befindlichen Käfer.
512 Kap. IX. Die Käfer.
wie eine Beobachtung von JupeicH [38a, S. 256] beweist. So ist denn der
namentlich von Cocno [ll «] lebhaft geführte Kampf gegen die Lehre, dass bereits
das Entrinden der Stämme mit nachfolgendem Liegenlassen der Brut in der
Sonne zur Tödtung wenigstens der Larven genüge — siehe auch weiter unten in
dem Abschnitte über Abwehr — ein vollberechtigter. Ob sein Widerspruch gegen
die Möglichkeit eines weiteren Ueberschwärmens des Borkenkäfers [Ilc] es gleich-
falls sei, scheint uns jedoch sehr fraglich, umsomehr als immer wieder neue Mit-
theilungen hierüber kommen.
Schaden. Die achtzähnigen Fichten-Borkenkäfer sind Be-
standsverderber, welche Althölzer von 80 bis 100 Jahren bevor-
zugen und am liebsten in ziemlicher Höhe anfliegen, um zuerst unter
der Krone ihr Brutgeschäft zu beginnen. Erst später werden all-
mählich auch die unteren Stammtheile befallen. Sie kommen aber
auch in Stöcken vor |Jupeıch 38 a, S. 76] und sind mitunter
auch in Fichtenästen gefunden worden, z. B. nach Juprıcn’s Mit-
theilung durch v. Oppen auf Nassauer Revier im Erzgebirge [38 d].
Im allgemeinen gehen sie zunächst in kränkelndes Holz, welches
z. B. durch Schneebruch oder Feuer beschädigt, durch Windstösse
in den Wurzeln gelockert, durch Pilze befallen, oder schon primär
von anderen Insekten, namentlich von der Nonnenraupe befressen
worden ist. Da frisch geschlagene Stämme in ihrer Beschaffenheit
dem kränkelnden, stehenden Holze sehr ähnlich sind, nehmen sie
solche mit besonderer Vorliebe an und gehen auch gern in nicht zu
alte, aufbereitete Meterstösse. Entrindetes Holz nehmen sie nicht an.
Bei starker Vermehrung gehen sie aber auch an ganz gesundes
Holz, welches sie alsdann tödten, wie nach den übereinstimmenden
Beobachtungen der verschiedensten Forscher nicht uachdrücklich
genug immer wieder hervorgehoben zu werden verdient. Die Lieb-
lingsplätze des Käfers sind warme und trockene Lagen, kleine Blössen
und Bestandsränder, natürlich gilt dies aber nur so lange, als keine
allzu starke Vermehrung stattfindet. In letzterem Falle überschwemmt
er alle erreichbaren Reviertheile. Er wurde auch schon, entgegen den
früheren Angaben von RATzegurg, in sumpfigem Terrain gefunden,
so in Schlesien von Donmmes [l4].e Die Wirkung des Angriffes der
Borkenkäfer auf noch grüne Bäume ist nach der Jahreszeit ver-
schieden. Dem Frühjahrsangriff, welcher den Nadeln den gipfelwärts
aufsteigenden Saft entzieht, folgt die Röthung der Nadeln schneller als
dem Sommerangriff. In dieser Zeit ist ja der Assimilationsprocess in
den Nadeln in vollem Gange. Dagegen werden die in den Nadeln
erzeugten, stammabwärts gehenden Nahrungssäfte bei Sommerfrass
von dem Baste abgehalten und es folgt daher der Rindenabfall
schneller, sodass Rindenabfall bei noch grüner Benadelung vorkommen
kann [Huss, XXI, 2. Aufl, S. 278 und 279].
Der erbitterte Streit über die Frage: Geht der Borkenkäfer nur kranke
oder auch gesunde Bäume an? ist so alt, als die Wahrnehmung, dass es „Wurm-
trockniss” giebt. Wer sich für die ältere Literatur hierüber interessirt, möge die
betreffenden Abschnitte in Guerin’s 1787 erschienenem, ausführliehem Buche
nachlesen, in welchem der besonnene Mann schliesslich [25, S. 136] zu dem
Urtheile kommt, „dass die letztere Meinung mehr für sich hat als die erstere”,
Schaden der achtzähnigen Fichten-Borkenkäfer. Geschichtliches. 513
und dann fortfährt: „Wenn sie es aber auch nicht hat, so scheint es mir, solange
wenigstens bis die entgegengesetzte Meinung noch nicht bis zur vollkommenen
Gewissheit erwiesen ist, rathsamer, ein Verfahren ferner zu befolgen, durch
welches man der Geschichte zufolge in älteren Zeiten den Wurm so oft bis zur
Unschädlichkeit vermindert hat, als ein neues einzuführen, das sich auf eine
so sehr widersprochene Meinung gründet. Und gesetzt auch, der Wurm falle
nur kranke Bäume an, so stimmen doch alle Beobachter darin überein, dass
diese Bäume, wenn sie der Wurm nicht angegriffen hätte, noch Jahre lang grün
geblieben wären, und die meisten unter ihnen gutes brauchbares Holz behalten
hätten, vielleicht sich wieder ganz erholt hätten, da sie hingegen, wenn sie der
Borkenkäfer anbohrt, in wenigen‘ Monaten unaufhaltbar so daraufgehen, dass,
wenn sie nun nicht bald gefällt werden, auch ihr Holz ungemein an Güte ver-
liert. Ist also jenes Verfahren in älteren Zeiten nicht auch aus dem Grunde
rathsam, um jene kranken Bäume vor ihrem schnellen Verderben und Absterben
in Sicherheit zu setzen, umsomehr, da es nach den Vertheidigern der ersten
Meinung so äusserst schwer ist, kranke Bäume, ehe sie der Wurm anfällt, immer
zuverlässig zu erkennen?”
Diese so richtigen Worte gelten unserer Ansicht nach noch heute völlig
uneingeschränkt, und nur des historischen Interesses wegen führen wir an, dass
sich auch bis auf den heutigen Tag lebhafte Vertheidiger der entgegengesetzten
Meinung gefunden haben. Als Beispiele vernünftiger, sachlicher Besprechung der
Frage seien die Arbeiten von Broxpem [7] rühmend hervorgehoben, während
solche tolle Elaborate, wie die von Barock [3] und Revırzey [62] wohl nur als
Curiositäten angeführt werden können. Auch der auf scheinbar wissenschaftlicher
Grundlage unternommene Versuch von Linpemann [vgl. 28], nachzuweisen, dass
der primäre Schaden den Bäumen durch Agaricus melleus zugefügt worden
sei und die Borkenkäfer erst secundär zutreten, dürfte, trotzdem er in der forst-
lichen Tagesliteratur Beachtung gefunden hat, namentlich in Folge der licht-
vollen Erwiderung durch SogirscHhEwskı als völlig abgethan anzusehen sein.
Geschichtliches. Die Berichte über das Vorkommen der Wurm-
trockniss, auch Wurmfrass, Fichtenkrebs, Sohrung, Darre, Dürrwerden genannt,
in Deutschland reichen ziemlich weit hinauf. In Kreser’s tabellarischer Ueber-
sicht der Waldverheerungsgeschichte von 1449 —1799 [47] ist die erste Wurm-
trockniss im Harze 1649 angeführt und es folgen dann gleich die Jahre 1665
und 1677. 1681 bis 1691 wird im Harze das Uebel durch schleuniges Nieder-
hauen und Verkohlen gedämpft, die Verheerungen wiederholen sich aber schnell
und nehmen von 1703 an bedenklich zu, um eigentlich das ganze Jahrhundert
hindurch in den mitteldeutschen Gebirgswäldern nicht mehr aufzuhören, trotz-
dem man 1707 mit rationeller Abwehr beginnt, nicht wie früher die bereits ganz
dürren Stämme, sondern die „frische Trockniss”, d. h. die noch mit Larven
besetzten Bäume, zuerst haut und die Borke verbrennt.
Die Anschauungen über die Natur des Uebels waren damals noch sehr
primitiver Natur; allerdings darf man es dem Pastor Curıstıan LEHMANN zu
Scheibenberg im Erzgebirge, einem übrigens recht gescheiten Manne, der 1699
seinen bekannten „Historischen Schauplatz derer natürlichen Merkwürdigkeiten
in dem Meissnischen Ober-Ertzgebirge” herausgab, nicht allzuhoch anrechnen,
wenn er sagt: „Ich vermeine, man müsse diesem sonderlichen Siechthum unter-
schiedliche Ursachen beimessen, theils der Sideration (!) und giftigem Thau,
der auf die Wälder fällt und eine grosse Fäulniss verursacht, dass allerhand
schädliches Ungeziefer und Gewürme zwischen der Rinde und Holtz wächset,
sich tieffin den Kern einfrisset und den balsamischen Saft vergiftet und verzehret.
Wie dann viel Gewürme innerhalb der Rinde und des Holtzes gefunden wird
und man observiret, dass die schwartzen Rosskäfer sich an das Gehöltze fest
anhangen, mit dem Schwantz durch die Rinde bohren, und ihren Unrath hinein-
schmeissen. Daher grosse Maden mit schwartzen Köpffen wachsen, die sich tieff
ins Holtz hineinfressen.” Hat doch noch der Verfasser der „Grundsätze der
Forstökonomie”, W. S. Moser 1757 nicht viel klarere Vorstellungen, trotzdem
bereits R. F. von Freuuming in seines „Vollkommenen Teutschen Jägers anderem
Haupttheil” 1724, S. 76 und 77, eine ganz verständige Schilderung der wirk-
514 Kap. IX. Die Käfer.
lichen Entwickelung der Borkenkäferlarven giebt, die er allerdings durchaus als
secundär ansieht.
Aber erst gegen das Ende des 18. Jahrhunderts beginnt eine einiger-
massen mit unseren heutigen Anschauungen vergleichbare Auffassung der Natur
des „fliegenden schwarzen Wurmes”, wie man damals den Borkenkäfer nannte,
platzzugreifen, im Zusammenhang mit der allgemeinen Hebung der entomolo-
gischen Kenntnisse, welche sich damals unter Lixnn#’schem Einfusse vollzog.
Es erscheint nun eine Unmasse kleiner, nach unseren Begriffen mehr oder
weniger wunderbarer Schriftchen über den Borkenkäfer mit rohen Abbildungen
welche aber doch zur Klärung der Anschauungen beitrugen, und unter denen
einige besonders rühmlich hervorgehoben zu werden verdienen, z. B. die kleine
Broschüre des herzogl. Braunschweig-Lüneburgischen Oberforstmeisters von
SIERSTORPFF [67], während Gmeri’s Abhandlung über die Wurmtrockniss ein
zusammenhängendes, gutes Bild des damaligen Zustandes der mitteldeutschen
Gebirgswälder, namentlich im „Communionharz’ giebt. War doch hier allerdings
die Erscheinung so Besorgniss erregend, dass sie sich dem einsichtigen Beob-
achter geradezu gewaltsam aufdrängte. Seit 1772 nahm die Wurmtrockniss stark
überhand, erreichte 1781 bis 1783 den höchsten Grad und erlosch erst gegen
1757. Um einen Begriff von dem Umfang der Verheerung zu geben, genügt es
zu sagen, dass nach Guerin [25, S. 67 bis 69] die Anzahl aller im Communion-
harz trocken gewordenen Stämme 1781: 182 451 Stück, 1782: 259 106 Stück betrug.
In letzterem Jahre allein waren daselbst 3359 Waldmorgen neu abgestorben,
und Ende 1786 betrug im Zellerfelder Forstdistrikte, der aus 5 Forsten bestand,
die Anzahl der in Trockniss auf dem Stamme stehenden und abgeborkt liegen
gebliebenen Stämme nicht weniger als 446 284 Stück, sodass man ganz gut
annehmen kann, dass im Ganzen durch diesen Frass gegen 3 Millionen Fichten-
stämme vernichtet wurden. Eine solche Höhe erreichen dann die Frasse, welche
1795 bis 1798 im Voigtlande, 1818 und 1828 in der Provinz Preussen und 1835
bis 1836 in Württemberg wütheten [26.a, S. 124], nicht.
Von den neueren Frassen sind zwei besonders lehrreich, der ÖOst-
preussische in den Jahren 1857 bis 1858, beziehungsweise 1862, und der
im Böhmerwald in den Jahren 1871 bis 1875. Ersterer war ein secundärer
Frass, welcher dem dort seit 1854 auftretenden Nonnenfrasse, über den wir
noch später zu berichten haben werden, folgte. Wer die genaueren Daten
kennen lernen will, ist zu verweisen auf die gründlichsten Berichte, welche
GrunerT [26a] und WırLkonm [75a] gegeben haben. Hier genüge es zu sagen,
dass nach Gruxert [26a, S. 106 und 107] die Verwüstungen in dem Regie- |
rungsbezirk Gumbinnen von 1854 bis Ende 1862 sich folgendermassen stellten: E
Menge des abgestorbenen Holzes in Massen-
Flächeninhalt in Morgen klaftern & 70: Kuhikfuss
EEE | Ehen | Raupen? ass | Käfer | Summe
| Staatsforsten | 897823 224244 | 1609095 966 607 | 2 575 702
pe Kr 350 59 000 | 225000 | 452500 | 677500
| | 1135173 | 283244 | 1834095 | 1419107 | 3253 202
ı
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass nach Forstmeister Schurz der Raupen-
frass dem Käferfrass gegenüber meist zu hoch angesprochen wurde. Von dem
abgestorbenen Holze waren bis October 1862 verwerthet 2 353 566 Klaftern Derb-
holz und ausserdem noch 154 470 Klaftern Stockholz und Reisig, die nebst jenem
Derbholze gewonnen worden waren; unverwerthet blieben zu jener Zeit noch
Hervorragende Verheerungen der achtzähnigen Fichten-Borkenkäfer, 515
40 672 Klaftern aufbereitetes Holz. 858 964 Klaftern Holz auf dem Stamme, ausser-
dem an Stockholz 432 642 Klaftern und 1396997 Klaftern Reisig. Es wurde daher
durch den nachfolgenden Borkenkäferfrass ziemlich ebensoviel Holz vernichtet
wie durch den Raupenfrass.
Anders verhielt es sich mit dem grossen Borkenkäferfrass im Böhmer-
wald und im Bayerischen Wald. Hier waren grosse Wind- und Schneebrüche
die erste Ursache. Der furchtbare Sturm, welcher am 7. Decembor 1868 in ganz Mittel-
deutschland, in Böhmen, Schlesien und Mähren hauste, hatte auch den Böhmer-
wald getroffen, so z. B. auf dem Kubany allein 100 Joch Urwald vernichtet
- und überall Borkenkäfergefahren heraufbeschworen, namentlich in Centralböhmen,
wo ihm am 9. November desselben Jahres ein verheerender Schneesturm voraus-
gegangen war, welcher wohl 1 Million Klafter Holz, auf der 38 000 Joch grossen
Domäne Zbirow allein 95 000 Klafter, geworfen und gebrochen hatte. Wäre es
möglich gewesen, die mächtigen Bruchmassen rechtzeitig aufzuarbeiten, wie es
anderwärts vielfach geschehen konnte, so wäre kaum die grosse Borkenkäfer-
verheerung eingetreten. In der Hauptsache wurde man wohl erst 1870 damit
fertig und die 1869 liegenden Bruchmassen bildeten die ersten Brutstätten für
eine ungewöhnlich grosse Menge von Borkenkäfern. Zum Unglück traf nun der
grossartig verwüstende, von Südwest nach Nordost laufende Sturm in der Nacht
vom 26. zum 27. October 1870 den Böhmerwald, welcher viele Millionen Klaftern
warf, die für den ohnehin massenhaft vorhandenen Borkenkäfer neue willkommene
Brutwiegen boten. Die zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte langten zu der
schwierigen Aufarbeitung der haushoch aufgethürmten Bruchmassen nicht hin,
und trotz wiederholter, rechtzeitiger Gesuche, welehe namentlich, insoweit sie
die Bitte um Gewährung von Militäraushilfe betrafen, anfänglich abschlägig
beschieden wurden, entschloss sich die k. k. Staatsregierung erst 1873, also viel
zu spät, mit Geldvorschüssen u. s. w. helfend einzuschreiten. Bei der in Folge
von Arbeitermangel namentlich in den kleineren Privat- und Gemeindewaldungen,
z. B. in Aussergefield, ungenügenden Bekämpfung in den Jahren 1871 und 1872
hatten sich von den älteren Herden aus die Käfer in geradezu entsetzlicher
Weise vermehrt und fielen massenhaft auch gesunde Bäume und Bestände an.
Hier war ihre Bekämpfung überdies noch durch das Vorhandensein ausgedelınter,
im Zusammenhang liegender Komplexe von Althölzern wesentlich erschwert.
Bei der durch Forstrath Swosopa 1873 unternommenen Bereisung des Böhmer-
waldes [69] zeigte es sich, dass in den Bezirkshauptmannschaften Krumau,
Prachatitz, Schüttenhofen und Klattau zusammen 104 100 ha Waldfläche befallen
waren. Mit 1400 fremden aus Krain, Tirol u. s. w. zugezogenen und 7000 ein-
heimischen Arbeitern wurden nun Gegenmassregeln energisch in Angriff genommen.
Zur Herstellung der für die Abbringung der Hölzer nöthigen Strassen wurden
vom böhmischen Landtage 100 000 fl. bewilligt und die gleiche Summe vom
k. k. Ackerbauministerium vorschussweise gewährt. Auf den fürstlich Schwarzen-
berg’schen Herrschaften waren überdies durch Krainer und Tiroler Arbeiter
mehrere ausgedehnte Holzriesen gebaut worden. Die Opfer, welche die Wald-
besitzer selbst bringen mussten, lassen sich nicht beziffern; es sei hier nur
erwähnt, dass allein auf den Domänen Krumau, Winterberg, Stubenbach, Gross-
Zdikau und Bergreichenstein im Jahre 1873 auf einer Waldfläche von 51 800 ha
141 000 fl. an Vertilgungskosten aufgewendet werden mussten. Im Jahre 1875
konnte die Gefahr als überwunden angesehen werden. In den oben genannten
vier Bezirkshauptmannschaften waren 104100Aha Waldfläche befallen worden,
6300Aa mussten davon kahl abgetrieben werden. Im Ganzen waren mehr als
300 000 Fangbäume gefällt worden, und die Aufbereitung der befallenen Hölzer,
welche durch viele Tausend Arbeiter mit einem Lohnaufwande von 130 0 000 fl
bewirkt wurde, ergab ungefähr 2 700 000 /m.
Werden die Verheerungen durch den Borkenkäfer von ihrem Beginn an
bis Ende 1874 zusammengefasst, so ergeben sich nachstehende Ziffern [80,
S. XCVII]:
516 ; Kap. IX. Die Käfer.
Bis 1873 2 2.2.0. 0.3590 ha Bestandsfläche mit 1 496 000 fm Holzmasse,
ee an A # „ 1.069 200 fm =
Im JR lSRA er 21692, 8 3 „ 1066 850 fm x
ZusammensrsnrB. 9 012:0 ka Bestandsfläche mit 3 632 050 fm Holzmasse,
wozu im Böhmerwaldgebiete für 1875 noch weitere 2 176ha mit 358 590 fm hinzu-
kommen [80, S. XCIHI. _ |
Leider sind die Daten über diesen Borkenkäferfrass nicht so aktenmässig |
zusammengestellt wie die aus Ostpreussen, immerhin geben aber der Reise-
berieht von Wırrkomm [75c], der Bericht von SwosopA [69] und einige andere
Zeitungsberichte ein allgemeines Bild über die Verheerungen. Die neueste und
genaueste Zusammenstellung des Bekanntgewordenen giebt J. Bernar |80,
S. XCIHI—C]. Ueber den Verlauf des Frasses im Bayerischen Walde berichtet
ScuwarrachH [66] und über die gleichzeitig in Oesterreich-Schlesien stattgefundenen
Borkenkäferschäden KarsascH [40]. Eine Borkenkäferverwüstung im Gouverne-
ment Moskau 1882/83 schildert neuerdings Tuüruer [72].
Einer der häufigsten Begleiter des Buchdruckers ist
der sechszähnige Fichten-Borkenkäfer, |
Tomicus chalcographus L.,
welcher sich von jenem sofort durch seine geringere, nur bis 2 mm
betragende Grösse und die langgestreckte Form des Flügeldecken-
eindruckes auszeichnet, der jederseits am Rande mit drei, beim d
starken, beim ? schwachen Zähnen besetzt ist (Fig. 170). Die Frass-
figur ist ein typischer Sterngang mit geschwungenen, schmalen Armen,
dessen Rammelkammer fast immer in der Rinde verborgen bleibt
(Fig. 171).
Fig. 170. Flügeldeckenabsturz von Ö und @ von T. chalcographus L.
Beschreibung: Tomicus chalcographus L. Käfer walzenförmig, pech-
schwarz oder pechbraun, fettglänzend, fast unbehaart, hintere Hälfte der Flügel-
decken heller gefärbt. Vorderbrust ohne Fortsatz zwischen den Hüften. Fühler- |
keule rund mit fast geraden, etwas welligen Nähten. Halsschild etwas länger als
breit, nach vorn verschmälert, in der Mitte auf der Scheibe beiderseits quer ein-
gedrückt, vorn gekörnt, hinten fein und weitläufig punktirt, die Mittellinie und ein
nicht ganz deutlicher Fleck beiderseits glatt. Flügeldecken länger als das
Halsschild, vorn bis gegen die Mitte sehr fein punktirt-gestreift, mit glatten
Zwischenräumen, hinter der Mitte glatt. Der Nahtstreifen vorn nicht vertieft,
etwa von der Mitte an eine schräge, nach hinten breiter werdende, tiefe, glatte
Furche bildend, in welcher die Nath erhaben hervortritt; die Ränder des Ab-
sturzes jederseits mit drei an der Spitze dunkler gefärbten Zähnchen, die beim
g scharf und etwas nach oben und innen gerichtet sind und von denen der
oberste fast in der Mitte der Flügeldecken liegt; Stirn des S gewölbt. © mit drei viel
schwächeren Zähnchen, welche etwas weiter nach hinten gerückt sind, der Ab-
sturz ist weniger tief und breit gefurcht; Stirn ausgehöhlt. Vorderschienen
nach vorn nicht erweitert. Länge 15 —2 mm.
Der sechszähnige Fichten-Borkenkäfer, Tomicus chaleographus, 517
Lebensweise. Die Frassfigur von T. chalcographus L. ist
ein typischer Sterngang, bei welchem eine grössere Anzahl nur
1 mm breiter, geschwungener, deutlich radiär auseinander tretender
Muttergänge, welche sowohl Rinde als Splint furchen, von einer
grösseren, aber meist in der Rinde liegenden Rammelkammer aus-
gehen. Schält man daher ein Stück Rinde sauber ab, so sieht man
weder auf der Rinden- noch auf der Holzfläche die Rammelkammer,
sodass also die Muttergänge getrennt voneinander zu entspringen
scheinen. Die verhältnissmässig kurzen Larvengänge stehen sehr dicht
nebeneinander. Die Puppenwiegen liegen in der Rinde.
Der gewöhnliche Brutbaum ist auch für den „Kupferstecher”
die gemeine Fichte, Picea excelsa Liwnk, welcher er in ihrer
geographischen Verbreitung bis nach Skandinavien und zum Ural
folgt [V, 1, S. 191]. Er soll aber auch in Tannen vorkommen,
wie schon RATzegurg erwähnt und Nörnuinger |XXIV, S. 31] be-
stätigt, der ihn auch aus der gemeinen Kiefer, der Weymouths-
kiefer, der Arve und der Lärche kennt.
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Fig. 171. Frass von Tomicus chalcographus L. in Fichte. A. Stammabschnitt
in !/, nat. Grösse. B. Rindenstück in ?/, nat. Grösse. Originale.
Wie es sich mit dem schon von Rartzegure [XV, I, S. 98] erwähnten
Vorkommen im Knieholz des Riesengebirges und mit dem von Aurum nach
Hrnsschet berichteten Vorkommen in der Steierischen Legföhre verhält, und ob
hier nieht eine Verwechselung mit T. bistridentatus Eıcun. vorliegt, ist augen-
blieklich nieht zu entscheiden. Nach Meier [öl] ist er im Solline auch an
Schwarzkiefer vorgekommen und nach Reser [vgl. 45, S. 259] hat er in den
Anlagen bei St. Petersburg auch Abies Pichta Fore. (Sibirica Leper.) befallen.
Ueber die Generation dieses Spätschwärmers, dessen Flug-
zeit gewöhnlich mit der von T. typographus L. zusammenfällt, ob-
518 Kap. IX. Die Käfer.
gleich er nach Paury ]82] weniger wärmebedürftig ist, ist dasselbe zu
bemerken, wie bei diesem seinen Verwandten. Während dieselbe
früher durchgängig als einjährig angegeben wurde, bricht sich all-
mählich die Ueberzeugung Bahn, dass sie in Lagen mit gemäs-
sigtem Klima wohl doppelt sein dürfte. Dies giebt nach exacten
Versuchen in der allerneuesten Zeit sogar PauLy zu, der sonst ein
energischer Verfechter der Anschauung ist, dass im Durchschnitt
unsere Borkenkäfer nur eine einfaehe Generation haben. Zugleich
zeigt dieser Forscher aber auch, wie stark die Temperaturverhält-
nisse die Entwickelungsdauer unseres Käfers beeinflussen.
Schaden. Der Käfer bevorzugt im Gegensatz zu T. typographus
L. die dünnere Rinde und nimmt daher in älteren Beständen mit
Vorliebe die oberen Stammtheile und die Aeste an, obgleich er
mitunter auch starke Fichten von oben bis unten besetzt [V, 1,
S. 192]. Wenn er sich noch nicht allzu sehr vermehrt hat, befällt
er aber hauptsächlich kränkelnde oder durch Schneedruck beschädigte
Stangenorte. Späterhin geht er an die Aeste älterer Bäume und wird
im Allgemeinen für sich allein nur selten in ausgedehntem Masse
schädlich, betheiligt sich aber an dem Frasse des T. typographus L.
in den von diesem mehr gemiedenen, dünnborkigen Theilen so stark
und ergänzt dessen verderbliche Thätigkeit so erfolgreich, oder
arbeitet ihr sogar häufig vor, dass er zu den sehr schädlichen
Borkenkäfern zu rechnen ist. Von grösseren Schäden in jüngeren
Diekungen kennen wir nur den von HenscreL [32 b] aus Steiermark
berichteten Fall, im Salzathal in Steiermark, in einer 8- bis 12jährigen,
durch Aecidium abietinum geschädigten Fichtendickung. Die erste
sichere Erwähnung eines Schadens geschieht in der forstlichen Lite-
ratur durch v. SıERSTORPFF 1794 aus dem Harze, wo man diesen
Käfer damals „Astkäfer” nannte [67, 8.56 bis 58]. Er wird seitdem
bei jeder grösseren Wuımtrockniss als Mitarbeiter erwähnt, so z. B.
in Östpreussen durch Antemann [I b, 8. 96], wo auffallenderweise
der Käfer nur bei dem ersten Anfluge des T. typographus L. be-
theiligt war, und in Böhmen von Freiscner [I7, S. 29].
Nicht minder häufiger erscheint namentlich in schwächeren
Fichten
der doppeläugige Fichten-Bastkäfer,
Hylesinus poligraphus L.,
welcher etwas grösser wie T. chalcographus und als Käfer sehr leicht
an den deutlich getheilten Augen, der soliden, zugespitzten Fühler-
keule, der reifartigen Beschuppung und der schon bei Lupenver-
gıösserung sichtbaren eylindrischen, nicht herzförmigen, Bildung des
dıitten Fussgliedes zu erkennen ist. Seine meist in der Rinde
verlaufenden Frassgänge, welche, wenn gut ausgebildet, doppel-
armige Wagegänge darstellen (Fig. 172 B), sind dagegen nur selten
klar und auf der Innenseite der Rinde wie auf dem Holze kann
Tomicus chaleographus und Hylesinus poligraphus. 519
man meist nur die alsdann zusammenhanglos erscheinenden Enden
der Larvengänge (Fig. 172A) erkennen.
Beschreibung: Hyl. (Polygraphus) poligraphus L. (pubescens Bach).
Käfer länglich, schwarzbraun, mit Schuppenhaaren ziemlich dicht bedeckt. Hals-
schild nach vorn stark verengt, an der Spitze leicht eingeschnürt, kürzer als an
der Basis breit, oben fein und dicht punktirt, mit feiner, erhabener Mittellinie.
Flügeldecken mit aufstehendem, fein gezähneltem Wurzelrande, sehr fein undeut-
lich punktirt-gestreift; die breiten Zwischenräume feinkörnig, durch die Be-
sehuppung reifartig rauh erscheinend. Kopf und der sehr kurze, etwas ein-
gedrückte Rüssel sehr feinkörnig punktirt. 5 mit gelblich behaarter Stirn und
beiderseits schwach gefurchtem Absturz der Flügeldecken. 2 mit dünn behaarter,
auf der Mitte mit zwei Höckerchen besetzter Stirn und einfach gewölbtem
Absturz. Länge 2—2°5 mm.
Wir behalten hier vorläufig noch diese eine Art bei, können aber nicht
umhin zu erwähnen, dass dieselbe nach Schwedischen Exemplaren neuerdings
von THonson in drei Arten getrennt wurde, den eigentlichen P. pubescens Bach,
den P. punctifrons Tuoums. und den P. subopacus Tuonms. [70, S. XI]. Inwiefern
sich diese Arten halten lassen und ob sie biologische Unterschiede zeigen,
konnten wir noch nicht feststellen; dagegen können wir bestätigen, dass die
vierte, neuerdings von THouson aufgestellte Art [70, S. LXI], P. grandiclava, eine
gute Art ist, welche sich von dem P. pubescens Bacu durch bedeutendere Grösse,
im Allgemeinen viel dunklere Färbung, schwarzbraune Beine mit helleren Tarsen
und ausgesprochen hellgelbe Fühler mit sehr grosser, eiförmig zugespitzter
Keule deutlich unterscheidet.
Lebensweise. Rarzegurc beschreibt [V, 1, S. 223] die Frass-
figur dieses Käfers ausgezeichnet: „Seine Gänge sind zweiarmige Wage-
gänge. Wenn sie auch nicht immer vollkommen wagerecht laufen, so
sind sie doch nie ganz lothrecht. Meist sind sie stark geschlängelt,
beide von einer grossen Rammelkammer abgehende Arme messen
2:5—4cm und sind fast 18 mm breit. Die mehr oder weniger loth-
rechten Larvengänge zerstören den Bast in hohem Grade. Sehr ober-
flächliche Splintwiegen.” Diese Schilderung können wir im allgemeinen
nach ganz vorzüglichen Präparaten, die wir vom königlich Sächsischen
Staatsforstrevier Colditz erhielten, völlig bestätigen, müssen aber hinzu-
fügen, dass mitunter nur ein einziger, in anderen Fällen aber auch
mehr, 3—5, Arme vorhanden sein und auch etwas länger werden
können. Die hervorragendste Eigenthümlichkeit des Frasses besteht
darin, dass in beiweitem den meisten Fällen Rammelkammer und
Muttergänge das Holz nicht furchen und der Anfang der Larven-
gänge völlig innerhalb der Rinde verborgen liegt. Auf der geschälten
Holzfläche sieht man daher stets nur die Enden der Larvengänge
und die Puppenwiegen, höchstens hie und da einmal die Andeutung
eines Mutterganges (Fig. 172 A bei a), während auf der Innenseite
der Rinde ausserdem noch die bis auf das Holz gehende Rammelkammer
und die Muttergänge sichtbar sind. Vollständig, wie auf Fig. 172 B
dargestellt, übersieht man die Frassfigur nur. dann, wenn man sorg-
fältig die äussere Hälfte der Rinde mit dem Messer abträgt. In
schwächerem Materiale wird die Frassfigur unregelmässiger und nähert
sich mehr der Sterngangform [XXIV, S. 24, untere Abbildung]. In
stark besetzten Stangen wird die ganze Bastschicht so durchfressen,
520 Kap. IX. Die Käfer.
dass man gar kein deutliches Bild erhält, und in dieser Form kommt
der Frass in der forstlichen Praxis am häufigsten vor.
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Fig. 172. A. Fichtenholz mit Larvengang-Enden, Puppenwiegen und Muttergang (a)
von Hylesinus poligraphus L. B. Ausgebildete Frassgänge desselben Käfers
in Fichte durch Abtragung der oberen Rindenschicht blossgelegt. Beide
!/, nat. Grösse. Originalzeichnungen.
Der gewöhnliche Brutbaum des H. poligraphus L. ist die
gemeine Fichte. Ausserdem ist er von NörpLincer [XXIV, S. 24]
in Kiefernästen, in Weymouthskiefernästen und im „exotischen’’
Garten zu Tübingen in Zirbelkiefer gefunden worden. Letzteres Vor-
kommen im Hochgebirge bestätigt Hrxscuen |32e, S. 536]. Hreger
fand ihn im Park von Laxenburg bei Wien auch in Weisstannen
[31, 8. 538]. Einen neuen Fall von vereinzeltem Vorkommen in Kiefern,
die in einem befallenen Fichtenhorst eingesprengt waren, berichtet
Tavu [71].
Die Angabe von NÖRDLINGER, dass dieser Käfer auch in Kirschbaum vor-
kommt, eine Beobachtung, welche auch von Jupeıch nach einem Funde zu
Herzogswalde in der Nähe von Tharand bestätigt wurde, ist zwar insoweit
richtig, als es sich hier um einen Polygraphus handelt; indessen konnte neuer-
dings wenigstens für den zweiten Fall constatirt werden, dass dies nicht der
Polygraphus pubescens BacHu sei, sondern vielmehr der neue P. grandiclava
Troms. (vel. S. 519).
Hyl. poligraphus L. ist ein Spätschwärmer, der zuerst Ende
April oder im Mai schwärmt. Seine Generation wird von STEIN
[68.«a, S. 254] als „anderthalbig” angegeben. Alle neueren Angaben
stimmen dagegen überein, dass dieselbe unter normalen Verhältnissen
in mittlerem Klima wenigstens eine doppelte ist |37, S. 443 und 7I,
S. 25 und I5a, $. 124], und dass häufig noch im Herbst zu einer
dritten Eiablage geschritten wird.
Hylesinus poligraphus und H. palliatus, 521
Mittheilungen über Schaden von H, poligraphus L, finden sich
in der Literatur zahlreich; eine der älteren ist die von Srrın |68 a,
S. 250 ff.], dass auf dem damaligen Herrndorfer, jetzigen Grillen-
burger Reviere bei Tharand die Bäume eines 20—40jährigen Fichten-
bestandes in ihren unteren Theilen stark von ihm angegriffen worden
seien, während die oberen Theile von H. palliatus Gyrı. bewohnt wurden.
Doch musste der Käferfrass hier nur als seeundär angesehen werden.
Dösner [13] berichtet über einen verderblichen Frass an stärkeren und
schwächeren Fichten im Schönbusch bei Aschaffenburg aus den Jahren
1859 und 1860; sogar Fichten von „mehreren Fuss Durchmesser”
hatte der Käfer getödtet. Einen Fall, dass 82 Stämme von 14—42 cm
Brusthöhendurehmesser eines in einem Buchenbestand eingesprengten
Fiehtenhorstes von ihm getödtet worden seien, berichtet 1877 A.
Josepu aus dem Oberhessischen Revier Nidda [37]. Aruemanv theilt
ferner mit, dass in der Öberförsterei Guttstadt H. poligraphus im
Gefolge von T. typographus in grosser Menge zunächst in den
Aesten aufgetreten ist und sich dann so vermehrt hat, dass er selbst-
ständig, ohne Mithilfe des T. typographus, starke Fichten in erkleck-
licher Menge getödtet habe [la, S. 53). In der Gegend von Laubach
in Hessen verwüstete er 1884 in Verbindung mit T. Abietis Rarz.
die Hälfte eines 3:5 ha grossen, 30jährigen Fichtenbestandes, und war
in den höheren Fichtenlagen des Vogelsberges, wo er auch ältere
Fichten anging, häufig [71]. Auf Tharander Wald ist er wiederholt
sehr schädlich aufgetreten, und zwar theils allein, theils als Begleiter
anderer Borkenkäfer. An dem furchtbaren Borkenkäferfrass, welcher
im Böhmerwalde wüthete, ist er ebenfalls, wenn auch untergeordnet,
betheiligt gewesen, desgleichen an dem Östpreussischen Frasse, bei dem
er aber, im Gegensatz zu Tomicus chalcographus L., meist nur den
zweiten Flug des T. typographus L. begleitete [Ib, 8. 96]. In den
Siebzigerjahren hat er bei T'harand, namentlich im breiten Grunde
auch horstweise in 15—20jährigen Fichtendickungen stark geschadet.
Zu den häufigsten Erscheinungen in allen Fichtenrevieren gehört
ferner
der braune Fichten-Bastkäfer,
Hylesinus palliatus GYLL.,
welcher, 3mm lang, den H. poligraphus L. etwas an Grösse über-
trifft und sich von ihm durch die einfachen Augen, das herzförmige
dritte Fussglied und die feine Behaarung der Flügeldecken unter-
scheidet. Seine Frassfigur besteht aus einem kurzen Lothgange mit
langen, meist in der Rinde verlaufenden Larvengängen, welche aber
oft so dicht gedrängt sind, dass die ganze Innenseite der Rinde in
Mulm verwandelt erscheint.
Beschreibung: H. (Hylastes) palliatus Gyrr. Käfer länglich,
etwas glänzend, Unterseite, Kopf, Rüssel und Seitenränder der Flügeldecken
schwarz oder schwarzbraun, Oberseite des Halsschildes und Flügeldeeken braun-
roth, niemals schwarz. Halsschild etwas breiter als lang, nach vorn verengt, vor
Lehrbuch d, mitteleurop. Forstinsektenkunde, 34
522 Kap. IX. Die Käfer.
der Spitze eingeschnürt, nach der Basis kaum verschmälert, oben sehr dicht
runzelig punktirt, mit erhabener, vorn abgekürzter, glatter Mittellinie. Flügel-
decken an der Basis einzeln abgerundet, mit. nach hinten etwas tiefer werdenden
Punktstreifen, Zwischenräume kaum breiter als letztere, körnig punktirt, mit
kleinen Höckerehen und sehr feinen, reihig gestellten Härchen, gegen die Spitze
mit feinen, gelblichen Schüppcehen. Kopf fein und dicht punktirt. Rüssel von der
Stirn durch einen flachen, halbkreisförmigen Eindruck, der indessen manchmal
fehlt, geschieden, an der Spitze mit erhabener, feiner Längslinie, zu beiden Seiten
derselben leicht eingedrückt. Fühler und Beine braunroth, Keule und Schenkel
etwas dunkler. Erstes Glied der Fühlerkeule gross, die folgenden klein. Drittes
Fussglied wenig breiter als die beiden ersten, zweilappig. Länge 3 nım.
Lebensweise. Seine Frass figur ist, da der Käfer meist dicht-
gedrängt in Massen brütet, gewöhnlich sehr wenig charakteristisch aus-
gebildet. Die Larven verwandeln dann die ganze Bastschicht in
Mulm. Wo er aber nur vereinzelt frisst, sieht man, dass, wie HexscHeL
[X1, 2. Aufl, S. 43] gut beschreibt, seine „lothrechten Muttergänge
sehr kurz sind, nur 15cm bis höchstens 5 cm lang, oft sehr unregel-
mässige Einschnürungen und Erweiterungen haben und so ein darm-
ähnliches Aussehen erhalten. Stellenweise erscheinen sie nicht selten
gabelförmig getheilt. Die Larvengänge sind auffallend lang, nicht
überzahlreich, laufen unregelmässig, sich oft durchkreuzend, in der
Regel Widergänge oder Verästelungen bildend’”’. Eıcnnorr |Ib a, 8. 94]
bemerkt ausserdem sehr richtig, dass der Anfang der einarmigen
Muttergänge meist stiefelförmig gekrümmt ist. Die Larvengänge ver-
laufen in der Regel deutlich in der Längsriehtung des Stammes oder
des Astes. Ausserdem wurden von Eıcnnorr auch abnorme, geweih-
artige Muttergangformen gefunden, von denen keine oder nur sehr
wenig Larvengänge entsprangen.
Sein normaler Brutbaum ist die Fichte, ausserdem kommt
er häufig auch in Kiefer und Weisstanne vor, desgleichen, wie
schon RATzegurg wusste, in Lärche [V, 1, S. 221].
NÖRDLINGER [XXIV, S. 22] kennt ihn aus Weymouthskiefer und See-
kiefer; in letzterer Holzart hat ihn auch Perrıs [58, S. 226] wenngleich selten
gefunden, und Arrum [XVi. III. 1, S. 267] erwähnt ihn ausserdem aus Pinie,
HexscuheL aus Zirbelkiefer [32e, 8.536] und Eıcunorr [I$a, S. 93] aus
Schwarzkiefer.
Der Käfer ist in ganz Europa häufig, von Sibirien bis an
den Atlantischen Ocean, vom Mittelmeer bis nach Lappland verbreitet
und kommt nach Eıcunorr sogar in Nordamerika vor [I3a, S. 92].
Er ist ein Frühschwärmer, der schon fliegt, wenn noch Schnee
liegt [V, 1, 8. 221]. Seine Generation wird von Prrrıs ausdrücklich
als einjährig angegeben; dagegen meint Eıcnnorr, dass gewöhnlich
eine doppeite Generation vorkommt und die im Herbst ausgebildeten
Käfer der zweiten in der Bodendecke und in Rindenritzen über-
wintern. RAatzegur« fand ihn im Winter sogar unter Buchenrinde.
Ausnahmsweise überwintern aber auch Larven und Puppen,
Der Käfer befällt am liebsten starkrindiges Material, sowohl
stehendes als geschlagenes. In ersterem kommt er vielfach nur
secundär vor, in letzterem bevorzugt er im Schatten stehende, feuchte
Hylesinus palliatus und H. glabratus, 523
Meterstösse, oder dort lagernde Stämme und Klötzer, sowie Stockholz.
Bei jedem grossen Borkenkäferfrass ist er zahlreich mitbetheiligt, und
er gehört in jedem Nadelholzwalde zu den gemeinsten Insekten. Im
allgemeinen wird er aber jetzt kaum noch unter die sehr schädlichen
Käfer gerechnet. Aeltere Autoren sind dagegen anderer Meinung.
Wenn wirklich der Bostrichus abietiperda Becustein’s [ll, 187], wie
RaTzEgurG wohl mit Recht vermuthet, unser Käfer ist, so hat er
Anfang des Jahrhunderts in den Rudolstädter Tannenwaldungen
60-—80jährige Bäume zum Eingehen gebracht. Auch Kerrxer ist
geneigt, ihn zu den sehr schädlichen Käfern zu rechnen.
Sreın [68a, 1] berichtet, dass er selbst den Käfer nur im
Klafterholz gefunden und, auch in der Nähe solcher befallener Klaftern,
nicht in kranken Bäumen; dagegen meldete ihm Förster MÜLLER,
dass in einem frischesten und gesundesten Theile des Bermsgrüner
Revieres auf einer mit 150 Stämmen bestandenen Fläche der Käfer
85 Stämme derartig angegangen hatte, dass trotz noch grüner Be-
nadelung deren Eingehen unvermeidlich schien. Sreın erwähnt ferner
[168a, 5] vom Herrndorfer Revier, dass daselbst H. palliatus und
H. poligraphus in 20-—40jährigen, stehenden, vorher kranken
Fichten vorgekommen sei, und zwar unten H. poligraphus, oben
H. palliatus.
Auf jeden Fall ist H. palliatus höchstens in Fichten- und Weiss-
tannenbeständen beachtenswerth. Für Kiefernreviere hält ihn ALrtum
DEMIEIIT: 14.5: 267] kaum für merklich schädlich, dagegen berichtet
er, dass er in den Harzforsten bei Wernigerode 1876 die Neubildung
von Wipfeln durch Bajonettbildung an durch Schneebruch geschä-
digten Stämmen verhindert habe. Auch in dem kaiserlichen Park
zu Bjelostok, Gouvernement Grodnow, soll er 2000 Bäume getödtet
haben [45, S. 243].
Mehr als Gebirgsthier tritt auf:
Hylesinus glabratus ZETT.
Dieser im Allgemeinen seltenere Schädling ist vor allen anderen
in Frage kommenden Formen durch die bis 5mm steigende
Länge unterschieden. Auch seine aus verhältnissmässig kurzen, ge-
schwungenen Lothgängen und langen, in grossen Puppenwiegen
endenden Larvengängen bestehende, unregelmässige Frassfigur ist an
der Stärke ihrer Gänge leicht unterscheidbar.
Beschreibung: H. (Hylastes) glabratus Zrrt. (decumanus L.). Käfer
länglich, peehbraun. Halsschild nicht länger als in der Mitte breit, nach vorn stark
verengt, vor der Spitze etwas eingeschnürt, nach der Basis verschmälert, oben tief
und sehr dicht punktirt, mit einer gewöhnlich deutlichen, glatten, etwas erhabenen
Mittellinie. Flügeldecken an der Basis einzeln abgerundet, vorn etwas schwächer,
nach hinten stärker tief punktirt-gestreift, Zwischenräume breiter als die Punkt-
streifen, körnig punktirt, nach hinten mit kleinen Höckerchen und Schuppen.
Rüssel von der Stirn durch eine halbkreisförmige, eingedrückte Linie geschieden,
an der Spitze mit erhabener Längslinie, zu beiden Seiten derselben leicht ein-
gedrückt. Kopf fein und dicht punktirt. Fühler mit Ausnahme der dunkeln Keule
braunroth, ebenso die Füsse. Erstes Glied der Fühlerkeule gross, die folgenden
34*
524 Kap. IX. Die Käfer.
klein. Drittes Fussglied wenig breiter als die beiden ersten, herzförmig, fast
zweilappig. Länge 45—5 mm.
Lebensweise und Bedeutung. Die Frassfigur dieses Käfers
ist, wie bereits die Kürze der wenigen, höchst unbestimmten Schil-
derungen errathen lässt, eine wenig scharf ausgeprägte. Die uns vor-
liegenden Exemplare von dem königlich Sächsischen Staatsforstreviere
Brunndöbra, die wir Forstingenieur Lenmann verdanken, finden
sich an 6—7 cm starken Fichtenstangen und sind mehrfach ge-
schwungene Lothgänge von 5—8cm Länge und 3 mm Breite, welche
mit einer unregelmässigen Erweiterung beginnen. Die sehr wirr von
ihnen abgehenden Larvengänge furchen den Splint nur stellenweise,
und zwar besonders an ihren Enden, vor den zur Hälfte in den
Splint eingreifenden, ”—9 mm langen Puppenwiegen.
Sein Brutbaum scheint fast ausschliesslich die Fichte zu
sein. Nur Henscaen [32d, S. 10] berichtet, dass er in Steiermark
auchin Zirbelkiefern brüte, bis2000 m Meereshöhe. Sein Vorkommen
ist aus ganz Nord- und Mitteleuropa bekannt, ja auch in Sibirien
und Nordamerika soll er gefunden worden sein [Eıcunorr I5 a, S. 92].
Jedenfalls scheint er vorzugsweise Gebirgsthier zu sein. Ueber
seine Generation wissen wir so gut wie gar nichts. Die ältesten
Angaben, die sich auf seine Forstschädlichkeit beziehen, sind die von
RatzegurG in der ersten Auflage seiner Forstinsekten |V, I. Nach-
trag, 8. 50]: „Nach Herrn BurkıArpr zerstörte er im Jahre 1838
theils mit H. palliatus GyLL. zusammen, theils allein eine erhebliche
Anzahl guter Stämme.” Kerner |[42c, 8. 422] rechnet ihn im
Thüringer Walde mit T. typographus L. und T. amitinus Eıchn. zu
den „schädlichsten Fichtenborkenkäfern”, gibt aber an, dass der in
den Zwanzigerjahren in den Hochlagen des Thüringer Waldes noch
sehr häufige Käfer nunmehr in Folge rationeller Vorbeugungsmass-
regeln sehr selten geworden sei. Seine Flugzeit fällt dort in den
Mai. Auch bei dem grossen Borkenkäferfrass in Böhmen fand er sich
zahlreich ein |I7, 8. 35].
Gleichfalls häufig und bei stärkerem Frass als Begleiter der vor-
genannten Arten in den oberen Stammtheilen auftretend, unter ge-
wöhnlichen Verhältnissen aber mehr Verderber in älteren Kulturen
und Stangenhölzern, ist
der furchenflüglige Fichten-Borkenkäfer,
Tomicus micrographus GYyLL.,
der in unserer Fauna auch noch einige nähere, aber unwichtige Ver-
wandte hat. Der sehr kleine, nur bis 15mm lange Käfer, welcher
hinten auf dem Flügeldeckenabsturze nur längs der Naht einen
furchenartigen, nicht mit Zähnen besetzten Eindruck hat (Fig. 1734),
und dessen 9 durch eine goldgelbe Stirnbürste leicht kenntlich ist,
zeichnet sich dadurch aus, dass seine Frassfiguren, welche typische,
mehrarmige Sterngänge darstellen, in allen T'heilen, besonders aber
Hylesinus glabratus und Tomicus micerographus. 525
was die Rammelkammer und die Muttergänge betrifft, sehr tief in
das Holz geschnitten sind (Fig. 174).
Beschreibung: Tomicus (Pityophthorus) micrographus GxL. (pityo-
graphus Rarz.) Käfer langgestreckt, walzenförmig, pechbraun, etwas glänzend,
fein und sparsam greis behaart. Halsschild länger als breit, wenig nach vorn
verschmälert, kaum eingeschnürt, vorn auf der Seheibe mit econcentrisch geord-
neten Höckerchen besetzt. hinten zerstreut, sehr fein punktirt. Flügeldecken fein
punktirt-gestreift, die Stärke der Punkte bei verschiedenen Exemplaren ver-
schieden, hinter der Mitte neben der Naht beiderseits mit facher, glatter Furche,
deren Seitenkanten und Naht gleichmässig erhöht und mit einer Reihe feiner,
mehr oder weniger deutlicher, borstentragender Höckerchen besetzt. Die Furche
selbst ist bei manchen Exemplaren stärker vertieft als bei anderen. Die Spitze
der Naht springt stumpf vor. @ mit einem goldgelben Haarbüschel auf der Stirn.
Die frühere Annahme, dass das S die Stirnbürste trüge, ist eine irrige. Fühler
und Beine bräunlichgelb. Länge 1’2—1'’5mm.
Fig. 173. Flügeldeckenabsturz der Sc‘ A von Tomicus micrographus Gyıı,
und B von T. macrographus Schrein.
Lebensweise. Die Frassfigur dieses Käfers ist ein deut-
licher Sterngang, bei welchem von einer tief in den Splint einge-
fressenen Rammelkammer 4—7, mehr oder weniger geschwungene,
mit mässig dicht gestellten Eiergrübchen besetzte Muttergänge von
2—5 cm Länge und 0'5—0 7 mm Breite abgehen. Obgleich auch auf
der Rinde deutlich sichtbar, sind sie doch stets besonders tief in das
Holz eingeschnitten und mit ganz scharfen Rändern versehen. Die
Muttergänge gehen, namentlich in mittelstarkem Materiale, nicht
regelmässig, radspeichenartig auseinander, sondern haben mehr das
Bestreben, sich querzurichten (Fig. 174 A), während die von den
Eiergrübchen entspringenden Larvengänge, soweit die Larven nicht
gezwungen sind, den Muttergängen oder früheren Larvengängen aus-
zuweichen, der Längsrichtung des Baumes folgen, und wenn sie so
nicht weiter können, wohl auch einmal direkt umkehren. Die Puppen-
lager sind längsgestellte Rindenwiegen.
Der gewöhnliche Brutbaum des Käfers ist die gemeine Fichte.
Er kommt aber auch, wenngleich seltener, in Kiefer, sowie nach
NÖRDLINGER in Weymouthskiefer [XXIV, S. 35] und Tanne vor,
und ist sogar einmal im T'harander Forstgartenin einer Schierlings-
tanne, Tsuga Canadensis OArr., gefunden worden. Er bevorzugt
schwaches Material, Stangen und jüngere Pflanzen von 6—8 Jahren
an. Namentlich in Stangen stehen dann seine Gänge ungemein dicht
gedrängt. Von Rıreen ist er aber selbst in 15cm starken Fichten
gefunden worden |XXIV, 8. 35]. Auch Fichtenreisig, Hexenbesen
526 Kap. IX. Die Käfer.
und ausgerissene, jüngere Fichtenpflanzen geht er an |I5a, 8. 199
und 200]. Er kann horstweise in Fiehtenkulturen Schaden anrichten.
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Fig. 174. Frass von Tomicus micrographus Gyrr. A in Fichte mit ausgebildeten
Larvengängen, B Schierlingstanne, Tsuga Canadensis Carr., mit blossen Eier-
grübchen. !/, nat. Grösse.
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Nur der Vollständigkeit wegen führen wirnoch an: T. (Pityophthorus)
macrographus Scarei., glabratus Eıcan. und Lichtensteinii Rarz., welche dem
micrographusGvrr. sehr ähnlich sind. Ersterer unterscheidet sich von ihm nament-
lich durch eine tiefere Furche am Flügeldeekenabsturz, auf welchem die Naht oben
wenigerüberdiescharfwulstigen Seitenränder hervorragt, nach hintenaber erhabener
wird und deutlich über erstere binaustritt (Fig. 1732); der Nahtwinkel springt
spitzig vor; Flügeldecken meist etwas stärker punktirt; Länge 15—2nm. Ob
Rarzesung’s Bostr. exsculptus mit dieser Art gleichbedeutend, ist fraglich.
T. glabratus Eıcnu. und T. Lichtensteinii Rarz. unterscheiden sich von
T. micrographus durch abgerundeten Nahtwinkel, unter sich dadurch, dass die
Höckerchen auf Naht und Seitenrändern der Furche am Absturz bei T. Lichten-
steinii deutlich sind, bei T. glabratus fehlen oder wenigstens undeutlich bleiben,
namentlich aber dadurch, dass das Halsschild bei ersterem nach vorn nur mässig,
bei T. glabratus dagegen stark verengt und ausserdem vor der Mitte deutlich
eingeschnürt ist.
Forstliche Bedeutung hat wohl keine dieser Arten, weder die Kiefern
bewohnenden T. Lichtensteinii und T, glabratus, noch der bei uns in Fichten-
ästen brütende, seltene T. macrographus, welcher sich besonders durch seine
Frassfigur charakterisirt. Diese stellt ausgesprochene, oft sehr lange, tief einge-
schnittene Längsgänge dar, von denen nur sparsamst lange Larvengänge ab-
gehen. Der Frass wurde zuerst durch SchrEmer [l5a, S. 202] an einem
dünnrindigen, schwachen Fichtenstamme gefunden. Zu Tharand kennen wir den
Käfer nur aus schwachen Aesten; hier sind die Muttergänge ganz besonders
lang und verlaufen mitunter von einer Rammelkammer zur anderen.
Zu den recht häufig in schwächerem Fichtenmateriale vorkommenden Käfern
gehören noch: T. (Cryphalus) AbietisRarz. und T. asperatus Rarz. Sie sind dem
T. Piceae (vergl. S. 492) an Gestalt und Grösse ähnlich, unterscheiden sich von
ihm aber durch den gänzliehen Mangel an aufgerichteten, langen Haaren auf
den Flügeldecken. Letztere sind bei T. Abietis einfarbig dunkelbraun und
wenigstens vor der Mitte deutlich fein punktirt-gestreift, während T. asperatus
Minder wichtige Fiehten-Borkenkäfer. 527
fast unpunktirte, an der Spitze stets heller gefärbte Flügeldecken hat. Dass
sie zusammen vielleicht nur eine Art bilden, scheint immerhin möglich.
Länge 1'7—2 mm.
Lebensweise. Die Frassfigur beider Arten besteht in einem platzweise
ausgefressenen, bald mehr einem Längs-, bald mehr einem Quergange (Fig. 175)
ähnelnden Muttergange, von dem die Larvengänge wohl meist in der Längs-
richtung des Stämmchens oder Zweiges abgehen. Oft sind aber die Larven-
gänge so verworren, dass man einen deutlichen Eindruck von irgend welcher
Regelmässigkeit nicht erhält. Beide Arten bewohnen
hauptsächlich die Fichte, erstere wurde jedoch auch
häufig inTanne und Kiefer, sowie Weymouths- TI INBERETErTITÄT RT
kiefer, letztere einmal von Keıxer [Iöa, S. 180] an 'IN:l| Kl I)
einem Kiefernästchen gefunden. Es sind Früh- ll I] JilF
sehwärmer derausgesprochensten Art, welche bereits i Ai
Saxesen [V, 1, S. 198| als solche bezeichnet. Sie
können schon im März erscheinen und haben wohl
gewöhnlich eine doppelte, mitunter auch dreifache
Generation. Sie überwintern als ausgehärtete Käfer
[I5a, S. 178]. In der Wahlihres Brutmateriales sind
sie nicht sehr eigen. RAatzesurG kennt sie an 40 cm
starken Fichten in allen Höhen des Stammes eben-
sogut, wie in 6—12jährigen Weymouthskiefern und
2-6jährigen Fichten [V, 1, S. 198]. Eıchnorr hat
sie [I5a, 8. 177] in 20jährigen, unterdrückten Fichten-
stangen gefunden. Sie greifen gern von den Astquirlen
aus den Baum an. Rarzegurg rechnet sie zu den
merklich schädlichen Arten. Meist sind sie mit den
vorhergehend beschriebenen Arten vergesellschaftet
und kommen allein fressend wohl mehr als Kultur-
verderber in Betracht.
Als kleinster, häufigerer Fichtenbewohner ist
noch zu erwähnen
Fig. 175 Frassfigur von
ü : = Tomicus Abietis Rarz. in
Tom. (Crypturgus) pusillus Gyrr. Käfer ungewöhnlich deutlicher
schwarz, glänzend, fast gar nicht behaart. Halsschild Ausprägung. Original.
lang eiförmig, fein und weitläufig punktirt, mit glatter ı/; nat. Grösse.
Mittellinie. Flügeldecken punktirt gestreift, mit ein-
fachen, runden Punkten; Zwischenräume mit sehr weitläufig gereihten, sehr
undeutlichen Pünktchen. Länge 1 mm.
Lebensweise. Die Frassfigur dieses Zwerges ist deshalb sehr schwer
festzustellen, weil der meist nur innerhalb der Rinde fressende Käfer wohl
gewöhnlich seeundär auftritt und durch die von anderen Käfern gemachten
Bohrlöcher eindringt. Nur Prrrıs [58 S. 204] ist im Stande gewesen, nachzu-
weisen, dass der Käfer einen verhältnissmässig breiten Längsgang ohne Rammel-
kammer anlegt, von dem aus den sehr dicht gestellten Eiergrübchen stark ge-
wundene Larvengänge abgehen. Er soll eine doppelte Generation haben. Ur-
sprünglich Fiehteninsekt und wohl nur als solches von einiger Bedeutung, wurde
er schon von Rapzar [V, I, S. 196] in Tanne, von NörDLIinGer [XXIV, S. 34]
auch in Kiefer, Weymouthskiefer, Lärche und Seekiefer, in letzterer auch
von JupEıch gefunden. Er kommt meist in schwachem Materiale vor, ist aber von
Henscner [XIl, 2. Aufl., S. 34] auch in 20—30jährigen Fichtenstangen beobachtet
worden. Die meisten Autoren sehen ihn als unbedeutend an. RATzEgurG rechnet
ihn dagegen zu den merklich schädlichen Arten, und Hexscher, der ihn auch als
Nachzügler anderer Arten betrachtet, bemerkt: „doch soll man sich dadurch
nicht täuschen lassen. Im Gebirge kommt sehr häufig das Absterben von
12—15jährigen Fichten auf sein Siündenregister, und ist daher sein Schaden
durchaus nicht so unbedeutend, wie man seither anzunehmen pflegte.” Die
Angabe aber, dass dieser Käfer im Jahre 1888 in den erzgebirgischen
Forsten bei Görkau 10.000 Fichten vernichtet habe, sind vollständig aus der
g Kap. IX. Die Käfer.
Luft gegriffen. Wir erwähnen diese zuerst durch die „Weser-Zeitung” ver-
breitete, dann in viele andere politische Blätter übergegangene Nachricht nur
deshalb, weil auch die „Oesterreichische Forstzeitung” 1888, S. 239, sie ab-
druckte, sind aber in Folge von speciell eingezogenen Nachrichten berechtigt
zu erklären, dass in der ganzen dortigen Gegend im Jahre 1888 kein bemer-
kenswerther Borkenkäferfrass vorgekommen ist, am allerwenigsten ein solcher
von T, pusillus.
Sein nächster Verwandter, T. (Crypturgus) cinereus Hesr., der vielfach
in der gemeinen Kiefer und auch in den südlichen Kiefernarten ge-
funden wird, bewohnt gleichfalls oft die Fiehte, wo er nach Hexscuer, dem
einzigen Forscher, dem es glückte, seine Frassfigur zu entziffern, geschwungene
Wagegänge machen soll [X1l, 2. Aufl., S. 32 Anm.]. Er hatihn in 15—30jährigen
Fichtenbeständen des steierischen Hochgebirges nicht selten als Kulturverderber
gefunden.
Mehr als entomologische Merkwürdigkeiten, nieht als wirklich beachtens-
werthe Fichtenschädlinge seien noch folgende Nadelholzrinde bewohnende Bast-
käfer erwähnt:
Hylesinus (Xylechinus) pilosus Rarz. Käfer länglich, ohne Glanz, schwarz,
mit braunen Flügeldecken, grau beschuppt und behaart, Halsschild kaum länger
als breit, nach vorn wenig verengt, an der Basis etwas verschmälert, sehr dicht
und fein runzlig punktirt, mit grauen Schuppenhärchen bedeekt und mit sehr
schmaler, erhabener Mittellinie. Flügeldecken mit erhabenem, gezähneltem Wurzel-
rande, deutlich punktirt gestreift, Punkte viereckig; Zwischenräume breit, fein
runzlig punktirt mit feinen, niederliegenden Haarschüppehen und mit reihenweis
gestellten, aufgerichteten, kurzen Börstehen; der erste Zwischenraum längs der
Naht etwas dichter behaart, daher weisslich. Kopf und Rüssel sehr fein runzlig
punktirt, letzterer an der Spitze etwas eingedrückt, mit einer feinen, oft nicht
ganz deutlichen Längslinie. Fühler und Beine braun. Länge 2'3 mm.
Lebensweise. Die Frassfigur dieses Käfers, weleher durchaus nicht,
wie Eıchnorr [I5a, S. 121] angiebt, „in Absicht seines biologischen Verhaltens
noch gar nicht genauer beobachtet zu sein scheint”, ist schon von NÖRDLINGER
IX, 8.36] als „zweiarmiger Wagegang, wovon die eine Hälfte allerdings häufig
kurz bleibt,” gut beschrieben und abgebildet worden. Noch bessere Abbildungen
der Frassgänge giebt Linprmann [50, S. 110 und 111]. Hieraus, sowie aus den
uns vorliegenden Frassstücken ergibt sich die völlige Richtigkeit der Beschrei-
bung NörpLixGer’s, zu der nur noch hinzuzusetzen, dass der Muttergang meist
mit einer kurzen, von unten nach oben laufenden Eingangsröhre beginnt. Der
Käfer, den schon Rarzegure [V, I, S. 218) aus Fichte und Lärche kannte, ist
im Erzgebirge und bei uns in Tharand ein nicht allzuseltener, aber auch nicht
häufiger Bewohner von Fichtenstangen. Eine forstliche Bedeutung kommt ihm
nicht zu.
H. (Phloeophthorus) rhododactylus Marsu. Käfer länglich, stark
gewölbt, glanzlos, pechschwarz oder dunkelbraun. Halsschild fast so lang als
breit, nach vorn etwas verschmälert, an der Basis fast gerade, fein körnig-
punktirt, gelblich behaart, die feine Mittellinie etwas erhaben. Flügeldecken
meist etwas heller gefärbt, breit und tief punktirt-gestreift, die Punkte vier-
eckig, Zwischenräume sehr schmal, erhaben, jeder mit einer Reihe aufgerichteter
Haarbörstehen und Höckerchen. Kopf und Rüssel äusserst fein körnig punktirt,
dünn gelb behaart, letzterer sehr kurz, durch einen halbkreisförmigen Eindruck
von der Stirne geschieden. Fühler und Fussglieder rothgelb. Schenkel und
Schienen pechbraun. Länge 1'7—2 mm.
Lebensweise. Die Frassfigur dieses Käfers, diezunächst nach Russischem
Materiale von Lixpemann [50, S. 102—103] und nach Materiale aus Tharand
und dem Erzgebirge neuerlich von JaroscukA [36] abgebildet wurde, ähnelt
ungemein der seines Verwandten aus der Besenpfrieme, dem Hyl. (Phloe-
ophthorus) Spartii Nörpr. [vgl. XXIV, S. 23]. Auch er macht einen doppel-
armigen Gang mit kurzer Eingangsröhre, dessen beide quer gegen die Astachse
verlaufende Arme wie die Zinken einer Gabel zu einander gestellt sind. Die
Abwehr der unter Nadelholzrinde brütenden Borkenkäfer. 529
Larvengänge sind längsgerichtet. Eine Bedeutung kommt diesem in Fichten-
ästen häufiger, als man gewöhnlich glaubt, vorkommenden Thiere nicht zu.
Abwehr der unter Nadelholzrinde brütenden Borken-
käfer im Allgemeinen. Nachdem wir auf $. 493 die Massregeln aus-
führlich besprochen haben, welche durch die Verpuppung des Tannen-
borkenkäfers, Tomicus curvidens Germ., im Holze selbst ausnahms-
weise gegen diesen Käfer nöthig werden, wenden wir uns nun zu
der Darstellung der Vorkehrungen, welche gegen die übrigen in der
Rinde von Nadelholzstämmen und -Aesten brütenden Borkenkäfer
zu treffen sind. Diese lassen sich fast gleichmässig auf alle zu dieser
biologischen Gruppe gehörigen Borkenkäfer anwenden, ganz gleich,
welche Nadelholzart befallen ist. Nur insofern variiren sie, als die
einen sich mehr auf die Bewohner starken Materiales, also auf die
Feinde älterer Bestände beziehen, während die anderen mehr gegen
die Verderber der Stangenhölzer und Kulturen gerichtet sind. Eine
sehr klare und übersichtliche Darstellung aller, namentlich auf den
Buchdrucker bezüglichen Massregeln mit einsichtigster Kritik hat
von KusawA [48] gegeben. Auch die Zusammenstellung namentlich
bei dem Böhmischen Frasse gemachter Beobachtungen hierüber [79],
welche 1875 in Wien erschien und unter Anderen werthvolle Bei-
träge von PompE, SMETACZER, KLosE, ZENkER und J. Mickrırz enthält,
namentlich die „Studien, Rückblicke und Folgerungen” des letzteren
sind sehr beachtenswerth.
Vorbeugungsmittel sind in diesen Fällen den Vertilgungsmitteln
voranzustellen, da letztere allein in ausgedehntem Massstabe nur da
in Frage kommen, wo bereits namhafter Schaden eintrat, und da
das wichtigste und erfolgreichste Vertilgungsmittel, das Werfen von
Fangbäumen zugleich auch Vorbeugungsmittel ist. Geeignete Vor-
beugungsmittel sind namentlich folgende:
a) Die Erziehung gesunder Bestände ist das Wichtigste,
da kränkliche Bäume von den Käfern zunächst befallen werden,
und von ihnen aus ein Angriff auf die gesunden Bäume ausgehen
kann. Dies bezieht sich am allermeisten auf die Fichte, da man
dieser Holzart eine viel grössere Disposition für die Wurmtrockniss
beimessen muss als der Kiefer. Die Fichte darf also nicht auf ganz
unpassendem, etwa zu armem Boden angebaut und muss auch später
stets so bewirthschaftet werden, dass frühe und regelmässige Durch-
forstungen, Stehenlassen von Windmänteln u. dgl. die Stämme in
Wurzel und Krone gehörig befestigen. Bei den Durchforstungen ist
jede Stockrodung zu unterlassen, da namentlich in sehr diehtem
Stande erzogene Fichten vielfach mit ihren Wurzeln verwachsen und
in Folge dessen jede Rodung die bleibenden, dominirenden Stämme
verletzt, wodurch der Borkenkäfer herbeigelockt wird.
b) Begründung gemischter Bestände. Dies bezieht sich nicht
nur auf die Einsprengung von Laubbölzern in Nadelholzkomplexe,
eine Massregel, die allerdings sehr geeignet ist, grössere Schäden
abzuwenden, da nur in verschwindend seltenen Fällen Laubholz-
530 Kap. IX. Die Käfer.
borkenkäfer auf Nadelhölzer übergehen oder umgekehrt, sondern
namentlich auch auf die Mischung verschiedener Nadelholzarten.
Schon die Mischung von Fichten mit Kiefern ist bei der einigermassen
geringeren Disposition der letzteren für Borkenkäferfrass angezeigt,
noch mehr aber die Einsprengung der verhältnissmässig am wenigsten
den Boıkenkäfern ausgesetzten T’annen und Lärchen. Dagegen haben
sich die Hoffnungen, welche man früher häufig auf die Einführung
fremder Nadelhölzer gesetzt hatte, nicht erfüllt, indem man nicht
nur die Erfahrung machen musste, dass im Grossen und Ganzen die
fremden Nadelhölzer von den in ihren einheimischen näheren Ver-
wandten brütenden Käfern gern gleichfalls angenommen werden,
sondern auch die erweiterte Kenntniss der geographischen Verbreitung
der Scolytiden gelehrt hat, dass einige unserer einheimischen Borken-
käferformen bis in die Heimat jener fremden Hölzer verbreitet sind.
c) Reinliche, saubere Wirthschaft im Walde, die sich,
soweit sie hier in Frage kommt, namentlich in rechtzeitiger Auf-
arbeitung und Entfernung alles desjenigen todten und kranken Mate-
riales zu äussern hat, in welchem die Borkenkäfer passende Brut-
stätten finden können. Dies bezieht sich namentlich auf die Wind-
und Schneebruchhölzer in älteren Beständen, sowie hier und in den
Kulturen auf alle absterbenden, beschädigten, grösseren oder kleineren
Stämmchen. Auch die Fällungsmethoden kommen in Betracht; so
kann das Stehenlassen hoher Stöcke nachtheilig sein, indem letztere
ebenso leicht für die grösseren Arten zu Brutstätten werden können,
wie ungenutzt liegen bleibendes Reisig für die kleineren. Hohe,
stehengebliebene Stöcke sollten wenigstens geschält werden, eine
Massregel, welche gewiss manchmal Leseholzleute gern unentgeltlich
besorgen. Das nicht absetzbare Reisig ist zu verbrennen, wodurch
überdies noch Schutz gegen Waldbrände erzielt wird, unter Um-
ständen auch noch für den Kulturbetrieb brauchbare Asche zu Kom-
posthaufen gewonnen werden kann. Das während der Schwärmzeit
der Käfer gefällte oder im Walde liegen bleibende Langnutzholz ist
zu schälen oder wenigstens zu benappen. Dadurch entzieht man nicht
blos den Borkenkäfern Brutstätten im Walde, sondern verhindert
auch, dass mit Brut besetzte Stämme aus dem Walde nach benach-
barten Lagerplätzen, Holzhöfen, Sägemühlen u. s.f. abgefahren werden,
von wo aus erfahrungsgemäss die dort auskommenden Käfer leicht
ihren Weg nach dem Walde zurückfinden. Indessen hat man mit
diesen Massregeln nicht vorschnell vorzugehen, sondern darauf zu
achten, dass der zu verbrennende Abraum und die zu schälenden
Stämme vorher als Fangreisig und Fangbäume ausgenutzt werden
können (vgl. S. 532—534).
d) Regelmässige Revision der Bestände mit besonderer
Berücksichtigung der schädlichen Insekten, namentlich der Borken-
käfer, erleichtert ungemein die Durchführung der vorstehend ange-
rathenen Massregeln. In einem nicht schon eine ungewöhnliche Käfer-
menge bergenden Wirthschaftswalde wird diese Arbeit leicht von dem
Abwehr der unter Nadelholzrinde brütenden Borkenkäfer. 531
Forstpersonal selbst vorgenommen werden können. Ist aber die Menge
des verdächtigen Materiales sehr bedeutend, sind ferner aussergewöhn-
liche Naturereignisse, Windbrüche, Ueberschwemmungen u. s. f. ein-
getreten, kommen auf 200 bis 300 Hektar schon mehr als 100 kranke
Stämme und können die Beamten des Revieres die Revision nicht
mehr allein bestreiten, besonders in schwer zugänglichen Gebirgs-
gegenden, so müssen noch zuverlässige Arbeiter angestellt werden,
je nachdem das Terrain den Begang mehr oder weniger leicht ge-
stattet, auf 800 bis 1000 Hektar ein Mann. Diesem darf man nichts
Anderes als nur die Revision der verdächtigen Hölzer, nicht auch die
Entrindung und Wegschaffung derselben auftragen. Er muss jeden
Stamm, jeden Stock und jede Klafter, worin er Käfer oder Brut
antraf, mit dem Datum bezeichnen, womöglich auch noch ein Ver-
zeichniss der Orte aufnehmen, welche entwickelte Brut haben und
das Entrinden zuerst nothwendig machen [v. Bere].
Was die Zeit der Visitationen betrifft, so müssen die ersten
zur ersten Schwärmzeit der Käfer unternommen werden. Aber auch
später noch ist, besonders wenn durch Witterung und andere äussere
Umstände eine schnellere Entwickelung begünstigt wurde, also eine
mehrfache Generation zu erwarten steht, oder wenn Brut überwinterte,
stete Aufmerksamkeit nöthig.
Man hat ferner die Lieblingsplätze der Käfer besonders
im Auge zu behalten. Es sind dies immer die trockensten und wärm-
sten, am Rande der Schläge gegen Mittag, in Gebirgen vorzüglich
an geschützten Südhängen gelegenen Stellen, ferner die kleinen Blössen
in Mitte geschlossener Bestände, da wo der Sturm Lücken gemacht
oder der Blitzschlag einzelne Bäume getödtet hatte. Bei stehendem
Holze fliegt der Käfer am liebsten die höheren Theile an, da wo die
stärksten Aeste abgehen, an Klaftern wählt er die oberen Kloben,
nur bei heissem Wetter und in Freilagen auch wohl die untersten.
Für die wichtigsten Bestandsverderber sind ferner die Merk-
male des erfolgten Anfluges der Käfer dem Personal besonders
einzuprägen. Beim Einbohren schafft der Mutterkäfer das Bohr-
mehl zum Eingangsloch hinaus, Theils sieht man es vor diesem noch
liegen, theils stäubt es hinunter und bleibt an allen Vorsprüngen
des Schaftes, sowie an Moosen, Flechten, Spinnergeweben u. dgl.
hängen. Beim Anprällen des Schaftes mit der Axt wird man das
Bohrmehl noch deutlicher wahrnehmen und es sogar an einem eigen-
thümlichen Geruche erkennen können, aber nur bei trockenem Wetter,
denn Regen verwischt oft alle Spur desselben. Hat man indessen
die Zeit getroffen, zu welcher der Käfer mit seinem Gange noch
nicht ganz fertig ist, so wird sich auch nach dem Regen Bohrmehl
wieder zeigen. Mit den Bohr- und Luftlöchern sind aber nicht jene
Löcher zu verwechseln, welche andeuten, dass eine Familie bereits
den Baum verlassen hat, die Fluglöcher. Sie sind stets zahlreicher
und unregelmässiger vertheilt. Ferner ist auch auf den Specht zu
achten, da dieser die Aufmerksamkeit auf kränkelnde Bäume lenkt.
532 Kap. IX. Die Käfer.
Zur Untersuchung giebt man den Arbeitern eine lange, oben
mit einem Eisen beschlagene Stange, damit sie mit dieser auch
die höheren Gegenden der Bäume untersuchen und nachsehen können,
ob die Rinde sich hier schon löst und dadurch Käferbrut verräth.
Unten wird mit einem Messer oder Meissel untersucht.
In vielen Fällen leitet auch das, oft schon wenige Wochen
nach dem Anfluge eintretende, kränkliche Aussehen der Bäume auf
den Frass, indem die Nadeln vom Gipfel an sich röthen. Auch
kommt es vor, dass die Nadeln plötzlich hängen, ohne vorher gelb
zu werden. Oft sieht man aber der Benadelung nichts an, zumal
wenn nach einer zweiten Brut im Herbste Knospen und Nadeln ganz
ausgebildet sind und besonders durch feuchtes Wetter frisch erhalten
werden. Die Rinde bekommt meist bald nachdem die Gänge fertig
sind, ein eigenes missfarbiges, graues Ansehen [v. Ber«] und blättert
ab, von unten nach oben am Stamm |Aurrmann].
Solche Revisionen sind um so nöthiger, als ja alle diese Käferarten
dauernde Bewohner unserer Wälder sind, welche nur darauf warten, dass die
ihre Vermehrung normalerweise beschränkenden Ursachen (vergl. den Allee-
meinen Theil, $S. 158) theilweise wegfallen, um sich zu ungeheuren Schaaren zu
vermehren. Sie allein werden es auch in Zukunft möglich machen, mit Sicher-
heit die Frage nach dem wirklichen Vorkommen des Ueberfliegens der Borken-
käfer aus stark befallenen Beständen in verhältnissmässig unbeschädigte zu
entscheiden. Wir halten, wie schon oben bemerkt, die Wirklichkeit dieser Er-
scheinung für feststehend, wenngleich durchaus nicht geleugnet werden soll,
dass in vielen Einzelfällen die Angabe, auf diese Weise habe eine grössere
Verheerung ihren Anfang genommen, gewiss unrichtig war und nur eine Ver-
tuschung der Nachlässigkeit des Personales bezweckte. Die. Revisionen geben
ferner den besten Aufschluss darüber, ob und wann mit dem Werfen von Fang-
bäumen begonnen, beziehentlich fortgefahren werden muss.
e) Das Werfen von Fangbäumen ist ohne Zweifel das
sicherste Mittel, der Borkenkäfergefahr vorzubeugen, da man durch
diese Massregel auch gleichzeitig eine Unmasse Käfer vernichtet.
Man benutzt dazu zurückgebliebenes Lang- und Klafterholz, oder
vom Winde gebrochene oder geschobene, oder auch unterdrückte
Stämme, sie mögen stark oder schwach sein; denn an den schwachen
fangen sich auch Käfer, und die geringen Mehrkosten des Entrindens
der schwachen, für den Schluss des Bestandes entbehrlichen Stämme
kommen nicht in Betracht. Sie werden 3—4 Wochen vor der Schwärm-
zeit an Orten gefällt, wo man die Käfer am meisten erwartet, und
sofort entastet, da das Belassen der benadelten Aeste die Aus-
troeknung der gefällten Bäume so beschleunigt, dass sie sehr bald fast kein
Käfer mehr annimmt. Man wirft sie auf untergelegte Stöcke oder
Steine, damit die Käfer auch an der Unterseite anbohren können.
Nur Windwürfe, welche mit einem Theile der Wurzeln in der Erde
blieben, kann man als Fangbäume benutzen, ohne sie zu entasten,
Die Anzahl der zu fällenden Fangbäume richtet sich nach der Grösse
der Gefahr. Im ersten Frühjahr genügen wohl etwa 10 Stück für
das Hektar, später bei geringer Gefahr weniger. Eine Hauptsache
ist, von Zeit zu Zeit neue Fangbäume zu fällen und damit
Abwehr der unter Nadelholzrinde brütenden Borkenkäfer. 533
fortzufahren,solange währenddesSommersKäfer schwärmen.
Bestimmte Vorschriften hierüber lassen sich nicht geben, da nach Lage,
örtlichem Klima und Jahreswitterung die Generation der Käfer sehr
verschieden ist. Man vergleiche hierüber auch die werthvollen Aus-
einandersetzungen von Nüssrın [97 a und 57 b]. Unter Umständen kann
man laufende Schläge als „Fangschläge” benutzen, wie sie HruscHEu
sehr richtig nennt und nach seinen Erfahrungen in Oesterreich empfiehlt.
Auch ist eigentlich jedes im Walde lagernde, noch nicht ab-
gefahrene Holz gewissermassen als Fangbaum zu betrachten. Wo
indessen keine besonders dringende Gefahr droht, darf man wohl,
unter Beobachtung aller sonstigen Vorsichtsmassregeln, das in Raum-
metern aufbereitete Holz unentrindet lassen. Gefällte Stämme werden
dagegen bei nur irgendwie näher gerückter, grosser Gefahr stets zu
schälen sein, aber wie z B. Krrıxer [42c] sehr richtig angiebt,
nicht etwa gleich bei der Winterfällung, sondern erst im Frühjahr,
wenn sich die Borkenkäfer bereits eingebohrt haben. Da indessen
die Käfer, trotz der Fangbäume, auch andere stehende, ganz
gesunde Stämme befallen, so muss man stets vorsichtig sein und
nicht die Aufmerksamkeit verlieren, die Käfer also auch gleichzeitig
im stehenden Holze aufsuchen und vertilgen. Man hat dabei haupt-
sächlich die in der Nähe der Fangbäume befindlichen Orte, weil die
Käfer sich hier concentriren, im Auge zu behalten.
Sobald man merkt, dass die Muttergänge in den Fangbäumen
fertig, und dass die ersten Larven schon der Verpuppung nahe sind,
schreitet man zum Entrinden derselben
und zum Verbrennen der mit Brut
besetzten Borke, ‚gleichzeitig aber auch
der infieirten Aeste, Zum Entrinden kann
man sich mit Vortheil des in der neben-
stehenden Figur abgebildeten, aus dem
Schwarzwald stammenden Stosseisens be-
dienen, das an einem ungefähr 1m langen
Holzstiele gehandhabt wird. Es wurde
zuerst von Roru [64] beschrieben. Unter-
gelegte Tücher werden beim Entrinden Fig. 176. Im Schwarzwald ge-
verhindern, dass Larven, Puppen und ee nach
einzelne, bereits frühzeitig entwickelte Fa
Käfer in das Gras und Moos fallen. Auch ist es gut, beim Verbrennen
um das Feuer einen Kreis von heisser Asche zu bilden, der die
etwa noch aus den aufgehäuften Rindenstücken hervorkriechenden
Käfer vernichtet. Vortheilhaft ist es, wenn man bei der ganzen Ar-
beit durch kühles Wetter unterstützt wird, weil bei solchem die
Thiere träge sind. Aeste und Zweige müssen, wenn solche an ein-
zelnen Fangbäumen zurückgeblieben sind, mit der Rinde verbrannt
werden, denn sie enthalten gewöhnlich die kleineren Borkenkäferarten,
die, wenn sie häufig sind, fast ebenso schädlich werden können wie die
grossen. Dass beim Verbrennen grösste Vorsicht obwalten muss, um
534 Kap. IX. Die Käfer.
nicht Feuersgefahr für den Wald hervorzurufen, versteht sich von
selbst. AutLemann räth, die Verbrennung in Gruben vorzunehmen, aus
deren Umkreis man Streu und Moos entfernt hat 1 8.52]:
RarzesurGg hat bis zuletzt [|X, S. 84] festgehalten, dass es sich empfehle,
den Fangbäumen die Aeste zu lassen. Dieses Verfahren wird aber schon 1875
von Fıscuracu [I6, S. 28] gänzlich verworfen, da er beobachtet hat, dass gerade
die entasteten Stämme am besten wirken, und Jupeicu schloss sich bereits seit
langer Zeit der richtigen Ansicht Fıschracn's ausdrücklich an [38a, S. 75].
Wenn neuerdings Hess [XXI, 2. Aufl., S. 282] gegen diese gewiss sehr noth-
wendige Massregel einwendet, dass dieselbe am Kostenpunkte scheitern dürfte,
so ist einfach darauf hinzuweisen, dass es doch wohl völlig gleich viel kostet,
ob die Fangbäume gleich beim Fällen, oder erst bei der Schälung, wo es absolut
nicht vermieden werden kann, entastet werden. Das Bedenken, dass man
mit entasteten Fangbäumen die astbrütenden Borkenkäfer nicht trifft, fällt
gleichfalls nieht in das Gewicht, wenn man, wie wir im Folgenden empfehlen,
Fangreisig gegen diese kleineren Feinde legt, wozu sich die von den Fang-
bäumen abgehauenen Aeste recht gut eignen.
Das Verbrennen der Rinde ist unumgänglich nöthig. Hier und da
unterliess man es, in der Meinung, dass das blosse Auslegen der Rinde an der
Sonne schon hinreiche, die Brut zu tödten. Indessen ist diese, allerdings ur-
sprünglich von RAtzsgurG selbst getheilte, späterhin von ihm aber völlig auf-
gegebene Ansicht durch die genauen Versuche von Cocno [Ila] gründlich
widerlegt. Wir theilen die Ansicht dieses genauen Beobachters vollständig, um-
somehr, als es bei der unregelmässigen Entwiekelung einer und derselben Brut
ganz unmöglich ist, das Schälgeschäft zu vollenden, ehe sich nicht die ersten
Larven in Puppen und Käfer verwandelten. Dazu kommt noch, dass in der
diekeren Rinde sehr alter Fichten die Larven ihre Puppenwiegen nicht blos in
der Bastschicht, sondern unmittelbar unter der äusseren Borkenschicht anlegen,
so dass man sie an den losgeschälten Rindenstücken auf deren Innenseite gar
nicht bemerkt, und erst findet, wenn man die Rinde zerbricht. Jupeıcn hat diese
Thatsache 1874 im Böhmerwalde wiederholt an den im Boden zurückgebliebenen
Fichtenstöcken beobachtet. Das Gleiche gilt von dem Vergraben der besetzten
Rinde; auch dieses genügt keineswegs, da die Käfer im Stande sind, sich auf
die Oberfläche durchzugraben, und die Decke der Grube dann mitunter wie ein
Sieb aussieht. Dies wird durch die Versuche von Anuemann (la, S. 52) und CocHo
deutlich bewiesen. Selbst durch Beigabe von Kalk in die Gruben werden nicht
alle Käfer getödtet. O. Grunerr hat sogar nachgewiesen, dass 7!/, Monate langes
Vergraben in eine Tiefe von 63 und 40 cm dem T. typographus L. nicht schadet.
f) Das Auslegen von Fangreisigbündeln ist eine Mass-
regel, welche sich in gleicher Weise gegen die schwaches Material
bewohnenden Borkenkäfer richtet, wie das Werfen von Fangbäumen
gegen die Stammbewohner. Es ist dieselbe bis jetzt wohl kaum in
grösserem Massstabe angewendet worden. Da aber Eıcnuorr mit
Bestimmtheit angiebt, dass er T. bidentatus H»sr. jedesmal, wenn es
ihm darum zu thun war, angelockt und veranlasst habe, seine Brut
an Kiefernfangreisig abzusetzen, so ist sie als Vorbeugungsmittel
wenigstens für diesen Kulturverderber sicher zu empfehlen und dürfte
sich wohl in sehr vielen Fällen auch gegen die anderen kleineren,
namentlich Aeste bewohnenden Borkenkäfer nützlich erweisen. Natür-
lich ist dann dieses Vorgehen, wie das Werfen der Fangbäume, so
lange fortzusetzen, als man ein nochmaliges Schwärmen der Käfer
erwarten darf. Auch muss es, wenn es nicht in sein Gegentheil
umschlagen soll, mit dem rechtzeitigen Verbrennen der Fangbündel
verbunden werden.
a ee
ne re
Abwehr der unter Nadelholzrinde brütenden Borkenkäfer. 535
g) Forsteinrichtungsmassregeln können insofern vorbeugend
gegen Borkenkäfergefahren wirken, als durch eine den örtlichen Ver-
hältnissen entsprechende Ordnung der Hiebsfolge die Bestände gegen
die Beschädigungen durch den Wind wenigstens einigermassen ge-
schützt werden, namentlich aber auch dadurch, dass durch die
Bildung kleiner Hiebszüge für die Zukunft das Entstehen grosser,
gleichalteriger Bestandskomplexe verhindert wird, deren Vorhandensein
allein derartig fürchterliche Sturmverheerungen und deren Folgen
ermöglicht, wie sie z. B. 1868 und 1870 viele Deutsche und Oester-
reichische Waldungen heimsuchten. Besonderes Gewicht ist aber ferner
darauf zu legen, dass eine gute, durch die Bildung kleiner Hiebszüge
bedingte Ordnung des Hiebes es sehr leicht macht, künftig einen
oder den anderen Bestand ohne Störung des ganzen Wirthschafts-
betriebes früher abzutreiben, als man in der Gegenwart, beim Ent-
wurf des Wirthschaftsplanes, voraussehen konnte. Nur so hat man es
in der Hand, durch Elementarereignisse oder durch Insektenfrass
gelichtete und beschädigte Bestände rasch zum Hieb zu bringen und auf
diese Weise sogenannte Insektenherde rechtzeitig zu beseitigen.
Sehonung aller Feinde der Borkenkäfer ist natürlich auch hier
eine sehr zu empfehlende Massregel, wenngleich eine Ermahnung dazu für die Praxis
kaum besonders werthvoll sein dürfte. Wo man rationelle Forstwirthschaft treibt,
mordet man meistens die insektenfressenden Vögel, um welche es sich hier in
erster Linie handelt, überhaupt nicht; wo man dies thut (vergl. S. 240), wird
man es sicher nicht mit Rücksicht auf Borkenkäferfrass unterlassen. Schonung
der Borkenkäferfeinde aus der Klasse der Insekten (vergl. z. B. S. 291) in einem
praktisch wirksamen Umfange ist einfach unmöglich. Es bleibt daher hier nur
zu erwähnen, dass sich, wie namentlich Aurrmann [la, S. 53] und FreiıscHEr
[17, S. 23] berichten, die Schlupfwespen öfters an der Vernichtung der Borken-
käfer betheiligen. Pteromalus multicolor und Roptocerus xylophagorum Rarz.
sind aus T. typographus erzogen worden.
Die Vertilgungsmittel, deren Anwendung, seitdem wir die
Vorbeugungsmassregeln besser als ehemals zu handhaben gelernt haben,
und seitdem wir von dem Glauben zurückgekommen sind, dass der
Borkenkäfer nur krankes Holz angreife, Gottlob! immer seltener
nöthig wird, sind zum Theil dieselben. Wir brauchen die Fang-
bäume auch dann noch, wenn die Wurmtrockniss schon anfängt
um sich zu greifen. Es ist das einzige Mittel, derselben noch Einhalt
zu thun und den Käfer von den stehenden Bäumen etwas abzuleiten.
Sie müssen daher auch zahlreich und an möglichst vielen Orten ge-
worfen werden. Die Vertilgung des Borkenkäfers wurde in Ostpreussen
bei dem grossen Insektenfrasse der Fünfziger- und Sechzigerjahre,
so wenig Aussicht auf Erfolg auch die rapid wachsende Wurmtrockniss
bot, doch mit. aller Energie betrieben, und man kämpfte da, wo das
Uebel noch nicht durch Naturhilfe beseitigt war, unausgesetzt gegen
das Insekt durch Fangbäume und Aushiebe der beflogenen, noch
grünen Stämme, besonders in mehreren einzelnen, in weiten Feldern
liegenden Forstschutzbezirken, welche durch Raupenfrass wenig ge-
litten hatten. In ähnlicher Weise wurde in neuerer Zeit in den fürst-
lich ScHhwArzengerg’schen und gräflich Tuun’schen Waldungen des
536 . Kap. IX. Die Käfer.
Böhmerwaldes verfahren, wo dem Borkenkäfer bis 1874 allerdings
Millionen von Bäumen zum Opfer gefallen sind.
Ist es schon so weit gekommen, dass der Hieb im wurm-
trockenen Holze geführt werden muss, so steht die Sache sehr
schlimm. Es ist schon vorgekommen, z. B. am Ende des vorigen
Jahrhunderts im Harze und Voigtlande, dass die Bäume überall, so
weit das Auge reichte, trocken geworden waren, und dass man gar
nicht Holzschläger genug bekommen konnte, um alle schnell genug
fällen zu lassen. In diesem Falle ist es höchst wichtig, die alte von
der frischen Trockniss sorgfältig zu unterscheiden und vor allen
Dingen in der frischen, d. h. da, wo der Käfer mit seiner Brut
noch darin steckt, zuerst zu hauen. Der Käfer geht natürlich
immer weiter und greift nur die frischen Bäume, gleichsam
stehende Fangbäume, an. Liesse man ihn hier also hausen und
räumte man nur das abgestorbene Holz weg, so würde immer mehr
absterben. Es versteht sich, dass hier das Abschälen und Verbrennen
der mit Brut gefüllten Rinde, oder die schleunige Abfuhr, Verflössung
oder Verkohlung des ganzen Holzes ebenso wichtig ist, wie bei den
Fangbäumen. Auch räth Anuemans, nirgends mit dem Hiebe zu
zögern, da auch Wurmholz, wenn es nur sofort nach dem Anfluge
gefällt und geschält wird, sich recht gut hält.
Hier ist auch besonders darauf zu sehen, dass nicht nur die
geschälte Rinde, sondern auch das Reisig verbrannt wird. Geht ja
doch sogar der Buchdrucker gelegentlich in Aeste (vgl. S. 512), und
sind doch sie und die Gipfelstücke bei grösserem Frasse stets die
Wohnstätten der vielen kleineren Käferarten.
Viel wichtiger als bei den eigentlichen Bestandsverderbern
sind Vertilgungsmittel gegen die Feinde der Stangenhölzer und
Kulturen. Besonders in letzteren wird öfters auch in gut bewirth-
schafteten Revieren, namentlich in grösseren Diekungen, an schwer
zugänglichen Hängen u. s. f. ein horstweiser Frass dieser kleineren
Formen vorkommen und erst dann bemerkt werden, wenn er bereits
wirklich Schaden gethan hat. Hier ist in älteren Kulturen rücksichts-
losester Aushieb aller befallenen Stämmchen, in jüngeren das Aus-
reissen der befallenen Pflanzen zu empfehlen. Gewinnt man hierdurch
noch brauchbare Knüppel, so kann man sich mit gründlichem An-
rösten derselben begnügen, namentlich dort, wo günstige Absatzver-
hältnisse eine Verwerthung des so geretteten Materiales gestatten.
Wo das nicht der Fall ist, muss auch hier vollständige Verbrennung
eintreten, und sicher müssen alle Abraumhölzer aus solchen be-
en lim
fallenen Horsten, sowie die aus jüngeren Kulturen ausgerissenen
Pflanzen verbrannt werden.
Durch Borkenkäferfrass bedingte Veränderungen im
. . 48 E
ganzen Wirthschaftsbetriebe werden natürlich nur dort vor- |
kommen können, wo wirklich ausgedehnte Flächen verwüstet wurden. {
Namentlich werden dieselben bedingt erstens durch die Unmöglichkeit
Abwehr der unter Nadelholzrinde brütenden Borkenkäfer. 537
der Verwerthung grosser, plötzlich auf den Markt gelangender
Holzmassen zu normalen Preisen, zweitens durch die Schwierigkeit, die
ausgedehnten Abtriebsflächen wieder schnell in Bestand zu bringen. Hier
_ eröffnet sich dem denkenden, höheren Forstbeamten ein weites Feld
der Thätigkeit. Durch passende, auf die örtlichen Verhältnisse und
die Gewohnheiten der holzverbrauchenden Bevölkerung gestützte Er-
leichterungen der Absatzbedingungen, durch Abschlüsse mit Gross-
händlern, durch Unterstützung der Anlage holzverbrauchender, ge-
werblicher Betriebe in der Nähe der verwüsteten Wälder, wird es
einem solchen möglich werden, den Ertragsrückgang seiner Reviere
wenigstens einzuschränken. Durch die ausnahmsweise Verwendung
erheblicher Mittel auf die Erziehung einer hinreichenden Menge von
Pflanzen, durch ausgedehntere Anwendung der Saat auf irgend dazu
geeigneten Orten wird man meist in der Lage sein, der Verangerung
und Verhaidung der grossen Schlagflächen mit Hilfe rechtzeitigen
Anbaues vorzubeugen. Die rasche und gelungene Aufforstung der
grossen, durch Sturm und Borkenkäfer kahlgelegten Flächen im
Böhmerwald, welche man z. B. in den fürstlich SchwArzEnBErg’schen
und fürstlich Homenzoruern’schen Waldgebieten findet, beweist die
Möglichkeit sicherer Erfolge der sofort energisch in Angriff genom-
menen Kulturmassregeln auch im grössten Massstabe.
Unter besonderen örtlichen Verhältnissen kann es wohl auch
möglich und rathsam sein, einige Jahre hindurch auf den kahlgelegten
Flächen durch Verpachtung an eine dazu bereite, ländliche Be-
völkerung Waldfeldbau zu treiben. Dadurch wird nicht blos eine
beachtenswerthe Nebennutzung gewonnen, sondern es wird bekanntlich
auch durch die mit solcher Massregel verbundene Bodenlockerung
der darauf folgende forstliche Anbau wesentlich erleichtert und ge-
fördert. In grossartigstem Masse mussten derartige Hilfsmittel nach
den furchtbaren Verheerungen der Ostpreussischen Waldungen durch
Nonne und Borkenkäfer in den ‚Jahren 1854 bis 1862 ergriffen
werden, weil es dort thatsächlich unmöglich war, die ausgedehnten,
verwüsteten Flächen in kurzer Zeit wieder forstlich anzubauen. Man
hat dort grosse Strecken des Waldbodens auf 2—12 Jahre, einzelne
grössere Partien sogar auf 50 Jahre zu Feldbau verpachtet; man
hat für vorübergehende Zeit Wiesen durch die Pächter anlegen
lassen, hier und da anderen Grasnutzung und Weide gestattet. Die
ernstlich erwogene Frage, ob es rathsam sei, einen grösseren Theil
der fraglichen Flächen bleibend der Waldwirthschaft zu entziehen
und der Landwirthschaft zu übergeben, glaubte man vermeinen zu
müssen und zog deshalb Verpachtungen auf längere oder kürzere
Zeit vor. Die Aufforstung der sofort anzubauenden und der zuerst
wieder pachtfrei werdenden Flächen erfolgte ganz planmässig,
indem man dabei auf die künftige Hiebsordnung Bedacht nahm, also
die einst wahrscheinlich zuerst zum Abtrieb gelangenden Flächen
auch zuerst anbaute. Unterstützt wurde diese Massregel durch das
Ueberhalten vieler, wenn auch schwer geschädigter Bestände, deren
Lehrbuch d, ınitteleurop. Forstinsektenkunde, 35
538 Kap. IX. Die Käfer.
Beschaffenheit dies, namentlich wegen fast sicher zu erhoffender,
natürlicher Besamung der darin befindlichen grossen und kleinen
Bestandslücken, ermöglichte. Dass man beim künstlichen Anbau der
Kahlflächen die Frage erwog, ob und inwieweit den Fichten, die
einst wieder den Hauptbestand bilden sollten, Kiefern, Lärchen und
Laubhölzer, wie Eichen, Eschen u. s. w., beizumischen seien, an
welchen Stellen vielleicht die Kiefer überhaupt Vorzug verdiene,
versteht sich von selbst. Wir empfehlen vorkommenden Falls die vor-
treffliche Darstellung nachzulesen, welche Gruxerr [26a] von den
bei dem ÖOstpreussischen Nonnen- und Borkenkäferfrasse getroffenen
Anordnungen giebt. Auch Wırrkomm [75a] bringt in seinem ÖOst-
preussischen Reiseberichte viele beachtenswerthe Angaben.
Im Holze selbst brütende Borkenkäfer. Diese gewöhnlich
technisch schädlichen, nur selten auch das Leben jüngerer Stämme
bedrohenden Käfer entziehen sich zwar der Beobachtung ihrer Ge-
wohnheiten in Folge der grösseren Verborgenheit ihrer Brutstätten
mehr als die Rindenbrüter, ihre Angriffe sind aber als solche leicht
kenntlich, weil, abgesehen von der Zeit des allerersten Angriffes,
das von den bohrenden Weibchen aus den Röhren geschaffte
Bohrmehl ausschliesslich von der Holzfaser herrührt und daher
durchaus weiss ist, nicht braun oder gemischt braun und weiss,
wie bei den Rindenbrütern. Ausserdem lassen sich auf Spaltstücken
ihre Gänge von denen anderer Holzbohrer leicht durch die schwarze
Färbung der Wände unterscheiden. Sehen sie doch aus, als wären
sie mit glühendem Draht in das Holz gebrannt. Es stimmt ferner die
Lebensweise aller dieser Formen darin überein, dass die Nahrung
ihrer Larven, wie bereits oben (vgl. S. 439) kurz auseinandergesetzt
ist, nicht wie die der Rindenbrüter ausschliesslich aus den bei Er-
zeugung der Larvengänge gewonnenen Nagespänen besteht, sondern in
einigen Fällen wenigstens theilweise, in anderen wohl vollständig
aus den in die Brutröhren austretenden Baumsäften oder aus hier
wuchernden Pilzrasen.
Die Anschauungen über Leben und Nahrung der Larven holzbrütender
Borkenkäfer sind noch nicht völlig geklärt. Definitiv abgethan ist die ältere
Ansicht, dass bei den Leitergänge machenden Formen die kurzen Leitersprossen
nicht durch das Nagen der Larven, sondern durch eine im Umkreise der Larven
entstehende Zersetzung des Holzes verursacht würden. Diese Aufklärung ver-
danken wir Berıne [305, S. 182 und 4, 8. 38 und 39]. Hier sowohl wie bei
Tomicus Saxesenii Rarz. dienen also nachweisbar die von ihnen abgenagten
Holztheilchen als Nahrung für die Larven. Anders liegt aber die Frage bei
denjenigen Arten, bei welchen die Larven kein selbstständiges Nagegeschäft
betreiben. Hier muss nothwendigerweise die Ernährung eine andere sein, Auch
für die erstgenannten, namentlich für die Leitergänge machenden Formen ist
es zweifelhaft, ob die abgenagten Späne ihre einzige Nahrung bilden und nicht
wenigstens zu der Zeit, wo die Leitersprossen bereits fertig sind, eine andere
Nahrungsquelle vorhanden ist. Die ersten Angaben hierüber rühren aus den
Dreissigerjahren von SCHMIDBERGER her und beziehen sich auf Tomicus dispar
Fagr, [IV, S. 264]. Er berichtet, dass er die von den Weibehen gemachten
Gänge mit einer weisslichen, einer Salzkruste ähnlichen Substanz überzogen
u
Pr.
Im Holze selbst brütende Borkenkäfer. Nutzholz-Borkenkäfer. 539
fand, welche nach seiner Ansicht von dem Weibchen „aus dem anusgetretenen
und ins Stocken gerathenen Baumsafte mit Hinzuthun eines eigenen Saftes
bereitet”' wird. Diese Substanz, welche er „Ambrosia” nennt, hielt er für die
Nahrung der Larven und fand sie stets in den Brutgängen, in denen ausge-
wachsene Larven vorhanden waren, völlig aufgezehrt. In der ersten Auflage
seiner Forstinsektenkunde bezweifelt RarzegurG diese Angaben, bestätigt sie
aber in der zweiten [V, I, S. 207] und vermuthet, dass der in die Muttergänge
austretende, in eine weinige Gährung übergehende Pflanzensaft durch Vermi-
schung mit Nagespänen und Speichelsaft des Mutterthieres seine Consistenz
erlange. 1844 berichtet Tu. Harrıc [30a], dass diese „Ambrosia” aus einem
von Nagespänen völlig freien Pilzrasen bestehe, welcher direkt der durchnagten
Holzfaser, die an ihrem äusseren Ende eine dunkelbraune Färbung erhalten
hat, entspringt. Er nennt den Pilz Monilia candida und nimmt diesen Rasen,
der „sich von den Borkenkäferlarven abgeweidet, in kurzer Zeit regenerirt”, als
die einzige Nahrung der Larven an. EıcnHorr ist geneigt, diese „Ambrosia”,
welche er wesentlich als ausgetretenes Baumsaftgerinnsel ansieht, als die
alleinige Nahrung aller holzbewohnenden Borkenkäferlarven zu betrachten, die
Pilze aber als etwas Unwesentliches beiseite zu lassen, und er bezweifelt sogar,
dass die vonden Trypodendron-Larven abgenagten Späne wirklich gefressen
werden [l5a, S. 304]. Letztere Anschauung lässt sich aber nach den Beob-
achtungen Beuine’s [4, S. 39] nicht halten. Dass aber andererseits der Baumsaft
hier eine wesentliche Rolle spielt, ist schon daraus ersichtlich, dass völlig aus-
getrocknetes Holz von den Käfern gemieden, beziehentlich verlassen wird. Auch
die schwarze Färbung der Gangwände ist noch nicht völlig erklärt. Allerdings
steht fest, dass diese Färbung durch Pilzmycelien erzeugt wird, welche sich
einige Zeit nach der Anlage der Gänge durch den Mutterkäfer, wenn bereits
eine Zersetzung der Säfte eingetreten, hier ansiedeln, aber durch die fort-
währende Bewegung der Mutterkäfer und der Larven gestört, zu keiner richtigen
Fructifieation gelangen können, sondern nur eine dünne Kruste bilden. Die
Thatsache, dass sich sowohl bei Fichten wie Buchen eine ähnliche Schwarz-
färbung auch auf feucht gehaltenen Spaltflächen bildet, beweist nämlich, dass
diese Erseheinuug nicht etwa, wie man früher meinte [30a], von einem durch
den Mutterkäfer abgesonderten Giftstoffe herrührt. Welcher Art diese Pilze aber
sind, steht, obgleich Tu. HarrısG |305 und 30c] hierüber mancherlei Angaben
gemacht hat und namentlich nachzuweisen sucht, dass es sich bei Fichte und
Buche um verschiedene Pilze handele, noch nicht fest. Dass in Fichte der von
WILLKkomMm aufgestellte Xenodochus ligniperda die Ursache sei, kann insofern
nicht angenommen werden, als dieses Mycel gar keine selbstständige Pilzform
- darstellt, sondern nur eine Entwickelungsform eines Hymenomyceten ist.
Hierher zählen sämmtliche Mitglieder der Untergattungen Xyle-
borus Eıcnm. und Trypodendron Sırpu., welche wieder zur Gattung
Tomicus im weiteren Sinne gehören, und die Gattung Platypus Hssr.
Wir sehen von den selteneren ab und behandeln nur neun, nach
biologischen Unterabtheilungen zusammengefasste Arten.
Die erste zusammengehörige Unterabtheilung bilden
die Nutzholz-Borkenkäfer,
Tomicus lineatus OLıv., T. signatus Fapr. und T. domesticus L.,
Diese ungefähr 3mm langen Käfer sind leicht kenntlich au
dem stark gewölbten, vorn gekörnten Halsschilde, die fast glänzenden,
gewöhnlich heller gefärbten und dunkle Längszeichnungen zeigenden
Flügeldecken ohne Eindruck an dem Absturze. Biologisch sind sie
35*
t
540 Kap. IX. Die Käfer.
charakterisirt durch die von ihnen gemachten Holz-Leitergänge, durch
deren Anlage die technische Verwendbarkeit des Holzes für feinere
Zwecke beeinträchtigt wird. Vertilgungsmittel sind weniger gegen
sie anzuwenden, als Vorbeugungsmittel.
Beschreibung: T. (Trypodendron Srrna., Xyloterus Er.) lineatus
Or. Liniirter Nadelholz-Bohrer. Käfer walzenförmig, schwarz, Beine,
Fühler, Basis des Halsschildes und Flügeldeeken gelblichbraun, der Seitenrand
der letzteren und die Naht, sowie ein mehr oder weniger deutlicher Längsstreifen
auf der Mitte jeder Flüseldecke schwarz; die Flügeldeeken fein, nicht tief
punktirt-gestreif, mit glatten Zwischenräumen. Die Fühlerkeule ist an der
Spitze stumpf abgerundet. Beim S ist die Stirn tief ausgehöhlt und hat vorn
ein schwaches, manchmal undeutliches Längskielchen. Das Halsschild ist breiter
als lang, fast viereckig mit gerundeten Seiten, vorn nur ganz flach gerundet,
überdies mit feinerer Skulptur als beim ®. Beim 9 ist die Stirn gewölbt,
das Halsschild nach vorn in starkem Bogen gerundet. Länge 2:8—3 mm.
Die schwarze Zeichnung auf der Oberseite des Käfers ist ziemlich ver-
änderlich und tritt oft fast ganz zurück. Die wohl unreifen Exemplare, bei
welchen nur der Kopf schwarz ist, betrachtete man früher als Don Art,
Bostr. melanocephalus FABr.
T. (Trypodendron Sren., Xyloterus Er.) signatus FApr. (Or
Liniirter Laubholz-Bohrer. Käfer an Gestalt und Färbung dem T.
lineatus äusserst ähnlich, auch bezüglich der Unterschiede beider Ge-
schlechter. Die Fühlerkeule ist jedoch viel grösser und an der inneren Ecke
stumpf, etwas nach innen vorgezogen. Die Punktstreifen der Flügeldecken sind
etwas gröber, die einzelnen Punkte zum Theil nieht ganz rund, sondern etwas
eckig ausgezogen, so dass die Zwischenräume stellenweise gerunzelt erscheinen.
Länge 3—3°5 mm.
T.(Trypodendron Sıru., Äyloterus Er.) domesticus L. Buchen-Laub-
holz-Bohrer. Käfer seinen Gattungsverwandten sehr ähnlich, auch be-
züglich der Unterschiede beider Geschlechter. Die Fühlerkeule ähnelt der des
T. signatus, ist jedoch an der Spitze nach innen in ein weniger abgerundetes,
deutliches Zähnchen erweitert. Die fein punktirten Flügeldecken sind an der
Spitze deutlich gefurcht, mit etwas vorspringendem Nahtwinkel. Letzterer ist
bei den andern beiden Arten einfach abgerundet. Typische Exemplare sind schon
durch die Färbung leicht zu erkennen; die Flügeldecken sind mehr strohgelb,
der schwarze Streifen auf der Mitte fehlt stets; das Halsschild ist in der Regel
ganz schwarz. Farbenvarietäten, z. B. solche mit mehr oder weniger gelblich
gefärbtem Halsschild, unterscheiden sich von den verwandten Arten am leichtesten
durch die Gestalt der Fühlerkeule und durch den vorspringenden Nahtwinkel
der Flügeldecken. Die gewöhnlich gelben Fühler und Beine zeigen ausnahms-
weise eine dunkle Färbung. Länge 3 mm.
Lebensweise. Diese drei Käferarten schliessen sich insofern
den bisher behandelten, rindenbrütenden Borkenkäfern noch an, als
auch bei ihnen die Larven, jede für sich, einen gesonderten Gang
anlegen, unterscheiden sich aber andererseits scharf von jenen dadurch,
dass der zugleich in seiner gesammten Ausdehnung als Puppenwiege
dienende Larvengang gerade nur so gross ist, dass die Larve ihn in
jedem Stadium ihrer Entwickelung ganz ausfüllt. Die Larven können
also sicher wenigstens einen Theil ihrer Nahrung den abgenagten
Holztheilchen entnehmen (vgl. S. 538). Das bereits an seiner Ge-
burtsstätte von dem der gleichen Brut entstammenden Männchen be-
gattete Weibehen bohrt eine senkrecht durch die Rinde in das Holz
gehende Eingangsröhre und verlängert diese gewöhnlich in mehrere,
in demselben Stammquerschnitt wie die Eingangsröhre verlaufende
eh
Tomicus lineatus, T. signatus und T. domesticus. 541
Brutröhren, in welchen, dem Fortschritte des Stollens entsprechend,
N
|
[
ER EB BR
Fig. 177. Leitergänge holzbrütender Borkenkäfer: A Frassfigur von Tomicus
lineatus Orıv. auf einem Stammquerschnitte, BD dieselbe im Längsschnitte des
Stammes, beide nach Bering [4]. C Frassfigur von T. domesticus L. auf dem
Stammquerschnitt gesehen. ab Eingangsröhren, be Brutröhren. Original.
auf der Unter- und Oberseite, nicht rechts und links, in mässiger
Entfernung Einischen genagt, je mit einem Ei belegt und wieder
542 Kap. IX. Die Käfer.
mit Bohrmehl verschlossen werden. Die ausschlüpfenden Larven
nagen nun je nach der Lage ihrer Geburtsnische nach oben oder 5
unten in der Richtung der Holzfaser Larvengänge von dem gleichen
Kaliber wie die Muttergänge, welche aber, wie bereits bemerkt, sehr
kurz, höchstens 5 mm lang, bleiben und wie die Sprossen einer ein-
baumigen Leiter zu einander stehen, weshalb die gesammte Frass-
figur als „Leitergang’’ bezeichnet wird. Die Exkremente werden von
der Larve zur Verstärkung der den Larvengang gegen den Mutter-
gang abschliessenden, dünnen Scheidewand benutzt. Die Puppe liegt
in diesem Larvengang stets mit dem Kopfe der Brutröhre zugewendet.
Die Frassfiguren der drei Arten unterscheiden sich insoweit,
als der Regel nach die Eingangsröhre von T. lineatus OLıv. ver-
hältnissmässig kurz bleibt und von ihrem Ende nur zwei Brutgänge,
dem Laufe der Jahresringe folgend, nach rechts und links sich ab-
zweigen (Fig.141, 7, 8.440), obgleich auch andere Anordnungen, welche
Beuing sehr gut in einer schematischen Figur vereinigt hat (Fig. 177A),
vorkommen. Gewöhnlich bleiben diese Gänge blos im Splinte. Die
Gänge der beiden anderen Arten dringen dagegen öfters tiefer ein,
und die oft in der Mehrzahl vorhandenen Brutröhren gehen nicht
in der Richtung der Jahresringe, sondern schräg durch dieselben
(Fig. 1770).
Was die Brutbäume dieser drei Arten betrifft, so ist T. lineatus
Orıv. wohl ausschliesslich Nadelholzkäfer, und zwar schon nach
Rarzegurg’s später öfters bestätigter Angabe mit Bevorzugung der
Tanne, Abies pectinata Dec., [V, I, S. 200]. Die beiden anderen
Arten sind dagegen den verschiedensten Laubhölzern gemeinsam.
T. lineatus Orıv. geht sicher mitunter stehende Stämme an, dagegen
scheint er ganz gesunde zu meiden. Viel häufiger findet er sich aber
in Windbruchhölzern, alten Stöcken und gefälltem Nutzholze. Die
beiden anderen Arten gehen meist auch nur in unterdrückte Stangen
und Stöcke, jedoch auch in gefällte Stämme.
Die Angabe von Rartzegurg, dass T. lineatus Orıy. auch in Birke vor-
komme, dürfte wohl, wie EıcuHorr vermuthet, auf Verwechselung mit dem sehr
ähnlichen, damals noch nieht unterschiedenen T. signatus FAgr. beruhen. Auch
Weymouthskiefern und Lärchen geht er an, desgleichen nach HenscHEL
[|32e, S. 536] die Arve. Die Laubholzkäfer sind sehr polyphag. T. signatus
Fazer. wird angegeben [I5a, S. 297] aus Eiche, Buche, Ahorn, Birke und
Linde; T. domesticus L. ist vorwiegend ein Buchenkäfer, kommt aber auch
[XXIV, 8. 37] in Ahorn, Birke, Hainbuche, Akazie, Erle, Kirschbaum
und Mehlbaum, (Sorbus aria Eurn.), vor.
Sämmtliche drei Arten sind Frühschwärmer, welche meist
eine doppelte Generation haben. Wir stellen die Entwickelung
von T. lineatus Orıv. nach den Untersuchungen von Bering,
dem wir die erste Klarlegung dieser Frage |4] verdanken, dar.
Dieser nimmt als normale Flugzeit im Harze den Monat April an,
und verlegt den zweiten Flug in den Juli, weiss aber sehr wohl,
dass bei günstiger Witterung und in wärmeren Gegenden — z.B.
nach Eıchnorr stets im Elsass — der Käfer auch viel früher, schon
3
-
y
Lebensweise, Schaden und Abwehr von T., lineatus u. Verwandten. 543
im März, tliegen kann. Es stellt sich daher die normale Ent-
wiekelung ungefähr folgendermassen: 5
)
j | | | |
| | | | | |
Jan. a ar Mai | Juni | Juli | Aug. | Sept. | Oet. | Nov. | Dee.
Er
ae EEE 5 Terre
Eee 2 um +++ HH +++
| | | ] | ] |
| 1881 ee ++ | | |
Er |
Sum — & —
In höheren, kälteren Gebirgslagen hat er vielleicht auch nur
eine einfache Generation; die betreffenden Beobachtungen Jupzicm’s
im Riesengebirge bedürfen indessen noch der Bestätigung.
Der Schaden unserer Käfer ist zunächst wesentlich ein tech-
nischer. Holz, welches von ihren Bohrlöchern reichlich durchsetzt
wurde, ist vielfach nicht mehr brauchbar, namentlich kann das von.
T. lineatus Orıv. angegangene Nadelholz nicht mehr zur Fabrikation
von Schachteln, Schindeln und feineren Brettern dienen. Doch macht
EicHhHorr mit Recht darauf aufmerksam, dass letzterer Käfer mit
seinen Gängen fast immer im Splinte bleibt und das Innenholz nicht
angeht, sodass für Zwecke, bei denen der Splint keine Verwendung findet,
die technische Entwerthung nicht so bedeutend ist, als die Händler
zum Zwecke der Herabdrückung des Preises oft behaupten. Immerhin
ist allseitig seit neuerer Zeit eine Reihe sehr bedeutender Klagen
gegen ihn laut geworden. Auch die beiden anderen, wesentlich in
Harthölzern lebenden Arten schaden stark, besonders weil sie tiefer
in das Holz gehen und häufig starke Eichen-, Buchen-, Birken- und
Ahornklötze entwerthen.
Beachtenswerthe Beispiele stärkerer Schäden sind in den Verhandlungen
des Harzer Forstvereines 1869, S. 14—29 und 1871, S. 17—22 und in den
Berichten des Sächsischen Forstvereines 1870, S. 15—25 niedergelegt, ferner in
denjenigen des Elsass-Lothringischen Forstvereines 1879, 8. 47, wo Oberförster
Ney sagt: „Ein Theil meines Wintereinschlages konnte in Folge starken Sehnee-
falles namentlich im März 1877 nicht abgezählt werden, das Holz war deshalb
zur ersten Flugzeit — Mitte April — theilweise noch im Walde und wurde,
obwohl entrindet, so stark von den Käfern befallen, dass man das Wurmmehl
von weitem sah und ich für das Anfang Mai verkaufte Holz statt 20 nur 9 Mark
pro Festmeter erhielt. In Windfalljahren sind Dielen, welche vom Käfer be-
fallen sind, kaum verkäuflich. Ich sehätze meinen Schaden vom Jahre
1887 im Staatswalde allein auf 30 000 Mark.”
Abwehr. Als Vorbeugungsmassregel gegen die Verheerungen
der Käfer im Nutzholze ist namentlich die Entfernung aller kranken,
unterdrückten und beschädigten Stämme, sowie vorzüglich die der
Stöcke zu empfehlen, also alles Materiales, in welchem sie gern
brüten, womöglich mit Verbrennung oder Ankohlung. Gegen die
beiden Laubholzborkenkäfer dürfte wohl überhaupt weiter nichts zu
544 Kap. IX. Die Käfer.
thun sein. Etwas Anderes ist es mit T. lineatus Orıv. Gegen ihn ist
von jeher das Schälen der gefällten Hölzer empfohlen worden. Aber
den wenigen Berichten, in denen diese Massregel schon an und für
sich als wirksam geschildert wird, stehen andere gegenüber, welche
ihre völlige Nutzlosigkeit in vielen Fällen erweisen. Dagegen steht
fest, dass Sommerfällung in der Saftzeit mit sofortiger Entrindung .
die Bäume so austrocknet, dass sie auch dann, wenn sie im Walde
bis zum nächsten Frühjahre liegen bleiben, von den im ersten Früh-
jahr schwärmenden Käfern nicht mehr befallen werden. Diese Beob-
achtung ist namentlich sicher durch Jupeıch an Tausenden von
Klötzen auf der Herrschaft Hohenelbe im Riesengebirge gemacht
worden, und wurde ihm neuerdings durch Forstmeister BarzscH da-
selbst mündlich bestätigt. Auch NÖörnLınger theilt mit, dass gegen
den Käfer die mit völliger Entrindung des Schlagmateriales ver-
bundene Sommerfällung ziemlich sicher schütze. Bei geschälten Bäumen
käme es „nur unter besonderen Umständen, wie schattiger Lage, nasser
Witterung oder dem Boden nahe vor, dass sich der Käfer einstelle”.
Seit mehr als 100 Jahren sei deshalb in den Vogesen, seit den
Zwanzigerjahren dieses Jahrhunderts im Schwarzwalde die genannte
Massregel mit bestem Erfolge eingeführt [XXVI, S. 189]. Eıcnnorr
empfiehlt das Auslegen von „Fangkloben und Stangen, welche zweck-
mässigerweise mit dem unteren Ende in die Erde einzugraben sind,
um sie länger frisch zu erhalten, und zwar vom Februar und März
an allmonatlich bis in den Herbst hinein. Die mit Brut besetzten
Fanghölzer müssen spätestens 4—6 Wochen nach ihrer jedesmaligen
Fällung verbrannt oder wenigstens ganz dünn gespalten werden,
so dass sie rasch austrocknen und die darin enthaltene Brut ver-
hungert.” Er empfiehlt ferner bei den nach den Holzablagen und
Sägemühlen abgefahrenen Hölzern das Absägen und Vernichten der
äusseren Schwartenbretter. „Besonders werthvolle Hölzer könnten
allenfalls mit einem schützenden Theeranstriche versehen werden”
[15a, $8. 303 u. 304].
Tu. Harrıc hat bei dem Harzer Forstverein 1871 die Frage angeregt, ob
es nicht zweckmässig wäre, zum Schutze gegen T. lineatus Orıv. die stehenden
Fichten durch Schälung im unteren Theile, welche nach dem Frühjahrsfluge zu
geschehen hätte, auf dem Stocke abzuwelken, um sie so im nächsten Frühjahr
gegen den Käfer zu schützen. Berichte über die beabsichtigten Versuche liegen
unseres Wissens aber nicht vor. Dagegen sollen so abgeschälte Eichen von
Lyctus- undAnobium-Larven verschont werden unter Umständen, unter welchen
gleiche, nicht abgewelkte, zu gleicher Zeit gehauene, andere Eichen von ihnen
angegangen wurden. Tr. Harrıc schiebt dies auf den Mangel an abgelagerten
Reservestoffen im Splinte der abgewelkten Bäume.
Saxzesen’s Holzbohrer,
Tomicus Saxesenii Rarz.,
der kleinste und im weiblichen Geschlecht auch schlankste aller
Holz-Bohrkäfer bildet die zweite biologische Unterabtheilung für sich
allein, ist aber forstlich wenig bedeutend.
Abwehr der Nutzholz-Borkenkäfer. Tomiceus Saxesenii. 545
Beschreibung: T. (Xyleborus, Eıcum.) Saxesenii Rarz. Pech-
schwarz oder braun, dünn greis behaart, Halsschild länger als breit, vorn ab-
gerundet, hinten glatt, auf der Scheibe vor der Mitte mit einem oft undeut-
lichen Querwülstchen, Fühler und Beine rostgelb. ® lang gestreckt, walzen-
förmig. Flügeldecken fein gestreift-punktirt, mit sehr fein gereiht-punktirten
Zwischenräumen, letztere nach der Spitze zu fein gekörnt. Am schwach
gewölbten Absturz die Naht und beiderseits der Zwischenraum 3 und 4
reihenweis gekörnt, 2 glatt, eine schwach vertiefte Furche bildend. d etwas
lichter gefärbt und kleiner als das ?, von der Spitze der verwachsenen Flügel-
decken bis zum Vorderrand des Halsschildes flach gewölbt, vorn und hinten
niedergebeugt; Flugflügel verkümmert. Die Skulptur der Flügeldecken sehr
undeutlich, am Absturz jedoch die Vertiefung des Zwischenraumes 2, sowie die
Körnchen auf der Naht und dem Zwischenraume 3 meist deutlich zu erkennen.
Auf 25 2 kommt erst ein d. Länge des 2 15—2mm.
Lebensweise. Die Haupteigenthümlichkeit dieses Thieres liegt
darin, dass an der Herstellung der Gesammtfrassfigur zwar auch noch
dieLarven theilnehmen, aber nicht in der Weise, dass jede für sich einen
von der Brutröhre ausgehenden Larvengang frisst, sondern so, dass
von allen zusammen eine die ganze Familie bergende Ausweitung
hergestellt wird. Hier besteht also wahrscheinlich wenigstens ein
Theil der Larvennahrung aus abgenagten Holztheilen (vgl. S. 538),
Die Eingangsröhre geht radial in den Baum, von ihr frisst der
Mutterkäfer nach rechts und links in demselben Stammquerschnitt
Brutröhren, welche gewöhnlich den Jahresringen folgen und in dem
weichsten Theile derselben angelegt werden (Fig. 142, 8). Mitunter
sehen von derselben Eingangsröhre auch in verschiedener Entfernung
von der Rinde Brutröhren ab. In den in der. Richtung der Holzfaser
oft fingerbreiten, in radialer stets engen Familiengängen sind häufig
Eier, Larven in verschiedenen Entwickelungszuständen, Puppen und
junge Käfer vereinigt. Auch dieser Käfer scheint zeitig im Jahre
zu fliegen und doppelte Generation haben zu können.
T. Saxesenii Rarz. gehört zu den sehr polyphagen Thieren, da
er nicht nur in Eiche, Buche, Ahorn, Linde, Birke, Pappel,
Rosskastanie, Obstbäumen, z. B. Aprikosen-, Aepfel- und Kirsch-
bäumen vorkommt, sondern auch Nadelhölzer, Kiefer, Fichte, Tanne,
Lärche angeht, und sogar in der Koelreuteria paniculata Laxm., einem
chinesischen Zierstrauche, von NÖRDLINGER gefunden wurde.
Obgleich er gern älteres Holz annimmt, vielfach Verletzungen
und sogar von Rinde entblösste Stellen zum Einbohren benutzt, ja
selbst durch die Bohrlöcher anderer Borkenkäfer eindringt, so ist er
doch auch schon sicher ia Heistern gefunden worden.
Sein Schaden ist, wo überhaupt von einem solchen gesprochen
werden kann, wohl vorwiegend technisch. Grössere Verheerungen an
Heistern hat er noch nicht angerichtet, dagegen scheint er in Obst-
baumschulen nicht ganz ungefährlich zu sein.
NÖRDLINGER hat bis jetzt die genauesten Beobachtungen über ihn gemacht
[XXIV, S. 38—40].
546 Kap. IX. Die Käfer.
Die dritte biologische Unterabtheilung umfasst die beiden
Eichen-Bohrkäfer,
Tomicus monographus Rarz. und T. dryographus Rarz.,
den Eichen-Kernkäfer,
Platypus cylindrus F'ABr. und
den Kiefern-Bohrkäfer,
Tomicus eurygraphus Rarz.
Von diesen Käfern ist der, mehr südliche, Eichen-Kernkäfer
sofort kenntlich durch seine 5mm erreichende Grösse, die schlanke
Gestalt, den breiten Kopf mit vorspringenden Augen und die längs-
gerieften Flügeldecken (Fig. 143). Die drei anderen Arten zeigen
den gewöhnlichen Habitus der holzbohrenden Borkenkäfer aus der
Untergattung Xyleborus, zu deren grössten Vertretern der bis Amm
lange, gleichfalls nur im Süden beachtenswerthe Kiefern-Bohrkäfer
gehört. Dagegen sind die kleinen, ungefähr 2:5 mm langen, schlanken
Eichen-Bohrkäfer auch bei uns wirklich technisch schädliche Baum-
feinde. In der Praxis bezeichnet man sie im Gegensatz zum „grossen
Wurm”, der Larve des Eichen-Bockkäfers, Cerambyx cerdo L., als
„kleinen schwarzen Wurm’. Alle machen tief in das Holz eindrin-
gende Gabelgänge und sind schwer zu bekämpfen.
Beschreibung. Tomicus (Xyleborus Eiche.) monographus Fapr.
Käfer walzenförmig, rothbraun, glänzend, sehr fein behaart. Halsschild länger als
breit, vornabgerundet, hinten sehrfein punktirt. Flügeldecken fein punktirt-gestreift,
mit sehr feinen Punktreihen in den Zwischenräumen. Absturz steil abschüssig,
glatt, mit vier im Viereck gestellten Höckerchen, nämlich zwei zu jeder Seite
der Naht, ausserdem am Rande noch mit einigen kleineren Höckerchen. Das
seltenere S kürzer als das ®, sein Halsschild vorn ausgehöhlt mit etwas horn-
artig aufsebogener Spitze des Vorderrandes, Flugflügel verkümmert. Länge des
d 2—2'3 mm, die des @ 2:3—3'2 mm.
T. (Xyleborus Eıcan.) eurygraphus Rırz. Käfer gestreckt, walzen-
förmig, glänzend, pechschwarz, lang behaart. Halsschild fast: viereckig, länglich,
am Seiten- und Vorderrande fast gerade, vorn gekörnt, hinten punktirt. Flügel-
decken punktirt-gestreift, die Punkte in den Streifen dieht und gross, Zwischen-
räume einreihig fein punktirt. Absturz steil abschüssig, runzelig punktirt, auf
Zwischenraum 1 und 3 undeutlich gehöckert, nahe der Naht oben beiderseits
gewöhnlich mit zwei deutlichen Höckerchen, der Zwischenraum 2 ohne
solche. Das seltenere S' mit vorn ausgehöhltem, dieht punktirtem Halsschild, in
der Mitte des Vorderrandes desselben mit einem zurückgebogenen Höckerchen,
Flugflügel verkümmert. Länge 3:5—4 mm.
T. (Xyleborus Eıcus.) dryographus Rarz. Käfer walzenförmig, röth-
lichbraun, dünn grau behaart, Fühler und Beine rothgelb. Halsschild länger als
breit, vorn abgerundet, hinten sehr fein punktirt. Flügeldeeken fein gestreift-
punktirt mit sehr fein gereiht-punktirten Zwischenräumen, die nach der Spitze
zu mit Reihen feiner Körnchen besetzt sind. Absturz abschüssig gewölbt, auf
ihm die Streifen etwas tiefer eingedrückt und sämmtliche Zwischenräume mit
einer Reihe feiner Höckerchen; hierdurch und durch die Punktirung des Hals-
schildes ist das 2 hauptsächlich von lichter gefärbten Exemplaren des T. Saxe-
u a a ri
Eichen- und Kiefern-Bohrkäfer, sowie Eichen-Kernkäfer. 547
senii unterschieden. S etwas kürzer als das 9, sein Halsschild vorn breit
ausgehöhlt, mit einem zurückgebogenen Höckerchen an der Spitze. Länge
des d| 2 mm, die des ? 2:3—2'5 mm.
Platypus cylindrus FıAer. Käfer sehr lang, walzenförmig gestreckt,
peehbraun, wenig glänzend, gelblich behaart. Fühler und Beine rothbraun. Hals-
schild sehr fein und nicht dicht punktirt, hinter der Mitte mit kurzer, vertiefter
Längslinie. Flügeldecken mit namentlich auf dem Rücken und nach hinten stark
vertieften, fein und unregelmässig punktirten Längsstreifen und kielartig
erhabenen Zwischenräumen. Absturz dichter gelb behaart. @ auf dem Hals-
sehild hinter der Mitte mit einem rundlichen, ziemlich scharf abgegrenzten,
äusserst dicht und fein punktirten, daher mattglänzenden Fleck, welchen die
vertiefte Linie durchschneidet; Absturz der Flügeldecken gekörnt. Beim dg ist
das Halsschild ohne solchen Fleck, zu beiden Seiten der vertieften Linie in
unbestimmter Ausdehnung fast gar nieht punktirt, daher glänzend glatt; auf
dem Absturz befindet sich beiderseits in der Mitte am Ende des dritten Zwischen-
raumes ein kleines Zähnchen, seitlich etwas tiefer, am Ende des letzten
Zwischenraumes ein grosser, nach rückwärts vorstehender Zahn. Länge 5 mm.
Larve von der der übrigen Borkenkäfer dadurch unterschieden, dass sie
hinten senkrecht abschüssig und eben ist. Kopf stark gewölbt, desgleichen die
Vorderbrust, die mit feinen braunen Hornleistehen versehen ist. Luftlöcher und
Unterwülste mit einem Härchen und mit deutlichen dunkler gefärbten Knöpfehen,
welehe wiederholten Luftlochreihen ähneln. Kopf und letzter Ring behaart,
sonst nackt.
Lebensweise. Die gemeinsame Eigenthümlichkeit des Frasses
aller dieser Käfer beruht darin, dass sie primäre Gabelgänge machen.
Die Mutterkäfer bohren eine radial in den Baum eindringende Eingangs-
röhre, von weicher sie seitlich einfache oder verästelte Brutröhren in
demselben Stammquerschnitt anlegen. In diesen Röhren werden die
Eier in kleinen Häufchen abgelegt. Die ausschlüpfenden Larven
ordnen sich in ihnen reibenweise und vollenden hier ihre Metamorphose,
ohne irgend etwas selbstständig zu der Erweiterung oder Verlängerung
der Gänge beizutragen. Ihre Nahrung kann also nur aus Baumsaft oder
Pilzrasen (vgl. 8. 538) bestehen. Bei T. monographus Rarz. ist die
Eingangsröhre meist etwas geschwungen, 1—8 cm lang, also mit-
unter nur im Splinte verlaufend, oder aber bis in den Kern ein-
dringend; die geschwungenen Brutarme gehen demgemäss auch mehr
oder weniger tief in das Innere des Baumes (Fig. 142, 9). Bei T. dryo-
graphus Rıartz. sind die Eiugangsröhren dagegen meist vollständig
gerade, dringen in der Richtung der Markstrahlen bis 15 cm tief in
das Holz ein, und die von ihnen schräg nach dem Innern des Baumes
zu abgehenden Brutröhren sind gleichfalls meist vollständig gerade
[Eıcuuorr 15a, S. 284 u. 287]. Nach den nur wenig ausführlichen,
von Prrrıs [58] gegebenen Beschreibungen der Frassgänge des T. eury-
graphus Rarz. scheinen dieselben denen des T. dryographus Rarz.
zu gleichen, mit dem einzigen Unterschiede, dass öfters zwei Brut-
röhren von einem und demselben Punkte der Eingangsröhre nach
rechts und links abgehen. Noch weniger Sicheres weiss man von der
Frassfigur des Platypus cylindrus FAgr., die aber im Allgemeinen der
des T. monographus Rarz. ähnlich zu sein scheint, obgleich GrorG
[6la, S. 139) aus einer Beobachtung im Solling schliessen will, dass
548 Kap. IX. Die Käfer.
sich bei diesem Käfer die Larven an der Herstellung der Gänge
betheiligen.
T, monographus Ratz, T. dryographus Rarz. und der erst im Süden
häufiger werdende Pl. cylindrus Fapr. sind Eichenbewohner, und
zwar bevorzugen sie ältere Stämme, namentlich beschädigte, sowie
auch Stöcke. Diese dürfen aber noch nicht ausgetrocknet sein, wie
denn alle Holzborkenkäfer bis zu einem gewissen Grade frisches, noch
saftiges Holz lieben. T. eurygraphus Rarz. ist ein mehr im Süden
und Osten vorkommendes Kieferninsekt, welches namentlich in den
Südfranzösischen Landes von Prrrıs als häufiger Bewohner alter
Stämme beobachtet wurde. |
Sicheres über die Generation dieser Käfer weiss man kaum. |
Die meisten älteren Autoren geben sie als einjährig an, während Eıcn-
HOFF durchgehend eine doppelte annimmt.
ee
Die früher von Arrum gemachte und auch in andere Bücher überge-
gangene Angabe, dass T. dryographus Rarz. in Heistern vorgekommen wäre,
beruht, wie er selbst berichtigend bemerkt [XVI, 2. Aufl. II, 1, S. 319], auf
einer Verwechselung mit T. Saxesenii Rarz. In seltenen Fällen kommt er nach
Dösxer [XIV, 8. 81] in Buche und nach Henscneu [32d, S. 9] auch in Ulme
vor. Pl. cylindrus Far. ist auch in Edelkastanie gefunden worden [XXIV,
S. 40]. Auch in Ulme hat er sich schon eingebohrt, diese Holzart aber alsbald
wieder verlassen [77, $. 42], und die Angabe von Genm, dass er auch im Birn-
baum lebe, hält Nörnuincer [VII, S. 237] wohl mit Recht für eine irrthümliche.
Dieser Eichenkernkäfer ist nicht nur in Europa in der Eichenregion verbreitet,
sondern kommt auch in anderen Welttheilen vor [I5a, S. 306].
T. eurygraphus Rarz., den Eıcnnorr aus Südfrankreich, Corsiea, Dalmatien,
Griechenland, dem Kaukasus und Steiermark kennt, und der wahrscheinlich
auch noch in anderen Gegenden Oesterreichs und im südlichen Deutschland
vorkommt, ist nicht auf die gemeine Kiefer beschränkt, sondern geht nament-
lich gern die verschiedenen anderen, die Mittelmeerküstenstriche bewohnenden
Kiefernarten an, wie Seekiefer, Schwarzkiefer u. s. f. [I5a, S. 277].
Der Schaden aller dieser Arten ist wohl sicher ein rein
technischer. Namentlich werden die starken Eichenstämme durch ihren
Frass bedeutend entwerthet. Da der Schaden ein um so grösserer,
ist, je tiefer die Gänge in den Kern gehen, so ist T. dryographus
Rarz. wohl schädlicher als T. monographus Rarz. Ein physiologischer
Schaden wird bis jetzt nur einmal dem Pl. cylindrus Far.
zugeschrieben, welcher in Istrien im Reichsforste Montana auf Ueber-
schwemmungsterrain stehende Eichen vielfach tödten soll. Es könnte
hieran aber hauptsächlich Verschläimmung Schuld sein, da der ur-
sprüngliche Wurzelknoten bei allen dortigen Eichen unter dem
augenblicklichen Bodenniveau, oft über einen Meter tief, liegt, und
die Eichenkern-Käfer sich erst seeundär an den bereits kranken |
Stämmen einfinden, denen sie allerdings alsdann den Rest geben.
Da die Beobachtungen über den Kernkäfer bisher nur sehr lückenhaft
sind, sei aus den schönen Beobachtungen- von $. H. [77] noch Folgendes mit-
getheilt: Platypus greift in Montana stets die Bäume im untersten Theile an, erst
später verbreitet er sich höher, geht aber nicht in die Aeste und in das Zopf-
holz Vollkommen ausgebildete Käfer sind das ganze Jahr vorhanden. Sie über-
wintern im Splinte klumpenweise zu 30—40 Stück zusammen, und zwar öfters
etwa 30—50 cm unter dem aufgeschwemmten Bodenniveau. Von der Rinde ent-
Lebensweise von T. monographus u, Verw. u. Platypus. T. dispar. 549
blösste Stellen an noch lebendem Holze greifen sie gern an, verlassen sie jedoch
bald wieder. Solche Stellen überwallen dann nicht. Gefälltes Holz nehmen sie
nieht an, und befallenes Holz wird, sobald es nach der Fällung trocken wird,
verlassen. Aus einem befallenen, geschlagenen Stamme wanderten einmal die
Käfer, sobald er trocken wurde, aus, um den unter dem Schwemmlande ver-
borgenen Theil eines benachbarten, noch stehenden Baumes auf der dem ge-
fällten zugewendeten Seite bis auf ein Drittel des Durchmessers siebartig zu
durchlöchern. Seit 1840 sind in Montana nicht nur einzelne Stämme, sondern
ganze Distrikte in einem Sommer abgestanden. Die höher gelegenen, nicht über-
schwemmten Eichenwaldungen blieben verschont. Die im Frühjahr angegriffenen
Stämme zeigen nach dem Johannistrieb ein Lichterwerden der Krone, einzelne
Aeste verlieren die Blätter, und im nächsten Frühjahre schlagen sie nicht mehr
aus. Erst im Laufe des Sommers befallene Stämme schlagen zwar im nächsten
Frühjahr kümmerlich aus, welken aber nach dem Johannistriebe ab. Das Holz
der getödteten Stämme ist, besonders horizontal und vertical wie ein Sieb
durchlöchert und ausser zur Feuerung zu keinem Gebrauche mehr geeignet,
obgleich dortige Böttcher sich zu helfen suchen, indem sie an den Fassdauben
die Bohrlöcher mit Stiften verschlagen.
In die letzte biologische Unterabtheilung gehört nur der
Ungleiche Holzbohrer,
Tomicus dispar FıABr.,
welcher mehr physiologisch als technisch beachtenswerth ist, Dieser
ganz schwarze Käfer ist zoologisch hauptsächlich durch den auf-
fallenden Unterschied seiner beiden Geschlechter gekennzeichnet, der
ihm auch den Namen verschaffte. Während nämlich das ungefähr
3 mm lange, durch ein sehr starkes, fast kugeliges Halsschild aus-
gezeichnete ? die gewöhnliche Borkenkäfergestalt bewahrt, erscheint
das 5 als fast halbkugelförmiger Zwerg. Seine ausschliesslich von
dem Weibchen hergestellte Frassfigur ist charakterisirt durch die
senkrechten Brutröhren zweiter Ordnung (Fig. 142, 10). Dem Forst-
manne ist er als Feind namentlich der jungen Laubhölzer von Heister-
stärke, die er durch seinen Angriff tödtet, beachtenswerth. Recht-
zeitige Verbrennung des angegangenen Materiales ist die einzige
gegen ihn angezeigte Abwehr.
Beschreibung: T. (Xyleborus Eıcmn.) dispar Fasr. Käfer pech-
schwarz, greis behaart, mit bräunlichgelben Fühlern, Schienen und Füssen.
Q gedrungen, walzenförmig. Halsschild kugelig, hinten glatt. Flügeldecken
bis zum Hinterrand ziemlich fein punktirt-gestreift, mit breiten, sehr fein ge-
reiht-punktirten Zwischenräumen. Absturz flach gewölbt, die Zwischenräume auf
demselben mit etwas undeutlichen Körnchen besetzt, der siebente Zwischenraum
an der Spitze etwas erhaben. d' kugelig eiförmig, viel kleiner als das 9, mit
einem nur flach gewölbten, nach vorn herabgezogenen Halsschild und längeren
Beinen. Flugflügel fehlen dem Z. Länge des? 3—3:5 mm, Länge des | 2 mm.
Lebensweise und Schaden. Das Merkmal, welches die
Frassfigur dieses Käfers vor allen anderen auszeichnet, ist das Auf-
treten der seeundären Brutröhren. Das Weibchen treibt, wie bei allen
anderen Holzbohrern, eine kürzere oder längere Eingangsröhre radial
in den Baum, legt dann in demselben Stammquerschnitt ungefähr in
der Richtung der Jahresringe primäre Brutröhren an und bohrt ven
diesen weiter fressend seeundäre, rechtwinklig von diesen abgehende,
550 Kap. IX. Die Käfer.
der Richtung der Holzfaser folgende, längere oder kürzere Brutröhren
zweiter Ordnung nach oben und unten (Fig. 142, 10 und Fig. 178).
Die Länge der Eingangsröhre und die Zahl und Länge der Brut-
ıöhren erster und zweiter Ordnung ist sehr verschieden, besonders
nach der Stärke des befallenen Materiales. In stärkeren Stämmen
und Stöcken kann die Länge der Eingangsröhre 3—6 cm betragen
15a, S. 272]. Die Brutröhren erster Ordnung gehen dann entweder
vom Ende der Eingangsröhre regelmässig nach rechts und links den
Jahresringen folgend, oder es zweigt sich bereits früher eine oder
die andere primäre Brutröhre von der Eingangsröhre ab, oder die
Brutröhren gehen schräger nach innen, mehrere Jahresringe schneidend.
In schwächerem Materiale bleiben die Eingangsröhren oft sehr kurz.
Die Brutröhren erster Ordnung folgen meist
streng dem Verlaufe der Jahresringe, und
wenn von einem Punkte zwei derselben nach
rechts und links abgehen, so können beide
zusammen fast einen Kreis um den innersten
Stammkern beschreiben, wie dies schon
RATzEBurG und Arrum richtig schildern,
und wie wir selbst beobachtet haben. Die
secundären, 1—2 cm langen Brutröhren
weichennur selten bedeutend von der Rich-
tung der Holzfaser ab. In ihrer Bedeutung
für das Thier sind die Brutröhren beider
Ordnungen einander gleich. In beiden leben
die aus den haufenweise am Einrgange der
Fig. 178. Frass von Tomicus Brutröhren ausgekrochenen Larven von
dispar aux. in einem Heister. dem in jene ausschwitzenden Safte oder
dem sich dort entwickelnden Pilzrasen (vgl. 8. 538), reihenweise
hintereinander angeordnet und verpuppen sich auch dort. Die ent-
wickelten Thiere verlassen ihre Geburtsstätte, nachdem sich wahr-
scheinlich bereits hier die Begattung abgespielt hat, durch die Ein-
gangsröhre. Da die Zabl der 99 im Allgemeinen die der JS weit
übertrifft, nach ErcHhnorr und ScHrREINER verhalten sie sich wie 4:1
15a, S. 275], so begattet wahrscheinlich ein d' mehrere Weibchen. |
Alle Beobachtungen deuten auf eine doppelte Generation. Die erste |
Flugzeit scheint in den April oder Mai zu fallen, die zweite in den |
Juli und August. Die Käfer der zweiten Brut sind schon im Herbste \
fertig und überwintern reihenweise hintereinander geordnet, JS und |
?2 gemischt, in den Brutröhren.
T. dispar Fapr. ist bezüglich der Holzart sehr wenig wählerisch
und geht wohl alle Laubhölzer an, obgleich er am häufigsten in
Eichen und Buchen, sowie in Obstbäumen vorzukommen scheint.
Er wird angeführt aus Birke, Hainbuche, Ahorn, Erle, Eiche, Platane,
Rosskastanie, Edelkastanie, Apfelbaum, Birnbaum, Pfaumenbaum, Kirschbaum
[Nırscne], Weissdorn, ja sogar aus Granatbaum [Dösxer XIV, 2, S.183], Koelreu-
teriapaniculata [NörnLinger XXIV, 8.40], Rebe [Arrun], Pernambukholz | Eıcnuorr]
und Kiefernbauholz [Scurrier].
"Lebensweise, Schaden und Abwehr von Tomieus dispar. 551
Auch Alter und Gesundheitszustand der befallenen Bäume
scheint dem Käfer ziemlich gleichgiltig zu sein. Eıcauorr [I3 a, S. 270]
hat ihn oft in Eichen- und Buchenstöcken gefunden, sowie SCHREINER
in Eichenklafterpfähblen, und Eıcnnorr ist geneigt, derartiges Mate-
rial als seine eigentliche normale Brutstätte anzusehen. Dagegen
greift er auch ganz gesunde Stämmchen von Heisterstärke an, und in
diesen ist sein Frass, der in dem vorgenannten Materiale völlig gleich-
giltig bleibt, auch wirklich schädlich geworden. Der erste uns be-
kannte und wohl bis auf den heutigen Tag noch ausführlichste Be-
richt über die Art seines Angriffes stammt von SCHMIDBERGER her
IV, S. 261—270], welchem der Käfer 22 in Töpfen gezogene
Zwergapfelbäume und einen Pflaumenbaum tödtete. Die Folge des
Einbohrens war Saftfluss, der sich, wenn der Käfer einmal bis in
das Holz gekommen war, nicht stillen liess und den Tod des Baumes
zur Folge hatte. Der Käfer ist daher in den Obstbaumschulen sehr
gefürchtet. Bei Tharand wurden vor einigen Jahren an der Chaussee
mehrere Kirschbäume von 10—12cm Durchmesser nur von diesem
Käfer getödtet. Grössere forstliche Schäden sind unseres Wissens bis
jetzt fast nur von Artum registrirt worden [XVI, III, 1, S. 321]: In
Münster tödtete er 100 Eichenheister, zu Cloppenburg im Olden-
burgischen auf 4—5 ha im Juli und August 1872 über 3000 und zu
Golchen in Vorpommern 475 Eichenheister. Auch betheiligt er sich
gern an dem Frasse anderer Käfer; so war er auch bei der in
Grammentin durch Agrilus elongatus Hssr. bewirkten Verheerung
von Eichenheistern, die wir nach Aurum auf S. 322 anführten, stark
betheiligt. Der Tod angegriffener Stämme ist sicher, namentlich wenn,
wie dies häufig geschieht, mehrere Käfer denselben Heister angreifen.
Der forstlichen Section der Versammlung deutscher Land- und
Forstwirthe zu Prag im Jahre 1856 wurde ferner, unter Vorlegung be-
treffender Frassstücke und Käfer, von einem erheblichen Schaden
berichtet, welchen der Käfer durch Tödtung vieler junger Ahorn-
heister auf der Herrschaft Pürglitz in Böhmen verursacht habe. Die
über diese Versammlung veröffentlichten Berichte theilen dies aller-
dings nicht mit.
Abwehr. Entfernung alles nutzlosen Materiales, in dem der
Käfer brüten kann, als alte Stöcke von Eichen, Buchen u. s. f., ist
als Vorbeugungsmittel zu nennen. Rechtzeitige Entfernung und Ver-
brennung der angegangenen Heister ist als Vertilgungsmittel anzu-
sehen. Das Verschmieren der Bohrlöcher mit Theer oder Baumwachs
oder das Verkeilen derselben mit Holzstiften wird auch empfohlen,
ist aber höchstens in Pflanzgärten und Obstbaumschulen anwendbar.
Das nach Herxpr von Hrnscaer [XIl, 2. Aufl., S. 202] empfohlene
Zerquetschen des Mutterkäfers in der Eingangsröhre mit Hilfe eines
eingeführten Drahtes kann nur bei sehr zeitiger Erkennung des An-
griffes nützen.
552 Kap. IX. Die Käfer.
Literaturnachweis zu dem Abschnitte „Die Borkenkäfer”.
I. Arnemann. a) Auftreten des Borkenkäfers in der Oberförsterei
Guttstadt, Regierungsbezirk Königsberg. Grunert’s Forstliche Blätter,
Heft 4, 1862, 5. 49—62. 5) Der Insektenfrass in der Oberförsterei
Guttstadt, Regierungsbezirk Königsberg. Daselbst, Heft 6, 1863,
S. 89—-111. — 2. Arrum, B. a) Zoologische Miscellen. Zeitschrift
für Forst- und Jagdwesen VIII, 1876 S. 496—497. b) Der grosse
schwarze Eschenbastkäfer. Daselbst X, 1879, S. 397—402. c) Ein
neuer Sommeraufenthalt von Hylesinus piniperda. Daselbst 1879,
XI, S. 264. d) Fangbäume gegen Eecoptogaster scolytus. Daselbst
XII, 1881, S. 61 und 62. e) Ueber die Generation des Bostrichus
typographus. Daselbst XV, 1883, $S. 160 und 161. f) Zur Vertil-
gung der wurzelbrütenden Hylesinen u. s. f£ Daselbst XIX, 1887,
S. 392—396. g) Kleinere forstzoologische Mittheilungen. Daselbst
XX, 1888, 8. 242—245. — 3. Barocn, J. Der Borkenkäfer und seine
Nützlichkeit im Walde. 8. Pinka Mindszent 1878. — 4. Berme. Bei-
trag zur Naturgeschichte des Bostrychus lineatus und des Bostrychus
domesticus. Tharander Jahrbuch XXXIIL 1873, 8. 17—44. —
3. v. Berc. a) Notizen über den Borkenkäfer. Pfeil’s kritische
Blätter X, 1, 1836, 5. 119—130. b) Resultate der Forstverwaltung
des hannoverschen Harzes von 1836 bis einschliesslich 1840. 5) In-
sekten. Allgemeine Forst- und Jagdzeitung 1843, 8. 151. c) Ent-
wickelung der Borkenkäfer in Schweden. Monatschrift für das Forst-
und Jagdwesen 1870, 8. 109 und 110. — 6. v. Bimzer. Die
beiden Kiefernmarkkäfer. Forstwissenschaftliches Centralblatt XXIII,
1879, 8. 170—177. — 7, Broxpem, K. M. Zur Borkenkäferfrage.
Böhmische Forstvereinszeitschrift, Heft 87, 1874, 8. 16—31, Heft 90,
1875, S. 69—82 und Heft 93, 1876, S. 77—88. — 8. Bıune. Ueber
Hylesinus ater. Verhandlungen des Hils-Solling-Forstvereins. Jahrg.
1858, S. 35—36. — 9. Braun, A. Hylesinus piniperda und Hyl.
minor in der Fichte. Monatschrift für das Forst- und Jagdwesen
1867, 8. 267. — 10. Bupvegerg. Beobachtungen über die Lebensweise
und Entwickelungsgeschichte des Thamnurgus Kaltenbachi. Jahrbuch
des Nassauischen Vereines für Naturkunde XXXII und XXXIV,
S. 394— 402. — Il. Cocno. a) Ueber die Lebenszähigkeit des Fichten-
borkenkäfers,. 8. Frankenstein in Schl. 1874. b) Ueber die Ursachen
der längeren Dauer von Borkenkäferverheerungen älterer und neuester
Zeit. Jahrbuch des Schlesischen Forstvereins für 1874, $S. 226 bis
234. c)_.Ueber das Ueberfliegen des Fichtenborkenkäfers. Daselbst
S. 235—239. d) Ueber die Ueberwinterung der Brut des Bostrychus
typographus. Jahrbuch des Schlesischen Forstvereins für 1875.
S. 238—250. —- I2. Ozecu, J. Beiträge zur Kenntniss der Lebens-
weise des Kiefernmarkkäfers ete. Vereinsschrift des Böhmischen Forst-
vereins, Heft 121, 1883, S. 139—143. — 13. Dörner. Einige Be-
merkungen über schädliche Forstinsekten. Allgemeine Forst- und
Jagdzeitung XXXVII, 1862, 8. 275. — IA. Dommss. Ueber das
Vorkommen des Borkenkäfers im Bernstadter Revier. Verhandlungen
Di
Literaturnachweise zu dem Abschnitte „die Borkenkäfer”. 553
des Schlesischen Forstvereins 1857, S. 115—117. — 15. EıcuHorr, W.
a) Die europäischen Borkenkäfer. 8. Berlin 1881. 5) Tomieus (Bo-
strichus) bistridentatus Eichh. nicht Varietät von quadridens u. s. f.
Zeitschrift für das Forst- und Jagdwesen XV, 1883, 8. 219—222. —
16. FıscheacHh, C. Zur Lebensweise des Fichtenborkenkäfers u. s. f.
Centralblatt für das gesammte Forstwesen I, 1875, 8. 27—29. —
17. Freiscuher, A. B. Der Fichtenborkenkäfer „Bostrychus typo-
graphus” im Böhmerwalde, seine Mithelfer u. s. w. Vereinsschrift des
Böhmischen Forstvereins, Heft 69, 1877, S. 1—42. — 18. Funke, W.
Ueber die Massregeln zur Verhütung von Borkenkäferfrass in Folge
der Elementarschäden im Jahre 1868. Daselbst Heft 70, 1870,
S.1—11. — 19. Fürst. Auftreten des Hylesinus eunicularius (Fichten-
bastkäfer). Allgemeine Forst- und Jagdzeitung LIII, 1877, S. 184. —
20. GesBers. Ueber Hylesinus micans. Verhandlungen des Harzer
Forstvereins, Jahrgang 1872, 8. 55—62. — 21. Gerren und Ge-
nossen. Ueber Hylesinus mieans. Daselbst, Jahrgang 1867, 5. 13—15.
— 22. Georc, W, Beitrag zur Lebensweise einiger Borken- und
Rüsselkäfer. Pfeil's kritische Blätter XL, 1, S. 160-166. —
23. GIGGLBERGER, J. a) Ueber das Vorkommen des Kiefernzweig-
bastkäfers. Monatschrift für das Forst- und Jagdwesen, Jahrgang
1867, 8. 106 und 107. b) Jahrgang 1868, 8. 376—378. c) Jahrgang
1873, 8. 467—469. — 24. Grück. Das Auftreten von Hylesinus
micans im königlichen Forstreviere Neupfalz, Regierungsbezirk Co-
blenz. Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen VIII, 1876, S. 385—391.
— 25. Gmeuin, J. F. Abhandlung über die Wurmtrockniss. 8. Leipzig
1787. — 26. Grunxert, J. Th. a) Die neueren Insektenverheerungen
in der Provinz Preussen. Grunert’s forstliche Blätter, Heft 7, 1864,
8. 66— 134. b) Die französischen Forste. Daselbst, Heft 8, S. 1—75.
— 27. Grunert, O. Ein Beitrag zur Forstinsektenkunde. Forstliche
Blätter XX, 1883, S. 78 und 79. — 28. Gusz, C. Russische Ur-
theile über die Schädlichkeit des Borkenkäfers. Centralblatt für das
gesammte Forstwesen IV, 1878, 8. 226—258 und 309—311. —
29. Hıarrıcg, R. Bostrichus bidens in Fichten. Zeitschrift für das
Forst- und Jagdwesen II, 1870, S. 403. — 30. Harrıc, Th. a)
Ambrosia des Bostrichus dispar. Allgemeine Forst- und Jagdzeitung
XII, 1844, S. 73 und 74. 5b) Der Fichten-Splintkäfer Bostrichus
(Xyloterus) lineatus. Daselbst XLVIII, 1872, S. 181—183. c) Der
Buchensplintkäfer Bostrichus (X yloterus) domesticus. Daselbst XLVII,
1872, S. 183—184. — 31. Hesser, E. Beiträge zur Naturgeschichte
der Insekten. Fortsetzung 19. Sitzungsberichte der mathematisch-
naturwissenschaftlichen Classe der Wiener Akademie LIII. 1. Ab-
theilung, S. 533—542, mit 4 Tafeln. — 32, Hruscuer, G. a) Ento-
mologische Notizen. Oentralblatt für das gesammte Forstwesen III,
1877, S. 526—528. b) Entomologische Beiträge. Daselbst VI, 1875,
S. 11—15. c) Die Rindenrosen der Esche und Hylesinus Fraxini.
Daselbst VI, 1880, 8. 514—516. d) Vagabundagen im Bereiche
des Insektenlebens. Daselbst VIII, 1882, S. 9 und 10. e) Forst-
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde, 36
554 Kap. IX. Die Käfer.
entomologische Notizen. Daselbst XI, 1885, 8. 534—536. f) En-
tomologische Notizen. Daselbst XII, 1886, S. 8344—345. 9) Tomieus
Lipperti n. sp. Oesterreichische Forstzeitung 1885, S. 242. —
33. Hzss. Beiträge zur Generation des Hylesinus piniperda L. Forst-
wissenschaftliches Centralblatt XXVIII, 1884, S. 508-514. —
34. HrLawa, L. Ein neuer Borkenkäfer. Oesterreichische Monatsschrift
für das Forstwesen XX, 1870, 8. 344—348. — 35. (v. HozLegen?)
Einiges über das forstliche Verhalten des Fichtenbastkäfers, Hylesinus
ceunicularius, Kn. (?) Tharander Jahrbuch 1845, S. 41—50. —
36. JaroscHkA, H. Beitrag zur Kenntniss unserer Borkenkäfer. Bio-
logische Beobachtungen über Phloeophthorus rhododactylus. Vereins-
schrift des Böhmischen Forstvereins, Heft 138, 1885, 8. 29—33. —
37. Josern, A. Käferfrass in Oberhessen. Allgemeine Forst- und
Jagdzeitung LIV, 1878, S. 442 und 443. — 38. Jupeıcn, F. a)
Notiz über den Fichtenborkenkäfer. Tharander Jahrbuch XXV, 1875,
S. 74—84. b) Entomologische Notizen. Daselbst XXV, 1875,
S. 260—264. c) Entomologische Notizen. Polygraphus pubescens Er.
Daselbst XXVI, 1876, S. 96. d) Entwickelung des Fichtenborken-
käfers in Aesten. Daselbst XXVI, 1876, S. 254— 257. — 39. Kanuıca, V.
Der Tannenborkenkäfer im Schemnitzer Revier. Oesterreichische
Monatssehrift für das Forstwesen XV, 1865, S. 585—62. — 40. Kar-
BASCH, M. R. Der Borkenkäferfrass in Oesterreich-Schlesien. Allgemeine
Forst- und Jagdzeitung LI, 1875, S. 65 und 66. — Al. Keuter, C.
a) Ein abnormer Frass von Hylesinus fraxini Fabr, Schweizerische
Zeitschrift für das Forstwesen 1885, 8. 25und 26. 5) Insektenschäden
im Gebirgswalde. Oesterreichische Forstzeitung III, 1885, S. 239
und 280. — 42. Krrrner, A. a) Bostrichus amitinus Eichh. Cen-
tralblatt für das gesammte Forstwesen I, 1875, 8. 641—642.
b) Ueber Bostrichus amitinus Eichh. Deutsche entomologische Zeit-
schrift XX, 1876, 8.. 191 und 192. c) Ueber die im "Thüringer
Walde vorkommenden Fichtenborkenkäfer, ihre Vertilgung und die
dahin einschlagende Wirthschaft. Centralblatt für das gesammte Forst-
wesen VI, 1880, S. 421—424. — 43. Kroprer. Ueber Kieferneulen-
frass in den Primkenauer Forsten. Jahrbuch des Schlesischen Forst-
vereins 1887, S. 43—46. — 44. Korrar. a) Beitrag zur Natur-
geschichte des Bostrichus eurvidens Ratz. Verhandlungen der zoo-
logisch-botanischen Gesellschaft in Wien VII, 1857, S. 187 und
188. b) Beiträge zur Naturgeschichte des grossen Fichtenbastkäfers
Hylesinus micans Ratz. Daselbst 1855, S. 23—23. — 45. Köppen,
Fr. Th. Die schädlichen Insekten Russlands. 8. St. Petersburg 1880.
— 46. Körser. Hylesinus erenatus. Zeitschrift für Forst- und Jagd-
wesen VII, 1875, 8. 234—242. — 47. Kreser, J. F. Tabellarische
Uebersicht der Waldverheerungsgeschichte von 1449—1799. Forst-
und Jagdkalender für das Jahr 1802, IX. Leipzig, 12, 8. 171 bis
219. — 48, v. Kusawa. Zur Borkenkäferfrage. Forstliche Blätter
1875, 8. 65—78. — 49. Lerzxer, K. Ueber Eceoptogaster pruni
und pyri. Arbeiten der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische
j
Literaturnachweise zu dem Abschnitte „die Borkenkäfer”. 555
Kultur 1845, S. 37—40. — 50. Linpemann. Monographie der Borken-
käfer Russlands. Nachrichten der kaiserlichen Gesellschaft der Freunde
der Naturwissenschaften, Anthropologie und Ethnographie an der
Universität Moskau XVIII, 1875, 4°, 111 8. mit 3 Tafeln (russisch).
— 5I, Meer, A. Ungewöhnliches Vorkommen von Bostrichus chaleo-
graphus und Hylesinus minimus. Monatschrift für Forst- und Jagd-
wesen 1866, 8. 219—220. — 52. Mick, J. Nochmals Tomieus dupli-
catus Sahlb. Centralblatt für das gesammte Forstwesen II, 1877,
S. 637— 639. — 53. Neumann II. Ueber den Eschenbastkäfer, Hyle-
sinus Fraxini und crenatus. Pfeil’s kritische Blätter, Band XXXVI,
2, 8. 263. — 54. Neumeister H. A. Mittheilungen über eine Borken-
käfercalamität in Sachsen und dabei gemachte Beobachtungen. Tha-
rander Jahrbuch XXI, 1871, 8. 292—301. — 55.Nrrscue. Ueber den
Frass von Hylesinus crenatus FAgr. Daselbst XXXIT, 1881, 8. 172— 190.
— 56. Nörpuinger. a) Bostrichus eurvidens Gern. in einer durch Streu-
ablagerung getödteten Föhre. Pfeil’s kritische Blätter XLVI, 1,
S. 260 und 261. b) Hylesinus minor Hrıtg. und H. piniperda L.
u. s, f. in Fichten. Daselbst LI, S. 262—265. c) Massenhaftes, zum
Theil widersinniges Auftreten von Borkenkäfern im Jahre 1869. Da-
selbst LII, 1, 260— 262. — 57. NüssLıs, O. a) Ueber normale Schwärm-
zeiten und über Generationsdauer der Borkenkäfer. Allgemeine Forst-
und Jagdzeitung LVIII, 1882, 8. 73—76. b) Zur Vertilgung der
Borken- und Rüsselkäfer durch Fangbäume. Daselbst LIX, 1883,
S. 150—154. — 58. Perrıs, Ed. Histoire des Inseetes du Pin mari-
time. Annalesde la soc,. entomologique de France 3i®m® ser. IV, 1856,
S. 173—257. — 59. Preırer, J. Beitrag zur Naturgeschichte des
Bostrichus duplicatus. Weber’s Forst- und Jagdtaschenbuch für das
Jahr 1872, S: 35—46. — 60. Rassmann. Hylesinus fraxini Farr.
Preiv’s kritische Blätter XII, 2, 1838, S. 187 bis 190. —
61. Rırzesurg. a) Insektensachen. Daselbst XXXIL, 1, 1852, S. 132
bis 147. b) Eine Pflanzschule für Forstinsekten. Zeitschrift für Forst-
und Jagdwesen III, 1871, 8. 396—402. c) Ein Fall von ungewöhn-
licher Verbreitung des Rüsternborkenkäfers, des Scolytus destructor
Oliv. u. s. f. Daselbst III, 1871, S. 403—407. — 62. Revirzey v,
Renıssye, J. Geschichte der hundertjährigen Irrlehre über Schäd-
lichkeit des Borkenkäfers. Bericht über die XV. Versammlung deutscher
Forstmänner zu Darmstadt 1886, S. 234—253. — 63. RiEGEL.
a) Beitrag zur Kenntniss der Lebensweise des Bostrichus acuminatus.
Monatschrift für das württembergische Forstwesen Ill, 1852,
S. 29—30. b) Beitrag zur Kenntniss der Lebensweise und Vertilgung
des Bostrichus ceurvidens und piceae (Ratz). Daselbst VII, 1856,
S. 140—142. c) Bostrichus curvidens Gr. Monatschrift für das
Forst- und Jagdwesen 1860, 8. 205 und 206. — 64. Roru. Ein
Rindenschäler für Nadelholz. Daselbst XIX, 1875, S. 133 und 134,
mit Abbildungen. — 65. ScuinpLer. Krankheiten und Feinde der Ulme.
Vereinsschrift Böhmischer Forstwirthe (Smoler’s), Heft 39, 1861,
S. 12—22. — 66. Scuwarpach, A. Der Borkenkäfer im bayerischen
36*
55
‚trag
6 Kap. IX. Die Käfer,
Walde. Monatschrift für Forst- und Jagdwesen 1875, S. 156 bis
168. — 67. v. Sierstorprr. Ueber einige Insektenarten, welche den
Fichten vorzüglich schädlich sind u. s. f. 8. Helmstedt 1794. —
68. Srem, F. a) Beiträge zur Forstinsektenkunde, Tharander Jahr-
buch VIII, 1852. 1.) Ueber mehrere in Fichten hausende Borken-
käfer, namentlich über Bostrichus typographus und Hylesinus palliatus,
S. 223—239 und 5.) Ueber Beschädigung von 20- bis 40jährigen
Fichten durch Hylesinus polygraphus und palliatus, $. 250—256.
b) Ueber einige Borkenkäferarten. Daselbst X, 1854, 3. 270—280.
— 69. SwogopA, A. Auszug aus dem Jahresberichte des k. k. Forst-
rathes Sw. über seine Thätigkeit während des Jahres 1873. Mittheilung
des k. k. Ackerbauministeriums IV, 1874, Wien, 4. Heft X. —
70. Tuouson, M. C. G. Ueber Polygraphus. Annales de la soeiete
entomologique de France. 6! m® serie, VI, 1886; Bulletin entomologique
S. XI und $S. LXI und LXIH. — 71. Tuum.. Käferfrass in der
Gegend von Laubach. Allgemeine Forst- und Jagdzeitung LXI, 1885,
S. 24 und 25. — 72. Tuürmer. Die Borkenkäfercalamität in Russ-
land in den beiden Sommern 1882/83. Daselbst LXI, 1885, S. 389
bis 392. — 73. Uurıcr. Beobachtungen über das Auftreten des Hyle-
sinus micans in der Oberförsterei T'hale. Zeitschrift für Forst- und
Jagdwesen VI, 1873, 8.150—161. — 74. Wacarr, F. A. Die doppel-
zähnigen europäischen Borkenkäfer. Mittheilungen aus dem forstlichen
Versuchswesen Oesterreichs, XI. Heft, Wien 1884. — 75. Wırrkonm, M.
a) Die Insektenverheerungen in Ostpreussen und die durch dieselben
herbeigeführte Umgestaltung der ostpreussischen Forsten und ihrer
Bewirtbschaftung. 'Tharander Jahrbuch XVI, 1864, 5. 160—215.
b) Ueber Insektenschäden in den Wäldern Liv- und Kurlands. Vor-
$, gehalten vor der Dorpater Naturforschergesellschaft, 14. Sep-
tember 1871. c) Eine Ferienreise durch das böhmisch-bayerische
Waldgebirge. Forstliche Blätter 1876, 8. 10—16, 70—77, 97—114.
— 76. F. B. Bostrychus curvidens Germ. als Schädling der Balsam-
tanne (Abies balsamea). Centralblatt für das gesammte Forstwesen XI,
1885, 8. 187. — 77.8. H. Einiges über den Eichenkernkäfer, Platypus
eylindrus Hbst. Oesterreichische Vierteljahresschrift für das Forst-
wesen I, 1851, 8. 36—43. — 78, .... Käferfrass in Weisstannen-
beständen. Schweizerisches Forstjournal U, 1851, 8. 16—22. —
79..... Der Kampf gegen den Fichtenborkenkäfer. Gesammelte
Erfahrungen aus der forstlichen Praxis. Centralblatt für das gesammte
Forstwesen 1875, Supplement I, Wien 1875. Faesy und Frick. 8.
48 S. — 80. Beiträge zur Forststatistik von Böhmen. Herausgegeben
vom Comite für die Land- und Forstwirthschaftsstatistik u. s. £. gr. 8.
Prag 1885. — 81. Biscnorr-Eninger. Beobachtungen über die Lebens-
weise und Minirarbeiten des Tomicus (Bostrichus) Cembrae in den
Alpen Graubündtens, Mittheilungen der Schweizerischen entomelogischen
Gesellschaft IV, 1877, 8. 160—162 mit Tafel. — 82. Pıaury, A.
Ueber die Generation der Bostrychiden. Allg. Forst- und Jagdzeitung
1858, Novemberheft.
Literaturnachweise, Die Bockkäfer, 557
Die Bockkäfer.
Die Bockkäfer, Cerambycidae, sind langgestreckte, mittelgrosse bis
sehr grosse, tetramere Käfer, welche ihren schlanken, den Körper oft an
Länge übertreffenden und vielfach an der Spitze der einzelnen Glieder
etwas verdickten, geknoteten Steinbockhörnern ähnlichen Fühlern ihren
Namen verdanken. Die Käfer leben meist auf Stämmen und Laub, einige
auch auf Blüthen. Ihre weisslichen Larven fressen stets Pflanzen-
theile, leben meist im Innern von Holzgewächsen und nähern sich in
ihrer Gestalt insofern denjenigen der Prachtkäfer, als auch sie einen
grossen, stark chitinisirten Kopf mit sehr kurzen Fühlern besitzen, der
gewöhnlich zum grössten Theil in dem ersten Brustring derartig zurück-
gezogen ist, dass kaum sein vorderes Dritttheil hervorragt. Dagegen sind
sie im Durchschnitt weniger abgeflacht und die Brustringe tragen wenig-
_ stens bei der grösseren Anzahl wirkliche, aber kleine, wenig entwickelte
Beinpaare. Die forstliche Bedeutung der Bockkäfer, welche nicht allzu-
hoch anzuschlagen ist, beruht, wenigstens in Europa, stets auf dem
Larvenfrass.
Die genaueren Kennzeichen der Käfer (vgl. Taf. II, Fig. 12
und Fig. 179) sind folgende: Kopf geneigt oder mit senkrechter
Stirn, nie rüsselartig verlängert. Fühler 11-, selten 12gliederig,
borsten- oder fadenförmig, mitunter gesägt oder geschuppt, gegen
die Spitze verdünnt, aber stets mit sehr grossem ersten und sehr
kleinem zweiten Gliede. Sie sind auf der Stirn, oder in oder bei einer
fast immer vorhandenen Ausrandung der Augen eingefügt, gewöhnlich
länger als der halbe, oft viel länger als der ganze Körper. Oberlippe
deutlich. Mundwerkzeuge scharf. Flügeldecken flach, mitunter abge-
kürzt. Flugflügel meist ausgebildet. Beine gewöhnlich lang und
schlank, an den Seiten des Körpers vorragend, Schenkel häufig
keulenförmig verdickt. Füsse tetramer oder richtiger gesagt erypto-
pentamer, d. h. mit gering entwickeltem vierten Gliede (vgl. 8. 284).
An der Unterseite der Füsse eine deutliche behaarte Sohle, nament-
lich an dem dritten, zweilappigen Gliede. Färbung sehr verschieden,
theils matt und dann entweder ganz dunkel oder mit helleren, oft
sogar schreienden Zeichnungen, oder glänzend bis zu den schönsten
Metallfarben.
Man darf aber nicht übersehen, dass im Gegensatz zu den anderen
Familien tetramerer- Käfer die Grösse der Böcke oft eine so bedeutende ist,
dass auch das vierte, rudimentäre Glied der Füsse leicht ohne stärkere optische
Hilfsmittel erkannt werden kann, z. B. bei Spondylis,
Puppen namentlich an den langen, der Bauchseite ange-
schmiegten Fühlern leicht kenntlich (vgl. Taf. II, Fig. 12 P).
558 Kap. IX. Die Käfer.
Larven (vgl. Taf. II, Fig. 12 L und Fig. 180), wie alle dem
Lichte entzogen lebenden, weisslich, mit stark chitinisirtem Kopfe,
der kleine, dreigliederige Fühler und derbe Mundwerkzeuge trägt;
im Gegensatze zu den ähnlichen Buprestidenlarven finden sich aber
auch stets am dritten Kieferpaare Taster, also Lippentaster. Punkt-
augen fehlend oder jederseits neben den Fühlern bis zur Fünfzahl
vorkommend, Die drei Brustsegmente, von denen die kragenartig
meist den grössten Theil des Kopfes einschliessende, häufig oben
und unten mit Chitinplatten bekleidete Vorderbrust am grössten ist,
sowie die neun Hinterleibsringe unter sich sehr ähnlich und durch
scharfe, tiefe Einschnitte voneinander getrennt. After am letzten
Hinterleibsringe kegelförmig vortretend, ein eigenes Scheinsegment
(Fig. 180 A, 9!) bildend, meist Y-förmig, seltener quer gespalten. Die
beiden hinteren Brust- und die sieben vorderen Hinterleibsringe oben
und unten mit je einer Haftscheibe, d. h. einem queren, scheiben-
oder warzenartig vortretenden Höcker, welcher den Larven die Be-
wegungen in den Gängen erleichtert. Stigmata oval, im Gegensatz zu
den halbmondförmigen der Buprestidenlarven. Beine entweder sehr
klein und seitlich an den Brustringen angebracht, oder sogar ganz
fehlend.
Nur einige wenige, z. B. die Larven der Gattung Dorcadion,
leben nach Engerlingsart im Boden und können dann, beiläufig
gesagt, landwirthschaftlich schädlich werden, namentlich die von
Dorcadion carinatum Par. in Russland durch Befressen der Getreide-
wurzeln [Körrpen Il, S. 266—270]. Eine andere, ebenfalls kleinere
Anzahl lebt in den Stengeln nicht holziger Pflanzen, z. B. „’Aiguil-
lonnier”’, die Larve von Calamobius gracilis CREurTz., im südlichen
Frankreich als wirklicher Schädling in den Getreidehalmen [vgl.
VIl, 2. Auf., S. 246]. Beiweitem die meisten Larven leben aber
im Innern von Holzgewächsen, und zwar von diesen wiederum die
grössere Anzahl in kränkelnden oder abgestorbenen Toaeilen, die
geringere, aber dafür desto schädlichere und hier am genauesten zu
besprechende, in lebenden und gesunden Stämmen. Fast alle Holz-
bewohner fressen als junge Larven an der Grenze zwischen Rinde
und Holz unregelmässige, mäandrische, mit Nagemehl dicht voll-
gepfropfte Gänge und verpuppen sich in einer hakenförmigen, mit
ovaler Eingangsöffoung in das Holz dringenden Puppenwiege, aus
der die Käfer wieder nach der Rinde zu steigen und diese in ovalen
Fluglöchern durchbohren. Wir geben als Typus dieser gemeinsten
Frassform die Abbildung derjenigen von Callidium variabile L.
(Fig. 183). Abweichend ist die Form der Puppenwiegen bei
einigen Lepturini, z. B. bei dem sehr häufigen Rhagium inquisitor L.,
welches, ohne in das Holz einzudringen, eine mit langen, kranzartig
xcordneten Nagespänen eingefasste, ovale Puppenwiege unter der
Rinde von Nadelhölzern macht. Acmaeops collaris L. geht sogar zur
Verpuppung in die Erde [I4b, S. 533—539]. Anders verhalten
sich dagegen manche Formen der Lamiini, welche, wie z. B. Saperda
Allgemeines über Bockkäfer. Systematik. 559
oculata L., die Markröhren von Aesten mit langgestreckten Gängen
durchsetzen. Diese Käfer scheinen stets ein rundes Flugloch zu
machen.
Ueber die Generation der Bockkäfer lasseu sich keine allge-
meinen Angaben machen. Allerdings wird sie gewöhnlich als zwei-
jährig angegeben, andererseits haben aber manche Formen sicher
einjährige Generation, andere dürften, wie Cerambyx cerdo L., viel
länger brauchen, und es variiren*sogar mitunter bei ein und derselben
Art die Angaben der verschiedenen Forscher ganz erheblich. So soll
Callidium (Gracilia) pymaeum Far. nach von Hryven [XXIV, S. 41]
eine doppelte Generation haben, während Harrıc einen Fall von
vierjähriger Dauer berichtet. Sehr wahrscheinlich ist die Generation
je nach der Temperatur und nach der Beschaffenheit, namentlich
Feuchtigkeit der bewohnten Hölzer eine sehr wechselnde. Genaue
Untersuchungen hierüber wären in hohem Grade wünschenswerth.
Systematik. Die Bockkäfer können in zwei grosse Unterfamilien
getrennt werden, die folgende Kennzeichen haben:
Cerambycitae: Lamiitae:
Kopf:
nach vorn geneigt | vorn senkrecht abfallend
Endglied der Taster:
abgestutzt | . zugespitzt
Innenseite der Vorderscehienen:
ohne Furche | mit Furche
Figur 179 links Cerambyx cerdo L., rechts Saperda carcharias L. A
Käfer in natürlicher Grösse im Profil. B Innenseite des linken Vorderbeines,
um die Sohlenbildung und bei Saperda die Furche der Schiene zu zeigen. c
rechter Kiefer des zweiten Paares mit Taster, von unten. !/, nat. Gr. Originale.
Diese schon am Habitus kenntlichen Hauptgruppen sind um so
natürlicher, als auch ihre Larven sich leicht unterscheiden. Bei den
Cerambycitae erscheint nämlich die feste Chitinkapsel des Kopfes,
560 Kap. IX. Die Käfer.
wenn man sie aus dem Vorderbrustringe befreit, quergeformt, also
breiter als lang (Fig. 180 C, D, E), und es sind stets deutliche Füsse
vorhanden, während bei den Lamiitae (Fig. 180 F) der Kopf länglich,
viel länger als breit erscheint, und die Beine entweder völlig fehlen
oder kaum mit dem Mikroskope als verschwindende Stummel zu er-
kennen sind.
Fig. 180 A. und B. Larve von Cerambyx cerdo L. in ?/, natürlicher
Grösse von der Seite und von oben. Bei A Füsse und Stigmata erkennbar.
Original. C—F'\, schematische Darstellungen der Kopfkapsel und deren Verbältniss
zu den punktirt angedeuteten Brustringen, (€ von Rhagium inquisitor L., D
von Cerambyx cerdo L., E von Prionus coriarius L., F von Saperda car-
charias L. Diese Schemata sind, ohne Rücksicht auf das natürliche Grössen-
verhältniss der einzelnen Larven, so gezeichnet, dass alle Kopfkapseln die
gleiche Breite haben. Nach der Natur mit Berücksichtigung der Abbildungen
von ScHıöprE [I6].
Die Lamiitae zerfallen nicht in kleinere Gruppen, die viel
zahlreicheren Cerambyeitae dagegen in drei Hauptgruppen mit fol-
genden Kennzeichen:
Lepturini: Cerambyecini: Prionini:
Kopf:
hinten halsartig verengt | hinten nicht halsartig verengt
Halsschild:
ohne scharfen Seitenrand | mit scharfem Seitenrand
Vorderbrust:
nicht bis hinter die Vorderhüften als breiter Fortsatz | bis hinter die Vorderhüften
verlängert als breiter Fortsatz ver-
längert
Vorderhüften:
zapfenförmig vorragend | meist kugelig und nicht quer
vorragend
Auch diese Gruppen sind nach ScHiöpTe und GAnGLBAUER |I6 und 7]
fast noch besser, als durch die Kennzeichen der Käfer, durch diejenigen der
Larven charakterisirt. Wenn wir nämlich an der chitinisirten Kopfkapsel
das durch die Gabellinie vorn über der Oberlippe abgetheilte Dreieck als
Mittelstück, die beiden nach hinten von der Gabellinie gelegenen als
Seitenstücke bezeichnen, so stossen diese Seitenstücke bei den
Lepturini (Fig. 180 C) blos in einem Punkte zusammen, bei den
Cerambyeini (Fig. 180 .D) in einer Linie und bei den Prionini (Fig. 180
E) gleichfalls in einer Linie; beiletzteren sind sie aber über diese Linie
hinaus jedes für sich verlängert, so dass die hintere Begrenzung des
Systematik der Bockkäfer. Bestimmungstafel. 561
Kopfes einen einspringenden Winkel bildet. Es ist ferner bei den
Lepturini der Kopf nur sehr wenig von dem grossen Vorderbrustringe
eingeschlossen, ragt also fast ganz frei vor (Fig. 180 C’), während dies
bei den Cerambycini und den Prionini nur sein Vorderrand thut.
Wir unterscheiden also die gesammten Cerambyeidenlarven in vier
Typen.
Die Unterschiede der wichtigeren Gattungen, welche wir aus
Gründen der praktischen Bequemlichkeit und der Namensvereinfachung
etwas weit fassen, und denen wir die kleineren Gattungen als Unter-
gattungen unterordnen, sind aus der folgenden Tafel zu ersehen:
I. Unterfamilie: Cerambycitae.
1. Gruppe: Lepturini.
Gattung: Untergattung:
A. Flügeldecken nicht verkürzt.
I. Fühler kurz, wenig über das Halsschild zu-
rüekreiehend, Glied 1 der Hintertarsen, wie die
beiden folgenden, breitsöhlig entwickelt. .. Rhagium
II. Fühler länger, weit über das Halsschild zu-
rückreichend, Glied 1 der Hintertarsen mehr
zusammengedrückt, nicht breitsöhlig entwickelt Leptura
i. weit. Sinne
a) Die halsartige Verengung des Kopfes
nicht stark abgeschnürt.
1. Halsschild mit spitzem Seitendorn. . .... Toxotus
2. Halsschild mit stumpfem Seiten-
dorn oder ohne solchen. . ae MB, alcihayat.a
b) Die halsartige Verengung des Kopfes
scharf abgeschnürt, Halsschild ohne
EIKE Or ee. lepuuna
i. eng. Sinne
Br Rlüpeldecken) verkürzt .; coria u selon ine von #u eo, ‚Necydalis
2. Gruppe: Cerambycini.
4A. Flügeldecken verkürzt, nicht bis zur Mitte des
Elinterleibes reichend.. 2, 21. 2.0.10 000 fer.er,e, Molorchus
B. Flügeldeeken nicht verkürzt, den Hinterleib höch-
stens an der Spitze freilassend.
I. Halsschild ohne Seitendorn.
a) Aussenrand der Schienen gezähnelt,
Ende der Vorderschienen löffelförmig
ausgezogen, Fühler sehr kurz, Körper
fast” walzenförmig Are . . Spondylis
5b) Aussenrand der "Schienen "nieht ge-
zähnelt, Körper mehr abgeflacht.
1. Flügeldecken bei allen forstlich
wichtigen Arten ohne helle, scharf
abgesetzte Zeichnungen . . . Callidium
i. weit. Sinne
«) Augen deutlich zweigetheilt.
a') Halsschild doppelt so lang
als breit, sehr kleine Käfer... . .. Graeilia
b‘) Halsschild eben so lang als
breit, mittelgrosse Formen . . . . . . Tetropium
562 Kap. IX. Die Käfer.
Gattung: Untergattung:
ß) Augen nur nierenförmig ausge-
schnitten.
a‘) Vorderbrust zwischen den
Vorderhüften zugespitzt, sie
garnicht od. nurals schmalste
Lamelle trennend! . „a rare allidamum:
i. eng. Sinne
&‘) Vorderbrust zwischen den
Vorderhüften schmal, nach
hinten abgerundet, sie wenig
trennend . . N elalanse)ilopeiels
ce‘) Vorderbrust zwischen den
Vorderhüften breit, sie stark
auseinandertreibend . . ee ee Hy loiimuimeis
2. Flügeldecken stets mit hellen,
scharf abgesetzten, gewöhnlich
Querbinden darstellenden Zeich-
DUNGEN EN caRS De ee Clytus
II. Halsschild mit Seitendorn. . . -. ... . Cerambyx
1, weit. Sinne
a) Seitendorn auf die Oberseite des
Halsschildes heraufgerückt . . Dlie = Trnabnee oBe
5) Seitendorn an der Grenze von Ober-
und Unterseite frei hervorragend.
1. Halsschild gekörnt, Färbung matt
roth und schwarz . . . 24.0. Purpunieenus
2. Halsschild stark quer gerunzelt,
Färbung dunkel, etwas glänzend. ..... .. Cerambyx
ji. eng. Sinne
3. Halsschild höchstens schwach ge-
runzeltund grob punktirt, FArhRSE
glänzend metallisch . . . fin. ee AAO
3. Gruppe: Prionini.
Einzige hier zu erwähnende Gattung . .’. . Prionus
i. weit. Sinne
4A. Halsschild mit drei spitzen, starken Seiiendornen . ne ee BrTomaus
i. eng. Sinne
B. Halsschild am Seitenrande gezähnelt, mit einem
stärkeren Seitendorn hinter der Mitte . „. „u. 2. 2. Ergates
I. Unterfamilie: Lamiitae.
A. Halsschild mit Seitendorn.
I. Käfer ohne Flugflügel, Larven in der Erde
nach Engerlingsart lebend; forstlich unwichtig. Dorcadion
II. Käfer mit Flugflügeln, Larve im Innern
von Pflanzen lebend ?Eun2..m 03ER: Kalt Re Lamia
i. weit. Sinne
a) Schenkel ander Spitze plötzlich keulen-
artig verdickt.
1. Fühler sehr viel länger als der
Körper, 2 mit dauernd vorragen-
der Legscheide . sn. 1.2.2 2,2». Acanthocinug
(Astymomus)
2 Fühler nur wenig länger als der
Körper. Flügeldeeken mit er-
habenen Längsrippen . . . ... . .Pogonochaerus
D
Mr a u a
Bestimmungstafel. Forstliche Bedeutung der Bockkäfer. 563
Gattung: Untergattung:
b) Schenkel an der Spitze nicht keulen-
förmig verdickt.
1. Fühler dünn, länger als der Körper,
Färbung dunkel metallisch .. .. » . „Monochammus
2. Fühler dick, kürzerals der Körper,
Färbung dunkel, aber matt. . !..... Lamia
i. eng. Sinne
eeralsschild ohne Seitendom . . . „un .,..""Saperda
i. weit, Sinne
I. Fussklauen nicht gezähnt, Fühler eilf-
gliedrig, Flügeldecken über zweimal so lang
alsehreit.. „2.0.0. I EEE et area Saperda
II. Fussklauen stark gezähnt, Augen nur
nierenförmig ausgerandet, nicht doppelt, Hinter-
schenkel kurz, nur bis zum Ende des zweiten
Hinterleibsringes DeI@ end Pl ehur 21 ODER
Die forstliche Bedeutung der Bockkäfer ist eine viel geringere,
als die der Rüssel- und Borkenkäfer: immerhin dürfen aber einige
ihrer Arten als Schädlinge nicht unterschätzt werden. Die Käfer als
solche sind stets gleichgiltig, dagegen können ihre Larven manche
Holzarten theils physiologisch, theils technisch schädigen, und zwar
sind diesen Angriffen sowohl Nadelhölzer wie Laubhölzer ausgesetzt.
Unter den letzteren haben von den physiologischen Schädigungen
wieder am meisten die weichen Holzarten zu leiden, während der
technische Schaden in den harten Holzarten am bedeutendsten ist.
Auch giebt es einige Arten, welche nicht die Hölzer im Walde an-
greifen, sondern erst auf den Lagerplätzen oder am Ort ihrer Ver-
wendung. Wir unterscheiden daher:
1. Physiologisch schädliche Nadelholz-Bockkäfer.
2. Physiologisch schädliche Laubholz-Bockkäfer.
3. Das stehende Holz technisch schädigende Bockkäfer.
4. Das geschlagene und verarbeitete Holz technisch schädigende
Bockkäfer.
Ausserdem werden wir im Anschlusse an die einzelnen bio-
logischen Abtheilungen kurz einige Arten erwähnen, die man eigentlich
nieht als schädlich bezeichnen kann, welche aber doch als im Walde
sehr auffallende und gewöhnliche Käferformen eine kurze Betrachtung
verdienen.
Physiologisch schädliche Nadelholz-Bockkäfer. Es sind hier
ausführlicher zu erwähnen:
Der zerstörende Fichtenbock,
Callidium luridum L.,
der Schneider- und der Schusterbock,
Lamia sartor FABr. und L. sutor L. und
der Kiefernzweigbock,
Lamia fasciculata DE GeEER.
564 Kap. IX. Die Käfer.
Die ersten drei Formen sind Verderber von alten Fichten-
beständen, in welchen sie nicht nur kränkelnde, sondern auch gesunde
Stämme angehen und vielfach allein oder in Vereinigung mit den
gewöhnlichen Fichtenborkenkäfern, z. Be Tomicus typographus L.,
zum Eingehen bringen.
Der zerstörende Fichtenbock, ein 1—1'5 cm langer Käfer mit
abgerundetem Halsschild, verhältuissmässig kurzen Fühlern und zwei-
getheilten Augen, welcher in der Färbung sehr variirt und entweder
ganz schwarz ist oder anders gefärbte Gliedmassen und in einer Spiel-
art auch gelbbraune Flügeldecken hat, ist wohl der wichtigste unter
ihnen. Man kann seinem Schaden durch Einschlag und rechtzeitige
Entfernung der befallenen Hölzer aus dem Walde, sowie durch Werfen
von Fangbäumen im Juni, die man vor Herbst, solange die Larve
noch unter der Rinde lebt, zu schälen hat, mit Erfolg bekämpfen.
Genauere Angaben über die Ausdehnung der Schäden und die
mögliche Bekämpfung des Schneider- und Schusterbockes,
zweier 1'5—53 cm lauger, dunkler Gebirgskäfer mit senkrecht stehendem
Kopfe, grossen, langgliedrigen Fühlern, seitlich mit einem Dorn ver-
sehenem Halsschilde und undeutlich braun metallglänzenden, flecken-
weise hell behaarten Flügeldecken, fehlen noch.
Der Frass des kleinen, ungefähr nur 65mm langen Kiefern-
zweigbockes, ist eine der vielen Ursachen, weshalb bei älteren
Kiefern die Kronen licht werden und Wipfeldürre eintritt. Gelegentlich
brütet er auch in Kiefernkulturen. Eine Bekämpfung desselben ist
schwierig und wohl meist auch nicht einmal nöthig.
Wir behandeln zunächst den zerstörenden Fichtenhock.
Beschreibung. Callidium (Tetropium Kıre., Criomorphus Murs.)
luridum L. (castaneum L.) Käfer: Auzen vollständig in zwei Hälften getheilt.
Fühler länger als das Halsschild, nahe der Basis der Mandibeln eingelenkt.
Halsschild an den Seiten ohne Dorn oder Zähne, etwas breiter als lang, an den
Seiten stark gerundet, auf der Scheibe nur sparsam punktirt, daher glänzend,
an den Seiten fein und dicht gekörnt, seine Mittellinie, sowie die des Schild-
chens leicht vertieft. Flügeldecken äusserst fein und dicht punktirt, mit einigen
mehr oder weniger deutlichen, erhabenen Längslinien. Schienen glatt, Schenkel
keulenförmig verdickt. Färbung sehr veränderlich, Kopf und Halsschild schwarz,
Fühler und Beine wenigstens theilweise röthlich, Flügeldeeken braun, bei var.
fulcratum Fapr. schwarz. Der ganze Käfer ist schwarz bei var. aulicum FABr.
Länge 10—16 mm.
Larve nach dem Cerambyeinen-Typus gebaut, nur unbedeutend nieder-
gedrückt. Kopf fast herzförmig, Mitteltheil mit tiefer Mittelfurche und zwei rund-
liehen Eindrücken neben derselben. Clypeus viermal so lang als breit. Oberlippe
halbkreisförmig, so breit als der Clypeusrand. Punktaugen verschwindend. Fühler
äusserst klein, kaum über den Stirnrand vorragend. Vorderkiefer am Innenrande
mit 2 Zähnen. Vorderbrust nicht sehr breit, etwas halbmondförmig, oben etwas
stärker chitinisirt, mit ausgesprochener Mittellinie. Füsse klein, 1!/3mal so lang
als die Kiefertaster. Klauenglied mit feinen Dornen. Haftscheiben der Hinterleibs-
ringe mit einer Querfurche. Körper sehr fein und kurz behaart, am Hinterende
oben mit 2 sehr kleinen Chitinspitzen. Länge 15—25 mm [V, I, S. 237 und I6,
S. 398 und 399].
Zugleich mit diesem Käfer und unter ganz ähnlichen biologischen Verhält-
nissen kommt eine andere Art vor, welche lange nur als Abart angesehen wurde,
nämlich
Physiologisch schädliche Nadelholz-Bockkäfer. Callidium luridum. 565
Cal. (Tetr.) fuscum Gyrr. Käfer: Halsschild an den Seiten weniger
erweitert, auf der Scheibe dicht runzelig punktirt, daher matt. Kopf und Hals-
schild schwarz, letzteres am Vorder- und Hinterrand röthlich. Flügeldecken
gelbbraun. Länge 10—14 mm. Larve von der der vorigen Art kaum zu unter-
scheiden [I6, S. 400).
Lebensweise. Diese beiden hier gemeinsam zu besprechen den
Arten sind gewöhnlich Bewohner der gemeinen Fichte, doch kommt
Cal.luridum L. auch in Lärche und Kiefer vor. Sie lieben stärkere
Rinde und gehen daher vorzugsweise Fichtenstämme von 60 bis
100 Jahren an, während sie in Lärchenbeständen [Dösner XIV, 2, S. 159
Anm.) bereits 30—40jährige Stämme befallen. Sie beginnen den
Stamm von unten her mit Eiern zu belegen, gehen dann auf der
zuerst angegriffenen Seite in die Höhe, und erst wenn diese vollständig
mit Eiern belegt ist, wird auch die andere Seite angenommen. An
gefällten Bäumen, die nur auf einer Seite angenommen werden, findet
man im Winter unten am Stamme die Larven ausgewachsen und tief
im Holze, während dieselben nach dem Wipfel zu immer kleiner
werden und noch unter der Rinde sitzen [Autemann I, 8. 100].
Die beiden Arten kommen theils gemischt miteinander vor, theils
überwiegt die eine oder die andere Art, und in manchen Fällen ist
wesentlich nur eine einzige der oben geschilderten Abarten des
Cal. luridum L. an dem Frasse betheiligt gewesen.
NÖRDLINGER [XXIV, S. 41] fand den Käfer zuerst in Lärche und Dösxer
XIV, S. 189] bestätigte dies dann durch ausführliche Mittheilung. Desgleichen
Arrum nach den Mittheilungen von Berin« [XVlI., IIL., 1., S. 339]. Auch auf den
königl. Sächsischen Staatsforstrevieren Tharand und Höckendorf bei Tharand kam
der Käfer in Lärche vor. In Kiefern ist er, so viel uns bekannt, in Deutschland
nur von AHLEMANN gefunden worden, wie RATzEgur@ [XV, S. 165] mittheilt, da-
gegen kommt er, wie Körren [ll, S. 264] auf die Autorität von Linpemann hin be-
richtet, in Russland, wo er von Lappland bis zur Krim und bis zur Mündung des
Amur gemein ist, in Kiefer häufiger als in Fichte vor.
Die aus den unter Rindenschuppen oder in Rindenritzen abge-
legten Eiern schlüpfenden Larven fressen zunächst an der Grenze
von Rinde und Holz unregelmässige, allmählich sehr breit werdende,
gebuchtete, flache Gänge, die mit wurstförmigen Bast- und Splint-
nagespänen dicht gefüllt sind und meist auch in den Splint eingreifen.
Ist die Larve ausgewachsen, so geht sie gewöhnlich in das Holz, wo
sie einen gekrümmten, anfänglich schwach aufwärts, später aber ab-
wärts gerichteten Hakengang nagt, der im Bogen gemessen oft 5 bis
6cm und mehr lang ist. Den absteigenden Schenkel verstopft sie
hinter sich mit Nagemehl und verpuppt sich schliesslich daselbst.
Der Eingang zu dieser Splint-Puppenwiege ist oval und seine Längs-
achse läuft in der Richtung der Baumachse. Da uns ein geignetes
Object fehlte, konnten wir den Frass nicht abbilden, aber der in
Fig. 183 gegebene von Cal. variabile L. kann zur Erläuterung dienen.
Die Puppe ruht in derselben mit dem Kopfe nach oben; der Käfer
nagt sich zuerst durch den Wurmmehlpfropf und dann durch die
Rinde in das Freie. Die Flugzeit des Insektes fällt ungefähr in die
566 Kap. IX. Die Käfer.
Zeit der Sommersonnenwende, die einzelnen speciellen Angaben über
sie variiren von Juni bis August.
In selteneren Fällen, die zum Beispiel Autzmann [I] nie beobachtet hat,
welche aber bereits Rarzegure [V. 1. S. 237] erwähnt und Paury [13] bestätigt,
findet die Verpuppung in einer nicht in das Holz dringenden Rinden-Puppenwiege
statt. Die Angabe von Dösxer [XIV, IH, S. 189] und Hrawsa [9], dass die
Rindenwiegen dem Cal. fuscum FAsr., die Splintwiegen dem Cal. luridum L.
zukämen, bedürfen der Bestätigung. |
Die Generation des Insektes ist höchst wahrscheinlich ein-
jäbrig, und zwar verläuft sie in der Art, dass die im Laufe des
Sommers schnell heranwachsenden Larven im Herbste als ausge-
wachsene Thiere den Hakengang in das Holz nagen, hier als Larven
überwintern, sich im Frühjahr verpuppen und im nächsten Sommer
wieder zu Käfern werden.
Wir stützen uns bei dieser Darstellung zunächst auf die Angaben von
Autemann [I, S. 101] als desjenigen Forschers, der unsere Thiere am gründ-
licehsten beobachtet zu haben scheint und dem auch Rarzerure [X, S. 80] zu-
stimmt. Ferner spricht Linpemann nach Körren [Il, S. 265] ganz bestimmt von
einjähriger Generation. Hierzu passen auch die allgemeinen Anschauungen von
Perrıs |[vgl. namentlich 14 b, S. 563—569], und der direkte Beweis durch
Zucht ist neuerdings von Paury [I3]| beigebracht worden, nach dessen Versuchen
es sogar vorkommen kann, dass die Käfer bereits in demselben Kalender-
jahre ausschlüpfen, in welchem die Eier abgelegt wurden. Die Exemplare, die
sich so entwickelt hatten, waren aber schmächtige, die erst im nächsten Jahre
zum Vorschein kommenden normale Exemplare. Beiläufig sei bemerkt, dass
diese Zueht mit allen wünschenswerthen Vorsichtsmassregeln ausgeführt und so
eingerichtet wurde, dass ein Pärchen des Käfers einen frisch geschlagenen
Fichtenkloben, dessen Schnittflächen man zur Verhinderung der Verdunstung mit |
Paraffin getränkt hatte, als Brutmaterial erhielt und letzteres alsdann in einem
Leinwandsäckchen eingeschlossen in einem den Witterungseinflüssen ausgesetzten
Lattenzwinger überwintert wurde. Aehnliche Versuche, an im Freien auf natür-
liche Weise von Cal. luridum L. besetzten Fichtenklötzern die ausschlüpfenden
Käfer in einer Zeugumhüllung abzufangen, hat schon Hrawsa gemacht [9]. Die
Angabe, dass die Generation zweijährig wäre, ist bei TascHexgere [XVINl, S. 192] j
ausgesprochenermassen nur eine Vermuthung, und die genauere Darstellung von
Autumn [XVI, II, 1, S. 339 und 340], dem offenbar auch Hess [XXI, 2. Aufl.,
S. 330] folgt, beruht wohl theils darauf, dass jener Forscher überhaupt ver-
schiedene Arten der Arbeit einer und derselben Insektenlarve, also hier das
Plätzen unter der Rinde und die Herstellung des Hakenganges, gewöhnlich als
in verschiedenen Jahren erfolgend ansieht, während er andemtheils Mittheilungen
von Schaan folgt. Eine völlige Sicherheit ist also hier noch nicht erreicht, und
ist es sehr wohl möglich, dass auch hier Temperatureinflüsse die Dauer der
Generation wesentlich verändern können.
Sehaden. Die Käfer gehen mit Vorliebe, wie wir schon oben
bemerkten, an ältere, starkborkige Bäume, und wenngleich auch hier
kränkelnde Stämme von ihnen bevorzugt werden mögen, wie dies
namentlich Hrawsa [9, S. 19] daraus schliessen will, dassin dem Splint
der befallenen häufig grössere, mit flüssigem Harze gefüllte Hohlräume
vorkommen, und auch dadurch wahrscheinlich wird, dass die Käfer
sehr oft als Begleiter des Tomicus typographus L, erscheinen, so
sind es doch stets noch mit frischer Benadelung versehene Stämme,
welehe sie annehmen; in wirklich abgestorbenes Holz gehen sie
Lebensweise, Schaden und Abwehr von Callidium luridum. 567
niemals. Dagegen befallen sie sehr häufig ganz gesund erscheinende
Bäume, die dann sicher getödtet werden, sodass die Käfer zu den
recht schädlichen gerechnet werden müssen. Zeichen des Anfluges sind
anfänglich kaum wahrzunehmen, erst im Früjahr, wenn der Saft
stammaufwärts zu steigen beginnt und nun durch die Larvengänge
die Circulation unterbrochen wird, also erst dann, wenn die Larven,
— vorausgesetzt, dass unsere Annahme einer einjährigen Generation
richtig ist — ihr Zerstörungswerk bereits vollendet haben, tritt ein
Herunterhängen der Nadeln und zugleich bereits meist auch Los-
lösung der Rinde an der zuerst befallenen Seite des Stammes von
unten nach oben fortschreitend auf. Erst später röthen sich die Nadeln.
Unangenehm ist, dass auch die technische Brauchbarkeit manch er
Sortimente beeinträchtigt wird.
Wir folgen in der voranstehenden Darstellung wiederum Anuemann [I,
S. 95—100], wollen dagegen nicht unterlassen zu erwähnen, dass ScuaaL [XVI,
IH, 1, S. 340] anderer, nämlich der Ansicht ist, dass bald nach dem Angehen
starker Harzausfluss eintrete und bereits nach 10—14 Tagen die Nadeln welk
werden. Auch über diese Frage müssen noch genauere Untersuchungen ent-
scheiden. Berichte über stärkere Frässe sind folgende: Antemaxn [I] meldet zu-
nächst das Auftreten dieser Käfer in der Oberförsterei Guitstadt, Regierungs-
bezirk Königsberg in Ostpreussen, im Gefolge von Nonne und Borkenkäfer in
den Sechzigerjahren. Allein im Frühjahre 1862 mussten auf diesem Reviere
1200 Klaftern nur von diesem Käfer getödtete Stämme zum Einschlag kommen.
Auf dem königlich Sächsischen Staatsforstrevier Hirschberg im Erzgebirge war
namentlich 1870 der Schaden nach ScHAAL in einigen etwa 100jährigen Beständen
sehr bedeutend, weil diese Orte in empfindlicher Weise gelichtet wurden. Gleich-
falls von 1870 an trat der Käfer in den städtisch Bergreichensteiner Forsten
im „Schlosswalde” nach Hrawsa [9] stärker auf. Einen grösseren Frass an
Lärche berichtet Dörner |[XIV, 2, S. 189] aus den Jahren 1854/55 im Reviere
Frammersbach im Spessart, wo 30—40jährige Stämme getödtet wurden. Es war
hier Cal. luridum L., var. fulcratum FAgr., während auf dem Bergreichensteiner
Revier mehr Cal. fuscum FaApr., vertreten war. Aus Russland berichtet nur
LinDEMmAnNn über einen grösseren, in den Sechzigerjahren bei Moskau stattgehabten
Frass [I5, S. 264].
Abwehr. Die Bekämpfung dieser Käfer besteht zunächst in
dem Einschlagen und Wegschaffen der vom Monat Februar an als
besetzt erkannten Stämme. Letzteres ist unerlässlich, denn sonst
kommt, bei einjähriger Generation, der Käfer doch noch zum Aus-
schlüpfen. Schälung solcher Bäume ist im Frühjahre überflüssig, da
die Larven dann schon meist im Holze sitzen. Ausserdem hat Auuz-
MANN [l, S. 102] mit grossem Erfolge Fangbäume angewendet. Dieselben
müssen zur Flugzeit des Käfers, also spätestens im Juni geworfen
sein. Entastete und dicht auf die Erde gelegte Fangbäume werden nament-
lich gern an der Unterseite angenommen. Diese müssen natürlich
geschält werden, und zwar vor dem Herbst, solange noch die juuge
Larve unter der Rinde lebt; eine genaue Revision der Stämme an
der Unterseite ist nöthig, damit der richtige Zeitpunkt nicht versäumt
wird. Der einmal in das Holz gegangenen Larve kommt man nicht
mehr bei. Auch NÖörDLInGEr fand Cal. luridum L. in einem Lärchen-
fangbaume [XXIV, S. 41].
568 Kap. IX. Die Käfer.
Wir wenden unsnun zu dem Schneider- und Schusterbock.
Beschreibung. Lamia (Monochammus Larr.) sartor Faser. Käfer:
Halsschild breiter als lang, fein querrunzelig, an den Seiten mit einem Dorn.
Fühler lang und dünn, deren erstes Glied verdickt, viel kürzer als das dritte,
beim ' einfärbig, viel länger als der Körper, beim @ kaum länger als letzterer
und vom dritten Glied an die Wurzel der einzelnen Glieder grau behaart. Schild-
chen dicht weiss oder gelblich behaart. Flügeldecken viel breiter als das’ Hals-
schild, mehr als doppelt so lang wie zusammen breit, vorn grob, nach hinten
feiner runzelig oder körnig punktirt, schwarz mit braunem Metallglanz, beim
dg weniger, beim 2 mehr fleckig behaart, hinter dem ersten Drittel mit einem
deutlichen, seichten Quereindruck. Gelenkhöhlen der Vorderfüsse nach hinten
offen. Schenkel nicht keulenförmig verdickt, Fussklauen einfach. Länge 26—32 mm.
Larve nach dem Lamiiten-Typus gebaut, sehr gross, glänzend, sparsam
behaart. Kopfkapsel nach hinten verengt, Clypeus den ganzen Stirnrand ein-
nehmend, dreimal so breit als lang. Lippe am Vorderrande beborstet, doppelt
so breit als lang. Zwei kleine Punktaugen. Füsse nicht wahrnehmbar, weil [16,
S. 435] sechsmal kleiner als das Endglied‘ der Kiefertaster. Haftscheiben der
Brustringe und der sieben ersten Hinterleibsringe oben mit drei Längs- und zwei
Querfurchen und in viele kleinere, reihenweis stehende und wieder gekörnelte
Höcker zerfallend, unten nur mit einer Querfurche. After quer gestellt mit kurzer
Mittelfurche in der unteren Klappe.
L. (Mon.) sutor L. (pellio GErn.), Käfer dem vorigen sehr ähnlich, Flügel-
decken jedoch ohne Quereindruck und etwas gleichmässiger punktirt, Schildehen
mit nackter Mittellinie. Länge 16—25 mm.
Larve derjenigen der vorigen Art sehr ähnlich. Sie wird abgebildet
durch v. GERNET, Horae societatis entomologicae Rossicae V, 3. 1867.
Lebensweise. Der Schneider- und der Schusterbock sind
wesentlich Bewohner starker Fichtenstämme in Gebirgsrevieren. Ueber
ihren Frass und ihre Generation finden sich fast gar keine positiven
Angaben in der Literatur, nur Freıscher [6, S. 39] bemerkt, dass
ihre Larven „ähnliche, jedoch viel breitere Gänge” wie Cal. luridum L.
machen. Ihr Frass wird daher ähnlich sein dem von Perrıs [I4a,
S. 467 u. 468] beschriebenen, ihrer südlichen und westlichen, in der
Seekiefer lebenden Verwandten, der L. (Mon.) Galloprovincialis
OLıv., deren Larve zueıst starke, plätzende, in Rinde und Holz
eingreifende Gänge nagt und sich später in einem Hakengange
verpuppt, aus dem schliesslich der Käfer durch ein kreisrundes,
nur mit den Fluglöchern von Sirex zu verwechselndes Rinden-
flugloch hervorkommt. Seine Generation ist einjährig. Während
aber diese südliche Art nach Perrıs wesentlich nur in bereits ab-
gestorbenen Kiefernstämmen lebt, gehen seine östlicheren Ver-
wandten auch an stehende, gesunde Fichtenstämme und sollen
hier nicht unbeträchtlichen Schaden thun. Die einzige uns bekannte
positive Angabe über Schaden von L. sutor L. ist die von Wacht
herrührende in dem Kataloge der Ausstellung des Erzherzogs ALBRECHT
in der Wiener Weltausstellung, welche wir nach Arrum [XVi, III,
1, 8. 345] wiedergeben: „Für die Fichtenbestände des Gutes Saybusch
in Galizien einer der grössten Schädlinge. Das Iusekt geht die Bäume
bis in die Gipfelspitzen an. Ich liess einst eine Fichte fällen, die
von dem 'T'hiere vollständig zugrunde gerichtet und mit Fluglöchern
besetzt war”. Der Stamm war 20m lang, mit 20cn. Brusthöhen-
durchmesser bei einem Alter von 110 Jahren.
- i
Ze 2 a 1
Lamia sartor, L. sutor und L. fasciculata. 569
Einschlag und rechtzeitige Entfernung der befallenen Stämme
dürfte vorläufig die einzige zu empfehlende Abwehrmassregel sein.
Avrtum hat ferner diese Käfer in der Bayerischen und Tiroler Alpen bis
1500 m Seehöhe zahlreich gefangen, und Freıscher [6, S. 39] berichtet, dass
dieselben beidem grossen Böhmisehen und Bayerischen Käferfrasse der Siebzigerjahre
gleichfalls in beachtenswerther Menge aufgetreten und von ihm namentlich im
Bayerischen Walde zu Finsterau zahlreich gefangen worden seien. NÖRDLINGER
[XXIV, S. 42] fand dieselben in copula und beim Eierlegen im Juni und Juli
in auffallender Menge auf Fichtenstämmen in Tirol. Hess [XXI, 2. Aufl., S. 331]
erwähnt ihn aus dem Thüringerwalde.
Diesen Fichtenverderbern ist als wirklich beachtenswerth nur
ein Kiefernfeind, der Kiefernzweigbock, anzureihen.
Besehreibung. Lamia [Pogonochaerus Larr.) fasciculata DE GEER
(faseicularis Panz.). Käfer: Halsschild an den Seiten in der Mitte mit einem
Dorn, auf der Scheibe jederseits mit einem schwachen, kahlen Höckerchen.
Scheitel mit zwei dunklen Borstenhöckerchen. Fühler nicht oder wenig länger
als der Körper, auf der Unterseite gewimpert, ihre Glieder an der Wurzel
weiss behaart, das dritte Glied etwas kürzer als das vierte, Flügeldecken an
der Spitze einfach abgestutzt, jede mit drei erhabenen Längsrippen und 2—4
schwarzen Borstenbüscheln, übrigens scheckig grau und braun behaart, hinter
der Basis mit einer weisslichen, schrägen, nach rückwärts dunkel begrenzten
Querbinde. Die ganze Oberseite des Käfers lang abstehend behaart. Vorder-
hüften vomeinander getrennt, ihre Gelenkhöhlen seitlich geschlossen. Schenkel
keulenförmig verdickt. Ersies Glied der Hinterfüsse kaum länger als das zweite.
Fussklauen einfach. Länge 5—6°5 mm.
Larve noch nicht näher bekannt, aber natürlich nach dem Lamiiten-
Typus gebaut.
Lebensweise. Dieses kleine Böckchen, mit wahrscheinlich
einjähriger Generation und überwinternden Larven, ist im Wesentlichen
ein Kieferninsekt, welches in geringem Materiale brütet und nament-
lich schwache Aeste von 1—5cm Durchmesser in den Kronen
alter Kiefern bewohnt. Hier verübt die Larve ihren Frass, bestehend
„in einem sehr flachen, scharfrandigen Splintgange, welcher, kaum
sichtbar beginnend und sich allmählich gegen sein Ende zu 3 mm
Breite erweiternd, in den mannigfachsten Windungen den Zweig ver-
folgt, ja ihn gar oft bald mehr, bald weniger vollständig umwickelt,
bis er mit einem kurzen Hakengange im Holze endigt’’ [ALrum, 2f,
S. 26]. Der Käfer nimmt dürres Material nicht an, da sich an noch
frisch mit Larven besetzten Zweigen häufig letzte Triebe, Knospen
und Nadeln normal entwickelt finden. Es ist bei dieser Lebensweise
nicht auffallend, dass er auch in jungen Kiefernpflanzen brütet.
JupeicH erzog ihn aus 5—6jährigen Kiefern, aber auch aus Fichten-
stangen |[XI, S. 66]. Arrum fand ihn in 12—15jährigen Kiefern, die
in Folge des Frasses abgestorben waren [XVI, III, I, S. 347]. Nörn-
LINGER [XXIV, S. 42] hat ihn ferner aus Weymouthskiefer und
sogar aus Edelkastanie erzogen. Er ist in seiner Thätigkeit
häufiz vergesellschaftet mit Magdalis violacea L., Tomicus bidentatus
Hesrt., Hylesinus minimus FaApr. und, wie der genannte Tomicus,
sowohl Kultur-, als auch Bestandsverderber, da er in unerwünschter
Weise sich an der Lichtung der Kronen älterer Kiefern betheiligt
und öfters die Wipfeldürre der Kiefernüberhälter mit verschuldet. Hier-
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde, 37
570 Kap. IX. Die Käfer.
auf hat zuerst Arrum [2 a und 2 f] aufmerksam gemacht. Eine wirkliche
Abwehr dieses letzteren Schadens giebt es nicht, höchstens kann man
durch Verbrennen des von den Herbststürmen in alten Kiefernbeständen
herabgeworfenen Reisigs, von dem ein Theil stets mit Larven des
Käfers besetzt ist, eine Verminderung desselben anstreben. In Kulturen
von ihm angefallene Pflanzen werden ausgerissen und verbrannt.
Unter den blos abgestorbene Nadelhölzer bewohnenden Bockkäfern ist
seines typischen Larvenfrasses, sowie seiner Puppenwiegen wegen am auffal-
lendsten
Rhagium (Stenocorus Georr.) inquisitor L. (indigator FApr.). Käfer:
Halsschild an den Seiten mit scharfem Dorn, an der Spitze lang abgeschnürt,
Hinterecken stumpf. Augen nur schwach ausgerandet. Fühler kurz, die Basis
des Halsschildes wenig überragend. Schildehen mit kahler Mittellinie. Flügel-
deeken bräunlich, mit drei schwarzen Querbinden, jede mit drei Längsrippen,
von denen zwei scharf erhaben, eine schwächer ist. Die ganze Oberseite des
Käfers dieht scheekig grau behaart. Vorderhüften durch einen hohen, ziemlich
breiten Fortsatz der Vorderbrust getrennt. Das erste Glied der Hinterfüsse kurz
und breit. Fussklauen einfach. Länge 12 —14 mm.
Larve zu den Formen des Lepturinen- Typus (vgl. S. 560 und Fig. 180 ©)
gehörig, also mit kleinen Füssen versehen und mit breitem, querem Kopfe; sie
ist vor allen anderen gemeineren Nadelholzbocklarven durch den stark abge-
flachten, an den Rändern fast schneidenden Kopf zu unterscheiden.
Sie lebt in allen Nadelhölzern unter der Rinde, wo sie, ohne den Splint
zu furchen, 1—2 cm breite, gewundene Gänge nagt, welche dicht mit braunem,
festem, bei Entfernung der Rinde oft auf dem Splint haftenbleibendem Bohrmehl
erfüllt sind. Die Verpuppung erfolgt in einer grossen, flachen, ovalen Puppen-
wiege, welehe 3—4cm Länge hat und von einem zierlichen, ungefähr 5 mm
breiten Kranze langer Holznagespäne umgeben ist, eine Eigenthümlichkeit, welche
allen Rhagien zukommt. Eine forstliche Bedeutung besitzt der Käfer trotzdem
wohl nicht, doch wollen wir es nicht unterlassen, anzuführen, dass AHLEMANN
annimmt, der Käfer brüte vorzüglich in noch lebendem, allerdings kränklichem
Holze und frischen Stöcken, welehe erst im Laufe der Entwickelung des Käfers
trocken würden [l, S. 104 und 105]; aber auch er nimmt an, dass dieser Bock
nicht im Stande sei, für sich allein einen Baum zu tödten.
Auch eine andere gemeine Art derselben Gattung, Rh. bifasciatum FaApkr.,
lebt ähnlich im Nadelholz, während Rh. mordax Dr Ger (inquisitor Far.) und
Rh. sycophanta Schzk. (mordax Fasr., scrutator Ouıv., grandiceps Tuoums.) mehr
in Laubhölzern, namentlich auch in Eichen vorkommen.
Weniger wegen ihres Larvenfrasses, wie als häufige, grosse Käfer in Nadel-
holzrevieren sind noch einige Formen zu nennen. Zuerst der grosse, flache,
gedrungene, in Mitteldeutschland erst Ende Juli und im August fliegende
Prionus coriarius L. Küfer pechbraun, Das scharf gerandete, Jederseits
mit drei Zähnen versehene Halsschild doppelt so breit als lang, runzelig punktirt.
Flügeldecken grob gerunzelt mit zwei bis drei angedeuteten, erhabenen Längs-
linien. Die dieken Fühler beim S' stark gesägt, länger als der halbe Körper,
beim @ schwach gesägt, etwas kürzer. Die neun letzten Glieder derselben kaum
doppelt so lang als breit. Länge 25—40 mm.
Larve sehr gross, bis 50 mm lang, nach dem dritten Typus (vgl. S. 561
und Fig.180 E) gebaut, also mit Füssen versehen, hinten mit tief ausgeschnittener
Kopfkapsel, durch die breiten, in der Mittellinie ungetheilten, dagegen auf dem
Rücken mit je zwei, auf dem Bauche mit je einer tiefen Querfurche versehenen
Haftscheiben der vorderen Hinterleibsringe gekennzeichnet. Vorderbrust mit stark
chitinisirter Rückenplatte. Sie lebt namentlich in alten, mulmigen Nadelholzstöcken.
Gleichfalls in Stöcken, und zwar meist in Kiefern brütet
Spondylis buprestoides L. Küfer ganz mattschwarz. Die kurzen, fast
schnurförmigen Fühler nahe an der Basis der Mandibeln eingelenkt. Halsschild
u WET
Minder wichtige Nadelholz-Bockkäfer. Hr
fast kugelförmig, an den Seiten unbewaffnet, so breit wie die Flügeldeeken und
wie diese dicht runzelig punktirt. Flügeldecken in der Mitte mit zwei erhabenen
Längslinien. Schienen am Aussenrande gezähnelt. Länge 12—22 mm.
Larve nach dem Cerambyeinen-Typus gebaut, mit etwasvorstehendem Kopfe,
zugespitzten, schneidenden Vorderkiefern, verhältnissmässig langen Beinen.
Vorderbrustschild stark punktirt, Hinterbrustschild fein und dieht gekörnt, des-
‚gleichen die Haftscheiben. Afterspitze mit zwei kegelförmigen Dornen [I42, S. 416].
Länge ungefähr 34 mm.
In abgestorbenen Kiefern, geschlagenem Holze und Stöcken brütet ferner
diejenige sehr gemeine und im Frühjahre zeitig fliegende Bockkäferform, welche
‚das gerade Gegentheil des ebenerwähnten Sp. buprestoides, der unter allen
Böcken die kürzesten Fühler hat, insofern darstellt, als sie die längsten Fühler
unter allen einheimischen Formen besitzt. Es ist dies
Lamia (Acanthoeinus und Asiynomus Srea.) aedilis. L. Käfer: Fühler
beim © 1!/,-bis 2-, beim d' 5mal so lang als der Körper, das erste Glied an der
‘Spitze und an der Aussenseite, die übrigen Glieder an der Spitze dunkel. Hals-
schild an den Seiten mit einem Dorn, auf der Scheibe vor der Mitte mit vier
kleinen, dieht gelb behaarten Höckerfleckchen. Flügeldecken nur mit undeutlich
erhabenen Längsrippen, vorn etwas gröber, hinten feinkörnig punktirt, grau
behaart, hinter der Mitte mit einer dunklen, schrägen Querbinde. Gelenkhöhlen
der kugeligen Vorderhüften seitlich fast ganz geschlossen, Schenkel keulen-
förmig. Erstes Glied der Hinterfüsse so lang als die übrigen Glieder zusammen.
Fussklauen einfach. Legröhre des @ weit vorgestreckt. Länge 13 —19 mm.
Larve nach dem vierten Typus gebaut, also lang-, beziehungsweise klein-
köpfig und fusslos, glatt und glänzend, mit Ausnahme der mit feinsten Dörn-
chen besetzten Haftscheiben, dünn röthlich behaart. Augenpunkte sehr deutlich.
After dreispaltig. Länge bis 30 mm.
Gleichfalls unschädlich, aber doch wegen der Abnormität seiner Er-
scheinung, die in Folge der verkürzten, die Flugflügel nicht bedeckenden
Flügeldecken etwas an eine grosse Schlupfwespe erinnert, erwähnenswerth, ist
Molorchus minorL. (ceramboides DE GeER, dimidiatus FaBr.). Käfer braun.
Halsschild ohne Dornen an den Seiten, kaum breiter als der Kopf, dieser hinter
den Augen nicht eingeschnürt. Die langen Fühler auf der Stirn eingelenkt, ihr
‚erstes Glied kürzer als das dritte, beim d' zwölfgliedrig. Die fein facettirten
‚Augen stark ausgerandet. Flügeldeeken stark verkürzt, wie bei den Staphylinen,
die Flügel können jedoch nieht darunter zusammengefaltet werden; jede Decke
mit einem schrägen, weissen Längsfleck. Vorderhüften stark vorragend, ihre
'Gelenkhöhlen nach hinten geschlossen. Schenkel keulenförmig verdickt.
Larve nach dem Cerambyeinen-Typus gebaut, mit verhältnissmässig langen
Fühlern, ohne Punktaugen und fein genetzten, in der Mitte längsgetheilten Haft-
scheiben [I6, S. 414 —415].
Die Larve dieses namentlich in Fichten, und zwar in schwächeren
Stämmen, Knüppeln und Aesten brütenden, aber nach Arrum [XVI, III, 1,
S. 341] auch Tannen angehenden Käfers macht unter der Rinde und im
Holze scharf ausgenagte, mit braun und weiss gemischtem Bohrmehle gefüllte,
flache und breite, äusserst geschlängelte Gänge, geht dann durch eine
ovale Oeffnung in das Holz, um sich im Splinte in einem Hakengange zu ver-
puppen. Gewöhnlich lebt dieser Bock in abgestorbenen Hölzern, nach den Mit-
theilungen von Saxzsen [V, 1, S. 240] und einer schriftlichen Notiz von Forst-
meister Görtz geht er aber auch an frisches Holz. Wir finden Larven und Käfer
nieht selten in dem Brennholze unserer Akademie. Auch an Einfriedigungsstangen:
sind seine charakteristischen Gänge häufig.
Beiläufigsei erwähnt, dass diezu den Lepturinen gerechnete Gattung Necydalis
L. der Gattung Molorchus FaArr. durch die stark verkürzten Flügeldecken sehr
ähnlich ist. Die Gelenkhöhlen der Vorderhüften sind jedoch nach hinten offen,
und der Kopf ist hinten etwas eingeschnürt. Die beiden bräunlich gefärbten
Arten, mit goldgelber Behaarung auf dem Halsschild und an den Seiten, N. major
L. undN. abbreviatus Panz. (Panzeri Harop), gehören zu den grössten Europäi-
37*
ou
TI
b) Kap. IX. Die Käfer.
schen Bockkäfern, ihre Länge beträgt 25—33 mm. Sie bewohnen in unschäd-
licher Weise verschiedene Laubhölzer. Hier in Tharand wurden beide aus an-
brüchigem Buchenholze erzogen.
Physiologisch schädliche Laubholzböcke sind vornehmlich
der grosse Pappelbock, Saperda carcharias L. [Taf. II, Fig. 12),
der kleine Aspenbock, S. populnea L.,
der kleine Haselbock, S. linearis L.,
der rothhalsige Weidenbock, S. oculata L., und
der Weberbock, Lamia textor L.
Der grosse Pappelbock, ein bis 3cm langer Käfer, welcher
seinen lateinischen Namen dem Umstande verdankt, dass die Skulptur
der gelbgrauen, mit schwarzen Punkten besäten Obarseite lebhaft an
Haifischhaut erinnert, sowie der kaum halb so grosse, grünlich-graue,
oben gelb gezeichnete Aspenbock sind Bewohner der Pappelarten,
namentlich der Aspe, und zwar brütet der erstere in den Stämmen,
letzterer in den jungen Zweigen, die an dem Sitze der Larve zu
kleinen Gallen anschwellen. Beide sind Hindernisse für die Erziehung
gesunder Pappeln und werden ersterer namentlich an Alleebäumen,
letzterer in Niederwaldschlägen öfters lästig und sogar schädlich.
Der kleine schwarze, durch hellgelbe Beine gekennzeichnete
Haselbock bringt Haselzweige zum Absterben, dürfte aber im
Ganzen weniger Bedeutung haben, als sein grösserer Verwandter, der
rothhalsige Weidenbock mit grauen Flügeldecken und schwarzem
Kopfe, der seinen lateinischen Namen zwei schwarzen Punkten ver-
dankt, die sich wie Augen auf dem gelbrothen Halsschilde scharf
abheben. Er brütet in Weidenzweigen und kann daher in Weiden-
hegern recht unangenehm werden.
Ebenfalls in Weidenanlagen kann der Weberbock schaden,
dessen Larve die älteren, stärker über den Boden vorragenden Stöcke
durchfrisst und zum Eingehen bringt. Sie ist unter dem Namen der
„Holzwurm’” von den Weidenzüchtern gefürchtet.
Wir behandeln zunächst den grossen Pappelbock.
Beschreibung. Saperda carcharias L. (punctata De Gerr). Käfer: Stirn
zwischen den Fühlern tief gefarcht. Halsschild walzenförmig, an den Seiten ohne
Dorn oder Höcker. Fühler mit Wimperhaaren, so lang als der Körper, ihr
drittes Glied länger als das vierte, gelblich grau behaart, die einzelnen Glieder
mit Ausnahme der letzten mit schwarzer Spitze. Flügeldecken breiter als das
Halsschild, mit vorragenden Schultern, grob und tief, an der Basis etwas körnig
punktirt, mit dichter, gelblicher Behaarung, welehe die Punkte frei lässt, so dass
diese schwarz hervortreten, nach hinten beim stark, beim 2 wenig ver-
schmälert, hinten mit etwas ausgezogener Spitze, Episternen der Hinterbrust nach
hinten verschmälert. Schenkel in der Mitte am dicksten, nicht keulenförmig.
Fussklauen einfach. Länge 22—2S mm.
Pbysiologisch schädliche Laubholz-Bockkäfer. Saperda carcharias. 573
Larve nach dem Lamiiten-Typus gebaut, Kopf nur sehr wenig aus der
fast doppelt so breiten Vorderbrust hervorsehend, sein versteckter Theil nach
hinten nur wenig verschmälert (Fig. 180 F.). Oberlippe halbkreisförmig, hinten
vertieft und nackt, vorn etwas gewölbt und beborstet. Fühler sehr klein. Jeder-
seits ein deutliches Punktauge. Vorderbrust oben mit einem stark chitinisirten,
braunen Schilde, dessen äusserste Seitentheile jederseits durch eine klammer-
artig von hinten bis zur Mitte eintretende Furche abgetrennt werden und nach
aussen einen flachen Eindruck zeigen. Der mittlere Theil hinten deutlich ge-
körnt, Unterseite der Vorderbrust jederseits mit einem kleinen, chitinisirten,
braunen Schilde, Mittelbrust in der Mitte der Seitentheile stärker chitinisirt.
Füsse nicht wahrnehmbar, Leib glatt und glänzend, nur sparsam behaart. Haft-
scheiben oben von dem Hinterbrustringe an bis zum siebenten Hinterleibsringe
fein chagrinirt, durch eine mittlere und zwei seitliche Längsfurchen, sowie
je zwei Querfurchen in acht Abschnitte getheilt, von denen die beiden mittleren
einen Rhombus bilden. After dreigespalten, Y-förmig. Länge bis 33 mm.
Lebensweise. Der grosse Pappelbock, ein durch ganz
Mitteleuropa bis nach Skandinavien, Sibirien und dem Kaukasus ver-
breitetes Insekt, ist ein Pappelbewohner, der zwar wohl am häufigsten
in Aspe vorkommt, aber auch alle anderen einheimischen und fremden
Pappelarten angeht. Er fliegt im Juni und Juli und belegt lebende
Stämme mit glatter Rinde einzeln mit Eiern, gewöhnlich erst vom
fünften Jahre an. Aeltere als zwanzigjährige Stämme mit stärkerer
borkiger Rinde meidet er dagegen. Auch in Aesten kommt er vor,
desgleichen nach Anrumin Baumweiden [XVI, IIT, 1, 8.349 und 350].
Der erste Frass der auskommenden Larve geschieht unregelmässig
plätzend in den letzten Jahresringen, später dringt sie jedoch in die
tiefergelegenen Holzschichten und macht hier, aufwäıts fressend, im
Querschnitt ovale, oft recht langgestreckte Gänge, in welchen lange,
grobfaserige Nagespäne liegen und von hier aus oft auch durch eine
untere Auswurfsöffnung nach aussen gebracht werden. Hierdurch,
sowie an jungen Stämmehen durch eine stärkere Anschwellung des
unteren Endes ist der Frass leicht zu erkennen. Vergesellschaftet ist
dieser Käferlarvenfrass häufig mit dem der Raupen des Weiden-
bohrers, Cossus ligniperda L., und des Hoınissenschwärmers, Sesia
apiformis L., deren Anwesenheit aber an dem eigenthümlichen Raupen-
kothe unterschieden werden kann. Ist diese Gesellschaft vereinigt, so
wird oft das Pappelholz arg durchwühlt. Ganz junge, etwa bis 3 cm
starke Stämmchen sterben häufig in Folge der Angriffe des Pappel-
bockes völlig ab, namentlich wenn mehrere Larven in einem Stamme
fressen. Aeltere halten den Frass dagegen lange aus. Während
der Käfer in letzteren also wesentlich technisch nachtheilig ist, wird
er in jenen physiologisch schädlich und kann namentlich da, wo
Pappelalleen angelegt werden sollen, recht unangenehm werden, um
so mehr, als auch von ihm nicht direkt getödtete Stämme leichter
vom Winde gebrochen werden. Er ist ferner ein Haupthinderniss
der ja ohnedies in unseren Forsten selten gut gelingenden Erziehung
gesunder, älterer Äspen,
Die Generation wird bestimmt als zweijährig angegeben, so
dass also die gestürzt in dem Frassgange liegende Puppe im dritten
Frühjahre den Käfer liefert.
%
574 Kap. IX. Die Käfer.
Eine Abwehr ist nur durch Einschlag und Verbrenner
der befallenen Stämme, sowie durch Sammeln des grossen, im Früh-
jahre leicht von den Stämmen herabzuklopfenden Käfers zu erreichen.
Werthvolle Stämmehen, namentlich in Baumschulen und Alleen, kann
man durch einen dünnen, zur Flugzeit des Käfers an den Stämmen
bis zu 15m Höhe anzubringenden Lehmanstrich schützen [V,I, S. 235].
Noch sicherer dürfte aber ein Anstrich mit der bei Hylesinus micans-
Kvg. erwähnten Leınweger’schen Schutzmasse wirken (vgl. S. 461).
Sein nächster Verwandter ist der Aspenbock.
Beschreibung. Saperda populnea L. Käfer in den plastischen Kenn-
zeichen der S. carcharias ähnlich, aber kleiner. Stirn zwischen den Fühlern
nicht vertieft, vor den Fühlern etwas gewölbt. Flügeldecken dicht mit groben
Punkten besetzt, welche durch die fleekige Behaarung nicht verdeckt werden,
walzenförmig mit stumpfer Spitze. Die ganze Oberseite schwarz, fein und spar-
sam grau behaart, Kopf und Halsschild mit längeren Borsten; 3 Längslinien auf
dem Halsschild, von denen die mittlere oft undeutlich, und 4—5 in unregel-
mässiger Längslinie stehende Fleekehen auf jeder Flügeldecke dicht gelb behaart,
Fühler schwarz, die einzelnen Glieder an der Wurzel behaart. Länge S—13 mm.
Larve nur durch ihre geringere Grösse von der des grossen Pappelbockes
verschieden.
Lebensweise. Der Aspenbock ist, wie sein Name besagt,
meist ein Bewohner von Populus tremula L., kommt aber auch in
Silberpappel, P. alba L. [Nörprıncer XXIV, S. 42] und in anderen
Pappeln mitunter vor. Neuerdings ist er von Czzcr auch in Weiden,
und zwar in Salix alba L. und S. fragilis L., brütend gefunden worden.
Sein angeblich von Becustein berichtetes Brüten in Birken wird von
Rartzegurg geleugnet [V, I, S. 235], von Dösxer [XIV, 2, S. 195] als wahrschein-
lich angesehen. Wir haben die eben angeführte Behauptung bei BEcHSTEIN
übrigens nicht finden können, vielmehr berichtet derselbe [I 1, S. 201] nur, dass
der Käfer im Juni auf Aspen und Birken gefunden werde. Ganz vereinzelt
steht die von Dösxer [XIV, 2, S. 195] berichtete Thatsache, dass Bac# ihn aus.
der Anschwellung einer Brombeerstaude erzogen habe.
Der Käfer bevorzugt schwaches Material und befällt am liebsten
junge, zwei- bis sechsjährige Stämmehen und Stockausschläge, an
älteren Bäumen schwache Aeste von 0'5—2 cm Stärke, am.
häufigsten solche von ungefähr 1cm. Mitunter ist ein Zweig oder
Ast dicht hintereinander mit mehreren Larven besetzt, und an manchen
Stellen ist der Käfer so gemein, dass kaum ein gesundes Stämmchen
zu finden ist. Seine Flugzeit fällt nach dem Laubausbruche der
Aspen, auf deren Blättern man ihn im Mai und Juni häufig in
Begattung findet. Das Weibchen legt dann die Eier einzeln in Rinden-
ritze oder eigens hierzu genagte, später wulstig überwallende, kleine
Rindenlöcher; die ausgeschlüpfte Larve frisst sich bis in den Splint
durch und nagt zunächst in diesem, und zwar so, dass sowohl die
äussersten Splintschichten als die Markröhre unversehrt bleiben, einen
mit feinem Bohrmehl gefüllten Hohlraum, der ungefähr in der Form
eines Cylindermantels die Hälfte der Markröhre umgreift. Auf diesen
Frass reagiren die Pappelarten durch Bildung einer gallenartigen
Anschwellung, welche die Stämmehen und Zweige knotenartig auf-
Lebensweise und Schaden des Aspenbockes, Saperda populnea. 575
treibt, während dies nach Czecn [4] bei den Weiden nicht stattfindet.
Diese oft dicht aneinandergereihten Knoten lassen den Angriff leicht
erkennen, und unter ihrem Einflusse
nimmt die Höhlung des ersten Frasses
häufig die Gestalt einer Halbkugel an
(Fig. 181). Späterhin wendet sich die
Larve tiefer in das Innere und frisst nun
nach oben in der Markröhre einen 2—5 cm
langen Gang aus, in welchem sie schliesslich
umkehrt und sich, nachdem sie denselben
unten noch bis dicht an die Rinde fort-
gesetzt hat, gestürzt, den Kopf nach
unten, verpuppt. Der Käfer nagt schliesslich
ein kreisrundes Flugloch, welches immer
auf der Anschwellung liegt. Schneidet
man die Galle der Länge nach durch,
so dass man das Flugloch halbirt, so
erscheint der Markröhrenfrass als eine
Art Hakengang, und nach aussen von f /
diesem wird der Splintfrass ein- oder zwei- | Y
mal durch den Schnitt getroffen. Die
genaueste und zutreffendste Schilderung
des Frasses giebt Arrum [XVI, III, 1, U)
5.0351]. Fig. 181. Frass von Saperda
Allgemein nimmt man an, die populnea L. an Aspe. A eine
Larve mache den peripherischen Frass quergeschnittene, B eine längs-
gespaltene Galle. a Stelle, von
im ersten, den centralen im zweiten 1., der Larvenfrass ausging,
Sommer ihres Lebens und verpuppe sich 3 peripherer Larvenfrass, ce cen-
im dritten Frübjahre, um im Juni des- traler Larvenfrass, d Flugloch.
selben den Käfer zu liefern. Die Generation wäre also zweijährig
und könnte dann folgendermassen dargestellt werden:
| Jan. | Febr.| März ‚April Mai | Juni
|
Juli | Aug. |Sept.| Oct. | Nov. | Dec.
1880 | | 444-1
1881 | BrN — (m Re EEE u rm SEE GER Bu | HERE GIER ImsEn | BR Au am ———
| | | | | |
152 -—— mn no 00 Erst | | | |
| | | | | |
Wir haben aber in sicher einjährigen Aspen-Stockausschlägen, welche
also erst in demselben Jahre mit Eiern besetzt sein konnten, im Herbste so-
wohl den peripherischen, wie den centralen Frass gefunden, so dass also hier
sicher beide Frässe aus demselben Jahre stammten. Da die in diesen Gallen
[1
u}
6 Kap. IX. Die Käfer.
enthaltenen Larven klein und auch ihre Frassgänge demgemäss von kleinem
Kaliber waren, so ist trotzdem wohl möglich, dass sie noch ein weiteres Jahr
zur vollen Entwickelung brauchen.
In diesen Gallen kommt, wahrscheinlich seeundär, mitunter auch eine
Sesienraupe vor, und von dieser rührt dann der Koth her, der an ihnen
äusserlich anklebt. Einen Ausgang, durch den die Nagespäne der Aspenbocklarve
regelmässig herausgeschafft würden, haben wir dagegen nicht finden können.
Die Innenfläche der Frassgänge bräunt sich häufig tief.
Schaden und Abwehr. Dicht mit Jder Brut dieses Bockes
besetzte Aspen, Stämmchen oder Ausschläge gehen sicher ein, während
solche, welche nur ein oder einige Gallenknoten zeigen, höchstens
kümmern oder verkrüppeln und schliesslich das Flugloch, sowie
eventuell von dem grossen Buntspecht, der nach den Larven sehr
lüstern ist, gehackte andere Löcher doch wieder überwallen. Solche
Stämmehen oder solche Wurzelbrutschösslinge können aber keine
gesunden Bäume geben, und es ist daher der Frass des Aspenbockes
wie der seines gıösseren Vetters, des Pappelbockes, eine der Ur-
sachen, warum es uns so schwer fällt, in Mitteldeutschland ältere,
gesunde Aspen zu erziehen. Der Käfer kann also im Allgemeinen
zu den merklich schädlichen Insekten gerechnet werden. Wo das
Aspengebüsch dagegen mehr als Forstunkraut betrachtet wird, ist
der Käfer als gleichgiltig, ja sogar unter Umständen als nützlich anzu-
sehen. Seine Bekämpfung kann an jungen Stämmen und Stockausschlägen
dort, wo sie überhaupt nöthig wird, dadurch erfolgen, dass man die
leicht sichtbaren Gallen vor dem Ausschlüpfen des Käfers ausschneiden
und verbrennen lässt. Auch könnte man den Käfer zur Flugzeit von
den Bäumen klopfen und sammeln lassen. Auf älteren Stämmen, wo
sein Astfrass gänzlich unschädlich bleibt, ist ihm im Larvenzustand
natürlich schwieriger beizukommen.
Noch geringer ist die Bedeutung der beiden zur Untergattung
Oberea Murs. gehörigen Saperda-Arten.
Beschreibung. Saperda (Öberea Murs.) oculata L. Käfer: Halssebild
seitlich ohne Dorn oder Höcker, rothgelb mit zwei schwarzen Punkten auf der
Scheibe. Augen tief ausgerandet, Kopf und Fühler schwarz, letztere mit einigen
abstehenden Wimperhaaren, nicht so lang als der lange, walzenförmige Körper.
Flügeldecken schwarz, vorn schmal gelb gesäumt, fein grau behaart, mit tiefen,
gereihten Punkten, an der Spitze abgestutzt. Hinterleib länger als Kopf und
Brust zusammen. Leib, Brust, Schildehen, Taster und Beine gelbroth. Schenkel
nieht keulenförmig verdickt, die hinteren reichen nicht über das zweite Leibes-
serment hinaus. Fussklauen mit einem wenigstens bis zur Mitte reichenden
Zahn. Länge 16—20 mm.
Larve nach dem Lamiiten-Typus gebaut, sehr schmalköpfig, gänzlich
augen- und fusslos. Jede Haftscheibe mit zwei schmalen, geschwungenen Quer-
binden von feinen röthlichen Chitinspitzehen, von denen die vordere in der
Mitte unterbrochen. Länge 25—30 mm [l4 5, S. 509 und 510].
Sap. (Ob.) linearis L. Käfer in seiner Gestalt der Sap. oculata L. ganz
ähnlich, aber mit Ausnahme der gelben Taster und Beine und des gewöhnlich
gelben vorderen Theiles des Seitenrandes der Flügeldecken, ganz schwarz,
ausserdem nur äusserst fein und sparsam grau behaart. Länge 11—15 mm.
Larve der des Weidenbockes ähnlich, aber kleiner, nur 20 mm lang [vgl.
auch TascurngerG XXI, II, S. 260].
|
C
E
2
1
B
-
Saperda populnea, S. oculata und S. linearis. 577
Lebensweise. Die beiden soeben beschriebenen Käfer stimmen
biologisch insoweit überein, als ihre Larven die Markröhre, beziehungs-
weise die inneren Holzlagen junger Laubholztriebe durch. lange Gänge
aushöhlen, an deren Ende sie sich verpuppen. Hierdurch gehen die
Triebe ein und kennzeichnen sich durch ihre vertrockneten Blätter.
Die auskommenden Käfer nagen dann ein kreisrundes Flugloch. Da-
gegen sind beide auf verschiedene Holzarten angewiesen.
Der rothhalsige Weidenbock, Sap, oculata L, nimmt
namentlich Weiden an, und zwar werden besonders Salix Caprea L,.,
S. babylonica L., S. alba L. [I4 b, S. 510], S. viminalis L. und
S. daphnoides Vırr. (caspica) |XVI, III, 1, S. 353] angeführt. Er
fliegt zur Sommerszeit, im Juni oder Juli, und belegt gesunde
Weidentriebe an von ihm ausgenagten Rindenstellen mit einzelnen
Eiern; die Larven dringen, ohne sich lange im Splint aufzuhalten,
direkt in das Innere des Holzes und machen hier aufwärts oder
abwärts fressend [14b, S. 510] bis 30cm lange und 3 bis 4mm
breite, fast drehrunde Gänge. Zuerst werden an der Einbohrungs-
stelle frische, später veıtrocknete Nagespäne ausgestossen, während
die zuletzt abgenagten einfach in der Röhre selbst verbleiben und sie
verstopfen. Die Generation wird von Perrıs als einjährig ange-
geben. Der Frass, den z. B. Rırzegurg und TascHenBEerg gar nicht
erwähnen, ist erst von Arrum [XVl, III, 1, S. 353] als unter Um-
ständen ernstlich schädlich nachgewiesen worden. Er fand nämlich,
dass in den Weidenanlagen des Eberswalder Stadtbruches die freien
Spitzen der Stecklinge mit je einem Ei belegt wurden, von wo aus
die ausgekommene Larve in die zweijährigen Weidenruthen hinauf-
stieg, dieselben auf 20—25cm aushöhlte, um sich in diesem Falle
an dem obersten Ende des Frasskanales zu verpuppen. Oberhalb
dieser Puppenwiege sterben die Ruthen ab.
Eine Abwehr des Käfers ist nur durch Abschneiden und
Verbrennen der befallenen Ruthen möglich. Als Vorbeugungsmass-
regel gegen seine Angriffe empfiehlt Arırum |XVI, III, 1, 8. 353]
bei Neuanlage von Weidenhegern tiefes Einsetzen der Stecklinge,
deren Spitzen mit Erde bedeckt werden müssen. Diese Mahnung,
der man allerdings nur bei leichtem. Boden Folge leisten kann, ist
um so beherzigenswerther, als sich dieselbe auch aus anderen wald-
baulichen Gründen empfiehlt [vgl. Krane, 12, S. 154].
Der schwarze Haselbock, Sap. linearis L., ist dagegen schon
durch Rarzesure [V, 1, 8. 336 und XV, II, S. 346] in die Forst-
insektenkunde eingeführt. Er ist, wie sein Name besagt, zunächst ein
Feind der Haselnuss- Sträucher, und zwar sowohl der Corylus avellana
L., als der C. colurna L.
Er geht aber nach Arrum [2e] auch ausnahmsweise an Hainbuche,
Erle und Korkrüster, sowie nach TascHexBer@G [XXII, II, S. 261] an die ge-
meine Hopfenbuche, Ostrya carpinifolia Scor. (vulgaris WILLD).
Der Käfer fliegt im Mai und Juni und belegt die vorjährigen
Ruthen etwas unterhalb der Spitze an einer angenagten Stelle mit
“2
578 Kap. IX, Die Käfer,
je einem Ei. Die Larve frisst nun nach allen. Angaben ausschliesslich
abwärts, im ersten Sommer in der vorjährigen Ruthe, im zweiten
Sommer dringt sie aber in die vorvor jährige vor, wo sie sich schliesslich
gestürzt verpuppt, um im dritten Jahre den Käfer zu geben. Die
Generation soll also zweijährig sein. Die angefressenen, jungen
Triebe verrathen durch zeitiges Welken der Blätter den Angriff, ihre
Knospen verkümmern und sie bleiben daher im nächsten Frübjahre
blattlos. Die Larve findet man alsdann aber schon tiefer. Dass eine
reichliche Triebzerstörung den Ertrag beeinträchtigen kann, ist un-
zweifelhaft, doch sind bis jetzt grössere Verheerungen durch diesen
Käfer in der Praxis unbekannt.
Ein sehr beachtenswerther Feind der Weidenheger ist dagegen
der Weberbock.
Beschreibung. Lamia textor L. (nigrorugosa DE GEEr). Käfer schwarz
glanzlos, von sehr gedrungener Gestalt. Das runzelige Halsschild beiderseits
mit einem Dorn. Fühler nicht länger als der Körper, ihr verdicktes erstes Glied
so lang wie das dritte. Hinterbrust kurz. Schildchen fein behaart, mit kahler
Mittellinie. Flügeldecken fein und dicht körnig punktirt, sparsam fein behaart,
häufig mit gelb behaarten Flecken. Schenkel dick, aber nicht keulenförmig.
Fussklauen einfach. Länge 14—20 mm.
Larve gedrungen, nicht abgeflacht, mit abgerundet sechseckigem Querschnitt
in dem mittleren Theile. Derjenigen von Saperda carcharias L. sehr ähnlich,
aber leicht von ihr zu unterscheiden durch den äusserst schmalen Clypeus, die
Skulptur des grossen Chitinschildes der Vorderbrust, welches vorn glatt und
hinten gerunzelt, aber nicht gekörnt ist, den Mangel der Körnelung auf den
Haftscheiben, welehe ebenso glatt sind wie der übrige Leib, und den querge-
spaltenen, nicht Y-förmigen After. Länge bis 40 mm, Breite 8S—10 mm.
Die Lebensweise dieses Käfers ist noch wenig aufgeklärt.
Seine Larve bewohnt sicher die weichen Laubhölzer, und zwar nicht
nur Aspen [Rarzegurs, V, I, S. 240], sondern auch Weiden, und
wurde hier sowohl in S. vitellina L. [3, S. 586], als in S. daph-
noides Vırr. (caspica Parr.) [Arrum, 2d, S. 19] gefunden. Sie dürfte
wohl in allen stärkeren Weiden vorkommen. Die Angaben, dass sie
namentlich in Weidenmulm lebe, scheint auf Irrthum zu beruhen, da
die genaueren Angaben stets ihr Vorkommen in lebendem Holze
berichten, wo auch wir sie in den Serkowitzer Korbweidenhegern
bei Dresden gefunden haben. In den starken Stecklingsstöcken kann
sienun recht schädlich werden, weil in Folge ihres Frasses die treibenden
Ruthen absterben, wie zunächst Arrum [2e, S. 19] in einem Weiden-
heger des Schlesischen Revieres Cosel 1874 fand, und wir aus Serko-
witz bestätigen können. Zweifellos dürften auch die „Holzwürmer”,
welche der so gewiegte Weidenzüchter Krane irrthümlicherweise
als Larven verschiedener Bostrychus-Arten ansieht, hierher gehören,
und es ist daher sehr bemerkenswerth, wenn er sagt, dass es aus-
schliesslich die über der Erde stehenden Stöcke sind, welche vom
Holzwurm heimgesucht werden, der, wenn er einmal in einer Anlage
ist, sie bald zugrunde richtet [I2, S. 154], und wenn er später erwähnt,
dass man diesem Schaden „hauptsächlich durch Anhöhen der Stöcke,
sodass diese in der Erde bleiben”, vorbeugen könne 12, S. 193].
Der Weberbock, Lamia textor und minder wichtige Laubholzböcke. 579
Dass in Weidenhegern, die bereits von dem Holzwurm befallen
sind, Rodung und Verbrennen der angegangenen Stöcke, sowie
Sammeln der grossen, leicht kenntlichen Käfer zweckmässige Mass-
regeln sind, braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden.
Beiläufig sei erwähnt, dass ein seines auffallenden Geruches wegen Mo-
schusbock genannter, grosser, blaugrüner Bockkäfer, welcher gewöhnlich nur
in anbrüchigen, starken Weidenstämmen lebt, auch in den alten Stöcken der
Weidenheger vorkommt und seine Larve hier den Frass derjenigen von Lamia
textor L. verstärken kann, wie wir selbst in Serkowitz gefunden haben. Wir
geben deshalb kurze Diagnosen von Käfer und Larve.
Beschreibung. Cerambyx (Aromia Serv.) moschatus L. Käfer metall-
glänzend, dunkelgrün oder blaugrün. Halsschild beiderseits mit starkem Dorn,
seine Scheibe schwach gerunzelt und punktirt. Die blauen Fühler des länger,
die des ® kürzer als der Körper, ihr viertes Glied länger als das erste. Schild-
chen spitzig dreieckig. Flügeldecken dicht gerunzelt, an der Wurzel doppelt
so breit als der Hinterrand des Halsschildes, dreimal so lang als zusammen
breit, gegen die Spitze etwas verengt. Schenkel der langen, blauen Beine wenig
verdickt. Fussklauen einfach. Skulptur und Farbe des Halsschildes variüren;
so kommt z. B. in Südeuropa die var. ambrosiaca Srrv. mit ganz oder zum
Theil rothem Halsschild vor. Länge 15 — 34 mm.
Larve nach dem zweiten Typus gebaut, also mit Füssen versehen und
derjenigen von Cerambyx cerdo L. (Fig. 180 A und BD) sehr ähnlich, aber
kleiner, 30—35 mm lang, mit nur einem undeutlichen Augenpunkte jederseits
und durch die geringe Chitinisirung der grob längsgerieften Vorderbrustplatte,
die äusserst scharfe Längstheilung der sehr erhabenen Haftscheiben, deren
Hälften wieder dureh seeundäre Furchen gegliedert sind, und die fast voll-
ständige Haarlosigkeit gut gekennzeichnet.
Wir erwähnen ferner eine Angabe von Eıcnnorr [3], dass ein anderer,
im Ganzen seltener Bockkäfer, Clytus tropicus Paxz., in der Oberförsterei
Hart-Nord im Ober-Elsass krankhafte, auf ungünstigem Standort erwachsene
Eichen-Oberständer und Lassreidel im Mittelwalde zuweilen in grosser Zahl
besetzt und ihr Absterben sehr beschleunigt habe. Von seinen Gattungsver-
wandten unterscheidet sich
Cl. tropicus Panz. hauptsächlich durch folgende Kennzeichen: Küfer
schwarz oder dunkelbraun, Fühler, Beine und Wurzel der Flügeldecken
röthlichgelb, Schenkel in der Mitte dunkel. Zeichnungen auf Halsschild
und Flügeldecken gelb, ersteres mit einer in der Mitte unterbrochenen
Binde am Vorderrande, zwei Makeln an der Basis und zwei kleineren Makeln auf
der Unterseite. Die besonders langen Flügeldecken mit einer schiefen Makel
hinter der Schulter und drei Querbinden. Die erste beginnt am Schildehen, ver-
läuft neben der Naht weit nach rückwärts und krümmt sich angelförmig kurz
vor der Mitte nach aussen und nach vorn, die zweite Binde bildet über beide
Flügeldecken einen nach vorn gekrümmten, gemeinschaftlichen Bogen, die dritte
ist auf jeder Decke nach rückwärts gekrümmt, an der Naht nach vorn gezogen.
Spitze der Flügeldecken dunkelbraun. Länge 10—16 mm.
Zahlreiche, andere, mittelgrosse, durch ihre bunte Färbung, gelbe oder
weisse Binden auf dunklem Grunde, ausgezeichnete Arten der Gattung Clytus,
schwärmen auf Holzlagerplätzen bei warmer, sonniger Witterung lebhaft umher.
Meist sind es wohl Laubholzbewohner, die sich in forstlich unschädlicher Weise
unter der Rinde entwickeln, so z. B. die gelbgezeichneten, häufigen Arten Cl.
arietis L., arcuatus L. und der weissgezeichnete Cl. mysticus L., dessen Flüsel-
deeken auf der vorderen Hälfte braun gefärbt sind. Aebnliche Zeichnungen
kommen unter den einheimischen Böcken nur bei wenigen, forstlich ganz
unwichtigen Callidium-Arten vor.
580 Kap. IX. Die Käfer.
Das stehende Holz technisch schädigende Bockkäfer. Hierher
ist vor allen Dingen zu rechnen
der grosse Eichenbock,
Cerambyx cerdo L.,
ein Bewohner starker, alter Eichen, dessen Larven diese Bäume,
ohne sie zu tödten, mit daumenstarken, gewundenen, anfänglich unter
der Rinde verlaufenden, bald aber in das ganz gesunde Holz ein-
dringenden, geschwärzten® Gängen durchsetzen und für technische
Zwecke völlig entwerthen (Fig. 182).
Ausserdem leben aber in den verschiedenen Laubhölzern noch
die Larven einer grossen Anzahl mehr oder weniger häufiger Bock-
käfer, welche fast sämmtlich wohl gelegentlich technisch
schädlich weıden können, weil sie einmal die Oberfläche des Holzes
mit Larvengängen furchen, andererseits zur Verpuppung hakenförmige,
tiefer in das Holz dringende Puppenwiegen machen. Wer sich über
diese Formen orientiren will, muss die schönen biologischen Notizen
von NÖRDLINGER [XXIV, S. 40—43] und namentlich die genauesten
Schilderungen von Perrıs [VIb, S. 416—570] vergleichen. Wir
können ausser dem Eichenbock nur einige wenige, gelegentlich in
der forstlichen Literatur berührte Arten erwähnen.
Beschreibung. Cerambyx (Hamaticherus REDTB.) cerdo L. (heros Scop.).
Käfer schwarz, ohne Metallglanz. Halsschild mit groben Querrunzeln und beider-
seits mit einem starken Dorn. Die ausgerandeten Augen ziemlich grob facettirt.
Fühler an der Basis verdickt, ihr viertes Glied nicht länger als das erste, die
des 5 viel länger als der Körper. Flügeldecken am Nahtwinkel mit einem
kleinen, spitzen Dorn, nach hinten verengt, vorn fast schwarz, hinten roth-
braun, vorn grob, hinten feiner runzelig punktirt. Gelenkhöhlen der Vorder-
hüften nach aussen ganz, nach hinten bis auf einen Spalt geschlossen. Schenkel
nicht keulenförmig verdickt. Fussklauen einfach. Länge 20—50 mm.
Larve nach dem zweiten Typus gebaut, sehr gross, bis SO mm lang
[Fig. 180 A, B und D] mit einer senkrecht stehenden Reihe von drei Punktaugen
nach aussen von den sehr kleinen Fühlern. Vorderrand des Kopfes braun-
schwarz, eine Binde auf dem Vorderrande der Vorderbrust braun. Chitinschild
derselben wenig fest, vorn quer-, hinten längsgerunzelt, mit durch Furchen
abgegrenzten Seitentheilen. Füsse sehr klein. Haftscheiben mit mittlerer Furche,
jede Hälfte wieder weiter quer- und längsgetheilt, ausserdem fein gehöckert.
After Y-förmig.
Lebensweise, Schaden und Abwehr. Dieser grösste aller
Europäischen Bockkäfer ist vornehmlich ein Bewohner starker alter
Bichen, obgleich er nach den neuesten Angaben von Keller [IQ] im
Süden auch in Esche und Nussbaum vorkommt. Wenngleich er in
Russland fehlen, in Skandinavien selten sein soll, dagegen in Ungarn
und Italien zu den sehr häufigen Käfern gehört, kommt er doch auch
bei uns in Deutschland überall da in ziemlicher Menge vor, wo sich
ältere Eichenbestände finden. Wir selbst kennen ihn am besten aus den
Mulde-Auen bei Dessau, wo er in den 100—200jährigen, einzeln-
stehenden Eichen zahlreich lebt.
eV VE
ee N
Der grosse Eichenbock, Cerambyx
cerdo, 581
Seine Flugzeit fällt in die Monate Juni und Juli, zu welcher
Zeit er an warmen Abenden zahlreich schwärmt, während er sich
bei Tage meist in den Frassgängen seiner
Larve versteckt hält, aus denen er sich mit
Gewalt, namentlich an den herausgestreckten
Fühlern, kaum herausziehen lässt, während
eingeblasener Tabaksrauch ihn leichter
heraustreibt. Er belegt wahrscheinlich haupt-
sächlich die anbrüchigen Stellen alter Eichen
mit Eiern. Die erwachsenen, fast zeige-
fingergrossen Larven bleiben aber durchaus
nicht etwa, wie die des Hirschkäfers, in den
mulmigen Theilen, sondern durchwühlen
zuerst in flachen, oberflächlichen Gängen
den gesunden Splint, um später in das ganz
feste Holz, mitunter bis auf den Kern einzu-
dringen. Das Larvenleben scheint 3—4
Jahre zu dauern, und der Käfer bereits in
dem seinem Flugjahre vorausgehenden Winter
diePuppenhülle, in welcher er in glattgenagter
Wiege in der Tiefe des Holzes schlummerte,
abzustreifen. Wir haben z. B. bereits im
Januar aus Dessau frische, noch weiche
Käfer erhalten. Seinen Ausgang sucht er
dann durch die grossen Larvengänge. Die
Wände der im Querschnitt gewöhnlich ovalen,
fingerstarken, mit festem, braunem Nage-
mehl gefüllten Gänge schwärzen sich bald
unter dem Einflusse parasitischer Pilz-
wucherungen. (Fig. 182). Die Praktiker
sagen alsdann, das Holz seivondem „grossen
schwarzen W urm’’ befallen, wie sie unseren
Käfer im Gegensatz zu dem „kleinen
schwarzen Wurm”, dem Tomicus mono-
graphus Rarz., nennen (vgl. S. 546). Ob-
gleich starke Eichen den Frass, welcher bei
der Rauhigkeit der alten Eichenrinde häufig
erst dann bemerkt wird, wenn letztere, völlig
morsch geworden, sich ablöst, äusserst lange
aushalten, so kann doch kaum ein Zweifel
darüber bestehen, dass durch solchen Riesen-
frass auch eine gewisse physiologische
Sehädigung der Stämme eintritt. Eine
wirkliche forstliche Bedeutung hat der Käfer
aber nur in technischer Beziehung, da
Fig.182. Frass von Cerambyx
cerdo L.inEichenholz. 1/, nat.
Grösse. Original,
die von seinen Larven durchfressenen Stämme als Nutzholz völlig ent-
werthet und namentlich zu Fassdauben unbrauchbar werden. In den
582 Kap. IX. Die Käfer,
Oberitalienischen Sägemühlen wird dieser Frass noch dadurch lästig,
dass in den Gängen sich häufig die Riesenameise, Formica ligniperda
Larr., ansiedelt und nicht nur die Gänge erweitert, sondern auch die
Arbeiter so empfindlich belästigt, dass sie die Ameisen häufig durch
Eingiessen von heissem Wasser vertreiben müssen [I0]. Eigentliche
Abwehrmassregeln sind gegen diesen Käfer wohl fast unmöglich,
höchstens könnte man den Käfer selbst zur Flugzeit an schönen
Abenden wegfangen lassen.
Die gewöhnliche Annahme, dass die von Prisıus unter dem Namen „Cossus’
angeführte, von Hırroxymus als „SvAopayov” bezeichnete, in Eichen lebende
und von den Alten als Leckerbissen betrachtete Insektenlarve diejenige von
Cerambyx cerdo L. gewesen sei, wird neuerdings von Kerrer [I0] verworfen
und vielmehr angenommen, dass sich diese Argabe auf die häufigere Hirsch-
käferlarve beziehe.
Cerambyx Scopolii Laıcuarr. (cerdo Scor.), sein nächster Verwandter, der
häufig wenigstens dem Namen nach mit dem Riesenbocke verwechselt wurde,
aber durch geringere Grösse, 18—29 mm Länge, sowie durch den Mangel des
Dornes am Nahtwinkel der nach hinten nicht verengten und ganz schwarzen
Flügeldecken leicht unterschieden werden kann, ist, obgleich er häufig inBuchen
und auch in anderen Laubhölzern, namentlich in Edelkastanie, Apfel- und
Birnbaum, sowie Ulme vorkommt [XXVI, S. 205], noch niemals forstlich
bedeutungsvoll geworden, wenn auch die ziemlich grossen Gänge seiner Larve
als technisch einigermassen schädlich angesehen werden könnten,
Dasselbe gilt nach unserer Ansicht von zwei weiteren nahen Verwandten,
welche, obgleich in den Sammlungen noch immer als selten sehr gesucht, doch
in die Forstinsektenkunde eingeführt wurden. Bereits durch Rarzesurg [XV, II,
S. 299—302] geschah dies mit dem Ahornbock.
Beschreibung. Callidium (Rhopalopus Murs.) Hungaricum Hesr.
Käfer schwarz. Halsschild ohne Dornen, in der Mitte glatt, fein zerstreut-punktirt, an
den winklig erweiterten Seiten grob runzlig punktirt. Vorderhüften durch einen
schmalen, abgerundeten Fortsatz der Vorderbrust getrennt, Mittelbrust zwischen
den Mittelhüften ausgerandet. Flügeldecken hinter den Schultern nach der Mitte
zu etwas verengt, grün erzfarbig, an der Basis grob, nach hinten allmählich
feiner gerunzelt. Schenkel gegen die Spitze stark keulenförmig verdickt. Fuss-
klauen einfach. Länge 18 —24 nım.
Larve bis jetzt nicht näher beschrieben.
Von RAtzegure ist der Ahornbock allerdings Cerambyx dilatatus genannt
worden, hier liegt aber offenbar eine Verwechselung vor. Einerseits ist nämlich
das früher Callidum dilatatum Pays, genannte, jetzt in den Katalogen als Cal.
aeneum DE Grrr aufgeführte Thier, welches allerdings in Form und Farbe dem
Cal. Hungaricum ähnlich ist, aber zu einer ganz anderen Untergattung, zu
Callidium im engeren Sinne gehört, nach den übrigen Mittheilungen, z. B.
den sehr genauen von Hrrger [8], ein Buchenthier. Andererseits versichert
Aurum [22], dessen Exemplare aus derselben Waldherrschaft stammen, aus denen
Rarzegurg die seinigen bezog, bestimmt, dass es sich um Callidium insubricum
Genm. handle, einer Varietät des Cal. (Rhopalopus) Hungaricum Hessr., die
neuerdings aber wieder durch GAnGLpaver [7] als gute eigene Art betrachtet
wird. Wir wählen den Namen Cal. Hungaricum, weil nach letzterem Autor dies
die weiter nördlich vordringende Form ist, während sein Cal. (Rh.) insubricum
Germ. mehr südlich von den Alpen angetroffen wird. Im Allgemeinen scheint
uns aber die Speciesfrage noch etwas unklar zu sein.
Der Grund, warum sowohl RArzesurG wie Arrum den Ahornbock behan-
deln, ist ein und dasselbe lokale Vorkommen. Er ist nämlich von Anfang der
Sechzigerjahre an in den im südöstlichen Westfalen, zwischen Lahn und Eder
gelegenen fürstlich WırtGenstein-BeErteBURG’schen Revieren im Bergahorn,
Acer Pseudoplatanus L., aufgetreten, und zwar namentlich in zopftrockenen,
Ahorn- und Alpenbock. Verarbeitetes Holz schädigende Böcke, 583
älteren Stämmen, die theilweise von oben bis unten mit seinen Gängen besetzt
sind. Der Käfer fliegt dort Ende Mai, Anfang Juni, legt seine Eier an die
Rinde der Ahornstämme, die auskommende Larve plätzt im ersten Jahre unter
der Rinde, macht nach der Ueberwinterung einen charakteristischen, abwärts-
gehenden Hakengang, in dem sie den zweiten Winter verbringt, um im dritten
Frühjahre sich hier zu verpuppen und den Käfer zu liefern. Die Generation ist
also hiernach zweijährig. Die Stämme sollen den Frass sehr lange aushalten,
sodass sich vielfach überwallte Frassgänge vorfinden. Dagegen entwerthet der
Käfer angegriffenes Holz völlig für Dreh- und Schnitzwaaren, sodass z. B. im
Frühjahre 1869 50—60 Stämme, die besonders stark angegriffen waren, verkohlt
werden mussten. Das Vorkommen im Berleburg’schen scheint aber lokal zu sein,
da bereits im Bergischen und im Westerwalde der Käfer sich nicht mehr finden
soll [ALrum 25]. Im Allgemeinen ist er so selten, dass er in den Verkaufs-
katalogen noch mit 80 Pfennig das Stück angeboten wird und oft gar nicht im
Handel zu haben ist.
Der zweite Käfer wurde erst in der neueren Zeit von ALtum etwas genauer
forstlich behandelt. Es ist dies der Alpenbock.
Beschreibung. Cerambyx (Rosalia Serv.) alpinus L. Käfer
dicht fein bläulichgrau behaart. Halsschild mit flacher, runzlig punktirter Scheibe,
beiderseits mit hoch hinaufgerücktem Seitendorn und am Vorderrande mit einem
sammtschwarzen Flecke. Fühler nicht dick, ihr viertes Glied länger als das
erste, einige Glieder an ihrer Spitze mit schwarzen Borstenbüscheln. Auf den
Flügeldecken eine an der Naht unterbrochene, breite Querbinde hinter der
Schulter, eine nicht unterbrochene solche Binde etwas hinter der Mitte und
gewöhnlich ein Fleck vor der Spitze schön sammtschwarz. Gelenkhöhlen der
Vorderhüften nach aussen mit einem ziemlich langen, offenen Schlitz. Schenkel
nur mässig verdickt, Fussklauen einfach. Länge 20—36 mm.
Larve vorläufig nicht näher beschrieben.
Dieser in den Alpen am häufigsten vorkommende, aber auch in Ungarn,
Skandinavien, in der rauhen Alp, am Rhein [XXIV, S. 41] u. s. w. in an-
brüchigen Buchen brütend gefundene, zierlichst gekleidete Käfer erregte durch
sein eine Zeitlang häufiges Auftreten in dem königlich Preussischen Staatsforstrevier
Mühlenbeck, Regierungsbezirk Stettin, wo ein früherer Förster ihn zu Handels-
zwecken in grosser Anzahl gesammelt hat, die Aufmerksamkeit Arrum’s [2 c].
Jetzt ist er dort bereits äusserst selten geworden, woraus Artum mit Recht
schliesst, dass bei einem so grossen, auffallenden Käfer, wenn er einmal wirklich
schädlich werden sollte, consequent durchgeführtes Sammeln als Abwehr an-
wendbar und erfolgreich sei. Einen direkten Schaden konnte ihm übrigens auch
Arrtum nicht nachweisen.
Geschlagenes und verarbeitetes Holz technisch schädigende
Bockkäfer. Als Typen dieser biologischen Gruppe wählen wir
den Hausbock, Callidium bajulus L., und
Cal. variabile L.,
denen sich noch einige Verwandte anschliessen. Es sind dies Thiere,
welche zwar ebensowenig wie manche Anobien den Forstmann bei
der Ausübung seines eigentlichen Berufes stören, wohl aber die Pro-
ducte der Forstwirthschaft schwer zu schädigen im Stande sind.
Cal. variabile L., ein im Durchschnitte ungefähr 12 mm langer,
wie schon sein Name besagt, in der Färbung äusserst veränderlicher,
meist einen schwarzen Kopf, rothgelbes Halsschild und blaue Flügel-
decken zeigender Bock, schliesst sich der vorhergehenden biologischen
Gruppe nebst einigen Verwandten noch insofern an, als er berindetes
584 Kap. IX. Die Käfer.
TLaubholz nach der Fällung angeht, mit Eiern belegt und seine
Larve die Rinde durch flache Gänge unterhöhlt und sich schliesslich
in einem in das Holz eindringenden Hakengange verpuppt. Der
Hausbock, ein ungefähr 15—20 mm langer, dunkelbrauner, fein
weisslich behaarter Käfer mit zwei glatten, glänzenden Höckerchen
auf dem Halsschilde, ist dagegen im Wesentlichen auf bereits ent-
rindetes und bearbeitetes Nadelholz angewiesen, dessen Splint seine
Larven in tief eindringenden Gängen, bei Schonung der Oberfläche,
im Inneren so vollständig durchwühlen, dass es alle Festigkeit ver-
liert. Die Verheerungen der Larven sind öfters Ursache des Zu-
sammenbrechens von Balken. In ähnlicher Weise zerstören Cal, lividum
Rossı und Cal. pygmaeum FuaApr. die Reifen von Weinfässern.
Abwehrmassregeln von wirklich durchgreifender Wirkung giebt es
gegen diese Thiere kaum.
Wir wenden uns zunächst zu den berindete Hölzer angreifenden
Formen.
Beschreibung. Cal. (Phymatodes
Murs.) variabile L. Käfer: Vorderhüften
aneinanderstehend. Halsschild mit einigen
glatten, glänzenden Erhabenheiten. Flügel-
decken fein, weitläufig, etwas rauh purktirt.
Fühler des g länger als der Körper.
Färbung äusserst veränderlich,h Körper
rothgelb, Flügeldecken blau, mitunter theil-
weise oder ganz rothgelb, Halsschild bis-
weilen dunkel, ebenso Stirn und Brust. Diese
Farbenvarietäten haben viele Synonyme
hervorgerufen, so ‚fennicum L., testaceum
FABR., praeustum FABr., similare Küst., anale
Repre., Sellae Kraarz. Länge S—14mm.
Larve nach dem Cerambyeinen-Typus
gebaut, also beintragend, mit zwei grösseren
”Augenpunkten, Haftscheiben in der Mitte
wenig gefurcht, leicht genetzt, der ganze
Leib kurz behaart. Aftersegment ohne Aus-
zeichnung. Länge 10—13 mm.
Cal. sanguineum L. Käfer schwarz oder
schwarzbraun, die Flügeldecken, sowie häufig
auch die Spitzen und die Seiten des
Hintertheiles roth. Die ganze Oberseite
mit feurigrothen, sammetartigen Härchen
dicht bedeckt. Länge 9—11 nım.
Larve der vorigen sehr ähnlich, aber mit
fein chagrinirten Haftscbeiben [14 d., S. 429].
Lebensweise. Bs>ide Arten leben
in abgestorbenem Laubholze, am liebsten
wohl in Buchen, Hainbuchen, Eichen,
Edelkastanien, aber auch in Obst-
Grösse. Original. furchenden, mit Nagemehl vollgestopften
Gängen, von denen sie späterhin durch
längsgestellte, ovale Oeffaungen in die Tiefe des Holzes eindringen, um sich hier in
’
Callidium variabile u. Cal. bajulus, der Hausbock. 585
3—6 cm langen, hakenartig herabgebogenen Puppenwiegen zu verpuppen
(Fig. 183). Da diese Thiere häufigan gefälltes Holz gehen und auch sehr ausge-
trocknetes nicht scheuen, so findet man sie leider nur zu oft in Holzsammlungen,
wo sie unvergifteten (vgl. S. 260), berindeten Laubholz-Abschnitten ebenso
schädlich werden, wie Anobium molle L. (vgl. S. 346) den berindeten Nadelholz-
Abschnitten.
Weit beachtenswerther für die Praxis sind dagegen die auch
entrindete Hölzer und namentlich verarbeitetes Nadelholz angehenden
Formen, besonders der Hausbock.
Beschreibung. Callidium (Hylotrupes Serv.) bajulus L. Käfer:
Fühler auf der Stirn entfernt von den Kiefern eingelenkt. Augen tief ausgerandet.
Halsschild an den Seiten stark gerundet und erweitert, breiter als der Kopf
und als seine eigere Länge, unbewafinet, mit zwei glänzenden flachen Höcker-
chen auf der Scheibe. Gelenkhöhlen der Vorderhüften nach hinten offen, letztere
durch einen breiten Fortsatz der Vorderbrust getrennt. Hinterschenkel kürzer
als der Leib, pechschwarz oder braun, Flügeldecken mit einigen weissbehaarten,
nicht scharf begrenzten Flecken. Länge 8—20 nım.
Larve nach dem Cerambyeinen-Typus gebaut und namentlich den Larven der
Untergattung Callidium im engeren Sinne nahe verwandt, aber durch eine jeder-
seits ausserhalb von den Fühlern stehende, senkrechte Reihe von drei Augen-
punkten, wenig festes, glänzendes, schwach längsgeritztes Vorderbrustschild mit
deutlicher Mittellinie und zwei kurzen Seitenfurchen sowie in feine Wärzchen
zertheilte, in der Mitte etwas längsgefurchte Haftscheiben unterschieden. Körper
sparsam behaart, After Y-förmig, keine hinteren Chitinspitzen. Länge 20 —22 mm.
Cal. violaceum L. Käfer: Halsschild flach, dicht und grob gleichmässig
punktirt. Flügeldecken grob gerunzelt und gekörnt. Oberseite dunkelblau. Vor-
derhüften aneinanderstossend, Fühler bei { und ® kürzer als der Körper.
Länge 10—15 mm.
Larve nicht näher bekannt.
Lebensweise. Diese ist eigentlich nur bei dem Hausbocke
etwas genauer beobachtet. Derselbe ist ein Nadelholzinsekt, welches
im Freien in Stöcken, Planken, Brettzäunen u. s. f. lebt, aber namentlich
auch bearbeitete und in Gebäuden verbaute Nadelholzbalken, sowie
Möbel aus Kiefern-, Fichten- und Tannenholz aufsucht. Das Weibchen
belegt die Ritzen mit Eiern, und die Larven durchfressen, wenn sie
ungestört bleiben, wenigstens so weit der Splint reicht, das Holz mit
der Faser folgenden, im Querschnitt elliptischen Gängen dermassen,
dass häufg nur ganz dünne Scheidewände zwischen den mit Nage-
spänen dicht erfüllten Hohlräumen übrig bleiben. Dieser Schaden ist
deshalb schwer zu entdecken, weil die Larven, wie die der ähnlich
lebenden Anobien (vgl. S. 346), die äussere Oberfläche völlig ver-
schonen, und sogar die Käfer sich häufig nicht einzeln durchfressen,
sondern nacheinander durch ein und dasselbe Flugloch das Holz ver-
lassen, so dass also ein anscheinend ganz gesunder Balken völlig
morsch sein kann. Ja es scheint nach den Schilderungen von PERrRIS
[I0 a, S. 456— 459], dem wir hier vorzugsweise folgen, dem aber
Nörpuinger [XXIV, S. 41] widerspricht, nicht unmöglich, dass
sich die Käfer, ohne das Holz zu verlassen, im Inneren wieder weiter
fortpflanzen. Wenigstens kamen in dem Hause dieses französischen
Forschers neun Jahre lang aus einem eingegipsten Kiefernbalken
immer wieder Käfer hervor. Auch Arrun [XVI, III, 1, S. 339] kennt
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde, 38
556 Kap. IX. Die Käfer.
einen Fall, in welchem aus einem Hausgeräth, das vor acht Jahren
angefertigt war, sich ein Käfer herausnagte. Es ist aus diesem Grunde
auch sehr schwer, die Generation festzustellen. Die Larve soll nach einer
von STEPHENS herrührenden, von Wesrtwoon mitgetheilten Beobach-
tung so feste Kiefer haben, dass sie sogar durch Bleiplatten, mit
denen ein Balken beschlagen war, zahlreiche Löcher frass.. Am ge-
fährlichsten wird dieser Käfer wohl dort, wo er Gebälk angeht; einen
Fall, in welchem im Laufe von 25 Jahren der Dachstuhl eines Hauses
in Marburg völlig zerstört wurde, berichtet Aurum [XVI, III, 1, S. 339],
und uns selbst ist im Jahre 1886 ein ähnlicher Fall aus Franken-
berg in Sachsen bekannt geworden.
Aehnlich, wenn auch minder grossartig ist der Schaden, den
Cal. violaceum L. anrichtet, welches ausser in Nadelhölzern auch in
Laubhölzern lebt, z. B. von Nörpuinger |[XXIV, S. 41] aus Erle
erzogen wurde.
Abwehr. Ist einmal Holz von den Larven angegangen, so
sind Vertilgungsmittel gegen sie wohl nicht anwendbar. Als
wesentlichstes Vorbeugungsmittel ist die Vermeidung der Ver-
wendung von Splintholz anzurathen, welches viel mehr wie Kernholz
den Angriffen unterliegt. Wie Aurum ferner sehr richtig bemerkt,
dürfte „Theer- oder Kreosotölanstrich” einen neuen Holzbau gleich-
falls schützen. Im Uebrigen verweisen wir auf die von uns bei Be-
sprechung der Anobien (8. 347) berichteten Versuche von NÖRDLINGER,
Holz durch verschiedene Imprägnationsflüssigkeiten zu schützen.
Als Feinde aller Gewerbe, welche hölzerne Fassreifen brauchen,
sind noch folgende zwei Formen anzuführen:
Beschreibung. Callidium (Graeilia Serv.) pygmaeum Far. (Saperda
niinuta FABr., Cal. pusillum Fasr., (al. vwini Panz.). Käfer: Augen grob
facettirt, deutlich getheilt. Fühler auf der Stirn eingelenkt. Letztes Glied der
Kiefertaster Klein, nicht länger als das vorletzte. Halsschild unbewaffnet, länger
als breit, kaum breiter als der Kopf, nach hinten verengt, sehr fein und dicht
punktirt. Gelenkhöhlen der Vorderhüften nach aussen geschlossen, nach hinten
weit offen. Flügeldecken schmal, ziemlich flach, weitläufig seicht punktirt. Ober-
seite braun, fein behaart. Länge 45—6nım.
Larve nach dem Cerambyeinen-Typus gebaut, schlank und weiss, sparsam
behaart, mit nicht ganz kurzen Fühlern, jederseits mit einem, nach ScHIÖDTE aus
fünf Einzelaugen bestehenden Punktaugenflecke, sehr kurzen Beinen und in der
en ek fein genetzten Haftscheiben. Länge 6—7mm [l4c, S. 464 und
16, S. 413].
Cal. (Phymatodes Mus.) lividum Rossı (melancholicum FABr., brevicolle
ScHÖönH., thoracicum Com.). Käfer: Flügeldecken dicht und tief runzelig
punktirt, braun mit blauem Schimmer oder violett, Halsschild weitläufig tief
punktirt, mit drei Längsschwielen, rothgelb oder braun, mit violettem Schimmer
und nur die Mittellinie gelb. Unterseite braun, Fühler hellbraun, ihr drittes
Glied länger als das vierte. Vorderhüften aneinander stossend. Beine gelb,
theilweise bräunlich. Länge 7—10 mm.
Larve nach dem Cerambyeinen-Typus gebaut, 9—11mm lang.
Lebensweise. Beide Arten stimmen darin überein, dass sie in den ab-
gestorbenen oder abgeschnittenen Aesten verschiedener Laubhölzer brüten.
Cal. pygmaeum Far. ist polyphag, doch scheint es bei uns hauptsächlich die
Birke [Scauirr 17], in Frankreich die Edelkastanie [l42, S. 465] zu bewohnen,
Hausbock u. Fassreifen zerstörende Böcke. Literaturnachweise. 587
kommt aber auch in Weide, Eiche, Weissdorn, Pfaffenhütchen, Rose
und Brombeere vor, und ist von uns selbst aus Buche und Hainbuche
gezogen worden. Cal. lividum Rossı ist dagegen mehr auf Eiche und im Süden
namentlich auf Edelkastanie angewiesen. Der Frass beider — wir kennen
den der zweiten Art nur aus der Beschreibung von Perrıs [I45, 8. 432] —
scheint sehr ähnlich zu sein. Cal. pygmaeum Farr. belegt die Basis der Ast-
ansätze mit einer Reihe von Eiern, und die auskommenden Larven fressen nun
bald nach unten, bald nach oben in Rinde und Holz, bei ihrem späteren Wachs-
thum hauptsächlich in letzterem, tiefe, scharfe, allmählich sich verbreiternde,
anfangs parallel verlaufende, später unregelmässig gekrümmte Längsgänge. Nach
Vollendung des Wachsthums wenden sie sich von der Richtung ihres Ganges
nur so weit ab, dass sie schräg in das Innere des Holzes dringen und hier eine
Puppenwiege mit ovalem Eingange nagen, aus welcher dann das Insekt durch
ein gleichfalls ovales Flugloch sich befreit. Die Generation scheint zweijährig,
vielleicht sogar mehrjährig zu sein (vgl. aber S. 559). Da immer nur bereits
abgestorbene oder eingeschlagene Stangen mit Eiern belegt werden, so kann
von einem physiologischen Schaden nicht die Rede sein, und der technische
Schaden ist auch nur in dem einen, aber, wie es scheint, recht häufigen Falle
wirklich namhaft, wenn nämlich zu Fassreifen verwendetes Material angegriffen
wird. Die Fassreifen werden dann häufig so geschwächt, dass sie platzen oder
wenigstens ersetzt werden müssen. Diese Thiere sind daher namentlich in Frank-
reich, wo besonders Edelkastanienreifen zu Weinfässern verwendet werden, von
den Weinbauern und -Händlern sehr gefürchtet, und es ist oft vorgekommen,
dass in Folge durch sie verdorbener Reifen Fässer während der Gährung ge-
sprungen sind. Als Vorbeugungsmittel wird von Prrrıs die Lagerung der Fässer
in völlig dunklen Kellern empfohlen,
Uebrigens können nach Perrıs [l4b, S. 465 und 466] und NÖRDLINGER
[XXIV, S. 41] auch berindete Weidenruthen, namentlich aus solchen hergestellte
Körbe geschädigt werden. In dem Falle von Prrrıs war allerdings der Haupt-
schädling Leptidea brevipennis Murs. Sollte wirklich einmal ein Schaden an
Weidenruthenvorräthen bei uns eintreten, so könnte dies nur an ungeschälten
Ruthen der Fall sein, und es wäre dem Insekt durch Dörren oder Schälen der
Ruthen beizukommen.
Literaturnachweise zu dem Abschnitte „die Bockkäfer”.
1. Antemann. Der Insektenfrass in der Oberförsterei Guttstadt u. s. f.
Grunert’s forstliche Blätter, Heft 6, 1863, S. 89—111. — 2, Arrtum,
B. a) Cerambyx fascieularis, Bostrichus bidens und Hylesinus minimus
nach einem Herbststurm im Kiefernwalde. Zeitschrift für Forst- und
‚Jagdwesen VII, 1875, S. 126—128. b) Der Ahornbockkäfer, Callidium
insubricum Germ. Daselbst VII, 1875, 8. 129—134. c) Der Alpen-
bockkäfer. Daselbst X, 1879, 5. 402—404. d) Die den Weidenhegern
schädlichen Insekten. Daselbst XI, 1879, S. 17—22. e) Der Hasel-
bockkäfer. Daselbst XI, 1879, S. 328. f) Wipfeldürre der Kiefern-
überständer. Daselbst XVI, 1884, $S. 21—29. — 3, Cnapuss, M. T.
et CAup&ze, M. E. Catalogue des Larves des Col&opteres etc. ME&-
moires de la Soc. Roy. de Liege, VIIL, S. 341—653. — 4. Czecn, J.
Saperda populnea in Weiden. Centralblatt für das gesammte Forst-
wesen IV, 1878, S. 433 und 434. — 5. Eıcnnorr, W. Technisch
schädliche Forstinsekten. Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen XV,
1883, S. 221. — 6. Freiscuher, A. B. Der Fichtenborkenkäfer im
Böhmerwalde, seine Mithelfer an dem Zerstörungswerke u. s. f. Vereins-
schrift des Böhm. Forstvereins, Heft 99, S. 1—42. — 7. GAnGL-
38*
588 Kap. IX. Die Käfer.
BAUER, L. Bestimmungstabellen der europäischen Colespteren VII und
VIII. Cerambyeidae. Verhandl. der Zoolog.-botan. Gesellschaft in
Wien 1881 und 1883. — 8. Hergzr, E. Beiträge zur Naturgeschichte
der Insekten. Sitzungsber. der math.-naturw. Olasse der kais. Akad.
d. Wiss. z. Wien IX, S. 927, 1853, Decemberheft. — 9. Hrawsa, A.
Tetropium luridum et fuscum. Vereinsschrift des Böhm. Forstvereins,
Heft 105, 1879, S. 78—85. — 10. Kerer, C. Zur Lebensweise von
Cerambyx heros Fabr. Schweizerische Zeitschrift für das Forstwesen
1885, 85. 10—13. — Il. Körpren, Th. Die schädlichen Insekten
Russlands. 8. Petersburg 1880. — I2, Krause, J. A. Lehrbuch der
rationellen Korbweidenkultur. Aachen 1886. 4. Aufl. — 13. Paury, A.
Ueber die Generation des Fichtenbockkäfers, Callidium luridum.
Allgem. Forst- und Jagdzeitung LXI[V, 1888, S. 309—312. — 14. Perrıs,
Ep. a) Histoire des Insectes du Pin maritime. Annales de la soeiete
entomolog. deFrance, 3i®me s&r,, IV, Paris 1856, S. 440—486. b) Larves
de Coleopteres. 8. Paris 1877. — I. Rırzesure. Forstiasekten-
sachen Nr. 5. Fichtenbockkäfer etc. Grunert forstliche Blätter, Heft 5,
1863, 8. 164 und 165. — 16. Scniöore, J. C. De metamorphosi
eleutheratorum observationes. Pars IX. Cerambyces. Naturhist. Tid;skr.
X, 8. 369—458. Kopenhagen 1876. — I7, Schmitt. Entwickelungs-
geschichte von Gracilia pygmaea. Stettiner entomologische Zeitung IV,
1843,18. 108-107.
Die Blattkäfer.
Die Blattkäfer, Chrysomelidae, umfassen eine grössere Reihe kleiner,
bis mittelgrosser, blattfressender, häufig lebhaft und besonders metallisch
gefärbter, tetramerer Käfer, von einer im ganzen cylindrischen oder halb-
kugeligen, gedrungenen Leibesform, mit rüssellosem Kopfe und kurzen,
ungebrochenen Fühlern, deren meist ausgesprochen gefärbte, mit kurzen,
aber gut entwickelten Beinen versehene Larven gewöhnlich äusserlich
an denselben Nährpflanzen wie die Käfer selbst leben, und zwar manchmal
in einem aus ihrem Kothe erbauten, sackförmigen Gehäuse. Die Eier
werden gewöhnlich direkt an die Blätter der in den meisten Fällen
krautartigen Nährpflanzen abgelegt, und die Larve hängt sich zum
Zweck der Verpuppung entweder mit der Hinterleibspitze an ein Blatt,
oder geht in die Erde oder in die Bodendecke.
Ihr im ganzen nicht allzu hervorragender forstlicher Schaden setzt
sich in den meisten Fällen aus dem Larven- und Käferfrass zusammen
und wird eigentlich nur in den Weidenhegern wirklich empfindlich.
Systematik. Die Chrysomeliden werden in den entomologischen
Speeialwerken in vier grosse Unterfamilien getrennt und diese wieder
in kleinere Gruppen und zahlreiche Gattungen getheilt. Wir behalten
Literaturnachweise über Bockkäfer. Die Blattkäter. 589
bier die Unterfamilien bei und sehen die sie zusammensetzenden
Gruppen als Gattungen an, während wir die gewöhnlichen Gattungen
als Untergattungen betrachten.
Diese Unterfamilien reihen sich so aneinander, dass sich ein
allmählicher Uebergang von länger gestreckten, sich im allgemeinen
Habitus den Bockkäfern nahe anschliessenden Formen, den Eupoda,
durch die gedrungeneren, aber noch walzigen Gestalten der Campto-
somata, zu den fast halbkugelförmigen, typischen Chrysomeliden,
den Cyclica, und schliesslich zu den meist ganz abgeplatteten, mit ab-
wärts gewendeter Stirn und rückwärts verborgenen Mundtheilen versehe-
nen Cryptostomata, ergiebt. Wirthschaftlich sind Vertreter aller vier
Unterfamilien beachtenswerth, forstlich kommen aber, sogar wenn man
sehr streng rechnet, nur die beiden mittleren Unterfamilien in Betracht,
und wirklich bedeutenden Schaden haben nur Vertreter der Cyclica
gemacht,
Die drei ersten Unterfamilien, die Eupoda, Camptosomata und Cyclica,
stimmen darin überein, dass die Käfer den Kopf mit der Stirn nach vorn geneigt
oder senkrecht tragen, die Mundwerkzeuge daher ihre normale Lage haben,
während bei der vierten Unterfamilie, den Cryptostomata, die Stirn plötzlich
nach unten und hinten gebogen ist, sodass auch die Mundwerkzeuge nach
hinten gedrängt erscheinen.
Die 1. Unterfamilie, Eupoda, ist ausgezeichnet durch den läng-
lichen Umriss des Leibes, den hinter den Augen eingeschnürten Kopf und das
schmale, der scharfen Seitenränder entbehrende, gegen die breiteren Flügeldecken
scharf abgesetzte Halsschild. |
Sie zerfällt in drei grosse Gattungen, Sagra Farr., Donacia FApr. und
Crioceris GEoFF. Erstere, durch die weit auseinanderstehenden Vorderhüften
gekennzeichnet, in der Deutschen Fauna nur durch die Untergattung Orsodacna
vertreten und sonst im Wesentlichen aus tropischen Formen bestehend, ist wirth-
schaftlich ebenso unwichtig als die zweite, deren Mitglieder, wie schon der
Name Donacia, „Rohrkäfer”, andeutet, auf den verschiedensten Wasserpflanzen,
theilweise sogar unter Wasser leben. Diese letzteren erinnern in ihrem Habitus
so sehr an die Bockkäfer, dass sie früher geradezu als solche angesehen und
den Gattungen Leptura oder Rhagium beigezählt wurden, von denen sie sich
aber scharf durch die Lebensweise ihrer stets unter Wasser bleibenden und dort
an Pflanzen fressenden Larven unterscheiden. Die nahe bei einander eingelenkten
Fühler und die bedeutende Länge des ersten Hinterleibsringes unterscheiden die
Gattung Donacia wieder von der Gattung Crioceris, bei welch letzterer die
Fühler durch die ganze Breite der Stirn getrennt und der Hinterleibsring 1
höchstens so lang, wie 2 und 3 zusammengenommen, wird. Auch diese Gattung
ist forstlieh unwichtig, dagegen gärtnerisch beachtenswerth, da Cr. Lilii Scop.,
d. h. die schwarzbeinige Verwandte von Cr. merdigera L, als Larve und Käfer
die Gartenlilien an Blättern und Stengeln arg befrisst und Cr. 12-punctata L.,
sowie Cr. Asparagi L. in beiden Lebenszuständen unsere Spargelanpflanzungen
schädigen.
Die 2. Unterfamilie, Camptosomata, ist charakterisirt durch den der
vorigen gegenüber abgekürzten Umriss des walzenförmigen, also fast einen kreis-
runden Querschnitt besitzenden Körpers, den Mangel einer Halseinschnürung am
Kopfe, der sich unmittelbar an das mit scharfen Seitenrändern versehene Hals-
schild anschliesst und durch die Verwachsung der beiden Hinterleibsringe 4 und 5.
Ihren Namen verdankt die Unterfamilie aber den Larven, weil diese mit ihrem
bauchwärts „eingekrümmten Hinterleibe” in einem mehr oder weniger festen,
aus ihrem Kothe gebauten Gehäuse sitzen, welches sie, Kopf und Brust hervor-
streckend, mit sich herumschleppen. Sie zeigen also eine etwas höhere Kunst-
590 Kap. IX. Die Käfer.
fertigkeit als die Lilien-Crioceriden, deren Larven sich einfach mit ihren schmie-
rigen Exerementen überdecken. Wir unterscheiden zwei Gattungen.
Die erste, Clytra Lascnarr., ist als Käfer durch gesägte Fühler, genäherte
Vorderhüften und ein von den Flügeldecken bedecktes Pygidium, als Larve
durch die gewölbte Stirn und den dünnen, zerbrechlichen Larvensack, sowie durch
ihre halbparasitische Lebensweise in Ameisenhaufen ausgezeichnet und forstlich nur
insoweit erwähnenswerth, als sie eine Reihe ziemlich gleichgiltiger Laubfresser
an verschiedenen Holzarten umfasst. Die Gattung Cryptocephalus GEorFrF. ist
dagegen als Käfer durch fadenförmige Fühler, getrennte Vorderhüften und freies
Pygidium, als Larve durch flach gedrückte Stirn und dieken, festen Larvensack
kenntlich. Sie ist zwar sehr artenreich, es kommt aber nur eine einzige Form, und
zwar als ziemlich unbedeutender Nadelholz-Kulturverderber in Betracht.
Die 3. Unterfamilie, Cyclica, ist der neueren, etwas engeren Anfassung
nach charakterisirt durch die allgemeine Leibesform, welche bei den typischen
Gattungen eine etwas in die Länge gezogene Halbkugel darstellt, deren flache
Seite die Bauchseite des Käfers bildet. Die Oberseite von Kopf, Halsschild und
Flügeldeeken ist also in die gemeinsame Wölbung einbegriffen, der Kopf zeigt.
keine Halsverdünnung, und das sich meist unmittelbar an die Flügeldecken
anschliessende Halsschild ist an seiner Basis ebenso breit, wie letztere. Die
Hinterleibsringe sind sämmtlich frei, und das letzte Fussglied ragt weit aus dem
dritten, verbreiterten Gliede hervor. Die gewöhnlich freilebenden, seltener Blätter
minirenden Larven sind meist lebhaft gefärbt.
Wir trennen diese Unterfamilie in vier Hauptgattungen, Eumolpus Farkr.,
Chrysomela L., Galeruca Grorr. und Haltica Grorr., von denen die beiden
ersten und die beiden letzteren wieder enger miteinander verwandt sind.
Die Gattungen Eumolpus und Chrysomela stimmen darin überein, dass
ihre Fühler an der Basis weit getrennt, über den Wurzeln der Vorderkiefer ein-
gefügt sind. Dagegen sind bei Eumolpus die Gelenkhöhlen der kugeligen Vorder-
hüften rund und das vorletzte Fussglied immer tief zweilappig, während bei
Chrysomela die Gelenkhöhlen der queren Vorderhüften quergezogen sind und
das dritte Fussglied entweder ganz oder an der Spitze blos ausgerandet, nur
bei wenigen Arten zweilappig ist.
Bei Galeruca und Haltica sind dagegen die Fühler an der Basis genähert,
meist auf der Stirn zwischen den Augen eingelenkt, und Galeruca hat gewöhn-
liche Hinterbeine, während die von Haltica in Springbeine verwandelt erscheinen.
Alle vier Gattungen enthalten wirthsehaftlich beachtenswerthe Mitglieder, forstlich
sind aber nur solche der drei letzteren erwähnenswerth. Ausser diesen werden
wir aber auch noch kurz den in unserem Sinne zu der Gattung Chrysomela zu
rechnenden Kartoffel- oder Coloradokäfer erwähnen.
Die 4. Uxterfamilie, Cryptostomata, ist ausser durch die oben
bereits erwähnte Umbiegung des Kopfes nach hinten und unten, welche die
Rückwärtsdrängung der wenig entwickelten Mundtheile bedingt, noch dadurch
charakterisirt, dass die Fühler einander an der Basis noch viel mehr angenähert
sind als bei Galeruca und Haltica. Sie zerfällt in zwei grosse Gattungen.
Von diesen ist Hispa L. wesentlich aussereuropä sch und bei uns nur durch
drei kleine, aber sehr sonderbar aussehende Arten vertreten, während die Gat-
tung Cassida L. charakterisirt wird durch die starke Verbreiterung der Hals-
schildränder, welche sich unmittelbar an die ebenfalls nach aussen sehr er-
weiterten Flügeldeeken anschliessen, sodass eine schildkrötenähnliche, Kopf,
Brust und Hinterleib überdeckende Schale entsteht. Sie enthält eine grössere
Reihe von Europäern.
Auch in ihrer Larvenform sind beide Gattungen insoweit unterschieden,
als die Hispa-Larven farblose, schlanke, blattminirende Formen darstellen,,
während die breiten und häufig langbedornten Cassida-Larven äusserlich an
ihren Nährpflanzen leben und sich mit Hilfe einer Aftergabel mit einer ‘aus
ihrem Kothe gebildeten Hülle decken. Alle Cryptostomata sind forstlich unbe-
deutend, dagegen enthält die Gattung Cassida einige landwirthschaftlich schäd-
liche Arten, von denen Cassida nebulosa L. als Runkelrübenfeind am meisten
gefürchtet ist.
Systematik der Blattkäfer. Bestimmungstafel. 591
Wir geben nunmehr eine Tafel zur Bestimmung der von uns
angenommenen Gattungen.
Familie: Chrysomelidae.
Unterfamilie: Gattung:
4A. Stirn nach vorn geneigt oder senkrecht, Mund-
öffnung nach vorn oder unten gerichtet.
I. Kopf hinter den Augen halsartig einge-
schnürt, Halsschild ohne scharfen Seitenrand,
Flügeldecken viel breiter als der Grund des
Halsschildes, allgemeine Körpergestalt gestreckt Eupoda
a) Vorderhüften breit voneinander ge-
trennt, . . ee lenue Noyte Jede Sagra
b) Vorder hüften kaum auseinanderste- (Untergattung
hend. Orsodaena)
1. Grund der Fühler einander ge-
nähert, Hinterleibsring 1 sehr
lang. Wasserpflanzenbewohner . . . . . . Donacia
. Grund der Fühler von einander
entfernt, Hinterleibsring 1 nur
so lang wie Hinterleibsring 2
und 3 zusammen. Landpflanzen-
bewohner. . . Dee eripceris
II. Kopf hinter den Augen richt“ halsartig
eingeschnürt, Halsschild mit scharfem Seiten-
rande, Flügeldecken nicht oder nur wenig breiter
als der Grund des Halsschildes.
a) Körpergestalt walzenförmig. Hinter-
leibsring 4 und 5 verwachsen.
Larven bauchwärts eingekrümmte
tv
Sackträger . . . . Camptosomata
Te Flügeldecken das Pygidium be-
deckend . . . een Elyitra
2 et das Pygidium frei-
lassend . Den ar Cryptoce-
b) Körpergestalt einer etwas "langgezo- phalus
genen, planconvexen Linse ähnlich.
Larven freilebend .... . 2 Cyclica
1. Fühler am Grunde von einander
entfernt.
«) Vorderhüften kugelig, Fuss-
glied 3 tief ee zwei-
lappig . a
ß) Vorderhüften quer, Fuss-
glied 3 ganz oder vorn nur
ausgerandet, meist nicht
zweilappig Al : Chrysomela
2. Fühler am Grunde genähert.
a). Beimpaanı3r einfacher Ir. ar nen Galeruca
ß) Beinpaar 3 Springbeine .... . ... Haltica
B. Stirn nach unten gerichtet, Mundöffnung nach
hinten zurückgedrängt.. . . . . „ Cryptostomata
I. Rand des Halsschildes und der Flügel-
decken nicht seitlich erweitert. Larven minirend. .... . Hispa
II. Rand des Halsschildes und der Flügel-
decken erweitert, zusammenstossend und in
ein Kopf, Brust und Hinterleib weit über-
ragendes Schild verwandelt. Larven freilebend,
bedornt und eine Kothhülle tragend. ...:....... Cassida
592 Kap. IX. Die Käfer.
Die Diagnosen der forstlich beachtenswerthen und daher im
Folgenden aufgeführten Gattungen und Untergattungen — die zahl-
reichen anderen für uns nicht in Frage kommenden müssen wir
übergehen — sind folgende:
Gattung: Cryptocephalus. Käfer: Fühler fadenförmig, weit auseinander-,
stehend, am inneren Theile des Vorderrandes der Augen eingelenkt, Kopf nach
hinten nie halsförmig verengt, in das Halsschild eingezogen, mit senkrechter
Stirn. Vorderhüften durch einen mehr oder weniger breiten Fortsatz der Vorder-
brust getrennt, Hinterschenkel weit auseinanderstehend. Pygidum frei. Fuss-
glied 3 tief gespalten, zweilappig. Die 22 besitzen auf dem letzten Bauchring
eine grosse, tiefe, verschiedenartig begrenzte Grube, in welcher sie jedes Ei,
ehe sie es an der Nährpflanze befestigen, lange herumtragen, um es mit Koth
zu überziehen. Diese fehlt den SZ der meisten Arten.
Larve: Allgemeine Färbung weisslich, Kopf ziemlich gross, fest chitinisirt,
braun, flach und plattgedrückt, jederseits mit 6 Punktaugen und mit dreigliede-
rigen, kegelförmigen Fühlern. Der erste Brustring oben mit einer halbmond-
förmigen braunen Chitinplatte, die beiden anderen den Hinterleibsringen gleich,
ohne feste Platte. Die drei Beinpaare ziemlich lang, letztes Glied eine sehr
lange, scharf gebogene, braune Klaue darstellend. Die neun Hinterleibsringe
oben stark gewölbt und mit Querfurchen durchzogen. After quergespalten,
9 Stigmenpaare. Die Larven stecken, den Hinterleib gegen die Brust gekrümmt,
in einem festen, aus ihrem Kothe gebauten, eylindrischen, nach vorn verengten
Sacke, den sie an der schmalen Oefinung nur bis zum Hinterleibsring 1 ver-
lassen können und bei ihrem ruckweisen Fortkriechen aufgerichtet mit sich
schleppen [20, S. 84, 139].
Diese Hauptgattung zerfällt nach Weıse in 3 Gattungen oder Unter-
gattungen in unserem Sinne, von denen wir nur eine anführen.
Untergattung: Cryptocephalus Georr. im engeren Sinne. Küfer
länglich, stark gewölbt, von fast eylindrischer Gestalt. Kopf in das Halsschild
eingezogen, mit senkrechter Stirn. Augen gross, nierenförmig ausgerandet, Fühler
fadenförmig. Halsschild nach vorn verengt, vorn und an den Seiten stark ab-
wärts gewölbt, Hinterrand gegen das Schildchen etwas erweitert, der Vorder-
rand von vorn betrachtet einen den Kopf umfassenden Halbkreis bildend, Seiten-
ränder scharf gerandet. Das deutliche Schildehen gewöhnlich nicht in einer
Ebene mit den Flügeldecken, sondern nach rückwärts schräg aufsteigend. Drittes
Fussglied zweilappig. Ueber 150 europäische Arten.
Gattung: Chrysomela. Käfer gewölbt, länglich oder eiförmig, bis halb-
kugelförmig, oft metallisch gefärbt. Flugflügel meist entwickelt, Kopf gerundet,
niemals halsförmig verengt, bis zu den Augen in das Halsschild eingezogen,
mit senkrechter oder schräg vorgestreckter Stirn. Fühler weit auseinandergerückt,
etwas unter der Mitte des Innenrandes der Augen eingelenkt, nicht so lang wie
der Körper, die letzten Glieder etwas erweitert. Halsschild meist quer, an den
Seiten oft wulstig, fast so breit wie die Flügeldecken. Letztere mit wenig ent-
wickelten Schultern. Schildehen dreieckig. Vorderhüften quer, durch einen Fort-
satz der Vorderbrust getrennt. Hinterhüften auseinanderstehend. Fussglied 3
an der Spitze ganzrandig oder nur ausgerandet, meist nicht zweilappig.
Larven nach vorn und hinten verschmälert, in der Mitte gewölbt und am
breitesten, mit deutlich abgesetztem, chitinisirtem Kopfe, kleinen drei- oder vier-
gliedrigen Fühlern, zweigliedrigen Lippentastern und deutlichen Augenpunkten,
drei gut gesonderten Brustringen, von denen der erste gewöhnlich ein stärkeres
Chitinschild hat, drei gedrungenen, ein hakenartiges Endglied tragenden Bein-
paaren und einem neunringeligen Hinterleibe mit wulstigem, quergespaltenem,
im Leben nach unten gerichtetem After, der als Nachschieber dient. Gewöhnlich
mit zahlreichen, deutlichen, behaarten, dunkleren Warzen besetzt und im Allge-
meinen der freien Lebensweise auf der Oberfläche der Nährpflanzen entsprechend
entschieden gefärbt, nicht weisslich. Die hier gegebene Schilderung bezieht sich
aber nicht allein auf die Larven der Gattung Chrysomela, sondern ebensogut
Systematik der Blattkäfer. 593
auf alle freilebenden Formen der gesammten Unterfamilie der Cyclica, also
auch auf die Gattung Galeruca und soweit sie hier in Betracht kommt, auch
auf die Gattung Haltica, da wir die in Blättern minirenden Larven, welche
vielen Untergattungen der letzteren zukommen, hier nicht zu erwähnen haben
werden. Wir beziehen uns daher weiter unten immer auf diese Larvenform,
welche wir als typische warzentragende Chrysomelidenform bezeichnen.
Nach Weise [20] zerfällt unsere Hauptgattung in 17 Gattungen, welche
wir als Untergattungen betrachten, von denen aber nur die folgenden 4 forst-
liche Bedeutung haben.
Untergattung: Phytodeeta Kırz. (Gonioctena Repr».). Käfer länglich-
eiförmig, geflügelt. Färbung veränderlich, meist roth oder gelbroth. Kopf geneigt.
Augen oval, weit voneinander entfernt. Letztes Glied der Kiefertaster verbreitert
und abgestutzt. Die kurzen, das Halsschild nur mit zwei bis drei Gliedern über-
ragenden Fühler vom sechsten Gliede an gegen die Spitze allmählich verdickt.
Halsschild viel breiter als lang, an der Basis fast so breit wie die Flügeldecken,
nach vorn etwas verengt, ohne gewulstete Seitenränder, gleichmässig gewölbt,
an den Seiten meist grob punktirt. Flügeldecken punktirt-gestreift, mit scharfem
Nahtwinkel. Gelenkhöhlen der Vorderhüften nach hinten offen. Schenkel in der
Mitte verdiekt, Schienen nach der Spitze verbreitert, die der vier Hinterbeine
am Aussenrande vor der Spitze mit einem starken Zahn. Fussklauen am Grunde
gezähnt. 13 Europäische Arten.
Untergattung. Phyllodecta Kırs. (Phratora Repre.). Käfer sehr
lang, eiförmig, geflügelt, metallisch grün oder blau, violett oder messinggelb
varürend. Kopf geneigt. Fühler ungefähr so lang wie der halbe Körper, nur
schwach verdickt, schwarz, die beiden ersten Glieder unterseits röthlich. Hals-
schild quer viereckig, nach vorn etwas verengt, schmäler als die Flügeldecken,
an den Seiten fein gerandet. Flügeldecken ziemlich parallel, am Ende gemein-
schaftlich abgerundet, gereiht-punktirt, die Punktreihen nach der Spitze zu ver-
worren. Vorderbrust zwischen den Hüften verengt, ihre Gelenkhöhlen nach
hinten offen. Letzter Bauchring am Hinterende röthlich. Schenkel wenig ver-
diekt, Schienen nach der Spitze nur schwach erweitert. Fussglied 2 klein, 3
dagegen gross, breit, fast bis zum Grunde in zwei Lappen gespalten. Klauen am
Grunde gezähnt. 8 Europäische Arten.
Untergattung: Plagiodera Reprs. Käfer rundlich, eiförmig, oben
mässig gewölbt, unten abgeflacht, gefügelt. Kopf klein, fast bis zur Mitte der
gewölbten Augen in das Halsschild eingezogen. Fühler kurz, den Hinterrand
des Halsschildes kaum überragend, vom sechsten Gliede an nur mässig er-
weitert. Halsschild viel breiter als lang, ringsum fein gerandet, nach vorn stark
verengt, am Grunde fast so breit wie die Flügeldecken. Diese verworren punktirt,
in der Mitte am breitesten, mit ziemlich vorragender Schulterbeule. Vorderhüften
durch einen nur schmalen Fortsatz der Vorderbrust getrennt, ihre Gelenk-
höhlen nach hinten offen. Schenkel mässig diek, mit einer Rinne zum Anlegen
der Schienen, letztere aussen mit einer schwachen Rinne, welche die Basis
nieht erreieht. Fussglied 3 zweilappig, Klauen einfach. Nur 1 Europäische Art.
Untergattung: Melasoma Sren. (Lina Repre.). Käfer lang eiförmig,
mässig gewölbt, Kopf bis zur Mitte der lang-ovalen Augen in das Halsschild
eingezogen. Fühler kurz, den Hinterrand des Halsschildes kaum überragend,
vom siebenten Gliede an etwas erweitert. Halsschild viel breiter als lang, mit
seharfen Hinterwinkeln, nach vorn verengt, wenig gewölbt, ringsum fein ge-
randet, schmäler als die Flügeldeecken. Diese mit stark vortretenden Schultern,
hinter ihnen leicht eingeschnürt, dann verschieden verbreitert, hinten breit ab-
gerundet, verworren punktirt. Vorderhüften durch einen ziemlich breiten Fortsatz
der Vorderbrust getrennt, ihre Gelenkhöhlen nach hinten offen. Schienen am
Hinterrande mit einer fast bis zur Basis reichenden Rinne. Fussglied 2 schmäler
als 1 und 3, letzteres bei einigen Arten zweilappig, bei anderen nur aus-
gerandet. Klauen einfach. 8 Europäische Arten.
594 Kap. IX. Die Käfer.
Gattung: Galeruca. Käfer mehr oder weniger eiförmig, ziemlich weich.
Kopf klein, schmäler als das Halsschild, mit ovalen, mitunter stark gewölbten
Augen. Nur bei den Jg einiger Luperus-Arten ist der Kopf mit den Augen
so breit oder breiter wie das Halsschild. Die fadenförmigen Fühler halb so lang
als der Körper oder länger, in runden Gruben einander genähert eingefügt,
entweder in einer Linie zwischen dem Unterrand der Augen, oder etwas höher
auf der Stirn; zwischen.den Fühlergruben befindet sich ein Längskiel, über
dem fast immer zwei kleine Beulen stehen. Das viereckige Halsschild meist
breiter als lang, schmäler als die Flügeldecken, häufig mit grubenförmigen Ein-
drücken. Flügeldecken nach hinten erweitert, selten fast gleiehbreit, mit deut-
liehen Schultern, hinten einzeln oder gemeinschaftlich abgerundet. Schildehen
deutlich, Vorderhüften zapfenförmig vorragend, sich einander berührend, Beine
einfach, Hinterschenkel nicht verdickt. Fussglieder mässig breit, ihre Sohle
filzig oder bedornt, meist ist Glied 1 das längste, 2 das kürzeste. Klauen einfach
oder gezähnt oder gespalten.
Diese Hauptgattung zerfällt in 12 Untergattungen in unserem Sinne, von
denen aber nur die vier folgenden forstlich wichtige Arten enthalten.
Untergattung: Agelastica Reprs. Käfer breit, geflügelt, oben kahl,
glänzend blau, Fühler länger als der halbe Leib. Der durch die hohen Ränder
der Fühlergruben gebildete Längskiel zwischen den Fühlern mit tiefer Rinne.
Halsschild viel breiter als lang, an den Seiten ziemlich breit, am Vorder- und
Hinterrand fein gerandet. Flügeldecken am Grunde etwas breiter als das Hals-
schild, nach hinten bauchig erweitert, den Hinterleib bedeckend, ihr umgeschlagener
Seitenrand vorn mässig breit, nach rückwärts ganz fein, auf dem vorderen Drittel
rinnenförmig vertieft. Gelenkhöhlen der Vorderhüften hinten offen. Schienen mit
deutlichem Enddorn, ihre Aussenkante glatt, nur an den Seiten mit Borsten-
härchen. Fussglied 1 so lang wie 2 und 3 zusammen, fast so breit wie das zwei-
lappige Glied 3. Klauen am Grunde zahnartig erweitert. Nur 1 Europäische Art.
Untergattung: Luperus Georr. Käfer weich, mehr oder weniger
gestreckt, schwach gewölbt, geflügelt. Kopf klein, mit den grossen gewölbten
Augen zuweilen so breit oder breiter als das Halsschild. Fühler dünn, faden-
förmig, beim ® fast so lang, beim d länger als der Körper. Zwischen den
Fühlern ein erhabener Längskiel. Halsschild breiter als lang, ringsum fein
gerandet, an den Seiten und am Grunde etwas gerundet. Flügeldecken am
Grunde breiter als das Halsschild, nach hinten kaum erweitert, unregelmässig
punktirt, den Hinterleib ganz bedeckend, ihr Seitenrand nur vorn deutlich um-
geschlagen. Beine schlank. Schienen eylindrisch, mit kaum sichtbarem Enddorn.
Glied 1 und 2 der Fussglieder schlank, etwas schmäler als das zweilappige
Glied 3, Glied 1 etwas länger als 2 und 3 zusammen. Klauen kurz, am Grunde
mit einem spitzen Zahn. Diese Gattung enthält einige 30, aber noch nicht
ganz sichergestellte, Europäische Arten.
Untergattung: Lochmaea Weıse. (Arimonia LaıcHArr.) Küfer etwas
sewölbt, geflügelt. Oberseite fast kahl, ohne Metallschimmer. Fühler des länger,
die des @ kürzer als der halbe Körper. Zwischen den Fühlern ein durch die
wulstigen Ränder der Fühlergruben gebildeter Längskiel. Halsschild breiter als
lange, ohne Querfurche am Grunde, nahe den Hinterecken ausgerandet und mit
grosser Grube jederseits auf der Scheibe. Flügeldecken unregelmässig punktirt,
nach hinten etwas erweitert; ihr Seitenrand, etwas verdiekt und abgesetzt, verläuft
bis zum abgerundeten Nahtwinkel als feiner, glatter Längswulst, der umgeschlagene
Theil dieses Randes ist wenigstens unter den Schultern breit und deutlich. Schienen
ohne Enddorn. Gelenkhöhlen der Vorderhüften hinten offen. Drittes Fussglied
zweilappig. Klauen gespalten. 8 Europäische Arten.
Untergattung: Galerucella CrorcHn. Käfer länglich, geflügelt, die
Oberseite dieht mit kurzen, feinen, anliegenden Härechen bedeckt, daher etwas
seidenglänzend. Fühler ungefähr halb so lang wie der Körper, in der Höhe des
Unterrandes der Augen eingefügt, voneinander so weit, wie von den Augen
abstehend, Glied 2 am kürzesten. Zwischen den Fühlern bilden die wulstigen
Ränder der Fühlergruben eine Rinne, deren Fortsetzung nach oben zwei meist
Systematik und forstliehe Bedeutung der Blattkäfer. 595
deutliche Querbeulen der Stirne trennt. Halsschild breiter als lang, nahe den
Hinterecken leicht ausgerandet. Flügeldecken unregelmässig punktirt, breiter als
das Halsschild, nach hinten kaum erweitert, den Hinterleib ganz bedeckend, ihr
umgeschlagener Seitenrand wenigstens unter den Schultern deutlich und breit,
letztere vorragend. Schienen ohne Enddorn. Gelenkhöhlen der Vorderhüften hinten
offen. Drittes Fussglied breit zweilappig. Klauen gespalten oder mit einem
kleinen, scharfen Zahn. 10 Europäische Arten.
Gattung: Haltica. Käfer meist ziemlich klein, sehr verschieden gestaltet
und gefärbt, meist geflügelt. Kopf bis zu den Augen oder ganz in das Halsschild
eingezogen. Hinter und zwischen den Augen sehr verschieden gebogene Rinnen.
Stirn gewöhnlich mit 2 Beulen, zwischen den Fühlern mit oder ohne Längskiel.
Fühler 10-, 11-, selten auch 9 gliedrig, schlank und fadenförmig oder nach der
Spitze etwas verdickt, am Grunde einander genähert. Halsschild breiter als lang,
nach vorn verengt, mit oder ohne Eindrücke, verworren punktirt, an den Seiten
mit abgesetztem Rand. Schildehen dreieckig. Flügeldecken hinter den Schultern
etwas erweitert. Hüften quer. Die vier vorderen Beine einfach, an den hinteren
sind die Schenkel etwas verlängert und stark verdickt, Springbeine. Die Hinter-
schienen ebenfalls etwas verlängert, mit verschieden gestaltetem Enddorn. Fuss-
glied 1 am längsten, Glied 2 klein, 3 breit zweilappig oder herzförmig. Klauen
dünn und kurz, meist mit zahnförmiger Erweiterung am Grunde.
Die über 350 Europäische Arten umfassende Gattung wird von Weıse [20]
in 25 Untergattungen getheilt, von denen aber nur eine bisher forstlich beachtens-
werth wurde.
Untergattung: Haltica GeorFr. im engeren Sinne. Käfer länglich,
gestreckt, grün, blau oder bronzefarbig, glänzend, gefüsgelt. Taster, Fussglieder
und Fühler schwarz, die ersten Glieder der letzteren mit grünlichem Anfluge.
Stirnhöcker gross, ein starker Längskiel endet nach oben zwischen ihnen in einer
Spitze. Fühler 11-gliedrig, unter sich weiter entfernt als von den Augen, beim
® merklich länger als beim S. Halsschild hinten fein, an den Seiten breiter
gerandet, beiderseits neben dem Schildehen leicht ausgebuchtet, seine Oberfläche
gewölbt, vor dem Hinterrande mit einer Querfurche, welche an den Seiten durch
keine Längsfalte abgegrenzt ist. Flügeldecken verworren punktirt, bis hinter die
Mitte etwas erweitert und dann gemeinschaftlich abgerundet, dicht vor der Spitze
an der Naht etwas eingedrückt, Hinterschenkel spindelförmig verdickt. Gelenk-
höhlen der Vorderhüften hinten offen. Schienen seitlich behaart, die hinteren an
der Spitze mit einem kurzen, einfachen Dorn. Füsse an der Spitze der Schienen
eingelenkt, Glied 1 kürzer als die halbe Schiene, Glied 3 breit, zweilappig.
Klauen an der Basis zahnartig erweitert. 12 Europäische Arten.
Forstliche Bedeutung der Chrysomeliden. Ein Theil derselben
ist auf Holzgewächse angewiesen, deren Blattorgane sowohl Käfer als
Larvenäusserlich befressen. Esistdaher erklärlich,dassin den verschiedenen
Forstinsektenkunden, namentlich in den älteren, z. B. bei Becusrem [1],
eine grosse Anzahl von Arten aufgeführt wurden. Wir müssen uns
hier auf diejenigen beschränken, denen bereits eine wirkliche Schädi-
gung in grösserem Masse, namentlich durch den stets schädlieher als
der Käferfrass wirkenden Larvenfrass, nachgewiesen wurde, und können
ausserdem nur noch solche Formen berücksichtigen, die mit jenen
leicht verwechselt werden können oder irgend eine auffällige Beson-
derheit in ihrer Lebensweise zeigen.
Bei der grossen Gleichförmigkeit des Chrysomelidenfrasses können
wir diese nur nach den Frasspflanzen gruppiren und behandeln nach-
einander die Weiden- und Pappel-, Eichen-, Erlen-, Ulmen-
und Kiefern-Schädlinge.
596 Kap. IX. Die Käfer.
Die Weiden- und Pappelschädlinge sind unter allen Chryso-
meliden die einzigen, welche man forstlich mit Recht als sehr gefähr-
lich bezeichnen kann. Aus der grossen Menge der an Weiden fressenden
Arten kommen für uns aber nur einige grosse rothe, einige mittlere
gelbe und einige kleine dunkel-metallisch gefärbte Arten in
Betracht. Als Hauptvertreter der rothen Formen ist zu bezeichnen
der rothe Weiden-Blattkäfer,
Chrysomela Tremulae FApr.
Es ist dies ein fast 1cm langer Käfer, dessen einfarbig rothe
Flügeldecken scharf gegen die schwärzlich-blauen übrigen Theile-
und Glieder, namentlich gegen Halsschild und Kopf abstechen. Viel-
leicht in Verbindung mit seinen, häufig mit ihm verwechselten beiden
nächsten Verwandten, Chr. Populi L. und Chr. longicollis SUFFR.,
welche allerdings mehr Pappelkäfer zu sein scheinen, befrisst er die
Blätter, namentlich der Purpurweiden in so ausgedehntem Masse, dass
öfters seine Bekämpfung durch Abklopfen und Einsammeln der Käfer
nothwendig erscheint.
Beschreibung. Wir gehen hierbei von der als Typus der Unterga‘'tung
aufgestellten gemeinsten, aber, wie es scheint, für den Weidenzüchter weniger
bedeutsamen Form aus.
Chr. (Melasoma) Populi L. Käfer schwärzlich- oder grünlich-blau.’ Die
rothen Flügeldecken nach hinten etwas verbreitert, ihre äusserste Spitze schwarz.
Halsschild kurz, nach vorn etwas verengt, auf der schwach gewölbten Scheibe
fast glatt, äusserst fein punktirt, beiderseits mit einem nach vorn breiter werden-
den, nicht sehr hohen Längswulst, welcher wie der ihn nach innen begrenzende,
ziemlich flache, nach vorn ebenfalls etwas verbreiterte und gekrümmte Längs-
eindruck stark punktirt ist; die Seiten selbst sind entweder gleichmässig gerundet
oder vom Grunde aus fast parallel, und erst im vorderen Drittel gerundet ver-
engt. Drittes Fussglied zweilappig. Das Klauenglied an der Spitze des inneren
Randes in eine sehr kleine Kante vorgezogen. Länge 9—12 mm (Taf. II, Fig. 3 F.).
Puppe bräunlich-gelb und schön bunt gefärbt durch sehr regelmässig
symmetrisch gestellte, schwarze, eckige Flecke und Punkte. Mit der Hinterleibs-
spitze an ein Blatt angeheftet, gestürzt hängend.
Larve an beiden Enden verschmälert, auf dem Rücken wenig gewölbt,
weisslich, mit schwarzem Kopf und Gliedmassen, sowie regelmässig gestellten,
glänzend schwarzen Schildern und Wärzchen, Kopf mit dreigliedrigen, kurzen
Fühlern, zweigliedrigen Lippentastern und jederseits 6 Augenpunkten, von denen
die 4 inneren, im Viereck gestellten, grösser sind als die beiden äusseren. Brust-
ring 1 mit grossem, querem, schwarz gerändertem Chitinschilde und zwei schwarzen
Warzen. Brustring 2 und 3 mit je vier schwarzen Warzen und je einem seit-
lichen, schneeweissen Seitenhöcker. Die 8 ersten Hinterleibsringe oberwärts mit
8 Reihen schwarzer Zeichnungen, sodass jederseits der der Mittellinie zunächst
stehenden, aus kleinen, queren Schildeın zusammengesetzten Reihe sich nach
aussen je eine Reihe kegelförmiger Warzen, Stigmenplatten und rundlicher Borsten-
warzen anschliessen. Die Mittelplatten verschmelzen auf den vier letzten Ringen.
Unterseite der Hinterleibsringe mit 5 Reihen schwarzer Punkte. Aus den kegel-
förmigen Warzen auf der Oberseite der Hinterleibsıinge sind Drüsenschläuche
vorstreckbar, ‘ie einen scharf riechenden Saft absondern. Länge ungefähr 14
mm [2, S. 610 und 611, und V, I, S. 242]. (Taı. II, Fig. 3 ZL.).
Eier gelblich, langoval, aufgerichtet, haufenweise und gedrängt der Unter-
stite der Blätter angeklebt.
Weiden- und Pappelschädlinge. Chr. Tremulae und Verwandte. 597
Chr. (Melasoma) Tremulae Fapr., Surrr. (saliceti Weısz). Käfer der
Chr. Populi L. in Gestalt und Färbung sehr ähnlich, aber kleiner. Halsschild
mit etwas stärkeren, nach innen ebenfalls verflachten, stark punktirten Längs-
eindrücken und etwas stärker hervortretenden Seitenwülsten; seine Seiten sind
bis zum ersten Drittel entweder gleichbreit oder bis dahin unmerklich verengt,
nach vorn gerundet-verengt, mit ziemlich spitzigen Vorderecken, manzhmal vor
den Hinterecken etwas eingezogen. Flügeldecken ohne schwarze Spitze. Drittes
Fussglied nur ausgerandet. Klauenglied an der Spitze der Unterseite jederseits
nur mit einem ganz schwachen, nicht leicht sichtbaren Zähnchen. Länge 7'5—9 mm.
Larve derjenigen von Chr. Populi äusserst ähnlich, aber etwas kleiner,
mi; ganz schwarzem Chitinschilde auf Brustring 1 und schwärzlichem Anflug über
den ganzen Körper [KrıngELHörrer 17].
Chr. (Melasoma) longicollis Surrr. (Tremulae Weıse). Käfer der Chr.
Populi L. und Chr. Tremulae Faer. nach Gestalt und Färbung sehr ähnlich,
so gross wie letztere. Halsschild etwas kürzer als bei dieser, vor den nach
aussen etwas vorspringenden Hinterecken zuerst etwas eingezogen, dann all-
mählich schwach erweitert, sodass seine grösste Breite in oder dicht vor dem
ersten Drittel liest, hierauf nach vorn in starker Rundung verengt, mit dicken,
stumpfen Vorderecken; der grob punktirte Seitenwulst von einem tiefen, grob
punktirten Eindrucke begrenzt, welcher gleich tief und gleichmässig in flachem
Bogen gerundet von der Basis bis zum Vorderrande verläuft. Flügeldecken ohne
schwarze Spitze. Drittes Fussglied nur stark ausgerandet Klauenglied an der
Spitze der Unterseite jederseits in e’nen ziem!ich grossen Zıhn ausgezogen.
Länge 7:5—10 mm.
Larve nicht näher beschrieben.
Lebensweise und Schaden. In dieser Beziehung stimmen wohl
alle hier genannten rothen Arten überein. Die überwiaternden Käfer er-
scheinen bei dem Laubausbruche und belegen die Blätter aufder Unterseite
mit kleinen, gelblichen, langgestreckten Häufchen aufrechtstehender Eier.
Die Käfer und die bald ausschlüpfenden Larven vereinigen sich nun
zur Skeletirung und Durchlöcherung der Blätter; namentlich die
Skeletirung geht häufig so weit, dass das Blattfleisch ganz ver-
schwindet und nur die Rippen übrig bleiben. Die Verpuppung, zu
welcher sich die Larven mit dem Kopfe nach abwärts aufhängen,
geschieht an den Blättern, an welchen die Puppen, gestürzt, fest
anhängen. Die jungen Käfer erscheinen im Hochsommer und können
nun unter günstigen Verhältnissen noch eine zweite Generation er-
zeugen, welche dann entweder, wie auch Tascnexgere [XVIIl, S. 200]
beobachtet hat, bereits im September zum Abschluss kommt, oder sich
auch bis kurz vor Eintritt der Herbstfröste hinziehen kann. Auf jeden
Fall überwintern schliesslich die Käfer in den verschiedensten Boden-
verstecken. Als Frasspflanzen werden im Allgemeinen meist die ver-
schiedenen Pappelarten, namentlich die Aspen, angegeben, und man
kann sich sehr häufig davon überzeugen, wie stark namentlich die
Blätter der Aspenstockausschläge befallen werden. Die unter Um-
ständen zweimal im Laufe eines Sominers sich wiederholende Blatt-
vernichtung kann da, wo man auf Erziehung von Aspen Werth
legt, einen merklichen Zuwachsverlust mit sich bringen. Wirklich
als sehr schällich betrachtet man die rothen Blattkäfer aber erst,
seitdem man gefunden hat, dass sie auch Weiden, namentlich die
Purpurweiden, angehen und hierbei die Entwickelung der Ruthen so
t
em
IS Kap. IX. Die Käfer.
wesentlich beeinträchtigen, dass oft nur ganz werthloses Material
geerntet wird. Es ist aber hervorzuheben, dass man bei der nicht
ganz unbeträchtlichen Schwierigkeit, die drei Arten auseinander zu
halten, noch nicht sicher weiss, ob alle drei Arten gleichmässig an
den Weiden fressen oder ob nicht vielleicht hauptsächlich die, neuerdings
von Weise ja auch in Ohr. saliceti umgetaufte, von ihm auf Salix triandra
L. gefundene Chr. Tremulae Fagr. den Hauptschaden verursacht.
Letztere Art fand auch Arrum [XVI, III, 1, S. 362] schon vor längerer
Zeit auf Weidengebüsch am Emsufer, und derselbe Autor berichtet ferner, dass
sie 1882 in den Weidenhegern des Freiherrn von MırkAu zu Trieb-Nassanger
in Franken an Salix purpurea in verheerender Weise auftrat [Ig, S. 608].
Ferner berichtet Krane [I3, S. 195 und 244], dass in seinen Weidenhegern
zu Prummern bei Aachen von diesem Käfer ausschliesslich die Purpurweiden
und ihre Bastarde angegangen würden. Nach diesem genauen Beobachter ver-
schont das Thier die eigentliche Spitze der jungen Ruthe und hält sich nur an
die zarteren Blätter, welche der Käfer nur am Rande zackig ausfrisst, während die
Larve sie skeletirt.
Einen Fall, dass auch Chr. Populi sich auf Weiden schädlich gezeigt habe,
berichtet Aurum [Id, S. 21] nach Oberförster Morges aus dem Revier Züllsdorf,
wo von Mitte Mai an die ersten, die besten Ruthen gebenden Ausschläge von
Salix purpurea nach und nach so verstümmelt wurden, dass sie entweder ein-
singen oder nur geringwerthiges Material lieferten. Das Gleiche trat nach ALrum
lc, 8. 219] in der Weidenschule zu Bruck bei Erlangen ein, wo ausser der
Purpurweide auch Salix pentandra, pentandra alba und pentandra fragilis,
sowie die Varietäten von S. rubra und S. viminalis geschädigt wurden. Das-
selbe kam vor in den berühmten Weidenhegern zu Messdunk [Id, S. 482].
Als wichtigste Vertreter der mittleren, gelben, unsere Weiden-
heger schädigenden Blattkäfer sind zu betrachten
der Sahlweiden-Blattkäfer,
Galeruca Capreae L. (Taf. II, Fig. 1) und
Gal. lineola FApr.
Diese 4—6 mm langen, oberwärts matt ledergelben Käfer mit
schwarzem Kopfe und kleinen, ebensolehen Zeichnungen auf dem
Halsschilde und wohl auch auf den Schultern sind für den Nicht-
entomologen unter den Weideninsekten höchstens noch mit der
ebenfalls zur Noth als gelb zu bezeichnenden, gelbrothen Chrysomela
viminalis L. zu verwechseln, welche sich aber bei genauerer Be-
trachtung sofort durch die gewölbtere Form, röthlichere Färbung,
stärkeren Glanz und häufig weit grössere schwarze Fleckung, nament-
lich auf den Flügeldecken, unterscheidet. Auch ist diese letztere
Form, wenngleich sie auf Weiden oft massenhaft angetroffen wird,
in der Praxis noch beiweitem nicht so schädlich geworden, wie ihre
beiden Vorgänger, und wird deshalb hier nur beiläufig erwähnt.
Gal. Capreae und Verwandte sind zwar nicht monophage Insekten,
sondern gehen an verschiedene Laubhölzer, wurden aber erst in
neuerer Zeit wirklich beachtenswerth, seitdem man nämlich weiss,
dass sie in Weidenhegern die Ruthenernte wesentlich beeinträchtigen
können.
Chrysomela Tremulae u. Verw. Galeruea Capreae u. Verw. 599
Beschreibung. Gal. (Lochmaea, Adimonia) 'Capreae L. Küfer auf
der Unterseite mit schimmernden Härchen besetzt. Die einfarbig ledergelben
Flügeldeeken ohne Rippen, dicht punktirt. Halsschild ledergelb, an deu Seiten
winkelig erweitert, sein Hinterrand an den Hinterwinkeln schräg nach vorn ab-
geschnitten, auf der Scheibe einige dunkel gefärbte Grübchen. Kopf, Brust,
Bauch, Schenkel und Schildchen schwarz. Stirn dicht runzelig punktirt. Schienen,
Füsse und die ersten Fühlerglieder gelb. Länge 4—6 mm.
Larve. Derjenigen von Chr. Populi sehr ähnlich und nur verschieden
durch geringere Grösse, etwas kürzere Beine, weiter voneinander entfernte
Warzen und Rückenschilder, welche auch kleiner sind. Auf dem sechsten
Hinterleibsringe bleiben die Mittelplatten noch unverschmolzen [V, I,S. 248 und
17, S. 90—92].
Gal. (Galerucella) lineola Fıer. Käfer auf der Oberseite leder- oder
röthlichgelb, fein seidenglänzend behaart. Kopf kurz mit schmalen, vertieften
Wangen. Flüsgeldecken ziemlich grob, nicht dicht punktirt, mit abgerundetem,
rechteckigem Nahtwinkel; die den umgeschlagenen Seitenrand begrenzende
innere Randlinie ist scharf und verbindet sich vor der Spitze etwas undeutlich
mit der äusseren Linie. Halsschild schmäler als die Flügeldecken, an den Seiten
in der Mitte winkelig erweitert, undeutiich grob punktirt, mit abgekürzter Mittel-
linie und jederseits mit einer grossen, flachen Grube. Die Spitze der einzelnen
Fühlerglieder, die Stirn über den Beulen, ein Fleck auf dem Halsschild, Schildchen,
Mittel- und Hinterbrust, Schulterbeulen und Bauch, mit Ausnahme der Spitze,
schwärzlich. Beine rothgelb. Länge 5—6 mm.
Larve nicht genauer bekannt.
Chr. (Phytodecta, Gonioctena) viminalis L. Käfer auf der Oberseite
rothgelb, mehr oder weniger schwarz gefleckt, selten ganz schwarz. Alle Schienen
am Aussenrande mit einem grossen Zahn. Flügeldecken regelmässig fein punktirt-
gestreift, mit fein punktirten Zwischenräumen. Halsschild in der Mitte fein, an
den Seiten grob punktirt, bei schwarzen Stücken ganz schwarz, sonst nur mit
schwarzer Quermakel an der Basis, seine Seiten stark gerundet. Unterseite
schwarz, Schienen oft braun. Fühlerglied 3 kaum länger als 5. Länge 5--7mm.
Larve im Allgemeinen nach dem gewöhnlichen Typus der warzigen
Chrysomelidenlarven gebaut, gelblich mit schwarzem Kopfe, Warzen, Schildern
und Beinen. Genauere Beschreibungen geben LErzxer [14, S. 109] und Corneuıus
[3, S. 165].
Lebensweise und Schaden. Die einzigen genaueren Angaben
macht Krane [I3, S. 193 und 243]. Wir geben sie hier fast wörtlich
wieder. Beide Arten der Galeruca verheeren in manchen Jahren
Hunderte von Morgen der Weidenheger von Prummern bei Aachen,
und zwar erscheint G. lineola früher als ihr Verwandter. Anfangs
April sind beide schon da, befressen die erst fingerlangen Triebe,
legen an die Unterseite der Blätter ihre Eier in Häufchen von un-
gefähr 20 Stück und sterben dann. In 8—14 Tagen kriechen aus
den Eiern kleine, braunschwarze Larven aus und fallen über die
neu entstandenen Seitensprossen her, diese in derselben Weise ver-
zehrend, wie ihre Eltern es mit den Hauptspitzen gethan haben.
Sie skeletiren die Blätter von der Unterseite her und sollen, im
Gegensatz zu den gleich zu erwähnenden, metallfarbenen Blattkäfern,
zuerst die Triebspitzen und dann erst die tiefer sitzenden Blätter
angehen. Die reife Larve begiebt sich in den Boden zur Verwandlung,
und bald ist eine zweite Generation der Käfer vorhanden. In einzelnen
Jahren wurde eine viermalige Verwandlung wahrgenommen. Die so
oft beschädigten Ruthen sind fast werthlos, sie haben nicht die ge-
hörige Länge und sind zu ästig. Die Käfer überwintern sehr wahr-
600 Kap. IX. Die Käfer.
scheinlich in der Bodendecke. Erscheinen sie bei ungünstiger Witterung
später, etwa im Juni, so ist der Schaden minder gross. Ihre Lieb-
lingsfrassbäume sind der Reihenfolge nach: Mandelweide, Salix
trianda L. (amygdalina L.), Hanfweide, S. viminalis L., und Sahl-
weide, S. Caprea L., sowie deren Bastarde. Auf Purpurweide,
S. purpurea L., und deren Bastarden mit S, viminalis hat Kraus
sie gleichfalls gefunden, ohne dass sie dort viel Schaden gethan hätten.
Gal. Capreae ist aber auch auf anderen Laubhölzern vielfach beob-
achtet worden. 1832 wurde sie von RATzeEsurg an jungen Birken bei Braun-
schwende im Harz in solcher Menge gefunden, dass infolge ihres Frasses
„das Eingehen der jungen Bestände auf weite Strecken mit Sicherheit zu er-
warten war” [17]. 1838 soll sich dieser Frass nach Prrır [V, I, S. 244] wieder-
holt und viele junge Birken „gänzlich zerstört” haben. Auch Nörnuinger [XXIV,
S. 44] berichtet Aehnliches. Die ihm gemachte Mittheilung, dass Ziegen in Folge
des Genusses von Aspenblättern mit Larven der Gal. Capreae eingegangen
wären, dürfte wohl auf Missdeutung beruhen.
Die kleinen, dunkelmetallischen Weidenblattkäfer,
Chrysomela Vitellinae L., Chr. vulgatissima L.,
Chr. Viennensis ScHrk. und Chr. versicolora LAICHART.,
sind trotz ihrer geringen Dimensionen in neuerer Zeit am wichtigsten
geworden, namentlich die beiden ersteren Arten. Sie verhindern
durch den Blattfrass ihrer Käfer und Larven die richtige Entwicke-
lung der Korbweidenruthen ebenso wie die rothen und gelben Weiden-
Blattkäfer, Während die Klagen über letztere aber bis jetzt nur
vereinzelt sind, haben diejenigen über ihre kleineren, erzgrünen oder
blauen Verwandten bereits einen ziemlichen Umfang erreicht und
die Praktiker angespornt, auf ihre Abwehr zu sinnen, die man durch
Abklopfen der Käfer von den Ruthen und Vernichten, sowie durch
Sammeln derselben in künstlich angelegten Winterverstecken erreichen
kann. Am verbreitetsten und auch am meisten gefürchtet ist die
gewöhnlich nur 4 mm lange, erzgrüne Chrysomela Yitellinae L., welche
sich von ihren beiden anderen, etwas grösseren und in der Regel
mehr blauen Verwandten dadurch unterscheidet, dass sie einen weniger
gestreckten Umriss hat, also im Verhältniss zur Länge breiter ist.
Chr. Viennensis ScHrk. unterscheidet sich von der ihr äusserst ähn-
lichen Chr, vulgatissima L. durch die tieferen Eindrücke auf dem
Halsschilde und, wenigstens bei den typisch gefärbten Exemplaren,
durch gelbe Schienen. Die bis jetzt von Seiten der praktischen Forstleute
noch nicht direkt grösserer Verwüstungen beschuldigte, aber sicher
auch vielfach in Masse auf Weiden fressende Chr. versicolora LAICHART.
ist durch ihren fast kreisförmigen Umriss leicht zu unterscheiden.
Beschreibung. Chr. (Phyllodecta, Phratora) Vitellinae L. Küfer
länglicheiförmig, nicht ganz doppelt so lang als breit, glänzend messinggelb, bald
mehr, bald weniger mit grünlichem Schimmer, oder ganz erzgrün, seltener blau.
Flügeldecken mit starken, hier und da geschlängelten Punktreihen und äusserst
fein und sparsam punktirten Zwischenräumen, von denen nur der achte so starke
Punkte hat, wie die Reihen. An den ziemlich kurzen Fühlern Glied 2 kürzer
Galeruca Capreae. Chrysomela Vitellinae u. Verwandte. 601
als 3. Schienen stets von der Farbe des Körpers. Länge 4—5mm. Diese Art
zeigt bezüglich des Körperbaues und der Punktirung an verschiedenen Fund-
orten wesentliche Abweichungen.
Larve nach dem Typus der warzigen Chrysomelidenlarven gebaut. Grund-
farbe trübweiss, auf der Mitte der Oberseite aber schwärzlich. Fester ehitinisirte
Theile, Kopf, Schilder, Warzen u. s. w. dunkelschwarz. Letztere bilden auf der
Oberseite des Leibes von der Mittelbrust an 8 Reihen. Auch auf der Unterseite,
in der Mitte jedes Ringes, findet sich eine schwarze Zeichnung |[3, S. 394 und
14, S. 106). Länge 5—7 mm.
Chr. (Phyllodeceta, Phratora) Viennensis ScHure. (tibialis SUFFR).
Käfer länglichoval, doppelt so lang als breit, glänzend metallischgrün oder blau,
auch messinggelb. Halsschild stark punktirt, mit deutlichen Eindrücken, ein rund-
licher, flacher, beiderseits nahe der Mitte des Seitenrandes, und ein länglicher, quer-
liegender, schmaler, am Hinterrande zu jeder Seite des Schildchens. Punktreihen
der Flügeldecken ziemlich stark, Zwischenräume äusserst fein punktirt, nur der
achte mit so grossen Punkten, wie die Reihen. Fühlerglied 2 kürzer als 3.
Schienen und Fussglieder bei der typischen Form röthlich gelbbraun, Schienen
mitunter theilweise oder ganz bläulich- oder metallgrün mit kupferigen Knieen,
Fussglieder dann mitunter schwarz. Länge 5—6 mm.
Larve der der Chr. Vitellinae sehr ähnlich, aber etwas schmäler und mit
fast durchaus russfarbiger, glanzloser Oberseite, die von einer helleren, gelblichen
Mittellinie durehschnitten wird, und trübgelber Grundfarbe der Bauchseite. Die
Spitzen der Seitenwarzen am Hinterleibe, sowie die Haare sind heller, als bei _
der vorigen Larve, mit welcher sie aber die Fleckung der Unterseite gemein
hat [3].
Chr. (Phyllodeceta, Phratora) wulgatissima L. (Vitellinae Gyıı.,
coerulescens Küsr.). Käfer langgestreckt, doppelt so lang als breit, glänzend
metallisch grünlich-blau, d‘e Färbung ändert ab in reines Grün, Blau, Violett,
Schwarz mit oder ohne Kupferschimmer. Auf den Flügeldecken die fünf inneren
Punktreihen ziemlich regelmässig, fein, etwas geschlängelt, mit äusserst fein
punktirten Zwischenräumen, die vier äusseren Punktreihen stärker, verworren. An
den Fühlern Glied 2 so lang oder etwas länger als 3. Schienen und Füsse stats
dunkel gefärbt. Länge 4—5 mm,
Larve von denen der vorhergehenden Arten wenig verschieden. Abgesehen
von den stärker chitinisirten Theilen, anfänglich heller, später aber sehr dunkel,
mit olivengrüner Mittellinie. Bauchränder und Behaarung weiss. Die Unterseite
ist im Gegensatz zu den beiden vorigen ganz ungefleckt [3],
Chr. (Plagiodera) versicolora LaıcHAart. (Armoraciae FABr., Salicis
Taonus.) Käfer ausgezeichnet durch seine rundliche Gestalt. Halsschild sehr fein,
zerstreut punktirt, fast dreimal breiter als lang. Flügeldecken viel stärker als
das Halsschild, verworren, stellenweise etwas gereiht-punktirt, mit einem schwachen .
Längswulst neben dem Seitenrande und deutlicher Schulterbeule. Die ersten fünf
oder sechs Fühlerglieder und die Fussglieder dunkelbraun oder röthlich. Ober-
seite blau, bald nach Grün oder Violett hinneigend; Kopf und Halsschild meist
etwas dunkler, als die Flügeldecken. Unterseite schwarzgrün oder schwarz.
Länge 2:5—4'5 mm.
Larve nach dem gewöhnlichen warzigen Chrysomelidentypus gebaut, aber
mit grünlicher Grundfarbe.
Die Lebensweise ist, wenigstens was den forstlichen Schaden
betrifft, bis jetzt genauer nur von Chr. Vitellinae L. beschrieben
worden, indessen dürfte kaum ein Zweifel darüber bestehen können,
dass vielfach in den Berichten die ersten drei zur Untergattung
Phyllodecta gehörigen Arten untereinander geworfen wurden, und
dass die meisten Angaben, soweit sie überhaupt richtig, für alle drei
gelten.
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde, 39
Diese Thiere überwintern als Käfer, und zwar in der Regel
nicht am Boden oder in der Bodendecke, sondern in der Höhe an
möglichst geschützten Stellen, zwischen zusammengeknäulten Blättern,
den Spitzenknospen junger 2—3 m hoher Kiefern, in hohlen Pflanzen-
stängeln, unter lockeren Baumrinden und sogar in Borkenkäfergängen.
Dass andererseits auch viele schliesslich in das am Boden liegende Laub
und zwischen die Ruthenstümpfe gelangen, versteht sich von selbst.
Diese wichtigen Thatsachen sind namentlich durch Aurum bekannt ge-
geworden, welchem hierüber zuerst Berichte aus der Weidenschule zu Bruck bei
Erlangen [Ic, S. 201], und Oberförsterei Züllsdorf, Regierungsbezirk Merseburg
(Id, S. 483], zugingen. Er selbst beobachtete dann 1880 auf dem Revier Grün-
walde, Regierungsbezirk Magdeburg, dass der Käfer in grosser Menge die Bohr-
gänge von Hylesinus crenatus an zwei alten Eschen bereits im August zu
Verstecken gewählt hatte, und fand im Nachbarrevier Lödderitz ein ähnliches
Verkriechen unter Kopfweiden- und Eichenrinde [If, S. 275].
Die Flugzeit der Käfer, in welcher sie mitunter sogar in
grösseren Schwärmen die Luft durchziehen, fällt gewöhnlich in den
April. Sie begeben sich dann in die Weidenanlagen, wo sie sowohl
die jungen Ausschläge, wie die Blätter der zwei- oder mehrjährigen
Wüchse angehen, und zwar nach Kranz [I3], im Gegensatze zu den
gelben Weidenblattkäfern, die tiefer stehenden Blätter vor den
höherstehenden. Sie legen nun ihre kornförmigen Eier in mit den
Spitzen zusammenstossenden Doppelreihen von eirca 20 Stück flach
auf die Unterseite der Blätter, und die auskriechenden Larven fressen
in dichtgedrängten Colonnen, Leib neben Leib reihenweise fortschreitend
das Blattfleisch der Unterseite auf. Zur Verpuppung begeben sie sich
in den Boden. Es können einander drei Generationen in einem
Sommer folgen.
Dass die Generation dieser Weidenfeinde wirklich eine mehrfache ist,
dafür sprechen alle Beobachtungen, namentlich die von Lerzxer [14] und Cor-
nELıUS [3]. Ja sogar bei Petersburg ist durch Körren [I2, S. 276] eine doppelte
Generation direkt constatirt worden. Es fiel hierbei die erste Puppenruhe von
6 Tagen in den Juli, die zweite von 12 Tagen in den Anfang des September.
Schwer lässt sich mit diesen positiven Angaben die oben erwähnte Beobachtung
von ALrtuM vereinigen, dass die Käfer bereits im warmen August ihre Winter-
verstecke beziehen.
Sämmtliche Arten sind in Europa weit verbreitet und gehen
auch in den Gebirgen und im Norden hoch hinauf. Namentlich ist
Chrysomela YVitellinae [I2, S. 276] von Lappland bis Transkaukasien
und von Frankreich durch Sibirien bis zur Amurmündung verbreitet.
Frasspflanzen sind für sie ausser den gleichfalls von ihnen an-
gegriffenen Pappelarten, namentlich die Weiden. Jedoch nicht alle
Korbweidenarten werden gleichmässig befallen. In der Weidenschule
zu Bruck waren es nach Arrum [Ice, $S. 217] die zarteren Arten,
namentlich Salix viminalis L. mit ihren Abarten, S. purpurea L. und
ihre Bastarde, unter ihnen wieder S. rubra Hups., die angegangen
wurden. Bei Knappwerden des Futters nahmen wohl die Käfer, aber
nicht die Larven, auch die Bastarde von S. triandra L. an. Letztere
selbst blieb in Züllsdorf völlig verschont. Diese Beobachtung bestätigt
Chrysom:la Vite'linae u. Verw. Abwehr der Weiden-Bla ttkäfer. 603
Kraus |I3, S. 243] bezüglich der Vorliebe für S. viminalis, erwähnt
dann aber als nächstbeliebte Futterpflanze die Sahlweide, S. Caprea L.
In neuerer Zeit, 1884, glaubt nun aber Arrum [IAR, 8. 188] in den
Weidenhegern des Eberswalder Stadtforstes gefunden zu haben, dass
ein Unterschied in dem Geschmacke der einzelnen Arten insofern
bestehe, als Chr. Vitellinae die S. purpurea, Chr. vulgatissima hingegen
die S. viminalis fast ausschliesslich annimmt.
Wie riesig die von Chrysomela Vitellinae angerichteten Schäden
sein können, geht daraus hervor, dass Kraus [I3, S. 204] einmal
seine Weidenheger so stark besetzt fand, dass er die Zahl der Larven
für jede einzelne Ruthe auf mindestens 100 Stück ansetzen konnte,
was also bei 200000 Sträuchern zu je 4 Ruthen 4 X 100 X 200000 —
80 Millionen auf das Hektar ergiebt. Oberförster Moxses [Id S. 483]
berichtet an Arrum 1880 aus Züllsdorf, dass eine Fortdauer der
Calamität die Existenz der dortigen Weidenanlagen ernstlich in Frage
stellen würde, der Ertrag habe sich bereits auf ein Drittel des
früheren verringert. Aehnliche Angaben sind aus verschiedenen Gegen-
den bekannt geworden.
Chr. versicolora trat 1888 in einer kleinen Weidenanlage an dem Schloss-
teiche zu Tharand als arger Fresser auf, während Chr. Vitellinae hier weniger
häufig war,
Abwehr der Weiden-Blattkäfer im Allgemeinen. Das
seit längster Zeit empfohlene und wohl auch wirksamste Abwehrmittel
ist gegen die Käfer selbst gerichtet und besteht in der Anpassung
deı bekannten Sammelmethode der Entomologen, des „Abklopfens’’,
an die Bedürfnisse der Praxis, also darin, dass die Käfer durch leise
Schläge von den Ruthen auf untergehaltene Gegenstände herabgeworfen,
dort gesammelt und vernichtet werden. Bei der grossen Ausdehnung,
die häufig die gefährdeten Weidenanlagen haben, handelt es sich
aber vornehmlich um die Anwendung geeigneter Werkzeuge, die ein
schnelles und sicheres Arbeiten gestatten. Die Art und Weise, wie die
Weidenstöcke in den Hegern vereinigt sind, also der Pflanzenverband
und die strauchartige Form verbieten von selbst das Unterlegen von
Tüchern oder das Unterhalten von Schirmen. Dagegen hat sich in
der Weidenschule zu Bruck hierzu ein niedriger, viereckiger Kasten
aus verzinntem Blech mit umgebogenem Rande bewährt, dessen Boden
mit einer dünnen, die Käfer am Entweichen hindernden Aschenschicht
bedeckt wird [Id, S. 484]. Krane [I3, S. 203] versieht dagegen mit
Vortheil die Arbeiter mit einer Art einräderiger Schiebkarre, die
einen niedrigen, 1 m langen und 30 cm breiten Kasten hat. Diese
wird mit ihren Bäumen in den Gürtel des Arbeiters eingeschoben,
der sie so vor sich her zwischen den Pflanzenreihen hinschieben kann
und doch die beiden Hände, in denen er Stöcke führt, zum Abklopfen
frei behält. Diese Methode bewährt sich aber nur da, wo die Weiden
noch richt hoch und nicht durcheinander gewachsen sind. Wo dies der
Fall ist, versieht Kraue Frauen mit um den Hals zu hängenden
Körben, in welche Tücher gelegt und beim Durchgehen durch die
39
604 . Kap. IX. Die Käfer,
Weidenreihen die Käfer hineingeklopft werden. Sowohl aus der Schieb-
karre wie aus den Tüchern lässt Krane die Käfer von Zeit zu Zeit
in einen Eimer voll Wasser, auf welches vorher eine Petroleumschicht
gegossen wurde, ausschütten. Mit Hilfe dieser Mittel konnte KrAHE
z. B. in acht Tagen durch 15 Personen täglich 21 Käfer fangen lassen,
was also, 1/ zu 52000 Stück gerechnet, im Ganzen 8736000 Käfer
beträgt. Auch gegen die Larven kann man ähnlich vorgehen. Es ist
dies aber schwieriger, weil die Larven fester sitzen als die Käfer.
Einen „Bürstenapparat”’, den Krane zu diesem Zwecke an der er-
wähnten Schiebkarre anbrachte und der gut gewirkt haben soll,
beschreibt er leider nicht näher. Bei den rothen Weidenkäfern, die
etwas grössere Larven haben, kann man in kleineren Verhältnissen
vielleicht auch durch direktes Larvensammeln etwas ausrichten.
Als Abwehrmittel gegen die Larven hat sich ferner in der
Weidenschule zu Bruck [lc, S. 218] eine „ziemlich scharfe Lauge
aus guter Holzasche’”’ bewährt. Die Arbeiterinnen mussten aber, da
ein Uebersprühen der Pianzen mittelst einer Art Giesskanne nichts
half, die Ruthen durch die rechte, in die Lauge getauchte Hand
ziehen. Weil sie diese Arbeit aber höchstens zwei Tage lang aus-
halten, wäre in Zukunft zu überlegen, ob man nicht zu diesem
Zwecke mit Vortheil zwei weiche, langhaarige Bürsten verwenden
könnte, zwischen denen die Ruthen ebensogut durchgezogen werden
können, wie durch die Hand.
Die wiederholt gemachten Versuche, die Käfer durch dauernde
Beunruhigung aus den Weidenhegern zu vertreiben, oder ihre Larven
durch Bestreuen der Pflanzen mit für sie gifiigen Pulvern zu tödten,
haben in der Praxis wohl keine Zukunft.
Vertreiben kann man den Käfer aus Weidenhegern, indem man alle
Viertelstunden über die Anlage eine mit Strohwischen behangene Leine durch
zwei Knaben hinüberziehen lässt. Sind die Ruthen schon höher geschossen, so
beschwert man die Leine noch mit einigen Steinen. Die dauernd gestörten
Käfer wandern aus und legen ihre Eier ausserhalb dss Hesers ab Als rationell
kann dieses von S$cHurze-Messdunk anzewendete Verfahren [I g, S. 607] aber
kaum angesehen werden, da durch dasselbe nur ein zeitweiliger Schutz einer
bestimmten Oertlichkeit, keine Verminderung der Schädlinge erreicht wird.
Versuch:, die Larven durch Bestreuen der Blätter mit arseniksaurem
Kupferoxyd [Arrum Ib, S. 20) oder Bestauben mit Schwefelpulver [Docnnar 5]
zu tödten, sind wohl dem Gedanken entsprungen, diese zur Zerstörung von
Gartenschädlingen empfohlenen, und zur Bekämpfung der Weinstockpilze verwen-
deten Mittel auf die Forstwirthschaft zu übertragen.
In neuester Zeit hat Arrum empfohlen If], in oder in der
Nähe der Weidenheger künstliche Winterverstecke anzubringen,
aus denen man nach Eintritt der kälteren Jahreszeit die erstarıten
Käfer herauszunehmen und zu vernichten hätte. Dieses theoretisch
gewiss ganz richtig ausgesonnene Mittel hat aber, soviel uns bekannt,
die Probe der praktischen Anwendung noch nicht bestanden.
Er sagt: „In den Hegern selbst oder in der nächsten Umgebung derselben
würden eingegrabene, entborkte Stammabschnitte splitterig eingehauen und ge-
spalten und dann wieder mit Rinde umbunden od»r benagelt, ohne Zweifel
wesentliche Dienste leisten und jahrelang Verwendung finden können”, Bereits
Abwehr der Weiden-Blattkäfer. Der Eichen-Erdfloh. 605
in der Nähe vorhandene Kopfweiden möchte er gleichfalls diesem Zwecke
anpassen, und er empfiehlt auch mit Rücksicht auf das von ihm beobachtete
Eindringen der Chr. Vitellinae L. in die Frassgänge von Hylesinus crenatus
das Durchlöchern der umzubindenden oder lose anzunagelnden Rinden mit
einem Drillbohrer.
Eichenfeinde. Von den übrigen sehr zahlreichen, auf Laubholz-
blätter angewiesenen Blattkäfern sind nur wenige bis jetzt wirklich
forstschädlich geworden. Verhältnissmässig noch am häufigsten findet
man Klagen über
den Eichen-Erdfloh,
Haltica erucae OL1iv.,
einen kleinen, metallisch-grünen oder blauen, springenden Käfer,
der sammt seiner Larve in unseren jüngeren Eichenbeständen die
Blätter zerfrisst und skeletirt.
Beschreibung. Haltica erucae Ouıv. (guercetorum Fouor.). Käfer
metallisch grün, manchmal mit blauem Schimmer. Stirnhöcker gross, quer drei-
eckig oder rund, und wie der von ihnen durch eine Querrinne geschiedene
Scheitel fast ganz glatt und glänzend. Halsschild beim g etwa um die Hälfte, beim
Q doppelt so breit als lang, seine Oberfläche stark gewölbt, so dass man von
oben den schmal abgesetzten Seitenrand nicht sieht, vor der Mitte am breitesten,
nach vorn und hinten nur in leichter Rundung verengt. Vor den Hinterecken
oft etwas ausgeschweift, die abgerundeten Vorderecken verdickt, etwas nach
aussen vortretend, oben fein punktirt, mit einigen grösseren Punkten jederseits
auf der vorderen Hälfte, Querfurche vor dem Hinterrande nicht sehr tief.
Flügeldecken dicht und deutlich verworren punktirt, an der Wurzel breiter als
das Halsschild, nach hinten bis über die Mitte etwas erweitert, von der Basis
aus etwas ansteigend, daher mit dem Halsschild nicht in einer Ebene gewölbt.
Schultern stark vortretend; von ihnen zieht sich bis zur Spitze eine erhabene
Längsfalte, die in der Mitte manchmal undeutlich wird, vor der Spitze aber
oft rippenartig hervortritt. Länge 4—5 nım.
Larve von dem gewöhnlichen Habitus der warzigen Chrysomelidenlarven,
schwärzlich, mit glänzendem, grob punktirtem und dünn behaartem Kopfe und
kurzen Fühlern. Vorderbrust mit stärker chitinisirtem Schilde auf den Rücken
Mittel- und Hinterbrust mit einer doppelten Querreiha grosser, hellere Haare
tragender Warzen besetzt, jederseits über der Einlenkung der starken Beine
eine besonders grosse. Die Hinterleibsringe gleichfalls mit Warzenquerreihen,
welche auf den letzten schwächer werden. Länge ungefähr 5—7 mm.
Puppe gedrungen, schmutzig gelb, mit schwarzen Augen und zwei schwarzen
Enddornen [Tascnaexngere XVIll, S. 206].
Die in Gemüsegärten sehr häufige, gefürchtete, etwas kleinere Art, der
Kohl-Erdfloh, H. oleracea L., unterscheidet sich von H. erucae Orıv. als
Käfer vorzüglich durch den Mangel der Längsfalte an den Seiten der Flügel-
deeken, während die Larve entschieden mehr braun und an dem Rücken
kantiger ist [XVII, S. 206].
Lebensweise und Schaden. Halt. erucae ist im Wesentlichen auf
unsere einheimischen Eichen angewiesen, soll aber nach Artum die Stieleiche
vor der Traubeneiche bevorzugen und geht gelegentlich auch wohl andere Laub-
hölzer, namentlich Hasel und Schwarzerle, an [V, 1, S. 242 und la, S. 26].
Der Käfer überwintert in der Bodendecke oder in Rindenritzen, erwacht im
Frühjahre beim Laubausbruche aus dem Winterschlaf, und die Weibchen legen
nun ihre Eierhaufen an die Unterseite der jungen Blätter, welche alsbald von den
jungen Larven befressen werden. Anfangs lassen diese die Epidermis der Ober-
fläche noch stehen, in vorgerückterem Alter wird aber auch sie zerstört, und es
bleiben dann nur noch die Blattrippen übrig. Die so mitunter vollständig skeletirten
606 Kap. IX. Die Käfer.
Blätter bräunen und kräuseln sich, und bei staıkem Frasse erhält der Bestand
alsdann das Ansehen „eines durch die Flammen eines Lauffeuers versengten
Eichenortes’” [la, S. 27]. Dieser Frass dauert ungefähr bis zum Juli, zu welcher
Zeit die erwachsenen Larven sich in der Bodendecke oder in Rindenritzen ver-
puppen und nach etwa 14 Tagen die Käfer liefern, welche nun vom August bis-
zum Eintritt der Fıöste das Frassgeschäit der Larven fortsetzen und sich endlich:
in die Winterverstecke zurückziehen.
Die einjährige Generation kann man also folgendermassen graphisch
darstellen:
| Jan. |Febr. März |April Mai | Juni | Juli | Aug. Sen
Oct. | Nor. | Dee.
n 0 "] | fo
1880. HEE___ dt HrHthr ht
EEERTTEEFERNF TITTEN !
| ABBL Etat | |
m
Eingeführt wurde dieser Käfer in die Forstinsektenkunde durch
Kerıxer [I0] und etwas später durch RAtzegurg, der seinen Schaden [V,1, S. 213]
sehr gut beschreibt, jedoch in dem Irrthum befangen bleibt, der von ihm be-
schriebene Eichenfeind sei mit dem gemeinen Kohl-Erdfloh, Haltica oleracea L.,
identisch.
Die ersten neueren Nachrichten über durch diesen Käfer verursachten,
ausgedehnten Schaden stamm«n von TASCHENBERG, welcher ihn Anfangs der Sieb-
zigerjahre in den Revieren um Halle a/S. in grosser Menge in den Eichen-
stangenhölzern und auf Eichenunterholz antraf; da gegen den Frass nicht ein-
geschritten wurde, ging er auch auf die alten Eichen über, und an anderen
Stellen schadete er den jungen Pflanzen bedeutend [XVIll, S. 206]. 1876 berichtet
Aurum [Il, a] ausgedehnte, 4—10 ha umfassende Massenfrässe im Wildpark zu
Potsdam, im königlich Preuss’schen Staatsforstrevier Diebzig bei Aken an der
Elbe und aus Zütfen bei Arnheim in Holland. 1877 fand ein grösserer Frass
auf dem königlich Sächsischen Staatsforstrevier Dit'ersdorf statt, über welchen
wir durch den damaligen königlichen Förster FRANckE unterrichtet wurden. Zwei
Jahre später wurden die etwa 50jährigen Eichen an „Cotta’s Grabe” bei Tharandı
stark befressen.
Abwehr dieses Schadens dürfte für die wirkliche Praxis ziemlich schwer
sein, da das Abklopfen der Käfer, welches von verschiedenen Seiten empfohlen
wird, bei ihrer grossen Beweglichkeit und dem nicht unbedeutenden Spring-
vermögen nur an trüben und rauhen Herbsttagen, an denen sie träger sind,
einigen Erfolg versprechen dürfte. Taschexgere [XVIN, S. 209] empfiehlt, den
Arbeitern in die linke Hand ein zwischen Stäben ausgespanntes Tuch zu geben,
welches unter die Sträucher gehalten wird, während die rechte Hand den
klopfenden Stock führt. Von Zeii zu Zeit werden die so erbeuteten Käfer dann
in eine Flasche, in welche man einige Tropfen Terpentinöl gefüllt hat, in Sicher-
heit gebracht. Vielleicht würde es passend sein, statt des Tuches den oben bei
Abwehr der Weidenkäfer beschriebenen, mit einer Aschenschicht versehenen Blech-
kasten zu verwenden. Die gegen die im Garten so häufig schädlichen, verwandten:
Arten immer angepriesenen Mittel, namentlich das Begiessen der Pflanzen mit Wer-
muthaufguss oder das Bestreuen derselben nach einem stärkeren Thaufalle oder
Regen mit Kalkstaub oder Asche [vgl. XXIl, II, S. 295] dürften wohl nur auf
Saatbeeten oder in Pflanzgärten in Frage kommen, im Forste selbst aber nicht
durchführbar sein.
Haltica erucae. Die Erlen-Blattkäfer. 607
Als Erlenfeind ist zu erwähnen
der blaue Erlen-Blattkäfer,
Galeruca Alni L. (Taf. II, Fig. 2).
Dieser 5—6 mm lange Käfer unterscheidet sich durch seine
stets tief stahlblaue Färbung und die, wie bei allen Galeruca-Arten,
nahe beisammen, zwischen den Augen eingelenkten Fühler leicht von
der ebenfalls Erlen bewohnenden Chrysomela aenea L., die einen
ausgesprocheneren metallischen Glanz, eine von Grün durch Blau
bis zu Schwarz wechselnde Färbung und an der Wurzel weiter
auseinanderstehende Fühler hat. Er duichlöchert und befrisst als
Larve und Käfer die Erlenblätter. Doch scheint er einen ernsteren
Schaden bis jetzt überhaupt nur in Pflanzgärten an jungen Samen-
pflanzen gemacht zu haben. Ueber die nur wegen der möglichen
Verwechslung hier angeführte und weiter unten auch näher be-
schriebene, ähnlich lebende Chrysomela aenea sind bis jetzt wirkliche
Klagen von Seiten der Forstmänner noch nicht eingelaufen.
Beschreibung. Gal. (Agelastica) Alni L. Käfer auf der Obeiseite
glänzend blau, selten grünlich, Unterseite schwarz oder schwarzblan, Halsschild
viel breiter als lang, nach voın stark verschmälert, wie die Flügeldecken ziemlich
grob, veıworren punktirt. Länge 5—6 mm.
Puppe sehr weich, zart und hellgelb. Zarve von dem allgemeinen warzigen
Typus der Chrysomelidenlarven, dunkelschwarz, ins Grünliche stechend, mit ziem-
lich starker Behaarung. Kopf ziemlich flach, mit etwas vertiefter Stirn. Dicht
hinter den kurzen Fühlern jederseits ein kleines Punktauge. Die drei, die starken
Beine tragenden Brustringe sowohl, wie die Hinterleibsringe jeder mit einer sehr
deutlichen Querfurche, vor und hinter welcher zwei glänzende, aus zwei länglichen
Wärzchen bestehende, behaarte Querleisten erscheinen. Luftlöcher am Grunde
von aus- und einziehbaren Kegelwarzen, unter denen sich noch eine behaarte
Warze befindet, so dass der Rand des Leibes von oben gesehen wie gezähnt
erscheint. Letzter Ring mit einer grünen, den After umschliessenden Haftscheibe.
Länge bis 12 mm [V, 1, S. 244].
Chr. (Melasoma) aenea L. Käfer oben blau, goldgrün, kupferfarbig
oder schwarz, mit metallischem Schimmer, unten dunkler, schwärzlich grün, in
der Färbung sehr veränderlich. Von allen verwandten Arten dadurch leicht zu
unterscheiden, dass die Hinterbrust zwischen den Mittelhüften hoch gerandet ist,
und dass das an den Seiten stark, in der Mitte feiner punktirte Halsschild an
den Seiten keine Längseindrücke hat. Flügeldecken etwas gröber punktirt als
das Halsschild. Mundtbeile schwarz. An den Fühlern ist Glied 1, mit Ausnahme
der röthlichen Spitze, an seiner Oberseite von der Farbe des Körpers, Glied 2—4
oder 6 sind röthlich, die Endglieder schwarz. Fussglied 3 nur stark ausgerandet,
4 an der Spitze der Unterseite jederseits mit einem spitzigen Zähnchen, Länge
6°5—8'5 mm.
Lebensweise, Schaden und Abwehr. Galeruca Alni überwintert als
Käfer und erscheint nach Entwickelung des Erlenlaubes, um sich zu begatten.
Das befruchtete ® schwillt sehr stark an, so dass die Flügeldecken den Hinter-
leib nur unvollständig bedecken. Die gelben Eier werden partienweise ab-
gelegt. Die Larven brauchen zu ihrer Entwickelung etwa 4 Wochen und begeben
sich dann zur Verpuppung flach in die Erde. Larven und Käfer skeletiren die
Blätter. Die ganz jungen Lärvchen benagen nur die Oberhaut. Im August und
September erscheint der junge Käfer, frisst nochmals an den Blättern und begiebt
sich dann unter das abgefallene Laub zur Ueberwinterung. Die Generation ist
also einfach, doch findet man nicht selten Eier, Larven und Käfer gleichzeitig,
weil das ® ziemlich lange Zeit zum Ablegen der Eier braucht.
608 Kap. IX. Die Käfer.
Dieses äusserst gemeine Thier ist durch ganz Europa verbreitet und dringt
in Russland bis nach Transkaukasien und Turkestan [Körren 12, S. 279]. Es
frisst sowohl auf Alnus glutinosa GäÄrrn., wie auf A. incana Wirrp. und ver-
schont auch die fremden Erlenarten nicht. Die Larven scheinen ausschliesslich
auf die Erle angewiesen zu sein, während Rarzegurg [V, I, S. 244] den Käfer
im ersten Frühjahre auch auf Weiden und Pappeln fressend fand.
Wo Erlen häufig sind, kann man alljährlich die Verheerungen des Käfers
sehen, auch ziemlich weit im Norden. So fand ihn z. B. Körren [I2, S. 279]
1851 und 1855 in derartig kolossaler Menge bei St. Petersburg, und zwar hier
besonders auf Alnus incana Wırrv., dass kaum ein Blättehen ausgedehnter Erlen-
gebüsche verschont wurde. “
Wenngleich natürlich eine so ausgedelnte Zerstörung der Blätter auch an
älteren Erlenstämmen und Gebüschen des Zuwachsverlustes wegen unangenehm
ist, so tritt ein wirklich beachtenswerther Schaden doch nur dort ein, wo in
Saatbeeten und Saatkämpen junge Pflanzen angegriffen und dann häufig so
beschädigt werden, dass sie eingehen [Rarzesune V, I, S. 245]. Das jüngste
Beispiel einer solchen Verheerung berichtet Revierförster Donse aus dem Mecklen-
burg-Schwerin’schen Forstrevier Kneese; daselbst gingen von stark befressenen,
stehengebliebenen, zweijährigen Schwarzerlenpflänzchen die Larven im Juli auf
die Erlensämlinge desselben Jahres über und tödteten sie schnell. Der noch nicht
befallene Theil der Sämlinge wurde daher durch Stichgräben isolirt und so gerettet,
dagegen kehrten nun die Larven zu den zweijährigen Pflänzchen zurück, welche
sie aus Mangel an Laub mit Ausschluss des direkt bis 4—5cm hoch über der
Erde liegenden Theiles so vollständig von der Rinde entblössten, dass nunmehr
sämmtliche eingingen.
Bei sehr starkem Frasse suchen sich die Bäume durch Bildung von Ersatz-
trieben zu helfen, bringen es aber häufig nur zu Halbtrieben oder einzelnen
Blättern [Rarzegure XV, II, S. 250, mit Abbildung des letzteren Falles].
Als Abwehr hat man bis jetzt immer nur das Abklopfen und Tödten
der Käfer empfohlen. Vielleicht könnte man aber noch mehr erreichen, wenn
man unter den Sträuchern und Bäumen die Erde zu der Zeit lockerte, wo die
Puppe im Boden ruht. Hierbei würden gewiss sehr viele der zarten Thierchen
zerquetscht werden.
Als Feind der Rüstern ist hier wohl nur zu nennen
der Rüstern-Blattkäfer,
Galeruca xanthomelaena SCHRK.,
ein ungefähr 7 mm langer, gestreckter, gelbbrauner Käfer, der sich
leicht durch die schwarze Doppelschwiele auf der Stirn, durch eine
breite, schwarze Längsbinde nahe am Seitenrande der Flügeldecken
und besonders durch schwarze Unterseite der letzteren unterscheidet.
Im Süden mehr verbreitet als im Norden, hat er weniger den Forst-
leuten als den Parkbesitzern durch Ulmenentblätterung Anlass zur
Klage gegeben.
Beschreibung. Gal. (Galerucella) xanthomelaena Scure. (Calma-
viensis FAgr., Orataegi Bacu). Käfer auf der Oberseite gelb oder gelbbraun, nur
dünn behaart. Kopf kurz, mit schmalen vertieften Wangen. Augen gross. Flügeldecken
etwas querrunzlig punktirt, mit fast rechtwinkliger Nahtecke; ihr umgeschlagener
Seitenrand reicht bis zur Spitze. Halsschild an den Seiten wenig, fast gleich-
mässig gerundet, ziemlich glänzend, etwas stärker als der Kopf punktirt, mit
breiter, oft nur aus zwei kleinen Eindrücken bestehender Mittellinie und beider-
seits mit einer flachen, hinten mehr als vorn vertieften Grube. Die Fühlerglieder
sind an der Oberseite pechbraun oder schwarz, die glänzenden Stirnhöcker, eine
Längsmakel auf der Stirn, 3 oder 4 kleine Makeln auf dem Halsschild, eine
kurze Längslinie neben dem Schildehen, eine breite Längsbinde nahe dem Seiten-
Galeruca Alni. Rüstern- und Schneeball-Blattkäfer. 609
rande der Flügeldecken, Unterseite der letzteren, Hinterbrust und theilweise der
Bauch schwarz. Beine gelbbraun. Länge 6—8 mm.
Larve nach dem gewöhnlichen Chrysomeliden-Typus gebaut. Sie ist bis zur
zweiten Häutung schwarzbraun und bekommt nach dieser zwei gelbe Längs-
striche auf dem Rücken und einen breiteren an jeder Seite. Vorderbrust mit einem
doppelten Chitinschilde. Die beiden anderen Brustringe, sowie die Hinterleibs-
ringe mit drei Längsreihen querer Chitinschildchen, welche auf jedem Ringe wieder
zwei Querreihen bilden, zu denen seitlich noch Haarwärzchen hinzutreten
[Hreger 9].
Lebensweise, Schaden und Abwehr. Dieser, sowohl auf Ulmus
campestris L., wie auf U. effusa Wırrn. lebende Käfer ist in Nord- und Mittel-
deutschland selten, kommt dagegen weiter südlich bis Transkaukasien und
Turkestan [Körren 12, S. 278] sehr häufig vor und wird hier durch Entblätterung
namhaft schädlich. Das Weibchen belegt die Unterseite der Blätter, welche es
zugleich durchlöchert, im Frühjahr mit Eiern, und bald betheiligen sich auch
die ausschlüpfenden Larven, welche nur die Epidermis der Blattoberseite stehen
lassen, an dem Frass, der so stark werden kann, dass kein Blatt unversehrt
bleibt. Die Verpuppung geschieht in der Erde. Die Anzahl der Generationen
soll nach HEEGER in einem Jahre bis auf 4 steigen können. Ob Puppe oder
Käfer überwintert, ist noch nicht feststehend. Grössere Frässe, aber wohl immer
nur in Parkanlagen, nicht in Beständen, werden erwähnt bei Wien durch Leıx-
WEBER [XVIlI, S. 535], Heeger [9] und NörpLıinger [XXIV, S. 44], von Davarı
[4] bei Genf, von NÖRDLINGER [XXIV, S. 44] im Rhonedelta und von JAKOWLEW
bei Astrachan [I2, S. 278]. Da namentlich grössere Parkbäume befallen werden,
dürfte als Abwehr irgend welches Abklopfen oder Sammeln der Käfer unaus-
führbar sein. Dagegen ist der bei Genf nach Davaur gemachte und gelungene
Versuch, den zur Verpuppung in den Boden gehenden Larven einen 20 cenmı
breiten, auf dem Boden um den Baum herum gelegten Ring von frischem Moose
als bequemen ersten Schlupfwinkel darzubieten, und sie dann mit diesem zusammen
zu verbrennen, beachtenswerth. Indessen ist zu bemerken, dass einmal diese
Vorkehrung bei mehrfacher Generation auch mehrmals im Jahre — Davarı
selbst nimmt nur eine einjährige Generation an und verlegt den Abstieg in den
August — wiederholt werden müsste, und dass die richtigen Zeitpunkte dann
schwer zu treffen wären, andererseits doch wohl auch nur die wenigsten Larven,
wie DAvALr annimmt, wirklich am Stamm herunterkriechen, die meisten sich
einfach herabfallen lassen dürften. Diese letztere Vermuthung spricht auch gegen
das von demselben Autor vorgeschlagene Abfangen der herabsteigenden Larven
an einer Art complieirten Theerringes, dessen Herstellung er genau beschreibt,
der aber in der Praxis noch kaum versucht sein dürfte.
Beiläufig sei hier noch wegen seiner, von derjenigen der übrigen Blatt-
käfer abweichenden Art der Eierablage erwähnt
der Schneeball-Blattkäfer,
Galeruca (Galerucella) Viburni Payk.,
ein: der eben genauer beschriebenen Gal. xanthomelaena Scark. ähnlicher,
brauner Käfer, der sich von dieser Art durch den grossen Kopf, den Mangel
der schwarzen Doppelschwiele auf der Stirn, die Abwesenheit der dunklen Längs-
binde auf den Flügeldecken und deren dichte gelbe Behaarung leicht unter-
scheiden lässt. Er lebt häufig auf Viburnum Opulus L., V. Lantana L. und im
Süden wohl auch auf dem immergrünen V. Tinus L., wird in den Gärten mit-
unter durch seinen Kahlfrass, in Folge dessen nach Körpern [I2, S. 279] sogar
die jungen Triebe vertrocknen können, auffällig, ist aber forstlich nicht beachtens-
werth. Er legt seine Eier im Herbst zu 4—12 Stück in eigens dazu an den
jungen Trieben bis auf das Mark genagte und mit Nagespänen verklebte Löcher,
wo sie überwintern, Es sind bis vierundzwanzig solche Löcher in einer Reihe
beobachtet worden. Diese zuerst von Harrıc in seinem Conversationslexikon,
S. 333 beschriebene Eigenthümlichkeit wurde erst neuerdings wieder durch
610 Kap. IX. Die Käfer.
Kıwaıı [vgl. Körren 12, S. 279] bestätigt und verdient deshalb Beachtung, weil
sie doch vielleicht auch noch bei anderen Verwandten vorkommen könnte.
Kiefern beschädigende Blattkäfer giebt es nur sehr wenige,
und ihre Bedeutung ist eine untergeordnete. Es sind dies
der schwarzbraune und der gelbe Kiefern-Blattkäfer,
Galeruca pinicola Durrt. und Cryptocephalus Pini L.,
Ersterer ist ein ungefähr 3 mm langer, etwas abgeplatteter,
pechbrauner Käfer mit meist gelbem Halsschilde; letzterer dagegen mehr
walzenförmig, lehmgelb und bis 4mm lang. Beide befressen als
Käfer Rinde und Nadeln der jungen Kieferntriebe und können bei
stärkerer Vermehrung dadurch merklicb schädlich werden. Ab-
wehrmassregeln sind gegen sie umsoweniger anwendbar, als man
bis jetzt ihr Larvenleben noch kaum kennt.
Beschreibung. Gal. (Luperus Georr.) pinicola Durr. Küfer gestreckt,
wenig gewölbt. Kopf mit Ausnahme der gelben Kiefer und Wangen, Flügel-
decken, Brust und Bauch schwarz oder pechschwarz. Halsschild etwa doppelt
so breit als lang, mit gerundeten Seiten und Ecken, glänzend, äusserst fein,
nur bei starker Vergrösserung sichtbar punktirt, rothgelb, bisweilen braun
gefleckt oder ganz pechschwarz. Flügeldecken etwas deutlicher punktirt als das
Halsschild. Fühler braun, die ersten vier Glieder gelb, Glied 3 und 2 gleich-
lang. Schenkel mit Ausnahme der röthlichgelben Spitze braun, Schienen und
Füsse röthlichgelb. Erstes Glied der Hinterfüsse so lang wie die folgenden zu-
sammen. Länge 3 mm.
Larve bis jetzt noch unbekannt.
Cryptocephalus Pini L. (Abietis Surrr.). Küfer glänzend lehmgelb, die
Schulterbeule und ein verwaschener Längsstreifen auf den Flügeldecken bis-
weilen dunkler. Halsschild dicht punktirt, rothbraun. Flügeldecken verworren,
weniger dicht, aber gröber punktirt als das Halsschild. Schildchen liegt mit den
Flügeldeeken in einer Ebene. Beine kurz und kräftig, Schenkel dick, Schienen
zusammengedrückt, gegen die Spitze stark erweitert, namentlich die vorderen
des g. Fussglieder kurz und breit. Unterseite mit Ausnahme der stets roth-
selben Beine meist etwas dunkler, gelbbraun, bisweilen sogar schwärzlich. Letzter
Bauchring des @ mit einer tiefen, runden Grube. Länge 3:5—4 mm.
Larve in einem aus ihren Exkrementen verfertigten Sacke lebend und
von denen der übrigen Cryptocephalen (vgl. S. 592) nicht wesentlich unterschieden.
Lebensweise. Der schwarzbraune Kiefernblattkäfer wurde
1832 durch TuıerscH [I9a und 195, S. 27] in die Forstinsektenkunde eingeführt
und auf die Angaben dieses Forschers hin von Rarzesura |V, 1, 8. 245] er-
wähnt. Er hatte nämlich auf dem königlich Sächsischen Staatsforstrevier Auers-
berg im Erzgebirge an einer beiläufig 650m über ”dem Meere gelegenen,
10jährigen Kiefernsaat im Frühjahre die Rinde der Maitriebe und späterhin die
Nadeln benagt. Indessen scheint das angeblich durch ihn veranlasste Absterben
von vielen hundert Zweigen, theils Gipfeln, theils Seitenästen, sowie die massen-
hafte Bildung von Scheidentrieben nicht allein auf seine Rechnung zu kommen.
Es ist dieser Schaden nach Turerscu nämlich nicht blos in Folge äusser-
lichen Frasses, sondern auch des Brutgeschäftes eingetreten, bei welchem an-
geblich das Weibehen die Knospen mit Eiern belegen, die Larve unter dem
Schutze des austretenden Harzes die Knospen ausfressen und sich hier auch ver-
puppen soll. Es liegt nun hier — obgleich eine ähnliche Unterbringung der Eier
im Inneren von Holzpflanzen sicher bei Galeruca Viburni PAyk. (vgl. S. 609)
nachgewiesen ist — wahrscheinlich eine Verwechslung mit dem Schaden von
Kleinschmetterlingslarven, vielleicht von Wicklerraupen, wie schon RATZEBURG
Kiefern beschädigende Blattkäfer. 611
hervorhebt, oder mit dem von Anthonomus varians Park. (vgl. S. 400) vor.
Wenigstens ist eine Bestätigung dieser Angaben bis jetzt ausgeblieben, wie denn
überhaupt neuere Beobachtungen über sein Larveuleben völlig fehlen.
Alle späteren Mittheilungen beziehen sich auf den Käferfrass,. Die stärkste
Beschädigung berichtet Oberförster vox Pannewırz [15] 1850 aus dem königlich
Preussischen Staatsforstrevier Hoyerswerda, Regierungsbezirk Liegnitz, wo der
Käfer in Masse auf einer allerdings nicht zusammenhängenden Fläche von etwa
150 ha in 10-—20jährigen Kiefernschonungen Bast und Nadeln der Maitriebe
so stark befrass, dass diese roth wurden und die am meisten befallenen Pflanzen
eingingen. Im August waren die Käfer plötzlich verschwunden. An dem Frasse
betheiligte sich später auch Brachyderes incanus L. (vgl. S. 406). Ende der
Sechzigerjahre beobachtete dann JupeıcH [Xl, S. 51] einen grösseren Frass aut
dem königlich Sächsischen Staatsforstrevier Höckendorf bei Tharand, ferner
Ersas [7] 1850 auf der gräflich Dohna-Schlodien’schen Herrschaft Kotzenau,
Regierungsbezirk Liegnitz. Letztere Beschädigung, über welche auch Arzum [le]
berichtet, fand in 12—17jährigen Kiefernsaaten auf Boden vierter Classe statt,
und es wurden hierbei auf zusammenhängenden Flächen von !/,—1 ha Grösse
die noch nicht verholzten Maitriebe au Rinde und Nadeln geschädigt. Die Nadeln
waren meist nur in der oberen Hälfte abgestorben. Die besserwüchsigen Kiefern
auf ehemaligen Meilerstellen blieben verschont. Der Käfer fiel bei der geringsten
Berührung der Triebe zu Boden. Auch Aus der neueren Zeit ist uns mehrfaches
Auftreten des Käfers in Sachsen bekannt, so z. B. 1886 in einem Priva'forste zu
Bischheim.
Dass der Käfer sich nicht auf die gemeine Kiefer beschränkt, geht aus
einer Mittheilung von NÖRDLINGER [XXIV, S. 44] hervor, der ihn im Juni 1859
den handlangen Schossen der Weymouthskiefer durchBenagen des Schosses wie
der Nadeln stark zusetzend fand. Die Schosse hatten durch Harzaustritt gelitten,
die Nadeln sich geröthet, als ob Feuer darüber gegangen wäre,
Der gelbe Kiefernblattkäfer ist als Forstschädling genauer vor-
nehmlich an der Seekiefer in den südfranzösischen Landes durch Perrıs [16] -
beobachtet worden. Hier treten die Käfer im Oetober und November in 6— 15jäh-
rigen Kiefernbeständen auf, und zwar am liebsten in sonnigen, lückigen, schlecht-
wüchsigen Schonungen und an Randbäumen. Bei der geringsten Berührung
lassen sich die Käfer sofort herabfallen. Sie begatten sich zu der ge-
nannten Zeit, und in der Gefangenschaft legen die Weibchen dann auch ihre
Eier ab. Diese Zeitangabe stimmt gut mit derjenigen von RosExHAuer [I8, S. 31],
dass in Bayern die Eiablage im September erfolge.
Der Frass betrifft fast ausschliesslich die Unterseite der Nadeln, an welcher
durch den Käfer eine oder zwei lange Rinnen ausgefressen werden. Sind alle
Nadeln eines Stämmchens in dieser Weise angegriffen, so sehen die Pflanzen mit-
unter bös aus. Prrrıs kennt jedoch kein Beispiel, dass sie eingegangen wären.
Auch in Tirol hat NörnLinger [XXIV, S. 43] den Käfer auf Kiefern gefunden.
Obgleich ihn schon Becastem [I!, 1, S. 146] erwähnt, wird aus Deutschland doch
nur einmal über einen durch den Käfer verursachten Schaden berichtet, und
zwar von Oberförster v. Pansewisz [15]. Als nämlich bei dem obenerwähnten
Frasse von Galeruca pinicola Durt. zu Hoyerswerda dieser Käfer im August
verschwunden war, trat im September Cryptocephalus Pini L. auf und setzte
die Beschädigung fort. Er nagte „an den äussersten Spitzen im und am Quirl
der Kiefern, veranlasste das Rothwerden der Spitzen und das Abfallen der
Nadeln an diesen Stellen, sowie endlich eine bedeutende Harzau-schwitzung
an den Knospen der Maitriebe”. 5-—20jährige Kiefern auf allen Bodenarten
wurden angegangen. Auch hier fand die Begattung Anfangs September statt.
Ueber den Ort der Eierablage weiss v. PAnnewıtz ebensowenig etwas zu
berichten, wie Prrrıs und ROosENHAUER, uud von den Larven ist nur durch
letzteren bekannt, dassderen Kopf unddas Chitinschild auf der Vorderbrust dunkel-
braun und glatt sind und dass die Säcke, in denen sie leben (vgl. S. 592),
ziemlich regelmässige Längsrippen zeigen. Ueber ihre Lebensweise im Freien
612 Kap. 1X. Die Käfer.
fehlen aber alle Angaben, und nur nach Analogie kann man schliessen, dass
auch bei ihnen die Generation wahrscheinlich zweijährig ist [17, S. 12 und 13].
In Betreff der etwa wünschenswerthen Abwehr sind keine positiven
Angaben möglich, dagegen ist darauf hinzuweisen, dass bei der grossen Furcht-
samkeit beider Kiefern-Blattkäfer ein Abklopfen und Sammeln derselben un-
thunlich erscheint.
Anmerkung über den Coloradokäfer. Wenn wir hier
diesem neuerdings so gefürchteten Kartoffelfeinde einige Seiten
widmen, trotzdem er in keiner Weise zu den forstschädlichen Insekten
gezählt werden kann, so geschieht dies schon deshalb, weil dort, wo
es sich in Deutschland um seine Bekämpfung handelte, Forstleute
als Leiter der Vernichtungsarbeiten mit grossem Erfolge zugezogen
wurden. Wichtiger ist uns aber der Umstand, dass es uns hierbei
möglich wird, in kurzen Zügen ein Beispiel zu geben, wie der Staat
zu verfahren hat, wenn es sich darum handelt, dem ersten Ein-
dringen eines ausländischen Schädlings ohne Rücksicht auf die
Kosten so kräftig zu begegnen, dass seine Einbürgerung vermieden
und einer ernstlichen Schädigung wirklich vorgebeugt wird. Trotzdem
nämlich die nachweisslich in neuerer Zeit bei uns eingeschleppten,
schädlichen Insekten im Wesentlichen nur Feinde der Landwirthschaft
waren, so liegt doch kein Grund vor, warum Europa nicht auch
einmal von der Einschleppung eines fremden Forstschädlings bedroht
werden könnte. In diesem Falle müsste nach denselben Grundsätzen
verfahren werden, welche die Deutschen Regierungen bei der Bekämpfung
des Coloradokäfers mit Erfolg zur Geltung gebracht haben.
Der Coloradokäfer, Chrysomela (Doryphora, Leptinotarsa) decem-
lineata Say., ist ein in seiner Körpergestalt der bekannten Chr. Populi L. un-
gemein ähnlicher Käfer von elfenbeingelber, strohgelber oder orangeröthlicher
Grundfarbe mit schwarzen Zeichnungen. Die schwarze Färbung tritt besonders
stark hervor in der Endhälfte der Fühler, einer zweitheiligen, häufig V-förmigen
Längszeichnung in der Mitte des Halsschildes, je 5—6 kleineren Zeichnungen
zu beiden Seiten der letzteren und zehn deutlichen, ungefähr durch ebenso
breite, gelbe Zwischenräume getrennten, nach hinten spitz zulaufenden Längs-
streifen auf den Flügeldecken. Die Kniee derBeine, sowie einige grössere Flecke
auf der Unterseite der Brust, und zahlreiche kleinere auf den Bauchringen sind
gleichfalls schwarz. Länge 9—11 mm.
Die Puppe ist einfach gelbröthlich mit schwärzlichem Dorn am letzten
Leibesringe. Länge 9—10 mm.
Die Larve ist nach dem Chrysomeliden-Typus gebaut, mit deutlich ab-
gesetztem Kopfe, allmählich an Breite zunehmenden Brustringen mit kräftigen
Beinen und einem hochgewölbten, nach hinten wieder zugespitzten, neungliedrigen
Hinterleibe. Ihre Grundfarbe ist in der Jugend ein dunkleres, im Alter ein
helleres, mennigartiges Roth, von dem sich die stärker chitinisirten Theile als
schwarze Zeichnungen scharf absetzen. Schwarz sind der Kopf, die einzelnen
Beinglieder, auf der hinteren Hälfte der Vorderbrust ein queres, in der Mitte
getheiltes Schild, jederseits an der Mittel- und Hinterbrust über der Einlenkung
der Beine, sowie auf den sieben ersten Hinterleibsringen je zwei, an jeder Seite
zwei übereinanderstehende Längsreihen bildende, flache Warzen, von denen
die obere die grössere ist, auf der Oberseite des achten und neunten Hinter-
leibsringes ein kleines queres Schild. Neben dem After USE ein Nach-
schieber. Länge bis 12 mm.
Anmerkung über den Coloradokäfer. 613
Eine Verwechselung dieser Larve mit irgend einer einheimischen, auf
dem Kartoffelkraute lebenden Larve ist völlig unmöglich, dagegen sind er-
fahrungsgemäss die ungemein zahlreichen falschen Gerüchte über ein Auftreten
des Coloradokäfers in Deutschland dadurch hervorgebracht worden, dass man
die auf dem Kartoffelkraute um die Mitte des Sommers sehr häufig vorkommenden,
ebenfalls rothgelb und schwarz gezeichneten Puppen des siebenpunktigen
Marienkäferchens oder Herrgottsschäfehens, Coccinella septempunctata L., für
die Larve des Coloradokäfers gehalten hat. Indessen ist eine Verwechselung
für den nur einigermassen in der Entomologie Bewanderten leicht zu vermeiden,
da es sich hierbei um eine mit dem Hinterende an dem Kartoffelblatte sitzende
wirkliche Puppe handelt. Die allerdings in der Form eine gewisse Aehnlichkeit
mit einer Chrysomelidenlarve zeigende, auf dem Kartoffelkraute von Blattläusen
lebende, also nicht schädliche, sondern nützliche Marienkäferchenlarve kann für
einen aufmerksamen Beobachter gar nicht in Betracht komınen, da sie schiefer-
grau ist mit drei Paaren vereinzelt stehender korallenrother Rückenflecke.
Die Eier des Coloradokäfers haben die Gestalt eines Langbleies und sind
dottergelb.
Lebensweise. Die Käfer überwintern entweder in der Erde in ihrem
Puppenlager oder in der Bodendecke. Das begattete Weibehen belegt im Früh-
jahr die Unterseite der jungen Kartoffelblätter mit Packeten von 15—80 Stück
aufreeht -und dicht gedrängt nebeneinander stehender Eier und vertheilt diese
Packete, von dem ersten Orte der Eierablage geradlinig fortschreitend, auf eine
ganze Anzahl verschiedener Kartoffelpflanzen. Im Ganzen soll ein Weibchen
500 -1000 Eier ablegen können. Käfer sowohl wie ausschlüpfende Larven zer-
fressen das Kartoffelkraut. Die erwachsene Larve begiebt sich in die Acker-
krume, wo sie in einer Tiefe von 4—15 cm sich in einer kleinen Erdhöhle ver-
puppt und in den Käfer verwandelt. Der Eizustand dauert ungefähr 8, der
Larvenzustand 20, die Puppenruhe 16 und das Käferleben bis zur neuen Eiab-
lage 14 Tage; es nimmt also rund gerechnet die einfache Generation 8—9
Wochen in Anspruch. In Amerika tritt erfahrungsgemäss regelmässig alljährlich eine
dreifache Generation ein, wobei die Käfer der letzten den Boden gewöhnlich nicht
mehr verlassen. Bei der etwas kürzeren Vegetationsperiode der Kartoffeln in
unseren Gegenden dürfte trotzdem mitSicherheit immer auf eine doppelte Generation
zu rechnen sein.
Der Schaden des Coloradokäfers besteht in einer, und zwar bei wieder-
holtem Frasse oft vollständigen Zerstörung des Kartoffelkrautes. Die häufig in
Folge des Frasses auftretende völlige Missernte wird also nicht etwa, wie man
im Publikum fälschlieh oft aunimmt, durch .ein Zerfressen der Kartoffelknollen,
sondern dadurch hervorgebracht, dass die ihrer Assimilationsorgane beraubte
Kartoffelstaude ihre Knollen nicht ausbilden kann. Der Schaden ist ein so
sehr beträchtlicher, weil die Vermehrung des Käfers bei den mehrfachen Ge-
nerationen innerhalb eines Sommers unter der Einwirkung günstiger Verhältnisse
eine geradezu kolossale ist, denn ein Weibchen, das im Frühjahre z. B. 700 Eier
ablegte, kann in der zweiten Generation schon über 200000, in der dritten
schon über 80 Millionen Nachkommen haben.
Heimat und Verbreitung. Der Coloradokäfer, der seinen Namen
von dem amerikanischen Staate Colorado trägt, ist daselbst und überhaupt in
dem Gebiete des Felsengebirges einheimisch, wo er auf einer unserer Kartoffel
verwandten Nachtschatten-Art lebt. Als sein Wohngebiet besiedelt und daselbst
der Kartoffelbau eingeführt wurde, ging er plötzlich auf die Kartoffelstaude über
und rückte nun allmählich den Kartoffelfeldern ostwärts nachgehend seit 1859
bis an die Küsten des Atlantischen Oceans vor, die er 1874 erreichte, legte also
in 15 Jahren einen Weg von etwa 3000 km zurück und beherrscht zur Zeit
seines ersten Auftretens in Europa im Jahre 1877 in Amerika bereits einen
Fläehenraum von ungefähr 3850 000 qkm, ja wohl noch mehr, da wie erst
neuerdings bekannt geworden, bereits in den Siebzigerjahren auch Mexiko von
ihm infieirt war. Er hatte sieh in den östlichen Staaten der Union, die in regem
Schifffahrtsverkehr mit Europa stehen, 1876 in soleher Menge an den Küsten
614 Kap. IX. Die Käfer.
DS
eingefunden, dass in den Hafenstädten und den Häfen selbst die Käfer massen-
haft vorkamen und bei günstigem Winde auf die Schiffe übergingen.
Einschleppung in Deutschland. Bei so bewandten Umständen und
bei der Lebenszähigkeit des Käfers war es kein Wunder, dass, trotz der recht-
zeitig bereits im Jahre 1875 seitens der Europäischen Staaten erlassenen Ein-
fuhrverbote Amerikanischer Kartoffeln 1876 ein lebender Coloradokäfer in Bremen
gefunden wurde und alsbald auch die ersten Fälle einer wirklichen Ein-
bürgerung in Deutschland vorkamen. Diese wurde zuerst im Juni 1877 auf
einem Kartoffelfelde zuMühlheim am Rhein, also in der unmittelbaren Nähe
von Köln entdeckt, wo die Käfer und Larven sich auf einem Kartoffelfelde
von eirca 30—40 a verbreitet hatten. Die sofort und vielleicht etwas übereilt
eingeleiteten Vertilgungsmassregeln hatten keinen vollen Erfolg, denn bereits
Ende Juli desselben Jahres wurden in der Nähe der ersten Frassstelle neue
junge Larven gefunden. Die nunmehr völlig sachgemäss vorgenommene Be-
kämpfung hat so vollständig durchschlagend gewirkt, dass bis heute an dieser
Stelle kein neuer Frass vorgekommen ist.
Der zweite, von diesem ganz unabhängige Frassherd wurde im August des-
selben Jahres 1877 auf der Flur der südlich von Torgau, in der Nähe der
Grenze des Königreichs Sachsen gelegenen Stadt Schildau gefunden. Hier
war die Infeetion eine bedeutend stärkere, da nach und nach in den Feld-
marken Probsthain, Langenreichenbach und Schildau nicht weniger als 17 in-
fieirte Felder aufgefunden wurden. Die unter Leitung von Professor Dr. GERST-
ÄCKER — dessen lichtvoller Darstellung wir bisher im Wesentlichen gefolgt
sind [8] — und Oberförster Passow vorgenommene Vertilgung hatte trotzdem
vollständigen Erfolg, da der Feind verschwand.
Erst zehn Jahre später, also im Juli 1887, trat jn der Nähe von
Torgau auf der Feldmark Mahlitzsch bei Dommitzsch der Käfer wieder
auf, eine Erscheinung, die unbedingt auf eine neue Infection zurückzuführen
ist. Es waren hier — wir folgen nunmehr, so wie bei der folgenden Darstellung
der Vernichtungsmassregeln den amtlichen, von dem königl. Sächs. Ministerium
des Innern uns gütigst zur Benutzung überlassenen Schriftstücken — im ganzen
4 ha infieirt.
Die letzte bekannt gewordene Infeetion wurde im August desselben
Jahres 1887 auf der Feldmark Lohe bei Meppen in Ostfriesland gefunden, wo
eirca 49 a sich als infieirt erwiesen. Aber auch in diesen neuesten Fällen ist die
gegründete Hoffnung vorhanden, dass die Gefahr als beseitigt anzusehen ist.
Im übrigen Europa ist eine Einschleppung des Coloradokäfers nicht
bekannt geworden.
Abwehr. Die klare Erkenntniss, dass die dauernde Einbürgerung eines
so gefälrrlichen Kartoffelfeindes für die weit mehr als die Bewohner der Ver-
einigten Staaten von Nord-Amerika an Kartoffelnahrung gewöhnte und vielfach
lediglich auf dieselbe angewiesene Bevölkerung Deutschlands einer der schwersten
überhaupt denkbaren Unglücksfälle sein würde, veranlasste die königlich
Preussische Regierung, sofort mit aller Energie gegen den Feind aufzutreten und
die Vertilgung von amtswegen zu veranlassen, ohne Rücksicht auf die Kosten,
welche bei dem eingeschlagenen, radiealen Verfahren so hoch sind, dass der
einzelne Feldbesitzer dieselben zu tragen gar nicht im Stande wäre. Die Re-
gierung entschädigte vielmehr die Feldbesitzer für den durch die Vernichtungs-
arbeiten auf ihrem Felde entstandenen Ernteausfall. Die Schwierigkeit der
Vertilgung beruht wesentlich auf dem Umstande, dass die Larve zur Ver-
puppung tief in den Boden geht und auch der ausschlüpfende Käfer länger
in demselben verweilen kann.
Das Vertilgungsverfahren, welches bei der Mühlheimer Infection
angewendet wurde, bestand bei der zweiten, völlig gelungenen Bekämpfung darin,
dass man nach sorgfältiger Constatirung der Ausdehnung der Infeetion durch
genaues und wiederholtes Absuchen der ersten Fundstelle und ihrer weiteren _
Umgebung die der Vernichtung preisgegebene Fläche Kartoffellandes zur Ver-
hinderung” des Entweichens von Käfer und Larven mit einem 50 cm tiefen und
40 cm breiten Graben umgab, Sohle und Wände des Grabens mit Rohbenzol
Anmerkung über den Coloradokäfer. Literaturnachweise. 615
besprengte, das grüne Kraut abschnitt und durch Feuer vernichtete, wobei als
Brennstoff mit Benzol getränkte Sägespäne dienten, demnächst die abgebrannten
Flächen sehr sorgfältig umgrub, um etwa vorhandene Puppen aufzufinden und
zu vernichten, sodann die Ackerkrume des ganzen Feldes mit Benzol tränkte,
zweimal tief grubberte und schliesslich scharf eineggte. Bei der ersten nicht
ganz gelungenen Vernichtung war man insofern verschieden verfahren, als man
als Nüssigen Brennstoff das schlechter brennende und dazu noch theurere Petro-
leum und zur Desinfeetion des Bodens eine Lauge, aus Pottasche und
Kalkmilch bereitet, anwendete. Für die Anwendung des Benzols auch zur Desin-
feetion des Bodens im zweiten Falle war die Rücksicht massgebend, dass die
Lauge die Puppen nur bei direkter Berührung tödten kann, während das flüchtige
Benzol in dampftörmigem Zustande die gesammte Bodendecke durchdringt und
so leichter allen Puppen verderblich wird. Bei Schildau verfuhr man anfänglich
in gleicher Weise, sah aber später von dem Verbrennen des Kartoffelkrautes
ab, stampfte dasselbe vielmehr in tiefen Gruben mit Benzol ein und deckte die
Gruben 70 cm hoch mit Erde. Das Abbrennen der Fläche wurde deshalb, und
wie uns scheint mit vollem Rechte aufgegeben, weil sich bald herausstellte, dass
die durch dasselbe erzeugte, einmalige Hitze durchaus nicht tief genug in den
Boden eindringt, um die in ihm ruhenden Puppen zu vernichten. Auch ist das
Verfahren ein ungemein gefährliches und in der Nähe bewohnter Gebäude
schlechterdings nicht anwendbares. Schlägt doch die Flamme von einem mit
Benzol getränkten Sägespänen bedeckten Feldstücke im Momente des Anzündens
kirchthurmhoch auf, wie Nırsche bei Schildau beobachtete.
Bei den Infectionen des Jahres 1887 in Mahlitzsch und Lohe hat man
denn auch fast vollständig von dem Verbrennen abgesehen, dagegen ein weit
grösseres Gewicht als früher auf das sorgfältigste, am besten durch geschickte
Kinder ausgeführte Absuchen des Feldes nach den Schädlingen gelegt. Zur Ver-
wahrung der gefundenen Käfer, Larven und Eier dienten Fläschehen mit Spiritus.
Erst als man nach mehrtägigem Absuchen gar keine Schädlinge mehr fand,
schnitt man die Pflanzen so tief als irgend möglich ab, transportirte sie in mit
Sackleinwand gefütterten Körben in die Gruben zur Einstampfung mit Benzol
und übererdete sie schliesslich. Dann schritt man zum Umpflügen des Feldes mit
gleichzeitiger Absuchung der hierbei zu Tage geförderten Larven und Puppen,
und erst wenn nach wiederholtem Durchsuchen des mehrfach neu übereggten
Feldes keine Schädlinge mehr gefunden wurden, begann die Begiessung der
Ackerkrume mit Benzol, und zwar wurden auf je 40 qm 700 kg verwendet. Es
hat sich übrigens ergeben, dass die verwendeten Benzolsorten einander nicht
gleichwerthig waren und die dunkelbraunen, Naphthalinkrystalle enthaltenden, mit
höherem Siedepunkte sich als brauchbarer erwiesen als andere. Die infieirt
gewesenen Flächen unterstehen auch nach Zerstörung der Kartoffelstauden
längere Zeit einer sachverständigen Aufsicht.
Von den Verwaltungsbehörden sind ferner strenge Verordnungen erlassen,
welche Jedermann bei Strafe verpflichten, die Auffindung von Coloradokäfern
sofort an Amtsstelle anzuzeigen, und die sofortige Einleitung einer sachver-
ständigen Untersuchung der Meldung und eventueller Bekämpfung regeln.
Diese Massregeln stechen gewaltig von den in Amerika gegen den Käfer
gebräuchlichen ab, welche sich auf ein Behandeln der infieirten Kartoffelpflanzen
mit arsenikhaltigen Verbindungen, nämlich mit „Paris green” oder „London
purple” beschränken. Sicher zu ergründen, welehe Verbindungen mit diesen
Namen gemeint werden, war uns nicht möglich, dagegen ist es in hohem Grade
wahrscheinlich, dass unter dem Namen „Paris green” das bekannte „Schwein-
furter Grün”, d, h. arsenig-essigsaures Kupferoxyd gemeint ist.
Diese Stoffe werden entweder im Verhältniss von 1:30 mit Gyps gemischt
auf die bethauten Pfanzen gestreut oder in Wasser vertheilt mit Pinsel oder
Giesskanne auf dieselben gebracht. Eine durchschlagende Wirkung haben sie nicht.
Literaturnachweise zu dem Abschnitte „Die Blattkäfer”.
I. ArLrum. a) Der Eichenerdfloh Haltica erucae Ol. Zeitschrift f.
Forst- u. Jagdwesen IX, 1878, S. 24—27. b) Die den Weiden-
616 Kap. IX. Die Käfer.
hegern schädlichen Insekten. Daselbst XI, 1879, S. 17-22.
c) Lebensweise der Chrysomela (Phratora) vitellinae und Gegenmittel
gegen dieselbe. Daselbst XII, 1880, S. 217—219. d) Ueber Weiden-
insekten, besonders Chrysomela vitellinae L. Daselbst XII, 1880,
5. 482—85. e) Chrysomela (Luperus) pinicola Duftschm. Daselbst
XII, 1880, 8. 639.. f) Neue Winterverstecke der Chrysomela
vitellinae. Daselbst XIII, 1881, S. 274—76. g) Neue Erfahrungen
über schädliche Weideninsekten. Daselbst XIV, 1882, S. 605—610.
h) Chrysomela vitellinae L. und vulgatissima I. Daselbst XVII,
1885, 8. 187 u. 188. — 2. Onapurs er Oanpize. Catalogue des
larves des Col&opteres. — 3. Corxerivs. Ernährung und Entwicke-
lung einiger Blattkäfer. Stettiner Entomolog. Zeitung XVIII, 1857,
S. 162—171 u. 392—405. — 4. Davarı, A. Schädliches Insekt
auf der Ulme. Schweizer. Zeitschrift f. d. Forstwesen 1878,
S. 181—183. — 5. DocnnAau sen, F. J. Die Band- und Flecht-
weiden und ihre Kultur. 8, Frankfurt a. M. 1881. — 6. Donse.
Schaden durch Chrysomela alni. Allg. Forst- u. Jagdzeitung LXI,
1885, 8. 179. — 7. Ersas über Luperus pinicola. Jahrbuch des
Schlesisehen Forstvereins 1880, S. 41 u. 42. — 8. GERSTÄCKER, A.
Der Coloradokäfer (Doryphora decemlineata) und sein Auftreten
in Deutschland. 8. mit 1 Tafel u. einer Karte. Kassel 1877. —
9. Herser. Beiträge zur Naturgeschichte der Insekten. Fortsetz. 17.
Sitzungsberichte der Wiener Akademie; mathemat.-naturw. Classe
CLXXIX, 1858, S. 100-120, mit 6 Tfin. — 10. K. (Kerıxer).
Ein den Waldungen schädlicher Käfer. Allgemeine Forst- und
Jagdzeitung V, 1829, 8. 247. — Il. KLinGEeLHörrer. Ueber die
ersten Zustände der Lina populi und tremulae Fabr. Stettiner ento-
molog. Zeitung IV, 1843, 8. 85 u. 86. — 12. Körren, Fr. Th.
Die schädlichen Insekten Russlands, 8. Petersburg 1880. —
13. Krane, J. A. Lehrbuch der rationellen Korbweideneultur. 8.
4. Aufl, Aachen 1886. — 14. Lerzuer, K. Stände der Chrysomeln
(Phratora) vitellinae L. und der Chrysomela (Gonioctena) viminalis
Gyl. Jahresbericht d. Schles. Gesellschaft f. Vaterl. Cultur 1855,
S. 106—111 u. 1856. 8. 106. — 15. v. Pannewırz. Ueber Chryso-
mela pini (pinicola u. Trichius octopunctatus). Verhandl. d. Schles.
Forstvereins. 1852, S. 165—167. — 16. Perrıs, E. Histoire des
Insektes du Pin maritime. Annales de la soeciet&E entomolog. de
France 3itme ser, V, 1857, 8. 341—343. — 17. Rarzesurg. Forst-
lich-naturbistorische Bemerkungen u. s. f. im Herbste 1832. Pfeil’s
kritische Blätter VII, Heft 1, 1833, 8. 68—93. — |8. RosENHAUER.
Ueber die Entwickelung und Fortpflanzung der Clythren und
Cryptocephalen. 8. mit 1 TA., Erlangen 1852. — 19. Tuıersch, E.
a) Wieder ein schädliches Forstinsekt mehr in unseren deutschen Ge-
birgsforsten. Allgemeine Forst- und Jagdzeitung, V, 1829, S. 246. b) Die
Forstkäfer ete. 4. mit 2 Kupfertafeln, Stuttgart u. Tübingen, 1830. —
20. Weise, J. Chrysomelidae. Naturgeschichte der Insekten Deutschlands
von W. F. Eriehson u. Genossen VI, Heft 1—5, 1832 —188S.
Nachtrag.
Auf 8. 347 haben wir bemerkt, dass aus der gesammten Gruppe
der Heteromera nur die Familie der Meloidae eine forstliche Bedeutung
habe. Seit der Abfassung dieses Abschnittes stellte es sich aber heraus,
dass auch einige Verwandte unseres gemeinen Mehlkäfers, des Tenebrio
molitor L., in sandigen Kieferngegenden unter Umständen forstschädlich
werden können, sowie dass in der Literatur eine im Allgemeinen sehr
seltene Art aus einer anderen Heteromeren-Familie, aus derjenigen
der Melandryidae, von mehreren Seiten als forstlich beachtenswerth in
Anspruch genommen wird. Wir hatten dies leider anfänglich übersehen
und tragen es nun im Verein mit den neuen Erfahrungen an dieser
Stelle nach.
Die Familie der Tenebrionidae ist äusserst gattungs-
und artenreich und umfasst sehr verschieden gestaltete, meist düster
gefärbte Käfer von plumpem Ansehen, welche von den verschiedensten
Substanzen leben und ein verborgenes Dasein führen. Ihre Larven
ähneln meist den gewöhnlichen Mehlwürmern. Wenngleich die Mehr-
zahl der Arten den Mittelmeergegenden angehört, sind sie doch
auch in unserer Deutschen Fauna noch gut vertreten. Die Gruppe
wird in viele Unterfamilien getheilt, unter denen wir hier nur die-
jenige der Pedinini und der Opatrini zu erwähnen haben.
Beschreibung. Die Tenebrionidae im Allgemeinen haben folgende
Kennzeichen. Käfer von selır verschiedener Grösse, mit 11-, seltener 10glied-
rigen Fühlern, welche unter dem mehr oder weniger aufgeworfenen Seitenrande
des Kopfes eingefügt sind. Halsschild meist mit deutlichem, scharfem Seiten-
rande. Augen sehr häufig gross, ausgerandet oder durch die Kopfleiste ganz in
zwei Theile getheilt. Die Hüften stossen nicht aneinander; die vorderen sind
kugelig oder etwas quer, niemals kegelförmig vorragend, ihre Gelenkhöhlen
nach hinten geschlossen; Hinterhüften quer. Bauch mit fünf Ringen, von denen
der vorletzte kürzer als die übrigen. Fussklauen einfach.
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde, 40
618 Kap. IX. Die Käfer.
Die Larven, welche bei oberflächlicher Betrachtung denjenigen der
Elateriden, also den „Drahtwürmern’” gleichen, sind ziemlich gleichförmig
gebaut, und zwar wesentlich nach dem Typus der Jedermann bekannten Mehl-
würmer, der Larven des gemeinsten Vertreters der Tenebrioniden, des Tenebrio
molitor L. Es sind also langeylindrische, gelbbräunliche Thiere, mit festem
Chitinskelet, deutlich abgesetztem Kopfe und drei gesonderten Brustringen, welche
drei gut,entwickelte Beinpaare von mittlerer Länge tragen und sich kaum gegen
die neun ziemlich gleich gebildeten Hinterleibsringe absetzen. Der letzte Ring,
welcher meist keselförmig abgestumpft und vielfach mit Haken oder Dornen ver-
sehen ist, trägt die nach unten vorspringende Afteröffnung und neben ihr jeder-
seits einen kleinen Nachschieber. Der Kopf, welcher sich durch seine Wölbung
vor dem abgeplatteten der Elateridenlarven auszeichnet, hat einen geraden
Vorderrand mit Epistom und gut entwickelter Oberlippe, sowie mässig lange,
viergliedrige Fühler, die unmittelbar über den Vorderkiefern eingelenkt sind.
Mittel- und Hinterkiefer sind an ihren Stammtheilen nicht verwachsen, und erstere
haben nur eine einfache Kaulade. Die Stigmen sind kreisrund.
Zu beachten haben wir zwei Unterfamilien. Die erste,
die Unterfamilie der Pedinini ist ausgezeichnet durch auf der Unter-
seite nur behaarte, nicht stachelige Fussglieder, welche an den Vorderbeinen bei
den gg erweitert sind. Hinterbrust länger als Mittelbrust.
In Frage kommt hier nur ein einziges Genus, nämlich die
Gattung Heliopathes Mus. Käfer: Kopf bis zu den Augen in das
Halsschild zurückgezogen, diese durch den erweiterten Kopfrand fast ganz
getheilt. Fühler äusserst wenig gegen die Spitze verdickt, Vorderschienen nach
vorn stark erweitert, schief abgestutzt, nicht gezähnelt. Fortsatz des ersten
Bauchringes zwischen den Hinterhüften breit, sehr stumpf abgerundet, fast ge-
rade abgestutzt. Halsschild nach hinten etwas verengt, mit fast geradem Hinter-
rand. Der umgeschlagene Seitenrand der Flügeldecken reicht bis zur Spitze. Die
Schulterecken ragen nicht oder nur wenig vor. Zahlreiche Arten in Südeuropa.
Die Unterfamilie der Opatrini umfasst ziemlich abgeplattete, dunkle
Käferformen von gedrungenem, ovalem Umriss, mit typischen Grabbeinen, bei
denen die Fussglieder der Vorderbeine bei Jg und 22 gleichgebildet sind,
Der Fortsatz des ersten Bauchringes ist zwischen den Hinterhüften recht-
winklig oder an der Spitze stumpf abgerundet. Wir fassen die wenigen zu ihr
gehörigen Formen in die
Gattung Opatrum zusammen und betrachten die kleineren Gattungen
als Untergattungen.
Untergattung Opatrum Far. im engeren Sinne. Käfer: Kopf bis zu
den Augen in das Halsschild zurückgezogen, Augen durch den erweiterten Kopf-
rand fast ganz getheilt. Fühler nur allmählich und wenig gegen die Spitze- ver-
diekt. Endglied der Kiefertaster sehr kurz, stark beilförmig. Vorderschienen bis
zur Spitze allmählich erweitert, hier schief abgestutzt oder nach aussen in einen
Zahn erweitert, am Aussenrande mehr oder weniger fein gekerbt. Fortsatz des
ersten Bauchringes zwischen den Hinterhüften breit, an der Spitze abgerundet.
Halsschild am Hinterrande beiderseits stark ausgebuchtet. Flügeldecken rauh,
ihr umgeschlagener Seitenrand nicht bis zur Spitze reichend. Zahlreiche Arten,
namentlich im südlichen Europa.
Untergattung Mierozoum Reore. Käfer der Untergattung Opatrum
sehr ähnlich, hauptsächlich durch folgende Kennzeichen unterschieden: Endglied
der Kiefertaster nicht beilförmig, sondern langeiförmig. Vorderschienen uach vorn
stark erweitert, am Aussenrande vor der Erweiterung deutlich gezähnelt, Fort-
satz des ersten Bauchringes zwischen den Hinterhüften viel schmäler, als bei
Opatrum, stumpf zugespitzt. Halsschild am Hinterrande nur schwach gebuchtet.
Flügeldecken uneben, ihr umgeschlagener Seitenrand bis zur Spitze reichend.
Nur eine Europäische Art.
Die forstlich beachtenswerthen Arten sind folgende:
Nachtrag. Forstschädliche Tenebrioniden. 619
Heliopathes gibbus Farr. Käfer schwarz, etwas glänzend, mässig gewölbt.
Kopf und Halsschild dicht und tief punktirt, letzteres kurz vor den recht-
winkeligen, scharfen Hinterecken etwas ausgebuchtet. Flügeldeeken undeutlich
punktirt-gestreift, Zwischenräume etwas erhaben und runzelig punktirt. Hinter-
sehenkel, Hinter- und Mittelschienen des g innen gelb behaart, Flugflügel
fehlen, Länge 7°5 bis S’5 mm,
Larve im Allgemeinen mehlwurmartig gestaltet und gefärbt, mit etwas
stärker gewölbter Rückenseite. Kopf vorgestreckt, jederseits mit drei deutlichen
Augenpunkten. Oberlippe mit zwei Borsten. Fusspaar 1 fast dreimal stärker als
2 und 3, mit starken, sichelförmigen, an der Aussenseite erweiterten Klauen.
Letzter Hinterleibsring abgerundet und kurz vor seinem Ende an der Oberseite
mit einer nach hinten convexen Reihe von S—9 Dornen besetzt. Länge 12 bis
17 mm [Schıöpre 7, 8. 538; Prrrıs 5, S. 261].
Opatrum (Opatrum FaArr. im engeren Sinne) sabulosum L. Küfer
schwarz, matt, Oberseite dicht körnig punktirt. Halsschild viel breiter als lang,
mit vorspringenden Hinterwinkeln. Flügeldecken mit erhabenen Streifen und
kleinen glänzenden Höckerchen. Vorderschienen an der Spitze in einen drei-
eckigen Zahn erweitert und längs des ganzen Aussenrandes deutlich gezähnelt.
Flugfügel vorhanden. Länge 7—S mm.
Larve derjenigen von Heliopathes sehr ähnlich, aber der letzte Hinter-
leibsring ist deutlich dreieckig mit gerundetem Hinterende, das eine nach oben
gerichtete knopfförmige Erhabenheit trägt und an der Hinterhälfte des Ober-
randes mit einer Reihe von ungefähr 18 kleinen Dornen besetzt ist. Länge 12
bis 16 mm [Lucas 4 und Scnröpte 7, 8. 511— 543].
Op. (Microzoum) tibiale Fasz. Käfer schwarz, matt. Kopf und Hals-
schild dicht punktirt, dieses viel breiter als lang, nach rückwärts etwas verengt,
mit drei nicht punktirten, glatten Flecken und einem Eindrucke beiderseits am
Hinterrande. Flügeldecken dicht punktirt mit groben, flachen Runzeln. Flug-
flügel vorhanden. Länge 2:5—3 mm.
Larve derjenigen von Op. sabulosum sehr ähnlich, jederseits am Kopfe
mit einer Andeutung von vier Augenpunkten. Letzter Hinterleibsring langei-
förmig, etwas zugespitzt, mit langen, hellen Haaren und am letzten Drittel
des Hinterrandes mit 10, im Verhältniss zu denen der verwandten Arten etwas
längeren Dornen besetzt. Länge 5—6 mm [Perrıs 5, S. 264 und 265].
Lebensweise und Schaden. Opatrum sabulosum L. ist in allen
sandigen Ebenen wohl ganz Mittel- und Siüdeuropas ein häufiger Käfer. Op.
tibiale FABr. scheint seltener vorzukommen, gehört aber ebenfalls der sandigen
Ebene an; von JupeEıch wurde dieser Käfer besonders häufig bei Weisswasser
im mittleren Böhmen gefunden. Heliopathes gibbus FAsr. bewohnt ebenfalls
Sandgegenden, scheint aber vorzugsweise in den Dünen der Küstenländer zuhause
zu sein. Arıum meint, dass diese Art im Nordwesten Deutschlands zu fehlen
scheine, während sie namentlich in den sandigen Küstengegenden der Ostsee
zeit- und stellenweise zahlreich angetrofien wird. Die Vermuthung dürfte wohl
nicht ganz richtig sein, da der Käfer von JupEicHh in grosser Anzahl 1881 in
dem Dünensand bei Blankenberghe in Belgien an der Nordseeküste gefunden
wurde. Nach UrrricH [REDTENBACHER, Fauna Austriaca. 3. Aufl., I, S. 95] soll
er auch bei Wien vorkommen.
Am genauesten ist der Frass von Op. tibiale L. durch Autum beschrieben,
welcher auf denselben zuerst durch den Bericht des Düneninspectors EruA auf-
merksam wurde. Im Dünenbezirk Rositten, Regierungsbezirk Königsberg, ging
Mitte Juni 1887 eine grosse Anzahl im Mai gepflanzter, einjähriger, gutwüchsiger
Kiefern ein. Den Pflanzen war durch den im trockenen Sande, 5—10 cm unter
der Oberfläche lebenden Käfer der untere Theil der zarten Wurzeln weggeschnitten,
und an dem oberen Theil war die Rinde bis zu den Nadeln hinauf mehr oder
weniger stark befressen; auch die Pfahlwurzeln hatten ihre Spitze verloren.
Arrum fand, dass das Holz der Pfahlwurzeln von 45cm Tiefe an oft bis auf
die halbe Dicke faserig angenagt, an manchen Pflanzen, sowie näher der Boden-
40*
620 Kap. IX. Die Käfer.
oberfläche meist nur mehr oder weniger der Rinde beraubt war. Es fanden sich
bis 15 Stück Käfer auf einem Platz. Ob und wie weit die unterirdisch lebende
Larve an diesem Frass betheiligt ist oder nicht, ist noch ganz unbekannt.
Anders wird der Frass von Op. sabulosum L. und von Hel. gibbus Fark.
durch Arrum |ld] geschildert. Diese beiden Käfer, welche Obeıförster KrüGER
zu Kobbelbude, Regierungsbezirk Königsberg, zu den sehr schädlichen Forst-
insekten rechnet, sollen die Köpfe einjähriger Kiefern ganz in ähnlicher Weise
abbeissen wie die Ackereulenraupen, Agrotis vestigialis Rorr. und Ag. Tritici
L. Etwas Näheres ist darüber nicht bekannt. Jedenfalls kann aber Hel. gibbus
nicht auf diese Nahrung allein angewiesen sein, denn an den Stellen der
Dünen von Blankenberghe, wo er sehr häufig von Jupeıch gefunden wurde, giebt
es kein Nadelholz.
Abwehr. Vorbeugungs- oder Vertilgungsmassregeln gegen die drei neuen
Forstschädlinge sind nicht bekannt. Allenfalls würde man sie in Rüsselkäfergräben
fangen können, da Op. sabulosum und Op. tibiale zwar geflügelt sind, aber,
wie es scheint, als schwerfällige Thiere nur äusserst selten von ihrem Flugver-
mögen Gebrauch machen. Nach den Mittheilungen Axrrun’s verdienen sie aber
jedenfalls die Aufmerksamkeit der Forstleute, damit weitere Beobachtungen ihre
Lebensweise genauer kennen lehren.
Beiläufig sei erwähnt, dass nach Lınvemann [Id, S. 495] die Larve von
Opatrum intermedium Frıscu 1877 in Bessarabien den Tabakspflanzungen ver-
niehtend schädlich geworden ist.
Die Familie der Melandryidae umfasst ebenfalls zahlreiche
Gattungen und Arten, meist kleinere Käfer von düsterer Färbung,
unter denen sich viele durch sehr rasche, manche durch purzelnde
Bewegung auszeichnen. Die meisten leben in faulem Holze und
in Baumschwämmen. Auch das Gebiet unserer Fauna ist reich an
Arten dieser Gruppe, wenn auch viele zu den Seltenheiten in ento-
mologischen Sammlungen gehören. Forstlich wichtig ist eigentlich
keine der hierher zu zählenden Arten, nur eine verhältnissmässig
sehr grosse, zu der Unterfamilie der Dircaeini gehörige Art, Serropalpus
barbatus ScHAuL., kann allenfalls forstliche Beachtung verdienen.
Ihre Larven haben im allgemeinen noch viele Züge mit denen der
Tenebrioniden gemein, sind aber viel weniger chitinisirt als diese
und daher meist weisslich und weicher, differiren aber doch soweit
von einander, dass wir auf ein Gesammtbild derselben verzichten,
Beschreibung. Die Melandryidae haben im Allgemeinen folgende
Kennzeichen: Käfer meist klein, mit elf-, seltener zehngliedrigen, fadenförmigen
oder etwas gegen die Spitze oder in der Mitte verdickten Fühlern. Kopf vorge-
streckt oder geneigt, mehr oder weniger in das Halsschild eingezogen, oft von
letzterem kapuzenartig bedeckt. Halsschild mit scharfem Seitenrande, am Grunde
meist so breit wie die Flügeldecken und nach vorn verengt. Kiefertaster ge-
wöhnlich gross mit breitem Endgliede. Die Hüften zapfenförmig aus den Gelenk-
höhlen vorragend, die vorderen meist aneinanderstossend, mit nach hinten offenen
Gelenkhöhlen, die hinteren durch keinen Fortsatz des ersten Bauchringes ge-
trennt. Klauen meist einfach.
Die Unterfamilie der Dircaeini umfasst jene Melandryiden, welche
folgende Kennzeichen haben: Vorderhüften durch die Vorderbrust nicht getrennt,
sondern aneinanderstossend. Fühler elfgliedrig. Halsschild hinten so breit wie
die Flügeldecken, sein Hinterrand nicht aufgebogen, dessen Winkel sich an
die Schulterwinkel eng anschliessen. Körper eylindrisch oder nach hinten zuge-
spitzt. Fussklauen einfach.
Nachtrag. Serropalpus barbatus, 621
Gattung Serropalpus Herr. Die borstenförmigen, elfgliedrigen Fühler bei
dem $ so lang als der halbe Leib, bei dem ® kürzer, alle Glieder mit Aus-
nahme des zweiten mehr als doppelt so lang wie breit. An den grossen, vier-
gliedrigen Kiefertastern Glied 2 gross, dreieckig, 3 sehr kurz, nach innen haken-
förmig erweitert, 4 sehr gross, beilförmig. Lippentaster kurz. Alle Hüften zapfen-
förmig aus den Gelenkgruben vorragend. Beine lang und dünn, Schienen mit
zwei langen Dornen an der Spitze. Fussglieder allmählich an Länge abnehmend,
vorletztes Fussglied einfach. Körper fast walzenförmig, Flügeldecken mehr als
dreimal so lang als zusammen breit. Halsschild vorn gerade abgestutzt, daher
Kopi von oben sichtbar.
Die als unbedeutender Weisstannenschädling hier anzuführende Art ist
Serr. barbatus ScuAuL. (striatus Heıı.). Käfer einfarbig braun mit seiden-
glänzendem Haarüberzug. Halsschild mit einem nicht ganz bis zur Spitze
reichenden, scharfen Seitenrande, rechtwinkeligen Hinterecken und wie der Kopf
fein punktirt. Flügeldecken schwach gestreift, fein runzelig punktirt, Länge
6—15 mm.
Puppe gelblichweiss, sehr leicht kenntlich durch die bereits sehr deutlich
ausgeprägten Kiefertaster, sowie durch eine quere, kammartige, mit vier starken
Stacheln besetzte und in der Mitte noch einmal in der Längsrichtung einge-
schnittene, fleischige Erhöhung auf der Oberseite des vorletzten und eine Reihe
von vier schwächeren Dornen auf der Oberseite des letzten Hinterleibsringes
[Wacuru 8].
Larve gelblich-weiss mit stärker chitinisirten, dunkleren Mundtheilen,
ein wenig abgeplatte, in der Mitte am breitesten, gegen das Kopfende
schwächer, gegen das Hinterende stärker verjüngt, mit fast vollständig unbe-
haarter und fein nadelrissiger Oberfläche. Kopf mit deutlicher Oberlippe, ohne
Augen und mit viergliedrigen Fühlern. Vorderbrust am stärksten entwickelt.
Mittel- und Hinterbrust den neun Hinterleibsringen ähnlich gebildet, von denen
der letzte auf der Oberseite zwei nach aufwärts gekrümmte, braune Hornhaken
trägt. Beine gut entwickelt, aber nicht lang [Wacht 8].
Lebensweise. Der Käfer ist nach Ernü’s [2] genauen Beobachtungen
ein nächtliches Thier, das sich am Tage wahrscheinlich in dem Moos an den
Bäumen und in der Bodendecke verbirgt, in der Nacht dagegen ungemein
flüchtig ist. Auch die Begattung findet in der Nacht statt.
Sein bevorzugter Brutbaum ist die Weisstanne, in welcher Holzart
Ern&t und Wacht [8] die Larven ausschliesslieh fanden. Doch kommen sie
sicher auch in Fichten vor, Die Eier werden ohne Zweifel in irgend eine Ritze
abgelegt, und die Larven fressen sich in den Holzkörper ein. Die Larvengänge,
welche nach den übereinstimmenden Angaben von Ernü und Wacutr sich in
keiner Weise von denen der Holzwespenlarven unterscheiden, sind drehrund
“ und mit feinem Wurmmehl gefüllt, verlaufen, allmählich an Stärke zunehmend,
in verschiedenen Krümmungen von der Peripherie des Stammes in das Innere,
wenden sich dann wieder gegen die Oberfläche und endigen, bald näher, bald
entfernter unter derselben, in nicht besonders ausgezeichneten Puppenwiegen,
aus denen sich der Käfer durch ein kreisrundes Flugloch herausfrisst.
Nach Erxi% braucht das Thier „3 Jahre zu seiner Entwickelung”, nach
WachHtL „dürfte die Generation eine zweijährige sein”, zwei Angaben, die insofern
einander völlig decken, als ja eine zweijährige Generation sich stets in drei
Kalenderjahren abspielt. Auch darin stimmen beide Beobachter überein, dass
der Käfer stets nur Stämme angeht, und zwar nach Ern% nur in ihrer unteren
Hälfte. Letzterer hat ihn gelegentlich, aber selten, auch in Weisstannenstöcken
gefunden, WacatuL auch in Klafterholz, welches er erst nach der Fällung be-
fallen haben konnte. Nach Ern& sind es stets frische oder erst kürzlich abge-
storbene Stämme, die angegangen werden, und zwar solche, welche noch gut
vom Tischler verarbeitet werden können. Fault der Stamm dann an, oder
bleibt er an einer Seite lange feucht, so sterben die Larven ab. Nach Wacht
soll dagegen bei stehendem Holze ein gewisser Krankheitsgrad nothwendig sein,
um den Käfer anzulocken,
622 Kap. IX. Die Käfer,
Der Schaden des Käfers beruht auf dem Larvenfrasse und ist im
Wesentlichen demjenigen von Sirex spectrum L., einem Thiere, welches häufig
in denselben Bäumen haust, gleichwerthig, ja es dürfte vielfach sein Frass mit
dem Holzwespenfrasse verwechselt worden sein. Im allgemeinen ist die Be-
schädigung mehr technisch als physiologisch beachtenswerth und hat gewöhn-
lich nur eine äusserst untergeordnete Bedeutung. Der einzige bekannt gewordene
Fall einer grösseren Verbreitung wird von Erxü&; berichtet, nach welchem an
einer nicht näher bezeichneten, wahrscheinlich aber auf der Höhe der Vogesen
gelegenen Oertlichkeit „auf einer Strecke von 3/, Stunden Länge und !/, Stunde
Breite etwa 250 Bäume von diesem Insekte durchlöchert waren”. Manche
Bäume enthielten bis zu 80 Stück.
Der Käfer wurde zuerst 1863 in die forstliche Literatur durch RATzesurG
[6, S. 149] eingeführt, der ihn bei Gelegenheit des grossen Nonnenfrasses aus
Östpreussen durch Förster Barzereıt in allen drei Entwickelungsstufen zu-
gesendet erhalten hatte. Er giebt aber keine genauere Schilderung, da „für forst-
liche Blätter das Speciellere einer Rarität zu fremdarlig sein” dürfte. Dagegen
macht Ernz# [2] im Juni 1872 äusserst vollständige Mittheilungen über seine
Entwickelung und Lebensweise, bildet auch die Larve und ihre Frassgänge
ganz leidlich ab und betont, dass der Käfer in den hohen Vogesen sehr häufig
sei. In dem Katalog der auf der Wiener Weltausstellung 1873 ausgestellten
entomologisch-biologischen Sammlung erwähnt Wacht den Käfer kurz als in
seinem Schaden den Sirexlarven ähnlich, desgleichen Arrum 1874 [XVI, III, 1,
S. 158]. Die besten Abbildungen der Entwickelungsstadien und des Frasses,
sowie eine biologische Schilderung giebt dann WacatL [8], ohne die früheren
Mittheilungen von RATZEBURG und Ernst; zu kennen, im Jahre 1878.
Der von Ern& sowohl wie von WAcHtL darüber ausgesprochene Zweifel,
dass das Insekt auch in Fichten lebe, ist ein unberechtigter, da verschiedene
Entomologen, wie SCHALLER, Herrenivs, PAykurLL und Thomson, es zu der
Fauna Schwedens zählen, und RATzegur@ berichtet, dass es nach dem bekannten
Nonnenfrass in Ostpreussen gefunden worden sei; in diesen Gegenden giebt es
aber keine Weisstannen, sondern von Nadelhölzern nur Fichten und Kiefern.
Dass indessen dort, wo die Tanne heimisch ist, diese Holzart von dem Käfer
bevorzugt wird, ist nach den übereinstimmenden und von einander unabhängigen
Beobachungen Ern#'s und Wachntr’s ganz unzweifelhaft.
Vorbeugungs- und Vertilgungsmittel werden gegen dieses Insekt
wohl nur selten nöthig werden. Erstere können bestehen in der gegen Holzinsekten
überhaupt zu empfehlenden reinlichen Wirthschaft, nämlich gründlicher und
rechtzeitiger Durchforstung, Entfernurg aller kranken Bäume, Entrinden des
gefällten Rund- und Schichtholzes, Aufbereitung und Aufbewahrung desselben
nur an freien, luftigen Orten, sodass es bald und gründlich austrocknet. Ob
letztere namentlich von WaAcatL betonte Massregel wirklich erfolgreich ist,
bleibt aber bei der positiven Angabe von Erxf&, dass die Larven in feuchtem
Holze sicher zugrunde gehen, noch zweifelhaft. Ferner wäre Rodung der Stöcke
oder Tiefabhieb zu empfehlen.
Eine Notiz von Lorkry [3], dass er im Mai 1888 an fünfjährigen Pflanzen
von Quercus rubra einen Käfer, den zu den Lucaniden gehörigen, von uns
auf S. 295 kurz angeführten Lucanus (Platycerus) caraboides L,, die kräftigen
fleischigen Triebe ausfressend gefunden habe, wird hier noch der Vollständigkeit
wegen erwähnt.
Literaturnachweise zu dem „Nachtrag”. I. Autumn, B.
a) Opatıum tibiale Fabr., ein neuer Kiefernfeind. Zeitschrift f. d.
Forst- und Jagdwesen XIX, 1887, S. 466—469. b) Opatrum sabu-
losum L. und gibbum Fabr., zwei neue Kiefernfeinde. Daselbst XX,
1888, S. 495 u. 496. — 2. Ern&, T. Ueber Entwickelung und
Lebensweise von Serropalpus striatus Hell. Mittheilungen der
Literaturnachweise. 633
Schweizerischen entomologischen Gesellschaft III, 1872, 8. 525—530
mit Tafel. — 3. Lorer. Lucanus caraboides an Rotheiche. Allg.
Forst- und Jagdzeitung LXIV, 1888, S. 336. (Der daselbst be-
findliche Druckfehler „eurculioides”’ wurde S. 407 derselben Zeitung
berichtigt). — 4. Lucas, H. Note sur la vie evolutive de l’ Opatrum
sabulosum. Annales de la Soc. entomolog. de France, 5itme ser, T.
I, 1871, 8. 452—460. — 9. Perrıs, E. Larves de Cole&opteres. 8.
Paris 1877. — 6. Ratzegurc. Forstinsektensachen. Grunert’s forstliche
Blätter, Heft 5, 1862, S. 149—201. — 7. Scmöprte, J. C. De
metamorphosi eleutheratorum observationes. Pars X, "Tenebriones.
8. Kopenhagen 1877—1878. — 8. Wacutr, A. Serropalpus barbatus
Schall. und Retinia margarotana H. S. Mittheilungen aus dem forstl.
Versuchswesen Oesterreichs I, 1878, S. 92—106, Taf. XV u. XVI.
K, k, Hofbuchdruckerei Carl Fromme in Wien,
A 3 | vn .
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RL. ,®
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I. Deneria monacha.d, |; lonne/ 2.Dasychira prudtbunda.lı. | Kothschwanz)
3.Trachen junerda. Panz./ fiteferneule) 4. Pıdonia piniarial,. / fitefernsnanner)
5 Ketinta buoliana SV, Äicferntriebwickler
GI: #7 Aadllıf ton ( ICAWER: J ( EN L: “ Taf.
I. Ocneria disnar],./Schmammspinner
2. Gastronacha neustria.L/ Ringesyinner
3. Porthesia chrysorrhoca.l./ Goldafter) 4.( nethocampa processioneaL, | Bü
rhen-Frocessionsjjunner.
9. Tortrise viridanad, | Bichenwickder
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L.Iydapratensis.Babr. 2 1yda campestrisL, 3 Lonhyrus punı.L. (Lüefernblattwesnen
4. Sırev Juoencus.L./Holzwespe) 5. Gryllotaipa vulgaris. Latr / Werre
N,
a,
Prospectus.
LEHRBUCH
Mittelenronäisehen Forstinsektenkunde
mit einem Anhange:
Die forstschädlichen Wirbelthiere.
Als achte Auflage von
DI B2C RATZEBURG
Die Wealdverderber und ihre Feinde
in vollständiger Umarbeitung herausgegeben von
Dr. H. Nitsche und Dr. J. F. Judeich
königl. sächs. Geh. Oberforstrath und Professor der Zoologie an der Forst-
Director der Forst-Akademie zu Tharand. Akademie -zu Tharand.
I. ABTHEILUNG:
Einleitung und allgemeiner Theil mit 1 Porträt Ratzeburg’s, 3 colorirten Kupfer-
tafeln und 106 Holzschnitten.
II. ABTHEILUNG:
Specieller Theil der Forstinsektenkunde, Bestimmungstabellen und Anhang: Die
forstschädlichen Wirbeltbiere.
Inhalt der I. Abtheilung:
Ratzeburg’s Leben .".". = . .. 2 er TERN: . . Seite 1
Einleitung:
Kap. I. Die Gliederfüssler im Allgemeinen. . . . 2 2 2 2... ı.
Allgemeiner Theil:
Kap. II. Die äussere Erscheinung der erwachsenen Insekten . . 2». „236
Kap. III. Der innere Bau der erwachsenen Insekten und die Lebensver-
richtungen. der ‚Einzelthiere, . ..... ...., me AT
Kap. IV. Die Fortpflanzung und die Jugendzustände der Insekten . . „ 8
Kap. V. Die Insekten als natürliche und wirthschaftliche Macht . . . „ 130
Kap. VI. Entstehung, Abwehr und wirthschaftliche Ausgleichung grösserer
Insektenschäden „ala a we. ee a En
Kap. VII. Allgemeine Einführung in die systematische und praktische
Eintomologie,: ».. 1a. al er at en Ware a een en
Musste schon die nunmehr vergriffene, von Oberforstrath Dr. Jupeıch besorgte
7. Auflage des vorstehend angezeigten Buches als eine „vollständig neue Bearbeitung”
Fig. 17. A. Männliche Hornisse. Vespa Crabro L. K Kopf, B Brust, H Hinterleib mit sieben Seg-
menten, F Fühler (erstes Gliedmassenpaar), NA Netzauge, pa Punktauge, Ob K Vorderkiefer
(zweites Gliedmassenpaar); die zwei folgenden Kieferpaare sind in dieser Ansicht nicht wahr-
zunehmen, 5, 6, 7 Beine (fünftes bis siebentes Gliedinassenpaar), Fl 1 Vorderflügel, Fl2 Hinter-
flügel, B. Vorderkiefer isolirt.
bezeichnet werden, so ist dies mit der 8. Auflage in noch höherem Grade der
Fall. Jupeıcn glaubte die von RArzesurg gewählte Eintheilung des Ganzen noch 4
beibehalten zu müssen, weil die Vorbereitungen zu einer 7. Auflage von diesem
selbst kurz vor seinem Tode begonnen worden waren. Diesmal war eine solche
‚Rücksichtnahme nieht mehr nothwendig, und es konnte daher durch den neu hinzu-
getretenen Bearbeiter, Professor Dr. Nırschz, dem Werke eine völlig neue Dispo-
sition zu Grunde gelegt werden. Zunächst erscheint Jetzt der von RArzesure als
zweiter oder theoretischer Cursus bezeichnete Theil an der ihm naturgemäss
zukommenden Stelle, also als erster. In ihm sind besonders die allgemein ento-
mologischen, die anatomischen und entwicklungsgeschichtlichen Abschnitte, welche
in. der 7. Auflage noch so ziemlich in der ihnen 1869 von RATzkBurG gegebenen
Fassung verblieben waren, in eine erweiterte, den neueren zoologischen Forschungen
entsprechendere gebracht worden. Der Herausgeber wurde bei der Ausarbeitung
dieser Kapitel von der Ueberzeugung geleitet, dass in einem für praktische Zwecke
berechneten Buche jede anatomische und entwicklungsgeschichtliche allgemeine
Darstellung, soll sie nicht eine gänzlich unwirksame Zugabe sein, derartig aus-
führlich sein muss, dass der Leser sich von den beschriebenen Organen und Vor-
gängen ein wirkliches Bild zu machen im Stande ist. Hierzu sind ausserdem noch
erläuternde Abbildungen nothwendig. Diese, von Herrn Zeichner TmkocHar in Leipzig
sowohl gezeichnet als geschnitten, konnten, dank dem freundlichen Entgegen-
kommen der Verlagsbuchhandlung, in reichliehster Anzahl beigegeben werden.
Fig. 81. Der Kiefernspinner. 4 Eben der Raupenhaut entschlüpfte Puppe, von der Seite, A’ dieselbe
von unten. B fertige!Puppe, von der Seite, B’ dieselbe von unten. (eben ausgeschlüpfter Schmetter-
ling. / Fühler, 3 Mittelkiefer (Saugrüssel), 5 bis 7 die Brustfüsse, F’ Vorderfligel, 7"’ Hinterfügel.
Die beiden folgenden Kapitel enthalten eine Darstellung der allgemein wirth-
schaftlichen und speciell forstwirthschaftlichen Bedeutung der Insekten. Auch dieser,
in gemeinsamer Arbeit von beiden Herausgebern hergestellte Abschnitt hat eine
völlig neue Disposition erhalten und dürfte als die erste grössere zusammen-
hängende Darstellung der einschlägigen Fragen zu bezeichnen sein. Einzelne
Abschnitte dieser Kapitel, z. B. der die insektentödtenden Pilze betreffende — bei
dessen Abfassung die gütige Hilfe des Herrn Professor Dr. oz Bary in Strassburg
den Herausgebern zu Theil wurde — die allgemeine Besprechung der Vertilgungs-
massregeln, die Zusammenfassung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen
u. 8. f., sind in soleher Ausdehnung noch keiner anderen Forstinsektenkunde bei-
gegeben worden.
Erst im zweiten speciellen Theile werden die einzelnen Insektenordnungen,
sowie die praktisch wichtigen Forstinsekten eine eingehende Besprechung finden.
Auch dieser Theil wird in mannigfach verävuderter Gestalt erscheinen und besonders
durch viele neue Abbildungen von Frassstücken erläutert werden. Als dritter
Abschnitt folgen dann Bestimmungstabellen für die Forstschädlinge in solcher
‚ Form, dass auch dem praktischen Forstmanne die Benutzung derselben leicht werden
wird. Die forstschädlichen Wirbelthiere sind in einen Anhang verwiesen worden,
welchem gleichfalls viele neue Abbildungen beigegeben sind.
Alle diese tiefgreifenden Veränderungen lassen es berechtigt erscheinen, dass
auch der Titel eine Umänderung erfahren hat. Dieselbe erschien umso nöthiger,
als der von RATzesurg gewählte Titel sich bereits für die 6. und 7. Auflage mit
dem Inhalte nicht mehr vollkommen deckte. Schon zu der Zeit, in welcher diese
Auflagen erschienen, war ja die Kenntniss der forstschädlichen Pilze so weit
fortgeschritten, dass der Ausdruck „Waldverderber” im Allgemeinen nothwendiger-
weise auch auf diese hochbedeutsamen Schädlinge bezogen werden musste. Die
neueren Forschungen haben nun die verderbliche Bedeutung der auf Holzpflanzen
parasitirenden Pilzformen noch weit schärfer hervortreten lassen.
Die Herausgeber standen daher vor der Alternative, entweder den alten
Titel zu lassen und die forstschädlichen Pilze mit einzubeziehen, oder den Titel
Vom Tannenheher, Nucifraga caryocatactes L., angehackte Zirbelkieferzapfen.
zu ändern und dem Buche wesentlich den Charakter einer mitteleuropäischen
Forstinsektenkundezu geben. Dass sie letzteren Weg gewählt haben, geschah mit
Rücksicht darauf, dass eine Einbeziehung der schädlichen Pilze eine sehr bedeutende
Erweiterung des Buches nothwendig gemacht hätte, sowie aus der Ueberzeugung,
dass es hierdurch an Abrundung verloren haben würde. Allgemeine Zusammen-
fassungen verschiedenartiger, den Wald schädigender Einflüsse und deren Abwehr
gehören nur in ein Lehrbuch des Forstschutzes; neben einem solchen sind aber
nur EinzeldarsteHungen abgerundeter Specialkapitel zeitgemäss.
Der alle diese Aenderungen bemerkende Leser wird nun vielleicht fragen,
ob denn das jetzige Buch überhaupt noch berechtigt sei, RArzesurng’s Namen
zu führen. Die Herausgeber glauben dies zuversichtlich bejahen zu dürfen; nicht
nur weil jede heutzutage geschriebene Forstinsektenkunde im Grunde als eine neue
Auflage eines Rarzesur«’schen Werkes erscheint, sondern auch darum, weil sie sich
redlich bemüht haben, die Eigenthümlichkeiten, welche die „Waldverderber”
vor ähnlichen Büchern auszeichnen, zu bewahren. Sie glaubten die wesentlichste
dieser Eigenthümlichkeiten darin zu finden, dass Rarzegurg ein bedeutendes
Gewieht auf den theoretischen Cursus gelegt hat. Bis zur dritten Auflage waren
die Waldverderber eine kurze Zusammenstellung der wichtigsten Forstschädlinge.
Mit der vierten Auflage traten sie durch Hinzufügung des theoretischen Cursus ein
in die Reihe der eigentlichen Lehrbücher. RAtzesurg hatte eben eingesehen,
dass viele dem praktischen Forstmanne wichtige Erscheinungen nur
im Zusammenhange mit der allgemeinen Entomologie und Biologie
richtig begriffen werden können. Diesen Gedanken hoch zu halten, ist
das eifrigste Bestreben der Herausgeber gewesen, und insofern befinden sie sich
völlig auf dem Ruatzesurg’schen Wege, trotzdem von dem ursprünglichen
Rarzesurg’schen Texte kaum einzelne Zeilen unverändert in diese neue Auflage
übernommen sein dürften.
In seiner Vollständigkeit stellt sich also das vorliegende Lehrbuch als für
den Forstmann der höheren Carrie&re’ berechnet dar. Dieser muss aber nicht
allein selbst Forstinsektenkunde treiben, sondern häufig auch seine Unterbeamten
und Lehrlinge in dieselbe einführen. Damit ihm auch hierzu das „Lehrbuch der
mitteleuropäischen Forstinsektenkunde’” ein sicherer Wegweiser sei, ist der Druck
derartig eingerichtet worden, dass alle diejenigen Sätze, welche auch für den ein-
fachen praktischen Forstmann oder Lehrling von Wichtigkeit erscheinen, besonders
ausgezeichnet, die genaueren Ausführungen dagegen ein- und zusammengerückt,
aber mit denselben Lettern gegeben wurden. Die feineren Details sind in Petit-
schrift hinzugefügt.
Die erste Abtheilung des Werkes ist soeben zum Preise von
fl. 4,80 —= M. 8.— erschienen, die zweite Abtheilung soll Ende des
Jahres zu ähnlichem Preise zur Ausgabe gelangen. Die geehrten
Besteller der ersten Abtheilung sind zum Bezuge der zweiten ab:
theilung verpflichtet.
Nach Vollendung des Werkes wird dasselbe nur gebunden in
elegantem Leinwandband ausgegeben.
Wien, im Februar 1885. Ed. HölzeV’s Verlag.
Inhaltsverzeichniss.
Seite
Ratzeburg’s Leben ......... EEE A ee Fer a len een ee lien I
Einleitung.
Kapitel I. Die Gliederfüssler im Allgemeinen .... 2.22.22 ron 7
Der Typus der Arthropoden S. 7. — Die Klassen der Arthropoden S. 12. — Die spinnen-
artigen Thiere S. 17. — Die Gallmilben $S. 19. — Die Tausendfüsse $. 25.
Allgemeiner Theil,
Kapitel Il. Die äussere Erscheinung der erwachsenen Insekten - ».».. 2» 22.20.00. 26
Der Kopf S. 27. — Die Fühler S. 29. — Die Mundwerkzeuge $. 30. — Die Brust S. 32. —
Die Beine S. 33. — Die Flügel 8. 35. — Der Hinterleib S. 38. — Die Cbitineuticula
S. 40. — Färbungen des Insektenkörpers $. 41. — Secundäre ‚Geschlechtscharakter 8. 42.
Kapitel illl. Der innere Bau der erwachsenen Insekten und die Lebensverrichtungen der
Einzelthiene:, uacse. aur.Kih Rainer nee N EN Or ANA N AHA,
Allgemeine 'Orientirung S. 47. — Die Leibeswand S. 49. — Der Darmeanal und seine »
Anhänge. — Der Darm S. 50. — Die Harngefässe S. 54. — Die Athmungs- und Kreislauforgane,
Das Tracheensystem S. 55. — Der Fettkörper 8. 58. — Das Blut S. 58. — Das Herz
S. 58. — Die Leuchtorgane S$. 60. — Das Muskelsystem und seine Thätigkeit. Die Museulatur
S. 61. — Die Ortsbewegungen 8. 61. — Die Lautäusserungen 8. 64. — Das Nervensystem.
Das Centralorgan desselben S. 66. — Das peripherische Nervensystem $. 69. — Das
Eingeweidenervensystem 8. 69. — Die Sinnesorgane. Tastorgane S. 70. — Geruchsorgane
S. 70. — Geschmacksorgane S. 71. — Gehörorgane 8. 71. — Gesichtsorgane 8. 72. — Die
Fortpflanzungsorgane. Die weiblicben Fortpflanzungsorgane S. 76. — Die männlichen Fort-
pflanzungsorgane S. 79.
Kapitel IV. Die Fortpflanzung und die Jugendzustände der Insekten ........ Ra ee
Ei und Samen. Entwicklung im Ei S. 81. — Das Ei S. 82. — Der Samen S$. 84. — Die Be-
gattung S. 86. — Die Befruchtung 8. 86. — Die Ablage der Eier S. 37. — Die Verwandlung
der Eizelle in den Embryo S. 90. — Die Larve und ihre Verwandlung in die Imago;
Metamorphose und Puppenruhe. Die Larve S. 91. — Einige Einzelheiten über den Bau und
das Leben der Larven S. 94. — Metamorphose der Larven im Allgemeinen S. 98. — Die
unvollkommene Metamorphose 8. 99, — Die vollkommene Metamorpbose $S. 100. — Die
Puppe S. 102. — Hypermetamorphose und verwandte Erscheinungen 8. 105. — Die Ver-
wandlung der Puppe zur Imago S. 108. — Zeitlicher Ablauf der Entwicklung. Flugzeit
S. 109. — Generation S. 112, — Ueberwinterungsstadium S. 119. — Lebensdauer $. 121. —
Literaturnachweise S. 121. — Parthenogenesis und mitihr zusammenhängende Erscheinungen
S. 122. — Parthenogenesis im engeren Sinne. S. 123. — Pädogenesis S. 124. — Einfacher
und zusammengesetzter Entwieklungscyklus S. 125. — Heterogonie S. 127.
Kapitel V. Die Insekten als natürliche und wirthschaftliche Macht . ........ ee Ant
Die Bedeutung der Insekten für den allgemeinen Naturhaushalt S. 130. — Die Insekten als
Zerstörer S. 132. — Die Insekten als Nahrungsquelle für andere Thiere S. 132. — Die
Insekten als Befruchter S. 133. — Die Insekten als wirthschaftliche Macht überhaupt S. 134.
— Die nützlichen Insekten. S. 134. — Die’schädlichen Insekten. S. 135. — Die forstwirth-
schaftliche Bedeutung der Insekten. Die nützlichen und schädlichen Forstinsekten im
Allgemeinen S. 136. — Die verschiedenen Arten der durch Insekten verübten Beschädigungen
81
130
an Holzpflanzen S. 137. — Gallen S. 135. — Wurzelbeschädigungen S. 139. — Blatt-
beschädigungen $S. 140. — Rindenbeschädigungen 8. 140. — Verletzungen des Holzkörpers
S. 141. — Störungen in der normalen Ausbildung der Pflanzenform $. 142. — Heilungs-
vorgänge S. 143. — Die Grade der Schädlichkeit und die sie bedingenden Ursachen $. 146.
— Unmerklich, merklich und sehr schädliche Insekten S. 147. — Physiologisch und technisch
schädliche Insekten 8. 151. — Die durch Insekten hervorgerufenen Störungen des forst-
lichen Wirthschaftsbetriebes S. 152. — Kultur- und Bestandsverderber S. 153. — Ver-
schiebungen des Wirthschaftsplanes S. 154.
Kapitel VI. Entstehung, Abwehr, und wirthschaftliche Ausgleichung grösserer Insektenschäden 156
Die Entstehung grösserer Insektenverheerungen. Einwanderung von aussen 8. 157. —
Massenvermehrung bereits angesiedelter Schädlinge 8. 155. — Die Beschränkung der
Insektenschäden durch natürliche Einflüsse 8. 162. — Insektentödtende Witterungseinflüsse
8.163. — Insektentödtende Pilze S. 164. — Literaturnachweise S. 181. — Insektentödtende
thierische Parasiten $. 182. — Die insektenfressenden Thiere S, 187 — Die wirthschaft-
lichen Vorbeugungsmassregeln gegen Insektenschäden 8. 195. — Massregeln der Bestands-
gründung S. 196. — Massregeln der Bestandspflege S. 197. — Massregeln der Ernte S. 199.
— Massregeln der Forsteinriehtung 8. 200. — Standortspflege S. 202. — Beobachtung des
Iosektenlebens im Walde S. 202. — Schonung, Hegung und Aussetzung nützlicher Thiere
S. 208. — Die Bekämpfung von forstschädlichen Insekten durch Vertilgungsmittel S. 206. —
Allgemeine Gesichtspunkte S. 207. — Die Aufsuchung und Vertilgung der Schädlinge an
ihren Aufenthaltsorten $. 209. — Vertilgung der Schädlinge mit Hilfe von künstlich auf
ihren Wegen angebrachten Hindernissen $S. 213. — Vertilgung der Schädlinge nach vorher-
gegangener künstlicher Anlockung S. 216. — Die Ausführung der Vertilgungsmassregeln
S. 218. — Verwerthung der gesammelten Schädlinge S. 219. — Die Beurtheilung der Noth-
wendigkeit und Möglichkeit der Durchführung von Bekämpfungsmassregeln S. 221. —
Untersuchungen über die Menge der Schädlinge S. 221. — Die Untersuchung des Gesund-
heitszustandes der Forstschädlinge S. 223. — Die Beobachtung der Witterungsverhältnisse
S. 226. — Untersuchung des befallenen Bestandes S. 226. — Die Möglichkeit der Durch-
führung der Bekämpfungsmassregeln $. 231. — Werth und Behandlung der von Insekten
befallenen oder getödteten Bäume und Bestände. Werth des von Insekten befallenen oder
getödteten Holzes S. 231. — Behandlung der befallenen oder getödteten Bäume und Bestände
S. 233. — Rücksichten beim Einschlag $S. 235. — Die gesetzliche Regelung der Bekämpfung
der Forstschädlinge $. 236. — Gesetzliche Vorsehriften über die Schonung nützlicher Vögel
S. 237. — Gesetzliche Vorschriften bezüglich der Bekämpfung der Insektenschäden S. 240.
Kapitel VII. Allgemeine Einführung in die systematische und praktische Entomologie . . . 245
Die wissenschaftliche Eintheilung und Benennung der Insekten. Allgemeine Systematik
8. 245. — Nomenelatur $. 249. — Das Bestimmen der Forstschädlinge und die Anlegung
von forstentomologischen Sammlungen. Die Bestimmung des Urhebers eines forstlichen
Insektenschadens $. 253. — Die Anlage von forstlichen Insektensammlungen S. 254. —
Allgemeine Literatur S. 261.
Ich empfehle gleichzeitig die nachstehenden in meinem Verlage erschienenen, für Forst- und
Landwirthe gleich wichtigen Werke von Ratzeburg ete., und bitte sich zu Bestellungen des ange-
hängten Formulares bedienen zu wollen.
Forst- und landwirthschaftliche Werke aus dem Verlage von
Eduard Hölzel in Wien.
RATZEBURG, Die Forstinsekten
oder Abbildung und Beschreibung der in den Wäldern Preussens und der Nachbar-
staaten als schädlich oder nützlich bekannt gewordenen Insekten; in systematischer
Folge und mit besonderer Rücksicht auf die schädlichen. Im Auftrage des Preussi-
schen Ministeriums herausgegeben. Drei Theile. Mit 55 color. Kupfer- u. Steintafeln.
Gross-Quart. Herabgesetzter Preis fl. 30.— = M, 54.—. (I. Theil: Käfer. II. Theil:
Falter. III. Theil: Ader-, Zwei-, Halb-, Netz- und Geradflügler.) — Um die An-
schaffung dieses hochbedeutenden Werkes auch dem weniger Bemittelten zu er-
leichtern, wurde eine neue billigere Lieferungs-Ausgabe veranstaltet, und zwar in
30 Liefgn. ä fl. 1. = M. 1.80. Die Subscription kann jederzeit begonnen werden.
Ratzeburg, Die Ichneumonen der Forstinsekten in forstlicher und entomologischer
Beziehung. Ein Anh. zu den Forstinsekten. 3 Bde. mit 7 Kupfert. fl. 16.80 =M. 29.—.
Ratzeburg, Die Waldverderbniss oder dauernder Schaden, welcher durch Insekten-
frass, Schälen, Schlagen und Verbeissen an lebenden Waldbäumen entsteht. Zu-
gleich ein Ergänzungswerk zu der Abbildung und Beschreibung der Forstinsekten.
2 Bde. fl. 20.30 = M. 36.—.
Ratzeburg, Die Standortsgewächse und Unkräuter Deutschlands und der Schweiz,
in ihren Beziehungen zur Forst-, Garten- und Landwirthschaft und anderen Fächern.
Mit 12 lith. Taf. u. 6 Tabellen. fl. 3.50 = M. 6.—.
Ratzeburg, Forstwissenschaftliches Schriftsteller-Lexikon. Ein Ergänzungswerk
zu den „Forstinsekten”, „Waldverderber” und Waldverderbniss”. fl. .— =M. 12.—.
Ratzeburg, Forstnaturwissenschaftliche Reisen durch verschiedene Gegenden
Deutschlands. Ein Rathgeber und Begleiter auf Reisen und beim natur- und forst-
wissenschaftlichen Unterricht. Mit 4 lithogr. Tafeln und mehreren Holzschnitten.
fl. 240 — M. 4.—.
Ratzeburg, Die Nachkrankheiten und die Reproduction der Kiefer nach dem Frass
der Forleule. fl. —.36 = M. —.75.
Ratzeburg, Die Naturwissenschaften als Gegenstand des Unterrichts, des Studiums
und der Prüfung. Zur Verständigung zwischen Lehrern, Lernenden und Behörden.
FBI—M. 3.—.
Kotschy, Die Eichen Europas und des Orients. Gesammelt, zum Theil neu ent-
deckt und mit Hinweisung auf ihre Culturfähigkeit für Mittel-Europa ete. beschrieben.
Folio. geb. fl. 43. — M. 96.—. Pracht-Ausg. geb. fl. 60.— —= M. 120.—.
Lorinser, Die wichtigsten essbaren, verdächtigen und giftigen Schwämme. Zu-
sammengestellt im Auftrage des k. k. niederösterr. Landessanitätsrathes Mit natur-
getreuen Abbildungen in Farbendruck. 3. Aufl. fl. 3.— = M. 6.—.
Pössl, Tafeln zur sicheren Schätzung des Holzgehaltes stehender Waldbäume nach
Metermass, nebst Tafeln der 1—9fachen Kreisflächenzahlen für Deeimal-Durch-
messer 1: 120, geb. in Lwd. fl. 1.50 — M. 3.60.
Pössl, Holzkubirungstafeln nach Metermass. Zweite Auflage. geb. l 150—=M 3.—.
Schmidt-Göbel, Die schädlichen und nützlichen Insekten in Forst, Feld und
Garten. Mit 14 Foliotaf. in Farbendruck u. 23 Abbild. im Text. fl. 12.60 = M. 25.20.
Hieraus einzeln:
I. Abth.: Die schädlichen Forstinsekten. 6 Foliotafeln mit Text. fl. 5.— = M. 10.—.
II. Abth.: Die schädlichen Insekten des Land- und Gartenbaues. 6 Foliotafeln mit
Text. fl. 5.30 = M. 11.60.
Suppl. zur I. und II. Abth.: Die nützlichen Insekten, die Feinde der schäd-
lichen. 2 Foliotafeln mit Text. fl. 1.30 — M. 3.60.
Derbholzgehalte geschichteter Hölzer, nebst Schlüssel zur Redueirung
der Raum- auf Festmeter. Nach in den hochfürstl. Johann Liechtenstein’schen
Forsten ermittelten Reductionszahlen. fl. —.50 = M. 1.—.
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N und ersucht um Zusendung der zweiten Abtheilung nach Erscheinen. X
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