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Full text of "Lehrbuch der mitteleuropäischen Forstinsektenkunde mit einem Anhange : Die forstschädlichen Wirbelthiere"

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Erd LEHRBUCH 


Mittelenronäischen Forstinsektenkunde 


mit einem Anhange: 


Die forstschädlichen Wirbelthiere. 


Als achte Auflage von 


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Die Waldverderber und ihre Feinde 


in zestän iger Umarbeitung herausgegeben von 


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Dr. J. F. Judeich und Dr. H. Nitsche 
königl. sächs. Geh. Oberforstrath und Professor. der. Zoologie an der Forst- 
Director der Forst-Akademie zu Tharand. Akademie zu Tharand, 
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| I. ABTHEILUNG. ) 


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Ratzeburg’s Leben. Einleitung. Allgemeiner Theil. 


Mit einem Porträt Ratzeburg’s, 3 colorirten Tafeln und 106 Holzschnitten. 


Uebersetzungsrecht vorbehalten. 


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WIEN oral Mugeut- 
Eduard Hölzel. 
1885. 


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Inhaltsverzeichniss. 


Ratzeburg’s Leben 


Einleitung. 
Kapitel I. Die Gliederfüssler im Allgemeinen 


Der Typus der Arthropoden S. 7. — Die Klassen der Arbroneien 


S. 12. — Die spinnenartigen Thiere S. 17. — Die Gallmilben S. 19. — 
Die Tausendfüsse S. 25. 


Allgemeiner Theil. 


Kapitel II. Die äussere Erscheinung der erwachsenen 
Insekten... .. 1% lo net ter Te ee 
Der Kopf $S. 27. — Die Fühler S. 29. — Die Mundwerkzeuge $8. 30. — 


Seite 


26 


Die Brust S. 32. — Die Beine $S. 33. — Die Flügel S. 35. — Der 
Hinterleib S. 33. — Die Chitineuticula S. 40. — Färbungen des In- 
sektenkörpers S. 41. — Secundäre Geschlechtscharaktere S. 42. 


Kapitel III. Der innere Bau der erwachsenen Insekten 
und die Lebensverrichtungen der Einzelthiere 


Allgemeine Orientirung 8. 47. — Die Leibeswand 8. 49. — Der 
Darmecanal und seine Anhänge. Der Darm S$. 50. — Die Ham- 
gefässe 8. 54. — Die Athmungs- und Kreislauforgane. Das 


Tracheensystem S. 55. — Der Fettkörper S. 58. — Das Blut S. 58. — 
Das Herz 8. 58. — Die Leuchtorgane 8. 60. — Das Muskelsystem 
und seine 'Thätigkeit. Die Musculatur S. 61. — Die Ortsbewegun- 
gen 8. 61. — Die Lautäusserungen 8. 64. — Das Nervensystem. 
Das Centralorgan desselben S. 66. — Das peripherische Nervensystem 
S. 69. — Das Eingeweidenervensystem 8. 69. — Die Sinnesorgane. 
Tastorgane S: 70. — Geruchsorgane $. 70. — Geschmacksorgane S. 71. 
— Gehörorgane 8. 71. — Gesichtsorgane 8. 72. — Die Fortpflan- 
zungsorgane. Die weiblichen Fortpflanzungsorgane 8. 76. — Die 
männlichen Fortpflanzungsorgane S. 79. 


47 


Kapitel IV. Die Fortpflanzung und die Jugendzustände 
der Insekten SE RT 5 ae 


Ei und Samen. Entwicklung im Ei 8. 81. — Das Ei S. 82. — Der 


Samen $. 84. — Die Begattung $. 86. — Die Befruchtung S. 86. — 
Die Ablage der Eier $. 87. — Die Verwandlung der Eizelle in den 
Embryo 8. 90. — Die Larve und ihre Verwandlung in die 


Imago; Metamorphose und Puppenruhe. Die Larve 8. 91. — 
Einige Einzelheiten über den Bau und das Leben der Larven $. 94. — 
Metamorphose der Larven im Allgemeinen $. 98. — Die unvollkommene 
Metamorphose $. 99. — Die vollkommene Metamorphose 8. 100. — Die 
Puppe $. 102. — Hypermetamorphose und verwandte Erscheinungen 
S. 105. — Die Verwandlung der Puppe zur Imago 8. 108. — 
Zeitlicher Ablauf der Entwicklung. Flugzeit S. 109. — Generation 
S. 112. — Ueberwinterungsstadium S. 119. — Lebensdauer S8. 121. — 
Literaturnachweise 8. 121. — Parthenogenesis und mit ihr zu- 
sammenhängende Erscheinungen S. 122. — Partlienogenesis im 
engeren Sinne $. 123. — Pädogenesis $S. 124. — Einfacher und zu- 
sammengesetzter Entwicklungseyklus S. 125. — Heterogonie S. 127. 


Kapitel V. Die Insekten als natürliche und wirthschaftliche 
Macht. 


Die Bedeutung der Insekten für den allgemeinen Naturhaushalt 
S. 130. — Die Insekten als Zerstörer S. 132. — Die Insekten als 
Nahrungsquelle für andere Thiere S. 132. — Die Insekten als Befruchter 
S. 133. — Die Insekten als wirthschaftliche Macht überhaupt 
S, 134. — Die nützlichen Insekten S. 134. — Die schädlichen Insekten 
8. 135. — Die forstwirthschaftliche Bedeutung der Insekten. 
Die nützlichen und schädlichen Forstinsekten im Allgemeinen S. 136. — 
Die verschiedenen Arten der durch Insekten verübten Be- 


schädigungen an Holzpflanzen 8. 137. — Gallen 8. 138. _ — 
Wurzelbeschädigungen S. 139. — Blattbeschädigungen S. 140. -— 


Rindenbeschädigungen S. 140. — Verletzungen des Holzkörpers 8. 141. 
— Störungen in der normalen Ausbildung der Pflanzenform $. 142. — 


Heilungsvorgänge 8. 143. — Die Grade der Schädlichkeit und die 
sie bedingenden Ursachen 8. 146. — Unmerklich, merklich und 
sehr schädliche Insekten S. 147. — Physiologisch und technisch schäd- 
liche Insekten 8. 151. — Die durch Insekten hervorgerufenen 
Störungen des forstlichen Wirthschaftsbetriebes $. 152. — Kultur- 
und Bestandsverderber $. 153. — Verschiebungen des Wirthschafts- 
planes S. 154. 


Kapitel VI. Entstehung, Abwehr und wirthschaftliche 
Ausgleichung grösserer Insektenschäden. 


Die Entstehung grösserer Insektenverheerungen. Einwanderung von 
aussen $. 157. — Massenvermehrung bereits angesiedelter Schädlinge 
8. 158. — Die Beschränkung der Insektenschäden durch natür- 
liche Einflüsse 8. 162. — Insektentödtende Witterungseinflüsse S. 163. 
— Insektentödtende Pilze 8. 164. Literaturnachweise ‚S. 181. — 
Insektentödtende thierische Parasiten S. 182. — Die insektenfressenden 


_ Thiere 8. 187. — Die wirthschaftlichen Vorbeugungsmassregeln 
gegen Insektenschäden 8. 195. — Massregeln der Bestandsgründung 
S. 196. — Massregeln der Bestandspflege S. 197. — Massregeln der 


Seite 


8 


130 


156 


Seite 

Ernte S. 199. — Massregeln der Forsteinrichtung S. 200. — Standorts- 
pflege 8. 201. — Beobachtung des Insektenlebens im Walde S. 202. — 
Schonung, ‚Hegung und Aussetzung nützlicher Thiere 8. 203. — 
Die. Bekämpfung von forstschädlichen Insekten durch Ver- 
tilgungsmittel S. 206. — Allgemeine Gesichtspunkte $. 207. — Die 
Aufsuchung und Vertilgung der Schädlinge an ihren Aufenthaltsorten 
S. 209. — Vertilgung der Schädlinge mit Hilfe von. künstlich auf ihren 
Wegen. ‚angebrachten Hindernissen $. 213. — Vertilgung der Schädlinge 
nach vorhergegängener "künstlicher Anlockung S. 216. — Die Ausführung 
der Vertilgungsmassregeln‘ $. 218. — Verwerthung der gesammelten 
Schädlinge 8. 219. — Die Beurtheilung der Nothwendigkeit und 
Möglichkeit: der Durchführung ° von Bekämpfungsmassregeln 
8. 221. %— Untersuchungen über-die Menge der Schädlinge 8. 2 
Die Untersuchung des Gesundheitszustandes der Forstschädlinge 8. 938. ' 
— Die Beobachtung der Witterungsverhältnisse 8. 226. — Untersuchung 
des befallenen Bestandes 8.226. —-Die Möglichkeit der Durchführung 
de: Bekämpfungsmassregeln S. 231. — Werth und ‚Behandlung 
der von Insekten befallenen oder getödteten Bäume und Bestände. 
Werth des von Insekten befallenen oder getödteten Holzes 8. 231. — 
Behandlung der befallenen oder getödteten Bäume und Bestände 8. 233. 
— Rücksichten beim Einschlag 8. 235. — Die gesetzliche Regelung 
der Bekämpfung der Forstschädlinge 8. 236. — Gesetzliche Vor- 
schriften über die Schonung nützlicher Vögel S. 237. — Gesetzliche 
Vorschriften ae -der Bekämpfung von Insektenschäden 8. 220. 4 


Kapitel Wi = Allgemeine: Einführung in die systematische 
und praktische Entomologie ..... ER}, 245 


Die wissenschaftliche Eintheilung und Benennung der te 
Allgemeine Systematik2S.245. — Nomenclatur-8..249. — Das Be- 
stimmen der Forstschi idlinge und (die Anlegung von forstento- 
mologischen Sammlüngen. . "Die Bestimmung- des Urhebers eines 
forstlichen Insektenschadens ° Ss 253.. — Die*Anlage von forstlichen 

N 8. 2517 —. ‚Allgemeine Literatur $. 261. 


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K. k. Hofbuchdruckerei Carl Fromme in Wien. 


LEHRBUCH 


’ Mitteleuropäischen Forstinsektenkund: 


mit einem Anhange: 


Die forstschädlichen Wirbelthiere. 


Als achte Auflage von 


DET GO. BRATZEBURG 
Die Waldverderber und ihre Feinde 


in vollständiger Umarbeitung herausgegeben von 


Dr. J. F. Judeich und Dr. H. Nitsche 
künigl. Sächs. Geh. Oberforstrath und Professor der Zoologie an der Forst- 
Director der Forst-Akademie zu Tharand Akademie zu Tharand. 


II. ABTHRILUNG. 


SpeciellerTheil,I. Hälfte: Geradflügler,Netzflügler undKiäfer. 


Mit 3 eolorirten Tafeln, 77 Textfiguren und 3 illustrirten Bestimmungstafeln. 


Uebersetzungsrecht vorbehalten. 


WIEN. 
Eduard Hölzel. 
1889. 


Die III. Abtheilung wird den Schluss des Werkes bringen. 


Inhaltsverzeichniss. 


Specieller Theil. 


Kapitel VIII. Die Gerad- und Netzflügler. 


Bnesseradiiusler"......... 2 2a i N 265 
Thysanura $. 266. — Orthoptera genuina 8. 267. — Die Mann 
grille, Gryllotalpa S. 268. — Die Wanderheuschrecken 8. 273. — 
Orthoptera Pseudoneuroptera S. 274. — Literaturnachweise S. 277. 


Die Netztlurler „2... ... Re . - -. . ER 


Kapitel IX. ‚Die Käfer... . . 2.02 Suse . 2312 
Allgemeines 8. 282. — ee S. 286. 


Die forstlich nützlichen und u. Käfer .  verme 
Die Blatthornkäfer'.......... 294 


Allgemeines; Lucaniden $. 294. — San nstäen 8. 295. — _ Maikäfer 
Melolontha S. 296. — Walker, Polyphylla S. 310. — Sonnwendkäfer, 
Rhizotrogus S. 311. — Literaturnachweise S. 312. 


Die Pracht und Schnellkäfer Tr . 7, Ze 313 


Allgemeines über die Buprestiden $. 313. — Systematik 8. 316. — 
Forstliche Bedeutung der Buprestiden S. 317. — Minderwichtige 
Schädlinge 8. 318. — Die in jüngeren Stämmen, Heistern und 
Stangen brütenden Buprestiden, Agrilus und Chrysobothrys 8. 319. — 
Buprestiden, welche durch innere Ringelungygesunde Eichen- 
zweige zum Absterben bringen,” Agrilus bifaseiatus 8. 323. — 
Euenemidae 8. 325. — A neines über die Elateriden S. 325. — 
Die forstschädlichen Elateriden und ihre Larvenformen $. 328. — 
Forstliche Bedeutung der Elateriden S. 330. — Käferschaden 
S. 330. — Larvenschaden $. 330. — Literaturnachweise $. 332. 


Die forstschädlichen Käfer aus den übrigen Familien 
der Pentameren und Heteromeren ; „2.7, Ts 2 


Die Weichkäfer, Malacodermata 8. 333. — Cana 8. 333. — 
Lymexylonidae 8. 324. — Anmerkung über holzzerstörende 
Seethiere $S. 336. — Bohrkrebse 8. 337. — Bohrwürmer, Teredo 
S. 339. — Die Nagekäfer, Anobiidae 8. 341. — Ihre forstliche 
Bedeutung 8. 343. — Die Pflasterkäfer, Meloidae $. 347, — 

Die spanische Fliege, Lytta vesieatoria S. 348. — Literaturnachweise 
S. 350. 
Rüsselkäfer und Verwandte,..,.. RB: 285 


Die Familie der Bruchidae im weiteren Stand S. 353. — Bruchidae 
im engeren Sinne 8. 353. — Anthribidae 8. 354. — Die Familie 
der Attelabidae im weiteren Sinne $. 354. — Forstliche Be- 
deutung der Attelabiden 8. 356. — Blattwiekler ohne Blattschnitt 
S. 357. — Blattwickler mit Blattschnitt.$. 357. — Die Familie der 
Rüsselkäfer, Oureulionidae im engeren Sinne; Allgemeines 
S. 359. — Systematik 8. 362. — Die forstliche Bedeutung der 
Rüsselkäfer 8. 369. — Rüsselkäfer, deren Larven die Wurzeln 
Junger Nadelholzpflanzen befressen ; Otiorrhynehus niger und Ge- 
nossen 8. 370. — Rüsselkäfer, or Larven die saftleitenden 
Rindenschiehten an Nadelholzstimmen zerstören 8. 373. — 


BEN 


‚Gattung Magdalis $. 374. — Gattung Pissodes S. 375. —- Der braune 
Kiefernkultur-Rüsselkäfer, P. notatus $, 377. — Der Kiefernstangen- 
Rüsselkäfer, P. piniphilus $. 380. — Der Harz-Rüsselkäfer, P. Harey- 
niae 8. 383. — Der braune Kiefernbestands-Rüsselkäfer, P. Pini und 
der Tannen-Rüsselkäfer P. Piceae 8. 388. — Rüsselkäfer, deren 
Larven die tieferen Rindenschichten und den Holzkörper 
junger Laubholzstäimme und -Aeste bewohnen 8. 391. — Erlen- 
Rüsselkäfer, Cryptorrhynchus Lapathi S. 391. — Rüsselkäfer, deren 
Larven die Blattorgane von Holzgewächsen beschädigen 
S. 394. — Der Buchen-Springrüssler, Orchestes Fagi S. 394. — Der 
Eschen-Rüsselkäfer, Cionus Fraxini $. 397. — Der Kiefernscheiden- 
Rüssler, Brachonyx pineti 8. 397. — Rüsselkäfer, deren Larven 
den Samenertrag forstlieh wichtiger Holzgewächse schädigen 
$. 398. — Balaninus 8. 398. — Anthonomus varians als Anhang S. 400. — 
Pissodes validirostris 8. 400. — Als Imagines schädliche Rüsselkäfer; 
Allgemeines $. 401. — Im Boden brütende, flugunfähige Kurz- 
rüssler, welche als Käfer schaden, Otiorrhynchus, Cneorrhinus, 
Strophosomus, Brachyderes $. 402. — Im Boden brütende, flug- 
fühige Kurzrüssler, welche als Käfer schaden 8. 407. — 
Metallites, Sitones, Polydrusus, Seytropus, Phyllobius 8. 408. — 
Anhang, Der grosse weisse Rüsselkäfer, Cleonus turbatus S. 411. — 
In Nadelholzwurzeln brütende und namentlich die Nadel- 
holzkulturen als Käfer schädigende Langrüssler 8. 412. — 
Der grosse braune Rüsselkäfer, Hylobius Abietis S. 412. — 
Abwehr desselben 8. 422. — Literaturnachweise 8. 431. 


Die Borkenkäfer ne al Er ran nahe ze 
. Allgemeines 8. 435. — Systematik und Bestimmungstabellen 


Pr 


nn 


8.441. — Gattung Platypus 8.442. — Gattung Scolytus S. 443. — 


Gattung Hylesinus 8. 444. — Gattung Tomieus 3.448. — Forstliche 
Bedeutung der Borkenkäfer S. 452. — Wurzelbewohnende 
Rindenbrüter, welche als Käfer die Rinde junger Nadelholz- 
pflanzen am Wurzelknoten plätzend benagen 8. 452. — 
Die schwarzen Kiefern- und Fichten-Bastkäfer, Hylesinus ater 
und H. ceunicularius nebst Verwandten, sowie H. ligniperda und 
Tomicus autographus $. 452. — Wurzel- und auch stammbewoh- 
nende Rindenbrüter, welche als Larven ältere Nadelholz- 
bestände beschädigen. — Der Riesen-Bastkäfer, Hylesinus micans 
S. 458. — Stammbewohnende Rindenbrüter, welche als Larven 
die Bastschieht der Nadelhölzer zerstören, als Käfer Triebe 
aushöhlen, — Die Kiefern-Markkäfer, Hylesinus piniperda und 
H. minor 8. 462. — Stamm und Aeste bewohnende Rinden- 
brüter, welehe als Larven den Laubhölzern schaden. — 
Rüstern-Borkenkäfer, Scolytus Geoffroyi, Se. multistriatus und Hylesinus 
vittatus$.472.— Eschen-Borkenkäfer, Hylesinus Fraxini und H. erenatus 
8.476. — Der Eichen-Splintkäfer, Sceolytus intrieatus 8.481. — Der Birken- 
Splintkäfer, Se. Ratzeburgii 8. 483. — Obstbaum-Splintkäfer, Se. Pruni 
und Se. rugulosus $. 485. — Minderwichtige, Laubhölzer und kraut- 
artige Pflanzen bewohnende Borkenkäfer S. 487. — Rindenbrütende 
Borkenkäfer, welche Nadelholzstämme und Aeste bewohnen und 
nur als Larven schaden $. 488. — Die Tannen-Borkenkäfer, Tomicus 
‚«urvidens und T. Piceae 8. 489. — Kiefern-Borkenkäfer 8. 493. — 
Der 12zähnige Kiefern-Borkenkäfer, T. sexdentatus 8. 494. — Der 
sechszähnige Kiefern-Borkenkäfer, T. acuminatus S. 496. — Der viel- 
zähnige Kiefern-Borkenkäfer, T. Larieis und Verwandte S. 499. — Die 
bakenzähnigen Kiefern-Borkenkäfer, T. bidentatus und T. quadridens 


Seite 


Seite 
S. 501. — Hylesinus minimus S. 505. — Fichten-Borkenkäfer $. 505. — 


Die achtzähnigen Fichten-Borkenkäfer Tomicus typographus, T. ami- 
tinus und T. Cembrae S. 506. — Schaden derselben in neuer und 

alter Zeit S. 512. — Der sechszähnige Fichten-Borkenkäfer, T. chalco- 

graphus S. 516. — Der doppeläugige Fichten-Bastkäfer, Hylesinus 

poligraphus 8. 518. — Der braune Fichten-Bastkäfer, H. palliatus 

S. 521. — H. glabratus 8.523. — Der furchenflüglige Fichten-Borken-. 
käfer, Tomieus mierographus und seine Verwandten 8.524. — Minder- 
wichtige, rindenbrütende Fichten-Borkenkäfer $. 526. — Abwehr der 

unter Nadelholzrinde brütenden Borkenkäfer im Allgemeinen 

S. 529. — Im Holze selbst brütende Borkenkäfer 8. 538. — 

Die Nutzholz-Borkenkäfer, Tomieus lineatus und T. domestieus 8. 539. — 
T. Saxeseniü S. 544. — Die Eichen-Bohrkäfer, T. monographus und 
Verwandte. Der Eichen-Kernkäfer, Platypus ceylindrus. Der Kiefen- 0... 
Bohrkäfer, Tomieus eurygraphus 8. 546. — Der ungleiche Holzbohrer, . 
T. dispar $. 549. — Literaturnachweise $. 552. 


Die »Bockkäfer 2.1.02 ent Te 


Systematik 8. 559. — Bestimmungstafeln S. 560. — Die forstliche 
Bedeutung der Bockkäfer 8. 563. — Physiologisch schäd- 
liche Nadelholz-Bockkäfer 8. 563. — Callidium luridum und Cal. 
fuscum 8. 564. — Schuster- und Schneiderbock, Lamia sartor und 2 
L. sutor S. 568. — Der Kiefernzweigbock, L. fascieulata S. 569. — 
Minderwiehtige Nadelholzböcke 8. 570. — Physiologisch schäd- 
liche Laubholzböcke 8. 572. — Der grosse Pappelbock, Sprda 
earcharias S. 572. — Der Aspenbock, $. populnea $. 574. — Der roth- 
halsige Weiden- und der Haselbock, S. oeculata und 8. linearis 8.576.— 
Der Weberbock, Lamia textor S. 578. — Minderwichtige Laubholz- 7 
böcke 8. 579. — Das stehende Holz technisch schädigende 
Bockkäfer, der grosss Eichenbock, Cerambyx cerdo 8. 580. — Ahorn- 
bock, Callidium Hungarieum $. 582. — Alpenbock, Cerambyx alpinus 
S. 583. — Geschlagenes und verarbeitetes Holz technisch 
schädigende Bockkäfer 8. 583. — Callidium variabile $. 583.— 

Der Hausbock, Cal. bajulus S. 585. — Fassreifen zerstörende Böcke, 
Cal. pygmaeum und Cal. lividum 8. 586. — Literaturnachweise $. 587. 


Die Blastk Hfar.. te, a Re A e ee 2 


Systematik 8. 588. — Bestimmungstafel 8. 591. — Diagnosen 
8. 592. — Forstliche Bedeutung der Chrysomeliden 8$. 595. — 
Die Weiden- und Pappelsehädlinge; Chrysomela Tremulae und £ 
Verwandte 8. 596. — Der Sahlweiden-Blattkäfer und Verwandte, 
Galeruca Capreae $. 598. — Die kleinen, dunkel-metallischen Weiden- 
blattkäfer, Chr. Vitellinae und Verwandte $. 600. — Abwehr der 
Weiden-Blatikäfer im Allgemeinen 8. 603. — Eichenfeinde; 
der Eichen-Erdfloh, Haltiea erucae 8. 605. — Erlenfeinde, Galeruca 2% 
Alni und Chrysomela aenea 8. 607. — Rüsternfeinde; Galeruca R 
xanthomelaena $. 608. — Der Schneeball-Blattkäfer, Galeruea Viburni 
S. 609. — Kiefern beschädigende Blattkäfer; der schwarzbraune 
und der gelbe Kiefernblattkäfer, Galeruca pinieola und Cryptocephalus 
Pini 8. 610. — Anmerkung über den Coloradokäfer, Chrysomela. 
decemlineata $. 612. — Literaturnachweise 8, 615. 


Nachtras 3 Sams 27 RE Da se 4 > Va REN 


Die Familie der Tenebrionidae 8. 617. — Heliopathes gibbus, 
Opatrum sabulosum und O. tibiale 8, 618. — Die Familie der 


Melandryidae; Serropalpus barbatus 8. 620. — Literaturnachweise 
8. 622. 


%; 


K. k. Hofbuchdruckerel Carl Fromme in Wien, 


2 


v.F Kargl, Wien 


Nruc 


Ratzeburg’s Leben. 


Einige biographische Notizen über den Verfasser des 1841 m 
erster Auflage erschienenen Buches: „Die Waldverderber und ihre 
EB ainde” sollen nicht zu dem Zwecke hier Platz finden, Neues aus dem 
«Leben dieses unzweifelhaft bedeutenden Mannes zu bringen. Seine von 
Danckermann vortrefflich geschriebene Biographie in der „Zeitschrift für 
Forst- und Jagdwesen” (1872) macht dies unnöthig, ebenso bringt bereits 
die im „Forstwissenschaftlichen Schriftsteller- Lexikon” (1872) veröffent- 
lichte Selbstbiographie RAarzegurg@’s so viel werthvolle, interessante Einzel- 
heiten aus seinem wissenschaftlichen Leben, dass kaum etwas zuzufügen 
bleibt. Wenn wir trotzdem auch hier besonders dieses Mannes gedenken, 
so geschieht dies in dem Gefühle der Dankbarkeit gegen ihn. Diejenigen, 
welche einst zum Zwecke des Studiums oder des Nachschlagens das Buch 
in die Hand nehmen, sollen nicht blos aus dem beigefügten Bilde, 
sondern auch aus einer kurzen Lebensbeschreibung Rarzegurg’s, ohne 
erst in anderen Büchern suchen zu müssen, den Mann etwas kennen 
lernen, auf dessen Schultern alle ohne Ausnahme stehen, 
welche sich heute mit forstlicher Entomologie beschäftigen. 

Julius Theodor Ratzeburg wurde am 16. Februar 1801 zu Berlin 
geboren. Sein Vater, Professor an der T'hierarzneischule daselbst, starb 
bereits am 3. Januar 1808. Durch Unterricht in der Botanik hatte 
dieser in dem Knaben schon frühzeitig eine grosse Liebe zum Studium 
der Naturwissenschaften erweckt. RarzegurG legte selbst auf diese erste 
kleine Periode seines Lebens grosses Gewicht. Da sich seine Mutter 
wieder verheirathete und in eine kleine Stadt zog, kam er im 12. Jahre 
zu seinem Onkel Wurzxz nach Königsberg. Dort besuchte er das Colle- 


gium Fridericianum. Familienverhältnisse veranlassten seinen Abgang 
Lehrbuch d. mittelenrop. Forstinsektenkunde. 1 


2 Ratzeburg’s Leben. 


von Königsberg und von der ihm liebgewordenen Schule, als er bereits 
Primus von Unterseecunda war. Zunächst kam er auf das Lyceum in 
Posen, dann auf das Gymnasium „Zum grauen Kloster” in Berlin. Noch 
vor Beendigung des Schulbesuches bestimmte man ihn wegen seiner 
grossen Fertigkeit im Zeichnen für das Baufach., Die Neigung zu den 
Naturwissenschaften reifte in ihm aber plötzlich den Entschluss, Apo- 
theker zu werden. Eine Zeit lang beschäftigte er sich praktisch als 
Apothekerlehrling in dem Laboratorium Wexpranp’s zu Berlin, ohne 
jedoch in seinem weiteren wissenschaftlichen Streben nachzulassen. Seine 
freie Zeit benutzte er zum Besuche verschiedener wissenschaftlicher 
Anstalten, studirte und sammelte fleissig in den grossen Gärten Berlins. 
Bald sah er jedoch ein, dass ihm dieser Lebensberuf auf die Dauer 
nicht zusagen würde, weil ihm dabei ein sehr wesentlicher Theil der 
Naturwissenschaften, namentlich Zoologie mit Anatomie und Physio- 
logie, fremd blieb. Er widmete sich deshalb dem Studium der Mediein, 
welches ihm die Beschäftigung mit den Naturwissenschaften in viel- 
seitigerer Weise gestattete. 1821 wurde er von Licutensreım an der 
Universität Berlin inseribirt und studirte mit grossem Fleiss.. Das ver- 
säumte Maturitätsexamen legte er nachträglich während seiner Studienzeit 
ab. 1825 promovirte er und seine Dissertationsschrift: „Observationes 
ad peloriarum indolem definiendam speetantes”, welche die Um- 
bildung unregelmässiger Blüthen in regelmässige Blüthenformen behan- 
delte, zeigte den tüchtigen Forscher. Am 17. März 1826 erwarb er sich 
die Qualification zum ärztlichen Berufe, hat diesen aber nie ausgeübt, 
sondern habilitirte sich an der Universität. 

Rarzegure hatte das grosse Glück, den näheren Umgang bedeutender 
Männer zu geniessen. Seinen Studienfreunden BrAnpt, GOoEPPERT und 
Pnozsus blieb er während seines ganzen Lebens eng verbunden. Als 
Privatdocent kam er in das Haus Wıruerm von Hunmsorpr's, dessen 
Sohn er unterrichtete, und dadurch auch in Verbindung mit ALEXANDER 
von Hunmsorpr. Diese Beziehungen scheinen nicht ohne Bedeutung für 
die Gründung der Forstakademie Neustadt-Eberswalde gewesen zu sein, 
welche Preis erstrebte, denn beide Humgorpr interessirten sich in ein- 
flussreicher Weise dafür. Am 1. Mai 1830 wurde die neue Akademie 
eröffnet, und Rartzesurg übernahm an ihr die Vorträge über das ganze 
Gebiet der Naturwissenschaften. Nur der rastloseste Fleiss, unermüdliches 
Forschen, gestützt auf eine sehr vielseitige naturwissenschaftliche Vor- 
bildung, machten es ihm möglich, dieser grossen Aufgabe gerecht zu 
werden, welche eigentlich schon vor 50 Jahren über die Kraft eines 


Ratzeburg’s Leben. 3 
lo] 


Einzelnen hinausging. Dazu kam die sehr richtige Erkenntniss, dass er 
als Lehrer an einer Forstakademie das Hauptziel seines Strebens in der 
Ausbildung der Naturwissenschaften in forstlicher Richtung zu suchen 
habe. Hieraus erklärt es sich auch, weshalb er sich vorzugsweise der 
Entomologie zuwendete, obgleich er von Haus aus mehr Neigung für 
Botanik hatte und dieser auch für den forstlichen Unterricht eine her- 
vorragend wichtige. Stellung unter den Naturwissenschaften einräumte. 
Mit riehtigem Blick erkannte er, dass gerade die Entomologie am meisten 
der weiteren Bearbeitung bedurfte, um forstlich praktischen Nutzen für 
die Bekämpfung der Waldfeinde aus der Insektenwelt zu bringen. Seit 
den nicht mehr genügenden Arbeiten Becnsrem’s war gerade in dieser 
Richtung nur wenig geleistet worden. Vorzugsweise der biologischen 
Forschung widmete er sich deshalb mit grösstem Eifer, die Systematik 
war ihm nur Mittel zum Zweck. Schon 1832 schrieb er „Ueber Ent- 
 wieklung der fusslosen Hymnenopteren-Larven” und 1834 
„Entomologische Beiträge”. Beide Abhandlungen überreichte er der 
Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Wenige Jahre später, 1835, 
begann er seine bedeutendste literarische Arbeit: „Die Forstinsekten”. 
Der I. Theil (Käfer) erschien 1837, der II. Theil (Falter) 1840, der 
III. Theil (Ader-, Zwei-, Netz- und Geradflügler) 1845. Dieses Werk 
war epochemachend. Es zeigte, dass der Verfasser rastlos im Walde 
selbst studirt, dass er mit eisernem Fleisse nicht blos die in der Literatur 
vielfach zerstreuten forstentomologischen Notizen gesammelt hatte, sondern 
dass er auch unausgesetzt bemüht gewesen war, durch persönlichen und 
brieflichen Verkehr mit Forstleuten selbst zu lernen. 

In den Jahren 1844, 1848 und 1852 erschienen: „Die Ichneu- 
monen der Forstinsekten” in drei Bänden. Diese äusserst schwierige 
Arbeit war weniger von forstlicher, als von rein entomologischer Be- 
deutung und hat deshalb auch bei den Entomologen mehr Anerkennung 
gefunden, als ‚Die Forstinsekten”. Beide kostspielige Werke sind auf 
Staatskosten für alle Oberförstereien und höheren Verwaltungsstellen 
Preussens angeschafft worden. 

RArTzegurG sah sehr bald ein, dass sein grosses Werk für die 
kleinen Privatbibliotheken der Studirenden und der meisten Forstwirthe 
zu theuer war. Um aber gerade in diesen Kreisen möglichst ausgedehnt 
belehrend und anregend zu wirken, verfasste er 1341 das kleinere Buch 
„Die Waldverderber und ihre Feinde”, welches von ihm selbst 
1869 in sechster Auflage herausgegeben wurde. Jede neue Auflage 
brachte reichlich neue Beobachtungen und Erfahrungen. 

1# 


4 Ratzeburg’s Leben. 


Durch Rarzegure war die Forstinsektenkunde zu einem gewissen 
Abschlusse gelangt. Er versuchte nun die Folgen der Baum- und Wald- 
beschädigungen in physiologischer und pathologischer Hinsicht zu er- 
forschen. In diesem Sinne schrieb er 1862 „Die Nachkrankheiten 
und die Reproduction der Kiefer nach dem Frasse der Forl- 
eule”, bald darauf sein grosses, abermals mit zahlreichen guten Abbil- 
dungen ausgestattetes Werk: „Die Waldverderbniss oder dauernder 
Schade, welcher durch Insektenfrass, Schälen, Schlagen und 
Verbeissen an lebenden Waldbäumen entsteht”. Der I. Theil 
(Kiefer und Fichte) erschien 1866, der II. Theil (Tanne, Lärche, Laub- 
hölzer und entomologischer Anhang) 1868. 

Eine reiche Menge neuer eigener und fremder Beobachtungen ist 
darin mitgetheilt, sie bekundet den riesenhaften Fleiss des Verfassers. 
Bei den grossen Fortschritten, welche jedoch in neuerer Zeit Physiologie 
und Pathologie gemacht hatten, war es ihm leider nicht mehr möglich, 
den ganzen Stoff genügend zu beherrschen. Es geht dies jetzt eben über 
die Kraft des Einzelnen hinaus. 

Ausser seinen entomologischen Arbeiten veröffentlichte Rarze- 
BURG noch: 

In Verbindung mit Branpr: ,„Medicinische Zoologie oder 
getreue Darstellung und Beschreibung der Thiere, die in der 
Arzneimittellehre in Betracht kommen’, 2 Bände mit 69 Kupfer- 
tafeln, Berlin 1827—34; ein Werk, welches noch heute, namentlich 
wegen der vortrefflichen Original-Abbildungen, von» grosser Bedeu- 
tung ist. 

In Verbindung mit Branpr und Prorsus: „Abbildung und 
Beschreibung der in Deutschland wild wachsenden und in 
Gärten im Freien ausdauernden Giftgewächse”, 2 Bände mit 
56 Kupfertafeln, Berlin 1838. 

„Untersuehungen über Formen und Zahlenverhältnisse 
der Naturkörper”, mit .einer Kupfertafel. Berlin 1829. 

„Forstnaturwissenschaftliche Reisen durch verschiedene 
Gegenden Deutschlands’, Berlin 1842. 

„Die Naturwissenschaften als Gegenstand des Unter- 
richtes, des Studiums und der Prüfung”, Berlin 1849. 

„Die Standortsgewächse und Unkräuter Deutschlands und 
der Schweiz”, Berlin 1859. 

Am 1. Mai 1869 nach 39jähriger, segensreicher und aufopfernder 
Lehrerthätigkeit trat Rarzerurg in_den wohlverdienten Ruhestand. Sein 


Eu 


Ratzeburg’s Leben. 5 


Gesundheitszustand machte dies unbedingt nöthig. Schon vorher hatte er 
noch eine grössere literarische Arbeit begonnen, welcher er nunmehr 
fast seine ganze Thätigkeit widmete. Es war ihm vergönnt, dieselbe im 
Manuscripte ganz, im Drucke grösstentheils zu vollenden. Aber erst nach 
seinem am 24. October 1571 erfolgten Tode, im Jahre 1872, erschien 
sein „Forstwissenschaftliches Schriftsteller-Lexikon’ mit einem 
Vorworte seines alten Freundes Pr. Pnorsus. 

Etwa im Jahre 1866 hatte er nämlich die Idee gefasst, kurze 
Biographien aller für seine forstwissenschaftlichen Schriften, ja für die 
Forstwissenschaft überhaupt, wichtig gewordenen lebenden und verstor- 
benen Persönlichkeiten zu schreiben. Dieser Gedanke charakterisirt den 
trefllichen Mann in doppelter Hinsicht; einmal zeigt er, wie sehr 
RATzEgBurG bis an sein Lebensende ein Naturforscher mit forstlicher 
Richtung blieb, und dann wie dankbar er Allen war, welche ihn in 
seinem Forschen, sei es auch nur durch ‘die kleinsten mündlichen oder 
schriftlichen Mittheilungen, unterstützten. Diese Dankbarkeit geht schon 
aus der grossen Menge gewissenhaftester Citate hervor, welche seine 
Werke, namentlich die ‚,„Waldverderbniss”, enthalten, noch mehr aber 
aus dem Schriftsteller- Lexikon. In der Vorrede zu letzterem sagt 
Phorsus sehr richtig, RArzegurg habe sich dadurch „ein grossartiges 
Denkmal gesetzt; ein ‚„monumentum aere perennius’ seines seltenen 
Fleisses, seines über mehrere grosse Fächer ausgebreiteten und doch 
auch tiefen Wissens, seiner reichen und wichtigen Naturstudien, die 
ihn zu einem der fruchtbarsten Naturhistoriker und zum kräftigsten 
Beschützer unserer Waldungen machten; — ein Denkmal auch seiner 
Humanität; denn auch diese spricht sich hier, wie in seinen früheren 
Arbeiten, aus in der freudigen Anerkennung fremder Leistungen, und, 
wo Wissenschaftlichkeit und Gerechtigkeit einen Tadel auszusprechen 
nöthigen, in der milden Form”, 

Rartzegurg’s forstentomologische Arbeiten schufen in dieser Wissen- 
schaft eine neue Basis für alle weiteren Forschungen; auch in später, 
künftiger Zeit wird man immer und immer wieder auf dieselben als 
bleibend werthvolle Quellen zurückgreifen. _ Sein Verdienst in dieser 
Richtung lag nicht blos in der eigenen Arbeit, sondern wesentlich auch 
mit darin, dass er durch seine Schriften, wie durch den persönlichen, 
briefliehen oder mündlichen Verkehr, Anregung zu Forschungen im 
Walde gab und Interesse an dem Insektenleben in weiten Kreisen weckte. 
Gerade die grosse Liebenswürdigkeit, mit welcher er jede Frage beant- 
wortete, jede, auch die kleinste Mittheilung dankbar entgegennalm, hat 


6 Ratzeburg’s Leben. 


so Manchen ermuthigt, auf dem interessanten Gebiete selbst weiter zu 
arbeiten. 

Der Fortschritt der Wissenschaft ist ein unendlicher, neue For- 
schungen und Beobachtungen haben neue Belehrung gebracht, daher 
stehen wir bereits heute bezüglich mancher wichtigen und schwierigen 
Frage nicht blos in systematischer, sondern auch in biologischer Hinsicht 
auf einem richtigeren Standpunkte, als Rarzegurg. Dass wir aber in der 
Forstentomologie während der letzten Jahrzehnte bedeutende Fortschritte 
gemacht haben, verdanken wir nicht zum kleinen Theil, sondern ganz 
wesentlich der fruchtbringenden, verständnissvollen Anregung unseres 


alten Meisters RATZEBURG. 


EINLEITUNG. 


KAPITEL 1. 


Die Gliederfüssler im Allgemeinen. 


Das Thierreich wird gewöhnlich eingetheilt in sieben Typen. Man 
unterscheidet den Typus der Protozoa oder Urthiere, der Coelen- 
terata oder Pflanzenthiere, der Vermes oder Würmer, der 
Echinodermata oder$tachelhäuter, der Arthropoda oder Glieder- 
füssler, der Mollusca oder Weichthiere und der Vertebrata oder 
Wirbelthiere. Wir haben es hier mit dem fünften, dem Typus der 
Arthropoden (abgeleitet von &p$pov, das Glied; roJs, Genitiv moöos, der 
Fuss) oder Gliederfüssler zu thun. 


Der Typus der Arthropoden oder Gliederfüssler. 


Die Arthropoden sind bilateral symmetrische Thiere mit 
heteronom segmentirtem Körper und paarig angeordneten, 
bauchständigen, gegliederten Segmentanhängen oder Glied- 
massen, deren äussere Körperoberfläche gebildet wird von 
einer mehr weniger starren, ein Hautskelet darstellenden 
Chitinhülle. 

Die rechte Hälfte des Körpers eines jeden Gliederfüsslers ist 
spiegelbildlich, symmetrisch, gleich der linken Hälfte, während die 
gliedmassentragende Bauchseite von der gliedmassenlosen Rückenseite 
verschieden ist. Der Körper zerfällt der Länge nach in eine grössere 
bei den verschiedenen Gruppen sehr wechselnde Anzahl gegen ein- 
ander beweglicher Segmente, auch Ringel, Folgestücken, Meta- 
meren genannt. Am besten erkennt man dies bei einem Tausendfuss 
(Fig. 1). Jedes Segment selbst wird aber durch den seiner Oberfläche 
auflagernden, weiter unten genauer zu besprechenden Chitinpanzer 
zu einem starren, keine ausgiebigen Formveränderungen gestattenden 
Körper. Man bezeichnet die Segmentirung — im Gegensatze zu der 


Kap. I. Die Gliederfüssler im Allgemeinen. 


bei den gegliederten Würmern vorkommenden — als heteronom 
oder verschiedenwerthig, weil nicht jedes Segment jedem folgenden oder 
vorhergehenden gleich ist, vielmehr die einzelnen Segmente oder 
Segmentgruppen verschiedenen Bau und verschiedene Verrichtungen 
haben. So sind z. B. die die Gliedmassen und Flügel tragenden drei 
Brustsegmente der Insekten (Fig. 7, B) verschieden von den im Wesent- 


Fig. 1. Ein Tausendfuss, Scolopendra morsitans L. 


lichen gliedmassenlosen des Hinterleibes (Fig. 7, H). Auch sind nicht 
alle Segmente während der ganzen Lebensdauer von einander getrennt, 
sondern sie verschmelzen an manchen Stellen gruppenweise. So be- 
steht der Kopf eines Tausendfusses oder Insektes (Fig. 1 und 7 KR) aus 
vier, das Kopfbruststück, die „Nase”, unseres Flusskrebses aus dreizehn 
in der Embryonalanlage getrennt angelegten, späterhin verschmelzenden 
Segmenten (Fig. 2 KB). 


Fig. 2. Der Flusskrebs, Astacus fluviatilis Fabr. 


Jedes Segment kann auf seiner Bauchseite ein — bei manchen 
Tausendfüssen auch zwei Paar Gliedmassen tragen. Es kommen 
aber auch besonders bei den Insekten und den spinnenartigen Thieren 
gliedmassenlose Segmente oder Segmentgruppen vor, z. B. der Hinter- 
leib der Spinnen und Insekten. Auch können auf verschiedenen 
Stufen der Entwicklung dieselben Segmente desselben 'Thieres glied- 
massentragend oder gliedmassenlos sein. So trägt z. B. der Hinter- 
leib der Schmetterlingsraupen an mehreren Segmenten Gliedmassen, 


Der Typus der Arthropoden. 9 


sogenannte „Afterfüsse”’, während der Hinterleib der Puppe und des 
Schmetterlinges deren entbehrt. Die Gliedmassen sind selbst wieder 
gegliedert, d. h. sie sind eingetheilt in: der Länge nach an einander 
gereihte, starre Abschnitte, welche durch weichere Gelenke mit ein- 
ander verbunden sind und daher gegen einander gebeugt werden 
können. Diese Gliederung unterscheidet die Gliedmassen von den bei 
den höheren Würmern vorkommenden, paarigen Fussstummeln. 


Sowohl die Aussenfläche des Rumpfes als der Gliedmassen ist 
bedeekt mit einer aus Ohitin bestehenden Hülle. Chitin ist eine 
stickstoffhaltige, sehr widerstandsfähige, nur durch Kochen in concen- 
trirten Mineralsäuren lösliche Substanz, welche von den Aussenflächen 
der Grenzzellen des Arthropodenkörpers abgesondert wird, und der 
die Formel C, Z,,; NO, oder ein Mehrfaches davon zukommt. Dieses 


Secret erhärtet allmälig — ein frisch ausgekrochener Käfer, ein eben 
erst gehäuteter Krebs „Butterkrebs” ist noch weich — an der Luft und 


bildet so eine äussere, feste Schicht, welche den gesammten Arthro- 
podenkörper überzieht. Sie ist kein Gewebe, besteht nicht aus ein- 
zelnen Zellen, ist vielmehr eine Cuticula, eine erhärtete Absonderung. 
Ist die Chitinschicht dünn, z. B. an Brust und Hinterleib einer Raupe 
oder an den Grenzen der einzelnen unverschmolzenen Segmente jedes 
Arthropoden, so ist sie biegsam. Ist sie dick oder gar wie bei vielen 
Krebsen mit Kalksalzen incrustirt, so stellt sie einen starren Panzer dar. 
Es ist diese Schicht aber stets das relativ festeste und starrste Gebilde 
Jedes Arthropodenkörpers, das Skelet. Die Arthropoden haben also ein 
äusseres COhitinskelet, welches sowohl die Ansatzpunkte für die 
Musculatur darbietet, als auch die Gestalt des Thhieres bestimmt. Die 
Krümmung eines mit festem Chitinpanzer versehenen Thieres geschieht 
lediglich durch Verschiebung der einzelnen starren Segmente gegen 
einander, eine Verschiebung, welche durch die an den Segment- 
grenzen biegsam gebliebene Outicula, also durch Gelenke ermöglicht 
wird. Besonders ist die Cuticula nur wenig elastisch, und kann als 
erhärtetes Secret auch nicht durch Wachsthum weiter werden, Daher 
muss beim Wachsthum jeder Arthropodenkörper den alten Panzer 
von Zeit zu Zeit sprengen und sich mit einem neuen, geräumigeren, 
unter dem alten Panzer angelegten versehen. Das Wachsthum 
eines Arthropods ist mit Häutung verbunden: Ein Arthropod, 
das sich nicht mehr häutet, z. B. ein ausgeschlüpfter Käfer oder 
Schmetterling, wächst nicht mehr, 

Die Leibeswand der Arthropoden besteht nach innen von der 
Chitinhülle aus einer Zellschicht, Hypodermis, deren Aussenfläche den 


Chitinpanzer absondert und der unter dieser liegenden quergestreiften 


Musculatur. Sie umschliesst eine wesentlich einfache Leibeshöhle, welche 


durchsetzt wird von dem Darmecanal, über dem, also dorsal, das Oentral- 
organ des Kreislaufssystems, unter dem, also ventral, das vorn einen 
Schlundring bildende Bauchmark, das Centralnervensystem liegt. 


10 Kap. I. Die Gliederfüssler im Allgemeinen. 


Die ursprünglich aus gesonderten, mitunter stark veränderten 
Zellen bestehende Hypodermis entspricht der Epidermis der übrigen 
höheren Thiere; über ihr wie über einer Form legt sich das Chitin- 
secret auf, so dass jeder Auswuchs, respective jede Sculptur der 
Oberfläche der Cutieula einem gleichen Gebilde der Hypodermis 
entspricht. Jedes Chitinhaar einer Raupe ist z. B. hohl und ursprüng- 
lich über einem weichen, haarähnlichen Fortsatze einer Hypodermis- 
zelle geformt. Es wird daher die Hypodermis in Bezug auf die Chitin- 
eutieula als deren Matrix oder Mutterboden bezeichnet. Die Quer- 
streiffung der an die Matrix, respective an das äussere Chitinskelet 
sich ansetzenden Museulatur nähert diesen dem Willen des Arthro- 
poden unterworfenen Bewegungsapparat dem der Wirbelthiere. Aber 
auch die dem Willen der Arthropoden entzogenen Muskelfasern sind 
quergestreift. 


Fig. 3. Querschnitt durch ein Arthropod, Fig. 4. Querschnitt durch ein Wirbel- 
die Wasserassel, Asellus aquaticus. thier, Neunauge, Petromyzon fluviatile. 


d Darm, ! Leber, " Herz, n Nervensystem, y Geschlechtsorgane. 


Die Lagerung der Hauptorgane in der Leibeshöhle ist der- 
artig, dass der Darmeanal in der Mitte liegt zwischen Centralnerven- 
system und Centralorgan des Kreislaufes. Insofern ist dieselbe Anord- 
nung vorhanden, wie bei den Wirbelthieren. Aber das Centralnerven- 
system ist bei den Arthropoden an der Seite angebracht, auf welcher 
zugleich die Gliedmassen sich befinden, auf der in der natürlichen 
Stellung des T'hieres dem Boden zugekehrten Bauchseite, während 
dies bei den Wirbelthieren gerade umgekehrt ist; man kann daher 
sagen, dass die Arthropoden in einer der Haltung der Wirbelthiere 
gerade entgegengesetzten Lage laufen. 


Die Leibeshöhle ist stets mit Blutflüssigkeit, welche alle 
Organe bespült, angefüllt, und diese wird im einfachsten Falle durch 
Bewegungen des T'hieres, meist aber durch ein bei den verschiedenen 
Gruppen sehr verschieden gebautes Herz in Circulation erhalten. An 
das Herz schliesst sich bei vielen Formen ein mehr weniger compli- 
eirtes, übrigens aber niemals vollkommen gegen die Leibeshöhle ab- 
geschlossenes Gefässsystem an. Der sehr verschieden gegliederte, 
bald mit Leber, bald mit Ausscheidungsorganen versehene Darm- 


Der Typus der Arthropoden. 11 


canal, der nur in sehr seltenen Fällen, bei einigen schmarotzenden 
Krebsen oder als reine Begattungsmaschine dienenden Blattlausmänn- 
chen, verkümmert, ist zwischen dem vorn auf der Bauchseite gelegenen 
Mund und der Afteröffnung ausgespannt. Er ist, wie überhaupt alle auf 
der Aussenfläche mündenden inneren Organe des Arthropodenkörpers, 
mit einer feinen Chitincuticula, die an den Mündungsstellen in die 
Cuticula der Körperoberfläche übergeht, ausgekleidet. Als Organe der 
Nahrungsaufnahme dienen diesem Zwecke angepasste, die Mund- 
öffnung seitlich umstehende Gliedmassenpaare. 


Das centrale Nervensystem oder Bauchmark besteht der 
Anlage nach in jedem Segmente aus je zwei rechts und links von der 
Medianlinie gelegenen Nervenknoten, also einem Ganglienpaar. Es 
sind dieselben unter sich durch eine kurze Querbrücke und mit den 
Ganglienpaaren der anstossenden Segmente durch je ein paar Längs- 
stimme verbunden. Das Nervensystem kann also im Ganzen als ein 
strickleiterförmiges Gebilde bezeichnet werden. Das erste Nervenknoten- 
paar liest oberhalb, das zweite unterhalb des Schlundes, und beide bilden 
mit den sie verbindenden Längsstämmen den Schlundring. Die Anzahl 
der Nervenknoten ist meist — durch Verschmelzung mehrerer zu gemein- 
samen Massen — verringert und es kann daher das Bauchmark mitunter 
sehr verkürzt erscheinen, z. B. bei den Taschenkrebsen. 


Die Fortpflanzung der Arthropoden geschieht ausschliesslieh durch 
Eier; niemals kommt Knospung oder Theilung vor. Beinahe alle 
Arthropoden sind getrennten Geschlechtes. Die Bauchseite des Embryos 
wird im Ei zuerst angelegt. Beiweitem die meisten Formen durchlaufen 
nach ihrem Ausschlüpfen aus dem Ei eine Metamorphose. 


Eier, gebildet in den paarigen Eierstöcken der Weibchen, sind 
die einzigen bei den Arthropoden vorkommenden Fortpflanzungskörper. 
Da dieselben sich aber mitunter bereits in noch nicht völlig aus- 


gebildeten Thieren — Larven — entwickeln und dann — ebenso wie in 
manchen anderen Fällen, wenn sie auch von entwickelten Weibchen 
erzeugt werden — keiner Befruchtung durch den männlichen Samen 


bedürfen, so sah man diese jungfräulich, parthenogenetisch, oder in 
unreifen Geschöpfen, paedogenetisch, sich entwickelnden Eier fälsch- 
lich als etwas Besonderes, als ‚Sporen’ oder Keime”, an. Daher 
die entgegenstehenden Ansichten mancher älteren Lehrbücher. Nur 
die Bärthierchen und die niedrigsten Krebse, die „Entenmuscheln und 
Seepocken”, sind Zwitter oder Hermaphroditen, d. h. haben beiderlei 
Geschlechtsorgane in einem Individuum vereinigt. Alle anderen sind 
getrennten Geschlechtes, haben Männchen und Weibchen, In dem Ei 
wird zunächst als segmentirter „Keimstreif” die Bauchseite des 
jungen Thieres mit dem Nervensystem und mit den Gliedmassenpaaren 
angelegt. Zuletzt wird der Rücken ausgebildet. Hierdurch unterscheiden 
sich die Arthropoden wesentlich von den Wirbelthieren, bei denen 
stets zuerst die Rückenfläche mit dem dort befindlichen Rückenmarke 


12 Kap. I. Die Gliederfüssler im Allgemeinen. b 
angelegt, dagegen der Bauch zuletzt ausgebildet wird und sich zu- 
letzt schliesst, wie die Stellung des Nabels bei ihnen zeigt. — Am 
besten kann man dies an gekochten Krebseiern, respective an jungen 
eben ausgeschlüpften Forellen beobachten. — Nur wenige Arthropoden 
verlassen das Ei in der dem erwachsenen Thiere eigenthümlichen Form. 
Sie durchlaufen vielmehr während ihres freien Lebens unter mannigfachen 
Häutungen — siehe oben — eine Reihe von Formwandlungen, deren 
Gesammtheit man als. Metamorphose bezeichnet. Das bekannteste 
Beispiel ist die Entwicklung des Schmetterlings, welcher vor seiner 
definitiven Ausbildung das Raupen- und Puppenstadium durchläuft. 

D 


FII 91011 D 


Fig.5. Aus dem Ei genommener Embryo Fig. 6. Eben ausgeschlüpfte junge Bach- 
des Flusskrebses, bei welehem schon die  forelle mit anhängendem bauchständigen 
ganzen Gliedmassen und die Bauchseite Dottersack bei D. ?,. 
ausgebildet sind, während bei D der 
rückenständige Dottersack noch sichtbar 
ist. FI vorderer, F II hinterer Fühler. 

9—11 die drei ersten Gangbeine, 


A Hinterleib. 1/,. 


Die Klassen der Arthropoden. 


Der Typus der Arthropoden zerfällt in vier natürliche Gruppen, 
Klassen genannt. Es sind dies die Krebsthiere oder Crustacea, die 
Spinnenthiere oder Arachnoidea, die Tausendfüsse oder Myrio- 
poda und die Kerfe oder Insekten, Insecta. Zur kurzen Definition dieser 
Klassen verwendet man Kennzeichen, welche entnommen sind: 

a) der Gruppirung der Segmente zu grösseren Abschnitten; 

b) der Besetzung dieser Segmentgruppen mit verschiedenartigen Glied- 
massen und der Beschaffenheit und Zahl der letzteren; 

c) der Beschaffenheit der Athmungsorgane; 


d) dem Fehlen oder Vorhandensein von Flügeln. 


Die Klassen der Arthropoden. 13 


Wie wir oben sahen, ist die Segmentirung der Arthropoden stets 
eine heteronome. Niemals sind alle Segmente gleichwerthig und 
getrennt. Am stärksten ist die Heid none: und das Zusammentreten 
einer Anzahl von Segmenten zu grösseren Gruppen ausgebildet bei 
den Insekten (Fig. 7). Wir unterschiede bei diesen: 1. Kopf, caput, 
zepaÄn, 2. Brust, thorax, 3. Hinterleib, abdomen. 

Als Kopf rd bezeichnet die vorderste aus vier verschmol- 
zenen Segmenten gebildete Körperregion, welche die Augen und die 
‚Mundöffnung, sowie von Gliedmassen ein Paar Fühler und drei 
Paar Mundwerkzeuge, Kiefer, trägt. Als Brust bezeichnet man 
den aus drei Segmenten gebildeten Abschnitt, welcher drei Bein- 


Fig.7. A Männliche Hornisse, Vespa Crabro. X Kopf, B Brust, 7 Hinterleib, # Fühler 

(erstes Gliedmassenpaar), N NA Netzauge, pa Punktauge, Ob K Vorderkiefer (zweites 

Gliedmassenpaar, die zwei folgenden aa sind bei dieser Ansicht nicht wahr- 

zunehmen) 5, 6, 7 Beine (sechstes bis siebentes Gliedmassenpaar), #77 Vorderflügel, 
FT 2 Hinterflügel. — B Tasterloser Kiefer, isolirt. 


paare und meist an der Rückenfläche der beiden hinteren Segmente 
zwei Paar Flügel trägt. Keine andere Arthropodenklasse hat 
Flügel. 

Der dritte und letzte, meist aus zehn Segmenten zusammen- 
gesetzte Abschnitt, welcher bei den ausgebildeten 'Thieren niemals 
deutliche Gliedmassen trägt, ist der Hinterleib. 

Bei den spinnenartigen Thieren (Fig. 8 und 9) ist dagegen 
eine Theilung des Körpers in nur zwei grössere Segmentgruppen "als 
Regel zusehen. Es verschmelzen hier en nicht allein wie bei den 
De die mit Mundwerkzeugen versehenen Segmente unter einander, 
sondern diese treten auch mit den vier folgenden, vier Paar Beine tragenden 
Segmenten zusammen. Diesen im Ganzen sechs Gliedmassenpaare tragen- 
den Abschnitt bezeichnet man als gleichwerthig dem Kopf und Thorax 


14 Kap. I. Die Gliederfüssler im Allgemeinen. 


der Insekten und nennt ihn Cephalothorax, Kopfbruststück. Eigentliche 
Fühler fehlen, aber man nimmt an, dass das erste sicherlich haupt- 
sächlich der Nahrungsaufnahme dienende Gliedmassenpaar morphologisch 
dem Fühler der Insekten gleichwerthig ist und nennt dieses daher 
Kieferfühler. Auf den Cephalothorax folgt ein meist scharf abgesetzter 


Hi 2) 
12 34 56 
Fig. S. Kreuzspinne, Epeira diadema L. Fig. 9. Holzbock, Ixodes ricinus L. 

1/ 2 


KB Kopfbruststück oder Cephalothorax, 77 Hinterleib (Abdomen), 1—6 die sechs 
Gliedmassen des Cephalothorax, 1 Kieferfühler, 2 Kiefertaster, 3—6 die vier Beinpaare. 


l 


Fig. 10. A Männlicher Flusskrebs, Astacus fJluviatilis L. X BP Kopfbruststück, 47 Hinter 
leib, N A gestieltes Netzauge, FI mit zwei Geisseln versehener, vorderer Fühler 
(erstes Gliedmassenpaar), #'/I eingeisseliger hinterer Fühler (zweites Gliedmassen- 
paar). Das dritte bis achte Gliedmassenpaar, Kiefer und Kieferfüsse darstellend, ist 
in dieser Ansicht nicht darstellbar; 9—13 die fünf Paar Gangbeine, von denen das 
erste zu den grossen Scheeren modifieirt ist, 16—19 die sechs Paar Gliedmassen des 
Hinterleibes, von denen 14 und 15 zu Begattungsorganen und 19 zu Seitentheilen 
der Schwanzflosse umgebildet sind. — B Der Taster tragende Oberkiefer (drittes 
Gliedmassenpaar), 7’ Taster, !/,. 


ungegliederter und gliedmassenloser Hinterleib, der aber bei den höchsten 
Formen, Scorpionen und Verwandten, die Gliederung beibehalten, bei den 
niedrigsten Formen, den Milben (Fig. 9), ganz mit dem Cephalothorax 
verschmelzen kann. Wenngleich also die Regionenbildung des Körpers 
bei den Arachnoideen keine so constante ist wie bei den Insekten, 


Die Klassen der Arthropoden. 15 
so ist doch die Anzahl ihrer Gliedmassen eine ebenso feststehende 
wie bei diesen. 

Auch bei den Crustaceen finden wir stets einen Cephalothorax, 
d. h. einen vorderen Complex verschmolzener Segmente, welcher ausser 
den Fühlern und eigentlichen Mundwerkzeugen noch weitere Glied- 
massen trägt. Am ausgebildetsten ist derselbe bei unserem Flusskrebs 
und Verwandten, wo er ausser den beiden Fühlerpaaren und den 
drei Paaren eigentlicher Kiefer, noch drei Paar Kieferfüsse und fünf 
Paar Bewegungsfüsse, also im Ganzen dreizehn Gliedmassenpaare trägt 
(Fig. 10). In anderen Fällen besteht er aus viel weniger Segmenten, 
so z. B. bei dem Flohkrebs 
(Fig. 11) nur aus sechs die 
Fühler, die Kiefer und nur 
ein Kieferfusspaar tragenden 
Ringen. Es bleiben daher 
hier sieben weitere fusspaar- 
tragende Brustsegmente frei 
(Fig. 11 B), und erst hinter 
diesen schliesst sich dann, 
nicht gleich an den Oephalo- 
thorax wie bei dem Fluss- 
krebse,einweitererAbschnitt, 
das Abdomen, an. Es trägt 
aber dieses gleichfalls kleine 
Füsse. Wir sehen aus der kur- 


Fig. 11. Flohkrebs, Gammarus; die verbrei- 
tetste Art in unseren süssen Gewässern ist 


zen Vergleichung von zwei 
sich immerhin noch ziem- 
lich nahe stehenden höheren 
Krebsen, dass die Regionen- 
bildung bei den Krebsen 
keine so gleichmässige ist 


Gammarus pulex L. X 5 Kopfbruststück, 5 die 
sieben freien Brustringe, #4 Hinterleib, N A 
sitzendes Netzauge, FI vorderer Fühler (erstes 
Gliedmassenpaar), Z' // hinterer Fühler (zweites 
Gliedmassenpaar). Die drei folgenden Glied- 
massenpaare, die Kiefer, sind nur angedeutet. 
6 Kieferfuss (sechstes Gliedmassenpaar, das letzte 


des Kopfbruststückes), 7—13 die sieben Fuss- 
paare der freien Brustringe, 14—16 Schwimm- 
füsse des Hinterleibes (vierzehntes bis sech- 
zehntes Gliedmassenpaar), 17—19 Springfüsse 


wie bei den Insekten. Noch 
viel mehr variirt sie bei den 
niederen Krebsen. Nur die 


s g 3 des Hinterleibes (siebzehntes bis neunzehntes 
Cephalothoraxbildung und ea De). 
die Besetzung auch des Ab- hp 
domens mit Gliedmassen ist ziemlich constant. Besonders charakte- 


ristisch ist für die Krebse das regelmässige Vorkommen von zwei 
Paar Fühlern (Fig. 10 A und 11, FI und FIT), sowie das häufige 
Vorhandensein von Tastern am Öberkiefer (Fig. 10 2), Kennzeichen, 
welche sich niemals bei einer anderen Arthropodengruppe finden. 

Bei den Myriopoden (Fig. 12) finden wir einen dem Kopfe der 
Insekten vergleichbaren, ein Paar Fühler und drei Paar Mundwerkzeuge 
tragenden Kopf, an den sich eine bald kleinere, bald sehr grosse 
Anzahl im Wesentlichen gleichgebildeter und je ein oder zwei 
Fusspaare tragender freier, unverschmolzener Segmente anschliesst. 
Sicherlich ist die Summe dieser gleichgebildeten freien Segmente den 


16 Kap. I. Die Gliederfüssler im Allgemeinen. 


3rust- und Hinterleibssegmenten der übrigen Arthropodengruppen zu 
vergleichen. Aeusserlich ist eine 'Trennung von Brust und Hinterleib 
aber nicht ausgedrückt. Bei den Myriopoden ist also die Segmentirung 
des Leibes am wenigsten heteronom ausgebildet. 

Die Krebse end meist Wasserbei die spinnenartigen Thiere 
und Tausendfüsse Landbewohner, während man die gleichfalls meist 
auf dem Lande lebenden Insekten wegen ihrer Flugfähiskeit ausserdem 
auch als Luftbewohner bezeichnen kann. Der Lebensweise entsprechen 
im wesentlichen die Athmungsorgane. Die Krebse nehmen durch 
Kiemen den Sauerstoff der mechanisch an das Wasser gebundenen 
atmosphärischen Luft auf, während Insekten, Tausendfüsse und spinnen- 
artige T'hiere, wenn sie, wie allerdings meist der Fall, überhaupt be- 
sondere Athmungsorgane haben, durch Tracheen direet den Sauerstoff 
der atmosphärischen Luft athmen. Sind doch die gewöhnlich als 
Lungen bezeichneten Athmungsorgane der Webspinnen und Scorpione 
nichts weiter als eigenthümlich modifieirte Tracheen und werden daher 
auch neuerdings besser als Blättertracheen bezeichnet. 


Fig. 12. Tausendfuss, Scolopendra morsitans L. !/. A Kopf, F Fühler (erstes Glied- 

massenpaar), die Kiefer (zweites bis viertes Gliedmassenpaar) in dieser Ansicht nicht 

darstellbar, 5—26 die Gliedmassen der freien Leibessegmente, von denen nur das 
fünfte zu einer Art Kieferfuss umgewandelt ist. 


Sehen wir von einzelnen ganz aberranten, meist durch regressive 
Metamorphose veränderten Formen ab, so können wir die vier Klassen 
folgendermassen kennzeichnen: 

Die krebsartigen Thiere sind deutlich heteronom segmentirte, 
flügellose, gewöhnlich durch Kiemen athmende Gliederfüssler, deren aus 
einer sehr wechselnden Anzahl von Segmenten bestehender Leib wenig- 
stens in ein Fühler, Kiefer und andere Gliedmassen tragendes Kopfbruststück 
und einen gleichfalls meist gliedmassentragenden Hinterleib zerfällt. Stets 
„wei Paar Fühler, erstes Kieferpaar meist mit Tastern versehen. 

Die spinnenartigen Thiere sind deutlich heteronom segmentirte, 
flügellose, gewöhnlich durch Tracheen athmende Gliederfüssler, deren 
Leib aus einem stets zwei Paar Mundwerkzeuge und vier Paar Beine 
tragenden Kopfbruststück und einem meist abgesetzten, gliedmassenlosen 
Hinterleibe besteht. Keine wirklichen Fühler. Erstes Paar Mundwerkzeuge 


tasterlose Kieferfühler. 


Beachtenswerthe Arachnoideen. 17 


Die Tausendfüsse sind schwach heteronom segmentirte, flügellose, 
durch Tracheen athmende Gliederfüssler, deren Leib zerfällt in einen aus 
vier Segmenten verschmolzenen Fühler und drei Paar Kiefer tragenden 
Kopf und eine grössere Anzahl freier, je ein oder zwei Paar Beine 
tragender Segmente. Stets nur ein Paar Fühler. Erstes Kieferpaar tasterlos. 

Die Insekten sind deutlich heteronom segmentirte, meist geflügelte, 
durch Tracheen athmende Gliederfüssler, deren Leib in einen Fühler 
und drei Paar Kiefer tragenden, aus vier Segmenten verschmolzenen 
Kopf, eine aus drei Segmenten bestehende, drei Beinpaare tragende 
Brust und einen gliedmassenlosen Hinterleib zerfällt. Stets nur ein 
Paar Fühler. Erstes Kieferpaar tasterlos, 

Die krebsartigen Thiere fallen ganz ausserhalb des Rahmens 
dieses Werkes und können daher gar nicht berücksichtigt werden. 

Die spinnenartigen Thiere werden eingetheilt in neun Ordnungen: 

le Zungenwürmer, Linguatulida. 

2. Milben,. Acarina. 

3. Bärthierchen, Tardigrada. 

4. Echte Spinnen, Araneida. 

5. Afterspinnen, Phalangida. 

6. Scorpionsspinnen, Pedipalpi. 

7. Scorpione, Scorpionidea. 

8. Afterscorpione, Pseudoscorpionidea. 

a Walzenspinnen, Solifugae. 

Von diesen fallen die sechste, siebente und neunte Ordnung, als 
unserer Fauna wesentlich fremd, ausserhalb des Rahmens dieser Dar- 
stellung. Auch für die meisten übrigen Gruppen müssen wir uns mit 
Andeutungen der forstlich interessanten Züge in ihrer Lebensweise 
begnügen. 

Die Zungenwürmer, eine sehr abweichende Gruppe, sind grosse, 
bis fingerlange, wurmartige, nur in ihren Jugendzuständen als Glieder- 
füssler erkennbare Thiere, deren einzige bei uns einheimische Art, 
Pentastomum taenioides Rup. im erwachsenen Zustande in der Nasen- 
und Stirnhöhle des Hundes und Wolfes schmarotzt, im Larvenzustande 
aber die Eingeweide der Hasen und Kaninchen zerstört. 

Die Ordnung der Milben schliesst die forstlich beachtungs- 
werthesten Spinnenthiere ein. Es sind fast ausschliesslich ziemlich 
kleine Thiere, welche deutlich den Charakter der Gliederfüssler 
erkennen lassen. Die Verschmelzung des Hinterleibes mit dem Cephalo- 
thorax ist für sie besonders charakteristisch (Fig. 13). 


Ihre Mundtheile sind zwar zum Theile beissend, bei vielen und 
besonders bei den parasitischen Formen aber zum Stechen und Saugen 


Lehrbuclı d. mitteleurop, Forstinsektenkunde. > 


18 Kap. I. Die Gliederfüssler im Allgemeinen. 


eingerichtet. Die Jugendformen entbehren noch des letzten Beinpaares 
(Fig. 13, 2). 

Als niedrigste Form erwähnen wir die Haarbalgmilbe, 
Demodex folliculorum Lm., ein nur circa 0'3 mm langes und 
eirca 0:04 mm breites, also dem blossen Auge völlig unsichtbares, 
langgestrecktes Thier, welches in den Talgdrüsen und Haarbälgen der 
Menschen und der Thiere häufig lebt und bei starker Vermehrung 
beim Menschen die ‚„Mitesser’’ erzeugt, bei den Hunden aber eine 
sehr schwer heilbare Form der Räude verursacht. 

Dieser Form schliessen sich an die eigentlichen Krätz- und 
Räudemilben. Der Parasitismus der in der Haut des Menschen 
Gänge grabenden, gerade noch mit blossem Auge sichtbaren Menschen- 
krätzmilbe, Sarcoptes scabiei Dre. ist die einzige Ursache der Krätz- 
krankheit, welche also stets nur durch Uebertragung der Milbe, 
nicht aus inneren Gründen entstehen kann, Daher sind die Krätz- 
krankheit, ebenso wie alle Räudekrankheiten der Hausthiere, 


Fig. 13. A. Erwachsenes und voll Blut gesogenes Exemplar des gemeinen Holz- 

bockes, Ixodes ricinus L., von der Seite gesehen, 3/,. B. Junges Exemplar, dem 

noch das letzte Beinpaar fehlt, von oben gesehen, nicht vollgesogen, ®/,. 1—6 die 
Gliedmassenpaare. 


nur mit äusserlichen Mitteln zu behandeln. Drei Gattungen 
von Räudemilben sind es, welche die Krankheiten unserer Haussäuge- 
thiere erzeugen: Sarcoptes, Dermatocoptes und Dermatophagus. Die 
gewöhnliche Hunderäude ist Sarcoptesräude. Es kann beim Hunde 
aber auch im Innern der Ohrmuschel eine Dermatophagusräude vor- 
kommen, welche dann häufig Grund des ‚inneren Ohrwurmes’” wird. 

Den Krätzmilben nahe verwandt sind die Käsemilben, von 
denen Tyrogliphus siro Gerv. die bekannteste ist. 

Die Schildmilben, Gamasidae, schmarotzen auf Insekten, Vögeln 
und Säugethieren. Gamasus coleoptratorum L., die gemeine Käfer- 
milbe, findet sich häufig in grossen Mengen an der Bauchseite der 
Aas- und Mistkäfer. 

Harrıc beschreibt in seinem Conversations-Lexikon, p. 733, aus- 
führlich eine Borkenkäfermilbe, welche nach ihm der Gattung 
Uropoda Larr. angehört. Dieselbe heftet sich mit einer vom After 
ausgehenden Röhre hinten an die abschüssige Stelle der Flügeldecken 
der Käfer, und wird so mit in die neuen Brutgänge getragen, wo sie 


Die Gallmilben. 19 


ihre Brut unterbringen kann. Er fand sehr viele Larven und Puppen 
des Tomicus typographus durch die Larven dieser Milbe zerstört. 
Wahrscheinlich ist es dieselbe Milbe, welche J. MürLrer in Mähren 
an Borkenkäfern fand und als Uropoda ovalis bezeichnet und HExseEL 
— Geunertr und Leo, ‚Forstliche Blätter’ IV, p. 215 — von 
Scolytus pruni erwähnt. 

Dermanyssus avium Dwuc. ist ein sehr häufig auf Vögeln, be- 
sonders auf unseren Stubenvögeln und Hühnern schmarotzendes Thier, 
welches auch auf den Menschen übergehen kann. 

Die grössten einheimischen Milben sind die Zecken, Ixodidae. 
Sie zeichnen sich durch ihre lederartige, stark ausdehnbare Haut und 
durch ein Hornschild auf dem Rücken aus. Als Belästiger von Thieren 
und Menschen ist der bekannte Ixodes ricinus L. (Fig. 13) erwähnens- 
werth, welcher sich mit seinen Mundwerkzeugen tief und fest in die 
Haut bohrt, um Blut zu saugen. Er schwillt nach und nach bis zur 
Grösse einer Johannisbeere an. Mit Gewalt soll man das festgesaugte 
Thier nicht herausziehen, weil dann der Kopf abreisst, in der Haut 
zurückbleibt und Eiterung verursacht. Dagegen kann man den Holz- 
bock durch sanftes Reiben mit dem in Baumöl getauchten Finger zum 
Loslassen bringen, freilich oft erst nach 20 bis 40 Minuten. Auch 
Tabakssaft, Branntwein oder Salzwasser bewirken dasselbe. 

Für den Forstmann haben die Gallmilben, Phytoptidae, Bedeu- 
tung. Kann man sie auch nicht als sehr schädliche Waldverderber bezeich- 
nen, so sind diese stets auf perennirenden und häufig auf Holzpflanzen 
lebenden Thiere doch durch die von ihnen veranlasste Gallenbildung 
vielen Waldbäumen und Sträuchern nachtheilig. Die Familie umfasst 
bis jetzt blos eine einzige zoologisch charakterisirbare Gattung, die 
Gattung Phytoptus (Fig. 14). 

Dieselbe enthält sehr kleine, 0:13 bis 0:30 mm lange, fast walzen- 
förmige, nach hinten und vorn zugespitzte Milben mit fein geringeltem 
Leibe. Mundwerkzeuge sehr rudimentär, rüsselartig nach unten stehend. 
Nur die beiden vorderen fünfgliedrigen, mit einer glatten Kralle und 
einer gefiederten Borste am letzten Gliede versehenen Beinpaare sind 
ausgebildet; dagegen die beiden hinteren rudimentär und durch Borsten 
vertreten. 

Alle Milbengallen, welche bis jetzt genau untersucht wurden, 
haben Phytoptusformen als Erzeuger. Die sehr zahlreichen Gattungs- 
namen, welche für Gallmilben besonders von AMmERLInG aufgestellt 
wurden, z. B. Volvulifex, Phyllerius, Malotrichus, Calycophthora 
u. s. f., sind daher einfach zu streichen. Es sind dieselben nämlich 
nicht nach zoologischen Merkmalen der die Gallen erzeugen- 
den Thiere aufgestellt worden, sondern lediglich nach mehr minder 
wichtigen Formunterschieden der betreffenden Gallen. Unter- 
sucht man deren Bewohner und Erzeuger, so findet man stets 
Phytoptus, und es ist augenblicklich nicht einmal möglich, ver- 


20 Kap. I. Die Gliederfüssler im Allgemeinen. 


schiedene Arten der Gattung Phytoptus nach zoologischen Merkmalen 
sicher zu unterscheiden, obgleich doch anzunehmen ist, dass die in ihrer 
Erscheinung und Stellung an den verschiedenen Pflanzen so ungemein 
verschiedenen Phytoptusgallen allerdings von der Art nach verschie- 
denen Phytoptusformen erzeugt werden. Hiefür spricht besonders, dass 
wir auf ein und demselben Organ ein und derselben Pflanze mitunter 
sehr verschiedene Formen finden. So sind allein auf den Blättern der 
Linde vier verschiedene Formen von Phytoptusgallen beobachtet. 

Es bleibt daher vorläufig nichts Anderes übrig, als die Phytoptus- 
gallen, deren Kenntniss in der neueren Zeit besonders durch Thomas 
gefördert wurde, nach ihren botanischen Merkmalen einzutheilen, wobei 
wir uns wesentlich an die 
Darstellung von Fraxk 
[XXV, 8. 669 — 700] an- 
schliessen. 


A, 


Die Phytoptusgallen ent- 
stehen durch krankhafte Wu- 
cherung von Pflanzentheilen 
meist direct an den Stellen, 
an welchen ein oder mehrere 
Gallmilben saugen. Die An- 
> oriffe der Milben richten sich 
stets auf ganz Junge, vielfach 
auch auf noch in der Knospe 


liegende Blätter und Triebe. 


Fig. 14. Gallmilbe aus deformirten Knospen des Esscheintübrigens, als 


Haselnussstrauches. : ; < 
« ' ; 7 inzelne ällen 
A. 150/,. Ein ganzes Thier von unten gesehen. wenn in einzelnen Fällen 


B. 3%/,. Vordertheil mit dem zugespitzten Rüssel überhaupt ein Saugen von 
und den beiden Beinen von der rechten Seite Milben an einem Blatte ge- 
gesehen. nügte, um Gallen an densel- 


ben entstehen zu lassen und dass die Gallbildung nicht genau auf den 
Umkreis der angesaugten Stelle beschränkt bleibt. Die Gallmilben über- 
wintern als erwachsene Tbiere in den Knospen und wandern zu dem 
Zeitpunkt, in welchem sich neue Knospen an den jungen Jahrestrieben 
bilden, aus den nun vertrocknenden, alten Gallen aus, um die jungen 


Kuospen zu beziehen. 

Dass ein merklicher forstlicher Schaden durch Phytoptus 
angerichtet worden wäre, ist bis jetzt nicht bekannt. Dagegen werden 
zweifellos die von ihnen befallenen Stellen der Blätter und Triebe ihrem 
normalen Dienste entzogen und besonders kann da, wo an den erkrankten 
Blattstellen das Chlorophyll schwindet, keine Assimilation stattfinden. 
Vom Haselstrauch ist bekannt, dass sein Fruchtertrag durch Phytoptus- 


angriffe mitunter beeinträchtigt wurde. 


Die Gallmilben. 21 
Die Angriffe der verschiedenen Phytoptusarten erzeugen: 


A. An Blättern: 
. Filzbildungen, 
Beutel- oder Taschenbildungen, 
Pockenbildungen, 
Einrollungen oder Faltungen, 


NEE 


Umrissveränderungen. 


B. An Knospen und Triebspitzen: 


6. Anschwellungen und Wucherungen. 

Aehnliche Bildungen können übrigens auch durch andere Gall- 
insekten, z. B. durch Gallmücken hervorgebracht werden und es ist stets 
der mikroskopische Nachweis des wirklichen Vorkommens von Gall- 
milben nöthbig, wenn man eine neu gefundene Missbildung als Milben- 
galle sicher ansprechen will. 

Filzbildungen. Diese anfänglich für Pilze, Gattung Erineum 
Persoon, gehaltenen Wucherungen stellen abnorme reichliche Haar- 
bildungen an den Blättern dar, und bilden auf ihnen filzige, meist 
lebhaft gefärbte Stellen. Die Form der Haare ist sehr verschieden, 
aber für die einzelnen Gallenarten charakteristisch. Die zwei Haupt- 
formen sind die ceylindrischen und die geknöpften oder gekeulten 
Haare. Zwischen diesen Haaren leben die Milben. Die Filzkrankheit 
kommt wesentlich an Holzgewächsen vor. Bei uns hat man dieselben 
am häufigsten bemerkt auf: Linde, Wallnuss, Eiche, Buche, Birn- und 
Apfelbaum, Vogelbeere, Weissdorn, Traubenkirsche, Ahorn, Erle, 
Birke und Pappel, ausserdem noch auf einigen Kräutern. Praktisch 
nicht unwichtig ist die Filzkrankheit des Weinstockes, welche schon 
häufig 'Traubenmisswachs verursacht hat. 

Beutelbildungen entstehen dadurch, dass die meist auf der 
Unterseite des Blattes gelegene Angriffsstelle der Milbe sich vertieft 
und schliesslich auf der Oberseite in Form einer Ausstülpung vortritt. 
Es bildet sich also eine hohle, häufig lebhaft gefärbte, innen oft be- 
haarte Galle, die der Blattfläche nur mit einer beschränkten, von der 
Gallenmündung durchbohrten Stelle ansitzt (Fig. 15, B). In manchen 
Fällen umgibt sich die Mündung noch mit einem besonderen Mündungs- 
wall. Am bekanntesten sind die „langkegelförmigen, oben und unten 
verdünnten, oft etwas gekrümmten, bis 5 mm langen, wenig über 1 mm 
breiten, meist schön roth gefärbten und kahlen ‚„Nagelgallen” auf der 
Oberseite der Lindenblätter” (Fig. 15, 4). 

Bekannt sind ferner noch Taschen- und DBeutelgallen an 
Traubenkirsche, Schlehe, Pflaumenbaum, Ahorn, Erle, Ulme, Weide 
und Esche. 


\ 


22 Kap. I. Die Gliederfüssler im Allgemeinen. 


Pockenbildungen entstehen, wenn die Milben in das Innere 
der Blätter eindringen und eine äusserlich als „Pocke” sich dar- 
stellende, durch abnorme Wucherung des Blattfleisches, der Mesophyll- 
zellen, erzeugte Anschwellung hervorrufen; häufig erhält eine solche 
Galle durch Bersten der Oberhaut auf der Unterseite des Blattes einen 
Eingang. Solche Gallen sind daher von fadenförmig veränderten 
Mesophylizellen ausgekleidet, die vorher geschilderten Taschengallen 
dagegen von der eingestülpten Epidermis. 

Am häufigsten findet man die Pockenkrankheit bei Birnbäumen; 
sie ist aber auch noch an Vogelbeere, Mehlbeere, Elsebeere, Zwerg- 
mispel, Wallnuss und Rüster beobachtet worden. 

Rollungen der Blattränder, hervorgebracht durch Phytoptus- 
angriffe, können entweder mit oder ohne Blattverdiekung vorkommen. 
Letzteres ist bei Holzgewächsen der häufigere Fall und wird beobachtet 
an Linde, Buche und Weide, sowie an einer Reihe anderer Sträucher 
und Kräuter. 


\ 
> 


Fig. 15. Milbengallen an Lindenblättern. A in natürlicher Grösse. B vergrösserter 
Längsschnitt nach FRANnk. 


Von der Mittelrippe gegen den Rand längs der Seitennerven 
verlaufende, in ihrer Höhlung auf der Oberseite des Blattes Milben 
beherbergende Falten verursachen bei der Hainbuche oft auffällige 
Kräuselungen der Laubblätter. 

Umrissveränderungen, durch welche das junge Blatt einen 
völlig veränderten Habitus bekommt, besonders häufig schmäler oder 
tiefer zerschlitzt wird, und welche mitunter in Verbindung mit Rand- 
rollungen und Filzbildungen vorkommen, sind bis jetzt nur bei ver- 
schiedenen Kräutern beobachtet worden, z. B. bei der gemeinen 
Bibernelle, Pimpinella saxifraga. Beeinflusst die Missbildung die ganze 
Triebspitze, so kommen Uebergänge zu der nächsten Form vor. 

Knospen- und Triebspitzenanschwellungen und 
Wucherungen. Werden Sprosse bereits im Knospenzustande als 
solche von Phytoptus angegriffen, so bleiben sie kurz, und es tritt 
eine überhäufte Bildung dicht aufeinanderliegender Blätter ein, so 
dass die Knospe schwillt und einen runden Blätterknopf oder 
dichten Blätterschopf darstellt. Solehe Bildungen findet man häufig 


Gallmilben und andere beachtenswerthe Milben. 23 


- am Haselnussstrauch, und auch an der Birke kommen bis 1 cm starke, 
verdiekte Knospen vor. Geradezu blumenkohlähnliche, wallnuss- bis 
faustgrosse T’riebdeformationen werden durch Phytoptus an verschiede- 
nen Weiden, z. B. an den Zweigen der Trauerweide sowie an Pappeln 
und Rüstern erzeugt. 

Kirchner berichtet im Jahre 1863, dass ein in der Gegend von Kaplitz in 
Böhmen befindlicher, aus S00—1000 Bäumen und Sträuchern bestehender Hasel- 
bestand in Folge der durch ausserordentliche Vermehrung der 
Gallmilben hervorgerufenen massenhaften Zerstörungen nicht eine 
einzige Frucht hervorbrachte, während er in früheren Jahren 
10—20 hl Nüsse lieferte. 

Eine ursprünglich von Harrıc im „Forstlichen 
Conversations-Lexikon”, S. 757, an schlechtwüchsigen 
Kiefern beschriebene und von FrAuUENnFELD wieder beob- 
achtete, bis bohnengrosse Missbildung, bei welcher das 
Rindengewebe eine schwammige Anschwellung bildet, 
in welcher sich zahllose, von Milben erfüllte Höhlen 
bilden, ist neuerdings nicht genauer untersucht worden. 
Wahrscheinlich ist auch hier Phytoptus der Thäter, 
wenngleich Harrıc die Milbe als Oribata geniculata 
Larr. bezeichnet. 


In die Gruppe der Laufmilben, Trombididae, ge- 


hört auch Tetranychus telarius L., ein Thhier, dessen sechs- 
beinige Jugendformen als Leptus autumnalis beschrie- 
ben und ‚„Herbstgrasmilbe” benannt, gelegentlich einen 
Hautausschlag bei Menschen und Thieren erzeugen kann. 
Als erwachsenes Thier ungefähr 0:25 mm lang, lebt sie 
im heissen Sommer an der Unterseite der Blätter der ver- 
schiedensten Pflanzen, wo sie ein Gespinnst macht, zwischen 


dessen Fäden die Thiere nebst ihren abgeworfenen Häuten 


und den Eiern als mehlartige Masse sitzen. Unter ihrem Fig. 16. Hasel- 
e R & pr nusszweig im 
Einflusse vertrocknen die Blätter schnell. Sie ist sehr Frühjahr mit 


häufig an Linden, aber auch an Rosskastanien, Weiden Zwei durch 
Phytoptus 


und Fichten beobachtet, desgleichen an Feuerbohnen und _deformirten 


Gartenzierpflanzen. Am Hopfen erzeugt sie die als ,„‚Kupfer- (@@) und zwei 
= A = P = normalen (5 5) 
brand” bezeichnete Krankheit. Knospen. 


Die übrigen Milbenfamilien sind für unser Thema ohne Belang. 


Wohin der „Acarus”, von birnförmiger Körpergestalt, mit lang- 
borstigen Beinen, auch noch längerborstigem Hinterleib, auf der Unter- 
seite des Hinterleibes zuweilen mit drei im Bogen stehenden braunen 
Tupfen und ebensolchen Afterflecken, gehört, der nach NÖRDLINGER 
[XXVI, p. 92] häufig Löcher in die Stengel von in Töpfen gezogenen 
Nadelholzkeimlingen bohrt, so dass diese kümmern und umfallen, ist 


24 Kap. I. Die Gliederfüssler im Allgemeinen. 


ebenso wenig zu entscheiden, wie die zerstreuten Angaben RATzEBURG’s 
über Milbenschäden zu verwerthen sind. 

Die Bärthierchen sind kleine zwittrige Arachnoideen, welche 
meist zwischen dem Moose unserer Dächer etc. leben und sich durch 
grosse Widerstandsfähigkeit gegen Austrocknung auszeichnen. Jahrelang 
eingetrocknete Thiere kommen bei Befeuchtung wieder zum Leben. 
Macrobiotus Hufelandii S. ScH. sei als Beispiel angeführt. 

Auch die zahlreichen echten Spinnen unserer einheimischen 
Fauna können uns hier wenig interessiren. Sie gelten gewöhnlich für 
nützliche Thiere, namentlich die Kreuzspinne, Epeira diadema L. 
(Fig. 4), und ihre Verwandten, welche im Walde ihre grossen, 
verticalen Netze zwischen Bäumen, Holzstössen u. s. w. ausspannen, 
in denen auch Borkenkäfer gefangen werden. Auch unter den ohne 
Gewebe lebenden, sogenannten Jagdspinnen, YVagabundae, gibt 
es wohl manche Arten, welche an Bäumen u. s. w. ihre aus Insekten 
bestehende Nahrung aufsuchen. Der Nutzen der echten Spinnen wird 
indessen dadurch wenigstens theilweise wieder aufgewogen, dass sie 
ganz unparteiisch schädliche und nützliche Insekten verzehren. Manche 
schaden sogar etwas, wenn auch nicht im Walde, so doch im Garten, 
durch ihr auf Pflanzen angelegtes Gewebe, indem dasselbe die freie 
Entwicklung der Blättchen und Blüthen hindert. 

Ein ganz bestimmter Nutzen der Spinnen ist neuerdings von 
©. Kerver — „Schweizerische Zeitschrift für das Forstwesen” 1883, 
8.165 und 1884, S.17 — nachgewiesen worden. Er fand, dass der einen 
Art der Fichtenrindenlaus, Chermes abietis L., gleich Ch, viridis 
Rarzeg., im August, das heisst dann, wenn die bekannten ananas- 
förmigen COhermesgallen sich öffnen, um die Brut zu entlassen, von 
verschiedenen Jagdspinnen, sowie von verschiedenen Radspinnen, 
Epeira diadema, Theridium nervosum u. Ss. f., eifrig nachgestellt 
wurde. Ja diese Räuber zogen sich förmlich nach den befallenen 
Fichtenbeständen, wo nun zahlreiche, vorher fehlende Spinnennetze 
zu sehen waren. 

Während also echte Spinnen die Hauptfeinde des an frohwüchsigen 
Fichten so häufig vorkommenden Chermes abietis L. sein sollen, hat 
nach Kerter der mehr schattenliebende, verwandte Chermes coccineus 
Rarzeg. einen Hauptfeind in der Gruppe der Afterspinnen. 

Die durch scheerenförmige Kieferfühler, sehr lange Beine und 
ein gegliedertes, in ganzer Breite dem Kopfbruststück ansitzendes 
Abdomen von den echten Spinnen unterschiedenen Afterspinnen, im 
Volksmunde Weberknechte oder Kanker genannt, leben mit Vorliebe 
an schattigen Orten. Bei Zürich bemerkte nun Keuter, dass die eine 
Art, Phalangium parietinum Dec., mit besonderer Gier die Weibchen 
von Chermes coccineus vor der Eiablage ergriff, ihnen die Eimassen 
aus dem Hinterleib quetschte und auffrass, während es die anderen, 
härteren Theile liegen liess. Versuche ergaben, dass die Anzahl der 
von Phalangium zerstörten Öhermesweibehen eine sehr bedeutende 
sein kann. 


Beachtenswerthe Spinnen, Afterspinnen und Tausendfüsse. 25 


Einheimische spinnenartige T'hiere kommen, wenn wir die nur 
an der Südgrenze unseres Faunengebietes lebenden Scorpione vernach- 
lässigen, nur noch in der Gruppe der Afterscorpione vor. Diese 
sehr kleinen, wie Scorpione mit abgetrenntem Schwanze aussehenden 
Thiere leben unter Baumrinden, in alten Büchern u. s. f. und haben 
für unsere Betrachtungen keinerlei Bedeutung. 

Die Tausendfüsse zerfallen in zwei Ordnungen, welche wir als 
Einpaarfüssler oder Chilopoda und Zweipaarfüssler oder Chilognatha 
unterscheiden können. Zur Charakteristik dieser beiden Gruppen reicht 
für uns die Angabe aus, dass die ersteren (Fig. 12) einen flachgedrückten 
Leib und ein Gliedmassenpaar an jedem Leibesringe besitzen und sich 
nicht kugeln oder spiralig einrollen können, während letztere einen 
drehrunden oder auf dem Querschnitte halbkreisförmigen Körper haben, 
an den mittleren und hinteren Segmenten je zwei Paar Füsse tragen 
und sich meist einrollen oder kugeln können. 

Aus der ersten Gruppe erwähnen wir Lithobius forficatus L., 
den „braunen 'Steinkriecher” (Tafel I, Fig. 11), eirca 25 mm lang, 
ein bei uns häufig unter Steinen oder loser Rinde lebendes Thier, 
das durch seine Insektennahrung nützlich sein soll. 

Aus der zweiten Gruppe, die sich wesentlich von vegetabilischen 
Stoffen nährt, sei Julus terrestris L., der gemeine Tausendfuss, er- 
wähnt; 20 bis 30 mm lang, schwarzgrau mit zwei gelblichen Längs- 
streifen auf dem Rücken und nicht selten bis 90 Fusspaaren. Ob 
wirklich, wie behauptet wird, einige Julus-Arten landwirthschaftlich 
schädlich. wurden, mag hier dahingestellt bleiben. 


ALLGEMEINER THEIL. 


Jede Eigenschaft eines Körpers gibt unter 
Umständen einen Schlüssel ab, um eine ver: 
schlossene Thür zu öffnen; aber die Theorie ist 
der Hauptschlüssel, womit wir alle Thüren 


öffnen. 
v. Liesıc, 


KAPITEL 1. 


Die äussere Erscheinung der erwachsenen 
Insekten. 


Die Insekten sind deutlich heteronom segmentirte, ge- 
flügelte, durch Tracheen athmende Gliederfüssler, deren Leib 
aus einem Fühler und drei Paar Kiefer tragenden, aus vier 
Segmenten verschmolzenen Kopf, einer aus drei Segmenten 
bestehenden, drei Beinpaare tragenden Brust und einem im 
Allgemeinen gliedmassenlosen Hinterleib besteht. Stets nur 
ein Paar Fühler, erstes Kieferpaar tasterlos. 

Der Leib des erwachsenen Insektes (Fig. 17, A), welches man im 
Gegensatz zu den Jugendzuständen — Ei, Larve, Puppe — als Imago 
bezeichnet, kann zunächst eingetheilt werden in den Stamm und die 
Anhänge. Der Stamm zerfällt wieder in drei deutlich von einander 
gesonderte Abschnitte, in Kopf, caput, Brust, thorax und Hinterleib, 
abdomen. 


Nur in seltenen Fällen, z. B. bei Smynthurus, einem kleinen Orthopteron 
aus der Familie der Poduriden, kommen Verwachsungen von Brust- und Hinter- 
leibsringen vor (vergl. auch S. 32). 


Die Anhänge kann man eintheilen in die eigentlichen gegliederten 
bauchständigen Gliedmassen und in die rückenständigen ungegliederten 
Flügel. 


Der Kopf des erwachsenen Insektes. 27 


Die meist bereits an dem noch im Ei eingeschlossenen Embryo 
angelegten, zu diesem Zeitpunkte noch wesentlich gleichgebildeten, wurst- 
förmige Anhänge der Bauchseite darstellenden sieben Paar Gliedmassen 


Fig. 17. A Männliche Hornisse. Vespa Crabro L. K Kopf, B Brust, 7 Hinter- 
leib mit sieben Segmenten, F Fühler (erstes Gliedmassenpaar), N A Netzauge, p «@ 
Punktauge, Ob K Vorderkiefer (zweites Gliedmassenpaar); die zwei folgenden Kiefer- 
paare sind in dieser Ansicht nicht wahrzunehmen, 5, 6, 7 Beine, (fünftes bis siebentes 

Gliedmassenpaar), #71 Vorderflügel, #72 Hinterflügel. — B Vorderkiefer, isolirt. 


passen sich späterhin verschiedenen Arbeitsleistungen an und treten 
schliesslich in den sehr verschiedenen Formen von Fühlern, Kiefern und 
Beinen auf. Wir werden dieselben zugleich 
mit den Stammabschnitten, welche sie tra- 
sen, besprechen. 

Der Kopf. Er besteht stets aus einer 
ungegliederten, starren, die Ansatzpunkte 
für die zur Bewegung der Kopfgliedmassen 
dienenden Muskeln abgebenden Chitinkapsel, 
welche zwei Oeffnungen hat, von denen 


die vordere als Mundöffnung in den 
Darmeanal führt, die hintere, das Hinter- SSL 

hauptsloch (Fig. 21, H L), dagegen den er an 
Uebertritt der Speiseröhre, des Nervensystems Punktaugen, bb die paarigen 
und der Musculatur nach der Brust hin ge- De rer kühler. 
stattet. Die beiden Seiten des Kopfes werden eingenommen von den 


paarigen grossen Netzaugen, oculi compositi,-welche nur selten fehlen; 


28 Kap. II. Die äussere Erscheinung der erwachsenen Insekten. 


zwischen denselben liegen häufig median die Punktaugen, ocelli 
(Fig. 17, pa und Fig. 18, a). 

Die Regionen des Kopfes werden nach altem Brauche 
entsprechend den Regionen des menschlichen Kopfes bezeichnet 
als Gesicht, facies, Scheitel, vertex, Hinterhaupt, oceiput, 
Wangen, genae, Kehle, gula, und Hals, collum. Das Gesicht 
wird wieder in einen hinteren Theil, Stirn, frons, genannt, und 
einen vorderen über der Mundöffnung liegenden, das Kopfschild, 
elypeus, unterschieden. Bei manchen Arten ist der Kopf ungewöhnlich 
aufgetrieben oder mit hornartigen Verzierungen versehen. Die Stellung 
des Kopfes gegen die Brust kann so sein, dass die Scheitelfläche 
entweder nach oben oder nach vorn, die Längsachse des Kopfes also 
horizontal oder vertical steht. Der Kopf ist mit der Brust entweder 


B. c. D. E. E, G. 


Fig. 19. „Gleichartige”” Fühler. A borstenförmig (Laubheuschrecke); DB fadenförmig 
(Laufkäfer); ( perlschnurförmig; D gesägt (Schwärmer); E gekämmt (Schnellkäfer) ; 
F doppelt gekämmt (Kammmiücke); @ wirtelförmig behaart (Stechmückenmännchen). 


nur an einer beschränkten Stelle verbunden und dann frei gegen 
dieselbe beweglich (Taf. VI, Fig.1) oder aber mehr weniger tief in 
dieselbe eingesenkt (Taf. I, Fig. 4, F) und bei Rückenansicht mitunter 
völlig von ihr verdeckt, z. B. bei vielen Borkenkäfern. 
Dicht über der Mundöffnung ist eine mittlere ungegliederte Platte 
eingelenkt, welche als Oberlippe, labrum, bezeichnet wird (Fig. 21, OZ). 
Die Oberlippe kann nicht als zu den Gliedmassen gehörig an- 
gesehen werden, stellt vielmehr eine mediane Falte oder Duplicatur 
des Chitinskeletes dar. Sie lenkt sich unmittelbar dem Kopfschilde 
an und dient als vordere Bedeckung der Mundwerkzeuge, denen sie 
gewöhnlich beigezählt wird. 
Entsprechend seiner Zusammensetzung aus vier Segmenten, trägt 
der Kopf auch vier Gliedmassenpaare, von denen das erste, die 
Fühler, antennae, als Sinnesorgan dient, während die drei übrigen 


Kopf und Fühler. 29 


zur Ergreifung und Aneignung der Nahrung eingerichtet, als Kiefer 
bezeichnet und am einfachsten als Vorder-, Mittel- und Hinterkiefer 
unterschieden werden. Die Oberlippe und die drei Kieferpaare zusammen 
werden als Mundwerkzeuge, partes oris s. trophi, bezeichnet. 

Die Fühler stellen stets ein Paar gegliederter Fäden dar, die nach 
"Anzahl, Länge und Form der sie zusammensetzenden Glieder ungemein 
verschieden erscheinen können. 


Sind alle Glieder der Fühler annähernd gleieh gebaut, so spricht 
man von „gleichartigen Fühlern”, antennae aequales (Fig. 19), und 
unterscheidet unter diesen je nach der Gestalt der einzelnen Glieder 
wieder verschiedene Formen, indem man z. B. von „borstenförmigen, 


> 
N U 
NR 


Fig. 20. „Ungleichartige” Fühler. 4 gekeult (Kohlweissling); P mit nackter Fühler- 
borste; © mit behaarter Fühlerborste (Fliegen); D gebrochener Fühler mit Schaft und 
einfacher Geissel (Hornisse); E gebrochener Fühler, Geissel mit viergliedriger ge- 
kämmter Keule (Hirschkäfer); F gebrochener Fühler, Geissel mit Endknopf (Borken- 
käfer); @ gebrochener Fühler mit geblätterter Keule (Maikäfermännchen). 


fadenförmigen, perlschnurförmigen, gesägten, einfach und 
doppelt gekämmten” Fühlern spricht. 

Zeigen einzelne Glieder oder Gliedergruppen der Fühler be- 
deutende Formabweichungen von den übrigen (Fig. 20), so nennt 
man solehe Fühler ‚„ungleichartige’”, antennae inaequales. Am 
häufigsten entsteht die Ungleichartigkeit durch Veränderung der letzten 
Glieder. Sind diese verstärkt, so ist ein Fühlerknopf oder eine 
Fühlerkeule vorhanden, sind sie verdünnt und mit einander ver- 
wachsen, eine Fühlerborste, arista. Ist das Basalglied oder, wenn 
dasselbe kurz bleibt, das zweite Fühlerglied verstärkt und verlängert, 
so unterscheidet man es als Schaft, scapus, von dem als Geissel, 
flagellum, bezeichneten Reste des Fühlers. Ist die Geissel winkelig 
gegen den Schaft eingelenkt, so entsteht ein gebrochener Fühler, 
antenna fracta. Behaarungen verschiedener Art können gleichfalls die 
äussere Erscheinung der Fühler stark beeinflussen. 


30 


Kap. II. Die äussere Erscheinung der erwachsenen Insekten. 


Die Mundwerkzeuge dienen zur Aneignung entweder von fester 
oder von flüssiger Nahrung, sind entweder kauende oder saugende. 

Die kauenden Mundwerkzeuge sind bei allen sie führenden 
Insektenformen ziemlich übereinstimmend gebildet. 

Hinter der die Mundtheile nach vorn abschliessenden Oberlippe 
(Fig. 21, OL) stehen beiderseits vorn am Seitenrande der Mundöffnung 
die Vorderkiefer (Fig. 21, VK), welche hier ein Paar einfache un- 
gegliederte, häufig innen gezähnte, meist stark chitinisirte und daher 


Fig. 21. Abgelöster Kopf der 
Feldgrille, Gryllus campestris 
L., von unten, OL Oberlippe, 
V K Vorderkieter (Oberkiefer), 
M K Mittelkiefer (Unterkiefer), 
TI deren Taster (Kiefertaster), 
H K Hinterkiefer (Unterlippe), 
T II deren Taster (Lippentaster). 
Die Hinweisung von den Buch- 
staben 7 K auf den wirklichen 
Hinterkiefer wird durch eine 
weisse Linie vermittelt. (Nach 
J. Munur’s Wandtafel.) 


stärkere Beisswirkung auszuüben fähige Ha- 
ken — nach altem Brauche Oberkiefer, 
mandibulae, genannt — bilden. Sie haben 


niemals einen Taster. 


Die Mittel- und Hinterkiefer sind 
dagegen stets gegliederte, 
schwächer chitinisirte, breitgedrückte Glied- 
Während aber die beiden das 
Mittelkieferpaar bildenden, rechts und links 
von der Mundöffnung eingelenkten, regel- 
mässig deutlich ausgebildeten Gliedmassen 
stets getrennt bleiben und nach altem Brauche 
als Unterkiefer, maxillae, bezeichnet wer- 
den, verschmelzen die Basaltheile der meist 


tastertragende, 


massen. 


weniger gut ausgeprägten Hinterkiefer zu 
einer die Mundtheile hinter der Mundöffnung 
in ähnlicher Weise wie vorn die Oberlippe 
abschliessenden mittleren Platte. Die ver- 
schmolzenen Hinterkiefer werden daher auf 
Grund dieser Analogie in der älteren Nomen- 


clatur als Unterlippe, labium, bezeichnet. 


Die Oberkiefer sind in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle 


die Werkzeuge, mit 


denen 


die Insekten die Zerkleinerung ihrer 


Nahrung und die Herrichtung ihrer Wohnungen bewirken. Nur in 
seltenen Fällen werden sie zu mehr weniger wirkungslosen Verzierungen, 
wie beim Hirschkäfer und den exodonten Braconiden. 


Die Mittel- und Hinterkiefer bilden dagegen eine äusserst 
wechselnde „Combination von Kau-, Greif- und Tastorganen’” von 
stets schwächerer mechanischer Wirkung als die Vorderkiefer. 


Bei einem gut ausgebildeten Mittel- oder Unterkiefer 
(Fig. 22) unterscheidet man das Basalstück, die Angel, cardo, den 


Mundwerkzeuge. 31 


daran sich anschliessenden Stamm, stipes, der auf seiner Aussen- 
seite die häufig mit ihm verschmelzende, zur Anlenkung des Maxillar- 
tasters, palpus maxillaris, dienende Schuppe, squama, und an 
seiner Innenseite die innere und äussere Kaulade, mala interna 
et externa, trägt. 

Bei der ausgebildetsten Form der durch mediane Verschmelzung 
der Hinterkiefer entstehenden Unterlippe, wie man sie z. B. bei 
vielen Orthopteren findet, kann man mit Ausnahme der wohl immer 
als selbstständiges Stück verschwindenden Schuppe noch dieselben 
Theile unterscheiden, indessen verschmelzen die beiderseitigen Angeln 
und Stämme stets zu unpaaren medianen Gebilden, welche in der 
älteren Nomenclatur meist mit besonderen Namen — die verschmolzenen 
Angeln heissen Unterkinn, submen- 
tum, die verschmolzenen Stämme 
Kinn, mentum — bezeichnet werden. 
Ihnen schliessen sich dann seitlich die 
Lippentaster oder Labialtaster, 
palpi labiales, an, zwischen welchen 
die mehr weniger verschmelzenden, 
als Zunge, ligula s. glossa, bezeich- 
neten Innenladen und die, wenn deut- 
lich getrennt, Nebenzungen, para- 
glossae, genannten äusseren Kau- 
laden sitzen. Häufig verschmelzen 
aber alle Theile der Hinterkiefer Fig. 22. I Linker Mittelkiefer (Unter- 
weit stärker, oft sogar zu einer ein- kiefer), II Hinterkiefer (Unterlippe) 
zigen ungegliederten, unpaaren me- der Werre, Gryllotalpa vulgaris 


Pepe die nun als beson: Larr. Mittelkiefer. Von der nicht 
an Rn 2 bezeichneten Angel erhebt sich der 


dere Theile nur noch die Hinter- Stamm a, der den Taster d und 


kiefertaster trägt, z. B. bei vielen die beiden Laden ce und 5 trägt. 
Käfern. Die entsprechenden Stücke der ver- 
7 schmolzenen Hinterkiefer sind in 

Die saugenden Mundwerk- gleicher Weise durch grosse Buch- 


zeuge der Schmetterlinge, Fliegen staben bezeichnet (nach J. Mvar). 
und Wanzen sind scheinbar sehr abweichend von diesem einfachen 
Schema gebaut. Nichtsdestoweniger ist esder morphologischen Vergleichung 
mit theilweiser Zuhilfenahme der Entwicklungsgeschichte gelungen, nach- 
zuweisen, dass auch die saugenden Mundwerkzeuge wesentlich durch 
Umbildung von Oberlippe und drei Kieferpaaren entstehen, wobei aller- 
dings in manchen Fällen einzelne dieser Theile vollständig atrophiren, 
Wesentlich ist immer, dass die vorhandenen Mundwerkzeuge zusammen- 


gelegt eine Röhre bilden, durch welche die flüssige Nahrung aufgesogen 
werden kann. Bei denjenigen Formen, welche darauf angewiesen sind, 
die thierischen oder pflanzlichen Säfte, von denen sie leben, selbst zu 
gewinnen, sind ein oder zwei Kieferpaare zu Stechorganen umgewandelt. 


32 Kap. II. Die äussere Erscheinung der erwachsenen Insekten. 


Bei den Zweiflüglerna kann dann noch ein unpaares Stechorgan, der 
hypopharynx, hinzutreten. Die Darstellung der speciellen Verhältnisse 
der saugenden Mundwerkzeuge kann erst im speciellen Theil erfolgen. 

Bei verschiedenen Insektenformen, die im ausgebildeten Zustand 
nur eine sehr kurze Lebensdauer haben und daher keine Nahrung zu 
sich nehmen, können die Mundtheile ganz verkümmern. Dies ist z. B. 
bei den Eintagsfliegen, den Dasselfliegen und den Geschlechtsthieren der 
Reblaus der Fall. 


Die Brust besteht aus drei ursprünglich gesonderten Ringen oder 
Segmenten, welche als Vorder-, Mittel- und Hinterbrust, pro-, 
meso- und metathorax, bezeichnet werden. 

Nur bei einer grösseren Anzahl von Hymenopteren nimmt noch 
der erste Hinterleibsring an dem Verschluss der Hinterwand des 
Thorax theil. 

Jeder Brustring trägt auf seiner Bauchseite ein Beinpaar (Fig. 17). 
In den meisten Fällen führen Mittel- und Hinterbrust an ihrer Rückenseite 
je ein Flügelpaar (Fig. 17) und an ihren Seitenflächen je ein Luft- 
loch, welches an der Vorderbrust stets geschwunden ist. Nach innen gibt 
das Chitinskelet bei vielen Insekten harte Einfaltungen ab, welche als 
Ansatzpunkte für starke, die Bewegungen der Flügel und Beine ver- 
mittelnde Muskelgruppen dienen. Die mehr weniger feste Verbindung 
der einzelnen Brustringe unter einander, sowie die bedeutendere Grössen- 
entfaltung des einen oder anderen Ringes entspricht gewöhnlich der 
stärkeren oder schwächeren Entwicklung der einzelnen Bein- oder Flügel- 
paare. Allgemein stehen die beiden hinteren Brustringe, welche Flügel 
tragen, in ziemlich festem Verbande, und bei den wesentlich auf Flug- 
bewegungen angewiesenen Insekten, z. B. Schmetterlingen und Zwei- 
flüglern, ist auch die schwach entwickelte Vorderbrust innig mit jenen 
verbunden, so dass die gesammte Brust hier eine einzige, starre, nur noch 
äusserlich die Grenzen der sie zusammensetzenden Theile zeigende 
Chitinkapsel bildet. Bei vielen anderen, mehr auf Gehbewegungen und 
auf den selbstständigen Gebrauch der Vorderbeine angewiesenen Insekten- 
abtheilungen, z. B. den Käfern und Heuschrecken, bleibt dagegen die 
stark entwickelte Vorderbrust völlig selbstständig und gegen die Mittel- 
brust beweglich. Sie ist bei den mit Flügeldecken versehenen 'Thieren 
zugleich der einzige Theil der Brust, welcher bei Betrachtung des 
ruhenden Thieres von oben gesehen werden kann, da Mittel- und Hinter- 
brust von den Flügeldeeken völlig verdeckt werden. Sie wird alsdann 
häufig auch Halsschild genannt (Fig. 27, D). 


Brust und Beine. 33 


Die Vorderbrust ist bei einigen Insektengruppen, z. B. unter den Käfern 
bei den Lamellicornia und unter den Schnabelkerfen bei den Buckelzirpen, 
Membracina, mit wunderbar gestalteten Auswüchsen versehen. 

Was die Regionen der Brust betrifft, so unterscheidet man an 
jedem Brustringe eine Rücken- und eine Bauchplatte, notum und 
sternum, welche aber nicht direct an einander stossen, sondern durch 
die seitlich gelegenen Weichen, pleurae, getrennt sind. An den 
Weichen unterscheidet man häufig wieder ein vorderes und ein hinteres 
Stück, welche in der alten Nomenclatur als Schulterblatt, epi- 

'sternum, und Hüftblatt, epimerum, bezeichnet werden. Auf der 
Mitte des Rückens an Mittel- und Hinterbrust sich angliedernde Platten, 
welche häufig faltenartig nach hinten vorragen, werden alsSchildchen, 
erstere als Vorderschildehen, scutellum, letztere als Hinter- 
schildehen, postscutellum, bezeichnet (Fig. 27 und 28 b). 

Wie sehr die Entwicklung der Beine und Flügel auf die Aus- 
bildung der sie tragenden Brustringe wirkt, zeigt z. B. die Stärke der 
die grossen Raubbeine tragenden Vorderbrust bei den Fangheuschrecken 
und die schwache Entwieklung der Mittel- und Hinterbrust bei den 
flügellosen Arbeitern der Ameisen im Gegensatz zu der guten Ent- 


wicklung derselben Ringe bei den geflügelten 
Männchen und Weibchen. = 


Nur in dem Falle, dass das erste Segment 
des Hinterleibes mit dem Thorax verschmilzt, kann \\ 
an diesem noch ein drittes Stigmenpaar auftreten, 
z. B. bei den Ameisen. Bei einigen Orthopteren, £ 
Z. B. bei dem Genus Pteronarcys Newı. finden Pie, 32, Bein eines erossen 
sich auch Tracheenkiemen oder Rudimente der- F Laufkäfers. z 


selben am Thorax. ce Hüfte, ir Schenkelring, 
Die Beine. An jedem Ringe der Brust, Schenkel, 6 Schiene, sFuss, 


eingelenkt in die zwischen die Weichen und ” an un: 
die Brustplatte sich einschiebenden Hüftpfannen, acetabula, ist ein 
Beinpaar angebracht. 

Jedes Bein, pes, besteht aus fünf Abschnitten: Hüfte, coxa, 
Schenkelring, trochanter, Schenkel, femur, Schiene, tibia, Fuss, 
tarsus. 

Es kann vorkommen, dass jeder dieser Abschnitte aus einem einzigen 
Chitinstück besteht. In beiweitem den meisten Fällen ist aber der Fuss 
aus mehreren — bis fünf — Stücken zusammengesetzt, und ausserdem 
kann noch der Schenkelring aus zwei Stücken bestehen. Man spricht dann 
von einem doppelten Schenkelring, trochanter duplex (Fig. 24 C). 
Hüfte, Schenkel und Schiene sind stets einfach. 

Das Ende der Schiene ist häufig mit ein oder zwei Sporen, 
calcaria, bewaffnet, und das Endglied des Fusses trägt meist zwei 
Krallen, ungues, zwischen denen noch sehr oft häutige Anhänge, 


die Haftlappen oder Afterklauen, arolia, angebracht sind. 
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde, 3 


os 
» 


Kap. II. Die äussere Erscheinung der erwachsenen Insekten. 


Während die Hüfte die Gelenkverbindung zwischen Brust und 
Bein herstellt, erscheint der meist kleine Schenkelring wesentlich als 
ein Anhang des Schenkels, der gewöhnlich das stärkst entwickelte Bein- 
glied darstellt, und an Länge höchstens von der Schiene erreicht oder 
übertroffen wird. Bei manchen Hymenopteren verlängert sich das Basal- 
glied des Fusses derartig, dass es einen eigenen Namen, Mittelfuss 
oder Ferse, metatarsus, erhalten hat (Fig. 24 B, C, F). 

Form und relative Grösse dieser einzelnen Abschnitte ändern viel- 
fach ab, je nach dem besonderen Zwecke, welchem das Bein dient. 


A B (@/ D E F 


N/ 
SRÄV 


N 
\\ 
BIN 


Fig. 24. A verkümmertes Putzbein und B gut entwickeltes Schreitbein eines Tag- 
schmetterlinges, Vanessa polychloros; C Bein mit doppeltem Schenkelring und 
langer Ferse von einer Holzwespe, Sirex gigas; D Schwimmbein eines Wasser- 
käfers, Dytiscus; E behaartes Sammelbein der Bürstenbiene, Dasypoda; F Sammel- 
bein mit „Körbehen” an der Schiene und stark entwickelter Ferse einer Arbeitsbiene 
von Apis mellifica; G Raubbein des Wasserscorpions, Nepa cinerea; H Grabbem 
der Werre, Gryllotalpa; I Springbein eines Erdflohkäfers, Haltica. e Hüfte, ir Schenkel- 
ring, ‚f Schenkel, tb Schiene, is Fuss. 


Die meisten Insekten haben gewöhnliche Laufbeine, pedes 
cursorii, z.B. die Laufkäfer. Tritt eine Sohlenbildung an dem Fusse auf, 
so spricht man von Gangbeinen, pedes ambulatorii, z. B. bei den Bock- 
käfern. Werden die Beine lang und schlank, so nennt man sie Schreit- 
beine, pedes gressorii, z. B. bei den Gespenstheuschrecken. Beine, 
welche in Folge starker Muskelausstattung des Schenkels das Insekt 
zum Springen befähigen, heissen Springbeine, pedes saltatorii, so 
bei Heuschrecken und Erdflöhen. Kann die Schiene wie die Klinge 
eines Taschenmessers gegen das Heft, so gegen den Schenkel ein- 
geschlagen werden, dass hierdurch ein Ergreifen der Beute möglich 


Beine und Flügel. 35 


wird, so heissen die Beine Raubbeine, pedes raptatorii, z. B. bei 
dem Wasserscorpion. Eine Verbreiterung der Schiene macht das Bein 
zum Graben geschickt: Grabbeine, pedes fossorii, welche z. B. bei 
der Werre und den Mistkäfern vorkommen. Bei manchen der letzteren, 
z. B. bei Ateuchus, kann der Fuss verkümmern und eine starke 
Verkleinerung der Fussglieder kommt auch bei den zu Putzbeinen 
verkümmerten Vorderbeinen der Schmetterlinge vor. Stärkere Aus- 
stattung der Hinterbeine mit Haaren, in welchen sich der abgestreifte 
Blüthenstaub festsetzen kann, oder das Auftreten eines von Haaren 
umgebenen „Körbcehens” an der Schiene der Hinterbeine zum 'Trans- 
porte des Pollens, wie sie sich bei vielen Blumenbienen finden, lassen 
diese als Sammelbeine erscheinen. Die im Wasser lebenden In- 
sekten haben vielfach breite, zusammengedrückte, an der Schneide 
mit Schwimmhaaren versehene Hinterbeine, Schwimmbeine, pedes 
natatorii, z. B. die Schwimmkäfer und viele Wasserwanzen (Fig. 24). 


Die Flügel. Die Flügel, alae 
erscheinen als zwei Paar häutige, 
flächenhaft ausgebildete Flugorgane, 
welche an der Rückenseite der 
Mittel- und Hinterbrust beweglich 
angelenkt sind. Dieselben werden 


meist gesteift durch stärker chitini- 
sirte, von der Basis ausgehende, Fig. 25. Kopf, Brust und Flügel von 


vielfach durch Queräste verbundene der Kiefernblattwespe, Lophyrus pini 

} L. P der schmale Prothorax, hinter dem 
Adern oder Rippen, nervi s. querschraffirt und im vorderen Theil mit 
Ms bezeichnet der Mesothorax mit dem 
| k Seutellum folgt. F' als frenulum be- 
oder Felder zwischen sich haben zeichneter vorderer Theil des Metathorax 


(i.25). Man unterscheidet de der ML rs Amine Di He 
Mittelbrust ansitzenden Vorder- kommen hier vorläufig nicht in Betracht. 
flügel, alae anticae, von den der Hinterbrust angefügten Hinter- 
flügeln, alae posticae. Im einfachsten Falle sind beide Flügelpaare 
vollkommen gleich oder nur durch unwesentliche Grössen und Aderungs- 
verhältnisse unterschieden. Vielfach sind dann auch die beiden Flügel 


jeder Seite durch Haftapparate zu einer einzigen Flugfläche verbunden. 


costae, welche zartere Zellen 


Bei vielen Insektenformen werden die Hinterflügel, zunächst ohne 
ihren Charakter als Flugorgane zu verlieren, kleiner als die Vorderflügel, 
während sie bei anderen zu Rudimenten herabsinken (Fig. 26) und 
bei einzelnen Insekten schwinden sie völlig. In den beiden letzten Fällen 
vermitteln also die Vorderflügel ausschliesslich die Flugbewegung. 

Bei einer anderen Reihe von Insektenformen verlieren die Vorder- 


flügel ihren Charakter als Flugorgane und verwandeln sich in mehr 
3 


36 Kap. OH. Die äussere Erscheinung der erwachsenen Insekten. 


weniger starre Decken für den Hinterleib und die mehr minder voll- 
kommen unter sie einfaltbaren, ihren Charakter als Flugorgane beibe- 
haltenden Hinterflügel (Fig. 27). Einzelnen Formen aus fast allen Ordnun- 
gen der Insekten geht das Flugvermögen ab, sei es, dass beide Flügelpaare 
verkümmern oder völlig fehlen, oder dass, wie bei manchen Laufkäfern, 
die zu Decken umgewandelten Vorderflügel als Schutz des Hinterleibes 
bestehen bleiben, dagegen die eigentlichen Flugorgane, die Hinterflügel, 
verkümmern. 
Die Flügel sind keine Gliedmassen im morphologischen Sinne, 
sie stellen vielmehr im wesentlichen ungegliederte, flachen Säcken zu 


Fig. 26. Weibliche Gallmücke, Cecido- Fig. 27. Kletterlaufkäfer, Calosoma sy- 
myia, stark vergrössert. F7I gut aus-- cophanta L. / Öberlippe, 2 Vorder- 
gebildete Vorderflügel. #7 II zu Schwing- brust, Halsschild, 5 Schildechen, FI zu 
kölbehen verkümmerte Hinterflüsel. einer Flügeldecke umgewandelter Vorder- 
flügel der rechten Seite, #2 II der zu- 
sammengefaltete Hinterflügel der linken 
Seite. 

vergleichende Ausstülpungen der Körperbedeckung dar, welche der 
Mittel- und Hinterbrust an der Grenze zwischen Rückenplatte und 
Weichen beweglich angelenkt sind. Sie bestehen aus einer oberen 
und einer unteren Chitinplatte, die an den Flügelrändern in einander 
übergehen, unter welchen während der Bildung der Flügel die zellige 
Matrix dieser Chitinplatten liegt. Diese schwindet aber bei den aus- 
gebildeten Flügeln mehr weniger, die beiden Chitinplatten legen sich 
enge an einander, der sie trennende, anfänglich von der Blutflüssigkeit 
des Körpers durchströmte Hohlraum wird redueirt bis auf die Hohl- 
räume, welche in den stärker chitinisirten Flügeladern zurückbleiben 

und Bahnen für Tracheen und Nerven abgeben. 
Der Vorderrand beider Flügelpaare ist im Allgemeinen durch 
stärkere Adern gesteift als die Spitze und der hintere Abschnitt. Die 


Flügel. 37 


Basis der Vorderflügel ist bei den Schmetterlingen und Immen von 
kleinen Flügelsehuppen bedeckt. 


Ein allgemeines Schema für die Aderung der Insektenflügel auf- 
zustellen ist vorläufig unmöglich, es werden daher die für die Systematik 
oft sehr wichtige Aderung und die auf sie angewendeten Kunstaus- 
drücke bei den einzelnen Insektenordnungen im speciellen Theil be- 
sprochen werden. 


Völlig gleich sind die beiden Flügelpaare bei den Termiten. 
aber auch bei den Libellen und Verwandten ist die Aehnlichkeit 
beider sehr gross; stärker wird die Grössendifferenz bei den Tag- 
schmetterlingen, und bei den Schwärmern und bienenartigen 'Thieren 
wird dieselbe mitunter ganz beträchtlich. Zwerghaft werden die Hinter- 
flügel bei manchen Eintagsfliegen, z. B. bei Baätis und den Männ- 
chen der Schildläuse und fehlen bei einigen Insekten, z. B. 
bei Cloe diptera und Hemerobius dipterus völlig. 


Bei den Zweiflüglern sind dieselben regelmässig 
(Fig. 26) zu mehr weniger lang gestielten Sch wing- 
kölbehen, halteres, verkümmert. Bei den Heu- 


schrecken und Verwandten werden durch geringere 
Flächenausdehnung gegenüber den Hinterflügeln und 


) 
£ Ener e . r rn Fi ”, 28. B: = 
stärkere Chitinisirung die Vorderfligel zu Flügel- = E 


wanze, Penta- 


decken, elytra, welche ihrer immerhin noch gerin- 
gen Festigkeit wegen bei diesen Formen als perga- 
mentartige Flügeldecken bezeichnet werden 
(Taf. VI, Fig.5 F). Vollständige Chitinisirung_ tritt 
bei den meisten Käfern ein. Bei den Wanzen ist 
nur der Basaltheil der Vorderflügel völlig chitinisirt, 
während der Endtheil, mit einem besonderen Ader- 
system versehen, häutig bleibt (Fig. 28). Hier spricht 
man von halben Flügeldecken, hemiölytra. 


toma, die linken 
Flügel gespreizt, 
die rechten auf 
dem Hinterleib 
aufruhend.. 

B Vorderbrust, 
b Schildchen, * die 
stärker chitinisirte 

Basalhälfte der 
zu halben Flügel- 

decken verwan- 

delten Vorder- 


Während im Ganzen alle diese Flügeldecken- 
formen den gesammten Hinterleib bedecken können, 
sind sie bei anderen Formen, z. B. bei den Staphyliniden (Taf. I, 
Fig.1 u. 2 F) unter den Käfern und bei den Ohrwürmern verkürzt, so 
dass sie nur einen kleinen Theil des Hinterleibes decken. Ja bei 
den Strepsipteren können sogar die Vorderflügel, bei guter Ausbildung 
der Hinterflügel zu kleinen Rudimenten verkümmern, so dass wir hier 
den umgekehrten Fall wie bei den Dipteren haben. 

Beim Fluge können die Flügeldecken entweder gehoben und 
gespreizt gehalten werden, oder es schieben sich unter den geschlossen 
gehaltenen die Unterflügel vor, z. B. bei den Rosenkäfern, Cetonia. 


Die Faltung der Hinterflügel im Ruhezustande kann entweder 
nur der Länge nach geschehen und bei kurzen Flügeldecken, z. B. bei 
Gryliotalpa, ragen sie dann über die Vorderflügel vor (Taf. VI, 
Fig. 5 T) oder es können ausserdem verschiedene Faltungen der 
Quere nach vorhanden sein, wie dies in sehr verschiedener Weise 


flügel. 


38 Kap. II. Die äussere Erscheinung der erwachsenen Insekten. 


z. B. bei den Käfern und Ohrwürmern vorkommt, und die Flügel 
verschwinden dann in der Ruhe völlig unter den Flügeldecken. Die 
Faltung und Entfaltung dieser Flügel wird lediglich durch die Elasti- 
eität der zusammengelegten Flügel in Verbindung mit der Wirkung 
der an ihrer Basis angreifenden Bewegungsmuskeln bewirkt; innerhalb 
der Flügelfläche ist nie ein besonderer Muskelapparat vorhanden. 
Uebrigens findet sich ein geringerer Grad von Faltbarkeit der Hinter- 
flügel auch bei vielen Insekten, deren Vorderflügel nicht zu Flügel- 
decken verändert sind, z. B. bei den Schmetterlingen. Der Länge nach 
faltbar sind die Vorderflügel bei den Wespen im engeren Sinne, 

Die nicht mit Flügeldecken versehenen Insekten tragen in der 
Ruhe die Flügel entweder horizontal und quer vom Körper abstehend, 
z. B. die Libellen und manche Spanner, oder die Vorderflügel werden 
bei noch wesentlich horizontaler Stellung etwas über die Hinterflügel 
nach hinten und innen übergeschoben, so bei vielen Schmetterlingen, 
oder es werden die Vorderflügel so vollständig über die Hinterflügel 
hinübergeschoben, dass sie die letzteren gänzlich verbergen, und ent- 
weder dachförmig den Hinterleib decken, indem sich eine mehr weniger 
steile Firste über dessen Medianebene bildet — viele Nachtfalter, z. B. 
Taf. IV, Fig. 3, F und viele Cicaden — oder aber dem Hinterleibe 
horizontal aufliegen, z. B. bei den Blattwespen. Nur die Mehrzahl der 
Tagfalter trägt die Flügel vertical in der Medianebene aufgerichtet, so 
dass die oberen Flächen beider Flügelpaare sich berühren. 

Die häufiger auftretende Verkuppelung der Vorder- und Hinter- 
fllügel zu einer Flugfläche findet stets dadurch statt, dass von dem 
Vorderrande des Hinterflügels ausgehende Borsten oder Haken in der 
Ein- oder Mehrzahl in umgebogene Fortsätze des Vorderflügels ein- 
greifen. 

Bei Verkümmerung der Flugorgane sind die Flügel entweder so 
klein, dass sie nicht mehr zur Erhebung des Thieres in die Luft 
dienen können, z. B. bei den Weibchen des Frostspanners, oder sie 
können völlig fehlen, z. B. bei der Bettwanze und den Läusen. Diese 
Bildung kann sich bei beiden Geschlechtern oder nur in einem vor- 
finden. Im letzteren Falle sind es meist die Weibchen, welche ungeflügelt 
sind, z. B. ausser bei den ungeflügelten Schmetterlingsweibehen auch 
die der Leuchtkäfer, Lampyris, und nur in einem Falle bei der 
Ameisengattung Anergates ForsL ist das Weibchen geflügelt, das 
Männchen dagegen flügellos. Auch kann das Flugvermögen nur tem- 
porär sein; so werfen z. B. die geschlechtsreifen Weibchen der Ameisen 
nach geschehener Begattung und Rückkehr in den Stock regelmässig 
ihre Flügel ab. Die Erkenntniss,, dass Flügellosigkeit bei allen 
Insektengruppen vorkommen kann, hat seit langem die früher diese 
Formen zusammenfassende Insektenordnung der Aptera als unnatürlich 
aufgeben lassen. 


Der Hinterleib, an dessen Ende sich die After- und Geschlechts- 
öffnung befindet, muss im Allgemeinen als aus 10 Ringen gebildet an- 


Flügel und Hinterleib. 39 


gesehen werden. Dieselben sind gewöhnlich durch weiche Gelenkhäute 
und also viel weniger fest mit einander verbunden, als die der vorher- 
sehenden Leibesabschnitte, und bestehen regelmässig aus je einer ungetheil- 
ten Rücken- und Bauchplatte, die gleichfalls durch zwei weiche Gelenk- 
häute mit einander verbunden sind. Bei den typischen Formen tragen 
die letzteren an den acht ersten Ringen je ein Paar Luftlöcher. Die 
weichen Gelenkhäute gestatten eine starke Ausdehnung des Hinterleibes. 
Bei denjenigen Formen, welche Flügeldecken haben, bleiben die durch 
letztere geschützten Rückenplatten schwächer chitinisirt, während die 
Bauchplatten zu einem festen kahnförmigen Gestelle werden. 

Indessen erleidet die normale Zahl der Hinterleibsringe mannigfache 
Modificationen. In den meisten Fällen sind äusserlich weniger als zehn 
Ringe, mitunter nur drei bis vier sichtbar, da die letzten Hinterleibsringe 
von den vorderen überwachsen und gewissermassen in die vorderen 
zurückgezogen werden. In selteneren Fällen kann eine scheinbare Ver- 
mehrung der Hinterleibsringe durch Theilung des letzten eintreten. 

Ausgebildete Gliedmassen sind in der Regel an dem Hinterleib 
des erwachsenen Insektes nicht vorhanden. 


Es kann übrigens bei einem Theil der Hymenopteren, den sogenannten 
Hymenoptera apocrita Gerst. auch eine Reduction der Hinterleibssegmente 
dadurch hervorgebracht werden, dass der erste Hinterleibsring sich fester mit dem 
Metathorax verbindet. 

Werden die hinteren Abdominalringe in die vorderen zurück- 
gezogen, so können sie entweder wirklich nur fernrohrartig eingezogen 
sein und, z. B. bei vielen Fliegen und den Goldwespen, zu Zeiten 
wieder als eine Art Legröhre vorgestreckt werden, oder aber sie 
verkümmern und bilden mit ihren Anhängen — siehe unten — die 
Umgebung des Afters und der Geschlechtsöffnung. Aus diesen Be- 
ziehungen der letzten Segmente zu den Geschlechtsorganen erklärt 
sich auch die Thhatsache, dass bei vielen Hymenopteren die Anzahl 
der sichtbaren Hinterleibsringe bei | und © verschieden ist, z. B. 
bei den Faltenwespen. Auch kann die Anzahl der Bauchplatten stärker 
redueirt sein als die der Rückenplatten, z. B. bei den Käfern. Mit 
der Reduction der Anzahl der Segmente geht eine Reduction der 
Anzahl der Hinterleibsstigmen parallel. Eine scheinbare Vermehrung 
der Hinterleibssegmente auf 11 finden wir bei den Orthopteren, z. B. 
bei der gemeinen Laubheuschrecke. 


Die Gestalt des Hinterleibes ist je nach der Form der ersten 
Hinterleibsringe eine sehr verschiedene. Ist das erste Hinterleibssegment 
ebenso stark als der Metathorax und sitzt es diesem in seiner ganzen 
Breite an, so spricht man von einem festsitzenden Hinterleib, 
abdomen sessile, z. B. bei Käfern und Blattwespen (Taf. VI, 
Fig. 2 F). Ist der ebenso gebildete Hinterleib aber nur mit einem 


40 Kap. II. Die äussere Erscheinung der erwachsenen Insckten. 


geringen Theile seiner Vorderfläche dem Metathorax angefügt, so 
spricht man von einem anhängenden Hinterleib, abdomen 
adhaerens, z. B. bei den Wespen (Fig. 17). Sind dagegen die ersten 
Glieder des Hinterleibes stark verdünnt, so entsteht ein gestiel- 
ter Hinterleib, abdomen petiolatum (Taf. I, Fig. 6, 7). Ist der 
Hinterleib von rechts nach links zusammengedrückt, so nennt man 
ihn comprimirt, abdomen compressum, z. B. bei den Gallwespen. 
Ist derselbe von oben nach unten zusammengedrückt, so heisst er de- 
primirt, abdomen depressum, z. B. bei den Wanzen. 


Eine wechselnde Ausdehnung des Hinterleibes wird bedingt 
theils durch die verschiedenen Füllungszustände des Darmes, theils 
durch die Reifung der Geschlechtsproducte, namentlich der Eier. 
Hierbei nehmen die Eierstöcke mitunter derartig an Volumen zu, 
dass der Hinterleib zu riesigen Dimensionen aufgetrieben wird, 
z. B. bei den Termitenweibehen. Aber auch die Weibchen mancher 
unserer heimischen Käfer, z. B. der Chrysomeliden, unter anderen von 
Agelastica alni, zeigen diese Erscheinung in höherem Grade. 


Ist auch im Allgemeinen das Abdomen der erwachsenen Insekten 
als gliedmassenlos zu bezeichnen, so finden wir doch bei manchen nie- 
deren Orthopteren, z. B. bei Campodea fragilis, welche offenbar der 
Urform der Insekten nahe stehen, kleine Beinstummel an den Hinter- 
leibsringen vor. Desgleichen zeigt die Entwicklungsgeschichte, dass 
die mannigfachen Anhänge der männlichen und weiblichen Geschlechts- 
öffnung bei vielen Formen als modifieirte Gliedmassen entweder der 
noch deutlich erhaltenen letzten Hinterleibsringe, z. B. die Legscheide 
bei Locusta, oder der in die vorderen Hinterleibsringe zunächst ge- 
bogenen und abortirten Abdominalsegmente angesehen werden müssen, 
z. B. die Stachelapparate bei den Hymenopteren. 

Inwieweit auch die Raife, cerci, Griffel, styli, Schwanz- 
borsten und -Fäden, setae, und Zangen, foreipes, welche sich be- 
sonders bei den Geradflüglern vorfinden (Taf. VI, Fig. 5 F), die 
Athemröhren am Hinterleibe von Nepa und die Springgabel der 
Poduriden als modifieirte Hintergliedmassen anzuseben sind, kann 
vorläufig noch nicht sicher entschieden werden. 


Die Afteröffnung liegt stets am letzten Hinterleibsringe, und 
zwar dorsal, während die Geschlechtsöffnung meist am vorletzten 
Leibesringe, und zwar ventral liegt. Sie ist meist mit klappenartigen, 
seitlichen Anhängen umgeben und aus ihr wird bei den Männchen die 
ebenfalls durch chitinisirte Panzerstücke bewehrte Ruthe, penis, 
hervorgestreckt. 

Die den Abschluss des Insektenkörpers gegen die Aussenwelt 
überall bewirkende Chitineutieula ist sehr verschieden stark und kann 
von dem zartesten Häutehen bis zum mehrfach geschichteten Panzer variiren. 
Sehr vielfach ist sie von Poren durchsetzt, zeigt eine sehr mannig- 
fache Sculptur und ist ganz oder stellenweise mit Chitinhaaren oder 


Der Hinterleib und seine Anhänge, Cuticula und Färbung. 41 


Schüppchen besetzt. Auf ihrer Fläche münden in mannigfachen Fällen 
Hautdrüsen und sie geht an Mund, After und Luftlöchern ununterbrochen 
in die Chitinauskleidung von Darm und Tracheen über. 


Da die Verbindungsstellen der Haare oder Schuppen mit der 
Cuticula häufig biegsam bleiben und eine besondere Beschaffenheit 
zeigen, so erscheinen jene meist durch Gelenke angesetzt. Haare, 
Borsten, Stacheln, Schuppen mit ihren so höchst variabeln Gestalten 
sind gleichwerthige Gebilde, die durch die verschiedenartigsten Ueber- 
gänge mit einander verbunden sind. Den grössten Einfluss auf den 
Habitus der Insekten erhalten diese äusseren Anhänge bei den 
Schmetterlingen — „Flügelstaub”, — Pelzflüglern und Bienen, sowie bei 
manchen Rüsselkäfern. Die dem Schuppenkleid mancher Schmetter- 
linge und Käfer eigenthümlichen Schillerfarben werden durch Seulptur- 
verhältnisse der Schuppen hervorgebracht, welche, von verschiedenen 
Seiten gesehen, das Licht verschieden reflectiren. 


Die Färbungen des Insektenkörpers werden theils durch die Farbe 
der Cutieula, beziehungsweise deren Anhänge bedingt, theils bei durch- 
sichtiger Cuticula durch die Pigmente, welche ihren Sitz in der unter 
ihr liegenden Zellschicht haben. 


Die einzelne Insektenart kann in der Färbung entweder sehr 
constant oder aber vielfach variabel sein. Wir erwähnen als Beispiele 
des letzteren Falles einen Prachtkäfer, Agrilus viridis, und zwei Bock- 
käfer, Tetropium luridum und Callidium variabile, drei Arten, welche 
eben wegen der grossen Variabilität ihrer Färbung in viele, vor einer 
strengeren Kritik unhaltbare Arten zerfällt worden sind. 


Die Färbung der Insekten steht häufig so sehr in Uebereinstimmung 
mit der ihrer gewöhnlichen Aufenthalts-, beziehungsweise Rastorte, dass 
man das ruhig sitzende Insekt nur schwer von der Umgebung zu unter- 
scheiden vermag. Häufig geht diese Anpassung an die Umgebung auch 
noch weiter und auch die Form und Sculptur des Insektenkörpers und 
seiner Gliedmassen ahmt irgend einen Gegenstand der umgebenden 
Natur nach. Man nennt dies schützende Aehnlichkeit. 


Einheimische Beispiele solcher schützenden Aehnlichkeit sind 
die grüne Färbung vieler Gras- und Baumthiere, z. B. der Laubheu- 
schrecken, und die bräunliche Färbung des Kiefernspinners, welcher sich 
in der Ruhe nur schwer von der Kiefernborke, der er ansitzt, unter- 
scheiden lässt. Die Ziekzackzeichnung der Vorderflügel von Bryophila 
glandifera ahmt die Flechten, welche ihre gewöhnlichen Aufenthalts- 
orte, Planken- und Felsstücke, bedecken, nach. Die plattgedrückten 
Baumwanzen, z. B. das Genus Aradus, . ähneln täuschend einem 
abgelösten Rindenschüppchen. Die Käfer der Genus Cionus ahmen, 
wenn sie mit angezogenen Beinen auf einem Blatte liegen, täuschend 
ein Klümpehen Vogelkoth nach, und die bereits bei der südeuropäischen 


42 Kap. I. Die äussere Erscheinung der erwachsenen Insekten. 


Fangheuschrecke, Mantis religiosa, angedeutete Aehnlichkeit des Ge- 
äders der grünen Vorderflügel mit der Rippung eines Blattes erreicht 
ihre höchste Vollendung bei dem tropischen Genus Phyllium, dem 
wandelnden Blatte, wie denn überhaupt die schlagendsten, in jeder 
allgemeinen Zoologie angeführten Beispiele schützender Aehnlichkeiten 
tropischen Gegenden entstammen. 


Eine andere, nicht minder häufige Form der schützenden Aehnlich- 
keit besteht darin, dass ein Insekt einem anderen Insekt einer völlig 
verschiedenen Gruppe täuschend ähnelt. Man nennt diese Erscheinung 
mit dem englischen Namen Mimiery und findet, dass am häufigsten 
schwächere, vertheidigungslose Insekten stärkere, wehrhafte oder wegen 
irgend einer ekelerregenden Eigenschaft von den Insektenfresserın ver- 
schmähte Formen nachabmen. 

Wenngleich die schlagendsten Beispiele von Mimiery auch meist 
bei exotischen Formen bekannt wurden, so ist doch auch unsere 
heimische Fauna nicht ohne solehe. Necydalis salicis Murs., ein 
Bockkäfer, gleicht mit ausgebreiteten Flügeln täuschend einer 
Schlupfwespe, dem bekannten Anomalon circumflexum, und der 


Hornissenfalter, Trochilium apiforme, schwärmt in dem Kleide der 
wehrhaften Wespen umher. 


Seeundäre Geschlechtscharaktere. Die Insekten sind stets ge- 
trennten Geschlechtes. Es gibt keine normalen Insektenzwitter. In sehr 
vielen Fällen sind nun Männchen und Weibchen einer Art lediglich 
durch die Beschaffenheit ihrer eigentlichen inneren Geschlechtsorgane, 
sowie äusserlich durch die Anordnung der die Geschlechtsöffnung um- 
gebenden Chitintheile zu unterscheiden. Man nennt solche Unterschiede 
zwischen Männchen und Weibchen primäre Geschlechtscharaktere, 
und die Unterscheidung der Geschlechter bei solchen Arten ist eine 
ziemlich schwierige. In vielen’ anderen Fällen unterscheiden sich aber 
die Geschlechter durch mit den Geschlechtstheilen direet nicht zusammen- 
hängende äusserliche Kennzeichen und diese bezeichnet man mit Darwın 
als secundäre Geschlechtscharaktere. Auf ihnen beruht die Möglich- 
keit, in vielen Fällen auf den ersten Blick Männchen und Weibchen 
einer Art zu unterscheiden. Die seeundären Geschlechtscharaktere drücken 
sich entweder als Färbungs- oder Grössenunterschiede aus, oder es sind 
bei den beiden Geschlechtern einzelne Körpertheile verschieden gestaltet. 
Ein bekanntes Beispiel des völligen Mangels aller secundären Geschlechts- 
unterschiede bietet der grosse braune Rüsselkäfer, während der secundäre 
Geschlechtscharakter beim Maikäfer, die stärkere Ausbildung der blätt- 
rigen Fühlerkeule beim Männchen, jedem Knaben bekannt ist. In 


Mimiery und secundäre Geschlechtscharaktere. 43 
extremen Fällen kann der Unterschied zwischen beiden Geschlechtern 
einer und derselben Art so gross werden, dass erst Zuchtversuche und 
die Beobachtung der regelmässigen Begattung beider Formen noth- 
wendig waren, um die Zusammengehörigkeit von zwei so ungemein ver- 
schiedenen Formen festzustellen. Dies ist z. B. der Fall bei dein Frost- 


spanner, Geometra brumata, dessen Weibchen nur kleine Flügelrudimente 
besitzt. 


Färbungs- und Zeiehnungsunterschiede beider Geschlechter 
kommen namentlich bei lebhaft gefärbten Formen vor. Als einige der 
auffallenderen und zugleich häufigen Beispiele aus unserer einheimi- 
schen Fauna nennen wir: Den Aurorafalter, Pieris Cardamines L. — 
beim d Spitzenhälfte der Vorderflügel mit oranger, beim @ mit weisser 
Grundfarbe —; den Kohlweissling, Pieris Brassicae — @ mit zwei 
schwarzen Flecken auf dem Vorderflügel, die dem d fehlen —; viele 
Bläulinge, z. B. Lycaena Bellargus Rorr. — Flügel des d schön 
himmelblau, des @ dunkelbraun mit rothgelben Randflecken —; den 
Schwammspinner, Liparis dispar L. — Grundfarbe der Flügel beim 
d graubraun, beim 2 gelblichweiss —; den Kiefernspanner, Fidonia 
piniaria L. (vergl. Taf. IV, Fig. 4 F, d und 2) —; zwei Bockkäfer, 


Leptura testacea L.. — d Halsschild schwarz, Flügeldecken lehm- 
gelb, @ Halsschild und Flügeldecken rothbraun — und den verwandten 
Toxotus cursor L. — d schwarz, ® röthlich gelbbraun mit einem 
rothen Längsstreif auf jeder Flügeldecke —; von ÖOrthopteren die 
Wasserjungfrau, Calopteryx virgo L. — d Körper und Flügel tief- 


blau, 2 Körper grün, Flügel braun. 

Die als Grössendifferenzen sich ausprägenden secundären 
Gesehlechtsunterschiede können in zwei Richtungen ausgebildet sein; 
bei vielen Insekten ist das Weibchen, bei anderen das Männchen der 
stärkere Theil. Der erstere und beiweitem häufigere Fall hängt zu- 
sammen mit dem Umstande, dass die von dem Weibchen produeirten 
Eier den von dem Männchen producirten Samen an Volumen bedeutend 
übertreffen. Kleiner sind die Männchen bei vielen Feldheuschrecken, den 
Acridiodea, bei vielen Bockkäfern, z. B. bei Pachyta cerambyeiformis 
SCHRANK, bei den Oelkäfern, Melo&ö, und der spanischen Fliege, 
Lytta vesicatoria L., bei den Blatt- und Holzwespen, z. B. bei Lophy- 
rus pini L. (Taf. VI, Fig. 3 F, d und 2) und Sirex juvencus Ir 
(Taf. VI, Fig. 4 F, d und 2), sowie bei den Ameisen; bei vielen 
Spinnern, z. B. dem Kiefernspinner (Taf. III F, & und 2), den Flöhen, 
Pulex, und der Hirschlausfliege, Lipoptena cervi L. Der extremste 
Fall in unserer Fauna ist wohl bei Tomicus dispar FaApr., einem 
Laubholzborkenkäfer, vorhanden. Der andere Fall, dass die Männchen 
grösser sind, tritt besonders bei den Formen ein, bei welchen die 
Männchen um den Besitz der Weibchen kämpfen. Stärkerer Statur 
sind z. B. die Männchen vieler Schaben, Blattina, der Lucanidae, 
z. B. bei Dorcus parallelopipedus L. und bei unserer Honigbiene. 


44 Kap. U. Die äussere Erscheinung der erwachsenen Insekten. 


Die eben erwähnten geschlechtlichen Färbungs- und Grössenunter- 
schiede sind häufig verbunden mit der dritten Kategorie der secundären 
Geschlechtscharaktere, mit den Structurverschiedenheiten gewis- 
ser Körpertheile. Die solche Auszeichnung zeigenden Körpertheile 
können einmal stärker ausgebildet, andererseits redueirt sein. Ersteres 
ist meist das Theil der Männchen. Diese haben häufig stärker aus- 
gebildete Sinnesorgane als das Weibchen, eine Ausstattung, welche 
ihnen das Auffinden der Weibehen erleichtert. Die als Tast- und 
Geruchsorgane dienenden Fühler sind stärker gebaut bei den Männ- 
chen vieler Käfer, z. B. des Maikäfers und des Walkers, Polyphylla 
fullo L., vieler DBockkäfer, z. B. Prionus coriarius L. und 
Astynomus aedilis L., mancher Hymenopteren, z. B. Lophyrus pini 
(Taf. VI, Fig. 3 F, d und 92), vieler Schmetterlinge aus den 
Gruppen der Schwärmer, Spinner und Spanner, z. B. Kiefern- 
spinner (Taf. II, F, 8 und 92) und Kiefernspanner (Taf. IV, 
Fig. 4 F, d und 9), der Stechmücken, Culex pipiens L. u. s. £. 
Die Augen sind grösser, ja sogar gedoppelt, bei den Männchen mancher 
Eintagsfliegen, z. B. der Ephemera vulgata L. und Clo& diptera L. 
und vieler bienenartigen Insekten, z. B. bei den Drohnen der Honig- 
biene, bei welchen sie auf dem Scheitel zusammenstossen, während 
sie bei Arbeiterinnen und Königin getrennt bleiben; bei den Männ- 
chen mancher Zweiflügler, z. B. Bibio marei L., nehmen die Augen 
den ganzen Kopf ein, während sie bei den Weibchen klein und ge- 
trennt bleiben. Die Männchen verschiedener Geradflügler besitzen ferner 
Tonorgane, welche den Weibchen abgehen, während allerdings in 
anderen Gruppen beide Geschlechter mit solchen Lockmitteln versehen 


sind. (Vgl. den Abschnitt über die Lautäusserungen der Insekten in 
Kapitel III.) 


Der bedeutenderen Grösse mancher Männchen gesellen sich noch 
ausgeprägte Kampforgane bei, wie wir sie z. B. in den geweihartig 
verlängerten Vorderkiefern des Hirschkäfers kennen, sowie Apparate 
zum Festhalten des sich sträubenden Weibchens, wie z. B. die Haft- 
scheiben an den Vordertarsen vieler Schwimmkäfer, z. B. des Dytis- 
cus marginalis, und die Sohlenbildungen an den Vordertarsen vieler 
Laufkäfermännchen, z. B. bei Calosoma sycophanta L. Hierzu kommen 
noch eine Reihe von Auszeichnungen der Männchen, welche, da ihr 
Zusammenhang mit dem Geschlechtsleben nicht ohne Weiteres verständ- 
lich, uns als blosse Zierrathen erscheinen, so die Hörner auf Kopf 
und Halsschild, welche bei vielen exotischen Lamellicorniern ihre 
höchste Ausbildung erreichen, aber auch in unserer Fauna vor- 
kommen, z. B. bei dem Nashornkäfer, Orycetes nasicornis L. und dem 
Sinodendron cylindricum L. 


Andererseits schen wir bei vielen Weibchen, welche in Folge 
des eierbeschwerten Hinterleibes schon ohnehin häufig weniger beweg- 
lich sind als die Männchen, die Bewegungsorgane und besonders die 
Flügel verkümmert. 


Seeundäre Geschlechtscharaktere und Polymorphismus. 45 


Die schönsten Beispiele hiefür geben uns viele Schmetterlinge. 
So sind z. B. bei einer häufigen einheimischen Motte, Chimabacche 
fagella, die Flügel des Weibchens noch annähernd halb so lang als 
beim Männchen, bei dem Frostspanuerweibehen, Cheimatobia bru- 
mata L., sind sie bereits auf Rudimente redueirt, bei Orgyia antiqua L. 
im Verhältniss zu dem Körper des Weibchens schon verschwindend, 
und die Weibchen der Gattung Psyche, welche madenförmig bleiben, 
ermangeln der Flügel und ausgebildeter Beine völlig. 

Auch einige Käfer, z. B. unser gewöhnlicher Leuchtkäfer, Lam- 
pyris splendidula, haben larvenähnliche, ungeflügelte, sowie auch der 
Flügeldecken entbehrende Weibchen. 

Es kommen aber auch Fälle vor, in welchen den Weibchen 
besondere, den Männchen fehlende Ausstattungen zukommen; dieselben 
beziehen sich immer auf die Brutpflege. Hierher können wir den ver- 
längerten Rüssel der Weibchen der Rüsselkäfergattung, Balaninus, 
rechnen, welche zur Unterbringung der Eier in der Tiefe der Frucht- 
knoten dienen, sowie die zum Sammeln des als Larvennahrung dienenden 
Blumenstaubes eingerichteten Hinterbeine der Weibchen vieler Blumen- 
bienen (vergl. Fig. 24 E und F). 


Wenngleich normalerweise keine Insektenzwitter vorkommen, so sind 
solche doch als Monstrositäten bekannt. Die wenigen Exemplare, welche man auf 
ihren inneren Bau untersuchte, zeigten stets eine innere Vermischung der primären 
Geschlechtscharaktere, Hand in Hand gehend mit der der äusserlichen, der secundä- 
ren. Durch letztere ist man überhaupt auf das Vorkommen von Zwittern aufmerksam 
geworden. Diese Vermischung der äusserlichen Geschlechtsuntersehiede kann nun 
einmal eine regellose sein, andererseits aber auch regelmässig die eine seitliche 
Hälfte des Thieres männlich, die andere weiblich sein. Der erste Fall kommt 
mitunter bei der Honigbiene in ausgezeichneter Ausbildung vor, während regel- 
mässige seitliche Zwitter am häufigsten unter den Schmetterlingen auftreten, 
z. B. beim Schwammspinner und beim Kiefernspinner. 


Mögen aber Männchen und Weibchen sich durch secundäre Ge- 
schlechtscharaktere noch so sehr unterscheiden, also ein noch so ausge- 
prägter geschlechtlicher Dimorphismus vorhanden sein, so sind doch 
in den meisten Fällen einerseits die Männchen, andererseits die Weibchen 
einer und derselben Art unter sich gleich. Wir haben also in der 
Regel in jeder Insektenart nur eine Männchen- und eine Weibchenform. 

In anderen Fällen, und zwar meist bei gesellig lebenden Insekten, 
treten dagegen die Weibchen in zwei oder mehreren Formen auf. Im 
einfachsten Falle sind es nur Grössenunterschiede, so bei unsern 
Wespen, Gattung Vespa, bei denen grössere und kleinere Weibchen vor- 
kommen. Häufig treten aber bei der Mehrzahl der Weibehen einer Gesell- 
schaft Hand in Hand mit einer Verkümmerung der übrigens ursprünglich 
nach dem weiblichen Typus angelegten Geschlechtstheile, gegenüber 
den wohl entwickelten, eigentlichen Weibchen auch weitergehende äussere 
Unterschiede auf. Solche geschlechtlich verkümmerte, häufig fälschlich 


46 Kap. I. Die äussere Erscheinung der erwachsenen Iusekten. 


als geschlechtslos, als Neutra bezeichnete Weibehen werden im Gegensatz zu 
den geschlechtlich entwickelten, den Königinnen, als Arbeiterinnen 
bezeichnet. Bei uns sind die Honigbiene und sämmtliche Ameisenarten 
mit Arbeiterinnen versehen. Es ist also hier ein geschlechtlicher 
Polymorphismus vorhanden. 


In den verstecktesten Fällen beginnt der geschlechtliche Polymorphismus, 
der übrigens auch die Männchen betreffen kann, ganz allmälig. So ist es z. B. bei 
den Männchen des Nashornkäfers und des Hirschkäfers, bei welchen man Männ- 
chen mit sehr starken Hörnern, beziehungsweise Geweihen, findet und welche mit 
sehr schwach entwickelten, zwei Formen, die durch seltenere Uebergangsstufen 
verbunden sind. Bei Dytiscus marginalis tritt das Weibchen in zwei Formen auf, 
von denen die eine häufigere dem Männchen zur Fixation bei der Begattung 
bequemere längsgeriefte Flügeldecken hat, die andere dagegen glatte, wie das 
Männchen. 


Bei den Honigbienen unterscheiden sich die Arbeiterinnen von 
der Königin durch stärkere Mundwerkzeuge und den gut ausgebildeten 
Sammelapparat, bei den einheimischen Ameisen sind die Arbeiter flügel- 
los und demgemäss mit viel geringer entwickeltem Bruststück aus- 
gestattet als die grösseren und ursprünglich geflügelten Königinnen. 
Bei manchen unserer einheimischen Ameisen, so z. B. bei Formica 
ligniperda, findet man ausserdem grosse und grossköpfige, sowie kleine 
und zugleich kleinköpfige Arbeiter, welche beide extreme Formen 
aber durch eine grosse Menge häufiger Uebergänge verbunden werden. 


Bereits bei einer südeuropäischen Ameise, der Pheidole megacephala, 
fallen diese Uebergangsstufen weg, und die grossköpfige und die kleinköpfige 
Arbeiterform treten unvermittelt neben einander auf, so dass man die ersteren als 
Soldaten, von den letzteren, den eigentlichen Arbeitern, unterschieden hat. Dies 
ist bei vielen ausländischen Ameisen die Regel und kommt in noch ausgepräg- 
terem Masse bei den „weissen Ameisen”, den zu den gesellisen Geradflüglern 
gehörigen Termiten, vor. 


KAPITEL IM. 


Der innere Bau des erwachsenen Insektes 
und die Lebensverrichtungen des Einzelthieres. 


Will man den inneren Bau eines Insektes studiren, -so hat man zu- 
nächst dessen Leibeswand zu durchschneiden, welche an Mund, After, 


K 


og 


BM BS' HG Dvd Dvd SB Vg 


Fig. 29. Schematische Darstellung der Lagerung der inneren Organe — mit Aus- 
nahme der Musculatur und der Tracheen — bei einer weiblichen Feldheuschrecke. 
Zum Theil nach Burezss.. X Kopf, B Brust, 77 Hinterleib, VD Vorderdarm, 
SpD Speicheldrüse, VD7 Schlund, VYD2 Kropf, BS Blindschläuche, MD Mittel- 
darm, Chylusmagen, 77G@ Harngefässe, 7D Hinterdarm, 7D1 Dünndarm, 7D2 Mast- 
darm, Hz Herz, Ao Aorta, 08g oberes Schlundganglion, welches den Fühlernerv. 
den Punktaugen- und den Netzaugennerv, sowie den paarigen Eingeweidenerv EN 
aussendet, «Sg unteres Schlundganglion, B M Bauchmark, O» rechter Eierstock, 
Ovd1 rechter Eileiter, Ovd2 linker abgeschnittener Eileiter, 5 B Samenblase, 
Vg Vagina. Ausserdem sind angedeutet: Fühler, Taster, die Anlenkungsstelle der 
Beine und Flügel und die Segmentirung des Körpers. 


Luftlöchern und Geschlechtsöffnung direct in die Wand der Verdauungs-, 
Athmungs- und Geschlechtsorgane übergeht, und die Leibeshöhle zu 
öffnen. Von den in dieser enthaltenen Eingeweiden nimmt das Centralorgan 
des Blutkreislaufes, das Herz, die Mittellinie der Rückengegend ein. Unter 
ihm liegt von Mund zu After verlaufend der Darmcanal mit seinen 
Anhangsdrüsen, von denen die mit der Mundhöhle verbundenen 


48 Kap. III. Der innere Bau des erwachsenen Insektes. 


Speicheldrüsen und die in den Afterdarm einmündenden Harn- 
gefässe nur selten fehlen. 

Das Centralorgan des Nervensystems besteht aus dem oberhalb 
des Schlundes gelegenen Gehirnganglion, welches durch seitlich 
neben dem Schlunde herablaufende Stränge sich fortsetzt in das die 
Mittellinie der Bauchgegend einnehmende Bauchmark. 


NA | =/ a ! RI er 
Ber 


Fig. 30. Schematische Darstellung der Lagerung des Centralnervensystems bei einer 

weiblichen Feldheuschrecke nach Ewerron und Packarpd. X Kopf, 5 Brust, 

B Hinterleib mit seinen zehn Segmenten, PA Punktauge, NA Netzauge, og oberes 

Schlundganglion, «Sy unteres Schlundgangslion, EN paariger Eingeweidenerv, 

BGI-—IIL erstes bis drittes Brustganglion, A G1—5 erstes bis fünftes Abdominal- 
ganglion. 


Wi 


/ | | MN 
SEI Sea TrI rat 
Fig. 31. Schematische Darstellung des Luftröhrensystems einer weiblichen Feld- 
heuschrecke nach Emertron und Packarn. K Kopf, B Brust mit ihren drei Segmenten, 
J— III, H Hinterleib mit seinen zehn Segmenten, 7—10, St die Luftlöcher, 7’ die 
Tracheenblasen, 7r/ der linke äussere, bauchständige Luftröhren- oder Tracheen- 
hauptstamm, 7’r II der linke rückenständige Luftröhrenhauptstamm, 7r III der linke 
ınnere bauchständige Luftröhrenhauptstamm. Die entsprechenden rechten Stämme 

fehlen in dieser einseitigen Darstellung. 


Die Hauptstämme des von den Luftlöchern entspringenden, die 
Athmung besorgenden Luftröhrensystems sind paarig angelegt und 
seitlich neben der Medianebene angeordnet. Die gleichfalls paarig 
angelegten Fortpflanzungsorgane, deren Mündung stets auf der 


Bauchseite vor dem After gelegen ist, nehmen die Seitentheile des 
Hinterleibes ein. 


Anordnung der Hauptorgane, Leibeswand. 49 


Diese einfache Anordnung der Hauptorgane wird theilweise ver- 
schoben bei denjenigen Insekten, bei welchen einmal der Darmeanal 
länger wird, als der gerade Abstand von Mund zu After, andererseits 
die Ausführungsgänge der Fortpflanzungsorgane sich strecken. Alsdann 
liegen Darm und Fortpflanzungsorgane, die seitliche Symmetrie störend, 
aufgeknäuelt im Hinterleibe. Der Raum zwischen den einzelnen Ein- 
geweiden wird zum Theil ausgefüllt von den regellosen Zellballen des 
Fettkörpers. Festgehalten in ihrer Lage werden die sämmtlichen 
Organe durch die feinen Verzweigungen der Luftröhren, welche, wenn 
das Insekt unter Wasser geöffnet wird, als ein alle Organe dicht um- 
spinnendes Netz von Silberfäden erscheinen., Um- und durchspült wird 
das Ganze, da kein geschlossenes Blutgefässsystem vorhanden ist, von 
dem frei in der Leibeshöhle circeulirenden Blute. 


Die Leibeswand. Diese besteht von 
aussen nach innen gerechnet aus der Cuti- 
eula, derHypodermis und der Muskel- 
schicht. 


Die wesentlichen äusseren Verhält- 
nisse der aus Chitin bestehenden Cuti- 3} | 
cula sind bereits auf Seite 40 angedeu- 71,” F \ 

? : 2 Be u H7, 
tet. Obgleich stets die Outieularbildungen % 
ein Hautskelet abgeben und die relativ Fig. 32. Halbschematischer Quer- 
festesten Theile des Insektenkörpers sind, schnitt durch die Cuticula und 


ä : h ‚ Hypodermis. (' geschichtete Cuti- 
so ist doch die absolute Festigkeit und <ula mit den durch Gelenke, @, 


Widerstandsfähigkeit des Insektenpanzers mit ihr verbundenen Haaren H. 
je nach seiner Stärke bei verschiedenen M die die Cuticula absondernden 
ee schn verschieden. wie uns’z: B Matrixzellen der Hypodermis. 7Z 
each h Sch issfli “ die Haarzellen. Gm die binde- 
a UNI DELINETBBIIEZe mit gewebige Grundmembran. 
einem grossen braunen Rüsselkäfer, d.h. 

zweier T'hiere von annähernd gleicher Statur zeigt. Stärkere Cutieularlagen 
sind stets geschichtet (Fig. 32 C) und von senkrecht zu ihrer Ober- 
fläche verlaufenden zahlreichen Porencanälen durchsetzt. Faltenartige 
Einschlagungen der Cutieula nach innen, besonders in der Mittellinie 


des Sternums, werden mitunter als „inneres” Skelet bezeichnet. 


Die unter der Cutieula liegende Hypodermis besteht aus einer 
Schicht mehr weniger deutlich von einander abgegrenzter, polygonaler 
Epithelzellen (Fig. 32 M), welche mit ihrer Basis wiederum einer feinen 
bindegewebigen Membran (Fig. 32 Gm) anliegen. Die Aussenfläche 
der Hypodermiszellen sondert, wie bereits mehrfach erwähnt, die 
Chitinsubstanz als ein anfangs zähflüssiges, erst späterhin erhärtendes 
und starr werdendes Secret ab. Will man diese Thätigkeit der Hypo- 
dermis besonders hervorheben, so bezeichnet man sie auch als chi- 
tinogene Schicht oder Matrix der Cutieula. Haarartige Fort- 


Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde. 4. 


50 Kap. III. Der innere Bau des erwachsenen Insektes. 


sätze einzelner, durch besondere Grösse, flaschenförmige Gestalt, Mehr- 
kernigkeit und zuweilen tiefere Lagerung ausgezeichneter Hypodermis- 
zellen sind es, auf denen gleichfalls als Secret ihrer Oberfläche, die 
haar- oder schuppenartigen Cutieularanhänge sich bilden. Man kann 
diese Zellen Haarzellen nennen (Fig. 32 HZ). Die meist geschmeidig 
bleibende und von einer kleinen, wallartigen Erhebung umgebene Ansatz- 
stelle der Haare bildet häufig eine Art Gelenk für dieselben. Die ge- 
sammte Sceulptur und alle Anhänge der Outicula sind also genaue Abbilder 
der Oberflächenbeschaffenheit der unter dieser liegenden, zelligen Hypo- 
dermis. Da das vollendete Insekt sich nicht mehr häutet, die Hypodermis- 
zellen also fernerhin kein Secret mehr zu liefern haben, so werden sie 
häufig bei der Imago rückgebildet und erscheinen weniger deutlich. 

Einzelne Zellen oder Zellgruppen oder beutelförmige Einstül- 
pungen der Hypodermis können als Hautdrüsen wirken, welche durch 
besonders modifieirte Porencanäle, die sich mitunter als röhrenförmige 
Fortsätze über die Cuticula erheben, nach aussen münden. Die Secrete 
dieser Drüsen sind sehr verschiedenartig. Wir erwähnen hier nur 
beispielshalber einige Formen. Die auf der Unterfläche des "Thorax 
gelegene Stinkdrüse unserer Wanzen, sowie die unmittelbar neben der 
Afteröffnung mündenden Analdrüsen (Fig. 55) vieler Käfer, z. B. der 
Carabus- und Brachinus-Arten, sowie der Orthopteren (Fig. 33 Z), sondern 
einen übelriechenden, dem Insekt als Vertheidigungsmittel dienenden 
Saft ab. Die häufig in Honigröhren auslaufenden Honigdrüsen auf dem 
Rücken des Hinterleibes vieler Blattläuse liefern eine von den Ameisen 
begierig aufgeleckte, süsse Flüssigkeit. Das Secret der Wachsdrüsen 
kann entweder ein dem Körper des Insektes anhaftendes wolliges Schutz- 
kleid bilden, wie z. B. bei den Rindenläusen, Chermes, oder aber, wie 
das zwischen den Bauchschienen des Arbeitsbienen- Abdomens secer- 
nirte Bienenwachs, zur Bereitung der Brutstätten, der Waben, dienen. 

Die nach innen von der Hypodermis folgende Muskelschicht 
bildet einen in den verschiedenen Körperabschnitten sehr verschieden 
stark ausgeprägten Hautmuskelschlauch, welcher eine der Segmentirung 
des Hautskeletes entsprechende, meist sehr feine Gliederung in zahl- 
reiche, in den verschiedensten Richtungen wirkende Einzelmuskel 
und Muskelgruppen erkennen lässt. Am stärksten ist diese Musku- 
latur ausgeprägt in den Kiefer, Beine oder Flügel tragenden Körper- 
abschnitten. Sie wird, wie überhaupt bei allen Arthropoden, durch 
quergestreifte Muskelfasern gebildet. 


Nicht allein am Stamme des Leibes, sondern auch in sämmtlichen 
grösseren Körperanhängen, Gliedmassen und Flügeln kann man dieselbe 
xeihenfolge der Schichten beobachten. 


Der Darmeanal und seine Anhänge. 


Der Darm beginnt an der von den Mundwerkzeugen umgebenen 
Mundöffnung und geht zu der am Ende des Abdomens gelegenen 


Die Leibeswand, der Darmcanal und seine Anhänge: 51 


Afteröffnung, je nach seiner Länge in geradem oder schlingenförmig 
geknäultem Verlaufe. 


Seine Innenfläche ist, bis auf eine kleinere Strecke des Mitteldarmes, stets 
ausgekleidet von einer Chitin-Cuticula, welche, wie bereits erwähnt, an Mund 
und After direct in das äussere Hautskelet sich fortsetzt. Nach aussen von dieser 
folgt die Epithelzellenschicht, welche als Matrix die Cuticula abgesondert hat; 
sie wird umkleidet von einer dünnen Bindegewebshaut, der wiederum die aus 
Längs- und Ringfasern bestehende Muskelschicht folgt. Den Abschluss der Darm- 
wand nach der Leibeshöhle hin macht eine zweite feine Bindegewebshaut. 

Nur in seltenen Fällen, z. B. bei den Eintagsfliegen, ist die 
Mundöffnung verschlossen und die Imagines nehmen daher keine 
Nahrung zu sich. Am auffallendsten sind die Verhältnisse bei den 
Männchen einiger Blattläuse, z. B. von Phylloxera Quercus, denen 
Mundwerkzeuge und Darm völlig fehlen. 


Fig. 33. Darmeanal mit seinen Anhängen von einer Werre, Gryllotalpa vulgaris Latr. 
A Kopf mit Fühlern und Mundwerkzeugen, B Afterklappe mit den beiden Raifen 
und den Analdrüsen /, « Speicheldrüse, «a‘ Speichelreservoir, b Schlund, ce Kropf, 
d Kaumagen, e Blindschläuche, / und y Chylusmagen, A Dünndarm, © das mit einem 
einfachen Gang in den Darm mündende Büschel von Harngefässen, k Mastdarm. 


Der Darm gliedert sich auch in den einfachsten Fällen in drei 
Abschnitte, welche man am besten als Vorder-, Mittel- und Hinter- 
darm bezeichnet (Fig. 29 VD, MD, HD). An dem Vorderdarm kann 
man stets die Mundhöhle und die eigentliche Speiseröhre unter- 
scheiden, von welch letzterer sich häufig noch Kropf und Kaumagen 
abgrenzen. In die Mundhöhle ergiessen die Speicheldrüsen (Fig. 29 
Sp D) ihr Secret. 

Die Mundhöhle ist von einer starken Muskulatur umgeben 
und besorgt bei den kauenden Insekten die Schluckbewegungen, 
während sie bei den saugenden durch abwechselnde Erweiterung und 
Verengerung ihres Hohlraumes die Saugwirkungen hervorbringt. Die 
Speiseröhre übernimmt die Nahrung aus der Mundhöhle und führt 
sie dem Magen zu. Häufig ist sie am hinteren Ende aber noch 
in ein Reservoir zur längeren Aufbewahrung eingenommener Nahrungs- 
vorräthe, in einen Kropf aufgetrieben. Dieser kann entweder eine 

4*® 


>11 


oO 
[5) 


Kap. III. Der innere Bau des erwachsenen Insektes. 


regelmässige, allseitig gleichmässige, mitunter ungemein starke Auf- 
treibung der Speiseröhre bilden, oder einen seitlich mit ihr durch einen 
engen Gang verbundenen Sack. 

Letzteres ist besonders häufig bei den Insekten mit saugenden 
Mundwerkzeugen der Fall, und ein solcher langgestielter Sack wurde 
daher früher als „Saugmagen” bezeichnet, obgleich er in Wirklichkeit 
keinerlei Saugwirkungen auszuüben im Stande ist, sondern nur als 
Aufbewahrungsort für aufgesogene Flüssigkeit dient. Der Endtheil 
des Vorderdarmes zeichnet sich bei kauenden Insekten häufig durch 
eine stärkere Muskelschicht aus, und seine innere Cuticularauskleidung 
ist alsdann an einzelnen Stellen verdickt, so dass sich auf ihr feste 
Platten, Zähne oder Borsten finden. Man bezeichnet einen so gestal- 
teten Endabschnitt als Kaumagen, weil er geeignet ist, die ein- 
genommene Nahrung noch weiter mechanisch zu zerkleinern (Fig. 33 
und 35 d). Aber nicht nur im Falle des Vorhandenseins eines Kau- 
magens erleiden die Speisen im Vorderdarm eine weitere Veränderung, 
sondern es scheint, als ob dieselben hier überhaupt einer chemischen 


EEE see 
N 
EM- Ze 


Fig. 34. Darmeanal der Schmeissfliege, Sarcophaga carnaria L. « Speicheldrüsen, 
b Schlund, e Saugmagen, f und g Chylusmagen, % Dünndarm, i die in den Darm 
mit zwei Gängen mündenden zwei Paar gefiederten Harngefässe, % Mastdarm. 


Zersetzung, einer Art Vorverdauung durch die Einwirkung der Seerete 
(der Speicheldrüsen, unterlägen. 

Die Speicheldrüsen, welche zu einem oder mehreren Paaren in 
die Mundhöhle einmünden (Fig. 29 SpD; 35, 34 und 36 a) und häufig 
noch mit einem besonderen Speichelreservoir (Fig.33, a‘) verbunden sind, 
haben also bei den Insekten eine höhere Beier an als bei den 
Wirbelthieren, indem ihr Seeret nicht allein Stärkemehl in Trauben- 
zucker umzusetzen, sondern auch Eiweissstoffe in Peptone zu verwan- 
deln vermag, wie wir sicher wenigstens von der Küchenschabe wissen. 


Der Mitteldarm ist es, in welehem die im Vorderdarm verdauten 
Speisen ihre definitive Umsetzung erfahren, und in dem der Nahrungssaft, 
der Chylus, bereitet wird. Daher wird dieser häufig in mehrere Abschnitte 
zerfallende und mit drüsigen Wandungen versehene Darmtheil auch 
Chylusdarm genannt. 


Die die Verdauungssäfte absondernden Drüsen sind entweder in 
die Decke der Darmwand eingebettet oder sitzen derselben als mehr 
weniger lange und zahlreiche Zotten (Fig. 35 f) oder Blindschläuche 
an. Auch kann der eine Theil des Chylusdarmes Zotten tragen, der 


BB) 


Der Darmcanal und seine Anhänge. 


andere drüsige Wandungen zeigen, so dass nicht nur durch die Ver- 
schiedenheit der Weite, sondern auch durch diese Besetzung mit 
Anhängen die einzelnen Abschnitte des Chylusdarmes ein verschiedenes 
Aussehen erhalten können (Fig. 33, 34 und 35 f und g). Am 


stärksten sind die Blindschläuche bei den Heuschrecken und Verwandten 
ehnlichkeit mit 


Fig. 35. Darmeanal eines Laufkäfers. 5 Schlund, e Krop.,, d Kaumagen, 5 Chylus- 

magen mit Zottenbesatz, y zottenloser Magentheil, © die beiden Paar an ihren Enden 

schlingenförmig in einander übergehenden Harngefässe, A Dünndarm, % Mastdarm, 
l Analdrüsen. 


der der Leber der Krebse, aber es kommt bei den Insekten nie zur 
Ausbildung einer compacten, wirklichen Leber. 

Der Hinterdarm, welcher in zwei oder drei, alsdann als Dünn- 

darm, Dickdarm und Mastdarm unterschiedene Abschnitte getheilt 


Fig. 36. Darmeanal der Honigbiene, Apis mellifica L. « Speicheldrüsen, 5 Schlund, 
ce Chylusmagen, d die zahlreichen einzeln in den Darm mündenden Harngefässe, 
e Dünndarm, / Mastdarm, g Rectaldrüsen. 


sein kann (Fig. 29 HD, Fig. 33—35 h, k, Fig. 36 e, f), dient wesent- 
lich zur Ausfuhr der unverdauten Nahrungsreste, des Kothes. Sein An- 
fang wird bezeichnet durch die Einmündung der Harngefässe, 

In die Höhlung des als Mastdarm oder Rectum bezeichneten 


Endabsehnittes des Darmes springen häufig eine Anzahl von Längs- 
wulsten vor, welche als Reetaldrüsen bezeichnet werden; ihre 


Funetion ist noch ziemlich unklar (Fig. 36 g). 


54 Kap. III. Der innere Bau des erwachsenen Insektes. 


Die Harngefässe (Fig. 29 HG) sind längere oder kürzere, 
meist blind endigende, dünne Schläuche, welche sich an der Grenze von 
Mittel- und Hinterdarm dem Darmcanal inseriren. Ihre Zahl ist sehr 
wechselnd. Das Secret, welches die sie auskleidenden Drüsenzellen 
absondern und welches zugleich mit den Kothmassen durch den Hinter- 
darm ausgeführt wird, ist dem Harn gleichwerthig, und es haben also die 
Harngefässe bei den Insekten dieselbe Function wie die Nieren bei den 
Wirbelthieren. Sie sollen nur einigen niederen Schnabelkerfen, z. B. den 
Blattläusen, fehlen. 


Die Harngefässe sind meist drehrund, nur selten kurz gefiedert. 
Sie enden meist blind und frei, indessen können sich bei manchen 
Insekten die blinden Enden auch unter der äusseren Bindegewebshaut 
des Darmes verstecken, und bei anderen gehen die Enden je zweier 
Gefässe schlingenartig in einander über (Fig. 35). 

Im allgemeinen sind sie paarig angelegt. Ihre Zahl kann von 
zwei bis zu einigen Hundert wechseln. Bei den Formen, wo nur 
wenige Harngefässe, d. h. 4 bis 8 Stück, vorhanden sind, sind die- 
selben gewöhnlich sehr lang und geschlängelt dem Mitteldarm angelagert, 
von dem sie häufig durch eine grelle, weissliche, gelbliche, bräunliche 
ja sogar grüne oder röthliche Färbung abstechen. Dies ist der häufigst 
vorkommende Fall (Fig. 35). Bei den Käfern sind 4 bis 6, bei den 
Schmetterlingen 6, bei den Zweiflüglern und Schnabelkerfen 4 Stück 
die Regel (Fig. 34). Da, wo wie bei einigen Gruppen der Gerad- 
flügler (Fig. 33) und bei den bienenartigen Thieren (Fig. 36), ihre 
Anzahl stark wächst, bleiben sie kürzer. Sie münden alsdann ent- 
weder einzeln in den Hinterdarm ein (Fig. 36) oder vereinigen sich 
vorher zu mehreren gemeinsamen kurzen Harnleitern. Am stärksten 
ist diese Vereinigung bei den Grillen, wo die sehr zahlreichen, ein 
Büschel bildenden Harngefässe einem gemeinsamen Harnleiter ansitzen 
(Fig. 33 ö). Bei den Schmetterlingen und Schnabelkerfen erweitern sich 
die die Harngefässe aufnehmenden beiden Harnleiter mitunter zu kleinen 
Harnblasen. 


Die Harngefässe, nach ihrem Entdecker, dem berühmten, in der zweiten 
Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts zu Bologna lehrenden Arzte und Anatomen 
MARcELLoO Marrıicus, auch Malpishi’sche Gefässe genannt, zeigen ausser einer 
doppelten äusseren Bindegewebshülle eine einfache Schicht von Drüsenzellen, 
welche platzend ihr breiiges Secret in das Lumen der Schläuche entleeren. 


Früher wurden die Malpighi’schen Gefässe vornehmlich deshalb, weil ihr 
Seeret manchmal eine gallenähnliche Färbung zeigt, als der Leber der Krebse 
und Spinnen entsprechend angesehen. Die chemische Untersuchung hat aber 
in ihren Ausscheidungen keinerlei Gallenbestandtheile nachzuweisen vermocht, 
während sich durch die sogenannte „Murexidprobe’ stets reichlich Harnsäure in 
srösserer Menge nachweisen lässt und Krystalle von oxalsaurem Kalk und Taurin 
und Kugeln von Leuein und harnsaurem Natron vielfach in ihnen gefunden 
werden. Ihre Bedeutung als „Nieren”, als harnausscheidende Organe ist daher 
heute wohl zweifellos festgestellt. 


Die Harngefässe. Das Tracheensystem. 55 


Die Athmungs- und Kreislauforgane. 


Das Tracheensystem. Das ausgebildete Insekt athmet durch Luft- 
röhren, tracheae (Fig. 38), d. h. durch ein System paarig angelegter 
Röhren, die, in den gleichfalls paarig, meist auf den Gelenkhäuten 
zwischen den einzelnen Segmenten angeordneten Luftlöchern oder Stig- 
men, stigmata, beginnend, reichlich verzweigt in das Innere des Körpers 
eindringen, jedem Theile desselben in der Athemluft den nothwendigen 
Sauerstoff direet zuführen und der ausgeschiedenen Kohlensäure Abzugs- 
wege gewähren. Der Luftwechsel in dem Tracheensystem wird durch ab- 
wechselnde Ausdehnung und Zusammenziehung des Hinterleibes bewirkt. 


Die Tracheen entstehen durch schlauchförmige Einstülpung der 
Leibeswand nach innen. Sie sind daher ausgekleidet mit einer sehr 
feinen Cutieula, die von einer die 'Tracheenröhre umgebenden zarten 
Zellschicht (Fig. 37, M) abgesondert ist. 
Im Umfang jedes Stigmas geht die Cuti- 
cula der Trachee in die Cuticula der 
Körperoberfläche, die Zellschicht in die 
Hypodermiszellen über. Alle gröberen 
Zweige der Tracheen sind mit einer faden- 
förmigen, in das Innere des Tracheen- 
lumens vorspringenden und spiralig in dem- Fig. ST Bee eneWlachee, 
selben fortlaufenden Cuticularverdickung 7 Matrix der Tracheeneutieula. 
(Fig. 37 SpF), dem Spiralfaden, ver- Sp F Spiralfaden, TB spiral- 
sehen, welche wie die häufig in für fadenlose Tracheenblase, 
den Gebrauch im Zimmer bestimmte Tr E spiralfadenlose Tracheen- 

ei . © ; enden. 
Gasschläuche eingelegten Messingspiral- 
federn die Wandung der Tracheen steifen und ihr Lumen offen halten. 
Diese Vorrichtung fehlt nur den feinsten Endzweigen und den grossen 
blasenföormigen Erweiterungen, welche bei manchen schnellfliegenden 
Kerfabtheilungen reichlich vorkommen (Fig. 37 TrB und Tr E). 


Als typische Anordnung des Tracheensystems kann man die- 
jenige ansehen, bei welcher sich zehn Paar Stigmen vorfinden, von denen 
das erste und zweite Paar gewöhnlich als der Mittel- und Hinterbrust, 
die acht übrigen Paare als den acht ersten Hinterleibsringen zugehörig 
betrachtet werden. Kopf und Prothorax sind stets ohne Stigmen. Nur die 
Gattung Pulex, Floh, hat auch am Prothorax ein Stigmenpaar. 

Von diesen mit mehr weniger complieirten Verschlussapparaten ver- 
sehenen Stigmen treten nach innen je ein oder mehrere Tracheenstämme. 

Im ersteren Falle treten dieselben jederseits zu einem langen 
seitlichen, bauchständigen, ventralen Hauptstamme zusammen (Fig. 38 7r I), 
welcher durch Queräste mit einem seitlichen, rückenständigen Haupt- 


56 Kap. III. Der innere Bau des erwachsenen Insektes. 


stamme (Fig. 35 7r II) und einem dritten, auch bauchständigen, aber 
mehr nach innen neben dem Bauchmarke verlaufenden Hauptstamme 
(Tr IIT) verbunden ist. Die drei eben geschilderten Hauptstämme sind 
paarig und die entsprechenden rechten und linken gleichfalls durch 
Querstämme mit einander verbunden. Von diesen Hauptwegen gehen 
nun die feineren Tracheenverzweigungen aus, welche alle inneren Organe 
mit einem dichten Netze von Luftröhren umspinnen. 

Im zweiten Falle treten die von jedem Stigma nach innen laufen- 
den mehrfachen 'Tracheenstämme nicht zu Hauptlängsstämmen zusammen, 
sondern gehen direct in reichlicher Verzweigung zu den benachbarten 
Organen und bilden so ein mehr segmentirtes Tracheensystem. 


KB B ‚sts 


St Sta TrI Tri  St4-10 
Fig. 38. Schematische Darstellung des Tracheensystems einer weiblichen Feld- 
heuschrecke nach Ewerron und PackArn. K Kopf, B Brust mit ihren drei Segmen- 
ten, 7-III, H Hinterleib mit seinen zehn Segmenten, 7—10, St die Luftlöcher, 
Tr BdieTracheenblasen, Tr I der äussere linke bauchständige Tracheenhauptstamm, 
Tr II der linke rückenständige Tracheenhauptstamm, 7’r III der linke innere bauch- 
ständige Tracheenhauptstamm. Die entsprechenden rechten Stämme fehlen in dieser 
einseitigen Darstellung. 


Diese Anordnung erleidet aber mancherlei Modificationen. Einmal 
werden bei Reduction der Anzahl der Hinterleibssegmente auch die 
Hinterleibsstigmen durch Schwinden der letzten Paare redueirt, 
andererseits Können bei persistirendem letzten Stigmenpaare und 
bleibenden Thoracalstigmen einige oder alle zwischenliegende Paare 
schwinden. In einzelnen Fällen, z. B. bei Nepa und Ranatra, d.h. 
bei im Wasser lebenden Wanzen, verlängern sich die Stigmen des 
letzten Paares in lange Athemröhren, durch welche das T'hier, ohne 
selbst an die Oberfläche des Wassers zu kommen, die Athemluft auf- 
nehmen kann. 

Bei allen Insektenimagines wird nämlich die Athemluft direet 
der Atmosphäre entnommen, sogar auch bei den im Wasser lebenden. 
So sehen wir z. B. die Wasserkäfer von Zeit zu Zeit an die Ober- 
fläche des Wassers kommen, um durch Hebung der Flügeldecken 
unter dieselben einen Luftvorrath einzunehmen, weleher ihnen eine Zeit 
lang die Existenz unter Wasser gestattet und in regelmässigen Pausen 


Das Tracheensystem. 57 


erneuert wird. Die bei vielen im Wasser lebenden Insektenlarven so 
verbreiteten Tracheenkiemen kommen nur rudimentär bei den Ima- 
gines einiger seltenen Insektenspecies vor. 


Fig. 39. Thoracal- Fig. 40. Schematische Darstellung des Tracheenverschlusses 
stigma der Stuben- bei einem Hirschkäfer. A der geöffnete, B der geschlossene 
fliege, Musca dome- Apparat, St Stigma mit vorsprinsendem Gitterverschluss, 
sticaL.nachH.Lan- (Ct Cuticula der Leibeswand, V% Verschlusskegel, VD ü Ver- 
poıs, Sb Stimmband. schlussbügel, Vb«a Verschlussband, M Muskel. 


Die Tracheen wirken bei vielen Formen aber auch noch als 
a@rostatische Apparate, und zwar ist dies besonders der Fall mit den 
oben erwähnten blasenförmigen Erweiterungen (Fig. 38 Tr B) derselben, 
welche bei vielen Dipteren und Lepidopteren die Leichtigkeit der Flug- 
bewegung bedeutend erhöhen, und bei manchen schwerfälligen Fliegern 
vermöge der durch ihre Füllung mit Luft bewirkten Verminderung des 
specifischen Gewichtes den Flug überhaupt erst ermöglichen. Diese Füllung, 
durch starke Athmungsbewegungen des Hinterleibes bewirkt, ist bei dem 
Maikäfer als das dem Abfluge vorangehende „Zählen” bekannt. 

An oder in der Nähe der Stigmen sind Verschlussapparate (Fig. 39 
und 40) angebracht, welche einmal den Eintritt von fremden Körpern 
in die Röhren verhindern, andererseits aber auch die einmal eingetretene 
Luft festzuhalten im Stande sind, so dass dieselbe durch die Athem- 
bewegungen bis in die feinsten Verzweigungen vorgedrückt werden kann. 


Der Verschluss der Stigmen kann also ein doppelter sein. 
Einmal findet man an den gewöhnlich von einer Chitinspange um- 
gebenen äusseren Oeffnungen Vorrichtungen, welehe den Eintritt von 
fremden Körpern, Staub, Wasser etc., verhindern und z. B. entweder 
lippenartig (Fig. 39 8b) oder gitterähnlich (Fig. 40) vom Rande nach dem 
Centrum vorspringen. Zweitens ist hinter dem Stigma eine mit einem 
Hebel versehene, mehrtheilige Chitinspange um die Trachee selbst 
gelegt, welche durch Muskelwirkung zusammengequetscht, die Trachee 


auch für Luft unwegsam macht 

Es erhellt dies am besten aus Fig. 40; ist der Muskel M erschlafft, so 
steht die aus Verschlusskegel V%, Verschlussband Va und Verschlussbügel Vbä 
bestehende Spange often. Zieht sich der Muskel zusammen, so wird durch den 


58 Kap. III. Der innere Bau des erwachsenen Insektes. 


als Winkelhebel fungirenden Verschlusskegel die Trachee zwischen Verschlussband 
und Verschlussbügel zusammengequetscht. 


Bei manchen Insekten bilden die lippenartigen Verschlüsse 
zu gleicher Zeit Stimmbänder, d. h. Membranen, welche, durch die 
Strömung der Athemluft angeblasen, summende Töne erzeugen können 
(Fig. 39 Sb). Dass diese Art der Tonerzeugung übrigens nicht die 
einzige vorkommende ist, werden wir später darlegen (vgl. S. 64). 

Der Fettkörper. Reichlichst von den feineren 'Tracheenverzwei- 
gungen durchsetzt, vielfach in die Zwischenräume der inneren Organe 
eingelagert und sich dicht sowohl an die äusseren Wandungen der 
Eingeweide als an die Innenseite der Leibeswand anlegend, finden sich 
bei allen Insekten weissliche oder gelbliche, unregelmässige Lappen oder 
Ballen. Sie bestehen aus grösseren, durch Bindegewebsstränge mit einander 
verbundenen Zellen, in denen stets sehr viel freies Fett in Tropfen 
abgelagert ist. Dieses Gebilde wird als Fettkörper, corpus adiposum, 
bezeichnet. 

Die Thatsache, dass im Fettkörper vielfach Hamsäure nach- 
sewiesen worden, legt in Verbindung mit dem Umstande, dass der- 
selbe reichlich von Tracheenendigungen durchsetzt ist und sich dicht 
an die Darmwandung anlehnt, die Vermuthung nahe, dass einmal 
dieses Organ wenigstens einen Theil der im Darm bereiteten Nahrungs- 
säfte aufnimmt und den übrigen Organen zuleitet, dass andererseits 
aber auch in ihm selbst ein Theil der ÖOxydationsprocesse sich 
abspielt. 

Das Blut. Das Insektenblut ist eine entweder farblose oder 
gefärbte, und dann grünlich, gelblich oder röthlich aussehende, häufig 
mit vielen feinsten Fetttröpfehen erfüllte Flüssigkeit, in welcher 
Blutzellen schwimmen. Die Blutzellen entbehren einer Membran und 
sind amoeboid, d. h. sie können ihre Gestalt verändern. Es kreist nicht 
wie bei vielen anderen T'hieren, besonders bei den Wirbelthieren, in einem 
geschlossenen Gefässsystem, sondern tränkt alle Organe des Körpers 
direet und durchspült frei die Leibeshöhle. 


Das Herz. Das Insektenherz (Fig. 29 Hz), wegen seiner lang- 
gestreckten Gestalt auch Rückengefäss genannt, ist ein muskulöser 
Schlauch, welcher im Hinterleibe die Mittellinie der Rückengegend ein- 
nimmt. Es zerfällt im allgemeinen in so viele hinter einander gelegene, 
durch Einschnürungen gegen einander abgegrenzte Kammern, als Hinter- 
leibssegmente vorhanden sind. Am hinteren Ende geschlossen, setzt 
es sich nach vorn in ein im Kopfe mit einer freien Oeffnung in die 
Leibeshöhle mündendes Blutgefäss, die Aorta, fort. In jeder Kammer 
finden sich ein Paar seitlich gelegene Spaltöffnungen, an welchen 


Fettkörper, Blut und Herz, 59 


Klappeneinrichtungen derartig angebracht sind, dass das Blut durch 
sie wohl in das Herz hinein, aber nicht wieder auf demselben Wege 
aus ihm heraustreten kann. Durch rhythmische, am Hinterende des Herzens 
beginnende Zusammenziehungen wird das Blut im Herzschlauche von 
hinten nach vorn befördert, bis es sich aus der freien Oeffnung der 
Aorta in die Leibeshöhle ergiesst und nun unter dem Drucke des weiter 
nachfolgenden Blutes in regelmässigen Strömen in der Leibeshöhle von 
vorn nach hinten zurückkehrt; bei der auf die Zusammenziehung des 
Herzens folgenden Erweiterung desselben kann das Blut nun wieder 
durch die Spaltöffnungen in das Herz eintreten, um von neuem nach 
vorn der Aorta zugedrängt zu werden. Befestigt wird das Herz in seiner 
Lage durch ein Netz von Bindegewebs- und Muskelfasern. An seiner 
Bauchfläche ruht dasselbe auf einer bindegewebigen Membran, welche 
durch beiderseits seitlich an ihr angebrachte Muskelbündel, die Flügel- 
muskeln, an den Seiten des Hinterleibes befestigt ist. 


Nach den Untersuchungen GrABEr’s ist der letztere Apparat, den man 
lange fälschlich für einen Erweiterungsapparat des Herzschlauches angesehen 
hatte, eine Einrichtung, welche in Gemeinschaft mit einem ähnlichen, über dem 
Centralnervensystem an der Bauchseite gelegenen dazu dient, die regelmässige 
Rückbeförderung des Blutes in der Leibeshöhle von vorn nach hinten zu sichern. 


Anmerkung. Der Stoffwechsel der Thiere im allgemeinen und daher auch 
der Insekten im besonderen, ist wesentlich ein Oxydationsvorgang. Bei jeder 
Lebensäusserung verbindet sich in dem sie vermittelnden Organe ein Theil der 
seine Gewebe bildenden Substanz mit dem ihm durch die Tracheen direct zu- 
seführten Sauerstoffe der Athmungsluft. Es verwandeln sich hierbei sauerstoff- 
ärmere Substanzen in sauerstoffreichere, gewebsbildende Stoffe in Auswurfsstoffe, 
d. h in Kohlensäure, Wasser und, soweit als die Gewebsbildner stickstoffhaltig 
waren, in Harnbestandtheile. Das iiberschüssige, im Körper gebildete Wasser ent- 
weicht durch Verdunstung an der Körperoberfläche und den Tracheen-Innenflächen. 
Die Kohlensäure wird zugleich mit Wasserdampf durch die Exspirationsbewegungen 
aus den Stigmen ausgestossen, und die Harnbestandtheile werden durch die Harn- 
gefässe, beziehungsweise den Hinterdarm entfernt. Andererseits wird den Organen ein 
Ersatz für die verbrauchten Gewebsbildner, indem ihnen die durch den Verdauungs- 
vorgang aus den aufgenommenen Speisen im Darm bereiteten Nahrungsstoffe 
zukommen. Diese werden in den Organen assimilirt, d h. in die wirklich gewebs- 
bildenden Stoffe umgesetzt. Vermittelt wird dieses Tauschgeschäft durch das Blut, 
welches einmal die durch die Darmwand aufgesogenen und in dasselbe über- 
getretenen Nahrungsstoffe den Organen zuführt, andererseits aus letzteren die Aus- 
wurfsstoffe aufnimmt und den Ausscheidungsorganen zuführt. Unterstützt wird 
diese Function des Blutes durch die Blutbewesung. Einmal wird nämlich durch 
die bei jeder Athembewegung eintretende Verschiebung der inneren Organe die 
Blutflüssigkeit sozusagen aufgerührt und durchgemischt, andererseits ist ja auch 
ein besonderes Organ, das Herz, vorhanden, welches einen regelmässigen Blutstrom 
im Körper unterhält. 


Bei seinem — im Vorhergehenden zum besseren Verständniss des Zusammen- 
hanges der Lebensvorgänge in den bisher beschriebenen Organen der Insekten 
kurz auseinandergesetzten — Stoffwechsel verbraucht das Thier also die organi- 
schen Substanzen der Nahrung sowie den Sauerstoff der Athmungsluft und scheidet 
— neben den hier weniger in Frage kommenden Kothmassen — Kohlensäure, 
Wasser und Harnbestandtheile aus. Die sämmtlichen organischen Nahrungsmittel 


60 Kap. III. Der innere Bau des erwachsenen Insektes. 


sind verhältnissmässig sauerstoffarme, leichter zersetzliche Verbindungen, während 
die thierischen Ausscheidungsproducte bedeutend sauerstoffreicher und schwerer 
zersetzlich sind. In den leicht zersetzlichen Nahrungsmitteln ist nun aber auch 
eine grosse Menge von chemischer Spannkraft aufgespeichert. Diese wird bei der 
durch Oxydation bewirkten Ueberführung jener in die beständigeren Auswurfstoffe 
frei, indem sie sich in lebendige Kraft umwandelt. Dieser Vorgang ist im Grunde 
genau derselbe wie der, welcher sich in unseren Oefen abspielt. Auch hier wird 
ja das Holz durch Oxydation oder Verbrennung in Kohlensäure und Aschen- 
bestandtheile übergeführt, wobei sich die in den” organischen Bestandtheilen des 
Holzes aufgespeicherten' verborgenen Spannkräfte in lebendige Kraft, und zwar in 
der Form von Wärme umsetzen. Die beim Stoffwechsel im Thierkörper frei werdende 
lebendige Kraft ist es nun, auf welcher alle diejenigen activen Lebenserscheinungen 
des Thieres beruhen, durch welche es sich besonders von der Pflanze unter- 
scheidet Die Formen, in welcher die lebendige Kraft auftritt, sind sehr mannig- 
facher Art. Zunächst tritt sie allgemein als Wärme auf. Jedes Thier, auch das 
„kaltblütige”, erzeugt selbstständig Wärme, ebensogut wie der geheizte Ofen. Nur 
fehlen den kaltblütigen Thieren die den „warmblütigen” zukommenden Vor- 
richtungen, um die Körpertemperatur gleichmässig hoch zu erhalten. Es wechselt 
letztere also mit der steigenden und sinkenden Temperatur der umgebenden 
Luft, ist aber stets, solange die Thiere nicht völlig erstarren, um ein geringes 
höher. Dass auch die Insekten Wärme produeiren, beweist am schlagendsten 
die selbst bei strenger äusserer Kälte im Winter niemals unter 20 Grad sinkende 
Temperatur im Inneren eines Bienenstockes. Hier wird die von den Bienen 
produeirte Wärme durch den Stock zusammengehalten. 


Weitere Formen, in denen die lebendige Kraft im Thierkörper auftritt, 
sind das Licht — Leuchtkäfer —, die durch die Muskeln des Thieres geleistete 
mechanische Arbeit, sowie die in dem Nervensystem auftretenden 
Kraftformen, welche zum Theil mit den elektrischen Vorgängen in Verbindung 
stehen. Wir haben daher zunächst nach einander die Leuchtorgane, die Muskulatur 
und das Nervensystem der Insekten zu besprechen. Hieran reiht sich naturgemäss 
die Besprechung der dem Nervensystem als Endapparate angefügten Sinnesorgane, 
durch welche das Insekt die Vorgänge in der Aussenwelt wahrnimmt. Den Schluss 
bildet die Darstellung der Fortpflanzungsorgane, welche nicht dem individuellen 
Leben des Thieres, sondern der Erhaltung der Art dienen. 


Die Leuchtorgane der Insekten sind unter durchsichtigen Stellen 
des Chitinpanzers gelegene Zellplatten, in welchen, geregelt durch das 
Nervensystem, Lichterscheinungen auftreten. Das Leuchten ist von dem 
Willen des Thieres abhängig und kann plötzlich unterbrochen werden. 
Es finden sich Leuchtorgane bei uns lediglich in der Unterfamilie der 
Leuchtkäfer, Lampyrini. 


Sie bestehen aus Parenchymzellen, welche wesentlich den Fett- 
körperzellen gleichwerthig sind, mit feinen Nervenendigungen in Ver- 
bindung stehen und von Eraser, des Spiralfadens entbehrenden, 
anastomorirenden Tracheenausläufern dicht umsponnen werden, Di 
dem Körperinnern zugewandten Zelllagen der Platten sind reichlich 
mit Körnchen von harnsauren Salzen durchsetzt, so dass sie sich 
von den äusseren farblosen Zellen durch eine weisse Farbe unter- 
scheiden. Das Leuchten dieser Organe beruht auf der langsamen Oxy- 
dation eines in diesen Zellen abgesonderten Stoffes, welcher auch 
ausserhalb des thierischen Körpers eine Zeit lang fortleuchten kann. 
Das wirklich vorkommende Leuchten der abgelegten Eier kann nur 
dann stattfinden, wenn die Ablage derselben so starke Zerreissungen 


Leuchtorgane. Muskulatur. 61 


der inneren Organe verursacht hat, dass die Eier mit solchem Leucht- 
stoffe verunreinigt wurden. Das „Leuchten” der Augen vieler Nacht- 
schmetterlinge hat mit der eben besprochenen Lichtproduction keinen 
Zusammenhang, beruht vielmehr lediglich auf dem Wiederschein von 
aussen eingedrungenen Tageslichtes, wie das Leuchten der Augen der 
Hunde etc. 


Das Muskelsystem und seine Thätigkeit. 


Die Muskulatur. Die Muskeln der Insekten, welche stets aus 
farblosen oder weisslichen Fasern bestehen und sich fest an die Innen- 
seite des Hautskeletes anheften, bewirken die Verschiebungen der ein- 
zelnen Rumpfabschnitte gegen einander, sowie die Bewegungen der Glied- 
massen und Körperanhänge. Die hierbei geleistete Arbeit ist häufig eine 
sehr bedeutende. So schleppt z. B. eine Wegwespe eine grosse Raupe oft 
weit fort, ein Floh kann ohngefähr das 200fache seiner Körperhöhe 
springen, und der anhaltende Flug der Wanderheuschrecken oder Libellen, 
sowie das oft stundenlang fortdauernde Musieiren der Grillen erfordern 
bedeutende Kraftanstrengung. Wir können hier genauer nur auf die 
Ortsbewegungen und Lautäusserungen der Insekten eingehen. 

Man kann die Muskulatur der Insekten in Muskeln des Stammes 
und der Leibesanhänge eintheilen. Indessen darf man nie vergessen, 
dass auch die Gliedmassen und Flügel als Ausstülpungen der Leibes- 
wand anzusehen sind. Die Muskulatur des Stammes besorgt vornehmlich 
die Bewegungen des Kopfes und des Hinterleibes gegen die Brust, 
die Athmungsbewegungen ‘des Hinterleibes und die Bewegung der 
Mundwerkzeuge, Beine und Flügel gegen den Stamm. Die Beugungen 
und Streekungen der einzelnen Glieder der Gliedmassen gegen einander 
werden durch die Gliedmassenmuskulatur ausgeführt. Wie gross die 
hierbei geleistete Arbeit sein kann, wird klar, wenn man bedenkt, 
dass nach den Untersuchungen von Prarzeau der Nashornkäfer, 
Oryctes nasicornis, die 5fache, der Maikäfer die 15fache, der Pinsel- 
käfer, Trichius fasciatus, die 42fache Last seines Körpers zu heben 
im Stande ist. 


Die Ortsbewegungen. Die ausgebildeten Insekten führen Orts- 


bewegungen fast ausschliesslich mit Hilfe ihrer Leibesanhänge aus. 
Als Beispiel einer anderen Bewegungsart sei das Emporschnellen vieler 
Elateriden bei Rückenlagerung, das bekannte Springen der „Schmiede”, erwähnt. 


91 
Man kann die Ortsbewegungen eintheilen in Schreit-, Schwimm- 
und Flugbewegungen. 
Die Schreitbewegungen, zu denen man auch die Spring- 
bewegungen rechnen kann, werden von den Beinen der Brust aus- 
geführt. Sie finden statt an der Grenze eines festeren und eines 


Kap. III. Der innere Bau des erwachsenen Insektes. 


nachgiebigeren Mediums, d. h. entweder an der Grenze zwischen 
Boden und Luft, oder zwischen Boden und Wasser oder zwischen 
der Wasseroberfläche und der Luft. So laufen z. B. viele Wasser- 
käfer auf dem Grunde des Wassers und manche Wasserwanzen, 
Hydrometra, auf der Wasseroberfläche. Es kommen hierbei entweder 
alle drei Beinpaare — und zwar ist dies der gewöhnliche Fall — 
oder nur die beiden hinteren Paare — Hydrometra, Gottesanbeterin, 
Mantis — oder, und zwar bei den Springbewegungen, vorzugsweise 
das hintere Beinpaar in Thätigkeit. Die Wirkungsweise eines Insekten- 
beines ist hierbei physiologisch im wesentlichen gleich derjenigen 
eines Säugethierbeines. Es besteht aus aufeinanderfolgenden, festen, 
durch Gelenke verbundenen Gliedern, von denen jedes durch einen 
Beuge- und einen Streckmuskel gegen die angrenzenden in einer 
Richtung winklig gestellt werden kann. Auch 
ist der Bau der Gelenke ein derartiger, dass 
bei Beugung aller Theile die aufeinander- 
folgenden Winkel ihre Oeffnung nach der 
entgegengesetzten Seite kehren, dass also, 
während der Winkel zwischen Coxa und 
Femur nach vorn geöffnet erscheint, der 
zwischen Femur und Tibia es nach hinten 
ist u.s. f. Wenn das zunächst gebeugte und 
' bis zu einem gewissen Grade an den Leib 
herangezogene Bein wieder gestreckt wird, 
so übt dasselbe einen nach hinten gerichteten 
Stoss auf die Unterlage aus, und der hier- 
bei entstehende Rückstoss schiebt den Leib 
nach vorwärts. Besonders die Vorderbeine 


Fig. 41. Kletterlaufkäfer, Calo- 
somasycophantaL.,/Oberlippe, 
B Vorderbrust, db Schildehen, 
FII rechte Flügeldecke, FIII 
linker zusammengefalteter Hin- 


der Insekten können aber auch ähnlich wie 
die Hände des Menschen beim Klettern wir- 
ken. Nachdem zunächst eine Streckung der- 
selben in der Richtung nach vorn erfolgte, 


terflügel, LI— III linke, 
R I—III rechte Beine. 


fixirt sich die Beinspitze mit Hilfe der 
Fusskrallen, und bei nachfolgender Beugung 
wird der an dem Hinterende des Beines festhangende Körper nach- 
gezogen. Das Tempo, in welchem diese Bewegungen der einzelnen 
Beine beider Seiten mit einander abwechseln, ist bei der Sechszahl 
derselben ein ziemlich complieirtes. Nach GrABER ist, wenn wir die 
Beine der linken Seite mit Z, die der rechten mit R und die drei 
Beinpaare mit 1, 2, 3 bezeichnen, die Reihenfolge ihrer Bewegungen 
die folgende: 
ByhZu, IR NEN 

Uebrigens ist stets, wie bei den Säugern, die Hauptarbeit der Fort- 
bewegung den Hinterbeinen übertragen, ein Verhältniss, welches seine 
stärkste Ausprägung bei den springenden Insekten findet. 

Die Fähigkeit, an glatten, senkrechten Wänden in die Höhe zu 
klettern, oder an der Unterseite einer horizontalen Fläche, den Bauch 


Die Ortsbewegungen. 63 


nach oben hin, zu laufen, erhalten viele Insekten, z.B. die Stuben- 
fliesen, durch die an der Spitze des Fusses angebrachten Haftapparate, 
die Klauen und Haftlappen, an denen häufig drüsige Kleb- und Be- 
feuchtungsapparate zur besseren Anschmiegung an die Unterlage an- 
gebracht sind. 

Schwimmbewegungen werden stets gleich den Sprungbewegungen 
durch die Hinterfüsse allein ausgeführt, welche hierbei weniger eine 
Beugung und Streckung als eine mit einer Drehung um ihre Achse ver- 
bundene Vor- und Rückwärtsbewegung ausführen. 

Dies geschieht stets nach der Theorie der Bewegung eines Boots- 
ruders, indem die mehr weniger abgeplatteten Extremitäten bei ihrer 
Bewegung nach hinten ihre breite Fläche dem Wasser zukehren, 
während sie bei der Zurückbewegung nach vorn ihre schneidende 
Kante vorwenden, so dass sie also bei letzterer Bewegung einen 
geringeren Widerstand finden als bei ersterer. Schöne Beispiele hierfür 
sind die Schwimmkäfer, Dytiscus, und Wasserwanzen, Notonecta, 

Die Flugbewegung. Der Flug der Insekten, diese sie vor allen 
anderen Arthropoden charakterisirende Bewegungsart, wird vermittelt 
durch die gleichzeitig ausgeführten, schlagenden Bewegungen der Flügel 
beider Seiten. Eine Erhebung in die Luft, d.h. eine Ueberwindung der 
Schwerkraft, wird dadurch möglich, dass bei dieser Bewegung die Flügel 
beim Niederschlag einem grösseren Widerstande begegnen als beim Aufschlage. 
Hierdurch gewinnt der beim Niederschlage entstehende,nach oben wirkende 
Rückstoss der Luft die Oberhand und das Insekt wird gehoben. Da aber 
der Widerstand der Luft stets ein verhältnissmässig geringer ist, so ist 
dennoch eine recht bedeutende Arbeitsleistung nothwendig. Diese wird 
hervorgebracht durch die sehr entwickelten, in Mittel- und Hinterbrust 
untergebrachten Flügelmuskeln. Auch bewirkt das luftgefüllte, den 
ganzen Körper durchziehende, bei guten Fliegern besonders ausgebildete 
Tracheensystem, welches häufig vor Beginn des Fluges noch besonders 
vollgepumpt wird, eine Verringerung des specifischen Gewichtes des 
Körpers. 
| Bei vielen Insekten mit zwei Flugflügeln jederseits sind, wie 

wir oben sahen, die Vorder- und Hinterflügel jeder Seite derartig 
zusammengekoppelt, dass sie der Wirkung nach nur eine Flugfläche 
bilden, und auch bei den Formen, denen eine solche mechanische 
Verkoppelung fehlt, geschieht die Bewegung von Vorder- und Hinter- 
flügel so gleichzeitig, dass sie ebenfalls als eine Flugfläche wirken. 
Man muss also vom physikalischen Standpunkte aus alle fliegenden 
Insekten als Zweiflügler ansehen. Die Flügelspitze beschreibt beim 
Fluge eine langgezogene Achterfigur. Auch bleiben die in der 
Ruhe ebenen Flugflächen bei dem Auf- und Niederschlage nicht eben, 


64 Kap. IIL Der innere Bau des erwachsenen Insektes. 


nehmen vielmehr eine windschiefe Drehung an, da die. Vorderzone 
der Flügel bei allen guten Fliegern durch eine stärkere Aderung 
mehr gesteift wird, als die Hinterzone. Es wird daher auch bei 
ursprünglich horizontaler Richtung der Flügel beim Niederschlage der 
Hinterrand dem Vorderrande gegenüber gehoben, beim Aufschlag ist es 
dagegen umgekehrt, Eine Verkleinerung der Flugfläche bei Hebung der 
Flügel durch Zusammenfaltung derselben, wie sie zur Verminderung 
des Luftwiderstandes bei den Vögeln und Fledermänsen erfolgt, ist 
dagegen bei den Insekten nicht vorhanden. Der Schwerpunkt der 
Insekten beim Fluge liegt stets unter und hinter der Ansatzstelle der 
Flügel an dem 'Thorax. Die Längsachse der Insekten ist daher beim 
Fluge stets schief gegen die Ebene des Horizontes gerichtet, wobei 
der Kopf höher steht als der Hinterleib. Beim Fluge nach vorwärts 
wird der Flügelschlag derartig eingerichtet, dass der das Insekt 
emportragende Kückstoss der Luft in eine horizontale und eine verticale 
Componente zerlegt wird. Die vertical wirkende Kraft hält das Insekt 
schwebend, die horizontal wirkende treibt es nach vorn. Manche gut 
fliegende Insekten, z. B. die Schwebfliegen, Syrphus, können den 
Flug so einrichten, dass der Aufschlag der Flügel eine Zeit lang dem 
Niederschlage das Gleichgewicht hält. Solche Insekten „stehen’” dann 
in der Luft. Die Flugfähigkeit der Insekten ist eine sehr verschiedene. 
Manche müssen, um überhaupt sich erheben zu können, in die Luft 
springen und können nur eine kurze Strecke unsicher dahinflattern 
— ınanche Heuschrecken —, andere brauchen eine längere Vor- 
bereitung, um durch Lufteinpumpen den Körper specifisch so leicht 
zu machen, dass dann ein Flug möglich wird, manche fliegen von 
der Stelle aus augenblicklich sicher fort und können lange Strecken 
zurücklegen. Bei vielen Nachtfaltern fliegen die Männchen leichter 
als die Weibchen, deren Hinterleib durch eine grosse Menge Eier 
aufgetrieben ist, und manche langlebigere Insektenimagines fliegen nur 
während der Begattungszeit, so z. B. der grosse braune Rüsselkäfer. 


Die Lautäusserungen der Insekten. Viele Insekten sind im 


Stande, 


dem menschlichen Ohre wahrnehmbare Töne hervorzubringen. 


Diese sind in letzter Instanz stets durch Muskelwirkung erzeugt und 
haben oft eine Bedeutung für das Leben der Insekten. So locken häufig 
die Männchen ihre Weibchen durch Gesang an, z. B. Grillen und Heu- 


schrecken, die Bienen sind im Stande, sich zu rufen, und manche Käfer 


suchen ihre Feinde durch knarrende Geräusche abzuwehren. 


Die Insektenlaute können in vier verschiedene Abtheilungen gebracht 


werden. Es sind dies: 
1. Klopflaute, 
2. Reibungslaute, 
3. Fluglaute, 
4. Exspirationslaute oder die eigentliche Stimme. 


Der Flug. Die Lautäusserungen. 65 


Die Klopflaute werden erzeugt durch Aufschlagen eines festen 
Körpertheiles des Insektes auf einen harten Gegenstand. 


Hierher gehört das Klopfen der Todtenuhr, Anobium pertinax L. 
Dieser kleine Käfer, welcher in altem Holze Gänge frisst, erzeugt ein 
tickendes Geräusch durch Aufschlagen mit den Vorderkiefern auf die 
Wandung des Ganges. 


Die Reibungslaute werden dadurch hervorgebracht, dass zwei 
harte Theile des Chitinpanzers gegen einander gerieben werden. Hierher 
gehören z. B. die Töne, welche von den Männchen der Feldheuschrecken 
durch schnelle Reibung der Schenkel gegen die Flügeldecken erzeugt 
werden. 

Diese Art der Tonerzeugung ist eine sehr verbreitete. Sie ist 
bei den einzelnen Insektenformen stets an bestimmte Körpertheile 
gebunden, welche durch kleine Rauhigkeiten an ihrer Oberfläche 
dieser Function angepasst sind. Häufig sind mit den tonerzeugenden 
Apparaten auch noch tonverstärkende Resonanzapparate verbunden. 

Wir erwähnen beispielsweise noch folgende Fälle. Die Männchen der Grab- 
heuschrecken — Grille und Werre — und der Laubheuschrecken haben an der 
Basis ihrer Flügeldecken; feingezähnte Flügeladern, Schrillleisten, welche gegen 
- einander gerieben werden, wobei die mitschwingenden Flügeldecken den Ton ver- 
stärken. Die Männchen der Feldheuschrecken geigen mit einer gezähnten „Schrill- 
leiste” an der Innenseite der Oberschenkel ihrer Hinterbeine über die Adern der 
Flügeldecken. Die Todtengräberkäter erzeugen ein Geräusch, indem sie zwei 
geriefte Längsleisten auf dem Rücken des fünften Hinterleibsringes gegen eine 
hinten an der Unterseite der Flügeldecken angebrachte Querleiste reiben. Die 
Bockkäfer erzeugen Töne durch Reibung des Hinterrandes des Vorderrückens 
auf einem unter ihn vorragenden, fein quergerieften Fortsatze des Mittelrückens. 
Der Todtenkopfschmetterling kann ein piependes Geräusch hervorbringen dureh 


Reibung einer feingerieften Stelle seiner Lippentaster an der Basis des Saug- 
rüssels. 


Die Fluglaute. Bei vielen schnellfliegenden Insekten werden die 
Flügel so rasch bewegt, dass sie wie eine schwingende Metallzunge 
tönen. 

Die Höhe des Tones wird durch die Anzahl der Flügel- 
schwingungen bedingt. Diese Art des Summens ist besonders bei 


Fliegen und Bienen häufig. Es gibt aber auch viele Insekten, die 
einen völlig geräuschlosen Flug haben, z. B. die Tagfalter. 


Die Höhe des Flugtones gestattet auf die Zahl der von den Flügeln in der 
Secunde gemachten Schwingungen zu schliessen. So bestimmte Lanpors den Flug- 
ton des Mooshummelweibehens auf « und den der Honigbiene auf «‘. Dem- 
gemäss macht die erste 220, die zweite aber 440 Flügelschwingungen in der 
Secunde, 


Die Exspirationslaute. Es kann aber von vielen Insekten noclı 
in einer anderen Weise ein summendes Geräusch hervorgebracht werden, 
und zwar dann, wenn die feinen Membranen, welche als Stimmbänder 
(Fig. 39 Sb) den Tracheen an oder in der Nähe der Stigmen eingefügt 


Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde. 5 


66 Kap. III. Der innere Bau des erwachsenen Iusektes. 


sind, beim Ausstossen der Athmungsluft aus den Tracheen durch den 
an ihnen vorbeistreichenden Luftstrom angeblasen werden und in Schwin- 
gung gerathen. Diese Lauterzeugung geschieht also wesentlich in der- 
selben Weise, wie in dem menschlichen Kehlkopfe, d. h. nach dem 
Prineip der Zungenpfeife, und kann daher als die eigentliche Stimme 
der Insekten bezeichnet werden. In diese Abtheilung gehört das Summen 
der Maikäfer, 

Die Stimmlaute der Insekten können neben dem Flugtone oder 
allein vorkommen. Auch braucht nicht bei jeder Exspirationsbewegung 
ein Stimmlaut zu entstehen, sondern es hängt seine Erzeugung, wie 
die Lautäusserungen der Menschen, vom Willen ab. Die stärksten 
Stimmapparate sind an den 'T'horaxstigmen vorhanden. Als weitere 
Beispiele dieser Art der Lauterzeugung erscheinen das Brummen 
der Fliegen, das Singen der Stechmücken und das Summen der 
Bienen, welche Thiere sämmtlich übrigens auch einen Flügelton haben. 
Ueber die Art der Erzeugung des schon im Alterthume berühmten 
Gesanges der Cicaden sind die Acten noch nicht geschlossen. 
Ausser durch die vorbenannten Hauptarten werden übrigens bei ein- 


zelnen Insektenformen wahrscheinlich auch noch in anderer Weise 
Töne erzeugt. 


Das Nervensystem. 


Am Nervensystem der Insekten kann man drei Abschnitte unter- 
scheiden, das Centralorgan, die peripherischen Nerven und die 
Eingeweidenerven. 


Das Centralorgan des Nervensystems (Fig. 42) besteht aus einem 
der Oberseite des Schlundes quer auflagernden, starken Nervenknoten, 
dem Gehirn oder oberen Schlundganglion (o Sg), welcher durch zwei 
seitlich an dem Schlunde herumlaufende Nervenstränge mit einem, an der 
Unterseite des Schlundes gelegenen zweiten Nervenknoten, dem unteren 
Schlundganglion oder Mundganglion (u Sg) zu einem Schlund- 
ringe verbunden ist. An das untere Schlundganglion reiht sich eine 
grössere Anzahl von Nervenknoten, bei typischer Anordnung mit jenem 
und unter einander durch einen meist scheinbar einfachen Längsstamm 
zu einer Ganglienkette verbunden, welche die Mittellinie der Bauchseite 
einnimmt und daher als Bauchmark (B M) bezeichnet wird. Diese 
Organe entsprechen in ihrer Gesammtheit dem Centralnervensystem der 
Wirbelthiere. Oberes und unteres Schlundganglion zusammen entsprechen 
ihrer Leistung nach ungefähr dem Gehirn der Wirbelthiere, das Bauch- 
mark dagegen deren Rückenmarke. 


u ie Yu A u a a u 


Die Lautäusserungen. Das Nervensystem. 67 


Eine genauere Betrachtung zeigt uns aber, dass jeder Nerven- 
knoten aus einem, durch eine Querbrücke verbundenen Ganglienpaare 
besteht, welches mit den übrigen Ganglienpaaren durch zwei Längs- 
stämme in Verbindung tritt, so dass das gesammte Gebilde also strick- 
leiterförmig (Fig. 43) len: ist, eine Meran die nur darum 


K B 


u ZM  BS HG Ou2z Din SB vg 


Fig. 42. Schematischer Längsschnitt durch eine Feldheuschrecke; hier nur zur Er- 

läuterung der Lagerung des Centralnervensystems eingefügt. o Sg oberes Schlund- 

ganglion, ©, Sy unteres Schlundganglion, 3 M Bauchmark, E N paariser Eingeweide- 
nerv. (Die übrigen Bezeichnungen vergleiche bei Fig. 29 auf S. 47.) 


weniger zur Geltung kommt, weil oft die Brücken ungemein kurz 
sind und die beiden Längsstämme sehr nahe aneinander rücken. 

In den typischen Fällen, z. B. bei manchen Geradflüglern, sind 
im Ganzen 12 bis 13 Ganglienpaare vorhanden, von denen die beiden 
ersten, oberes und unteres Schlundganglion, dem Kopfe, die drei 


K B 7 H 


Fig. 43. Schematische Darstellung der Lagerung des Centralnervensystems einer Feld- 

heuschrecke, von oben gesehen. 0 Sg oberes Schlundganglion, « 5 g unteres Schlund- 

ganglion, BG I-IIlI die drei Brustganglien, A @ 1—5 die fünf Hinterleibsganglien. 
(Die übrigen Bezeichnungen vergl. bei Fig. 30 auf S. 48.) 


folgenden, meist stark ausgebildeten, der Brust und die letzten sieben 
bis acht Paare dem Hinterleib angehören. Bei anderen Insekten sind 
nun einige dieser Ganglienpaare so zusammengerückt, dass sie nur 
eine einzige Masse bilden; hierdurch erscheint die Anzahl der Knoten 
des Bauchmarkes redueirt (Fig. 44). Am häufigsten verschmelzen 
mit einander die beiden hinteren Brustganglien, welche die Hügel- 
tragenden Segmente versorgen, z. B. bei fast allen Schmetterlingen. Auch 


65 Kap. III. Der innere Bau des erwachsenen Insektes. 


die 2 bis 4 letzten Hinterleibsganglien vereinigen sich oft zu einem 
Knoten. In anderen Fällen sind einige der ersten Hinterleibsganglien 
mit den Brustknoten verschmolzen; in noch anderen verbinden sich 


Ya TREE. BGE ug 8, Stg 
SS es Be er X 2 
B 
@ 


Fig.44. Centralnervensystem A von der Waldameise, Formica rufa L., B vom Maikäfer, 

Melolontha vulgaris L., C von der Schmeissfliege, Sarcophaga carnaria L., nach 

Ep. Branpr. Sig das zum Eingeweidenervensystem gehörige Stirnganglion, 0Sg oberes 

Schlundganglion, © 5 g unteres Schlundganglion, DB @ Brustganglien, A @ Hinterleibs- 

ganglien. Die Art und Weise der Verschmelzung der einzelnen Ganglien wird durch 
die punktirten Linien angedeutet. 


alle drei Brustganglien zu einem einzigen Knoten. Die stärkste Con- 
centration des Bauchmarkes tritt aber ein, wenn alle Brust- und 
Hinterleibsringe zu einer einzigen im 
Thorax gelegenen Masse verschmel- 
zen, wie z. B. bei vielen Wanzen 
und Fliegen (Fig. 44 C). 

Das Gehirn oder obere Schlund- 
ganglion ist der Sitz der vielfach so hoch 
entwickelten — Bienen, Ameisen — psy- 
chischen Functionen der Insekten. Von ihm 
entspringen die Fühler- und Augennerven, 
desgleichen ein Theil des Eingeweide- 
Fig. 45. Gehirn der Ameise nach Leypıs nervensystems (vergl. S. 69). Es ist der- 
und GrABEeR. Gr Hauptlappen des Ge- jenige Nervenknoten, welcher seine paarige - 
hirnes, Zop Sehlappen, lobus opticus, Zusammensetzung stets deutlich erkennen « 
Lo! Riechlappen, lobus olfactorius, der lässt. Seine Ausbildung ist eine wech- 
den Fühlernerven abgiebt, Nop Seh- selnde, je nach dem Grade der geistigen 
nerv, nervus opticus, zu den Netzaugen Entwicklung des betreffenden Thieres; so 
gehend, PA Punktaugen mit deren Ner- beträgt das Volumen des Gehirnes eines 
ven, /7 W Hirnwindungen, «Sg unteres Maikäfers nach DuJarpın nur ungefähr 

Schlundganglion. Yannn des Körpervolumens, während es bei 

der Biene 1/,,„ desselben erreicht. Desgleichen 

sind bei geistig entwickelteren Thieren, die häufig als hufeisen- oder pilzhut- 

förmige Körper bezeichneten Gehirnwindungen (Fig. 45 H W) stärker entwickelt 

als bei anderen. Die Stellen, von denen. die Nerven für die Fühler (Fig. 45 Lo) 

und Netzaugen (Fig. 45 Z op) abgehen, gliedern sich als besondere Lappen von 
dem primären Hirnlappen (Fig. 45 Gr) ab. 


* Ye Rn 
Das Nervensystem und die Sinnesorgane. 69 


Das untere Schlundganglion oder Mundganglion (Fig. 45 u Sg), 
welches mit dem oberen durch die den Schlundring bildenden, sehr verschieden 
langen, die Nerven für die Oberlippe abgebenden Commissuren verbunden ist, 
bleibt in den überwiegenden Fällen selbstständig. Nur bei einigen Käfern und 
Wanzen verschmilzt es mit dem Brustknoten. Es sendet Nervenfäden zu den 
Mundwerkzeugen. Es entspricht ursprünglich wohl drei, bereits während des Larven- 
lebens verschmolzenen Ganglienpaaren. In manchen Fällen ist die Anzahl der 
Abdominalganglien bei Z und Q@ verschieden, so bei Pulex, wo das Z acht, 
das 5 sieben hat. 

Das peripherische Nervensystem, welches von den Brust- und 
Hinterleibsganglien ausgeht, und sich im ganzen Körper verbreitet, 
enthält sowohl Bewegungs- als Empfindungsfasern. 

Die Stärke der Nervenstämme entspricht sowohl der 
Stärke der sie entsendenden Knoten als auch der Grösse 
und Stärke der von ihnen versorgten Theile. So sind die 
von den Brustknoten ausgehenden, Flügel- und Beinmuskulatur 
versorgenden Nerven immer recht stark. Die Anzahl der von 
einer Nervenmasse abgehenden Nervenstämme hängt auch theil- 
weise zusammen mit der Anzahl der Ganglienpaare, welche zu 
diesem Knoten zusammentreten Ist z. B. der letzte Knoten 
des Bauchmarkes aus vielen Ganglien zusammengesetzt, so 


entsendet er ein ganzes Büschel Nerven in den hinteren 
Theil des Abdomen (Fig. 44 D). 


Das Eingeweidenervensystem besteht aus einem 
mit zwei Wurzeln von dem Gehirn entspringenden, un- 


paaren, ein kleines Stirnganglion bildenden (Fig. 44 
Stg) Eingeweidenerven und einem ebendaselbst Fie. 16 Zwei Gang- 
wurzelnden, paarigen (Fig. 42 EN), welcher, unter lienpaare des 
Bauchmarkes der 
Laubheuschrecke, 
mit die Schluckbewegungen regulirenden Nerven ver- Locusta viridissi- 
maL.nach Lrypiıe. 
G Ganglion, Nperi- 
blasser Fasern ab, welche, gleichfalls nach vorheriger pherische Nerven, 
NS Athmungsnerv, 
nervus sympathi- 
stämme mit Nerven versehen (Fig. 46). cus. 


Bildung von kleinen Ganglien, . Schlund und Magen 
sorgt. Von dem Bauchmarke geht ferner ein System 


Anschwellung zu kleinen Ganglien, die Tracheen- 


Die Sinnesorgane. 


Die biologische Beobachtung lehrt, dass im allgemeinen die Insekten 

» derselben Sinneswahrnehmungen fähig sind, wie der Mensch. Es ist aber 

noch nicht in allen Fällen gelungen, mit Sicherheit nachzuweisen, welche 
Organe die einzelnen Sinneswahrnehmungen vermitteln. 


Zugleich ist es aber sehr wahrscheinlich, dass der Umfang ihrer 
einzelnen Sinneseindrücke nicht immer der gleiche ist, wie bei uns. 
So scheinen die Untersuchungen von Luspock zu beweisen, dass 
Ameisen die unserem Auge unsichtbaren ultravioletten Strahlen des 
Speetrums wahrnehmen, während sie gegen die von unserem Öhre 


70 Kap. III. Der innere Bau des erwachsenen Insektes. 


als Töne empfundenen Schallschwingungen, also diejenigen, deren 
Schwingungszahl bis 36 000 geht, völlig unempfindlich sind. Diese 
Thatsache schliesst aber keineswegs aus, dass sie vielleicht Schwin- 
gungen von höherer Schwingungszahl, die wiederum wir nicht wahr- 


nehmen können, als Töne empfinden. 


Tastorgane sind einerseits wohl über die gauze Körperoberfläche 


der Insekten verstreut, andererseits finden sich dieselben besonders zahl- 


reich an den Fühlern, 'Tastern und Fussgliedern, ebenso wie sie bei uns 


besonders an den Fingerspitzen, den Lippen, und der Zunge, aus- 


gebildet sind. 


Sie ermöglichen die Wahrnehmung der Druck- und Temparatur- 
empfindungen; sie stellen entweder dünne Hautabschnitte dar, zu 
denen reichliche Nervenendigungen treten, oder freistehende Chitinhaare 


Fig. 47. Längsschnitt durch den 
Fühler einer Wespe nach Hav- 
SER. GE K Geruchskegel, @ Gr 
Geruchsgrube, @ Z Geruchs- 
zellen mit riesig vergrössertem 
Kern, TH Tasthaar, TZ Tast- 


(Fig. 47 TH) oder Stäbchen, welche von 
je einer Nervenfaser versorgt werden. 


Geruchsorgane. Als solche werden jetzt 
meist besondere an den Fühlern gelegene 


nervöse Endapparate angenommen. 


Dass die Insekten sehr wohl im Stande 
sind, Geruchswahrnehmungen zu machen, ist 
eine durch biologische Beobachtungen festge- 
stellte T'hatsache. Besonders beweisend ist 
der Umstand, dass die aasfressenden und auf 
Aas als Ablagestätte ihrer Eier angewiesenen 
Insekten solches auch dann rasch aufzufinden 
vermögen, wenn es sehr versteckt liegt, sowie 


alle die Beobachtung, dass häufig begattungslustige 
Schmetterlingsmännchen ihren übrigen Sinnen 
völlig entzogene brünstige Weibchen, z. B. in Zuentschachteln einge- 
schlossene, auszukundschaften vermögen. Weniger sicher ermittelt ist da- 
gegen die Lage der diese Geruchswahrnehmungen vermittelnden Nerven- 
endigungen. Indessen sprechen auch die neueren experimentellen Unter- 
suchungen von Hauser lebhaft für die ältere Ansicht, dass wenigstens 
in vielen Fällen der Sitz des Geruchsvermögens in den Fühlern liegt. 
Viele Insekten, welche gegen stark riechende, aber nicht ätzende 
Substanzen bei intacten Fühlern stark reagirten, blieben gegen die- 
selben unempfindlich, wenn die Fühler abgeschnitten oder mit Paraffın 
überzogen wurden. 

Hatser nimmt als Geruchsempfindungen vermittelnde Organe die an 
den Fühlern der meisten Insektenordnungen verbreiteten zapfen- oder stäbehen- 
förmigen Gebilde an, welche meist einer riesigen mit 10—14 Kernkörperchen ver- 
sehenen Zelle aufsitzen, an die eine Nervenfaser tritt (Fig. 47). Diese Riechstäbehen 
sind entweder in vertiefte Gruben der Fühleroberfläche eingesenkt oder ragen 
über diese hervor, umgeben von einem glockenförmigen, oben geöffneten „Geruchs- 


Die Sinnesorgane. 7 


kegel”. Gruben und Kegel können an ein und demselben Fühler vorkommen. Die 
Gruben sind häufig zahlreich, so hat z. B. der männliche Maikäfer deren ungefähr 
39000 an jedem Fühler. 

Der Versuch, Nervenendigungen, welche bei der Biene sich an der Stelle 
finden, wo die Innenfläche der Öberlippe in das Dach der Mundhöhle übergeht, 
als Geruchsorgane zu deuten, scheint misslungen. 


Geschmacksorgane sind mit “Sicherheit bei den Insekten noch 
nicht nachgewiesen worden. 

Dagegen ist sehr sicher, dass sie sehr wohl Geschmackswahr- 
nehmungen zu machen im Stande sind. Dies beweist schon die That- 
sache, dass viele sich auf ein einziges Nahrungsmittel beschränken 
und alle anderen verschmähen. Aus Wahrscheinlichkeitsgründen hat 
man mehrfach versucht, in der Mundhöhle gelegene Nervenendigungen 
als Geschmacksorgane anzunehmen. 

Gehörorgane. Die neueren Untersuchungen haben experimentell 
erwiesen, dass zwar einige Insekten gegen Töne fast unempfindlich, 
andere aber sehr wohl Gehörwahrnehmungen zu machen im Stande sind. 
Geschlossen wurde dies schon lange aus dem Umstande, dass viele In- 
sekten Töne erzeugen, und daher die Wahrscheinlichkeit, dass sie solche 
auch wahrnehmen können, eine sehr grosse ist. 

Als Gehörorgane betrachtet man schon länger trommelfellartige 
Einrichtungen, welche sich bei den Feldheuschrecken an den Seiten des 
ersten Hinterleibsringes und bei den Laubheuschrecken und Grillen an 
den Schienen der Vorderbeine vorfinden. Diese sind, wie man experi- 
mentell nachgewiesen hat, wohl geeignet, durch Schallwellen in Schwin- 
gungen versetzt zu werden und diese auf hinter ihnen angebrachte 
Nervenendigungen zu übertragen. Diese schlauchförmigen Nervenendi- 
gungen sind nach GrABER stets ausgezeichnet durch in ihnen gelegene 
„Nervenstifte”, sowie durch mit diesen in Verbindung tretende saiten- 
ähnliche Fasern. Neuerdings sind nun bei Vertretern aller Insekten- 
ordnungen Nervenendigungen nachgewiesen worden, welche, ohne mit 
Trommelfellen in Verbindung zu stehen, denselben Bau zeigen, wie die 
den Trommelfellen der Geradflügler beigesellten, und man nimmt jetzt 
mit vollem Rechte an, dass sie gleichfalls Tonempfindungen zu vermitteln 
im Stande sind. Die Schallwellen werden auf diese Organe in derselben 
Weise durch Vermittelung der äusseren Körperbedeckungen, der Weich- 
theile und der Blutflüssigkeit übertragen, wie dies z. B. bei den Fischen 
geschieht, welche gleichfalls äusserer Schallzuleitungsapparate zu dem 
inneren Obre entbehren. Solche Gehörorgane ohne Trommelfell findet 
man bei den Imagines nur an Leibesanhängen, und zwar am häufigsten 
an den Beinen und an den Flügeln. 


72 Kap. III. Der innere Bau des erwachsenen Insektes. 


Am einfachsten sind die Einrichtungen bei den Feldheuschrecken. Hier 
liegen die Trommelfelle an den Seiten des ersten Hinterleibsringes. An drei 
kleine chitinige Vorsprünge an der Innenseite der Trommelfellmembran setzen 
sich Nervenendigungen an, welche von einem Nervenknoten ausstrahlen, der selbst 
wieder durch den Gehörnerv mit dem Hinterbrust-Nervenknoten in Verbindung 
steht. Eine hinter dem Trommelfell gelegene grosse luftgefüllte Tracheenblase 
dient als Resonanzapparat. 

Bei vielen Laubheuschrecken und Grillen finden wir die Trommelfelle unter 
dem Knie, an den Schienen der Vorderbeine und zwar an jedem Beine meist 
zwei an den entgegengesetzten Seiten einander gegenüberliegende ( (Fig. 48 und 49). 
Zwischen ihnen schw illt die das Bein ve rsorgende Trachee zu einer grösseren Blase 
an, auf der die von dem als Gehörnerv fungirenden Beinnerven versorgten End- 
apparate in Form einer Längserhebung aufsitzen. Ausserdem findet sieh etwas 
oberhalb des Trommelfelles, supratympanal, ein Büschel direet der Haut an- 
sitzender Nervenendigungen. Hier ist also der Nervenapparat nicht direct mit den 
Trommelfellen verbunden, sondern die Schallwellen werden von letzteren erst auf 
die eingeschobene Blutflüssigkeit übertragen. Bei anderen Formen fehlen nun sowohl 
die Trommelfelle, als auch die der Trachee anliegenden Nervenendigungen, und 
es bleibt nur ein Analogon des supratympanalen Gehörorganes zurück. In den 
Flügeln sind sowohl kleine durchbohrte plattenartige Erweiterungen der Adern 
unter der Einlenkungsstelle der Flügel, als auch einzelne Adern selbst Träger 
der betreffenden Nervenendigungen. 


Fig. 48. Vorderbein 
einer Laubheu- 


schrecke, Meco- Fig. 49. Schematischer Querschnitt durch die 
nema, mit unbe- Schiene einer Feldheuschrecke in der Höhe 
decktem Trommel- des Trommelfelles. (2 Cutieula, © M Matrix 
fell. f Schenkel, tb der Cuticula, 7’y Trommelfell mit verdünnter 
Schiene, 7’y Trom- Cuticula, A mit dem Trommelfell in Verbin- 
melfell, 7’r die bei- dung stehendes Gehörorgan. 5 supratympanales 
den erweiterten Gehörorgan. @ Z die zu demselben gehörigen 

Tracheen. Nach Ganglienzellen, 4 st die mit den Ganglien- 

GRABER. zellen verbundenen Hörstifte. Nach GRrABER. 


Die Gesichtsorgane der Insekten liegen stets am Kopfe und 
empfangen ihre Nerven vom Gehirn. Man unterscheidet zwei Arten, die 
einfachen Augen, Punktaugen oder Ocellen, und die zusammengesetzten 
Netzaugen oder Facettenaugen. 


Die einfachen Augen liegen auf der Mitte des Scheitels. Ihre 
Anzahl wechselt von 1 bis 3. Sie stellen glänzende, durchsichtige Ver- 
wölbungen der Cutieula dar (Fig. 50 a). Punktaugen kommen bei allen 
Insektenordnungen vor, bei den meisten fast regelmässig, bei den Käfern 


Die Sinnesorgane. 73 


aber nur ausnahmsweise. Bei den Schmetterlingen sind sie, wenn sie 
überhaupt vorkommen, durch das Schuppenkleid des Kopfes verdeckt. 


Die durchsichtigen, gewölbten Stellen der Cuticula bilden eine Linse 
(Fig. 51 L), hinter dieser liest eine gleichfalls durchsichtige, aus der Hypodermis 
entstandene Zellenlage (@%), welche als Glaskörper dient, auf sie folgt nach 
innen die lichtempfindliche Netzhaut. Die Netzhautzellen (Fig. 51 A) bestehen 
an ihrem den Glaskörperzellen zugewandten Ende aus Stäbchen (Fig. 51 5), 
welche die eigentliche Lichtwahrnehmung vermitteln, und gehen an dem anderen 
in die Fasern des Gesichtsnerven (N) über. Durch die Linse wird auf der Netz- 
haut ein umgekehrtes und verkleinertes Bild der Aussenwelt entworfen. Die 
Punktaugen wirken also ähnlich wie unsere Augen. 


Fig. 50. Kopf einer echten Schlupfwespe Fig. 51. Längsschnitt durch ein Punktauge 
von oben. « Punktaugen, 5 Netzaugen, von Musca vomitoria L. nach GRENACHER. 
e Fühler. L Linse, @%k Glaskörper, $t Stäbchen, 

R Retinazellen, N Sehnervenfasern. 


Die Netzaugen sind in einem Paar an, den Seiten des Kopfes 
vorhanden, an welchem sie jederseits einen mehr weniger gewölbten 
Vorsprung bilden. Ihre Oberfläche zerfällt in eine grössere oder kleinere 
Anzahl von meist sechseckigen Feldern oder Facetten (Fig. 52), so dass 
sie ein genetztes Aussehen erhalten. Da jede solche Facette mit dem 
unter ihr gelegenen und zu ihr gehörigen Nervenapparate einem ein- 
fachen Auge morphologisch gleichwerthig ist, so kann man die Netz- 
augen mit Recht auch als zusammengesetzte Augen bezeichnen. 

Die Grösse der Netzaugen ist sehr verschieden; 
während sie bei den meisten Insekten nur einen Theil 
der Seitenflächen des Kopfes einnehmen, und daher 
durch die Stirn getrennt werden, stossen sie bei anderen, f 
z. B. bei den Drohnen der Honigbiene, in der Mitte . 5 

d b . 1 Mä h . Mü k t Fig.52.Theilder 
zusammen, und bei den Männchen einer Mückenga tung, Opberflächeeines 
Bibio, nehmen sie die gesammte freie Kopffläche ein Netzauges mit 
(Fig. 54). Die Anzahl der sie zusammensetzenden Fa- den sechsecki- 
cetten kann von einigen 20 bis zu vielen Tausenden gen Facetten. 
wechseln. So hat z. B. Pselaphus, ein kleiner Käfer, 20, die Ameise 50, 
die Stubenfliege 4000, der Weidenbohrer 11 000, eine Wasserjungfer 
12 000, der Schwalbenschwanz 17 000, und ein anderer kleiner Käfer, 
Mordella, 25 000 Facetten in jedem Auge. 


es 


74 Kap. 


Ill. Der innere Bau des erwachsenen Insektes. 


Fig. 53. Augenformen von Käfern. A Calosoma: rundes Auge, B Chrysobothrys: 
ovales Auge, (€ Prionus: nierenförmiges Auge, D Polygraphus: von der Fühler- 
grube eingeschnittenes Auge, E Geotrypes: von einer Leiste des Kopfschildes ein- 
geschnittenes Auge, # Tetropium: Augen zweigetheilt, aber durch eine keine Facetten 
tragende Leiste verbunden, & Gyrinus: Augen zweigetheilt, jederseits ein oberes 
und em unteres Auge bildend. Die Grössenverhältnisse der Köpfe unter einander 


D 


Fig. 54. Köpfe ver- 
schiedener Insekten, 
um die verschiedene 
Ausdehnung und 
VorragungderAugen 
zu zeigen. A von der 
Feuerwanze, Pyr- 
rhocoris, 5 von der 
Arbeitsbiene, (€ von 
der Drohne, D von 
einer männlichen 


Mücke, Bibio. 


blieben unbeachtet. 


Die Form der Netzaugen ist meist rund, wird 
aber häufig länglich und bei vielen Käfern vorn 
nierenförmig eingebuchtet. In dieser nierenförmigen 
Einbuchtung der Augen lenken sich auch häufig die 
Fühler ein, und es kann der Einschnitt so tief werden, 
dass die obere und untere Augenhälfte sich nur in 
einem Punkte berühren, z. B. bei einem Borken- 
käfer, Polygraphus, und bei einem Bockkäfer, Tetro- 
pium, andererseits werden die Augen mitunter auch 
durch den Rand des Kopfes in eine obere und untere 
Hälfte getheilt, z. B. bei den gewöhnlichen Grab- 
käfern, Geotrypes, und den Taumelkäfern, Gyrinus, 
unserer stehenden Gewässer. Hier erscheint die 
Sonderung der Augen in ein oberes und ein unteres 
Paar vollendet. 

Auf der Grenze der einzelnen Facetten stehen 


häufig Chitinhaare. 

Jedes zusammengesetzte Auge entspricht so viel Einzel- 
augen als es Facetten zeigt, und jedes Einzelauge ist eine 
Pyramide, deren Basis von der Facettenfläche gebildet wird. 
Ihrem inneren Baue nach sind aber die Einzelaugen des 
Netzauges in gewisser Beziehung einfacher als die Ocellen, 
und sie vermitteln daher nicht jedes für sich, sondern erst bei 
Zusammenwirkung mehrerer einen Gesichtseindruck, der aus so 
viel Theilbildchen besteht als Einzelaugen in Thätigkeit treten. 
Der durch ein Netzauge hervorgebrachte Gesichtseindruck 
gleicht daher einem aus einzelnen Stücken zusammengesetzten 
Mosaik und ist zugleich ein verkleinertes und gekriimm- 
tes, aber aufrecht stehendes Bild des Gegenstandes. Am 
leichtesten ergibt sich das Verständniss dieser Verhältnisse 
bei Betrachtung von Fig. 55. Auf dem hier dargestellten sech- 
zehn Einzelaugen treffenden schematischen Längsschnitte durch 
ein Netzauge erkennen wir zunächst die durchsichtige in 
Einzelfacetten getheilte Hornhaut @, welche einerseits in 
eine das Auge nach hinten abschliessende Chitinkapsel @‘, 
andererseits in die allgemeine äussere Cutieula des Kopfes 
(G*) übergeht. Unter ihr liegen m jedem Auge die als Glas- 
körper dienenden, gewöhnlich aus mehreren Zellen gebildeten 
Krystallkegel (7), an welche sich die hier nach unten ver- 


* ” ” 7 
Die Sinnesorgane. Die Fortpflanzungsorgane. 1) 


diekten Netzhautelemente oder Retinulae (X) anschliessen. Die eigentlich die 
Lichtwahrnehmung vermittelnden Gebilde sind die in dem verdickten Theile der 
Retinulae gelegenen stäbchenartigen Rhabdome. Die Retinulae verbinden sich 
schliesslich mit den Fasern des Sehnerven Z Die Pyramide jedes Einzelauges 
ist von den übrigen durch eine für das Licht völlige undurchlässige Pigment- 
schicht J abgeschlossen. 


Diese Pigmentscheide ist ferner so angeordnet, dass lediglich die in die 
Längsachse der Pyramide fallenden Strahlen bis zu den lichtempfindlichen Ele- 
menten durchdringen können. So gelanst z. B. von allen von der Spitze A des 
Pfeiles A F auf das Netzauge fallenden Strahlen, also von allen zwischen a’ und 
a? vorhandenen, nur der durch die Linie «a dargestellte Strahl bis zum 
Punkte A/, während alle anderen Strahlen, z. B. a’! bis a/F, von Pigmentscheiden 
aufgefangen werden. Dasselbe gilt von den von den Punkten 5—F des Pfeiles aus- 
gehenden Strahlen, so dass also lediglich die Strahlen a, b, e, d, e und f bis zu 


den liehtempfindlichen Nervenendi- 
gungen der Einzelausen 6-11 
gelangen und hier ein aus sechs 
Einzeleindrücken zusammengesetz- 
tes, verkleinertes, gekrümmtes, aber 
aufrecht stehendes Bild (A! F’) 
des Pfeiles erzeugen. Diese Einrich- 
tung der zusammengesetzten Augen 
ist blos den Arthropoden eigen- 
thümlich. 


Bei einigen Gruppen niede- 
rer Insekten, z. B. bei den Spring- 
schwänzen, Poduridae, kann jedes 
Netzauge durch eine Gruppe von 
vier bis acht ÖOcellen ersetzt 
sein, und bei den Flöhen tritt 
sogar nur je ein einfaches Auge 
an seine Stelle. 

Grössere Gruppen völlig 
blinder Insekten gibt es nicht, 
dagegen verkiimmern bei im Dun- 
keln lebenden Höhleninsekten 
die Augen häufig und gehen bei 
verloren. 


Fig. 55. Schematische Darstellung der Wir- 
kungsweise eines Netzauges. Die Erklärung 
der Buchstaben ist im Texte gegeben. 


einzelnen Gattungen und Arten völlig 


Die Fortpflanzungsorgane. 


Dieselben bestehen sowohl beim Weibeben als beim Männchen aus 


einem Paar Geschlechtsdrüsen, deren beiden Ausführungsgängen, 


welche zu einem mittleren, in der Geschlechtsöffnung mündenden, und 


an seinem unteren Theile in ein Begattungsorgan umgewandelten 


unpaaren Ausführungsgange verschmelzen, sowie aus drüsigen 


Anhangsgebilden. 


u} 
[er] 


Kap. III. Der innere Bau des erwachsenen Insektes. 


Nur bei vielen Eintagsfliegen fehlt ein unpaarer Ausführungsgang, so dass 


bei beiden Geschlechtern je zwei getrennte Geschlechtsöffnungen vorkommen, 
während im Gegentheil bei einigen Staphyliniden, z. B. bei Dianous coerules- 
cens Gyrr. nur ein unpaarer Eileiter vorhanden, an dem sich rechts und links 
Eiröhren ansetzen. 

Die weiblichen Fortpflanzungsorgane. Die Geschlechtsdrüsen 
des Weibchens (Fig. 56) heissen Eierstöcke, ovaria, ihre paarigen 
Ausführungsgänge Eileiter, oviductus, der untere Theil des unpaaren 
Eierganges Scheide, vagina. Von dieser Scheide gliedert sich häufig 
als besonderer Theil die Begattungstasche, bursa copulatrix, ab, welche 
zur Aufnahme der Ruthe des Männchens bei der Begattung dient. Von 
Anhangsgebilden sind vorhanden dieSamentasche, receptaculum seminis, 
die häufig selbst noch Anhangsdrüsen hat, und die Kittdrüsen, glan- 
dulae sebaceae. 


Fig.56. Weibliche Geschlechtsorgane eines Fig. 57. Männliche Geschlechtsorgane 
Borkenkäfers, Scolytus, nach Lispoemann. eines Maikäfers nach GEGENBAUR. MH die 
ER Eiröhren des Eierstockes, yEL paa- aus je sechs Theilen bestehenden Hoden, 
riger Eileiter, S7’Samentasche, BT Begat- SL Samenleiter, 5 B Samenblase, D An- 
tungstasche, X DKittdrüsen, Sch Scheide. hangsdrüsen, «SG unpaarer Samengang. 


Die Eierstöcke sind die Bildungsstätte der Eier sammt der Eischale. 
Jeder Eierstock besteht aus einer grösseren oder geringeren Anzahl 
von Eiröhren, welche kurz vor der Stelle, wo sie dem Eileiter ansitzen, 
am stärksten sind, und nach der Spitze hin sich verjüngen. Hier gehen 
sie in einen feinen, zu ihrer Befestigung im Anfange des Hinterleibes 
dienenden Faden über. In diesen Eiröhren entstehen die Eier in linearer 
Aneinanderreihung, so dass das dem Eileiter zunächst gelegene das 
reifste und grösste, das am weitesten nach der Spitze zu gelegene das 
jüngste und kleinste ist. Da die Wandungen der Eiröhren sich den 


Die weiblichen Fortpflanzungsorgane. 2 


Eiern dieht anschmiegen, so werden sie durch diese zu nach der Spitze 
verjüngten, perlschnurähnlichen Gebilden aufgetrieben. 


Jede Eiröhre (Fig. 58) besteht aus einer bindegewebigen, häufig mit Muskel- 
fäden bekleideten Membran, welche einen aus Zellen bestehenden Inhalt umsehliesst. 
Am blinden Ende sind diese häufig schwer von einander unterscheidbaren Zellen 
sämmtlich gleich gebildet, bald aber sondert sich ein die Innenwand der 
Eiröhre auskleidendes, einschichtiges Epithel von den central gelegenen stark 
wachsenden Eizellen, welche von den Epithel- 
zellen derartig eingeschlossen werden, dass jede 
Eizelle in ein besonderes Fach zu liegen 
kommt. Die Epithelzellen geben einmal Nährstoffe 
an die Eizelle ab, sondern aber ausserdem noch 
an ihrer, der Eizelle zugewendeten Fläche eine 
Cutieula ab, welche nun das Ei als Eischale 
umgibt. Im reifen Ei ist der Kern der Ei- 
zelle nicht mehr erkennbar. 

Dieses ist der einfachste Fall. Es kommt 
aber häufig vor, dass die Epithelzellen lediglich 
die Funetion der Absonderung der Eischale 
haben, die Versorgung des Eies mit Nährstoffen 
dagegen von besonderen Zellgruppen besorgt 
wird, die dann zwischen die einzelnen Eier ein- 
geschoben erscheinen. Diese Zellen heissen Ei- 
Nährzellen oder Dotterzellen. Sind die- 
selben in besonderen Fächern zwischen die 
Eifächer eingeschoben, so spricht man von Ei- 
und Dotterfächern. 

Die Gestalt des Eierstockes hängt 
ab von der Zahl und Länge der Eiröhren, 
welch letztere selbst wieder von der Zahl te Es Härhsehormatinehe Dar- 
der in ihnen entstehenden Eier bedingt stellung des Baues der Eiröhren. 
wird, sowie von der Art und Weise, IEiröhre ohne Einährzellen, ITEi- 


wie die Eiröhren sich dem Eileiter an- röhre mit Einährzellen, 7/7 Stück 
fügen einer Eiröhre mit gesondertem Ei- 


und Dotterzellenfache. Bf Befe- 
Insekten, welche nur wenig Eier stigungsfaden, A Ende der Ei- 
auf einmal erzeugen, haben wenige und röhre mit noch nicht differenzir- 
kurze Eiröhren (Fig. 56), während bei !@ Zelle 2 Selen, N zklus 
: B B zellen, Xp Eiröhrenepithel, Zsch 
starker Eiproduction entweder wenige sehr Eischale, rE reife Eier. 
lange (Fig. 59), oder viele kurze Eiröhren 
(Fig. 61) vorhanden sind. Die Eiröhren setzen sich entweder der 
Spitze des dann mässig starken Eileiters als ein mehr minder starkes 
Büschel an (Fig. 56, 59), oder aber sie inseriren sich dem alsdann 
meist stark aufgetriebenen als Eikelch bezeichneten Eileiter in einer 
(Fig. 60) oder zwei Längszonen oder allseitig (Fig. 61). Das Ende des 
Eileiters kann dann sogar über die Spitze der Eiröhren hervorragen. 


Jederseits scheinbar nur eine, in Wirklichkeit aber zwei, durch einen festen 
Muskelüberzug verbundene, nur zwei Eikeime enthaltende Eiröhren haben die 
Lausfliegen, Pupipara, z.B.Lipoptena cervi L., die Hirschlausfliege. Zwei getrennte 
Eiröhren jederseits kommen den Borkenkäfern (Fig. 56) und den echten Rüssel- 
käfern zu; vier sehr lange in jedem Eierstocke (Fig. 59) sind allen Schmetter- 
lingen eigenthümlich, zehn bis zwanzig den Feldheuschrecken und vielen Käfern. 


78 Kap. III. Der innere Bau des erwachsenen Insektes. 


In jedem Eierstocke der Bienenkönigsin sind 100 bis 200 starke Eiröhren 
mit eirca je einem Dutzend 
Eiern, während die ver- 
kümmerten Weibchen jeder- 
seits meist nur fünf bis 
sechs Eiröhren haben, und 
die Oelkäfer, Melo&, haben 
jederseits einige hundert 
ganz kurze (Fig. 61). 

Dem Ende der Ei- 
leiter sitzen die Eiröhren 
an bei den meisten Käfern 
(Fig. 56 und 60) und den 
Schmetterlingen (Fig. 59). 
Einreihig oder zweireihig 
der Länge des aufgetriebe- 
nen Eileiters inserirt sind 
sie z. B. bei den Feldheu- 
schrecken (Fig. 42 auf S. 67) 
und manchen Käfern, all- 
seitig umgeben sie den sack- 
artigen Eikelch bei den Oel- 
käfern (Fig. 61) und den 
Leuchtkäfern. 


Fig. 59. Weibliche Fortpflanzungsorgane des grossen 
Kiefernspinners, Bombyx pini L, nach Suckow. ER die 
vier Eiröhren des einen Eierstockes, der andere Eier- 
stock ist abgeschnitten, 9 EZ paarige Eileiter, 57’ Samen- 
tasche mit Anhangsdrüse, XD Kittdrüsen, Sch Scheide, 
bT Begattungstasche, V@ Verbindungsgang zwischen 
Begattungstasche und Scheide. 


Die Samentasche hängt durch einen engen Gang mit dem un- 
paaren Eileiter zusammen, und ist entweder ein blosser Sack (Fig. 61), 
oder mit einer einfachen (Fig. 59 und 60) oder getheilten Anhangs- 


lig.60.Weibliche Geschlechtsorgane eines Schwimm- Fig. 61. Weibliche Geschlechts- 

käfers, Dytiscus, nach STEIN. organe eines Oelkäfers, Melo&, 

ER Eiröhren, ST Samentasche, 5 7’ D Samentaschendrüse, 5 7’ Begattungstasche. 
EL Eileiter mit drüsigen Wandungen, XD Kittdrüsen, Sch Scheide. 


drüse versehen. Mitunter ist sie auch in der Mehrzahl vorhanden, z. B. 
bei vielen Zweiflüglern. Sie fehlt manchen lebendig gebärenden Insekten- 
formen, z. B. den Lausfliegen, bei welchen der Eileiter ihre Funetion 


übernimmt. 


Weibliche und männliche Fortpflanzungsorgane. 79 


Die Seheide ist häufig in eine grosse Begattungstasche (Fig. 56 
und 60), die mit ihr oft nur durch einen engen Gang verbunden ist 


Fig.62. Männliche Geschlechts- Fig. 63. Männliche Geschlechtsorgane 
organe eines Borkenkäfers, To- vom grossen braunen Rüsselkäfer, Hylo- 
micus typographus L. bius abietis L. 
H Hoden, SZ paarige Samenleiter, D Schleimdrüsen, 5 P Samenblasen, «,5 @ unpaarer 
Samengang. 


(Fig. 61), ausgestülpt. Bei den Schmetterlingen münden Begattungstasche 
und Scheide getrennt unter einander. Es ist aber hier 
die Scheide, durch welche die Eiablage geschieht, mit 
der den Penis während der Begattung aufnehmenden 
Tasche durch einen Gang verbunden (Fig. 59). Bei 
manchen lebendig gebärenden Insekten, z. B. den Laus- 
fliegen und vielen anderen Zweiflüglern, dient die Scheide 
als Fruchthälter, in welchem die Eier ihre Entwicklung 
durchmachen. 

Die Kittdrüsen sind in der Einzahl (Fig. 61) 
oder Mehrzahl vorhanden, einfach ae: (Fig. 56), 
oder verästelt (Fig. 60). Fig. 64. Der eine 

Die männlichen Fortpflanzungsorgane. Die Ge- ee 


schlechtsdrüsen des Männchens (Fig. 57) heissen Hoden, Dytiscus, nach 


testes s. testiculi, ihre Ausführungsgänge Samenleiter, x ang: 


vasa deferentia, derunpaare Samengang, ductus ejacu- des einfachen Ho- 
denschlauches Z, 
5 L Samenleiter, 
über; an ihm sind häufig Schleimdrüsen, glandulae SL! aufgeknäuel- 
ter Theil des- 
selben, der 
Jeder Hoden besteht aus einer grösseren oder sogenannte 
Nebenhoden. 


latorius, geht unten in die vorstülpbare Ruthe, penis, 
mucosae, vorhanden. 


geringeren Anzahl von Samenschläuchen, welche in 
ihrer Anlage den Eiröhren entsprechen, aber gemäss dem geringeren 
Volumen der producirten Samenmasse relativ kleiner bleiben als jene. 
Die Gestalt der Hoden hängt ab von der Anzahl, der Länge und der 
Anordnung der Samenröhren. 


s0 Kap. IH. Der innere Bau des erwachsenen Insektes. 
j 


Jeder Hodenschlauch besteht aus einer äusseren bindegewebigen Hülle mit 
zelligem Inhalte; letzterer differenzi.t sich in ein einschichtiges, den Blindschlauch 
auskleidendes Epithel und eine Lage centraler Zellen. Letztere sind die Samen- 
mutterzellen. Während nämlich die centralen Zellen der Eiröhren direet zu Eiern 
werden, und zwar häufig noch unter Aufnahme von Nährstoffen aus den Epithelzellen 
und Nährzellen, erzeugen die ihnen gleichwerthigen Samenmutterzellen durch Thei- 
lung Tochterzellen, und erst diese verwandeln sich in die eigentlichen Samenfäden. 


Die Samenröhren sind entweder kurz und aufgetrieben, oval bis rund- 
lich oder lang eylindrisch. Im ersteren Falle setzen sich die Samenröhren 
entweder biüschel- oder traubenförmig direet dem Ende des Samen- 
leiters an, z. B. beim braunen Rüsselkäfer (Fig. 63), oder einer längeren 
Strecke desselben, oder sie vereinigen sich in kleineren Gruppen zu 
gemeinsamen Ausführungsgängen, welche sich nun erst dem Eileiter 
inseriren, z. B. beim Maikäfer (Fig. 57). Am einfachsten sind die Ver- 
hältnisse bei den Thieren mit langen Samenröhren. Diese sind häufig 
jederseits nur in der Einzahl vorhanden und knäueln sich an ihrem 
blinden Ende auf, indem sie zugleich durch eine bindgewebige Hülle zu 
einem compacten rundlichen Körper vereinigt werden (Fig. 64). Bei 
den Schmetterlingen sind diese beiden Hodenknäuel wieder durch eine 
Bindegewebshülle zu einem gemeinsamen unpaaren Körper, also zu einem 
scheinbar einzigen Hoden mit zwei Samenleitern vereinigt. 

Die Samenleiter, welche häufig sehr lang, und dann mitunter 
in ihrem Verlaufe an einer Stelle knäuelförmig zu einem Nebenhoden 
(Fig. 64) aufgewunden erscheinen, erweitern sich vor ihrem Uebergange 
in den unpaaren Samengang häufig zu Samenblasen (Fig. 62), 
in denen der Same eine Zeit lang aufgesammelt wird. Der unpaare Samen- 
gang ist mit starker Muskulatur versehen und nimmt an seinem Anfange 
häufig Schleimdrüsen auf. Letztere können von sehr verschiedener 
Form sein, paarig oder unpaarig, kurz oder langgestreckt, verästelt oder 
unverästelt. 


KAPITEL IV. 


Die Fortpflanzung und die Jugendzustände 
der Insekten. 


Das Fortpflanzungsgeschäft ist es, welches fast ausschliesslich den 
Inhalt der Lebensthätigkeit des erwachsenen Insektes, der Imago, aus- 
macht. Hat das Männchen die Begattung vollzogen, das Weibchen seine 
Eier abgelegt, so stirbt es in den meisten Fällen alsbald ab (vergl. $. 86). 

Alle Fortpflanzungsvorgänge bei Thieren haben das mit einander 
gemein, dass ein Theil des Körpers des Mutterthieres zu einem neuen 
Thiere, dem Nachkommen oder Kinde, sich entwickelt. Den Theil 
eines Mutterthieres, welcher fähig ist, sich zu einem Nachkommen zu 
entwickeln, nennt man im allgemeinen Keim. 

Ein Keim kann entweder nur aus einer Zelle oder aus einer Zellen- 
vereinigung, einem Gewebsstück des Mutterthieres, bestehen. Ein ein- 
zelliger Keim heisst Eizelle. Eine solche Eizelle ist der wesentliche 
Hauptbestandtheil derjenigen thierischen Fortpflanzungskörper, welche 
wir im gewöhnlichen Sprachgebrauche als Ei bezeichnen. Als neben- 
sächlicherer Bestandtheil kommt dem Ei noch die Eischale zu. Alle 
Insekten, wie überhaupt alle Gliederfüssler und noch viele andere 
höhere Thiere, pflanzen sich ausschliesslich durch Eier fort. 
Jedes einzelne Insekten-Individuum hat also einmal den Eizustand durch- 
laufen und dies gilt auch für diejenigen, welche bereits als Larve 
geboren werden. Diese durchlaufen den Eizustand eben im Leibe des 
Mutterthieres. 


Der alte Aberglaube, dass Insekten direct aus anderen organischen 
Substanzen sich bilden können, die Fliegenmade aus faulendem Fleische. 
der Floh aus mit Harn befeuchteten Sägespänen, ist längst wider- 
legt. Nicht aus diesen Substanzen, sondern aus Eiern, welche die 
Fliegenmutter auf das faulende Fleisch, oder der weibliche Floh in 
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde. 6 


82 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten. 


die Sägespäne legte, sind diese Geschöpfe entstanden. Desgleichen 
hat man erkannt, dass alle diejenigen bei Insekten vorkommenden 
Keime, welche früher als Sporen oder Pseudova unterschieden wurden, 
sich morphologisch in keiner Weise von wirklichen Eiern unter- 
scheiden. Ueberhaupt kennt die Wissenschaft kein verbürgtes Beispiel 
von „Urzeugung”, sondern nur „Elternzeugung”. 


In den meisten Fällen hat das Ei aber nicht ohne Weiteres die Fähig- 
keit, ein neues T'hier aus sich hervorgehen zu lassen. Die Eizelle bedarf, 
um sich zu einem Embryo zu entwickeln, vielmehr einer Anregung von 
aussen, nämlich der Befruchtung durch den männlichen Samen. Die 
Fortpflanzung durch befruchtete Eier, bei welcher also beide Geschlechter, 
sozusagen nach eingegangener Ehe, mitwirken, wird eine gamogene- 
tische oder Gamogenese genannt — abgeleitet von yanoz, die Ehe, 
yevsaıs, die Erzeugung — im Gegensatz zu den selteneren Fällen, in 
welchen eine Fortpflanzung durch unbefruchtete Eier stattfindet und 
welche man als parthenogenetische Fortpflanzung oder Partheno- 
genese bezeichnet, abgeleitet von rap$evos, die Jungfrau. Wir beschäf- 


tigen uns zunächst nur mit der (Gramogenese. 


Ei und Samen. Entwicklung im Eı. 


Das Ei, ovum, besteht aus der Eiz elle, ovulum, auch Urei 
genannt, und der Eischale oder chorion. 

Die Eizelle ist eine sehr stark gewachsene Zelle des mütterlichen 
Körpers und erlangt, wie wir oben sahen, ihre Ausbildung in den Ei- 
röhren des Eierstockes. 

Ihr Körper besteht, wie der jeder Zelle, aus einer Protoplasma 
genannten Eiweisssubstanz, der aber während des starken Wachsthumes 
eine grosse Menge von Reservestoffen, Deutoplasma oder Dotter- 
elemente genannt, beigemischt werden. Der Kern der Eizelle, welcher 
sich bei dem eben durch die beigemischten Dotterelemente häufig un- 
durchsichtig werdenden, reifen Eie oft der Wahrnehmung entzieht, heisst 
Keimbläschen. Die eigentliche Membran der Eizelle, welche wenig- 
stens zu gewissen Zeiten wohl jedem Ei zukommt, heisst Dotterhaut. 

Das starke Wachsthum der ursprünglich kleinen Eizelle wird, wie wir oben 


sahen (S. 77), dadurch möglich, dass sie sowohl aus den Epithelzellen der Ei- 
röhren, als auch, wo solche vorhanden, aus den Ei-Nährzellen Nahrungsstoffe auf- 
nimmt. Trotzdem bleibt aber das Ei doch eine einfache Zelle, selbst wenn die 
die Nahrung liefernden Zellen vollständig verbraucht werden, da letztere ja 
nicht als ganze Zellen, sondern blos ihrer Substanz nach in die Eizelle übergehen 
und von dieser vollständig assimilirt werden. Es wird eine Eizelle durch Aufnahme 
der Substanz mehrerer Nährzellen ebenso wenig zu einem mehrzelligen Gebilde, 
wie aus einem fleischfressenden Thierindividuum ein zusammengesetztes Thier 
dadurch wird, dass es täglich eine Reihe anderer Thierindividuen als Nahrung 
in sich aufnimmt. 


Das Ei. 53 


Die Eischale ist eine aus Chitin bestehende, mehr weniger feste 
Membran, welche, wie wir oben sahen (S. 77), bereits im. Eierstocke 
erzeugt wird. Sie wird stets durchsetzt von einer oder mehreren kleinen 
Oeffnungen, durch welche bei der Befruchtung Samen- 
fäden zur Eizelle selbst gelangen können. Eine solche 
Oeffnung heisst Mikropyle, abgeleitet von kzpos, 
klein, und ruAn, die Pforte. 

Die Gestalt der Eier ist zwar im allgemeinen 
rundlich oder langgestreckt, kann aber in vielen 


” 
Fällen stark variiren. Auch Grösse und Zahl der- eines Eies des Hor- 
nissenschwärmers, 
Sesia apiformis Ur. 
einander in Beziehung, als Insekten, welche nur nach Leuckarr mit 
dem Mikropylapparat. 
m einer der 5 Mikro- 
haben, als solche, die zahlreiche Eier produeiren. pyleanäle, welelie von 


r E s : R - Ausser Tikro- 
Die Eischale ist zwar eine in sehr vielen dem äusseren‘ Mikro 
pylgrübchen divergi- 


Fällen ungemein widerstandsfähige Hülle der Eier, „sndnachinnen laufen. 
besonders bei denjenigen, welche den Winter frei 

überdauern müssen, wie z. B. die des Ringelspinners, Bombyx neustria 
L., gestattet aber einen Gasaustausch zwischen Ei und umgebender 
atmosphärischer Luft während der Entwicklung des Embryo, den man 


selben wechseln sehr, stehen aber insofern unter 


wenige Eier ablegen, im Verhältniss grössere Eier 


A B (& D E F 


M N OÖ 12 Q Ss 


Fig. 66. Formen der Eier verschiedener Insekten. Dieselben sind ohne jede Rück- 
sicht auf ihre relative Grösse gezeichnet. 


A der Weisstannen-Triebwickler, Tortrix murinana Hs. B Nonne, Liparis 
monacha L. (€ Forleule, Trachea piniperda Pz. D Rundliche indifferente Eiform 
sehr vieler Insekten, z. B. der Borkenkäfer. EZ Maikäfer. F Mücke, Chironomus. 
G Blattwespe, Lyda pratensis FAzr., Ei an einer Kiefernnadel befestigt. 77 Fliege, 
Musca. I Honigbiene. K Rosengallwespe, Rhodites Rosae L. ZL Florfliege, Chry- 
sopa perla L. M Essigfliege, Drosophila cellaris L. N Schildwanze, Pentatoma. 
O Wasserskorpion, Nepa cinerea L. P Heckenweissling, Pieris Crataegi I. @ Bett- 
wanze, Acanthia lectularia L. R Kopflaus, Pediculus capitis DE Gerr., Ei an einem 
Haare befestigt. $S Hirschdasselfliege, Hypoderma Actaeon BrAUER. 


geradezu als Athmung bezeichnen muss. Sie zeigt oft eine ungemein 

zierliche Sculptur, z.B. schr häufig eine netzartige Felderung (Fig. 65). 

Der Mikropylapparat besteht bald aus einer einfachen, bald 

auch aus mehreren Oeffnungen, welche canalartig die Eischale durch- 
6* 


84 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten. 


setzen. Auf die mannigfachen Anordnungen derselben einzugehen, ist 
hier nicht der Platz, wir begnügen uns mit der Abbildung des 
Mikropylapparates bei dem Hormnissenschwärmer (Fig. 65), welcher 
aus einem kleinen Grübchen besteht, von welehem nach innen diver- 
girend fünf feine Uanäle ausgehen. 

Als die verbreitetste Eiform kann man ansehen ein Drehungs- 
ellipsoid mit geringer Längendifferenz beider Achsen der bildenden 
Ellipse (Fig. 66 D). Diese Form kann sich aber nach zwei Richtungen 
hin verändern: einmal kommen, z. B. bei vielen Schmetterlingen, 
brotförmig niedergedrückte (Fig. 66 C und B) bis scheibenförmige Eier 
(Fig. 66 A) vor, andererseits langgezogene Formen (Fig. 66 Ebis H). 
Wäbrend die ersteren aber immer radiär gebaut sind, so dass alle 
durch die verkürzte Achse gelegten Schnitte einander gleich sind, sind 
letztere symmetrisch, indem das Ei nach einer Seite, und zwar nach 
der, auf welche die Bauchseite des künftigen Embryo zu liegen 
kommt, gekrümmt ist. Die grösste Ausbildung erhält letztere Form 
bei den Gallwespen, bei welchen das Ei einem langgestreckten Quer- 
sacke gleicht (Fig. 66 K). Es erhalten die Eier mancher Formen ferner 
Haftapparate (Fig. 66 R und $), Stiele zur Befestigung (Fig. 66 Z), 
Anhänge in der Nähe der Mikropyle (Fig. 66 M und OÖ), oder es 
sind die Mikropylcanäle selbst in röhrenförmige Fortsätze ausgezogen. 
(Fig. 66 N). Rippungen des Chorion geben manchen Eiern ein 
eigenthümliches Ansehen, und an vielen sind Deckel vorgebildet, die 
nur mit einer dünnen Randzone der übrigen Eischale anhängen und 
sich beim Ausschlüpfen von der Larve leicht abheben lassen, so bei 
vielen wanzenartigen Thieren (Fig. 66 N, Q und AR). 


Die Reifung der Eier erfolgt meist während des letzten Larven- 
stadiums oder im Puppenzustande, so dass das weibliche Insekt sofort 
nach Erreichung des Imagostadiums, also nach der letzten Häutung 
fortpflanzungsfähig ist. Bei langlebigen Insekten kann dagegen die 
Reifung der Eier erst in das Imagostadium fallen und ganz allmälig 
nach Massgabe der abzulegenden Eier geschehen, z. B. bei der Bienen- 
königin. 

Der Samen. Der Samen besteht aus einer dicklichen Flüssigkeit, 
welche in Folge der in ihr vertheilten sehr zahlreichen, aber zugleich 
sehr kleinen und feinen Samenfäden ein milchiges Ansehen erhält. Er 
entsteht in den männlichen Geschlechtstheilen, und zwar bilden sich in 
der S. 79 dargestellten Weise die Samenfäden, welche wegen ihrer 
selbstständigen Beweglichkeit früher häufig auch Samenthierchen oder 
Spermatozoen genannt wurden, aus den in den Hoden befindlichen 
Zellen. Jeder Samenfaden ist also eine modifieirte Samenzelle.. Die 
Gestalt der Samenfäden ist in der Regel eine einfach fadenförmige, mit 
einem etwas dickeren, vorderen Ende, dem sogenannten Köpfchen 


Ei und Samen. 85 


(Fig. 67 A), dem der bewegliche, sich lebhaft hin und her schlän- 
gelnde Schwanz entgegengesetzt wird. 


Es gibt aber, besonders bei manchen Orthopteren, auch Samen- 
fäden mit besonders ausgezeichneten Anhängen am Kopfe (Fig. 67 B), 
sowie solche mit doppeltem Schwanze, z. B. bei einigen Käfern. In 
manchen Fällen, z. B. bei manchen Heuschrecken, reihen sich die 
Köpfchen der Spermatozoen derartig zusammen, dass sie eine lineare 
Reihe bilden, der die nach beiden Seiten abstehenden Schwänze seitlich 
ansitzen, wie die beiden Fahnen einer Feder dem Schafte (Fig. 67 (©). 
Diese federförmigen Gebilde sowohl, wie überhaupt der Samen der 
Insekten in beiweitem den meisten Fällen, werden wiederum eingehüllt 
in feste, von den Anhangsdrüsen der männlichen Geschlechtsorgane 


re 
vB 


/ 
N 


4A 


Fig. 67. A Einfache Samenfäden von Blaps mortisaga L. B Samenfäden mit anker- 

förmigen Köpfchen von einer Heuschrecke, Decticus verrucivorusL. € Vereinigung 

von Samenfäden einer andern Heuschrecke, Locusta viridissima L., zu federförmigen 
Gebilden. D Spermatophoren von Decticus. B—D nach von SIEBOLD. 


abgesonderte Hüllen, welche man als Samenpatronen oder Spermato- 
phoren bezeichnet (Fig. 67 D). Nicht lose also, sondern in fester 
Verpackung wird der Samen bei der Begattung übertragen. 


Von der Zeit der Reifung des Samens gilt dasselbe wie von 
der Reifung der Eier. Sie fällt entweder schon in den Puppen-, respec- 
tive Larvenzustand, so dass das ausschlüpfende Männchen sofort zum 
Beginn der Fortpflanzungsthätigkeit bereit ist, oder sie erfolgt erst all- 
mälig während der Lebensdauer des Individuums. Ausbildung und 
Reifung von Ei und Samen sind innerliche Vorgänge, welche sich bis 
auf die manchmal durch die Schwellung der Eierstöcke bedingte Auf- 
treibung des Hinterleibes beim Weibchen der direeten Beobachtung am 
lebenden Thiere entziehen. 

Die beobachtbare Einleitung des Fortpflanzungsgeschäftes ist dagegen 
in der Regel die Begattung des Weibehens durch das Männchen. 


56 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten. 


Die Begattung. Der wesentliche Vorgang bei der Begattung oder 
copula besteht in einer Uebertragung des Samens des Männchens in den 
Leib des Weibehens, und zwar der Regel nach schliesslich in die 
Samentasche desselben. Dies geschieht meist so, dass die mit dem 
unpaaren Samenleiter des Männchens in Verbindung stehende Ruthe in 
die Scheide des Weibchens eingeführt wird. Diese geschlechtlic he Ver- 
bindung von Männchen und Weibchen kann in sehr verschiedener Weise 
ausgeführt werden. Sie kann im Sitzen wie im Fliegen geschehen, so, 
dass beide Theile den Kopf gleich gerichtet haben, wobei das Männchen 
auf dem Rücken des Weibchens sitzt, oder so, dass beide nach verschie- 
denen Seiten sehen. 


Nur bei den Libellen beobachten wir einen ganz abweichenden Vorgang. 
Bei den Männchen dieser Thiere liest die männliche Geschlechtsöffnung allerdings 
an der gewöhnlichen Stelle, nämlich am neunten Hinterleibsringe, das Copula- 
tionsorgan dagegen ganz getrennt weit nach vorn, an der Bauchseite, am zweiten 
Hinterleibsringe. Durch Umbiegung des Hinterleibes nach dem zweiten Hinter- 
leibsringe füllt nun das S sein Copulationsorgan mit Samen, ergreift dann das 
© mit dem am Ende seines Hinterleibes befindlichen Raiten im Nacken und 
beginnt nun den Hochzeitsflug, bei dem schliesslich das 2 seinen Hinterleib 
umbiegt, dem Copulationsorgane des Männchens nähert und die Begattung voll 
zieht. Der Fall, dass das Weibchen auf dem Männchen sitzt, wie beim Floh, 
oder dass die beiden Thiere mit gleichgerichteten Köpfen neben einander sitzen, 
ist selten. 


Die Dauer der Copula ist eine sehr verschieden lange. Manche 
brünstige Weibchen lassen sich hinter einander von mehreren Männchen 
begatten, während andere nur ein einziges zulassen. In einzelnen 
Fällen hat die Begattung sofort den Tod des Männchens zur Folge. 
So stirbt die die Bienenkönigin begattende Drohne im Augenblicke 
der Samenausleerung und jene muss sich der an ihr hängenden 
Leiche entledigen, wobei stets ein Theil des abgerissenen Penis in 
der Scheide stecken bleibt. Er heisst in der Sprache der Imker das 
Begattungszeichen und wird erst später entfernt. 


Der Erfolg einer gelungenen Begattung ist also dureh- 
aus nicht etwa die Befruchtung der Eier, sondern die Füllung 
der Samentasche des brünstigen Weibchens mit Samen. 


Die Befruchtung. Dieser Act ist rein von der Initiative des 
begatteten Weibehens abhängig. Er fällt in denjenigen Zeitpunkt, in welchem 
das aus der Eiröhre des Eierstockes austretende Ei an der Mündung 
der Samentasche vorübergleitet. Bei dieser Gelegenheit ist die Mutter 
im Stande, das Ei mit einer kleinen Portion des in der Samentasche 
von der Spermatophorenhülle befreiten Samens zu übergiessen. Es ge- 
schieht dies durch eine Zusammenziehung der Samentasche. Es dringt 
bei dieser Gelegenheit einer der beweglichen Samenfäden mit Hilfe 
seiner schlängelnden Eigenbewegung durch die Mikropylöffnung in das 


Begattung, Befruchtung, Ablage der Eier. 87 


Ei und mischt sich mit der Eizelle. Dieses Eindringen eines Samenfadens 
in die Eizelle ist der wesentliche Vorgang einer Befruchtung. 


Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass der in das Ei eingetretene 
Samenfaden sich mit einem Theile des Kernes der Eizelle verbindet, und so ein 
neuer Kern gebildet wird, der „Furchungskern”, von dem aus nun die Einleitung 
der Furchungsvorgänge beginnt. Der nicht verwendete Theil des ursprünglichen 
Eikernes ist schon vorher als „Richtungsbläschen” ausgetreten. 


Bei solchen Arten, bei denen sich die Eiablage über eine längere 
Zeit vertheilt, dauert die Fähigkeit, befruchtete Eier abzulegen, beim 
begatteten Weibchen so lange, als der empfangene Samenvorrath reicht, 
beziehungsweise so lange, als letzterer lebenskräftig bleibt. 


Der Erfolg der Befruchtung ist der, dass durch sie eine 
sonst nicht entwicklungsfähige Eizelle die Fähigkeit erhält, 
sich in einen Embryo — so nennt man das junge Thier, so lange 
es in den Eihüllen verharrt — umzubilden. 


Die Ablage der Eier. Das befruchtete Ei wird meist sofort abgelegt 
und die Entwicklung des Embryo geht dann ausserhalb des mütterlichen 
Körpers vor sich. Die Anzahl der abgelegten Eier kann von einigen 
Tausend bis ungefähr einem Dutzend variiren. Die Eier können ent- 
weder einzeln oder zu verschieden gestalteten Haufen vereinigt abgelegt 
werden. In vielen Fällen stellt das Weibchen besondere für die Eier 
geeignete Unterkunftsstellen her, so z. B. bei den Borkenkäfern den be- 
kannten Muttergang, in welchem die Eier vertheilt werden. Am auf- 
fälligsten ist diese Vorsorge für Eier und Brut bei vielen bienen- und 
wespenartigen Thieren, welche besondere Bauten zu deren Aufnahme 
errichten, eine Arbeit, welche bei den geselligen Hymenopteren und 
Örthopteren meist von den geschlechtlich verkümmerten Weibchen, den 
Arbeiterinnen, übernommen wird. Bei manchen dieser Thiere wird dann 
auch die Abwartung des Eies und die Fütterung des ausschlüpfenden 
Jungen durch diese Arbeiter oder auch die Mutter besorgt. In allen 
anderen Fällen wird das Ei aber so abgelegt, dass das Junge in un- 
mittelbarer Nähe entweder Nahrung, wenigstens für seine ersten Lebens- 
tage, bereit findet oder doch erbeuten kann. Bei einigen Insekten tragen 
die Weibehen die Eier an ihrem Leibe mit herum, entweder in freien 
Häufchen oder in durch das Secret der Kittdrüsen gebildeten Eikapseln 
vereinigt. In einer geringeren Anzahl von Fällen durchläuft dagegen das 
Ei bereits im Inneren des mütterlichen Körpers seine Entwicklung oder 
wenigstens einen Theil derselben, so dass entweder mit Embryonen 
versehene Eier oder, wenn das Ausschlüpfen der Jungen bereits im 
Mutterleibe vor sich geht, diese letzteren selbst abgelegt werden. Bei 
völlig entwickelten Weibchen ist wohl immer die Scheide die Stätte, an 


88 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten. 


welcher die Eier sich entwickeln. Bei den Lausfliegen bleiben aber die 
Jungen noch längere Zeit im mütterlichen Körper zurück, werden hier 
durch das Secret von modifieirten Kittdrüsen ernährt und erst als fast 
verpuppungsreife Larven abgelegt. 


Die Anzahl der abgelegten Eier ist wohl am grössten bei den 
Termitenweibchen. Nach von BerterscH soll eine Bienenkönigin zur 
Zeit ihrer höchsten Thätigkeit durchschnittlich am Tage 1200 Eier 
ablegen können und im Ganzen öfters 40 000 bis 50000 Eier pro- 
dueiren, während nach Rösen das Flohweibehen nur 12 Eier erzeugt. 
Der Fichtenborkenkäfer erzeugt gewöhnlich 30 bis 100 Eier, der Kiefern- 
spinner circa 100, ein Eierhäufehen der Nonne enthält bis 150 Eier 
und das Nest der Maulwurfsgrille bis 250 Stück. 


Einzeln abgelegt werden die Eier von vielen Insekten, z. B. 
von den sogenannten Eulen, Noctuae, unter den Schmetterlingen, des- 
gleichen bei manchen Lyda-Arten unter den Blattwespen u. s. f., bei 
den meisten Kerfen geschieht die Ablage aber in regellosen Haufen. 


Fig. 68. Eierring des Ringelspinners, Fig. 69. Blattrolle von dem 
Bombyx neustria L., dem Zweige eines Blatte einer echten Kastanie, 
Laubbaumes fest angekittet. gefertigt von Attelabus 


curculionoides L. 


In regelmässige, charakteristisch geformte Haufen werden die Eier 
angeordnet, z. B. bei dem Ringelspinner, Bombyx neustria L., dem 
Birkenspinner, Bombyx lanestris L., und dem Schwammspinner, Ocneria 
dispar L. (Taf. V, Fig. 1E); in letzteren beiden Fällen, und übrigens 
in vielen anderen, bedeckt mit einem Ueberzuge aus der Afterwolle 
des Weibchens. Aber auch viele andere Insekten vereinigen ihre Eier 
zu regelmässig gestellten Haufen, z. B. der Coloradokäfer und die 
gewöhnliche Stechmücke, Culex. Solche, die in das Wasser abgelegt 
werden, sind mitunter durch gallertartige Masse zu einer Art Laich 
verbunden. Die Fälle, in welchen das Weibchen seinen Eiern durch 
mühsame eigene Thätigkeit die passende Unterkunftsstelle bereitet, 
sind sehr zahlreich. Wir erwähnen hier ausser dem bereits oben an- 
geführten Beispiele der Borkenkäfer die Gallwespen, die Schlupf- 
wespen und die Riüsselkäfergattung Balaninus, von denen die beiden 
ersteren mit Hilfe ihrer Legstachel die Eier in Pflanzentheile, beziehungs- 
weise in den Körper von anderen Insekten unterbringen, letztere das 
Ei in ein mit dem langen Rüssel in den Fruchtknoten der Nahrungs- 
pflanze, z. B. der Haselnuss, genagtes Loch schieben. Manche Käfer 


2 ee ic 


Die Ablage der Eier. 89 


verfertigen regelmässige Blattrollen, in denen je ein Ei untergebracht 
wird, z. B. Rhynchites betulae L. auf Birken und Attelabus curculio- 
noides L. auf Eichen und echten Kastanien (Fig. 69). Am kunst- 
vollsten verfahren aber die Hymenopteren. Diese bauen Wohnungen 
für die Eier, beziehungsweise die junge Brut, und speichern entweder 
in dieser Wohnung Nahrung für die Larve auf oder füttern die ausge- 
kommene in täglicher Brutpflege. Für ersteres sind viele Grabwespen, 
unter anderen die gemeine Ammophila sabulosa L., viele ungesellig 
lebende Wespen — Eumenes pomiformis Spin. — und viele Blumen- 
bienen, unter ihnen Megachile centuncularis FAgr., die Tapezierbiene, 
als Beispiel anzuführen. In den beiden ersten Fällen werden Insekten- 
larven, in letzteren Blumenstaub als Nahrung für die Larve den Eiern 
beigegeben. Für Unterbringung der Eier in kunstvollen Bauten, aber 
ohne Beifügung von Nahrung, sondern mit nachfolgender Fütterung 
der Larven, bieten uns die geselligen Wespen und Bienen, sowie 
Ameisen und Termiten bekannte Beispiele. Aber auch in den Fällen 
minder ausgeprägter Brutpflege wird das Ei an solchen Oertlichkeiten 
abgelest, an denen die Larve Nahrung findet oder von denen aus sie 
leicht zu solcher gelangt. Bei Insekten mit pflanzen- 7 = 
fressenden Larven werden also die Eier regelmässig Zee 
an oder in der Futterpflanze der Larve abgelegt; der N 
Maikäfer, dessen Larve von Pflanzenwurzeln lebt, legt _ } 
dieselben in die Erde an pflanzenbesetzte Stellen. Mist- Fig. 70. Eikapsel 
4 . . PR: von Blatta 
und Aaskäfer legen ihre Eier an thierische Exere- orientalis L. 
mente oder Thierleichen. Insekten, deren Larven von a von der Seite 
Blattläusen leben, z. B. die Florfliege, Chrysopa, legen gesehen, 5 im 
ihre gestielten Eier auf mit Blattläusen besetzte Blät- (uerschnitt, um 
ERSTEN: ; die beiden Eier- 
ter, und diejenigen Insekten, deren Larven im Wasser „eihen zu zeigen. 
leben, legen auch ihre Eier in dasselbe ab, z. B. die 
Mücken, die Libellen und die Eintagsfliegen. Beispiele, dass Insekten- 
weibchen die abgelegten Eier mit sich herumtragen, haben wir besonders 
bei den Geradflüglern, z. B. bei den Afterfrühlingsfliegen — Gattung 
Perla Georrr. — und bei den Schaben, z. B. bei der so gemeinen 
grossen Schabe, Blatta orientalis L. Bei letzterer, wie bei den Ver- 
wandten, sind die Eier auch noch besonders in eine hornige Kapsel 
eingeschlossen, welehe vom Weibchen, in die Geschlechtsöffnung ein- 
gezwängt, mit sich herumgetragen wird (Fig. 70). 


Die bekanntesten Fälle von lebendig gebärenden Insekten finden 
sich unter den Zweiflüglern und sind als solche sowohl die gewöhnliche 
Schmeissfliege, Sarcophaga carnariaL., als viele Raupenfliegen, z. B. Tachina 
fera L., und die Rachendasselfliegen, Cephenomyia, bemerkenswerth. Des- 
gleichen kommt Viviparität auch bei einigen Käfern aus der Familie 
der Staphylinidae vor. Die lebendig geborenen Blattläuse sind nicht 
gamogenetisch, sondern parthenogenetisch entstanden und entwickeln sich 
bereits in den Eiröhren (vergl. S. 124). 


90 


Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten. 


Die Verwandlung der Eizelle in den Embryo. Die Entwicklung 
des Eies umfasst eine Reihe von Formbildungsvorgängen, durch welche 


die gesammte Masse der Eizelle innerhalb der Eischale schliesslich in 


ein von zelligen Hüllen eingeschlossenes junges Thier, den Embryo, 


umgewandelt wird. Der Embryo bildet sich also aus der Substanz der 
Eizelle, steht aber, da er athmet, durch die Eischale hindurch in Gas- 


austausch mit der Aussenwelt. 


Die Entwicklungsvorgänge sind sehr eomplieirter Natur und wir müssen 


uns daher hier mit einigen kurzen Andeutungen begnügen. Der erste wesentliche 
Vorgang besteht hier wie überall in der Verwandlung der einen grossen Eizelle 
in eine grosse Menge von kleinen Embryonalzellen. Diese ordnen sich nun im 
concentrische Schichten, von denen die äussere aus Zellen bestehende, zunächst 
einschichtige, den Embryo nach aussen abschliessende Zellblase, als Blastoderm 
oder Keimhaut bezeiehnet wird und in Gegensatz tritt zu den von ihr um- 
schlossenen dunklen Dotterballen, welche neuerdings immer allgemeiner gleich- 


falls als wirkliche Zellen angesehen werden. 


Brose Drei 


Entwicklungsstadien 
Hydrophilus piceus L. nach KowALEwsky. 


von 


Die Eischale ist entfernt. A erste schild- 
förmige Anlage des Embryo. 5 der Keim- 
streifen ist deutlich angelegt und in die 
Segmente zerfallen. € weiter entwickelter 
Embryo, an dessen Keimstreif die Oberlippe, 
die Fühler (1),die drei Kieferpaare (2bis4), 
sowie die drei Beinpaare (5 bis 7) deutlich 
erscheinen. Hinter Nr. 7 findet sich noch 
die Andeutung eines vierten, später schwin- 
denden Beinpaares. Auf dem hinteren Theile 
des Keimstreifens schimmert in der Mitte 
das Bauchmark durch. 


Aus dem Blastoderm entsteht der 
Leib des Insektes mit Ausnahme des 
Mitteldarmes, welcher sich aus der centra- 
len Masse herausbildet. Ein grosser Theil 
dieser letzteren wird aber nicht direct 
morphologisch zum Aufbau des jungen 
Thieres verwendet, sondern, als „‚Dotter’’ 
in den Mitteldarm gelangt, allmälig re- 
sorbirt und nimmt nur physiologisch an 
der Bildung des Embryo theil. Auch die 
Embryonalhüllen entstehen durch Falten- 
bildung aus dem Blastoderm. Die eigent- 
liche Bildung der Leibeswand des Embryo 
beginnt damit, dass die Anlage der Bauch- 
seite des Embryo in Gestalt einer schild- 
förmigen Verdiekung der Keimhaut auf- 
tritt (Fig. 714). Diese wird der „Keim- 
streif” genannt. Durch Faltenbildungen 
und Abspaltungen wird dieser Keimstreif 
mehrschichtig; er gliedert sich in Segmente 
(Fig. 71 BD), und es entstehen nun aus 
ihm die einzelnen Organe des Embryonal- 
leibes, besonders das seine Mittellinie ein- 
nehmende Centralnervensystem und die als 
Einstülpungen von der sich einsenkenden 
Mund- und Afteröffnung aus auftretenden 
Anlagen des Vorder- und Hinterdarmes, 
welche sich erst später mit dem central 
entstandenen Mitteldarm vereinigen. Quere 


Einschnürungen des Keimstreifes gliedern den Embryonalkörper in seine einzelnen 
Segmente, und sackförmige paarige Ausstülpungen des Keimstreifes bilden in den 
Fällen, in welchen sie bereits am Embryo auftreten, die Anlagen der Gliedmassen 
(Fig. 71B und ©). Zugleich umwächst der Keimstreif, indem er sich peripherisch 
ausdehnt, den gesammten Dotter vom Bauche nach dem Rücken zu, so dass sich 
schliesslich seine Ränder auf dem Rücken treffen und vereinigen, und nun der 
definitive Schluss der Körperwandungen erreicht ist. Sehr früh, bereits lange ehe 
die hier angedeuteten Bildungen zum Abschlusse kommen, haben sich Zellfalten 
an der Peripherie des Keimstreifes, und zwar zuerst an seinem vorderen und 


Die Verwandlung der Eizelle in den Embryo. Die Larve. 5! 


hinteren Ende erhoben und mit einander verwachsend, eine Embryonalhille 
gebildet. Letztere ist aber ein provisorisches Embryonalorgan, nur für die Dauer 
des Embryonallebens berechnet, und ebenso 'vergänglich wie die mitunter am 
Embryo auftretenden überzähligen Gliedmassenpaare (Fig. 71 (€), welche vor der 
Geburt des Embryo wieder schwinden, oder die bei manchen Dipteren auftreten- 
den, zur Sprengung der Eischale beitragenden Stacheln. 

Eine von der eben angedeuteten einfacheren Form der Embryonalbildung 
scheinbar abweichende ist diejenige mit sogenanntem inneren Keimstreif, 
auf welche hier näher nicht eingegangen werden kann. 


Die Grundzüge der Entwicklung des Embryo, also der Um- 
wandlung der Eizelle in ein nach dem Bauplan des Insektenleibes 
gebautes Thier, sind aber im wesentlichen stets die gleichen. Indessen 
zeigt das schliessliche Resultat, das so entstandene junge Thier, je 
nach der Gruppe, der es angehört, wesentliche Unterschiede in 
der Ausbildung und Gestaltung der einzelnen Leibesabschnitte und 
Gliedmassen. Es hängt ausserdem die Höhe der Ausbildungsstufe, 
welche das Insekt bereits im Ei erlangen kann, bis zu einem gewissen 
Grade von der Menge der in der Eizelle gebotenen Bildungsmasse ab. 
Im allgemeinen sehen wir nämlich, dass bei solehen Insekten, welche 
im Verhältniss zur Imago sehr grosse Eier haben, das junge Thier 
bereits innerhalb der Eischale diejenige Segmentirung und diejenigen 
Gliedmassen erhält, welche dem erwachsenen Thiere zukommen, 
während bei solchen, die sehr kleine Eier haben, dies viel weniger 
häufig der Fall ist. 

Hat der Embryo die ihm zukommende höchste Entwicklungsstufe 
erreicht, so öffnet er die Eischale und schlüpft aus, entweder indem er 
durch seine Bewegungen die allmälig morsch gewordene Hülle sprengt 
oder, wenn er mit beissenden Mundwerkzeugen versehen ist, indem er 
dieselbe durchnagt. Im ersteren Falle erleichtern mitunter an der Eischale 


vorgebildete Deckelapparate (vergl. S. S4) das Ausschlüpfen. 


Die Larve und ihre Verwandlung in die Imago. Metamor- 
phose und Puppenruhe. 


Die Larve. Nach dem Verlassen der Eischale wird das junge Insekt 
Larve genannt. Alle eben ausgeschlüpften Larven sind kleiner als die 
Imago, flügellos und nicht geschlechtsreif. Frei bewegliche, ihrem Nahrungs- 
erwerb lebhaft nachgehende oder äusserlich auf ihrer Nährpflanze oder 
ihrem Nährthiere lebende Insektenlarven sind mit festeren Chitinhüllen 
versehen und meist entschieden, häufig sogar lebhaft gefärbt. Im Inneren 
der zu ihrer Nahrung dienenden Substanzen, z. B. im Holze, oder in 
der Erde lebende Insektenlarven sind dagegen weich und weisslich. 

Je nach der Höhe der Entwicklung, welche der Embryo erreicht 
hat, ist der Bau und die äussere Erscheinung der ausschlüpfenden jungen 


Larve sehr verschieden. 


92 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten. 


Wir finden alle Uebergänge von solchen Larvenformen, welche 
ohne Weiteres auch dem unbefangenen Beobachter ihre Zugehörigkeit 
zu der betrachtenden Imagoform verrathen, also dem erwachsenen Insekte 
fast völlig gleichen, bis zu solchen, die so sehr von der Imago ver- 
schieden sind, dass die Beobachtung des genetischen Zusammenhanges 
zwischen beiden Geschöpfen nöthig war, um ihre Zusammengehörigkeit 
erkennen zu lassen. Eine solche Differenz zwischen Larve und Imago 
tritt namentlich da hervor, wo entweder der Aufenthaltsort oder die Art 
der Nahrungsgewinnung bei Larve und Imago sehr verschieden sind, 
— die Larve kann kauende, die Imago saugende Mundwerkzeuge haben, 
oder umgekehrt — Larve und Imago also ganz verschiedenen Ver- 
richtungen angepasst sind. Bekannte Beispiele sind die Libellen, deren 
Larven im Wasser leben, und die Schmetterlinge, deren Durchgang durch 
das Raupenstadium heuzutage allerdings eine ganz allgemein bekannte 
Thatsache ist, zu deren Erkennung es aber doch früher einer grossen 
Reihe von Beobachtungen bedurfte. 

Die Anpassung der Larve an ihre besonderen Lebensbedingungen 
kann sich nach zweierlei Richtungen hin aussprechen. Lebt die Larve an 
geschützten, massenhafte, leicht zu gewinnende Nahrung darbietenden 
Oertlichkeiten, so ist der Bau ihrer Mundwerkzeuge und Bewegungs- 
organe ein sehr unvollkommener, einfacher im Verhältnisse zur Imago 
z. B. bei den Fliegenmaden. Hat die Larve dagegen einen heftigeren 
Kampf um’s Dasein zu bestehen, so ist sie mit allerhand, nur diesem 
Stadium zukommenden Ausstattungen versehen, d. h. mit häufig recht 
complieirt gebauten Larvenorganen, welche bei der Verwandlung in 
die Imago wieder verloren gehen. Bekannte Beispiele solcher Larven- 
organe sind unter anderen die Tracheenkiemen vieler im Wasser lebender 
Larven (vergl. Fig. 85 A) und die an einem Theil der Hinterleibs- 
segmente der Raupen befindlichen Afterfüsse (Fig. 75). 


Wir können die verschiedenen Larvenformen in folgende sieben 
Abtheilungen unterbringen, welche übrigens durchaus nicht scharf 
von einander getrennt, sondern durch die mannigfachsten Uebergänge 
mit einander verbunden sind. 

1. Die Larve ist in allen wesentlichen Zügen der Imago ähnlich 
und unterscheidet sich von ihr nur durch geringere Grösse und man- 
gelnde Geschlechtsreife. Beispiele hiefür bieten die auch im erwach- 
senen Zustande ungeflügelten Thierläuse, Pediculina, und die Haarlinge 
oder Federlinge, Mallophaga. 

2. Die Larve ähnelt der geflügelten Imago ebenfalls noch so 
sehr, dass auch der unbefangene Beobachter sie ohne Weiteres als 
deren Jugendform erkennt, unterscheidet sich aber von ihr durch 


Die Larve und ihre verschiedenen Formen. 93 


Flügellosigkeit, durch kleine Details in der Ausbildung der Glied- 
massen und mitunter auch durch ein verschiedenes Verhältniss in der 
Grösse der einzelnen Leibesabschnitte. Dies ist bei den typischen 
Geradflüglern und Schnabelkerfen der Fall. So ist z. B. die auf Fig. 72 
abgebildete Larve einer Feldheuschrecke nicht nur kleiner als die 
Imago und flügellos, sondern der Hinterleib ist auch im Verhältniss 
zu Kopf und Brust weniger entwickelt als bei der Imago, und die 
Fühler, welche bei jener 26 Glieder zeigen, haben deren vorläufig nur 12. 

3. Die Larve zeigt noch eine allgemeine Uebereinstimmung mit 
der Imago in der Gruppirung der Segmente zu grösseren Abschnitten 
und in der Anzahl und Ausbildung der Gliedmassenpaare, dagegen 
sind die Einzelheiten ihrer Erscheinung doch von denen des erwachsenen 
Insektes wesentlich verschieden. Es gehören viele Larvenformen der 
abweichenderen Geradflügler, vieler Käfer, mancher Zweiflügler in diese 
Abtheilung; dagegen ist dieselbe auch am allermannigfaltigsten aus- 
gebildet. Die Eintheilung des Leibes in Kopf, Brust und Hinterleib 
ist deutlich ausgeprägt, der Kopf ist mit Punktaugen, kurzen Fühlern 


mi 
Fig. 72. Eben ausgeschlüpfte Fig. 73. Larve der gemeinen Stubenfliege, 
Larve einer Feldheuschrecke Musca domestica L. mh Mundhacken, si das 
nach Euerron $/,. vordere, st‘ das hintere Stigma. 


und Mundwerkzeugen versehen, die drei Brustringe tragen drei Bein- 
paare, die zur Fortbewegung des Leibes geeignet sind, der Hinterleib 
ist aber zliedmassenlos (Taf. I, Fig. 1L, 3ZL, AL, 5L, Taf. II, 
Fig. 14L). Die mannigfachen Abweichungen der Details der einzelnen 
Körpertheile der Larve von denen der Imago erscheinen hier wesent- 
lich als Anpassungen an das abweichende Larvenleben. 

4. Die Larven sind träge, weiche und weissliche, madenartige 
Geschöpfe, deren mehr weniger rudimentäre Beine nicht mehr zur Fort- 
bewegung des Leibes geeignet sind, und welche sich daher durch wurm- 
förmige Bewegungen des ganzen Leibes fortschieben. Kopf und Mund- 
werkzeuge sind aber noch deutlich ausgeprägt. Hierher gehören z. B. die 
Larven mancher Bockkäfer, sowie die der Holzwespen, Sirex (Taf. VI, 
Fig. 4L). 

5. Die Larven sind im allgemeinen wie die eben unter 4 erwähn- 
ten gestaltet, entbehren jedoch bei noch gut ausgebildetem Kopfe der 
Beine ganz. Dies ist z. B. bei den Rüssel- und Borkenkäfern, sowie bei 
Bienen und Wespen der Fall (Taf. II, Fig. 5Z und 107; Fig. 83 A). 

6. Den wurmförmigen Larven fehlen auch ein gesonderter Kopf- 
abschnitt und ausgebildete Mundgliedmassen. So sind z. B. die Larven 


94 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten. 


der eigentlichen Fliegen gestaltet und für sie allein sollte man eigent- 
lich den Ausdruck „Made’” reserviren (Fig. 73). 

7. Die Larven sind ‚Raupen”, d. h. langgestreckte, deutlich 
segmentirte Larven mit gut ausgeprägtem Kopfe, drei Paar Brustfüssen 
und Afterfüssen an den Segmenten des Hinterleibes. Erstere dienen 
aber weniger als Bewegungsorgane, sondern mehr dazu, um die Nah- 
rung, also besonders Blätter und andere Pflanzentheile, in eine den 
Mundwerkzeugen bequeme Lage zu bringen. Die Ortsbewegung ist zum 
grössten Theile den Afterfüssen übertragen (Taf. III Z, Taf. VI, 3 Z). 
Eigentliche Raupen finden sich bei den Schmetterlingen, die ähn- 
lichen Jugendformen der Blattwespen heissen Afterraupen. Afterfüsse 
kommen aber auch einer Reihe von Zweiflüglerlarven zu. 


Einige Einzelheiten über den Bau und das Leben der Larven. 
Die Larven haben im allgemeinen die nämlichen inneren Organe wie die 
erwachsenen Insekten, und auch die Anordnung derselben ist die gleiche, 
ihre Gestaltung dagegen meist wesentlich einfacher. Man kann daher 
durch die Section einer grossen Larve, z. B. einer Raupe, einen guten 
Einblick in den Bauplan des Insektenleibes gewinnen. Nur die Geschlechts- 
organe sind lediglich in der Anlage vorhanden, und besonders fehlen 
ihnen stets die Ausführungsgänge mit ihren äusseren Oeffnungen, 


Der Darmcanal der Larven ist sets zu reichlicher Nahrungs- 
aufnahme eingerichtet, besonders bei Pflanzenfressern, und von dem 
Darmcanal der Imago oft sehr verschieden, namentlich dann, wenn 
die Nahrung der Larve von der der Imago abweicht. Am deut- 
lichsten prägt sich dieses bei den Schmetterlingen aus. Während näm- 
lich die auf flüssige Nahrung, auf Blumensäfte augewiesenen Imagines 
einen verhältnissmässig wenig umfangreichen, dünnen, nur mit einem 
seitlich angesetzten grossen Kropf, dem „Saugmagen” versehenen Darm 
(vergl. S. 52), haben, ist der Darm der Raupe ein in gerader Linie 
von Mund zu After verlaufender, dieker Schlauch, bei welchem be- 
sonders der Mitteldarm (Fig. 74c) zu einem weiten, massigen Behält- 
nisse für die reichliche Pflanzennahrung ausgebildet ist. 


Ebenso wie manchen Imagines durch Verkümmerung der Mund- 
öffnung die Nahrungsaufnahme see ist, sehen wir bei einer Reihe 
von ae welche eine nur geringe Kothmassen hinterlassende 
Nahrung geniessen, z.B. bei Bienen, en Blattlaus- und Ameisen- 
löwen, Chrysopa ua] Myrmeleon, die Abgabe von Koth während des 
Larveniebent dadurch gehindert, dass keine offene Verbindung zwischen 
Mittel- und Hinterdarm besteht. Der Enddarm der im esse lebenden 
Larven mancher Libellen ist mit Tracheenkiemen (siehe S. 96) ver- 
sehen und vermittelt also die Athmung. 

Bei vielen Larven sind die Speicheldr üsen ungemein stark aus- 


gebildet und ein Paar derselben in grosse Schläuche verwandelt, welche 
ein fadenziehendes, später an der Luft oder im Wasser erhärtendes 


a ee 


ne 


Form, Bau und Leben der Larven. 95 


Secret liefern; man nennt sie Spinndrüsen (Fig. 74a‘). Sie erzeugen 
die Seide, aus welcher die Larven sich vielfach sowohl Larven- 
wohnungen bereiten, als auch ihre Cocons spinnen, an der sie sich 
von erhöhten Orten herablassen, oder mit welcher sie fremde Körper 
zu Larven- oder Puppenhüllen verbinden. 

Die von den Larven sich selbst bereiteten Wohnungen können 
in zwei Formen vorkommen. Entweder sind es Einzelwohnungen 
oder Gesellschaftswohnungen. Die Einzelwohnungen sind ent- 
weder ganz einfache Schlupfwinkel, Erdlöcher, z. B. die Höhlen der 
Cieindelenlarven — oder in die Nahrungsquelle gefressene Gänge — 
Borkenkäfer und Rüsselkäfer — oder es sind durch Spinnfäden zu- 
sammengezogene Blätter — Wicklerraupen —, oder es sind besondere 
Gehäuse, welche aus meist durch Spinnfäden oder Kitt verbundenen 
fremden Körpern bestehen. Diese werden alsdann häufig von der 
frei beweglichen, mit ihrem Vordertheil aus dem Gehäuse sich vor- 


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Fig. 74. Darmcanal nebst Anhängen der Raupe von Bombyx pini L. Nach Suckow. 

a Speicheldrüse, a‘ Spinndrüse, 5 Schlund, c Mitteldarm, % Dünndarm, % Mastdarm, 

i Harngefässe, von denen zwei Paar der rechten Seite und alle linksseitigen ab- 
geschnitten erscheinen. 


streckenden Larve mitgeschleppt. Besonders bekannt sind die „Säcke” 
vieler Raupen aus der Familie der Psychidae, — wir erwähnen die aus 
Sand gebauten, schneckenartigen Hüllen der Raupe von Psyche helix Sıre. 
(Fig. 87 B) und die aus dem aufgehäuften Kothe zusammengefügten 
Larvenhüllen mancher Käfer, z.B. des bekannten Lilienhähnchens, Lema 
merdigera L.— und die aus einem secernirten, flüssig bleibenden, schau- 
migen Schleim bestehenden Hüllen der Schaumeicade, Aphrophora 
spumaria L., welche im Volke als Kukuksspeichel bekannt sind. 

Die Gesellschaftswohnungen sind meist aus Spinnfäden bereitet, 
dienen entweder nur als zeitweiliger Aufenthalt — so die Raupen- 
nester der Processionsraupe und die Ueberwinterungsnester des Gold- 
afters, Liparis chrysorrhoea L. — oder als dauernder — die mit Koth 
durchsetzten Gespinnste der geselligen Larven der Gattung Lyda unter 
den Blattwespen. 

Das Tracheensystem der Larven ist in seinen allgemeinen 
Zügen dem der Imagines ähnlich, dagegen ist häufig Zahl und An- 
ordnung der Stigmenpaare eine ganz abweichende, 


96 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten. 


Zunächst ist bei sehr vielen Larven ein den Imagines regel- 
mässig fehlendes Stigmenpaar am Prothorax vorhanden, während die 
der Imago zukommenden Meso- und Metathoraxstigmen fehlen. Zugleich 


Fig. 75. Raupe des Kiefernspinners mit ihren acht Gliedmassenpaaren, von denen 

die drei ersteren (5 bis 7) Brustfüsse, die übrigen fünf Paar (8 bis 12) Afterfüsse. Die 

vier ersten Gliedmassenpaare, Fühler und drei Kieferpaare, sind in dieser Ansicht 

nicht darstellbar. Der Prothorax, sowie die acht ersten Abdominalsegmente zeigen 
je ein Luftloch. 


sind die Abdominalstigmen deutlich entwickelt. Dies ist z. B. bei 
allen Schmetterlings- und Käferlarven der Fall (vergl. Fig. 75, sowie 
Taf. I, Fig. 14 L) 


In anderen Fällen bleibt blos das erste, am Prothorax gelegene 
Stigmenpaar, sowie das letzte Paar Hinterleibsstigmen übrig. So ist 
es (Fig. 73) bei den vielen Fliegenlarven, bei denen das letzte 
Stigma dann gewöhnlich sehr gross und deutlich ausgeprägt ist. Ein 
gutes Beispiel hiervon liefern besonders die Oestridenlarven. Im extremsten 
Falle schwinden dann auch die Prothoraxstigmen, und nur das hinterste 
Paar des Abdomens bleibt. 
Eine Verlängerung der 
Hinterleibsstigmen in lange 
Athemröhren, welche der 
Larve gestatten, dauernd 
in einer gewissen Tiefe 
unterhalb der Oberfläche 
der Flüssigkeit, in welcher sie lebt, zu verharren und dabei doch 
zugleich durch die an die Oberfläche gehobene Oefinung der Röhre 
zu athmen, ist in diesem Falle sehr häufig. So z. B. bei den Larven 
von Eristalis, Ptychoptera (Fig. 76) und Culex. 


Fig. 76. Larve von Ptychoptera contaminata L. 
nach BRAUER. « Athemröhre. 


Es kommen aber auch wasserbewohnende Insektenlarven vor, 
bei denen sämmtliche Stigmenöffnungen geschlossen, beziehungsweise 
überhaupt geschwunden sind; dafür haben diese Larven aber blatt- 
artige oder büschelförmige Anhänge (Fig. 77 und 85 A), in welche 
Seitenäste eines Tracheenlängsstammes eintreten und sich verästeln, 
Es sind dies die Tracheenkiemen. Gewöhnlich sind dieselben 
paarig an den Seiten der Hinterleibssegmente oder der Brustringe 
angebracht. Bei den Agrioniden unter den Libellen sind dagegen drei 
am Caudalsegment befestigte Kiemenblätter vorhanden und bei den 
Aeschniden sind die Tracheenkiemen in sechs Doppelreihen im After- 
darm angebracht. 


0 


Einzelheiten über den Bau der Larven. 97 


Das Nervensystem der Larven weicht häufig von dem der 
Imago ab. Man kann im wesentlichen zwei Typen unterscheiden. 
‘Bei den meisten Hymenopterenlarven, vielen Käferlarven und allen 
Schmetterlingsraupen sind 12 bis 13 gesonderte, nur durch doppelte 
Längscommissuren zum Bauchmarke vereinigte Nervenknotenpaare vor- 
handen, von denen das erste als oberes, das zweite als unteres Schlund- 
ganglion im Kopfe gelegen sind, das dritte bis fünfte den Brust- 
segmenten und die übrigen dem Hinterleibe zukommen. 


SEN 
N 
N 
ib 
Fig. ‚77. Tracheenkiemen Fig. 78. A Kopf einer Schmetterlingsraupe 
der Larve von Baetis bino- jederseits mit einer Gruppe gehäufter 
culatus L. nach Parm&n. a Punktaugen, B Kopf einer Blattwespen- 
Kiemenblätter, 5 Tracheen- Afterraupe mit einem Punktauge jederseits ; 
längsstamm, c Stämme, beide haben kleine, seitliche Fühler. 


welche die Kiemenblätter 
versorgen, e Darm. 


Im anderen, selteneren Falle besteht das Nervensystem aus einem 
oberen Schlundganglion und einer grossen centralen Nervenmasse im 
Thorax, welche bald völlig ungegliedert ist, bald durch Einschnitte 
in eine Reihe von Nervenknoten zerlegt erscheint. Dieser Fall ist am 
ausgeprägtesten bei manchen Zweiflüglerlarven, kommt aber in der 
zu zweit erwähnten Abart auch bei vielen Käferlarven, z. B. den 
Borkenkäferlarven vor. 

Die Sinnesorgane-der Larven sind im allgemeinen weniger 
gut ausgebildet, als die der Imagines, namentlich sind durchschnittlich 
die Taastorgane, also Fühler und Taster, kleiner als bei der Imago. 
Geruchs- und Geschmacksorgane sind mit Sicherheit bis jetzt bei den 
Larven nicht nachgewiesen, dagegen sind Nervenstifte, also Gehör- 
organe an verschiedenen Körpertheilen verschiedener Larven durch 
GRABER aufgefunden worden. 

Am besten bekannt sind die Gesichtsorgane der Larven. Bei 
den der Imago sehr ähnlichen Larvenformen sind auch die Augen der 
Larve denen der Imago im wesentlichen gleichwerthig, es kommen 
ihnen gleichfalls ein Paar Netzaugen und eventuell scheitelständige 
Punktaugen zu. In den Fällen aber, in welchen die Larven von der 


Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde, 7 


98 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten. 


Imago stark abweichen, fehlen die scheitelständigen Punktaugen ganz und 
die Netzaugen sind durch paarig angeordnete aeen oder Punkt- 
augengruppen vertreten oder fehlen So sehen wir z. B. an 
dem Kopfe der Blattwespenraupe (Fig. 78B) jederseits nur ein Punkt- 
auge, und bei den Schmetterlingsraupen ist jedes Netzauge durch einen 
Haufen von fünf einzelnen Punktaugen vertreten (Fig. 78 A). Viele 
Larven sind dagegen völlig blind. 


Die Anlagen der Geschlechtsorgane sind schon früh kennt- 
lich, entbehren aber, wie oben gesagt, fast stets der Ausführungsgänge. 
Sollten diese, wie bei manchen Insekten mit unvollkommener Meta- 
morphose, in späteren Larvenstadien doch schon angelegt sein, so ist 
ihre äussere Oeffnung verschlossen. 


Metamorphose der Larve im allgemeinen. Da jede neu- 
geborene Insektenlarve, wie wir sahen, von der erwachsenen Imago ver- 
schieden ist, mag diese Verschiedenheit auch noch so gering sein, so 
muss sie eine Reihe von Umwandlungen durchlaufen, um zur Imago zu 
werden. Diese Umwandlungen nennt man Metamorphose. Wenn man 
in älteren Schriften von Insekten ohne Verwandlung liest, so kommt dies 
daher, dass früher nur diejenigen Verwandlungen als Metamorphose 
bezeichnet wurden, bei welchen sehr bedeutende Veränderungen vor 
sich gehen. Es ist dies also eine volksthümliche Ausdrucksweise, welche 
dieselbe Berechtigung hat, wie der Ausspruch, dass der Vogel keine Meta- 
morphose habe, dagegen dem Frosche eine solche zukomme. Aber auelı 
der junge Sperling erleidet, vom wissenschaftlichen Standpunkte aus be- 
trachtet, eine ganze Reihe von Umwandlungen, ehe er zum erwachsenen 
Vogel wird, und nur quantitativ, nicht qualitativ unterscheidet sich seine 
Entwicklung von der Verwandlung der Kaulquappe zum Frosche. 

Das Larvenstadium ist das Stadium der Ernährung. In ihm sammelt 
das aus einem kleinen Ei entstandene Thier durch eigene Nahrungs- 
aufnahme diejenige Körpermasse, aus welcher der verhältnissmässig grosse 
Leib des erwachsenen Insektes aufgebaut ist. 

Nach Lyoxer ist die reife Weidenbohrer-Raupe ohngefähr 72 000 
Mal schwerer, als das neu ausgeschlüpfte Räupchen, und die Schmeiss- 
fliegenlarve kann in 24 Stunden um das 200fache ihres Anfangsgewichtes 
zunehmen. 

Es fällt daher auch das gesammte Körperwachsthum des Einzel- 
insektes in diese Zeit hinein. Da aber die fertige Chitincuticula nur 
wenig oder gar nicht ausdehnungsfähig ist, so tritt jedesmal, wenn die 
Körpermasse der Larve so weit zugenommen hat, dass die ursprüngliche 
Cutieula dieselbe nicht mehr zu fassen vermag, eine Häutung ein. Die 


Metamorphose im allgemeinen und unvollkommene Metamorphose. 99 


alte Chitineutieula hebt sich zunächst von ihrer Matrix, der Hypodermis 
ab, und die Hypodermiszellen sondern neue Cutieularsubstanz auf ihrer 
Oberfläche ab. Ist dieser Vorgang weit genug vorgeschritten, so zerreist 
die alte Cuticula und die Larve tritt aus ihr heraus. Der von dem Drucke 
der alten Cuticula befreite Larvenleib dehnt sich nun entsprechend seiner 
inneren Zunahme an Substanz aus, wobei die noch nicht erstarrte, frisch 
abgesonderte Cutieularsubstanz nachgibt, und die Larve erscheint nun, plötz- 
lich gewachsen, in neuem Gewande, welches, anfänglich noch hellfarbig und 
weich, sich bald färbt, erstarrt und zu einer ebenso unnachgiebigen Körper- 
decke wird, wie die alte Cutieula. Diese Häutung erstreckt sich auch auf 
die Cuticularauskleidung des Darmecanales und der Tracheen. Da die Los- 
lösung der alten Cuticula und die Bildung der neuen ein ziemlich tief . 
in die Lebensverrichtungen der Larve eingreifender Vorgang ist, so wird 
die Larve kurz vor jeder Häutung träge, entleert ihren Darm, hört zu 
fressen auf und scheint zu kränkeln. Nur die Hymenopterenlarven mit sehr 
zarter Cuticula scheinen sich während des Larvenlebens nicht zu häuten. 

Zeigen also auch die Häutungen gewisse Abschnitte in der Ver- 
wandlung an, so ist die innerliche Verwandlung selbst doch eine stetige. 


Die unvollkommene Metamorphose. Bei Insekten, deren Larven- 
form der Imago schon ziemlich nahe steht, sind alle zwischen die erste 
Larvenform und die Imago eingeschobenen Jugendstadien freibeweglich 
und nehmen Nahrung auf. Die verschiedenen Larvenformen bilden ferner 
einen allmäligen, gleichmässigen Uebergang zwischen erster Larvenform 
und Imago. Eine solche Metamorphose nennt man mit Rücksicht darauf, 
dass eben der Umfang der von dem Thiere durchlaufenen Umbildungs- 
processe ein geringer ist, eine unvollkommene Metamorphose, 


Als einfaches Beispiel einer solchen Verwandlung wählen wir 
die einer Feldheuschrecke (Fig. 79). Die dem Ei A entschlüpfende 
Larve B ist dem Mutterthiere bereits in seinen wesentlichen Zügen 
ähnlich, hat aber einen sehr grossen Kopf und nur 12 Fühlerglieder. 
Meso- und Metathorax tragen keine Spur von Flügeln und sind zu- 
sammen ohngefähr so lang, als der Prothorax. Mit der ersten Häutung 
tritt die Larve in das zweite Stadium C; es dehnt sich nun das Ab- 
domen etwas aus, so dass der Kopf im Verhältniss kleiner erscheint. 
Der Hinterrand des Prothorax schiebt sich faltenartig über den vor- 
deren Theil des Mesothorax, und die Antennen haben 16 Glieder. 
Bei der nun eintretenden zweiten Häutung tritt die Larve in das 
dritte Stadium D. Die Antennen bleiben in demselben 16gliederiz, 
dagegen ziehen sich die hinteren und unteren Ecken des Meso- und 
Metanotum in kleine lappenartige Vorsprünge aus, die ersten An- 
lagen der Flügel (D, b und e). Die dritte Häutung lässt die Larve 


7x 


[ 


100 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten. 


in das vierte Stadium E übertreten. In diesem hat die Larve 20 Fühler- 


glieder, und die nun bereits stärker gewachsenen Flügelstummel 
sind nach oben umgeschlagen, so dass die Anlage der Hinterflügel 
ce‘ einen Theil der Vorderflügelanlage 5b’ deckt. In dem mit der 
vierten Häutung beginnenden fünften und letzten Stadium F erhält die 
Larve ein weit nach hinten vorspringendes Halsschild, die Flügel- 
stummel sind gewachsen, aber noch in ihrer alten Lage, die Fühler 
haben 22 Glieder. Bei der letzten oder fünften Häutung erscheint nun 


Fig. 79. Die unvollkommene Metamorphose einer Feldheuschrecke nach Ewmerron. 

A Ei. B bis F die fünf Larvenstadien. @ das erwachsene Thier. a, 5, ce die drei 

Ringe der Brust. b‘ Vorderflügel, c‘ Hinterflügel. Die den Fühlern beigedruckten 
Zahlen bezeichnen die Anzahl der Fühlergl’eder. 


die vollkommene Imago @ anfänglich weich, mit noch dicht zusammen- 
gefalteten Flügeln, welche sich aber bald ausdehnen und nach 
geschehener Erhärtung zurecht legen, so dass die Vorderflügel oder 
pergamentartigen Flügeldecken nun die Hinterflügel vollkommen 
decken. Die Imago hat 26 Fühlerglieder. 

Die vollkommene Metamorphose. Bei vielen Insekten, bei denen 
die Larve von der Imago sehr verschieden ist, kann man dagegen 
zwei scharf getrennte Abschnitte der Metamorphose unterscheiden. Die 
ersten Jugendformen, meist fünf an der Zahl, gleichen einander in ihrem 
Bau fast vollkommen, und unterscheiden sich meist nur durch die 
Grössenverhältnisse von einander. Sie sind sämmtlich freibeweglich und 
nehmen Nahrung zu sich. Durch die vorletzte Häutung, welche das 


ee 


Unvollkommene und vollkommene Metamorphose. 101 


Insekt durchmacht, verwandelt sich dagegen das Thier in ein an allen 
Körpertheilen der Imago bereits wesentlich gleichendes Geschöpf, welches 
aber keine Nahrung mehr zu sich nimmt, zu einem activen Leben un- 
fähig und fast bewegungslos ist. Dieses Ruhestadium heisst Puppe oder 
Nymphe, pupa, nympha, chrysalis. Eine Metamorphose, in welcher ein 
solcher, Ruhezustand, der Puppenzustand, eingeschoben ist, nennt man 
eine vollkommene Metamorphose. 


C B A 


SAN A) 
} 


NR 


UN 
N 


N 
IN 
III 


Fig. 80. Die vollkommene Metamorphose des männlichen Kiefernspinners. A Ei. 

B bis F die fünf Raupenstadien. G die Puppe von der Seite, @* dieselbe von unten 

gesehen. 4 der eben ausgeschlüpfte Falter, vor Entfaltung der Flügel. Die Zahlen 
bezeichnen die Gliedmassenpaare. F’ Vorderflügel, F” Hinterflügel. 


Wir wählen als Beispiel einer solchen die Entwicklung des männ- 
lichen Kiefernspinners (Fig. 80). Das aus dem im Hochsommer gelegten 
Ei A geschlüpfte 16füssige Räupchen B macht nach einander vier 
Häutungen durch, von denen zwei noch in den Herbst des Geburts- 
jahres fallen, die beiden anderen dagegen in den folgenden Frühling. 
Hierbei wächst die Larve von circa 6 mm bis auf SO mm Länge heran. 
Bei seiner Geburt durch die Zeichnung von der erwachsenen Raupe 
noch deutlich unterschieden, nimmt sie bereits bei der ersten Häutung 
alle Auszeichnungen der letzteren an, so dass sich die vier Stadien 
C bis F in Fig. SO lediglich durch die Grösse unterscheiden und ein- 
ander viel ähnlicher sind, als die entsprechenden Jugendstadien C bis F 
bei der Feldheuschrecke (Fig. 79.) Die fünfte Häutung ist es, welche 


102 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten. 


den definitiven Wendepunkt der Entwicklung bringt. Nach Abstreifung 
der alten Haut erscheint nun die bekannte Puppe @, aus welcher 
nach einer dreiwöchentlichen Ruhe der Schmetterling 7 ausschlüpft, 
anfänglich noch mit zusammengeschrumpften, kleinen, weichen Flügeln, 
welche aber bald, durch Eintreibung von Luft in die innerhalb ihres 
Geäders verlaufenden Tracheen ausgebreitet, erhärten und nun dem 
Schmetterling das auf Taf. III 7Z dargestellte Aussehen verleihen. Ganz 
ähnlich verläuft die Entwicklung des Maikäfers: der aus dem Ei 
geschlüpfte junge Engerling (Taf. Il, Fig, 14 L*) verwandelt sich, 
allmälig wachsend, durch eine Reihe von Häutungen zu dem im 
wesentlichen der neugebornen Larve bis auf die bedeutendere Grösse 
völlig gleichen erwachsenen Engerling (Taf. II, Fig. 14 L), der durch 
die nun folgende Häutung plötzlich in die Puppe (Taf. II, Fig. 14 P) 
übergeht. Die Puppe verwandelt sich durch eine weitere Häutung in 
die bekannte Imago des Maikäfers. 


Die Puppe. Als Puppe bezeichnet man, wie wir eben sahen, das 
dem Imagostadium vorhergehende, keine Nahrung aufnehmende und kein 
actives Leben führende, vielmehr ruhende Jugendstadium vieler Insekten. 
Die Puppe ist der Imago viel ähnlicher als dem letzten Larvenstadium, 
aus dem sie entstanden ist, und zeigt stets bereits dieselbe Körper- 
eintheilung und dieselbe Anzahl von Gliedmassen und Flügeln, wie die 
Imago. Man unterscheidet zwei Hauptformen von Puppen, freie und 
bedeckte. Als freie Puppe, pupa libera, bezeichnet man eine solche, 
bei welcher sämmtliche Gliedmassen frei von dem Rumpfe abstehen, wie 
bei dem erwachsenen Thiere (Taf. II, Fig. 5, 6, 12 und 14 P, Taf. VI, 
Fig. 4 P). Hierher gehören alle Käfer- und Hymenopteren-, sowie die 
Dipterenpuppen. Als bedeckte Puppe, pupa obtecta, bezeichnet man 
eine solche, bei welcher die auch hier bereits deutlich ausgebildeten Glied- 
massen derartig dem Körper angelegt oder, um einen trivialen, aber 
bezeichnenden Ausdruck zu gebrauchen, angebacken sind, dass die Chitin- 
cuticula gleichmässig über sie wegzugehen scheint. Dies ist bei den 
Schmetterlingspuppen der Fall. 

Auch für die Schmetterlingspuppen, die scheinbar von der Imago 
so sehr verschieden sind, gilt völlig der eben aufgestellte Satz, dass 
die Puppe bereits dieselbe Segmentengruppirung und dieselben Leibes- 
anhänge zeigt, wie die Imago. Am deutlichsten sieht man dies, wenn 
es glückt, die Schmetterlingspuppe in dem Momente zu überraschen, 
in dem sie die Larvenhaut abstreift; sie ist dann gewissermassen noch 
eine pupa libera und zeigt eine viel grössere Uebereinstimmung mit 
dem Schmetterling, als in dem eigentlichen fertigen Puppenstadium. 


Auf Fig. 81 A und A’ ist eine solche, eben der Raupenhaut entschlüpfte 
Puppe des Kiefernspinners abgebildet, bei welcher Fühler, Mund- 


BE 


Vollkommene Metamorphose, Puppe, Cocon. 103 


werkzeuge, Beine und Flügel noch deutlich vom Leibe abstehen und 
die Hinterleibsringe noch nicht so weit in der Längsrichtung zusammen- 
geschoben sind, wie dies bei der fertigen Puppe der Fall ist, bei 
welcher auch z. B. das dritte Beinpaar und das zweite Flügelpaar 
fast völlig von dem ersten Flügelpaar verdeckt wird. 

Aus dieser Thatsache, dass die Theile der Puppe sich bereits 
unter der Haut des letzten Larvenstadiums anlegen und die Puppe 
eben alle Theile des Schmetterlings besitzt, erklärt sich auch die 
hübsche, früher als höchstes Wunder angestaunte Geschichte, wie es 
dem berühmten JoHANNn SWAMMERDANM zu Amsterdam gelang, im Jahre 
1668 dem Grossherzog von Toscana zu zeigen, „wie ein Zwiefalter 
mit seinen zusammengerollten und verwickelten Theilen in einer 
Raupe steckt”. 


Fig. 81. Der Kiefernspinner. A Eben der Raupenhaut entschlüpfte Puppe, von der 

Seite, A’ dieselbe von unten. D fertige Puppe, von der Seite, D’ dieselbe von unten. 

(© eben ausgeschlüpfter Schmetterling. 7 Fühler, 3 Mittelkiefer (Saugrüssel), 5 bis 7 
die Brustfüsse, #" Vorderflügel, F“' Hinterflügel. ö 


Die Verwandlung der Larve in eine Puppe geht entweder ganz 
frei an einem beliebigen Orte, häufig auch in einem von der Larve 
bereiteten oder von der Brutpflege übenden Mutter zubereiteten Schlupf- 
winkel vor sich, oder die Larve heftet sich vor Beginn ihrer Häutung an 
einem fremden Gegenstande fest, oder aber es verläuft die Verwandlung 
in einer besonderen, von der Larve abstammenden Hülle. Diese Hülle 
kann entweder die ausgebaute und verschlossene Larvenwohnung (vergl. 
S. 95) sein, oder sie ist ein besonders zum Zwecke der Verpuppung ver- 
fertigter Cocon. Bei dem Bau des letzteren sind meist die modifieirten 
Speichel-, beziehungsweise Spinndrüsen betheiligt, deren Seeret entweder 
dazu dient, fremde Körper zum Cocon zu verkitten, oder zu Fäden aus- 
gezogen zum Bau eines richtigen, mehr weniger dichten, gesponnenen 
Cocons, wie wir es am besten vom Seidenspinner kennen, verwendet wird. 
In einem solchen Cocon finden wir dann immer die abgeworfene letzte 
Larvenhaut neben der Puppe liegen. 

Bei vielen Zweiflüglern wird dagegen kein eigentlicher Cocon er- 
zeugt, sondern die letzte Larvenhaut hebt sich von der unter ihr gebil- 


104 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten. 


deten freien Puppe ab, bläht sich auf und erhärtet zu einem sogenannten 
Tönnchen. Dieses Tönnchen vertritt dann den Cocon. 


Larven, welche sich ohne irgend ein Gespinnst verpuppen, ziehen 
sich häufig in die Bodendecke, in Rindenritze, unter Steine u. s., f. 
zurück. Als von der Larve besonders bereitete Schlupfwinkel für die 
Verpuppung können wir die Puppenwiegen bezeichnen, welche z.B. 
von den Borkenkäfer- und vielen Rüsselkäferlarven am Ende der Larven- 
gänge genagt und mit Nagespänen ausgepolstert werden. 


Eine Verpuppung in den ausgebauten Larvenwohnungen ist recht 
häufig. Wir führen als Beispiele an die wasserbewohnenden Larven 
der Köcher- oder Frühlingsfliegen, Phryganodea, die Larven mancher 
Blattkäfer, z. B. die in Ameisenhaufen lebende von Clythra quadri- 
punctataL., welche das aus ihren Exerementen verfertiste Gehäuse als- 
dann mit einem Deckel verschliesst, viele sacktragende Raupen, z. B. die 
Gattung Psyche und Verwandte, und unter den forstschädlichen Klein- 
schmetterlingen die Lärchenminirmotte Coleophora laricella Hex. 


Unter den ausschliesslich zum Zwecke der Verpuppung her- 
gestellten Gespinnsten sind die aus Seidenfäden hergestellten Cocons 
die bekanntesten. Besonders bei den Schmetterlingen kann man alle 
Stufen dieser Gespinnste, von einem einfachen, die Puppe an der Unter- 
lage befestigenden Gürtelfaden an — so bei dem Kohlweissling, Pieris 
Brassicae L. — bis zu lockeren, aus wenig Fäden bestehenden — 
bei Nonne (Taf. IV, Fig. 1 P) und Schwammspinner (Taf. V, Fig. 1 P) 
— und zu dichten, mit abgebissenen Raupenhaaren durchsetzten Ge- 
spinnsten — Kiefernspinner (Taf. III C) — finden. Manche Raupen 
kleiden das Innere ihrer Cocons auch noch mit einer kittartigen, sehr 
festen Substanz aus; um dem Schmetterling das Verlassen solcher sehr 
fester Hüllen zu erleichtern, ist öfters eine besondere Oeffnung am 
Cocon ausgespart — so bei dem Nachtpfauenauge, Saturnia pavonia L., 
bei welchem die Oeffnung, wie diejenige mancher Mausefallen, durch’ 
Stachelfäden derartig verschlossen ist, dass der ausschlüpfende Schmetter- 
ling zwar heraus, fremde Eindringlinge aber nicht hinein können — 
oder aber es ist ein besonderer, nur durch wenige Spinnfäden an- 
gefügter Deckel vorgebildet. 


Ausserdem verpuppen sich in seidenen Gespinnsten sehr viele 
Hymenopteren. Am bekanntesten sind die seidenen Cocons vieler 
Ameisen, vom Volksmunde fälschlich ‚Ameiseneier’”’ genannt; forst- 
lich am häufigsten erwähnt werden die gehäuften Cocons der 
dem Kiefernspinner nachstellenden Schlupfwespchen aus der Gattung 
Microgaster (Taf. III $‘%. Die in Wabennestern lebenden Larven 
der geselligen Bienen und Wespen verschliessen die Oeffnung ihrer 
Zellen mit einem gesponnenen Deckel, auch bei manchen Käfern, z. B. 
bei der Gattung Donacia und bei dem Floh kommen solche Puppen- 
gehäuse vor. In allen diesen Fällen sind die Spinnorgane modifi- 
eirte Speicheldrüsen. Bei der Larve des Ameisenlöwen, Myrmeleon, 


Cocon, Tönnchenpuppe. 105 


und Verwandten werden die Spinnfäden hingegen von einem am Mast- 
darm befindlichen Spinnorgan verfertigt. 

Gesellig lebende und hierbei Gesellschaftswohnungen spinnende 
Larven legen ihre Cocons mitunter auch in diesen an, so z. B. der 
Eichenprocessionsspinner, Cnethocampa processionea L. 

Ebenso wie viele Larvengehäuse, so werden auch viele Cocons 
durch Verklebung von fremden Materialen mit Drüsenseereten her- 
gestellt. Als sehr bekanntes Beispiel wollen wir die aus Holzstückchen 
und Erde hergestellten Cocons der Rosenkäfer, Cetonia, erwähnen. 

Auch die Anfertigung der Cocons findet häufig nach dem Prineip 
der schützenden Aebnlichkeit (vergl. S. 41) statt. Am auffallendsten 
sind auch hier wohl die exotischen Beispiele. So hat z. B. Krrrer 
zwei australische Schmetterlingseocons beschrieben, von denen das 
eine täuschend die Losung des Riesenkängurus, das andere die trockene 
Frucht der, Nährpflanze der Raupe nachahmt. 


ENTE 


Tr 


2 


ner 


der Larvenhaut, sowie die vorderen und hinteren Stigmen, st und s“, erkennt. B die 
in diesem Tönnchen eingeschlossene freie Puppe. °/, nach PAckArp. 


Die bei einer grossen Anzahl von Zweiflüglern innerhalb der 
letzten Larvenhaut vor sich gehende Verpuppung hat Anlass gegeben, 
die in den aus letzteren sich bildenden Hüllen, in Tönnchen (Fig. 82 A) 
eingeschlossenen Puppen als eine besondere Art hinzustellen und als 
Tönnchenpuppen, pupae coarctatae, zu bezeichnen. Es ist dies aber 
insofern falsch, als gar nicht das Tönnchen mit seinem Inhalt, 
vielmehr blos sein Inhalt, die eigentliche Puppe, welche ebenso 
gut eine freie Puppe, pupa libera, ist, als z. B. die der Käfer, den 
anderen Puppen gleichwerthig ist. Am besten ist dies aus Fig. 82 zu 
erkennen, auf welcher bei B die freie, mit abstehenden Gliedmassen 
versehene, aus dem Tönnchen genommene Puppe der Stubenfliege 
deutlich zu erkennen ist. 


Hypermetamorphose und verwandte Erscheinungen. Obgleich 
die vollkommene und die unvollkommene Metamorphose meist als scharf 
geschiedene Arten der Entwicklung hingestellt werden, so sind sie in 
Wirklichkeit doch durch mancherlei Uebergänge verbunden. 

Am klarsten erkennt man dies bei den bienenartigen Thieren. 
Die Verwandlung dieser wird gewöhnlich als vollkommene Meta- 
morphose bezeichnet, weil dem Imagozustand eine deutlich ausgebildete 
freie Puppe vorhergeht (Fig. 83 C); diese Puppe entsteht aber nicht 
so direct aus dem letzten Larvenstadium (Fig. 83 A), wie z. B. die 
Schmetterlingspuppe aus der Raupe, vielmehr ist zwischen beide ein 


106 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten. 


Zwischenzustand (Fig. 83 B) eingeschoben, an welchem bereits die 
Leibesanhänge der Imago angelegt sind, aber in viel rudimentärerer 
Form als bei der eigentlichen Puppe. Dieser schon seit längster Zeit 
bekannte, meist aber in den Lehrbüchern völlig vernachlässigte 
Zustand wird passenderweise als Halbpuppe, semipupa s. pseudo- 
nympha, bezeichnet. Sie fehlt übrigens allen Blattwespen. Bei letzteren 
dauert es dagegen oft lange, ehe die eingesponnene Larve wirklich die 


Fig. 83. Die Verwandlung der Hummel nach Packarv. ?/,. A ausgewachsene, 


fusslose Larve. 3 die Halbpuppe mit stummelförmigen Leibesanhängen. (€ die 
eigentliche freie Puppe mit den deutlich ausgebildeten Gliedmassen der Imago. 


Larvenhülle abwirft und als Puppe erscheint. Man findet daher besonders 
in den überwinternden Blattwespencocons häufig noch die zusammen- 
gezogene Larve (Fig. 84 A). 


Ausgehend von der Anschauung, dass die normale, vollkommene 
Metamorphose immer nur das Ei, eine Larvenform, die Puppe und die 
Imago umfasse, hat man nach dem 
Vorgang von FaApre eine Meta- 
morphose, bei welcher eine grössere 
Zahl deutlich verschiedener Ent- 
wicklungsstadien vorhanden ist, als 
Fig. S4. Cocon einer Blattwespe. A Pe U en 
mit der noch nicht verpuppten Larve. n diesem Sinne kann man dıe Einnt- 

B mit der Puppe. ?/.. wicklung der Hymenopteren mit 

Halbpuppe auch als Hypermetamor- 
phose ansehen, desgleichen auch die gewöhnlich unter die unvoll- 
kommenen Metamorphosen gerechnete Verwandlung der Eintagsfliegen, 
Ephemeridae. Fehlt hier auch streng genommen eine Puppe, so treten 
andererseits zunächst eine sehr grosse Reihe von Larvenhäutungen, 
bis zwanzig, auf, und zwischen die fortpflanzungsfähige Imago und die 
Larve ist ein neues, gleichfalls geflügeltes und auch flugfähiges Ent- 
wicklungsstadium eingeschoben, welches als subimago bezeichnet wird. 
Die Larve (Fig. 85 A) kommt auf die Oberfläche des Wassers, streift 
ihre letzte Larvenhaut ab und fliegt als Subimago fort, um sich bald 
niederzulassen, nochmals zu häuten (Fig. 85 B) und erst dann ihr kurzes 
eigentliches Imagoleben zu beginnen. 


Begründet wurde übrigens der Begriff der Hypermetamorphose 
durch Fagre gelegentlich seiner Forschungen über die Entwicklung 
der Käfer aus der Familie der Meloidae. Als Beispiel diene die Ver- 


| 


Halbpuppe und Hypermetamorphoses 107 


wandlung der unserer spanischen Fliege verwandten Gattung Sitaris 
(Fig.86). Aus dem am Eingang von Bienennestern durch das Sitaris- 
weibehen abgelegten Ei schlüpft eine kleine sechsbeinige Larve A 
heraus. Diese dringt activ in das Bienennest, nimmt eine Brutzelle 
desselben ein und verzehrt das dort befindliche Bienenei. Nachdem 
sie so ihre erste Nahrung genommen, häutet sie sich zum erstenmale 


Fig. 85. A Larve der gemeinen Eintags- Fig. 86. Hypermetamor- 
fliege, Ephemera vulgata L., mit Tracheen- phose von Sitaris nach FArke, 
kiemen, nach Wesrwoop. DB deren männliche Ä erstes sechsbeiniges, 
Imago aus der Subimago schlüpfend. € actives Larvenstadium. D 
Imago von Palingenia virgo OLıv., dem ge- die zweite mit Stummel- 
meinen Uferaas. beinen versehene, maden- 


artige Larve. (’ die folgende 
Tönnchenpuppe. ZD letztes 
madenartiges Larvenstadium. 
E die eigentliche freie 
Puppe. 


und verwandelt sich in ein nur mit kurzen Fussstummeln versehenes, 
madenartiges Geschöpf B, das nun von der in der Brutzelle für 
die ausschlüpfende Bienenlarve aufgespeicherten Nahrung lebt. Bei 
der nun folgenden Häutung bleibt die Larve in der ein Tönnchen € 
bildenden Larvenhaut und wird zu einer festen, aber in der Gestalt 
von der Larve wenig verschiedenen Puppe, in der sich wiederum 
ohne direetes Abwerfen dieser harten Haut eine neue, weichhäutige 
Larve D bildet. Erst diese verwandelt sich in die eigentliche freie 


Puppe E. 


108 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten. 


Die Verwandlung der activen sechsbeinigen Larve in eine fast 
fusslose Made, welche wohl als eine Anpassung an die nun folgende, 
fast parasitische Lebensweise der Larve angesehen werden muss, 
erscheint, wenn man nur die äussere Gestalt beachtet, als ein Rück- 
schritt in der Entwicklung. Ein ähnlicher Rückschritt in der Ent- 
wicklung, aber ohne nachfolgenden Wiederaufschwung zu einer noch 
höheren Form, kommt bei den weiblichen Schildläusen vor, deren 
deutlich sechsbeinige Larvenform zu einer unbeweglich festsitzenden, 
rein als Fortpflanzungsmaschine dienenden, weiblichen Imago wird. Hier 
kann man von einer wirklich regressiven Metamorphose reden. 


Die Verwandlung der Puppe zur Imago. Die inneren Vorgänge 
des Umbaues des jungen 'Thieres zur Imago während der Puppenruhe 
sind noch nicht allseitig erforscht. 


Wir begnügen uns hier mit der Andeutung, dass bei verschiedenen 
Formen der Vorgang ein sehr verschieden intensiver ist, indem bei 
einigen eine directe Umwandlung der Larventheile in die Theile der 
Imago vorkommt, während bei anderen die Larvenorgane wenigstens 
theilweise zerfallen und während der Puppenruhe völlig neu aufgebaut 
werden. So ist es z. B. bei der Gattung Musca und Verwandten. 

Die Verwandlung ist, da die Puppe athmet, also Kohlensäure 
und Wasserdampf ausscheidet, dagegen keine Nahrung zu sich nimmt, 
stets mit einem Gewichtsverluste verbunden, welcher besonders bei 
den Schmetterlingen genau beobachtet und so bedeutend ist, dass der 
Schmetterling in einzelnen Fällen nur ein Viertheil des Gewichtes der 
ausgewachsenen Raupe hat. 

Wenngleich die Puppe als ein Ruhestadium zu bezeichnen ist 
und kein actives Leben führt, so können doch alle Puppen Körperbewe- 
gungen machen und manche Insektenpuppen, welche an solchen Orten 
leben, aus denen sich die Imago nicht ohne Weiteres befreien kann, 
schieben sich vor dem Ausschlüpfen der Imago so weit in das Freie, 
dass die Verwandlung ungestört vor sich gehen kann. So die Puppen 
der holzbewohnenden Schmetterlingsraupen, z. B. die des Weiden- 
bohrers, Cossus ligniperda L., und seiner Verwandten. 

Bei mit kräftigeren Nage- oder Grabwerkzeugen versehenen 
Imagines bleibt dagegen die Puppe meist an ihrer Ruhestätte, und erst 
das erwachsene Thier hat sich aus seinem Schlupfwinkel hervorzu- 
arbeiten. So nagen sich z. B. die Borkenkäfer aus ihrer Rindenwiege und 
die Holzwespen aus dem Inneren des Holzes hervor, während die Mai- 
käfer sich aus der Erde hervorwühlen. Bei den in einem Cocon ver- 
puppten Insekten geht dem Ausschlüpfen eine Eröffnung des Cocons 
voran, welche bei Schmetterlingen mit festem Cocon theilweise durch 
eine Erweichung des Cocons an einer bestimmten Stelle mittelst einer 
von der Imago abgesonderten Flüssigkeit geschieht. 


Bei der Verwandlung springt die Puppenhülle an einer fest be- 
stimmten Stelle auf, und das Insekt arbeitet sich durch eigene Thätigkeit 


Verwandlung der Puppe. Zeitlicher Ablauf der Entwicklung. 109 


heraus. Anfänglich weich und mit noch zusammengefalteten Flügeln, 
erhärtet es bald an der Luft und dehnt die Flügel aus durch Einpumpung 
von Luft in die sie durchziehenden Tracheen. Insekten, deren Färbung 
nicht, wie das bei den Schmetterlingen der Fall ist, durch Schuppen und 
Haare bedingt wird, sind im Anfang matter und heller gefärbt als die 
bereits völlig ausgebildeten. Am besten kann man dies an den Borken- 
käfern erkennen, die, frisch ausgeschlüpft, stets noch gelb sind. Kurz 
nach der Verwandlung erfolgt eine Ausleerung der während der intensiven 
Lebensvorgänge in der Puppe erzeugten Harnsubstanzen, wie man am 
besten an den Schmetterlingen sehen kann, die bald nach dem Aus- 
schlüpfen einen grossen Tropfen gelben oder röthlichen Harnes fallen lassen. 


Zeitlicher Ablauf der Entwicklung. 


Zur vollständigen Kenntniss des zeitlichen Ablaufes der Entwicklung 
eines Insektes gehört die Bekanntschaft mit dessen Flugzeit, Gene- 
ration, Ueberwinterungsstadium und Lebensdauer. 


Flugzeit. Hierunter versteht man im entomologischen und besonders 
im forstentomologischen Sinne die Zeit, in welcher die Imago zur Fort- 
pflanzung schreitet. Der Ausdruck findet seine Rechtfertigung in der 
Beobachtung, dass im allgemeinen die Zeit der Fortpflanzung die gesammte 
Lebenszeit der Imago, des einzigen geflügelten Zustandes, umfasst, und dass 
in denjenigen Fällen, wo dieses nicht stimmt, die Imago doch meist nur 
während der Fortpflanzungszeit von ihren Flügeln ausgiebigen Gebrauch 
macht. Die ohngefähr vierzehn Tage bis drei Wochen währende Lebens- 
dauer des Falters des Kiefernspinners ist ausschliesslich den Geschäften 
der Begattung und Eiablage gewidmet, und der grosse braune Rüssel- 
käfer sucht nur seine Brutstätten im Fluge auf, während er späterhin 
seinen Frassstätten laufend zuwandert. 

Die Flugzeit der einzelnen Insektenarten ist eine sehr verschiedene. 
Während sie z. B. bei der Kieferneule bereits in das zeitige Frühjahr, 
Ende März oder Anfang April, fällt, tritt sie beim Kiefernspinner erst 
im Hochsommer ein, im Juli, und der Frostspanner fliegt im Spätherbst 
von Mitte October wohl bis in den December hinein. Insekten mit mehr- 
facher Generation — siehe weiter unten — haben auch eine mehrfache 
Flugzeit Die Kiefernblattwespe, Lophyrus Pini L., fliegt sowohl im 
April als im Juli und August. Ungünstige Witterung kann den Eintritt 
der Flugzeit verzögern, günstige ihn beschleunigen. Besonders erwacht in 


110 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten. 


zeitigen Frühjahren das Insektenleben gleichfalls zeitiger, als in anderen 
Jahren. 
Im allgemeinen ist die Flugzeit der einzelnen Insektenarten 


annähernd, bei den praktisch beachtenswerthen sogar sehr genau 
bekannt. Indessen fehlt es noch an zusammenhängenden phänologischen 


Beobachtungsreihen. Als Phänologie — abgeleitet von vwaryn, ich 
” * . 3 . [3 [ 
erscheine — bezeichnet man die Lehre von dem zeitlichen Auftreten 


der verschiedenen Erscheinungen der Thier- und Pflanzenwelt im Kreis- 
laufe des Jahres. Seit längerer Zeit werden phänologische Beobachtungen 
über das Insektenleben angestellt, annähernd regelmässig publieirt aber 
nur von einigen der meteorologischen Beobachtungsstationen Oesterreich- 
Ungarns [7]. Die österreichischen Publicationen betreffen aber fast gar 
keine wirklich wichtigen Forstschädlinge. Man findet von letzteren nur 
den Maikäfer, den Heckenweissling, Lacon murinus L. und Lina Populi 
L.., erwähnt, also nur einen wirklich hervorragenden Forstschädling. 


Auf den meteorologischen Stationen im Königreiche Sachsen [2] 
sollen beobachtet werden die Flugzeit des Maikäfers, des grossen 
braunen Rüsselkäfers, Hylobius Abietis L.,und des Borkenkäfers, Tomicus 
typographus L.; auf den forstlich-meteorologischen Stationen des König- 
reichs Preussen und der Reichslande ausserdem noch die des Kiefern- 
markkäfers, Hylesinus piniperda L. |9]. Aber ganz abgesehen davon, 
dass die Beobachtungen nur auf einzelnen Stationen regelmässig an- 
gestellt werden und die Resultate der sächsischen Stationen nur für die 
Jahre 1864—1870 publieirt sind, sind dieselben überhaupt zu wenig 
genau und zahlreich, als dass bereits jetzt aus ihrer Zusammenstellung 
sichere mittlere Werthe für die Erscheinungszeit der einzelnen Insekten 
an den verschiedenen Stationen abgeleitet werden könnten. 


Die phänologischen Beobachtungen der Pflanzenwelt haben er- 
geben, dass innerhalb des Verbreitungsgebietes einer Pflanzenart mit 
winterlicher Ruheperiode der Zeitpunkt der Blatt- und Blüthenentfaltung 
im Mittel längerer Jahre für den einzelnen Ort constant, dagegen an 
anderen Orten mit verschiedenem Klima verschieden ist, und dass der 
Unterschied als dem Unterschiede der mittleren Jahrestemperatur an- 
nähernd proportional angesetzt werden darf. Indessen darf nicht übersehen 
werden, dass hierbei auch noch eine Reihe anderer Faetoren mitspielen und 
einmal je nach der Feuchtigkeit und Besonnung des individuellen 
Standortes grosse Abweichungen vorkommen können, andererseits die 
Witterungsverhältnisse der einzelnen Jahre grössere Verschiebungen 
veranlassen. Dennoch zeigt z. B. die Horrmann’sche „Vergleichende 
phänologische Karte von Mitteleuropa” [6] mit der Purzeer’schen [10] 
„Karte der mittleren Temperaturen des Deutschen Reiches” auffallend 
gemeinsame Züge. Es ist ferner aus den vorhandenen Beobachtungen 
ersichtlich, dass mit zunehmender oder abnehmender nördlicher Breite, 
östlicher Länge und Meereshöhe der Eintritt der Blüthezeit der Pflanzen 
verzögert oder beschleunigt wird. Frrrsch hat nun versucht, die Con- 
stanten dieser mittleren Verzögerung oder Beschleunigung abzuleiten. 


Flugzeit. 743 


Dieselben sind z. B. bei den krautartigen Pflanzen für je 1° nördl. 
Br. = 38, für je 1° östl. L. = 0°4 und für je 1m Meereshöhe = 0:046. 
Nehmen wir z. B. an, die Blüthe einer solehen Pflanze trete in Wien 
durchschnittlich am 1. Mai ein, so würde in Lemberg, welches 1°6° nörd- 
licher, 77° östlicher und 104m höher liegt, die Blüthe dieser selben 
Pflanze eintreten: + 16 X 3:8 + 61 
0A + 31 
+ 104 X 0046= + 48 
—+ 140 d.h. 14 Tage später, 


| 


| 


also am 15. Mai. 


Der von Fritsch auf die Annahme, dass das Insektenleben auf 
das innigste mit dem Pflanzenleben zusammenhängt, gegründete Ver- 
such [4], mit Hilfe der gleichen Constanten die mittlere Verzögerung 
oder Beschleunigung der Erscheinungszeit der Käfer und speciell 
des Maikäfers zu berechnen, wenn man die mittleren Werthe seines 
Erscheinens in Wien zu Grunde .legt, sind dagegen fehlgeschlagen. 
Es ergibt die Rechnung stets einen späteren Termin als die wirkliche 
Beobachtung an dem betreffenden Orte. Auch der in Tharand durch 
uns unternommene Versuch, die Beobachtungen der preussischen forst- 
meteorologischen Stationen in gleichem Sinne zu verwerthen, ergab 
keinerlei brauchbare Resultate. Die vorstehenden Bemerkungen sind 
lediglich deshalb hier eingeschaltet worden, um die Herren Revier- 
verwalter aufmerksam zu machen, welch grosses, fast noch unbebautes 
Feld für wissenschaftliche Beobachtungen hier vorliegt. Es muss aber 
noch hinzugesetzt werden, dass zur Gewinnung für die Praxis verwend- 
barer Resultate es nicht genügen dürfte, die erste Erscheinungszeit 
der wichtigsten Forstschädlinge längere Jahre hindurch aufzuzeichnen, 
sondern dass es namentlich darauf ankommt, die Hauptschwärmzeiten 
derselben zu fixiren. Dies gilt besonders für die Borken- und Rüssel- 
käfer, da nur so die Frage nach der ein- oder mehrfachen Generation 
derselben definitiv gelöst werden kann. 


Unzusammenhängende, aber nichtsdestoweniger sehr werthvolle 


Beobachtungen haben wir in grösserer Menge. So sagt z. B. RATzEBurG 
[XI, p. 358 bis 360]: 


„Hier gibt es für den feineren Beobachter etwas zu rechnen, wenn er es 
nicht vorzieht, den Gang der Temperatur nach der allmäligen Entwicklung der 
Bäume, Hasel, Birke, Hainbuche, Rothbuche, Eiche, oder allgemein verbreiteter 
Pflanzen, Huflattich, Osterblume, Anemone, Oxalis, zu beurtheilen. Nicht blos die 
Mitteltemperatur des ganzen Frühlings — ungefähr: in Nord- und Mitteldeutschland 
7 bis 9°, in Süddeutschland 10°, Südschweiz er entscheidet, sondern auch die 
der einzelnen Monate — März, April, Mai —:in Mitteldeutschland etwa 3, 9, 14°. Der 
sprichwörtlich veränderliche April kann aber auf 10 bis 11! steigen oder unter HN 
herabsinken. Eines der merkwürdigsten Frühjahre war das von 1862 und blieb auch 
nicht ohne entomologische Folgen, z. B. fanden sich von Hyles. piniperda L. schon 
am 3. Mai fertige Gänge und viele Larven; der Fichtenborkenkäfer lieferte zwei volle 
Generationen. Die Buche kam in den 36 Tagen vom 25. März bis 29. April —- 
vorher war Schnee und Eis gewesen — zum vollständigen Ergrünen. Diese 36 Tage 
ergaben ca. 3750 Wärme, es kam also auf jeden Tag 10° 40, während in ge ‚wöhn- 
lichen Jahren, wie 18560 und 1861, wenigstens 45 Tage dazu nöthig sind, da jeder 


112 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten. 


gewöhnlich nur 8°3° hat, die Buche dann also erst vom 8. bis 12. Mai ergrünt. Im 
Jahre 1862 machten sich während jenes Zeitraumes drei Perioden bemerklich: 
1. vom 25. März bis 9. April mit 11°3° tägl. Mitteltemperatur, 2. vom 10. April 
bis 18. April mit 5%, und 3. vom 19. bis 30 April mit 125% In der zweiten, 
retartirenden, hatte ich z. B. am 12. April Morgens 6 Uhr -+ 1'3% und Nach- 
mittags 2 Uhr 6°3°, im Mittel also 3'8°%; am 13. Morgens — 1.30%, Nachmittags 
+ 6:30, im Mittel 2:5%; den 14. Morgens 1'3% und Nachmittags 7°5°%, im Mittel 
4-49 u. s. w. So bestimmte Perioden kommen bei uns sehr selten vor. Die Jahre 
1860 und 1861 waren z. B. auffallend verschieden, denn der März hatte kaum 
einen warmen Tag — 1362 zuletzt täglich + 17:50 — und der April höchstens 
dreimal bis 190%. Daher kamen erst am 2. Mai die ersten Buchenspitzen, und da 
bis zum 8. wieder Kälte einfiel, trat erst nach dem 9. allgemeines Ergrünen ein, 
und erst am 18. langsames Hervorbrechen der Eichen. Frühzeitige Erscheinungen 
im Insektenreiche waren 1862 folgende: Graph. tedella Cr. (hercyniana Ruarz.) 
Flug am 5. Mai, Ret. buoliana S. V. Puppen 15. Mai, Gastr. Pini L. Puppen 
15. Mai, Anthonomus pomorum L. Puppen und Käfer 15. Mai, am 25. Mai 
Werre mit Eiern, am 1. Juni Orchestes Fagi L. Käfer. Auch der Herbst war 
lang und mild. Anfangs October im ungeheizten Zimmer noch —+ 15 bis 16° C., 
Piss. piniphilus Hsst. kam noch aus. Eine besondere Bedeutung können die 
Frühjahrs-Monate auch für die jetzt üblichen Theerringe gewinnen. So kehrte 
sich im Jahre 1869 die Witterung des Februar und März in einer Weise um, 
wie es in unserem Jahrhundert nur einmal, 1850, vorgekommen ist. Der Februar, 
welcher mehr als 2'5° kälter zu sein pflegt als der März, war diesmal um mehr 
als 2:50 wärmer. Das Baumen des Spinners erfolgte daher sehr unregelmässig 
und theilweise zu früh.’ 

„Auffallende Wirkungen des Klimas zeigte die Pinien-Processionsraupe, 
Cneth. pityocampa S. V. Davarr's Beobachtungen hierüber sind so lehrreich, 
weil er sie in einem Jahre in den verschiedensten Gegenden anstellen konnte. 
An den Küsten des Mittelmeeres, zwischen Marseille und Genua, geschah die Ver- 
puppung schon gegen Ende März, bei Vevey aber erst Mitte Mai.” 


Generation. Die Zeit, welche eine Insektenart braucht, um einen ein- 
fachen Entwicklungscyklus zu vollenden, nennt man mit einem Anklange an 
den Gebrauch, z. B. Grossvater, Vater und Sohn als drei Generationen” 
ein und derselben Familie zu bezeichnen, die „Generation’ des betreffenden 
Insektes. Diese Zeit reicht also von dem Augenblicke der Ablage eines Eies 
bis zum Eintritt der Geschlechtsreife und zum Beginn der Fortpflanzungs- 
thätigkeit bei dem aus diesem Ei entstandenen Thiere: kurz gesagt, von 
Ei zu Ei. Im allgemeinen ist die Generation einer bestimmten Insekten- 
art eine bestimmte, dieselbe kann aber bei verschiedenen Insektenarten 
sehr verschieden lange dauern. 

Am häufigsten tritt der Fall ein, dass ein Thier zu seiner Ent- 
wicklung zwölf Monate braucht. Diesen Fall bezeichnet man als ein- 
jährige Generation. Die Raupe, welche aus dem vom Kiefernspanner- 
weibehen im Mai abgelegten Ei schlüpft, verwandelt sich im nächsten 
Mai wieder in den fortpflanzungsfähigen Falter. Ein Insekt, welches zu 
seinem Entwicklungseyklus dagegen 24, 36, 48 Monate u. s. f. braucht, 
hat eine zwei-, drei- oder vierjährige Generation. Ein Beispiel der 
letzteren ist im nördlichen Deutschland der Maikäfer, dessen ‚Flugjahre” 


Flugzeit und Generation. 113 


an einem bestimmten Orte stets nur jedes vierte Jahr, z. B. alle Schalt- 
jahre wiederkehren. Die längste bekannte Generation hat eine nord- 
amerikanische Zirpe, welche 17 Jahre zu ihrer Entwicklung braucht 
und eben nach dieser Eigenthümlichkeit von Linn Cicada septemdecim 
getauft wurde. 


Es fällt aber auch jede einjährige Generation stets in zwei ver- 
schiedene Kalenderjahre und jede xjährige Generation  vertheilt sich also, 
wenn x eine ganze Zahl darstellt, auf x + 1 Kalenderjahre. Ver- 
gleiche hierzu das Beispiel des Maikäfers auf der nächsten Seite. 


Andererseits gibt es Insekten, welche ihren Entwicklungscyklus 
zwei- oder mehreremale innerhalb von 12 Monaten vollenden, und man 
sagt alsdann, dass das betreffende Insekt eine „doppelte, dreifache, 
beziehungsweise mehrfache Generation” hat. Ein Beispiel für doppelte 
Generation bietet die kleine Kiefernblattwespe, Lophyrus Pini L., während 
einige Blattläuse auch unter normalen Verhältnissen eine 9- bis 14fache 
Generation haben können. In allen Fällen, in denen bei heimischen 
Insekten Saisondimorphismus oder Heterogonie vorkommt, ist eine mehr- 
fache Generation vorhanden (vergl. S. 127). 

Wir werden im Folgenden bei allen wichtigeren Forstschädlingen 
die Verhältnisse ihrer Generation graphisch darstellen. 


Die hierbei von uns für die einzelnen Entwicklungsstadien der In- 
sekten gewählten Zeichen sind derartig beschaffen, dass sie einigermassen 
an das durchschnittliche Aussehen der entsprechenden wirklichen Stadien 
erinnern und daher verhältnissmässig leichter im Gedächtniss behalten 
werden können, als die bisher zu diesem Zwecke beliebten Buchstaben 
oder Farben. 


Es wird also das Ei durch einen Punkt (.), die Larve durch einen 
Strich (—), die unverpuppt im Cocon liegende Larve durch einen von 
einer liegenden Null umschlossenen Strich (©), die Puppe durch eine 
liegende ausgefüllte Null (@) und die Imago, also das fliegende Thier, 
durch ein Kreuz (+), die Zeit, in welcher das betreffende Insekt frisst, - 
durch einen starken schwarzen Strich (ma) bezeichnet. Letzterer wird bei 
Larvenfrass unter, bei Imagofrass über den Zeichen für das be- 
treffende Stadium angebracht sein. 

Es sind die Tabellen ferner so eingerichtet, dass sie auf eirca 
zehn Tage, d. h. ein Drittheil Monat, genau die Lebensgeschichte eines 
Insektes darzustellen gestatten. 


Folsende Beispiele mösen dieses erläutern: 
lo} ] Q 


Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde., 


[0 0) 


114 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten. 


Liparis monacha L., mit einjähriger Generation. 


Sept. | Oct. | Nov. | Dec. 


dam Febr. | März |April| Mai Juni | Juli | Aug. 


| | 
1880 | ae 


1881 oe el: 1 1e—-—— - -—- - 90+++ 


.iee | 


a 


Melolontha vulgaris L., mit vierjähriger Generation. 


| Tan Febr. | März | April| Mai | Juni | Juli | Aug. | Sept. | Oct. | Nov. | Dec. 
| 

1880 a a  . __ 

1ss1 ------ --------- --- --- --- --- --- ---—-- 

isgo. le 2 Se Je u 2 u BeuE 


BRmen. 


1883 |--——-—-—------—-—----------sese 


1884 I Hr tr HH HH ++ 


= 


Lophyrus Pini L., mit doppelter Generation. 


Jan. |Febr.| März | April| Mai | Juni | Juli | Aug. | Sept. | Oct. Nor Dee. 
++ | 
1850 | FB u e. ER N. N - 
1881 |eoo© soooce Sa | | | | | 


Untersuchen wir die Entwicklungsvorgänge bei einem einheimischen 
Insekte mit doppelter Generation, d. h. also bei einem solchen, welches in 
einem Klima mit deutlich ausgesprochenem Gegensatz von Sommer und 
Winter lebt, so finden wir, dass die beiden einzelnen Generationen stets 
verschieden lange dauern. Die Generation, welche ganz in die gute 
Jahreszeit fällt, währt kürzer als die überwinternde. So braucht z. B. die 
Sommergeneration von Lophyrus Pini L. circa vier Monate, die Winter- 


Generation. 115 


generation hingegen acht Monate (vergl. die vorhergehende graphische 
Darstellung). Hieraus erkennen wir sofort, dass die einzelne Generation 
eines bestimmten Insektes kenie absolut bestimmte Dauer hat, son- 
dern je nach den Witterungs- und besonders auch den Temperatur- 
verhältnissen, unter denen sie abläuft, verschieden lange dauern kann. 
Dieser Einfluss des Klimas ist erfahrungsgemäss sogar so bedeutend, 
dass eine Insektenart, welche in einer bestimmten Oertlichkeit regelmässig 
eine doppelte Generation hat, an einem anderen Orte mit rauherem 
Klima nur eine einfache, an einem solchen mit günstigerem Klima 
dagegen eine dreifache besitzt. Als Beispiel hiefür kann man Hylesinus 
piniperda L. anführen. Ebenso kann eine Insektenart, deren Generation in 
gewissen mittleren Lagen z. B. vierjährig ist, in südlicheren Gegenden eine 
dreijährige haben. Ein Beleg hiefür ist der Maikäfer, der nördlich von 
der „Mainlinie’” vier, südlich von derselben dagegen drei Jahre zu seiner 
Entwicklung braucht. Es kann ferner auch an demselben Orte eine 
bestimmte Insektenart in dem einen wärmeren, also günstigeren Jahre eine 
doppelte Generation haben, während sie in dem nächsten rauheren, ungün- 
stigeren Jahrgange nur eine einfache Generation vollendet. Ist der 
hemmende Einfluss der rauheren Witterung aber geringer, so kann es 
zwar in dem betreffenden ungünstigeren Jahre noch zum Beginne der 
zweiten Generation kommen, dieselbe braucht aber nicht im Laufe der 
12 Monate bereits vollendet zu sein. Hierbei kommen dann auf 24 Monate 
drei Generationen, und es entsteht das, was RATzEBURG eine „andert- 
halbige Generation” nennt. Hiefür liefert nicht gerade selten Tomicus 
bidentatus Hzsr. ein Beispiel. 

Ja man hat beobachtet, dass gewisse Insektenarten und häufig sogar 
Insektenindividuen auch ohne nachweisbaren Grund einmal bedeutend 
längere Zeit im Puppenzustande verharren ais gewöhnlich. Dies nennt 
man „Ueberjährigkeit”. Lyda stellata Unrıst hat gewöhnlich eine 
einjährige Generation, dagegen findet man häufig, dass aus der im An- 
fang Mai entstandenen Puppe nicht Ende Mai oder im Juni die Wespe 
ausfliegt, wie eigentlich die Regel wäre, sondern dass der Puppenzustand 
bis zum nächsten Mai dauert und dann erst das vollendete Insekt fliegt. 
Die Puppenruhe hat also hier, statt drei Wochen, mehr als ein Jahr gedauert. 
Aehnliche Verhältnisse kennt man von dem Kiefernprocessionsspinner, 
Cnethocampa pinivora Tr. 

Diese Verhältnisse hängen damit zusammen, dass die Insekten 
„kaltblütige” oder, besser gesagt, „poikilotherme”, d. h. 


wechselwarme Thiere sind. Man versteht hierunter solche Thiere, 
8*# 


116 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten. 


deren Eigenwärme, obgleich stets um ein Geringes höher als die des 
umgebenden Mediums, der Luft, des Wassers oder der Erde, kurz 
des Ortes, an dem sie sich aufhalten, doch mit wechselnder Tempe- 
ratur dieses Mediums gleichfalls schwankt. Ihnen stehen die „warm- 
blütigen” oder, besser gesagt, „homoeothermen’”, d.h. gleichwarmen 
Thiere gegenüber, welche, so lange ihr Leben überhaupt dauert, ihre 
Eigenwärme stets auf einer höchstens um 1° ©. ab und zu schwan- 
kenden Höhe erhalten. Die Eigenwärme, „Blutwärme”, des gesunden 
Menschen beträgt, mag derselbe einer Kälte von — 30° C. oder 
einer Wärme von —+ 30° C. ausgesetzt sein, stets ohngefähr 38% ©. 

Die Entwicklungsdauer eines warmblütigen T'hieres ist eine be- 
stimmte. Die in dem Uterus eines Säugethieres sich entwickelnden, 
einer gleichmässigen eirca — 38° bis 40° C. betragenden Wärme 
ausgesetzten Eier, beziehungsweise Embryonen, variiren in ihrer Ent- 
wicklungsdauer bei derselben Art und Race nur nach Tagen, so dass 
man die Trächtigkeitsdauer einer bestimmten Thierart nach Wochen 
genau angeben kann. Sie beträgt beim Pferde eirca 48, beim Roth- 
wild 34 und beim Kaninchen 4 Wochen. 

Das Vogelei bedarf einer bestimmten gleichmässigen Brutwärme 
und entwickelt sich dann in einer fest bestimmten Anzahl von Tagen. 
Für das Hühnerei beträgt die Brutwärme 40° C., die Brutdauer 
21 Tage. Wird diese Bedingung nicht genau erfüllt, erkaltet z. B. 
das Ei, so stirbt der Embryo ab, während die Entwicklung des 
Forelleneies z. B. ebenso gut bei einer Wasserwärme von + 2 C. 
wie von — 10° ©. vor sich gehen kann. Im ersteren Falle vergehen 
aber circa 170, im zweiten nur 50 Tage bis zum Ausschlüpfen 
des jungen Fischchens. 

Ganz analog denjenigen bei den Fischen, sind die Verhältnisse 
der Entwicklung bei dem Insektenei. Wir sehen dies am besten 
daraus, dass, wenn der Eintritt des Frühjahres und damit der Laub- 
ausbruch sich verspätet, auch die auf junge Knospenblätter an- 
gewiesenen Räupchen, z. B. die des Ringelspinners, Bombyx neustria 
L., später ausschlüpfen. Genaue Beobachtungsreihen von unzweifel- 
hafter Sicherheit liegen aber hierüber noch kaum vor, und wir wollen 
daher hier immerhin die positiven Angaben Kreenxer’s [Il] über den 
Einfluss der Temperatur auf Entwicklungs- und Lebensdauer des 
Kiefernspinners bei verschiedenen Temperaturen anführen, allerdings 
etwas umgerechnet und vereinfacht. Trotzdem müssen wir aber darauf 
hinweisen, dass die lakonische Kürze und apodiktische Sicherheit 
derselben, sowie der Mangel jeder Angabe, wie es dem einfachen 
Förster möglich wurde, so lange Zeit hindurch die zu solchen Ver- 
suchen nöthigen constanten Temperaturen zu erzeugen, dem Werthe 
dieser Angaben in den Augen vorsichtiger Forscher bedeutenden Ab- 
bruch thun. 


Einflüsse, welche die Generation verändern können. 1 br 


Zeitlicher Ablauf der Lebenserscheinungen des Kiefern- 
spinners bei verschiedenen Temperaturen nach REGenxeEr. 


Dauer (in Tagen) 


des | 

a ni® 0. En I ne en en 

En Dana vn nungsvor- pungsvor- ruhe 

Ausschlüpfen zur Einspin- ganges ganges 
+ 4° bis 5° . —- er a — we 
si. ne 500 FE Bi: 
1 90 bis 110 . 36 0.00.1.96 — — _ 
Eid. | 26 | 152... — 15 — 
I 150 bis 19°. | 20 RS er 9 49 | 
+ 189 bis 21° , LEW | 4884 21), 517, 36 
1 200 bis 2. | 17 | 67 2 21,| 26 
+ 240 bis 280 . 16 56 1), 2 21 


Welche Combinationen verschiedener klimatischer Einflüsse es 
in Wirklichkeit verursachen, dass ein und dasselbe Insekt entweder 
in verschiedenen Jahren an demselben Orte, oder an verschieden 
gelegenen Orten in demselben Jahre, eine verschieden lange Zeit zur 
Vollendung einer Generation braucht, ist vorläufig noch nicht sicher 
festgestellt. Rarzesurg war geneigt, in dieser Beziehung ähnliche 
Verhältnisse anzunehmen wie Boussinsaurr [l, II S. 435] in Bezug 
auf die Vegetationsdauer der Gewächse. Nach den Ansichten dieses 
französischen Forschers bedarf jede Pflanze einer bestimmten Wärme- 
summe, d. h. die Summe der mittleren Tagestemperaturen ihrer 
Vegetationszeit soll eine constante sein, während die Dauer der 
Vegetationszeit selbst variiren kann. Nehmen wir also theoretisch an, 
eine Pflanze brauche die Wärmesumme von 2000° C., so kann sie 
sich einmal entwickeln in 100 Tagen mit einer durchschnittlichen mitt- 
leren Temperatur von 20° C., aber ebenso gut in 111 Tagen mit 18° C. 
und in 91 Tagen mit 22° ©. durchschnittlicher mittlerer Tages- 
temperatur. RAatzegure führt dies an dem Beispiel des Maikäfers aus. 
Er sagt [XlI, S. 360]: 

„Interessant und wichtig ist ferner das Verhalten des Maikärers. In Mittel- 
und Norddeutschland ist seine Generation eine vierjährige, im Süden eine drei- 
Jährige. Der Grund hierzu liegt sicher in den klimatischen Verhältnissen. Im 


Süden erwacht die Natur viel früher und schliesst auch später, was auf Thiere 
von biegsamem Charakter wie der Maikäfer, wie auf Pflanzen einen Einfluss haben 


118 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten. 


muss. Die Engerlinge werden dort also in drei Jahren einen Vorsprung von wenig- 
stens drei Monaten, im Vergleich mit dem Norden, erlangen, also schon im dritten 
Sommer ihrer Entwicklung fertig sein können, noch dazu wenn man erwägt 
dass sie bei uns im vierten Sommer gewöhnlich schon im Juli nicht mehr fressen 
und schon im August sich verpuppen. Erıchson fand, dass die Verpuppung zu- 
weilen schon im Mai erfolgt, es fehlt also selbst bei uns wenig an einer drei- 
jährigen Generation. Schliesslich kommt hier Alles, wie bei den Pflanzen, auf 
die Wärmesumme in Boden und Luft an, welche eine Gattung oder Art zu 
ihrer Entwicklung bedarf. Findet z. B. der Maikäfer diese nicht im dritten 
Sommer, so braucht er dazu den vierten, kann die-ren auch wohl in besonders 
günstigen Jahren abkürzen, aber bei uns niemals in drei Jahren fertig werden. 
Zählen wir z. B. in Berlin die Mitteltemperatur der 12 Monate zusammen, so erhalten 
wir 106°C., in vier Jahren also 4 X 106 = 424"; dagegen gibt Karlsruhe in drei 
Jahren 375°, und jenseits der Alpen hat man in drei Jahren reichlich 424". Wollte 
man noch die Bodentemperatur berücksichtigen, so würde sich das Verhältniss 
im Siiden noch günstiger für den Maikäfer gestalten. In Norddeutschland steigt 
in humosem Sandboden, im Waldschatten das Thermometer in der Ueberwinte- 
rungstiefe des Maikäfers bei 1m von Ende März bis Ende April und Anfang 
des Mai auf + 6" bis + 9° C. Wie verhält sich das nun im Süden? Ein 
„Wärmeüberschuss” muss sich auch bei allen anderen Insekten, die den Süden 
mit dem Norden theilen, finden; allein da dieser meist nur ein, höchstens zwei 
Jahre dauert, so können solche Folgen, wie bei dem eine so lange Entwicklungs- 
zeit brauchenden Maikäfer dort nicht eintreten.” 


Genauere Untersuchungen über diese Frage sind noch sehr selten. Wir 
können hier nur die an Tomicus typographus L. angestellten erwähnen. 


Förster UstiG in Tharand fand bei täglich dreimaliger Temperatur- 
beobachtung während einer Generation des Fichtenborkenkäfers vom 30. Mai bis 
21. Juli eine Wärmesumme von !145% C. oder täglich im Durchschnitt 22:02; 
während der zweiten Generation vom 4. August bis 3. October eine Summe von 
1228'50 oder täglich im Durchschnitt 20°48". [Thar. Jahrbuch, 25. Bd., S. 256.] 

Auch ist hier die Angabe Rarzerurg's [Xl, S. 96] zu erwälnen, dass 
bereits dann eine doppelte Generation von Tomicus typographus L. entsteht, 
wenn, wie in Mitteldeutschland gewöhnlich, die Mitteltemperaturen der Monate 

Mai, Juni, Juli, August, September die Werthe von 
1301, 0,2172 0, 21 9 HET EEE FE AlEe erreichen: 

Es hat sich nun aber längst gezeigt, dass der Pflanzenphysiologie 
die einfachen Boussinaauur’schen Wärmesummen nicht genügen können, 
und man hat ausserdem die Summe der Belichtungszeit, während welcher 
allein die chlorophylihaltigen Theile assimiliren, sowie die in der 
Sonne erreichte — am besten durch einen Aktinometer gemessene — 
mittlere Temperatur in Rechnung gezogen. N 

Obgleich nun allerdings der thierische Stoffwechsel viel weniger 
von der Belichtung abhängt als der pflanzliche, so werden doch auch 
zur Erklärung der Verschiebungen in den thierischen Entwicklungs- 
vorgängen die einfachen Wärmesummen kaum genügen, besonders 
wenn man nur die Lufttemperatur berücksichtigt. Es wird viel- 
mehr bei allen ihre Larvenzeit im Boden zubringenden Insekten die 
Bodentemperatur und bei den Holz bewohnenden Larven die Tempe- 


ratur des Baumes, ja sogar des betreffenden Baumtheils — vergl. 
hierüber die genauen Untersuchungen von Krurzscn [8] — in Rücksicht 


zu ziehen sein. Desgleichen dürfte festzustellen sein, welches die 
Minimaltemperatur ist, bei welcher überhaupt ein Fortschritt der 
Entwicklung möglich wird. Auch das Temperaturoptimum, d.h. 


Generation und Ueberwinterungsstadium. 119 


diejenige Temperatur, welche für irgend einen Vorgang die günstigste, 
ihn am meisten fördernde ist, wird zu beachten sein. Es dürften 
nämlich diese Optima für die verschiedenen Entwicklungsstadien auch 
bei den Insekten ebenso verschieden sein, wie die von denselben ertrag- 
baren Temperaturminima. Wissen wir doch durch die Untersuchungen 
von Senmper [l2, I. Bd., S. 132], dass ebenso gut wie bei einer Pflanze 
für Keimung, Wachsthum, Blüthe ete., so auch bei Thieren, z. B. 
bei einer unserer gemeinen Süsswasserschnecken, die Temperatur- 
optima für verschiedene Functionen, z. B. für Reifung der Geschlechts- 
producte und für Wachsthum verschieden sind, ein Satz, der von 
SEMPER zu einem geistreichen Erklärungsversuche des Vorkommens 
ungeflügelter, larvenähnlicher, aber doch geschlechtsreifer Orthopteren- 
formen in südlichen Ländern, z. B. der sogenannten Stabheuschrecken 
verwendet wurde [I2, I. Bd., 8. 156]. 


Die angeführten Beispiele genügen, um darauf hinzuweisen, 
welches reiche und fast noch unbebaute Gebiet für forstentomolo- 
gische Forschungen hier vorhanden ist. 


Ueberwinterungsstadium. Der Entwicklungscyklus zweier Insekten- 
arten mit gleicher Generation kann aber auch unter gleichen klimatischen 
Verhältnissen noch ein sehr verschiedenes Bild gewähren, nämlich in 
dem Falle, wenn sie in verschiedenen Lebensstadien überwintern, da 
jedesmal das Ueberwinterungsstadium am längsten dauert und eine 
Ueberwinterung sowohl im Ei-, als im Larven-, Puppen- oder Imago- 
zustande möglich ist. Unter normalen Verhältnissen überwintert aber eine 
bestimmte Insektenart stets in dem gleichen Entwicklungsstadium, z. B. 
die Kieferneule als Puppe, einige Tagfalter als Imago. 


Es ist aber nicht möglich, für die einzelnen Insektenordnungen 
im allgemeinen anzugeben, in welchem Stadium sie überwintern, indem 
dies sogar innerhalb der einzelnen Familien variirt. So weist uns z. B. 
eine Zusammenstellung WErnegurg’s nach [I3, S. 29], dass von unseren 
einheimischen Grossschmetterlingen, im ganzen betrachtet, 34 °/, als Ei, 
66°9 %/, als Raupe, 28-2 °/, als Puppe und 1°5 °/, als Falter überwintern, 
während bei Betrachtung einzelner Familien die Resultate sich ganz 
anders stellen. So überwintern alle Zygaeniden als Raupen, die meisten 
Sphingiden als Puppe und von den Tagfaltern 9°/, als Ei, 54 °/, als 
Raupe, 28°/, als Puppe und 9°/, als Falter. Ja, es kommt sogar vor, 
dass Insekten, welche man bei nicht allzu enger Begrenzung der Genera 
zu einem und demselben Genus rechnen kann, in ganz verschiedenen 
Stadien überwintern. Dies geht deutlich aus der folgenden Darstellung 
der Generation dreier unserer gemeinsten Spinner hervor: 


120 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten. 


Generation von Bombyx neustria L. 


April| Mai | Juni | Juli Dee. 


© 


Jan. Febr. | März 


Aug. sent. Oct. | Nov. 


| 


1880 | au 


+++ 


Jan. Febr. | März | April| Mai | Juni | Juli | Aug. sent. Oct. | Nov.| Dee. 
1880 | | en | | 
en _—— 
er Er| ERE E ! EEHFTERETEFETTERRETER 
1881 ai] er A | | 
. . | 
Generation von Bombyx lanestris L. 
Tessa] 
Jan. |Febr.| März | April | Mai | Juni | Juli | Aug. | Sept.) Oct. | Nov. | Dec. 
| | 
+++ 
1880 | Eee a 000900808 900899000®© 


EB ESEP || ERBEN HERE N EEE |  _________ _ AB Eerelee.  a 
js51 | ee .....eo44+ | | 


| . . . 
Bei manchen Insektenarten überwintern ferner nur die Weibchen 


nach vorhergehender Begattung im Herbste, z. B. bei manchen Mückenarten 
und unseren gewöhnlichen Faltenwespen, Vespa, und die T'hatsache, dass 
die Honigbienen über Winter in ihren Stöcken keine Drohnen dulden, 
dieselben vielmehr vorher in der „Drohnenschlacht” tödten, so dass nur 
die Königin nebst den Arbeitern den Winter überdauert, ist jedem 
Bienenfreunde bekannt. 

Abnorme Witterungsverhältnisse können es aber auch veranlassen, 
dass eine Insektenart ausnahmsweise einmal in einem anderen Lebens- 
stadium als gewöhnlich überwintert. Allerdings sind Fälle, dass ein Thier 
in einem anderen der vier Hauptentwicklungszustände als gewöhnlich 
den Winter verbringt, doch selten, indessen hat man z. B. schon gefunden, 
dass der Kiefernspinner einen zweiten Winter als Puppe verlebt 
[V, Bd. I, S. 147, Anm.]. Dagegen ist es sehr häufig, dass z. B. Raupen, 


— 


Ueberwinterungsstadium und Lebensdauer. 121 


welche gewöhnlich halbwüchsig das Winterquartier beziehen, dies als 
ganz junge Thiere zu thun gezwungen werden, so die Kiefernspinnerraupe 
nach der ersten Häutung, statt wie gewöhnlich nach der zweiten. 
Insekten, welche eine mehrjährige Generation haben, müssen natür- 
lich auch mehreremale überwintern. Es kann dies in den gleichen oder 
in verschiedenen Hauptlebensstadien geschehen; so überwintern z. B. die 
eine zwei- bis dreijährige Generation aufweisenden Eintagsfliegen stets 
als Larven im Wasser, während der Maikäfer drei Winter als Larve, 


den vierten dagegen meist als Imago überdauert. 


Lebensdauer. Wenn ein Insekt den Imagozustand einmal erreicht 
hat, so wächst dasselbe, wie wir oben kennen lernten, nicht mehr. Die 
Functionen der Imago beschränken sich daher im wesentlichen auf 
Ernährung und Fortpflanzung, und in sehr vielen Fällen tritt erstere 
derartig zurück, dass die ganze Lebensthätigkeit sich auf das Fort- 
pflanzungsgeschäft beschränkt. Das klarste Beispiel hiefür ist die Eintags- 
fliege, Ephemera vulgata L., welche nach Erreichung des Imagozustandes 
nur wenige Stunden lebt, um Begattung und Eiablage ausführen zu 
können. Aber auch in vielen anderen Fällen ist das Imagoleben sehr 
kurz. So soll z. B. der Kiefernspinner höchstens 16 Tage als Imago 
leben. In allen diesen Fällen und sogar auch dann, wenn zwar. das 
Imagostadium überwintert, aber im Frühjahr bald nach ausgeübter 
Fortpflanzungsthätigkeit eingeht, deckt sich die Dauer der einzelnen 
Generation fast völlig mit der Lebensdauer des Insektenindividuums. 
Indessen kommen in dieser Beziehung auch Ausnahmen vor. So lebt 
z. B. der grosse braune Rüsselkäfer noch lange Zeit nach Vollendung 
seines Fortpflanzungsgeschäftes, und gerade hierauf beruht der grosse, 
durch denselben bewirkte Schaden. Am auffälligsten sind aber die Ver- 
hältnisse bei den gesellig lebenden Insekten, besonders bei Bienen und 
Ameisen. So kann z. B. eine Bienenkönigin sicher bis 5 Jahre alt werden, 
und Lusgock hat durch direete Beobachtung nachgewiesen, dass Ameisen- 
königinnen bis 8 Jahre und Ameisenarbeiter bis 6 Jahre alt werden 
können. 

Literaturnachweise zu dem Abschnitte „Zeitlicher Ablauf 
der Entwicklung”. — I. Boussinsaust, J. B., Die Landwirth- 
schaft in ihren Beziehungen zur Chemie, Physik und Meteorologie. 
Deutsch bearbeitet von GrÄGErR. 2 Bde. 8°, Halle 1844 und 1845. — 
2. Brunss, ©., Resultate aus den meteorologischen Beobachtungen 
im Königreiche Sachsen, Jahrg. I—VII. Bis 1870 reichend. 49, — 
3. Davy, Mars, Meteorologie et physique agrieoles. 2me, Edition. Paris 
1880. kl. 8%. — 4. Frırscnh, K., Jährliche Periode der Insektenfauna 


122 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten. 


von Oesterreich-Ungarn. Denkschriften der math.-naturw. Klasse der 
kais. Akad. d. Wiss. zu Wien. 1. Diptera. Bd. XXXIV. 1875. 
2.Coleoptera. Bd. XXX VII. 1877. 3. Hymenoptera. Bd. XXXVIII. 1878. 
4. Lepidoptera. Bd. XXXIX. 1878 und XLI. 1879. 5. Rhynchota. 
Bd. XLII. 1880. — 5. Horrmann, H., Zur Kenntniss der Vege- 
tationsnormalen. Botanische Zeitung, Bd. XIX. 1861, p. 177—182 
und 185—191. — 6. Derselbe. Vergleichende phänologische Karte 
von Mitteleuropa. Petermann’s Mittheilungen, Bd. XXVII. 1881, 
p. 19—26. Taf. 2. — 7. Jahrbücher der k. k. Central-Anstalt für 
Meteorologie und Erdmagnetismus. Officielle Publication. Wien, W. 
Braumüller. — 8. Krurzscn, H., Untersuchungen über die Temperatur 
der Bäume im Vergleiche zur Luft- und Bodentemperatur. Forstwirth- 
schaftliches Jahrbuch der Akademie Tharand. Bd. X. 1854, p. 214—270. 
— 9. Mürrrıcn, Jahresbericht über die Beobachtungsergebnisse der 
forstlich-meteorologischen Stationen. Jahrg. I—V1I. 1875—1881. 8°. — 
I0. Purzcer, F. W., Temperaturkarten des deutschen Reiches. Andree 
und Peschel, Physikalisch-statistischer Atlas des deutschen Reiches. I. 
Taf. 2—5. — Il. Resener, E., Erfahrungen über den Nahrungs- 
verbrauch und über die Lebensweise, Lebensdauer und Vertilgung 
der grossen Kiefernraupe. Leipzig. Emil Baensch’s Verlag. 1865. — 
2. Semper, K., Die natürlichen Existenzbedingungen der Thiere. 8°. 
Leipzig 1880. 2 Bde. 299 und 296 S. — 13. WErnEBURG, A., Der 
Schmetterling und sein Leben. 8°. Berlin 1854. 


Parthenogenesis und mit ihr zusammenhängende Erschei- 
nungen. 


Alle unsere bisherigen Betrachtungen über die Fortpflanzung der 
Insekten bezogen sich lediglich auf die als Regel bei diesen 'Thieren 
auftretende Gamogenesis (vergl. S. 82). Neben ihr gibt es aber, wie 
wir bereits sahen, in selteneren Fällen noch eine andere Art der Ei- 
fortpflanzung, die Parthenogenesis oder die Jungfernzeugung, bei 
welcher das Ei zu seiner Entwicklung einer Befruchtung nicht bedarf. 
So auffallend dieser, den ersten Entdeckern schier unglaubliche Vor- 
gang, vom physiologischen Standpunkte aus betrachtet, nun auch ist, 
so unterscheidet sich doch, so weit wir wissen, morphologisch die 
parthenogenetische Entwicklung eines unbefruchteten Eies, wenn sie 
überhaupt vorkommt, in keiner Weise von der eines anderen befruch- 
teten, gleichen Eies, dagegen bietet die Art und Weise, wie die Partheno- 
genesis sich in den Entwieklungseyklus der Insekten einreiht, eine Menge 
von Besonderheiten, welche letzteren in manchen Fällen zu einem sehr 


complieirten machen. 


Die morphologische Gleichheit der parthenogenetischen Entwicklung mit der 
gamogenetischen bezieht sich natürlich nur auf die Vorgänge von der Furchung 


Literaturnachweise. Parthenogenesis. 123 


an. Die Bildung des ersten Furchungskernes, wie wir sie auf 8. 87 andeuteten, 
ist, da dieselbe bei der Gamogenese eben wesentlich auf dem bei der Partheno- 
genese wegfallenden Eindringen des Samenfadens in das Ei und seiner Ver- 
mischung mit dessen Substanz beruht, eine andere. Wahrscheinlich übernimmt 
einfach der Eikern, das Keimbläschen, die Rolle des Furchungskernes. Dagegen 
ist die Embryonalentwicklung selbst, sowie die Metamorphose die gleiche. 


Man kann zwei Hauptabtheilungen der Parthenogenesis unter- 
scheiden, die Parthenogenesis im engeren Sinne und die Paedogenesis. 


Als Parthenogenesis im engeren Sinne kann man diejenige Form 
derselben bezeichnen, bei welcher die Befruchtung einfach wegfällt, ohne 
dass dieser Wegfall durch eine zwingende, im Bau des sich partheno- 
genetisch fortpflanzenden Mutterthieres begründete Ursache veranlasst 
wäre, das Mutterthier vielmehr eine normal gebaute weibliche Imago ist. 
Dieselbe kann im Leben einer Insektenart entweder ausnahmsweise vor- 
kommen oder regelmässig eintreten. 


Ausnahmsweise ist die Parthenogenesis bei einer Reihe von 
Schwärmern und Nachtfaltern beobachtet worden, an Forstschädlingen 
z. B. bei Bombyx Pini L. Bei dem Seidenspinner kommt sie sogar 
in den italienischen Züchtereien ziemlich häufig vor. 


Regelmässig kommt Parthenogenesis zunächst vor bei vielen, 
ja vielleicht allen geselligen Hymenopteren, z. B. bei der Honigbiene, 
sowie bei manchen Blattwespen. Bei den genannten Hymenopteren 
tritt sie stets normalerweise neben der gewöhnlichen Gamogenesis 
auf, da sich die Männchen aus unbefruchteten, die Weibchen, ein- 
schliesslich der Arbeiterinnen bei den geselligen Hymenopteren, aus 
befruchteten Eiern entwickeln. Diese Form der Parthenogenesis, bei 
welcher aus den unbefruchteten Eiern stets Männchen entstehen, 
nennt man Arrenotokie, abgeleitet von anpnv, Genit. anpevos, das 
männliche Wesen, und 76x05, die Geburt. Da die Befruchtung ein 
von dem begatteten Weibchen willkürlich (vergl. S. 86) eingeleiteter 
Vorgang ist, so kann sich auch ein begattetes Weibchen arrenotok 
fortpflanzen. So legt z. B. die begattete Bienenkönigin abwechselnd 
und nach Bedürfniss befruchtete und unbefruchtete Eier, erzeugt also 
weibliche oder männliche Nachkommenschaft nach Belieben. Eine nicht 
begattete Königin oder eine solche, die den empfangenen Samen bereits 
völlig verausgabte, kann dagegen nur männliche Nachkommenschaft 
erzeugen, ist „Arohnenbrütig”. 

Andere Fälle von regelmässiger Parthenogenesis, welche bei 
einigen Schmetterlingen aus der Familie der Psychiden und Tineiden, 
sowie bei einigen Gallwespen vorkommen, sind im Gegentheil dadurch 
ausgezeichnet, dass die aus unbefruchteten Eiern erzielte Nachkommen- 
schaft stets weiblich ist, während die Männchen aus befruchteten Eiern 
entstehen. Man nennt diese Form der Parthenogenese Thelytokie, 
abgeleitet von $7jAus, weiblich, und 70x05, die Geburt. Bei den sich 
thelytok fortpflanzenden Formen sind meist die Männchen sehr selten 


124 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten. 

und können local völlig fehlen, daja die Weibchen, wenigstens temporär, 
allein zur Erhaltung der Art genügen. In anderen Fällen scheinen 
die Männchen sogar ganz zu fehlen, z. B. bei einigen Gallwespen. 
Das bekannteste Beispiel für solche Thelytokie ist die Fortpflanzung 
von Psyche Helix Sıeg., eines Schmetterlings. Desgleichen kennen 
wir von den, die technisch wichtigsten Eichengallen erzeugenden Gall- 
wespen von Cynips tinctoria L. und C. calycis OLıy. bis jetzt nur 
Weibchen. 


Psyche Helix pflanzt sich an vielen 
Orten rein parthenogenetisch fort, indem 
die, aus den von dem madenartigen 2 
(Fig, 87, A) abgelegteu Eiern schlüpfen- 
den Jungen stets wieder zu Weibchen 


(0 D 


d' 


1 
Fi 


Fig. 87. Psyche Helix nach v. SresoLv 


werden. In anderen Gegenden kommen 
dagegen auch Männchen, wenngleich sel- 
ten, vor (Fig. 87, E) und es tritt dann 


und Craus. A das madenartive ©. B Q eine gamogenetische Fortpflanzung ein. 
Larve in ihrem schneckenförmigen Sacke. Paedogenesis—abgeleitet von 


a obere Oeftinung desselben. € Sack ea: Se nd 3 
einer Z Larve, in der die verlassene Z  7%!5, Genitiv mALDos, das Kind, un 


Puppenhülle steckt. DZ Puppe. E ent- „yssee, 


2 die Erzeugung — nennt 
wickeltes JS. 


man dagegen diejenigen Fälle von 


Parthenogenesis, bei welchen das sich fortpflanzende Mutterthier gar 


nicht die volle, der Art in der Regel zukommende Imagoform erreicht, 
sondern sich bereits in einer Jugendform, als Kind, fortpflanzt. 


Da bei den Jugendformen, wie wir oben sahen (vergl. S. 98), 
stets die Leitungswege der Geschlechtsorgane fehlen, so ist in diesem 
Falle eine Begattung und daher auch eine Befruchtung der Eier über- 
haupt nicht möglich, und dieselben entwickeln sich daher entweder 
in der mütterlichen Leibeshöhle — bei einigen fortpflanzungsfähigen 
Fliegenlarven — oder treten durch besondere Oeffnungen in der 
Leibeswand aus, z. B. bei einer parthenogenetischen Mückenpuppe. 

Entdeckt wurden diese Verhältnisse bei den unter alter Baumrinde lebenden 
Larven einer Gallmückenart, Miastor metroloas Meınerr. Hier entwickeln sich die 
Anlagen der Eiröhren, ohne dass es zu der Bildung von Ausführungsgängen kommt; 
sie zerfallen vielmehr in einzelne Abschnitte, die aus je einem Eifach mit Eizelle 
und Epithel und einem Dotterfache bestehen. Diese liegen frei in der Leibeshöhle 
der Mutterlarve, und jede Eizelle entwickelt sich nun auf Kosten der sie ein- 
schliessenden Zellen zu einem Embryo, der bald die Eihülle durchbricht, sich auf 
Kosten des Fettkörpers und der übrigen, zerfallenden Organe des Mutterthieres 
ernährt und wächst, so dass schliesslich nur die Chitinhülle des letzteren übrig 
bleibt, die endlich von den Tochterlarven gesprengt wird. Letztere können 
nun entweder selbst wieder paedogenetisch Junge erzeugen, oder nach vorher- 
gehender Verpuppung sich in die Imago verwandeln (vergl. Fig. 88). 


Den Uebergang zwischen der Parthenogenesis im engeren Sinne 
und der Paedogenesis bilden diejenigen Fälle, in welchen sich unvoll- 
kommene Weibchen parthenogenetisch fortpflanzen. Es ist dies besonders 
bei den Blattläusen der Fall. Bei 


Weibehen auf, die sich schon durch die äussere Erscheinung von den 


diesen treten während des Sommers 


Eigentliche Parthenogenesis und Paedogenesis. 


125 


eigentlichen Weibehen unterscheiden (Fig. 90 A und B), besonders aber da- 
durch ausgezeichnet sind, dass sie keine Samentasche besitzen, gar nicht 
befruchtet werden können und trotzdem reichliche Nachkommenschaft 


erzeugen. Ihre Eier entwickeln sich schon in den Eiröhren 
des Eierstockes und die jungen T'hiere werden lebendig 
geboren. 


Der früher für diese viviparen Blattlausweibchen 
gebrauchte Ausdruck „Ammen”, sowie die Bezeichnung 
ihrer Eier als „pseudova”, sind neuerdings, als nicht hin- 
reichend morphologisch und physiologisch begründet, ver- 
lassen worden. 


Bei einzelnen Insektenarten ist die Parthenogenese 
die einzige bekannt gewordene Fortpflanzungsart, 
so z. B. bei den oben erwähnten Gallwespen der levanti- 
nischen Galläpfel, Cynips tinctoria L., den Knoppern- 
gallwespen, C. calycis OrLıv. und anderen. Ob dieselbe 
wirklich auch die einzige hier vorkommende Fort- 
pflanzungsart ist, kann vorläufig nicht sicher entschieden 
werden, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass ebenso 
wie schliesslich bei Psyche Helix, welche man lange 
Jahre nur in der parthenogenetischen Weibchenform 
kannte, das Männchen entdeckt wurde, auch hier ein- 
mal Männchen und damit auch eine gamogenetische 
Fortpflanzung gefunden werden wird. Scheint es doch 
eine durchgreifende Regel im T'hierreiche zu sein, dass 
die ungeschlechtliche Fortpflanzung, welcher Art sie 
auch sei, auf die Dauer nicht hinreicht, um den Fort- 
bestand der Art zusichern, dass vielmehr immer, wenig- 
stens von Zeit zu Zeit, von der Natur auf die geschlecht- 
liche Fortpflanzung zurückgegriffen wird. 


So. tritt denn, in den uns vollständig bekannt ge- 
wordenen Fällen, die regelmässige Parthenogenesis stets 
entweder neben der Gamogenesis, oder aber in be- 
stimmter, gesetzmässig geordneter, rhythmischer Ab- 
wechslung mit ihr auf. Insekten, bei denen das letztere 
der Fall, zeigen dann einen zusammengesetzten 
Entwicklungseyklus. 


Fig. 88. Pae- 
dogenetisch 
sich fortpflan- 
zende Fliegen- 
larve aus ver- 
dorbenen 
Zuckerrüben- 
rückständen 
nach PAGen 
STECHER. @ 
Augenfleck 
der mütter- 
lichen Larve. 
Sie enthält 
fünf junge 
Larven, deren 
Kopfenden 
durch den 
gleichen 
Augenfleck a’ 
angezeichnet 
sind. 


Einfacher und zusammengesetzter Entwicklungseyklus. Bei den 
meisten mit ausschliesslich gamogenetischer Fortpflanzung begabten In- 


sekten spielt sich die Fortpflanzung genau so ab, wie bei den Wirbelthieren. 


Die Nachkommen sind den Eltern in jeder Beziehung ähnlich, jede 


folgende Brut ist der vorhergehenden gleich, und wenn wir die Einzel- 


126 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten. 


brut mit « bezeichnen, so folgen sich dieselben im Laufe der Zeiten 
ununterbrochen nach dem Schema: 


es 


Der Kreislauf der Entwicklung ist also mit jeder einzelnen Gene- 
ration geschlossen, alle bei der Fortpflanzung normalerweise möglichen 
Vorkommnisse haben sich in dieser einen Generation auch wirklich ab- 
gespielt. Von solchen 'Thieren, in unserem Falle Insekten, sagt man, 
dass sie einen einfachen Entwicklungsceyklus haben. 

Es kommen aber Fälle vor, in denen die aufeinanderfolgenden 
Generationen sich nicht in allen Stücken gleichen, bei denen sich zwei 
oder mehrere, entweder durch ihre äussere Erscheinung, oder ihren 
inneren Bau oder ihre Fortpflanzungsart unterschiedene Generationen 
regelmässig folgen, bei denen also alle im Leben der Art möglichen 
Erscheinungen nicht in einer jeden, sondern erst in zwei oder mehr 
aufeinanderfolgenden Bruten auftreten. Von solchen Thieren sagt man, 
dass sie einen zusammengesetzten Entwicklungscyklus haben. 

Bezeichnet man zwei verschiedene, regelmässig mit einander ab- 
wechselnde Bruten als a und b, so ist das Schema eines aus ihnen zu- 
sammengesetzten Entwicklungseyklus: 

a—b—a—b—a—b —...... un Bl. 
Der gewöhnlich gar nicht als solcher anerkannte, einfachste und 


zugleich versteckteste Fall eines zusammengesetzten Entwicklungs- 
cyklus liegt bei der doppelten Generation vor, 

Hier — z. B. bei Lophyrus Pini L. (vergl. S. 114) — besteht der 
Unterschied der beiden im Laufe des Jahres auftretenden, mit einander 
abwechselnden Bruten lediglich in der Zeitdauer, welche sie zu ihrer 
Vollendung brauchen. Die Sommerbrut braucht vier, die Winterbrut 
acht Monate, und wenn wir nun jene mit a, diese mit a‘ bezeichnen, 
so folgen sich im Laufe der Zeiten die Bruten nach dem Schema: 

a — ua — a — ua — a — ua ......u.8f. 

Der Unterschied zwischen Sommer- und Winterbrut erstreckt sich 
aber mitunter nicht blos auf die Zeit, die sie zu ihrer Entwicklung 
brauchen, sondern kann sich auch auf die äussere Erscheinung 
der Thiere beziehen. So ist z. B. die als Puppe überwinternde, im 
Frühling fliegende Winterbrut eines bekannten Toagfalters, Vanessa 
levana L., gelbbraun mit schwarzer Fleckenzeichnung, während die 
aus den Eiern dieser Frühlingsschmetterlinge entstandene und bereits 
im August fliegende Sommerbrut schwarz mit gelbweisser Mittelbinde 
und einigen röthlichen Randmöndchen ist und derartig von ihren Eltern 
abweicht, dass sie ursprünglich, ehe man ihren genetischen Zusammen- 
hang kannte, als eine eigene Art, V. prorsa L., bezeichnet wurde. 
Die Nachkommen von V. prorsa erscheinen nun wieder in der Form 


Zusammengesetzter Entwicklungseyklus. Heterogonie. 127 


von Y. levana u. s. f. Diese Abwechslung verschieden gefärbter, 
sonst aber gleicher Sommer- und Winterbruten hat man mit WALTAcCE 
als Saisondimorphismus bezeichnet. 


Heterogonie. Einen zusammengesetzten Entwicklungseyklus, in wel- 
chem Generationen, die sich durch verschiedene Art der Eifortpflan- 
zung unterscheiden, regelmässig mit einander abwechseln, nennt man 
Heterogonie., 

Die einfachste Form der Heterogonie ist die, bei welcher regelmässig 


eine gamogenetische und eine parthenogenetische Brut mit einander 
abwechseln. 


Fig. 89. Die Gallentormen der beiden Generationen von Biorhiza terminalis Hre. 
A die Wurzelgalle, aus der die Biorhiza aptera Far. schlüpft, «a Galle mit dem 
Loche, durch welches die Wespe auskam. B Terminalgalle mit schwammigem Gefüge, 
aus der die Teras terminalis genannte, aus S und @ bestehende Generation schlüpft. 


Eine solche Heterogonie finden wir nach der schönen Entdeckung 
von Apuer z.B. bei vielen Gallwespen, hier allerdings noch dadurch 
auffälliger gemacht, dass auch die Gallen der Sommer- und Winterbrut 
verschieden sind. Aus den bekannten, fleischig schwammigen, im Früh- 
ling erscheinenden und im Anfang des Sommers schön geröthet reifen- 
den Gallen, die an den Triebenden unserer Eichen gemein sind 
(Fig. 89 B), schlüpfen ungeflügelte weibliche und geflügelte männliche 
Gallwespen aus, welche bisher mit dem Namen Teras terminalis 
Hr. bezeichnet wurden. Diese pflanzen sich gamogenetisch fort, 
indem das ungeflügelte Weibchen sofort nach der Begattung an die 
Wurzeln der Eiche hinabsteigt und an diese mit Hilfe des Legstachels 
seine Eier absetzt. Als Folge dieses Stiches entwickelt sich während 
des Hochsommers und Herbstes an den Wurzeln eine kleine röthliche 
Galle (Fig. 89 A), welche im Winter reift, und aus ihr schlüpfen 


128 Kap. IV. Fortpflanzung und Jugendzustände der Insekten. 


nun die Nachkommen der Weibchen und Männchen als gleichfalls unge- 
flügelte Weibchen, die unter dem Namen Biorhiza aptera Fapr. bekannt 
sind. Diese pflanzen sich alsbald parthenogenetisch fort, indem 
sie sofort nach ihrem Ausschlüpfen den Baum hinaufsteigen, die 
Terminalknospen der Zweige anstechen und mit Eiern belegen, so 
dass nunmehr wieder die erstgedachte schwammige Galle zur Entwick- 
lung kommt, aus der im Sommer die Nachkommen der parthenogene- 
sirenden Weibchen als getrenntgeschlechtliche Brut ausschlüpfen. 

Etwas complieirter wird die Heterogonie, wenn mehrere auf- 
einander folgende parthenogenetische Bruten regelmässig zwischen je 
zwei gamogenetische eingeschoben werden. 

Als Beispiel wählen wir Aphis platanoides ScHrk. 


Fig. 90. Aphis platanoides Schrk. nach Craus. A Lebendig gebärendes, unvoll- 
za .. 7. . . 

kommenes, aber geflügeltes Weibchen. 5 vollkommenes, eierlegendes Weibchen ohne 

Flügel. € Männchen mit kurzer, gekrümmter, am Hinterleib vorstehender Ruthe. 


Im Herbste findet man auf der Unterseite der Ahornblätter ge- 
flügelte und ungeflügelte Individuen dieser Blattlaus, von denen jene 
(Fig. 90 0) Männchen. diese (Fig. 90 B) vollständig ausgebildete 
Weibchen sind, welche nach vorhergegangener Begattung nun Winter- 
eier legen. Aus diesen schlüpfen im Frühjahr junge Larven aus, welche 
in vier Häutungen zu geflügelten, aber der Samentasche entbehrenden 
Weibchen werden (Fig. 90 A) und sich nun parthenogenetisch fort- 
pflanzen, indem sie lebendige Junge gebären. Aus diesen werden 
wiederum geflügelte, unvollkommene, vivipare Weibchen, die gleichfalls 
parthenogenetisch sind, und so folgen sich im Laufe des Sommers 
mehrere Bruten viviparer parthenogenesirender Weibchen, bis im 
Herbste die vivipar und parthenogenetisch erzeugten Jungen plötzlich 
zu geschlechtlich entwickelten Männchen und Weibchen werden, die 
nun auf gamogenetischem Wege wieder die Wintereier erzeugen. 

Bezeichnen wir die aus Männchen und Weibchen bestehenden 
Bruten mit a, die nur aus parthenogenesirenden Weibchen gebildeten 
wieder als db, so kann die Entwicklung der Gallwespen dargestellt 
werden durch das Schema: 


1 ge u Drae Bea, I a ee dd A ER 
während dagegen bei der Blattlaus das Schema ist: 
a—b—b—b—a—b—b—b—a...... U. 8 


Noch complieirter wird der Vorgang, wenn die parthenogene- 
tischen Bruten selbst wieder in verschiedener Gestalt auftreten. 


Heterogonie und Generationswechsel. +» 129 


Dies ist der Fall bei der berüchtigten Reblaus, Phylloxera 
vastatrix. Im Herbste treten hier darm- und rüssellose d und 2 — 
Brut « — auf, von denen die letzteren nach erfolgter Begattung stets 
nur je ein Ei legen. Aus diesen Eiern schlüpfen im Frühjahr ungeflügelte, 
unvollkommene Weibehen — Brut 5b —, welche sich an die Wurzeln 
des Rebstockes begeben, und hier — wir übergehen die in Europa 
noch kaum beobachtete und nicht nothwendig in den Entwicklungseyklus 
hineingehörige blattbewobnende Form — parthenogenetisch eine Reihe 
gleicher Bruten hervorbringen. Die letzte so erzeugte Brut erhält aber 
Flügel und wird zu parthenogenetisch sich fortpflanzenden, unvoll- 
kommenen Weibchen — Brut 5’ — welche nun die Eier legen, aus 
denen die zweigeschlechtliche Brut a im Herbste ausschlüpft. Hier ist 
das Schema also: 

a—b— b—b—b"’—a—b—b—b— b’—-a......usf. 

Auch bei vielen unserer gewöhnlichen Blattläuse kommen übrigens 
ungeflügelte Generationen lebendig gebärender, unvollkommener Weib- 
chen vor, bei manchen so häufig, dass die bei Aphis platanoides 
gekennzeichnete geflügelte Form viviparer Weibchen nur nebenher, 
gewissermassen als Mittel zur Verbreitung der Blattläuse auf entfernte 
Pflanzen auftritt, oder aber es sind die ersten Bruten viviparer 
Weibchen flügellos, und erst die späteren kurz vor den Geschlechts- 
thieren auftretenden geflügelt. Eine Reihe anderer Erscheinungen, 
z. B. die höchst auffallende Entwicklung der Rindenläuse, Chermes, 
die wir später noch genauer zu betrachten haben werden, und bei 
welcher, trotz der gegentheiligen Angaben Rarzegrurg’s, bis jetzt 
nur zwei verschiedene parthenogenetische Bruten, dagegen keine 
gamogenetische, nachgewiesen worden sind — LrucKkArT — müssen 
ebenfalls hierher gerechnet werden, sind aber noch nicht völlig auf- 
geklärt. 

Alle die bisher als Heterogonie bezeichneten verwickelten Fortpflanzungs- 
erscheinungen werden in den gewöhnlichen Lehrbüchern meist als Generations- 
wechsel aufgeführt. Im Anschluss an die neueren Anschauungen reserviren wir 
aber letzteren Ausdruck für diejenigen zusammengesetzten Entwicklungseyklen, 


bei welchen Eifortpflanzung, und zwar in Form der Gamogenese, und Fortpflanzung 


durch mehrzellige Keime (vergl. S. 81), gewöhnlich als Knospung oder 
Theilung bezeichnet, abwechseln. Da Knospung und Theilung bei den Metazoen 
lediglich auf die Typen der Coelenteraten und Würmer, letzteres Wort im 
weitesten Sinne genommen, beschränkt sind, dagegen bei den Arthropoden nicht 
vorkommen, so kann bei letzteren und demgemäss auch bei den Insekten von 


einem Generationswechsel in unserem Sinne nicht die Rede sein. 


Lehrbuch d. mitteieurop. Forstinsektenkunde. 9 


KAPITEL V. 


Die Insekten als natürliche und wirthschaft- 
liche Macht. 


Die Bedeutung der Insekten für den allgemeinen Naturhaushalt 
ist trotz der durchschnittlich geringen Grösse und Masse des Einzelthieres 
eine ganz hervorragende und wird bedingt durch die ungeheure Anzahl 
der Arten und Individuen, in welchen sie über das feste Land und die 
Binnengewässer vertheilt sind. 


Ueber die geringe Durchschnittsgrösse der Insekten belehrt 
uns am besten ein Blick in eine Sammlung. Ein Käfer oder eine 
Heuschrecke, welche an Körpergrösse dem kleinsten Säugethiere un- 
serer Fauna, der Zwergspitzmaus, oder dem kleinsten einheimischen 
Vogel, dem Goldhähnchen, Regulus cristatus Koch, gleichkommen, 
gehören schon zu den grössten Erscheinungen, und die scheinbar 
ziemlich bedeutenden Dimensionen der Grossschmetterlinge kommen 
fast ausschliesslich auf Rechnung der nur sehr wenig feste Körper- 
masse enthaltenden Flügel. Hirschkäfer, Lucanus cervus L., Wander- 
heuschrecke, Pachytylus migratorius L., einige Wasserjungfern aus den 
Gattungen Anax und Aeschna, das grosse Nachtpfauenauge, Saturnia 
Pyri ScHirr., sowie die Hornisse, Vespa Crabro L., dürften die grössten 
Insektenformen unserer Fauna darstellen. Dagegen sind ganze Gruppen 
sehr verbreiteter und wichtiger Insekten von durchschnittlich zwerg- 
hafter Gestalt. Wir erwähnen hier beispielsweise nur die Borkenkäfer, 
die Gallwespen und unter den Schlupfwespen im weiteren Sinne die 
Chaleididae und Proctotrypidae. 


Um so bedeutender ist die Anzahl der Gattungen und Ar- 
ten. GerstÄcker hält die Annahme Hrer’s, die Insekten machten 
allein vier Fünftheile aller vorhandenen Thierarten aus, noch für zu 
niedrig gegriffen, und schlägt ihre Totalsumme auf wenigstens 180 000 


Grösse, Menge und Verbreitung der Insekten. 131 


Arten an, von denen 90000 auf Käfer, 25000 auf Hymenopteren, 
24 000 auf Dipteren und 22000 bis 24 000 auf Lepidopteren kommen. 
Der Staupınger’sche Katalog der Lepidopteren des europäischen Faunen- 
gebietes verzeichnet an Grossschmetterlingen 415 Gattungen mit 2849 
Arten, an Kleinschmetterlingen 316 Gattungen mit 3213 Arten, und der 
durch von Hryven, Rertter und Weise 1883 aufgestellte Katalog der 
Käfer Europas und des Kaukasus umfasst 209 dreispaltige, enggedruckte 
Octavseiten, auf welchen 1605 Gattungen und, ganz abgesehen von 
den zahlreichen Varietäten, 15860 Arten aufgeführt sind. 

Dass auch die Menge der Individuen häufig eine sehr be- 
deutende ist, lehrt schon der Umstand, dass die Insekten trotz ihrer 
geringen Durchschnittsgrösse einen sehr wesentlichen Zug des sommer- 
lichen Naturbildes auch in unseren Gegenden abgeben. In einzelnen 
Fällen steigert sich bei der Einzelart die Individuenzahl aber in das 
Unglaubliche. Wir erinnern an die schon bei uns mitunter so lästig 
werdenden Mückenschwärme, die in tropischen Ländern und auf nor- 
dischen Hochmooren sich zu sonneverfinsternden Wolken vermehren 
können. Die riesigen Wanderheuschreckenzüge und die von ihnen 
verursachten Verheerungen sind bekannt; die Züge der Libellula quadri- 
maculata L. können bei uns mitunter ununterbrochen ein bis zwei 
Tage dauern und einer von ihnen wurde, nach GurstÄcker’s Mit- 
theilung, von Corxeuıus auf etwa 2400 Millionen Individuen taxirt. 
Borkenkäfer-, Kiefernspinner- und Nonnenfrass sind forstlich die bekann- 
testen Fälle solcher Vermehrungen. 

Die räumliche Verbreitung dieses unzählbaren Insekten- 
heeres ist nun fast ausschliesslich auf das feste Land und die Binnen- 
gewässer, d. h. also, da das Meer fast drei Viertel der Erdober- 
fläche einnimmt, auf wenig mehr als ein Viertel derselben beschränkt. 
Im Meere wird es durch das dort nicht minder zahlreiche Heer der 
krebsartigen Thiere ersetzt. Allerdings gibt es auch einige im Salz- 
wasser lebende Insekten — besonders ist Halobates, eine nach Art 
unserer einheimischen Hydrometra auf der Meeresoberfläiche herum- 
laufende Wasserwanze, zu erwähnen [vergl. S. 122, 12, I., p. 279] — 
indessen sind sie höchstens nach Dutzenden zu zählen und verschwinden 
gegen die Hauptmenge der übrigen Insekten völlig. 

Ja sogar so weit scheint sich der Antagonismus zwischen Meer 
und Insektenorganismus zu erstrecken, dass die Insekten im allgemeinen 
die Kontinente den Inseln vorziehen, und dass bei den auf kleineren, 
heftigen Winden ausgesetzten Inseln lebenden Insektenformen häufig 
die Flugfähigkeit, also ein ganz typisches Merkmal der Insekten- 
organisation, verloren geht, wie die Käferfauna von Madeira und die 
gesammte Insektenfauna von Kerguelenland beweist. 

Auch die Süsswasserinsekten können nur als ein zwar grosser, 
aber doch immerhin nicht völlig typischer Zweig der Kerfwelt an- 
gesehen werden, da viele von ihnen nur die Entwicklungszeit im 
Wasser zubringen, und diejenigen, welche das Süsswasser als dauern- 
des Lebenselement wählen, dasselbe doch auch stets wenigstens zeit- 


132 Kap. V. Die Insekten als natürliche und wirthschaftliche Macht. 


weilig verlassen können und ihre Athmungsorgane (vergl. S. 56) immer 
zur directen Athmung atmosphärischer Luft eingerichtet sind. 


Dagegen hat sich, so weit der Mensch auch auf der festen Erd- 
oberfläche vorgedrungen ist, überall Insektenleben vorgefunden, wenn- 
gleich nicht zu verkennen, dass vom Aequator nach den Polen und 
von dem Meeresspiegel nach den Berggipfeln zu eine Abnahme der 
Arten- und in vielen Fällen auch der Individuenzahl, welche mit dem 
sich vermindernden Pflanzenwuchse Hand in Hand geht, zu verzeich- 
nen ist. Aber auch noch die äussersten Polarländer, sowie die höchsten 
erreichten Berghöhen haben Insektenleben, und sogar den Eiswüsten 
der Gletscher ist eine charakteristische Kerfform, der Gletscherfloh, 
Desoria glacialis Nıc., eigen. 


Drei Richtungen sind es, in denen die Thätigkeit der Insekten 
besonders wichtig ist: Sie beschleunigen den Zerfall kränklicher oder 
abgestorbener Organismen, sie bilden die nothwendige Nahrungsquelle 
für andere Thiere, für die Insektenfresser, sie vermitteln die Kreuz- 
befruchtung vieler Pflanzen. 


Die Insekten als Zerstörer. Nach Kırgy und Spenxce halten 
sich die von thierischen und pflanzlichen Substanzen nährenden Insekten- 
formen annähernd die Wage. Die Bedeutung der lebende Pflanzen und 
Thiere verzehrenden Kerfe liegt wesentlich in der durch sie bewirkten 
Beschränkung einer übermässigen Vermehrung der ihnen als Nahrung 
dienenden Organismen, dagegen beruht die Wichtigkeit der von ab- 
gestorbenen Thier- und besonders Pflanzentheilen lebenden darauf, dass 
sie deren Substanz eher in den Kreislauf des organischen Lebens wieder 
zurückführen, als es der einfache Verwesungsprocess thun würde. Es 
ist ein häufig wiederholter Ausspruch Lmxt’s, dass Fliegen einen Pferde- 
cadaver ebenso schnell aufzufressen vermögen, als ein Löwe, ein 
Paradoxon, welches allerdings durch die Schnelligkeit, mit der die 
Schmeissfliegen sich vermehren und mit der ihre Larven wachsen, 
eine Berechtigung erbält. 

Besonders aber die gegen Witterungseinflüsse widerstandsfähigeren 
abgestorbenen Pflanzentheile, Stengel, Stämme, Wurzeln u. s. f. werden 
durch die Thätigkeit der Insekten rascher in Humus verwandelt als 
es sonst der Fall wäre. Ein Baumstumpf, in den eine Ameisencolonie 
sich einnistet, zerfällt z. B. viel schneller als ein anderer. 


Die Insekten als Nahrungsquelle für andere Thiere. 
Dass viele Thiere ausschliesslich von Insekten leben, und andere, 
z. B. viele körnerfressende Vögel, wenigstens zu Zeiten einen grossen 
Theil ihres Lebensunterhaltes dem Insektenreiche entnehmen, ist all- 
gemein bekannt. Namentlich liefern die Gliederfüssler und Wirbelthiere 
ein grosses Contingent an Insektenfressern. Die hauptsächlichsten For- 
men der einheimischen Insektenfresser sind im Kapitel VI (S. 187 
u. f.) übersichtlich zusammengestellt, ebenso wie die parasitisch in und 
von Insekten lebenden Formen (S. 182 bis 187). 


Die Rolle der Insekten in der freien Natur. 133 


Die Insekten als Befruchter. Von früher ganz ungeahnter 
Bedeutung ist die Wirkung der Insekten als Kreuzbefruchter der 
Blumen. H. Mürter [Die Wechselbeziehungen zwischen den Blumen 
und den ihre Kreuzung vermittelnden Insekten in Scuexk’s „Hand- 
buch der Botanik”, I., 1881] sagt: „Für den Erfolg der Bestäubung 
macht es einen grossen Unterschied, ob die Narbe einer Blüthe mit 
Pollen desselben oder eines getrennten Pflanzenstockes belegt wird. 
In manchen Fällen ist der Blüthenstaub einer Pflanze auf ihre eigene 
Narbe so wirkungslos, wie ebenso viel unorganischer Staub; oder er 
treibt zwar Schläuche, die aber nicht zu den Samenknospen gelangen, 
oder diese werden zwar erreicht und befruchtet, bilden sich aber nur 
zu kümmerlichen, keimungsunfähigen Samenkörnern aus. Alle solche 
Pflanzen können als selbststeril bezeichnet werden. Beiweitem die 
meisten Pflanzen sind nun zwar nicht selbststeril, sondern bringen 
auch mit eigenem Pollen befruchtet eine kleinere oder grössere Zahl 
entwicklungsfähiger Samenkörner hervor, aber in der Regel, wenn 
nicht vielleicht sogar immer, wirkt die Befruchtung mit fremdem 
Pollen, die Kreuzung, günstiger als die mit eigenem, die Selbst- 
befruchtung. Aus Kreuzung mit einem fremden, unter anderen 
Lebensbedingungen aufgewachsenen Stocke hervorgehende Nachkommen 
sind durchschnittlich grösser, kräftiger und fruchtbarer, sie leisten 
durchschnittlich feindlichen Einflüssen, wie z. B. plötzlichem Temperatur- 
wechsel oder der Mitbewerbung anderer Pflanzen in dicht besetztem 
Lande, viel wirksameren Widerstand als die aus Selbstbefruchtung 
hervorgehenden Nachkommen. Nur unter günstigen Bedingungen für 
sich aufwachsend, lassen die letzteren bisweilen kein Zurückbleiben 
gegen die ersteren erkennen. In strengen Wettkampf mit ihnen ver- 
setzt, werden sie regelmässig. von ihnen überwunden.” 


Diese so wichtige Uebertragung des Pollens einer Pflanze auf 
die Narbe der anderen und die hierdurch bewirkte Kreuzbefruch- 
tung kann durch das Wasser, durch den Wind oder durch 
Thiere bewirkt werden, und man unterscheidet demnach Wasser-, 
Wind- und Thierblüthler. Die ersten bilden eine beschränkte 
Minderzahl. 

Windblüthler sind alle Nadelhölzer und diejenigen Mono- und 
Dieotyledonen, welche wenig auffallende Blüthen haben, also beiläufig 
gesagt die meisten unserer forstlich wichtigen Holzarten. 

Dagegen sind Thierblüthler die übrigen Pflanzen mit zu wirk- 
lichen Blumen entwickelten Blüthen. Mögen bei ihnen auch Schnecken 
und Vögel in vereinzelten Fällen die Pollenübertrager sein, so sind es 
doch in beiweitem den meisten Fällen Insekten, welche hier die Kreuz- 
befruchtung bewirken, und zwar vornehmlich Zweiflügler, Schmetterlinge 
und Bienen. 

Man kann also mit vollem Rechte behaupten, dass die Insekten 
nicht nur als Zerstörer, sondern häufig auch als Beförderer der Vege- 
tation auftreten. 


154 Kap. V. Die Insekten als natürliche und wirthschaftliche Macht. 


Die Insekten als wirthschaftliche Macht überhaupt. Für eine 
allgemeine Würdigung der Beziehungen zwischen Insekten und Gesammt- 
heit der organischen Natur gibt es die Begriffe „nützlich” und „schäd- 
lich” nicht. Ihr erscheint jedes Insekt als ein jedem anderen Geschöpfe 
gleichberechtigtes, nothwendiges Glied der organischen Welt. Erst in 
dem Augenblicke, in welchem der Mensch den Anspruch erhebt, „Herr 
der Natur” zu sein und als wirthschaftliche Macht in die Natur 
eintritt, schafft er diese Begriffe. 


Als nützlich bezeichnet er nun alles, was seine Existenz zu sichern 
und seine wirthschaftlichen Massregeln zu fördern geeignet scheint, als 
schädlich alles, was seine Existenz oder den Erfolg seiner wirthschaft- 
lichen Massregeln bedroht. 


Es darf aber hierbei nicht übersehen werden, dass eine absolute 
Entscheidung der Frage, ob ein Thier nützlich oder schädlich ist, in 
vielen Fällen gar nicht beigebracht werden kann. Diese Entscheidung 
wird verschieden ausfallen je nach den speciellen Interessen des jeweili- 
sen Beurtheilers, und sogar ein und dieselbe Person wird von ver- 
schiedenen Gesichtspunkten aus ein und dasselbe Thier bald als nützlich, 
bald als schädlich zu bezeichnen haben. Hase und Fuchs sind deut- 
liche Beispiele hiefür. Dem die Jagdfreuden schätzenden und das 
Wildpret verwerthenden Jäger erscheint derselbe Hase als nützlich, 
welchen der Gärtner, dem er die Baumschule ruinirt und den Kohl 
abgefressen hat, als sehr schädlich bezeichnet, und derselbe Forstmann, 
der als Waidmann und Pfleger der Niederjagd den Fuchs als überaus 
schädlich verfolgt, beginnt an Schonung Reinekes jedesmal dann zu 
denken, wenn ein Mäusefrass seine Kulturen bedroht und er seinen 
früheren Feind nun als nützlichen Bundesgenossen im Kampfe gegen 
die verderblichen Nager begrüsst. 


Auf diese Weise erklärt sich auch die Schwierigkeit der Auf- 
stellung eines Verzeichnisses der nützlichen Vögel. 

Die nützlichen Insekten. Von den Insekten werden daher im 
allgemeinen diejenigen als nützlich bezeichnet, welche entweder für den 
Menschen selbst unmittelbar verwerthbar sind, beziehungsweise verwerth- 
bare Producte liefern, oder durch ihre Thätigkeit schädliche Pflanzen 
und Thiere in Schranken halten. 

Als Beispiele der ersten Gruppe sind bekannt die Cochenillen- 
laus, Coccus Cacti L., der Seidenspinner, die Gallwespen u.s.f. Aus der 
zweiten Gruppe sind anzuführen sämmtliche Insekten, welche den 
Unkrautwuchs beschränken, als da sind, um ein forstliches Beispiel 
zu wählen, die das forstlich so unwillkommene Haidekraut verzehren- 


den Insekten. So frass z. B. nach Jupeıcm’s Beobachtungen in der Mitte 
der Sechziger-Jahre Galleruca Capreae L. bei Weisswasser so massenhaft 


Nützliche und schädliche Insekten im allgemeinen. 135 


an der Haide, dass dieses Insekt wirklich nützlich genannt werden 
konnte, und die sonst als Laubholzschädiger bekannten Lina Populi L. 
und Saperda populnea L. können, da wo die von ihnen so häufig 
angegangenen Aspenausschläge dem Forstmanne unwillkommen sind, 
wie z. B. in Nadelholzkulturen, als nützlich bezeichnet werden. Des- 
gleichen kann der Forstmann alle Insekten, welche den verschiedenen 
Senecio-Arten schaden, als nützliche Bundesgenossen begrüssen, da 
auf diesen Pflanzen ein Rostpilz, Coleosporium Senecionis F'r., lebt, 
welcher mit dem den Kiefern so verderblichen Kiefernblasenroste, 
Peridermium Pini WALLRr. im Generationswechsel steht. Das Auftreten 
des Kiefernblasenrostes in einem Revier ist also an das Vorhanden- 
sein von Senecio gebunden und letztere Pflanze daher als forstschädlich, 
ihre Feinde dagegen als nützlich zu bezeichnen. Desgleichen sind viele 
insektenfressende und parasitisch in anderen Kerfen sich entwickelnde 
Insekten im allgemeinen als nützlich zu betrachten. Als Beispiel 
bringen wir hier nur die Schlupfwespen bei. 


Die schädlichen Insekten. Als schädlich sieht man diejenigen 
Insekten an, welche entweder das Leben und die Existenz des Menschen 
selbst, sowie seine Hausthiere bedrohen oder in betreff der Nahrung und 
Wohnung auf solche Gegenstände angewiesen sind, die der Mensch selbst 
wirthschaftlich nützt. 


Die ganze Viehherden tödtenden Schaaren der Kolumbatscher 
Mücke, Simulia Columbatschensis FAgr., in Ungarn, sowie die gleich- 
falls die Herden gefährdende Tsetsefliege, Glossina morsitans, im 
tropischen Afrika, und der in Südamerika so böse Entzündungen der 
unteren Extremitäten des Menschen verursachende Sandfloh, Sarcopsylla 
penetrans L., können hier neben allem bekannteren, schädlichen Un- 
geziefer Erwähnung finden. 

Beispiele von Insekten, welche deshalb als schädlich angesehen 
werden, weil sie Gegenstände des wirthschaftlichen Gebrauches des 
Menschen in Concurrenz mit ihm als Nahrung und Wohnung benützen, 
sind so zahlreich und bekannt, dass wir hier nur auf Coloradokäfer und 
Hessenfliege, Cecidomyia destructor Say, als Feinde der Landwirth- 
schaft, Kiefernspinner und Nutzholz-Borkenkäfer als Forstschäd- 
linge, Apfelmade, Larve von Carpocapsa pomonana L. und Kohl- 
weisslingsraupe, als Gartenfeinde, Holzwurm, Anobium pertinax L., 
Kleidermotte, Tinea pellionella L., undSchaben, Periplaneta orientalisL., 
als Feinde der Hauswirthschaft hinweisen können. Ja Gewerbe, 
welche scheinbar der Insekteneinwirkung völlig entzogen sind, können 
durch wunderbare Verknüpfung von Umständen zeitweilig von solchen 
geschädigt werden, z. B. die Schwefelsäurefabrikation: in dem Falle 
nämlich, wenn die Larven der grossen Holzwespe, Sirex gigas, in den 
zur Verschalung der Bleikammern dienenden Brettern im Verlauf 
ihres Nagewerkes auf die Bleiplatten kommen, auch diese mit ihren 
scharfen Kiefern durchlöchern und so der schwefligen Säure einen Ausweg 
frei machen. 


136 Kap. V. Die Insekten als natürliche und wirthschaftliche Macht. 


Die forstwirthschaftliche Bedeutung der Insekten. 


Der rationellen Forstwirthschaft sind bis jetzt lediglich erschlossen 
die westliche kleinere Hälfte derjenigen Gegenden, die GrisesacH als 
das Waldgebiet des östlichen Kontinents bezeichnet und in seinem 
Mittelmeergebiet ein Theil der italienischen, spanischen und algierischen 
Waldungen. Während man also überall, wo Baumwuchs vorkommt, von 
Wald- oder Bauminsekten reden kann, so kann man nur für dieses 
Gebiet von Forstinsekten sprechen und versteht hierunter alle die- 
jenigen Insekten, welche für den Forstmann eine praktische Bedeutung 
haben. 

Die nützlichen und schädlichen Forstinsekten im allgemeinen. 
In der Fauna der rationell bewirthschafteten Waldungen des eben be- 
zeichneten Bezirkes kommen forstlich direct nützliche, d. h. an sich 
selbst verwerthbare oder verwerthbare Producte liefernde Insekten nur 
in beschränktem Masse vor. Zu erwähnen wären nur die andererseits als 
Laubholzbeschädigerin zu verurtheilende spanische Fliege, Lytta vesicatoria, 
die Knopperngallwespe, Cynips calycis, deren Gallen in Oesterreich- 
Ungarn eine nicht unbedeutende Nebennutzung der Eichenwälder bilden, 
und jetzt allerdings nur noch in Russland, früher aber auch bei uns, die 
wilden Bienen. So berichtet 1829 von PAannewirz |Das Forstwesen von 
Westpreussen, p. 116 und 117], dass die wilde Bienenzucht in West- 
preussen, besonders unter polnischer Herrschaft, eine sehr bedeutende 
Einnahmequelle in Staats- und Privatforsten bildete. 


Es wurden Benten, d. h. Bienenstöcke, dadurch hergestellt, dass in die 
stärksten Kiefernstämme Löcher von 4—5 Fuss Länge, 1—1!/, Fuss Tiefe und 
nur 8 Zoll breiter Oeffnung, oft mehrere über einander, eingehauen und bis auf 
ein Flugloch durch eine breite, platte, mit Weidenruthen vorgebundene Holz- 
klobe wieder verschlossen wurden. Diese von einer besonderen Innung der Wald- 
bewohner, den „Beutnern”, hergestellten Stöcke wurden ihnen gegen Zins oder 
Naturalhoniglieferung überlassen, und es brachte noch im Jahre 1773 im Schloch- 
auer Beritt die Beutenpacht fast ebensoviel ein, nämlich 507 Thaler, wie die Holz- 
nutzung mit 523 Thaler 25 Sgr. Im Jahre 1785 waren in eben diesem Beritt noch 
821 beflogene und 3060 unbeflogene Beutenstämme vorhanden, und es dürften bei 
der preussischen Besitznahme im Jahre 1772 leicht 20 000 Beuten in den west- 
preussischen königlichen Forsten vorhanden gewesen sein. 


Auch den forstwirthschaftlich indireet nützlichen Insekten, den 
insektentödtenden, welche, wie z. B. die Schlupfwespen und die Raupen- 
fliegen, der Forstmann als treueste Bundesgenossen bei der Bekämpfung 
von Insektenverheerungen schätzt, steht er dennoch gewissermassen passiv 
gegenüber, da er keine Mittel hat, sie nach Bedürfniss da- oder dorthin 
zu dirigiren. Wir betrachten dieselben genauer in dem Abschnitte: „Die Be- 
schränkung der Insektenschäden durch natürliche Einflüsse” (S. 182 bis 189). 


Die Forstinsekten und die von ihnen verübten Pflanzenbeschädigungen. 137 


Nur einige wenige Forstinsekten sind dem Menschen direet schäd- 
lich. Hierher sind vor allem zu rechnen die Raupen der Gattung Cnetho- 
campa, der Processionspinner, deren Haare auf weiche Hautstellen von 
Menschen und Thieren und besonders auf Schleimhäute gebracht, unan- 
genehme und nicht selten gefährliche Entzündungs-Erscheinungen hervor- 
rufen. Aehnliches ist, wenn auch in geringerem Masse, von einigen 
anderen behaarten Raupen zu berichten. 

Indirect schädlich, nämlich durch Zerstörung werthvoller Forst- 
producte, sind dagegen eine grosse Menge der den Forst bewohnenden 
Insekten. Man kann dieselben betrachten einmal mit Rücksicht auf die 
Art der von ihnen verübten Beschädigung, zweitens auf die Grade ihrer 


Schädlichkeit. 


Die verschiedenen Arten der durch Insekten verübten Beschädi- 
gungen an Holzpflanzen. Die Insektenangriffe auf Holzpflanzen, welche 
hier mit reichlicher Benützung der neueren Arbeiten Frank’s [XXV] 
abgehandelt werden, sind: 

1. Verletzungen, die mit Zerstörung fester Pflanzensubstanz 
verbunden sind, 

2. Verletzungen, die nur Saftverlust zur Folge haben, 

3. dauernde Reizwirkungen, welche die Pflanze zur Erzeugung 
krankhafter Neubildungen, sogenannter Gallen, veranlassen. 

Verletzungen, die mit einem Verluste fester Pflanzensubstanz ver- 
bunden sind, sind beiweitem die häufigsten. Sie werden hervorgebracht 
durch Insekten-Imagines oder -Larven mit kauenden Mundwerkzeugen. 
Der Rüsselkäfer, der die Rinde eines Fichtenpflänzchens schädigt, die 
Raupe, die ein Laubblatt auffrisst, der Borkenkäfer, welcher einen Gang 
in Rinde und Splint nagt, die Wicklerraupe, die eine Knospe aushöhlt 
und die Holzwespe, welche sich mit ihren scharfen Kiefern ein Flugloch 
frisst, schädigen ihre Nährpflanzen sämmtlich in dieser Weise. 

Ganz anders wirken die Insekten mit saugenden Mundwerkzeugen. 
Diese können keine feste Pflanzensubstanz zerstören. Die durch ihre 
feinen Saugrüssel angerichteten direeten Verletzungen sind meist sehr 
unbedeutend, dagegen ist für die Pflanze der durch ihr Saugen bewirkte 
Saftverlust schädlich. Die Anzahl der so wirkenden Forstschädlinge ist 
verhältnissmässig gering; wir erwähnen als Beispiel die Blattläuse und 
Verwandte. 

Bei der dritten Art der Schädigung ist weder der Verlust an 
Pflanzensubstanz, noch der an Saft das Wesentliche, sondern der dauernd 
durch das Insekt hervorgebrachte Reiz an jungen, noch neubildungs- 


138 Kap. V. Die Insekten als natürliche und wirthschaftliche Macht. 


fähigen Pflanzentheilen. Diese werden hierdurch häufig zur Erzeugung 
krankhafter Neubildungen angeregt, welche erfahrungsgemäss ganz be- 
stimmte, nach Insekten- und Pflanzenart, ja sogar nach den Pflanzen- 
theilen wechselnde Formen annehmen und Gallen oder Cecidien 
genannt werden. 


Eine genaue allgemeine Charakteristik des Begriffes Galle wird durch 
die ausserordentliche Mannigfaltigkeit dieser Bildungen unmöglich gemacht. An 
höheren Pflanzen versteht man unter Galle eben jedes vielzellige Organ, das in 
Folge des dauernd durch ein Thier ausgeübten Reizes eine, meist mit starken 
abnormen Wachsthumserscheinungen verbundene, morphologische und histologische 
Veränderung seines Charakters erlitten hat. 

Gallerzeugende Insekten — von den gallerzeugenden Rundwürmern, 
Nematoden und den Gallmilben (vergl. S. 19 bis 23) müssen wir an dieser Stelle 
absehen — kennen wir in den Gruppen der Käfer, Hautflügler, Schmetterlinge, 
Zweiflügler und Schnabelkerfe. Die geringste praktische Bedeutung haben die 
Käfer- und Schmetterlingsgallen. Am wichtigsten sind die von den Hautflüglern 
und besonders die von den Gallwespen namentlich an den verschiedenen 
Eichenarten erzeugten. Ihnen reihen sich der Wichtigkeit nach die Zweiflügler- 
gallen, hauptsächlich von Gallmücken erzeugt, an und erst dann folgen die 
Schnabelkerf- und speciell die Blattlausgallen. 

Das den Reiz ausübende Thier kann seinen Sitz entweder an der Aussen- 
seite oder im Inneren des betreffenden Pflanzentheiles haben. Als Beispiel eines 
durch äusserliche Angriffe Gallen erzeugenden Thieres führen wir die, eine Art des 
Buchenkrebses hervorbringende Blattlaus, Lachnus exsicator Arr., auf. Ueberhaupt 
entstehen alle Blattlausgallen ursprünglich durch äussere Angriffe, die dieselben 
erzeugenden Thiere werden aber mitunter allmälig von der wuchernden Galle 
umschlossen, so z. B. die taschenartige Beutelgallen an den Ulmenblättern ver- 
ursachenden Formen. In diesen Fällen ist der Gallerzeuger auch meist eine Imago, 
indessen können, wenngleich seltener, auch gleichzeitig Larven durch äussere 
Angriffe gallbildend wirken, z.B. die Larven von Chermes. Gallerzeuger, die im 
Inneren des Pflanzentheiles ihren Sitz haben, sind stets Larven, beziehungsweise 
noch in der Eischale eingeschlossene Embryonen, die in der Galle ihre Ver- 
wandlung durchmachen. Solche Larven können entweder durch eigene Thätigkeit 
in die Pflanzensubstanz eindringen — so z. B die aus einem äusserlich an die 
Rinde abgelegten Eie schlüpfende Larve von Saperda populnea L., welche be- 
sonders an Aspenäusschlag knotige Anschwellungen der Aeste hervorruft — oder 
aber bereits innerhalb derselben, aus einem von dem Mutterthiere mit Hilfe des 
Legbohrers in den Pflanzentheil versenkten Eie, ausschlüpfen. So stechen z. B. die 
eigentlichen Gallwespen, Cynipidae, verschiedene noch wachsende Theile der Eichen 
an, um in dieselben ihre Eier abzulegen, und es ist die Bildung der Galle bereits 
während der Embryonalentwicklung der Gallwespe im vollen Gange. Worin eigentlich 
der Reiz besteht, auf welchen hin die Pflanze durch die Erzeugung einer Galle 
reagirt, ist noch nicht völlig aufgeklärt. Die neueren Arbeiten, besonders die von 
M. W.Berverisck, machen es aber höchst wahrscheinlich, dass weder die mecha- 
nische Beschädigung des Pflanzentheiles, noch auch bei denjenigen Gallinsekten, 
bei welchen das Mutterthier die Pflanze behufs Ablage der Eier mit dem Leg- 
stachel ansticht, ein von der Mutter in die Pflanze eingebrachtes ätzendes Secret 
die direete Ursache des Reizes ist. Vielmehr sprechen viele Anzeichen dafür, dass 
ein von dem sich entwickelnden Embryo, beziehungsweise von der Larve selbst 
erzeugtes Secret den Reiz bewirkt. Es wird daher wohl anzunehmen sein, dass 
auch bei den von Imagines erzeugten Gallen ein Secret, hier vielleicht der 
Speichel, die die Gallwucherung bedingende Ursache ist. 

Kein noch zur Erzeugung von Neubildungen fähiger Pflanzentheil bleibt von 
den Angriffen der Gallerzeuger verschont. Wurzel und Stamm, Blätter und Knospen, 
Blüthen und Früchte können Gallen tragen, beziehungsweise sich in solche ver- 
wandeln. Sehen wir von den wohl nur durch Angriffe von Gallmilben hervor- 


Die Insektengallen. Wurzelbeschädigungen durch Insekten. 139 


gebrachten abnormen Haarbildungen ab (vergl. S. 21), so können wir als Haupt- 
formen der von Insekten erzeugten Gallen bezeichnen: 


1. Krümmungen, Rollungen, Faltungen und Umrissverände- 
rungen an Blättern, Blattstielen und Stengeln. Mit ihnen sind häufig 
Verdiekungen der einzelnen Organe verbunden. Besonders sind es Gallmücken 
und Blattläuse, die diese Wirkungen hervorbringen. 

2. Beutel- und Taschengallen an Blättern. Diese werden, ausser 
durch Gallmilben, sehr häufig durch Blattläuse hervorgebracht, hervorragende 
Beispiele derselben sind die von Schizoneura lanuginosa Hrsg. an Ulmenblättern 
hervorgebrachten grossen Blasen, sowie die von der Reblaus an den Blättern der 
amerikanischen Reben erzeugten Gallen. 


3. Knospenanschwellungen und Triebspitzendeformationen, 
verbunden mit Kurzbleiben der Achse und überhäufter Blätterbildung. Die er- 
zeugenden Thiere leben alsdann zwischen den krankhaft veränderten Blättern. 
In diesen Fällen sind die Schädlinge meist Schnabelkerfe, z. B. die ananas- 
förmige Gallen an Fichten hervorrufenden Chermes-Arten, oder Gallmücken, 
z. B. Cecidomyia rosaria Lorw, welche an verschiedenen Weidenarten die 
bekannten Weidenrosen hervorbringt. 


4. Krebsbildungen, d. h. bösartige, zu Gewebszerstörungen führende, 
äussere Anschwellungen an Zweigen und Wurzeln. Die von der Blutlaus, Schizoneura 
lanigera Hausm., an Apfelbäumen und die von der Reblaus an den Rebwurzeln 
erzeugten Schädigungen gehören in diese Abtheilung. 


5. Eigentliche Gallen, welche sich an den verschiedensten Pflanzen- 
theilen durch Gewebswucherungen um einen in dem Gewebe befindlichen Para- 
siten bilden und im Inneren stets eine Larvenwohnung haben. Diese werden theils 
von Schmetterlingen — die Zweiggallen von Grapholitha Zebeana Rarz. an Lärche 
— theils von Kätern — die Gallen von Ceutorhynchus suleicollis Gyrr. an den 
Wurzelhälsen der Brassica-Arten — theils von Gallmücken — die Gallen von Ceci- 
domyia saliciperda Dur. an den Stämmen und Aesten der Weiden — theils von 
Blattwespen — die rothen Blattgallen von Nematus Vallisnerii Hre. an ver- 
schiedenen Weiden — besonders aber von Gallwespen an den verschiedenartigsten 
Theilen der Eichen erzeugt. Letztere werden im speciellen Theile eingehende 
Besprechung erfahren. Wir verweisen vorläufig auf die S. 127 abgebildete Galle 
von Biorhiza terminalis FAur. 


Die Folgen der eben genannten drei Arten direeter Insekten- 
angriffe sind nun sehr verschieden, je nach den Pflanzentheilen, an 
denen sie erfolgen. Wir haben zunächst Wurzel-, Blatt-, Rinde- 
sowie Holzkörperbeschädigungen zu unterscheiden. 


Wurzelbeschädigungen können erzeugt werden entweder durch 
grabende Kerfe, welche beim Bau ihrer unterirdischen Gänge die Wurzeln 
zerreissen oder zerbeissen, oder durch Wurzelfresser, oder durch an 
den Wurzeln saugende, respective an ihnen Gallen erzeugende In- 
sekten. Unter den grabenden Kerfen ist vornehmlich die Werre oder 
Maulwurfsgrille zu nennen, als Wurzelfresser sind namentlich Käfer- 
larven, als da sind Engerlinge, Drahtwürmer u. s. f., sowie einige 
unterirdisch lebende Raupen, z. B. die der Kiefernsaateule, anzuführen. 
An Wurzeln saugende Insekten werden dem Forstwirthe nur wenig 
nachtheilig, während der Weinbauer augenblicklich an vielen Orten 
durch die Reblaus geschädigt wird. In allen Fällen sind es zunächst 
die feinen, noch nicht verholzten Wurzeln, welche zerstört werden. 
Der hierdurch hervorgebrachte Schaden beruht darauf, dass diese 
Wurzeln die das Wasser und die gelösten mineralischen Nährstoffe 


140 Kap. V. Die Insekten als natürliche und wirthschaftliche Macht. 


aufsaugenden Organe sind. Als nächste Folge einer ausgiebigeren 
Wurzelbeschädigung tritt daher stets eine ungenügende Wasserzufuhr 
ein, die sich sehr bald durch Welkwerden der Blätter und der 
saftigen Triebe kundgibt. Betrifft die Schädigung nicht allein die 
feinen Wurzeln, sondern auch die stärkeren, wird besonders auch die 
Pfahlwurzel junger Stämme mit ihren Verzweigungen durchschnitten, 
wie dies z. B. bei Akazien durch den Frass der Larve von Poly- 
phylla fullo L. vorkommt [XVI, 2. Aufl. III. 590 und 591], so ver- 
liert die Pflanze ausserdem auch den festen Halt im Boden und 
wird leieht durch Wind oder ähnliche Angriffe aus der Erde gerissen. 

Blattbeschädigungen können entweder in gänzlicher Entfernung 
oder in theilweiser Zerstörung der Laubblätter, unter denen hier im 
streng botanischen Sinne natürlich auch die Nadeln der Coniferen 
begriffen werden, bestehen. Erstere wird hauptsächlich durch blatt- 
fressende Imagines oder Raupen bewirkt; die bekanntesten Beispiele 
hierfür sind Maikäfergund grosse Kiefernraupe. 

Eine theilweise Zerstörung der Blattsubstanz wird sowohl durch 
das Blatt skeletirende oder in dem Blatte lebende und das Mesophyll 
oder Blattfleisch ausfressende Larven verursacht oder durch die Stiche 
saugender Thiere, sowie durch gallerzeugende Insekten. Die Larven 
vieler Ohrysomeliden, die die Blätter minirenden Käfer- und Klein- 
schmetterlingslarven — wir erwähnen speciell Lina Populi L. an Pappel 
und Agelastica Alni L. an, Erle als Blattskeletirer, Orchestes Fagi L. an 
Buche und Tinea complanella Hp. an Eiche als Blattminirer — sind 
hierher zu rechnen. Auf ein typisches Beispiel von blattaussaugenden 
Schädlingen haben wir bereits bei den Arachnoideen hingewiesen auf 
den Tetranychus telarius L. (vergl. S. 23). 

Die durch Blattzerstörungen hervorgerufene Schädigung der Holz- 
gewächse beruht in letzter Instanz in der Verminderung oder gänz- 
lichen Vernichtung der chlorophyllhaltigen Organe, also derjenigen, 
durch welche von der Pflanze die Kohlensäure der atmosphärischen 
Luft aufgenommen wird und in denen aus eben dieser Kohlensäure und 
aus Wasser unter Mithilfe anderer Nährstoffverbindungen und unter dem 
Einflusse des Sonnenlichtes organische Substanz erzeugt und Sauerstoff 
ausgeschieden wird. Dieser bekanntlich als Kohlensäure-Assimilation 
bezeichnete Vorgang wird also durch Blattzerstörungen beeinträchtigt 
oder aufgehoben, desgleichen auch die wesentlich an denselben Organen 
vor sich gehende Wasserverdunstung. 

Als Beschädiger der Rinde, speciell der Borke und des 
Weichbastes kommen in praktischer Hinsicht meist nur die nagenden 
Insekten in Betracht und ausserdem solche saugende, welche Rinden- 
krebs verursachen. Die Angriffe der nagenden Insekten können entweder 
von aussen erfolgen, so dass der Holzkörper völlig frei gelegt wird, 
oder ohne Entblössung desselben, indem Gänge in Rinde und Splint 
gefressen werden. 

Als wichtige, die Rinde gänzlich entfernende und zugleich gewöhn- 
lich das Cambium und die äussersten Splintschichten verletzende Schäd- 


Blatt-, Rinden- und Holzkörperbeschädigungen. 141 


linge führen wir beispielsweise auf, an jungen Nadelhölzern den grossen 
braunen Rüsselkäfer, Hylobius Abietis L., an Eschen die Hornisse, 
Vespa Crabro L. 


Beiweitem zahlreicher sind die durch Anlage innerlicher Gänge 
den Weichbast und die äussersten Splintschichten vernichtenden Schäd- 
linge. Hierher gehören vor allen Dingen die meisten Borkenkäfer, 
viele Rüsselkäfer, z. B. die Pissodes- Arten und eine Reihe von 
Kleinschmetterlingen, z. B. der Fiehtenrindenwickler, Grapholitha 
pactolana Zu. 


Eine Verletzung der eigentlichen Borke ist ohne alle Bedeutung. 
Anobium-Arten können in derselben zahlreiche, mit braunem Bohr- 
mehl ausgefüllte Gänge fressen, ohne dass der Baum den geringsten 
Schaden erleidet. Form und Stärke der Borke werden forstentomologisch 
nur dadurch wichtig, dass sie gewisse Schutzmassregeln gegen Insekten 
erleichtern oder erschweren, so z. B. das Sammeln der Nonneneier, 
welches an den dickborkigen Kiefernstämmen unmöglich, auf den mit 
feinschuppiger Rinde versehenen Fichten aber wohl durchführbar 
ist. So schadet auch die Anlage von Theerringen direct auf der 
Borke weder der Kiefer, noch auch den stärkeren Obstbäumen. 


Dagegen sind Beschädigungen der Innenrinde und des Weich- 
bastes im höchsten Grade gefährlich. Fast ausschliesslich in dieser 
Schicht liegen nämlich, wenigstens bei den forstlich in Frage kommenden 
Pflanzen, die Wege für die Leitung der stickstoffhaltigen Nährstoffe, 
welche während der Zeit, in welcher eine Assimilation stattfindet, von 
den assimilirenden Organen, den Blättern, nach dem Stamme und den 
Wurzeln zu, also im ganzen abwärts, bei Beginn der neuen Vegetations- 
periode, im Frühjahr, aber stammaufwärts, den noch unentwickelten 
Knospen aufgespeicherte Reservestoffe zuführend, wandern, eine Wan- 
derung, die durch Zerstörung des Weichbastes je nach der Ausdehnung 
der Beschädigung ganz oder theilweise unterbrochen wird. 


Verletzungen des Holzkörpers einschliesslich der Markröhre 
selbst sind ausschliesslich von in demselben Gänge nagenden Insekten 
verursacht, niemals durch saugende. Als hervorragende Schädlinge, 
welche so wirken, führen wir die Holzwespen, Sirex, und unter den 
Borkenkäfern Tomicus dispar Far. an. Auch die Herbstthätigkeit 
des Waldgärtners, des Hylesinus piniperda L., welcher zu dieser Zeit 
die Markröhren der Kieferntriebe ausfrisst, ist hier anzuführen. Tritt, 
wie z. B. in letzterem Falle, eine solche Schädigung an schwachen 
Zweigen ein, so wird zunächst die Widerstandsfähigkeit derselben 
gegen äussere mechanische Angriffe, z. B. gegen den Wind, sehr 
beeinträchtigt, wie wir an den massenhaft durch die Herbst- 
stürme herabgeworfenen, von dem Waldgärtner ausgehöhlten Kiefern- 
trieben sehen. Aber auch eine physiologische Schädigung der Holz- 
gewächse kann auf diese Weise erfolgen. Dies beweist besonders der 
grosse Schaden, welchen der eben erwähnte Tomicus dispar, dessen 
Gänge, von dem ersten, die Rinde radial durchbohrenden Eintritts- 


142 Kap. V. Die Insekten als natürliche und wirthschaftliche Macht. 


gange abgesehen, ausschliesslich im Holze verlaufen, in Jüngeren 
Laubholzbeständen anrichtet. Es ist dieser Schaden wohl darauf zurück- 
zuführen, dass einmal die Bewegung des Wassers und der in ihm 
gelösten mineralischen Nährstoffe, andererseits die Leitung der stick- 
stofffreien Nährstoffe, der Kohlenhydrate, wesentlich durch den Holz- 
körper vermittelt und bei Beschädigung desselben beeinträchtigt wird. 
Stärke findet sich nämlich in den jüngeren Holzzellen und in den 
Markstrahlen besonders im Herbst in grösserer Menge. 

Entblössungen und Verletzungen des Holzkörpers können aber 
auch insofern indireet schädlich werden, als durch sie bequemere 
Wege für das Eindringen von Pilzen oder Pilzsporen geschaffen werden, 
also von Organismen, welche Zersetzungserscheinungen des Holzes, 
Wandelbarkeit desselben hervorrufen. 

Sowohl durch direete Insektenangriffe, als auch indireet durch die 
bei den eben geschilderten Schädigungen von Wurzeln, Blättern, Rinde 
und Holz eintretenden Störungen der physiologischen Functionen können 
an den Holzpflanzen ferner leiden, beziehungsweise zu Grunde gehen, 
Triebe, Zweige, Aeste, ja sogar die ganze Krone oder wenigstens 
die Knospen, aus denen sich solche Organe in der Folge entwickeln 
sollten. Durch die gleichen Ursachen können auch Blüthen oder 
Früchte direet geschädigt, oder deren Entstehung oder normale Aus- 
bildung verhindert werden. 

Solche Sebädigungen haben dann, ausser den auch wieder von ihnen 
mitbedingten weiteren physiologischen Störungen des Baumlebens, erstere 
Störungen der normalen Ausbildung der Pflanzenform, letztere 


Verminderung der natürlichen Vermehrung durch Samen im 
Gefolge. 


Als bestes Beispiel für Störung der normalen Baumformausbildung 
ist die Herbstthätigkeit des Waldgärtners, Hylesinus piniperda L., 
anzuführen. Aeltere Kiefern verlieren durch seine Angriffe oft so 
viele Triebe an dem ganzen Mantel der Krone, dass diese, gleichsam 
durch den Waldgärtner verschnitten, ihre gewölbte Form einbüsst, die 
Gestalt einer Fichten- oder Cypressenkrone erhält und auch im Inneren 
fehlerhafte Verzweigungen bekommt. 

Als Zerstörer forstlich wichtiger Samen seien beispielsweise er- 
wähnt: in den Fichtenzapfen Anobium Abietis Fagr., Grapholitha 
strobilella L., Dioryctria abietella S. V.; in Kiefernzapfen die letztere 
und Pissodes notatus FArr.; in den Bucheln Grapholitha grossana Hw.; 
in Eicheln Graph. splendana Hpx., Balaninus turbatus Gyrı., B. glan- 
dium Mrsn. und B. elephas Schu., letzterer an Quercus cerris L. Alle 
diese und verwandte Feinde der Blüthen und Früchte sind aber forstlich 
nicht von grosser Wichtigkeit. Beachtenswerther sind Blüthenfeinde dem 
Obstzüchter, z. B. der die Blüthen der Apfel- und Birnbäume zer- 
störende Rüsselkäfer, Anthonomus pomorum L., sowie die Obstmade, 


Schädigung der Baumform u. der natürl. Vermehrung. Heilungsvorgänge. 143 


Graph. pomonella L. Forstlich wichtiger ist der indireete Einfluss des 
Insektenfrasses auf das Blühen und Samentragen der Bäume. Die Er- 
fahrung hat wiederholt gezeigt, dass nach Raupenfrass, z. B. nach 
dem des Rothschwanzes, der Nonne, des Goldafters ete., im Nachjahre 
eine Verminderung des Blühens und Samentragens folgt. Diese allge- 
meine Verminderung ist weit bedeutungsvoller, als die direete Zer- 
störung verhältnissmässig weniger Blüthen und Früchte durch vor- 
stehend genannte Insekten, sowie durch einige Knospenfresser. 


Mit alleiniger Ausnahme der Zerstörung von Blüthen und Früchten 
können alle soeben kurz gekennzeichneten Angriffe, wenn sie intensiv 
genug sind, den Tod, wenn sie geringer sind, ein Kränkeln des 
Baumes zur Folge haben. Ist nur letzteres der Fall, so treten eine 
Reihe von Erscheinungen ein, welche auf die Ausgleichung des erlittenen 
Schadens abzielen und welche wir als Heilungsvorgänge zusammen- 
fassen können. So tritt nach Beschädigung der Wurzeln oder Triebe eine 
Neubildung von solchen ein, der Verlust der Laubblätter wird durch 
Neubildung blättertragender Zweige, durch das sogenannte Wiederergrünen 
ausgeglichen. Die Rinden- und Holzbeschädigungen heilen aus durch 
allmälige Ueberwallung der Wunden. 

Ehe die Heilung vollständig ist, vergeht aber meist ein längerer 
Zeitraum, und während desselben tragen die Lebenserscheinungen der 
Pflanze ein abnormes, krankhaftes Gepräge. Solche Erscheinungen, 
in denen sich das Kränkeln der Holzgewächse ausdrückt, sind: 1. Das 
Auftreten von nach Form und Dimensionen ungewöhnlichen Neubildungen. 
2. Die Entstehung der Ersatztheile aus stellvertretenden Trieben oder 
schlafenden Knospen. 3. Die Minderung des Zuwachses. 


Das Auftreten ungewöhnlicher Neubildungen. Im all- 
gemeinen sind die in ihren Dimensionen veränderten kränkelnden Neu- 
bildungen kleiner und spärlicher als die normalen. Dünne Belaubung 
im Jahre nach der Besehädigung, beziehungsweise nach einem Kahl- 
frasse ist bei den Laubbäumen häufig. Nach Nonnenfrass scheinen die 
Bäume in dem auf die Beschädigung folgenden zweiten Jahre am meisten 
zu leiden. Es erhalten alsdann die neuen Triebe bei der Fichte häufig 
nur ganz kurze Nadeln, sie bleiben „Bürstentriebe” (Fig. 91). Bei 
der Kiefer entstehen nach Kahlfrass proleptisch aus Seitenknospen 
Rosettentriebe, d. h. ganz kurz bleibende Triebe, die dichtstehende, 
verkürzte, breite und gesägte einfache Nadeln tragen (Fig. 92). 

Andererseits kann aber auch der Fall eintreten, dass, wenn 
viele Knospen zerstört sind, dem kleinen übrig bleibenden Rest der 
gesammte Saftzufluss zu Gute kommt und die aus ihnen sich bildenden 
Organe, z. B. Nadeln oder Blätter, ungewöhnlich gross werden, so 
z. B. bei der gewöhnlichen Kiefer, bei welcher alsdann mitunter 
sogar Dreinadeligkeit vorkommt. 


144 Kap. V. Die Insekten als natürliche und wirthschaftliche Macnt. 


Aebhnliche Verhältnisse finden sich nach Krasan [Botanische 
Jahrbücher von Enerer, Bd. V, S. 350 und 351] bei den durch 
Orchestes Quercus L. angegriffenen Stieleichen. Während nämlich häufig 
der erste Trieb durch die direeten, vom Weibchen dieses Springrüssel- 
käfers beim Unterbringen ihrer Eier verübten Angriffe geradezu sistirt 
erscheint, und die verletzten Blätter verkrümmt sind, werden die am 
Johannistriebe direet über den verletzten stehenden Blätter ungewöhn- 
lich gross und abnorm geformt, während die am Gipfel stehenden 
allerdings wieder ihre normale Form annehmen. 


Fig. 91. Seitenzweig einer im Jahre 1856 Fig. 92. Rosettentrieb an Kiefer, nach 


durch Nonnenfrass geschädigten Fichte, Rarzerurg [XV, Bd.], Taf. 6, Fig. 2]. 
welche im Jahre 1855 nur Bürstennadeln 
produeirte. 


Die Entstehung von Ersatztheilen aus eigentlich nicht 
dazu bestimmten Gebilden ist sehr häufig. Das deutlichste Beispiel 
liefern die von Retinia buoliana ihrer Gipfeltriebe beraubten Kiefern. 
Bei diesen hebt sich nach einer gewissen Zeit ein Trieb des obersten 
Quirles und wird nun zum Gipfeltrieb, allerdings nicht ohne dass sein 
Aufwärtsstreben eine Verkrümmung des Stammes an der betreffenden 
Stelle verursachte. 


Für die Bildung von allerdings meist abnorm geformten Ersatz- 
organen aus schlafenden Knospen liefert ebenfalls die Kiefer das bei- 
weitem beste Beispiel. Aus den am Vegetationspunkte der Kurztriebe 
zwischen je zwei Kiefernnadeln befindlichen, gewöhnlich ruhenden 
Scheidenknospen entwickeln sich in Folge von Entnadelung und Ver- 
stimmelungen des Haupttriebes Scheidentriebe, welche zwar in der 
Regel kein hohes Alter erreichen, dagegen aber provisorisch für das 
Leben des Baumes von hoher Bedeutung sind. 


Abnorme Ersatzbildungen. Zuwachsverlust. 145 


Der in Folge von Kränkeln eintretende Zuwachsverlust kann 
ein doppelter sein. Einmal kann der Längen-, andererseits der 
Stärkenzuwachs leiden. Die Verminderung des Längenzuwachses zeigt 
sich darin, dass in den zunächst auf das Jahr der Beschädigung fol- 
genden Jahren die Endtriebe der Zweige und besonders die Gipfel- 
triebe der Nadelhölzer kürzer bleiben. Erst später erhalten sie allmälig 


Rinde. 


Fig. 93. Entasteter Wipfel einer im Fig. 94. Die letzten sieben Holzringe einer 

Jahre 1857 von der Nonne kahlgefres- im Jahre 1858 fast ganz kahlgefressenen, 

senen Fichte, die verschiedene Länge abernichteingegangenen Kiefernstange; nach 
der Jahrestriebe zeigend. Rarzegurc. [XV, 1. Bd., Taf. 6, Fig. 4o.] 


wieder ihre normale Länge. So hat die Fichte, deren Wipfel oben- 
stehend (Fig. 93) abgebildet ist, nach einer im Jahre 1857 erlittenen 
Schädigung bis 1859 nur ganz kurze Gipfeltriebe gebildet und erst 
im Jahre 1861 wieder einen kräftigen Trieb erzeugt. 

Die Minderung des Stärkenzuwachses wird besonders bei 
Verlust der Laubblätter oder Nadeln bemerkt, sie tritt mitunter schon 
im Frassjahre, bedeutend häufiger aber im Nachjahre ein. Nach einem 
grösseren Frasse werden die Jahresringe stets schmäler und schwächer, und 
dies kann sich mitunter auf viele Jahre hinaus erstrecken (vergl.Fig.94). 
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde. 10 


146 Kap. V. Die Insekten als natürliche und wirthschaftliche Macht. 


NörDLInGer hat wiederholt an Eichen, auch an Carya alba Miırr.., 
den in Süddeutschland alle drei Jahre wiederkehrenden Maikäferfrass 
durch besonders schmale Jahresringe bezeichnet gefunden. 

Das Auszählen der Jahresringe zur Bestimmung des Baumalters bei 
den praktisch so wichtigen Zuwachsermittelungen wird unsicher durch Bil- 
dung von Doppelringen, welche bei plötzlicher Entlaubung im Sommer 
namentlich an jungen Trieben sicher vorkommen, oder durch Zusammen- 
fliessen zweier Jahresringe in einen, mitunter wohl auch durch gänzliches 
Ausbleiben eines Ringes. Der durch die Färbung scharf ausgesprochene 
Unterschied zwischen Frühjahrs- und Herbstholz, „Weiss- und Braun- 
holz”, eines Jahresringes, namentlich beim Nadelholze, macht bei diesem die 
Zählungen sehr leicht, sobald keine Störungen im Wuchse eintraten. Bei den 
Laubhölzern sind die beiden Schichten des Jahresringes weniger scharf 
geschieden, nur die ringporigen Eichen, Eschen und Rüstern grenzen durch 
das gefässreiche Frühjahrsholz jeden neuen Jahresring von der dichten 
Herbstholzschicht des vorhergehenden Ringes scharf ab. 

Störungen in der Harzerzeugung entstehen bekanntlich ebenfalls 
nicht blos durch Pilze, welche eine Umbildung der Stärke und der 
Cellulose zu Terpentin und dadurch eine krankhafte Vermehrung des 
Harzes, sowie Harzausfluss bewirken, z. B. Agaricus melleus L., Aeci- 
dium Pini Prrs., Peziza Willkommii R. Hrc. Alle Insekten, welche 
die Rinde oder den Holzkörper der Nadelhölzer von aussen verletzen, 
z. B. Bockkäfer, Tetropium luridum L., Holzwespen, Graph. pactolana Zur. 
und coniferana Rarz., Dioryctria abietella S.V., verschiedene Rüsselkäfer, 
Hylobius Abietis L., Pissodes hercyniae Hssr., sowie Borkenkäfer bewirken 
einen mehr oder weniger starken Harzausfluss. Aber auch im Innern des 
Holzes entstehen abnorme Bildungen, so z. B. die sogenannten „Harz- 
ketten”. Wir verstehen darunter im Holze der Kiefern und Fichten 
eine krankhafte Vermehrung der Harzkanäle zu concentrischen Ketten, 
welche manchmal in einander fliessen; auch können die Harzkanäle im 
letzten Jahresringe völlig ausbleiben. 


Die Grade der Schädlichkeit und die sie bedingenden Ursachen. 
Vom rein theoretischen Standpunkte aus betrachtet, ist jedes Insekt 
forstschädlich, welches auf einem verwerthbaren Forstgewächs Wohnung 
und Nahrung findet, ebenso wie in der Theorie schon das Abbrechen 
eines Blattes den Baum schädigt, indem dadurch die respiratorische 
Oberfläche desselben verringert wird. Aber der hierdurch angerichtete 
Schaden ist in der Praxis nicht nachweisbar, und auch die durch manche 
auf Forstgewächsen lebende Insekten bewirkte Schädigung derselben ist 


Zuwachsverlust. Grade der Schädlichkeit. 147 


so gering, dass wir sie in praktischer Hinsicht durchaus vernachlässigen 
und als unschädlich betrachten können. So verzeichnet z. B. KALTENBACH 
[XVIl, S. 643—678] nicht weniger als 537 auf und von der Eiche 
lebende Insekten, von denen wir aber höchstens 50 eine wirthschaftliche 
Bedeutung beimessen können. 

Diejenigen Forstinsekten, bei welchen überhaupt eine schädigende 
Thätigkeit nachweisbar ist, werden nach altem Brauche von den Forst- 
leuten eingetheilt in unmerklich schädliche, merklich schädliche 
und sehr schädliche. 


Als „unmerklich schädlich” bezeichnet man solche Insekten, 
welche nur ganz unbedeutende Zerstörungen anrichten, also nur ab- 
gestorbene Stämme oder Stammtheile befallen, ohne deren technische 
Brauchbarkeit wesentlich zu beeinträchtigen, oder solche, die am lebenden 
Baume ihrer Seltenheit oder der Eigenthümlichkeit ihres Frasses wegen 
weder Absterben, noch sichtbares Kränkeln hervorrufen. Hierher 
gehören z. B. sehr viele Blattminirer, viele Arten der Blätter rol- 
lenden Rüsselkäfer, Gattung Rhynchites, zahlreiche Cynipiden u. s. w. 


„Merklich” und „sehr schädlich” nennt man die Insekten 
nach Massgabe der Ausdehnung des beachtenswerthen Schadens. Die 
sehr schädlichen gefährden ganze Bestände oder Kulturen, oder auch 
ganze Reviere in empfindlichster Weise, die merklich schädlichen 
kommen entweder nur an einzelnen Bäumen oder Horsten vor, oder 
tödten wenigstens, wenn sie sich auch auf ganze Bestände erstrecken, 
die Bäume nicht. Sehr schädlich sind z. B. oft der Fichtenborken- 
käfer, Tomicus typographus L., der Kiefernspinner, Bombyx Pini L., 
u.s.w. geworden, während der Rothschwanz, Dasychira pudibunda L., 
Grapholitha tedella Ür., Retinia buoliana S.V., u. s. w. nur zu den 
ınerklich schädlichen Insekten gehören. 

Wir werden uns hauptsächlich nur mit solchen Forstinsekten 
beschäftigen, welche den beiden letzten Abtheilungen zugerechnet 
werden, von den unmerklich schädlichen dagegen nur einzelne nebenher 
erwähnen. Man darf aber nicht verkennen, dass diese Begriffe keine 
absoluten, sondern nur relative sind, denn in verschiedenen Fällen kann 
ein und dasselbe Forstinsekt bald nur merklich, bald sehr schädlich 
auftreten. So ist z. B. die oben nur als merklich schädlich bezeichnete 
R. buoliana 1883 bei Dresden auf Pillnitzer Revier sehr schädlich 
aufgetreten, 

Rein entomologisch betrachtet, hängt die Grösse der Gefahr, 
das heisst des möglichen Schadens, von der Menge und Gefrässigkeit 
des Insektes selbst und davon ab, ob dieses mehr oder weniger leicht 
Krankheiten, Schmarotzern u. s. w. ausgesetzt ist. Der Kiefernspinner 
übertrifft z. B. an Gefährlichkeit vielleicht alle anderen Insekten um so 
mehr, als Frasseigenthümlichkeit und mangelndes Wandervermögen 
ihn doppelt furchtbar machen. Dann ist nicht unwichtig, ob der Frass 
durch Larven oder, wie es weniger häufig und dann weniger empfind- 

10* 


148 Kap. V. Die Insekten als natürliche und wirthschaftliche Macht. 


lich der Fall ist, durch das ausgebildete Insekt erfolgt, wie z. B. 
beim Maikäfer. Eine Ausnahme hiervon macht in erster Reihe der 
grosse Fichtenrüsselkäfer, Hytobius Abietis L., welcher als Larve ganz 
unschädlich ist. Zu den hier nicht unwichtigen Eigenthümlichkeiten 
mancher Insekten gehört deren Vorliebe für gewisse Pflanzentheile. 
So werden Wurzel- und Weichbastbeschädigungen immer nachtheiliger 
sein, als solche der Blätter oder des Holzes. Der Frass der grossen 
Kiefernblattwespe, Lophyrus Pini L., würde weit empfindlicher wirken, 
wenn ihre Larve auch junge Triebe zerstörte und nicht blos auf 
alte Nadeln angewiesen wäre. Der Tannenwickler, Tortrix murinana 
Hex., wirkt gerade dadurch so empfindlich, dass er bei Massen- 
frass die jungen Triebe vollständig tödtet, während z. B. der Schaden 
der einen Fichtenblattwespe, Nematus abietum Hre., dadurch wenig 
bedeutend wird, weil die Larve nur auf die eben hervorgebrochenen 
Jungen Nadeln angewiesen ist, die Knospen aber meist unberührt lässt, 
und deshalb die Triebe nicht absterben. Die Kraft des Insektes, ganze 
Triebe abzubeissen oder abzunagen, erhöht dessen Gefährlichkeit, so 
z. B. die des Kiefernspinners. 

Die Intensität des Schadens, welchen irgend ein Insektenfrass 
an Holzgewächsen im einzelnen Falle hervorbringt, hängt aber durch- 
aus nicht allein von der Art des Insektes, von dessen Eigenthümlich- 
keiten, von dessen Menge und von Grösse und Art der Beschädigung 
selbst ab, sondern wird ausserdem noch bedingt durch die Empfind- 
lichkeit der Pflanze gegen die Beschädigung, und es ist diese Em- 
pfindlichkeit wieder sehr verschieden nach Holzart, nach Alter, 
Gesundheitszustand und Standort der Pflanzen, nach der Jahreszeit der 
Beschädigung, endlich nach der zufälligen Witterung zur Zeit des 
Frasses und nach demselben. 

Die einzelnen Holzarten lassen sich bezüglich ihrer mehr oder 
weniger grossen Empfindlichkeit gegen Insektenfrass zwar nicht scharf 
trennen, immerhin sind aber doch gewisse Unterschiede festzustellen. 
Die Erfahrung lehrt, dass das weit weniger reproductionskräftige Nadel- 
holz viel mehr Schaden leidet, als Laubholz, dessen grosse Reproduetions- 
kraft schon durch seine Fähigkeit, Stock- oder Wurzelausschlag zu trei- 
ben, bewiesen wird. Die für Mitteleuropa forstlich wichtigen Laubhölzer 
treiben alljährlich vollständig neue Blattorgane, die meisten Nadelhölzer 
erzeugen solche nur an den neuen Trieben. Kein Wunder, dass eine 
vollständige Entnadelung Kiefer, Fichte oder Tanne viel mehr benach- 
theiligen muss, als wie die vollständige Entlaubung eine Buche oder 
Eiche. Aus demselben Grunde erklärt sich auch die grössere Empfind- 
lichkeit der Nadelhölzer gegen die Einwirkung der schwefligen Säure 
und des Steinkohlenrusses, obgleich die Laubblätter an sich empfind- 
licher sind, als die Nadeln. [Vergl. v. Schröper in: „Tharander forst- 
liches Jahrbuch”, Band 22 und 23.] Eine vollständige Entnadelung 
bringt unseren Nadelhölzern den Tod oder wenigstens eine so bedeu- 
tende Störung der Ernährung, dass z. B. das Wiederergrünen der 
Kiefern nach Spannerfrass selbst im Nachjahr vier Wochen später 


Die Bedingungen, welche die Grade der Schädlichkeit bestimmen. 149 


erfolgt, als das der unversehrten Bäume. Selbst bei nur theilweiser 
Erhaltung der Altnadeln hat RAarzegurg ein anderes Verhalten der 
Zweige beobachtet, als vollkommen kahl gefressene zeigten; letztere 
trieben später und kümmerlicher. Bezüglich der Folgen einer theil- 
weisen Entlaubung steht die nur sommergrüne Lärche den Laub- 
hölzern näher als ihren Verwandten, nicht aber bezüglich des 
Borkenkäferfrasses, sie wird z. B. durch den Jahr für Jahr wieder- 
kehrenden Frass der Coleophora laricella Hex. nur in einen mehr 
oder weniger krankhaften Zustand versetzt, aber nicht getödtet. Alte 
Birken können jahrelang von Scolytus Ratzeburgii Jans., alte Ul- 
men jahrelang von Scolytus destructor OLıv., Eschen jahrelang von 
Hylesinus Fraxini Fagr. bewohnt werden, ehe sie absterben, während 
den Nadelhölzern jeder stärkere oder länger dauernde Borkenkäferfrass 
unmittelbar den Tod bringt. Die verschiedenartigsten Bockkäfer, die 
Larven der Gattungen Sesia und Cossus hausen in alten Laubbäumen 
jahrelang, während von Tetropium luridum L. befallene Fichten oder 
Lärchen in kurzer Zeit absterben. Hierher gehöriger Beispiele liessen 
sich noch viele bringen. Thatsache ist, dass ein so ausgedehnter 
Schaden, wie ihn der Borkenkäfer in Fichtenwaldungen, der Kiefern- 
spinner in Kiefernwäldern hervorrufen, dem Laubholzwald vollständig 
fremd ist. Unter den wichtigeren Nadelhölzern ist unzweifelhaft die Fichte 
am empfindlichsten gegen Insektenfrass. Für sie ist z. B. die Nonne ein 
sehr schädliches, für Kiefer ein nur merklich schädliches Insekt. Auch 
die in Fichtenwaldungen vorkommenden, ausgedehnten Borkenkäfer- 
verheerungen beweisen die grosse Empfindlichkeit dieser Holzart. Eigen- 
thümlich ist freilich dem gegenüber die Thatsache, dass sich die Fichte 
nach starkem, langjährigem Wildverbiss viel leichter und bekanntlich 
rascher erholt, als die Kiefer und dass sie selbst den Heckenschnitt gut 
aushält. Dass die Weisstanne, welche erfahrungsgemäss auch grosse Miss- 
handlungen verträgt, dem Insektenfrass gleichfalls unterliegt, wenn auch 
seltener wie die Fichte, dafür liefern Beweise Tomicus curvidens GeERM., 
Pissodes Piceae Irr., ebenso die wiederholte Entnadelung der jungen 
Triebe durch den Tannenwickler, Tortrix murinana H»x. Die nicht so 
gründliche Entnadelung der jungen Triebe der Fichte durch Nematus 
abietum Hre. verträgt diese Holzart wohl deshalb so gut, weil die 
Larve die Knospen unzerstört lässt (vergl. S. 148). Dass die Lärche 
bezüglich der Reproductionskraft den Laubhölzern näher steht als die 
übrigen Nadelhölzer, wurde oben bereits erwähnt. 

Das Alter, in welchem eine Holzart gewöhnlich von einem 
Forstschädlinge angegangen wird, spricht mit bei der Abschätzung des 
Grades der Schädlichkeit des letzteren. Gegen grössere, äussere Ver- 
letzungen ist altes Holz empfindlicher als junges, d.h. es heilt Wunden, 
die durch Schälen des Wildes, durch Abschneiden von Aesten oder 
ähnliche Beschädigungen hervorgerufen wurden, durch Ueberwallung 
langsamer und daher auch nicht so gründlich aus, wie Jungholz. Gegen 
Raupen- und Käferfrass ist letzteres dagegen viel empfindlicher. Ganz 
besonders gilt dies von den Keimlingen, sie mögen durch Raupen ihrer 


150 Kap. V. Die Insekten als natürliche und wirthschaftliche Macht. 


Blattorgane, sie mögen durch Engerlinge ihrer Wurzeln beraubt worden 
sein, gleichviel; selbst den Verbiss durch Wild oder Vögel halten die 
Keimpflanzen schwer aus. Eine kleine ein- oder zweijährige Kiefer 
oder Fichte wird viel leichter durch Hylobius Abietis getödtet, als eine 
schon kräftige fünf- bis sechsjährige Pflanze. Die einjährigen Kiefern- 
pflänzchen werden durch die Saateule, Agrotis vestigialis Hrx., sicher 
getödtet, zweijährige und ältere Pflanzen meist nur beschädigt. 

Der Gesundheitszustand der befallenen Pflanzen bedingt 
ferner den Grad des Schadens insofern, als gesunde, kräftige Indi- 
viduen viel widerstandsfähiger sind. Hieraus erklärt sich die Erscheinung, 
dass Laub- und Nadelhölzer, wenn sie bald nach der Verpflanzung, also 
ehe sie sich vollständig erholt haben, von Insekten angegangen werden, 
viel eher ein Opfer dieser Angriffe werden, als ein oder mehrere Jahre 
später. Frisch gepflanzte Laubholzheister werden leichter durch Bupre- 
stiden, Bockkäfer, Borkenkäfer, wie Tomicus dispar Fapr. oder Saxe- 
senii Rarze. u.s. w., getödtet, als bereits im kräftigen Wuchs stehende 
junge Bäume. Dass ein krankhafter Zustand der Waldbäume über- 
haupt mehr schädliche Insekten anlockt, ist bekannt. Beweis dafür ist 
die Möglichkeit der Fangbäume und die Vermehrung der Borkenkäfer- 
gefahr durch Sturmschäden. Trotzdem braucht man nicht anzunehmen, 
dass Krankheit der Pflanzen oder Bäume die nothwendige Bedingung 
für den Eintritt von Insektenschäden wäre; begünstigt werden die- 
selben aber jedenfalls dadurch. 

Der Standort ist deshalb von wesentlichem Einfluss auf den 
Grad des Schadens, weil dieser im allgemeinen desto beachtenswerther 
wird, je schlechter der Standort und je kümmerlicher in Folge dessen 
der Wuchs ist. Eine ganze Gruppe von Wicklern lebt vorzugsweise 
in den auf entkräfteten Böden stockenden, kümmerlichen Kiefern. So- 
gar in Gesellschaft zahlreicher Rüsselkäferarten tödten sie zwar nur 
selten eine einzige Pflanze, allein ganze Bestände werden in empfind- 
lichster Weise im Wuchse zurückgehalten, obgleich vielleicht nicht 
eine einzige Art der dort thätigen kleinen Feinde für sich allein als 
sehr schädlich bezeichnet werden möchte. Wie höchst nachtheilig wirkt 
z.B. an Fichten der Frass von Grapholitha pactolana Zrvr., sowie der 
von Chermes und Coccus in sogenannten Frostlöchern, während anderen- 
orts der Schaden leichter überwunden wird, 

Von Bedeutung ist ferner die Jahreszeit,- in welcher die 
Schädigung erfolgt. Der Frass der Kieferneule ist deshalb ein ganz 
anderer als der des Kiefernspanners, weil ersterer oft schon im Mai 
beginnt, während die Raupen des Spanners in der Regel erst im Juli 
erscheinen. Da sich die kleinen Eulenraupen in die noch frischen Mai- 
triebe einbohren und diese in Folge davon bald absterben, scheint 
der Eulenfrass gefährlicher zu sein, als der des Spanners. Dieser 
Schein hat nicht selten zu übereilten Abtrieben befallener Bestände 
geführt. Beim Kiefernspinner entscheidet über den Grad der Schädlich- 
keit nicht der Herbstfrass, sondern der Frühjahrsfrass; werden nämlich 
im Frübjahre die Knospen und jungen Triebe mit zerstört, so ist mit 


Die Bedingungen, welche die Grade der Schädlichkeit bestimmen. 151 


grosser Wahrscheinlichkeit Absterben der Bäume zu erwarten. Laub- 
hölzer ergrünen nur dann schnell und vollständig, wenn im Frühjahre 
alle Blätter gründlich zerstört waren; z. B. nach Maikäferfrass. Bleiben 
noch Blattreste oder fand der Frass erst nach Johannis statt, so treiben 
in der Regel die Knospen gar nicht oder unvollkommen. Dem Frühjahrs- 
frass des Schwammspinners, Ocneria dispar L., folgt in der Regel 
Wiederergrünen im Juli; die verspätete Laubentwicklung hat manch- 
mal zur Folge, dass die Blätter später abfallen als gewöhnlich, zeitig 
kommender Schnee kann dann grossen Schaden anrichten. Dem Sommer- 
frass des Rothschwanzes, Dasychira pudibunda L., folgt niemals ein 
Wiederergrünen der Buchen in demselben Jahre; der directe Schaden des- 
selben ist gering, weil die Blätter schon geraume Zeit ihre Ernährungs- 
funetionen verrichtet haben, beachtenswertli kann aber bei wiederholtem 
Frass die Benachtheiligung des Standortes sein, weil die noch warme 
August- und September-Sonne den unbeschatteten Boden zu sehr aus- 
trocknet, überdies aber ein Laubabfall gar nicht eintritt. 


Die zufällig eintretenden Witterungsverhältnisse spielen 
endlich ebenfalls eine wesentliche Rolle, indem durch sie die Ent- 
wieklung der Insekten begünstigt oder benachtheiligt, die Widerstands- 
kraft der beschädigten Pflanzen und Bäume erhöht oder vermindert 
werden kann. Die Störung des Maikäferfluges durch einen kalten, 
nassen Mai ist bekannt. Im zeitigen Frühjahr erscheinende Raupen, 
so z. B. die der Kieferneule, werden nicht selten durch Spätfröste und 
kalte Regen getödtet. Durch zeitig eintretendes Frühjahr und darauf 
folgenden warmen Sommer kann eine Vermehrung der Anzahl der 
Generationen vieler Borkenkäfer bedingt, Gefahr und Schaden daher 
wesentlich erhöht werden. Besonders trockene Jahre vergrössern die 
nachtheiligen Folgen fast jeden Frasses. So litten z. B. die Reviere 
der Johannisburger Inspection in Preussen nach Kieferneulenfrass be- 
deutend mehr als gewöhnlich, weil ihr Wiederergrünen in den trockenen 
Sommer 1868 fiel und die schon gebildeten Triebe wieder vertrock- 
neten. In einem feuchten Frühjahr und Sommer überstehen viele 
Nadelholzpflanzen Beschädigungen durch Hylobius, an denen sie in 
trockener Zeit sicher zu Grunde gegangen wären. Im allgemeinen 
darf man wohl sagen, dass alle Witterungsverhältnisse, welche das 
Wachsthum der Holzpflanzen günstig beeinflussen, die nachtheiligen 
Folgen von Insektenfrass, in der Regel sogar diesen selbst vermindern. 


Die sehr und merklich schädlichen Forstinsekten können nun die 
bestandbildenden Holzarten in zweierlei verschiedener Art beschädigen. 
Einmal können sie die Gesundheit und das Leben der Forstgewächse 
bedrohen, andererseits die Brauchbarkeit, beziehungsweise den Markt- 
werth der Forstproducte vermindern. Die erste Classe bezeichnet man 
als physiologische, die zweite als technische Schädigungen und 
theilt demnach die Forstinsekten in physiologisch und technisch schäd- 
liche ein. Uebrigens treten beide Schädigungen sehr oft gleichzeitig 


152 Kap. V. Die Insekten als natürliche und wirthschaftliche Macht. 


auf, und es finden sich zahlreiche Uebergänge von der einen Form zu der 
anderen. 


Hervorragende Beispiele von physiologisch schädlichen 
Insekten sind der Engerling, der grosse und kleine braune Rüssel- 
käfer, Hylobius Abietis L., und Pissodes notatus Farr., viele Borken- 
käfer, besonders Tomicus typographus L., der Kiefernspinner und der 
Kiefernspanner, welche sämmtlich bei mässigem Angriff die Bäume 
kränkeln machen, bei massenhaftem Auftreten dagegen tödten. Die- 
selben Insekten, welche hier genannt wurden, können, vielleicht mit 
Ausnahme des Engerlings und der Rüsselkäfer, auch technisch schäd- 
lich werden, wenn das durch sie getödtete Holz nicht bald verwerthet 
werden kann und im Preise verliert; blau gewordene Kiefernklötze 
kauft niemand gern. 

Nur technisch schädlich sind eigentlich blos jene Insekten, 
welche bereits todtes, gefälltes Holz angehen, z. B. der Schiffswerftkäfer, 
Lymexylon navale L., welcher die für Schiffsbau brauchbaren Eichen- 
hölzer noch auf der Werft sehr zu schädigen im Stande ist; viele 
der in abgestorbenen Hölzern lebenden Bockkäfer, Hylotrypes bajulus 
L., Callidium violaceum L. und variabile L., welche Balken in den 
Häusern Hausgeräthe und Holzsammlungen oder Vorräthe beschädigen, 
ebenso viele Arten der Anobiiden aus den Gattungen Anobium, 
Ptilinus, Lyctus. Die Holzwespen, Sirex, die Holzborkenkäfer, nament- 
lich Tomicus lineatus Er., sind meist nur technisch schädlich, können 
aber auch physiologisch schädlich werden, wenn sie lebende, krän- 
kelnde Bäume angehen und deren Tod beschleunigen. 

Gleichzeitig technisch und physiologisch schaden alle 
in lebendem Holze hausenden Bockkäfer, so z. B. Cerambyx cerdo 
L., dessen Larve ganz gesunde Eichen mit daumstarken Frassgängen 
durchsetzt, Tetropium luridum L., dessen Gänge in Fichten- und 
Lärchenholz gefunden werden, Saperda carcharias L. in Pappeln und 
Aspen; ferner die Cossus-Arten, namentlich Cossus ligniperda FABr., 
dessen Raupe in verschiedenen Laubhölzern starke Gänge frisst, 
einige Sesien, namentlich Sesia apiformis Cr. in Aspen und Pappeln. 
Andere schaden dadurch physiologisch und technisch, dass die von 
ihnen verursachte Beeinträchtigung des Baumlebens zugleich Ver- 
krüppelungen der nutzbaren Theile hervorrufen. Beispiel hierzu ist 
Retinia buoliana S. V., welche junge Kiefern nicht blos physiologisch 
stark beschädigt, sondern auch durch die bekannten posthornartigen 
Verkrüppelungen entwerthet. Die Weidenruthengallmücke, Cecidomyia 
salicis SCHRE., stört nicht blos das Wachsthum der einjährigen 
Ruthen von Salix purpurea, sondern vernichtet durch die von ihr 
verursachte Gallbildung auch die Verwendbarkeit der Ruthen zu Korb- 
arbeiten vollständig. 


Die durch Insekten hervorgerufenen Störungen des forstlichen 
Wirthschaftsbetriebes. Vom forstwirthschaftlichen Gesichtspunkte aus- 
gehend, theilt man die schädlichen Insekten auch ein inKulturverderber 


Physiologische u. technische Schäden. Kultur- u. Bestandsverderber. 153 


und Bestandsverderber. Wie jedoch durch zahlreiche Uebergangsformen 
der Unterschied zwischen technisch und physiologisch schädlichen Insekten 


verwischt wird, so ist das auch hier der Fall, und zwar um so mehr, als 


forstlich eine scharfe Grenze zwischen Kultur und Bestand nicht gezogen 
werden kann. Unter Kulturverderbern versteht man im allgemeinen 


jene Insekten, welche die Gründung eines Bestandes erschweren oder 


verhindern, unter Bestandsverderbern dagegen jene, welche das Ab- 
sterben oder Kränkeln älterer Bäume oder ganzer Bestände verursachen. 


Zu den Kulturverderbern gehören alle den ausgesäeten Samen 
zerstörenden Insekten, z. B. die Larven einiger Elateriden, ferner alle 
jene, welche vorzugsweise die jungen Pflanzen an ihren oberirdischen 
oder unterirdischen Theilen beschädigen. Unter den Wurzelbeschädigern 
ist vorzugsweise der Engerling zu nennen, speciell für Nadelhölzer die 
Kiefernsaateule. Agrotis vestigialis Hr. und die Larve des Otiorhynchus 
niger Fapr. Noch weit zahlreicher sind die Beschädiger der ober- 
irdischen Theile der Pfanzen. Einer der schädlichsten oberirdischen 
Kulturverderber ist der grosse braune Rüsselkäfer, Hylobius Abietis 
L., in etwas älteren Kiefernkulturen oft auch Pissodes notatus Fupr. 
Eine grosse Anzahl anderer Rüsselkäfer, die sogenannten grünen und 
grauen Laub- und Nadelholzrüsselkäfer, einige Borken- und Bastkäfer, 
zahlreiche Mikrolepidopteren, einige Blattwespen, Schild- und Rinden- 
läuse u. s. w. können als Beispiele gleichfalls hier genannt werden. 

Als Beispiele von Bestandsverderbern sind zu nennen viele 
Borkenkäfer, so namentlich Tomicus typographus L., Kiefernspinner, 
Nonne, Kiefernspanner und Eule, unter den Rüsselkäfern vorzüglich 
Pissodes hercyniae Hesr. Zahlreiche Raupen-Arten schaden dem Laub- 
holz, so Processionsspinner, Sesien, Weidenbohrer, Rothschwanz, 
Schwammspinner. 

Sehr viele Insekten sind gleichzeitig Kultur- und Bestands- 
verderber; sei es, dass sie dies in demselben Stadium der Ent- 
wicklung sind, sei es, dass sie in dem einen Stadium nur Kulturen, 
in dem anderen nur Bestände beschädigen. So schädigt z. B. Tortrix 
buoliana $. V. als Larve sowohl Kulturen als Bestände, der Maikäfer 
dagegen als Engerling durch Wurzelfrass nur die jungen Pflanzen, als 
Imago durch Entblätterung auch ältere Bäume. Hylesinus piniperda 
L. tödtet als Larve durch seine Frassgänge alte Bäume, schädigt hin- 
gegen als Imago durch das Aushöhlen der Triebe nicht blos diese, 
sondern auch junge Kiefern. 

Jede merkliche Beschädigung der forstlichen Kulturpflanzen durch 
Insekten ist mit Störungen des forstlichen Wirthschaftsbetriebes 
verknüpft, erstens weil die Vorbeugungs- und Vertilgungsmassregeln 
direete Kosten verursachen, zweitens weil unter Umständen selbst 
Verschiebungen im Hauungsplane stattfinden müssen. Alles dies hat 
eine Verminderung des Waldertrages zur Folge, am meisten, wenn 
ganze Kulturen zerstört, ganze Bestände oder wenigstens eine grössere 


154 Kap. V. Die Insekten als natürliche und wirthschaftliche Macht. 


Anzahl von Altbäumen getödtet werden. In Folge von Insekten- 
verheerungen in Nadelholzbeständen, z. B. durch Borkenkäfer- und 
Nonnenfrass in Fichten-, Spinnerfrass in Kiefernrevieren, kann eine der- 
artige Ueberfüllung des Marktes mit Holz stattfinden, dass dem Wald- 
besitzer schon durch die gedrückten Preise empfindliche Nachtheile 
erwachsen. Häufiger noch verursachen die Kulturverderber einen 
Aufwand an Kosten wegen der Nothwendigkeit, theurere Kulturmethoden 
anzuwenden, — z.B. Pflanzung besonders kräftiger, älterer, verschulter 
Pflanzen, — oder durch wiederholt nothwendig werdende Ausbesserungen 
zum Ersatz der getödteten Pflanzen; Beispiele hiefür sind Engerling 
und Rüsselkäfer. Eine indirecte Schädigung erleidet der Waldertrag 
oft dadurch, dass man an den Grenzen besonders gefährdeter Kul- 
turen verhindert ist, mit den Schlägen weiter fortzuschreiten, wenn 
man die Gefahren nicht vergrössern will, und dies ist eine ganz 
wesentliche Störung des wirthschaftlichen Betriebes. 

Die Bestandsverderber schaden glücklicherweise nur selten in 
solchem Masse, dass, wie oben erwähnt, eine Ueberfüllung des Marktes 
mit verkäuflicher Holzwaare eintritt, häufiger geschieht es, dass sie 
nur den Zuwachs einzelner Bäume oder ganzer Bestände herabdrücken 
— z. B. Raupen, welche durch ihren Frass die Bäume nicht tödten — 
oder dass sie die normale Ausbildung der Forstproducte verhindern, 
z. B. Grapholitha pactolana. 

Die Verminderung des Bestandszuwachses kann durch Beschädi- 
gung sämmtlicher oder wenigstens der meisten den Bestand bildenden 
Bäume erfolgen — z. B. durch Nonnenfrass in Kiefern. In solchem Falle 
ist der Schaden nicht so gross, weil nach wenigen Jahren der volle 
Zuwachs wieder eintritt. Sie kann aber auch dadurch erfolgen, dass 
eine grössere oder kleinere Anzahl von Einzelbäumen getödtet wird, 
z. B. durch den Harzrüsselkäfer, während die anderen unversehrt 
bleiben. Hier ist der Schaden beträchtlicher, weil die Verminderung 
der Anzahl der den Bestand bildenden Bäume bis zum einstigen Abtrieb 
nachtheilig fortwirkt; namentlich ist dies dann der Fall, wenn in 
Stangen- oder älteren Hölzern ganze Horste absterben, deren Flächen 
gleichwohl nicht gross genug sind, um einen neuen Anbau derselben 
zu gestatten. Hier tritt durch langes Freiliegen leicht auch eine Ver- 
minderung der Bodenkraft ein, welche erst in später Zeit wieder 
behoben werden kann. 

Ganz bedeutende Störungen des Wirthschaftsbetriebes können 
dadurch verursacht werden, dass man gezwungen wird, todtgefressene, 
und sonstig stark beschädigte Bestände, welche nach dem Hauungsplan 
eigentlich erst in viel späterer Zeit zur Nutzung gelangen sollten, 
schon früher zum Abtrieb zu bringen. Damit trotzdem der Hiebssatz 
nicht allzusehr überschritten, der Markt nicht mit Holz überfüllt wird, 
ist es dann nicht selten nothwendig, überreife, bereits zum Hieb gestellte 
Bestände stehen zu lassen, wodurch weitere Zuwachsverluste erfolgen. 
Solche Störungen der Hiebsordnung wirken nachtheilig oft für ganze 
Umtriebszeiten und noch länger. 


Störungen des forstlichen Wirthschaftsbetriebes. 155 


Der Verminderung des Ertrages durch die nicht blos physio- 
logisch, sondern auch technisch schädlichen Insekten wurde oben bereits 
gedacht. Wohl nur in ganz besonderen Fällen treten diese Schäden so 
massenhaft auf wie z. B. durch Cecidomyia salicis Scurk., oder 
Tortrix buoliana S. V. Meist hat man es hier glücklicherweise nur 
mit stärkeren oder schwächeren Einzelbeschädigungen zu thun. Störungen 
und Erschwerungen des forstlichen Betriebes können auch sie in aus- 
gedehnter Weise mit sich bringen, wie die gezwungene Wahl gewisser 
Fällungszeiten, z. B. Sommerfällung wegen Tomicus lineatus Er. 

Mancherlei Ertragsopfer und Störungen des Betriebes bedingen 
endlich in direeter und indirecter Weise die gegen Insektenschäden 
zu ergreifenden Vorbeugungs- und Vertilgungs-Massregeln; so verursacht 
z. B. mehrjähriges Liegenlassen der Schläge, um den Rüsselkäferfrass 
zu vermindern, einen Verlust an Zuwachs. Oeftere Fällung von Fang- 
bäumen, um Borkenkäferschäden vorzubeugen, bringt nicht selten 
Ertragsverluste mit sich, weil die Erntekosten derartiger Einzelhölzer 
sich oft etwas höher, die Verkaufspreise dagegen etwas niedriger 
stellen, als in den Schlägen. Entrinden von Nutz- und Brennhölzern 
drückt den Ertrag aus demselben Grunde herab. 

Directe Geldopfer fordern endlich alle Vertilgungsmassregeln, 
z. B. das Einsammeln der Rüssel- und Maikäfer, sowie die Anlegung 
von Theerringen gegen den Kiefernspinner. 


KAPITEL VI. 


Entstehung, Abwehr und wirthschaftliche 
Ausgleichung erösserer Insektenschäden. 


Die durch Insekten verübten Beschädigungen des Waldes sind 
zwar häufig und vielfach sehr bedeutend, dagegen kommen sie glück- 
licherweise durchaus nicht überall und nicht in jedem Jahre vor. 
Wir haben daher in diesem Kapitel zunächst zu untersuchen, welche 
Umstände das Eintreten grösserer Insektenverheerungen veranlassen, 
Haben wir die Ursachen ihres Auftretens erkannt, so werden wir im 
Stande sein, Vorbeugungsmassregeln gegen sie zu treffen. Sind aber, 
wie dies leider öfters vorkommt, trotz aller Vorkehrungen, doch grössere 
Insektenfrasse entstanden, so müssen wir dieselben zunächst bekämpfen 
und dann die den Forsten und ihrer Bewirthschaftung zugefügten Schäden 
allmälig wieder zu heilen versuchen. Hierzu gibt dieses Kapitel Anleitung. 


Die Entstehung grösserer Insektenverheerungen. 


In jedem, auch dem best bewirthschafteten und sorgfältigst beschütz- 
ten Forste lebt stets eine grosse Anzahl von Insekten auf Kosten der in 
ihm gezogenen Holzpflanzen. Werden durch sie, wie wir auf $. 146 aus- 
einandersetzten, theoretisch genommen, die Bäume auch stets geschädigt, so 
ist dieser Schaden unter normalen Verhältnissen doch so unmerklich, dass 
ihm keinerlei wirthschaftliche Bedeutung zukommt. Diesem glücklichen Zu- 
stande wird nun häufig dadurch ein Ende gemacht, dass ein Forstinsekt 
plötzlich in grösserer Menge auftritt, rasch zu unzählbaren Schaaren 
anwächst, und nun die Waldung und ihre rationelle Bewirthschaftung 
auf das empfindlichste bedroht. Zwei verschiedene Ursachen können 
ein solches plötzliches Massenauftreten bedingen, nämlich entweder Ein- 


Einwanderung der Schädlinge von aussen. 157 


wanderung aus einem anderen Reviere oder starke Vermehrung 
des in dem Reviere selbst bisher nur in mässiger und daher bedeutungs- 
loser Menge vorhandenen Thieres. 


Einwanderung von aussen ist nur in selteneren Fällen die 
Ursache eines Insektenfrasses. Vielfach beruhen die Angaben, dass 
eine solche plötzliche Einwanderung eines Forstschädlings stattgefunden, 
vielmehr auf grundlosen Behauptungen lässiger Forstbeamter, welche es 
so verdecken wollen, dass ihre Sorglosigkeit einen anfänglich kleinen 
und bei gehöriger Vorsicht und Aufmerksamkeit leicht zu unterdrücken- 
den Frass zu einer nunmehr schwer zu bekämpfenden Calamität hat 
anwachsen lassen. Wir haben aber andererseits auch ganz beglaubigte 
Beispiele für Massenüberwanderung, besonders bei der Nonne. 


Bis zum Jahre 1853 waren die ostpreussischen Waldungen von 
dem bereits seit 1845 in Polen und Lithauen wüthenden Nonnenfrass 
verschont. Erst in der Nacht vom 29. zum 30. Juli 1853 traten ganz 
plötzlich gewaltige Schwärme von Nonnenfaltern aus den östlich gele- 
genen russisch-polnischen Provinzen in den Regierungsbezirk Gumbinnen 
über und verbreiteten sich sofort über einen Flächenraum von eirca 
60 Quadratmeilen. Diesem Ereigniss fiel im folgenden Jahre ein 
‘wesentlicher Theil der Kiefernbestände der Forstinspecetion Gumbinnen- 
Goldap zum Opfer. Sodann wurden in der Nacht vom 23. zum 24. Juli 
1854 die Forstinspection Gumbinnen-Insterburg und eirca drei Viertel 
der Inspectionen Gumbinnen-Tilsit und Pillkallen von ungeheuren, 
aus dem angrenzenden Königsberger Bezirk kommenden Schwärmen 
von Nonnenfaltern beflogen. Dieser zweiten Invasion folgte ein so 
arger Frass, dass fast alle Fichtenbestände der genannten Inspectio- 
nen vernichtet wurden. 

Auch dieBorkenkäfer, besonders Tomicus typographus L., gehören 
zu den Insekten, welehe mitunter nach Einwanderung von aussen Ver- 
heerungen anrichten. Das Ueberfliegen derselben auf kleine Entfernungen 
ist wohl zweifellos, da nicht selten plötzlich nesterweises Absterben 
von Fichten in Beständen erfolgt, in welchen sich vorher sicher keine 
Borkenkäfer zeigten. Es ist auch gewiss, dass von Holzvorraths- 
plätzen und Brettsägen, welche aus anderen Gegenden mit Borken- 
käfern besetztes Holz erhielten, bis dahin völlig borkenkäferfreie 
Waldungen infieirt wurden. Fraglich und schwer zu bestimmen ist 
dagegen, bis zu welchen Entfernungen ein Ueberschwärmen möglich 
ist. Ein Beispiel für weites Ueberfliegen von T. typographus theilt 
uns Herr Oberforstmeister H. Tiepzemann aus dem Gouvernement 
Nishny-Nowgorod mit. Mitten in einem im Kreise Arsamass liegenden 
Kronforst von 2500 ha, der fast ausschliesslich aus Laubholz besteht, 
befinden sich zwei 50, beziehungsweise 60 ha grosse Fichtenbestände. 
In beiden war kein Windbruch, keine Lichtung, vielmehr guter voller 
Schluss, und es waren nie Borkenkäfer in ihnen aufgetreten. Da zeigte 


158 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


sich plötzlich im Jahre 1883 der Borkenkäfer so stark, dass sofort 
1000 Fichtenstämme gefällt und mit nachfolgender Verbrennung der 
Rinde geschält werden mussten. Das Auftreten des Borkenkäfers ist 
hier nur durch Ueberfliegen zu erklären. Die nächsten Fichten- 
bestände sind aber 15 bis 20km und solche, in denen ein starker 
Borkenkäferfrass zur Zeit der Infection des fraglichen Bestandes herrschte, 
circa 50 km entfernt. 


Massenvermehrung bereits angesiedelter Schädlinge. In den 
meisten Fällen treten aber Verheerungen in unseren Forsten dadurch auf, 
dass Insekten, welche in mässiger Anzahl dauernd in dem betreffenden 
Reviere einheimisch sind und bisher keinerlei merklichen Schaden ver- 
ursachten, sich plötzlich stark vermehren und nun schädlich werden. 
Ja betrachten wir die wichtigsten forstschädlichen Insekten unbefangen 
nach Lebens-, Nahrungs- und Fortpflanzungsweise und vergegenwärtigen 
wir uns die in unseren Forsten herrschenden Bestands- und Betriebs- 
verhältnisse, so dürfen wir uns viel weniger darüber wundern, dass in 
letzteren von Zeit zu Zeit grössere Insektenverheerungen auftreten, als 
vielmehr darüber, dass solche Schädigungen nicht viel öfter oder gar 
dauernd vorkommen. Sind doch in unseren Forsten alle Bedin- 
gungen gegeben, welche ein Massenauftreten von Insekten, die 
sich von den bestandsbildenden Holzarten nähren, begünstigen 
können! Betrachten wir dies näher. 


Die sehr schädlichen Forstinsekten gehören zunächst stets zu den 
gemeinsten Insekten der betreffenden Fauna. Kiefernspinner und grosser 
brauner Rüsselkäfer sind bekannte Beispiele solcher in jedem Kiefern- 
reviere häufiger zu findenden Schädlinge. Hierbei dürfen wir nicht ver- 
gessen, dass zum Auffinden mancher ganz gemeiner Insekten immerhin 
eine genaue Kenntniss ihrer Lebensweise und ihrer Schlupfwinkel gehört, 
und dass in Revieren, auf denen der Laie ein bestimmtes Insekt vermisst, 
der Kenner es leicht in Menge findet. Solche dauernd von bestimmten 
Forstschädlingen in allerdings unschädlicher Menge besetzte Stellen unserer 
Waldungen sind, um mit Aurum [XVI, 2. Aufl. Bd. 3, I. S. 7] zu reden, 
die Herde, von welchen aus in Folge ungenügender Aufsicht seitens 
des Forstpersonales die Schädlinge sich bei günstiger Gelegenheit über 
das ganze Revier verbreiten und nun als ernsthafte Feinde desselben 
auftreten können. 


Es kommt allerdings der Fall vor, dass Insekten, welche in den 
Handbüchern als Forstschädlinge aufgeführt werden, in den Samm- 
lungen seltener und von Liebhabern gesucht sind. Dies beruht eines- 
theils darauf, dass der eigentliche tiefe Hochwald dem Insektensammler 


Massenvermehrung ängesiedelter Schädlinge; Bedingungen derselben. 159 


weniger leicht zugänglich ist, als Feld, Garten und Busch; anderer- 
seits entziehen sich viele wirkliche Schädlinge, als Imagines, den ge- 
wöhnlichen Sammelmethoden der Insektenliebhaber, so z. B. die schnell 
fliegenden und nur bei grösserer Hitze schwärmenden Buprestiden, 
deren Häufigkeit erst bei Zucht aus Frassstücken erkannt wird. Als- 
dann sind manche wirkliche Schädlinge nur auf gewisse, von Sammlern 
weniger besuchte Gegenden beschränkt, z. B. Callidium hungaricum 
Hssr., — C. insubricum Germ. — welches bis jetzt nur als Seltenheit 
aus den südlichen Gebirgen bekannt war, noch in neueren Katalogen 
mit 80 Pfg. das Stück angeboten und dennoch von Aurum als 
wesentlicher Schädiger des Bergahorns bezeichnet wird. [XVI, 2. Aufl., 
Bd.r8.1,.8. 335.] 


Die Herde für die Verbreitung der Forstschädlinge werden je 
nach der Natur des betreffenden Thieres und der Beschaffenheit des 
Einzelrevieres sehr verschieden sein, und müssen wir in dieser Hin- 
sicht auf den speciellen Theil dieses Werkes verweisen. 


Die’ wirklichen Forstschädlinge gehören ferner alle zu den Insekten, 
welche reichliche Nachkommenschaft erzeugen, und besonders ist bei den- 
jenigen, welche unter günstigen Verhältnissen eine mehrfache Generation 
haben können, die Vermehrung eine geradezu staunenswerthe. 


Einige Beispiele mögen dies erläutern. Nehmen wir an, ein 
Nonnenweibehen habe im Jahre 1880 ein Häufchen von 150 Eiern 
(vergl. S. 88) abgelegt, so kann unter günstigen Umständen wohl 
ein Drittel dieser Eier im Jahre 1881 Weibchen liefern, die begattet 
werden und selbst wieder je 150 Eier, also im Ganzen 7500 Eier 
legen. Nehmen wir nun wieder an, dass nur ein Drittel dieser Eier, 
also 2500 Stück, im Jahre 1882 sich zu fortpflanzungsfähigen Weibchen 
entwickeln, von denen jedes wieder 150 Eier legt, so beträgt die Zahl 
der von den Nachkommen eines einzigen Weibchens produeirten Eier 
bereits jetzt 375000 Stück. 


Noch schlimmer wird das Verhältniss bei T. typographus, beson- 
ders wenn derselbe, wie z. B. 1874 im Böhmerwalde, drei Bruten macht. 
Nehmen wir an, ein Mitte April fliegendes Weibchen habe in seinem 
Muttergange 90 Eier abgelegt, so können wir wiederum mit Sicherheit 
darauf rechnen, dass im Anfang Juni wenigstens 30 Stück davon zu 
fortpflanzungsfähigen und wirklich begatteten Weibchen sich entwickeln. 
Legt jedes dieser 30 Weibchen wieder einen Muttergang mit 90 Eiern 
an, produeiren sie also zusammen 2700 Stück, und wird Anfang 
August beim dritten Fluge wieder nur ein Drittel davon zu Weib- 
chen, so nagen diese schon 900 Muttergänge und belegen sie mit 
8100 Eiern. Gelangt von diesen wieder nur ein Drittel im nächsten 
Frühjahr zum Eierlegen, so kommen beim ersten Fluge im April bereits 
27000 Nachkommen des einen im vorhergehenden April ge- 
flogenen Weibchens zur Fortpflanzung und können nun 2430000 
Eier ablegen. 


160 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


Ferner ist der Charakter des pflanzengeographischen Gebietes, 
welches den grössten Theil derjenigen Wälder enthält, die heute der 
rationellen Forstwirthschaft erschlossen sind, und welches GRrIsEBACH 
[Die Vegetation der Erde nach ihrer klimatischen Anordnung] als das 
Waldgebiet des östlichen Continentes bezeichnet, ein solcher, dass er 
durch Darbietung fast unerschöpflicher gleichartiger Nahrungsquellen 
die Insektenvermehrung ungemein begünstigt. 


Dieser Charakter besteht namentlich darin, dass in dem genannten 
Gebiete ausgedehnte, aus einer einzigen Holzart gebildete, oder nur aus 
wenigen Holzarten gemischte Bestände auch in denjenigen Gegenden die 
Regel bilden, in welchen durch die Thätigkeit des Menschen noch keine 
Veränderung des Waldcharakters stattgefunden hat. 


Auch dort, wo der ursprüngliche Charakter des Waldes ein mehr 
gemischter war, wie in den Laubwäldern der Auen unserer. grösseren 
Ströme, hat die Forstwirthschaft seit Anfang dieses Jahrhunderts aus 
wirthschaftlichen Rücksichten häufig künstlich grössere, gleichartige, reine 
Bestände geschaffen. 


Dass solche gleichmässige Bestände, in denen die Insekten, 
deren Jugendzustände vielleicht eben einen Baum getödtet haben, 
bereits in nächster Nähe die nöthigen Bedingungen für das Gedeihen 
der wiederum von ihnen selbst hervorgebrachten Brut, die für diese 
dienlichen Wohn- und Nährpflanzen finden, das Auftreten einer Insekten- 
verheerung mehr begünstigen, als z. B. die aus den verschiedensten 
Pflanzenarten gemischten tropischen Urwälder, ist leicht zu erkennen. 
Dass reine Bestände, — wir erinnern an die norddeutschen Kiefern- 
haiden, die Fichtenwälder der mitteldeutschen und österreichischen 
Gebirge, die ungarischen Eichen-, die die Ostsee umkränzenden Buchen- 
wälder, — den beiweitem grössten Theil der mitteleuropäischen 
Wirthschaftswälder ausmachen, weiss jeder Forstmann. Aber auch die 
künstlich durch die menschliche Thätigkeit noch nicht verjüngten 
Urwälder bilden häufig reine oder wenig gemischte Bestände. Die 
Gebirgsurwälder unserer Zone bestehen z. B. vorherrschend aus Nadel- 
hölzern, und zwar meist nur aus Fichten und Tannen. Die Eiche 
bildet [Griserach I, p. 90] ferner im russischen Tieflande einen 
breiten Waldgürtel zwischen dem finnischen Meerbusen und der Steppen- 
grenze, östlich bis zum Ural hin, der ihrer weiteren Ausbreitung eine 
Grenze setzt. Kommt in solche Waldungen einmal ein grösserer Insekten- 
frass — wir erinnern hier an den von 1871 bis 1875 durch den 
Fichtenborkenkäfer in dem Böhmerwalde verursachten Schaden — so 
ist die Vermehrung des Schädlings eine ganz unglaubliche. In Krumau 
im Böhmerwalde hat man auf einem Quadratmeter Rinde 1400 bis 
4800 Larven gezählt. 


Bedingungen für die Massenvermehrung eines Schädlings. 161 


Wirthschaftliche Rücksichten haben ferner dazu geführt, dass den 
Insektenschäden weniger ausgesetzte Holzarten, also vornehmlich Laub- 
hölzer und speciell die Buche, auf grosse Strecken durch gegen solche 
sehr empfindliche Holzarten, durch Nadelhölzer, ersetzt wurden. 


In Norddeutschland ist dieser Vorgang ein sehr häufiger. Am 
westlichen Harze, in vielen Waldrevieren des Erzgebirges, hat z. B. 
die Fichte ziemlich allgemein die Buche verdrängt, der bekannte 
Wermsdorfer Wald in Sachsen ist seit Anfang dieses Jahrhunderts aus 
einem Laubwalde durch künstliche Verjüngung in einen Nadelwald 
übergeführt worden, ebenso der Colditzer Wald. Folgen einer solchen 
Umwandlung nun zwar durchaus nicht immer Insektenverheerungen 
auf dem Fusse -—— der Wermsdorfer Wald ist z. B. fast ganz von 
solchen verschont geblieben — so ist die Chance für dieselben doch 
auf jeden Fall eine viel grössere geworden. Auch der Umstand, dass 
der Holzmarkt das Tannenholz viel weniger liebt, als das Fichtenholz, 
hat in vielen Revieren die Ersetzung der von einer geringeren Anzahl 
Insekten bedrohten Tanne durch die viel stärker gefährdete Fichte 
veranlasst. 


Endlich schliesst die rationelle Forstwirthschaft von selbst die in der 
Wildniss vorkommende Art der Beschränkung eines Insektenfrasses aus, 
welche darin liegt, dass bei grösseren Verheerungen eben sämmtliche 
zusammenhängende Bestände der angegriffenen Holzart ein- und die 
betreffenden Schädlinge durch Nahrungsmangel zu Grunde gehen. Der 
Forstmann sorgt ja auch nach dem völligen Eingehen grösserer Bestände 
stets wieder für die Neubestockung der betreffenden Flächen, und ein 
Wechsel der Holzart ist häufig nicht möglich. 


Dass in der Wildniss wirklich ein Wechsel der Baumarten auf 
weite Flächen hin vorgekommen ist, wurde zuerst von STEENSTRUP 
für Seeland nachgewiesen, wo in den Waldmooren die Reste von 
Aspe, Kiefer, Eiche, Erle übereinanderliegen und uns so beweisen, 
dass diese Bäume in säcularer Aufeinanderfolge abwechselnd die Haupt- 
bestandtheile der jeweiligen seeländischen Wälder gebildet haben. Ist 
nun diese Verdrängung der einen Holzart durch eine andere von 
VaAvpers zunächst auf veränderte Bodeneinflüsse zurückgeführt worden, 
so dürfte doch speciell bei der Verdrängung der Kiefer vielleicht 
auch Insektenfrass eine Rolle gespielt haben, ohne dass ein solcher 
übrigens bis jetzt nachgewiesen wäre. 

Beispiele von Flächen, auf denen ein künstlicher Wechsel der 
Holzart augenblicklich einfach unmöglich ist, liefern uns die nord- 
deutschen Sandflächen, wo die Kiefer der einzige zugleich anbaubare 
und einen höheren Ertrag liefernde Baum ist. 


Auch die von der neueren Forstwirthschaft besonders bevorzugten 
Kahlschläge, sowie die durch sie bedingte Bestandsgründung durch 


Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde, 11 


162 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


Nachverjüngung sind nicht ohne Einfluss geblieben auf die Vermehrung 
der für das Eintreten grösserer Insektenfrasse günstigen Bedingungen. 


Sind nämlich auch die im Plenterbetriebe bewirthschafteten 
Waldungen und die durch Vorverjüngung gegründeten Bestände 
durchaus nicht etwa absolut gegen Insektenschäden geschützt — dies 
beweisen z. B. nicht blos die im vorigen Jahrhundert so gewaltig 
aufgetretenen Borkenkäferverheerungen am Harz- und im Thüringer- 
walde, sondern auch in neuester Zeit dieselben Verheerungen im 
Plenter- und Urwaldgebiete des Böhmerwaldes — so wird durch die 
genannten neueren Betriebs- und Bestandsgründungsarten doch ein- 
zelnen schädlichen Insekten die Massenvermehrung sehr erleichtert. 
Der grosse braune Rüsselkäfer wird sich z. B. in Wäldern mit Kahl- 
schlagwirthschaft, in denen die örtlichen Boden- und Holzabsatz- 
verhältnisse ein vollständiges Roden der Stöcke nicht zulassen, viel 
stärker vermehren können, als in Plenterschlägen, da ihm in jenen . 
viel massenhafteres Brutmaterial zur Verfügung steht. Desgleichen 
ist eine mit ausgiebiger Bodenverletzung verbundene Verjüngung durch 
Saat oder Pflanzung der Engerlingvermehrung beiweitem günstiger, 
als die vielfach fast ohne Bodenverletzung ausführbare Vorverjüngung, 
welche überdies keine so bequemen, freien Schwärmflächen darbietet. 


Auch zufällige, aber im grossen Durchschnitt doch immer recht 
häufig eintretende Naturereignisse schaffen oft plötzlich ganz besonders 
günstige Bedingungen für die Massenvermehrung der Schädlinge. Hier- 
her gehören besonders Wind- und Schneebrüche, die ja in vielen Fällen 
die nächste Veranlassung zu Borkenkäferfrassen sind. 

Wir dürfen ferner nicht vergessen, dass öfters ein Insektenschaden 
wieder die Veranlassung eines zweiten, secundär eintretenden sein kann. 
So folgt Borkenkäferfrass häufig auf Nonnen- oder Kiefernspinnerfrass, 
weil ein Raupenfrass, wenn er auch nicht direct zum Absterben der 
befallenen Bestände führt, doch ein Kränkeln der Bäume hervorruft, 
und diese daher für Borkenkäferangriffe prädisponirt. Die in den Fünf- 
ziger und Sechziger-Jahren dieses Jahrhunderts in den ostpreussischen 
Waldungen auf den Nonnenfrass folgende Borkenkäferverheerung ist 
eine gute Illustration dieses Satzes. 


Die Beschränkung der Insektenschäden durch natürliche 
Einflüsse. 

Aus allem bisher Gesagten geht also hervor, dass viel weniger 
die Frage zu lösen ist: Wie entstehen plötzliche Insektenverheerungen ? 
Als vielmehr die: Welche natürliche Einflüsse beschränken in unseren 
Waldungen und Forsten die Vermehrung der Forstschädlinge derartig, 
dass sie nur von Zeit zu Zeit grössere Verheerungen anrichten können ? 


Bedingungen der Massenvermehrung. Beschränkende Natureinflüsse. 163 


Solche Einflüsse werden ausgeübt: 1. Von der Witterung; 2. von 
den insektentödtenden Pilzen; 3. von den insektentödtenden thierischen 
Parasiten; 4. von den insektenfressenden Thieren. 

Als insektentödtende Witterungseinflüsse können wirken Tempe- 
ratur, Feuchtigkeit und Winde. 

Temperatureinflüsse können entweder als extreme, dem Insekt 
nicht mehr ertragbare Wärme- oder Kältegrade schädlich wirken, oder 
auch durch plötzlichen und für eine bestimmte Jahreszeit abnormen 
Wechsel das Insektenleben gefährden. So hohe Temperaturen wie erfor- 
derlich sind, um ein Insekt durch directe Wirkung zu starker Hitze zu 
tödten, dürften im natürlichen Kreislaufe des Naturlebens unserer Breiten 
kaum vorkommen. Dagegen tritt bei uns nicht selten der Fall ein, dass 
Insekten, vom Froste plötzlich überrascht, in Menge erfrieren, nachdem 
die mit dem Sinken der Temperatur eintretende Erstarrung ihnen die 
Erreichung sicherer, frostfreier Schlupfwinkel unmöglich gemacht hat. 

Als Beispiel kann man die Verhältnisse des Winters 1864-1865 
anführen, in welchem in Revieren der Mark und der Provinz Sachsen 
die ungewöhnlich lange auf den Bäumen gebliebenen Raupen des 
Kiefernspinners und des Kiefernspanners, und zwar erstere schon Mitte 
December bei —12:5° C., letztere erst bei bedeutend stärkerer Kälte 
im Januar erfroren [XV, I. p. 64]. Dagegen ist die Wirkung sogar 
sehr strenger Kälte auf die normalen Ueberwinterungsstadien unserer 
Insekten eine nicht sehr grosse. Im Sommer 1854 hatte in Ostpreussen 
die Nonne ihre Eier häufig auf die Rinde frei abgelegt und diese 
erfroren nicht in dem harten Winter 1854—1855, soviel Hoffnung 
man sich auch bei 30—35° C. Kälte darauf gemacht hatte. 

Nach den Beobachtungen von Regexer [vergl. S. 116] können 
frei liegende Kiefernspinnerraupen bis —12'5° C. vertragen. Die 
anderen Stadien erfrieren eher, die Puppen bei —6° C., die Falter 
bei —7'5° C., die Eier bei —10° C. Nach Ducraux [Comtes 
rendus, Bd.83, 5. 1079] vertragen die Eier des Seidenspinners sehr 
gut einen zweimonatlichen Aufenthalt in einer Temperatur von — 8°C, 


Von einer mittelbaren Schädigung durch Temperatureinflüsse kann man 
in den Fällen reden, in welchen starke Temperaturschwankungen innerhalb 
des Winters eine abnorme Unterbrechung der Winterruhe hervorbringen. 

Die Feuchtigkeit kann ebenfalls der Insektenwelt vielen Schaden 
zufügen. Starke Platzregen zur Flugzeit der Schmetterlinge können eine 
grosse Menge derselben vertilgen und auch Raupen, Schmetterlings- 
sowohl wie Blattwespenraupen, gehen nach solchen oft massenhaft ein. 
Starke Durchfeuchtung der Bodendecke im Winter wird den über- 
winternden Larven und Puppen gefährlich, und zwar theils direct, theils 


durch Begünstigung der Pilzvegetation (vergl. S. 164). 
12 


164 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


Dass starke Winde dem Insektenleben gefährlich werden können, 
davon haben wir nur vereinzelte, aber sehr drastische Beispiele. Beson- 
ders sind grosse Flüge der Nonne, durch heftige Stürme auf die Ostsee 


getrieben, daselbst umgekommen, 


Forstmeister SchuLtz [„Der Nonnen- und Käferfrass in Ostpreussen und 
Russland von 1845 bis 1567 und 1868” in „Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen”, 
V, 1873, p. 173] berichtet: 

„Dass die Nonne aber schon 1856 nicht eine grössere Verbreitung gegen 
Nordosten zu gefunden hat, soll, wie mir von Petersburg mitgetheilt worden, 
darin begründet sein, dass über Liv- und Kurland in der zweiten Hälfte des 
Monats Juli 1856 ein mehrtägiger orkanartiger Sturm geherrscht hat, welcher, 
scharf aus Südosten kommend, die wahrscheinlich im Schwärmen begriffenen 
Schmetterlinge auf ihrem nordöstlichen Zuge nach dem Innern von Livland 
erfasst und ins Meer getrieben haben soll. Nach diesem Sturm ist nämlich angeblich 
die kurländische Küste von Liebau bis Windau auf eine Strecke von 70 Werst 
— also auf ohngefähr gleich viel Kilometer — !/, Fuss, d.h. 15 cm, dick und 1 Faden, 
d. h. ohngefähr 2 m breit, mit den von den Wellen ausgespülten Schmetterlingen 
bedeckt gewesen, welche darnach von den Strandbewohnern als Dungmaterial auf 
die Felder gefahren worden sind. Auch an den preussischen Küsten sind 1854, 
1855 und besonders 1856 Nonnenfalter in unzählbarer Menge vom Wasser, mitunter 
noch lebend, angetrieben, bis fast nach Danzig hinauf, bei Labiau am kurischen 
Haft, beim Seebad Kranz, bei Pillau und längs der Nehrung. Ebenso versicherten 
zu jener Zeit Seefischer dem Unterzeichneten, grössere Schwärme dieser Falter 3 bis 
5 Meilen vom Strande auf der Ostsee angetroffen zu haben. In einem dergleichen 
Falle sollen Boot und Segelzeug mit Faltern sehr stark beflogen worden sein.’ 


Die insektentödtenden Pilze.) Wir wissen heutzutage, dass eine 
grössere Anzahl von Krankheiten erzeugt wird durch in das Innere des 
menschlichen und thierischen Organismus eindringende, daselbst fort- 
wuchernde und gefährliche Zersetzungserscheinungen hervorrufende niedrige 
Pilzformen. Diese Krankheiten entstehen durch Uebertragung von Pilz- 
keimen auf den gesunden Körper. Man nennt sie „Mykosen”. Als Bei- 
spiel sei hier nur kurz der Milzbrand erwähnt. Die Pilze sind also die 
Ursache, nicht etwa eine Folge oder eine Begleiterscheinung der betreffen- 
den Krankheiten. Es gehen auch alljährlich viele Insekten an solchen 
Mykosen zu Grunde. Das bekannteste Beispiel liefern unsere Stuben- 
fliegen, die man im Herbste häufig todt an den Wänden und Fenster- 
scheiben sitzen sieht, den Körper bedeckt von einem dünnen Flaum von 
Pilzfäden und umgeben von einem kleinen Hofe von Staub, welcher aus 
den von diesem Pilze erzeugten Keimen besteht. 

Die Anzahl der durch Mykosen getödteten Insekten ist eine viel 
grössere, als man gewöhnlich annimmt. Dr Bary sagt: „Durchsucht man 


1) Dieser Abschnitt ist nach den $. 181 angegebenen Quellen von mir zu- 
sammengestellt und nach einer von Herrn Prof. pe Bary in Strassburg gütigst vor- 
genommenen kritischen Durchsicht nochmals überarbeitet worden. Wir ergreifen mit 
Vergnügen diese Gelegenheit, Herrn Prof. pe Bary, welcher auch die zweite Correc- 
tur durehgesehen hat, unseren herzlichsten Dank für seine Freundlichkeit auszu- 
sprechen. H. NiITscHe. 


Insektentödtende Witterungseinflüsse und Pilze. 165 


aufmerksam das Laub und Moos des Waldbodens in feuchter Jahres- 
zeit, so erstaunt man über die Menge der daselbst verborgenen pilz- 
behafteten Thiere.”’” Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass manches in 
der älteren forstlichen Literatur berichtete Massensterben von Forst- 
schädlingen, welches von den Beobachtern direct auf Witterungseinflüsse 
zurückgeführt wurde, nur indireet mit letzteren zusammenhängt, insofern 
als sie nur die Vermehrung der insektentödtenden, dem Praktiker häufig 
nicht ohne Weiteres in ihrer wahren Natur erkennbaren Pilze begünstigt 
haben. Neuere Untersuchungen haben es auch unzweifelhaft festgestellt, 
dass es in verschiedenen Fällen wirkliche Pilzepidemien gewesen sind, 
die eine schnellere Beendigung und gründliche Unterdrückung grösserer 
forstlicher Insektenverheerungen bewirkt haben. Es gilt dies besonders von 
dem Frasse der Kieferneule, welche massenhaft durch einen nahen Ver- 
wandten des Stubenfliegenpilzes, durch Entomophthora Aulicae REıcHArpT 
getödtet wird, sowie von den Kiefernspinnerraupen, welche durch Botrytis 
Bassiana Bars., denselben Pilz, welcher die als Muskardine bekannte 
Seidenraupenkrankheit verursacht, sowie von Isaria farinosa Frızs, be- 
ziehungsweise Cordyceps militaris Frızs hingerafft werden. 


Bezeichnen wir als Pilze alle chlorophylifreien Kryptogamen, so finden wir 
Insektentödter sowohl unter den Schizomyceten, als unter den Entomophthoreen 
und Ascomyceten. 


Als Schizomyceten, Spaltpilze, bezeichnet man „einzellige Pflanzen, die 
sich durch wiederholte, meist nur in einer Richtung des Raumes erfolgende 
Theilung vermehren und zum Theil auch durch endogen gebildete Sporen fort- 
pflanzen. Sie leben isolirt oder in verschiedener Weise vereinigt in Flüssigkeiten 
und in lebenden oder todten Organismen, in welchen sie Zersetzungs- und Gährungs- 
erscheinungen hervorrufen”. Es sind die kleinsten Organismen, w velche wir kennen. 


Von durch Spaltpilze erzeugten Mykosen kennen wir bei Insekten genauer 
nur zwei, die „Schlaffsucht”” und die „Faulbrut””. Die erstere kommt bei dem 
Seidenspinner, die zweite bei der Honigbiene vor. 


Die „Schlaffsucht” — flaceidezza, flacherie, maladie Ss morts-blanes, 
maladie des morts-flats — ist die jetzt herrschende Krankheit der Seidenraupe. 
Sie trat Ende der Sechziger-Jahre mit schreekenerregender Heftigkeit auf und 
tödtete im letzten Jahrzehnt noch immer ein Viertel der Ernte. Die Krankheit 
tritt gewöhnlich bald nach der vierten Häutung oder zur Zeit der Spinnreife auf 
und ist durch ihren acuten Verlauf ausgezeichnet. Die kranken Thiere zeigen 
wenig äussere Symptome: man beobachtet mangelnde oder verminderte Fresslust, 
die kranken Raupen werden träge, langsam in ihren Bewegungen, kriechen vom 
Futter weg, werden weich und schlaff und bekommen das Ansehen eines leeren, 
gefalteten Darmes. Die Nahrung wird unvollkommen verdaut, häufig lässt sich 
eine progressiv fortschreitende schwarze Farbe der Raupe constatiren, während in 
anderen Fällen die kranken Thiere das Aussehen gesunder selbst bis zum Tode 
bewahren. Bald nach dem Tode werden die Leichen — morts-blanes, morts-flats — 
weich bis zum Zerfliessen, sind nach 24 bis 48 Stunden tiefdunkel gefärbt, mit übel- 
riechenden Gasen und schwarzbrauner, von Spaltpilzen wimmelnder Jauche gefüllt. 
In letzterer finden sich zunächst die gewöhnlichen, bei jeder Fäulniss auftretenden, 
beweglichen Bacterien. Diese treten aber erst kurz vor dem Tode der Raupe auf, 
während bereits in den ersten Krankheitsstadien in dem durch sie milchig getrübten 


166 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


Magensafte der Raupen die rosenkranzförmigen Ketten des Micrococcus Bom- 
byeis Conx erscheinen. Es besteht dieser Pilz aus ovalen Zellen von höchstens 
0:5 .!) Durchmesser, Ähnlich denen, die bei der Harngährung gefunden werden; 
dieselben sind entweder einzeln oder paarweise oder zu 4 bis S an einander gereiht, 
ja selbst zu längeren gekrümmten Ketten verbunden (Fig. 95). Dieser Spaltpilz 
wird von PAsSTEUR und Conn als der wirkliche Erzeuger der Krankheit in Anspruch 
genommen. Durch infieirte Nahrung kann diese Krankheit übertragen werden, 
und so angesteckte Raupen sterben schon nach 24 bis 48 Stunden. Eine erbliche 
Uebertragung der Krankheit kommt nicht vor, dagegen bleiben diese Spaltpilze 
Jahre lang lebensfähig [Boruineer 7, S. 41 ff.]. 

Die „Faulbrut’” der Bienen ist die gefährlichste aller Bienenkrankheiten 
und vernichtet nicht selten in kurzer Zeit den Bienenstand ganzer Landstriche. 
Sie kam wahrscheinlich schon seit alten Zeiten vor, war aber in früheren Jahren 
jedenfalls seltener. Seit 15 bis 20 Jahren gewinnt sie immer mehr an Verbreitung. 
Die Krankheit befällt hauptsächlich die Larven der Bienen. Die erkrankten Larven 
werden welk und schlaff, fallen zusammen und gehen nach kurzer Krankheits- 
dauer zu Grunde. Die abgestorbenen Larven zeigen ein weiches, schmieriges 
Ansehen, ” eine trüb-weissliche oder gelbliche Farbe, zerfliessen zu einem 
dieken Brei, oder werden trüb-grau bis schwärzlich und zeigen bei der Eröffnung 
einen übelriechenden schwarzen Inhalt, der eire richtige Jauche darstellt. Sowohl 
die unbedeckelte als die bedeckelte Brut fällt der Krankheit anheim. Bei letzterer 
ist der Deckel meist eingefallen und durchbohrt. Hier und da vertrocknen die 


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Fig. 95. Micrococcus Bombycis Conn [nach Conn I2, Taf. 5, Fig. 13]. 


abgestorbenen Larven auf dem Grunde der Zellen zu braunen Krusten, Die 
Waben selbst färben sich unter dem Einfluss der durchdringend nach faulen 
Eiern riechenden Fäulnissgase schmutzig-schiefrig-bläulich. Während einzelne 
Larven gesund bleiben, sterben die meisten ab, und auch die Bienen selbst werden 
träge, stellen Flug, Tracht und Reinigung des Baues ein, und ihre hellgelben, 
wässerigen Excremente enthalten dunkelkörnige Massen. In einem faulbrütigen 
Stocke finden sich immer mehr todte Bienen, als in einem gesunden Volke. 


Diese ansteckende Krankheit — welcher man häufig die gutartige Faulbrut, 
d. h. eine auf verschiedene, aber nicht infectiöse Ursachen zurückzuführende 
Erkrankung: der Bienenlarven entgegenstellt — wurde, nachdem man ihr die 


mannigfachsten Ursachen, z. B. gährenden und verdorbenen Blumenstaub und 
mangelhafte Ernährung der Brut fälschlich untergeschoben hatte, im Jahre 1868 
von Prevss [20] mit mas-enhaft von ihm in faulbrütigen Larven gefundenen Pilzen 
in ursachliche Verbindung gebracht. Er bezeichnete letztere als Micrococcus- und 
Cryptococcus-Formen, welche er, ähnlich wie es Harıızr that, als Entwieklungs- 
formen verschiedener Schimmelpilze ansah. Diese auf dem Gebiete der wissen- 
schaftlichen Botanik längst beseitigte Ansicht kann auch in diesem Falle nicht 
siltig sein; dagegen besteht Preis’ Entdeckung von der parasitären Natur der 
bösartigen Faulbrut auch heute noch völlig zu Recht und wird nach den Unter- 
suchungen von F. Con [nicht publicirte briefliche Mittheilung an H. Nırschr] 
durch einen sporenbildenden Baeillns, den er als Bacillus melitophthorus zu 
bezeichnen vorschlägt, bedingt. Als Bacillus Conw bezeichnet man Spaltpilze, 
deren verlängerte eylindrische Zellen meist zu Fäden verbunden sind, sich der 
Quere nach theilen und Sporen zu bilden vermögen. Die Krankheit ist sehr 
übertragbar, denn eine faulbrütige Wabe in einen gesunden Stock eingehängt, 
infieirt denselben binnen wenig Tagen. 


!) Der griechische Buchstabe ı. bezeichnet „Mikromillimeter” — 0:001 mm. 


Insektentödtende Spaltpilze und Pebrine. 167 


Ausser den beiden eben kurz charakterisirten Spaltpilzmykosen wird gewöhn- 
lich auch die Pebrine der Seidenraupen als eine solche angesehen, obgleich die 
für dieselbe charakteristischen niederen Organismen botanisch noch nicht hin- 
reichend untersucht sind, um mit voller Sicherheit als Spaltpilze angesprochen 
werden zu können. Bei dieser Unsicherheit unserer Kenntnisse behandeln wir sie 
unter dem ihnen in der Voraussetzung, dass es wirklich Spaltpilze seien, gegebenen 
Namen als Anhang zu den Spaltpilzen, ohne Gewähr für die Richtigkeit dieser 
Stellung. 

Die an Pebrine — auch Gattine, Fleckenkrankheit, Petechia, Körperchen- 
krankheit, Maladie des corpuscules genannt — erkrankten Seidenraupen zeigen, 
sowie die Krankheit heftiger wird, geringe Fresslust und träge Bewegungen. Ihre 
Färbung ist eine schmutzig gelbe und ihre Haut erscheint ausserdem mit zahl- 
reichen, vom Gelbbraunen bis in das Dunkelschwarze spielenden Flecken besetzt. 
Das auf dem Rücken des letzten Segmentes befindliche Horn ist meist verschrumpft 
(Fig. 96 A und B); nur in einzelnen Fällen fehlen die schwarzen Hautflecken. 
Charakterisirt wird die Pebrine dadurch, dass das Blut, sowie alle Organe des 
erkrankten Thieres durchsetzt sind von Massen eines, gewöhnlich als Spaltpilz 
bezeichneten, niederen Organismus, des „Micrococcus” ovatus LEpERT. 

Diese Parasiten wurden zuerst im Jahre 1856 in Italien entdeckt und nach 
ihrem Entdecker „Körperchen des CornArıa” genannt. Anfangs meist nicht als 
die Ursache, sondern als die Folge der Pebrine angesehen und nicht als Orga- 


227 


Fig. 96. Die Pebrine der Seidenraupe. A gesunde Seidenraupe. B an Pebrine 

erkrankte Seidenraupe. ( Spinndrüse einer erkrankten Seidenraupe mit knotigen 

Auftreibungen. D „Micrococcus’” ovatus L£zerr, der Pebrine-,,Spaltpilz”. a Einzel- 
zellen, 5 in Theilung begriffene Zellen [nach Leserr 16, Taf. 1, 3 und 5). 


nismen anerkannt, wurden sie zuerst von Le£BErr unter dem Namen „Panhisto- 
phyton’” ovatum und von NäÄceLI als „Nosema” Bombyeis richtig gewürdigt. 
Die Zellen dieses pärasitischen Organismus kommen entweder vereinzelt 
oder paarweise, oder zu kleinen Haufen vereinigt vor. Sie sind oval, beidendig 
abgerundet, ohngefähr 4 bis 5 u lang und 2:5 y. dick (Fig. 96, D a und b). 
Besonders charakteristische Erscheinungen zeigen die Spinndrüsen der erkrankten 
Raupen, welche stellenweise völlig von „Körperchen” erfüllt werden und rosen- 
kranzähnlich anschwellen, so dass die Absonderung der Seidenmasse gestört wird 
oder ganz aufhört (Fig. 96 C'). Ganz schwach infieirte Raupen können noch ein 
Cocon spinnen und sich in einen Schmetterling verwandeln. Dieser ist aber 
dann mit „Körperchen” infieirt und auch die von einem kranken weiblichen 
Schmetterlinge erzeugten Eier sind angesteckt. Ja man behauptet dies sogar 
von den Eiern eines gesunden, aber durch ein krankes Männchen befruchteten 
Weibchens. Aus solchen kranken Eiern gehen wieder kranke Ranpen hervor, 


168 Kap. VI Eutstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


die meist während der ersten und zweiten Häutung sterben. Werden aus 
sesunden Eiern gezogene Raupen durch Uebertragung des Parasiten mittelst der 
Nahrung in den Darmcanal oder von verletzten Stellen der äusseren Haut aus 
inficirt, so gelangen sie häufig noch bis zur Bildung eines Cocons, in welchem 
aber bei stärkerer Infeetion die Puppe zu Grunde geht. 

Diese Krankheit hat vielleicht schon im 15. Jahrhundert, bestimmt aber 
zu Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts — 1688 bis 1710, später 
wieder von 1744 bis 1756. — in verheerender Weise geherrscht, verschwand dann 
und trat nach fast hundertjährigem Stillstande wieder allgemein in den Fünfziger- 
Jahren unseres Jahrhunderts auf. Die Krankheit herrschte nicht blos in den seiden- 
züchtenden Ländern Europas, sondern auch in China und Japan. Im letzten 
Jahrzehnt ist sie nahezu verschwunden, seitdem in richtiger Würdigung des Um- 
standes, dass nur die in den Eiern eingeschlossenen „‚Körperchen” den Winter über 
lebensfähig bleiben, in allen grösseren Züchtereien nur noch wirklich gesunde 
Eier zur Zucht verwendet werden. Man erreicht dies durch das von PAsSTEUR ein- 
geführte Verfahren der „Zellengrainage”. Es besteht darin, dass die in Copula 
befindlichen Pärchen in Einzelzellen isolirt und die Schmetterlinge nach Ablage 
der Eier — „grains’’ — auf das Vorhandensein von Körperchen mikroskopisch unter- 
sucht werden. Finden sich solche vor, so werden die von diesen Paaren erzeugten 
Eier sofort vernichtet |BorLLinger 7, $ 37 ff]. 

Wir haben im Vorhergehenden die einzelnen aufgeführten Spaltpilze als 
besondere Gattungen und Arten bezeichnet und wie wir glauben mit vollem 
Rechte. Es darf aber hier nicht verschwiegen werden, dass diese Anschauung 
nicht allgemein getheilt wird, weil es von einigen Forschern [vergl. Zopr’s 
Arbeiten 25], fraglich gemacht wurde, ob nicht die verschiedenen Gattungen 
zugetheilten Formen auch als Glieder eines und desselben Entwicklungseyklus 
erscheinen können und weil ferner, bei der Kleinheit der in Frage kommenden 
Organismen, vielfach weniger die morphologische Beschaffenheit der Pilzzelle als 
die Verschiedenheiten ihrer chemischen Thätigkeit, d. h. die Art der Zersetzungs- 
erscheinungen, welche bei ihrem Vorhandensein im Substrate eintreten, nach 
Comn’s Vorgange zur Unterscheidung der Arten benützt werden. Gibt doch z. B. 
H. Buchxer [iO] an, es sei ihm gelungen, die sogenannten Heubacillen, Bacil- 
lus subtilis Conx., in vielen aufeinanderfolgenden Generationen durch Zuchten 
in verschiedenen, passend abgestuften Medien der Lebensweise in warmem bewegtem 
Säugerhlute derartig anzupassen, dass sie schliesslich dieselbe Wirkung erhalten, 
wie die echten Milzbrandbaeillen, Bacillus Anthracis Conun, also wirklich auclı 
Milzbrand hervorrufen. Die Bestätigung solcher und ähnlicher Ansichten durch 
genaue Nachuntersuchungen bleibt aber vorläufig abzuwarten. Discutabel sind 
solche Fragen heutzutage aber überhaupt nur für Schizomyceten und höchstens 
noch für die Classe der Saccharomyceten oder Hefepilze, und zwar nur was 
die Artfrage anbetrifit. Dagegen ist auch für diese niedrigsten Pilze festzuhalten, 
dass sie selbstständige Pilzformen bilden und nicht etwa Entwicklungsformen 
verschiedener höherer Pilze sind. Es muss dies bier darum besonders hervor- 
sehoben werden, weil diejenigen Pilzforscher, deren Arbeiten sich auch auf 
die Mykosen forstschädlicher Insekten ausgedehnt haben und zugleich in die 
forstliche Literatur übergegangen sind, also Baıt, HALLıer und Harrıc, letzterer 
wenigstens zu der Zeit, in welcher er über diesen Gegenstand publieirt hat [I3, 
1869], auf einem ganz entgegengesetzten Standpunkte stehen. Ihre Anschauungen 
können bezeichnet werden als eine übermässige Ausdehnung der wesentlich 
durch die Gebrüder TurAsse angebahnten und von pE Bary und seinen 
Schülern weiter geführten Lehre von dem Pleomorphismus der Fructifications- 
organe der Pilze. Diese Lehre besagt, dass innerhalb des Entwiceklungseyklus einer 
und derselben Pilzart sehr verschiedene, früher für besondere Arten gehaltene 
und besonders benannte Fruchtträgerformen vorkommen können, und zwar ent- 
weder in gesetzlich geregelter oder scheinbar ungeregelter Folge. Dieser genetische 
Zusammenhang verschiedener Pilzformen ist aber in jedem einzelnen Falle durch 
genaue, rein gehaltene Culturen zu‘ beweisen, und dies ist in vielen Fällen, 
in welchen z. B. Haızıer einen regellosen genetischen Zusammenhang der ver- 
schiedenen niederen und höheren Pilzformen nachgewiesen zu haben glaubte, 


Pebrine und insektentödtende Entomophthoreen. 169 


vorsichtigen Forschern nicht gelungen. In die Classe dieser, durch ungenügende 
Vorsichtsmassregeln und Mangel hinreichender Controlversuche hervorgerufenen 
Täuschungen gehören z. B. die Angaben von HALLIer über den genetischen Zu- 
sammenhang des Pebrineparasiten mit der Pleospora herbarum TuLasxe, einem 
gemeinen, auch auf den Maulbeerblättern vorkommenden Ascomyeeten, sowie die 
Angaben von BaAır über den Zusammenhang des weiter unten zu besprechenden, 
vorläufig Isaria farinosa Fr. genannten Insektenschmarotzers mit dem gemeinen 
Pinselschimmel, Penicillium glaucum Lmx, desgleichen die Behauptung der 
Zugehörigkeit des Fliegenparasiten Empusa muscae Conx zu einem Entwicklungs- 
eyklus, in welchen auch ein Schimmelpilz, Mucor mucedo L., die Bierhefe, 
Saccharomyces cerevisiae Rees, und die auf im Wasser faulenden Insekten vor- 
kommende Achlya prolifera Ners AB Es. gehören sollten. Diese nicht bestätigten 
Angaben seien hier nur kurz erwähnt. Wir werden ihrer im Folgenden nicht 
mehr gedenken. 

Als nächste hier in Frage kommende Gruppe der Pilze erscheinen die 
Entomophthoreae, deren Hauptinhalt gebildet wird durch die Gattungen Ento- 
mophthora Fresentus und Empusa Conn. Diesen ausschliesslich auf lebenden 
Insekten parasitirenden und dieselben tödtenden Formen werden neuerdings die 
auf Pflanzen schmarotzenden, für uns aber hier nicht in Betracht kommenden 
Genera Completoria Leiter auf Farnprothallien und Conidiobolus BrEFELD, auf 
Tremellinen lebend, angeschlossen. 

Die hier zu erwähnenden epizoischen Entomophthoreen dringen in 
die Leibeshöhle lebender Insekten ein, entwickeln sich hier, und nur ihre 
Fruchtträger durchbrechen nach dem Tode des Thieres die Körperdecken, um 
hier Sporen von bald erlöschender Keimkraft, sogenannte Gonidien, abzuschnüren. 
Ausserdem gehören in den Entwicklungseyklus der meisten Formen Dauersporen, 
welche innerhalb des Körpers des Thieres entstehen und die Erhaltung der Art 
auch unter ungünstigen äusseren Verhältnissen sichern. Die beiden Hauptgattun- 
sen, Entomophthora Fresen. und Empusa Conn, unterscheiden sich dadurch, 
dass bei Entomophthora der im Inneren des angefallenen Thieres sich ent- 
wickelnde Pilz ein aus verzweigten und anastomosirenden Zellfäden (Fig. 97 J) 
gebildetes Mycelium darstellt, von dem die sich verästelnden und die Haut durch- 
brechenden Gonidienträger (Fig. 97 D) ausgehen, während bei Empusa im In- 
neren des Thieres nur lange, einzellige, getrennt bleibende Schläuche auftreten, 
welehe mit ihren unverzweigt bleibenden Enden die Haut des Insektes durch- 
brechen und je ein Gonidium abschnüren (Fig. 99 F). 

Am vollständigsten kennen wir die Lebensgeschichte von Entomophthora 
radicans Brkererp (Fig. 97). Im Herbste zeigt sich häufig eine Pilzseuche unter 
den Raupen des Kohlweisslings, Pieris Brassicae L. Man erkennt den Eintritt 
derselben an der Trägheit, welche sich der vorher lebhaften Raupen bemächtigt. 
Plötzlich sterben die Thiere, und noch am Todestage hüllen sie sich in einen 
srünlich-weissen Schimmel (Fig. 97 B), der schon nach wenigen Stunden verblüht 
und die Raupe völlig unkenntlich, in Form einer braunen verschrumpften Haut 
zurücklässt, in unmittelbarer Nähe umgeben von ganzen Haufen weisser Sporen, 
den abgeworfenen Gonidien des verblühten und wieder verschwundenen Pilzes. 

Diese Gonidien sind kleine, 17 y. lange und 5 y. dicke, farblose Spindeln 
(Fig 97 E). Gelangt eine solche wiederum auf die Haut einer Raupe, so beginnt 
sie einen BE ehaceh zu treiben, der sich schon in kurzer Entfernung von der 
Spore in die Haut einbohrt, dieselbe in der Umgebung der Einbohrungsstelle 
bräunend (Fig. 97 @). Der Keimschlauch durchsetzt nun fortwachsend und sich 
in mehrere Zellen gliedernd, von denen nur die vorderste Protoplasma enthält, 
die Leibeswand der Raupe, bis er allmälig — gewöhnlich am dritten Tage — 
in dem Fettkörper anlangt. Hier wächst nun die "Endzelle, und zwar auf Kosten 
des Fettkörpers, den sie mit unglaublicher Schnelligkeit durchwuchert, zu einem 
verästelten und verfilzten Mycel aus, dessen Fäden (Fig. 97 J) 1 bis 6 u. Dicke 
haben. Jetzt beginnt die oben geschilderte Trägheit der bis dahin anscheinend 
völlig gesunden Raupe; aber erst wenn der Pilz den gesammten Fettkörper 
aufgezehrt hat und sich bereits isolirte, abgeschnürte, längliche Mycelzellen 
(Fig. 97 H) im Blute zeigen, tritt die dem Tode vorausgehende Unbew eglichkeit ein. 


1 


- 


‘ 


1) Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


Die in das Blut gelangenden, abgeschnürten Aeste verbreiten den Pilz bis in die 
letzten Schlupfwinkel des Körpers, und die nun straff vom Pilzmycelium ausgefüllten 
Raupen sterben, nachdem der Pilz alle inneren Organe, mit alleiniger Ausnahme 
der Cutieula und der Chitinhäute von Darm und Tracheen, aufgezehrt hat (Fig.97 C), 
gewöhnlich im Laufe des fünften Tages nach der Infeetion. Zwölf Stunden nach 
dem Tode brechen dieke Büschel paralleler, in Zellen gegliederter Pilzfäden oder 


Fig. 97. Entomophthora radicans Brererp |8, Taf. 1 und 9, Taf. 7). A—J die 
Gonidien erzeugende Form, KX—L die Dauersporen erzeugende Form. A Raupe 
von Pieris Brassicae L. durch E. radicans getödtet, a die sie an die Unterlage 
befestigenden Hyphenbüschel. D dieselbe in einem späteren Stadium, eingehüllt 
von dem Schimmelflaum. © Querschnitt durch eine solche Raupe, « Cutieula der 
Raupe, 5b Tracheen, e im Darmcanal vorhandene Speisereste. Alle Weichtheile 
der Raupe sind aufgezehrt und durch ein dichtes Mycelgeflecht ersetzt, das bei 
d einen diehten Hyphenwald durch die Haut getrieben hat. Dieser hat wieder 
die Sporen e abgeschnürt. D die Fruchthyphen a, mit Basidien 5 und Sporen ce. 
E Einzelsporen stärker vergrössert. F’ Spore «a, welche einen Mycelfaden erzeugt 
hat, an dem wieder secundäre Sporen 5 und e entstanden sind. @ ein Stück 
Haut der Raupe, auf dem Sporen a gekeimt haben, deren Keimschläuche die 
Haut bei db, sie bräunend, durchsetzt und an der Spitze c fortwachsend, weiter- 
sewuchert haben. 7 abgetrennte Myceläste im Raupenblute frei schwimmend. 
J Verästelter Mycelfaden. K Dauersporen tragende Mycelfäden, « mit Proto- 
plasma gefüllt, a‘ leer, d in der Entwicklung begritfene, 5’ reife Dauersporen. Z reife 
Dauersporen mit dicker Hülle und Fetttropfen im Innern. 


Hyphen zwischen den Beinen der Raupe auf der Bauchseite hervor (Fig. 97 Aa), 
dieselbe wie mit Wurzeln auf der Unterlage befestigend, und bald darauf beginnen 
auch die fruchttragenden Hyphen die Haut der Raupe zu durchbrechen, die sie 
bald als ein dichter Schimmelüberzug umgeben (Fig. 97 DB). Die beim Durchtritt 
durch die Haut einfachen Hyphen verästeln sich bald (Fig. 97 D). Die Spitzen 
dieser Zweige gliedern sich nun durch Scheidewände als kurze Basidien — 
so genannt, weil sie den Gonidien gewissermassen als Basis dienen — ab 


Insektentödtende Entomophthoreen. 171 


(Fig. 97 D, b), an deren Ende nun die kurzspindelförmigen Gonidien entstehen 
(Fig. 97 D, e und E). Sowie dieselben ausgebildet sind, beginnt das Protoplasma 
der Basidie durch Wasseraufnahme zu schwellen und Vacuolen zu zeigen, schliess- 
lich platzt die Basidie an der Stelle, an der sie mit dem Gonidium zusammen- 
hing, und die in Folge ihrer Elastieität wieder zusammenschnurrende Membran 
der Basidie schleudert zugleich mit dem Protoplasma die abgelöste Spore einige 
Millimeter weit fort. Jedoch nicht alle infieirten Raupen bedecken sich mit der 
schimmelartigen Fructification. Manche schrumpfen, nachdem sie in Folge einer 
völligen Durehwucherung ihres Inneren durch das Pilzmycelium abgestorben und 
durch die oben erwähnten sterilen Hyphenbündel auf der Unterlage fixirt worden 
sind, nach vorhergehender Erweichung zu zerbrechlichen Mumien ein. Diese 
bestehen aus der wenig veränderten Raupenhaut, welche eine dichte Masse grosser, 
diekwandiger Dauersporen von kugliger Form und 25 y. Durchmesser (Fig. 97 L) 
als einen weisslichen Inhalt umschliesst. Diese Dan repansd entstehen an dem 
Mycelium, sobald dasselbe den ganzen Raupenleib ausgefüllt hat, als seitliche 
Auswüchse der Fäden, denen sie fast unmittelbar aufsitzen (Fig. 97 K). Sobald 
diese Sporenanlagen auftreten, wandert das Protoplasma der Fäden in sie hinein, 
und zwar in dem Masse, als sie wachsen. In den sich entleerenden Mycelfäden 
treten nach rückwärts Scheidewände auf und iin dem anfangs gleichmässigen Inhalte 
der Dauersporen zeigen sich Fetttröpfehen, die sich schliesslich in der Mitte zu 
einem grossen Tropfen sammeln. Die starke Membran spaltet sich in eine dickere 
äussere und eine dünne innere. Die Bildung dieser Dauersporen erfordert ohn- 


Fig. 98. Entomophthora Aulicae Rrıcnarpr. A Raupe mit den in mäandrischen 
Windungen hervorbrechenden Fruchthyphen. Bund €’ Gonidien. (Originalzeichnung.) 


gefähr 8 bis 10 Tage. Während die spindelförmigen Sporen ihre Keimfähigkeit 
bald verlieren, keimen die Dauersporen erst nach längerer Zeit und sie sind es, 
welche die Art während der Ueberwinterung erhalten |Brereıp 8 und 9]. 

Man kennt übrigens durchaus nicht von allen Entomophthora-Arten beide 
Sporenformen. So sind von der forstlich wichtigsten, welche auch auf der Kiefern- 
eulenraupe schmarotzt, nur die Gonidien bekannt. 

Es ist dies Entomophthora Aulicae Reıcnarpr. Sie wurde zuerst auf der 
Raupe von Euprepria aulicaL. entdeckt, dann auf einer Reihe anderer Euprepria- 
Arten wiedergefunden und tritt am grossartigsten an der Raupe und Puppe von 
Noctua piniperda auf. Aus anscheinend ganz gesunden Raupen dieses Forst- 
schädlings bricht häufig ganz plötzlich im Verlauf von 24 Stunden ein schimme- 
liger, ohngefähr 1 mm hoher Ueberzug von Fruchthyphen hervor, welche sich 
verästeln und an jedem Astende eine — nach unseren Messungen — im Durch- 
schnitt 35 u. lange und 21 u. breite, eiförmige Spore mit stumpfer Papille abschnüren 
(Fig. 98 B und C') und in der bekannten Weise von sich schleudern. Jede Spore 
zeigt im Inneren einen grossen, selten mehrere kleine Fetttropfen. Hält man die 
Raupen feucht, so gehen sie bald in derselben Weise wie die von Ent. radicans 
befallenen zu Grunde. Trockener gehaltene schrumpfen zu einer, bis auf den 
glänzend braun bleibenden Kopf, von weissem Staube bedeckten und mit Mycel 
gefüllten Mumie ein, an welcher man die schon von Conn hervorgehobene Charak- 
teristik dieser Fructificationsform, ihr Hervortreten in gewundenen Linien erkennen 
kann. Diese fliessen bald zusammen und die Pilzbedeckung erscheint in der Form 
von mäandrisch gewundenen, den Windungen des Gehirns der Säugethiere ähn- 
lichen Wulsten (Fig. 93 A). 


172 Kap VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


Nur Dauersporen kennt man von einer an der Raupe von Agrotis sege- 
tum ScHirr. vorkommenden Entomophthoree, welche von Conmn als eigene 
Gattung aufgestellt und Tarichium megaspermum genannt wurde. Da der 
Unterschied zwischen den Gattungen Entomophthora und Empusa, wie oben aus- 
einandergesetzt, wesentlich auf der Verschiedenheit der gonidientragenden Hyphen 
beruht, so ist die Entscheidung, ob man es hier mit einer Entomophthora- 
oder einer Empusa-Form zu thun hat, vorläufig nicht zu treffen. Die Lebens- 
geschichte dieses Pilzes ist folgende: Die erkrankten grau- oder grünlich-braunen 
Raupen beginnen, vom Kopf anfangend, sich dunkel zu färben, bis sie ganz 
schwarz geworden siud. Nun schwellen sie zunächst an, trocknen, während 
sie eine ölige Flüssigkeit durchschwitzen lassen, allmälig zu verschrumpften 
Mumien ein und füllen sich im Inneren mit einer kolhlschwarzen, zunderartigen 
Masse, welche aus undurchsichtigen, kugelrunden, 56 bis 55 p. Durchmesser 
haltenden Dauersporen besteht. Die Sporen haben zwei Hüllen, deren äussere 
häufig von unregelmässig gewundenen Furchen durchsetzt ist. 

Das erste Anzeichen der Krankheit ist, dass in dem bei gesunden Thieren 
gelblichen Blute zahllose schwarze Pünktchen auftreten, die ihm unter dem 
Mikroskop das Aussehen von eingeriebener chinesischer Tusche geben. Auch sind 
zahlreiche farblose Krystalle in ihm vorhanden. Dann beginnen sich die Anfänge 
des Pilzes als freie kuglige Zellen von 7 bis 15 p. Durchmesser zu zeigen, die 
durch den Zerfall länglicher, gleichfalls im Blute vorkommender Schläuche 
entstehen. Aus diesen kugligen Keimen entwickeln sich 5 bis I0 y. dieke, nur 
wenige Querscheidewände zeigende Hyphen, die sich verästeln und ein den Körper 
völlig durchsetzendes Mycel bilden. Dieses zehrt die Eingeweide der Raupe auf, 
seine Spitzen schwellen kuglig an und schnüren sich schliesslich als die oben 
beschriebenen, braunen Dauersporen ab. 

Sowohl Gonidien- als auch seit Kurzem Dauersporen |23, S. 68] kennt 
man bei dem gemeinen Parasiten unserer Stubenfliegen, der Empusa Muscae 
Conn. Allherbstlich, in unseren Breiten etwa vom Juli an, tritt eine durch diesen 
Pilz verursachte Epidemie der Stubenfliege auf, welche in südlicheren Gegenden, 
z. B. in Italien, das ganze Jahr zu finden ist. Die in den ersten Stadien der- 
selben äusserst beweglichen und unruhigen Thiere werden bald matt und träge, 
um endlich unter krampfhaften Bewegungen mit Beinen und Rüssel, ihrer Unter- 
lage fest angeheftet, den Tod zu finden. Der schon vorher aufgedunsene Hinterleib 
schwillt mehr und mehr, und es tritt zwischen seinen Ringen eine fettartig aus- 
sehende, weisse Substanz hervor. Bald beginnt um das Insekt herum die Bildung 
eines Hofes von weisslicher, staubähnlicher, aus Pilzsporen bestehender Masse, 
die auch die Beine und Flügel des Thieres über und über bedeckt und sich bis 
zum Vertrocknen des Thieres stetig vermehrt (Fig. 99 A). In den jüngeren 
Stadien der Krankheit erscheint das Blut der Fliegen durch das Vorhandensein 
von zahlreichen kleinen rundlichen, freischwimmenden Pilzzellen milchig (Fig. 99 D). 
Diese Zellen, welche denen im Blute von Agrotis segetum beschriebenen 
homolog sind, sich aber dureh hefeartige Sprossung vermehren, wachsen (Fig. 99 
E a und 5) im Fettkörper aus, um endlich zu langen, einzelligsen, vielfach ge- 
wundenen, cylindrischen Schläuchen von 9 bis 11 m Durchmesser (Fig. 99 
F a und 5) zu werden, deren dichtgedrängte, auf 19 bis 28 u Durchmesser 
anschwellende, kegelförmige Spitzen nach dem Tode des Thieres die Chitinhaut 
durchbrechen und die erwähnte fettartige, weisse Masse zwischen den Leibes- 
ringen bilden. An der Spitze jeder dieser Fruchthyphen entsteht eine kugel- 
förmige Aussackung, welche zu einer Spore von 20 bis 23 u. Länge und 16 bis 
23 » Dicke wird, eine eigenthümliche Glockenform annimmt und sich von der 
Hyphe durch eine Scheidewand abgliedert, um schliesslich im der schon bei 
Entomophthora radicans Bker. geschilderten Weise mit Gewalt weggeschleudert 
zu werden und den das Insekt umgebenden Hof bilden zu helfen (Fig. 99 Ba 
und 5). Die weggeschleuderte Spore ist umgeben von einem Tropfen Protoplasma 
der geplatzten Fruchthyphe, welch letztere beim Platzen zusammenfällt und 
alsbald durch eine jüngere ersetzt wird. Trifft die so fortgeschleuderte Spore 
den Leib einer Fliege, namentlich die Unterseite des Hinterleibes derselben, 
so klebt sie fest und beginnt nun sofort einen Keimschlauch zu treiben, 


Insektentödtende Entomophtoreen. 173 


der schnell die Chitinhaut durchbricht und nun durch erneute hefeartige Sprossung 
bald die bis dahin gesunde Fliege mit Pilzzellen, die bald wieder zu ein- 
zelligen langen Schläuchen auswachsen, infieirt. Gelangt die Spore auf eine andere 
Unterlage, so treibt sie, dank der im Plasmatropfen mitgegebenen Feuchtigkeit, 
auf Kosten desselben einen kurzen Fortsatz in die Luft, an dessen Spitze eine 
seeundäre Spore entsteht, die von dem schwellenden Fortsatze fortgeschleudert 


Fig. 99. Empusa Muscae Coun [nach Brererp 8, Taf. 3 und 4]. A an Ento- 
mophthora-Mykose gestorbene Stubenfliege mit dem sie umgebenden Hofe weg- 
geschleuderter Sporen. B Sporen, a mit umgebendem Protoplasmahofe, 5 ohne 
denselben. C' Sporen, keimend und secundäre Sporen bildend. D Familien hefe- 
artig sprossender Empusazellen aus dem Fettkörper einer Fliege. E «a Empusa- 
zellen aus dem Fettkörper im Auswachsen zu Schläuchen begriffen, 5. solche 
weiter fortgeschrittene Schläuche. F halbschematische Darstellung der Fructifica- 
tion. x Andeutung der Leibeswand, „ Chitinhaare des Fliegenleibes, « die durch 
die Leibeswand durchgebrochenen, Sporen tragenden Hyphenenden, db die im 
Körper bleibenden Hyphenschläuche, e noch nicht durchgebrochene Schläuche, 
d weggeschleuderte, aber an den Haaren der Fliege hängengebliebene Sporen, 
zum Theil bereits secundäre Sporen erzeugend. 


wird (Fig. 99 ©), wie die primäre Spore von der Hyphe. Gerade diese secundären 
Sporen sind sehr geeignet, auf die Unterseite einer über die infieirte Stelle weg- 
laufenden Fliege zu gelangen [BrereLv 8, Sorus-Laugach 21]. An feuchten Stellen 
sterbende, infieirte Fliegen erzeugen keine glockenförmigen Sporen, sondern die 
Schläuche des Myceliums bilden kleine astartige Ausstülpungen und schnüren 
meist genau kuglige, farblose, mit dicker Membran versehene, an Fetttröpfehen 
reiche Danersporen von 30 bis 50 ı. Durchmesser [23] ab, 


174 Kap. IV. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


Die Dauersporen aller erwähnten Entomophthoreen entstehen ohne Copu- 
lation, d. h. ohne dass ein geschlechtlicher Act ihrer Bildung voranginge. Es 
sind also, um den wissenschaftlichen Ausdruck zu gebrauchen, Azygosporen. 
Durch die Arbeiten von Nowarowsky ist aber nachgewiesen worden, dass bei 
Entomophthora curvispora Now. und E. ovispora Now. der Dauersporenbildung 
eine Copulation vorangeht, diese Sporen also Zygosporen sind. Wir können 
auf die Vorgänge bei diesen selteneren und, weil auf indifferenten Fliegen und 
Mücken lebend, forstlich gleichgiltigen Arten hier nicht näher eingehen und er- 
wähnen dieselben überhaupt nur deshalb, weil ihre Entdeckung |I7 und 18] die 
Ursache geworden ist, dass man die Entomophthoreen als eigene Gruppe auf- 
gestellt und von den Basidiomyceten, zu denen sie z. B. noch Winter [24] rechnet, 
völlig getrennt hat. 

Eine weitere, natürliche Gruppe der Pilze sind die Ascomycetes. Für diese 
ist es charakteristisch, dass in ihrem Entwicklungskreise stets eine Fruchtträger- 
form vorkommt, an der sich im Inneren von Mutterzellen mit besonderer Structur, 
welche man Sporenschläuche, Asci, nennt, Sporen entwickeln. Die so 
gebildeten Sporen heissen Ascosporen (Fig. 100 ©). Alle insektentödtenden 
Ascomyceten gehören in die Unterabtheilung der Pyrenomycetes. Die Pyrenomy- 
ceten sind dadurch ausgezeichnet, dass sich die Asci innerhalb besonderer, runder 
oder flaschenförmiger Behälter entwickeln, die am Scheitel eine natürliche, enge 
Mündung haben, welche mitunter auf der Spitze einer mehr oder weniger aus- 
gezogenen Papille steht. Diese Behälter heissen Perithecien. Sie können 
entweder direct dem Pilzmycel aufsitzen oder auf sehr verschieden geformten 
Fruchtträgern angebracht sein (Fig 100 B,. Ausser den Peritheeienträgern können 
im Entwicklungskreise der Pyrenomyceten aber auch noch andere Fructifications- 
formen vorkommen, welche die Sporen frei an der Oberfläche der sie bilden- 
den Pilzfäden oder Hyphen abschnüren. Diese Sporen nennt man Gonidien 
(Fig. 100 Ee) und die sie erzeugenden Fruchtträger Gonidienträger. Diese 
Fruchtträger können einmai einfache, von dem Mycelium sich senkrecht abhebende, 
in der Mehrzahl vorhandene Fruchthyphen sein, welche entweder direct oder 
an secundären Verzweigungen die Gonidien entstehen lassen. Solche einfache 
Fruchthyphen bedecken dann das Substrat als ein schimmelartiger Flaum. In 
anderen Fällen treten eine grössere Anzahl von dem Mycel entspringender Hyphen 
zu einem soliden, sehr verschiedenartig geformten Körper, dem sogenannten 
Stroma zusammen (Fig. 101 A), und erst von diesem erheben sich nun die Goni- 
dien abschnürenden Hyphen. Die Theile beider Arten der Gonidienträger, von 
denen die Gonidien sich unmittelbar abschnüren, welche gewissermassen die 
Basis der Sporen bilden, heissen auch hier Basidien. Es gibt übrigens noch 
andere, für unsere Betrachtungen unwichtige Formen von Fruchtträgern bei den 
Pyrenomyceten Die verschiedenen Formen von Fruchtträgern treten an dem 
Mycelium einer bestimmten Pyrenomyceten-Art gewöhnlich nicht gleichzeitig auf, 
und man kann im allgemeinen annehmen, dass anfänglich Gonidienträger, später 
erst Perithecienträger erscheinen. In vielen Fällen bringt es sogar der Pilz 
gar nicht bis zur Entwicklung von Perithecienträgern und pflanzt sich längere 
Zeit hindurch ausschliesslich durch Gonidien fort. Desgleichen gibt es Pyrenomy- 
ceten, in deren Entwicklungskreis wir keine Gonidienträger kennen. Daher kommt 
es, dass die systematische Pilzkunde in früheren Zeiten viele Mycelien mit 
Gonidienträgern als selbstständige Pilzarten ansah sowie demgemäss selbstständig 
benannte. Trotzdem es heutzutage gelungen ist, den Entwicklungseyklus 
vieler Pyrenomyceten vollständig klarzustellen, kennen wir dennoch für eine 
grössere Menge von Gonidienträgern die zugehörigen Perithecienträger noch nicht 
und sind noch heute genöthigt, sie der Orientirung halber mit besonderen Namen 
zu belegen. Ja es gibt wahrscheinlich Formen, denen in ihrem Entwicklungs- 
kreise Perithecienträger überhaupt fehlen. 

Unter den insektentödtenden Pyrenomyceten kennen wir am vo'lständig- 
sten den Entwicklungskreis von Cordyceps militaris Frıes, der auch mitunter 
als Torrubia militaris bezeichnet wird, nach dem Namen eines spanischen Mön- 
ches Torrupra, welcher von den Antillen stammende, auf dortigen Wespen 
schmarotzende Formen dieser Pilzgattung zuerst beschrieb, Gebilde, welche ihrer 


Insektentödtende Ascomyceten. 175 


Zeit unter dem Namen der „zoophytischen Fliege” bedeutendes Aufsehen 
machten. Das Mycelium dieses Pilzes schmarotzt in einheimischen Raupen und 
Puppen und tödtet sie. Später brechen aus dem Leibe der Leichen die 
orangefarbenen, keulenförmigen, bis 40 mm langen, gestielten Fruchtträger hervor 
(Fig. 100 A), die oberflächlich hervorragende, 02 mm bis 0:3 mm lange und 
0.13 mm bis 02 mm dicke Perithecien (Fig. 100 B) tragen, welche die Asei 


Fig. 100. Cordyceps Frızs. A C. militaris Fr. auf einer Raupe von Bombyx 
Rubi L., a unentwickelte, d entwickelte Fruchtträger mit den vorspringenden 
papillenartigen Mündungen der Peritheeien. 3 C. entomorhiza Fr. Längsschnitt 
durch die Keule eines Fruchtträgers, die Anordnung der flaschenförmigen Peri- 
thecien zeigend. (€ Geplatzter Ascus desselben Pilzes mit den acht langen, in 
Theilsporen zerfallenden Ascosporen. D Gonidienträger 5, aus Theilsporen «a 
von C. militaris gezüchtet und kuglige Gonidien ce abschnürend. E älterer 
Gonidienträger Db desselben Pilzes, von einem Mycelfaden « entspringend, e kug- 
lige Gonidien, c‘ ovales Spitzengonidium. A—(' nach Turasxe [22, Taf. 1], D und 
E nach ve Barry [6a, Taf. 1]. 


enthalten. Die schlauchförmigen Asci erzeugen je 8 lange, stabförmige, circa 
0:0013 mm breite, primäre Sporen, welche sich bei ihrer Reife noch innerhalb 
des Aseus in eine Reihe von 0'003 mm langen Theilsporen, bis 160 an einer 
Primärspore, gliedern (Fig.100 €). Wenn man die in feuchter Umgebung gehaltenen 
Perithecienträger in trockene Luft bringt, werden die reifen Sporen aus den Peritle- 
cien herausgeschleudert. Die Theilsporen trennen sich bald von einander. Gelangen 


176 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


sie auf feuchten Boden oder auf die Haut einer lebenden Raupe, so beginnen sie, 
unter Anschwellung auf das Doppelte ihres ursprünglichen Volumens, Keim- 
schläuche zu treiben (Fig. 100 D). Auf dem Öbjectträger künstlich gezogen, 
wachsen diese Keimschläuche direct zu kugelgonidientragenden Fruchthyphen aus. 
Bei den Raupen dringen sie aber durch die Leibeswand in die Körperhöhle des 
Thieres, ohne auf der Oberfläche der Haut dunkle missfarbene Flecken zu er- 
zeugen, und beginnen nun kleine blasse, längliche Cylindergonidien (vergl. 
Fig. 102 B und (') zu bilden. Diese vermehren sich in dem Blute durch Abschnü- 
rung wiederholter Generationen gleichartiger Gonidien, deren Wachsthum und 
Vermehrung auf Kosten der Blutmasse der Raupe geschieht. Hiermit hält eine 
Erkrankung der Raupe gleichen Schritt, welche nach 14 Tagen bis 3 Wochen 
mit dem Tode derselben endigt. Die Raupe ist kurz nach dem Tode durch- 
aus weich und schlaff; liegt sie aber in feuchter Umgebung, so beginnen die 
Cylindergonidien zu den Mycelfäden des Cordyceps auszuwachsen, alle Organe, 
zumal den Fettkörper, durchwuchernd und auf ihre Kosten sich nährend. Es 
wird so der Raupenleib von dem Mycelium prall ausgestopft, er schwillt und 
erhärtet. Schon nach acht Tagen treten Aeste der Mycelfäden durch die Haut 
an die Oberfläche des Körpers, und es bedeckt sich dieser allmälig völlig mit 
einem kurzen Flaum weisser, kaum 0:5 mm hoher Fruchthyphen. Diese treiben 
allenthalben zahlreiche Aeste, welche auf abstehenden, selten vereinzelten, meist 
in zwei- bis fünfgliedrige Wirtel geordneten, pfriemenförmigen Seitenzweigen 
runde Sporen von 0:0025 mm Durchmesser, sogenannte Kugelgonidien, in 
perlschnurförmiger Verbindung — also reihenweise, succedan — erzeugen 
(Fig. 100 Eee). Die erstgebildete, also oberste Gonidie der Reihe ist meist 
länglich eylindrisch und mitunter fallen die succedan entwickelten Ketten zu 
einem unregelmässigen, die Spitze des Zweiges einnehmenden Häufehen zusammen 
(Fig. 100 Ee'). Später erscheinen in dem weissen Flaum orangefarbene, aus 
dicht und parallel vereinigten Pilzfäden gebildete Hervorragungen, welche all- 
mälig wieder zu Peritheeien-tragenden, orangefarbenen Fruchtträgern heranwachsen. 

Es gehören also in den Entwicklungskreis des Cordyceps militaris schon 
nach älteren Untersuchungen sicher zwei Sporenarten und zwei Fruchtträgerformen, 
und es findet bei dem typischen Entwicklungsgange des Pilzes eine regelmässige, 
nothwendige Abwechslung zwischen dem Auftreten der in den Ascis der Perithecien 
gebildeten Sporen und deren Theilungsproducten einerseits, und den im Blute des 
Insektes von den Keimschläuchen abgegliederten Cylindergonidien andererseits 
statt. Dagegen sind die einfachen Fruchthyphen eine secundäre, morphologisch 
nebensächliche Form von Fruchtträgern und die auf ihnen succedan abgeschnürten 
Kugelgonidien bei ihrer schnellen Entwicklung Einrichtungen zur raschen Ver- 
breitung des Pilzes, denn wir haben allen Grund zu glauben, dass die Kugelgonidien 
in derselben Weise auf der Haut einer Raupe keimen, in diese eindringen und 
Cylindergonidien erzeugen können, wie die Theilsporen' der Primärsporen aus den 
Perithecien |pe Barry 6]. 

Ausser den beiden oben beschriebenen Fruchtträgerformen soll aber nach 
Turasse [22] neben den einfachen Fruchthyphen noch eine andere Form Kugel- 
gonidien succedan abschnürender Stromata vorkommen, als welche er Isaria 
farinosa FrıEs bezeichnet. 

Der gemeinsame Charakter der unter dem Genusnamen „Isaria” Hırı 
zusammengefassten, gonidientragenden Stromata besteht darin, dass sich von dem 
in dem Substrat — also in unserem Falle in dem Leibe des todten Insektes 
— verborgenen Mycelium ein mehr oder weniger säulenförmiger, aus Pilzfäden 
zusammengesetzter Stamm erhebt, welcher wenigstens an seinem oberen, nicht 
deutlich abgesetzten Theile abstehende, einfache oder wiederholt ästig verzweigte 
Fäden trägt, die an der Spitze gerader Basidien einzellige Sporen abschnüren, 

Es werden meist nur nach den Farben- und Formunterschieden der sehr 
variablen Stromata und nach dem Vorkommen auf verschiedenen Substraten eine 
ganze Reihe von „Isarienspecies” unterschieden. Am besten bekannt ist diejenige, 
welche als Isaria farinosa Frırs bezeichnet wird und höchst wahrscheinlich in den 
Entwicklungseyklus von Cordyceps militaris gehört. Sie lebt auf verschiedenen 
Raupen und Puppen, besonders von Bombyx Rubi L. und B. Pini L., zunächst in 


Insektentödtende Ascomyceten. 177 


Form von bis 10 mmhohen Keulchen mit blass orangefarbigem Grunde, welche sehr 
bald dicht weiss bestäubt erscheinen durch einen massigen Ueberzug von gonidien- 
tragenden Aestchen (Fig. 101 A); oder sie bildet grössere, lebhaft orangegelbe 
Körper, die I nım und darüber dick sind, sich senkrecht aus der Raupe erheben, 
ihre ziemlich glatte Oberfläche und lebhafte Farbe beibehalten, langsam auf eine 
Länge von 15 bis 20 mm heranwachsen und dann von den garbig auseinander- 
tretenden Hyphen der Spitze beginnend, auf ihrer Oberfläche Gonidien abschnürende 
Zweige treiben. Die einzelnen Fruchthyphen, welche sich stets nur gablig verästeln, 
tragen meist nur paarweise opponirte Zweige (Fig. 101 B und (©), zeigen also nicht 
die wirtelförmige Anordnung der weitabstehenden Aeste, wie sie oben bei der ent- 
sprechenden Form von Cordyceps militaris beschrieben wurde. Diese Differenz 
in der Anordnung der Zweige der Fruchthyphen veranlasste pe Bary anfänglich, 
an der Zugehörigkeit von Isaria farinosa zum Entwicklungskreise von Cordy- 
ceps militaris zu zweifeln, neuere Untersuchungen haben ihn aber veranlasst, 
diese Zweifel fallen zu lassen. Die unter und zwischen den Zweispaaren befind- 
lichen Stücke der Aestchen hestehen aus je einer kurzeylindrischen Zelle; die 
Zweige und Aeste werden ebenfalls von je einer Zelle gebildet, welche sich von 
eylindrischem oder flaschenförmigem Grunde aus in ein pfriemenartiges Ende zu- 
spitzt, auf dem die kugelrunden Gonidien sich reihenweise abschnüren. Die Unter- 


39 


R 


Al 


A Db (& D 


Fig. 101. Isaria Hırr. A. Puppe mit den Stromata von I. farinosa Frıes. Nach 
NEES von Esengeck. D. Kugelgonidien tragendes Fruchthyphenende von I. farinosa 
mit reichlieher Fructification. ©. Desgleichen mit schwacher Fructification D. Des- 
gleichen mit ovalen Gonidien von I. strigosa Frırs. D-D nach pr Barry [6]. 


suchungen von DE Bary [6] haben gezeist, dass die aus diesen Sporen entste- 
henden Keimschläuche in der Regel nicht die äussere Haut der Raupen durch- 
bohren, sondern durch die Stigmata in die Tracheenhauptstämme eindringen, 
und erst, nachdem sie die Substanz dieser durchwucheit und sie, ebenso wie das 
anliegende Gewebe dunkelbraun gefärbt haben, in die Leibeshöhle eindringen. 

Eine verwandte Form, die Isaria strigosa Fr., hat hellgelbe Stromata 
und länglich eylindrische, in Ketten abgeschnürte Gonidien (Fig. 101 D). 

Ein weiterer,und zwar sehr wichtiger insektentödtender Pilz tritt meist 
nur in der Form einfacher, einen schimmelartigen Flaum bildender Fruchthyphen 
auf, kann aber zuweilen auch Isariaform annehmen. Es ist dies die Botrytis 
Bassiana Barsamo Ihre aus dem Innern erkrankter und gestorbener Raupen 
hervorbrechenden Fruchthyphen sind reich verästelt, farblos und durelı Scheide- 
wände in lange Zellen getheilt (Fig. 102 A). Sie treiben einzelne oder gegen- 
ständige, einzellige Zweige, welche nun entweder selbst an ihren zugespitzten 
Enden, oder an denen der von ihnen entspringenden Zellen zweiter Ordnung, 
köpfehenweise Sporen abschnüren. Diese sind Kugelgonidien, bis 16 Stück in 
einem Köpfchen, welche dem Basidium mit einem kleinen Stielchen anhängen 
und 2 bis 3 u Durchmesser haben (Fig. 102 A). Gelangt eine dieser, ihre Keim- 
fähigkeit wenigstens zehn Monate lang bewahrenden Gonidien auf die Haut einer 
Raupe, so keimt sie, der Keimschlauch dringt durch die Haut, und während der 


‘ Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde. 12 


» 


178 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


aussenbleibende Theil desselben abstirbt, wächst das eingedrungene Stück, zahl- 
reiche, verzweiste, von dem Punkte des Eindringens aus strahlig divergirende 
Aeste treibend, weiter. Die Umgebung dieser Stelle wird zu einem missfarbigen 
Flecke. Die Fäden durchwachsen nun die Leibeswand, die Muskeln und den 
Fettkörper, indem sie diese Theile zerstören, und es bilden sich theils an ihren 
freien Enden, theils seitlich, auf kurzen, dünnen Stielen sitzende, 7 bis 15 u lange 
und 2 y. breite, cylindrische Gonidien, die gleichfalls köpfehenweise abgeschnürt 
werden (Fig. 102 BD). Die von den Stielen losgelösten gelangen in die Blutflüssigkeit 
und erzeugen hier, ihre ursprüngliche Gestalt beibehaltend, oder nachdem sie sich 
auf das Doppelte oder Dreifache ihrer Länge gestreckt haben, neue, secundäre 
Cylindergonidien (Fig. 102 C). Aber erst längere Zeit nach dem Eindringen des 
Pilzes enthält jeder durch Anstechen des Körpers an beliebiger Stelle erhaltene, nun 
weisslich getrübt erscheinende Blutstropfen zahlreiche Cylindergonidien. Schliesslich 
wird die Vermehrung der Gonidien seltener und hört ganz auf. Die vorhandenen 
beginnen dagegen zu verästelten Mycelfäden auszuwachsen. Die Ausbildung der 
braunen Hautflecken, welche die Infection der Raupen anzeigen, beginnt erst am 


390 


C 


Fig. 102. Botrytis Bassiana Barsawo nach ve Barry [6] A Gonidien tragende 

Fruchthyphen, « mit schwächerer, d und e mit reichlicher Sporenproduction. 

DB Gonidien abschnürende Keimschläuche aus der Raupenhaut. (€ Cylindergonidien 
und Hyphenanfänge, seeundäre Gonidien abschnürend, aus dem Raupenblute. 


achten oder neunten Tage nach der Infeetion. Sobald diese sich vergrössern, 
werden die Thiere träge und hören auf zu fresssen, werden allmälig regun»slos 
und sterben meist am zwölften bis vierzehnten Tage nach der Infeetion, nachdem 
sie zuvor, da ein guter Theil der Blutmasse zur Ausbildung der Cylindergonidien 
verbraucht wurde, eine schlaffe, weiche Beschaffenheit angenommen. Bald beginnt 
aber unter dem Drucke der nun eintretenden Mycelbildung der Leib der Leiche 
wieder zu schwellen, und das Mycel durchwuchert den Körper vollständig, die 
inneren Organe auflösend und sie, mit Ausnahme der Höhlung des Darmes, völlig 
durchdringend. Es folgt nun in feuchter Umgebung der Durchbruch der Frucht- 
hıyphen, während die trocken liegende Leiche zur Mumie zusammenschrumpft, aus 
welcher noch nach Monaten bei Wiederbefeuchtung Gonidienträger hervorbrechen. 

Die durch Botrytis hervorgerufene Mykose ist zuerst an der Seidenraupe 
beobachtet worden und wird als „Muskardine” bezeichnet, auch wohl „Kalk- 
sucht” oder „Caleino” genannt, wegen des kalkartigen Aussehens der verschim- 
melten Raupen. Diese Seuche ist seit 1763 gekannt; sie herrschte besonders in 
den Zwanziger- und Dreissiger-Jahren unseres Jahrhunderts in Frankreich, ist aber 
seit Mitte der Fünfziger-Jahre fast vollständig aus den Seidenzüchtereien ver- 
schwunden. Jetzt kommt die Krankheit nur mehr in feuchten Jahren in den 


“ 


Insektentödtende Ascomyceten und Laboulbenia. 179 


verschiedensten Ländern vor, niemals aber so ausgebreitet wie die Pebrine. pE 
Bary [6a] wies naclı, dass der Muskardinepilz ein in Europa einheimischer Insekten- 
parasit ist, und nicht aus dem Vaterlande der Seidenraupe eingeschleppt zu werden 
brauchte, wie früher vielfach behauptet wurde. Derselbe Forscher fand diesen Pilz 
bei einer epidemischen Erkrankung der Kiefernspinnerraupe im nordöstlichen 
Deutschland. 

Im Anschluss an die Ascomyceten sei der Vollständigkeit halber kurz das 
Genus Laboulbenia Rorın erwähnt, welches wohl als Vertreter einer eigenen 
Familie anzusehen ist. An verschiedenen Carabiden, auf Fledermausfliegen und 
besonders auf den gemeinen Stubenfliegen finden sich in Süddeutschland Kleine 
bräunliche Schläuche mit Seitenast oft in grosser Menge au 
verschiedenen Körpertheilen sitzend Dies sind Pilze, welche 
merkwürdigerweise jedes Mycels entbehren und nur mit einer 
knopfartigen Verdiekung ihrer zweizelligen Träger (Fig 103«a 
und a‘) in der Leibeswand des betreffenden Insektes befestigt 
sind. Von diesem Träger erhebt sich als unmittelbare flaschen- 
törmige Verlängerung (Fig. 1035) ein spindelförmige Ascosporen, 
zu je acht in dünnen Aseis erzengendes Peritheeium. Seitlich 
von diesem sitzt ein gesägter Zweig, dem man die Function 
eines männlichen Befruchtungsorganes zugeschrieben hat 
(Fig 103 d). Die austretenden Sporen keimen sofort, entwickeln 
sich ohne Weiteres zu neuen Laboulbenia-Individuen und 
werden, wahrscheinlich während der Begattung, von einer Fliege 
auf die andere übertragen. Laboulbenia Muscae Pryrırsch 
ist die am besten bekannte Art; der Parasitismus dieser Pilze 
scheint keinerlei nachtheiligen Einfluss auf ihre Träger aus- 
zuüben. 

Im Vorstehenden haben wir eine bis jetzt in der forst- 
liehen Literatur fehlende rein wissenschaftliche Uebersicht des 
Standes unserer Kenntnisse über die insektentödtenden oder 
wenigstens bewohnenden Pilze gegeben und fassen nun die 
für den Praktiker wichtigen Gesichtspunkte zusammen. 


Fig. 103. Er- 
wachsenes Indi- 
viduum von 
Laboulbenia 


Von einer Mitwirkung der Spaltpilze (vergl. 
Muscae Pey- 


Fig. 95) bei der Vertilgung der forstschädlichen 

= - SR . rırscH [17]. a der 
Insekten ist bis jetzt wenig bekannt geworden. Nur zweizellige Trä- 
Harrıc [I3, pag. 487 u. flg.| erwähnt einer Spaltpilz- ser, a‘ sein in 
mykose, der „Gattine’’ bei den Larven der gelblichen der Leibeswand 
Buschhorn-Blattwespe, Lophyrus rufus F'Apr.; ferner a . 
trat eine solche auf bei einem massenhaften Sterben der cinm. re Be = 

” 13 ” „* .. I / 
Kieferneulen-, Kiefernspanner-, Kiefernschwärmer- und 


dem Perithe- 
Rothschwanzraupen. Genauere Angaben fehlen aber. cium enthalte- 


reen. Mittheilungen über „Empusa-Epidemien” 


. Auch Baır [3] berichtet über Spaltpilzinfeetion zeigende H en 
. . L el 
Kiefernspinnerı aupen. means 
Beiweitem wichtiger sind die Entomophtho- Befruchtungs- 


organ ?). 


bei Forstschädlingen sind sehr häufig. Baız [4, p. 244] 

berichtet über eine solche im Jahre 1867 unter den Kiefernspinner- 
raupen in der Tuchler Haide ausgebrochene Mykose. Hier wurden 
die Raupen, welche bereits circa 5000 Aha kahl gefressen oder 
doch stark geschädigt hatten, fast vollständig durch „Empusa” ver- 
nichtet. Ferner theilt Oberförster ScuurLtz mit, dass bei einem im 
Sommer 1868 im Forstrevier Biezdrowo der kgl. Oberförsterei Zirke 
bei Posen ausgebrochenen Kieferneulenfrasse Ende Juni binnen acht 


12* 


180 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


Tagen ohngefähr 70°%/, der Raupen an „Empusa’” starben, 20°/, noch 
erkrankt und nur 10°/, gesund erschienen [5, p. 138 und 139]. Welche 
Entomophthoree in diesen Fällen gewüthet hat, ist nicht ohne Weiteres 
ersichtlich. Baın ist geneigt, sie als Entomophthora Grylli Fres. zu 
bestimmen; Harrıc 13, 478] bezeichnet als Ursache der von ihm 
beobachteten Empusa- Myläcen auf Kiefernspinner, Kieferneule und 
Rothschwanz ohne Weiteres Empusa Muscae (lonx. Die Ursache einer 
im Sommer 1883 in der Primkenauer Haide beobachteten Entomo- 
phthora-Mykose der Kieferneule war, nach gütiger Bestimmung von Prof. 
DE Bary, Ent. Aulicae REICHARDT, eine Be mit welcher auch 
unsere Messungen der Sporen (vergl. S. 171) genau stimmen. Da letztere 
in Form und Grösse auch ziemlich mit den bei Baın gegebenen Schil- 
derungen übereinstimmen, Ent. Aulicae auch bereits 1834 [3, p. 3] an den 
verschiedensten Schmetterlingslarven beobachtet worden ist, so dürfte 
wohl dieser Pilz der forstlich hauptsächlich wichtige Raupenvertilger 
aus dieser Familie sein. Harrıc’s Darstellungen sind nicht genau 
genug, um einen sichern Schluss zu gestatten und die Beobachtungen 
Brereup’s, dass eine Uebertragung der E. Muscae auf Raupen miss- 
glückte [8, p. 39], spricht auch gegen Harrıc’s Annahme. Die vor- 
stehende genaue Beschreibung und Abbildung der verschiedenen in 
Frage kommenden Arten wird künftighin dem mit einem Mikroskop 
versehenen Forstmanne eine sichere Bestimmung möglich machen. 
Auch ist nicht zu übersehen, dass Ent. radicans von der Kohlweisslings- 
raupe auf andere Raupen und Fliegen übertragbar ist [8, p. 27]. 

Tarichium megaspermum Üonn dürfte unter Umständen ein 
mächtiger Bundesgenosse im Kampfe gegen die den Nadelholzkulturen 
so schädlichen Ackereulenraupen werden |Il]. 

Die Pyrenomyceten haben in ihrer perithecientragenden Form 
bis jetzt noch kaum ausgebreitete Epidemien verursacht. Uns ist nur 
eine briefliche Mittheilung von Turasnet an Öberförster MıppELporPpr 
bekannt, dass Cordyceps militaris in den südfranzösischen „Landes” 
in epidemischer Art die Raupen des Pinienprocessionspinners befallen 
hat. Dagegen sind die Gonidien tragenden Formen bereits einigemale 
die Ursache gewesen, dass eine theilweise Beschränkung des Frasses 
des Kiefernspinners stattgefunden hat. Dies geht z. B. aus einem 
von Bam [3, p. 16] mitgetheilten Berichte des Öberförsters von 
Cnuanmısso, Oberförsterei Balster bei Callies im Reg.-Bez. Cöslin im 
Jahre 1869, hervor. Im höchsten Falle wurden hier im Winterlager, 
Mitte März, 33°/, durch solche Pilze getödtete Raupen gefunden, 
während allerdings die Untersuchungen von dorther eingesendeter 
Raupen durch Baır 68°/, an Isaria-, resp. Cordyceps-Mykose gestorbener 
Raupen ergab. Auch an Kiefernspannerpuppen hat ZrrLer eine Isaria- 
Infection beobachtet, wie Leserr [15, p. 441] mittheilt. Hier dürfte es 
sich um Isaria farinosa FrıEs handeln. 

Aus den gesammten vorliegenden Beobachtungen ergibt sich daher, 
dass zwar vorläufig nur Entomophthora Aulicae grössere, bereits ver- 
heerend auftretende Raupenfrasse unterdrückt hat, dass dagegen regel- 


Forstliche Bedeutung der insektentödtenden Pilze. Literatur. 181 


mässig ein grosser Procentsatz von allerhand Insektenlarven, Puppen, 
u. s. f. durch Mykosen verschiedener Art zu Grunde geht, und daher 
die auf Insekten schmarotzenden Pilze einen wesentlichen Factor für 
die Erhaltung des Gleichgewichtes im Naturhaushalte bilden. 

Sehr interessant ist ferner die von den verschiedensten Forscherr. 
gleichmässig berichtete Thatsache, dass von Schmarotzerinsekten befallene 
Raupen für eine Infection mit Schmarotzerpilzen unzugänglich sind. 


Neuere Literatur über insektentödtende Pilze. — I. Baır, 
Mittheilungen über das Vorkommen und die Entwicklung einiger Pilz- 
formen. Danzig 1867. 4. 45 Seiten. Separat-Abdruck aus dem Pro- 
gramm der Realschule I. Ordn. zu St. Johann in Danzig. Ostern 1867. 
— 2. Derselbe. Ueber Krankheiten der Insekten durch Pilze. 8 S. und 
2 Taf. 4. Aus den Verhandlungen der 35. Naturforscher- Versammlung. 
— 3. Derselbe. Ueber Pilzepizootien der forstverheerenden Raupen. 
8. 26 S. und 1 Taf. Danzig 1869. — 4. Derselbe. Pilzepidemie 
an der Forleule, Noctua piniperda L. Danckelmann’s Zeitschrift für 
Forst- und Jagdwesen. Bd. I. 1869, p. 243—247. — 3. Derselbe. 
Weitere Mittheilungen über den Frass und das Absterben der Forl- 
eule Noctua piniperda. Danckelmann’s Zeitschrift für Forst- und Jagd- 
wesen. Bd. II. 1870, p. 135—144. — 6. Dr Bary, A. Zur Kenntniss 
insektentödtender Pilze. Botanische Zeitung. a) Bd. XXV. 1867, p. 
1—7, 9—13, 17—21. Taf. I und 5b) Bd. XXVII. 1869, pag. 585—593 
und 602— 606. — 7. Boruıncer, O. Ueber die Pilzkrankheiten niederer 
und höherer Thiere. Aus: Zur Aetiologie der Infectionskrankheiten 
mit besonderer Berücksichtigung der Pilztheorie. 432 5. München 1881. 
— 8. Brererp, OÖ. Untersuchungen über die Entwicklung der Empusa 
Muscae und Empusa radicans und die durch sie verursachten Epide- 
mien der Stubenfliegen und Raupen. Abhandl. der Naturf. Gesellschaft 
zu Halle. Bd. XII. 1871, p. 1—50. Taf. I-IV. — 9. Derselbe. 
Botanische Untersuchungen über Schimmelpilze. IV. Heft. Leipzig 1881. 
Nr. 6, Entomophtora radicans, p. 97—111. Taf. VII. — IO. Buchxer, H. 
Ueber die Wirkung der Spaltpilze im lebenden Körper. Aus: Zur Aetio- 
logie der Infectionskrankbeiten u. s. f. (vergl. Nr. 7) — Il. Cons, F. 
Ueber eine neue Pilzkrankheit der Erdraupen. Beiträge zur Biologie 
der Pflanzen. Heft 1. 1870, p. 58—86. Taf. IV und V. — 12. Der- 
selbe. Untersuchungen über Bacterien. Beiträge zur Biologie der 
Pflanzen. 3. Heft. 1875, p. 111—207 und Taf. V und VI. — 13. Harrıs, R. 
Mittheilungen über Pilzkrankheiten der Insekten im Jahre 1868. 
Danckelmann’s Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen. Bd. I. 1869, p. 
476—500 mit 1 Taf. — 14. Kreme. Ueber die Faulbrut der Bienen. 
Henneberg und Drechsler’s Journal für Landwirthschaft. Bd. XXVI. 
1878, p. 407—443. — 15. Lesert. Ueber einige neue oder unvoll- 
kommen gekannte Krankheiten der Insekten, welche durch Entwicklung 
niederer Pflanzen im lebenden Körper entstehen. Zeitschrift für wissen- 
schaftliche Zoologie. Bd. IX. 1858, p. 439—453. Taf. XIV und XV. 
— 16. Derselbe. Ueber die gegenwärtig herrschende Krankheit des 


182 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


Insekts der Seide. Berliner entomologische Zeitschrift. Bd. II. 1858, 
p. 148—186. Taf. I-VI. — 17. Nowakowsey, L. Die Copulation bei 
einigen Entomophthoreen. Botanische Zeitung. Bd. XXXV,p. 216— 222. 
— 18. Derselbe. Ueber die Entomophthoreen. Botanische Zeitung. 
Bd. XL, p. 560 und 561. Referat über eine grössere, polnisch ge- 
schriebene, seither in den Abh. d. Ak. d. Wiss. zu Krakau erschienene 
Arbeit. — 19. Pryrıtscn, J. Ueber einige Pilze aus der Familie der 
Laboulbenien, Sitzungsberichte der k. Ak.d. Wiss. zu Wien. Bd. LXIV. 
1. Abth. November-Heft 1871. 18 S. 2 Taf. — 20. Preuss. Ueber 
die kleinsten mikroskopischen Pilzformen, insbesondere über den Faul- 
brutpilz. Eichstädter Bienenzeitung. Bd. XXV. 1869, p. 161—170. 
— 21. Sorms-LausacHh, Grar zu. Ueber die herbstliche Epidemie der 
Stubenfliege. Bericht über die Sitzungen d. Naturf. Gesellsch. zu Halle. 
1869. Sitzung v. 31. Juli, p. 37 und 38. — 22. Turasse, L. R. et C. 
Selecta fungorum carpologia. Paris 1861—1865. Fol. 3 Bde. mit Taf. 
— 23. Winter, G. Zwei neue Entomophthoraformen. Botanisches 
Centralblatt. 1881. Bd. V, pag. 62-64. — 24. Derselbe. Die Pilze 
Deutschlands, Oesterreichs und der Schweiz. 1. Abth. Leipzig 1884. 
Als Bd. I der zweiten Auflage von Dr. L. Rabenhorst’s Kryptogamen- 
flora herausgegeben. — 25. Zorr, W. Die Spaltpilze in Schenk’s Hand- 
buch der Botanik. III. Bd. 1. Hälfte. 1884, p. 1-98. — Ausserdem 
wurde es uns durch die Freundlichkeit des Verfassers noch möglich, 
Correeturbogen von pe Bary, Vergleichende Morphologie und Biologie 
der Pilze, Mycetozoen und Bacterien, 8. Leipzig. W. Engelmann. 
1884, zu benützen. . 


Die insektentödtenden thierischen Parasiten, welche als praktisch 
wichtig hier in Frage kommen, sind sämmtlich selbst Insekten, obgleich 
allerdings bei Forstschädlingen auch andere Parasiten gefunden werden, 
z. B. Gregarinen und Rundwürmer, letztere besonders aus den 
Gattungen Mermis, Gordius und „‚Anguillula”. [Vergl. v. Lmstow, Com- 
pendium der Helminthologie. 8. Hannover 1878, S. 291—312.] Obgleich 
auch manche Käferlarven parasitisch leben, z. B. die als Vertilger der 
forstschädlichen Fichtenquirl-Schildlaus, Coccus racemosus Rarz., be- 
kannte Larve von Brachytarsus varius FaBr., so recrutirt sich die Haupt- 
masse der wichtigen Schmarotzer doch aus den Gruppen der Hymenopteren 
und Dipteren. 

Von den Hymenopteren sind vor allen Dingen anzuführen 
die unter dem Sammelnamen „Schlupfwespen’” zusammenfassbaren 
Gruppen der Chaleididae, Proctotrypidae, Braconidae und Ichneumonidae. 
Es sind dies Thiere (Taf. I, Fig. 6, 7 und 8), welche sämmtlich als 
Larven parasitisch in oder an anderen Insekten oder deren Jugend- 
zuständen leben und sich in so reichlicher Gattungs-, Arten- und Individuen- 
zahl finden, dass sie, wie in vielen Fällen beobachtet wurde, wesentlich 


u. 


© 


Literatur über insektentödtende Pilze. Thierische Parasiten. 183 


zur Verminderung überhandnehmender Forstschädlinge beitragen, ja sogar 
öfters direet das Aufhören eines Insektenfrasses bedingen. 


Die Verbreitung der Schlupfwespen, die schlechthin auch Ich- 
neumonen genannt werden, ist eine ausserordentlich grosse. Sie werden 
von ihren beweglichen Wirthen überall hin verschleppt, wo diese 
selbst hinkommen. Eine grosse Anzahl mag allerdings auch durch 
ihre Wirthe sehr an bestimmte Oertlichkeiten gebunden sein. Am 
meisten bekannt sind jene, welche in solchen Insekten wohnen, die schon 
seit langer Zeit häufig erzogen worden sind, also die der Schmetter- 
linge; die der Käfer und Aderflügler sind schon weniger bekannt, 
noch weniger die der Halb-, Zwei- und Netzflügler. Am wenigsten 
kennt man jene, welche unter der Erde oder im Wasser lebende 
Thiere zu Wirthen haben. Einigemal ist es indessen gelungen, das 
Tauchen einer Schlupfwespe, des seiner systematischen Stellung nach 
etwas zweifelhaften Agriotypus armatus WArk.,nach Neuropterenlarven 
zu beobachten; v. SIEBOLD erzog Agriotypus aus einer Phryganea. 


Manche Ichneumonen sind sehr polyphag, so dass sie sich 
Wirthe aus allen Insektenordnungen wählen. Andere sind so monophag, 
dass sie nicht blos eine bestimmte Art als Wirth aufsuchen, sondern 
sogar einen bestimmten Zustand desselben. 


Meist haben die Ichneumonen nur eine einfache Generation, 
doch ist auch eine doppelte wohl nicht in Abrede zu stellen. Rarze- 
BurG sah Microgaster globatus Rarz. Anfangs Mai und wieder Anfangs 
August fliegen. Die Raupen zur Aufnahme zweier Bruten finden sich 
bei grossem Spinnerfrasse reichlich, warum sollten also die Maiwespen 
nicht sofort wieder in vorhandene Raupen legen? Trotz doppelter 
Generation der Wirthe können aber Ichneumonen auch nur eine ein- 
fache haben. Rarzesurg fand sogar, dass einzelne Ichneumonen der 
Blattwespen deren Ueberjährigkeit nachahmten, d. h. nieht eher sich 
entwickelten, bis die Mehrzahl der Blattwespen aus anderen, verspä- 
teten Cocons ausflog. Dagegen zeigt Pteromalus puparum L. eine ausser- 
ordentlich schnelle Entwicklung; er sticht Anfangs Juni die Puppen 
von Vanessa polychloros L. an, und Mitte Juli schwärmen schon 
die Wespchen. Teleas ovulorum L. braucht ebenfalls nur 4—6 Wochen 
Zeit zur Entwicklung, fliegt also etwas später, als die Spinner- 
räupchen ausgekommen sein würden. Microgaster solitarius, Rarz. 
befällt die Nonnenräupchen wahrscheinlich schon in den Spiegeln, 
und fliegt gleich nach Johannis. Kann nun aber T. ovulorum, wenn er 
früh, also schon Ende Juli ausfliegt, sofort eine neue Brut in ver- 
späteten Spinnereiern oder in einer verwandten Art gründen? Muss 
M.solitarius den besten Theil des Sommers sich müssig herumtreiben ? 
Wo steckt M. globatus, wenn man ihn im Winter in den Spinnerraupen 
nicht findet? Begnügt er sich mit Sommergeneration, wie der Jchneumon 
in der Hessenfliege, der bekannten Weizenverwüsterin, Cecidomyia 
destructor Say., bei welcher WaAGner nur aus der Sommer-, aber 
nicht aus der Wintergeneration Ichneumonen, sogar bis 70°/, erhielt? 


154 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


Der Entwicklungszustand des Wirthes ist zu beachten. Selten 
entwickeln sich Ichneumonen in Imagines. Es ist aber bekannt, dass 
Cocecinellen-Käfer von Braconiden angestochen werden. Im Frübjahre 
1869 fand Jupeıcn einen Braconiden, Blacus Nrrs, zu den Cli- 
dostomen gehörig, der sich in Strophosomus Coryli Fagr. entwickelt 
hatte; an der Seite des Rüsselkäfers sass das weisse Tönnchen des 
Blacus fest, aus welchem er diesen erzog; ob schon die Larve des 
Käfers angestochen worden war, oder erst dieser selbst, konnte er 
nicht ermitteln. Stems fand Ichneumonenlarven in Polygraphus pubes- 
cens. Am häufigsten wird der Wirth im Puppenzustande befallen, und 
die Ichneumonenbrut entwickelt sich, wenn es noch Sommer ist, hier 
schnell, so bei Pteromalus puparum L., sonst überwintert sie in den 
Puppen, z. B. Anomalon xanthopus Grv. in der Kieferneule, An. 
biguttatum Grv.im Kiefernspinner. Die kleinen Chaleidier, auch Ptero- 
malinen genannt, gehen wahrscheinlich meist nur an die zarten Puppen der 
Borkenkäfer und Laubholzwickler. Im Larvenzustande werden sehr viele 
Insekten befallen, namentlich häufig der Kiefernspinner. In den Eiern sind 
bis jetzt noch die wenigsten Schmarotzer nachgewiesen worden, vielleicht 
schon wegen der Schwierigkeit der Beobachtung der dahin gehörigen 
Mikrohymenopteren; am häufigsten kommt Teleas in Kiefernspinnereiern 
vor; schwer zu finden ist er bei Eulen- und Spannereiern ; merkwürdiger- 
weise ist er aus den Nonneneiern noch gar nicht bekannt. Als 
Imagines überwinternde Ichneumonen finden Schutz unter Moos, alten 
Stöcken, Rinden u. s. £. 

Der Angriff der Ichneumonen auf ihre Wirthe ist selbst bei den 
häufigsten nur sehr selten beobachtet worden. Zuerst sah RATZEBURG 
am 17. September 1864 Anomalon eircumflexum eine Kiefernspinner- 
raupe anstechen, worauf er die Lage des frisch gelegten Eies in der 
Raupe beobachten konnte [Gruxerr, Forstl. Bl., Bd. X]. Der Bohrer der 
Ichneumonen dient nur selten als Wehr, nur einige stechen empfind- 
lich, und zwar einige der grösseren Arten mit verstecktem Bohrer. 
Die meisten Arten brauchen den Bohrer, den die menschliche Hand 
nicht fühlt, nur zum Ablegen der Eier. Je tiefer die von dem Ichneumon 
aufzusuchenden Wirthe im Holze, in Gallen, Früchten ete. sitzen, desto 
länger muss der Legbohrer sein. Die von dem meist senkrecht auf- 
gesetzten oder unter dem nach unten gekrümmten Bauche hervor- 
geschobenen Bohrer gestochene Raupe oder Puppe wehrt sich durch 
Hin- und Herwerfen tüchtig; der Ichneumon wiederholt aber meist 
den Versuch, bis er seine Eier, oder auch nur eines für jeden Wirth, 
glücklich abgesetzt hat. Einige Arten verrichten den Stich blitzschnell, 
z. B. A. circumflexum L., andere brauchen Zeit, ja manche brauchen 
den Bohrer stundenlang, z. B. einige Braconiden, namentlich wenn 
er in das Holz gesteckt wird. Die Anzahl der in oder an einem 
Wirthe lebenden Larven wechselt sehr, von einer einzigen bis zu 
mehreren Hundert. Gewöhnlich geht an die bereits angestochene Larve 
oder Puppe kein zweiter Ichneumon. Ausnahmen kommen selten vor, 
man hat aber doch schon A. circumflexum L. und M. globatus Rarz. 


Insektentödtende thierische Parasiten. 185 


in einer Spinnerraupe gefunden. Bei den kleinen Ichneumonen scheinen 
überhaupt gern mehrere @ in einen Wirth zu legen; wiederholt wurde 
dies beobachtet an den Puppen des Kiefernspinners, welehe Eulophus 
xanthopus Nrrs heimsucht, ebenso an den Puppen des Fuchses mit 
Pteromalus puparum 1; wie sollten sich auch sonst 600 bis 700 Stück 
in einer Puppe entwickeln können? | 

Die meisten Schlupfwespen entwickeln sich innerhalb ihres 
Wirthes. Viele Arten der Chaleidier saugen aber nur äusserlich an 
demselben. Die innerhalb der Wirthe lebenden Ichneumonenlarven 
erleiden oft die wunderbarsten Umwandlungen ihrer Mundtbeile. Bei 
Microgaster globatus Rarz. findet man z. B. anfänglich nur die 
warzenförmigen, saugenden Mundtheile; die letzte Häutung verschafft 
den kleinen Larven ordentliche, beissende Oberkiefer, mit welchen sie 
sich durch die Haut des Wirthes herausfressen können. 

Ueber die eigentliche Nahrung der Ichneumonenlarven bestanden 
lange irrige Anschauungen. Den Fettkörper der Wirthe können sie 
mit ihren saugenden Mundtheilen entschieden nicht verzehren; nur 
ganz flüssige Stoffe dienen zu ihrer Ernährung. Wie sollten z. B. die 
auswendig saugenden Schmarotzerlarven, z. B. der zu den Chaleidiern 
gehörige Entedon Darnm., den Fettkörper erreichen? Dazu kommt 
noch, dass viele Schmarotzer von ihrem Wirthe aus dem Larvenzustand 
in den der Puppe mit fortgeführt werden, zur Verpuppung ist aber 
der Fettkörper unentbehrlich. Nur die Eier-Ichneumonen leeren die 
noch mit Flüssigkeit gefüllten, frischen Eier ganz aus. 

Eine höchst eigenthümliche Beobachtung theilte RATzEBURG zuerst 
mit [VI, Bd. III]. Die von den Säften ihres Wirthes zehrenden Ichneu- 
monen nehmen etwas von seinem Wesen an; man bemerkt öfters, 
dass zwei aus demselben Wirthe stammende Arten eine sonderbare 
„Milchbrüderschaft” zeigen. Aehnliches bestätigt Rurms [Berliner ento- 
mol. Zeitschr., Jahrg. 1860, S. 122], indem er von Microgaster glo- 
batus Nees mittheilt, dass dieser Schmarotzer aus einer und derselben 
Raupe fast immer gleiche Färbung an Flügeln und Beinen habe, aus 
einer anderen Raupe derselben Art zeigt er schon manche Verschieden- 
heiten, noch mehr der letzteren aber aus Raupen anderer Arten. 

RATzegur6 stellte die eigenthümliche Hypothese auf, dass die 
Ichneumonen vorzugsweise nur kranke Wirthe annehmen; wir können 
diese Ansicht nicht theilen. 

Schon die Wahrscheinlichkeit spricht gegen RAatzegurg. Warum 
sollen die Ichneumonen ganz besonders kranke Insekten anstechen ? 
Der Grund hierzu lässt sich nicht auffinden. Eher möchte man mit 
Tascuesgere [XVIN, S. 171] annehmen, dass eine von A. circum- 
flexum L. bewohnte Raupe besonders kräftig sein müsse, um sich zur 
Puppe verwandeln zu können. Wie sieht es mit den Ichneumonen 
aus, welche die unter der Rinde oder im Holze lebenden Larven 
bewohnen? Ein Ephialtes vermag wohl durch seine Sinnesorgane die 
Stelle am Baume zu finden, :wo im Holz die Bockkäferlarve frisst, 
und seinen Legbohrer am richtigen Platz einzubohren, soll derselbe 


186 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


aber durch eine vielleicht einen Centimeter starke Holzwand hindurch 
auch den Gesundheitszustand seines Wirthes beurtheilen können? 
Wenn man sich die Mühe gibt, Borkenkäfer, Bockkäfer, oder in Holz- 
pflanzen lebende Rüsselkäfer, z. B. Pissodes, im Zimmer zu erziehen, 
so wird man stets eine grosse Anzahl Ichneumonen mit erhalten, auch 
dann, wenn der Frass durchaus keine besondere Verbreitung hatte. 
Wer je Raupen erzogen hat, weiss, dass die Ichneumonenträger unter 
ihnen oft mit ungestörtem Appetit bis zur Verpuppung weiter fressen; 
warum sollen sie vorher krank gewesen sein? Einfache Thatsache ist, 
dass die Schmarotzer irgend eines Insektes sich mit der Vermehrung 
dieses Insektes, ihres Wirthes, selbst vermehren, dass ferner, wenig- 
stens bei Raupenfrass, Pilzkrankheiten mit der Vermehrung der Raupen 
eintreten, welche dem Frass endlich in Verbindung mit den Schma- 
rotzern ein Ende machen. So lange es nicht bewiesen ist, dass die 
Ichneumonen nur kranke Raupen anstechen, müssen wir diesen Schma- 
rotzern, gegenüber den Insektenschäden, einen grösseren Werth bei- 
legen, als es Ratzerurg that, der sie hauptsächlich als nützlich zur 
Messung des Procentsatzes der kranken Raupen betrachtete. 


Auch andere Hymenopterengruppen liefern Schmarotzer. So sind 
einzelne Gallwespen Parasiten, z. B. die grosse Ibalia cultellator Larr. 
in Holzwespenlarven; die Chrysididae oder Goldwespen sind durchweg 
als Larven parasitisch, zugleich aber forstlich unwichtig, weil sie dem 
Forstmanne gleichgiltige Hymenopteren zu Wirthen haben. 


Aus der Gruppe der Dipteren sind es besonders die Raupen- 
fliegen oder Tachinen, Tachinariae, welche hier in Betracht kommen, 
Auch ihre Thätigkeit wird nach unserer Ansicht von RATZEBURG unter- 
schätzt; unsere eigenen Erfahrungen und Beobachtungen haben uns die- 
selben als sehr wichtige Zerstörer des Insektenlebens erkennen lassen. 


Es sind 67 Gattungen mit zahlreichen Arten. Die Lebensweise 
mancher ist noch unbekannt. Von sehr vielen weiss man jedoch, dass 
sie in oder auf anderen Insektenlarven und Puppen, seltener in Ima- 
gines schmarotzen. Die Eier werden nicht in die Wirthe abgelegt, 
sondern nur an dieselben und die Larven bohren sich dann bald 
hinein. Zur Verpuppung in dem aus der eigenen Haut gebildeten 
Tönnchen bohren sie sich meist wieder heraus und lassen sich zur 
Erde fallen. Gewöhnlich werden von diesen Schmarotzern wohl die 
Eingeweide der Wirthe wirklich verzehrt, nicht blos die Säfte auf- 
gesogen, wie von den Ichneumonen. Warum RArtzesurg den Tachinen 
einen forstlich so sehr untergeordneten Werth beilegt, vermögen wir 
nicht recht einzusehen. Er spricht sogar direct aus, dass alle von 
Tachinen befallenen Wirthe schon vorher so krank seien, dass sie 
auch ohne die Schmarotzer gestorben wären. Wir können dieser An- 
sicht nicht beistimmen. Als ein sehr deutlicher Fall ihrer besonderen 
Nützlichkeit erscheint die von Nırscnz im Jahre 1883 bei Döbeln 


Insektentödtende thierische Parasiten und insektenfressende Thiere. 187 


gemachte Beobachtung, dass von den ein Leindotterfeld verwüstenden 
Raupen der auch forstschädlich auftretenden Gamma-Eule, Plusia 
gamma L., über 50°/, von Tachinen besetzt waren. Sie hatten sich 
allerdings noch verpuppt, gingen dann aber zu Grunde. Als Reprä- 
sentanten der grösseren Tachinen erwähnen wir hier die beiden auf 
Taf. I, Fig. 9 und 10 abgebildeten Formen, die sehr häufige Echi- 
nomyia fera L. und die ebenso häufige Nemoraea puparum Furr. 


Auch die verwandten Conopiden leben als Larven parasitisch 
in Insekten, so z. B. die der Gattung Conops in den Imagines der 
Hummeln. Die gewöhnlich zu den Neuropteren gerechnete Gruppe 
der Strepsiptera, welche gleichfalls in Hymenopteren schmarotzen, sei 
hier als forstlich unwichtig nur beiläufig erwähnt. 


Die insektenfressenden Thiere. Als letzte, aber sehr wichtige 
Abtheilung der insektenvertilgenden Ursachen erscheinen die eigentlichen 
Insektenfresser, also solche Thiere, welche, ohne in irgend einer 
Art von Parasitenverhältniss zu ihren Insektenopfern zu stehen, dieselben 
als Nahrung verzehren. 


Die für uns praktisch wichtigen gehören entweder zu den Glieder- 
füsslern oder zu den Wirbelthieren. Aus der Gruppe der Gliederfüssler 
kommen zunächst die spinnenartigen Thiere, Arachnoidea, in Be- 
tracht. Ihrer ist bereits auf S. 25 ausführlicher gedacht. 

Beiweitem nützlicher sind dagegen die insektenfressenden 
Insekten selbst. Wir geben eine kurze Uebersicht der wichtigeren. 


Unter den Geradflüglern gibt es einige Insektenfresser, welche 
aber, als meist nicht den Wald bewohnend, vom forstlichen Standpunkte 
aus kaum in Betracht kommen. Wir erwähnen die südliche Fang- 
heuschrecke oder Gottesanbeterin, Mantis religiosa L., unsere ge- 
wöhnlichen Grillen, Gryllus campestris L., sowie die forstlich sehr 
bekannte Maulwurfsgrille, Gryllotalpa vulgaris L. Letztere ist ein 
Thier, welches in seiner Lebensweise und wirthschaftlichen Bedeutung 
völlig dem Maulwurfe gleichsteht. Als wüthender Feind aller im Boden 
lebender niederer 'Thiere, ist sie ein mächtiger Verbündeter des gegen 
die eulturschädlichen Bodeninsekten vorgehenden Land- und Forstwirthes, 
macht sich aber bei der Verfolgung ihres Vernichtungswerkes durch Zer- 
reissung der Wurzeln ebenso wie der Maulwurf an allen denjenigen 
Stellen unmöglich, wo ein feinerer Kulturbetrieb nöthig ist; sie wird 
also trotz ihrer eigentlichen Nützlichkeit in Saatkämpen und Forstgärten 
zum typischen Schädling. Die räuberischen Libellen mögen dem Forst- 
manne manche verborgene, bis jetzt noch nicht hinreichend gewürdigte 
Dienste leisten. 


Unter den Netzflüglern sind die Larven des Ameisenlöwen, 
Myrmeleon, als lebhafte Insektenvertilger bekannt; auch die Larven der 


188 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


Florfliegen, Chrysopa, sind nützliche Blattlausvertilger und werden 
daher häufig als Blattlauslöwen bezeichnet. 

Aus der Gruppe der Käfer kommen zunächst die Cieindelidae 
und Carabidae (Taf. I, Fig. 4 u. 5) in Betracht, welche, zum grösseren 
Theil auf thierische Nahrung angewiesen, sicher auch ihr redliches 
Theil an der Beschränkung der Forstchädlinge haben. Wirklich nach- 
gewiesen ist die forstnützliche Thätigkeit der Gattung Calosoma, 
deren grösster Repräsentant, C. sycophanta L. (Taf. I, Fig. 4), besonders 
den Nadelholzschädlingen nachgeht, während der kleinere C. inquisitor L. 
mehr die den jüngeren Laubbäumchen gefährlichen Raupen vertilgt. 
Auch die Familie der Staphylinidae hat unter ihren grösseren Ver- 
tretern viele Freunde des Forstmannes, wir erwähnen Ocypus olens 
Mürr. (Taf. I, Fig. 1) und Staphylinus erythropterus L. (Taf. I. 
Fig. 2). Desgleichen sind einige Gattungen mit vorzugsweise kleinen 
Arten, wie Homalota MaAnxern, Placusa Er., Phloeopora Er. 
etc., welche in Borkenkäfergängen leben, zu erwähnen. Unter den 
Silphidae lebt Silpha quadripunctata L. als forstlich nützlicher Räuber 
auf Bäumen und Sträuchern, wo sie Raupen verzehrt und nach 
ReptenBACHER auch in Menge in den Nestern des Processionsspinners. 
Aus der Gruppe der Nitidulariae werden im Laub- und Nadelholze die 
langgestreckten flachen Arten der Gattung Rhizophagus Hesr., sowie 
Pityophagus ferrugineus L., vielleicht auch die Gattung Ips Far. als 
Borkenkäferfeinde angesehen. Forstlich nicht ohne Interesse ist unter 
den Trogositidae das fast fadenförmig langgestreckte Nemosoma elon- 
gatum L., welches als Feind der Borkenkäfer in den Gängen derselben 
lebt, desgleichen aus der Familie der Colydiidae das Colydium filiforme 
FAer. in den Gängen des Tomicus monographus Farr. Gleichfalls 
als Borkenkäferfeind wird Laemophloeus ferrugineus Srpu. aus der 
Familie der Cucujidae angesehen, den Jupercn in Menge in den 
Gängen von Tomicus micrographus Gyrr. fand. Von Larven anderer 
Insekten nährt sich sowohl Imago als Larve des Clerus formicarius L. 
aus der Familie der Cleridae (Taf. I, Fig. 3). Als Blattlausvertilger 
sind ferner noch die Larven der Coccinellidae zu erwähnen, deren 
häufigste Form Coccinella septempunctata L. ist. 

Auch die Gruppe der Hymenopteren enthält viele Insekten- 
fresser. Zunächst sind die Ameisen als sehr wichtige Thiere zu 
erwähnen. Sie leben nämlich, mit alleiniger Ausnahme der wenigen 
in ihren Haufen als Mitbewohner geduldeten Insekten, mit allen 
Thieren im ewigen Kriege und suchen selbst grössere durch ihre 
scharfen Kiefer und ihren Aetzsaft, den sie weit von sich spritzen, zu 
verwunden, womöglich zu tödten. Es gelingt ihnen, grosse Raupen 
auf diese Weise zu vernichten, und im Walde wird es Jedem vor- 
gekommen sein, dass er einen Trupp Ameisen um eine todte oder 
halbtodte Raupe beschäftigt sah. Es ist zwar nicht wahr, dass sie, 
wie man erzählt, die Bäume ganz von Raupen säubern; ausgemacht 
ist aber, dass in einem von Formica rufa reich besetzten Walde, und 
namentlich auf den Bäumen, an deren Fusse ein Ameisenhaufen steht, 


Insektenfressende Insekten und Wirbelthiere. 189 


die Raupen sparsamer sind, als in ameisenarmen Orten. KoLtAr 
beobachtete, dass im Mai, besonders nach Regen, von einem mit Raupen 
des Frostspanners bedeckten Obstbaume eine Ameise nach der anderen 
mit einer Raupe im Munde herabeilte. Nicht minder wichtig sind 
viele Weg- und Grabwespen aus der Gruppe der Pompiliformia 
und Crabroniformia, welche als Futter für ihre Larven eine grosse 
Menge von Insektenlarven und Imagines verbrauchen, und auch die 
eigentlichen Faltenwespen, Vespariae, füttern ihre Larven mit 
Raupen, die geselligen, Brutpflege übenden mit vorher gekauten. 


Weniger Bedeutung haben die raubenden Zweiflügler aus der 
Gruppe der Asilidae. Dagegen sind die Larven der Schwebfliegen, 
Syrphidae, als Blattlausvertilger bekannt. 


Auch die Schnabelkerfe liefern eine Anzahl Insektenvertilger; 
viele Landwanzen aus derGruppe der Geocores saugen andere Insekten aus. 


Noch viel kräftiger wirken aber die insektenfressenden Wirbel- 
thiere. Am wenigsten dürften hier die Fische in Betracht kommen, 
obgleich viele derselben, z. B. die Forellen, auf das Wasser fallende 
Insekten mit Vorliebe als Nahrung aufsuchen. Viele Amphibien ver- 
zehren gleichfalls Insekten, im Magen der Frösche hat man sogar 
Kiefernspinnerraupen gefunden, und von den Reptilien soll die gemeine 
Eidechse, Lacerta agilis L., im Frühjahr an den Bäumen herumklettern 
und da, wo Nonnenspiegel sitzen, diese zerstören. 

Eine ganz hervorragende Rolle spielen dagegen die insekten- 
fressenden Vögel. 


Als erster forstlich nützlicher Vogel ist der allbekannte Kukuk, 
Cuculus canorus L., zu nennen, der beste Raupenvertilger, der auch 
behaarte so massenhaft verzehrt, dass seine Magenwand von den ein- 
gestochenen Raupenhaaren wie mit Pelz bekleidet erscheint. Aurum 
fand bei der Section eines von ihm geschossenen Kukuks in Schlund, 
Speiseröhre und Magen 97 etwa zum Drittel erwachsene Eichen- 
processionsspinner-Raupen. Der Kukuk vermag sich in Raupenorten in 
Menge zu sammeln, weil ihn das Brutgeschäft, welches er anderen 
Vögeln überlässt, nicht an bestimmte Orte fesselt, und kann daher 
einen beginnenden Raupenfrass im Keime ersticken. Daher unbedingte 
Schonung dem Kukuk. 


Unter den spechtartigen Vögeln ist der als nützlich bekannte 
Wendehals, Jynx torquilla L., welcher am liebsten Ameisen und 
deren Puppen verzehrt, forstlich ohne nennenswerthe Bedeutung. Die 
Gattung Specht, Picus, hat man als Verzehrer aller möglichen Xylo- 
phagen wohl mehr gelobt, als sie es verdient. Von dem Schaden, 
den die Spechte bringen, sprechen wir später im Anhange, ihr Nutzen 
besteht in der Vertilgung von Insekten; leider sind es aber mit 
wenigen Ausnahmen, z. B. Cossus und Verwandte, in der Hauptsache 
forstlich gleichgiltige, und zwar nur grössere Bockkäfer-Larven, z. B. 


190 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


Rhagium u. s. w., welche sie aufsuchen und verzehren; gegen das ganze 
Heer der Borkenkäfer und der Rüsselkäfer bedeutet die Arbeit der 
Spechte sehr wenig. Allerdings verzehren sie gelegentlich diese kleinen 
Thiere, besonders werden von ihnen die Birken nach Scolytus Ratze- 
burgii Jans. häufig stark durchsucht; aber sie tödten doch stets nur eine 
geringe Anzahl dieser Bastfresser, wie alle Beobachtungen lehren. Wir 
haben z. B. Pissodes Piceae Irr. noch in Masse aus Tannen gezogen, 
welche die Spuren einer gründlichen Untersuchung durch Spechte, 
wahrscheinlich durch den grossen Buntspecht, P. major L., deutlich 
erkennen liessen. Möglicherweise wäre der kleine Buntspecht, 
P. minor L., der nützlichste, da er in seiner Lebensweise den Meisen 
und Baumläufern ähnelt, sein Nutzen kann aber seiner Seltenheit wegen 
nur unbedeutend sein. Der Grünspecht, P. viridis L., ist als bedeu- 
tender Ameisenvertilger eine der am wenigsten nützlichen Arten. 
Nicht von besonderer Wichtigkeit, allein jedenfalls forstnützlich ist | 
der Ziegenmelker, die gemeine Nachtschwalbe, Caprimulgus euro- 
paeus L.; sie tritt zwar ziemlich häufig, immer aber nur einzeln auf. 
Eine bedeutende Anzahl sehr nützlicher Vögel liefern verschiedene 
Familien der Singvögel: Unter der zahlreichen Familie der Finken 
finden sich Arten, welche forstlich ohne Bedeutung sind, andere 
werden uns als Körnerfresser oft recht unangenehm, z. B. der Kreuz- 
schnabel, Loxia, wenn sie auch nebenbei Insekten fressen, namentlich 
ihre Jungen damit füttern, wie Fringilla coelebs L., der Buchfink. 
Fraglicher Natur sind die Sperlinge, Fringilla domestica L. und 
montana L. Beide Sperlinge sind keine Waldbewohner, namentlich 
nicht der Haussperling, forstlich daher kaum von Bedeutung; immerhin 
verdient jedoch der Sperling wegen seiner Insektennahrung als nützlicher 
Vogel Erwähnung, da man sich in Gärten und ÖObstanlagen gegen 
seinen Schaden schützen kann, wie besonders RArTzEgurG hervorhebt. 
Aurum lobt ihn weniger, und ist allerdings sein Schaden am Getreide, 
namentlich der des Feldsperlings, nicht unerheblich. Wir möchten den 
Sperling unter den nützlichen Vögeln nicht missen, mit Gewandtheit 
fängt er viele grössere Insekten im Flug und ist ein vortrefflicher 
Maikäfervertilger. Unter den Bachstelzen ist die weisse, Motacilla 
alba L., erwähnenswerth; ist sie auch keine eigentliche Waldbewohnerin, 
so vertilgt sie doch auf den Schlägen und an den Waldrändern eine 
Menge von schädlichen Insekten, sie sucht emsig die Meterstösse ab, 
namentlich im warmen Sonnenschein, wenn Borkenkäfer u. s. w. gern 
fliegen. Nicht ohne Nutzen sind die Lerehen, forstlich namentlich 
die Heidelerche, Alauda arborea L.; kommt sie auch nie in grossen 
Gesellschaften vor, so nimmt sie doch vorzugsweise Insektennahrung 
und hilft dadurch wenigstens etwas. Entschiedene Insektenfresser sind 
unsere Sänger, die Laubvögel und Grasmücken, Sylvia, namentlich 
der kleine Weidenlaubvogel, S. rufa Larm., der allen Wickler- 
und Spannerraupen bis in die Gipfel der Eichen und Kiefern so emsig 
nachstellt, wie wohl keiner seiner Verwandten. Forstlich besonders 
wichtig sind beide Goldhähnch en, Regulus cristatus Koch und 


Iusektenfressende Vögel. 191 


ignicapillus Bru.; vorzugsweise Nadelholzbewohner, erstere Art mehr 


‚im Kiefern-, letztere im ‘Fichtenwalde, suchen sie bis in die äussersten 


Spitzen der Bäume kleine Räupchen, Eier, Blattläuse und andere Wald- 
feinde. Weniger von forstlicher Bedeutung sind die Nachtigallen, 
Lusciola philomela Bcusr. und luscinia L., sowie das Rothkehlchen, 
L. rubecula L., ebenso die beiden, den Wald nicht bewohnenden 
Rothschwänzcehen, Ruticilla phoenicurus L. und tithys Scor. Die 
Drosseln, von denen sechs Arten in Deutschland heimisch sind, 
nützen durch das Verzehren grosser Massen von den unter der Laub- 
und Moosdecke des Waldes ruhenden Insekten, z. B. der Spanner- 
und Eulenpuppen, beiläufig gesagt wohl auch durch Verbreitung 
beerentragender Bäume und Sträucher, da sie die unverdaulichen 
Theile der Beerennahrung als Gewölle durch den Schnabel wieder 
auswerfen, z. B. die Samen von Eberesche, Hollunder, Faulbaum, 
Hartriegel, Kreuzdorn, Traubenkirsche u. s. w. Namentlich nützlich 
wirken die Singdrossel oder Zippe, Turdus musicus L., die Roth- 
drossel, T.iliacus L., und die Schwarzdrossel oder Amsel, 
T. merula L. Forstlich fast ohne Bedeutung, wenn auch sonst nützliche 
Insektenfresser, sind die in Deutschland heimischen drei Schwalben- 
arten, Gattung Hirundo, da keine derselben den Wald bewohnt. 
Vorzugsweise Waldbewohner sind dagegen die Fliegenfänger, Gattung 
Museicapa, nisten jedoch auch in Gärten; sie leben von Insekten, welche 
sie im Fluge erbeuten, weshalb sie denn auch mehr nützliche oder 
indifferente verzehren, als schädliche. Als Vertilger schädlicher Insekten, 
namentlich auch behaarter Raupen, z. B. vom Kiefernspinner und 
Rothschwanz, ist der Pirol, Oriolus galbula L., ein besonders forst- 
nützlicher Vogel, wenn er auch als Kirschendieb dem Obstzüchter manch- 
mal unangenehm wird. Die Familie der Würger, in Deutschland 
durch vier Arten, Lanius excubitor L., minor L., rufus Brıss. und 
collurio L., vertreten, gehört zwar zu den Vertilgern schädlicher 
Insekten, welche von diesen Vögeln an Dornen aufgespiesst werden, wiegt 
aber diesen Nutzen wohl oft durch Plünderung der Nester kleinerer 
Vögel wieder auf. Der muntere Zaunkönig, Troglodytes parvulus 
Koc#, verzehrt wohl manches Insekt, nährt sich aber vorzugsweise 
von Spinnen und ist daher weniger nützlich. Auch die Spechtmeise, 
Sitta europaea L., nimmt im Sommer viele Insekten. Von besonderer 
Wichtigkeit für den Forstwirth wie für den Obstzüchter ist der Baum- 
läufer, Certbia familiaris L., da er das ganze Jahr hindurch, nicht 
blos im Sommer wie die Sylvien, fleissig die feinsten und tiefsten 
Ritzen aller Arten Bäume nach Eiern, Larven und Puppen von 
Insekten absucht; er wird dadurch wirklich zu einem sehr beachtens- 
werthen Wohlthäter. Dasselbe gilt von der Familie der Meisen. In 
Deutschland kommen acht Arten vor: Kohlmeise, Parus major L., 
Tannenmeise, P.ater L., Haubenmeise, P.cristatus L., Sumpf- 
meise, P. palustris L., Blaumeise, P.coeruleus L., Schwanz- 
meise,P. caudatus L., Bartmeise, P. barbatus Brıss., Beutelmeise, 
P. pendulinus L., letztere allerdings nur selten. Die Meisen sind 


19 


D) Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 
offenbar bezüglich der Insekten die nützlichsten Vögel im Walde. 
Aurum widmet daher mit Recht dem forstlichen Werthe dieser nütz- 
lichen Thiere eine ganz besondere Abhandlung. Verschiedene Momente 
begründen ihre hervorragende Nützlichkeit für Wald- und Obstbau. Die 
Meisen sind immer in grosser Anzahl im Walde vorhanden, ihre grosse 
Fruchtbarkeit ergänzt stets reichlich die Lücken, welche ein ungünstiger 
Winter in ihre Reihen gebracht hat, sie brüten zweimal, und besteht 
die erste Brut gewöhnlich aus 12 bis 14 Eiern. Besonders wichtig ist 
es, dass sie nicht fortziehen, sondern im Sommer und Winter ihre nütz- 
liche Arbeit verrichten, während die Sylvien und andere Insekten- 
fresser nach wärmeren Ländern wandern. Ihre geringe Grösse, dabei 
ihre ausserordentliche Geschicklichkeit im Klettern gestatten ihnen, 
auch die kleinsten Aestehen nach Eiern, Puppen und Larven abzusuchen; 
was sie an dem einen Tage nicht finden, das verzehren sie an dem 
anderen, denn in grösseren und kleineren Gesellschaften bejagen sie 
regelmässig wiederkehrend ihre Reviere. Die verschiedenen Arten sind 
auf gewisse Holzgruppen und Höhen besonders angewiesen; vorzüglich 
Laubholzbewohner sind die in den tiefen Regionen der Bäume suchende 
Sumpfmeise, die sie häufig begleitende Kohlmeise, welche indessen 
bis in die mittlere Höhe der Zweige steigt, ebenso die im dichten 
Gebüsch am liebsten herumschlüpfende Schwanzmeise, ferner die in 
den Gipfeln der Bäume kletternde Blaumeise, welcher dort im Sommer 
die Sylvia rufa Lart. Gesellschaft leistet; das Nadelholz ziehen vor die 
Tannen- und die Haubenmeise; erstere lebt mehr in den Gipfeln 
der Fichten, letztere mehr in Kiefern. | 

. Zu erwähnen ist auch der gesellig lebende, wohlbekannte Staar, 
Sturnus vulgaris L. Er verzehrt Maikäfer, Rüsselkäfer, Larven aller 
Art, Schnecken u. s. w. und ist dem Landwirth nützlicher als dem 
Forstwirth, weil er sich im Innern des Waldes nicht lange aufhält, 
wenn er auch, durch Nistkästen oder hohle Bäume angelockt, daselbst 
brütet. 

Aus der Familie der Raben, Corvidae, kommt der Kolkrabe, 
Corvus Corax L., weil wesentlich von grösseren Wirbelthieren lebend, 
als natürliches Gegengewicht gegen die übergrosse Vermehrung von 
forstschädlichen Insekten kaum in Betracht. Besser benehmen sich die 
Raben- und Nebelkrähe, Corvus corone L. und cornix L.; beide 
sind wohl nur verschieden gefärbte Racen derselben Art. Der Jagd, den 
kleinen Vögeln sind sie unzweifelhaft verderblich, ebenso bringen sie 
manchen Schaden an Feld- und Gartenfrüchten, dagegen verzehren sie 
allerdings eine grosse Masse schädlicher Insekten, namentlich auf dem 
frisch gepflügten Acker, auch den Mäusen stellen sie nach; sie sind 
dem Landwirth nützlicher als dem Forstwirth. Die Saatkrähe, C. fru- 
gilegus L., ist am meisten nützlich unter den Raben, denn sie verzehrt 
massenhaft Insekten, Würmer, auch Mäuse, wodurch sie wohl den 
Schaden aufwiegt, den sie durch Zerstörung der Nester kleinerer Vögel 
sowie des Federwildes und durch das Verzehren von Getreide u. 5. w. 
bringt. Die Elster, C. pica L., eine wichtige Vertilgerin der Raupen, 


ee 


Insektenfressende Vögel und Säuger. 193 


auch der behaarten, und anderer schädlicher Insekten, sowie der Mäuse, 
schadet sehr den Bruten aller Arten kleiner Vögel, verdient daher kaum 
forstlichen Schutz. Die Dohle, C. monedula L., verzehrt lieber Feld- 
und Gartenfrüchte, als Insekten und Mäuse, ist daher im Allgemeinen 
schädlicher, als man gewöhnlich annimmt; wo sie Gebäude bewohnt, 
was bekanntlich in grossen Städten häufig der Fall ist, schadet sie 
durch Abbröckeln und Verzehren des Kalkes nicht unwesentlich; im 
Walde, namentlich in Feldhölzern, wo sie in hohlen Bäumen nistet, 
ist sie als Insektenfeind mehr nützlich als schädlich. Der häufige 
Eichelheher, Garrulus glandarius L., der zwar ebenfalls durch Ver- 
tilgung schädlicher Insekten, namentlich auch behaarter Raupen, z. B. 
von Kiefernspinner und Nonne, manchen Nutzen stiftet, schadet dagegen 
nicht blos durch seine Näschereien auf Saatbeeten und durch das Ver- 
zehren der Eicheln und Bucheln auf den Bäumen, sondern, was noch 
schlimmer ist, durch seine ausgesprochene Vorliebe für Eier und Junge 
der meisten unserer, den Wald bewohnenden nützlichen Singvögel; der 
sogenannte Nutzen, den er durch das Stecken mancher Eichel bringt, 
ist heutzutage ohne Bedeutung. Er verdient keine Schonung. 

Von den Raubvögeln könnte man als regelmässige Insekten- 
verzehrer höchstens den Wespenbussard, Pernis apivorus L., und 
den Thurmfalken, Falco tinnunculus L., anführen. Auch die Eulen 
verzehren öfters Maikäfer und Kiefernspinner. 

Die Hühnervögel nehmen vorzugsweise vegetabilische Nahrung, 
aber auch Insekten. Der Fasan, Phasianus colchicus L., ist nach 
wiederholten, namentlich aus Böhmen bekannt gewordenen Beobach- 
tungen ein sehr beachtenswerther Vertilger der Raupen des Kiefern- 
spinners. 

Die Wasser- und Sumpfvögel, wenngleich auch zum Theil 
Insektenvertilger, meiden Wald- und Forst im Allgemeinen so sehr, 
dass sie, mit Ausnahme der Engerlinge vertilgenden Lachmöve, Larus 
ridibundus L., an dieser Stelle keine Erwähnung verdienen. 


Die Säugethiere wirken auch kräftig mit, um die allzugrosse Ueber- 
handnahme der Insekten zu verhüten. 


Die Ordnung der Handflatterer, Chiroptera, stellt ein zahl- 
reiches insektenvertilgendes Heer, die Fledermäuse. Die achtzehn 
deutschen Arten dieser Familie gleichen sich darin, dass sie nur von 
Insekten leben; da sie während der ganzen Nacht, oft schon vor 
Sonnenuntergang jagen und nur wenige Pausen der Ruhe widmen, so 
gehören sie zu den nützlichsten Thieren. Die verschiedenen Arten 
haben bestimmte Jagdgebiete, die einen bejagen die Hofräume, andere 
die Wasserspiegel, andere Waldungen, Gebüsche u. s. w. und ‚somit 
sind die Waldfledermäuse im engeren wie im weiteren Sinne des 
Forstmannes beste Freunde und Gehilfen” (XVI, I, S. 18). Die 
forstlich wichtigste Art ist die den eigentlichen Wald bewohnend« 
frühfliegende Fledermaus, Vesperugo noctula SCHREB., sie ist 
unsere grösste, mit 34 cm Flügelspannung, und unersättlich bei der Ver- 


Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde. 13 


194 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


tilgung der Maikäfer und grösserer wie kleinerer Nachtschmetterlinge, 
z. B. der Processionsspinner, Eichenwickler u. s. f. Dieser Art stehen an 
Bedeutung nahe: die zweifarbige Fledermaus, V. discolor Narr.; 
die Zwergfledermaus, V. pipistrellus Schreg., kleinste Art mit nur 
16°5cm Flügelspannung, welche Wohnungen, Gärten und Waldränder 
umschwirrt, den grösseren, dichten Wald meidet und im Frühling zuerst 
am Platz ist, endlich die spätfliegende Fledermaus, YV. serotinus 
SCHREB., eine grosse Art mit 31'’5cm Flügelspannung, zwar nicht 
Waldbewohnerin, allein die Waldränder eifrig bejagend. Die rauh- 
armige Fledermaus Vesperugo Leisleri Kunr, ist ein Charakterthier 
des dichten Hochwaldes. Unter den Vespertilio-Arten ist die Riesen- 
fledermaus, V. murinus ScHrep., zu erwähnen, deren kolossaler 
Verbrauch an Insekten durch Jäcker [vergl. XVI, 2. Aufl., I, p. 46] 
genauer constatirt wurde, und auch die Ohrenfledermaus, Plecotus 
auritus L., ist bei ihrer grossen Häufigkeit beachtenswerth. 

Aus der Ordnung der Insektenfresser, Insectivora, sind zu 
nennen die Spitzmäuse. Nützlich sind alle, mit Ausnahme der Fisch- 
laich verzehrenden Wasserspitzmaus, Crossopus fodiens PALr., forst- 
lich wichtig ist aber nur die Waldspitzmaus, Sorex vulgaris L., da 
sie als Waldbewohnerin Raupen und Puppen aller Art verzehrt. Die 
kleine, nur 7cm lange Zwergspitzmaus, S. pygmaeus PaArr., lebt 
und wirkt ähnlich wie vorige im Walde, ist aber nicht häufig genug, 
um ihr an Bedeutung gleichzukommen. Werthvoll ist der Maulwurf, 
Talpa europaea L. Er frisst durchaus keine Pflanzen, was man oft genug 
in der Gefangenschaft an demselben beobachtet hat. Wenn man Gewächse 
oberhalb seiner Gänge trocknen sieht, so rührt das nicht vom Frasse, 
sondern vom Wühlen her. Seine Vertilgung lässt sich daher auch nur 
in Oertlichkeiten, wo die Vegetation durch die Menge der Gänge und 
Haufen leidet, oder wo er Dämme und ähnliche Anlagen durchwühlt, 
rechtfertigen. Im Walde kommt das so leicht nicht vor. Hier ist der 
Maulwurf vielmehr nützlich durch Vertilgung schädlicher Thiere, 
namentlich der Engerlinge und Werren, überhaupt der in der Erde 
lebenden oder ruhenden Insekten und Würmer. 

Auch Mitglieder der Ordnung der Raubthiere, Carnivora, nehmen 
Insektennahrung zu sich. Am bekanntesten ist dieses dem Waidmanne 
von dem Fuchs, Canis vulpes L. Die unverdauten Reste grösserer Käfer, 
meist jedoch unschädlicher, finden sich häufig in seiner Losung; inter- 
essant ist die Notitz aus Lieberose in der Lausitz, dass in den dortigen 
Kiefernwaldungen gelegentlich des Spinnerfrasses die Losung des Fuchses 
voll von Eiern der Schmetterlinge gefunden wurde, welche er verzehrt 
hatte [Waexer i. Thar. Jahrb. 23. Bd.]; dasselbe berichtet ALrum aus 
Neustadt-Eberswalde. Das gleiche gilt vomDachs, Meles Taxus L., dessen 
Excremente nach Aurum stets eine Menge Käferfragmente, besonders der 
grossen Geotrypes-Formen enthalten. Auch diemarderartigen Thiere 
dürften gelegentlich Insekten verzehren, wie dieses gleichfalls von vielen 
Nagern, Rodentia, constatirt ist, unter denen wir nur aus eigener Er- 
fahrung den Gartenschläfer, Myoxus quereinus L., erwähnen wollen. 


Insektenfressende Säuger. Vorbeugungsmassregeln gegen Insektenschäden. 195 


Als das wichtigste Gegengewicht gegen die in der Erde über- 
winternden Insekten ist schliesslich ein Thier aus der Ordnung der 
Paarzeher, Artiodactyla, zu nennen: Es ist das sonst so schädliche 
Wildschwein, Sus scrofa L. Drei der wichtigsten Forstinsekten, 
Engerling, Kiefernspanner und Eule, können eigentlich nur durch das 
Schwarzwild mit Erfolg vertilgt werden; es verzehrt auch die halb- 
wüchsig überwinternden Raupen des Kiefernspinners, jedenfalls werden 
sie durch das Brechen der Sauen wesentlich gestört, herausgewühlt, ver- 
schüttet und zertreten. WaAcxer berichtet aus Lieberose |Thar. Jahrb. 
23. B.], dass die Wildschweine fleissig die Schmetterlinge des Spinners 
verzehrten; es wurden Sauen beobachtet, die sogar mit den Vorderläufen 
sich an den Bäumen aufrichteten, um die Schmetterlinge abzusuchen, 


Die wirthschaftlichen Vorbeugungsmassregeln gegen, das 
Auftreten von Insektenschäden. 


Die soeben angeführten natürlichen Gegengewichte genügen in- 
dessen nicht zur Verhütung des Auftretens von Insektenschäden. In 
rationell bewirthschafteten Forsten wird überdies nicht selten das ur- 
sprüngliche Gleichgewicht des Naturhaushaltes nothgedrungen gestört, 
z. B. durch Vernichtung des Schwarzwildes, so dass dort also eine Reihe 
dieser natürlichen Gegengewichte gegen die Forstschädlinge überhaupt 
nicht mehr besteht. Die Auffassung der Insektenschäden seitens der 
Forstwelt ist nun zu verschiedenen Zeiten eine sehr verschiedene ge- 
wesen. So schreibt z. B. W. G. Moser im Jahre 1757 in seinen da- 
mals hochberühmten „Grundsätzen der Forstökonomie” [II. Bd., 2. Cap., 
S 31, 8. 569]: 

„Raupen und Käfer thun auch öfters grosen Schaden, und zwar 
eigentlich denen Laubhölzern, besonders den Eichen. Sie gehören zu 
denen allgemeinen Land-Strafen, und ist noch zur Zeit kein Mittel da- 
gegen bekant; dann das Ablesen, so leicht solches an sich wäre, würde 
Kosten und Umstände erfordern, welche den verhoffenden Nutzen 
weit überstiegen.”’ 

Aber bereits zu Ende des vorigen Jahrhunderts war diese, uns 
heute geradezu unverständliche, Auffassung verlassen, und schon lange 
hat sich die Ueberzeugung Bahn gebrochen, der Forstmann müsse durch 
eigene Thätigkeit die Insektenschäden zu vermindern suchen, und 
zwar zunächst durch Vorbeugungsmassregeln. Dieselben haben sich 
zu beziehen auf: 1. Bestandsgründung, 2. Bestandspflege, 3. Ernte, 
4. Forsteinrichtung, 5. Standortspflege, 6. Beobachtung des Insekten- 
lebens, 7. Schonung und Hegung nützlicher Thiere. 

13* 


196 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


Massregeln der Bestandsgründung. Kümmerliche, kränkelnde 
Pflanzen werden nicht blos besonders gern von Insekten befallen, sondern 
vermögen auch Beschädigungen nicht so leicht auszuheilen, als gesunde 
und kräftige. Unverkennbar zeigen dies z. B. die durch den braunen 
Rüsselkäfer und durch Engerlinge hervorgerufenen, empfindlichen Schäden. 
Man hat deshalb stets für die gegebenen Standortsverhältnisse passende 
Holzarten und geeignete Methoden der Bestandsgründung zu wählen. 
Man befolge mit einem Worte die durch Erfahrung bewährten Grund- 
sätze des Waldbaues. Sind hier auch meist noch andere Rücksichten 
massgebend, als die Verminderung von Insektengefahren, so dürfen doch 
letztere nicht ausser Acht gelassen werden. 


Dort, wo der Standort absolut nur für eine anbauwürdige Holz- 
art geeignet ist, z. B. manche Sandböden nur für die Kiefer, manche 
Lagen der Gebirge nur für die Fichte, bleibe man bei diesen Holzarten 
und versuche nicht, die Erziehung gemischter Bestände zu erzwingen, 
so gross deren Vortheile in manch anderer Beziehung auch sein möchten. 
Dort, wo der Standort dagegen verschiedenen anbauwürdigen Holzarten 
entspricht, empfiehlt sich die Begründung gemischter Bestände. Ist auch 
die Monophagie der meisten forstschädlichen Insekten nicht eine so 
ausgesprochene, als früher vielfach angenommen wurde, so ist sie doch 
fast immer bis zu einem gewissen Grade vorhanden. Der Kiefern- 
spinner wird z. B. niemals Laubhölzer beschädigen, und gäbe es keine 
reinen Kiefernbestände, sondern nur solche, die mit Eichen und Buchen 
oder auch nur mit Fichten gemengt wären, so würde ein wirklich 
verheerender Spinnerfrass unmöglich sein. Ebenso sind Verheerungen 
ganzer Waldgebiete durch Borkenkäfer nur in reinen oder fast 
reinen Nadelholzforsten möglich. Selbst gegen entschieden polyphage 
Insekten, wie z. B. die Nonne, vermag eine zweckmässige Bestands- 
mischung schützend zu wirken, da sich die verschiedenen Holzarten 
bezüglich ihrer Fähigkeit, erlittene Beschädigungen zu überstehen, ver- 
schieden verhalten; die Fichte wird sehr leicht todtgefressen, während 
die Kiefern und noch besser die Laubhölzer den Schaden überstehen. 

Die Wahl der Verjüngungsmethode hat sich nach dem Be- 
dürfniss der Holzart und nach den Standsortverhältnissen zu richten, 
und zunächst mit Rücksicht hierauf wird sich der Forstmann für natür- 
liche oder künstliche, Vor- oder Nachverjüngung entscheiden. Aber 
auch die Rücksicht auf Insektengefahren, namentlich auf solche für 
die jungen Nachwüchse, kann hierbei eine wesentliche Rolle spielen. 
Engerlingschaden würde durch Anwendung der natürlichen Verjüngung, 
durch den Plenterschlagbetrieb, auf ein sehr geringes Mass zurück- 
geführt werden können. Ebenso würde der Rüsselkäfertrass in Nadelholz- 
jugenden durch erfolgreiche Anwendung dieser Betriebsart, wenn auch 
nicht beseitigt, so doch durch den Pflanzenreichthum wirthschaftlich 
fast unschädlich gemacht. Meist zwingen uns aber andere forstwirth- 


Vorbeugung durch Massregeln der Bestandsgründung und Bestandspflege. 197 


schaftliche Gründe zum künstlichen Anbau, und zwar zur Nachver- 
jJüngung, zu greifen. Dann haben wir zunächst zu entscheiden, ob 
Saat oder Pflanzung zu wählen sei. Fast alle Insektenschäden werden 
in Saaten, deren richtige Pflege vorausgesetzt, weniger empfindlich, 
weil ihr Pflanzenreichthum den Verlust einer grossen Anzahl von 
Pflanzen ohne Nachtheil gestattet, während in einer Pflanzung jede 
einzelne Pflanze Werth hat, und zwar um so mehr, je weiter der 
Pflanzverband ist. hüsselkäferschaden empfindet man z. B. in gut 
gelungenen Fichtensaaten so wenig, dass in früheren Zeiten der Irr- 
thum vielfach verbreitet war, der Rüsselkäfer schade den Saatfichten 
überhaupt nicht. Wählt man, was ja in neuerer Zeit meist geschieht, 
die Pflanzung, so sorge man für kräftige, nicht zu eng erzogene 
Pflanzen, welche jeder Beschädigung leichter widerstehen. Eine ver- 
schulte, kräftige Fichtenpflanze vermag dieselbe Rindenbeschädigung 
durch den KRüsselkäfer oder dieselbe Wurzelbeschädigung durch 
Engerlinge auszuheilen, an welcher eine kümmerliche Pflanze zu 
Grunde geht. Die Wahl der Pflanzmethode wird nicht allein von den auf- 
wendbaren Kosten und der Rücksicht auf gutes, schnelles Anwachsen 
der Pflänzlinge abhängen, sondern auch von der grösseren oder geringeren 
Sicherheit, welche sie gegen das Auftreten von Insektenschäden bietet. 
In einer Maikäfergegend ist z. B. ausgedehnte Bodenlockerung, oder 
die Herstellung von Kulturerde auf den Schlägen nicht selten von 
grossen Nachtheilen begleitet, weil man dadurch den Käfern Brut- 
stätten zur Eierablage bereitet. Man vermeide bei den Pflanzungen 
zu weitläufigen Verband; wenn 60 bis 100 Pflanzen auf dem Hektar 
stehen, können ziemlich viele in Wegfall kommen, ehe eine kost- 
spielige Ausbesserung nöthig wird. Aus demselben Grunde können, 
namentlich gegen hüsselkäferfrass, auch Büschelpflanzungen, mit etwa 
drei Pflanzen in einem Pflanzloch, unter gewissen Verhältnissen em- 
pfohlen werden, obgleich im Allgemeinen die Anwendung recht kräftiger 
Einzelpflanzen den Vorzug verdient. Unter allen Umständen halte man 
auf sorgfältige Ausführung aller Kulturen. 


Massregeln der Bestandspflege. Dieselben Gründe, welche uns 
zwingen, für die Kulturen möglichst kräftiges Pflanzenmaterial zu ver- 
wenden, zwingen uns auch, durch Pflege und Erziehung des jugend- 
lichen und älteren Bestandes die Bäume möglichst kräftig und gesund zu 
erhalten. Es geschieht dies durch Schaffung oder Erhaltung von Bestands- 
schutzholz in jungen, von Bodenschutzholz in alten Beständen, durch 
Ausschneiden zu dichten Jungwuchses, durch Läuterungshiebe und Durch- 
forstungen, sowie durch Reinhalten des ganzen Waldes von kranken oder 
todten Hölzern, welche gefährlichen Insekten als Brutstätten dienen 
können. Auch die Herstellung von Gräben, um das Einwandern schäd- 
licher Käfer oder Raupen in einen zu schützenden Bestand zu verhindern, 
kann als vorbeugende Massregel der Bestandspflege betrachtet werden. 


198 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


Uebrigens ist es nicht blos im Garten, sondern auch im Walde 
möglich, einzelne besonders werthvolle Bäume durch directe Schutz- 
vorrichtungen vor Insektenschäden zu bewahren. 


In der Jugend kann es sich hierbei z. B. handeln um Erhaltung 
eines sich von Natur einfindenden oder durch künstliche Kultur ge- 
schaffenen Bestandsschutzholzesvon Kiefern und Birken in Fichtenkulturen. 
Mancherlei Insekten scheinen durch Frost beschädigte Orte mit Vorliebe 
heimzusuchen, wenigstens tritt in solchen ihr Frass empfindlicher auf, 
als in anderen frostfreien Kulturen, so z. B. der von Grapholitha pacto- 
lana Zur., Coccus racemosus Rarz., Chermes Abietis L, u. a. m. Die 
Erhaltung eines Bestandsschutzholzes wirkt in dieser Beziehung sehr 
wohlthätig. Das zur Standortspflege in lichten Althölzern dienende 
Bodenschutzholz ist gleichzeitig auch direet wichtig für die Bestands- 
pflege gegen Insektenschäden; so wurde z. B. von Jupeıch Anfangs 
der Sechziger-Jahre auf der Herrschaft Brandeis in Böhmen beob- 
achtet, dass bei einem ziemlich ausgedehnten Frass des Kiefern- 
spinners die mit dichtem Eichenunterwuchs bestockten alten Kiefern- 
bestände weit weniger litten, als die reinen Bestände. Eine bestimmte 
Erklärung dieser Thatsache ist schwer zu geben, die Vermuthung 
spricht aber dafür, dass die Raupen beim Verlassen des Winterlagers 
durch den Unterwuchs. verhindert werden, die alten Kiefern eben 
so schnell und sicher zu finden und zu besteigen, wie in Beständen 
ohne Unterwuchs; viele Raupen können dabei wohl zu Grunde gehen, 
ehe sie Nahrung finden. Zu pflanzenreiche Büschelpflanzungen bewirken 
oft kümmerlichen Wuchs, ähnlich wie zu dicht aufgegangene Saaten. 
Frühzeitiges Ausschneiden derselben kräftigt die bestandbildenden Indi- 
viduen, macht sie widerstandsfähiger gegen Insektenschäden. Im späteren 
Bestandsleben ist ein rationeller Läuterungs- und Durchforstungsbetrieb, 
welcher die den künftigen Hauptbestand benachtheiligenden Vorwüchse, 
die vielleicht eine Zeit lang als Bestandsschutzholz dienten, z. B. 
Kiefern- und Weichhölzer in Fichtenkulturen, ebenso die unterdrückten 
und kränkelnden Stämme zu rechter Zeit entfernt, von ganz wesent- 
licher Bedeutung. Die kränkelnden Bäume werden oft Ursache einer 
bedenklichen Vermehrung von Borkenkäfern, Rüsselkäfern, z. B. Pissodes, 
und Bockkäfern. Die Beseitigung der ersten Brutstätten schützt den 
ganzen Wald, deshalb ist dieser stets möglichst rein zu halten. In diesem 
Sinne wird auch eine Massregel der Ernte, nämlich die schnelle Auf- 
bereitung und Entfernung von Wind- und Schneebruchhölzern, gleich- 
zeitig zu einer Massregel der Bestandspflege. 

Als Beispiele der Pflege einzelner Bäume verdienen Erwähnung: 
Gegen Hylesinus micans Kuc., der Anstrich werthvoller, einzelner 
Nadelholzstämme an dem unteren Stammtheil mit einem sowohl 
mechanisch schützenden, als auch den Insekten schädliche Stoffe ent- 
haltenden Brei; ferner Anstrich der Astwunden aller Holzarten mit 
Theer, um das Eindringen von Anobien und anderen verwandten 
Holzfressern, ebenso das von Pilzsporen zu verhüten. 


Vorbeugung durch Massregeln der Bestandspflege und Ernte. 199 


Massregeln der Ernte. Die soeben erwähnten Durchforstungen 
sind wenigstens in älteren Beständen gleichzeitig Massregeln der Pflege 
und der Ernte. Bei jeder Ernte ist darauf zu halten, dass die geernteten 
Forstproducte weder durch Insekten technisch geschädigt werden, noch 
auch an sich selbst oder in ihren im Walde ungenützt zurückbleibenden 
Theilen, z. B. Stöcken, Reisig ete., Brutstätten für Forstschädlinge bilden. 


In ersterer Beziehung ist zu erinnern an den Nutzholzborken- 
käfer, Tomicus lineatus Er.; Fällung zur Saftzeit und Entrinden 
der Stämme ist wohl das einzige bekannte Hilfsmittel gegen ihn. Gegen 
Schädigung werthvoller Eichenklötze durch Lymexylon ist wohl der 
baldige Transport dieses Holzes auf geeignete Lagerplätze das sicherste 
Vorbeugungsmittel. Die geernteten Forstproducte selbst werden nicht 
selten dann zu Brutstätten schädlicher Insekten, wenn sie zu lange 
im Walde liegen bleiben, namentlich nicht entrindete Nadelhölzer. Man 
sorge daher, soweit diese nicht als Fangbäume verwendet werden sollen, 
für rechtzeitige Entrindung oder für baldigen Transport der noch nicht 
befallenen Hölzer aus dem Walde, wenn man nicht fortwährend der 
Gefahr von Borkenkäferfrass ausgesetzt sein will, und zwar gilt dies 
nicht blos für die in regelmässigen Schlägen und durchforstungsweise 
gefällten Hölzer, sondern fast in noch höherem Grade auch für alle 
Schnee- und Windbrüche. Selbstverständlich nützt die baldige Ent- 
fernung bereits befallener Hölzer aus dem Walde allein nichts, da die 
sich entwickelnde Brut von nahegelegenen Lagerplätzen in denselben 
Wald zurückkehren oder andere benachbarte Wälder infieiren kann. 
Wenigstens dort, wo Gefahr der Infecetion durch Borkenkäfer droht, 
ist das stärkere Reisig ebenfalls zu entfernen; ist es nicht absetzbar, 
so wird es am besten im Walde verbrannt. Sehr nachtheilige Folgen 
kann ferner das Belassen der Stöcke, namentlich hoher Stöcke, im 
Walde bringen. Sie dienen immer verschiedenen Borken- und Rüssel- 
käfern, Hylesinen und Bockkäfern, Holzwespen, also einer sehr 
grossen Schaar technisch und physiologisch schädlicher Insekten 
als Brutstätten. Da wo man bei gänzlich mangelndem Absatz oder 
unter Terrainverhältnissen, welehe Stockrodung nicht gestatten, z. B. 
an sehr steilen Hängen, allein der Insekten wegen die Stöcke nicht 
roden kann, ist wenigstens für möglichst tiefen Abschnitt der 
Stämme zu sorgen. In solchen Einzelfällen, in denen, wie z. B. bei 
Sturmverheerungen, die Arbeit nicht so gut ausgeführt werden kann, 
wie man zu wünschen und bei regelmässigem Betriebe zu fordern 
hat, wo also ausnahmsweise ungewöhnlich hohe Stöcke im Walde 
belassen werden müssen, empfiehlt sich wenigstens Entrinden der- 
selben bis auf die Wurzeln. Verschenken des dadurch zu gewinnen- 
den Materiales an arme Leute erleichtert mitunter eine solche 
Massregel. Achnliches kann ja auch in sehr schwierigem Terrain 
vorkommen, welches den Tiefabschnitt zu gefährlich für die 
Arbeiter macht. 


200 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


Massregeln der Forsteinrichtung. Namentlich in Nadelholzwaldungen 
ist das Zusammenlegen grosser Flächen gleicher Altersklassen unbedingt 
zu vermeiden. Dies Ziel erreicht man einzig und allein durch eine 
rationelle Forsteinrichtung, das heisst durch die Bildung vieler kleiner 
Hiebszüge. Treten auch in grossen Waldungen der Durchführung einer 
solchen Massregel oft bedeutende Schwierigkeiten entgegen, weil wir aus 
der Vergangenheit meist eine ungünstige Vertheilung der Altersklassen 
übernommen haben, so soll man doch das zu erstrebende Ziel bei allen 
Hiebsbestimmungen im Auge behalten. Viele Hiebszüge gewähren viele 
Anhiebe, und nur diese ermöglichen einen derartigen Wechsel mit den 
Schlägen, dass man niemals an demselben Orte eher weiter zu schlagen 
braucht, bis der zuletzt angebaute Schlag wirklich in Bestand gebracht, 
das heisst, den ersten Gefahren entwachsen ist. Abgesehen von mancherlei 
anderen Gründen, ist dies gerade vom Standpunkte der Vorbeugung gegen 
Insektenschäden von grösster Wichtigkeit. 


Beispielsweise sei Folgendes erwähnt: In den ausgedehnten 
Kiefernwaldungen der Sandebenen hat man beobachtet, dass mit dem 
Ueberhandnehmen der Kahlschlagwirthschaft der Maikäferschaden in 
erschreckender Weise zugenommen hat. Nicht zu leugnen ist, dass der 
Kahlschlagbetrieb die Vermehrung der Maikäfer begünstigt, weil er 
grosse freie Schwärmflächen schafft, welche von den Käfern zur Ab- 
lage der Eier gern aufgesucht werden. Mehr aber, als diese Betriebs- 
art an sich, schadet in dieser Beziehung eine veraltete Forsteinrichtung 
mit viel zu grossen Hiebszügen und wenig Anhiebsräumen. Der Wirth- 
schafter sieht sich dadurch gezwungen, fast jährlich oder wenigstens 
alle zwei oder höchstens drei Jahre Schlag für Schlag an einander zu 
reihen, dadurch aber die Schwärmflächen in ganz widersinniger Weise 
zu vergrössern. Häufig wechselnde, schmale Schläge können das Uebel 
zwar nicht beseitigen, aber ganz wesentlich vermindern. 

Der Rüsselkäfer, Hylobius Abietis L., schadet in Kiefern- und 
Fichtenpflanzungen bekanntlich am meisten, wenn angrenzend an die 
junge Pflanzung schon im nächsten Jahre wieder ein neuer Schlag geführt 
wird. Aus diesem wandern die Käfer massenhaft zur Kulturfläche. Sind 
aber die Pflanzen bereits durch mehrjähriges Wachsthum hinreiehend 
erstarkt, so werden sie durch den Käfer wohl auch beschädigt, aber 
nicht so leicht getödtet. Also auch hier ist Wechsel der Schläge geboten. 

Jeder Raupenfrass wird am gefährlichsten in gleichalterigen, grossen 
zusammenhängenden Beständen. Denken wir beispielsweise an den 
Kiefernspinner, Bombyx Pini L.; häufiger Wechsel zwischen jungem 
und altem Holze erleichtert jede Begegnung, Sammeln sowie Theeren. 
Die Gefahr ist hier also viel leichter zu bekämpfen, als in hundert 
und noch mehr Hektar grossen, zusammenhängenden Althölzern. Beginnt 
in letzteren der Frass auch zuerst meist nesterweise, so lässt er sich 
doch viel schwerer einschränken. 


j 


Vorbeugung durch Massregeln der Forsteinrichtung und Standortspflege. 201 


Die verschiedenen Borkenkäfer, denen wir mit Hilfe von Fang- 
bäumen entgegenarbeiten, sind in kleineren Beständen weit leichter 
zu bekämpfen, als in grossen, einmal weil in letzteren leicht die ersten, 
kleinen, nesterweisen Anfänge eines Frasses wenigstens theilweise 
unbemerkt bleiben, dann aber weil ganz gewiss das Fällen von Fang- 
bäumen am gründlichsten hilft, wenn diese in die Nähe der Brutstätten 
zu liegen kommen. Muss trotz aller Vorsichtsmassregeln einmal ein 
Bestand zum Opfer fallen, so ist es doch gewiss viel besser, dieses 
Opfer ist durch die Forsteinrichtung auf einen kleinen Raum beschränkt, 
als wenn man gezwungen ist, sehr grosse Strecken abzutreiben. 
Eigentliche Borkenkäferverheerungen haben bisher stets nur in solchen 
Waldgebieten stattgefunden, wo in unabsehbarem Zusammenhange nahezu 
gleichalterige Hölzer standen. 


Standortspflege. Wiederholt wurde hervorgehoben, dass kräftige, 
gesunde Bäume weniger von Insektenfrass zu leiden haben, als kränkelnde, 
kümmerliche. Erstens werden letztere wenigstens von einigen Insekten 
mit Vorliebe aufgesucht, zweitens vermögen sie weniger Widerstand 
zu leisten. Aus diesem Grunde ist eine rationelle Standortspflege auch 
vom Gesichtspunkte des Forstschutzes gegen Insekten geboten. 

Das verderbliche Streurechen ist unbedingt zu unterlassen, da es 
allmälig jeden Boden erschöpft, am schnellsten den flachgründigen. Ferner 
hat man dafür zu sorgen, dass der Boden weder nach Führung der Kahl- 
schläge, noch in räumdigen Althölzern zu lange ohne Beschattung bleibe, 
da er sonst verangert, oder sich mit Unkräutern überzieht, welche ein 
kräftiges Wachsthum des nachzuziehenden jungen Bestandes verhindern. 


Es ist gewiss nur ein scheinbarer Vortheil, wenn man z. B. durch 
Streurechen in von Raupen befallenen Kiefernbeständen Raupen des 
Spinners, Puppen der Eule und des Spanners allerdings massenhaft 
entfernt. Augenblicklich kann eine solche Massregel wohl Hilfe bringen, 
ihre Fortsetzung ist aber unmöglich, weil die Abschwächung der 
Bodenkraft endlich zu nachtheilig auf die jetzigen und noch mehr auf 
die nachzuziehenden, künftigen Bestände einwirkt. Wenn man, be- 
fangen im Vorurtheil, durchaus natürliche Verjüngung erzwingen will, 
trotzdem die erste Besamung, vielleicht durch Frost oder andere Er- 
eignisse, zu Grunde ging und Samenjahre nicht bald wiederkehren, 
wenn man deshalb die lichtgehauenen Althölzer jahrzehntelang räumden- 
artig stehen lässt, so verangert, verunkrautet der Boden; die Althölzer 
werden nicht selten brandig und im Nadelwalde deshalb umso leichter zu 
Borkenkäferwiegen, weil sie ausserdem noch oft vom Sturm gelockert, 
also an den Wurzeln beschädigt sind; der endlich doch durch künstliche 
Kultur nachzuziehende junge Bestand wird auf dem physikalisch so 
herabgebrachten Boden kümmern und von Rüsselkäfern sowie Hylesinen 
wiederholt empfindliche Schäden erleiden. Will man durch lichte Stellung 
den Althölzern Lichtungszuwachs verschaffen, um’ besonders starke 


202 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


Sortimente zu erziehen, oder können aus mancherlei wirthschaftlichen 
Gründen durch die Natur sehr licht gestellte Bestände nicht bald 
zum Hiebe kommen, so sorge man für ein Bodenschutzholz; vorzugs- 
weise gilt dies für alte Eichen- oder Kiefernbestände. Ein Boden- 
schutzholz, bestehend z. B. aus Hainbuchen, Rothbuchen, unter Kiefern 
sogar aus Eichen, kann mitunter auch als vorbeugende Massregel der 
Bestandspflege wirken (vergl. S. 197 u. 198). 


Sorgfältige Beobachtung des Insektenlebens im Walde. Fort- 
dauernd ist der Wald bezüglich des Insektenlebens sachverständig zu 
beobachten. Ausserdem müssen namentlich dann, wenn Gefahren drohen, 
wiederholte sorgfältigere Visitationen des Waldes lediglich zum Zwecke 
des Schutzes gegen Insekten, ganz besonders aber im Frühjahre statt- 
finden. Unterstützt werden diese Untersuchungen eventuell durch Probe- 
sammeln von Raupen und Puppen, sowie durch Fällung und Beobachtung 
von Probefangbäumen in gewissen, den localen klimatischen Verhältnissen 
entsprechenden Zeitabschnitten. 

Jedes Uebel ist leichter zu bekämpfen, wenn es noch klein ist, als 
wenn es bereits überhand genommen hat. Ganz vorzüglich gilt dies von 
dem Insektenfrasse. Das Erstaunen über plötzlich auftretende Massen von 
Raupen, von Borkenkäfern u. s. w. erklärt sich mitunter einfach dadurch, 
dass man die ersten kleinen Anfänge nicht bemerkte oder nicht beachtete 
(vergl. S. 157). Ist deshalb fort und fort der ganze Wald aufmerksam 
zu beobachten, so ist dies namentlich nöthig an Oertlichkeiten, welche 
besonders zum Insektenfrasse disponirt sind, also z. B. auf armen, trockenen 
Böden, in heissen Lagen, in Frostlagen und dergleichen mehr (vergl. 
S. 159). Ganz besonders nöthig ist dies auch zu den Zeiten, wenn 
Schnee und Duft oder Sturm dem Walde Wunden geschlagen haben. Der 
Wipfel beraubte Fichten werden z. B. nicht selten Brutstätten für Borken- 
käfer oder für den leicht zu übersehenden Stangenrüsselkäfer, Pissodes 
hercyniae Hssr. Meist beginnt ein grösserer Insektenfrass nesterweise 
und verbreitet sich von kleineren oder grösseren Herden aus allmälig 
weiter. Bemerkt man diese alle rechtzeitig, so kann oft eine grosse 
Gefahr ohne Schwierigkeit beseitigt werden. Muss eine genaue Kenntniss 
aller Symptome eines drohenden Frasses, z. B. Bohrmehl und Harzerguss 
an den Stämmen, Raupenkoth, abgebissene Nadeln, befressene Blätter, 
dünne Benadelung der Kronen u. dgl. m., sowie die Fähigkeit zu 
Sehen von jedem gebildeten Forstwirth verlangt werden, so können 
sie doch nicht beim Hilfs- und Schutzpersonal vorausgesetzt werden. 
Dieses ist daher genau praktisch zu unterweisen. Ebenso kann dasselbe 
in besonderen Fällen mit einzelnen geschiekten Waldarbeitern geschehen. 


mu. 


Beobachtung des Insektenlebens und Schutz nützlicher Thiere. 203 


Letztere erlangen in der Regel sehr bald einen sie nur selten täuschenden, 
praktischen Blick selbst für schwierige Beobachtungsobjeecte. 


Dies war z. B. Anfangs der Siebziger-Jahre der Fall auf dem 
erzgebirgischen Olbernhauer Revier. Forstmeister ScmaaL hatte einige 
Arbeiter zum Auffinden der von Pissodes hercyniae befallenen Fichten- 
stangen so gut eingerichtet, dass der Frass, welcher benachbarte Privat- 
reviere schwer schädigte, auf dem seinigen mit Erfolg bekämpft wer- 
den konnte, 


Schonung, Hegung und Aussetzung nützlicher Thiere ist schliess- 
lich ein Mittel, und zwar ein nicht genug zu empfehlendes, um Insekten- 
verheerungen vorzubeugen. Die unter diesen Gesichtspunkt fallenden 
Massregeln haben sich zu erstrecken: 1. auf Verhinderung der Vertilgung 
insektenfressender Säuger, Vögel und Insekten; 2. auf die Erhaltung und 
Schaffung günstiger Lebensbedingungen für die ebengenannten Verbünde- 
ten des Forstmannes; 3. auf die Importirung solcher Verbündeten aus 
reichlicher mit ihnen versehenen Gegenden. 


Eine direette Sehonung nützlicher Säuger kommt eigentlich 
nur in selteneren Fällen zur Anwendung. Wenn der Forstmann darauf 
sieht, dass in gefällten hohlen Bäumen vorgefundene Fledermäuse nicht 
muthwillig von den Waldarbeitern getödtet, die betreffenden, denselben 
Schutz gewährenden Bäume im Winter vielmehr unzerstückt bis zum 
Frühjahr liegen gelassen werden, dass der Maulwurf nicht unnöthig weg- 
gefangen und der Fuchs nicht übermässig decimirt werde, so hat er 
seine Pflicht völlig erfüllt. Wie wichtig die Schonung der Fledermäuse 
ist, geht aus der Mittheilung Lerster’s hervor |V, Bd. II, S. 32]: 
„dass die Processionsraupen in solchen Gegenden bei Hanau grossen 
Schaden gethan hätten, wo einige Jahre vorher mehrere Tausend alter 
Eichen gefällt wurden, und zwar zur Zeit des Winterschlafes der Fleder- 
mäuse, wodurch diese zu Grunde gingen”. Wir dürfen aber nicht ver- 
gessen, dass viele als Insektenvertilger nützliche Säuger oft aus anderen 
sehr beachtenswerthen Gründen verfolgt werden müssen. Trotz seiner 
Feindschaft gegen die Engerlinge wird man in Saatkämpen den Maul- 
wurf ebenso wenig dulden können als die Werre, und das so wesentlich 
bei der Vertilgung der in der Bodendecke überwinternden Schädlinge 
mitwirkende Schwarzwild wird in einem feinbewirthschafteten Forste 
seiner übrigen forstschädlichen Eigenschaften halber dennoch nicht 
geschont werden können, ganz abgesehen davon, dass schon die Rück- 
sicht auf die angrenzenden Felder dies häufig verbietet. 

Viel wirksamer kann der Forstmann vorgehen bei der Schonung 
der nützlichen Vögel, schon darum, weil die Gesetzgebung der 
meisten Länder ihn in dieser Hinsicht unterstützt (vergl. S. 237). Sorg- 
fältige Bekämpfung des besonders in manchen Gebirgswaldungen noch 
häufig gesetzwidrig betriebenen Vogelstellerunwesens, Verhinderung der 
Tödtung von Thurmfalke, Kukuk und Ziegenmelker durch schiess- 


204 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


eifrige Lehrlinge u. A. m. empfiehlt sich in hohem Grade. Vom rein 
forstlichen Standpunkte aus ist auch die Einstellung des Dohnenstriches 
freudig zu begrüssen, 

Eine directe Schonung der nützlichen Insekten ist nur 
in seltenen Fällen möglich. Indessen kann der Forstverwalter doch 
darauf sehen, dass die in die Raupengräben gerathenen grösseren 
Laufkäfer, im Nadelwalde besonders Calosoma sycophanta L., nicht 
zugleich mit den Raupen vertilgt werden; ferner kann er besonders 
durch ein strenges Verbot des Sammelns von „Ameiseneiern” innerhalb 
seines Revieres nützlich wirken. Eine Schonung der forstlich so 
ungemein nützlichen Schlupfwespen ist praktisch wohl nur dann 
ausführbar, wenn, was jetzt selten sein dürfte, Sammeln der Raupen 
im Winterlager als Bekämpfung des Kiefernspinners angewendet wird. 
Mit dieser Massregel hätte man dann aufzuhören, wenn die Unter- 
suchung der gesammelten Raupen (vergl. S. 223) einen hohen Procent- 
satz von Schmarotzer-besetzten Individuen nachweist. Die heutzutage 
mehr beliebte Vertilgung durch Klebringe ist auch insofern eine 
rationellere, als viele der in den klebengebliebenen Raupen vorhan- 
denen Schmarotzer nicht zu Grunde gehen, sondern zur Entwicklung 
kommen |[X, S. 14, Anmerk.]. 

Eine besondere Hegung nützlicher Insekten ist dagegen 
überhaupt nicht möglich, wohl aber ist diese bei nützlichen Säugern 
und vornehmlich bei insektenfressenden Vögeln durchführbar und 
geboten. Hierbei handelt es sich vorzugsweise um die Erhaltung 
oder Herstellung passender Schlupfwinkel und Brutstätten 
für diese T'hiere. Hohle oder mit Spechtlöchern versehene Bäume sind 
also, soweit dies mit anderen forstlichen Rücksichten vereinbar ist, zu 
erhalten und der auch als Bodenschutzholz wichtige Unterwuchs, die 
willkommenste Niststätte für viele kleine Vögel, ist in den Beständen 
zu begünstigen. Anbringung von Schlaf- und Nistkästen kann die Ver- 
mehrung von Meisen und Staaren ungemein fördern; wenn letztere 
auch dem Landwirthe nützlicher sind als dem Forstwirthe, weil sie 
sich im Walde, auch wenn sie dort, durch passende Brutplätze an- 
gelockt, nisten, nicht lange aufhalten, so thun immerhin Staarkasten in 
der Nachbarschaft von Kulturflächen und Pflanzgärten ibre guten Dienste, 
Am meisten empfehlen sich wohl die nach Gloger’scher Vorschrift her- 
gestellten Nistkästen aus Holz. Dieselben sind in verschiedenen passen- 
den Grössen auszuwählen und vor dem stets nach Osten oder Süden zu 
richtenden Flugloche mit Sitzstangen zu versehen. Eine nur einen 
kleinen Einschlupf in die untere Abtheilung freilassende Querscheide- 
wand schützt die Insassen gegen das Hineingreifen von Katzen, Mardern 
u. s. f. Staarkästen können in grösserer Menge an einem höheren 
Baume angebracht sein, Meisenkästen sind dunkler und versteckter, 
am besten in Nadelholzkronen zu hängen, Rothsch wänzehen- und Fliegen- 
schnapperkästchen gehören mehr in offene Lagen [|XXI, S. 171 bis 174]. 
Natürlich hat der Forstschutzbeamte besonders darauf zu sehen, 
dass diese Nistkästen, ebenso wie die natürlichen Niststätten, vor 


ER 


Schonung, Hegung und Aussetzung nützlicher Thiere. 205 


Plünderungen bewahrt bleiben und besonders die Staarkästen nicht 
als Bezugsquelle von jungen Bratstaaren dienen. Auch unbefugten 
Eiersammlern ist das Handwerk zu legen. 

Darbietung von ‚geeigneter Nahrung kann ebenfalls zu 
einer Hegungsmassregel werden. Da viele Insektenfresser im Herbste 
Beerennahrung zu sich nehmen, wird die Anpflanzung beerentragender 
Unterhölzer und Bäume, besonders Ebereschen, ein Anziehungsmittel 
für viele nützliche Vögel sein. Anlage von Futterstätten im Winter 
auch ausserhalb des Waldes, z. B. in Gärten, hat einen sehr günsti- 
gen Einfluss auf die Erhaltung der im Winter schaarenweise streichen- 
den Meisen besonders dann, wenn Duft- und Eisanhang den kleinen, 
immer hungrigen Thieren das Finden ihrer natürlichen Nahrung un- 
möglich macht. Hanfsamen, Kürbis- und Sonnenrosenkerne sind be- 
sonders bevorzugte Meisenfutter, und an Bindfäden aufgehangene 
Speckschwarten werden von diesen Vögelchen mit Begierde angenommen. 
Sie lassen sich bei strengen Wintern wohl auch im Walde anbringen. 

Auch auf die Vertilgung der Feinde der insektenfressen- 
den Vögel ist besondere Rücksicht zu nehmen. Marder, Katzen 
und Eichhörnchen sind auch von diesem Gesichtspunkte aus zu be- 
kämpfen, desgleichen Sperber und Lerchenfalke, Eichelhäher und 
alle Würgerarten, die beiden letzteren, sowie das Eichhörnchen 
namentlich als Nestplünderer. 

Aussetzung nützlicher Thiere ist bis jetzt im Interesse 
des Forstschutzes nur wenig angewendet worden. Bei den insekten- 
fressenden Vögeln erreicht man meist schon mit Hegungsmassregeln, 
besonders wenn dieselben auf weiteren Gebieten gleichmässig durch- 
geführt werden und der Landwirth sich an denselben betheiligt, den 
gewünschten Zweck. Versuche mit Uebertragung von Maulwürfen auf 
von Engerlingen bedrohte Kulturflächen sind nach Rarzesure |X, 
S. 21 und 22 und Anmerk.] in Posen im Jahre 1868 gemacht worden 
und scheinen nicht ganz unwirksam gewesen zu sein. Die Uebertragung 
hat aber ihre grossen Schwierigkeiten, da jeder Maulwurf einzeln in 
einem grösseren Gefässe mit Erde gehalten werden muss, und so 
furchtbar gefrässig ist, dass es reichlichster Fütterung mit Regenwürmern 
oder Engerlingen bedarf, um ihn auch nur 24 Stunden am Leben zu 
erhalten. 

Dagegen kann man die gegen Raupenplagen so sehr nützlichen 
Ameisen, besonders Formica rufa, von einem Orte zum andern über- 
tragen. Hat auch Rarzesure selbst [XV, II. Bd., S. 429] wenig 
günstige Erfahrungen damit gemacht, so gelang es doch 1870 im 
pommer’schen Revier Pütt dem Öberförster MıppeLporpr, die Ameisen- 
haufen durch künstliche Ableger, welche ohne jede Vorbereitung auf 
dem blossen Boden ausgeschüttet wurden, zu vermehren. Allerdings 
siedelten sich die Ameisen nie an der Stelle an, wo sie hingeschüttet 
wurden, legten aber doch in der Nähe einen neuen Haufen an. 
[Mipvernorrr, die „Vertilgung der Kiefernraupe durch Theerringe”, 
Berlin 1872, S. 35 und 34.] 


206 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


Auch der häufig gemachte Vorschlag, durch Uebertragung Ich- 
neumonen-besetzter Raupen diese Schlupfwespen in einen Bestand, in 
welchem die Raupen noch gesund sind, zu verpflanzen, muss hier kurz 
erwähnt werden. Im allgemeinen scheinen diese Versuche nicht von 
grossem Erfolge‘ begleitet gewesen zu sein, da die Kosten für die 
Anlegung der hierbei nothwendigen, gegen das Entfliehen der Raupen 
schützenden Zwinger zu bedeutend sind. Rarzesurg selbst. bleibt 
sich in seinen Anschauungen über diese Massregel nicht gleich [vergl]. 
xl, S. 12, 140 und 148], auch dürfte sie durch die Anwendung 
der Klebringe (vergl. S. 204) überflüssig werden. 


Die Bekämpfung von forstschädlichen Insekten durch 
Vertilgungsmittel. 


Die Erfahrung lehrt, dass in vielen Fällen nun aber weder die 
natürlichen beschränkenden Einflüsse, noch auch die wirthschaftlichen 
Vorbeugungsmassregeln hinreichen, um in unseren Forsten das Eintreten 
grösserer Insektenverheerungen zu verhindern. Der Forstmann hat als- 
dann zur Bekämpfung der vorhandenen Insekten zu schreiten, und 
zwar durch Vernichtung, da blosse Entfernung derselben ohne gleich- 
zeitige Tödtung eine halbe Massregel wäre, welche zwar für den Augen- 
blick die bedrohten Bestände schützen, dagegen die Fortpflanzung der 
Schädlinge und die Weiterverbreitung des Schadens nicht verhindern 
könnte. Es zerfällt also die Aufgabe des Forstmannes in zwei Theile, in 
die Beschützung der angegriffenen Pflanzen durch Säuberung derselben 
von ihren Feinden, und in die Verhinderung der Fortpflanzung der 
Schädlinge. Da erstere, wie wir eben sagten, stets mit Vernichtung der 
Sehädlinge verbunden sein soll, so schliesst sie die zweite bereits ein, 
dagegen wird in vielen Fällen die directe Säuberung der bereits ange- 
griffenen Bäume oder Bestände überhaupt nicht möglich sein und die 
Thätigkeit des Forstmannes sich lediglich auf die Verhinderung der 
Wiederkehr der Schädigung im nächsten Jahre zu beschränken haben. 


Beispiele von Vertilgungsmassregeln, durch welche direct die an- 
gegriffenen Pflanzen von ihren Feinden befreit werden, sind das Sammeln 
der Maikäfer in von ihnen befallenen Laubholzbeständen, das Zer- 
quetschen der Larven der kleinen Kiefernblattwespe, Lophyrus Pini L., 
an den mit ihnen besetzten Zweigen jüngerer Kiefern, sowie das 
Theeren älterer Kiefernbestände, durch welches die Kiefernraupen, 
welche im vorhergehenden Sommer und Herbtse gefressen haben, 
im Frühjahr an dem Wiederaufbäumen verhindert werden. 

Dagegen ist z. B. eine direete Vernichtung der einen Baum 
schädigenden Borkenkäferlarven ohne gleichzeitige Tödtung des an- 


Die Vertileung forstschädlicher Insekten im Allgemeinen. 207 


gegriffenen Baumes nicht möglich, die Vernichtung derselben kann 
also nur den Zweck haben, ihre Ausbildung zu fortpflanzungsfähigen 
Imagines zu verhindern, Auch gegen den Frass der Kieferneulenraupen 
wird man direet nur wenig then können und sich auf die Tödtung 
der im Boden ihre Winterruhe abhaltenden Puppen beschränken müssen, 
eine Massregel, bei welcher also der Schädling erst nach angerichtetem 
Schaden vernichtet und lediglich die Verhütung einer Wiederkehr 
des letzteren bewirkt werden kann. 


Allgemeine Gesichtspunkte. Vom rein theoretischen Standpunkte 
aus betrachtet, können Vertilgungsmassregeln eingeleitet werden gegen alle 
vier Hauptlebensstadien eines Schädlings, gegen Ei, Larve, Puppe und 
Imago; desgleichen können sie vorgenommen werden in jeder Jahreszeit. 
Gegen welches Stadium im bestimmten Einzelfalle vorzugehen ist, und zu 
welchem Zeitpunkte, hängt vor allen Dingen von der Lebensweise des be- 
treffenden Schädlings ab. In zweiter Linie wird man darauf zu sehen haben, 
dass die Vertilgungsmassregeln in eine Zeit gelegt werden, in welcher die 
nöthigen Arbeitskräfte am leichtesten verfügbar sind. Eine völlige 
Vertrautheit mit der Lebensweise des Schädlings ist also die wesentliche 
Vorbedingung eines günstigen Erfolges, und eine solche zu vermitteln, 
ist die Aufgabe des zweiten, speciellen Abschnittes dieses Buches. Im 
allgemeinen wird man gegen das Stadium und zu dem Zeitpunkte zu 
operiren haben, in welchem der Schädling am leichtesten zugänglich 
ist, in welchem es ferner thunlich ist, viele Individuen auf einmal 
zu vernichten. Es wird sich alsdann bei sonst gleichen Umständen 
empfehlen, stets gegen das am längsten dauernde Stadium vor- 
zugehen, weil dieses die grösste zeitliche Ausdehnung der Bekämpfungs- 
massregeln gestattet. Ferner ist es besonders angezeigt, die Schädlinge 
hinwegzuräumen, ehe sie zur Fortpflanzung schreiten können. 


Beispiele von Vertilgungsmassregeln, welche sich gegen das Ei- 
stadium richten, sind das Sammeln und Vernichten der Eierringe des 
Ringelspinners, der Eierschwämme des Schwammspinners und vor allen 
Dingen der Eierhäufchen der Nonne. In wie grossartigem Massstabe 
letzteres häufig betrieben worden ist, geht z. B. daraus hervor, dass 
bei dem grossen ostpreussischen Nonnenfrasse auf dem Revier Rothe- 
bude vom 8. August 1853 bis zum 8. Mai 1854 150 Kilogramm, d.h. 
eirca 150 Millionen Eier gesammelt wurden. 

Im Larvenzustande werden sehr viele forstschädliche Schmetter- 
linge bekämpft, z. B. der Kiefernspinner, mag man nun das allerdings 
in neuerer Zeit mit Recht immer mehr in Abnahme kommende Sammeln 
der Raupen im Winterlager oder das Abfangen der bäumenden Raupen 
auf Tiheerringen zur Anwendung bringen. Auch die Bekämpfung der 
Borkenkäfer durch Fangbäume sollte namentlich eine Larven vertilgung 


208 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


sein, da ein vorsichtiger Forstmann mit dem Schälen der Fangbäume 
nicht bis zur Verpuppung warten wird. Vertilgungsmassregeln, die 
speciell gegen die Puppe gerichtet sind, werden meist nur angewendet 
bei solchen Schmetterlingen, welche in diesem Stadium überwintern, 
z. B. bei Kieferneule und Kiefernspanner. 

Bekannte Beispiele von Vertilgung schädlicher Imagines sind das 
Sammeln des Maikäfers, des grossen braunen Rüsselkäfers und der zum 
Zwecke des Forstschutzes zuerst von Aurum in Vorschlag gebrachte 
Fang der Falter der Kiefernsaateule an sogenannten Aepfelschnüren 
(siehe S. 216). Auch das Abkratzen und Sammeln der Fichtenquirl- 
schildlaus, Coccus racemosus Rarz., gehört hierher. 

Wie es möglich ist, durch richtige Wahl des Zeitpunktes der 
Vertilgung viele Individuen auf einmal zu tödten, dafür liefert die 
Nonne einen guten Beleg. Das Vernichten der Raupen ist bei diesem 
Thiere mit Erfolg nur möglich in der Zeit, in welcher die aus den ein- 
zelnen Eierhaufen geschlüpften, späterhin sich zerstreuenden Räupchen 
noch familienweise in den sogenannten Spiegeln (Taf. IV, Fig. 1L#) 
zusammensitzen. Desgleichen wird die Vertilgung der allerdings den 
ÖObstzüchter mehr als den Forstmann schädigenden Raupen des Gold- 
afters, Liparis chrysorrhoea L., am leichtesten im Winter besorgt, wenn 
sie zwischen versponnenen Blättern, den sogenannten „Raupennestern”, 
in grösseren Schaaren zusammensitzen. 

In vielen Fällen wird aber zur Erreichung eines wirklichen 
Erfolges nicht allein die Berücksichtigung der passenden Jahres- 
zeit genügen, sondern auch die passende Tageszeit oder passende 
Witterung gewählt werden müssen. So ist z. B. ein erfolgreiches 
Sammeln der Maikäfer mittels Schütteln grösserer Bäume nur in den 
frühen Morgenstunden oder bei nasskaltem Wetter möglich, weil bei 
warmen, sonnigen Tagen die herabfallenden Käfer während des Sturzes 
die Flügel ausbreiten und davonfliegen. Dergleichen kann ein bequemes 
und erfolgreiches Sammeln der am Tage unterirdisch lebenden Raupen 
der Kiefernsaateule nur in der Nacht, wenn sie, hervorgekommen, die 
oberirdischen Theile der Kiefernpflänzchen angehen, bei Laternenlicht 
vorgenommen werden [XVI, 2. Aufl, III Bd., 2. Abth., S. 129]. 

Das: vorhin angeführte Beispiel der Vertilgung der Raupen des 
Goldafters in ihren Nestern ist auch giltig für die Bemerkung, dass 
es wünschenswerth ist, den am längsten dauernden Zustand zur 
Vertilgung zu wählen. Gestattet doch gerade die Länge der Winterruhe im 
Raupenneste dem Obstzüchter, die Vertilgungsmassregeln zu einer ihm 
bequemen Zeit und so gründlich als er es nur irgend wünscht, vor- 
zunehmen, und wir finden daher in vielen Ländern diese Massregel 
sogar gesetzlich vorgeschrieben. Ueberhaupt erscheint das Ueber- 
winterungsstadium, als das längste, in sehr vielen Fällen die erfolg- 
reichste Bekämpfung möglich zu machen, vorausgesetzt, dass sich die 
Thiere nicht etwa in unzugänglichere Schlupfwinkel zurückziehen. 
Letzterer Fall kommt z. B. bei den Engerlingen vor, die sich im 
Winter tiefer in die Erde eingraben. 


? 


Vertilgungsmassregeln im Allgemeinen. 209 


Da man stets darauf sehen soll, die Insekten an der Fort- 
pflanzung zu verhindern, so verdient bei sonst gleichliegenden Ver- 
hältnissen die Vertilgung der Jugendzustände den Vorzug vor der 
Vertilgung der Imagines, denn bei letzteren ist man nie sicher, ob 
man ihrer nicht erst nach Beginn des Fortpflanzungsgeschäftes 
habhaft wird. Auch ist das Imagostadium, als das geflügelte, meist das 
beweglichste, und man hat daher neuerdings in der Praxis das früher 
vielfach geübte Sammeln der Schmetterlinge aufgegeben. Kann man 
aber nur der Imago beikommen, so wird es sich empfehlen, die Mass- 
regeln so einzurichten, dass vornehmlich das weibliche Geschlecht ge- 
troffen wird. Ein gutes Beispiel hiefür ist das Abfangen der auf- 
steigenden, ungeflügelten Frostspannerweibehen 
durch Klebringe, die dem geflügelten Männchen 
fast ganz unschädlich sind. 

Die Vertilgungsmassregeln selbst lassen 
sich eintheilen: 1. in solche, bei denen man das 
zu bekämpfende Insekt an seinem Aufentbaltsorte 
aufsucht; 2. in solche, bei denen man dem wan- 
dernden, seinem Frassorte oder seiner Brutstätte 
zustrebenden Insekte Hindernisse, an welchen es 
gefangen oder getödtet wird, in den Weg legt; 
3. in solche, bei denen man den Schädling durch 
Darbietung bequemer Schlupfwinkel, willkomme- 
nen Frasses oder geeigneter Brutstätten anlockt, 
um ihn selbst oder seine Brut späterhin zu vertilgen. 


Die Aufsuchung und Vertilgung der Schäd- 
linge an ihren Aufenthaltsorten kann man ent- 
weder durch Arbeiter oder in selteneren Fällen 


. Zu, Y ® re = Na ro@ 
durch Thiere Schweine-Eintrieb! besorgen Fig, 104." Raupen- 


lassen. Die Thätigkeit der Arbeiter kann wiederum quetschzange nach 
SPRENGEL. 1/,, nat. 


eine dreifache sein. Die einfachste Art ist die, Be 
OSSEe. 


dass der Arbeiter mit dem Auge den Schädling 
sucht und ihn dann entweder direct an Ort und Stelle vernichtet oder 
zu späterer Vernichtung sammelt und mitnimmt. 

Als Beispiele sind hierzu anführbar das oben schon erwähnte 
Zerquetschen der in Spiegeln zusammensitzenden Nonnenräupchen, sowie 
das Zerdrücken der an den Kiefernzweigen sitzenden Afterraupen der 
Kiefernblattwespen, ferner das Sammeln der grossen Kiefernraupen im 
Winterlager oder das direete Fangen der über Tag an den Fichten- 
stämmen ruhenden Nonnenfalter. 

In sehr vielen Fällen wird sich hierbei der Arbeiter mit irgend 
einem mechanischen Hilfsmittel versehen müssen. Soll er z. B. die 
Nonnenspiegel zerquetschen, so wird er sich mit Lappen, Werg oder 
nach Wırsr’s Angabe mit Schuhbürsten zu versehen haben. Für die 


Zerquetschung in Masse zusammensitzender Raupen an Zweigen hat 
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde. 14 


210 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


Forstmeister Sprengen eine besondere Zange mit breiten Enden und 
hölzernen Griffen construirt, mit welcher er gegen die Kiefernblatt- 
wespenraupen grosse Erfolge erzielt hat. (Fig. 104.) 

Handelt es sich wie bei dem Processionsspinner um die Vertilgung 
von Raupen, deren Berührung dem Menschen Nachtheil bringen kann 
(vergl. S. 137), so wird der Arbeiter sich durch Handschuhe, um- 
gebundene Tücher, Bestreichen der Hände mit Oel u. s. f. gegen diese 
Schädlichkeit zu sichern haben. In dem Falle des Processionsspinners 
ist es dann noch besonders angezeigt, die in ihren Nestern zusammen- 
sitzenden Raupen überhaupt nicht mit der Hand zu berühren, sondern zu 
verbrennen, was durch petroleumgetränkte, an langen Stöcken befestigte, 
angezündete Werg- oder Lappenbündel geschehen kann. 

Kommt es auf einfaches Sammeln ohne gleichzeitige Tödtung 
an, so hat sich der Arbeiter einmal mit Werkzeugen zum Aufdecken 


der Schlupfwinkel der Schädlinge zu versehen — beim Sammeln der 
Kiefernspinnerraupen oder Eulenpuppen im Winterlager sind Hacken 
zum Umwenden der Bodendecke mitzunehmen — oder aber mit Werk- 


zeugen zur Loslösung der festsitzenden Schädlinge; z. B. mit stumpfen 
Messern zum Abkratzen des Coccus racemosus Rarz. von den Fichten- 
pflanzen. Sitzen die Schädlinge so hoch, dass sie von dem Arbeiter 
nicht ohneweiters mit dem Arme erlangt werden können, so müssen 
zu ihrer Erreichung gleichfalls mechanische Hilfsmittel benutzt werden, 
z. B. bei hochsitzenden Raupennestern, die besonders von den Gärtnern 
angewendeten, an langen Stangen befestigten und durch eine Zugschnur 
bewegten, vom dem Forstmann als Aufastungsscheeren bezeichneten 
Raupenscheeren. 

Die Arbeiter haben ferner beim Sammeln Behältnisse mitzu- 
führen, in denen die gesammelten Thiere bis zur Ablieferung auf- 
bewahrt werden. Dieselben müssen so eingeriehtet sein, dass die 
gefundenen Thiere leicht in sie hineingebracht werden, die bereits ge- 
sammelten aber nicht entkommen können. Säcke verdienen hier immer 
den Vorzug, besonders wenn sie mit einem bequemen Verschlusse 
versehen sind. So empfiehlt z. B. Tascuengere |[XVIN, 8. 83], die 
von den Maikäfersammlern geführten Säcke so einzurichten, dass man 
in die Sacköffnung den abgeschlagenen Hals eines thönernen Bier- 
kruges einbindet. Der an ihm befindliche Henkel dient dazu, den 
Sammelapparat mit einem Strick um den Leib des Arbeiters zu be- 
festigen, der Verschluss erfolgt durch einen Kork. Zweckmässiger 
Weise hat der Sack auch unten eine, während des Sammelns fest 
zugebundene Oeffnung, durch die man späterhin die abzuliefernden 
Käfer ausschütten kann. 


In vielen Fällen entziehen sich die Einzelinsekten den direeten Blicken 
des Arbeiters und müssen, bevor man zum Sammeln und Vertilgen 
schreiten kann, erst aus ihren Aufenthaltsorten aufgestört werden. 


Hierher gehört vor allen Dingen das Sammeln der auf den 
Baumkronen fressenden Raupen nach vorhergegangenem Scehütteln 


Vertilgung der aufgesuchten und aufgestörten Schädlinge. 211 


oder Anprellen der Bäume. Bei stärkeren Bäumen, die nicht wohl zu 
schütteln sind, können die einzelnen Zweige mit Hakenstangen er- 
schüttert werden. Die Raupen werden so herabgeworfen und können 
dann auf dem Boden aufgelesen werden. Auf ähnliche Weise erfolgt 
das Abklopfen der blattfressenden Käfer. Regel ist, dass der Arbeiter 
seine Blicke hierbei nicht nach der Baumkrone, sondern nach dem 
Boden richte, weil das herabstürzende Insekt weit leichter im Momente 
des Auffallens wahrzunehmen ist, als dann, wenn es vom Sturze betäubt 
regungslos auf dem Boden liegt. Untergebreitete Tücher oder unter- 
gehaltene, umgekehrte Schirme können die Arbeit erleichtern. Unter- 
gelegte Tücher sind übrigens gleichfalls zu empfehlen, wenn es sich 
um das Schälen von Borkenkäferstämmen handelt, weil auf ihnen die 
abfallenden Larven und Puppen leicht gesammelt werden können. Von 
besonderer Wichtigkeit ist, dass beim Anprellen ‘der Baum keine 
Quetschwunden der Rinde erleide; deshalb sind besonders Aststumpfe 
zum Anschlagen zu wählen. Am besten bedient man sich zu diesem 
Zwecke der zunächst für rein entomologische Sammelzwecke gefertigten 
Prellkeulen. Es sind dies schwere, mit Kautschuk umwundene und 
mit einem äusseren Lederüberzuge versehene Keulen, die pendelnd 
an einem Riemen gegen den Baum geschwungen werden. Da aber 
praktische Rücksichten wohl in den meisten Fällen die Anschaffung 
dieser ziemlich theuren Werkzeuge verbieten dürften, so hat der das 
Sammeln beaufsichtigende Forstmann darauf zu sehen, dass die zum 
Anprellen gebrauchten Aexte an ihrer Rückseite mit Werg und Lappen 
umwunden werden. 

In Erdgängen lebende Schädlinge, z. B. die Maulwurfsgrille, kann 
man auf kleineren Flächen mit werthvollen Pflanzen durch eingegossenes 
Wasser oder Petroleum aus jenen hervortreiben und dann vernichten. 

Auch das von Forstmeister Koch |„Böhmische Vereinsschrift” 
1859] gegen die Weisstannentriebwickler, Tortrix murinana Hsx. und 
Steganoptycha rufimitrana H. S. angewendete Räuchern gehört hierher. 
Die befallenen Bestände werden stark durchforstet, das gewonnene 
grüne Reisig in Haufen gleichmässig über die ganze Fläche vertheilt 
und dann angezündet. Durch den so erzeugten dichten Rauch werden 
die Raupen betäubt, fallen zum grossen Theil von den Bäumen herab 
und werden dann in das Feuer gekehrt. 


In dritter Reihe ist es möglich, dass die Arbeiter Schädlinge 
zerstören, ohne dass ihnen dieselben überhaupt zu Gesichte 
kommen. 


Als Beispiel einer derartigen Massregel ist zunächst das früher 
gegen alle in der Bodendecke überwinternden Schädlinge, z. B. Kiefern- 
spinnerraupen, Kieferneulenpuppen, Kiefernblattwespeneocons. ange- 
wendete Streurechen mit nachfolgender Abfuhr, Vergrabung oder Ver- 
brennung des gewonnenen Materiales auzuführen; ein Verfahren, welches, 
nachdem man das Unzweckmässige der Streunutzung überhaupt immer 
mehr anerkannt hat, nun wohl überall aufgegeben worden ist. 


14* 


21 


2 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


Ferner ist anzuführen das Feststampfen der Erde, das Rammen, 
welches früher in den preussischen Forsten mitunter zur Zerquetschung 
der in der Bodendecke ruhenden Kiefernraupen angewendet wurde, 
jetzt aber wohl nicht mehr geübt wird. Auch das mehrfach gegen die 
kleine Kiefernblattwespe anempfohlene Umackern des Bodens, durch 
welches die Cocons so tief unter die Erde gebracht werden, dass die 
ausschlüpfenden Wespen sich nicht zu Tlage arbeiten können, gehört 
in diese Abtheilung. Ja man hat sogar besondere Instrumente erfunden, 
um die im Boden liegenden Schäd- 
linge zu zerstören. So z. B. wen- 
det ÖOberförster WırrE in Saat- 
Jill kämpen, Freisaaten und jungen 
N | Pfllanzungen auf steinfreiem Boden 
das beistehend abgebildete Instru- 
ment an, um die Engerlinge mit- 
\ telst systematischer Durchstechung 
U des Bodens zu tödten. Die Be- 


m schreibung des Verfahrens folgt 
| im speciellen Theile. 
li Auch die Durchtränkung des 


' Bodens mit insektentödtenden Flüs- 
sigkeiten ist zu erwähnen. So wurde 
' z. B. im Winter 1871 auf einem 
Ill fürstlich Schönburg-Waldenburg- 
um schen Reviere ein 50- bis 60- 
jähriger Mischbestand von Fichte 
7) und Lärche auf Anordnung des 
i Oberförsters Hrsse dadurch von 
dem die Fichten arg schädigen- 
den Hylesinus micans Kuvc. befreit, 
dass um die durch Untersuchung 
| INN als befallen erkannten Stämme eine 
Ui) PT dünne Mischung von Chlorwasser 
angegossen wurde. Die so behan- 
Fig. 105. Engerlingseisen nach Oberförster delten Bäume wurden zum grössten 
a "natürlicher Theile gerettet. Auch Bespritzen 

Br der Baumkronen mitSchwefelleber- 
lösung — 1 Theil auf500 Theile Wasser — ist von Guyor gegen Raupen- 
frass empfohlen worden. 

Aber nieht nur durch chemische Mittel, sondern auch durch Feuer 
hat man es versucht, die verborgenen Schädlinge massenhaft zu ver- 
tilgen. Zunächst hat man vielfach . die sogenannten Boden- oder 
Lauffeuer angewendet, ja sogar in einem regelmässig alle vier oder 
fünf Jahre wiederholten Ausbrennen der älteren Bestände [V, II Bd., 
8. 53, Anm.| ein Mittel gegen grösseren Raupenfrass zu finden geglaubt. 
Man hat sich aber überzeugt, dass ein solches Lauffeuer beiweitem 
nicht alle im Boden überwinternden Schädlinge, die meist bis in die 


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N emmmmiilil) 


Indireete Vertilgung der Schädlinge. Schweine-Eintrieb. 213 


unteren Schichten der Bodendecke hinabgehen, vertilgt, und daher 
seiner sonstigen Gefährlichkeit wegen dies Mittel aufgegeben. 

Als letztes verzweifeltes Mittel gegen einen auf anderem Wege 
nicht zu beseitigenden Insektenschaden muss aber das Abbrennen 
des ganzen, von Insekten geschädigten Bestandes sammt den Schäd- 
lingen noch heute empfohlen werden. Besonders in dichten, von dem 
Kiefernspinner kahlgefressenen jungen Beständen wird es vor dem 
Ausschlüpfen der Falter angewendet werden können, vorausgesetzt, dass 
die benachbarten Waldorte noch verhältnissmässig gesund sind, und 
man diese alsdann zu retten hoffen darf. Dass hierbei ganz besondere 
Vorsichtsmassregeln nöthig, braucht kaum ausdrücklich hervorgehoben 
zu werden. 


In dem Boden ruhende Schädlinge kann man auch durch Schwein e- 
Eintrieb vertilgen. Es wird dieses Mittel besonders bei Kiefernspanner- 
und Kieferneulenfrass empfohlen. 


Die Schweine fressen nämlich die glatten Puppen dieser Schäd- 
linge gern, weniger dagegen behaarte Raupen, wie z. B. die des Kiefern- 
spinners. Auch die zähen Cocons der kleinen Kiefernblattwespe, Lophyrus 
Pini, sollen sie verschmähen. Natürlich ist darauf zu achten, dass die 
Schweine von den jungen Schonungen fern gehalten werden. In den 
Ländern, in welchen die Waldservituten noch nicht abgelöst sind, 
wo also Viehhutung im Walde noch in der Gewohnheit des Bauern 
liegt, wird es vielfach nicht schwer halten, Schweine zum Eintrieb zu 
erhalten. Dagegen dürfte in Gegenden, in welchen die Schweine ge- 
wöhnlich nur im Stalle gehalten und besonders englische Racen ge- 
züchtet werden, die Massregel an der Unmöglichkeit, Schweine zu 
erhalten, scheitern; besonders in Ungarn dürfte sie also leicht aus- 
führbar sein. Indessen auch in Mecklenburg wird sie noch häufig 
gegen den Spanner angewendet, z. B. nach gefälliger brieflicher Mit- 
theilung von Forstinspeetor GArTHE in den Dobbertiner Klosterforsten 
zur Beschützung der Kiefernstangenhölzer. 


Vertilgung der Schädlinge mit Hilfe von künstlich auf ihren 
Wegen angebrachten Hindernissen. Die in diese Abtheilung gehörenden 
Vertilgungsmassregeln haben vor den bisher geschilderten den grossen 
Vorzug, dass alle mit der Aufsuchung der Schädlinge verbundenen 
Mühen wegfallen und meistentheils zu gleicher Zeit ein Massenfang, be- 
ziehentlich eine Massenvertilgung erreicht wird; dagegen ist ihr Erfolg 
noch in weit höherem Grade von der gründlichen Kenntniss der Lebens- 
gewohnheit des Schädlings abhängig, und vor Allem ist die genaueste 
Abpassung des geeigneten Zeitpunktes nothwendig. Als bestes Beispiel 
erscheint das Theeren der vom Kiefernspinner befallenen Bestände, eine 
Massregel, welche heutzutage alle anderen früher beliebten Bekämpfungs- 


mittel dieses Schädlings verdrängt hat. 


214 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


Die seit längster Zeit übliche Form dieser Art von Vertilgungs- 
massregeln sind die Raupengräben. Ursprünglich wohl meist dazu 
angewendet, das Ueberwandern von Raupen aus einem völlig kahl- 
gefressenen Bestande in einen noch unversehrten zu verhindern, und 
deshalb bis zu einem gewissen Grade unter die Vorbeugungsmassregeln 
gehörig (vergl. S. 197), erweisen sie sich auch als Vertilgungsmassregeln 
von hohem Nutzen, wenn man nur gehörig darauf achtet, dass die in 
dieselben gerathenen Raupen wirklich getödtet werden. Natürlich sind 
Raupengräben nur in nicht felsigem Terrain möglich. Sie müssen wenig- 
stens nach der Seite hin, nach welcher das Wandern der Raupen ver- 
hindert werden soll, eine möglichst senkrechte Wand haben und auf 
ihrem Boden werden ohngefähr von 10 zu 10 Schritt tiefere Fanglöcher 
ausgestochen, in welche von Zeit zu Zeit die in den Gräben befindlichen 
Schädlinge hineingekehrt und nach vorhergehender Einstampfung mit 
der Erde aus einem neben dem alten ausgestochenen, neuen Fangloche 


überdeckt werden. N 


Nicht nur gegen Raupen, sondern auch gegen flügellose oder doch 
ausschliesslich zur Brutzeit fliegende Rüssel- oder Borkenkäfer, gegen die 
verschiedenen Otiorhynchus-Arten, gegen den grossen braunen Rüssel- 
käfer und die wurzelbrütenden Hylesinus-Arten, besonders gegen H, cuni- 
cularius Er. und H. ater Payk., haben sich Fanggräben als Schutz 
der Kulturen sehr erfolgreich bewiesen, wenn sie zwischen diesen, deu 
eigentlichen Frassstätten, und den angrenzenden, nicht gerodeten Schlä- 
gen, den Brutstätten, angelegt werden [XVI, 2. Aufl., 3. Bd., L, 
S. 198 u. 238]. 

Als ein Nachtheil der Raupengräben ist hervorzuheben, dass sich 
in ihnen auch viele forstnützliche Insekten, namentlich Laufkäfer, 
Calosoma sycophanta u. s. f. fangen; die die Gefangenen vertilgenden 
Arbeiter sind daher anzuweisen, diese leicht kenntlichen Thiere vor 
der Zerstörung wieder in Freiheit zu setzen. 


Als eine Variante der Fanggräben kann man die zur Vertilgung 
der Maulwurfsgrille vielfach empfohlenen, konischen Fanglöcher und 
eingegrabenen Töpfe bezeichnen, welche auf den Saatbeeten und in 
den Pflanzkämpen da eingelassen werden, wo man Gänge entdeckt. 
Die Töpfe sind so weit zu versenken, dass ihr oberer Rand unterhalb 
des Bodens der Röhren zu liegen kommt, und eine etwa auf ihrem 
Grunde befindliche Oeffnung, z. B. bei allen Blumentöpfen, ist sorg- 
fältig in der Art zu verstopfen, dass zwar das Regenwasser abfliessen, 
die Maulwurfsgrille sich aber nicht durchzwängen kann. 


Ein ähnlich wie die Raupengräben wirkendes Verfahren ist das 
Aufschütten langer Streifen grünen Reisigs auf Schneisen und Wegen. 
Diese unseres Wissens zuerst durch Oberförster Rocn auf dem Gohrisch 
bei Kiefernspinnerfrass vorgenommene Massregel hat den Zweck, die 
aus einem kahlgefressenen Bestande auswandernden Raupen durch die 
sebotene Nahrung auf diesem Reisig so lange aufzuhalten, bis sie von 
Arbeitern abgeschüttelt und zertreten werden. Obgleich ursprünglich 


FE 


Vertilgung der Schädlinge an Wanderungshindernissen. 215 


auf ganz sandigem Boden angewendet, hat sie den grossen Vorzug, 
auch auf ganz steinigem, flachgründigen Boden, wo Raupengräben nicht 
anwendbar sind, vorgenommen werden zu können. 


Beiweitem die wichtigste Art der Bekämpfung von Forstschädlin- 
sen durch Wanderungshindernisse ist das Anbringen von Ringen 
einer klebenden Substanz an Bäumen, deren Kronen geschützt 
werden sollen. Seit längster Zeit wurde dies Verfahren von den 
Obstzüchtern gegen die im Herbste den Baumkronen zuwandernden, 
Augunfähigen Weibchen des Frostspanners, Geometra brumata L., 
angewendet und ist da, wo sich bei Laubhölzern ein Schutz gegen diesen 
Schädling empfiehlt, also wohl nur in Pflanzgärten an stärkeren Heistern 
auch in die forstliche Praxis übergegangen. Im Jahre 1828 wurde 
das Theeren durch Hriıckz auch gegen die Nadelholzschädlinge empfohlen, 
und zuerst in dem Jahre 1834 durch Forstmeister Wırtwer in Öber- 
schlesien gegen die Nonne, dann 1839 von Oberförster von ZyCHLINSKY 
in Grimnitz gegen die Kiefernspinnerraupe angewendet. Nach langer 
Vergessenheit 1856 gegen den Kiefernspinner durch den Privatoberförster 
ScHRADER zu Wirschkowitzin Oberschlesien und 1866 und 1867 durch Ober- 
förster Lange in Glücksburg, Regierungsbezirk Merseburg, wieder auf- 
genommen, durch Oberförster Minperporrr in Pütt, Regierungsbezirk 
Stettin, und viele Andere weiter ausgebildet, ist es heutzutage als das 
wesentlichste Mittel zur Beschränkung des Kiefernspinners anerkannt, 
und hat das früher hauptsächlich geübte Sammeln der Raupen im 
Winterlager völlig verdrängt. Dass diese Massregel neuerdings so all- 
gemeine Anerkennung findet, liegt wesentlich in der Verbesserung 
und massenhaften Käuflichkeit geeigneter Klebmittel, welche von der 
Industrie unter den verschiedensten Namen, besonders als ‚„Raupen- 
leim”, fabrikmässig erzeugt werden. Diese länger fängisch, d. h. klebrig 
bleibenden Präparate haben den ursprünglich verwendeten, reinen oder 
am Gebrauchsorte durch das Forstpersonal verdünnten, aber trotzdem 
bald eintrocknenden Theer völlig verdrängt. Die näheren Details sind 
im speciellen Theil bei dem Abschnitte über den Kiefernspinner 
nachzusehen. 


Auch gegen flugunfähige, Blätter, Knospen und Rinde beschädi- 
gende Rüsselkäfer, besonders gegen die Strophosomus-Arten, sind neuer- 
dings Klebringe als Schutz wertlivoller Heister wohl nicht mit Unrecht 
vorgeschlagen worden. 


Während die wesentliche Bedingung des Erfolges der Klebringe 
die ist, dass sie zur Zeit, wenn der Schädling freiwillig seinen Aufstieg 
gegen die Baumkrone beginnt, bereits angelegt und auch wirklich 
fängisch sind, kann man unter Umständen den Schädling auch zwingen, 
die Klebringe zu beschreiten, indem man die bereits gebäumten Thiere 
durch Anprellen oder Abklopfen von den Frassstätten herabwirft, und 
sie hierdurch, nach vorheriger Änlegung von Klebringen, zuneuem Aufstieg 
veranlasst. Indessen wird dies nur ein Nothbehelf bei versäumter recht- 
zeitiger Theerung sein können. 


216 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


Vertilgung der Schädlinge nach vorangegangener künstlicher 
Anlockung. Diese dritte Art der Vertilgsmassregeln theilt mit der vor- 
hergehenden den Vorzug, dass das mühsame Aufsuchen der Schädlinge 
in Wegfall kommt und daher eine grosse Ersparniss an Arbeitskräften 
eintritt. Die praktisch wirklich verwendbaren Anlockungsmittel sind 
dreierlei, nämlich Nahrung, Ruheplätze oder Verstecke und Brutstätten. 


Dargebotene Nahrung kann in der forstlichen Praxis nur im 
allerbeschränktesten Masse als Anlockungsmittel verwendet werden. Es 
dürfte hierher zu rechnen sein vornehmlich der Fang der Falter unserer 
Kiefernsaateule, Agrotis vestigialis, an Schnüren, auf welchen mit ge- 
zuckertem Biere getränkte Apfelschnitze aufgereiht werden. Dieselben 
sind zur Flugzeit der Falter, also im August und September, am 
Abend in der Nähe der von den Weibchen zur Ablage der Eier be- 
suchten Kulturen aufzuhängen und die an der willkommenen Speise 
sich labenden Falter von Stunde zu Stunde mit Hilfe einer kleinen 
Laterne abzulesen. Unter die gegen den grossen braunen Rüsselkäfer 
ausgelegten Fangrinden werden häufig und mit grossem Erfolge frische 
Kieferntriebe geschoben, welche als gute Nahrung diesen Schädling 
anlocken und die Wirksamkeit der Rinden vergrössern. EıcHHOoFF 
empfiehlt Fangrinden und Fangkloben auch gegen Engerlingfrass, weil er 
gefunden hat, dass die Engerlinge den weichen Bast derselben als 
Nahrung den zarten ans vorziehen und el daher unter 
diesen Bien sammeln. 

Viel häufiger kann man Schädlinge durch geeignete Ruheplätze 
oder Schlupfwinkel anlocken. Diese Ruheplätze werden entweder 
gleich mit einer Fangvorrichtung versehen oder regelmässig revidirt und 
hierbei die angelockten Schädlinge gesammelt. Unter die erste Kategorie 
gehören namentlich die mit T'heeranstrich versehenen Pfähle, welche 
um einen von den grossen Kiefernblattwespen infieirten Bestand zur 
Flugzeit, also bei Lyda stellata Carısr im Mai und Juni, aufgestellt 
werden, um die sich gern auf sie setzenden Imagines nach der Leim- 
ruthentheorie zu vertilgen. Das beste Beispiel für die zweite Kategorie 
sind die zum Theil schon oben erwähnten, gebräuchlichen Fangmethoden 
des grossen braunen Rüsselkäfers. Diesem werden auf den von ihm 
heimgesuchten Kulturen mit Hilfe von Reisigbündeln oder von mit der 
Rindenseite auf den Boden gelegten Nadelholzscheiten — Fangkloben 
— oder abgeschälten Nadelholzrinden — Fangschalen — Schlupfwinkel 
bereitet, unter die er sich bei warmer Witterung, namentlich sobald er 
daselbst noch Frass findet (vergleiche oben) gern in Menge zurückzieht. 
Die Schlupfwinkel werden täglich revidirt und die Käfer hierbei gesammelt. 

Die grösste Wichtigkeit unter allen Vertilgungsmassregeln nach vor- 
hergehender Anlockung kommt denen zu, bei welchen Brutmaterial 
dargeboten wird; ist doch der Drang nach passender Unterbringung 
der Nachkommenschaft wohl der mächtigste von allen die Handlungen 
der Insektenweibehen beherrschenden Instinkten. Hier sind vor allen 


vn 


Vertilgung der Schädlinge nach vorheriger Anlockung. 217 


Dingen die Fangbäume zu erwähnen, welche das wirksamste Mittel 
gegen die Borkenkäfer, namentlich gegen Tomicus typographus L., 
bilden, neuerdings aber von Eıcnnorr auch gegen andere Käfer, 
z. B. gegen die Pissodes-Arten empfohlen werden. Diese praktische 
Massregel wird von Gmeum bereits im Jahre 1787 als in Thüringen 
durch Oberförster Gress vorgeschlagen erwähnt, dürfte aber wohl 
erst durch die Bec#srein’schen Arbeiten [I und Il] allgemeiner 
bekannt geworden sein. Vorher hatte man sich einfach mit dem 
Einschlage des stehenden, bereits befallenen Holzes begnügt. 
Es werden nun aber erfahrungsgemäss frisch gefällte Stämme von den 
schwärmenden Borkenkäfern mit solcher Vorliebe angenommen, dass 
diese sich vornehmlich auf solchen concentriren. Sorgt man also 
zur Schwärmzeit, und in den Gegenden und Lagen, wo diese Käfer 
eine mehrfache Generation haben, so lange als ein Schwärmen über- 
haupt zu erwarten ist, dafür, dass stets in der Nähe der zu schützen- 
den Bestände frisch geworfene Bäume vorhanden sind, so kann man 
einen grossen Theil der Schädlinge von dem stehenden Holze abhalten 
und bei rechtzeitiger Schälung der Fangbäume durch nachfolgende Ver- 
brennung der Rinde massenhaft vertilgen. Es kommt aber vorzüglich 
darauf an, dass die Fangbäume aufmerksam revidirt und vor dem 
Ausschlüpfen der Käfer, ja am besten sogar vor der Verpuppung der 
Larven (vergl. S. 207), auch wirklich entrindet werden, da das blosse 
Werfen von Fangbäumen ohne nachfolgende rechtzeitige Vertilgung 
der in ihnen abgesetzten Brut gerade die entgegengesetzte Wirkung, 
nämlich eine Hegung dieser gefährlichen Schädlinge, zur Folge haben 
muss. Ein anderes ähnliches Vertilgungsmittel sind die häufig gegen 
den braunen Rüsselkäfer und die wurzelbrütenden Hylesinus-Arten 
angewendeten Fangknüppel, d. h. schräg in den Boden eingegrabene 
armstarke Nadelholzstangen, welche die von diesen Thieren zur Ab- 
lage ihrer Eier aufgesuchten, flachstreichenden Nadelholzwurzeln nach- 
ahmen und von diesen Schädlingen auch wirklich als Brutstätten an- 
genommen werden. Hierher gehören ferner die Fangkästen, d. h. aus 
Schwartenbrettern roh zusammengefügte, auf den von Engerlingen ge- 
fährdeten Kulturen in die Erde eingegrabene und mit lockerer Erde 
gefüllte Kästen, durch welche die solche Orte zur Ablage ihrer Eier 
bevorzugenden Maikäferweibehen angelockt werden sollen. Dass auch 
in den beiden letzten Fällen zur rechtzeitigen Vertilgung der Brut ge- 
schritten werden muss, sollen die Massregeln nicht in das Gegentheil 
des beabsichtigten Schutzes umschlagen, ist klar. 

Ein früher den Faltern der schädlichen Schmetterlingsarten 
gegenüber, namentlich bei Nonnen- und Kiefernspinnerfrass vielfach an- 
gewendetes Anlockungs- und Vertilgungsmittel waren dieLeuchtfeuer, 
eine Massregel, die auf der Beobachtung beruhte, dass Nachtschmetter- 
linge durch Lichtschein angelockt werden. Dieselbe ist sowohl ihrer 
Gefährlichkeit wegen, als weil man beobachtet hat, dass meist nur die 
beweglicheren Männchen (vergl. S. 209) sich einfanden, nunmehr wohl 
völlig ausser Gebrauch gekommen. 


218 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


Die Ausführung der Vertilgungsmassregeln kann sowohl im 
Accord als auch im Tagelohn geschehen und durch Männer, Frauen 
oder Kinder besorgt werden. Auch Strafarbeiter können Verwendung finden. 


Die Accordarbeit wird, weil billiger, in allen den Fällen vor- 
zuziehen sein, in welchen es hauptsächlich darauf ankommt, eine grosse 
Menge von Schädlingen zu erhalten, z. B. beim Sammeln des grossen 
braunen Rüsselkäfers, wo denn auch die Leistung des einzelnen Arbeiters 
leicht zu eontroliren ist. Tagelohnarbeit ist dagegen dann zu bevor- 
zugen, wenn es darauf ankommt, dass die Arbeit besonders gewissen- 
haft vorgenommen wird, z. B. bei der Herstellung der Klebringe. 
In diesem Falle sind aber die Arbeiter seitens des Forstpersonales 
genau zu überwachen. 

Beim Sammeln von Schädlingen im Accord ist zu beachten, dass 
wirklich auch nur die gerade zu bekämpfenden Thiere gefangen und 
nicht etwa mit anderen, unschädlichen gemischt werden. Auch müssen 
dieselben rein, d. h. ohne Beimischung von Erde, Rindenstückchen etc. 
abgeliefert werden. In einzelnen Fällen hat man sich sogar vor Fälschun- 
gen zu hüten, z. B. bei der Ablieferung gesammelter Nonneneier vor Bei- 
mischung von Mohnsamen oder feinem, schwer wiegendem Schrot. Auch 
darauf ist zu achten, dass die Schädlinge wirklich auf dem betreffenden 
Revier gesammelt werden und nicht etwa in benachbarten Waldungen, 
in welchen in Folge einer sorgloseren Verwaltung, z. B. im Bauernwalde, 
die Schädlinge zahlreicher und leichter zu erlangen sind. Desgleichen 
ist darauf zu achten, dass bereits abgelieferte Quanten so sorgfältig 
verwahrt, oder besser gleich vertilgt werden, dass sie nicht etwa zum 
zweitenmale zur Bezahlung vorgewiesen werden können. 

Ob Männer, Frauen oder Kinder beschäftigt werden sollen, 
hängt einmal von den ortsüblichen Gebräuchen, dann aber besonders von 
der Schwere der Arbeit ab. Leichte Sammelarbeit im Accord wird auch 
von Kindern und Frauen gut besorgt werden können. Desgleichen 
kann sich die gemischte Verwendung verschiedener Arten von Arbeitern 
empfehlen; z. B. werden beim Maikäfersammeln Männer zum Schütteln 
der Bäume zu verwenden sein, Frauen und Kinder dagegen zum Auflesen 
der herabgefallenen Käfer. Kinder sind der besseren Beaufsichtigung: 
wegen und zur Vermeidung von Spielereien stets mit Erwachsenen 
zusammen zu verwenden, namentlich bei Tagelohnarbeit. 


Die Tödtung der gesammelten Schädlinge kann auf ver- 
schiedene Weise ausgeführt werden. Am gebräuchlichsten ist das Ver- 
brennen oder das Brühen mit siedendem Wasser, sowie das Zerstampfen in 
später zuzuschüttenden Erdgruben. 


Das Verbrennen ist nur bei kleineren, nicht sehr wasserreichen 
Objeeten zu empfehlen, z. B. bei den Nonneneiern. Aber es ist dabei 
Vorsicht nöthig, weil die Eier im Feuer leicht explodiren. Auch für 
mit Borkenkäfern besetzte, abgeschälte Rinden ist Verbrennen das 
beste Mittel, da das früher häufig empfohlene einfache Liegenläassen 


a 
> 


Ausführung d. Vertilgungsmassregeln. Verwerthung gesammelter Schädlinge. 219 


derselben nach den Untersuchungen von Forstmeister Dr. Cocno sogar 
bei Sonnenschein ein ganz’ unzuverlässiges Mittel ist. 

Das Brühen mit siedendem Wasser passt besonders bei Thieren, 
welche hart und daher schwer zerstampfbar sind, z. B. bei den sehr 
harten braunen Rüsselkäfern. Weichere Raupen und Puppen sind am 
besten in Gruben zu zerstampfen und dann zu übererden, da bei 
irgendwie leichtfertiger Ausführung des blossen Eingrabens die Raupen 
sich leicht auf die Oberfläche durcharbeiten. Auch ein vorhergehendes 
Beschütten der Gruben mit ungelöschtem Kalke ist bereits mit Erfolg 
angewendet worden. Dagegen ist das Vergraben der mit Borkenkäfern 
besetzten geschälten Rinden nach Cocno nieht zweckmässig, weil sich 
auch in den eingegrabenen viele Puppen noch zu Käfern entwickeln und 
diese dann an die Oberfläche durchdringen können. 

Besonderen, im folgenden Abschnitt zu besprechenden, Rücksichten 
unterliegt die Wahl der Tödtungsmethode in dem Falle, wenn die 
massenhaft gesammelten Schädlinge noch verwerthet werden sollen. 


Verwerthung der gesammelten Schädlinge. In denjenigen Fällen, 
in welchen massenhaft Schädlinge gesammelt werden, können mitunter 
die Sammelkosten durch Verwerthung derselben wenigstens theilweise 
wieder gedeckt werden. Man hat z. B. häufig versucht, die Insektenleiber 
als Dünger zu verwertlien. Namentlich sind Nonneneier, Maikäfer und 
Engerlinge so verwendet worden. Ist nun gleich der Stickstoffgehalt der- 
selben ein ziemlich hoher, so eignen sich die Insekten doch deshalb 
weniger zur Düngerbereitung, weil ihr Leib allseitig von der sogar gegen 
Säuren so ungemein widerstandsfähigen Chitineuticula eingeschlossen 
wird. Indessen hat doch die Compostirung vielfach gute Resultate ge- 
geben. Auch Oel, Wagenschmiere und Gas sind aus Maikäfern bereitet 
worden. Am besten lohnt sich das Sammeln der laubholzbeschädigenden 
Lytta vesicatoria L., der spanischen Fliege, welche zur Bereitung der 
Zugpflaster verwendet und daher von Apothekern gern gekauft wird. 


Insekten, welche zum Zwecke der Vertilgung in Massen eingesammelt 
werden, hat man untersucht, um nach ihrem Stickstoffgehalte deren Düngerwerth 
zu ermitteln. Krocker [„Verh. des schles. Forstvereines” v. J. 1856, 8. 115] fand 
in frischen Nonneneiern 71°52"/, verbrennliche organische Substanzen, 1'48V/, 
Aschenbestandtheile und 27%, Wasser. Der Stickstoffgehalt betrug 454°/,. Die 
mineralischen Substanzen der Asche bestanden vorherrschend aus phosphorsaurem 
Kalk und Kali und etwas kohlensaurem Kali. Legt man dieser Form des 
Stickstoffes für 1 %ky den Werth von etwa 1'2 Mark bei, so berechnet sich 
der Werth von 100 %kg Eiern auf 5 bis 55 Mark. Die Versuche über Com- 
postirung zeigten, dass mit Mistjauche verdünnte Schwefelsäure die Eier selbst 
nach Wochen nicht angegriffen hatte, wohl aber that dies, wenn auch langsam, un- 
verdünnte Schwefelsäure. Viel leichter gelang die Compostirung, welche für die Ver- 
wendung von höchster Wichtigkeit ist, durch alkalische Massen unter Zusatz von hu- 
moser Erde, z, B. wenn Eier mit Aetzkalk, der an der Luft zerfallen ist, und Erde 
geschichtet und schwach befeuchtet wurden; auch kann man die Eier mit Aschen- 
laugen befeuchten, oder mit feuchter Holzasche, der man noch etwas Aetzkalk 
Zusetzt, mischen und dann abwechselnd mit schwachen Erdlagen zu Haufen 


2230 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


schiehten. Diese ganze Composition muss aber oft umgestochen werden, wobei 
ein grosser Theil des Stickstoffes bald in lösliche Form übergeht und sich, 
nun als Ammoniak oder auch salpetersaures Salz vorfindet. 

Auch bei Maikäfern erreichte Krocker dasselbe, und er empfiehlt den 
Maikäfer-Compost ebenfalls für die Landwirthschaft. Die Maikäfer enthielten nach 
seinen Untersuchungen 3:5°/, Stickstoff, was einem Düngerwerthe von etwa 
4 Mark für I %y entspricht. In Tharand wurden 1856 ebenfalls Versuche über 
die Dungkraft der Maikäfer angestellt. Es wurden gefunden: 

i R in völlig 
e in frischen 
Bestandtheile: L. ausgetrockneten 
Käfern: 
Käfern: 


Diuckstofkse sr 3:23 9:6 
IEttestV el a ne 3:80 115 
Andere organische Stoffe.) „1 KREMER DET 747 

Mineralische Stoffe, hauptsächlich aus phosphor- 
sauren Verbindungen bestehend. . . . 1:40 42 
Wasser &.% u... 2 Be a 2 Nr Br ON, _ 
100 100 


Rechnet man 1 %y des hier theilweise in schwer löslicher Verbindung 
vorkommenden Stickstoffes nur zu 1'2 Mark, so wären 100 kg frischer Käfer 
reichlich 4 Mark werth, und 1 Al frischer Käfer, welches etwa 27 %g wiegt, 
könnte hiernach einen Dungwerth von reichlich 1 Mark beanspruchen. Ein 
praktisch ausgeführter Düngungsversuch mit Gerste zeigte, dass die Maikäfer 
ein werthvolles, kräftig und schnell wirkendes Düngemittel darstellen, dessen 
Wirkungswerth im frischen Zustande mindestens auf !/; bis 1/,, im trockenen 
reichlich auf '/, vom guten peruanischen Guano zu schätzen sein möchte. Die 
Compostirung erfolgte so, dass man die durch Begiessung mit kochendem 
Wasser getödteten Käfer, nachdem sie 3 bis 4 cm hoch ausgebreitet worden 
waren, mit staubigem, gelöschtem Kalke einpuderte, und sie dann mit einer 
reichlich gleich hohen Erdschichte bedeekte, auf welche wieder Käfer folgten ete. 
Der so gewonnene Compost wirkt nach den Erfahrungen sächsischer Landwirthe 
ähnlich wie Guano für Feld und Garten; auch gibt er einen vortrefflichen Zusatz 
zu Stallmist, Knochenmehl, Superphosphat ete. Aehnlich verhält es sich mit den 
Engerlingen. 

Ganz ähnlich sind die von Hess [XXI, S. 227, Anm.] reproducirten Analysen 
von Payer, und nach diesen ergibt sich, dass die Maikäfer im frischen Zustande 
bezüglich des Stickstoffes bei gleichem Gewicht viermal mehr Dungwerth besitzen 
als der Stallmist und 1!/;mal mehr als Poudrette. 


Die Hxss’sche Anweisung zur Compostbereitung aus Maikäfern 
lautet: Die Käfer müssen „zerstampft und mit so viel trockener Erde, 
Torfabfällen oder Sägespänen gemischt werden, bis die Masse geruch- 
los geworden ist. Reine Maikäfermasse verbreitet nämlich einen ganz 
penetranten Geruch, von entweichenden Gasen herrührend, deren mög- 
lichste Fixirung zur Begegnung von Düngerverlust geboten erscheint”. 
Noch vortheilhafter könnte unserer Ansicht nach Gips verwendet werden. 

Was die spanischen Fliegen anbetrifft, so ist für dieselben nach 
einer freundlichen Mittheilung der Firma GrHE & Comp. in Dresden, 
der russische Markt massgebend, und zwar stellt sich der Preis auf 
6—12 Mark für das Kilogramm. Die für den Verkauf beste Tödtungs- 
weise ist die durch Aether — 10 ccm auf 1 ! Käfer — in geschlossenen 
Gefässen. In der Walachei werden die T'hiere dagegen gewöhnlich 
mit heissem Salzwasser umgebracht. ’ 


Verwerthung d. Schädlinge. Volkswirthschaftl. Rücksichten b. d. Bekämpfung. 221 


Die Beurtheilung der Nothwendigkeit und Möglichkeit der 
Durehführung von Bekämpfungsmassregeln. 


Vorbeugungs- und Vertilgungsmassregeln hat nun aber der Forst- 
mann im Einzelfalle nicht ohneweiters anzuwenden. Er wird vielmehr 
jedesmal besonders erwägen müssen, inwieweit die allgemeinen forst- 
und volkswirthschaftlichen Rücksichten deren Anwendung wünschens- 
werth oder nöthig machen. Jede zur Bekämpfung eines Insektenschadens 
getroffene Massregel bezweckt ja doch schliesslich die Verhinderung 
oder Minderung der Beschädigung des wirthschaftlichen Vermögens. Daraus 
folgt, dass nur diejenigen Massregeln empfehlenswerth sind, 
deren Erfolg im richtigen Verhältnisse zu dem durch sie 
bewirkten Aufwande an Arbeit und Kapital steht. Der Forstwirth 
muss sich daher zunächst klar zu werden suchen, ob der Frass ein 
solcher ist, dass sich seine Bekämpfung wirklich lohnt. Dies wird der 
Fall sein, wenn durch dieselbe werthvolle Bestände voraussichtlich 
vor dem gänzlichen oder theilweisen Eingehen geschützt werden können, 
oder wenn zu befürchten ist, dass die Unterlassung der Bekämpfung 
eine gefährliche Steigerung und weitere Verbreitung des Frasses zur 
Folge haben könne. Zu unterlassen würde die Bekämpfung sein, wenn 
voraussichtlich schon die natürlichen Gegengewichte ein baldiges Erlöschen 
des Frasses erwarten lassen, die Beschädigungen nur eine Zuwachsver- 
minderung des Bestandes verursachen oder nur wenige Ausbesserungen 
einer Kultur nöthig machen und die Vertilgungsmassregeln höher zu 
stehen kommen, als der Werth der Zuwachsverminderung oder der 
Aufwand für die Ausbesserung der Kultur beträgt. Ein richtiges Urtheil 
hierüber abzugeben, ist gewöhnlich sehr schwierig, da man es oft nur 
mit Wahrscheinlichkeiten zu thun hat. Es muss sich stützen: 1. auf 
Untersuchungen über die Menge der vorhandenen’ Insekten; 2. auf 
die Untersuchung ihres Gesundheitszustandes; 3. auf die Beobachtung 
der Witterungsverhältnisse; 4. auf die Untersuchung des Zustandes des 


befallenen Bestandes. 


Untersuchungen über die Menge der Schädlinge. In einer 
grösseren Reihe von Fällen wird bei Begehung der in Frage kommen- 
den Bestände der einfache Augenschein den Forstmann über die Menge 
der vorhandenen Insekten belehren. Dies ist z. B. der Fall bei den 
so leicht wahrzunehmenden Processionsraupen. In anderen Fällen, z. B. 
wenn die Schädlinge entweder hoch oben in den Baumkronen oder in 


222 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


der Bodendecke verborgen sind, wird der Forstmann nach anderen, 
indirecten Kennzeichen urtheilen müssen oder eine planmässige Unter- 
suchung anzustellen haben. 


Von indireeten Kennzeichen kommt das allgemeine Aussehen des 
Bestandes (vergl. unten S. 228), die Stärke der Entnadelung oder 
Entlaubung, reichliches Vorhandensein von Harzausfluss oder Bohr- 
mehl, sowie bei Raupen oder Maikäfern die Menge des von ihnen 
erzeugten Kothes in Betracht. Letztere ist besonders in alten starken 
Beständen, deren Bäume sich nicht schütteln lassen, also bei Kiefern- 
spinnerfrass im Hochwalde, bei Eichenwicklerfrass auf alten über- 
gehaltenen Eichen u. s. f. wichtig, und es kann hier den Forstmann 
nicht blos das Gesicht, sondern auch das Gehör belehren, da mitunter 
der Koth so massig erzeugt wird, dass sein Herabfallen ein rieselndes 
Geräusch hervorbringt. Auch die Ansammlung insektenfressender Vögel, 
z. B. des Kukuks, in einem Bestande, sowie die Thatsache, dass die 
Sauen in demselben stärker als gewöhnlich brechen, wird vom aufmerk- 
samen Forstmanne wohl beobachtet werden. 

Planmässige Untersuchungen sind in Form des Probesammelns 
anzustellen. Auf einer passend ausgewählten, beschränkten Fläche wird 
unter genauer Aufsicht des Schutzpersonales im Tagelohne möglichst 
intensiv gesammelt, die Anzahl der gesammelten Schädlinge bestimmt 
und alsdann unter Hinzurechnung eines mässigen Zuschlages für über- 
sehene Stücke die Gesammtmasse für die fragliche Hauptfläche 
berechnet. Da bei starkem Frasse ein direetes Zählen der gesammten, beim 
Probesammeln erhaltenen Insektenmenge nicht wohl ausführbar ist, so 
misst oder wägt man die erhaltenen Schädlinge, bestimmt dureh Zählen 
die Anzahl der durchschnittlich auf 1 !, 1%g oder ein Bruchtheil der- 
selben gehenden Stücke und findet dann die Gesammtanzahl durch 
Rechnung. Die Genauigkeit des Probesammelns kann in einzelnen Fällen 
noch weiter controlirt werden, z. B. bei Kiefernspinnerfrass, indem 
man nachträglich die im Winter nach den in der Bodendecke ruhenden 
Raupen abgesuchte Probefläche theert und die Anzahl der übrig- 
gebliebenen, auf den Theerringen abgefangenen Raupen feststellt. 

Das Probesammeln kann aber auch so angestellt werden, dass mit 
seiner Hilfe nicht allein ein Schluss auf die Menge der in einem be- 
stimmten Bestande vorhandenen Schädlinge möglich wird, sondern auch 
diejenigen Revierstellen gefunden werden, in welehen die Anzahl der 
Schädlinge am stärksten ist. Man legt zu diesem Zwecke Probe- 
bahnen in passender Entfernung, lässt diese im Tagelohn unter genauer 
Aufsicht sorgfältig absuchen und durchsehneidet sie alsdann rechtwinkelig 
durch ein zweites System von Probebahnen. Stellt man auf den einzelnen 
Strecken dieser Probebahnen die Anzahl der gefundenen Schädlinge fest, 
so findet man ohneweiters die am stärksten infieirten ‚Stellen. 

Bei drohendem Borkenkäferfrass kann man zunächst Probe- 
fangstämme werfen und aus deren stärkeren oder schwächeren Be- 
setzung auf die vorhandene Borkenkäfermenge schliessen. 


Untersuchungen über Menge und Gesundheitszustand der Schädlinge. 223 


Die Untersuchung des Gesundheitszustandes der Forstschädlinge. 
Sind so viel Forstschädlinge vorhanden, dass ihre Menge bedrohlich 
erscheint, so muss der Forstwirth sich über den Gesundheitszustand der- 
selben klar zu werden suchen. Denn, wenn ein hoher Procentsatz als 
krank nachgewiesen werden kann, z. B. 50°, und darüber, so sind 
Vertilgungsmassregeln überflüssig. Eine Erkrankung der Forstschädlinge 
wird angenommen werden können: 1. wenn die lebenden ein auffallendes 
Benehmen zeigen, 2. wenn eine Untersuchung des Innern der getödteten 
das Vorhandensein von Schmarotzer-Insekten oder Pilzen nachweist, 3. wenn 
eine ungewöhnliche Sterblichkeit eintritt. 

Als auffallendes Benehmen wird man besonders Trägheit der Be- 
wegungen und Unlust zum Fressen ansehen können. Indessen sind diese 
Zeichen durchaus nicht untrüglich, vielmehr muss man bedenken, dass 
z. B. auch vor jeder Häutung die Raupen träge und fressunlustig 
werden, und viele erkrankte Thiere anfänglich gar keine abnormen 
Lebensäusserungen zeigen. Gewissheit über das Vorhandensein einer 
Epidemie kann nur die Untersuchung der Thiere gewähren. Zunächst 
wird eine solche stets auf den leichteren Nachweis von Schmarotzer- 
Insekten, erst in zweiter Linie auf den Nachweis von Schmarotzerpilzen 
zu gehen haben. In einfachen Fällen genügt die Untersuchung von 50 bis 
100 Stück auf das Gerathewohl eingesammelter Thiere. Handelt es sich aber 
um die Beurtheilung der Verhältnisse in ausgedehnteren Beständen, so 
müssen mehrere, an verschiedenen, weiter von einander entfernten Stellen 
gesammelte Proben von je 50 bis 100 Stück untersucht werden. 

Untersuchung auf Infection mit Schmarotzer-Insekten. 
Nur in seltenen Fällen ist es möglich, äusserlich am lebenden Thiere 
die Stelle nachzuweisen, an welcher das mütterliche Schmarotzer-Insekt 
durch einen Stich mit der Legscheide seine Eier in das Wirthsthier 
eingebracht hat, oder an welcher die aus äusserlich am Leibe des 
Wirthes abgelegten Eiern geschlüpften Larven sich in das Innere 
hineingefressen haben. Nur an nackten Raupen und Afterraupen ist 
diese mitunter. als: dunkler Fleck zu erkennen. Die Section muss 
also hier zu Hilfe genommen werden. Da die Auffindung von Schmarotzer- 
Insekteneiern ungemein mühsam ist, so wird man stets nur auf den 
Nachweis von Larven oder Puppen bedacht sein. Auch werden in der 
Praxis, obgleich alle vier Lebensstadien der Insekten: Eier, Larven, 
Puppen und Imagines, von Schmarotzern bedroht sind, meist nur die 
beiden mittleren, d. h. die Larven oder Puppen der Forstschädlinge, auf 
Infeetion mit Schmarotzern untersucht. Am häufigsten hat der Forst- 
mann Veranlassung, Raupen zu untersuchen, z. B. im Winterlager 
gesammelte Kiefernspinnerraupen. Zuvörderst tödtet man die Raupen 
am besten, indem man sie eirca eine Stunde in einem zugedeckten 


224 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


Gefässe mit weiter Mündung stehen lässt, in welches man ein mit 
Schwefeläther oder Benzin getränktes Papier- oder Wergbäuschehen 
geworfen hat. Die im Todeskampfe zusammengezogenen Raupen streckt 
man zunächst durch sanften Zug, fasst dann jede einzelne mit der 
linken, eventuell handschuhbekleideten Hand — am besten an beiden 
Enden, den Kopf zwischen Zeige- und Mittelfinger, das Hinterende 
zwischen Daumen und Goldfinger — und schneidet mit einer feinen 
Scheere in einigen vorsichtigen Schnitten die Leibeswand am Rücken, 
womöglich ohne Verletzung des Darmes, in ganzer Länge auf. 
Alsdann breitet man die Raupe in einem Schüsselchen von dunkler 
Farbe — „Bunzlauer Geschirr” eignet sich hierzu sehr gut — aus, 
so dass die Eingeweide im Wasser flottiren und spült sie einige- 
male ordentlich durch. Sind Scehmarotzerlarven vorhanden, so werden 
dieselben bald zwischen den Eingeweiden herausfallen und gegen den 
dunkleren Boden der Schüssel als weisse „Maden” abstechend, leicht 
erkannt werden. Wird das Wasser trübe, "was besonders dann geschieht, 
wenn bei dem Aufschneiden Därme verletzt wurden und der Darm- 
inhalt einiger Raupen ausgetreten ist, so muss man dasselbe erneuern. 
Anfänger haben sich zu hüten, dass sie nicht Stücke des Raupenleibes, 
z. B. die gelblichen Anlagen der Geschlechtsorgane oder abgeschnittene 
Stücke der Spinndrüsen, für Parasitenlarven halten. Rarzesurg hat 
gefunden, dass unter 11cm lange, jüngere Raupen des Kiefern- 
spinners keine Schmarotzer enthielten. Findet man Schmarotzer, so 
können dies Schlupfwespen- oder Tachinen-, d. h. Raupenfliegen-Larven 
sein. In Betreff der Kennzeichen dieser Larven müssen wir auf den 
speciellen Theil verweisen. Will man Puppen auf Schmarotzer unter- 
suchen, so bricht man dieselben einfach in der Mitte auf und spült 
den Inhalt im Wasser aus, wobei man leicht etwa vorhandene 
Schmarotzerlarven findet. Nimmt man die Untersuchung der Puppen 
gleich im Walde vor, so kann man sich das Ausspülen im Wasser 
ersparen, da in ihnen ja die Schmarotzer meist in bereits vorgerückteren 
Entwicklungsstadien enthalten, also bereits grösser sind und ohne weitere 
Schwierigkeit in dem zwischen den Fingern herausgedrückten Puppen- 
inhalte erkannt werden können. Schwer erkrankte Puppen lassen sich auch 
ohne Untersuchung des Innern, an ihrer Steife und Unbeweglichkeit 
erkennen. Im Allgemeinen ist die Untersuchung auf Schmarotzer- 
insekten ein nicht sehr reinliches Geschäft, und man thut daher gut, zur 
Notirung der gewonnenen Resultate sich eines Gehilfen zu bedienen. 

Wenn bereits viele Forstschädlinge den Schmarotzern zum Opfer 
gefallen sind, so findet man die Spuren ihrer Verwüstungen an den 
übrig gebliebenen Ei-, Larven- und Puppen-Hüllen, sowie den Cocons. 
Eierschalen und Puppenhäute, sowie Cocons zeigen sich auf eine 
Art durchbrochen, welche von der bei normalem Ausschlüpfen des 
Insektes eintretenden abweicht; z. B. zeigen die von Teleas zerstörten 
Eier des Kiefernspinners ein kleines rundes Loch, während die Ei- 
schalen, aus denen ein Räupchen schlüpfte, unregelmässig zerfressen 
sind. Dagegen haben die Tönnchen von Lophyrus, aus denen ein 


‘ 


Untersuchung auf Infeetion mit Schmarotzer-Insekten und -Pilzen. 225 


Ichneumon ausschlüpfte, eine unregelmässige, kleine Oeffnung (Taf. VI, 
Fig. 3, C*), während die Blattwespe bei ihrem Ausschlüpfen einen 
regelmässigen Deckel abnagt (Taf. VI, Fig. 3, C). Neben durch 
Schmarotzer-Insekten getödteten Larven oder Puppen findet man häufig 
die Cocons der Schlupfwespen (Taf. III, S“) oder die Tönnchen der 
Tachinen; bei Puppen sind sie oftmals mit der getödteten Puppe im Oocon 
eingeschlossen. Am bekanntesten sind die von Microgaster getödteten 
Kiefernraupen, welche schon vonweitem an dem sie umgebenden 
silberweissen Coconhaufen erkennbar sind (Taf. III $'). 
Untersuchung auf Infection mit Schmarotzerpilzen, 
auf Mykosen. Das Vorhandensein einer Mykose bei den Forstschäd- 
lingen ist mitunter schon im Walde durch Beobachtung festzustellen. 
Häufig zeigen z. B. die von Pilzen infieirten Larven und Raupen 
missfarbige Flecke, und wenn eine ausgedehntere ‚„Empusa’”- oder 
muskardineartige Mykose ausbricht, so findet sich wohl bald ein oder 
das andere eingegangene, äusserlich mit Pilzfäden bedeckte Thier. 
Sind solehe Beobachtungen nicht vorhanden, so kann der Forstwirth, 
besonders wenn es sich um Raupen handelt, eine Anzahl derselben 
bei guter Fütterung einzwingern und abwarten, ob eine grössere 
Sterblichkeit unter denselben ausbricht. Ist diese durch Pilze ver- 
ursacht, so lassen sich solche sofort nach eingetretenem Tode im 
Innern der Raupe nachweisen. In einzelnen Fällen kann dies schon 
ohne Mikroskop geschehen. So weist eine milchige Trübung des 
Blutes, welches man dadurch gewinnt, dass man eine Raupe vorsichtig 
mit der Nadel ansticht und durch leichtes Drücken ein Tröpfehen 
austreten lässt, auf das Vorhandensein von Cylindergonidien, also 
auf eine muskardineartige Erkrankung hin. Es bricht fermer bei 
Raupen, welche an „Empusa”-Mykose eingegangen sind, sofern die- 
selben nicht zu trocken gehalten werden, binnen 24 Stunden der 
Pilzüberzug durch. Wenn man nun die todten Raupen auf ein Stück 
Fensterglas legt, ein mit Wasser getränktes Fliesspapier- oder Werg- 
bäuschehen hinzufügt und ein gewöhnliches Glas darüberstülpt, so 
bildet sich, wenn eine „Empusa”-Erkrankung vorliegt, um jedes schimmel- 
bedeckte Thier binnen weiteren 24 Stunden ein Hof von weisslichem 
Staube, d. h. von weggeschleuderten Sporen, und die Raupe verjaucht 
bald nach dem Verblühen des Pilzes. Verzögert sich dagegen der 
Ausbruch einer Pilzvegetation längere Zeit, so ist eher auf muskardine- 
artige Mykose zu schliessen. Sicher ist letztere dann angezeigt, wenn 
das an der Luft liegende Thier anfangs schlaff, nach 24 Stunden 
aber prall ausgestopft erscheint. Direete Verjauchung ohne vorherigen 
Schimmelausbruch weist auf das Vorhandensein einer Spaltpilzmykose 
hin, Trocknet die nicht sehr feucht gehaltene Raupe zu einer zer- 
breehlichen Mumie ein, die mit zunderartigem Marke, d. h. mit Pilz- 
cel gefüllt ist, so ist eine nicht zum Ausbruch gekommene Ento- 
mophthoreen-Mykose oder muskardineähnliche Erkrankung wahr- 
scheinlich, Ist sie dagegen mit hellem oder dunkelm Staube gefüllt, 
so ist eine Ausbildung von Entomophthoreen-Mykose zu vermuthen. 


Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde. 15 


226 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


Gewissheit liefert nur die mikroskopische Untersuchung, zu welcher 
aber, besonders wenn etwa eine Spaltpilzmykose nachgewiesen werden 
soll, ein so gutes Mikroskop und eine so bedeutende Uebung in seinem 
Gebrauche gehört, wie in den meisten Fällen dem praktischen Forst- 
wirthe nicht zu Gebote stehen. Ist dies dennoch der Fall, so werden die, 
S. 164 bis 181, gegebenen Beschreibungen und Abbildungen der in 
Frage kommenden Pilze eine sichere Bestimmung ermöglichen. Anderen- 
falls hat man sich an einen Fachmann zu wenden. 

Die Beobachtung der Witterungsverhältnisse. Die Witterungs- 
verhältnisse können in zweierlei Weise bestimmend auf das Urtheil über 
die Nothwendigkeit von Gegenmassregeln einwirken. Sowohl in dem Falle, 
wenn sie für das Leben und die Gesundheit der Forstschädlinge ungünstig 
erscheinen, als auch dann, wenn sie dem Baumwuchs und der Aus- 
heilung der erfolgten Beschädigungen günstig sind, wird der Forstmann 
von künstlichen Vorbeugungs- und Vertilgungsmassregeln ganz oder 
theilweise absehen können. Es sind dies diejenigen Witterungsverhältnisse, 
welche RarzegurGg als frasshindernde und genesungsfördernde 
[XV, 3. 63] bezeichnet und denen er die frassfördernden und ge- 
nesungshindernden entgegenstellt. 

Die frasshindernden Witterungseinflüsse sind bereits auf S. 162 aus- 
führlich erörtert worden. Im allgemeinen werden die genesungsfördernden 
mit jenen zusammenfallen und auch nach den speciellen Boden- und 
Standortsverhältnissen des betreffenden Revieres und Bestandes wechseln. 
In dürren Lagen werden z. B. reichliche Niederschläge das Wieder- 
ergrünen in einem kahlgefressenen Kiefernbestande begünstigen, während 
in einem feuchten Auwalde ein trockener Winter günstig wirken kann. 

Untersuchung des befallenen Bestandes. Von hervorragender 
Wichtigkeit ist die Frage, ob voraussichtlich die von Insekten befallenen 
Bäume oder Bestände durch den Frass sicher getödtet werden, oder 
ob sie nur Beschädigungen erleiden, welche entweder überhaupt blos 
den Zuwachs vermindern, oder erst durch Wiederholung den Tod des 
Bestandes befürchten lassen. Im ersten Falle wäre es überflüssig, Mass- 
regeln zu ergreifen, welche lediglich den Schutz des Bestandes selbst 
bezwecken, während sie im letzteren Falle ganz am Platze sein können. 
Unter Umständen kann der Zustand eines befallenen Bestandes auch 
Massregeln überflüssig oder geboten erscheinen lassen, welche der Weiter- 
verbreitung des Uebels Halt gebieten sollen. Die auf eine eingehende 
Untersuchung gestützte Prognose wird in vielen Fällen leicht, in anderen 
schwer, in noch anderen gar nicht mit Sicherheit zu geben sein® In 
schwierigen Fällen ist sie überhaupt nur unter aufmerksamer Beachtung 
der soeben besprochenen Umstände möglich. Dabei ist ferner nicht zu 


Br 


Witterungsverhältnisse. Untersuchung des befallenen Bestandes. 227 


übersehen, dass die verschiedenen Standortsverhältnisse, die einzelnen 
Holzarten und die verschiedenen Altersstufen derselben von grossem 
Einfluss auf die Beantwortung der Frage sind. 


Bei Besprechung der verschiedenen durch Insekten verübten 
Beschädigungen (S. 137 u. f.), sowie der die Grade der Schädlichkeit 
bedingenden Ursachen (S. 146 u. £.), ist bereits auf die Möglichkeit 
einer Prognose hingewiesen worden. 

Die Beachtung des Standortes ist insofern wichtig für die Vor- 
hersage, als im Allgemeinen die Gefahren durch Insektenbeschädigungen 
dann am grössten sind, wenn ungünstiger Standort einen kümmer- 
lichen Wuchs der Bäume bedingt, während günstigere Standortsver- 
hältnisse die Widerstandskraft derselben stärken. Nur dort, wo der 
schlechtere Standort lediglich Folge rauhen Klimas ist, verhält sich 
die Sache insofern anders, als durch ein solches Klima für gewöhnlich 
auch das Insektenleben beeinträchtigt wird. So wird man Maikäfer- 
schaden in höheren Gebirgslagen nie zu fürchten haben; selbst 
Borkenkäferfrass gestattet dort in der Regel eine günstigere Prognose, 
weil nur in ungewöhnlich warmen Sommern mehrfache Generation zu 
fürchten ist (vergl. S. 117 und 113). 

Dass von unseren heimischen Holzarten die Laubhölzer im allge- 
meinen weit weniger empfindlich sind als Nadelhölzer, dass sie namentlich 
in den höheren Altersstufen einer wirklich tödtlichen Verletzung durch 
Insektenfrass viel weniger ausgesetzt sind, wurde früher schon erwähnt 
(vergl. S. 148). Man wird deshalb in älteren Laubholzbeständen selten 
nothwendig haben, kostspielige Bekämpfungsmassregeln anzuwenden. 
Bei Raupenfrass, wie z. B. bei Frass von Dasychira pudibunda L., 
Geometra brumata L.. Tortrix viridana L. u. s. w., wird in der Regel 
nichts zu thun sein, weil die Kosten der Vertilgungsmassregeln meist 
grösser sein würden, als der durch den Frass bewirkte Verlust an 
Zuwachs oder Samen. Von Borkenkäfern, Buprestiden, Bockkäfern oder 
anderen im Holze lebenden Insekten heimgesuchte alte Bäume kann 
man, obgleich sie den Frass meist Jahre lang aushalten, ohne Kosten 
entfernen, soweit dies nöthig erscheint, um eine weitere Ausbreitung 
des Uebels zu verhindern. Man braucht sich aber damit nicht zu 
übereilen. Empfindlicher sind jüngere Bäume, namentlich frisch 
gepflanzte Heister. Borkenkäfer, einige Buprestiden und Rüsselkäfer, 
Raupen u. s. w. können junge Buchen, Eichen, Eschen, Rüstern, 
Birken ete. schwer schädigen und schon in einem Jahre tödten. Man 
bemerkt dies meist zur rechten Zeit, um die kranken Stämmchen 
noch vor Ausfliegen der Käferbrut entfernen zu können. Ein sicheres 
Kennzeichen ist namentlich das schneller als beim Nadelholze ein- 
tretende Welken der Blätter; auch an der Rinde verdächtiger Bäumchen 
wird man bei aufmerksamer Untersuchung die Bohrlöcher entdecken. 
Sehr leicht ist es, Raupen- oder Käferfrass an den Blättern zu bemerken. 
In allen den hier genannten Fällen ist also die Prognose nicht sehr 
schwierig, aber auch meist nicht nothwendig. 

57 


228 Kap. VI, Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


Etwas Anderes ist es mit den weit empfindlicheren Nadel- 
hölzern, diese erfordern grössere Aufmerksamkeit (vergl. S. 149). 
Nicht bios die alten, dern auch die jungen und ganz jungen Be- 
stinde sind viel mehr der Gefahr ausgesetzt, durch Insektenfrass ver- 
nichtet oder schwer geschädigt zu werden, als Laubhölzer von dem- 
selben Alter. 

Bei jungen Nadelhölzern treten die Symptome sehr bestimmt 
auf. Keimlinge und selbst etwas ältere Pflanzen lassen als schwächliche 
Individuen die tödtliche Erkrankung leicht erkennen. Wenn die noch 
zarten Wurzeln von Engerlingen onen werden, so lassen die 
Pflänzchen noch an "demselben Tage die Nadeln hängen, und man 
braucht gar nicht das Rothwerden derselben abzuwarten, um ihren Tod 
vorauszusagen. Schwächere Beschädigungen heilen die Pflanzen wohl 
auch wieder aus. Die stets mit dem Tode verknüpfte Schädigung der 
jungen Kiefern durch Larven von Pissodes notatus FAer. kennzeichnet 
sich im Juni und Juli leicht durch Welken der Triebe, ebenso sterben 
von Hylesinus cunicularius Er. befallene junge Fichten sehr bald 
ab. Leicht beurtheilen sich auch die Schäden, welche an jungen 
Kiefern und Fichten durch den Frass des grossen Rüsselkäfers, an 
Kiefern durch die Saateule hervorgerufen ea. Die Prognose bereitet 
hier keine Schwierigkeiten. Dede als die etwa zu ergreifenden 
Massregeln vom Zustande der Pflanzen selbst abhängen, kann man 
ruhig abwarten, ob sich dieselben erholen oder nicht, ehe man für 
die eingegangenen durch Ausbesserung der Kultur Ersatz schafft 

In älteren Nadelholzbeständen handelt es sich dagegen um den 
Schutz und die Erhaltung wirthschaftlicher Objeete, welche leicht und 
schnell nicht wieder ersetzt werden können. Sichere Todeskennzeichen 
fehlen hier zwar ebenfalls nicht, sind aber nicht immer so deutlich 
ausgesprochen, wie bei den jungen Pflanzen. Plötzliches Absterben 
kommt beim alten Baum, also bei einem aus vielen kleinen Individuen 
bestehenden Gesammtindividuum nicht vor, das Absterben erfolgt mehr 
allmälig. So grünt manchmal der Wipfel noch längere Zeit, während 
unten am Stamme die Rinde sich bereits loslöst: ein sicheres Kenn- 
zeichen des Todes. Wir müssen schon zufrieden sein, wenn sich die 
bestimmten Todeszeichen noch vor Winter oder während des Winters 
einstellen, damit die Axt dem Verderben des Holzes vorbeugen kann. 
Zunächst ist hier der Frass der Rinden-, Bast- und Holzbeschädiger, 
in der Hauptsache also der Käferfrass, von dem der Nadelbeschädiger, 
also hauptsächlich dem Raupenfrasse, zu unterscheiden. 

Im Falle eines Käferfrasses, welcher im Nadelholze für jüngere 
und alte Bäume gleich gefährlich ist, gewöhnlich auch zum baldigen 
Abtriebe drängt, ist zuerst die Rinde zu beobachten, an der sich die 
Borkenkäfer durch Bohrlöcher und Wurmmehl, Pissodes piniphilus 
Hssr. und hercyniae Hssr., sowie Tetropium luridum L:u2a% 
durch Harztropfen verrathen. Das Bleichen und Rothwerden der Nadeln 
tritt zuweilen bald ein, bei Fichte schneller als bei Kiefer; manchmal 
bleibt es auch bis zum Winter oder bis zum nächsten Frühjahre aus. 


Untersuchung des befallenen Bestandes. 229 


Dies istz. B. bei Frass von Pissodes piniphilus der Fall und bei Borken- 
käfern dann, wenn der Anflug erst im Spätherbst erfolgte. Von Borken- 
oder Stangenrüsselkäfern befallene Bäume sind unrettbar verloren. Eine 
Ausnahme hiervon machen höchstens die alten Kiefern, welche in ihrer 
dieken Borke nur Ueberwinterungsgänge des Hylesinus piniperda L. 
zeigen. Die wirklich befallenen Bäume bieten also keine Schwierig- 
keiten bezüglich der Prognose, sie müssen schon wegen der Gefahr der 
W ns des Uebels unter allen Umständen gefällt, bei Borken- 
käferfrass auch entrindet und entfernt werden, selbst für den Fall, dass der 
betroffene Bestand nicht mehr zu retten As, umso mehr aber, wenn 
letzteres noch möglich. Nur bei glücklicherweise seltenen, besonderen 
Unglücksfällen ist diese Möglichkeit ausgeschlossen, wenn man gegen 
Borkenkäfer mit Fällung von Fangbäumen stets in richtiger Weise vorgeht. 
Schwierige Zweifel entstehen dagegen oft bei den Nadelfressern, 
beiRaupenfrass, da der T'od oder die mögliche Genesung des befallenen 
Baumes oder der befallenen Bestände nicht blos von der Art des 
Nadelholzes und von der Insektenart abhängt, sondern ganz wesentlich 
von der Intensität des Frasses und von der Witterung (vergl. S. 226). 
Nur in seltenen Fällen werden einzelne Stämme wirklich todt gefressen, 
das heisst inmitten des Frasses getödtet. Der Abtrieb eilt hier zwar 
nicht so sehr wie bei „Wurmtrockniss”, weil sich die Schädlinge nicht 
innerhalb der Frassobjeete entwickeln, und man Zeit hat, die Kranken 
länger zu beobachten, allein die Frage darnach, ob und welche Ver- 
tilgungsmittel zu ergreifen sind, muss wesentlich auch nach dem Zu- 
stand des befallenen Bestandes eninchieden werden. Ist letzterer einmal 
rettungslos verloren, so sind zu seinem Schutze keine Kosten auf- 
zuwenden, sondern nur zur Verhinderung der Verbreitung des Uebels 
in Nachbarbestände. Lärche und Tanne werden seltener eingehendere 
Untersuchungen nothwendig machen, viel öfter Fichte und Kiefer. 
Als Zeichen eines bald zu erwartenden Todes nach Raupenfrass 
gilt das Trocknen und Welken der Knospen, sowie selbstverständlich 
das Auftreten von Borkenkäfern, Hylesinen und Bockkäfern. Wenn 
die Knospen beim Durchschneiden nirgends mehr grüne Nadelchen 
zeigen, dann ist allerdings der Baum todt, indessen kann man nicht 
umgekehrt aus dem grünen Inhalte der Knospen stets auf Gesundheit 
schliessen; dergleichen Bäume sterben trotzdem manchmal plötzlich ab. 
Für die Fichte kommt besonders der Frass der Nonne in Be- 
tracht, der nicht selten den Tod herbeiführt, manchmal aber wenig 
schadet. In der Regel zeigen die Fichten meist ein früheres Roth- 
werden der Nadeln als die Kiefern, so bei Nonnenfrass, oft schon im 
Herbste. Es ist das sehr auffallend, wenn scheinbar nur eine so geringe 
Beschädigung der Bäume stattfand, dass ein Viertel oder selbst die 
Hälfte der Benadelung erhalten blieb. Im Sommer ist also die Prognose 
äusserst schwierig und unsicher. Kiefern halten einen viel stärkeren 
Frass aus als Fichten. Man wird also bei Nonnenfrass für erstere wohl 
immer auf Wiedergenesung hoffen dürfen. Auch nach dem Frasse der 
Forleule hat man wiederholt beobachtet, dass sich trotz vollständigen 


230 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


Kahlfrasses die Bäume wieder erholten, selbst solche, bei denen schon 
viele Knospen abgestorben waren, ein Beispiel, welches lehrt, dass man 
mit der Vorhersage des Todes vorsichtig sein muss. Andererseits ist 
in Folge des durch Kiefernspanner eingetretenen Kahlfrasses, allerdings 
unter Hinzutritt anderer ungünstiger Umstände, schon unerwartet der 
Tod eingetreten. Noch grössere Schwierigkeiten bietet die Vorhersage 
in Kiefernbeständen beim Frass des Spinners, und ist man in früheren 
Zeiten nicht selten wegen irriger Vorhersage zu schnell mit dem Ab- 
triebe vorgegangen. Allerdings ist auch bei Kiefern die Zerstörung der 
Knospen in grosser Ausdehnung eine Todesursache. Je mehr Knospen 
zerstört wurden, desto zahlreicher treten auch andere Anzeigen schwerer 
Erkrankung hervor, wie Rosetten (Fig. 92) und Scheidentriebe (vergl. 
S. 144). Einzeln, also unbedeutend, erscheinen Rosetten auch nach 
Spanner-, zuweilen auch nach Eulen- und Nonnenfrass, massenhaft 
jedoch nach dem Frass des Kiefernspinners, und sind immer mit 
kümmerlicher Ausbildung der Jahresringe verknüpft. Hat man auch 
dann noch bezüglich der Vorhersage Zweifel, so untersuche man, ob 
der Weichbast schon gelbfleckig oder wässerig wird oder sich gar 
zunderartig auflöst, im hohen Grade „aufgebacken” erscheint, und 
ob dem letzten Jahrringe nicht schon Harzcanäle und Herbstholz, 
„Braunholz”, fehlen. In vielen Fällen sind, selbst ohne Eintritt der Bil- 
dung von Rosetten, schon die vorhergehenden Ringe mehr. oder weniger 
abnorm; theils sind sie sehr schmal, theils zeigen sie „Harzketten’’ 
(vergl. S. 146), welehe immer ein bedeutendes Sinken der Lebens- 
thätigkeit bekunden. An einzelnen hoffnungslosen oder sehr zweifel- 
haften Bäumen kann man dann auch „fenstern”, d. h. man schneidet 
ein Rindenfenster von einigen Quadratcentimetern aus, um auf dem 
dadurch entblössten Splinte die austretenden Harztröpfehen beobachten 
zu können. Dies kann zum Vergleiche zwischen gesunden und kranken 
Stämmen sowohl im Winter, wie im Sommer geschehen. Kleine und 
sehr sparsame Harztröpfchen verrathen eine bereits eingetretene Schwäche 
des Baumes. 

Auch der Zustand der Benadelung kann ein die Prognose wesent- 
lieh unterstützendes Zeichen sein, um so mehr, weil es im Grossen 
sichtbar ist, und weil man doch nicht jeden einzelnen Baum genau 
untersuchen kann. Blos nach der Benadelung darf man indessen nicht 
urtheilen, denn selbst Kahlfrass ist nicht gleichbedeutend mit Todt- 
frass. Sicher ist er dies nur in dem Falle, wenn auch viele Knospen an- 
oder abgefressen oder die Triebe selbst von den Raupen stark be- 
schädigt wurden, wie es bei starkem Spannerfrass oft der Fall ist. 
Für Stämme, welche ohne wesentliche Beschädigung der Knospen 
wenigstens noch die halbe Benadelung erhalten haben, droht gar keine 
Gefahr; anders ist es bei solchen, welche nur noch eine geringe An- 
zahl von Nadelbüscheln zeigen. Für Stangenhölzer, die nicht wenigstens 
100 Nadelbüschel und für ältere Bäume, welche nicht wenigstens 
200 Nadelbüschel pro Stamm behalten, ist nach Ratzerurc Gefahr 
zu befürchten, 


Untersuchung des befallenen Bestandes. Werth des angegriffenen Holzes. 231 


Die Möglichkeit der Durchführung zweckmässiger Bekämpfungs- 
massregeln hängt ferner auch ab von den Hilfsmitteln, über welche der 
Waldbesitzer verfügen kann. Der Kleinbesitzer ist meist nicht in der 
Lage, so bedeutende Kosten aufzuwenden wie der Grossbesitzer, wie 
namentlich der Staat. Da aber auch ein kleiner Wald zum Herde für die 
Ansteckung weiterer Bezirke werden, also eine Gefahr für die All- 
gemeinheit bringen kann, und da der Wald ausser seinem directen wirth- 
schaftlichen Werthe für den Besitzer auch eine weitere Bedeutung für das 
Volkswohl überhaupt hat, so wird es die Aufgabe des Staates, die wirth- 
schaftlichen Massregeln der Kleinbesitzer durch Gewährung des Rathes 
von Sachverständigen, unter Umständen auch durch Arbeitskräfte, durch 
Stellung von Militär oder Sträflingen, sowie durch Vorstreckung des 
nöthigen Geldes (vergl. 8. 244) zu unterstützen, die Bekämpfung der 
Forstschädlinge aber gesetzlich zu fordern. 


Werth und Behandlung der von Insekten befallenen oder 
getödteten Bäume und Bestände. 


Trotz aller. Vorbeugungs- und Vertilgungsmassregeln wird man 
leider die Insektenschäden niemals ganz aus dem Walde verbannen 
können, ja das Zusammenwirken vieler, eine ausserordentliche Ver- 
mehrung der Schädlinge begünstigenden Umstände kann auch heute noch 
selbst einem ganz rationell bewirthschafteten Walde wirkliche Insekten- 
verheerungen bringen, wenn auch nicht in so erschrecklicher Ausdehnung 
wie jenen Waldungen, in welchen eine solche Wirthschaft noch nicht zu 
finden ist. Deshalb verdient die Frage nach dem Werth und nach der 
Behandlung des von Insekten befallenen oder bereits getödteten Holzes 
die Beachtung des Forstwirthes. Geben auch Wissenschaft und Erfahrungen 
noch keine vollständig genügende Antwort auf diese Frage, so lassen 
sich doch wenigstens einige Fingerzeige gewinnen. 


Der Werth des von Insekten befallenen oder getödteten Holzes 
wird direct und am deutlichsten beeinträchtigt durch die sogenannt 
technisch schädlichen Insekten (vergl. S. 152), zum Theil schon 
ehe die befallenen Bäume getödtet sind, zum Theil erst nach dem Tode 
oder nach der Fällung derselben. Indirect findet eine solche Schädigung 
dadurch statt, dass das von Insekten getödtete Holz an Qualität ver- 
liert, und zwar um so mehr, je länger es stehen bleiben muss, ehe es 
zur Fällung gelangt. Es erklärt sich dies dadurch, dass, je länger das 
getödtete oder tödtlich befressene Holz auf dem Stocke steht, desto mehr 


232 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


der natürliche, von Pilzen eingeleitete oder begleitete Zersetzungsprocess 
vorschreitet. Auch dürfte hierbei wohl die Jahreszeit, in welcher das Holz 
abgestorben ist, nicht ohne Einfluss sein. 


Beispiele nur technisch schädlicher Insekten im todten Holze 
und solcher, die bereits im lebenden Holze hausen, also zugleich 
physiologisch schädlich werden, vergleiche 8. 152. Von den die Qualität 
des Holzes durch Todtfressen der Bäume schädigenden Insekten sind 
in erster Reihe Kiefernspinner und Nonne, sowie die Bastzerstörer unter 
den Borkenkäfern zu nennen. 

Bezüglich der Werthverminderung lassen sich nach Raupenfrass 
zwei Hauptklassen unterscheiden: Winter- und Saft-Raupenholz. 
Ersteres ist das in dem auf den Frass folgenden Winter gefällte und 
aufbereitete, letzteres das später, nach dem Winter gefällte Holz. Das 
Winter-Raupenholz ist, wie die Erfahrungen gelehrt haben, das bessere, 
weil der Zersetzungsprocess in ihm durch die rechtzeitige Fällung und 
die mit ihr verbundene Austrocknung verhindert wird. Zwischen diesen 
Hauptwerthklassen gibt es natürlich als Uebergänge zahlreiche Ver- 
schiedenheiten, welche sich auf fest bestimmte Stufen nicht zurück- 
führen lassen, und daher die Gewinnung massgebender Erfahrungen 

° erschweren. Zwischenklassen, welche etwa aus den schon im Frass- 
sommer selbst getödteten, „todtgefressenen” Stämmen sich bildeten, 
nimmt indessen Forstmeister ScuurLtz nicht an, denn vor Ende Juli 
gibt es keine ganz abgefressenen Bäume. 


Vorzügliches Interesse gewähren in dieser Beziehung die grossartigen Er- 
fahrungen, welche man bei dem letzten Nonnenfrasse in Ostpreussen bezüglich 
der Fichte gemacht hat. Forstmeister Schuurrz, mit dessen Angaben auch die des 
Oberförsters AuLEMmAnN ziemlich harmoniren, hat sie in den Verhandlungen des 
Schlesischen Forstvereines gelegentlich mitgetheilt, auch hat er ihnen eine besondere 
Abhandlung [,„Georgine”, Zeitschrift für landwirthschaftl. Cultur, Gumbinnen 1856] 
gewidmet: „Ueber die Dauer des von der Nonne getödteten Holzes als Bauholz, 
Vortrag, gehalten im ökonomischen Vereine”. Man durfte diese vor vielen Sach- 
verständigen vorgetragenen Resultate schon damals als reif ansehen, sie haben 
aber auch noch später die Probe ausgehalten. So heisst es z. B. in einer brieflichen 
Mittheilung an Rarzesung: „Klobenholz, welches im Sommer 1855 getödtet, aber 
gleich im nächsten Winter eingeschlagen, instructionsmässig gespalten und dann 
geschält und aufgeklaftert worden war, konnte noch im Jahre 1860 als gutes 
Brennholz angesprochen werden, während die damals nicht gefällten, abgestandenen 
Hölzer desselben Bestandes, also Saft-Raupenholz, zum Theil schon so verwittert 
sind, dass sie beim Fällen oft in 2 bis 3 und mehr Stücke zerspringen.” 

Sehr beachtenswerth sind auch folgende Untersuchungen: Oberforstmeister 
v. Massow veröffentlicht in der „Forst- und Jagdzeitung” [J. 1856, S. 223] die von 
Dr. Sonsenschkin angestellten Untersuchungen über die Frage, ob die ostpreussischen 
nonnenfrässigen Fichten vom Jahre 1855, welche 1856, obgleich vollständig entnadelt, 
noch auf dem Stamme standen, den ganz gesunden gegenüber einen Unterschied 
darböten. Beide Hölzer wurden zuerst der trockenen Destillation unterworfen und 
von beiden fast dieselben Quantitäten der Zersetzungsproducte gewonnen, nämlich 
aus dem gesunden Holze: Wasser 61'5%/,, Theer 40%/,, Kohle 13°/,,"Gas 20°50/,, 
Essigsäure 10/,, während man vom todten Holze nur etwa 0:50, Theer, 1°/, Kohle 
mehr, dafür etwas weniger Gas erhielt, was vielleicht daher rührte, dass das 
analysirte gesunde Holz mehr fein-, das kranke mehr grobjährig war. Letzteres 
hatte übrigens auch ein kleineres specifisches Gewicht. 


Er, 
Eu # 


Werth und Behandlung des von Insekten angegriffenen Holzes. 233 


Nach diesen Untersuchungen wird angenommen, dass das Raupenholz, wenn 
es überhaupt rechtzeitig, d. h. vor Beginn der nächsten Safteireulation gefällt wird, 
als Brenn- und Bauholz gleichen Werth und gleiche Dauer mit dem gesunden hat. 


Die nachtheiligere Einwirkung des Raupenfrasses auf die Qualität 
des Holzes erklärt sich wohl dadurch, dass durch Vernichtung der 
Blattorgane die Verdunstung des Wassers mehr oder weniger plötzlich 
in dem bis dahin gesund vegetirenden Baume gestört wird, während 
bei Borkenkäferfrass die verdunstenden Blattorgane noch lange thätig 
bleiben, wenn auch die Zerstörung der Bastschicht durch den Käfer 
schon sehr weit vorgeschritten ist. 


Das durch Borkenkäfer getödtete Holz wurde in Preussen dem 
Raupenholze vorgezogen, auch wenn beides frisch abgestorben war. 
Dies berichten übereinstimmend die Forstmeister SchuLtz und AHLEMANN. 
Vielleicht dürfte sich aber hierbei ein Unterschied ergeben, je nach- 
dem die Fichten von der ersten oder von einer späteren Generation 
des Käfers getödtet wurden. Das erst im Sommer befallene Holz ist 
möglicherweise brauchbarer. 

Nach Wurmfrass fällt auch die Rinde leichter ab, wodurch die 
Austrocknung noch mehr befördert wird. Eigenthümlich auffallend ist 
die Ende August 1874 im Böhmerwalde wiederholt beobachtete Er- 
scheinung, dass die äusseren Splintschichten der vom Borkenkäfer 
stark befallenen, mit Larven, Puppen und jungen Käfern besetzten, 
aber noch lebenden Fichten bereits eine blaue Färbung angenommen 
hatten. Dieses Blauwerden bemerkte man aber nur an jenen Stamm- 
theilen, welehe mit Brut besetzt waren, während die untersten, nicht 
befallenen Stammtheile noch eine gesunde Farbe zeigten. 


Die Behandlung der von Insekten befallenen oder getödteten 


Bäume und Bestände ist nicht blos als Vorbeugungs- oder Vertilgungs- 
massregel gegen schädliche Insekten wichtig, sondern auch vom Gesichts- 


punkte der Forstbenutzung, d. h. von dem der Verwertbung des Holzes 


zu 


betrachten. Beide Rücksichten gehen nicht selten Hand in Hand, mit- 


unter widersprechen sich dieselben aber. 


Um Kulturverderber kann es sich an dieser Stelle nicht handeln, 


da von ihnen kein absatzfähiges Material zerstört wird. Anders ist es mit 


Bestandsverderbern. Hier tritt neben die Rücksicht auf die Insektengefahr 


selbst, die auf den richtigen Zeitpunkt der Benutzung, bevor das kranke 


oder getödtete Holz an Werth verliert. 


Bei alten Laubhölzern drängt, wie wir früher sahen, der Insekten- 
vertilgung wegen die Fällung nicht; nach Raupenfrass an Blättern und 
Blüthen erholen sie sich stets und Käfer- wie Raupenfrass im Bast oder 
im Holze halten sie gewöhnlich Jahre lang aus. Dagegen kann die 
möglichste Erhaltung der technischen Brauchbarkeit des Holzes baldige 
Fällung wünschenswerth machen, wenn Insektenlarven im Holz ihre 


[2 


234 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


zerstörenden Gänge fressen; denn, je länger man diese gewähren lässt, 
desto mehr wird der Werth des Holzes geschädigt. Beispiele hierzu 
liefern Cerambyx cerdo L. in Eichen, Cossus ligniperda FABr., Saperda 
cacharias L. und Sesia apiformis UL. in Aspen, Tomicus domestirne FR 
in verschiedenen Laubhölzern, Birken und Buchen u. s. w. Auch starker 
Frass von Scolytus Ratzeburgii Jans. kann eine schleunige Fällung 
von Birken nöthig machen, nicht etwa wegen der Schäden, welche 
die Käferlarven durch ihren Frass direct anrichten, sondern weil das 
kränkelnde Birkenholz sehr bald an Qualität verliert. 

Wie bei den Vorbeugungs- und Vertilgungsmassregeln, handelt 
es sich auch hier mehr um ai Nadelhölzer, als um die Laubhölzer. 
In älteren Nadelholzbeständen tritt leider häufig der Fall ein, 
dass sich die Rücksichten auf Bekämpfung des Frasses, die auf eine 
sute Hiebsordnung und die auf beste Verwerthung des befallenen oder 
getödteten Holzes widersprechen, und deshalb lässt sich auch nur im 
Einzelfalle bestimmt vorschreiben, was zu thun sei. 

Bei Käferfrass ist, wie wir oben sahen ($. 229), die Prognose 
meist leicht, weit schwieriger bei Raupenhölzern. Von Borkenkäfern oder 
Stangenrüsselkäfern befallene Stämme lassen niemals Hoffnung auf Er- 
haltung zu; sie müssen möglichst alle gefällt werden, ehe die Brut 
ausgeflogen ist, nicht blos um die Vergrösserung des Uebels zu ver- 
hindern, sondern auch, um sie verwertlien zu können, bevor die 
Qualität des Holzes Schaden gelitten hat, mögen dadurch auch Gefahren 
bezüglich der Hiebsordnung hervorgebracht, mag dadurch auch der 
Holzmarkt überfüllt werden, gleichviel. Ist dagegen die Brut einmal 
ausgeflogen, dann kann es ale: sein, mit dem Hiebe die bereits 
setödteten Bäume oder Bestände zu verschonen, wenn nämlich die vor- 
handenen Arbeitskräfte auf neue Objecte des Frasses concentrirt werden 
müssen. Erleidet dadurch auch der Werth .des später zu schlagenden 
Holzes Schaden, so muss solchen Falles doch die Rücksicht auf 
energische Bekämpfung der kleinen Waldverderber obenan stehen. Ja 
selbst der Hieb ganz gesunder, zu Fangbäumen dienender Hölzer muss 
der Nachräumung der bereits getödteten vorausgehen. Weder Ueber- 
füllung des Marktes, noch Furcht vor. Schaffung von Windlöchern 
dürfen davon abhalten. 

Etwas anders gestaltet sich die Sache bei den Raupenhölzern 
Je unsicherer hierbei oft die Prognose ist, desto mehr kann man 
wenigstens einige Rücksichten auf die Hiebsfolge nehmen, da überdies 
durch das versuchsweise Stehenlassen befressener, noch zweifelhafter 
Bestände die Insektengefahr nicht unmittelbar vergrössert wird. Nur 
dann, wenn die einen sicheren T'od verkindenden Borkenkäfer secundär 
auftreten, gestaltet sich die Sache anders. Aeltere und jüngere Orte, 
welche bereits im Wirthschaftsplane zum Hiebe gesetzt sind, müssen, 
wenn sie ganz entnadelt wurden, oder wenn überhaupt die vorstehend 
angegebenen Kennzeichen den wahrscheinlichen Tod erwarten lassen, 
Kofort seschlagen werden. Selbst die bezüglich ihres Wiederergrünens 
en Ge dieser Kategorie wird man am besten sofort mit 


Behandlung des von Insekten angegriffenen Holzes. j 235 


abtreiben, weil dadurch noch seiner Qualität nach gutes Holz gewonnen 
werden kann. Es versteht sich von selbst, dass dann der Hieb in 
allen anderen, gar nicht oder nur unerheblich befressenen Hiebsorten 
ruhen muss. Aehnlich ist mit jenen älteren Beständen oder Bestands- 
theilen zu verfahren, welche zwar nicht planmässig zum Hiebe gesetzt 
sind, denen man jedoch ohne wesentliche Störung der Hiebsordnung 
leicht beikommen kann. Bei zweifelhaften Beständen dieser Kategorie 
empfiehlt sich schon mehr eine Zögerung mit dem Abtriebe. Wenn 
jüngere, entschieden unreife Bestände oder solche, deren Abtrieb nur 
mit gefährlichen Störungen der Hiebsfolge verknüpft ist, in Frage 
kommen, so soll ihr Einschlag allerdings erst dann erfolgen, wenn die 
sichere Gewissheit des Todes entweder durch unzweifelhafte Kennzeichen 
als direete Folgen des Raupenfrasses, oder durch das Auftreten von 
Borkenkäfern, namentlich in Fichten, vorliegt. 

So lange es thunlich, wird man allerdings auch aufdie Möglichkeit 
des Absatzes Rücksicht nehmen müssen, denn das geschlagene Holz ist 
eine Waare, welche sich nicht jahrelang im Walde aufbewahren lässt, 
ohne Schaden zu erleiden. Gerade diese Rücksicht hat man in neuerer 
Zeit mehr in den Vordergrund treten lassen als früher. Nur dann wird 
man also auch zum Abtriebe der noch zweifelhaften Bestände schreiten 
dürfen, wenn der Einschlag wegen geringer Ausdehnung des Frasses 
nicht so bedeutend ist, dass dadurch die Preise gedrückt würden. Je 
ausgedehnter der Frass war, je mehr also eine nachtheilige Ueber- 
füllung des Marktes durch grossen Einschlag zu fürchten ist, desto 
mehr wird man den Abtrieb der zweifelhaften Orte verzögern. Ja oft 
wird man wohl gut thun, sich auf plänterweise Entnabme der einzelnen, 
zweifellos getödteten Bäume und Baumgruppen zu beschränken, obgleich 
eine solche Plänterwirthschaft bekanntlich tausendfältige andere Un- 
annehmlichkeiten für die Wirthschaft mit sich bringt. 


Bezüglich des Einschlages selbst lassen sich folgende allgemeine 
Gesichtspunkte angeben, die allerdings nach den verschiedenen Um- 
ständen die verschiedensten Modifieationen erleiden können und müssen. 

Zuerst ist der Hieb möglichst in jene Bestände zu legen, wo Lang- 
nutzholz — Stämme und Klötze — ausgehalten werden soll. Ist noch 
Brut von Borkenkäfern oder Stangenrüsselkäfern vorhanden, so begnüge 
man sich nicht damit, die Hölzer rasch zu verkaufen und aus dem Walde 
zu schaffen; die Lagerplätze, auf welche die Käufer solche Hölzer 
bringen, werden dann zu Infeetionsherden für den eigenen Wald, wenn 
sie sich in der Nähe desselben befinden, oder für andere Waldungen. 
Die Brut ist vielmehr vor dem Verkaufe des Holzes zu vernichten. Ist 
sie bereits ausgeflogen, so kommt es bei Raupenhölzern hauptsächlich 
darauf an, die Austrocknung möglichst zu beschleunigen. Es geschieht 
dies am besten durch vollständige Entrindung oder wenigstens durch streifen- 
oder platzweises Entfernen der Rinde. 


256 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


Soll Spaltnutzholz aufbereitet werden, so folgen die damit beauf- 
tragten Arbeiter sofort hinter denen, welche das Langholz fällten. Entrindung 
und unter Umständen Vernichtung der Käferbrut ist hier ebenfalls nöthig. 

Nach der Aufbereitung des Nutzholzes und nach dessen Sicherung 
vor Verderben geht man an die Aufbereitung des Brennholzes. Ganze 
oder theilweise Entrindung ist hier nur nöthig, wenn Käferbrut vor- 
handen ist. 

Alles Spaltholz soll zum Zwecke besseren und rascheren Aus- 
trocknens kleiner gespalten werden, als es sonst gewöhnlich üblich ist. 

Namentlich Raupenholz darf nicht ungespalten, rund in die Stösse 
geschichtet werden, deshalb ist auch das sogenannte Knüppel- oder 
Prügelholz zu spalten, welches sonst gewöhnlich ungespalten bleibt. 

Alles gespaltene Holz soll erst einige Zeit an der Luft, womöglich 
in der Sonne liegen, ehe es aufgeschichtet wird, damit es vorher gut 
austrockne. Bei Schichtung der Stösse selbst sind dann ganz besonders 
jene Vorsichtsmassregeln zu beachten, welche im Allgemeinen die Rück- 
sicht auf eine gute Austrocknung bedingt. Man schichte weder im Walde, 
noch auf Vorrathsplätzen zu grosse Massen zusammen und stelle die 
Stösse auf Unterlagen. 

Bietet sich die freilich leider seltene Gelegenheit, das frisch ge- 
fällte Holz, sei es Langnutzholz oder Spaltholz, wenn es nicht bald 
verkauft werden kann, sondern in Vorrath längere Zeit liegen bleiben 
muss, selbst ungeschält, sogleich in das Wasser zu werfen, so thue 
man es, weil die Erfahrung lehrt, dass durch das Auslaugen des Holzes 
im Wasser vortheilhaft auf dessen Qualität eingewirkt wird. Ein in diesem 
Sinne ebenfalls vortheilhaft wirkendes, sofortiges Triften oder Flössen 
des frisch gefällten Holzes wird wegen des hohen Gewichtes desselben 
selten und nur auf sehr günstigen Wasserstrassen thunlich sein. 


Die gesetzliche Regelung der Bekämpfung der Forst- 
schädlinge. 

Die Wichtigkeit einer rationellen Bekämpfung der Forstschädlinge, 
sowie die Thatsache, dass ein Wald zum Infeetionsherd für den andern 
werden kann, hat in vielen Kulturstaaten den Erlass gesetzlicher Vor- 
schriften hierüber hervorgerufen. Dort, wo die dem Einzelnen möglichen 
Massregeln des Forstschutzes nicht mehr ausreichen, muss die Forst- 
polizei eingreifen. 

Diese gesetzlichen Vorschriften haben sich zu erstrecken: 1. auf 
die Schonung insektenfressender, nützlicher Thiere, als wichtige Vor- 


Der Einschlag d. v. Insekten getödteten Holzes. Gesetzliche Vorschriften. 237 


beugungsmassregel; 2. auf Massregeln der Bekämpfung von Insekten- 
schäden bei bereits eingetretener Gefahr. 


Die gesetzlichen Vorschriften über die Schonung nützlicher Vögel, 
in erster Reihe der Insektenfresser unter ihnen, sind nicht blos für die 
Forstwirthschaft, sondern auch für Landwirthschaft, Obst- und Gartenbau 
von Bedeutung. Bereits seit einer Reihe von Jahren beschäftigt diese 
Frage die öffentliche Meinung und die gesetzgebenden Factoren der 
Kulturstaaten. 


Die Schriften des Dr. GLOGER waren namentlich die Ursache, dass 
man in der Mitte dieses Jahrhunderts anfing, einen energischen Schutz für 
die nützlichen Vögel zu fordern. Die widersprechendsten Ansichten machen 
sich jedoch stets geltend, wenn es sich um die Lösung der schwierigen Auf- 


gabe handelt, zum Zwecke dieses Schutzes Gesetze zu erlassen. Die 


grösste Schwierigkeit liegt darin, dass es nicht möglich ist, Nutzen und 
Schaden, welchen die verschiedenen Arten der sogenannt nützlichen Vögel 
bringen, genau abzuwägen (vergl. S. 134). Selbst die nützlichsten 
Insektenfresser können unter Umständen durch Vertilgung entschieden 
nützlicher Insekten oder auch dadurch, dass sie sich zeitweise von 
Obst und Getreide nähren, im einzelnen Falle schaden. Deshalb hat es nie 
gelingen wollen, ein wirklich richtiges, allgemein anerkanntes Ver- 
zeichniss der nützlichen oder der schädlichen Vögel aufzustellen, und des- 
halb zeigen die bestehenden gesetzlichen Vorschriften in den verschie- 
denen Ländern ganz wesentliche Unterschiede. 


Einen durchgreifenden Schutz einzelner Arten kann man nicht erlangen, 
weil es unrichtig wäre, bei der Bevölkerung die Kenntniss der Ormnithologie 
vorauszusetzen, welche genügt, um die zu schützenden Arten von anderen zu 
unterscheiden. Deshalb hat man z. B. im Königreich Sachsen durch das 
Gesetz vom 22. Juli 1876 ein absolutes Verbot des Fangens und Erlegens der 
kleineren Feld-, Wald- und Singvögel erlassen. Nach diesem Gesetze sind ferner 
nicht mehr Gegenstand des Jagdreehts: Lerchen, Drosseln und alle kleineren 
Feld-, Wald- und Singvögel, zu welchen jedoch Rebhühner, Wachteln, Becassinen, 
Schnepfen und wilde Tauben, sowie die kleineren Raubvögel und alle Würger- 
arten nicht zu rechnen sind. Durch Verordnung von 1878 wurden die Ziemer 
und durch solche von 1882 Sperlinge, Raben, Krähen, Elstern, Dohlen und Heher 
von der Schonung wieder ausgenommen. Früher wurden in Sachsen nach dem 
Mandat von 1817 alle kleinen Vögel sehr richtig zur Niederjagd gerechnet. 


Weniger durchgreifend verfuhr man in anderen Ländern. 


In Preussen sind durch Ministerialreseripte vom 4. Februar 1860 und 
18. September 1867 die Bezirksregierungen veranlasst worden, das Tödten, Fangen 
und Feilbieten derin einem beigefügten Verzeichnisse aufgezählteninsektenfressenden 
Vögel, sowie das Ausnehmen und Zerstören ihrer Nester ete. durch Polizeiverord- 
nungen bei Strafe zu untersagen. Diese Verordnungen sind nach einem gemein- 
samen Formulare abgefasst, jedoch mit den aus ihrer geographischen Lage und 
sonstigen besonderen Verhältnissen sich ergebenden Modificationen. Auch bestimmt 
$ 33 des Forst- und Feld-Polizeigesetzes vom 1. April 1850: 


238 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


.Mit Geldstrafe bis zu 30 Mark oder mit Haft bis zu 1 Woche wird bestraft, 
wer, abgesehen von den Fällen des $ 368, Nr. 11 des Strafgesetzbuches, auf 
fremden Grundstücken unbefugt nicht jagdbare Vögel fängt, Sprenkel oder ähn- 
liche Vorrichtungen zum Fangen von Singvögeln aufstellt, Vogelnester zerstört 
oder Eier oder Junge von Vögeln ausnimmt. Die Sprenkel oder ähnliche Vor- 
richtungen sind einzuziehen.” 

Der hier citirte $ 368, Nr. 11 des Reichsstrafgesetzbuches, bestimmt: 

„Mit Geldstrafe bis zu 60 Mark oder mit Haft bis zu 14 Tagen wird bestraft: 

11. Wer unbefugt Eier oder Junge von jagdbarem Federwild oder von 
Singvögeln ausnimmt.”” 

In Bayern verbietet eine Verordnung vom 4, Juni 1566 das Einfangen, 
Tödten und den Verkauf von 32 besonders genannten Vogelarten. Diese Verbots- 
bestimmungen sind auch bei der Jagdausübung zu beachten. Ausnahmen können 
die Kreisregierunger zu wissenschaftlichen und Unterrichtszwecken, sowie auch im 
Interesse der Landwirthschaft bezüglich einiger Vogelarten für einen bestimmten 
Bezirk auf einen bestimmten Zeitraum gestatten. 

In Württemberg wird durch Verordnung vom 16. August 1878 den nicht 
zur Jagd gehörigen, im Freien lebenden Vögeln theils ein unbedingter Schutz 
gewährt, in Folge dessen sie überhaupt nicht gefangen oder getödtet werden 
dürfen, theils durch eine Schonzeit ein bedingter. Ausgenommen sind: Uhu, 
Weinen, Habicht, Milane, Adler, Geier, Falken, jedoch nicht der Thurmfalke, 
Elster, grosser Würger, Kolkrabe und Fischreiher. Unter bestimmten Voraus- 
setzungen kann die Erlegung gewisser, nur bedingt geschützter Vögel, nämlich der 
Saatkrähen, Eisvögel, Mäuse- und Wespenbussarde, Thurmfalken, Sperlinge und 
Staare auen in der Schonzeit gestattet werden. Das Ausnehmen oder Zerstören 
der Eier, Jungen und Nester aller bedingt oder unbedingt geschützter Vögel ist 
verboten. Das Feilhalten, der Verkauf und Ankauf geschützter Vögel, ihrer Eier 
und Nester ist unter Strafe gestellt. Bei einer Ueberhandnahme der nicht ge- 
schützten schädlichen Vögel, und wenn die zu ihrer Erlegung zunächst befugten 

Jagdberechtigten eine Verminderung nicht bewerkstelligen, kann obrigkeitliche 
Ermichagine zum Vogelfang an einzelne gut prädicirte Personen in widerruflicher 
Weise für bestimmte Dauer gegeben werden. Dispensationen von den Verboten 
kann für wissenschaftliche und sonstige Zwecke in einzelnen Fällen das Mini- 
sterium des Innern ertheilen. 

In Baden ist durch Verordnung vom 1. October 1864 das Einfangen und 
Tödten der heimischen Singvögel, mit Einschluss der Meisen, Lerchen, Drosseln, 
Amseln und Staare, der Schwalben, Krähen, Spechte und sonstigen kleineren Feld- 
und Waldvögel, welche nicht zum Jagdwild gerechnet werden, verboten. Gestattung 
von Ausnahmen ist, wo dringende Gründe es erheischen, dem Ministerium vor- 
behalten. Bezirks- und Ortspolizeibehörden sind ermächtigt, diese Vorschriften 
auf den Schutz anderer Vögel, wie namentlich der Mäusebussarde, Thurmfalken 
und Eulen, mit Ausnahme des Uhus, da auszudehnen, wo besondere Verhältnisse des 
Bezirkes oder der Gemarkung dies nöthig machen. Auch $ 70 des Forstgesetzes 
von 1873, neue Fassung des Gesetzes von 1833, verbietet den Fang der Meisen 
und anderer Waldvögel, mit Ansnahme der zur Jagd gehörigen und der Raub- 
vögel, sowie das Ausnehmen oder Zerstören der Nester derselben. 

In Oldenburg erklärt das Gesetz vom 11. Januar 1873 für nützlich alle 
wildlebenden, mit Ans der jagdbaren und der in einem Verzeichniss auf- 
geführten Vögel, Raubvögel, Uhu, Würger, Rabenvögel und Fischreiher. In 
Betreff der j jaedbaren Vögel kommen die Jagdgesetze zur "Anwendung. Das Fangen 
und Tödten der nützlichen Vöcel, das Ausnehmen oder Zerstören der Eier oder 
Nester derselben ist ausser in Häusern oder umschlossenen Gärten verboten. Eine 
Ausnahme kann vom Ministerium, beziehungsweise von den Regierungen mit 
Rücksicht auf besondere locale Umstände vom 1. Juli bis 15. Februar gestattet 
werden. Verboten ist ferner der gewerbsmässige Handel mit todten und lebenden 
nützlichen Vögeln und deren Eiern; ausnahmsweise ist der Handel mit Drosseln, 
„Krammetsvögeln”, vom 1. October bis 8. December gestattet 

Auch in Oesterreich hat sich die Gesetzgebung des Vogelschutzes neuer- 
dings sehr angenommen. In den Jahren 1868 bis 1874 sind fast für jedes Kron- 


Pi; 
Er, 


Gesetzliche Vorschriften über die Schonung nützlicher Vögel. 239 


land besondere Gesetze erlassen worden, welche unter sich wesentliche Verschieden- 
heiten zeigen. Schon die ältere Zeit weist dergleichen Verordnungen auf, so in 
Böhmen in den Jahren 1804, 1819, 1837, 1839, 1847, 1851; in Niederösterreich 
werden ältere Verordnungen 1852 von neuem kundgemacht 


Am einfachsten und weitgehendsten sind die Gesetze für Steiermark, vom 
10. December 1868, und für Kärnten, vom 30. November 1870. Ersteres ver- 
bietet den Vogelfang, Ausnehmen der Eier und Jungen und das Zerstören der 
Nester überhaupt. Das Verbot erstreckt sich nicht auf das der Jagd vorbehaltene 
Federwild. Weitere Ausnahmen kennt dieses Gesetz nicht. Das Gesetz für Kärnten 
lautet fast gleich, nur nimmt es noch eine Anzahl speciell benannter Raubvögel, 
Adlerarten, Wanderfalke, Blaufuss-, Lerchen-, Zwergfalke, Gabelweihe, schwarzen 
Milan, Hühnergeier, Sperber, Rohrgeier, Uhu, grosse und kleine Sperrelster, Dorn- 
dreher, Elster, Kolkrabe aus. 

Die* Landesgesetze von Salzburg, vom 18. Januar 1872, und Istrien, 
vom 2. September 1870, fordern politische Bewilligung für den Fang aller jener 
namentlich aufgeführten Vögel, welche sich hauptsächlich oder auch nur zum 
Theile von Insekten nähren, unter Einhaltung einer Schonzeit vom 1. Februar 
in Salzburg, beziehungsweise 1. Januar in Istrien bis 31. August. Besonders benannt 
sind in einem Anhange alle schädlichen Vögel, deren Erlesen u. s. w. jederzeit 
gestattet ist; es sind dieselben wie die im Gesetz für Steiermark genannten, unter 
Zufügung der Raben- und Nebelkrähe und Weglassung des Dorndrehers. 


Das Gesetz für Böhmen, vom 30. April 1870, zählt A die schädlichen, 
B die hauptsächlich sich von Insekten und Mäusen und (€ die sich nur theilweise 
von Insekten nährenden Vögel auf. Erstere können durch das Jagdschutzpersonal 
stets in jeder Weise vertilet werden; die unter (€ genannten können mit Be- 
willigung der Gemeindebehörde, des Grundbesitzers und des Jagdberechtigten unter 
Einhaltung einer Schonzeit vom 1. Februar bis zum 14. September gefangen oder 
setödtet werden; der Fang und das Tödten der unter D genannten Vögel ist 
sänzlich verboten. Sperlinge gehören unter (©, Staare, Spechte unter DB. Aehnliche 
Bestimmungen enthält das Gesetz für Galizien vom 21. December 1874. 


Die Gesetze für Niederösterreich, vom 10. December 1865, Ober- 
österreich, Mähren, Schlesien, Vorarlberg, Bukowina und Görz, 
sämmtlich vom 30. April 1870, sowie für Krain, vom 17. Juni 1870, ver- 
langen nur für den Fang speciell genannter Vogelarten, welche sich hauptsäch- 
lich von Insekten nähren, die behördliche Bewilligung, die unter Einhaltung 
einer Schonzeit und mit Genehmigung der Grundbesitzer ertheilt werden kann 
Das Fangen und Tödten der nur zum Theil von Insekten lebenden, ebenfalls 
speciell genannten Vögel ist ausser der Schonzeit nur von der Zustimmung 
des Grundbesitzers abhängig. Die Schonzeit ist allgemein vom 1. Februar bis 
31. August bestimmt. Die schädlichen Vögel können jederzeit gefangen und getödtet 
werden. 

Das Gesetz für Tirol, vom 30. April 1870, nennt, ähnlich wie oben das für 
Kärnten, speeiell nur die schädlichen Vögel, welche stets gefangen und getödtet 
werden können. Alle übrigen Vögel haben eine Schonzeit vom 1. Januar bis 
15. September. Während der übrigen Zeit können sie, wenn der Grundbesitzer 
keine berechtigte Einsprache erhebt, gegen Erlegung gewisser Gebühren gefangen 
und getödtet werden. Zum Erlegen der Vögel mit Schusswaffen ist die Geneh- 
migung des Jagdberechtigten erforderlich. Die Bewilligung politischer Behörden 
ist nicht nöthig. 

Das Gesetz für Dalmatien, vom 20. December 1874, macht das Fangen 
und Tödten der zum Theil von Insekten lebenden Vögel ausser der Schonzeit, 
welche vom 1. Februar bis 30. September dauert, von keiner behördlichen oder 
sonstigen Bewilligung abhängig. Für Triest besteht kein Schutzgesetz. 


Fast sämmtliche Landesgesetze, ausgenommen die für Galizien, Kärnten, 
Niederösterreich und Steiermark, verbieten gewisse Fangarten, aber auch hier herrscht 
keine Uebereinstimmung. Meist gelten als verbotene Fangarten: der Gebrauch 
geblendeter Lockvögel und das Fangen mittelst Netzen, namentlich mittelst der 


240 Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


Deck- und Stecknetze. Das Fangen mit klebrigen Stoffen ist in Böhmen verboten. 
Dohnen sind nur in Krain ausdrücklich untersagt, Schlingen überhaupt in Istrien, 
solche an Hecken und Gebüschen in Görz, Mähren, Salzburg und Vorarlberg. 
Das Gesetz für Istrien untersagt jede Fangart an den stehenden Gewässern bei 
herrschender Trockenheit, ierner den Fang zur Schonzeit; in Schlesien ist be- 
sonders verboten das Fangen mittelst Zudecken der Wassergräben, das sogenannte 
Brünnelfangen. Nur das Gesetz für Mähren verbietet das Fangen mittelst be- 
täubender oder vergifteter Aesung u. s. w. 

Auch in anderen Ländern ist neuerdings Manches für den Vogelschutz 
geschehen. Erwähnenswerth ist z. B. das in der Schweiz erlassene Bundesgesetz 
über Jagd- und Vogelschutz vom 17. September 1875. Es ist darin ein Verzeichniss 
der zu schonenden Vögel gegeben; Ausnahmen sind zu wissenschaftlichen Zwecken 
gestattet. Gewisse Fangmethoden, Netze, Vogelherde, Lockvögel ete. sind verboten. 

Am 29. November 1875 wurde ein Vertrag zwischen Oesterreich 
und Italien zum Zwecke des Vogelschutzes abgeschlossen, welcher aus sechs 
Artikeln besteht, die sich indessen so sehr in Einzelheiten, namentlich bezüglich 
der Fangmethoden einlassen, dass es bisher in Oesterreich noch nicht gelingen 
wollte, die einzelnen Landesgesetze mit diesem Vertrag in Einklang zu bringen. 
Auch der deutsche Reichstag beschäftigt sich seit 1876 vergeblich mit den Be- 
mühungen, ein Vogelschutzgesetz zu erlassen, welches sich an diesen internationalen 
Vertrag anschliessen sollte. Vorläufig verspeist man im südlichen Oesterreich und 
in Italien die kleinen nützlichen Vögel mit und ohne Polenta nach wie vor. Nach 
der genauen Zählung von VArron kamen im Herbste 1883 allein zu Udine we- 
nigstens 140.000 Stück Vögel, und zwar meist kleine Singvögel auf den Markt. 
[,Monatschr. d. deutsch. Vereines z. Schutze d. Vogelwelt’”, 1884, Nr. 1]. 

Ein wirklich durchführbarer internationaler Vertrag dürfte nur 
aus einem einzigen Artikel bestehen, welcher ähnlich dem ersten 
Artikel des österreichisch-italienischen Vertrages lauten müsste, nämlich: 

„Die Regierungen beider Theile verpflichten sich, im Wege der Ge- 
setzgebung Massregeln zu treffen, welche geeignet sind, den für die Boden- 
kultur nützlichen Vögeln den thunlichsten Schutz zu gewähren.” 

Alles Weitere ist vom Uebel, denn nirgends ist das Beste so 
sehr des Guten Feind, wie hier. Die Einzelheiten müssen wegen zu 
grosser Verschiedenheit der localen Verhältnisse den einzelnen Gesetz- 
gebungen überlassen bleiben. Wo es irgend durchführbar, wäre 
es angezeigt, sämmtliche Vögel zum Gegenstand des Jagd- 
rechtes zu erklären, wie dies auch BorGGrREVE und v. HomEyver 
wollen, geeignete Schonzeiten zu bestimmen und je nach dem 
localen Bedürfniss Vorschriften, beziehungsweise Verbote gewisser 
Fangmethoden zu geben. Sind die Vögel Gegenstand des Jagd- 
rechtes, dann hat es die überwachende Polizei nur mit den Jagd- 


berechtigten, nicht mit der ganzen Bevölkerung zu thun. 

Gesetzliche Vorschriften bezüglich der Bekämpfung von Insekten- 
schäden bei bereits eingetretener Gefahr bestehen in vielen Kultur- 
ändern. Die Nothwendigkeit, den einzelnen Waldbesitzer gegen die gefähr- 
lichen Folgen der Nachlässigkeit der anderen in privat- und allgemein- 
wirthschaftlicher Hinsicht zu schützen, rechtfertigt hier einen gesetzlichen 
Eingriff in das Recht der freien Gebahrung mit dem Eigenthum. 

Auf specielle technische Vorschriften über die Art und Weise der 
zu ergreifenden Massregeln kann sich die Gesetzgebung natürlich nicht 


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Gesetzliche Vorschriften über Vogelschutz und Insektenbekämpfung. 241 


erstrecken, sie hat nur zu fordern, dass bei drohender Gefahr die geeigneten 
Massregeln ergriffen werden, während die Beurtheilung dessen, was als 
geeignete Massregel zu betrachten sei, besonderen Sachverständigen zu 
überlassen ist. 


Beispielsweise seien hier einige der in Deutschland und Oesterreich gel- 
tenden gesetzlichen Bestimmungen mitgetheilt. 


Das Feld- und Forstpolizeigesetz vom 1. April 1880 für Preussen be- 
stimmt in $ 34: 

„Mit Geldstrafe bis zu 150 Mark oder mit Haft wird bestraft, wer, ab- 
gesehen von den Fällen des $ 368, Nr. 2 des Strafgesetzbuches, den zum Schutze 
nützlicher oder zur Vernichtung schädlicher Thiere oder Pflanzen erlassenen 
Polizeiverordnungen zuwiderhandelt.” 


Die hier angezogene Bestimmung des Strafgesetzbuches für das deutsche 
Reich lautet: 

$ 368. „Mit Geldstrafe bis zu 60 Mark oder mit Haft bis zu 14 Tagen 
wird bestraft: 

2. Wer das durch gesetzliche oder polizeiliche Anordnungen gebotene 
Raupen unterlässt.” 

Es ist eine etwas eigenthümliche Bestimmung dieses Strafgesetzbuches, 
dass es nur des Raupens gedenkt, und nicht einmal klar ausspricht, welche 
Raupen gemeint sind; die Vermuthung spricht für die von Liparis chrysorrhoea. 


Das Recht, die oben erwähnten Polizeiverordnungen zu erlassen, beruht 
zunächst auf dem Gesetze vom 11. März 1850. $ 6 desselben besagt: Zu den 
Gegenständen der ortspolizeilichen Vorschriften gehören: 

a) Der Schutz der Personen und des Eigenthums, 

b) der Schutz der Felder, Wiesen, Weiden, Wälder ete.; und $ 11 er- 
mächtigt die Bezirksregierung zum Erlass von derlei Verordnungen für ihren Bezirk. 

Ferner beruht dieses Recht auf dem Gesetze vom 20. September 1867 in 
Verbindung mit der Kreisordnung vom 13. December 1872, der Städte-Ordnung 
vom 30. Mai 1853 und dem Gesetze über die allgemeine Landesverwaltung vom 
26. Juli 1880. 

Diese Polizeiverordnungen gehen mit den Strafandrohungen nicht so weit, 
wie das Strafgesetzbuch und das Forstpolizeigesetz. In den Provinzen Ostpreussen, 
Westpreussen, Brandenburg, Pommern, Schlesien, Sachsen kann für einen „Amts- 
bezirk”, Guts- oder Stadtbezirk, der Amtsvorsteher, z. B. der Bürgermeister mit 
Zustimmung des Amtsausschusses bezw. Gemeindevorstandes bis 9 Mark, mit Ge- 
nehmigung des Regierungs-Präsidenten bis 30 Mark, für den „Kreis” der Landrath, 
mit Zustimmung des Kreisausschusses: bis 30 Mark, für den „Regierungsbezirk’ der 
Regierungs-Präsident mit Zustimmung des Bezirksrathes und ebenso für die „Pro- 
vinz’’ der Oberpräsident mit Zustimmung des Provinzialrathes bis 60 Mark Geld- 
strafe festsetzen. In den Provinzen Posen, Westfalen, Rheinland, Hannover, 
Holstein, Hessen-Nassau konnten vor der Publication des Forstpolizei-Gesetzes 
durch Polizeiverordnungen nur 9 Mark Strafandrohung für den Ortsbezirk, und 
30 Mark für den Regierungsbezirk erlassen werden. 

Die einzelnen Verordnungen enthalten selten nähere Bestimmungen über 
Insektenvertilgung, die Befugniss zum Erlass solcher ist aber ohne Zweifel vor- 
handen, nur hat der Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten in der 
Verfügung vom 12. Mai 1880 angeordnet, dass behufs gemeinsamer Behandlung 
der Fälle ihm die zu erlassenden Polizeiverordnungen vorher mitgetheilt werden 
sollten. 

Als Beispiele von solchen neueren Polizeiverordnungen sind zu nennen: 
Die für den Regierungsbezirk Münster vom 6. Mai 1582 und die für den Regierungs- 
bezirk Minden vom 24. April 1882. Es ist darin das Fangen etc. der insekten- 
fressenden Vögel untersagt, das Raupen der Obstbäume, das Vertilgen des 
Colorado-Käfers geboten. 

Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde, 16 


242 Kap. VI. Entstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


Aus älterer Zeit führen wir als Beispiele bezüglicher Verordnungen an: 
Die im Regierungsbezirk Potsdam aufGrund des $ 11 des Gesetzes vom 11.März1850 
erlassene Verordnung vom 3. Februar 1863, betreffend die zwangsweise Vernichtung 
der grossen Kiefernraupe, sowie die gegen den Maikäfer erlassenen Verordnungen in 
Schleswig vom 15. März 1870, in Liegnitz vom 13. März 1867, in Bromberg vom 
28. Juni 18566 und die des Amtshauptmanns zu Osterode a. H. vom 3. Februar 
1579. Der Erfolg soll vielfach ein recht günstiger gewesen sein. So wird aus 
Osterode mitgetheilt, dass nach Erlass der Verordnung in den 29 Gemeinden 
des Amtes gesammelt, abgeliefert und dafür bezahlt wurden: 


1379 1880 1881 
Maikäfer .. ı.' . '.....761641), _ — Pfund 
Bingerlmgent nm... 6 15221/,, 14810 z 
Dafür bezahlt . . . 247.18 15221 1481 Mark. 


Auch zum Schutze nützlicher Insekten finden wir eine vereinzelte 
gesetzliche Vorschrift im Feld- und Forstpolizeigesetze vom 1. April 1880. Es 
heisst daselbst: 

$ 37. „Mit Geldstrafe bis zu 100 Mark oder mit Haft bis zu 4 Wochen 
wird bestraft, wer unbefugt auf Forstgrundstücken: 

2. Ameisen oder deren Puppen — Ameiseneier — einsammelt, oder Ameisen- 
haufen zerstört oder zerstreut.” 

Das Forstgesetz für das Königreich Bayern vom 28. März 1852, in neuer 
Textirung vom Jahre 1879, bestimmt: 

Art. 46. „Zeigen sich Spuren schädlicher Insekten, so sind die Vertilgungs- 
und Sicherheitsmassregeln, welche die Forstpolizeibehörde auf Antrag des Forst- 
amtes anzuordnen hat, unweigerlich zu befolgen. 

Beschwerden gegen solche Anordnungen bewirken keinen Aufschub. 

Werden dieselben nicht ungesäumt vollzogen, so hat die Forstpolizeibehörde 
zu verfügen, dass die Ausführung auf Kosten des Säumigen durch das Forstamt 
bewirkt werde.” 

Nach Art. 77 wird der Waldbesitzer, welcher den betreffenden Anordnungen 
nicht Folge leistet, mit 1':S0 bis 90 Mark bestraft. 

Bezüglich der Felder, Wiesen ete. kann die Vertilgung schädlicher Insekten 
auf Grund des Art. 12) des Polizeistrafgesetzbuches für Bayern vom 26. December 
1571 angeordnet werden, welcher lautet: 

„Einer Geldstrafe bis zu 5 Thalern unterliegt: 

2. Wer den Distriets- oder ortspolizeilichen Vorschriften zuwider handelt, 
durch welche den Grundbesitzern gemeinschaftliche Leistungen zum Schutze 
der Fluren gegen schädliche Thiere auferlegt werden.” 

Das Forstpolizeigesetz vom 8. September 1879 für Württemberg bestimmt 
in Art. 12: 

„Wenn einem Walde durch Naturereignisse oder schädliche Thiere Gefahr 
droht, insbesondere wenn sich Spuren schädlicher Insekten zeisen, so hat der 
Waldbesitzer unverzüglich nach erlangter Kenntniss von solcher Gefahr dem Revier- 
oder Forstamt, in deren Dienstbezirk der bedrohte Wald liest, Anzeige zu machen. 

Das Forstamt hat auf diese oder sonst ihm zukommende Anzeige nöthigen- 
falls sofort die zur Abwendung oder Verminderung der Gefahr dienenden An- 
ordnungen zu treffen, welche die Waldbesitzer auf ihre Kosten auszuführen haben. 
Treffen die Anordnungen verschiedene Waldbesitzer, so haben diese die Kosten 
nach Verhältniss des Flächengehaltes der zu schützenden Waldbestände gemein- 
schaftlich zu tragen. In Streitfällen hat das Forstamt die Kostenantheile der Ein- 
zelnen zu ermitteln und festzustellen. 

Wird von den Waldbesitzern gegen die zum Schutze der Waldungen von 
dem Forstamte angeordneten Massregeln Beschwerde an die höhere Forstpolizei- 
behörde erhoben, so kann hierdurch, wenn Gefahr auf dem Verzuge haftet, der 
Vollzug nicht aufgehalten werden. 

Kommt ein Waldbesitzer den Anordnungen nicht ungesäumt nach, so kann 
die Forstpolizeibehörde deren Ausführung neben der etwa anzusetzenden Strafe 
auf Kosten des Säumigen bewirken.” 


Gesetzliche Vorschriften über Insektenbekämpfung. 243 


Zuwiderhandlungen gegen diese Bestimmungen werden nach Art. 20, Abs. 5, 
mit Geldstrafe bis zu 150 Mark bestraft. 

Das Königreich Sachsen besitzt kein Forstpolizeigesetz, dagegen wurde 
ein besonderes Gesetz, den Schutz der Waldungen gegen schädliche Insekten 
betreffend, am 17. Juli 1876 erlassen. Dasselbe besagt: 

$ 1. „Jeder Waldeigenthümer ist verpflichtet, in seiner Waldung die zur 
Abwehr und Vertilgung forstschädlicher Insekten dienenden Massregeln zu ergreifen.” 

$ 2. „Ebenso ist jeder Inhaber eines Holzlagerplatzes in solcher Nähe 
des Waldes, dass letzterem durch Borkenkäfer, die aus Lagerhölzern kommen, 
Gefahr erwachsen kann, verpflichtet, die zur Vertileung der in den Hölzern sich 
zeigenden Käferbrut dienlichen Massregeln zu ergreifen.” 

Im Weiteren sind durch $ 3 als überwachende Behörden die Amtshaupt- 
mannschaften, beziehentlich Kreishauptmannschaften bestimmt. Nach eingeholten 
Gutachten von Sachverständigen haben sie unter Festsetzung eines Termines und 
unter Androhung einer Geldstrafe bis zu 150 Mark die Ausführung der nöthigen 
Schutz- und Vertilgungsmassregeln anzuordnen, im Falle der Nichtbeachtung des 
Termines aber die Ausführung sofort auf Kosten des Säumigen bewirken zu lassen. 
Rechtsmittel gegen solche Anordnungen haben keine aufschiebende Kraft. 

Die Ortsbehörden und Polizeiorgane haben nach $ 4, sobald sie von einem 
beachtenswerthen Auftreten forstschädlicher Insekten Kunde erhalten, der Bezirks- 
hauptmannschaft, beziehentlich una schaft davon Anzeige zu erstatten. 

Die Sachverständigen sind nach $ 5 zur Untersuchung von Waldungen oder 
Holzlagerplätzen ermächtigt und er laut $ 6 für ihre Bemühungen, Reisekosten 
und sonstige Auslagen Vergütung aus der es 

Das badische Forstgesetz in seiner jetzigen Fassung von 1873 — die 
ältere Fassung ist vom 15. November 1833 — bestimmt: 

$S 69. „Wenn schädliche Insekten die Forste anfallen, so hat die Forst- 
behörde — Bezirksforstei — unverzüglich die zur Vertilgung derselben nöthigen 
Massregeln einzuleiten. 

Müssen in besonderen Fällen die angegriffenen Stämme selbst gefällt werden, 
so sind sie unverzüglich entweder aus dem Walde zu schaffen, oder die Rinde 
ist davon zu trennen, und gleich jener, welche von den Stöcken abgelöst werden 
muss, nebst dem nach Absonderung des Wellen- und Prügelholzes übrig bleibenden 
kleineren Reisig und nebst dem unter den gehauenen Stämmen zusammengerechten 
Moose im Walde zu verbrennen.” 

S 2 der zugehörigen Vollzugssverordnung vom 30. Januar 1855 besagt: 

„Handeln Privat- Waldbesitzer gegen die Bestimmungen der $SS..... und 
57 bis 70 des Forstgesetzes, so sind dieselben unter Bezeichnung des V Srkanens 
in das Frevelregister einzutragen, und dem ersten Absatz des $ 178, Art. 2, des 
Gesetzes gemäss beim Frevelgerichte zu bestrafen.” 

Dieser $ 178 besagt: „Die Privat-Waldbesitzer werden wegen Verletzung 
derjenigen Vorschriften, an deren Beobachtung sie nach $ 88 gebunden sind, 
gleich anderen Uebertretern bestraft.” 

Im Grossherzosthum Weimar wurde am 4. April 1868 eine Bekannt- 
machung vom Departement des Innern des Staatsministeriums erlassen, welche 
die Grundbesitzer zum Sammeln und Tödten der Maikäfer und Engerlinge bei 
einer Strafe bis zu 10 Thalern verpflichtet. Die Besitzer forstmässig benutzter 
Grundstücke sind nach $ 2 davon ausgenommen. 

Im Herzogsthum Brandeehrdte wurde 1864 ein Gesetz, betreffend die 
Vertilgung der Engerlinge, erlassen. In diesem Jahre wurden dort in 155 Gemeinden 
2563 Centner 66 Pfund S Loth — etwa 143 Millionen — Maikäfer mit einem Kosten- 
aufwande von 6571 Thaler 2 Groschen 7 Pfennig gesammelt und getödtet. 
Solche Sammlungen wurden von Zeit zu Zeit wiederholt auf Kosten der Gemeinde- 
kassen angeordnet. Für die fisealischen Forsten wird festgehalten, dass nur die 
an die Felder srenzende Waldfläche durch Engerlinge leide, und dass der zu 
leistende Beitrag der betreffenden Fläche höchstens ein Drittel der für Acker- 
land zu entriehtenden Quote betrage. 

Ausserdem finden Ameisen Schutz, wie in Preussen. Das Forststrafgesetz 
vom 1. April 1879 bestraft nach $ 23 mit Geld bis zu 50 Mark oder mit Haft 


16* 


244 Kap. VI. Enstehung und Abwehr grösserer Insektenschäden. 


bis zu 14 Tagen, wer „in Forsten Ameisen oder deren Puppen — Ameiseneier — ein- 
sammmelt oder Ameisenhaufen zerstört.” 

Das österreichische Forstgesetz vom 3. December 1852 bestimmt: 

$ 50. „Auf die Beschädigung der Wälder durch Insekten ist stets ein 
wachsames Auge zu richten. Die Waldeigenthümer oder deren Personale, welche 
derlei Beschädigungen wahrnehmen, sind, wenn die dagegen angewendeten Mittel 
nicht zureichen, und zu besorgen steht, dass auch nachbarliche Wälder von 
diesem Uebel ergriffen werden, verpflichtet, der politischen Behörde bei Strafe 
von 5 bis 50 fl. Conv.-M. sogleich die Anzeige zu erstatten. Zu einer solchen 
Anzeige ist übrigens Jedermann berechtigt.’ 

$ 51. „Die politische Behörde hat unter Mitwirkung geeigneter Sachver- 
ständiger sogleich in Ueberlesung zu nehmen, ob und welche Massregeln gegen die 
etwa zu besorgenden Insektenverheerungen zu treffen seien, und das Nöthige, nach 
früherer unverzüglicher Einvernehmung der betheiligten Waldeigenthümer und 
ihres Forstpersonales, schleunigst zu verfügen. Alle Waldeigenthümer, deren 
Wälder in Gefahr kommen könnten, sind zur Beihilfe verpflichtet, und müssen 
den Anordnungen der politischen Behörde, welche hierin selbst zu Zwangsmass- 
regeln befugt ist, unbedinste Folge leisten. Die Kosten sind von den betheiligten 
W aldeigenthümern nach Massgabe der geschützten Waldflächen zu tragen.” 

Der im Jahre 1878 dem Abgeordnetenhause vorgelegte Entwurf eines 
neuen Forstgesetzes enthielt in den $$ 49 und 50 in etwas anderer Fassung ganz 
ähnliche Bestimmungen, fügte aber im $ 5l noch sehr richtig hinzu, dass die 
anzuorduenden Massregeln auch auf solche Bestände, welche nicht auf Waldboden 
stocken, und auf im Bereiche der Insektenverbreitung überhaupt abgelagerte 
Hölzer und daselbst befindliche Holzeinfriedungen ausgedehnt werden können. 

Gegen die Borkenkäferverheerungen Anfang der Siebziger-Jahre im Böhmer- 

walde wurden besondere Massreseln mit Hilfe der Gesetzgebung ergriffen. Durch 
die Gesetze vom 10. April 1874 und vom 1. April 1875 wurden den Gemeinden 
und Kleingrundbesitzern daselbst, welchen eigene Mittel zur schnellen Auf- 
arbeitung der in ihren Wäldern vom Borkenkäfer befallenen Holzmassen oder 
zur Aufforstung der betreffenden Waldflächen fehlten, zu diesen Zwecken unver- 
zinsliche, in höchstens fünf Jahren zurückzuzahlende Vorschüsse im Betrage von 
150 000 fl. aus Staatsmitteln gewährt. Ein Gesetz vom 23. December 1879 ver- 
längerte den Termin der Rückzahlung dieser Vorschüsse vom 1. Januar 1880 an 
um weitere 15 Jahre und brachte die Kosten für die Organe zur Leitung und Beauf- 
sichtigung der Arbeiten im Betrage von 15 363 fl. 95 kr. zur Abschreibung. 

Uebrigens wurde in Oesterreich ein besonderes Gesetz zum Schutze der 
Bodenkultur gegen Raupenschäden und Maikäfer erlassen, und zwar 1868 für 
Niederösterreich und Steiermark, 1570 für Böhmen, Bukowina, Görz, Istrien, 
Kärnten, Krain, Mähren, Schlesien, Tirol und Vorarlberg, 1872 für Salzburg. 
Dieses Gesetz verpflichtet alle Besitzer und Pächter von Grundstücken zur Er- 
greifung von Vertilgungsmassregeln gegen Raupen und Maikäfer. Die Säumigen 
sind mit 1 bis 10 fl. oder mit Arrest bis zu 48 Stunden zu bestrafen. Die 
Gemeindevorsteher haben darüber zu wachen, dass die Betreffenden ihren 
Verpflichtungen nachkommen, und gegen die Säumigen die Strafe zu verhängen. 
Gemeindevorsteher, welche dies unterlassen, werden mit 10 bis 20 fl. bestraft, 
welcher Betrag in die Ortsarmenkasse fliesst. 

In einigen Kronländern, z. B. in Böhmen, Mähren und Schlesien, wurden 
Prämien für die Einbringung von Engerlingen und Maikäfern ausgeschrieben. Die 
Erfolge sind indessen den Erwartungen nicht entsprechend gewesen, wie wieder- 
holte Anträge auf Erhöhung der Prämien zeigen. 


KAPITEL VU. 


Allgemeine Einführung in die systematische 
und praktische Entomologie. 


So wichtig auch für den Forstverwalter eine allgemeine Kenntniss 
des Baues und der wirthschaftlichen Bedeutung der Insekten ist, so ist 
in der Praxis doch vor Allem die Bekanntschaft mit den einzelnen 
wichtigen Insektenarten nothwendig. Um diese zu erwerben, ist zunächst 
erforderlich die Kenntniss des Insektensystemes und der Regeln, nach 
welchen die Insekten wissenschaftlich benannt werden; ausserdem bedarf 
der Forstmann auch einer Anleitung zum Beobachten und Sammeln 
der Forstinsekten; desgleichen muss er mit den wichtigsten literarischen 
Hilfsmitteln vertraut sein. 


Die wissenschaftliche Eintheilung und Benennung der 
Insekten. 


Allgemeine Systematik. Die Klasse der Insekten wird in Ord- 
nungen abgetheilt. Bei ihrer Aufstellung wird der Zoologe geleitet von 
dem Bestreben, solche grössere Gruppen zu bilden, dass die Insekten, 
welche in den wesentlichsten Zügen des äusseren und inneren Baues, 
sowie der Fortpflanzung einander gleichen, in eineOrdnung vereinigt werden. 

Eine völlige Uebereinstimmung über den Umfang, den man den 
einzelnen Ordnungen zu geben hat und somit über die Anzahl der- 
selben existirt nicht. Zwar sind einzelne grössere Gruppen, z. B. die 
Schmetterlinge und Zweiflügler, so scharf von der Natur begrenzt, dass 
sie sich ohneweiters von selbst als Ordnungen ergeben. Manche kleinere 
Gruppen zeigen aber einmal so eigenthümliche Züge, dass man zunächst 
geneigt ist, sie als selbstständige Ordnungen anzusehen, andererseits 
stimmen wieder andere in unwichtigeren Aeusserlichkeiten derartig 


246 Kap. VII. Systematische und praktische Entomologie. 


überein, dass leicht die Versuchung eintritt, im Grunde unnatürliche 
Vereinigungen vorzunehmen. 


Beispiele nach unserer Ansicht zu weitgetriebener Vermehrung der Ordnun- 
gen sind z. B. ‘die früher beliebte Aufstellung der Gruppe der parasitischen 
Strepsiptera, die wir zu den Neuroptera rechnen, als eigene Ordnung, sowie 
der neuerdings gemachte Versuch, die Thysanura als eigene Hauptgruppe der 
Insekten von den Orthoptera zu trennen. Nach unserer Ansicht widernatürliche, 
durch äussere Habitusähnlichkeiten veranlasste Zusammenziehungen einander 
fernstehender Formen sind z. B. die Vereinigung der mit beissenden Mundwerk- 
zeugen versehenen parasitischen Federlinge und Haarlinge, der Mallophaga, mit 
den eigentlichen Läusen, den Pediculina und die mitunter versuchte Zusammen- 
ziehung der eigentlichen Neuroptera mit den wohl auch als Pseudoneuroptera 
bezeichneten Orthoptera amphipbiotica. 


Es handelt sich daher für unseren praktischen Zweck darum, 
weder allzu weitgehende Trennungen, noch auch dem jetzigen wissen- 
schaftlichen Standpunkte widersprechende Vereinigungen vorzunehmen, 
Wir folgen dem in den meisten neueren praktischen Insektenkunden 
gleichfalls angenommenen System, welches niedergelegt ist in dem 
Handbuch der Zoologie von Carus und GerSTÄcKER, II. Band, 
Leipzig 1863, ohne uns in Betreff der Unterordnungen und anderen 
kleineren Abtheilungen streng an dasselbe zu binden. Ausführlich aus- 
einander zu setzen, warum die Vertreter der einzelnen, in diesem 
System angenommenen Ordnungen wirklich als auch im inneren Bau 
mit einander verwandt angesehen werden müssen, ist an dieser Stelle 
nicht möglich. Es ergibt sich dies wenigstens theilweise aus der im 
speciellen Theile gegebenen allgemeineren Besprechung der einzelnen 
Insektenordnungen. Hier kommt es nur darauf an, diejenigen Merk- 
male des Baues und der Fortpflanzung hervorzuheben, welche uns 
gestatten, Definitionen für die angenommenen sieben Ordnungen auf- 
zustellen. 

Die wesentlichen Merkmale, nach welchen wir die Insekten- 
ordnungen abgrenzen können, sind: 


A. am Körper der Imago 


1. die Beschaffenheit der Mundwerkzeuge, 


2. dasVerhältniss derVorderbrust zuden beiden anderen Brustringen, 
3. die Beschaffenheit der Flügel; 


B. in Betreff der Fortpflanzung 
4. die Verhältnisse der Metamorphose. 


Bei der Betrachtung der Mundwerkzeuge handelt es sich zu- 
nächst um die Frage, ob dieselben kauend oder saugend sind, und 
in die Diagnose ist, der Kürze wegen, nur diese allgemeine Angabe 
aufgenommen, obgleich, wie der specielle 'T'heil ergeben wird, die 
Verschiedenheit der Ausbildung gerade der saugenden Mundtheile 
wesentlich bei der Abgrenzung der Ordnungen berücksichtigt wird. 

Ebenso wie die Verhältnisse der Mundwerkzeuge weitgehende 
Schlüsse auf die Nahrungsweise der Insekten zulassen, so gestatten 


Allgemeine Systematik. Die Ordnungen der Insekten. 247 


die Verhältnisse der drei Brustringe zu einander Schlüsse 
auf die Bewegungsart der Thiere. 


Die Beschaffenheit der Flügel ist gleichfalls von hervorragender Be- 
deutung, besonders für den äusseren Habitus der einzelnen grösseren 
Gruppen. Daher kommt es auch, dass die wissenschaftlichen Bezeichnungen 
der Ordnungen wesentlich von der Flügelbeschaffenheit abgeleitet sind. 


So wird das Wort Orthoptera abgeleitet von öplos gerade, und rrepoyv der 
Flügel, Geradflügler, und Lepidoptera von ksrts, Gen. kertöos die Schuppe und 
mtepoy der Flügel, Schuppenflügler, d. h. Schmetterlinge u. s. f. Nichtsdestoweniger 
dürfen wir nicht vergessen, dass das Merkmal der Flügelbeschaffenheit für die Ab- 
grenzung der Ordnungen erst in zweiter Linie steht, da einmal, wollte man das- 
selbe zu sehr berücksichtigen, eine grössere Zersplitterung der Ordnungen stattfinden 
müsste, andererseits in allen Ordnungen Thiere vorkommen, bei denen die Flügel 
verkümmern oder fehlen, die aber dennoch ihrem ganzen übrigen Bau nach un- 
bedingt zwischen andere geflügelte Formen eingereiht werden müssen. Dies ist 
auch der Grund, warum die früher beliebte Gruppe der Aptera aufgelöst wurde 
(vergl. S. 38). 


Dass wir das so wichtige Merkmal der Metamorphose in 
letzte Linie stellen, geschieht nicht, weil wir seine Bedeutung unter- 
schätzten, sondern weil die Verhältnisse derselben sich nicht ohne- 
weiters aus der Betrachtung des Einzelthieres, sondern erst aus einer 
überlieferten oder durch Beobachtung gewonnenen Kenntniss seiner 
Lebensgeschichte ergeben. 


Nach diesen vier Merkmalen lassen sich die Insekten in sieben 
Ordnungen theilen und die Definitionen derselben folgendermassen geben: 

Die Geradflügler, Orthoptera, sind Insekten mit kauenden 
Mundwerkzeugen, freiem Prothorax und unvollkommener Metamorphose. 

Die Netzflügler, Neuroptera, sind Insekten mit kauenden Mund- 
werkzeugen, freiem Prothorax, zwei Paar häutigen, reichlich geaderten 
Flügeln und vollkommener Metamorphose. 

Die Käfer, Coleoptera, sind Insekten mit kauenden Mundwerk- 
zeugen, freiem, stark entwickeltem Prothorax, zwei Paar Flügeln, von 
denen das vordere zu Flügeldecken umgebildet ist, und vollkommener 
Metamorphose. 

Die Hautflügler oder Immen, Hymenoptera, sind Insekten mit 
kauenden oder kauenden und saugenden Mundwerkzeugen, wenigstens dorsal 
dem Mesothorax verwachsenem Prothorax, zwei Paar häutigen, verhältniss- 
mässig sparsam geaderten Flügeln und vollkommener Metamorphose. 

‚Die Schmetterlinge, Lepidoptera, sind Insekten mit saugenden 
Mundwerkzeugen, dem Mesothorax verwachsenem, ringförmigem Prothorax, 
zwei Paar häutigen, beschuppten Flügeln und vollkommener Meta- 
morphose. 

Die Zweiflügler, Diptera, sind Insekten mit saugenden Mund- 
werkzeugen, dem Mesothorax verwachsenem, ringförmigem Prothorax, einem 


248 Kap. VII. Systematische und praktische Entomologie. 


Paar häutiger, wohl ausgebildeter Vorderflügel, einem Paar zu Schwing- 
kölbehen verkümmerter Hinterflügel und vollkommener Metamorphose. 

Die Schnabelkerfe, Rhynchota, oder Hemiptera, sind Insekten 
mit saugenden Mundwerkzeugen, freiem Prothorax und unvollkommener 
Metamorphose. 

Die hier befolgte Aneinanderreihung der sieben Ordnungen ist 
gewählt worden, einmal weil zweifelsohne die einfacheren Formen der 
Orthopteren anzusehen sind als diejenigen Insekten, welche die niedrigste 
Stufe der Ausbildung unter den heute lebenden Formen repräsen- 
tiren, also der Urform des Insektes, aus welcher wir uns die übrigen 
durch allmälige Umwandelung entstanden denken, zunächst stehen. 
Ferner aber ist diese Aneinanderreihung, wenn wir dieselbe nicht 
auf eine gerade Linie, sondern auf eine geschlossene Curve vertheilen, 
wobei dann wiederum die siebente Ordnung neben die erste zu stehen 
kommt, eine solche, dass alsdann stets diejenigen Ordnungen neben- 
einander kommen, welche in den zur Diagnose verwendeten Haupt- 
merkmalen übereinstimmen, und dass zugleich die Mittelstufen auch eine 
Mittelstellung einnehmen. Es erhellt dies aus dem folgenden Schema: 


Metamorphose unvollkommen 


—— 


Prothorax frei 


Ri Orthoptera Rhynchota 


” Neuroptera Diptera 


m 
Pıothorax 
wachsen 


Coleoptera Lepidoptera 


ver 


Mundwerkzeuge kauend 


puosngs 95n92y19Mpunm 


Hymenoptera 
—— m u — 
nur kauende oder Prothorax nur dorsal 
kauende und saugende | mit dem Mesothorax ver- 
Mundwerkzeuge wachsen 


Metamorphose vollkommen 


Die einzelnen Ordnungen werden wieder eingetheilt in Familien, 
Gattungen und Arten, auch werden ausserdem häufig Unter- 
ordnungen, Zünfte, Untergattungen und Varietäten unterschieden, 


Dass alle diese Gruppen lediglich aus praktischen Rücksichten 
gebildet werden, um sich in der Fülle der vorliegenden Formen 
orientiren zu können, erhellt am besten aus folgender Thatsache: 

Für die bekannte charakteristische Käferform der „Rüsselkäfer” 
gründete Liwxt die Gattung Curculio und rechnete im Jahre 1772 zu 
ihr nach der XII. Ausgabe seines „Systema naturae’’ 98 Arten. In dem 
„Systema entomologiae’” unterscheidet FAgrıcıus 1775 bereits 152 Arten 
und diese sind im Jahre 1792 in seiner „Entomologia systematica” 
bereits angewachsen auf 405 Arten, aus allen Welttheilen zusammen- 
genommen. Die Forschungen der letzten 90 Jahre haben nun diese 


Allgemeine Systematik und Nomenclatur. 249 


Formen so vermehrt, dass heutzutage nach Ausweis der neuesten 
Auflage des „Catalogus Coleopterorum Europae et Caucasi’”’ von 1883 
allein aus dem europäischen Faunengebiete, einschliesslich 
des Kaukasus 2660 Arten des Genus Curculio im Linx#’schen Sinne 
bekannt sind, ganz abgesehen von den vielen Varietäten. 

Dafür ist aber auch aus den wissenschaftlichen Entomologien 
das Genus Curculio L. überhaupt verschwunden und hiefür die 
Familie der Curculionidae gebildet worden, im Ganzen über 10 000 
Arten mit über 1100 Gattungen umfassend, von welch letzteren auf 
die europäische Fauna allein 204 kommen. 

Es sind daher auch die Gattungen Gruppen von relativem 
Werthe, welche, je nach der Entwicklung der Wissenschaft, Verände- 
rungen unterliegen können, mit Recht aber nur insoweit, als eine 
zu gross werdende Gattung in Untergattungen getrennt, beziehungs- 
weise von einer, heterogene Formen umschliessenden, Gattung eine 
andere neue Gattung abgezweigt werden darf. Aber auch diese Ver- 
änderungen sollten nur im Nothfalle vorgenommen werden. 

Als noch viel beständiger muss vom systematischen Standpunkte 
aus die Art angesehen werden. Allerdings ist es bei dem jetzigen 
Stande der zoologischen Wissenschaft nicht möglich, genau zu definiren, 
was man unter „Art’ versteht, und es ist eine völlig unabweisbare 
Consequenz der Descendenztheorie, dass auch die Art etwas Veränder- 
liches ist. Nichtsdestoweniger kommt für systematische Zwecke diese, 
wenn eintretende, nur in sehr langen Zeiträumen sich äussernde 
Variabilität nicht in Frage, und die Feststellung der Merkmale der- 
jenigen Formenkreise von Individuen, welche wir als „Arten” be- 
zeichnen, d. h. der Gesammtheiten solcher Individuen, die 
einander in allen wesentlichen Merkmalen völlig ähneln 
und gleiche Nachkommenschaft erzeugen, bildet den Inhalt 
der beschreibenden Zoologie, beziehungsweise Entomologie. 


Nomenclatur. Zur kurzen Bezeichnung jeder grösseren Gruppe, 
sei es Klasse, Ordnung, Familie oder Gattung, bedient man sich eines 
lateinischen Namens. Die wissenschaftliche Bezeichnung der Art setzt 
sich dagegen nach Linn®’s Vorgang zusammen aus zwei lateinischen 
Namen, einem Gattungs- und einem Artnamen, welche sich in gewisser 
Beziehung verhalten wie Familien- und Vorname bei den Menschen. Ist 
nun, wie wir oben erfuhren, der stets vorauszustellende Gattungsname 
nieht absolut unveränderlich, so ist doch nach den heute allgemein an- 
genommenen Regeln der Nomenelatur der Artname, der einem Thier 
einmal gegeben worden, völlig unveränderlich, und man fügt, ge- 
wöhnlich in Abkürzung, den Namen desjenigen Schriftstellers hinzu, 
welcher diesen Namen gegeben hat. 


Der Curculio notatus des Fagrıcrus wird also heute gewöhnlich 
als Pissodes notatus Fagr. bezeichnet, weil die ursprüngliche Gattung 


250 Kap. VII. Systematische und praktische Entomologie. 


Curculio als zu sehr angewachsen (vergl. S. 249) zur Familie erhoben 
und der besseren Gruppirung wegen in viele Gattungen getheilt worden 
ist. Sollten nun fernerhin die Arten der Gattung Pissodes — was 
übrigens sehr unwahrscheinlich ist — sich derartig durch neue Ent- 
deckungen vermehren, dass man aus Zweekmässigkeitsrücksichten eine 
weitere Trennung dieser Gattung in zwei vornehmen müsste, so könnte 
zwar der „kleine braune Rüsselkäfer” einmal seinen Gattungsnamen 
Pissodes verlieren; dagegen müsste er immer den Artnamen „notatus”, 
und zwar unter Beifügung des Namens des Autors, der ihm den- 
selben gegeben, also „motatus Farr.” behalten. Beruht doch nur auf 
dieser Regel die Möglichkeit, sich wissenschaftlich darüber zu 
verständigen, welche Thierform mit einem bestimmten Namen be- 
zeichnet wird. 

Da Irren nun aber einmal menschlich ist, so ist es vorgekommen 
und kommt noch vor, dass gegen die letztere Regel gesündigt wird, 
d. h. dass aus Versehen ein einmal vergebener Name in einer fol- 
genden Schrift nicht demjenigen T'hiere beigelegt wird, dem ihn der 
ursprüngliche Beschreiber gab, sondern einem Verwandten. Sowie 
dieser Irrthum nun entdeckt wird, so muss er corrigirt werden, und 
zwar, um nicht die ganze Grundlage unserer wissenschaftlichen Nomen- 
clatur fraglich zu machen, sogar dann, wenn sich der falsche Name 
bereits in irgend welchen Kreisen eingebürgert hat. Eine solche Aen- 
derung ist dann nicht eine willkürliche Neuerung, wie Laien denken, 
sondern eine nothwendige Wiederherstellung des alten Zustandes. Das 
in forstlichen Kreisen bekannteste Beispiel hierfür ist das des grossen 
braunen Rüsselkäfers. Diesen hatte Lmms Curculio Abietis getauft, 
dagegen den einen der kleinen braunen Rüsselkäfer Curculio Pini. 
RaArzegurgG verwechselte nun die Thatsache und bezeichnete den 
grossen braunen Rüsselkäfer als Curculio Pini, den kleinen da- 
gegen als Curculio Abietis. Trotzdem nun aber vermöge der ungemein 
weiten Verbreitung der Rartzegurg’schen Werke der Name Curculio 
Pini sich für den berüchtigten Kulturverderber in der Forstwelt ein- 
gebürgert hatte, musste derselbe doch verlassen werden, sobald bemerkt 
wurde, dass hier ein Irrthum vorliege, und es heisst daher, seitdem 
SCHÖNHERR das Genus Hylobius und GxrMmAr das Genus Pissodes 
für die hier in Frage kommenden Thiere von dem ursprünglichen 
Genus Curculio abgetrennt haben, der grosse braune Rüsselkäfer Hylobius 
Abietis L., der hier in Frage kommende kleine braune Kiefern-Rüssel- 
käfer hingegen Pissodes Pini L., und diese berechtigte Wiederherstellung 
ist neuerdings auch in den forstzoologischen Werken, die lange Rarze- 
BURG’S Autorität ausschliesslich folgten, zu ihrem Rechte gekommen. 

Die 'T'hatsache, dass übrigens vielfach auch in rein wissen- 
schaftlichen Werken gegen diese Regeln theils direet gesündigt wurde, 
theils Thiere, die schon bekannt und benannt waren, von dieses Um- 
standes unkundigen Schriftstellern als neu beschrieben und selbstständig 
zum zweitenmale benannt wurden, ist Schuld daran, dass man häufig 
bei einem Insekte mehrere Namen angeben muss. Wir werden diese 


Nomenclatur. 351 


Synonyme im speciellen Theile auf das thunlichst geringe Mass zurück- 
zuführen suchen. 

Ist es daher auf das dringendste geboten, auch in praktisch-entomo- 
logischen Werken den von der Wissenschaft festgestellten Speciesnamen 
anzuerkennen, so liegt andererseits die Frage, welchen Gattungs- 
namen man hier zu wählen habe, durchaus nicht ebenso klar, schon 
darum, weil dieser, wie oben gezeigt, auch in den rein wissenschaft- 
lichen Büchern nicht unveränderlich ist. RaTzegurg hat in der 6. Auflage 
dieses Buches meist den Familien- als Gattungsnamen gebraucht. 

Während z. B. allgemein bereits damals die kleine Kiefern- 
blattwespe Lophyrus Pini L. genannt wurde, nennt er dieses zu 
der Familie der Blattwespen, Tenthredinidae, gehörige Thier noch 
Tenthredo Pini L. Dieses Verfahren trägt doch den Anforderungen der 
Wissenschaft etwas zu wenig Rechnung und erschwert auch die Orien- 
tirung für Denjenigen, welcher sich über diese oder jene Gattung 
in entomologischen Büchern genauere Auskunft holen will, als die 
Waldverderber geben können. Will man andererseits alle diejenigen 
Gattungsnamen aufnehmen, die in den neuesten Insektenkatalogen 
von den beschreibenden Entomologen aufgestellt wurden, so läuft man 
Gefahr, den Praktiker überhaupt der Segnungen der binären lateinischen 
Nomenelatur zu berauben. Diese bestehen ja darin, dass der Gattungs- 
name sofort die Vorstellung einer grösseren Gruppe mit gemeinsamen 
Merkmalen weckt, zu welcher das oder die durch beigefügte Art- 
namen unterschiedenen Thiere gehören. Die Namen Felis Leo, Felis 
Tigris, Felis Lynx besagen, dass Löwe, Tiger und Luchs gemeinsam 
dem Katzengeschlechte, der Gattung Felis, zugehören. Schafft man 
dagegen, wie dies neuerdings geschehen, für jede dieser Formen eine 
Untergattung, und nennt den Löwen Leo barbarus, den Tiger Tigris 
regalis, den Luchs Lynx vulgaris, so wird — abgesehen davon, dass 
dieser Vorgang den oben angeführten Regeln gemäss unserer Ansicht 
nach ganz unstatthaft ist — zwar der Specialist hierdurch seiner 
Anschauung Ausdruck geben können, dass Löwe, Tiger, Luchs zu 
gesonderten Gruppen der Katzenfamilie gehören, dagegen ist der zu- 
nächst wichtige Eindruck, dass wir es mit Katzenarten zu thun 
haben, völlig verwischt. 


Um nun in Betreff der Nomenclatur die directen Bedürfnisse des 


praktischen Forstmannes und die Ansprüche der Wissenschaft mit ein- 
ander zu vereinigen, soll in dem speciellen Theile folgender Weg ein- 
geschlagen werden: 


1. Es wird auf das strengste jede Art mit dem wissenschaftlich 


richtigen Artnamen bezeichnet werden. 


2. Es werden die Gattungsnamen so gewählt, dass nicht etwa 


jede neueste, auf kleinen Unterschieden beruhende Untergattung ange- 


nommen wird, sondern nur solche Hauptgattungen, welche sich mit den 


352 Kap. VII. Systematische und praktische Entomologie. 


dem praktischen Forstmanne zu Gebote stehenden, einfachen Unter- 
suchungsmitteln bestimmen lassen. 

3. Damit aber sowohl ein Vorwärtsforschen in rein entomologischen 
neueren Werken, als auch ein Zurückgehen auf Rarzegurc erleichtert 
werde, wird bei allen wiechtigeren, genauer besprochenen Formen, hinter 
dem in diesem Buche nach den eben gekennzeichneten Grundsätzen 
gewählten Namen zugefügt werden: 

a) der Name, unter welchem sie in dem neuesten wissenschaftlichen 
Katalog der betreffenden Gruppe aufgeführt ist, so z. B. bei den 
Käfern in dem „Oatalogus Coleopterorum Europae et Caucasi” von 
L. v. Heyoen, R. Reiter u. J. Weise, Berlin 1883; 

b) der Name, den sie in Rarzegurg’s grossem Werke „Die Forst- 
insekten” |V.], oder in den seiner „Waldverderbniss” [XV.] bei- 
gegebenen Nachträgen trägt. 

Folgendes Beispiel möge dies erläutern: 
Der eine grössere Fichtenbastkäfer wird bezeichnet werden als: 
Hylesinus glabratus ZETT. 
Cat. Col. Eur. 1883: Hylastes glabratus Zerr. 
Rarzee. Forstinsekt.: Hylesinus decumanus Er. 

Wir verwahren uns übrigens ausdrücklich gegen die Annahme, als 
glaubten wir etwa auf diese Weise eine vollständige Synonymie zu geben. 
Es soll vielmehr lediglich dem Fortgeschrittenen, wie dem auf älteren 
Standpunkte Stehengebliebenen die Anknüpfung erleichtert werden. 

Für Art, Gattung und Familie haben sich auch deutsche Namen 
eingebürgert, die man leider nicht ganz fallen lassen kann. Sind auch 
manche deutsche Namen etwas bezeichnender als die lateinischen, so 
leiden sie doch oft an dem grossen Fehler, nur Provineialismen zu sein. 
Wo die Fichte vorherrscht, pflegt man z. B. Hylobius Abietis L. den 
Fichtenrüsselkäfer, in Kiefergegenden Kiefernrüsselkäfer zu nennen. 
Gegen solche Uebelstände vermag aber kein Autor anzukämpfen; deshalb 
müssten wir es eigentlich für einen Fortschritt halten, wenn auch in 
der Praxis nur die lateinischen Namen angewendet würden. Schwer ist 
das nicht, selbst die gewöhnlichsten Waldarbeiter merken sich solche 
Namen leicht. Trotzdem haben wir indessen die Ratzerurg’schen und 
andere deutsche Namen festgehalten, weil sie sich unter den Forstwirthen 
sehr eingebürgert haben. 


Die eben dargeleste lateinische Bezeichnung der Einzelart wird als die 
Lins®’sche binäre Nomenelatur bezeichnet. Mitunter hat man versucht, die- 
selbe durch eine dreifache, ternäre zu ersetzen, indem man noch den Namen 
einer grösseren Gruppe, also’ z. B. den der Familie, vorsetzte. Dies ist besonders 


Nomenclatur. Bestimmung der Forstschädlinge. 253 


in den älteren Schriften Rarzesurg’s für die Schmetterlinge geschehen. So nennt 
er den Kiefernspinner Phalanea Bombyx Pini, um anzudeuten, dass derselbe zu 
den Nachtschmetterlingen, seinen Phalaenen, gehört. Dieser Gebrauch ist in der 
wissenschaftlichen Literatur, als zu complieirt, völlig verlassen worden und sollte 
auch in den forstlichen Büchern, in denen er ausnahmsweise noch spukt, ver- 
schwinden. Als ein unwissenschaftlicher, aber für die Praxis nicht gerade zu 
verwerfender Gebrauch ist ferner die Weglassung des Gattungsnamens zu erwähnen. 
So bezeichnet man häufig den Tomicus typographus kurzweg als „typographus”, 
den Pissodes notatus als „notatus”, u. s. f. Bei den allergewöhnlichsten Formen 
mag das zum Gebrauche für den Unterbeamten und Waldarbeiter angehen, als 
richtig kann man es nicht ansehen. 


Das Bestimmen der Forstschädlinge und die Anlegung von 
forstentomologischen Sammlungen. 


Die Bestimmung des Urhebers eines forstlichen Insektenschadens. 
Im speciellen Theile dieses Buches werden alle bisher als sehr und 
merklich forstschädlich erkannten Insekten, sowie auch der grössere 
Theil der unmerklich schädlichen so genau beschrieben, dass es dem 
Forstmanne möglich wird, sicher zu entscheiden, ob ein von ihm ge- 
fangenes Insekt, in welchem er diesen oder jenen Forstschädling ver- 
muthet, dieser wirklich auch ist oder nicht. Hat er also z. B. einen 
Rüsselkäfer gefangen, den er für den Harzrüsselkäfer, Pissodes herceyniae, 
hält, so kann er, falls diese Vermuthung richtig, sich Gewissheit ver- 
schaffen; wenn dies nicht der Fall ist, er aber doch nicht allzu falsch 
rieth, auch wohl ausfindig machen, welchen verwandten Schädling er 
fälschlich für den Harzrüsselkäfer ansah. 

Dagegen reichen die Angaben des speciellen Theiles durchaus 
nicht aus, etwa jedes im Walde gefangene Insekt nun auch wirklich 
zu bestimmen. Ueberhaupt ist die sichere Bestimmung eines beliebigen 
einheimischen Insektes durchaus keine so leichte Aufgabe, als der Laie 
es sich gewöhnlich denkt. Für den praktischen Forstmann handelt es 
sich aber auch durchaus nicht um eine solche directe Bestimmung, 
sondern vielmehr darum, eine entdeckte Beschädigung an Holz- 
pflanzen auf ihren Urheber zurückzuführen. 

Die Art der Beschädigung wird es also sein, von welcher er zu- 
nächst auszugehen hat, und zur Erkennung des Schädlings nach den 
Kennzeichen des Frasses leitet der dritte, aus Hilfstabellen bestehende 
Theil dieses Buches an. 

Mit der Durchsicht dieser Tabellen ist also in jedem zweifel- 
haften Falle zu beginnen, und sehr häufig werden die daselbst auf- 


geführten Kennzeichen bereits vollständig genügen, um den Urheber 
des Schadens sogar daun sicher anzusprechen, wenn er bereits die 


254 Kap. VII. Systematische und praktische Entomologie. 


Stätte der Beschädigung verlassen hat und dem Forstmanne nicht 
mehr in die Hände fiel. 

Ist letzteres aber der Fall, hat der Forstmann den Schädling in 
Händen, so werden die in den Tabellen gegebenen Verweisungen auf 
den speciellen Theil es meist möglich machen, völlige Gewissheit 
über Namen und Lebensgeschichte zu erlangen. Trotzdem könnte 
es aber doch einmal vorkommen, dass alle in diesem Buche nieder- 
gelegten Angaben nicht genügten, um einen Frass oder ein schädigendes 
Insekt sicher zu erkennen. Es kann dies aber nur in dem Falle ein- 
treten, wenn ein bisher völlig unbeachtet gebliebener und als völlig 
gleichgiltig angesehener Bewohner eines unserer Waldbäume sich aus- 
nahmsweise einmal so vermehrt, dass er in diesem einen Falle 
als merklich schädlich angesprochen werden müsste. Alsdann ist 
natürlich eine Bestimmung nach Frasskennzeichen nicht ausführbar, 
und es ist nur dann auf eine sichere Bestimmung des Urhebers zu 
rechnen, wenn der Beobachter das gefangene T'hier, resp. dessen 
Jugendstadien, an einen Fachmann einsendet. Sind nur Jugendzustände 
gefangen worden, so wird häufig auch der Fachmann nur dann sichere 
Auskunft geben können, wenn er dieselben lebend erhält und im Stande 
ist, die Imago zu erziehen, denn ausser bei den Schmetterlingen, sind 
die Jugendzustände unserer Insekten durchaus nicht vollständig be- 
kannt, und es dürfte nur wenige Forscher geben, die z. B. die Larve 
eines Bockkäfers sicher der Art nach bestimmen können. 


Die Anlage von forstlichen Insektensammlungen. Nach unseren 
Erfahrungen wird nur Derjenige die Forstinsekten mit Sicherheit kennen 
lernen, welcher sich einen entomologischen Blick dadurch erwirbt, dass 
er sich mit irgend einer Insektengruppe speciell beschäftigt. Es ist daher 
dem angehenden Forstmanne nicht genug zu empfehlen, sich eine kleine 
Insektensammlung anzulegen, und zwar sind, wenn es nur auf den eben 
angedeuteten Zweck der Schärfung des entomologischen Blickes ankommt, 
die Käfer als Sammelobjecte am meisten zu empfehlen. 

Wir geben daher hier einige kurze Andeutungen über das Insekten- 
sammeln, müssen aber ausdrücklich bemerken, dass dieselben durchaus 
nicht für Entomologen bestimmt sind, sondern für Leute, welche das 
Sammeln als unentbehrliches Mittel zu praktischen Zwecken betrachten, 
und können daher Anweisung zu schwierigeren Methoden der Aufbewahrung, 
z. B. eine Anleitung zum Spannen der Schmetterlinge, zum Anstecken 
besonders kleiner Insekten auf Silberdraht oder sogenannte „Minutien- 
nadeln” u. s. f. hier nicht geben. Wer eingehender sammeln will, wird 
sich am besten mit einem erfahrenen Sammler in Verbindung setzen, 
oder einer guten, ausführlichen, gedruckten Anleitung folgen müssen. 


Als solche möchten wir beispielsweise die im „Naturaliensammler”, Leipzig, 
Verlag von Otto Spamer, enthaltene, von dem verstorbenen v. KIESENWETTER ver- 
fasste Anweisung zum Insektensammeln bezeichnen. 


Bestimmung der Forstschädlinge. Forstliche Insektensammlungen. 2355 


Auch in der „Praktischen Insektenkunde” von TascHENnBERG [XXI] sind 
sehr gute Anleitungen enthalten. 

Tödtung der Insekten. Die Käfer lassen sich am leichtesten 
sammeln; man wirft sie in ein mit starkem Brennspiritus gefülltes 
Fläschchen. Will man jedoch behaarte Käfer, z. B. Cicindela, Melolontha 
u. s. f., gut präpariren, so muss man sie freilich, ebenso wie alle In- 
sekten mit weichen Flügeln, welche im Spiritus leiden, auf trockenem 
Wege tödten. Am schnellsten kommt man mit dem seiner Gefähr- 
lichkeit wegen allerdings vorsichtig zu behandelnden Cyankalium 
zum Ziele. In ein mit Papierschnitzeln gefülltes Fläschehen gibt 
man ein in Papier gewickeltes Stück, etwa von der Grösse eines 
Schrotes Nr. 4; dies reicht für viele Tage hin. Manche Farben leiden 
allerdings durch das Cyankalium, so das Gelb vieler Hautflügler. 
Will man einen noch sichereren Verschluss des Cyankaliums haben, 
so legt man das Stückchen auf den Boden eines weithalsigen Fläsch- 
chens, bedeckt es mit trockenem Gipspulver und giesst dann schnell 
eine Lage mit Wasser angemachten Gipses darauf. Dieser erhärtet 
bald, desgleichen zieht auch der darunter liegende trockene Gips 
Feuchtigkeit von oben an, und es bildet nun das Ganze eine feste 
Masse, die vor jeder unerwünschten Berührung mit dem Oyankalium 
schützt, während die Dämpfe desselben durch die poröse Gipsschicht 
durchdringen und alle in die Flasche gebrachte Insekten tödten. Damit 
diese nicht zu sehr durcheinandergerüttelt werden, bringt man 
einige zusammengeknäuelte lange Löschpapierschnitzel in das Glas. 

Weniger sicher tödten, aber auch weniger gefährlich sind Schwefel- 
äther oder Chloroform. Man schüttet 10 bis 20 Tropfen auf die Lösch- 
papierschnitzel und sie behalten in gut verkorktem Fläschehen während 
mehrerer Stunden ihre tödtende, wenigstens betäubende Wirkung. Gut 
ist es, vor dem Herausnehmen der Insekten noch einmal frische Tropfen 
in das Fläschchen zu geben, um das Wiedererwachen der angesteckten 
Thiere zu verhindern. Um den Kork des Fläschehens nicht zu oft 
öffnen zu müssen, bringt man durch denselben eine Federspule mit 
Holzstöpsel und steckt kleinere Insekten durch diese in die Flasche. 
Lebendig in Flaschen mit Löschpapierstreifen nach Hause gebrachte 
Käfer tödtet man am besten durch Versenken der Flasche in kochendes 
Wasser. In kleinen Reagenzgläschen untergebrachte kann man leicht 
und schnell durch kurzes, vorsichtiges Erhitzen über der Lampe oder 
dem Lichte tödten, Für grössere Schmetterlinge empfiehlt sich das 
Anspiessen der lebenden Thiere und sofortiges, vorsichtiges, seitliches 
Drücken des Thorax. Hierauf werden sie am besten unter einer 
kleinen Glasglocke mit Aether betäubt und getödtet. Letzteres kann auch 
erst auf dem Spannbrett geschehen. Kleinschmetterlinge, z. B. Wickler, 
gibt man lebendig in kleine, flache Pappschächtelchen, deren Deckel 
- mit Hilfe einer starken Nadel durchlöchert ist; einige auf letzteren 
gegossene Tropfen Aether genügen, um das Thier zu betäuben oder 
zu tödten, worauf man es leicht an die Nadel bringen kann, ohne 
es zu beschädigen. 


256 Kap. VII. Systematische und praktische Entomologie. 


Die Zubereitung für die Sammlung. Die getödteten Insekten 
werden auf Nadeln gespiesst. Gewöhnliche Stecknadeln sind zu diesem 
Zwecke nicht zu empfehlen, vielmehr erwerbe man besondere Insekten- 
nadeln von eirca 4 cm Länge, in zwei bis drei verschiedenen, den 
verschiedenen Insektengrössen angepassten Stärken. Beim Anspiessen 
wird das Insekt ohngefähr zu zwei Drittel bis drei Viertel der Nadel- 
höhe emporgeschoben. 

Soll eine Sammlung sauber aussehen, so hat man darauf zu 
achten, dass sämmtliche Insekten in gleicher Höhe angespiesst sind. 
Grössere Käfer und meistenstheils auch Wanzen werden von obenher 
durch die rechte Flügeldecke aufgesteckt. Bei allen anderen grösseren 
Insekten, z. B. Schmetterlingen, Hautflüglern, Fliegen u. s. f., wird die 
Nadel durch den Thorax gestochen. Kleine Insekten klebt man mit 
Gummi auf 6 bis 8 mm lange, an der Basis 3 mm breite, dreieckige 
Schnitzel von starkem Papier; auf die Spitze des Drei- 
eckes kommt das Insekt, an der Basis wird die Nadel 
durchgestochen (Fig. 106). Gut ist es, einige Exemplare 
verkehrt, d. h. mit dem Rücken aufzukleben, damit man 
auch die Unterseite vollständig betrachten kann. 

Sehr empfehlenswerth ist es, auf kleinen, unterhalb 
des Insektes angespiessten Etiquetten Fangzeit, Fundort 
und sonstige Bemerkungen zuzufügen. Auch verschieden- 
farbige Papierblättchen, die am besten mit einem kleinen 
Locheisen ausgeschlagen werden, können dazu dienen, 
Insekten von verschiedenen, vom Sammler häufiger be- 
BE — suchten Gegenden auseinanderzuhalten (vergl. Fig.106). 
Fig. 106. Auf ein Aufbewahrung und Erhaltung der ge- 

Papierdreieck sammelten Insekten. Zur Aufbewahrung gehören 
aufgeklebter Kä- dicht schliessende Holzkasten, etwa 40 cm lang, 
fer mit Fundbe- ; i 

ie 30 cm breit und 6 em hoch, mit Glasdeckel. Am besten 
ist es, den Boden mit einer dünnen Korklage zu über- 

ziehen, oder ihn aus sehr weichem Linden-, Weiden- oder Pappelholz 
herstellen zu lassen, um die langen Nadeln, am sichersten immer mit 
einer kleinen Drahtzange, leicht und fest einstecken zu können. 

Der beste Verschluss ist der mit doppeltem, gut gearbeitetem Falze. 

Es genügt aber nicht, sich eine Sammlung anzulegen, dieselbe 
ınuss vielmehr auch bewahrt werden. Die ärgsten Feinde derselben 
sind Staub, Licht, Feuchtigkeit und Raubinsekten. Der Staub wird 
durch gut gearbeitete Kästen abgehalten, das Licht, welches die 
Farben ausbleicht, durch Einschliessen der Sammelkästen in dunkle 
Schränke oder Bedecken ihrer Glasscheibe mit einem Vorhange oder 
Pappdeckel. Gegen die Feuchtigkeit wahrt man sich durch pas- 
sende Wahl des Aufstellungsortes, wobei besonders feuchte Zimmer zu 
vermeiden sind. Auch das Aufstellen der Sammelkästen an Aussen- 
mauern, besonders an der Wetterseite gelegenen, ist sehr schädlich. Die 
Feuchtigkeit schadet den Insekten übrigens nicht allein direct, sondern 
besonders durch Begünstigung der Schimmelvegetation. Schimmel ist 


Anlegung forstlicher Insektensammlungen. 257 


die sichere Folge einer feuchten Aufbewahrung und zerstört eine 
Sammlung unfehlbar. Bei rechtzeitiger Wahrnehmung der Gefahr 
kann Trocknen der Insekten und nachträgliches Abpinseln mit Spiritus 
oder Benzin bei nicht behaarten oder beschuppten Thieren wohl noch 
einmal helfen. 

Die schlimmsten thierischen Feinde der Sammlung sind 
Milben, Holzläuse, Larven der Käfergattungen Anthrenus und Der- 
mestes, sowie Motten. Dieselben können in einen Kasten nur dann 
eindringen, wenn derselbe nicht gut schliesst oder öfters offen gelassen 
wird. Beides ist sorgfältig zu vermeiden. Sind auf diese Weise oder 
durch infieirte, aus einer fremden Sammlung übernommene Exemplare 
solche Schädlinge eingeschleppt worden, was man an ihren auf dem 
Boden des Kastens sich anhäufenden Kothresten, dem sogenannten 
Wurmmehl, bemerkt, so sind dieselben zu tödten. Sicher wirkt eine 
längere, mässige Dörrung der Insekten, oder aber bei unbehaarten 
Thieren ein Einwerfen derselben in Spiritus, oder das Eingiessen einer 
kräftigen Poıtion gut gereinigten Benzins, welches man allmälig 
in dem wohlverschlossenen Kasten verdunsten lässt. 

Häufig schützt man auch die Sammlungen durch Einbringen einer 
stark riechenden oder giftigen Substanz in die Kästen. In früheren 
Zeiten bediente man sich hierzu des metallischen Quecksilbers, welches 
man frei auf dem Boden des Kastens umherlaufen liess. Seiner Ge- 
fährlichkeit wegen ist dies Mittel durchaus zu verwerfen, und man 
verwendet jetzt meist kıystallisirtes Naphthalin, welches in jeder 
Droguenhandlung oder Apotheke billig zu haben ist. Dieses wird am 
besten in einer kleinen, durchlöcherten, auf dem Boden des Kastens 
festgeleimten oder festgesteckten Schachtel angebracht. Das Beste ist und 
bleibt fleissige Benutzung und Revision der Sammlung. Endlich sei 
noch erwähnt, dass es ganz fehlerhaft ist, Sammlungen in Glaskästen 
an der Wand aufzuhängen, wie es so oft geschieht, weil das Licht 
allmälig die Farben, namentlich die vieler Schmetterlinge, zerstört. 

Zucht der Insekten. In sehr vielen Fällen wird aber gerade 
für den praktischen Forstmann das Sammeln allein nicht genügen. 
Eine grössere Anzahl der für ihn wichtigen Thiere sind auf diese 
Weise nicht leicht zu erbeuten, z. B. viele Borkenkäfer, Buprestiden 
u. s. f. Desgleichen sind die einfach draussen im Walde gefangenen 
Schmetterlinge häufig bereits so stark abgeflattert, dass sie für eine 
Sammlung nicht taugen. Dagegen sind viele dieser Thhiere leicht zu 
erziehen. 

Am leichtesten geht dies bei allen das Holz und die Rinde be- 
wohnenden Käfern, Schmetterlingen, Holzwespen u. s. f. Trägt man 
Stammstücke oder Aeste, welche von deren Larven besetzt sind, ein 
und verschliesst sie in passende Behälter, so werden sich dieselben, 
besonders wenn man dafür sorgt, dass sie im Zimmer nicht zu sehr 
austrocknen, normal weiter entwickeln und zu Imagines verwandeln. 
Sogar einzelne grössere, aus ihren Frassgängen herausgenommene 
Larven, z. B. solche von Bockkäfern und die Raupen des Weiden- 


Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde. 17 


258 Kap. VII. Systematische und praktische Entomologie. 


bohrers, können in Gläsern mit Sägespänen erzogen werden. Insekten, 
welche in den von ihnen bewohnten Pflanzentheilen als Larven oder 
Puppen überwintern, werden am besten den Winter über im Freien 
gelassen, und den gewöhnlichen winterlichen Witterungsverhältnissen 
ausgesetzt. Dies gilt z. B. besonders bei in den Gallen überwintern- 
dern Gallwespen. Erst im Frühjahr bei Eintritt der wärmeren Witterung 
zwingert man sie dann richtig ein. Raupen müssen öfters frisches 
Futter haben, dies ist namentlich mühsam bei den Laubfressern, 
denen man täglich frisches Laub geben muss, wenn man dasselbe nicht 
etwa in einer Wasserflasche, in welche die fressenden Raupen nicht 
fallen können, im Zwinger aufstellen kann. Am schwierigsten ist es, 
räuberische Larven, welche frische Insekten und feuchte Erde brauchen, 
wie Oaraben und Staphylinen, durchzubringen. Ueberhaupt sind die in der 
Erde lebenden Insekten, wenn auch Pflanzenfresser, wie z. B. Enger- 
linge, schwer zu erziehen. Die Erziehung der Schmarotzer, welche 
noch so manche neue Entdeckung versprechen, gelingt nebenher, 
wenn man ihre Wohnthiere oder Wirthe — jede Art in einem 
getrennten Behälter — ordentlich verpflegt. Da die Schmarotzer, nament- 
lich die Ichneumonen, oft sehr klein sind, so darf man das Glas 
oder den Kasten, in welchem sie auskommen, nicht eher öffnen, bis 
sie alle todt sind, damit bei unvorsichtigem Oeffnen die besten Stücke 
nicht unbemerkt entschlüpfen. So erhält man meist mehr Exemplare, 
als ınan gleich aufspiessen oder aufkleben kann. Will man diese ver- 
wahren, so bringt man sie zwischen Schichten von Watte. In einer 
Schachtel kann man sie dann auch leicht verschieken. Vor allen 
Dingen muss der Name des Wirthes, aus welchen man die Schmarotzer 
erzogen hat, vermerkt werden, womöglich auch die Zeit des Aus- 
kommens, das Benehmen dieser Schmarotzer im Zwinger, und hinsicht- 
lich der Wirthe: woher sie kamen, wann sie eingezwingert wurden, 
wie und wann sie starben u. s. £. 

Als Zuchtzwinger verwendet man am besten Holzkästen, die 
behufs Zulassung von Licht und Luft an den Seiten mit Glas und 
Gaze oder feinem Messingdrahtgeflecht verschlossen sind. Verpuppen 
sich die in ihnen gehaltenen Insekten im Freien in der Bodendecke, so 
hat man auf den Grund des Zwingers eine Erdschicht zu bringen. Auch 
grössere Einmachegläser, welche oben einen umgebogenen Rand haben, 
über welchem sich ein Gaze- oder durchlöcherter Papierverschluss 
leicht festbinden lässt, thun gute Dienste. Sprengt man von einem 
solchen Glase den Boden ab, und setzt dasselbe auf einen mit Erde 
oder Sand gefüllten, von Zeit zu Zeit von unten begossenen Blumen- 
topf, so erhält man gute Zwinger für im Boden überwinternde Puppen. 

Sammlung von Jugendzuständen. Aber nicht allein Insekten- - 
imagines hat der Forstmann zu sammeln. Es ist für ihn sehr wichtig, 
auch die Eier, Larven und Puppen der Forstschädlinge genau zu 
kennen und zur Vergleichung in späteren Fällen aufzuheben, besonders 
dann, wenn er gleichzeitig durch Zucht unzweifelhaft feststellt, welche 
Imagines zu diesen Jugendzuständen gehören. 


Insektenzucht. Sammlung von Jugendstadien und Frassstücken. 259 


Einige dieser Objeete, z. B. die Eier und Puppen vieler 
Schmetterlinge lassen sich ohneweiters trocken aufbewahren. Grössere 
Insektenlarven, besonders Schmetterlingsraupen, können, nach vorher- 
gehendem vorsichtigen Ausdrücken ihrer weichen Innentheile durch 
den After, über einem Kohlenfeuer oder einer mit einem Drahtnetz 
bedeckten Spirituslampe, mittelst eines Strohhalmes oder einem Glas- 
röhrchen aufgeblasen und getrocknet werden. Es erfordert diese Arbeit 
aber viel Uebung und Geschicklichkeit. Beiweitem die meisten Jugend- 
zustände müssen aber in gut verschlossenen Gläschen in Spiritus auf- 
bewahrt werden. Guter Brennspiritus mit ohngefähr !/, Wasser verdünnt, 
leistet hier gute Dienste. 

Die zur Zeit wohl unübertroffenen Meister im Raupenausblasen und in der 
Herstellung biologischer Insektensammlungen überhaupt sind Dr. Max GEMMINGER, 
Adjunet an der zoologisch-zootomischen Sammlung in Miinchen und Oberförster 
F. A. Wacntt, Entomolog an der k. k. Anstalt für forstliches Versuchswesen zu Wien. 
Letzterer hat in den „Mittheilungen aus dem forstlichenVersuchswesen Oesterreichs” 
herausgegeben “von A. v. SECKENDORFF, I. Bd, 3. Heft, 1878, S. 279 bis 282, in 
einem besonderen Aufsatze eine sehr genaue Anweisung zum Ausblasen der 
Raupen gegeben. 

Auch eine kleine Sammlung von Frassstücken ist von hoher 
Wichtigkeit für den Forstmann sowohl zu eigener Belehrung als zum 
Unterrichte seiner Zöglinge. Alle Frassgänge in Holz oder Rinde sind 
ohne Schwierigkeit wenigstens eine Zeit lang aufzubewahren. Man 
hat hierbei nur darauf zu sehen, dass die Frassstücke handlich zu- 
geschnitten, grössere dünne Rindenstücke zwischen Brettern flach ge- 
presst werden, und dass man neben den, natürlich besonders werthvollen, 
völlig normal ausgebildeten Frassstücken auch undeutlicher ausgeprägte, 
sicher bestimmte mitnimmt, da draussen im Walde die letzteren meist 
die überwiegende Mehrzahl bilden und daher dem angehenden Forst- 
manne gleichfalls vorgeführt werden müssen. Sind die Gänge tief im 
Holze verborgen, so werden geschickt gelegte Quer- und Längsschnitte, 
sowie glücklich gesprungene Spaltstücke häufig sehr lehrreich sein, so 
z. B. bei Frassstücken der Nutzholzborkenkäfer. 

Befressene Blätter werden in derselben Weise für die Sammlung 
zwischen Fliesspapier getrocknet und dann auf weisse Papierbogen 
aufgeklebt, wie für das Herbarium zuzubereitende Pflanzen. 

In jedem Falle ist genaue Etiquettirung des Frassstückes nach 
Art, Zeit, Fundort und Pflanze unumgänglich nothwendig. Erfahrungs- 
gemäss unterliegen aber alle gesammelten Frassstücke mit der Zeit 
den Angriffen von Insekten. Namentlich berindete Nadelholzstücke 
werden durch die Larven von Anobium molle L. gründlichst zerstört 
und Laubhölzer, obgleich weniger gefährdet, sind den Angriffen von 
Bockkäfern, z. B. von Hylotrypes bajulus L., Callidium violaceum 
L., und C. variabiie L., ausgesetzt. 

Bemerkt man diese Schädigungen zeitig, so sind die Stücke noch 
dureh starkes, die Schädlinge tödtendes Dörren zu retten. Viel besser 
aber ist es, dieselben gleich von vornherein zu schützen. Dies kann 
bei werthvollen, nicht zu grossen Exemplaren dadurch geschehen, dass 

al 


260 Kap. VII. Systematische und praktische Entomologie. 


man die durch Erhitzung von allen etwa bereits in ihnen vorhandenen 
Schädlingen befreiten Holzstücke vom Buchbinder in feste Pappkästen 
einkleben lässt, welche an den Seiten, an welchen das Frassstück 
dem Blicke zugänglich sein muss, mit Glasscheiben versehen sind. 
Einfacher ist es, wenn man die Stücke gründlich mit einer nicht zu 
starken Lösung von arseniksaurem Natron, Na, As O,, bepinselt; kleinere 
Stücke kann man eine Zeit lang in einer solchen Lösung liegen 
lassen. Die Lösung ist so zu verdünnen, dass ein auf eine schwarze 
Unterlage gebrachter Tropfen beim Trocknen keinen nennenswerthen 
weissen Fleck hinterlässt. Zu beachten ist besonders, dass arseniksaures 
Natron ein starkes Gift und zugleich eine Lauge ist, welche die 
Hände des unvorsichtig mit ihm umgehenden Sammlers angreift. Sehr 
rauhborkige Stücke streicht man vorher am besten mit Spiritus an, 
dann zieht das Conservirungsmittel leichter in alle Ritze ein. 

Sammelgeräthschaften und Lupen. Wer das Sammeln ein- 
gehender betreiben will, hat sich noch mit Fanggeräthen, als da sind: 
Schmetterlingsnetzen, Käferketschern, Raupenschachteln, Schachteln mit 
weichem Boden zum Aufstecken gefangener Schmetterlinge, Fliegen, 
Libellen u. s. f. zu versehen. Hierauf können wir an dieser Stelle 
nicht näher eingehen. 

Unentbehrlich für jeden Forstmann, welcher sich nur einiger- 
massen mit Entomologie beschäftigen will, sind dagegen eine feine 
Pincette und eine Lupe. Letztere wird ihm auch bei botanischen 
Untersuchungen gute Dienste leisten. In schwarze Hormschalen ein- 
geschlossene Einschlaglupen mit zwei verschieden starken Gläsern, 
welche entweder jedes einzeln, oder wenn man stärkere Vergrösserung 
wünscht, zusammen gebraucht werden, sind am meisten zu empfehlen. 
Das eine Glas sollte sechs-, das andere circa zehnmal im Durchmesser 
vergrössern. Zusammengenommen vergrössern sie dann ohngefähr fünf- 
zehnmal. Wirklich tadellose, achromatische und aplanatische Lupen 
dieser Art sind nicht billig und kosten zwischen 12 und 20 Mark. 
Unübertroffen sind die von der Firma F. W. Scheck in Berlin ge- 
lieferten Taschenlupen. Aber auch billigere, bei jedem ÖOpticus zu 
erhaltende, nicht völlig achromatische und aplanatische Handlupen, 
die von 5 Mark an zu haben sind, können ausreichen. Bei dem 
Gebrauche der Lupe gewöhne sich der Anfänger folgendermassen zu 
verfahren: er,nimmt das zu untersuchende Insekt zwischen die drei 
ersten Finger der linken Hand, hält die Lupe mit der rechten dicht 
vor das Auge und sucht nun, die rechte mittelst des Kleinfingers gegen 
die linke stützend, die richtige Entfernung, die Brennweite. Er 
stelle sich so, dass das Licht auf das Object fällt. Die Lupe weit vom 
Auge zu halten und so durchzusehen, ist ganz unpraktisch. Um das 
Gesehene richtig deuten zu können, wird man Beschreibungen eines 
guten Buches hinzuziehen, hier und da auch wohl eine Abbildung 
vergleichen müssen. 

Zur wirklich entomologischen Bestimmung kleinerer Käfer, 
2. B. der Borkenkäfer, bei denen es vielfach auf die Anzahl der 


Optische Instrumente, Allgemeine Literatur. 261 


Fühlerglieder und feine Seulpturverhältnisse der Flügeldecken ankommt. 
genügt eine gewöhnliche Handlupe mit fünfzehnmaliger Vergrösserung 
nicht. Hier wird eine schärfere Lupe oder ein Mikroskop nöthig. 
Oylinderlupen von circa dreissigfacher Vergrösserung sind wohl die 
billigsten hierzu tauglichen Instrumente, Auch kann man schwächere 
Objectivsysteme eines guten Mikroskopes als Handlupen verwenden, 
z. B. Nr. 4 oder höchstens Nr. 5 von Harrnack in Potsdam. Es 
gehört aber zur Benutzung dieser stärkeren optischen Hilfsmittel eine 
ziemliche Uebung, da ihre Brennweite eine sehr geringe ist, das 
Glas also dem zu untersuchenden Objecte sehr stark genähert werden 
muss. Man klebt daher Tbiere, die so untersucht werden sollen, am 
besten vorher auf ein Papierdreieck (vergl. S. 256) und steckt dann 
die Nadel auf ein Stäbchen Hollundermark als Handgriff. 


Noch schwieriger ist die Verwendung des zusammengesetzten Mikroskopes, 
da sogar ziemlich kleine Insekten zuerst in passender Weise präparirt werden 
müssen, damit sie bei durchfallendem Lichte betrachtet werden können, und zur 
Untersuchung eines nur irgendwie grösseren Insektes die Theile desselben 
auseinandergelest und einzeln zu mikroskopischen Präparaten verarbeitet 
werden müssen. Anweisung zu solchen Präparationen zu geben, geht über den 
Plan dieses Buches hinaus. Wir möchten nur kurz darauf aufmerksam machen, 
dass ein Forstmann, der ein Mikroskop anschaffen will, sich wohl hüten möge, 
eines der in den Schaufenstern der gewöhnlichen Optiker ausgestellten, oft für 
den Laien recht verlockend aussehenden Mikroskope zu kaufen. Es sind dies 
meist schlechte, nach völlig veralteten Systemen gebaute Ungeheuer, mit deren 
Ankauf er sein Geld ebenso sicher wegwirft, wie wenn er eines der für Spottgeld 
in den Zeitungen angepriesenen „Mikroskope mit 2000facher Vergrösserung” er- 
steht; 60 bis 120 Mark ist das Mindeste, was man an ein brauchbares Mikroskop 
wenden muss. Bezieht man von einer soliden Firma, z. B. E. Harrxack, Potsdam, 


Waisenstrasse 39. — C. Reichert, Wien, VIII. Laudongasse 40. — F. W. SCHIECK 
Berlin SW, Halle’sche Strasse 14 — SEIBERT & Krarrt, Wetzlar — R. Wrnckk£r, 
Göttingen. — C. Zeiss, Jena, ein einfaches Stativ mit Hufeisenfuss und fest- 


stehendem Objecttisch, einem mittleren Oculare, z. B. Haxrnack Nr. 3 und 
zwei Objectiven, z. B. Harrnack Nr. 4 und. Nr. 7 und verbittet sich gleichzeitig die 
Beigabe von Objectträgern, Deckgläschen, Pincetten, Nadeln, Messern u. s. f., 
welche man billiger in besonderen Handlungen — Glaswaaren z. B. bei W. P. Stexper 
in Leipzig u. A., Stahlinstrumente z. B. bei ©. Franex oder O. Moscke in Leipzig 
— ersteht, so ist man sicher, ein durchaus brauchbares und längere Zeit 
Werth behaltendes Instrument zu erhalten, welches allen Ansprüchen eines Forst- 
mannes genügen kann. 


Allgemeine Literatur. 


Für diejenigen Forstleute, welche tiefer in die Entomologie ein- 
dringen wollen, als dieses Buch es gestattet, seien zunächst einige all- 


gemeinere literarische Hilfsmittel aufgeführt. 

Burmeister, H. Handbuch der Entomologie. I Bd. Allgemeine Entomo- 
logie. gr. 8. Mit 16 Steindrucktafeln. 4. 1832. Berlin bei Reimer. 
Eine noch heute sehr brauchbare Schrift, welche ihrer Zeit bahnbrechend war. 

Carus, J. V. und Gerstäcker, C. E. A. Handbuch der Zoologie. 
8. I. Bd. 1868—1875. II. Bd, 1863. Leipzig, Wilhelm Engelmann. 
Der zweite Band enthält eine ausgezeichnete Darstellung der Arthropoden 

aus GERSTÄcrErR'S Feder. 


262 Kap. VII. Systematische und praktische Entomologie. 


Leunss, J. Synopsis der drei Naturreiche. 8. Erster T'heil. Zoologie. 
2. Aufl. von Lupwıs, H., I. Bd. 1883, II. Bd., 1. Abtheilung 
1884. Hannover, Hahn’sche Buchhandlung. 


Die erste Abtheilung des zweiten Bandes enthält den Haupttheil der Ento- 
mologie. Dieses Buch gestattet auch ein Bestimmen der gewöhnlicheren 
Insektenarten. 


Craus, ©. Grundzüge der Zoologie. 8.4. Aufl, I. u. II. Bd. 1880—1882, 
Marburg, Elwert’sche Verlagsbuchhandlung. 


Derselbe. Lehrbuch der Zoologie. 8. 2. Aufl. mit 706 Holz- 
schnitten. 1883. Marburg und Leipzig. Elwert'sche Verlagsbuch- 
handlung. 


Neueste und beste Lehrbücher der wissenschaftlichen Zoologie für Studirende, 
ersteres für weitergehende Bedürfnisse berechnet, letzteres mit vortrefflichen 
Abbildungen. 


Kırey, W. und Spexer, W. Einleitung in die Entomologie. Heraus- 
gegeben von Oxznx. 4 Bd. mit Kupfert. gr. 8. 1823— 33. Stuttgart und 
Tübingen bei Cotta. 

Aelteres Werk mit vielen schätzbaren biologischen Notizen. 


GraBer, V. Die Insekten. 8. I. Bd. 1877. II. Bd. 1877 und 1879. 
München, R. Oldenbourg. 


Interessant geschriebene, auch zur Lectüre zu empfehlende Darstellung des 

Baues und der Lebensweise der Insekten. 

Wir lassen nun eine Anzahl von Werken in wesentlich historischer 
Reihe folgen, welche entweder ausschliesslich praktisch entomologischen 
und forstentomologischen Inhaltes sind oder neben Anderem allgemeinere 
Uebersichten über Forstinsekten bringen. Diese sind im vorhergehenden 
und folgenden Texte dieses Buches lediglich mit der ihnen hier gegebenen 
römischen Zahl, und zwar in eckigen Klammern eitirt. Alle in 
eckige Klammern eingeschlossenen Citate mit arabischen Ziffern be- 
ziehen sich auf die speciellen, dem Abschnitte, zu welchem sie gehören, 
angefigten Literaturverzeichnisse. In dem vorliegenden ersten Theile finden 
sich solche speecielle Literaturverzeichnisse auf 8.121 u. 181, in dem zweiten 
Theile werden sie allen wichtigeren Insektengruppen beigegeben werden. 

Beobachtungen über Forstinsekten sind am meisten in Deutschland 
und Oesterreich angestellt und veröffentlicht worden. Der hohe Werth 
der Waldungen, ein gewisser wissenschaftlicher Sinn der Forstwirthe 
drängten zu solchen Studien hin. Diese wurden angeregt und unterstützt 
durch den Stand der Naturwissenschaften, namentlich auch der Entomo- 
logie in den genannten Ländern, Die forstlichen Zeitschriften und Vereins- 
berichte enthalten massenhaftes, namentlich in biologischer Beziehung 
werthvolles Material. Eine Uebersicht der neuen Arbeiten dieser Rich- 
tung ist alljährlich im „Tharander forstlichen Jahrbuche” ent- 


Allgemeine Literatur. 263 


halten, und zwar im „Repertorium” unter den Rubriken „Versuchswesen”, 

„Zoologie”, „Botanik”, speciell in dem Abschnitt „Krankheiten, Beschädi- 
. - } { - 

gungen, Missbildungen” und „Schutz gegen T'hiere”. 


IV. 


vi. 


x. 


xl. 


Becusteim, J. M. und Scharrengere G. L. Vollständige Natur- 
geschichte der für den Wald schädlichen und nützlichen Forst- 
insekten. gr. 4. 3 Theile. Leipzig 1804 u. 1805. Mit ill. Kpfn. 


. Becustein, J. M. Forstinsektologie oder Naturgeschichte der für 


den Wald schädlichen und nützlichen Insekten. 8. Gotha 1818. 
Mit 4 ill. KpftfIn. 


TuıerscHh, E. Die Forstkäfer oder vollständige Naturgeschichte 
der vorzüglichsten, den Gebirgsforsten schädlichen Insekten, haupt- 
sächlich der Borkenkäfer. gr. 4. Stuttgart und Tübingen 1830. 
Mit 2 Kpftfln. 

Korrar, V. Naturgeschichte der schädlichen Insekten in Beziehung 
auf Landwirthschaft und Forsteultur. 8. Wien 1837. 


. Rarzegure, J. T. ©. Die Forstinsekten, oder Abbildung und Be- 


schreibung der in den Wäldern Preussens und der Nachbarstaaten 
als schädlich oder nützlich bekannt gewordenen Forstinsekten. 
gr. 4. 3 Theile. Berlin 1839, 1840 und 1844. Mit vielen ill. 
Kupfertafeln. 

Derselbe. Die Ichneumonen der Forstinsekten in forstlicher und 
entomologischer Beziehung. 3 Theile. gr. 4. Berlin 1844, 1848 
und 1852. Mit Kupfertafeln. 


. König, G. Die Waldpflege. 8. Gotha, -Becker’sche Verlagsbuch- 


handlung. 1. Aufl. 1849, 2. Aufl. von ©. Grese. Gotha, Thiene- 
mann 1859. (3. Aufl. vergl. Nr. XIX). 

NörpLinger, H. Die kleinen Feinde der Landwirthschaft. 8. 
Stuttgart, J. G. Cotta. 1. Aufl. 1855, 2. Aufl. 1869. Mit Holzschn. 


. Derselbe. Nachträge zu Ratzeburg’s Forstinsekten. 8. Stuttgart 1856. 


(2. Aufl. vergl. Nr. XXIV.) 


. Rarzesure, J. T. C. Die Waldverderber und ihre Feinde. 8. 


Berlin, Nicolai’sche Buchhandlung. Mit 8 T£ln. u. Holzschn. 
1. Aufl. 1841. 6. Aufl. 1869. 


. Derselbe. Die Waldverderber und ihre Feinde. 8. Berlin, Nicolai- 


sche Buchhandlung. 7. Aufl. in vollständig neuer Bearbeitung 
herausgegeben von J. F. Jupeıcn 1876. Mit 10 Tfln. u. Holzschn. 
Henscuer, G. Leitfaden zur Bestimmung der schädlichen Forst- 
insekten, mit Angabe ihrer Lebensweise, der gegen dieselben seit- 
her mit Erfolg angewendeten Vorbauungs- und Vertilgungsmittel ete. 
8. Wien, Braumüller. 1. Aufl. 1861. 2. Aufl. 1876. 

Korenarı, F. A. Die für den Forstmann wichtigsten schädlichen 
Insekten, nach den neuesten Erfahrungen zusammengestellt. 8. In 


den Verhandlungen der Forstseetion für Mähren und Schlesien. 
Heft 43. Brünn 1861. 


264 


XIV. 


XV. 


XVi. 


xVvil. 


XVil. 


AIX. 


X. 


xXl. 


xxll. 
xx. 
XXIV. 


XXV. 


xXVil. 
XXVı. 


Kap. VII. Systematische und praktische Entomologie. 


Dösxer, E. Ph. Handbuch der Zoologie, mit besonderer Berück- 
sichtigung derjenigen 'Thiere, welche in Bezug auf Forst- und 
Landwirtschaft, sowie hinsichtlich der Jagd vorzüglich wichtig 
sind. 8. Aschaffenburg 1862. I. Wirbelthiere, II, wirbellose Thiere. 
Rarzegurg, J. T. C. Die Waldverderbniss oder dauernder 
Schade, welcher durch Insektenfrass, Schälen, Schlagen und Ver- 
beissen an lebenden Waldbäumen entsteht. gr. 4. 2 Theile. 
Berlin, Nicolai’sche Buchh. 1866 und 1868. Mit vielen farbigen 
Tafeln. 

Aurum, B. Forstzoologie. Berlin, Jul. Springer. I. Säugethiere. 
1872. II. Vögel. 1873. III. Insekten. 1874 und Ende 1875. 
2. Aufl. 1876—1882. Mit vielen Holzschn. 

Karrensach, J. H. Die Pflanzenfeinde aus der Klasse der 
Insekten. Ein nach Pflanzenfamilien geordnetes Handbuch 
sämmtlicher auf den einheimischen Pflanzen bisher beobachteten 
Insekten zum Gebrauch für Entomologen, Insektensammler, 
Botaniker, Land- und Forstwirthe und Gartenfreunde. Mit 
402 charakteristischen Holzschnitt-Illustrationen der wichtigsten 
Pflanzenfamilien. 8. Stuttgart. Jul. Hoffmann. 1874. 
Tascuzxgers, E.L. Forstwirthschaftliche Insektenkunde oder Natur- 
geschichte der den deutschen Forsten schädlichen Insekten ete. 
8. Leipzig 1874. Mit Holzschn. 

Grege, ©. Der Waldschutz und die Waldpflege. Dritte wesent]. 
erweiterte Auflage von Dr. G. Könıe’s Waldpflege. 8. Gotha. 
Thienemann. 1875. (1. und 2. Aufl. vergl. Nr. VII.) 

(use, ©. Aus dem Forstschutz. kl. 8. Berlin und Leipzig. 
H. Voigt. 1876. 

Hess, R. Der Forstschutz. 8. Leipzig. Teubner. 1878. 
TascHhengerg. Praktische Insektenkunde. I bis V. 8. Bremen. 
M. Heinsius. 1879 bis 1880. Mit Holzschn. 

v. Binzer, ©. A. L. Schädliche und nützliche Forstinsekten. 8. 
Berlin. Wiegandt, Hempel und Parey. 1880. 

NörpLIınGER, H. Lebensweise von Forstkerfen oder Nachträge 
zu Ratzeburg’s Forstinsekten. Zweite vermehrte Auflage. 4. 
Stuttgart. J. G. Cotta. 1880. (vergl, Nr. IX.) 

a) Frank, A. B. Die Krankheiten der Pflanzen. 8. Breslau. 
E. Trewendt. 1880. Mit Holzschn. 

b) Derselbe. Die Pflanzenkrankheiten in Schenk’s Handbuch 
der Botanik. gr. 8. I. 1881, S. 327—570. 

NÖRDLINGER, H. Lehrbuch des Forstschutzes. 8. Berlin. P. Parey. 
1884. Mit Holzschn. 

Henscner, G. Der Forstwart. 8. Wien. Wilhelm Braumüller. 
1878—1882. Mit Holzschn. | 


XXWVIN. Kauscminger. Lehre vom Waldschutz. 3. Aufl. neu bearb. von 


H. Fürst. 8. m. 4 TfIn. Berlin. Parey. 1883. 


K. k. Hofbuchdruckerei Carl Fromme in Wien. 


OWL... Anfchten Taf] 


EIEEL IE Ge 


7. Ocypus olens. Mill. 2. Stanhylinus erythronterus.L. 3. Clerus formicartus..L 


7.Calosoma syconhantadlı. 5. Carabus hortensis.L. 6 Anomalon errcumflevum.Iı. 


7. Limpia instigator Bubr. 8. Ichneumon mgritartus Gr». 9 Nemoraen zuuarum.Pubr 
10. Echinomyta fera.L. Ulithobius forficatus.L 


Hhädhehe (Nadl. u Laubhebe Rp FF 


7. Adimoma capreae L. 2 Agelastica alni.l. 3.Lına nopudu.L. 4 Phyllobius argentatus.L,. 
3. Hrrlobius abıetis.h. 6.F Yssordes notatus.Fabr. 7. Bostrychus tynographusL. ö.Bestr. bidens.Labr. 
9 Eylesinus ater.Payk. 10 Ihz! pinsnerda.b, U Scolytus destructor: Oh. 12Saperda carchartas.L 
13. Agrılus viridıs.L. 14. Meloiontha vulgaris Fabr I Lylta vestcateriach. 


Gastronacha pini.h. | lirefernsyunner 


SPECIELLER THEIL. 


Die rechte Praxis ist die Tochter der rechten 
Theorie, und insofern nichts praktischer als die 
Theorie. ROSENKRANZ, 


KAPITEL VIU. 


Die Gerad- und Netzflügler. 


Die in diesem Kapitel zusammengefassten beiden Insektenordnungen 
haben zwar für Landwirthe und Gärtner, sowie für Fischer — für diese 
als Köderinsekten — eine nicht zu unterschätzende Bedeutung, sind 
jedoch für den Forstwirth von allen Insektenordnungen die wenigst 
wichtigen. 


Die Geradflügler. 


Die Geradflügler, Orthoptera, sind Insekten mit kauenden 
Mundwerkzeugen, freiem Prothorax und unvollkommener 
Metamorphose. 

Diese ziemlich weite Definition schliesst sowohl sehr niedrige als 
ziemlich hoch entwickelte Insekten ein, von den flügellosen Spring- 
schwänzen unserer Wälder und Teichoberflächen, sowie den silberglänzenden 
„Fischehen” unserer Speisekammern, durch die Ohrwürmer, Schaben, 
Grillen und Heuschrecken, bis zu den Termiten und Libellen. Als 
typische mittlere Vertreter der ganzen Ordnung kann man die springenden 
grösseren Geradflügler, die Heuschrecken und Grillen ansehen, zu welchen 
denn auch die einzige forstlich sehr schädliche Art gehört, die Maul- 
wurfsgrille oder Werre (vergl. 8. 268). 


Die Berechtigung, der Ordnung der Geradflügler den soeben angedeuteten 
Umfang zu geben, wird seit Anfang des Jahrhunderts und auch neuerdings viel- 
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde. 18 


266 Kap. VIII. Die Gerad- und Netzflügler. 


fach bestritten; für die praktische Zoologie scheint uns aber eine mösglichste 
Vereinfachung der grossen Gruppen, deren Bildung ja stets nur eine Sache der 
Uebereinkunft ist, dringend geboten. Auch finden sich trotz aller äusseren Ver- 
schiedenheit ausser den in der Definition angegebenen Eigenthümlichkeiten weitere 
übereinstimmende Züge im Bau der Mundwerkzeuge und in der Anzahl der 
Hinterleibsringe. 

Was zunächst die Mundwerkzeuge betrifft, so ist bei dieser Ordnung fast 
durchgehend die ursprüngliche Form des dritten Kieferpaares soweit gewahrt, dass 
man die Zusammensetzung der „Unterlippe” aus den beiden Hinterkiefern, sowie 
die morphologische Uebereinstimmung jeder ihrer Hälften mit dem entsprechenden 
Mittelkiefer deutlich erkennt (Fig. 107, vergl. auch S. 30 und 31). 

Es ist ferner in bei weitem den meisten Fällen die typische Anzahl der 
Hinterleibsringe vollständig erhalten, ja vielfach noch durch secundäre Theilungen 
auf elf vermehrt (vergl. S. 39). Nur bei den, was die Mundwerkzeuge betrifft, die 
äussersten Ausläufer der Gruppe bildenden Formen, z. B. bei den Libellen und 
den in dieser Beziehung verkümmerten Eintagsfliegen, sowie in Betreff der Hinter- 
leibsringe bei den Springschwänzen, finden wir Abweichungen. Es bilden ferner 
die Verhältnisse der typisch unvollkommenen Metamorphose, die übrigens noch 
mancherlei Abstufungen zeigt, das gemeinsame 
Band aller hier zusammengefassten Formen. 
Diese Gruppe umschliesst nicht nur die nach 
heutigen Anschauungen der hypothetischen 
gemeinsamen Stammform am nächsten stehen- 
den, also niedrigsten aller lebenden Insekten, 
sondern ist auch diejenige, welche im fossilen 
Zustande am frühesten in den sedimentären 
Gesteinen auftritt, nämlich bereits in der 
Kohlenformation nachweisbar ist. 


Wir trennen die Ordnung der 
Geradflügler in drei Unterordnungen: 
Die Thysanuren, die echten Gerad- 

7 > flügler und die Afternetzflügler. 
Fig. 107. I Linker Mittelkiefer Die Unterordnung], die Thy- 
(Unterkiefer) und II die beiden in sanuren, Thysanura, sind kleine be- 
der Mitte verschmolzenen Hinter-- naarte oder beschuppte, nur mit rudi- 
kiefer (Unterlippe) der Werre, tär Murdwsk 5 
Gryliotalpa vulgaris Lamm. men ären Mundwerkzeugen versehene, 
flügellose Orthopteren, deren 10glie- 
driger Hinterleib an seinem Ende borstenförmige Schwanzfäden oder 
einen Springapparat trägt. Sie umfassen die drei Familien der 
Campodidae, der Poduridae oder Springschwänze und Lepismatidae 
oder Borstenschwänze. 

Die Campodidae, ausgezeichnet durch das Vorhandensein von Beinpaaren 
auch an den Hinterleibsringen, stellen die niedrigste der lebenden Insekten- 
formen dar. 

Die Springschwänze, Poduridae, mit einer Springgabel an der Unter- 
seite des Hinterleibes, sind sehr kleine, in feuchten Oertlichkeiten lebende 
Insekten, welche dem Naturfreunde durch ihre raschen Bewegungen auffallen. 
Podura aquatica L. findet sich häufig im Frühjahr in grösseren Mengen auf 
der Oberfläche ruhiger Lachen. Podura (Degeeria) nivalis L. tritt öfters mitten 
im Winter zahlreich auf dem Schnee auf, welcher dann wie mit grobem Schiess- 
pulver bestreut aussieht, und’ Podura (Desoria) glacialis Nıc. ist einer der 
wenigen Bewohner der Alpengletscher. 

Die mit langen Schwanzborsten und metallisch glänzenden Schuppen ver- 
sehenen Borstenschwänze, Lepismatidae — von Atzıoue, die Sehuppe — 
treten uns am häufigsten in dem sehr verbreiteten, unsere Wirthschaftsräume be- 


Thysanuren, Lauf- und Schreitschrecken. 267 


wohnenden und die Vorräthe benagenden Silberfischehen oder Zuckergast, Lepisma 
sacharinum L, entgesen. 


Die Unterordnung II, die echten Geradflügler oderSchrecken, 
Orthoptera genuina, sind meist geflügelte, grössere Geradflügler mit 
zwei ungleichen Flügelpaaren, deren breitere Hinterflügel in der Ruhe 
ganz oder theilweise unter die schmalen, häufig zu pergamentartigen 
Flügeldecken umgewandelten Vorderflügel untergefaltet sind, Ihre 
stets das Land bewohnenden Larven haben die gleiche Lebensweise 
wie die Imago. Sie zerfallen wiederum in drei schon durch die Art 
ihrer Bewegung unterschiedene Zünfte, in die Lauf-, Schreit- und 
Springschrecken. 

Die Laufschrecken, Orthoptera cursoria, umfassen zwei in 
manchen anderen Beziehungen sehr von einander abweichende Familien, 
die der Ohrwürmer und der Schaben. 


Die Ohrwürmer, Forficulidae, sind leicht kenntlich an der am Ende 
ihres Hinterleibes vortretenden Zange, deren ungegliederte, den Raifen der 
übrigen Orthopteren (vergl. S. 40) entsprechende Arme beim d stärker aus- 
gebogen sind wie beim ©. Sie haben dreigliedrige Tarsen. Die Vorderflügel sind zu 
kurzen, hornigen Flügeldecken verwandelt, unter welche die grossen, aber sehr 
zarten Hinterflügel in mehrfacher, höchst complieirter Faltung untergeschlagen 
werden. Die von den Flügeldecken nicht geschützte Oberseite des Hinterleibes 
ist wie bei den im Habitus ihnen ähnlichen Staphylinen unter den Käfern (vergl. 
Kap.IX) fest chitinisirt. Es sind nächtliche, meist von Pflanzensubstanzen lebende 
Thiere, welche zwar oftmals in Gärten durch Anfressen des herabgefallenen 
Obstes, der Küchengewächse und Wurzeln, sowie der Blumen, schädlich werden, 
forstlich jedoch keinerlei Bedeutung haben. Dass sie mit ihren Zangen kneipen 
könnten, ist ein ebenso grundloser Aberglaube wie die Volksmeinung, dass sie 
im Freien schlafenden Menschen in die Ohren kröchen. Die bei uns verbreiteten 
Arten sind Forficula auricularia L. und F. minor L. Man fängt sie, indem man 
ihnen für ihren Tagesaufenthalt passende Schlupfwinkel, als da sind: Rindshufe, 
Reisigbündel und Weidenkörbe darbietet, späterhin ausklopft und alsdann die 
herausfallenden Thiere zertritt. 

Die Schaben, Blattidae, zeichnen sich durch ihren platten eiförmigen 
Körper, den senkrecht gestellten, unter der grossen Vorderbrust verborgenen Kopf, 
die flachen Schenkel und stark gestachelten Schienen, sowie die mitunter aller- 
dings rudimentär bleibenden oder fehlenden, an der Naht über einander greifenden 
Flügeldecken aus. Die Raife sind gegliedert. Es sind nächtliche, sehr gefrässige 
Thiere, welche forstlich ganz unbedeutend sind. Ein ganz unschädlicher Wald- 
bewohner ist die bei uns häufige Blatta (Eetobia) Lapponica L. Dagegen richten 
andere Arten in den Wohnungen und Vorrathsräumen, besonders in den Bäcke- 
reien und Mühlen vielfachen Schaden an. Es sind dies bei uns die einheimische 
Blatta (Phyllodromia) Germanica L., die deutsche Schabe, ein kleines, bis 
13mm langes, gelbbraunes Thier, sowie die aus Asien bei uns eingeschleppte 
Blatta (Periplaneta) orientalis L., die Küchenschabe, auch Schwabe oder 
Russe genannt, ein sehr häufiges, bis 30 mm langes, dunkelschwarzbraunes Thier. 

Die Schreitschrecken, Orthoptera gressoria, sind wesentlich tropische 
Thiere, welche für uns ohne jede Bedeutung erscheinen. 

Sie zerfallen in die beiden höchst sonderbar gestalteten Familien der 
Fangheuschreeken, Mantidae, und der Gespenstheuschrecken, Phasmidae. 
Die ersteren sind raubgierige, andere Insekten verzehrende Thiere, welche nur 
in einer Art, der wegen ihrer erhoben getragenen vorderen Raubbeine (vergl. $. 34) 
sehr unpassend „Gottesanbeterin” genannten Mantis religiosa L. bis nordwärts 
der Alpen reichen. Die Gespenstheuschrecken sind dagegen träge, pflanzen- 
fressende Thiere, welche meist durch „schützende Achnlichkeit” (vergl. S. 41) 
vor ihren Feinden gesichert sind. Sie gleichen nämlich Theilen ihrer Wohnpflanzen, 


18* 


268 Kap. VIII. Die Gerad- und Netzflügler. 


so z. B. das „wandelnde Blatt”, Phyllium siccifolium L., in Ostindien, und der 
einem dürren Zweige ähnliche Bacillus Rossii FAgr. in Südeuropa. 

Die Springschrecken, Orthoptera saltatoria, sind sofort kennt- 
lich durch ihr zu Sprungorganen umgewandeltes drittes Beinpaar. Sie 
umfassen die allbekannten Heuschrecken und Grillen. Wissenschaftlich 
werden sie wieder in drei Familien eingetheilt: die Erdheuschrecken, 
die Laubheuschrecken und die Feldheuschrecken. 

Die Erdheuschrecken, Gryllidae, sind Springschrecken mit 
walzigem Körper, mässig langen borstenförmigen Fühlern, dreigliedrigen, 
keine Sohle tragenden Tarsen, kurzen, rechtwinklig gebrochenen, sowohl 
dem Rücken wie den Seiten des Leibes sich anlegenden Flügeldecken, 
unter denen die zu einem Strange zusammengefalteten, grossen Hinter- 
flügel peitschenförmig nach hinten vorragen. Hinterleib mit zwei faden- 
förmigen, vielgliedrigen Raifen. Gehörorgane an den Vorderschienen. 
Das Männchen oft mit einem Stimmorgan an der Basis der Flügeldecken. 

Die Vertreter dieser Familie leben meist unterirdisch in selbst- 
gegrabenen Gängen. Sie sind theils Raubthiere, theils Allesfresser. 
Man kann sie wieder in zwei Abtheilungen bringen, in solche mit 
normalen Vorderbeinen und einer langen Legscheide beim Weibchen, 
und solehe mit Grabbeinen und ohne Legscheide. Zu der letzeren 
Abtheilung gehört die Maulwurfsgrille, zu der ersteren die Feldgrille. 


Die Maulwurfsgrille, auch Werre, Reutwurm, Reitkröte, 
Erdkrebs, Erdwolf oder Schreekwurm genannt. 
Gryllotalpa vulgaris Larr. 
Rarzegurs, Forstinsekten: Gryllus Gryllotalpa L. 
Dieses dunkelbraune, am Körper kurz seidenglän- 
zend behaarte, bis 50 mm lange Thier (Taf. VI, Fig. 5) 


ist durch seine zu Grabschaufeln verwandelten Vorder- 


beine und das grosse, wie der Panzer eines Krebses 


Fig. 108. Rechtes 
Grabbein der Maul- 
wurfsgrille, Gryllo- 


talpa vulgaris Late. 


gebaute Brustschild charakterisirt. Seine Bedeutung für 
den Forstmann liegt darin, dass es in Saatkämpen 
und Pflanzgärten unterirdische Gänge wühlt und hierbei 


die Wurzeln der jungen Bäumchen zerreisst oder zerbeisst. Die Pflanzen 


gehen dann meist ein. Vertilgung des Insektes durch Aufsuchen und Zer- 


stören der Nester, sowie durch Fang in eingegrabenen Töpfen (vergl. S. 214) 


ist angezeigt. 


Beschreibung. Imago: Kopf vorgestreckt, Antennen kaum über das Hals- 


schild zurückreichend. An den Vorderbeinen sind alle Abschnitte kurz, stark und 
platt gebaut (Fig. 108). Trochanter mit einem spitzen Zahnfortsatz, Schenkel und 
Schiene verbreitert, letztere unten mit vier starken Zähnen versehen. Tarsus 
abgeplattet und der Aussenfläche der Schiene inserirt, die beiden ersten Glieder 
gleichfalls mit starkem Zahn. Flügeldecken kurz, beim S mit einer Schnill- 
ader an der Basis. Hinterleib beim S' mit 9, beim @ mit 7 Segmenten. Sehr 
lange, behaarte, abwärtsgekrümmte Raife. 


Springschrecken, Erdheuschrecken, insbesondere Maulwurfsgrille. 269 


Larven von den Erwachsenen in dem ersten Stadium, in welchem sie 
zunächst weissen Ameisen gleichen, durch einfachere Bildung der Grabbeine und 
den gänzlichen Mangel, in den späteren Stadien durch die unvollständige Aus- 
bildung der Flügel und Flügeldecken unterschieden (Taf. VI, Fig. 5 ZL* u. L.). 


Eier gelblich weiss, fast hanfkorngross (Taf. VI, Fig. 5 E). 

Biologie. Fortpflanzung. Die Werre hat gewöhnlich eine einjährige 
Generation, wie schon Rozser von RosenHor [9] ausführlich schildert, es kann 
jedoch auch ausnahmsweise Ueberjährigkeit vorkommen. 


Jan. |Febr. März| April| Mai Juni | Juli Aug. Sept. | Oct. | Noy. | Dee. 


-_- 44444 + 


Die Behauptung von Nızssing, eine zweijährige Generation sei die Regel, 
wird augenblicklich meist bestritten. Für sie spricht allerdings die Thatsache, dass 
man im Frühjahr neben den grossen alten Werren oftmals halbwüchsige Larven 
in Menge findet So wurde dies z. B. im Frühjahr 1886 in Primkenau von Ober- 
förster KLorFEr beobachtet. 

Die Begattungszeit, welche man sogar bei diesem schwerfälligen Insekte 
mit Recht Flugzeit nennen kann, weil es alsdann wirklich manchmal fliegt und 
überhaupt öfter als sonst seine Gänge verlässt, tritt meist Anfang Juni ein. Doch 
kann dieselbe schon im Mai anfangen und bis Juli dauern. Das Männchen lockt 
in den Gängen das Weibchen durch ein dem Knarren einer abgelaufenen Weckuhr 
oder dem fernen monotonen Rufe des Ziegenmelkers, Caprimulgus Europaeus L., 
gleichendes Schrillen, welches durch die oben erwähnte Schrillleiste an den 
Flügeldecken hervorgebracht wird. Die Begattung findet des Nachts oder in den 
Gängen statt, und zvrar sehen hierbei Männchen und Weibchen nach verschie- 
dener Seite, copula aversa. Das Weibchen baut nun eine ungefähr 8 bis 15 cm 
tief unter der Oberfläche des Bodens gelegene, hühnereigrosse Nesthöhle, deren 
Wände es mit seinem Speichel glättet und so festigt, dass man sie in bindigem 
Boden als ein Ganzes herausgraben kann. Zu ihrem seitlichen Eingange führt 
ein meist schneckenförmig gewundener Gang. In dieses Nest legt nun das 
Weibchen gewöhnlich Ende Juni beginnend und wohl spätestens im Anfang Juli 
seine Eier. Man hat bis jetzt höchstens 250 Stück in einem Neste gefunden. Das 
Weibchen stirbt nicht sofort nach der Eiablage, sondern verbleibt häufig in der 
Nähe des Nestes in einem von dem zuführenden Gange senkrecht abgehenden, 
10 bis 30 cm tiefen Schachte als „Wache”. In manchen Fällen soll allerdings, 
wie schon Bouca& vermuthet, das Weibchen einen Theil seiner eigenen Brut auf- 
fressen. 

Die Jungen kommen nach 8 bis 14 Tagen aus den Eiern als kleine, 5 mm 
lange Larven und bleiben, da sie sich noch nicht einzugraben verstehen, die 
ersten drei bis vier Wochen im Neste, vermindern sich aber in ihm auffallend da- 
durch, dass das in der Nähe bleibende Weibchen welche verzehrt. Sie sollen sich 
zuerst von humushaltiger Erde und feinen Pflanzenwürzelchen nähren. Nach 
Ablauf dieser ersten vier Wochen tritt die erste Häutung ein, nach weiteren vier 
Wochen, also ungefähr im August, folgt die zweite und im September die dritte 
Häutung, nach welcher sie eine durchschnittliche Grösse von 2'5 cm erlangt 
haben. Nun gehen sie etwas tiefer und beginnen den Winterschlaf. Vom Wetter 
des nächsten Jahres hängt es ab, wie zeitig sie erwachen und sich darauf zum 
viertenmale häuten, wobei die Flügelstumpfe auftreten. Die letzte Häutung zum 


. vollkommenen Insekt erfolgt Mitte Mai, spätestens Anfang Juni. [XXIl, IV, S. 196]. 


270 Kap. VIII. Die Gerad- und Netzflügler. 


Verbreitung. Dieses Thier ist durch ganz Europa, vom südlichen 
Schweden bis Spanien, von der atlantischen Küste bis zum Ural, ver- 
breitet. 

Nach Nızssine [7] steigt sie in den Alpen bis 2300 m Höhe, ist wohl aber 
in der norddeutschen Ebene am häufigsten. Frischer, lockerer und nicht be- 
schatteter Boden ist ihr der liebste, wenn sie auch nöthigenfalls im Wasser 
schwimmt, ja auf diese Weise über Ströme setzt und ihre Gänge sogar in Moor- 
boden anlegt. Nach Rarzegurg [XI, S. 68] war sie im Neustädter Forstgarten auf 
den niedrigsten Saatbeeten, wo früher Erlenbruch war, am schlimmsten. 

In ihren Gewohnheiten lässt sie sich vollkommen mit dem Maul- 
wurfe vergleichen, mit dem sie in Folge der Anpassung an dieselben 
Lebensbedingungen sogar eine habituelle äussere Aehnlichkeit hat. Sie 
ist ein unterirdisches und nächtliches Thier, welches sowohl als Larve 
wie als Imago in selbstgegrabenen, bei jungen Larven kaum feder- 
kieldieken und ganz flachstreichenden, bei der Imago fingerstarken 
und etwas tiefer verlaufenden Gängen ihrer Nahrung nachgeht. Diese 
Gänge prägen sich in lockerem Boden meist als langgestreckte, ge- 
schlängelte Aufwürfe aus. Sie ist, wie nicht nur der directe Versuch, 
sondern auch der Bau des Darmcanales nachweist (vergleiche den 
Darmeanal der Maulwurfsgrille Fig. 33, S. 51, mit dem Darm des 
typisch carnivoren Laufkäfers Fig. 35, 8. 53) ebenso wie der 
Maulwurf wesentlich auf thierische Nahrung angewiesen, verzehrt nicht 
nur Regenwürmer und Schnecken, sondern auch alle unterirdisch 
lebenden Insektenlarven, namentlich Engerlinge und Drahtwürmer. Sie 
wirkt durch ihre Nahrung also häufig sogar günstig. Trotzdem ist 
auch ziemlich festgestellt, dass sia an kleinen Eichen und Buchen oft 
die Keime schon abfrisst, noch ehe dieselben über die Erde kommen 
[XI, S. 69], und dass ein von Aurum [XVl, 2. Aufl., III, 2, S. 327] 
geschildertes halbes oder ganzes Durchbeissen junger Buchenpflanzen 
unmittelbar über dem Wurzelanlauf auf kein anderes Thier als die 
Werre zurückgeführt werden konnte. Auch hält sie sich in der Ge- 
fangenschaft ziemlich lange bei rein pflanzlicher Nahrung, und bei 
unseren Versuchen in Tharand wurden häufig Regenwürmer nur ungern 
angenommen. 

Wirthschaftliche Bedeutung. Ihr Schaden beruht aber 
durchaus nicht etwa blos auf den eben geschilderten Pflanzenbeschädi- 
gungen, er wird vielmehr hauptäschlich dadurch bedingt, dass die Werre 
bei der Herstellung ihrer Gänge die Wurzeln vieler Pflanzen mit 
Hilfe ihrer Grabschaufeln zerreisst oder mit ihren Kiefern abbeisst. 
Ferner werden vielfach junge Pflanzen durch das Aufwerfen der Gänge 
gehoben und vertrocknen. Auch hierin gleicht sie also völlig dem Maul- 
wurfe. Diese letztere Thätigkeit macht sie daher für jeden feineren gärtne- 
rischen Betrieb zu einem höchst schädlichen Thiere, dessen übergrosse 
Vermehrung sogar die Existenz eines Gärtners in Frage stellen kann, 
und sie wird natürlich auch zu einem gefürchteten Feinde des Forst- 
mannes überall dort, wo dessen Pflanzenzucht einen mehr gärtnerischen 
Charakter einnimmt, also in Saat- und Pflanzbeeten. Hier leiden 
Sämlinge und ein- bis zweijährige Pflänzchen sowohl der Nadel- als 


oR 


Die Maulwurfsgrille oder Werre. 271 


der Laubhölzer am meisten. Wenn man Gänge an solchen vorüber- 
streichend findet, so wird man sie auch bald kränkeln und absterben 
sehen. | 

Abwehr. Das gründlichste Mittel, um der Werre auf die Dauer 
Abbruch zu thun, ist das Aufsuchen und Zerstören der Nester 
mit Eiern und Brut. 

Unterstützen kann man diese Massregel durch Wegfangen 
und Tödten der älteren und jüngeren Thiere ausserhalb 
des Nestes. Einzelne, besonders werthvolle Pflanzen- oder auch Saat- 
beete kann man ferner durch besondere Vorsichtsmassregeln schützen. 


Man muss die Arbeiter speciell zum Aufsuchen der Nester instruiren. 
Wer sich Uebung im Auffinden derselben verschafft, wird sie schon in einiger 
Entfernung erkennen. Da, wo sich im Juni oder Juli, zuweilen schon im Mai, 
häufig Röhren zeigen, oder wo man ungewöhnlich viele Werren über der Erde 
bemerkt oder gefangen oder Abends schrillen gehört hat, da achte man be- 
sonders auf den Pflanzenwuchs. Auf Grasplätzen — denn auch diese muss man, 
da von ihnen öfters der Herd des Frasses sich ausbreitet, im Auge behalten — 
sieht man das Gras an einzelnen Stellen absterben und gelb werden, auf Saat- 
beeten geht es mit den Keimlingen ebenso. Hier wird man dann auch bald die 
etwa nur 2’5cm tief unter der Erdoberfläche verlaufenden Röhren des Insektes 
entdecken. Sie sind etwas erhaben, besonders nachdem es geregnet hat, man 
kann leicht mit dem Finger hineinfahren und sie verfolgen. Da, wo sie in einem 
Kreise laufen, der 15 bis 30cm Durchmesser zu haben pflegt, oder wo überhaupt 
viele Gänge benachbart zu sehen sind, und da, wo sie sich etwas mehr in die 
Tiefe senken, hat man das 8 bis 15cm tief stehende Nest zu erwarten. Das 
Aufsuchen des bei dem Neste Wache haltenden Weibehens macht aber, da der 
Gang beim Graben leicht verstopft wird, oft Mühe, ist auch unnöthig, da das 
Weibchen, wenn es seine Eier abgelegt hat, nicht mehr schaden kann, viel- 
leieht gar nützt durch Verzehrung der eigenen Brut. Liegen die Nester im 
entblössten, nicht mit kurzem Grase oder jungen, dichtstehenden Pflanzen be- 
setzten Boden, so muss man den Boden, besonders nach Regen, aufmerksam be- 
trachten, Man erkennt die Stellen dann nicht von weitem und muss Schritt vor 
Schritt suchen, um die oben beschriebenen, kreisenden Röhren zu entdecken. 
Selbst wenn im Juli die Nester schon alle fertig sind, und schon sämmtlich 
Junge haben, ist es immer noch Zeit zur Vertilgung. Dann darf man aber 
nicht mehr nach den aufgelaufenen, kreisenden Röhren suchen, da solehe nicht 
mehr von dem inzwischen träger gewordenen @ angelegt werden; die frischen 
Gänge, welche man noch sieht, rühren vom d' her. Man muss jetzt also auf 
andere Merkzeichen achten. Das sind Löcher, wie mit dem kleinen Finger in 
den Boden gestochen, rundlich oder von unregelmässig zerrissener Form, wahr- 
scheinlich von dem lauernden @ herrührend. Sind diese Löcher nur flach, so 
geht man gleich wieder davon ab; kann man aber bis über den halben Finger 
senkrecht hineinfahren, so kommt man sicher zu dem Gange, welcher kreisend 
zum Neste führt. Entweder ist dasselbe dann noch voll, oder halb oder ganz 
entleert; dann hat es oft oben eine, noch unter der Oberfläche liegende Oeffnung, 
aus welcher die Jungen wahrscheinlich ihren Ausgang genommen und sich seitwärts 
unter der Erde verbreitet haben. Das Zertreten der gesammelten Eier ist mühsam, 
das Ersäufen der Brut nicht immer möglich. Es genügt aber schon, wenn man 
sie sammt dem Erdnest an die Luft setzt, denn besonders bei Sonnenschein 
schrumpfen sie schon nach einigen Stunden ein. Natürlich hat man gleichzeitig 
dafür zu sorgen, dass die Jungen sich nicht zerstreuen können. 

Das Fangen der einzelnen Werren geschieht am besten zur Begattungs- 
zeit. Es ist zur Ausführung des Geschäftes zwar Ruhe und Ausdauer nöthig, allein 
es erfordert keine mechanischen Kräfte, und können daher Kinder oder andere 
Arbeiter in den Feierabendstunden dazu gebraucht werden. In den ersten Tagen 
des Juni, wenn das Wetter warm und still und die Luft nicht zu trüb ist, be- 


272 Kap. VIII. Die Gerad- und Netzflügler. 


gibt man sich gegen Sonnenuntergang nach den blossen oder mit Gras oder 
Kulturpflanzen bewachsenen Orten, wo man die Werre vermuthet. Man 
theilt sie sich in Gedanken in kleinere Plätze von einigen Quadratmetern und 
geht, auf einem jeden mehrere Minuten verweilend und nach allen Richtungen 
lauschend, langsam und vorsichtis, am besten barfuss, durch, bis man das 
unterirdische Schrillen hört. Ein paar Schritte, und man ist dem Gesange so 
nahe, dass man mit Bestimmtheit die Stelle erkennt, wo der Sänger dicht unter 
der Oberfläche sitzt und, da er gern eine kleine Erdöffnung in der Nähe hat, 
zarte, über diese hangende Pflanzentheile, wahrscheinlich durch den schwirrenden 
Flügelschlag, hin und her bewegt. Ein geschickter Schlag mit einer Hacke, die 
man in Bereitschaft hält, und die Werre liegt auf der Erde. Ist das Wetter 
günstig, so kann die Arbeit 8 bis 14 Tage lang allabendlich wiederholt werden. 
Nach einer Stunde ist es zu finster, als dass man die herausgeworfene Werre 
ohne Laterne gut finden könnte, aber in dieser einen Stunde kann man 10 bis 
20 Stück fangen. Man wird, nach dieser Schilderung, einige Aehnlichkeit zwischen 
dem Werrenfangen und dem Maulwurfsfangen mittelst des Spatens finden. Ersteres 
ist aber ungleich leichter ausführbar, da der Feind sich leichter zu erkennen 
gibt und auch nicht ganz so empfindlich gegen Geräusch ist, wie der feinhörige, 
schlaue Maulwurf, auf dessen Jagd sich daher nur wenige Leute ordentlich 
verstehen, da auch zum Hinauswerfen desselben mehr Kraft und Schnelligkeit 
gehört. 

Man kann auch die Werren durch Ausgiessen aus ihren Röhren heraus- 
treiben und dann tödten. Es ist aber schwer, unter der zahllosen Menge hori- 
zontaler, flach laufender Gänge die abschüssigen herauszufinden, in denen das 
Thier sitzt. Trifft man den richtigen Gang, so braucht man nur 10 bis 20 Tropfen 
Brennöl in das Loch zu tröpfeln, dann etwas Wasser aus einer Giesskanne nach- 
zugiessen, um in wenig Minuten die Werre herauszutreiben. Neuerdings dürfte 
wohl besser Petroleum oder Seifensiederlauge anzuwenden sein. Hamren empfiehlt 
eine Mischung von zwei Theilen Steinkohlentheer und einem Theil Terpentinöl 
[XXIl, IV, S. 197]. 

Ist die Zerstörung der Nester versäumt oder unvollständig bewirkt worden, 
so fängt man die Werren am besten durch aufgestellte Töpfe weg. Man 
kann dazu alte Blumentöpfe nehmen und das Wasser-Abzugsloch von unten 
decken. Sie werden da, wo man auf den Saatbeeten die schwach aufgeworfenen 
Röhren bemerkt, so in die Erde eingelassen, dass die Röhre gerade über ihre 
Oeffnung hinwegführt. Wenn nun das Thier seine unterirdische Promenade hält 
und an den Topf kommt, so fällt es hinein und kann nicht wieder heraus. Ge- 
legentlich leert man die Töpfe aus und tödtet die Thiere. Mit der Aufstellung 
der Töpfe muss man gleich im Frühjahre anfangen, damit die Larven, welche 
man im vorigen Sommer mit den Töpfen nicht fangen konnte, nicht mehr zum 
Fressen kommen. Sehr grossen Nutzen darf man sich aber von diesem Mittel 
nicht versprechen. Arrum [XVI, 2. Aufl., III, 2, S. 328] empfiehlt „schmale lange 
Blechkasten, welche in die Wege zwischen den Saatbeeten bis zu ihrem oberen 
Rande eingesenkt werden, und zwar in den verschiedenen Wegen an verschie- 
denen Stellen, so dass durch dieselben die ganze Beetlänge abgestellt ist. Glatt- 
wandige Löcher, z B. mit dem „Mausebohrer” hergestellt und mit einem Rasen- 
stück belegt, fangen ebenfalls gut. Die Werre geht gern Mittags in dieselben 
hinein”. Eine grosse Reihe anderer in populären Werken angegebener Schutz- 
mittel dürfte dem Bereiche des Aberglaubens angehören. 

Die eigentlichen Grillen, Gattung Gryllus L., sind ausser durch den 
einfachen Bau der Vorderbeine und die Legscheide des ©, durch den gewölbten 
Kopf, mit langen Fühlern, den quadratischen Prothorax und die den Hinterleib 
ganz deckenden Vorderflügel mit Stimmorgan beim g ausgezeichnet. Wir haben 
zwei einheimische Arten. Die Feldgrille, G. campestris L., ein schwarzes, 
20—26mm langes Thier mit bräunlichen Flügeln und blutrother Unterseite der 
Hinterschenkel, lebt in ganz Europa mit Ausnahme von Skandinavien häufig in 
Erdlöchern und nährt sich von Pflanzen. Das Heimchen, G. domesticus L., 
16— 20mm lang, ist lederbraun mit einigen dunkleren Zeichnungen. Es lebt in 
Häusern, namentlich in Küchen, Bäckereien ete. in der Nähe der Feuerstätte 


Maulwurfsgrille, Grille, Laub- und Feldheuschrecken. 273 


und ist wegen seines melancholischen Zirpens oft gern gelitten, wird aber auch 
durch seinen Frass an Kiüchenvorräthen, Brot, Malz u. s. w. mitunter lästig. 

Die Laubheuschrecken, Locustidae, sind Springschreeken mit seitlich 
zusammengedrücktem Körper, sehr langen, borstenförmigen Fühlern, viergliedrigen, 
söhligen Tarsen und Gehörorganen an den Vorderschienen, deren meist gut ent- 
wickelte, in der Ruhe seitlich dem Körper anliegende, dachartig getragene Flügel- 
decken die längsgefalteten Hinterflügel völlig verdecken, Männchen mit einem 
Stimmorgan an der Basis der Vorderdügel, Weibehen mit grosser, frei hervor- 
ragender, säbelförmiger Legscheide. 

Eine forstliche oder überhaupt wirthschaftliche Bedeutung kommt diesen 
Thieren kaum zu. Am verbreitetsten sind bei uns die grüne Laubheuschrecke, 
Locusta viridissima L. und der Warzenbeisser, Decticus verrucivorus L. Letzteres 
Thier soll im Anfange der Dreissigerjahre dieses Jahrhunderts allerdings einmal 
in der Oberförsterei Jagdschütz, Regierungsbezirk Bromberg, die jungen 6- bis 
12jährigen Kiefernbestände angegangen und tüchtig befressen haben [V, III, S. 266, 
und 5, S. 95.] 

Die Feldheuschrecken, Acridiidae, wegen des schnarrenden, beim Auf- 
fliegen von ihnen hervorgebrachten Tones auch Schnarrheuschreecken genannt, 
sind Springschrecken mit seitlich zusammengedrücktem Körper, kürzeren faden- 
förmigen Fühlern, schmalen dreigliedrigen Tarsen; bei den Arten mit gut aus- 
gebildeten Flügeln decken die in der Ruhe dachartig getragenen Flügeldecken 
die längsgefalteten Hinterflügel vollkommen. Hinterleib mit einem Paar seitlich 
angebrachter Gehörorgane. Die Stimme des Männchens wird durch Reibung 
des Hinterschenkels an den Flügeldecken bewirkt. Weibchen ohne vortretende 
Legscheide. 

Im Allgemeinen ist diese Familie wirthschaftlich sehr bedeu- 
tungsvoll, da sie die Formen einschliesst, welche man als „Wander. 
heuschrecken’ bezeichnet. 


Es ist dies in Europa namentlich Pachytylus migratorius L., mit der nahe 
verwandten Art oder Varietät P. cinerascens Fagr., wozu noch in Südeuropa ein- 
schliesslich Ungarn und in Algier Caloptenus Italicus L., in Algier, Syrien, Per- 
sien und Arabien Acridium (Schistocerca) peregrinum Ouıv., in Süd-Russland, 
Kleinasien, Cypern und Algier Stauronotus Maroccanus Tnaungere (eruciatus 
Crarp.) kommen. Auch in Nordamerika gibt es wandernde Heuschrecken. 

Die eigentliche Wanderheuschrecke, P. migratorius L., ist dauernd über 
einen grossen Theil der alten Welt verbreitet, und zwar wird ihre nördliche Ver- 
breitung in Spanien, Italien, den östlichen Donauländern und in Asien bis Japan 
hin ohngefähr durch die Juni-Isotherme von 20° C. bedingt. Südlich von dieser 
Linie kommt sie wohl in ganz Afrika nördlich vom Aequator, überall in Asien, 
einschliesslich des indoaustralischen Archipels, sowie in Australien nördlich vom 
Wendekreis des Steinbockes vor. In den uns näherliegenden Theilen dieses Ge- 
bietes fällt die Flugzeit des Thieres gewöhnlich Anfang Juli;’ einige Wochen 
später werden die überwinternden Eier abgelegt. Das Ausschlüpfen der Larven 
findet Ende des nächsten Mai statt, und das Larvenleben dauert bis zur Ver- 
wandlung in die Imago 36 bis 44 Tage. Ein warmer Herbst begünstigt eine 
massenhafte Eiablage, ein warmer und trockener Vorsommer das Ausschlüpfen, dem 
eine mehrtägige mittlere Wärme von 18% C. vorangegangen sein muss, sowie die Ent- 
wicklung der Brut. Hat nun durch das Zusammentreffen solcher günstiger Tempe- 
raturverhältnisse einmal irgendwo eine Massenvermehrung des Insektes statt- 
gefunden, so verwüsten erst die Larven und später die ausgebildeten Thiere 
zunächst die Gräser und Feldfrüchte, oft so stark, dass man nicht mehr erkennen 
kann, was der Acker getragen hat. und gehen bei Nahrungsmangel auch Laub 
an. Wird ihnen nun schliesslich aber doch der Nahrungsraum zu eng, so fliegen 
die Imagines in riesigen Schwärmen nach unverwüsteten Gebieten über und über- 
schreiten häufig auf diese Weise die Grenzen ihres normalen Vorkommens. Finden 
sie an den erreichten Stellen gerade günstige Witterungsverhältnisse, so können 
sie sich auch hier sogar einige Jahre hindurch fortpflanzen, ja auch weiter aus- 
breiten, bis ein einziger kalter und nasser Frühsommer dieser Ausbreitung ein 


274 Kap. VIII. Die Gerad- und Netzflügler. 


plötzliches Ende setzt, und in Folge dessen die Wanderheuschrecke sich in ihre 
gewöhnlichen Grenzen zurückzieht. Solche Jahre einer Ausbreitung der Heu- 
schrecken über ihre constanten Grenzen hinaus waren z. B. 1740 bis 1749, 
1834 bis 1836, 1874 bis 1876 u. s. f. Die Grenze dieser ausnahmsweisen Ver- 
breitung in allen Stadien innerhalb Deutschlands wird meist durch die gebrochene 
Linie Ulm-Berlin-Posen gebildet. Dieses Gebiet erobert sie aber niemals durch 
Ueberschreitung der Alpen, sondern sie umbiegt letztere, von Osten durch Ungarn 
und Schlesien kommend. Züge von Imagines sind dagegen bis Edinburg, dem 
südlichen Schweden und Dünaburg beobachtet worden. Hier pflanzen sich die 
Heuschrecken aber nicht mehr fort. Weitere Belehrungen findet man in den 
schönen Arbeiten von Körren [6] und GrrsTÄcker [3]. 

Als Gegenmittel wendet man das Aufsuchen der Eier, das Eintreiben der 
Larven in besonders dazu aufgeworfene Gruben mit nachträglicher Vernichtung 
daselbst, sowie das Zerquetschen mittelst beschwerter Schleifen oder Walzen an. 


Forstlich schädlich wird die Wanderheuschrecke kaum. Aller- 
dings wurden im Heuschreckenjahre 1835 nach den Berichten von 
Oberförster Enserken [3, 8. 92]in Tschiefer, Regierungsbezirk Liegnitz, 
die dort „Springer” oder „Sprengsel” genannten Heuschrecken den 
ein- und zweijährigen Kiefernsaaten schädlich, und nach RATZEBURG’S 
Untersuchung war unter den Schädlingen auch P. migratorius L. ver- 
treten. Es betheiligten sich aber an diesem Frasse noch viele einheimische 
Formen, namentlich der im Walde heimische Stenobothrus biguttulus L,, 
Oedipoda coerulescens L., Bryodema tuberculata FABr., Psophus stri- 
dulus L., Caloptenus Italicus L. und Tettix bipunctatus L. 


Aus den österreichischen Alpenländern liegen uns noch Mit- 
theilungen über Entblätterung von Holzbeständen durch Feldheuschrecken 
vor. So berichtet Pırascn [4, S. 241], dass im Sommer 1862 auf dem 
Anninger Forste im Wiener Walde ein Schwarm einer von GRUNERT 
als Stethophyma fuscum Pırr. (variegatum Surzer) bestimmten Heu- 
schrecke das Laubholz, besonders aber Esche und Mehlbeerbaum, 
Sorbus aria Üreurz., entblättert und sogar die Tannennadeln nicht ver- 
schont habe. Anfang October gingen die Schädlinge ein. In demselben 
Jahre, sowie 1864 und 1866, wurden ferner die Buchenbestände der 
Domaine Gairach im südlichen Steiermark durch die flügellose Pezo- 
tettix alpinus Kor. verwüstet. Rıchrer |8] berichtet, dass das Uebel 
in einer geschützten, von Norden nach Süden streichenden Berg- 
schlucht in einer Seehöhe von 400 m, und zwar an dem Westabhange 
auftrat und sich von da noch nach oben verbreitete, ohne den von 
Westen nach Osten streichenden Gebirgskamm mit 600m Seehöhe 
zu erreichen. Ende August 1864 waren eirca 23 ha entlaubt, 1866 
waren dagegen 40 ha angegangen. Weisserlen waren nicht angenommen 
worden, und die Schattenseite der Berge war verschont geblieben. Das 
Leben der Bestände wurde nicht bedroht, dagegen blieb der Zuwachs 
zurück. 

Die III. Unterordnung, die Afternetzflügler, Orthoptera 
Pseudoneuroptera, sind meist geflügelte Geradflügler mit zwei gleich- 
gebauten häutigen, in der Ruhe meist nicht zusammenfaltbaren Flügel- 
paaren. Nur die grösseren Formen, wie die Eintagsfliegen und Wasser- 
Jungfern, sind bei uns allgemein bekanntere 'Thierformen. 


Feldheuschrecken und Afternetzflügler. 275 


Ihre wirtbschaftliche Bedeutung ist in der gemässigten Zone 
äusserst gering, besonders sind sie forstlich völlig gleichgiltig. In den 
wärmeren Ländern dagegen sind die zu dieser Abtheilung gehörigen 
Termiten als höchst schädliche Thiere bekannt und gefürchtet. 

Die Afternetzflügler zerfallen wieder in drei Zünfte, für welche 
passende deutsche allgemeine Ausdrücke fehlen. Es sind die Physopoda, 
Corrodentia und Amphibiotica mit zusammen sieben Familien. 


Die Physopoda umfassen nur die eine Familie der Blasenfüsse. 

Die Blasenfüsse, Thripidae, sind kleine, schmale und abgeflachte Tbiere, 
deren deutlich nach dem Typus der kauenden Mundwerkzeuge gebaute Kiefer 
trotzdem der Gewinnung von Pflanzensäften angepasst sind und zu einer Art spitzem 
Saugrüssel zusammentreten, deren zweigliedrige Tarsen statt der Klauen mit 
einer blasenförmigen Haftscheibe versehen sind, und deren fast 'gar nicht ge- 
aderte, gleichgebildete Flügelpaare an ihrem gesammten Aussenrande lange, wimper- 
artige Haare tragen. 

Einige in verschiedene Gattungen vertheilte Arten werden durch Ansaugen 
der Zierpflanzen den Gärtnern schädlich, wir erwähnen hier nur den Getreide- 
blasenfuss, Thrips cerealium Haum., mit ungeflügeltem S und geflügeltem 9, 
Die Imago ist rostbraun mit gelb gezeichneten Extremitäten und Hinterleibsein- 
schnitten. Die blutrothe, ungeflügelte Larve findet sich häufig in jungen Getreide- 
ähren, welche in Folge dessen taub werden. 

Die Corrodentia, besonders biologisch durch ihre aus trockenen pflanzlichen 
und thierischen Substanzen bestehende Nahrung gekennzeichnet, lassen sich in 
drei im äusseren Habitus ziemlich verschiedene Familien trennen, in die Pelz- 
fresser, die Holzläuse und Termiten. 

Die Pelzfresser, Mallophaga, sind lausähnliche Aussenschmarotzer an 
Säugern und Vögeln, welche sich von abgenagter Haar- und Federsubstanz 
ernähren und von den eigentlichen Läusen durch kauende Mundwerkzeuge 
unterscheiden. Man nennt sie auch Haarlinge und Federlinge. Für den 
Forstmann ist beachtenswerth der Hundehaarling oder die unechte Hundelaus, 
Trichodectes canis Nırz. Es empfiehlt sich, diese Thiere durch häufiges Waschen 
der Hunde — eventuell mit grüner Seife und Benzin — zu bekämpfen, da 
sie nicht nur ein äusserst lästiges Ungeziefer sind, sondern auch in ihrer 
Leibeshöhle den finnenähnlichen Jugendzustand eines der gemeinsten Hunde- 
bandwürmer beherbergen, nämlich der Taenia cucumerina Ru»., so genannt 
wegen der beiderseitig zugespitzten, kürbiskernähnlichen Gestalt der ein- 
zelnen Glieder. Werden aus den abgegangenen Bandwurmgliedern ausgetretene 
Bandwurmeier von dem Haarlinge verschluckt, so entwickelt sich die Finne in 
dem Haarling, verschluckt der nach der juckenden Stelle beissende Hund einen 
so infieirten Haarling, so entwickelt sich in seinem Darme die Finne wieder zu 
einem Bandwurme. 

Auch unser Wild und Raubzeug leidet an Haarlingen, z. B. Rothwild an 
Trichodectes longicornis Nırz., das Damwild an Tr. tibialis Pıocer, der Fuchs 
an Tr. micropus GIEBEL u. s. f. 

Unter dem Federwild ist namentlich der Auerhahn stark von Federlingen ge- 
plagt, besonders von Goniodes chelicornis. Am erlegten Hahne ziehen sich dieselben 
gewöhnlich massenhaft am Kopfe zusammen. Uebrigens haben fast alle wilden 
und zahmen Vögel, sogar die Wasservögel, verschiedene Arten von Federlingen. 

Die Holzläuse, Psocidae, sind kleine abgeplattete Aiternetzflügler, welche 
sich durch lange borstenartige Fühler, fehlende Lippentaster und zwei- oder drei- 
gliedrige Tarsen auszeichnen. 

Sie finden sich zahlreich an Bäumen, altem Holz, in alten Vorräthen und 
dergl. Die einzige uns hier interessirende Art ist Troctes pulsatorius L., ein 
flügelloses Thierchen, welches besonders in vernachlässigten Insektensammlungen 
den zarteren Exemplaren schädlich wird und ein klopfendes Geräusch hervorbringen 
kann. Naphthalin in einer durchlöcherten Pappschachtel in die Kästen gebracht, 
vertreibt es sicher. 


276 Kap. VIII. Die Gerad- und Netzflügler. 


Die Termiten, Termitidae, auch „weisse Ameisen’ genannt, sind staaten- 
bildende Afternetzfügler mit kurzen, perlschnurförmigen, 13—20gliedrigen Fühlern, 
unter sich gleichgebildeten Brustringen und zwei Paar an Form und Grösse 
gleichen, hinfällisgen Flügeln. In den meist in besonders hergestellten Wohnungen 
lebenden Staaten finden sich ausser der eierlegenden Königin, zu dieser Zeit mit 
stark aufgetriebenem Hinterleibe, noch geflügelte Männchen, ungeflügelte klein- 
köpfige Arbeiter und grossköpfise Soldaten. Diese beiden letzteren geschlechtlich 
verkümmerten Stände recerutiren sich aber nicht nur wie bei den Bienen und 
Ameisen aus Weibchen, sondern nach Lesp&s und Fr. MürrLer aus beiden Ge- 
schlechtern. Bei weitem die meisten Termiten sind tropische Thiere; besonders sind 
die afrikanischen, bis 4m hohe Hügel bauenden Formen bekannt. Freilebend 
dringen bis nach Europa nur drei Arten vor. Die Colonien von Termes lucifugus 
Rossı leben in Südeuropa. ähnlich in alten Baumstümpfen wie bei uns manche 
Ameisenarten, gehen aber auch in Pfähle, Pfosten u. s. f., welche sie mit so 
vollkommener Schonung der Aussenfläche durchwühlen, dass man häufig erst 
bei dem Zusammensturz die Grösse der Verwüstung übersieht, 

Auch die Amphibiotica sind wesentlich durch ein biologisches Moment ge- 
kennzeichnet, nämlich dadurch, dass die Jugendzustände aller hierhergehörigen 
Formen im Wasser leben, also in einem anderen Medium, als die auf das Luft- 
leben angewiesenen, erwachsenen Thiere. In der Verwandlung haben sie das 
gemein, dass bei ihnen Larve und Imago mehr von einander verschieden sind, 
als bei den vorhergehenden Gruppen. 

Man theilt diese Zunft in drei sehr natürliche Familien, in die Afterfrühlings- 
fliegen, die Eintagsfiegen und die Libellen. 

Die Afterfrühlingsfliegen, Perlidae, sind stärker chitinisirte, meist 
grössere Thiere mit plattgedrücktem Leibe, langen, borstenförmigen Fühlern, häufig 
weichbleibenden Mundwerkzeugen, dreigliedrigen Tarsen, zwei Paar häutigen, 
grossen Flügeln, von denen das hintere breit und zusammenlegbar ist, sowie mit 
zwei langen, gegliederten Raifen an dem Hinterleibsende. Die ungefüügelten, der 
Imago hier noch sehr ähnlichen Larven leben als arge Räuber in rasch flies- 
senden Gewässern unter Steinen ete. und haben häufig Tracheenkiemen an den 
Brustringen. Im Spätfrühling verlassen sie die Gewässer, indem sie an Pflanzen 
und Pfählen ete. in die Höhe kriechen, sich dort anheften und zur Imago häuten. 
Die abgelegten Häute findet man um diese Zeit häufig. Die erwachsenen Thiere, 
unter denen wir besonders Perla marginata Paxz. anführen, bilden bei uns unter 
dem Namen „Grillen’ einen beliebten Forellenköder. 

Die Eintagsfliegen, Ephemeridae, sind zarthäutige Formen mit kurzen, 
borstenartigen, unten verdickten Fühlern, völlig rudimentären Mundtheilen, stark 
entwickelter Mittelbrust, grossen Vorder-, kleinen oder radimentären Hinterflügeln, 
vier- bis fünfgliedrigen Tarsen, sowie zwei bis drei borstenförmigen Afteriäden 
am Hinterleibe. Augen und Vorderbeine beim S' sehr vergrössert. Die der 
Imago ziemlich unähnlichen, mit stark entwickelten Mundwerkzeugen versehenen, 
an den Seiten des Hinterleibes Trachesnkiemen, hinten dagegen gefiederte 
Schwanzborsten tragenden, sehr räuberischen Larven leben in den Gewässern, 
theilweise im Schlamm eingegraben. Nach mehrjähriger Entwickelungszeit verlassen 
sie, nunmehr mit Flügelstummeln versehen, meist im Hochsommer, das Wasser, 
häuten sich zu der geflügelten Subimago (vergl. 8.106, Fig. 85) und verwandeln 
sich nach kurzem Fluge durch nochmalige Häutung in die eigentliche Imago. Nach 
der nunmehr in neuem Fluge vorgenommenen Begattung lässt das Weibchen 
die Eier in zwei wurstförmigen Packeten auf einmal in das Wasser fallen und 
stirbt bald darauf. Die im Gegensatze zu dem langen Larvenleben meist nur aur 
wenige Stunden beschränkte Dauer des Imagozustandes, sowie die Massenhaftig- 
keit, in welcher einzelne Arten an stillen Sommerabenden plötzlich dem Wasser 
entsteigen, haben von jeher die Aufmerksamkeit der Naturbeobachter auf diese 
Thiere gelenkt. Besonders bekannt ist das gemeine Uferaas, Ephemera vul- 
gata L., sowie die schneeweisse Palingenia horaria L., und die „Theissblüthe”, 
P. longicauda Orıv., in Süddeutschland und Oesterreich. In der Flugzeit zündet 
man an den Ufern der Ströme, z. B. an der oberen Elbe im August, Feuer an, 
welche diese Thiere dann in so ungeheuren Schwärmen umflattern, dass man die 


Afternetzflügler, Literaturnachweise. 277 


mit versengten Flügeln Herabfallenden massenhaft zusammenkehren kann. Die so 
gewonnenen Insektenleiber werden getrocknet und entweder mit Lehm zu Kugeln 
geknetet von den Fischern als Grundköder angewendet [XXIl, 1V, 179] oder unter 
dem Namen ‚„Weisswurm’” als Ersatz der Ameiseneier zur Fütterung insekten- 
fressender Vögel benützt. Nachbildungen verschiedener gemeiner Arten werden 
bei der Fliegenfischerei als Köder für lachsartige Fische verwendet. 

Die Libellen oder Wasserjungfern, Libellulidae, sind Afternetz- 
flügler mit grossem querwalzigen, freien Kopfe, sehr kleinen pfriemenförmigen 
Fühlern, gut entwickelten Mundwerkzeugen, grosser Mittel- und Hinterbrust, 
gleichgebildeten, mit Flügelmal versehenen Vorder- und Hinterflügeln und 
schlankem, ungegliederte Raife tragendem Hinterleibe. Während die vorher- 
gehenden beiden Gruppen in ihrem kurzen Imagoleben überhaupt kaum 
Nahrung zu sich nehmen, sind die Wasserjungfern verhältnissmässig langlebige, 
äusserst bewegliche, zu raschestem und ausdauerndstem Fluge befähigte Räuber, 
die Falken unter den Insekten. Nach der im Fluge (vergl. S. 86) vor- 
genommenen Begattung legt das @ die Eier in das Wasser, und die aus- 
schlüpfenden Larven sind gleichfalls schlimme Räuber. Sie sind leicht kenntlich 
an dem ungemein verlängerten, zu einem unpaaren, unter Kopf und Brust 
zurückklappbaren und plötzlich vorstreckbaren Greiforgane umgewandelten dritten 
Kieferpaare, der hier gewöhnlich „Maske” genannten Unterlippe. Sie athmen 
durch Tracheenkiemen, welche bei den kleineren Arten als drei lanzettliche 
Blätter an der Hinterleibsspitze sitzen, bei den grösseren in dem Enddarm 
verborgen sind. Diese Larven sind gefährliche Feinde der Fischbrut. Wir 
erwähnen hier als auffallendere Arten die mit dunkelblaubraunen Flügeln 
versehene Seejungfer, Calopteryx virgo L., die sehr grosse Aeschna grandis L. 
und die mitunter in grossen Zügen wandernde Libellula quadrimaculata L. 


Literaturnachweise zu dem Abschnitt „Die Geradflügler”. 
— |. v. Arten. Werren im Saatkamp. Zeitschr. für Forst- und Jagd- 
wesen 1884, Bd. XVI, S. 175 und 176. — 2. Bouca#. Natur- 
geschichte der schädlichen und nützlichen Garteninsekten etc. 8. 
Berlin 1833. — 3. GerstÄcker, A. Die Wanderheuschrecke. Mit 
2 Taf. Farbendruck. 8. Berlin 1876. — 4, Gruxerr. Heuschrecken- 
schwärme. Grunert’s Forstliche Blätter. 5. Heft. 1863, 8. 233— 242. 
— 5, Insertensachen. Pfeil’s Kritische Blätter. X. 1. Heft. 1836, 
Ss. 92—95. — 6. Körren, Fr. Th. Die geographische Verbreitung 
der Wanderheuschrecke. Petermann’s geographische Mittheilungen 1871, 
S. 361-366. Taf. 18. — 7. Niessıne, C. Meine Beobachtungen 
über die schädliche Maulwurfsgrille und wie ich den Verwüstungen 
derselben mit Erfolg entgegentrete. Deutsches Magazin für Garten- 
und Blumenkunde 1863. 8. 337—348. — 8. Rıcurer, D. Die Ent- 
laubung eines Waldes durch Heuschrecken. Oesterreichische Monats- 
schrift für Forstwesen. XVI. Bd. 1866, S. 658—661. — 9. RozseL, 
A. J. Insektenbelustigung. Bd. II, Nr. 5. Der gefligelte Maulwurf. 


278 Kap. VII. Die Gerad- und Netzflügler. 


Die Netzflügler. 


Die Netzflügler, Neuroptera, sind Insekten mit kauenden 
Mundwerkzeugen, freiem Prothorax, zwei Paar häutigen, reich- 
lich geaderten Flügeln und vollkommener Metamorphose. 

Von den hierhergehörigen Formen sind allgemeiner bekannt die 
Florfliege, der Ameisenlöwe und die Köcherfliege. Eine grössere wirth- 
schaftliche Bedeutung für den Menschen haben diese Thiere kaum, wenn- 
gleich gewöhnlich die räuberischen, andere Insekten verzehrenden Ver- 
treter dieser Ordnung unter die nützlichen Insekten gerechnet werden. 


Forstlich sind fast alle unbedeutend. 


Diese in ihrem Habitus sich besonders den Amphibiotica anschliessenden 
Formen sind von jenen besonders durch die vollkommene Metamorphose, bei 
welcher also ein wirklicher Puppenzustand vorkommt, geschieden. Wir theilen 
sie in drei Unterordnungen, die Plattflügler, Pelzflügler und Fächerflügler. 

Die I. Unterordnung, die Plattflügler, Planipennia, sind ausge- 
zeichnet durch ihre gleichgebildeten, nicht faltbaren Vorder- und Hinterflügel. 
Die Larven leben meist nicht im Wasser. Sie werden wiederum in drei Familien 
getrennt, in die Breitflügler, Sialiden und Scorpionsfliegen. 

Die Breitflügler, Megaloptera, sind Netzflügler mit grossen gleichgebil- 
deten Flügeln, deren auf dem Lande lebende Larven mit starken, durch eine 
Vereinigung von Vorder- und Mittelkiefer gebildeten Fangzangen versehen sind 
und vom Raube anderer Insekten leben. Zu ihrer Verwandlung fertigen sie feste 
Cocons. 

Beachtenswerth ist die Gattung Myrmeleon. Diese Thiere ähneln als 
Imago den Libellen, unterscheiden sich jedoch von diesen leicht durch die zwar 
kurzen, aber doch deutlich vortretenden, an der Spitze keulenförmig verdickten 
Fühler, und die in der Ruhe dachartig dem Körper aufgelagerten Flügel. Es 
sind träge, schlecht fliegende Thiere, von denen bei uns zwei Arten, M. formi- 
carius L. mit gefleckten und M. formicalynx FAgr. mit ungefleckten Flügeln vor- 
kommen. Ihre Larven leben in trockener Erde und Sand und höhlen rückwärts- 
gehend einen Trichter aus, auf dessen Grunde sie auf vorbeilaufende Insekten, 
namentlich auf Ameisen, lauern, woher sie den Namen Ameisenlöwen erhalten 
haben. Die Larve, die so gedrungen ist, dass sie ausserhalb ihres Triehters, auf 
die Hand genommen, wie eine dunkle, staubige Pille erscheint, fällt sofort durch 
die grossen, gekrümmten Saugzangen auf. Diese ragen, wenn sich das Thier 
in den Hinterhalt legt, allein aus dem kleinen Sandtrichter hervor. Der Sand 
muss trocken sein und leicht rollen, denn nur so benachrichtigen fallende 
Körnchen die lauernde Larve von der Nähe einer Beute; sie bombardirt dann fort- 
während mit einem feinen Sandregen aus der unteren Spitze ihres Trichters 
nach dem oberen Rande, wodurch die zufällig vorüberlaufenden Insekten herunter- 
gerissen werden. Die ausgesaugte Beute schleudert die Larve mit einem Rucke 
des Kopfes aus dem Trichter hinaus. Gefällt es den Larven an einer Stelle 
ihres Sandrevieres nicht, so verlassen sie dieselbe und siedeln sich in der Nähe 
an, indem sie sich in Gängen unter dem Sande rückwärts fortbewegen. Deshalb 
sind von den zahlreichen Falllöchern einer Gegend durchaus nicht alle bewohnt. 
Gern suchen sie sich geschützte Stellen unter Felsvorsprüngen, Mauern u. dergl. 
aus, allein häufig findet man den Trichter auch ganz im Freien. Die Verpuppung 
erfolgt in einem sehr harten Cocon in der Erde. Trotzdem, dass die Larven der 
Ameisenlöwen so manches schädliche Insekt verzehren, denn sie fressen alles, was 
in ihre Grube fällt und was sie bewältigen können, sind sie schon deshalb nicht 
vorwiegend nützlich, weil sie namentlich sehr viele nützliche Ameisen vertilgen. 


Netzflügler. 279 


Viel zarter und träger sind die Imagines der verwandten Florfliegen, 
welche die Gattungen Chrysopa und Hemerobius bilden, erstere mit faden- 
förmigen, letztere mit perlschnurförmigen längeren Fühlern. Hemerobius micans 
Ouıv. und Chrysopa perla L., sind zwei häufige Formen. Man sieht die Florfliegen 
zu sehr verschiedenen Jahreszeiten mit Jangsamem Fluge umherschwärmen, bemerkt 
sie aber vorzüglich in Menge im Herbste und selbst im Winter, wenn sie in warme 
Räume, an die Fenster der Zimmer kommen, um dort zu überwintern. Sie befetigen 
ihre weissen oder grünlichen Eier mittelst eines haarfeinen, weissen Stielchens an 
Gewächsen sö, dass man ein Häufchen Schimmel zu sehen glaubt (vergl. 8. 83, 
Fig. 66 L). Wenn die Larve auskommt, ist sie genöthigt, sich durch Zusammen- 
ziehung fortzuschnellen, um von ihrem hohen Sitze auf die Pflanzenfläche zu ge- 
langen. Sie hat 6 kräftige Beine und einen grossen Kopf. Die Saugzangen sind 
namentlich bei Chrysopa lang, dünn und einwärts gebogen, bei Hemerobius kürzer 
und breiter. Diese länglich-lanzettförmigen Larven sind verschieden bunt gefärbt, 
öfters seltsam costümirt. Sie leben nämlich in Blattlausherden, unter welchen 
sie starke Verwüstungen anrichten, und indem sie die Häute der ausgesaugten 
Blattläuse über sich werfen, vereinigen sich diese mit dem ebenfalls auf den 
Rücken geworfenen, eigenen Kothe zu einem Sacke, den sie wie ein Schilder- 
haus mit sich schleppen. Die etwas gekrümmte, grünliche Puppe ruht in einem 
rundlichen, erbsengrossen, weissen Cocon, welcher an Blättern oder Zweigen 
angesponnen ist. Die ganze Verwandlung ist im warmen Sommer innerhalb 
vier bis fünf Wochen vollendet, kann sich daher mindestens zweimal in einem 
Jahre wiederhohlen. Man kann diese immerhin nützlichen Thiere im Anklange 
an die Bezeichnung „Ameisenlöwe” als „Blattlauslöwen” bezeichnen. 

Die Sialidae seien hier erwähnt wegen der nicht blos ihrer Gestalt nach 
sehr auffallenden, sondern auch nützlichen Gattung Rhaphidia, Kamelhalsfliege, 
deren breiter, herzförmiger, sehr beweglicher Kopf auf einem übermässig ver- 
längerten Prothorax sitzt, weleher dem Thiere seinen deutschen Namen verschafft 
hat. Die an ihrem gleichfalls bereits verlängerten Prothorax kefintliche, unter 
Baumrinde lebende, sehr bewegliche Larve ist ein gewaltiger Räuber. 

Die in den deutschen Nadelwaldungen wohl häufigste Art, R. ophiopsis 
Schum., ist entschieden forstlich nützlich; ihre gewandte, der Imago sehr ähn- 
liche Larve dringt vermöge ihres beweglichen Körpers in die feinsten Risse und 


- verzehrt wohl alle Insekten, die ihr vorkommen; RATZEBURG fand sie oft in der 


Nähe höchst wahrscheinlich von ihr ausgefressener Nonneneier. Die lang vor- 
gezogenen Spitzen ihrer Oberkiefer sind für ihre nützlich räuberische Arbeit 
sehr geeignet. Im Winter sind die Larven vollkommen ausgewachsen; im Früh- 
jahre findet man die munteren Puppen in der Rinde; im Mai und Juni fliegen 
die Imagines, welche durch die sonderbaren, kecken Bewegungen des langen 
Halses und Kopfes auffallen. Ob die anderen fünf deutschen Arten oder die mit 
etwas kürzerem Halse versehene, verwandte unter Eichenrinde lebende Inocellia 
crassicornis Schum., auch nützlich wirken, ist nicht direet bestimmt, aber höchst 
wahrscheinlich. 

Die Familie der Scorpionsfliegen, Panorpidae, auch Schnabelfliegen 
genannt, ist dadurch gekennzeichnet, dass die Unterseite des Kopfes in einen 
langen, die Mundtheile tragenden Schnabel ausgezogen ist. Scorpionsfliege heisst 
besonders die Gattung Panorpa wegen des zu einer blasigen Zange aufgetrie- 
benen letzten Hinterleibssegmentes des d. Auch sie sind räuberische Thiere. 
Panorpaco mmunis L. ist eine bei uns sehr verbreitete Art. 

Die II. Unterordnung, die Pelzflüger, Trichoptera, enthält nur die 
einzige Familie der Frühlings- oder Köcherfliegen, Phryganidae, und umfasst zarte 
Netzflügler mit verkümmerten Mundwerkzeugen, sehr kurzer Vorderbrust, lang 
gespornten Beinen und zwei Paar behaarten oder beschuppten, ungleichartigen 
Flügeln, deren hinteres Paar oft einfaltbar ist. Ihre meist mit fadenförmigen 
Kiemenbüscheln an den weichen Hinterleibsringen versehenen, im Wasser 
lebenden Larven bauen sich ein festes, oft köcherartiges Gehäuse, aus welchem 
sie dann nur mit dem stärker chitinisirten Kopfe und der lange Beine tragenden 
Brust hervorschauen, und in welchen sie sich schliesslich verpuppen. Die Ge- 
häuse werden aus den verschiedensten Materialien, Sand, Schilfstückchen, Steinchen 


280 Kap. VIII. Die Gerad- und Netzflügler. 


Schneckenschalen u. s. f. gefertigt; ihr Bau und ihr Material ist bei jeder ein- 
zelnen Art bestimmt. Es sind wohl räuberische Thiere, welche sogar der Fisch- 
brut zu schaden vermögen. Sie werden von den Fischern als „Strohwürmer” 
oder „Sprocken” bezeichnet und häufig als Angelköder verwendet. 

Die erwachsenen Insekten sind meist träge Dämmerungsthiere, welche 
in ihrem äusseren Habitus häufig an Motten erinnern. Sie flattern in der Nähe 
des Wassers umher und bilden eine Lieblingsnahrung der Fische. Nachbildungen 
derselben werden als künstliche Fliegen bei dem Flugangeln verwendet. (Ver- 
gleiche hierüber W. Biscuorr’s Anleitung zur Angelfischerei II. Aufl. 1883. 
München, bei Braun und Schneider.) 

Die III. Unterordnung, die Fächerflügler, Strepsiptera, wird von 
uns nur zur Vereinfachung des Systems hier aufgenommen. Ebensogut könnte sie 
aber auch als eigene Klasse, und zwar als Uebergang von den Netzflüglern zu 
den Käfern betrachtet‘ werden. Es sind sehr kleine Insekten, bei welchen die 
Männchen mit halbkuglig vorragenden, sehr grob facettirten, fast gestielt er- 
scheinenden Augen, gegabelten oder gekämmten Fühlern, kleiner Vorder- und 
Mittelbrust, grosser Hinterbrust versehen sind; ihre Vorderflügel bilden kleine, 
an der Spitze aufgerollte, häufig mit den Flügeldecken der Käfer verglichene 
Stummel, während die längsgefalteten Hinterflügel sehr gross und stark sind. Die 
ungeflügelten, wurmförmigen Weibehen, sowie ihre späteren beinlosen Larven- 
stadien leben parasitisch in dem Leibe von Hymenopteren. Das erste sechs- 
beinige Larvenstadium dringt in den Bienenwohnungen bereits in die Bienen- 
larven ein und macht hier nun eine regressive Metamorphose durch. Die 
Puppen ragen alsdann zwischen den Hinterleibsringen der erwachsenen Wirthe 
hervor, aber nur das Männchen verlässt das Wirthsthier, während das Weibchen 
auch nach seiner Häutung daselbst verbleibt. Xenos vesparum Rossı ist häufig 
auf Polistes gallica, Stylops melittae Kırz. auf Andrena-Arten. Von dieser 
Gattung leitet man die Bezeichnung „stylopisirt”’ für mit Strepsipteren besetzte 
Hymenopteren ab. 


KAPITEL IX. 


Die Käfer, 


Die Käfer, Coleoptera, sind Insekten mit kauenden Mund- 
werkzeugen, freiem, stark entwickeltem Prothorax, zwei Paar 


Flügeln, von denen das vordere zu Flügeldecken umgebildet 


ist, und vollkommener Metamorphose. 


Wie mannigfaltig auch die Körper- 
gestalt der Käfer ist, so werden doch bei 
weitem die meisten zu dieser Ordnung ge- 
hörigen Insekten sofort auch dem Laien 
durch dieFlügeldecken (vergl. 8. 35 bis 38) 
kenntlich, welche während der Ruhe als 
feste Schutzorgane nicht nur das zweite 
Flügelpaar, dieeigentlichen Flugflügel, ver- 
bergen, sondern auch die beiden hinteren 
Brustringe und meist auch den gesammten 
Hinterleib derartig überlagern, dass von 
oben gesehen ein typischer Käfer nur aus 
dem Kopf, einem der Vorderbrust entspre- 
chenden „Halsschilde” und dem von den 
Flügeldecken bedeckten Rumpfe zu be- 
stehen scheint. Ihre kauenden Mund- 
werkzeuge sind im Allgemeinen nur da- 
durch von denen der vorbesprochenen 


Fig. 109. Kletterlaufkäfer, Calo- 
soma sycophanta L. Z Oberlippe, 
BVorderbrust, Halsschild, 5 Schild- 
chen, FlI zu einer Flügeldecke 
umgewandelter Vorderflügel der 
rechten Seite, #7 II der zusammen- 
gefaltete Hinterflügel der linken 
Seite. 


Gerad- und Netzflügler unterschieden, dass die Verschmelzung der beiden 


Hinterkiefer zur Unterlippe (vergl. S. 31) eine weiter gehende ist und 


demgemäss ein grösserer Unterschied zwischen der Unterlippe und den 


Mittelkiefern besteht. 


Ebenso wie den erwachsenen Insekten ist auch den Larven eine 
bestimmte Form nicht eigenthümlich, und wir finden die verschiedensten 


Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde. 


19 


282 Kap. IX, Die Käfer. 


Gestalten von der frei lebenden, ausgefärbten Raubkäferlarve bis zu dem 
weisslichen, aber noch mit Füssen versehenen Engerlinge und der eine 
fusslose Made darstellenden Rüssel- oder Borkenkäferlarve. Allen ist 
aber ein gesonderter, fest chitinisirter Kopf eigenthümlich, sowie wesent- 
lich kauende Mundwerkzeuge. Die Puppe: ist stets eine freie (vergl. 
S. 102 und Taf. II, Fig. 12 und 14.P.). 

Die Verbreitung der Käfer reicht auf dem festen Lande und im 
Süsswasser wohl ungefähr ebenso weit, als die Verbreitung des organi- 
schen Lebens überhaupt. Die Zahl der im Ganzen bekannten Arten 
wird auf 80000 geschätzt, von denen auf das sicherlich am besten durch- 
forschte europäische Faunengebiet über 15000 und auf Deutschland 
ungefähr 6 000 kommen. 

Die Käfer nähren sich ebenso wie ihre Larven von den verschie- 
densten lebenden oder todten oder bereits in Zersetzung begriffenen 
organischen Substanzen. Die Thierfresser unter ihnen werden gewöhnlich 
als wirthschaftlich nützlich angesehen, die Pflanzenfresser als schädlich. 

Für den Forstmann sind die Käfer neben den Schmetterlingen die 
wichtigste Insektenordnung. Obgleich einige derselben forstlich auch 
nützlich sind, so ist doch der von vielen Arten angerichtete Schaden 
bei weitem überwiegend. Man braucht nur die Namen Maikäfer, Enger- 
ling, Rüssel- und Borkenkäfer zu nennen, um dem einfachsten Forst- 
manne in das Gedächtniss zu rufen, dass sowohl die erwachsenen Käfer 
wie ihre Larven den Holzgewächsen, und zwar physiologisch ebenso wie 
technisch schaden können. 

Allgemeines. Die Gestalt der erwachsenen Käfer ist ungemein 
verschieden; dieselbe kann linear, gestreckt und scheibenförmig, ab- 
geplattet oder kugelig sein. Einen grossen Einfluss auf den äusseren 
Habitus hat ferner die Verbindungsweise der einzelnen Leibesabsehnitte, 
welche entweder scharf durch tiefe Einschnitte gegen einander ab- 
gegrenzt sind, z. B. bei den Laufkäfern (vergl. Fig. 109) oder ganz 
aneinander schliessen, dass der Umriss des Leibes eine fortlaufende 
Curve darstellt (vergl. Taf. II, Fig. 3 F'). Letzteres findet man nament- 
lich häufig bei Wasserkäferın. Auch die Länge der Gliedmassen im 
Verhältniss zum Stamme des Leibes kann sehr verschieden sein. So 
werden die Fühler häufig sehr lang, und es entstehen dann ganz abenteuer- 
liche Gestalten, wie bei manchen Bockkäfern. Bei plötzlichem Schrecke 
ziehen viele Käfer alle Gliedmassen dicht an den Leib, und bei 
einigen finden sich sogar auf der Unterseite besondere Furchen vor, 
in welche Fühler und Beine derartig eingelegt werden können, dass 
sie die Oberfläche des Chitinpanzers nicht überragen (vergl. 8. 293). 
Dieser Chitinpanzer ist meist mittlerer Härte, kann aber zu einer 
ungemein festen Schutzdecke, — z.B. bei manchen Rüsselkäfern — oder 


Allgemeines, 283 


zu einem dünnen, biegsamen Häutchen werden, wie z. B. bei der 
Familie der Malacodermata. 

Die Käfer sind im Allgemeinen als mittelgrosse Thiere zu cha- 
rakterisiren, unter denen allerdings auch Riesen, — z.B. Hirschkäfer 
und Cerambyx cerdo L. — und Zwerge, — z. B. viele Borkenkäfer — 


vorkommen, und zwar letztere weit häufiger als erstere. 


Die Färbung der Käfer ist meist unauffällig, mit geringen 
Zeichnungen; dunkle Metallfarben sind häufig, aber auch helle Farben, 
wie Schwefelgelb und Zinnoberroth, kommen vor, z. B. bei Cteniopus 
sulphureus L. und Pyrochroa coccinea L., ferner lebhaftester farben- 
spielender Metallglanz, sowie Seiden- und Sammetschimmer, namentlich 
bei Chrysomeliden und Scarabaeiden. Die Sculptur der Oberfläche, 
besonders der Oberseite von Kopf, Halsschild und Flügeldecken, ist 
nicht nur für den Habitus, sondern auch für die Abgrenzung der 
Einzelart häufig wichtig. Ganz glatte, gestreifte, punktirte, in Reihen 
punktirte, gerunzelte Oberflächenbeschaffenheit ist sehr häufig. Auch 
Haare und Schuppen finden sich vielfach, und besonders die Färbung 
der letzteren ist für die Gesammtfärbung des frischen, noch nicht 
abgeriebenen T'hieres oft entscheidend, z. B. bei vielen Rüssel- 
käfern. 

Der Kopf ist stets gut ausgebildet, bald frei vorragend, bald 
mehr oder weniger in oder unter das Halsschild eingezogen. Er trägt 
mitunter bei beiden Geschlechtern oder nur beim d' hornartige Aus- 
wüchse. Dasselbe ist übrigens auch vom Halsschild zu sagen. Die 
Netzaugen fehlen nur wenigen Höhlenkäfern, bei den übrigen sind 
sie gut entwickelt und variiren von kreisrunder zu oblonger und 
nierenförmig eingeschnittener Gestalt. Im äussersten Falle trennt der 
Einschnitt jedes Auge in zwei gesonderte Hälften (vergl. S. 74, Fig. 53). 
Punktaugen fehlen in der Regel. 

Die Fühler sind sehr verschieden geformt, theils gleichartig, 
theils ungleichartig und in letzterem Falle meist gebrochen, also aus 
Schaft und Geissel bestehend. 

Die Mundwerkzeuge sind am Kopfe, entweder vorder- oder 
unterständig eingelenkt, so dass also die Vorderkiefer entweder in 
der Richtung der Längsachse vorragen, wie bei den Laufkäfern, 
Schrötern u. s. f., oder senkrecht zu dieser nach unten gestellt sind, 
wie bei den Borkenkäfern. Bei den Rüsselkäfern und Verwandten 
sind sie an der Spitze einer mehr weniger ausgeprägten Verlängerung 
des Kopfes, Rüssel genannt, angebracht. Die Vorderkiefer sind gewöhn- 
lich starke Beisszangen, welche nur sehr selten häutig werden, da- 
gegen öfters bei den Männchen zu secundären Geschlechtscharakteren 
ausgebildet sind, z. B. bei den Hirschkäfern. Die Laden der Mittel- 
kiefer sind dagegen häufig lederartig, ihre Taster viergliedrig. Der 
Ladentheil der zur Unterlippe verschmolzenen Hinterkiefer ist meist 
wenig entwickelt, und ihre Taster sind meist dreigliedrig. 

Die Brust ist durch die starke Entwickelung der Vorderbrust 
zum Halsschilde gekennzeichnet. Die Mittelbrust ist der kleinste Ab- 

192 


284 Kap. IX. Die Käfer. 


schnitt, dagegen erscheint die wesentlich die Flugmuskeln einschliessende 
Hinterbrust sehr stark entwickelt. 

Die Beine sind durchgehend Laufbeine, welche allerdings in 
vielen Fällen durch Sohlenbildung zu Gangbeinen werden. Die Um- 
bildung der Vorderbeine zu Grabbeinen, z. B. bei den blatthörnigen 
Käfern, und die Verwandlung der Hinterbeine in Sprung- oder Schwimm- 
beine tritt verhältnissmässig selten auf. 

Die Fussglieder sind meist an allen drei Beinpaaren in der 
Zahl fünf entwickelt. Solche Käfer heissen pentamer, ihre Gesammt- 
heit Pentamera. In einer grossen Gruppe ist aber das vorletzte der fünf 
Fussglieder so schwach entwickelt, dass es nur bei genauester Be- 
trachtung erkannt wird, uud diese Thiere daher als viergliedrig, tetramer, 
die Gruppe als Tetramera, bezeichnet werden. Neuerdings nennt man 
sie daher gewöhnlich „verborgen fünfgliedrige”, Cryptopentamera, oder 
„falschviergliedrige”, Pseudotetramera (Fig. 110). Es gibt ferner auch 
Formen, welche in Wirklichkeit vier Fussglieder an allen drei Beinpaaren 

haben; bei ihnen ist aber gleichfalls das vorletzte so 
gering entwickelt, dass es lange übersehen wurde und 
ar-- diese Käfer daher als „dreigliedrige”, Trimera, be- 
zeichnet wurden. Auch für diese werden jetzt oft die 
Ausdrücke Cryptotetramera oder Pseudotrimera an- 
gewendet. Käfer, welche an den beiden ersten Bein- 
paaren fünfgliedrige, an dem hintersten dagegen vier- 

Fig.110. Beinvon gliedrige Tarsen haben, nennt man Heteromera. 
Ey Kane er Die auf dem Rücken der Mittelbrust eingefügten 
em Tarsusı adas Flügeldecken bedecken meist vollständig die beiden 
nicht mitgezählte hinteren Brustringe und den Hinterleib. Nur an ihrer 
vorletzte Glied. Basis tritt fast immer in der Mittellinie des Leibes 
zwischen denselben ein kleines Stück Mittelbrust 
hervor, das Schildchen, scutellum (Fig. 1095). Sonst stossen sie gewöhn- 
lich in der Mittellinie des Körpers mit einem geraden Rande, dem 
Innenrande, genau zusammen. Nur selten klaffen sie oder greifen über- 
einander. Oft ist der Aussenrand der Flügeldecken ein Stück weit 
nach unten umgeschlagen. In einzelnen Gruppen werden die Flügel- 
decken kürzer und lassen entweder nur das letzte Ende des Hinter- 
leibes, das dann Schwanzstück, pygidium, heisst, frei, oder sie sind 
abgekürzt und bedecken nur wenige Ringe des Hinterleibes, wie z. B. 
bei den Staphyliniden. In seltenen Fällen sind sie zu ganz schwachen 
Rudimenten verkümmert. Es ist dies namentlich bei den Weibchen 
mancher Leuchtkäfer der Fall, welehe hierdurch ein larvenähnliches 
Aeussere erhalten. Diesen fehlen dann gleichzeitig die Flugflügel, 
welche übrigens auch bei gut entwickelten Flügeldecken fehlen können. 
Letztere verwachsen dann mitunter in der Mitte derartig, dass die Naht 
verschmilzt und die Flügeldecken eine zusammenhängende Schutzplatte 
des Rumpfes bilden. Nur in seltenen Fällen sind die hinteren Flug- 
flügel kürzer oder ebenso lang wie die Flügeldecken; der Regel nach 
werden sie bedeutend länger und sind dann sowohl der Länge nach, 


Allgemeines. 235 


wie quer auf die Längsachse einfaltbar. Meist wird nur die Spitze 
gegen die Basis eingeschlagen; bei verkürzten Flügeldecken kommt 
aber auch eine doppelte Einfaltung der Quere nach vor. Das Geäder 
besteht wesentlich aus Längsadern und verkümmert bei den kleineren 
Formen. Beim Fluge werden die Flügel entweder unter den geschlossen 
bleibenden, zu diesem Zwecke in der Schultergegend besonders aus- 
geschnittenen Flügeldecken hervorgeschoben, so z. B. bei den Gold- 
käfern, Cetonia, oder es werden — und dies ist der häufigere Fall — 
die Flügeldecken bei Entfaltung der Flügel gehoben und während des 
Fluges geöffnet getragen. 

Der Hinterleib ist dadurch ausgezeichnet, dass die Bauch- 
platten stärker chitinisirt sind als die Rückenplatten und eine meist 
ganz feste, kahnförmige Kapsel für die Eingeweide bilden, über welche 
die weichen Rückenplatten als dehnbare Decke übergespannt erscheinen. 
Nur die _von den Flügeldecken nicht bedeckten Rückenplatten sind 
stärker chitinisirt. Diese Einrichtung ist besonders wichtig bei den 
Weibchen, welche sehr viel Eier produeiren, deren Hinterleib also 
sehr aufschwillt. Die Zahl der Rückenplatten ist stets grösser als die 
der Bauchplatten, da letztere an den ersten Hinterleibsringen meist ver- 
kümmern, während zugleich die zum Ansatz der Flugmuskeln stark 
erweiterte Bauchhälfte der Hinterbrust sich nach hinten vorschiebt. 
Auch verschmelzen öfters einzelne Bauchplatten miteinander, Die 
letzten Hinterleibssegmente sind häufig eingezogen und treten in Be- 
ziehung zu den äusseren Geschlechtsorganen, welche nur beim Ge- 
brauche vorgestreckt werden. Der häufig sehr starke Penis wird 
neuerdings vielfach mit den ihn auszeichnenden Chitinstücken zur 
Unterscheidung der einzelnen Arten verwendet. Die Weibchen haben 
öfters eine längere Legröhre. 

Aeusserlich lassen sich beide Geschlechter meist nur an der 
Form der um die Geschlechtsöffnung herum liegenden Chitinplatten unter- 
scheiden. In anderen Fällen sind dagegen deutliche secundäre 
Geschlechtscharaktere vorhanden (vergl. S. 43—45). 

Die meist sehr einfach geformten Eier bieten keinerlei erwähnens- 
werthe Eigenthümlichkeiten. Sie werden von den Weibchen stets an 
die für die Larven geeignete Nahrungsquelle abgelegt, und es werden zu 
ihrer Unterbringung oft besondere Vorkehrungen getroffen (vergl. S. 88 
und 89). 

Die Larven sind entweder einer freien Lebensweise angepasst, 
mit gut entwickelten, eine verhältnissmässig rasche Fortbewegung ge- 
stattenden Extremitäten und vorgestreckten Mundwerkzeugen versehen, 
alsdann auch meist lebhafter gefärbt, oder zur Lebensweise in der Erde 
oder in ihren Nahrungssubstanzen eingerichtet und dann meist mit 
gering entwickelten Beinen und unterständigen Mundwerkzeugen aus- 
gestattet, weich und weisslich gefärbt. Im extremsten Falle, z. B. bei 
den Rüssel- und Borkenkäferlarven, fehlen die Beine vollständig. Eine 
Ortsbewegung ist dann nur durch Krümmungen des Körpers möglich 
und wird durch die Besetzung des Hinterleibes mit Haaren, Dornen 


286 Kap. IX. Die Käfer. 


oder rauhen Chitinplatten vielfach unterstützt. Uebergänge zwischen 
den Extremen finden sich oft vor. Die an dem gut chitinisirten Kopfe 
befindlichen Mundwerkzeuge sind stets nach dem Typus der kauenden 
Mundwerkzeuge gebaut, auch dann, wenn einzelne Theile derselben, 
z. B. bei den Schwimmkäfern, Dytiscus, die Vorderkiefer, zu hohlen, 
durchbohrten Saugzangen verwandelt sind. 

Die Nahrung der Larven ist entweder die gleiche wie die der 
Käfer selbst, z. B. bei den fleischfressenden Raubkäfern, dem Puppen- 
räuber Calosoma sycophanta L., oder die Nahrung beider ist ver- 
schieden. Es kann dann die Nahrung der beiden genannten Lebens- 
stadien immerhin noch denselben Objecten, aber verschiedenen Theilen, 
entnommen sein; so sind z. B. sowohl der Maikäfer wie der Enger- 
ling Pflanzenfresser, aber der erstere verzehrt die Blätter, letzterer die 
Wurzeln der Pflanzen. Es können aber auch die Nahrungsquellen völlig 
verschieden sein; so fressen z. B. die Imagines vieler Käfer Blüthen- 
staub, z. B. die Anthrenus- und Dermestes-Formen, während die 
Larven thierische Kost verzehren. Manche Käferlarven sind auch Koth- 
und Aasfresser. Sehr viele leben ferner parasitisch im Inneren lebender 
Pflanzen und tödten dieselben bei starken Angriffen. Diese Thiere 
sind für den Forstmann von besonderer Wichtigkeit, z. B. viele Rüssel- 
und alle Borkenkäferlarven. Meist findet man hier leichter die Larven 
wie die Käfer, und es bietet hier oft schon die Form des Larvenfrasses 
sichere Anhaltspunkte für die Bestimmung des Schädlings. Nur wenige 
Käferlarven leben parasitisch in anderen Thieren; aus uuserer Fauna 
ist besonders der als Larve in Coccus racemosus Rarz. schmarotzende 
Anthribus varius Far. zu erwähnen (vergl. auch S. 106 und 107). 

Die Verpuppung geschieht entweder frei oder in einem mehr 
weniger gut ausgebildeten Cocon. Die im Holze lebenden Larven 
machen häufig vertiefte Puppenwiegen, welche sie mit genagten 
Spanpolstern auskleiden, z. B. die Pissodes-Arten. Bei in der Erde 
oder in Pflanzentheilen lebenden Puppen frisst sich stets der Käfer 
auf die Aussenwelt durch und erzeugt also Fluglöcher. Oefters ver- 
lässt aber die Larve bereits vor der Verpuppung das Innere ihrer 
Nährpflanze und metamorphosirt sich in der Bodendecke. 


Systematik. In einem praktischen Zwecken gewidmeten Buche 
theilt man die Käfer am besten zunächst in vier grosse Abtheilungen 
nach der Anzahl ihrer Fussglieder, soweit man solche mit blossem Auge 
oder mässiger Lupenvergrösserung erkennen kann. 

Käfer mit 5 Fussgliedern an jedem Beinpaar heissen Pentamera. 


4 Tetramera. 


n n n n n N n 


n n 3 n ran n n 
Solche, welche an den beiden vorderen Beinpaaren 5, am hinteren 


4 Fussglieder haben, heissen Heteromera. 


Trimera. 


Dass die wissenschaftliche Entomologie diese Eintheilung jetzt verwirft, 
ist nicht nur darin begründet, dass die Bezeichnungen auf einer oberflächlichen 


Allgemeines, Systematik. 287 


Beobachtung beruhen und wenigstens die Namen Tetramera und Trimera oft 
durch die Bezeichnung Cryptopentamera und Cryptotetramera ersetzt werden 
(vergl. S. 284), sondern auch darin, dass dieses künstliche System, streng durch- 
geführt, zu einer Zerreissung natürlicher Verbindungen führen muss. Kommen 
doch z. B. in der sehr natürlich abgegrenzten Familie der Staphylinidae, welche 
im Allgemeinen zu den Pentameren gehört, auch fast alle anderen, überhaupt 
bei Käfern bekannten Zahlenverhältnisse an den Fussgliedern vor, und sinkt doch 
bei manchen Pselaphidae, welche mit den Staphylinen nahe verwandt sind, und 
daher auch in die Pentameren eingereiht werden müssen, die Zahl derselben auf 
zwei. Trotzdem sind diese Ausnahmen so wenig zahlreich und beziehen sich meist 
auf praktisch so wenig wichtige Thiere, dass man sie in einem Werke wie 
das vorliegende vernachlässigen kann. Ja zur ersten Orientirung ist die Einthei- 
lung nach den Fussgliedern um so wichtiger, als die beschreibende Entomologie 
sich neuerdings darin gefällt, die Trennung der Käfer in einzelne Familien immer 
weiter zu treiben, und der Anfänger daher leicht den Ueberblick über die Zu- 
sammengehörigkeit der einzelnen Gruppen verliert. Wir folgen im Allgemeinen 
in unserer Eintheilung dem „Verzeichniss der Käfer Deutschlands’ von G. Kraarz 
und nehmen im fast vollständigen Anschlusse an dasselbe 61 Familien an, 
deren Uebersicht hier folgt. 


Die Familien der einheimischen Käfer. 


a) Pentamera. 22. Lathridiidae. 43. Melandryidae. 
1. Carabidae. 23. Mycetophagidae. 44. Lagriariae. 
Denk 24. Dermestidae. 45. Pedilidae. 
dan 25. Byrrhidae. 46. Anthicidae. 
4. Hydrophilidae. 26. Georyssidae. #7. Pyrochroidae. 
5. Staphylinidae. 27. Parmnidae. 48. Mordellonae. 
6. Pselaphidae. 28. Heteroceridae. 49. Rhipiphoridae. 
2. Clavigeridae. 29. Lucanidae. ee 
SE maorike. 30. Scarabaeidae. 51. Oedemeridae. 
9. Silphidae. 31. Buprestidae. el 
In elhsnhidae. 32. Eucnemidae. : 
I nhaniidae. 33, Elateridae. 52. Bruchidae. 
12. Trichopterygidae. 34. Dascillidae. ES ee aliialne: 
18. Soaphidiidae, 35. Malacodermata. | 54. Cureulionidae. 
ne. 36. Cleridae. 55. Scolytidae. 
db ass 37. Lymexylonidae. | 56. Cerambyeidae. 
Te Nekrdutae; 38, Ptinidae. 57. Chrysomelidae. 
17. Trogositidae. 39. Anobiidae. d) Trimera. 
18. Colydiidae. b) Heteromera. 58. Erotylidae. 
19. Rhysodidae. 40. Tenebrionidae. 59. Endomychidae. 
20. Cucujidae. | 41. Cistelidae. 60. Coceinellidae. 
21. Cryptophagidae. 42. Pythidae. 61. Corylophidae. 


In der vorstehenden Uebersicht sind die Namen der für den 
Forstmann bedeutungslosen Familien petit, die nützlichen cursiv, 
die merklich schädlichen gesperrt und die sehr schädlichen fett 
gedruckt. Nur die beiden letzteren Gruppen, sowie die unmittelbar 
sich ihnen anschliessenden, werden in sieben getrennten Abschnitten 


288 Kap. IX. Die Käfer. 


ausführlicher behandelt werden, es sind dies die Familien 29 und 
30; 31, 32 und 33; 35, 37, 38, 39 und 50; 52, 53 und 54; 55; 56; 
57, also im Ganzen 16 Familien. Die übrigen 45, nur nützliche und 
gleichgiltige Formen enthaltenden, behandeln wir in kurzer Ueber- 
sicht auf den folgenden Seiten. Wer Genaueres verlangt, muss sich 
an speciellere Werke halten, unter denen uns zur Bestimmung deut- 
scher Käfer im Allgemeinen am bequemsten zu sein scheint: 

L. REDTENBACHER, Fauna austriaca, die Käfer. 3. Aufl. 2 Bde.. 
1874, Wien. 

Die meisten „Käferbücher” populärer Natur taugen nichts. 


Die forstlich nützlichen und gleichgiltigen Käfer. 


In der folgenden Aufzählung werden im Zusammenhange kurz 
diejenigen Käferfamilien berührt werden, welche keinerlei dem Forst- 
mann schädliche Thiere enthalten und demgemäss eine ausführlichere 
Schilderung nicht erfahren können. 

Die beiden ersten Familien, die Laufkäfer, Carabidae, und die 
Schwimmkäfer, Dytiscidae, enthalten fast ausschliesslich Raubkäfer, 
welche von anderen Thieren leben. Auch ihre Larven sind meist auf 
die gleiche Nahrung angewiesen. Es werden daher die grösseren Gat- 
tungen und Arten der Laufkäfer, die Vertilger so mancher schädlichen 
Insekten und anderen Ungeziefers, als wirthschaftlich nützlich angeseben. 
Für den Forstmann kommen hauptsächlich die Waldbewobner in Be. 
tracht, die Gattungen Cicindela oder Sandkäfer, Carabus oder Lauf- 
käfer im engeren Sinne (Taf. I, Fig. 5) und vornehmlich Calosoma 
oder Kletterlaufkäfer, von denen C. sycophanta L. namentlich zur 
Zeit eines grösseren Raupenfrasses oft massenhaft in den befallenen 
Nadelholzbeständen auftritt und hier sowohl als Imago (Taf. I, Fig. 4 F), 
wie als Larve (Taf. I, Fig. 4L), kräftig gegen die Raupen kämpft. 
Diese sämmtlichen Gattungen verdienen also den Schutz des Forst- 
mannes, welcher ihnen denselben aber höchstens insoweit gewähren 
kann, dass er die häufig in den Raupengräben und namentlich in den 
Fanglöchern sich ansammelnden Exemplare von den Arbeitern vor 
Vernichtung der Raupen, beziehungsweise vor Zuschüttung der Fang- 
löcher herausnehmen und in Freiheit setzen lässt. 

Die Schwimmkäfer, welche trotz der ganz anderen Form ihres 
Körpers, der wie eine verlängerte Linse geformt ist, den Laufkäfern sehr 
eng verwandt sind, müssen als forstlich gleichgiltig angesehen werden. 
Dagegen ist erwähnenswerth, dass die grösseren Arten, namentlich 
Dytiscus marginalis L, der sogenannte „Gelbrand”, sowohl erwachsen 


Br ’ 


' 


Die forstlich nützlichen und gleichgiltigen Käfer. 239 


wie als Larve der Fischbrut und sogar schwächeren erwachsenen Fischen 
verderblich werden. 


Als wirthschaftlich ganz gleichgiltig sind die hier sich an- 
schliessenden, gleichfalls wesentlich im Wasser lebenden Familien der 
Taumelkäfer, Gyrinidae, und der Wasserkäfer, Hydrophilidae, zu be- 
zeichnen. Erstere tummeln sich, zierliche Bögen schlagend, schaaren- 
weise auf der ruhigen Oberfläche unserer Gewässer; letztere durch 
die keulenförmige Gestalt ihrer Fühler vor den übrigen im Wasser 
lebenden Käfern ausgezeichnet, schwimmen nicht sehr gut und schreiten 
mehr in der Tiefe der Gewässer zwischen den Wasserpflanzen einher, 
von denen sie einen grossen Theil ihrer Nahrung entnehmen. 


Die Carabidae und Dytiscidae sind trotz der grossen Verschiedenheit 
ihrer äusseren Gestalt durch den Bau ihrer Mundwerkzeuge als sehr nahe ver- 
wandt kenntlich. Es ist nämlich bei beiden die äussere Lade der Mittelkiefer in 
einen zweigliedrigen Taster verwandelt, so dass also das zweite Kieferpaar hier 
vier Taster aufweist. Unter die Carabidae rechnen wir auch die mit einigen 
Verwandten häufig als getrennte Familie behandelte Gattung Cicindela. 

Die Sandkäfer, Cicindela, welche wegen der räuberischen Lebensart ihrer 
in fast senkrechten Erdröhren lebenden Larven von Ratzegurg als forstlich 
nützlich wohl überschätzt wurden, gehören in unseren sandigen Kiefernwäldern 
zu den auffallendsten Insektenerscheinungen, da die auf dunklem oder metallisch 
glänzendem Grunde scharf hell gezeichneten Käfer bei Sonnenschein vor dem 
störenden Wanderer häufig auffliegen, um nach kurzer Flucht wieder einzufallen. 
Die oberhalb lebhaft grüne C. campestris L. dürfte wohl bei uns die häufigste 
sein. Zoologisch sind diese Thiere, welche man vielleicht deutsch noch besser als 
„Fluglautfkäfer” bezeichnen könnte, durch den beweglichen Haken an der Spitze 
der Innenlade der Mittelkiefer, sowie durch den grossen, das Halsschild an 
Breite erreichenden Kopf mit vortretenden Augen charakterisirt. 

Unter den Erdlaufkäfern umfasst die Gattung Carabus die grössten Formen. 
Von den nahe verwandten Kletterlaufkäfern, Gattung Calosoma, denen ein 
queres Halsschild zukommt (Taf. I, Fig. 4 F), sind sie im Habitus durch ein 
mehr quadratisch abgerundetes Halsschild verschieden (Taf. I, Fig. 5 F). Es 
sind meist nächtlich lebende Thiere, welche in Verbindung mit ihren beweg- 
lichen, meist dunkel gefärbten. grossen Larven (Taf. I, Fig. 5 L) von thierischer 
Nahrung leben. Besonders häufig werden ihnen, wie Autumn hervorhebt [XVI, III, 1, 
S. 49 u. 50], die nächtlich zum Vorschein kommenden Erdraupen, namentlich die 
der Ackereulen, und die zeitir im Herbst in die Bodendecke hinabsteigenden 
Raupen, sowie die Puppen forstschädlicher Schmetterlinge, z. B. der Kieferneule, 
des Kiefernspanners, des Rothschwanzes etc. zur Beute fallen. Ob ihr häufiges 
Erscheinen an Orten mit Raupenfrass, wo sie sich in den Fanggräben oft massen- 
haft anhäufen, auf einer dann wirklich eintretenden massenhaften Vermehrung 
beruht oder blos auf einer stärkeren Concentration auf die Stellen, wo sie viel 
Frass finden, mag hier dahingestellt bleiben. Die häufigsten Arten unserer 
Gebirgswaldungen sind C. violaceus L, auronitens FıArr., sylvestris Panz., 
während C. glabratus Payk., cancellatus Iır., granulatus L., intricatus L., 
hortensis L. häufig in den Waldungen der Übene und Vorberge gefunden werden. 

Die forstwirthschaftlich nützlichste Gattung ist ohne Zweifel die Gattung 
Calosoma oder Kletterlaufkäfer, da sowohl Käfer wie Larven nicht auf die 
Jagd am Erdboden beschränkt sind, sondern ihrer Beute, den Raupen, auch auf 
die Bäume zu folgen vermögen. Wir erwähnen hier besonders den grossen Kletter- 
laufkäfer C. sycophanta L., auch Puppenräuber, Baumkäfer, Mordkäfer, 
Raupenjäger, Bandit, Sycophant genannt, mit grün- und rothgoldiger Oberseite 
(Taf. I, Fig. 4 F), bis 35 mm lang und den kleinen, 15—20 mm langen, oberhalb 
tief bronzebraunen C. inquisitor L. Ihre an den gleichen Orten wie die Käfer 
vorkommenden Larven, von denen die der grösseren Art bis 50mm Länge 


290 Kap. IX. Die Käfer. 


erreicht, sind durch die fest chitinisirten, schwarzbraunen Doppelschilder auf dem 
Rücken jedes Leibesringes, welche mit den gleichfalls dunklen und festen Bauch- 
schildern durch helle weiche Gelenkhäute verbunden werden (Taf. I, Fig. 4 L), 
sehr leicht kenntlich. C. sycophanta findet sich nicht nur in unseren Nadelholz- 
wäldern bei Frass von Kiefernspinner, Nonne und Kieferneule zahlreich ein, 
sondern geht auch nach Arrum den Processionsspinnerraupen tapfer zu Leibe. 
Preı. hat ein und dasselbe Exemplar 10—15mal nacheinander je eine Eulen- 
raupe von dem Baume herabholen sehen, und NırschE nahm in Primkenau aus 
einem einzigen Raupengrabenfangloche über 20 Exemplare heraus. C. inquisitor L. 
ist dagegen mehr auf Laubwälder angewiesen und geht hier namentlich in 
jüngeren Stangenhölzern den Spannerraupen nach. TAscuengere [XVIl, S. 209] 
hat seine Nützlichkeit zuerst gewürdigt. 

Auch unter den vielen kleineren Gattungen und Arten der so zahlreichen 
Gruppe — es finden sich 168 Gattungen und über 1800 Arten in Europa — 
wären gewiss noch manche forstnützliche Thiere zu verzeichnen. RATZEBURG sperrte 
zwei Stück Harpalus ferrugineus FAzr. mit fünf Engerlingen in ein Glas; nach 
fünf Tagen fehlten zwei Engerlinge, nur deren Köpfe waren zu finden. Es 
mehren sich aber auch die Nachrichten über Pflanzenfresser unter den Caraben, 
namentlich bezüglich der Gattungen Harpalus Larr., Amara Box. und ihrer 
Verwandten. Der bekannte Getreidelaufkäfer, Zabrus tenebrioides GorzE (gibbus 
FaApr.), benagt bei Nacht die noch milchigen Körner der Getreideähren und seine 
Larven zerkauen die Blätter der jungen Getreideplanzen und saugen dieselben 
aus. Näheres vergleiche bei Taschengere [XXlII, 2, S. 2—7]. 

Es liegt ferner auch eine neuere Beobachtung über die forstliche Schäd- 
lichkeit von Harpalus pubescens Mürr. (ruficornis Far.) und wahrscheinlich 
auch vonH. aeneus FAsr. vor. Czecu [Centralbl. für d. ges. Forstwesen, Jhrg. IV, 
1878, S. 371] hat sicher beubachtet, dass ersterer Käfer in mit Brettchen gegen 
Mäuse- und Finkenfrass gedeckten Saatbeeten sich unter die Brettchen gewühlt, 
die Samen von Laub- und Nadelhölzern seitlich angenagt und theilweise aus- 
gefressen hatte. Er wurde mehrmals direct beim Zerkauen der Samen des ameri- 
kanischen Färbermaulbeerbaumes, Maclura aurantiaca Nurr., betroffen. Auch 
wurden die Samen von Pinus- und Picea-Arten angegangen, die der Abies-Arten 
dagegen verschont. Auf nur mit Reisig gedeckten Saatbeeten kam dieser Frass 
nicht vor, dagegen sind Harpalus-Arten auch unter Moosdeckung häufig. 


Die Familien der Staphylinidae, Pselaphidae und Clavigeridae 
lassen sich als „Stutzflügler” zusammenfassen, da sie verkürzte 
Flügeldecken als wesentliches Kennzeichen besitzen. Sie stellen die 
zahlreichste Gruppe aller einheimischen Käfer dar und nähren sich im 
erwachsenen Zustande meist von faulenden thierischen und pflanzlichen 
Substanzen, als Larven häufig auch von anderen lebenden niederen 
Thieren. Die grösseren Arten, unter denen wir als besonders häufig 
Staphylinus(Ocypus) olens Mürr. (Taf. I, Fig. 1) und St. erythropterus L. 
(Taf. I, Fig. 2) hervorheben, nützen daher wohl mehr durch ihre Be- 
theiligung an der Beseitigung von Thierleichen ete., als durch directe 
Bekämpfung forstschädlicher Insekten. Dagegen leben viele kleinere 
Arten als Larven in den Gängen der Borkenkäfer und nähren sich 
daselbst wahrscheinlich von deren Eiern und Larven. 


Aus der Kraarz’schen Monographie der deutschen Staphylinen hat Arrum 
[XVI, III, 1, S. 69] die positiven Angaben über forstnützliche Thätigkeit der 
einzelnen Arten zusammengestellt, und wir fügen nach NÖRDLINGER und PERRIS 
einige Ergänzungen bei. Hiernach leben räuberisch: 


Die forstlich nützlichen und gleichgiltigen Käfer. 291 


in den Gängen von die Larven von 
Hylesinus ligniperda Fasr.. . .... ». Homalota celata Er. 
Biylesinus’piniperda. L. .. .....4».2 00...) Homalota sp:? 
e R N Te Quedius scintillans Grv. 
Hylesinus minor Hrrc RG fuliginosus Gav. 


Placusa sp.? 
Phloeopora reptans Gkv. 
Xantholinus collaris Er. 
Homalium vile Er. 
Leptusa analis Gyr. 
Homalota cuspidata Er. 
Phloeopora reptans Grv. 
Homalium pusillum Gev.. 
Gleichfalls in den Gängen des letzteren Borkenkäfers kommt noch die 
Larve von Coryphium angusticolle Stra. vor, soll aber von dem Koth der Borken- 
käfer leben, und die Larve von Quedius dilatatus FAgr. vernichtet die Hornissen- 
brut in den Nestern. 


Tomicus 6-dentatus Börner . 


Tomicus laricis FApr. 


Die in der Form den Staphylinen äusserst ähnlichen, aber durch 
die geringere Zahl der Tarsalglieder und die häufig keulenförmige 
Gestalt der Fühler, sowie Unterschiede in den Mundwerkzeugen von 
ihnen abweichenden Pselaphidae und Clavigeridae sind zwerghafte, 
meist in den Nestern von Ameisen als Einmiether lebende Käferchen. 
Der Statur und Lebensweise nach schliessen sich diesen die forstlich 
gleichfalls völlig gleichgiltigen Scydmaenidae an, welche aber keine 
verkürzten Flügeldecken haben. 


Trotzdem die Lebensweise ihrer Vertreter äusserst verschieden ist, 
werden die Silphidae nach derjenigen der häufigeren und grösseren ein- 
heimischen Arten oft als Aaskäfer bezeichnet. Am bekanntesten ist 
die Gattung Necrophorus oder Todtengräber, deren Arten meist durch 
abwechselnd roth und schwarz quergezeichnete Flügeldecken kenntlich 
sind. Diese Thiere bringen ihre Eier an kleinen Thierleichen unter, 
nachdem sie letztere zuvor durch allmähliche Unterwühlung in den Boden 
versenkt, begraben haben. Die meisten Arten der nahe verwandten Gat- 
tung Silpba legen ihre Eier gleichfalls gern an Aas, welches alsdann 
den ausschlüpfenden Larven zur Nahrung dient; an eingegangenen 
Stücken Wild findet man z. B. häufig die grösste deutsche Art Silpha 
tittoralis L. Andere sind kühne Räuber, namentlich die forstlich durch 
Vertilgung vieler Raupen entschieden nützliche S. quadripunctata L., 
der Vierpunkt-Aaskäfer. 


Silpha quadripunctata L., welche durch je zwei schwarze Punkte auf 
den ledergelben Flügeldecken und ledergelbe Einfassung des dunklen Hals- 
schildes leicht kenntlich ist, wird im Mai auf Eichenheistern und Buchenstangen 
kletternd gefunden, wo sie die daselbst fressenden Spannerraupen kräftig bekämpft. 
Nach REDTENBACHER soll sie auch in den Nestern der Processionsspinner in Masse 
vorkommen. Die Larven einiger anderen mattschwarzen Arten, namentlich von 
S. atrata L. und S. opaca L., gehen bei Nahrungsmangel gelegentlich an die 
Blätter der jungen Runkelrüben, welche sie skelettiren [vergl. XXI, II, S. 10]. 


292 ‘Kap. IX. Die Käfer. 


Von den in der systematischen Uebersicht auf S. 257 nunmehr 
folgenden Familien Nr. 10—15 erwähnen wir im Anschluss an die 
Silphidae nur die Histeridae, weil die durch die Abstutzung ihrer 
Flügeldecken und die spiegelblanke Oberseite leicht kenntlichen 
Hauptgattungen dieser Familie gleichfalls häufig in Aas und Mist 
gefunden werden. 


Da die im Miste lebenden Arten der Gattung Hister nicht direete Mist- 
fresser sein, sondern sich ränberisch von den dort lebenden eigentlichen Mist- 
käfern nähren sollen, ss vermuthet ArLrum auch unter den kleinen unter alter Rinde: 
lebenden Arten Räuber, welche vielleicht in ähnlicher Weise, wie die schon oben 
angeführten kleinen Staphylinen, forstnützlich werden können [XVI, III, 1, 8. 74]. 
Bestimmt wird dies von NÖRDLINGER [XXIV, S. 2] nach Perrıs angegeben von 
Platysoma oblongum Far. und Plegaderus discisus Er., von denen ersterer 
den Larven von Tomicus 6-dentatus Börner, letzterer denen von Tomicus 
(Crypturgus) pusillus Gyır. nachgehen soll. 


Auch die Familien Nr. 15—23 könnten hier völlig übergangen 
werden, wenn nicht in der forstlichen Literatur einige kleine Vertreter der 
Nitidulidae, Trogositidae, Colydiidae und Cucujidae, welche öfters in 
den Borkenkäfergängen angetroffen werden, als Borkenkäferfeinde an- 


gesehen werden müssten. 


Aus der Gruppe der Nitidulidae oder Glanzkäfer wird am häufigsten 
erwähnt der auf Cruciferenblüthen lebende und bei starker Vermehrung die 
Rapsernte empfindlich schädigende Rapsglanzkäfer, Meligethes aeneus Fasr. Der 
Käfer selbst frisst sich nämlich im Frühjahr in die Rapsknospen ein, und die 
Larve zerstört Blüthen und Schoten oft vollständig [vergl. XXI, II, S. 12]. 

Als Verbündete des Forstmannes werden dagegen manche unter Baumrinde 
und in den Gängen der Borkenkäfer lebende kleine Formen, namentlich die lang- 
gestreckten, flachen Arten der Gattung Rhizophagus, angesehen. Rh. depressus 
FApr. und der etwas seltenere Rh. grandis Gyrr. wurden von REDTENBACHER in 
den Gängen von Hylesinus micans Kus. raubend angetroffen. Wegen ähnlicher 
Lebensweise wird Ips ferrugineus L. und I. quadripustalatus L. geschätzt. 

Unter den Trogositidae ist das fast fadenförmig langgestreckte Nemosoma 
elongatum L. zu erwähnen. Dieses 5 mm lange, glänzend schwarze, an der Basis 
und Spitze der Flügeldecken gelbgezeichnete Käferchen ist, wie Errcnson mittheilt, 
von verschiedenen Beobachtern in den Gängen von Hylesinus vittatus FApr. in 
Rüster als Räuber angetroffen worden. Autum hat es in den Gängen von 
Lymexylon dermestoides L., Tomicus domesticus L. und T. Saxesenii Rarz. 
gefunden und wir selbst haben es aus Frassstücken von Hylesinus (Phloeo- 
tribus) Oleae FArr., sowie aus altem Buchenholz in Gemeinschaft mit Tomicus 
bicolor Hzsr. erzogen. 

Die gleiche Bedeutung haben einige Vertreter der Colydiidae. Colydium 
filifforme Far. und Oxylaemus variolosus Dur. leben in alten Eichen, und zwar 
wesentlich in den Gängen von Tomicus monographus FıAzr. Desgleichen wurde 
der zu den Cucujidae gehörige Laemophloeus ferrugineus SrrH. von JUDEICH 
in Menge in den Gängen von Tomicus micrographus L. gefunden. 


Die Familie der Speckkäfer, Dermestidae, ist zwar dem Forst- 
manne in seinem Berufe völlig gleichgiltig, verdient hier aber doch 
Erwähnung, weil die gewöhnlich behaarten Larven sämmtlicher Formen 
von abgestorbenen thierischen Substanzen leben, und zwar einige in 
Aas, die meisten aber in getrockneten Fellen, Bälgen und Naturalien. 
Schlecht vergiftete ausgestopfte Bälge, sowie in ungenügend verschlossenen 


Die forstlich nützlichen und gleichgiltigen Käfer. 293 


Kästen aufbewahrte Insektensammlungen sind daher der Zerstörung durch 
dieselben ausgesetzt. 


Der eigentliche Speckkäfer, Dermestes lardarius L., schwarz, mit breiter, 
gelbgrauer, schwarzgepunkteter Binde über der Wurzel der Flügeldecken, 8 bis 
9 mm lang, sowie dessen langbehaarte, mit zwei hornigen Haken am Hinterleibs- 
ende bewaffnete Larve geht trockene Fleischwaaren und ausgestopfte Thiere an. 
Der 5 mm lange, schwarze, durch zwei weisse Haarpunkte auf den Flügeldecken 
ausgezeichnete Pelzkäfer Attagenus pellio L. lebt auf Blüthen, während seine 
gleichfalls behaarte, aber der Hornhaken am Hinterleibsende entbehrende Larve 
ein gefürchteter Feind der Hausvorräthe, Kleider. Herbarien uud Naturalien- 
sammlungen ist. Gleichfalls auf Blüthen leben die Käfer der Gattung Anthrenus, 
während ihre Larven, ausgezeichnet durch ein langes Büschel Haare am Hinter- 
leibe, namentlich die des nur 25 mm langen A. museorum L., die Hauptfeinde 
der Insektensammlungen sind. 

Als auffallende einheimische Käferform sei Byrrhus, die Haupt- 
gattung der Byrrhidae, erwähnt, welche wegen ihrer abgerundeten Körper- 
gestalt den deutschen Namen „Pillenkäfer”” erhalten hat: Die Bauch- 
seite dieser Käfer ist mit tiefen Furchen versehen, in welche alle 
Leibesanhänge derartig eingelegt werden können, dass sie für eine 
oberflächliche Betrachtung völlig verschwinden. Mehr an feuchten 
Orten, ja mitunter in fliessendem Wasser leben die wenigen ein- 
heimischen Vertreter der Familien der Georyssidae, Parnidae und 
Heteroceridae. Diese sowohl wie die später folgenden Dascillidae 


können hier keinerlei Besprechung finden. 
Aus der Familie der Cleridae ist durch das Verzehren schädlicher 
Holzkäfer, besonders der Borkenkäfer, forstlich in hohem Grade nützlich 
Clerus formicarius L., und zwar sowohl als Käfer wie als Larve (Taf. I, 


Fig. 3 F und 2). 


Dieser Käfer wird namentlich in Nadelholzrevieren an alten stehenden und 
gefällten Stämmen, Meterstössen u. s. f. häufig gefunden. Seine rosenrothe, be- 
wegliche Larve mit horizontal vorgestrecktem Kopfe, stark chitinisirter Vorderbrust, 
durch je zwei feste Chitinschilder auf den beiden übrigen Brustringen und ein 
einfaches Schild auf dem Endringe ausgezeichnet, lebt unter der Rinde und geht 
daselbst gleichfalls den holzbewohnenden Käfern und Käferlarven nach. Auch seine 
Verwandten leben, wenigstens als Larven, meist von anderen Thieren, so z. B. die 
Larve von Trichodes apiarius L. in Bienenstöcken auf Kosten der Bienenlarven, 
und deshalb wird sie von den Imkern sehr gefürchtet. 


Die Familie der Ptinidae ist forstlich ganz gleichgiltig. 

Aus der Gruppe der Heteromera erwähnen wir lediglich die 
Familie der Tenebrionidae, weil sie den einzigen häufiger künstlich 
gezogenen Käfer enthält, den ursprünglich in Mehlvorräthen, auf Korn- 
böden ete. lebenden Mehlkäfer, Tenebrio molitor L., dessen Larve, unter 
dem Namen „Mehlwurm” bekannt, ein sehr gutes Futter für insekten- 
fressende Stubenvögel abgiebt. 

Von den Trimera sind nur die Coccinellidae, im Volksmunde als 
„Marienkäferchen”, „Herrgottschäfchen” bezeichnet, erwähnenswerth. Die 
sehr beweglichen Larven dieser nützlichen Thierchen leben auf Blättern 


z 


von anderen Thieren, namentlich von Blattläusen, und sind daher als 
nützlich anzusehen. 


294 Kap. IX. Die Käfer. 


Die gemeinste Art ist Coccinella septempunctata L. mit hellvioletter 
Larve. Diese kommt im Hochsommer häufig auch auf den Kartoffelpflanzen 
vor und verpuppt sich auch dort, indem sich die Puppe mit der Hinterleibs- 
spitze an den Blättern festheftet. Da diese Puppe lebhaft gelb und schwarz ge- 
zeichnet ist, wird sie neuerdings vielfach mit der ähnliche Farben zeigenden, 
natürlich aber freibeweglichen Larve des Coloradokäfers verwechselt, und eine 
ganze Reihe falscher Gerüchte über das Auftreten dieses gefürchteten über- 
seeischen Kartoffelfeindes rühren von solchen Verwechselungen her (vergl. S. 612). 


Die Blatthornkäfer, insbesondere der Maikäfer und seine 
Verwandten. 


Die von LATrREILLE aufgestellte Gruppe der Blatthornkäfer, 
Lamellicornia, ist dadurch ausgezeichnet, dass die letzten Glieder ihrer 
Fühler zu starken, zusammen eine Keule bil- 

denden Blättern werden, und dass ihre Larven 

Engerlinge sind, d. h. blinde, fleischige, bauch- 

wärts eingekrümmte und daher stets seitlich 

liegende, weissliche Larven mit gut entwickeltem 


Kopfe, stark ausgebildeten Beinpaaren und sack- 

artigem Hinterleibe (Taf. II, Fig. 14 L). Mai- 

\ ; käfer und Hirschkäfer können als typische Ver- 

a -B treter angeführt werden. In neuerer Zeit hat 


Fig. 111. A Fühler des man diese sehr natürliche Gruppe in zwei 
Hirschkäfers. B Fühler des 


Rz Familien getrennt, in die Lucanidae und 
Maikäfers. 


Scarabaeidae, und zwar namentlich nach der 
Beschaffenheit der Fühler, deren Blätter bei den Lucaniden, z. B. beim 
Hirschkäfer, mit ihren scharfen Rändern aneinanderstossend eine gesägte 
Keule bilden (Fig. 111 A), während dieselben bei den Scarabaeiden, z. B. 
beim Maikäfer, mit ihren Flächen gegeneinander zu liegen kommen 
(Fig. 111.B) und als richtige Blätter erst bei fächerartiger Entfaltung 
erkannt werden. 

Forstlich wirklich wichtige Käfer umfasst die Familie der Lucaniden 
nicht, doch seien hier als häufige grössere Mitglieder unserer Fauna er- 
wähnt der Hirschkäfer Lucanus cervusL. und der Balkeuschröter Dorcus 
parallelepipedus L., deren Larven morsche Laubholzstämme bewohnen. 


Die Lucanidae, eigentlich nur durch den Bau der Fühlerkeulen und 
durch den Habitus getrennt, schliessen sich sonst im Bau nahe den Scarabaeiden 
im engeren Sinne an. Bei den typischen Formen ist in der stärkeren Entwicke- 
lung der Vorderkiefer des S', welche bei dem Hirschkäfer zu völligen Geweihen 
ausgebildet sind, ein sehr auffallender secundärer Geschlechtscharakter gegeben. 


Die Blatthornkäfer im Allgemeinen. 295 


Die Käfer nähren sich von den ausfliessenden Baumsäften, die Larven dagegen 
von mulmigem Holze, welches sie durchwühlen, und zwar meist in Eichen*’und 
Buchen. Von kleineren Formen gehören unserer Fauna noch an: Platycerus cara- 
boides L. und Sinodendron cylindricum L. 


Die Scarabaeiden im engeren Sinne theilen wir für unsere 
Zwecke am besten nach GersrÄcker's Vorgang in fünf auch biologisch 
leicht charakterisirbare Gruppen, in die Mistkäfer, die Grabkäfer, 
die Laubkäfer, die Riesenkäfer und die Blumenkäfer. 


Die neuere systematische Entomologie trennt dagegen die Scarabaeiden 
in zehn Unterfamilien, nämlich 1. Coprini, 2. Aphodiini, 3. Hybalini, 4. Geotrypini, 
5. Trogini, 6. Glaphyrini, 7. Melolonthini, 8. Rutelini, 9. Dynastini und 
10. Cetoniini. 

Die Unterfamilien 1 und 2 bilden gemeinsam die Gruppe der Coprophaga 
Lartr. oder Mistkäfer, so genannt, weil die Käfer den frischen Mist aufsuchen 
um, da ihre Larven vom Miste leben, in diesem ihre Eier abzulegen. Bei uns 
sind es meist kleinere Formen. Copris lunaris L. und die zahlreichen Aphodius- 
Arten körinen als Repräsentanten dienen. 

Aehnlich in ihrer Lebensweise an Mist und faulenden thierischen Sub- 
stanzen, aber durch die Mundtheile unterschieden, ist die Gruppe der Grabkäfer, 
Arenicolae M.-Lreay. Die Eier werden von ihnen nicht direct in den Mist 
gelegt, sondern in Erdhöklen, die mit einem Mistpfropfen verschlossen werden. 
Das Genus Geotrypes, welches unsere gewöhnliche Dungkäfer umschliesst, z. B. 
G. vernalis L., G. stercorarius L. und Trox sabulosus L. sind häufire, bekannte 
Vertreter dieser aus den Unterfamilien 3—5 bestehenden Gruppe. Beide Abthei- 
lungen sind insofern im Haushalte der Natur beachtenswerth, als sie Abfallsstofte 
entfernen, bleiben forstlich aber gleichgiltig. 

Die dritte Gruppe dagegen, die Phyllophaga Burm., Laubkäfer, ge- 
nannt, umfasst einige forstlich höchst beachtenswerthe Formen. Unter diesem 
Namen vereinigt man die Unterfamilien 6—8. Biologisch stimmen sie insofern 
überein, als die Imagines sich von Blättern und Blüthentheilen nähren, während 
die in der Erde lebenden Larven Pflanzenwurzeln geniessen. 

Die neunte Unterfamilie bildet die Gruppe der Riesenkäfer oder 
Dynastini. Diese vornehmlich exotischen, vielfach, wie schon ihr deutscher Name 
besagt, sehr grossen Formen zeichnen sich durch besonders hervortretende secun- 
däre Geschlechtscharaktere aus. In unserer Fauna sind sie nur durch sehr wenige 
und verhältnissmässig kleine Formen vertreten. Am bekanntesten ist Oryctes 
nasicornis L., der Nashornkäfer, dessen Larve bei uns meist in Gerber- 
lohe lebt. 

Die zehnte Unterfamilie umfasst die Blumenkäfer, Melitophila Lark., 
prachtvoll gefärbte, metallisch glänzende, meist exotische Formen, deren Imagines, 
die ebenfalls häufig secundäre Geschlechtsunterschiede aufweisen, sich von 
Blüthenstaub und ausfliessenden Pflanzensäften nähren, während die Larven in 
faulendem Holze und in Ameisennestern sich aufhalten. Die Gattung Cetonia 
repräsentirt die wohlbekannten Goldkäfer bei uns, deren häufigster C. aurata L. ist. 


Forstlich wirklich wichtig ist nur die zu den Laubkäfern gehörige 


Unterfamilie der Melolonthini, welche ihren Hauptvertreter im Maikäfer 


findet. 

Die Melolonthini sind mit sieben- bis zehngliedrigen Fühlern 
versehen, deren Keule bei den kleineren einheimischen Arten drei- 
gliedrig, bei den grösseren sechs- bis siebengliedrig und bei den 
Männchen meist stärker entwickelt ist. Die Schienen der Vorderbeine, 
namentlich bei den Weibchen, sind stark und zum Graben eingerichtet, 
die Fussklauen sind gleich, mit Ausnahme der Gattung Hoplia. Von 


296 Kap. IX. Die Käfer. 


den Stigmata des Hinterleibes liegen das zweite bis sechste Paar nahe 
dem Innenrande der Bauchhalbringe, alle in einer Richtung und von 
den Flügeldecken bedeckt. Das siebente Paar ist frei und in der Naht 
zwischen Rücken- und Bauchschiene des vorletzten Ringes gelegen. 
Die drei letzten Stigmata jeder Seite sind klein und rund, die vor- 
deren länglich. Die Färbung der Käfer ist meist dunkel und un- 
ansehnlich, wenigstens bei den einheimischen Arten. Wir haben hier 
nur die wichtigsten drei Gattungen zu erwähnen, die sich durch folgende 
Merkmale unterscheiden: 


Fühlerkeule des 
Aftergriffel vorhanden d Tblättrig ' 
Q 6blättrig 
Fühlerkeule des 


eiTkläting: IN Sr rer eb: 12.28 > ebolyphyllas 
Aftergriffel fehlt . . Q 5blättrig | 


Fühlerkeule des ; 
Fu. 0 Splattro) al . .‚Rhizotrogus. 


Die Gattung Melolontha, Maikäfer, umfasst drei mitteleuropäische 
Arten, von denen aber nur zwei, der 


RR LEN EN et -.. . . Melolontha. 


gemeine Maikäfer, M. vulgaris Fapr., 

und der Rosskastanienmaikäfer, M. Hippocastani Fark., 
so häufig sind, dass sie forstschädlich werden. Beide stimmen in ihrer 
Lebensweise so völlig überein, dass ihr Artunterschied in der Praxis 
vernachlässigt werden kann. 

Die Maikäfer fressen, ohne dass, wie bei anderen Forstinsekten, Jahre 
des Nachlasses, mit einem gewissen Frasseyklus abwechselnd, einträten, und 
es schadet nicht nur der Käfer durch Kahlfrass, sondern besonders die im 
Boden lebende Larve durch Zerstörung der Wurzeln. Man hat mit der 
grössten Bestimmtheit darauf zu rechnen, dass jeden fünften, respective 
vierten Sommer ein bedeutender Maikäferflug, ein Hauptflug, erscheinen 
wird; was innerhalb dieser Jahre fliegt, der Zwischenflug, ist jedenfalls 
immer unbedeutender, wenn auch bei der Vertilgung nicht zu übersehen. 
Die Flugjahre sind übrigens nicht die gefährlichen. Die Millionen von 
Käfern fressen zwar manchen Baum ganz kahl, mancher büsst auch wohl 
Blüthen und Früchte ein, und der Zuwachs leidet, aber selten geht 
einer darnach ein. Viel schlimmer gestaltet sich der Frass in den Nicht- 
flugjahren oder Engerlingjahren, denn keine Holzpflanze ist vor dem achte 
bis zwölften Jahre vor der Larve sicher, welche im frostfreien Herbst 
bis November frisst; ja in manchen sandigen Revieren ist durch sie 
öfters überhaupt jeder Neuanbau in Frage gestellt worden. Auch stärkere 
Stämme werden noch an den schwächeren Wurzeln befressen, einzelne 
auch getödtet. Man sammle die Käfer also weniger, um der Entlaubung 
der von ihnen befallenen Stämme vorzubeugen, sondern vielmehr um 


Maikäfer im Allgemeinen. 297 


die benachbarten Pflanzungen und Saaten vor den Engerlingen zu 
schützen. Leider sehen das viele Leute nicht ein, weil sie, wenn ihre 
Pflänzlinge anfangen roth zu werden, gar nicht mehr an den Flug, 
welcher vor einem Jahre oder vor zwei Jahren da war, denken. Zur 
Abwehr dieser schweren Schäden kann der Forstmann zunächst Vor- 
beugungsmassregeln ergreifen, indem er eine solche Art des Be- 
triebes und der Bestandesgründung wählt, bei welcher eine möglichst 
geringe Zahl passender Brutstätten für die Maikäfer entstehen. Ferner 
kann er zur Vertilgung der Schädlinge schreiten, und zwar sowohl 
des Käfers, wie des Engerlings. Die Vertilgung des Käfers, welche durch 
Sammeln während der Flugzeit zu geschehen hat, wird hierbei zugleich 
zur Vorbeugung gegen das starke Auftreten der Larven. Die Vertilgung 
der Larven durch Sammeln wird meist gleichzeitig mit der Bodenbearbei- 
tung vorzunehmen sein. In Saat- und Pflanzschulen wird man aber auch 
dann gegen die Engerlinge vorzugehen haben, wenn man am Welken 
der Pflänzlinge erkennt, dass sie von Maikäferlarven angegriffen sind. Ganz 
besonders gegen die Käfer zu empfehlen ist ein gleichzeitiges gemein- 
sames Vorgehen in weiterem Umkreise, wozu, wenn irgend möglich, 
auch die, ja nicht minder schwer wie Waldbesitzer heimgesuchten, Land- 
wirthe herbeizuziehen sind. Besteht doch in manchen Ländern sogar 
eine gesetzliche Verpflichtung zur Vertilgung dieser Thiere (vergl. S. 240 
bis 244). In den stark von Engerlingen geplagten Gegenden ist ferner 
besonderes Gewicht auf den Schutz der nützlichen Thiere zu legen, wie 
namentlich des Maulwurfes, des Staares und der Saatkrähen. Ausführ- 
lichere Schriften über den Maikäfer haben Prirnincer [I], Kromm [12] 
und BoprnmüLzer [4] verfasst. Ein grösserer hierauf bezüglicher Aufsatz 
ist auch in der „Allgemeinen Forst- und Jagdzeitung” 1864 enthalten [14]. 


Beschreibung. Imago. Wir verzichten auf eine eingehende Schilderung 
dieser allbekannter Käfer und geben nur die folgenden Unterschiede zwischen 
den beiden wichtigsten Arten an: 

M. vulgaris Far. M. Hippocastani FApr. 
Spitze des Hinterleibes: 


In einen ziemlich breiten und von der | Schnell verengt und dann in einen 
Wurzel an gleichmässig verschmälerten | dünnen, an der Spitze meist wieder er- 


Aftergriffel ausgezogen. weiterten Aftergriffel ausgezogen. 
Flügeldecken: 
Einfarbig rothbraun. | Rothbraun mit schmalem, schwarzem 
Saume. 
Länge: 
25—30 mm | 20—25 mm 
Drittes Fühlerglied des d: 
Einfach. | Vorn mit einem Zahn. 


l,ehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde. 20 


298 Kap. IX. Die Käfer. 


Die Puppe (Tfl. I, Fig. 14 P) ist gelblich oder bräunlich mit zwei- 
spitzigem Hinterleibsende. 

Die Zarve (Tfl. II, Fig. 14 Z u. L*), auch Glime und Quatte genannt, 
gehört zu den Engerlingen mit viergliedrigen Fühlern. Letztere sind ebensolang 
als der Kopf und haben an ihrem vorletzten Gliede einen die Anlenkung des 
letzten Gliedes überragenden, zugespitzten Fortsatz. Die langbehaarten, gut aus- 
gebildeten drei Beinpaare nehmen von vorn nach hinten an Grösse zu. Die 
Klauen der beiden ersten sind schlank pfriemenförmig, die des hinteren dagegen sehr 
kurz. Das Hinterleibsende bildet einen grossen, dick aufgetriebenen, durch eine 
Furche quergetheilten Aftersack, welcher häufig wegen des im Enddarm lange zu- 
rückgehaltenen, durch die Leibeswand durchschimmernden Kothes bläulich erscheint. 
Der After ist quergestellt, vor demselben auf der Bauchseite eine längere Doppelreihe 
feiner Stacheln und neben diesen jederseits ein kleineres, fein bedorntes Feld. 

Diese genauere Beschreibung kann dazu dienen, um die Maikäferengerlinge 
von den Engerlingen der Mistkäfer, mit denen sie öfters verwechselt worden 
sind, zu unterscheiden. In Frage können hier nur die Gattungen Aphodius und 
Geotrypes kommen. Die Larve der ersteren ist auch mit viergliedrigen Fühlern 
versehen, aber die Beine sind nur mit vereinzelten Dörnchen besetzt, und bei 
der Larve von Geotrypes, welche nur dreigliedrige, sehr kurze Fühler lıat, 
ist das dritte Fusspaar sehr verkürzt. Die ebenfalls engerlingsartigen Larven der 
Lucaniden sind durch die läng:gestellte Afteröffnung gekennzeichnet. 

Die Eier sind weisslich und von Hanfkorngrösse. 


Biologie. Fortpflanzung. Der Flug der Käfer beginnt, je nach 


der Witterung, Ende April oder im Mai — in höheren Gebirgslagen, 
wo der Käfer überhaupt nur wenig vorkommt, erscheint er erst im 
Sommer, einzelne Exemplare erst Ende August — und dauert drei bis 


vier, auch wohl sechs Wochen, wenn man ein grösseres Flugrevier 
nimmt. Im Anfange der Flugzeit sind die Männchen überwiegend, 
und auch zu Ende derselben, wenn schon viele Weibchen nach erfolgter 
Eiablage eingegangen sind, werden sie wieder vorherrschend. An den 
Bäumen verrathen sich die Käfer dann bald durch ihren schwirrenden 
Flug während der Dämmerung, oder durch den F'rass; sie werfen 
abgebissene Blattstücke herunter, die z. B. an Birken viel Aehn- 
lichkeit mit den von der Nonne abgebissenen haben. Ihr Koth liegt 
diek unter den Bäumen. Das Weibchen sucht sich, nach erfolgter Be- 
gattung, im Fluge eine passende Brutstelle — unbenarbten, ziemlich 
lockeren, trockenen, seltener bewachsenen, festen und nassen Boden — 
schiebt, indem es sich in den Boden gräbt, ein lockeres Erdhäufchen 
aus demselben hervor und geht bis 25 cm tief hinein, um von seinen 
60 bis 70 Eiern 12 bis 30 Stück, selten mehr auf einmal abzulegen, 
Nach vier bis sechs Wochen erscheinen die Larven. Sie bleiben längere 
Zeit beisammen und zerstreuen sich erst im zweiten Sommer, dann aber 
nach allen Seiten in der Erde fortwandernd. Zum Winter gehen die 
Engerlinge tiefer in die Erde, und im Frühling begeben sie sich 
wieder unter die Oberfläche. 

Der Maikäfer hat in Norddeutschland eine vierjährige Generation; 
wärmeres Klima bedingt eine dreijährige, z. B. in der Schweiz und in 
Süddeutschland; in dem rauhen Östpreussen ist neuerdings durch 
GERIKE eine fünfjährige festgestellt worden [7]. Bei der vierjährigen 
(vergl. die graphische Darstellung, S. 114) sind die Larven erst im 
vierten Sommer ausgewachsen, bei der dreijährigen schon am Ende des 


Maikäfer. Fortpflanzung, Generation, Flugjahre, Frass. 299 


dritten. Aber auch bei der vierjährigen Generation fressen sie meistens 
nicht mehr um Johannis, oder sie verpuppen sich wohl schon gar im 
Juli, sehr selten schon im Mai. Gewöhnlich geschieht dies erst im 
Herbst oder im nächsten Frühjahre, und zwar in einer inwendi« 
geglätteten Erdhöhle, die bald, im Winter, ungewöhnlich tief, bis fast 1 m, 
bald, im Sommer, nur 0'3m tief unter der Erdoberfläche liegt. Die 
Käfer fliegen, auch wenn sie sich schon im Herbst entwickelt haben sollten, 
doch meist erst im nächsten April oder Mai aus; nur ausnahmsweise 
verlassen sie schon im Herbste die Erde und fliegen im September oder 
October, oder einzelne kommen schon im Februar des Flugjahres zum 
Vorschein. Man hat daher in Norddeutschland alle vier Jahre einen 
stärkeren Flug zu erwarten und nennt diesen Hauptflug. Um auszu- 
fliegen, machen sich die Käfer einen Gang in die Höhe, und lassen im 
Boden Löcher, wie mit einem Stocke gestochen, zurück. 

Nach den Hauptflügen berechnet man die Flugjahre. Merkwürdig 
ist die für die Trägheit des schwärmenden Käfers sprechende That- 
sache, dass oft benachbarte Gegenden ganz verschiedene Flugjahre 
haben, wie z. B. Eberswalde, Berlin, Potsdam; ja drei Meilen von 
Ebeiswalde beobachtete RarzegurG noch abweichende Flugjahre. In 
Eberswalde sind nach Rarzesurg und später Aurtum die Schaltjahre 
Flugjahre, z. B. 1856, 1860, 1864 u. s. f,, in Franken die dem 
Schaltjahre folgenden, also 1857, 1861, 1865, in Westphalen im 
Münsterlande die zweiten auf das Schaltjahr folgenden Jahre, also 
1858, 1862, 1866. Auch Dresden und Tharand haben die Schaltjahre 
als Flugjahre, während bei Wilsdruff, circa 8km von Tharand, das 
dem Schaltjahre vorhergehende Jahr Flugjahr ist, also, um bei dem 
obigen Beispiel zu bleiben, 1855, 1859, 1863 u. s. f., wie JupEıcH in 
langen Jahren beobachtete. Im Süden ist natürlich alle drei Jahre 
ein Flugjahr. Nach Nörpuinger waren z. B. in Hohenheim die Jahre 
1857, 1860, 1863, 1866 Flugjahre und aus Basel werden angeführt 
als solche 1830, 1833, 1836, 1839, welche auch für den Jura und 
das Elsass Geltung hatten, aus Bern dagegen die Jahre 1831, 1834, 
1837, 1840 u. s. f. In Ostpreussen, wo also die Generation fünf- 
jährig ist, waren 1866, 1871, 1876 und 1881 Flugjahre. 

Der Frass. Der Käfer geht besonders die Laubhölzer an und 
liebt vorzüglich Eichen, Ahorn, Rosskastanien, Birken, Weiden, Pappeln, 
Ebereschen, Buchen, Hainbuchen, verschmäht auch Obstbäume und 
Linden nicht, Nadelhölzer dagegen fast ganz, indem er von den 
Kiefern und Fichten höchstens die männlichen Kätzchen angeht, da 
also nicht leben kann, wo nicht neben diesen zugleich Laubholz oder 
die Lärche, deren Nadeln er gern annimmt, vorkommt. Nur im 
Nothfalle nimmt er Gras und Kräuter an. Am meisten frisst er auf 
hervorragenden oder freistehenden Stämmen, weil er diese umschwärmen 
kann, und zieht sich deshalb, öfters weit von seiner Brutstätte ab- 
streichend, gern nach den Chausseebäumen. 

Die Larve nährt sich im ersten Sommer meist nur von den 
feinen Humustheilchen, die im Boden vertheilt sind. Im dritten und 

20* 


300 Kap. IX. Die Käfer. 


vierten, zuweilen schon im zweiten Sommer, wird ihr Frass an den 
Wurzeln der jungen Holzpflanzen, wie auch an Kräutern und Gräsern, 
besonders garten- und landwirthschaftlichen Gewächsen merklich. Die 
Pflanzen verrathen sich, was für die Erkennung wichtig ist, durch ihr 
kümmerliches Aussehen; an Kiefern und überhaupt Nadelhölzern, 
welche mehr als die Laubhölzer leiden, sind die vorjährigen Nadeln 
kürzer, struppiger und meistens auch bleicher und trockener als ge- 
wöhnlich, und der diesjährige Trieb entwickelt sich langsam und un- 
vollkommen. Reisst man die Pflanzen aus, so zeigen sie, auch wenn 
sie schon sechs- bis achtjährig sind, nur geringe Widerstandskraft; die 
Seiten- oder Thauwurzeln sind abgefressen, und oft ist selbst an 
den dieken Wurzelsträngen die Spitze abgebissen. Bei schwächeren 
Pflanzen ist die befressene Wurzel so nackt und kahl wie eine Rübe. 
Im Kleinen ähnelt der Frass dem der Mäuse, geht auch zuweilen 
ringsherum bis dicht unter, ja, wenn sich eine starke Moosschicht um die 
Pflanzen gebildet hat, selbst bis über den Wurzelknoten, ist aber stets 
vom Wühlmausfrass durch den Mangel der Zahnspuren und dem- 
gemäss durch das unreine, faserige Aussehen der Nageflächen leicht 
zu unterscheiden. Dagegen wird es einigen Scharfsinnes bedürfen, um 
ihn nicht mit dem von Agrotis vestigialis Rorr. zu verwechseln. Hat der 
Frass an einer Stelle gewüthet, wo blos Gras oder Kraut stand, so 
zeigt sich dieses auf einem ziemlich scharf abgegrenzten Platze wie 
vergelbt und verbrannt. Wo solche Plätze in den Schonungen dicht 
beisammen liegen, da fehlt auch das Holz, und man bemerkt, dass 
solche Maikäferlöcher immer wieder von legenden Käfern gesucht 
werden. Manchmal zeigt sich der grösste Frass nieht einmal in unmittel- 
barer Nähe der Käferflüge; um zu schwärmen und zu fressen gehen 
die Käfer oft in die geschlossenen Bestände, wo sie wenig oder gar 
nicht legen. In den wüchsigen, geschlossenen Beständen hat man 
daher immer am wenigsten zu fürchten. Auch in den Samenschlägen 
thut die Larve wenig Schaden, wenn die jungen Pflanzen kräftig 
stehen, ebenso auf schmalen Schlägen. Am liebsten sind ihnen grosse 
Kahlschläge, auf welchen das Weibchen ungehindert niedrig umher- 
fliegen kann, um die zur Ablegung der Eier geeignetsten Stellen, 
nämlich solche, wo der Boden verwundet ist, aufsuchen. Saatbeete 
werden entweder vom Käfer direct mit Brut belegt, oder sie werden 
von den Larven angegangen, welche vor dem Säen. schon im Boden 
waren oder mit aufgebrachtem Composte dahin kamen; endlich üben 
eine Anziehung die in Gärten mit Erde überkarrten Orte. Die 
legenden Käfer ziehen sich gern nach solehen lichten, lockeren Stellen. 
Ihre Brut lebt hier anfänglich von den Wurzeln der bald sich ein- 
findenden Kräuter und Gräser, geht später aber an die inzwischen 
kultivirten Holzpflanzen, die dann schnell ihrer Wurzeln beraubt 
werden. Zu den üblen Folgen des Frasses gehört noch das Kränkeln 
so vieler angefressenen Holzpflanzen, in denen sich dann .oft Borken- 
und Rüsselkäfer ansiedeln und enorm vermehren, wenn man nicht 
sehr aufmerksam ist. 


Fr 


Maikäfer. Frass und Abwehr. Vorbeugungsmassregeln. 301 


Abwehr. Am wirksamsten wird man dem sehr beträchtlichen 
Schaden der Maikäfer und seiner Larve durch Vorbeugungsmass- 
regeln steuern. Diese haben sich zu erstrecken auf die richtige Wahl 
der Betriebsart, auf passende Anlage der Pflanzenerziehungsstätten und 
richtige Ausführung der Kulturen. 

Betriebsart. In Gegenden, welche stark unter Engerlingschaden 
leiden, ist der Plenterschlagbetrieb wit natürlicher Verjün- 
gung, wenn derselbe nach den örtlichen Bedingungen überhaupt 
anwendbar ist, zu empfehlen, weil die Mutterkäfer am wenigsten gern 
nach solchen Verjüngungen gehen, und weil sie vorzüglich da, wo 
der Boden nicht wund gemacht worden ist, ungern legen. Dass hier 
dann auch der Frass der Larven, wenn er vorkommt, nicht so fühlbar 
wird, liegt wesentlich an der grösseren Menge der vorhandenen 
Pflanzen. Die Larven bleiben nicht an einer Stelle, sondern arbeiten 
sich mühsam von einer zur anderen. Bei grossem Pflanzenreichthum 
bleiben dann oft gesunde Pflanzen genug übrig, um später einen 
geschlossenen Bestand zu bilden. Auf den nach kahlem Abtriebe an- 
gebauten Flächen verhält sich das anders, und die Erfahrung hat 
nun schon seit mehreren Jahrzehnten, seit der Ueberhandnahme der 
Kahlschläge, besonders in den sandigen Ebenen der Mark, gelehrt, 
dass sich die Maikäfer immer stärker vermehren, und es immer 
schwerer wird, einen geschlossenen Bestand zu erziehen. Kahler Ab- 
trieb befördert direct den Engerlingfrass. Wo die Kahlsehlagwirthschaft 
nicht zu vermeiden ist, haue man womöglich nicht dicht vor dem 
Flugjahre, sondern warte mit dem Hiebe bis nach demselben, damit, 
ehe der nächste Flug wieder eintritt, der Boden schon berast oder 
mit jungen Pflanzen gedeckt ist, der Käfer hier also zum Legen 
weniger eingeladen wird. Besser als sehr grosse Kahlschläge sind jeden- 
falls häufiger wechselnde, schmale Schläge, denn an den Schatten- 
rändern der Schonungen, längs eines haubaren Bestandes fliegen die 
Mutterkäfer nur ungern. Am schlimmsten ist die Gefahr, wenn man 
jährlich oder fast jährlich einen Schlag an den anderen reiht, und so 
sehr grosse zusammenhängende Kulturflächen schafft, wie es in der 
That leider noch häufig geschieht. Diesen Fehler kann man freilich 
nur dann vermeiden, wenn eine zweckmässige Forsteinrichtung kleine 
Hiebszüge mit zahlreichen Anhiebsräumen schafft, eine Massregel, welche 
übrigens noch aus vielen anderen Gründen nicht dringend genug 
empfohlen werden kann. 

Auch eine richtige Anwendung des Waldfeldbaues dürfte sich 
in manchen Fällen nützlich erweisen, namentlich wenn man es so 
einrichtet, dass im Flugjahre die gefährdete Fläche bereits mit der 
Feldfrucht, besonders mit Waldkorn, bestellt ist, da die Käfer Ge- 
treidefelder nur ungern als Brutstätten wählen. 

Anlage der Pflanzenerziehungsstätten. Saatkämpe und Pflanz- 
schulen sind es, in denen der Engerlingschaden am ausgesprochensten 
aufzutreten pflegt. Bei der Anlage solcher ist daher mit besonderer 
Vorsicht zu verfahren. 


302 Kap. IX. Die Käfer. 


E. Hryer empfiehlt zunächst die Verlegung der Forstgärten auf 
Stellen mit möglichst bindigem Boden, nur die oberste Bodenschicht 
sei etwas lockerer zu halten [IO, S. 128]. 

Ein Saatkamp sollte ferner in gefährdeter Gegend womöglich ent- 
fernt von grösseren Partien von Laubholz angelegt werden, weil hier- 
durch den Mutterkäfern das Ueberfliegen von den Frassstätten nach den 
Brutstätten erschwert wird. Andererseits ist womöglich auch eine freie 
Lage der Saatkämpe zu vermeiden, und sind dieselben daher in dem 
Schutze benachbarter älterer Bestände anzulegen. Den schärfsten Aus- 
druck findet diese Regel in der Anweisung von Harrıc zur Anlage 
von „Neurodebeeten mit Seitenschutz” |[8, S. 150]. 

Tu. Harrıc sagt: „Der gefürchtetste Feind ständiger Saatkämpe ist und bleibt 
aber immer die Maikäferlarve ... Vorkehrungen gegen das Ablegen der Eier 
helfen allein. In Saatkämpen bewirkt man dies am einfachsten, indem man eine 
Boderfläche beständig unter Pflanzenschutz erhält, die den jährlichen Bedarf an 
Saatbeetfläche um das acht- bis zehnfache übersteigt, dass man von dieser Be- 
standsfläche alljährlich so viel Neurod herstellen und zu Sratbeeten bearbeiten 
lässt als das Bedürfniss erforlert, während das ausgenutzte Saatbeet des vorher- 
gegangenen Jahres sofort wieder mit einer raschwachsenden Holzart in dichten 
Bestand gebracht wird, wozu drei- bis fünfjährige Weymouthskiefern besonders 
geeignet sind. Lässt man die Rodungen in der Richtung von Nordost nach Süd- 
west aufeinander folgen, so erhält man im Schutzbestande zugleich einen Seiten- 
schutz der Saatbeete, der dem Gedeihen der Pflanzen in hohem Grade förderlich ist.” 


Ferner ist darauf zu sehen, dass die Bodenbearbeitung im 
Saatkampe erst nach der Flugzeit vorgenommen wird, also im eigent- 
lichen Sommer. Dies hat zugleich den Vorzug, dass alsdann die etwa 
bereits vorhandenen Engerlinge oberflächlich liegen und deshalb bei 
der Bodenbearbeitung leichter entfernt werden können. Ueberhaupt 
ist bei der Herstellung der Saatkämpe auf die Säuberung des Bodens 
von Schädlingen besonders zu sehen, sowie darauf, dass mit der etwa 
zur Verbesserung des Bodens zugeführten Erde nicht grössere Mengen 
schädlicher Thiere zugeführt werden. Ist der Boden der Saatkämpe 
wirklich gründlich von Engerlingen gereinigt, so können Isolirungs- 
gräben gegen das Einwandern der Engerlinge aus den benachbarten, 
nicht gesäuberten Orten schützen [I2, S. 38]. 

Sind in ständigen oder wenigstens mehrmals zu benutzenden 
Kämpen die Pflanzen unmittelbar vor der Flugzeit entnommen, so 
thut eine hohe, dichte Bedeckung derselben mit Reisig sehr gute Dienste 
gegen das Ablegen der Eier. Die Aussaat darf dann aber erst zu einer 
Zeit erfolgen, welche sichert, dass die Keimlinge den Boden nicht 
vor Ablauf der Flugzeit verlassen. 

In ganz besonders gefährdeten Lagen kann man die jungen Pflänzlinge mit- 
unter auch dadurch schützen, dass man zwischen die Saat- und Pflanzreihen den 
Engerlingen besonders genehme Futterpflanzen einbringt, welche sie von den Holz- 
pflanzen ablenken. Zu diesem Zwecke werden namentlich Lattich, bezw. Salat, 
und Mohrrüben empfohlen [2, S. 25]. Es wird ferner vielfach eine besondere Be- 
reitung des Bodens angerathen, so von Tu. Harrıc [I7, S, 22 u. 23] das Unter- 
bringen einer 20 cm hohen Schicht frisch abgefallenen Eichenlaubes mit nach- 


folgender Aufschüttung von Rasenasche oder feiner Erde, von GRIEsHAMMER [6] 
die Einlage kurz geschnittener Zweige von Wachholder und Fichte in die Rillen 


Maikäfer. Vorbeugungsmassregeln. 303 


der Saatbeete, und zwar so, dass bei den nebeneinanderliegenden Stücken die 
Nadeln immer gegeneinander gerichtet sind, wodurch den Engerlingen die Be- 
wegung in der Saatrille erschwert werden soll. 


Ausführung der Kulturen. Für diese gelten zunächst natürlich, 
soweit dies überhaupt mit der Bestellung einer grösseren Fläche ver- 
einbar ist, alle in Betreff der Anlage von Saatkämpen gegebenen 
Winke. Namentlich wird es sich auch hier empfehlen, nicht im Flug- 
jahre, sondern erst nach der Flugzeit zu kultiviren. Ausserdem dürfte 
auch ein mehrjähriges Liegenlassen der Schläge, wie es gegen den 
grossen braunen Rüsselkäfer so wirksam ist, nützlich sein, weil sich 
während dieser Zeit der Schlag mit Pflanzenwuchs überzieht. 

Bei Pflanzung sind im Allgemeinen diejenigen Methoden zu 
bevorzugen, welche mit der geringsten Bodenverwundung verbunden 
sind, also für: ballenlose Pflanzen z. B. die mit dem v. BurtLar’schen, 
dem Scuaar’schen, dem Warrtengerg’schen Eisen, dem Pflanzdolch, 
Setzholz oder ähnlichen Instrumenten, vorausgesetzt, dass man nicht 
eine streifenweise Bodenbearbeitung damit verbindet, wie dies häufig 
geschieht. Ebenso ist die Spaltpflanzung mit dem Beil, mitdem v. ALEMANN- 
schen Spaten oder mit dem sogenannten Keilspaten der gewöhnlichen 
Löcherpflanzung vorzuziehen. Auch die Pflanzung mit dem BierMANSs- 
schen Spiralbohrer dürfte einen Vorzug verdienen, weil bei dieser 
Methode der Durchmesser des Pflanzloches verhältnissmässig klein ist. 
Kann man Ballenpflanzen verwenden, was freilich in den am meisten 
gefährdeten Revieren mit Sandboden gewöhnlich unthunlich ist, dann 
sind diese anderen vorzuziehen. Eine mit dem Hohlbohrer ausgeführte 
Ballenpflanzung widersteht dem Frasse der Engerlinge am besten, weil 
es diesen durch den bindigen Ballen erschwert wird, alle feineren 
Wurzeln der Pflanzen abzubeissen. Bei Pflanzung mit entblösster 
Wurzel empfiehlt es sich übrigens, wie gegen andere Insektenschäden, 
kleine, aus etwa drei Pflanzen bestehende Büschel zu verwenden. 

Auf langjährige Erfahrung gestützt, spricht sich v. WITZLEBEN 
[3, $S. 19] ganz besonders gegen die v. Manteurrer’sche Hügel- 
pfanzung aus, weil bei dieser der Boden sowohl bei der Bereitung 
der Kulturerde im Herbste, als auch im Frühjahre durch das Plaggen- 
hauen am meisten entblösst und dadurch dem Eierablegen des Käfers 
Vorschub geleistet wird. 

Als Gegensatz der Hügelpflanzung wird von DAnckELmAnN und 
Arrum die Senkpflanzung [XVI, III. Bd., 2, S. 102) sehr empfohlen. 


„Das Pflanzloch wird zu dem Zwecke so tief gemacht, dass, nachdem die 
Pflanze eingesetzt und die Erde um dieselbe angetreten ist, die Oberfläche des 
Pflanzloches etwa eine Hand hoch tiefer liegt, als die des umgebenden Bodens. 
Die Larven nämlich fressen bekanntlich im Sommer sehr oberflächlich. Die von 
den Seiten her gegen die eingesetzten Pflanzen anrückenden gelangen somit, beim 
Pflanzloche angelangt, aus der Erde an die ihnen höchst widerwärtige Aussenwelt 
und suchen sich einen anderen Weg. Der Herr Oberförster Bayer in Ringen- 
walde hat mit 21cm tiefer Stellung der Pflanzen unter dem Niveau der Kultur- 
fläche grosse Erfolge erzielt.” Für die flachwurzelnde Fichte dürfte freilich diese 
Senkpflanzung eine Unmöglichkeit sein. 


304 Kap. IX. Die Käfer. 


Unter den Saaten empfehlen sich weniger die schmalen Rinnen- 
saaten und die Stecklöcher- und Plattensaaten, als die breiten Streifen- 
und die Vollsaaten trotz der für sie nöthigen ausgedehnteren Boden- 
bearbeitung, weil die Pflänzchen auf den ersteren sehr zusammen- 
gedrängt stehen und öfters ganze Plätze ausgefressen werden, während 
bei den letzteren, mehr zerstreuten, die Larven überall einzelne 
Pflanzen übrig lassen. Auch ist es rathsam, umfangreiche „Maikäfer- 
löcher”, ehe sich von hier aus die Larven verbreiten, durch Gräben 
abzusperren. 

Schutz nützlicher T’hiere. Dieser gehört zu den allerlohnendsten 
Vorbeugungsmassregeln, umsomehr, als er nicht nur gegen die Maikäfer, 
sondern auch gegen eine Unzahl anderer Schädlinge gleichzeitig wirkt. 

Ganz besonders ist der Staar als Maikäfervertilger wichtig, 
schon deshalb, weil man denselben leichter als andere nützliche 
Vögel durch das Aufhängen von Brutkästen nach einem bestimmten, 
gefährdeten Orte hinlenken kann [vergl. I2 und 9]. 


Der Hauptfeind der Engerlinge ist der Maulwurf, den man auf Kulturen 
und Saatbeeten, selbst wenn er hier und da einige Pflanzen durch seine Gänge 
vernichtet, nicht stören darf. Wo noch Schwarzwild erhalten ist, sieht man das- 
selbe eifrig in den Maikäferorten brechen; das hört auf sobald es im Herbs 
kälter wird, und der Engerling tiefer in der Erde geht. Sehr wichtig sind auch 
Vögel. Unter diesen zeichnen sich nächst dem Staar besonders die Krähen, vor- 
züglich Saatkrähen und Dohlen, in teichreichen Gegenden auch die Möven aus, 
weshalb man in Böhmen über Austrocknen der Teiche klagt. Wahrscheinlich 
sind auch noch mehrere Wadvögel, wie die Brachvögel, Regenpfeifer, Wasser- 
läufer und Strandläufer, nützlich, da sie häufig in der Erde naclı Würmern suchen. 
Unter den Raubvögeln fangen besonders die Eulen, Bussarde, Thurmfalken und 
Weihen unzählige Käfer weg. Auch die Ziegenmelker, Würger, gewiss auch noch 
viele kleinere Insektenfresser, wie Meisen, Drosseln, Sänger, Fliegenschnäpper 
u. dergl., zahme Hühner, Enten und Pfauen fressen die Larven wie die Käfer sehr 
gern. Endlich sind auch Fledermäuse und Fuchs zu erwähnen, welche Käfer 
fangen, und Marder, Dachs, Igel, wahrscheinlich auch die Spitzmäuse, welche 
ebenfalls den Engerlingen beikommen können. 

Ausser den Vorbeugungsmassregeln sind aber auch Vertilgungs- 
massregeln sehr häufig angezeigt, und zwar können sich diese sowohl 
gegen die Käfer richten und werden, wie bereits erwähnt, dann 
gleichzeitig zu Vorbeugungsmassregeln gegen den Engerlingfrass, als 
auch gegen die Engerlinge selbst. 

Das Sammeln der Käfer ist jedenfalls das beste Mittel. Alle 
Maikäfer eines Revieres wird man freilich nicht absuchen; das ist 
aber auch nicht nöthig, denn wenn auch im Innern der geschlossenen 
Bestände alle bleiben, so schaden sie hier nicht fühlbar, weil nur 
junge, ein- bis sechsjährige Pflanzen in grosser Ausdehnung von ihnen 
zerstört werden; und wenn auf den Schonungen auch nur ein Theil 
der Käfer vernichtet wird, so gewährt das den jungen Pflanzen schon 
grosse Erleichterung. Der Einwand, dass nach der Säuberung der 
Schonungen und der Ränder derselben sich doch wieder Käfer aus 
anderen Gegenden herbeiziehen werden, ist nicht ganz richtig, da der 
Maikäfer sehr träge ist, ja nicht einmal gewisse von ihm gewählte 
Horste von Bäumen gern verlässt, die er daher auch öfters ganz 


Maikäfer. Vertilgung, Käfersammeln. 305 


kahl abfrisst. Erfahrungen haben auch bereits gezeigt, dass Orte, 
welche im Flugjahre gründlich gereinigt werden, später Ruhe haben, 
und dass hier auch während des nächsten Flugjahres weniger Käfer 
als anderswo fressen. 

Um den Zweck möglichst vollständig zu erreichen, muss man 
schon vor der Flugzeit an das Sammeln denken. Man muss in der 
Nähe der zu schützenden Schonungen und der Flächen, welche inner- 
halb des nächsten Frassceyklus, also der nächsten vier Jahre, kulti- 
virt werden sollen, alle starken Bäume, welche sich beim Sammeln 
nicht vollständig reinigen lassen würden, auf 100 bis 200 Schritte 
weit an den Rändern wegnehmen. Schwächere, noch schüttelbare, 
hervorragende Stämme, deren Wipfel die Käfer gern umschwärmen 
und nachher besetzen,, sind dagegen angenehm. Solche Stämme werden 
zu sehr nützlichen Fangstämmen, wenn sie auf der Schonungsfläche 
zerstreut stehen. Sie gewähren noch den Nutzen der Kontrole, denn 
wenn sie, die immer am ersten befallen werden, ihre vollbelaubten 
Wipfel haben, so thaten die Sammler gewiss rechtzeitig ihre Schuldig- 
keit. Alsdann ist noch zu beachten: 1. Dass man mit dem Samıeln 
gleich nach dem ersten Auskommen anfängt, was, ganz so wie bei 
anderen Insekten, in trockenen Distrikten eher als in feuchten, an 
Mittagsseiten eher als an nördlichen geschieht. Wartet man so lange, 
bis ganze Schwärme die Bäume bedecken, so ist schon viel versäumt. 
2. Man darf nicht alle Tage auf gleichen Erfolg rechnen, ja man 
wird sogar das Sammeln an gewissen Tagen, wenn die Käfer wenig 
oder gar nicht fliegen, aussetzen müssen, um nicht Arbeitslohn un- 
nöthig zu verschwenden. Gewöhnlich zeigt es sich schon am Abend 
vorher, wenn man am nächsten Morgen eine gute Lese zu erwarten 
hat; ist es nämlich warm und windstill, so umschwärmen die Käfer 
in dichter Schaar die Baumwipfel, an welchen sie am nächsten Morgen 
festsitzen. 


Beim Sammeln selbst hat man folgendes Verfahren zu beachten: 

1. Es wird in den frühen Morgenstunden begonnen, wenn der Morgen nicht sehr 
kalt und nass ist, in welchem Falle die Käfer zu fest sitzen. Hat man Menschen 
genug, so hört man gegen Mittag auf, weil die Käfer an warmen Tagen sehr 
beweglich werden, im Herunterfallen ihre Flügel ausbreiten und leicht davon- 
fliegen. Hat man jedoch nicht so viel Leute, dass man herumzukommen hoffen 
darf — und zwar nicht blos 2- bis 3mal, sondern da, wo haubare benachbarte 
Bestände immer wieder neue Käfer herbeiziehen, wohl 6 bis 8mal —, so kanr 
auch besonders mit den unter 3 erwähnten Vorsichtsmassregeln das Sammeln 
den ganzen Tag ununterbrochen oder wenigstens Nachmittags, wenn die grösste 
Hitze vorüber ist, fortgesetzt werden, weil immer noch viele Käfer zur Erde 
kommen, namentlich bei kühlem Wetter. 

2. Man berücksichtige besonders alle einzeln stehenden oder doch aus 
dem Bestande hervorragenden Stämme, dann auch die freien Gebüsche, während 
die von hohem Holze, namentlich von Kiefern, überwipfelten nicht abzesucht zu 
werden brauchen, weil sie der Käfer nicht gern annimmt, sich hier nur bei Regen 
und Sturm versteckt. 

3. Stämme und Aeste werden mit kurzen, kräftigen Erschütterungen ge- 
schüttelt oder angeprällt. Schüttelt man so langsam, dass der Wipfel sich hin 
und her wiegt, so fallen die Käfer nicht so gut, und wenn sie fallen, so werden 
sie weit weggeschleudert und fliegen dabei sehr häufig während des Fallens auf. 


306 Kap. IX. Die Käfer. 


4. Sind so starke Stämme vorhanden, dass sie nicht mehr geschüttelt 
werden können, so müssen die erreichbaren Aeste mit langen Haken oder Stangen 
gereinigt werden. Wenn man Jungen unter den Sammlern hat, so machen sich 
diese gegen eine geringe Gratification ein Vergnügen daraus, den Baum zu be- 
steigen, die unteren Aeste durch Auftreten zu erschüttern und dann den dünneren 
Zopf mit den Händen zu schütteln. 

5. Es müssen ausser den Kindern, welche sehr gut zum Aufsammeln zu 
gebrauchen sind, auch einzelne Erwachsene — etwa 1 auf 4 bis 6 Kinder — da 
sein, welche die Stangen tragen und die ganzen Stämme schütteln. Die Kinder 
umstellen dann mit auf den Boden gerichteten Blicken den Baum, ehe derselbe 
angestossen wird; denn man findet die Käfer so leicht nicht mehr, wenn sie 
schon in den Unterwuchs gefallen sind. Laken, Tücher, Säcke lassen sich hier 
nicht anwenden, weil der Boden meist zu stark bewachsen ist und das Aus- 
breiten sehr erschwert. 

6. Sammeln im Tagelohn unter gehöriger Aufsicht ist dem Accorde vorzu- 
ziehen, weil so reiner abgesucht wird, und auch keine Zeit durch das Ausmessen 
verloren geht. 

7. Die Gefässe der Sammler müssen inwendig glatt sein, am besten eng- 
halsige Wasserkrüge; auch nützt ein dann und wann vorgenommenes Um- 
schwenken derselben, wodurch die Käfer sich mit den Beinen verwirren und 
vom Herauskriechen abgehalten werden. Von Zeit zu Zeit werden die Töpfe, noch 
ehe sie ganz voll sind, einzeln auf einem festen Wege ausgeleert und die Käfer 
mit Kloben zerstampft oder mit den Stiefeln zertreten; schüttet man sie auf grosse 
Haufen, so fliegen viele davon. 

Recht zweckmässig ist das von TascHengere |[XVIll, S. 83] empfohlene 
Verfahren. Die Sammler erhalten Säckchen, in deren oberes Ende der Obertheil 
einer zerbrochenen Bierfasche fest einzubinden ist; der Flaschenhenkel gibt eine 
gute Handhabe, der Hals ein leicht verschliessbares Eingangsloch. Unten sind 
die Säckcken durch ein Band geschlossen, durch dessen Lösung das Ausschütten 
der Käfer in einen grösseren Sack, wenn diese weiter transportirt werden sollen, 
oder auf sonst geeignete Plätze erfolgen kann, ohne dass sie zum Theile davonfliegen. 

8. Je nachdem das Auskommen langsam bei kaltem Wetter oder schneller 
und mehr massenhaft erfolgt, muss das Sammeln täglich oder nach Pausen von 
zwei bis drei Tagen wiederholt werden. i 


Neuerdings theilt ©. Cosno [Jahrbuch des Schlesischen Forst- 
vereines 1886, S. 200—203] mit, dass Maikäfer durch Leuchtfeuer, 
in welche sie Abends beim Schwärmen massenhaft bineinfliegen und 
verbrennen, bekämpft werden können. 


Das Sammeln und Vertilgen der Engerlinge geschieht zunächst 
am zweckmässigsten im Anschluss an die Bodenbearbeitung, nament- 
lich der Saat- und Pflanzkämpe. Je gewissenhafter hier vorgegangen 
wird, je genauer jeder blossgelegte Engerling aufgelesen wird, desto 
sicherer kann man auf einen guten Erfolg rechnen. Oftmals wird sich 
sogar ein mehrmaliges Umgraben des Bodens rein zum Zwecke der 
Engerlingvertilgung lohnen. In den immerhin seltenen Fällen, wo die 
Bodenbearbeitung im Grossen mit dem Pfluge vorgenommen wird, 
lässt man am besten sammelnde Kinder hinter dem Pfluge hergehen, 
wie dies in vielen Fällen auch der Landmaun thut. Die dem Pfluge 
häufig folgenden Vögel, Krähen, Möven, Staare werden auch hier 
nützlich mitwirken. 

Die durch die Bodenbearbeitung nach oben gebrachten Engerlinge 
einfach liegen zu lassen in der Voraussetzung, dieselben könnten sich 


nicht wieder eingraben und kämen an der freien Luft, namentlich im 
‘ 


Maikäfer. Vertilgung der Engerlinge. 307 


Sonnenlichte, bald um, ist durchaus unzweckmässig. In die leichten 
Böden, um die es sich hier meist handelt, graben sie sich sogar mit 
Leichtigkeit wieder ein. Schweineeintrieb wird nur in seltenen Fällen 
Anwendung finden können. Kronx [I2, S. 31—33] spricht allerdings 
sehr für ihn. 

Aber auch in bereits ausgeführten Kulturen wird man sehr oft 
zur Vertilgung der einzelnen, die jungen Pflanzen schädigenden Enger- 
linge schreiten müssen. 

Es ist schon vorher erwähnt worden, dass wir bei der Vorverjün- 
gung nicht so viel von dem Maikäferfrasse zu besorgen haben. Man wird 
also sein Hauptaugenmerk auf die Pflanzungen und Saaten im Freien 
richten müssen. Sind die Saaten nicht zu ausgedehnt, und hat man 
geschickte Arbeiter genug, so wird man, bescnders wenn der Frass 
nicht gar zu heftig ist, und ganz vorzüglich in dem Jahre oder in den 
Jahren vor der Verpuppung, noch manche Pflanze, die ohne Abwehr 
vernichtet worden wäre, erhalten können. In den Rinnensaaten kann 
man mit geringen Arbeitskräften am meisten ausrichten; denn 
hier übersieht man den Schaden mit einem Blicke, und bei gehöriger 
Aufmerksamkeit bemerkt man den Frass gleich von seiner ersten Ent- 
stebung an. Kennzeichen sind folgende: Erstens welken die jungen 
Pflänzehen schon in wenigen Stunden, nachdem ihre Wurzeln von der 
Larve befressen wurden, und werden schon nach einigen Tagen roth, 
besonders in troekenen Sommern, wenn die oberflächlich noch nicht 
abgefressenen Wurzelfasern keine Nahrung mehr finden, oder wenn 
die ganze Wurzel bis dicht unter den Wurzelknoten abgefressen ist. 
Man kann also Anstalten treffen, noch ehe der Frass sich weit ver- 
breitet hat. Zweitens wird — wieder ein Beweis des horizontalen Fort- 
wanderns — die Richtung, welche der Fresser genommen hat, in den 
Reihen sehr gut angedeutet, so dass ein geschickter Arbeiter in kurzer 
Zeit eine Menge Engerlinge ausheben und tödten kann. Entdeckt 
man den F'rass erst, wenn schon viele Pflänzchen roth werden oder 
gar trocknen, so darf man nicht unter diesen die Engerlinge suchen, 
sondern man muss den Gang verfolgen, welchen sie, bei jüngeren 
Pflänzchen schneller, bei älteren langsamer, genommen haben, und 
dann erst die Pflanzen ausheben, welche zwar noch grün sind, aber 
durch welke und hangende Nadeln andeuten, dass der Fresser in der 
Nähe ist. Ist der Boden nicht zu locker, so kann man die Gänge 
der Larve unter der Erde mit dem eingeschobenen Finger oder einer 
biegsamen Ruthe leicht verfolgen. 

Inden Pflanzungen ist die Vertilgung viel schwieriger. Von den 
jungen, zwei- bis dreijährigen Pflanzen entfernen sich die Larven sehr 
bald wieder, weil sie schnell mit den schwachen Wurzeln fertig sind, 
und unter den vier- bis sechsjährigen leben sie wieder lange versteckt, 
weil die Wurzeln nicht so leicht ganz zerstört werden, und die 
Pflanzen erst spät den Feind verrathen. Daher kommt es auch, dass 
die jüngeren Pflanzungen oft grösstentheils vernichtet werden, während 
die älteren nur durchlichtet sind. Man muss also bei den ersteren auf- 


308 Kap. IX. Die Käfer. 


merksamer sein als bei den letzteren; denn an diesen halten sich die 
Engerlinge wochen-, ja monatelang, ehe sie die ganze Wurzel auf- 
gezehrt haben. Bei diesen könnte man also mit dem Hinauswerfen 
und Tödten der Engerlinge allenfalls bis zur Zeit, wo man sie mit 
frischen Pflanzen auswechselt, warten. Bei den jüngeren ist es aber 
unerlässlich, und auch selbst bei den älteren am meisten zu rathen, 
dass man sie gleich, sowie man den Frass an ihrem welken oder 
verfärbten Aussehen bemerkt, mit 
einem starken Erdballen hinaus- 
wirft und die herausfallenden 
Larven tödtet. Zögert man damit, 
so ist zu fürchten, dass die Larven 
weiter wandern, oder dass sie 
bei Annäherung des Herbstes in 
eine Tiefe gehen, bis zu welcher 
man nicht leicht mit dem Spaten 
dringt. Rücksicht aufdie Schonung 
von Pflanzen darf hier nicht vom 
Vertilgen abhalten. 

Wird ein natürlicher 
Anflug von Engerlingen zer- 
stört, und will man letztere ver- 
mindern, um entweder eine neue 
Besamung oder Kultur aus der 
Hand eintreten zu lassen, so bleibt 
weiter nichts übrig, als Aufsuchen 
der Feinde durch Aufhacken des 
Bodens oder Schweineeintrieb. 
Letzterer vermag freilich im 
Winter nichts zu helfen, wo die 
Engerlinge zu tief liegen. ALtum 
[XVI,- II. Ba., 1021, 08:22107] 
empfiehlt für werthvolle einzelne 
Fig. 112. Engerlingseisen nach Oberförster u, die seit langer "Zeit 

Wırte in Gross-Schönebeck. im Choriner Pflauzengarten ge- 

übte Praxis, dieselben von Zeit 

zu Zeit, auch wenn sich ein 
Kränkeln an ihnen noch nicht bemerken liess, auf Engerlinge an 
den Wurzeln zu untersuchen. 

Zur Reinigung der Saat- und Pflanzkämpe von oberflächlich 
fressenden Engerlingen hat Öberförster Wırre in Gross-Schönebeck 
das obenstehend abgebildete, schon S. 212 erwähnte Engerlingseisen 
construirt. In einem hölzernen, eisenbeschlagenen Körper von der 
Gestalt einer Stubenbürste mit kurzem Stiele und oberem Querholze 
sind vier Reihen von ohngefähr je 20 gusseisernen, 9 cm langen Stacheln 
in Abständen von 1'’5cm eingelassen. Mit diesen wird nun systema- 
tisch der gesammte Saatkamp durchgestochen. Damit sich Erdklumpen 


. 


Maikäfer. Vertilgung der Engerlinge. 309 


und Wurzeln beim Ausziehen nicht zwischen die Zinken einklemmen 
und an weiterer Arbeit hindern, gehen die Stachein durch ebensoviel 
Löcher einer durch zwei Stifte (b) in Oesen geführten Eisenplatte (a) 
von 46cm Länge und Scm Breite, die an ihren schmalen Seiten über 
das Holz vorragt. Auf diese vorspringenden Theile setzt nun der Arbeiter 
beim Herausziehen seine beiden Füsse und streift so alle Unreinig- 
keiten aus den Stacheln heraus. Natürlich ist das Instrument nur in 
fast völlig steinfreiem Boden anzuwenden. Es kostet 15 Mark und die 
Reinigung für 1ha Saatkamp 48 bis 72 Mark. 

Ferner wird vielfach die Herrichtung von besonderen Fangstätten 
für Engerlinge empfohlen, welche natürlich nur dann nicht schädlich 
wirken, wenn rechtzeitig zur Vertilgung der Engerlinge in ihnen ge- 
schritten wird. 


Die ältesten sind die Fangkästen. Es sollen nämlich da, wo man den 
Angriff der Käfer am meisten fürchtet, rohe, aus Schwarten zusammengeschlagene 
Kästen, etwa 50 bis 60 cm lang und breit und 15 bis 20 cm hoch, eingegraben werden, 
damit die Käfer, durch die lockere Erde der Kästen angelockt, nach diesen gehen 
und hier ihre Eier ablegen. 

Die Angabe, dass man diese Fangkästen durch Beigabe von Mist viel 
wirksamer machen könne — vergl. unter Anderem Hzss XXI, S. 226 — dürfte, wie 
schon Arrum richtig vermuthet, in vielen Fällen auf einer Verwechslung von 
Mistkäferlarven mit Engerlingen beruhen. Nach Heyezr [IO, S. 129] sollen sich 
auch in Composthaufen die Engerlinge in Massen ansammeln. Forstinspector 
VOoLMAR empfiehlt, grössere ausgestochene Rasenplaggen mit der Grasseite nach 
unten auszulegen, weil unter diese die Engerlinge sich gern hinziehen und leicht 
gesammelt werden können [I7]. 

Eıcanuor [5] empfiehlt, die Engerlinge in Baumschulen durch Auslegen von 
Fangrinden und Fangknüppeln zu bekämpfen. Es sollen sich die Engerlinge 
unter frischen Rinden und zartrindigen, noch frischen Knüppeln von Holzarten, 
welche vom Maikäfer befressen werden, wenn diese zwischen Saat- und Pflanzrillen 
ausgesetzt werden, sammeln, diese benagen und einmal so den Pflanzen weniger 
schädlich werden, nach Aufhebung der Rinden u. s. f. aber leicht gesammelt 
werden können. Ausgedehnte, auf 150 preussischen Staatsforstrevieren in den 
Jahren 1883, 1884 und 1836 ausgeführte Versuche, über welche Arrum berichtet 
[l, « und 5], haben einen nennenswerthen Erfolg nicht ergeben. In den einzelnen 
Fällen, wo eine einigermassen grössere Anzahl von Engerlingen erbeutet wurde, 
stellten sich die Kosten als viel zu hoch heraus. Etwas besser scheinen sich nach 
Artum [ld] die von Oberförster Arpenroru zu Bodland, Regierungsbezirk Oppeln, 
zuerst angewendeten Fanglöcher zu bewähren. Letzterer suchte die Larven in 
der trockenen Jahreszeit an passend hergerichtete Punkte und kühle Bodenstellen 
mit verwesender Pflanzensubstanz hinzuziehen, und richtete zu diesem Zwecke 
im Mai Fanglöcher von 30cm im Quadrat und gleicher Tiefe her, welche er mit 
feuchtem Moose füllte und oben mit Erde fest bedeckte. Die erste Nachsuche 
wurde nach vier Wochen vorgenommen und sollte bis Ende September allmonat- 
lich wiederholt werden. Vielleicht empfiehlt es sich, statt der Fanglöcher ähn- 
liche Fanggräben herzustellen. 

In Betreff der Häufigkeit des Maikäfers und ihrer Larven verweisen wir 
auf das S. 242 Gesagte, sowie auf das folgende, von TAscHENBERG allerdings für land- 
wirthschaftliche Verhältnisse angeführte Beispiel [XXII, II, S. 37 und 38]. Im 
Jahre 1868 wurden auf Anregung von Oekonomierath Dr. STADELMANN inner- 
halb der Provinz Sachsen ungefähr 60 000 %g Maikäfer gesammelt und wesent- 
lich zu Dünger verarbeitet. 


Ueber die Tödtung der Maikäfer und die Compostbereitung aus 
denselben vergl. S. 219 und 220. 


310 Kap. IX. Die Käfer. 


Nach Arrum [XVI, III. Bd., 1, S. 93] gehen auf das 5 I-Gefäss, 
die Metze, 1390—1469 Stück Maikäfer, nach TAscnengere [XVII, 2, 
S. 38] auf das Kilogramm 1060 Stück. 


Die Gattung Polyphylla umfasst nur eine mitteleuropäische Art, 
den Walker, P. fullo L., welcher vor allen heimischen Blatthornkäfern 
durch seine Grösse, durch die braune, unregelmässig weiss gefleckte 
Oberseite, sowie durch die riesige Fühlerkeule des Männchens aus- 
gezeichnet ist. Der im Juli fliegende Käfer ist ein ausgesprochener 
Sandbewohner, tritt aber nur strich- und jahrweise häufiger auf, so 
dass der Schaden, den die Imago durch Entblättern von Nadel- 
und Laubholz macht, kaum in Betracht kommt. Dagegen nährt sich 
seine, den Maikäferengerling an Grösse stark übertreffende Larve von 
den Wurzeln aller auf leichtestem Sandboden noch fortkommenden 
Gras- und Holzarten und kann daher dort sehr schädlich werden, wo 
es sich um Aufforstung von schlechten, leichten Böden und nament- 
lich um die Befestigung von Dünen durch Strandhaferpflanzungen 
handelt. Sammeln der Käfer und Aufsuchen der einzelnen Larven 
an den Wurzeln der kränkelnden Pflanzen könnte unter Umständen 
angezeigt sein. 


Diese grösste deutsche Melolonthide von 25 bis 35 mm Länge ist bald hell- 
bald dunkelbraun und an Kopf, Halsschild, Schildchen und Flügeldecken stark 
mit weissen, unregelmässige Flecken bildenden Schuppen besetzt. Die Brust ist 
lang greis behaart. Fühler zehngliedrig mit verlängertem dritten Gliede, Keulen- 
blätter beim Ö' bis 10mm, beim @ nur ohngefähr 1’5 mm lang. Der Käfer kann 
durch Reiben des Hinterleibsabsturzes gegen die Innenseite der Flügeldecken ein 
deutliches zirpendes Geräusch hervorbringen und verräth sich durch dasselbe, 
wenn man an das Stämmchen klopft, auf dem er sitzt [ALrum XVl, 2. Aufl., 
Bd."11,1, 8090]. 

Die bis 80 mm lange Larve ähnelt im allgemeinen Habitus bis auf feinere 
Seulpturunterschiede derjenigen von Melolontha vollkommen, unterscheidet sich 
nach Dr Haan aber dadurch, „dass das dritte und vierte Gelenk der vier 
hinteren Beine auf der Hinterseite flach gedrückt ist, und dass dem hintersten 
Beinpaare die Klauen ganz fehlen”. Die Dauer der Generation ist noclı 
unbekannt. 

Kahlfrass durch die Imago ist schon 1731 durch Friscu in der Mark bei 
Straussberg, namentlich an Eichen beobachtet worden, und kommt auch an anderen 
Laubhölzern, z.B. an Pappeln, Buchen, Akazien ete. vor. Am meisten werden aber 
die Kiefern bevorzugt, besonders schlechtwüchsige Kusseln. Auch Gras verschmäht 
der Käfer nicht. 

Von Larvenfrass wird anfänglich nur an Graswurzeln berichtet und nament- 
lich betont Rarzegurg [V, I. Bd., 8.77 und 78] die Schädlichkeit desselben für 
den Sandhafer, Elymus arenarius L. und das Sandrohr, Ammophila arenaria 
Lk, die an unseren norddeutschen Küsten viefach behufs Dünenbefestigung an- 
gebaut werden. Doch erwähnt er bereits auch den Larvenfrass an Kiefern- 
wurzeln. DAnckELMAnn und Artum haben dies bestätigt und im Lieper Revier 
einen grösseren Schadeu an Birken und Akazienwurzeln nachgewiesen. An letzteren 
wurden bis 2cm starke Pfahlwurzeln abgefressen. „Die Nagefläche zeigte sich 
unrein und faserig und somit von dem unterirdischen Frasse der Wühlmäuse 
auffallend verschieden” [XVI, 2. Aufl, II. Bd., $S. 91]. Arrux [I,a S. 668] ist der 
Meinung, dass man die bei Engerlingfrass unwirksamen Fangknüppel (vergl. 8. 309) 
mit Vortheil gegen die stärkere Larve des Walkers anwenden könnte. 


h 


Walker, Sonnwendkäfer und Rutelinen. 311 


Die Gattung Rhizotrogus umfasst ungefähr ein Dutzend deutsche 
Arten, von denen aber nur eine, der Sonnwendkäfer, Rh. solstitialis L., 
als Imago dadurch einigermassen forstschädlich wird, dass er bei 
massenhaftem Auftreten um die Zeit der Sonnenwende die Holz- 
pflanzen entblättert. Am gefährlichsten scheint er den Nadelhölzern, und 
zwar namentlich den Kiefern [Aurum, XVI, III. Bd.,, 2, S. 88] zu 
werden, deren junge Triebe er häufig angeht; auch die Johannistriebe 
der Laubhölzer leiden unter ihm. Nöthigenfalls könnte man ihn durch 
Sammeln bekämpfen. Seine nach den gewöhnlichen Angaben von Gras- 
wurzeln lebenden Larven sind — vielleicht nur deshalb, weil man sie 
für junge Maikäferengerlinge gehalten hat — noch niemals als forst- 
schädlich angegeben worden. 


Dieser 15 bis 16 mm lange Käfer gehört zu der Gruppe der Gattung Rhizo- 
trogus, welche nur 9 Fühlergiieder hat. Er ist dunkelbraun, am Kopfschild, den 
Seiten der Vorderbrust, den Flügeldecken, Fühlern und Beinen braungelb. Hals- 
schild, Brust und Bauch, besonders ersteres, meist stärker mit gelblichgrauen 
Haaren dicht besetzt. S' mit stärkerer Fühlerkeule und Halsschildbehaarung als das Q. 

Die Larve von Rhizotrogus ist nach Scuıöpte [16, S 314 — 317] derjenigen des 
Maikäfers ungemein ähnlich, nur kleiner, mit schlankeren Füssen und längeren 
Klauen versehen, das dreieckige, oberhalb des Clypeus durch die Scheitelnähte 
von den Seitentheilen des Kopfes abgegrenzte Epistom ist hier 1!/,mal so breit 
als lang, hinten in einen mässig spitzen Winkel ausgezogen, während es bei Melo- 
lontha 2mal so breit als lang, hinten in einen sehr spitzen Winkel ausgeht. 

Der Käfer fliegt namentlich Abends, in Mitteldeutschland gewöhnlich Ende 
Juni, Anfangs Juli, und zwar am liebsten in sandigen, spärlich mit Baumwuchs be- 
standenen Gegenden und in Getreidefeldern. Die Weibchen sind träger, als die beweg- 
licheren Männchen und bleiben gern am Boden. Bald nach der Begattung werden die 
Eier in den Boden abgelegt, und die jungen Larven nähren sich nun von Gramineen- 
wurzeln. Dem Landmann sollen sie schon öfters an der Wintersaat Schaden 
gethan haben. Die Angaben über die Generation sind widersprechend. ALTUM 
schliesst daraus, dass in manchen Gegenden jedes zweite Jahr ein Sonnwend- 
käferflugjahr ist, auf eine zweijährige Generation; TASCHENBERG gibt nur eine ein- 
jährige zu. 

Anhangsweise sei noch die zweite Unterfamilie aus der Gruppe 
der Laubkäfer erwähnt, die der Rutelini. Sie umfasst eine Reihe 
kleinerer einheimischer Arten, deren Imagines von Zeit zu Zeit wohl 
schon einmal durch Entblätterung von Laubhölzern beschränkten forst- 
lichen Schaden verursacht haben, deren Larven aber bisher trotz 
ihres manchmal massenhaften Vorkommens in den Kulturen unschäd- 
lich geblieben sind. Sie werden meist wegen ihrer Flugzeit als Juni- 
käfer bezeichnet und die gewöhnlichsten Arten sind Anisoplia segetum 
Hesr. (fruticola Fagr.), Phyllopertha horticola L. und Anisoplia aenea 


Desezer (Frischii Farr.). 

Die Rutelini unterscheiden sich dadurch von den Melolonthini, dass 
stets die Fussklauen ungleich sind; ferner sind die Stigmata des Hinterleibes 
so vertheilt, dass die drei letzten Paare auf der nach aussen, die vorderen auf 
der nach innen gerichteten Seite des von den Flügeldecken bedeckten Theiles 
der Bauchhalbringe liegen, die drei letzten in einer schräg nach aussen gehenden 
Linie. Das letzte Stigma liegt also auch noch in der Bauchschiene des vorletzten 
Körperringes. 


312 Kap. IX. Die Käfer. 


Die oben genannten und noch einige andere Arten werden von RATZEBURG, 
der sie noch zu der Gattung Melolontha rechnet, als Entblätterer von Laub- 
pflanzen, namentlich von Weiden, Birken, Erlen ete., angeführt, ferner gibt er an, 
SAxEsENn habe die Ph. horticola L, auch an Fichtenwurzeln gefunden |V, 1. Bd., 
S. 51]. Auch soll diese Art die Bergwiesen des Harzes geschädigt haben. ALrum 
hat sie massenhaft auf der Nordseeinsel Borkum auf „‚Seekreuzdorn”, Hippophae 
rhamnoides L., Brombeeren und Zwergweiden angetroffen [XVI, II. Bd., 1, S. 85]. 

Abklopfen der Käfer, Sammeln und Tödten kann bei übermässiger Ver- 
mehrung gelegentlich angezeigt sein. 

Wirthschaftlich von Bedeutung wird in grossem Masse überhaupt nur eine 
Art, die Anisoplia Austriaca Hssr., deren Verbreitungscentrum im südlichen Russ- 
land liegt, aber auch bis Oesterreich übergreift, und welche nach der Roggen- 
blüthe die noch milchigen Getreidekörner massenhaft ausfrisst, deshalb in dortiger 
Gegend zu den die Landwirthschaft am allermeisten gefährdenden Käfern gehört. 
Vergl. hierüber die Angaben von Körren [Il, S. 141—177]. 

Literaturnachweise zu dem Abschnitt „Die Blatthorn- 
käfer, insbesondere der Maikäfer und seine Verwandten”. — 
Il. Arrum. «) Ueber den Erfolg der Versuche zur Vertilgung der Enger- 
linge mittelst Fangknüppel und Fangrinde. Zeitschr. für Forst- und 
Jagdwesen 1885, Bd. XVII, S. 662—669; b) Zur Vertilgung der Mai- 
käferlarven. Daselbst 1887, Bd. XIX, S. 141—153 — 2. BerıcHr über die 
zwanzigste Versammlung des Sächsischen Forstvereineszu Annaberg 1875, 
S, 24—27. — 3. Bericnt über die gemeinschaftl. Sitzung des Sächs. 
Forstvereines und der Sächs. Landwirthe. Leipzig 1874, 8. 18—21. — 
4. BoDEnMmÜLLER, F. J. Die Maikäfer und Engerlinge. 8. Freiburg i. Br. 
1867. — 5. Eıcunnorr. Fangknüppel und Fangrinden gegen Engerling- 
frass. Zeitschr. für Forst- und Jagdwesen 1882, Bd. XIV, S. 610 
bis 613. — 6. Grıssuanmer. Schutz gegen Engerling in Saatbeeten. 
Forstliche Blätter 1873, S. 383 und 354. — 7. Gerike. Ueber die 
Generation der Maikäfer. Forstliche Blätter. Dritte Folge. 6. Jahr- 
gang 1882, S. 81 und 82. — 8. Harrıc, Th. Das Insektenleben im 
Boden der Saat- und Pflanzkämpe. Pfeil’s Kritische Blätter. Bd. XLIII, 
1, 8.142 —151.— 9. Hryer Th., Staare als Schutzwehr gegen Engerlinge. 
Allg. Forst- und Jagdzeitung 1865, S. 74. — 10. Hryer, E. Ueber Be- 
gegnung des Schadens durch Mäuse und Engerlinge in Forstgärten. Allg. 
Forst- und Jagdzeitung 1865, XLI. Bd., S. 126 —129. — Il. Köpprn. 
Die schädlichen Insekten Russlands. St. Petersburg 1880. III. Bd. der 
„Beiträge zur Kenntniss des russischen Reiches”. — I2. Kronn. Die Ver- 
tilgung des Maikäfers und seiner Larve. Erfahrungen und Beobach- 
tungen. 8. Berlin 1864. J. Springer. — 13. v. MAnteurreL. Die Vertil- 
gung der Maikäfer. Allg. Forst- und Jagdzeitung 1865, S. 100—103. 
— 14. MasskeGern zur Vertilgung der Maikäfer und deren Larven. Allg. 
Forst- und Jagdzeitung 1864. XL. Bd., S. 311—317. — 15. PLieninger. 
Gemeinfassliche Belehrung über den Maikäfer als Larve und als 
Käfer. 8. Stuttgart und Tübingen 1834. 3. Aufl. 1875. — 16. Scmiöpre, 
J. ©. De Metamorphosi Eleutheratorum Observationes. 2 Bde. 8. Kopen- 
hagen 1861—1883. 2. Bd. Theil VIII, m. Taf. — 17. VERHANDLUNGEN 
des Harzer Forstvereines. Jahrgang 1861, 8. 20—23. — 18. VoLMAR. 
Zur Vertilgung der Maikäferlarve. Monatsschrift für das Forst- und 
Jagdwesen. XVII. 1873, S. 231—234. 


Pracht- und Schnellkäfer. Buprestiden im Allgemeinen. 313 


Die Pracht- und Schnellkäfer. 


Die Familien der Prachtkäfer, Buprestidae, und Schnellkäfer, 
Elateridae, stimmen, was ihre äussere Erscheinung betrifft, in dem ge- 
streckten Umriss des vorn und hinten verengten, am Kopfe abgestutzten, 
au dem Hinterleibsende zugespitzten Körpers, in der Abplattung des 
Leibes, der Form ihrer meist gesägten Fühler und der geringen Ent- 
wickelung der Beine überein. Sie unterscheiden sich aber, die zum 
Sprunge unfähigen Prachtkäfer, durch die meist metallisch glänzende 
Färbung, die gewöhnlich unscheinbarer gefärbten Schnellkäfer, vom 
Volke häufig Schmiede, auch Knipskäfer und Schuhmacher genannt, 
durch das Vermögen, aus der Rückenlage, in welcher sie sich todt 
stellen, hoch emporzuschnellen. Die Prachtkäfer sind ferner Sonnenthiere, 
die nur am Sommermittag kräftig schwärmen, die Schnellkäfer dagegen, 
gewöhnlich verborgener lebende Formen, vielfach Nachtthiere. 

Die Larven der Prachtkäfer sind meist durch eine gegen den 
Kopf und die auf sie folgenden Glieder sehr verbreiterte, abgeplattete 
Vorderbrust, sowie durch ihren Frass im Baste der Holzpflanzen aus- 
gezeichnet, die Larven der Schnellkäfer, in der Praxis „Drahtwürmer” 
genannt, leben in der Erde und im Mulme und nähren sich vielfach von 
Pflanzenwurzeln. Auf dieser Nahrungsweise der Larven beruht die ver- 
schiedene wirthschaftliche Bedeutung beider Familien, welche schon oft- 
mals auch im Forste sehr schädlich aufgetreten sind, während dagegen 
die Käfer selbst nur in seltenen Fällen Grund zur Anklage gegeben 
haben. Als Typus der forstschädlichen Prachtkäfer kann man die 
Gattung Agrilus Sor. (Taf. II, Fig. 13), als solchen der Schnellkäfer 
die Gattung Elater L. (Fig. 119) hinstellen. 


LATREILLE vereinigte die beiden, soeben kurz nach leicht erkennbaren Merk- 
malen charakterisirten Familien mit den zwischen ihnen stehenden Eucnemidae als 
Sternoxi und begründete die Zusammenfassung der namentlich wegen ihrer ver- 
schiedenen Larvenformen von den späteren Systematikern in die genannten drei 
Familien zerlegten Gruppe durch die allen gemeinsamen Kennzeichen der Ver- 
ringerung der Bauchsegmente auf fünf und die eigenthümliche Gestaltung der 
Mittelbrust, welche vorn in der Medianlinie stets deutlich ausgehöhlt ist und hier 
einen mehr weniger stark ausgebildeten, nach vorn vorragenden, zapfenförmigen 
mittleren Fortsatz der Vorderbrust aufnimmt. 


Allgemeines über die Buprestiden. Die Käfer, deren Chitin- 
panzer sehr fest gefügt ist, sind meist metallisch gefärbt, mit flacherer 
Rücken- und gewölbterer Bauchseite. Der Kopf erscheint senkrecht 
gestellt und in das Halsschild bis zu den Augen eingezogen. Die meist 
schon vom vierten Gliede an deutlich nach innen gesägten Fühler 
sind auf dem untersten Theile der Stirn, zwischen den unteren Enden 
Lehrbuch d. ınitteleurop. Forstinsektenkunde. 21 


314 Kap. IX. Die Käfer. 


der länglich ovalen Augen, meist in Fühlergruben, eingelenkt. Die 
Mundtheile sind gewöhnlich kurz und gedrungen, oft sogar etwas ver- 
kümmert. Hierauf ist die Thatsache zurückzuführen, dass man häufig 
in den Puppenwiegen Käfer findet, welche nicht im Stande waren, 
sich völlig durchzunagen und eingehen mussten. Das mit dem übrigen 
Körper fester als bei den Elateriden vereinigte Halsschild schliesst 
sich mit seinem Hinterrande den Flügeldecken genau an, und seine 
Hinterecken sind nie in lange Spitzen ausgezogen. Der mittlere Fort- 
satz der Vorderbrust reicht zwischen den Vorderhüften durch und 
greift in eine entsprechende Grube der Mittelbrust ein, in welche 
er jedoch nicht frei versenkt werden kann, wie bei den Elateriden. 
Die Flügeldecken verbergen den ganzen Hinterleib, der 8 Rücken- 
und 5 Bauchhalbringe zeigt. Von letzteren sind die beiden ersten 
verwachsen. Beine kurz und gedrungen. Tarsen fünfgliedrig, die ein- 
zelnen Glieder häufig herzförmig und mit einer filzigen Sohle ver- 
sehen. 

Die Flugzeit der Buprestiden fällt in den warmen Sommer. Die 
Käfer treiben sich gern im heissesten Sonnenschein auf Blumen herum, 
deren Blüthenstaub sie fressen, sind alsdann sehr flugfertig und flüchtig, 
während sie bei kühler, feuchter Witterung träge werden und sich leicht 
sreifen lassen. Sie verleugnen also auch in unseren gemässigten 
Gegenden den allgemeinen Charakter der am reichlichsten in den Tropen 
vertretenen Familie nicht. Bei uns kommen ungefähr 100 Arten vor, 
aus Europa sind angeführt 291 Arten. Nach der Begattung, bei 
welcher nach Perrıs [I7, S. 134] das d auf dem Rücken des 9 sitzt, 
legt letzteres mit Hilfe einer Legscheide seine Eier einzeln oder in 
enger zusammengerückten Gruppen in oder an die Nährpflanze. 

Die Larven sind weisslich und weich, blind und fusslos. Der 
Kopf ist tief in den, wie eine riesige Kragenfalte über seinen hinteren 
Theil übergeschlagenen Prothorax zurückgezogen, aus dem er aber 
auch hervorgestreckt werden kann; doch nur sein vorderer, gewöhnlich 
vorragender Theil ist stärker chitinisirt. Die Fühler sind dreigliedrig, 
ihr letztes sehr kleines Glied in das vorletzte zurückziehbar, die 
Taster des dritten Kieferpaares, die Lippentaster, völlig rudimentär. Der 
Thorax ist meist stark abgeflacht, durch die Kragenfalte äusserst breit 
erscheinend und oben mit einem mehr weniger stark chitinisirten Schilde 
versehen. Die beiden hinteren Thoracalringe sind quergezogen und 
meist gleichfalls viel breiter als das schwanzförmig erscheinende, zehn- 
gliedrige Abdomen. 

Sehen wir von den hier nicht in Betracht kommenden und auch 
biologisch abweichenden Larven der Gattung Trachys ab, so kann man 
die Buprestidenlarven in zwei Gruppen theilen: Die erste enthält die 
typische, mit stark abgeflachtem und verbreitertem Thorax und abge- 
rundetem letzten Hinterleibsgliede (Fig. 113) versehene Mehrzahl der 
Formen, die andere umfasst nur die Larven der Gattung Agrilus mit 
Coraebus, bei welchen die drei Thoracalringe und namentlich der Pro- 
thorax zwar immer noch etwas breiter als die Hinterleibsringe, aber 


Buprestiden im Allgemeinen. 315 


nur wenig abgeflacht sind, und deren letzter Hinterleibsring in zwei 
stark chitinisirte Spitzen ausgezogen erscheint (Fig. 114). 


Mit Ausnahme der blattminirenden 
Larven der Trachys-Arten und einiger 
die Wurzeln und Stengel von Kräutern 
bewohnenden, abweichenden Formen sind 
die Buprestidenlarven sämmtlich Holz- 
bewohner, welche an jüngeren Bäumen 
zwischen Rinde und Holz, an älteren 
Stämmen im Holze oder in der Rinde 
flache, meist stark geschlängelte, allmählich 
breiter werdende und mit Bohrmehl fest 
ausgestopfte Gänge fressen. Die abge- 
flachten Larven halten den Hinterleib 
meist in der Ebene des Ganges gekrümmt 
und nach vorn umgebogen (Fig. 115). Zur 
Verpuppung nagen sie sich eine im Quer- 
schnitt elliptischa Puppenwiege im 
Holze oder in der Rinde. Bei den sehr ab- 
geflachten Formen dreht sich nach Arrum 
die Larve in dieser Puppenwiege um, so 
dass der Kopf der Puppe, respective des 
Käfers, nach der Seite zu liegt, von welcher 
die Larve in die Puppenwiege eingedrungen 
ist und letztere daher, wenn der Käfer sich 
herausgenagt, hat, nur eine Oeffnung zeigt 
(Fig. 116 A). Bei den mehr eylindrischen 
Formen dagegen dreht sich die Larve 
nicht um, frisst vielmehr vorwärts bis 
dicht unter die Rinde, und der Käfer 
nagt sich nun an dem dem Eingangsloche 
der Larve entgegengesetzten Ende der 
Puppenwiege heraus, so dass die ver- 
lassene Puppenwiege alsdann zwei Oeff- 
nungen hat (Fig. 116 ©). 

Die Fluglöcher, welche die in der 
Puppenwiege stets mit dem Rücken gegen 
die Achse des Stammes gewendet liegenden 
Käfer nagen, sind dem Querschnitt ihres 
Körpers entsprechend stets elliptisch 
(Fig. 116B) und bei den Formen mit 
sehr abgeflachtem Rücken, wie bei 
Agrilus, werden die Fluglöcher daher 


Fig. 113. Fig. 114. 
Fig. 113. Larve von Chrysobo 
thrys Solieri Lar., nach Perrıs, 

[I7, TA. 4, Fig. 100.] 
a von oben, b von der Seite. 
Fig. 114. Larve von Agrilus 


viridis L. nach Ratzegure. |V, 
Bd. BAT. TsRioe] 


Fig. 115. Frass von Buprestis 
(Anthaxia) quadripunctata L. 
in einem Kiefernzweige. 


von zwei verschieden gekrümmten Bogen begrenzt, von denen der 
flachere dem Rücken des ausschlüpfenden Käfers entspricht (Fig. 116 D). 
Da, wie wir oben erwähnten, die Mundwerkzeuge der Käfer schwach 
sind, so kommt es öfters vor, dass einzelne Exemplare sich nicht bis 


21* 


316 Kap. IX. Die Käfer. 


auf die Oberfläche durchzunagen vermögen und in ihren Puppen- 
wiegen eingehen. 

Systematik. Die europäischen Buprestidae werden in 27 Gat- 
tungen getheilt, welche selbst wieder in 6 Unterfamilien getrennt sind. 
Der Vereinfachung wegen gebrauchen wir hier die Namen der Haupt- 
gattung jeder Unterfamilie als Sammelgattungsnamen, setzen nur der 
ÖOrientirung halber die Namen der engeren Gattungen in Klammer 
bei und betrachten sie als Untergattungen. Wir gebrauchen also, da 
manche Unterfamilien forstlich gar nicht in Frage kommen, als 
Sammelbezeichnungen die Namen Buprestis, Chrysobothrys und Agrilus. 

Gattung Buprestis L. Käfer mit verschieden grossem, mitunter sogar 
verschwindendem, aber niemals dreieckigem oder nach hinten zugespitztem Schild- 


chen, Brustgrube zur Aufnahme des Vorderbruststachels von Mittel- und 
Hinterbrust zugleich gebildet. Zarven von typischer Buprestidenform mit Gabel- 


Fig. 116. Puppenwiegen und Fluglöcher von Buprestiden. A und B Buprestis 

(Poecilonota) rutilans Fasr. A Puppenwiege im Längschnitt bei erhaltener 

Rinde; a Flugloch, 5 zwischen Holz und Rinde hinlaufender, mit Frassmehl voll- 

gestopfter Gang. B Flugloch. C und D Agrilus; €‘ Puppenwiege von Agrilus 

elongatus Hssr. (tenwis Rarz.) nach Aurum [5, S. 366], im Längschnitt an 

einem entrindeten Frassstück. D Flugloch von Agrilus sp.? Alle Figuren in 
natürlicher Grösse. 


linie auf dem Prothoraxschilde. Zur Orientirung kann auch hier Fig. 113 dienen. 
Wir reehnen hierher die Lacordaire’sche Gruppe I, Buprestides vrais, mit 
Hinzufügung von Chalcophora. 

Untergattung Chalcophora Sor. Schildchen rund, punktförmig. Erstes 
Glied der Hintertarsen bedeutend länger als das zweite, beide nicht gelappt. Stirn 
in der Mitte mit tiefer Längsfurche, Spitze der Flügeldecken nicht abgestutzt, 
mit einem spitzen Dorn am Nahtwinkel. 

Untergattung Dicerca Escascn. Schildchen punktförmig. Erstes und 
zweites Glied der Hinterfüsse nicht gelappt und fast gleichlang. Fortsatz der 
Vorderbrust eben oder in der Mitte gefurcht, stets grob punktirt. Flügeldecken 
nach dem Ende hin in einer geschweiften Linie verengt und in eine zweizähnig 
abgestutzte Spitze ausgezogen. Letzter Bauchring mit zwei bis drei Zähnchen. 

Untergattung Poecilonota EscuscH. Schildchen quer, dreimal so breit 
als lang, hinten gerade abgestutzt. Halsschild ia der Mitte am breitesten, hinten 
etwas verengt. 

Untergattung Buprestis_L. im engeren Sinne (Ancylocheira Escusch.), 
Schildehen rund, punktförmig. Von den beiden ersten nicht gelappten Gliedern 
der Hintertarsen ist das erste bedeutend länger als das zweite. Spitzen der 
Flügeldecken abgestutzt, mit je zwei Zähnchen. Stirn ohne tiefere Mittelfurche. 


Systematik und forstliche Bedeutung der Buprestiden. 317 


Untergattung Melanophila Escusca. Körper ziemlich flach. Schildchen 
sehr klein und gerundet. Die beiden ersten Tarsalglieder der Hinterfüsse ge- 
streckt, nicht gelappt, das erste bedeutend länger als das zweite. Das Halsschild 
viel breiter als lang, sein Hinterrand zur Aufnahme der Flügeldeckenwurzel 
zweimal flach ausgebuchtet. Flügeldecken etwas breiter als das Halsschild, hinten 
abgerundet, ihr Aussenraud fein gekerbt. Die von ihr nochmals abgetrennte Unter- 
gattung Phaenops Lacorn. ist nur durch die sehr kleinen und gerundeten 
Fühlergruben unterschieden. 

Untergattung Anthaxia Escnscn. Käfer. Schildehen dreieckig, Halsschild 
breiter als lang, mit fast geradem Hinterrande. Flügeldecken ebenso breit als das 
Halsschild, hinter der Mitte verengt, die Spitze jeder einzelnen abgerundet und 
gekerbt. Zarve. Typische Buprestidenform, aber auf dem Metathorax oben und 
unten je zwei Warzen. 

Die nächste uns interessirende Unterfamilie ist die der Chrysobothrinı. 
Sie umfasst die Formen mit dreieckigem, hinten zugespitztem Schildchen, welche 
einfache Klauen haben, und deren gerundete Fühlergruben vorn auf der Stirn 
so weit von dem Augenrande gelegen sind, dass sie das Epistom stark verengen. 
Die Larven haben die typische Buprestidenform (Fig. 113). In Europa kommt 
nur vor die 

Gattung Chrysobothrys EscuscH. Kopf bis zu den Augen in das Hals- 
schild eingezogen, Stirn gewölbt, Halsschild beinahe doppelt so breit als lang, 
beiderseits zur Aufnahme der gerundeten Wurzeln der Flügeldecken ausgerandet. 
Flügeldecken breiter als das Halsschild, sehr flach gewölbt, hinter der Mitte 
verengt, der Seitenrand und die Spitze fein gesägt, mit flachen Gruben. Fortsatz 
der Vorderbrust breit, hinter den Vorderhüften beiderseits zu einer seitlichen Ecke 
ausgezogen und dann wieder zugespitzt. Erstes Glied der Hintertarsen verlängert. 

Die dritte hier anzuführende Unterfamilie, die der Agrilini, ist durch ein drei- 
eckiges Schildehen und gespaltene oder gelappte Klauen an den nicht unge- 
wöhnlich verkürzten Tarsen gekennzeichnet. Die Larven haben die zweite Form 
(vergl. S. 314) mit wenig verbreitertem Thorax und zweispitzigem Hinterleibsende 
(Fig. 114). 

Die Gattung Agrilus Sor. (Tfl. II, Fig. 13) hat folgende Merkmale: 
Körper langgestreckt, Flügeldecken hinter der Mitte gewöhnlich etwas erweitert, 
dann schnell zugespitzt. Halsschild breiter als lang, am Hinterrand beiderseits 
tief ausgerandet zur Aufnahme der Wurzel der Flügeldecken. Schildehen deutlich, 
dreieckig, nach rückwärts zugespitzt. Fortsatz der Vorderbrust gegen die Mittel- 
brust gewöhnlich breit und kurz. Füsse lang, das erste Glied der Hinterfüsse 
länger als das zweite, die ersten vier Fussglieder unten gelappt. Oberseite metallisch 
gefärbt, mit schuppenartigen Punkten auf den Flügeldecken. Wir begreifen unter 
dem Namen Agrilus auch die Untergattung Coraebus Lar., welche sich nur 
durch breitere Tarsalglieder, von denen besonders das erste nicht verlängert ist, 
auszeichnet. 


Forstliche Bedeutung der Buprestiden. Vom forstentomologi- 
schen Standpunkte aus kann man die Buprestiden je nach der Wichtig- 
keit des Frasses ihrer Larven in vier Gruppen eintheilen: 

1. Die unschädlichen Larven bewohnen anbrüchige, wandelbare 
Stämme oder Stöcke, z. B. Buprestis Mariana L. Kiefernstöcke. 

2. Die merklich schädlichen Larven gehen Stamm und Aeste 
älterer, noch lebenskräftiger Bäume an, z. B. Buprestis rutilans Farr. 
starke Linden. 

3. Die sehr schädlichen Larven verursachen das Eingehen jüngerer 
Taaubholzheister, z. B. Agrilus viridis L. von Rotbbuchen. 

4. Die sehr schädlichen Larven bewirken das Absterben der 
Zweige an älteren und der Kronen an jungen Stämmen, namentlich 
Agrilus bifasciatus OLıv. an Eichen. 


318 Kap. IX. Die Käfer. 


Die in Stöcken brütenden Buprestiden. Buprestis (Chalcophora) 
Mariana L., die grösste deutsche Art, bis 30 mm lang, ist auf der Oberseite 
schwarz mit groben kupferglänzenden Furchen und Gruben. Sie bewohnt, wie 
schon oben bemerkt, abgestorbene Kiefern und Kiefernstöcke. 

Buprestis (Dicerca) Berolinensis Hssr., die nächstgrösste deutsche Art, 
bis 20 mm lang, auf der Oberseite kupferfarbig oder metallisch grün, mit dunkleren 
Flecken, lebt in anbrüchigen Buchen und Hainbuchenstämmen, während ihre 
nächsten, gleichfalls der Untergattung Dieerca angehörigen Verwandten, B. aenea 
L. und B. Alni Fıscn. ähnlich in Erlen leben. 

B. flavopunctata Dr Geer. (Ancylocheira flavomaculata Fazr.), entwickelt 
sich in anbrüchigen Kiefernstöcken, in Frankreich wird sie in solchen der See- 
kiefer gefunden. 

B. (Ancylocheira) rustica L., in Weisstanne. 

B. (Melanophila) decostigma FAzr. im Süden in abgestorbenen Pappeln. 

Die in starken alten Stämmen brütenden Buprestiden. Auch 
diese Formen haben nur eine geringe foıstliche Bedeutung. 


Buprestis (Poecilonota) rutilans L. Der Lindenprachtkäfer ist einer 
der schönsten deutschen Formen. Er ist 10—14 mm lang, schön metallisch grün 
mit blauem Schein, das Halsschild und die Flügeldecken rothgolden. Seine 
Larve hat, wie überhaupt die der ganzen Untergattung, die typische Buprestiden- 
form und lebt in den Aesten stärkerer alter Linden, in denen sie theils in der 
Rinde, theils im Splinte breite, unregelmässig geschlängelte, dicht von Bohrmehl 
ausgefüllte Gänge frisst. Schliesslich nagt sie sich eine gekrümmt in die dicke 
Rinde oder das Holz hineindringende Puppenwiege, in welcher die Puppe mit 
dem Kopfe nach oben liegt (vergl. Fig. 1164). Die Käfer, welche Ende Mai, Anfang 
Juni fliegen, nagen sich durch 5 mm breite, ovale Fluglöcher heraus (vergl. Fig. 116 B). 
Folge des Larvenfrasses ist das Dürrwerden und Abfallen der Rinde in der be- 
fressenen Zone. In Deutschland allgemein verbreitet, aber überall selten. Nur 
von Artum [7] ist sie einmal als wirklich schädlich in Teplitz an einer 
grösseren Menge von Winterlinden, Tilia parvifolia Enrn., gefunden worden, und 
zwar auf der Südseite der Stämme, auf Streifen von mehreren Metern Länge. 
Hier in Tharand wurde sie nur in Aesten beobachtet. Die Dauer der Generation 
ist unbekannt, dürfte aber mehrere Jahre umfassen. Gegenmittel haben sich noch 
nicht nöthig gemacht. 


B. (Poecilonota) decipiens MAnnern. ist von Perrıs [18, S. 159] unter 
ähnlichen Verhältnissen in Rüster fressend gefunden worden. Diese Art wird 
neuerdings wieder mit B. rutilans L. vereinigt. 

B. (Poecilonota) variolosa Payk. (conspersa GyLL.) ist ein sehr naher 
Verwandter. Dieser 8&—10 mm lange Käfer ist schwarz, mit mehr oder weniger 
deutlichem Erz- oder Kupferglanz und hellen metallischen Flecken auf den Flügel- 
decken. Der Kopf ist erzglänzend. Er ist ein Bewohner älterer Aspen, in denen 
er in ganz analoger Weise, wie die vorhergehende Art in Linden, frisst. In 
grösserer Ausdehnung fressend ist er nur von Arrum [XVI, III, 1, S. 123 und 
124] im Biesenthaler Revier beobachtet worden, und zwar an der Sonnenseite 
der Stämme. Das Holz wird an den unterhöhlten Stellen anbrüchig. Die Gene- 
ration soll eine dreijährige sein. 


Bemerkt sei noch, dass auch Vertreter der Unterfamilie der Agrilini 
in älteren Stämmen fressend gefunden wurden. Wir erwähnen nur Agrilus 
sexguttatus Hssr., welcher nach Dösner und NÖRDLINGER in Süddeutschland 
ältere Pappeln schädigen soll, und nach ersterem Autor [XIV, II, S. 70] bei 
Aschaffenburg sich Ende der Fünfzigerjahre an der Zerstörung einer Allee von 
Pappeln, italienischen sowohl als Schwarzpappeln, betheiligt hat. 

Der gleichfalls in Süddeutsehland vorkommende A. (Coraebus) undatus 
Fagr. lebt nach Nörpuisger [VII, 2. Aufl, S. 5] unter der Rinde starker Eichen 
und nach Prrrıs |2, S. 144] in Südfrankreich in der Korkeiche, in deren Rinde 
er wenigstens technisch zu schaden scheint. 

Auch Nadelhölzer mittleren Alters scheinen dem Buprestidenfrasse zu unter- 
liegen, wenigstens ist Buprestis (Phaenops) cyanea Fapr., ein einfarbig dunkel- 


Forstsehädliche Buprestiden. 319 


‚blau gefärbter Käfer, mit sehr dicht runzeligpunktirter Oberseite, von 7—10 mm 
Länge, nicht nur in Südfrankreich nach Perr:s [l8, S. 122] ein hervorragender 
Schädling an der Seekiefer, sondern SCHREINEr [I7,] hat ihn auch als Feind der 
gemeinen Kiefer in Deutschland denuneirt, allerdings ohne dass man hier bis 
jetzt einen grösseren Frass dieses Thieres nachweisen könnte. 


Die in jüngeren Stämmen, Heistern und Stangen brü- 
tenden Buprestiden. Die dritte der von uns angenommenen biolo- 
gischen Prachtkäfergruppen ist bis jetzt wesentlich an Laubhölzern 
sehr schädlich geworden. Wenn wir in der Gattuug Agrilus die meisten 
und am längsten bekannten Schädlinge finden, so tritt nach neueren 
Beobachtungen in zweiter Linie auch noch die Gattung Chryso- 
bothrys hinzu. Diese ist übrigens nicht auf die Laubhölzer beschränkt, 
sondern manche Arten derselben kommen auch in Nadelhölzern vor, aus 
denen auch noch Anthaxia, eine Untergattung von Buprestis, als 
häufigerer Bewohner jüngerer Stämme bekannt und als Schädling 
beobachtet worden ist. 

Als Laubholzschädlinge sind folgende Arten anzuführen: 


Agrilus viridis L., Klauen an der Wurzel mit einem breiten Zahn, Hals- 
schild viel breiter als lang, im Verhältniss zu den Flügeldecken kurz, uneben, 
grob querrunzelig, mit undeutlicher Mittelfurche, jederseits hinter der Mitte mit 
einem schräg gegen die Seiten hin verlaufenden, mehr oder weniger deutlichen 
Eindrucke. Schildehen sehr fein punktirt, mit deutlicher Querleiste. Flügeldecken 
an der Basis eingedrückt, mit stark vortretenden Schultern, hinter diesen seitlich 
zusammengedrückt, hinter der Mitte etwas erweitert, dann verengt, an der Spitze 
abgerundet, schwach divergirend, fein gezähnelt, schuppig gerunzelt, fast un- 
behaart. Vorderbrust bei beiden Geschlechtern, beim 45 etwas deutlicher, aus- 
gerandet, letzter Bauchring einfach abgerundet. In Folge seiner grossen Ver- 
schiedenheit der Färbung, Grösse u. s. w. trägt derselbe Käfer nicht weniger als 
11 Namen, welche erst v. KIEsEnwETTER in seiner vortrefflichen Arbeit über die 
deutschen Bupresten klar gestellt hat: Normale Farbe olivengrün mit bläulicher 
oder kupferiger Stirn und messingfarbener Unterseite (viridis L., Panz., viridipennis 
Lar. capreae Curvr.); bronzefarbige und kupferige Stücke (Aubei Lar., fagi RArz., 
quercinus Repr2.); grüne, blaugrüne, biaue bis violette Exemplare (nocivus Rarz., 
distinguendus Lar., bicolor Reprz); Stücke mit goldgrünen oder blauen Flügel- 
decken, deren Halsschild und Kopf jedoch messingfarben oder kupferig (linearis 
Panz.); endlich eine ganz schwarze Varietät (Bupr. atra Far.). Grösse ebenfalls 
sehr schwankend, 5—8 mm. 

A. betuleti Rarz., dem vorigen sehr ähnlich, unterschieden durch das im 
Verhältniss zu den Flügeldecken breitere Halsschild, dessen Seitenrand verflacht 
und gegen den Mitteltheil scharf abgesetzt ist. Länge 5 mm. 

A. elongatus Hessr. (tenuis Rarz., Sahlbergii MAnnernH., viridis Lar.). Dem 
A. viridis L. ähnlich an Gestalt und durch die metallisch grüne, bronzene oder 
blaue Färbung, in der Regel jedoch etwas grösser, auch sind die Flügeldecken 
hinten nicht so stark verengt, wie bei jenem. Bei beiden Geschlechtern ist das 
letzte Bauchsegment an der Spitze ausgerandet, besonders tief beim Sg. Vor dem 
Hinterrande des ersten Bauchsegmentes hat das überdies zwei deutliche, neben- 
einander gestellte Körnchen. Die Fühler sind verhältnissmässig lang und dünn. 
Halsschild breiter als lang, mit deutlicher Mittelfurche; ein kleines gebogenes 
Längsleistehen in den Hinterecken gewöhnlich deutlicher, als bei A. viridis. 
Länge 6—7 mm. 

A. angustulus Irr. (olivaceus Gyrr.). Etwas kleiner als die vorigen. Eben- 
falls verschieden metallisch grün, blau u. s. w. gefärbt. Das unebene Halsschild 
in den Hintereeken mit einem fast bis zur Mitte reichenden geraden Leistchen. 
Fühler tiefer gesägt als bei A. elongatus. Bauchsegment bei beiden Geschlechtern 
nicht tief, aber deutlich ausgerandet, beim ' überdies mit Längseindruck. Hinter- 


320 Kap. IX. Die Käfer. 


rand des ersten Bauchsegmentes beim ÖS mit zwei nebeneinander gestellten 
mehr oder weniger deutlichen, länglichen Körnehen oder erhabenen Längsfalten. 
Länge 4:5 —6 mm. 

A. pannonicus Pırrer (biguttatus Fapr.). Klauen an der Spitze zweispaltig. 
Sehildehen mit einer deutlichen Querleiste. Oberseite oliven- bis blaugrün. Flügel- 
decken am Ende abgerundet und hinten in der Nähe der Naht mit einem weissen 
Haarfleck. Die unter den Flügeldecken vorsehenden Ränder des Hinterleibes mit 
drei solchen weissen Flecken. Die grösste deutsche Art, 9—12 mm lang. 

A. subauratus GeerL. (coryli Rarz.). Klauen 
gleichfalls zweispaltig, Schildehen eben, ohne deutliche 
Querleiste. Halsschild grün. Flügeldecken meist kupfer- 
golden, mitunter aber in verschiedenen Metallfarben 
vaılirend. Länge 7—9 mm. 

Chrysobothrys affınis Faer. Dunkelkupfer- 
farben; Halsschild doppelt so breit als lang. Flügel- 
decken mit einigen schwach erhabenen Längslinien, 
von denen die der Naht zunächst stehende nicht so 
erhaben ist, dass der Raum zwischen ihr und der 
Naht als Furche erscheint. An der Wurzel jeder 
Flügeldecke ist eine vertiefte Grube und auch ihr 
mittleres Drittel ist durch zwei goldige, glänzende 
Grübchen hinten und vorn abgegrenzt. Länge 
11—14 mm. 


Als Nadelholzschädlinge sind folgende 
Formen zu erwähnen: 


Chrysobothrys Solieri Lar. ist von seinem 
eben beschriebenen nächsten Verwandten durch das 
im Verhältniss viel schmälere Halsschild und die viel 
grösseren Gruben auf den Flügeldecken ausgezeichnet. 
Zwischenraum zwischen der ersten erhabenen Längs- 
linie und der Flügeldeckennaht furchenartig vertieft. 
Die Färbung ist meist etwas dunkler als bei der 
vorigen Art. Länge 10—12 mm. 

Buprestis (Anthaxia) quadripunctata L. 
Käfer dunkel erzfarben, mit sehr geringem Glanze. 
Auf dem Halsschild vier in einer Querreihe stehende 
Fig. 117. Buchenstämmchen Punkte. Länge 4—6 mm. Eine sehr nahe Verwandte 


mit Larvengängen und Flug- Yon ähnlicher Lebensweise ist die B. u. 1 
löchern von Agrilus viri- Lebensweise. Die sämmtlichen hier in 
= 
ds L. 


Frage kommenden Agrilus-Arten fliegen im 
Juni und Juli. Der Mutterkäfer belegt jüngere Stämme von Laub- 
hölzern mit einer grösseren Anzahl von Eiern. Die Larven fressen 
zahlreiche geschlängelte und sich durchkreuzende Gänge. Eine Unter- 
scheidung der verschiedenen Arten blos nach ihren Frassgängen und 
Fluglöchern ist sehr schwer. Am leichtesten ist an der Grösse der 
Fluglöcher, welche einen Querdurchmesser von 3,5 mm erreichen, 
A. pannonicus PILLER zu erkennen. A. subauratus GegL. soll sich 
nach ALrum durch „breitere, stellenweise zu grösseren Plätzen’ erweiterte 
Frassgänge auszeichnen. Der Frass dauert zunächst die wärmeren 
Monate des Flugjahres, geht dann das nächste Jahr fort, und erst im 
dritten Kalenderjahre, im Mai, verpuppt sich die Larve ohne sich um- 
zukehren in einer Puppenwiege mit gesondertem Ein- und Ausgang 
(Fig. 116 ©). Die Generation dauert mithin 24 Monate, ist also zweijährig. 


Forstschädliche Buprestiden. 321 


Jan. |Febr. | März April| Mai Juni dal Aug. |Sept. | Oct. , Nov. | Dee. 
| 


++++ | | 


1880 z Gr | 


| 
| | 
I} 


Zur Verpuppung gehen die Larven in das Holz, und der Käfer 
nagt sich an der-dem Eingange der Larve entgegengesetzten Seite 
der Puppenwiege heraus. Mitunter werden übrigens von den grösseren 
Formen auch ältere diekrindige Stämme belegt. 

Chrysobothrys’affinis Farr. fliegt nach Autumn [6], dem 
wir die genauesten Beobachtungen über dieses Insekt verdanken, im 
Beginn des warmen Sommers. Der Mutterkäfer legt aber an jeden 
Stamm nur 1—3 Eier, und zwar an Eichen von Heister- und schwacher 
Stangenstärke, meist dicht über dem Wurzelanlauf. Die weniger ge- 
schlängelten und der Gestalt der Larve entsprechend sehr flachen 
Gänge verlaufen im Baste. Die Puppenwiege, in der sich die Larve 
wieder umkehrt, ist oval, und die Eingangsöffnung, an der auch der 
Käfer sich durch die Rinde herausfrisst, wird wieder mit Nagemehl 
verstopft. Aeusserlich ist die Stelle des Frasses nicht kenntlich. Die 
Generation ist zweijährig, vielleicht sogar dreijährig. 

Chrysobothrys Solieri Lap. ist in seinem Larvenstadium ein Be- 
wohner des Nadelholzes, und zwar der gemeinen Kiefer und der See- 
kiefer. Bei letzterer kommt die Larve (Fig. 113 a und b) in Frankreich 
nach Perris [I7, S. 120] nur an schwachen Stangen und Stämmchen von 
höchstens 15 em Durchmesser, sowie an schwachen Aesten älterer Bäume 
sehr häufig vor. Die Gänge laufen geschlängelt, immer breiter werdend 
und mit Frassmehl dicht verstopft zwischen Rinde und Splint. Erst 
in dem dem Flugjahre des Käfers vorhergehenden Herbste geht die 
Larve in das Holz, wo sie sich eine flache Puppenwiege nagt, in der 
sie überwintert, um erst einige Wochen vor dem Ausfliegen des Käfers 
zur Puppe zu werden. Die Flugzeit auch dieser Art fällt in den 
Juni oder Juli. Die von Prrrıs als einjährig bezeichnete Generation 
scheint in unserem Klima zweijährig zu sein, wenigstens lassen dies 
die Beobachtungen von KLınsernörer schliessen. Von Schreiner [16] 
sind die Larven in schwächeren Kiefern in der Neumark und bei 
Dresden gefunden worden. 

Buprestis quadripunctata L. ist in seiner Jugend gleichfalls ein 
Kiefernbewohner, welcher schon von Rarzesurg [V, S. 52] in ab- 
gestorbenen jungen Pflanzen und Zaunlatten, aber auch in zehnjährigen 
jungen Stämmen gefunden wurde. Letzteres Vorkommen wird von 
Arrum [XVI, III, 1, S. 120] bestätigt, nach welchem dieser Käfer 


D 
32 


99 Kap. IX. Die Käfer. 


kümmernde Kiefernpflanzen zu tödten vermag. Er hat ebenfalls eine 
zweijährige Generation. Die von denen der übrigen Buprestiden nur 
wenig abweichenden Frassgänge mit Larve zeigt Fig. 115 auf S. 315. 

Schaden. Alle hier angeführten Agrilus-Arten. stimmen darin 
überein, dass durch den Frass der jungen Larven, welcher sich mit 
Vorliebe auf der Sonnenseite, Südwestseite, der befallenen Stämmehen 
hält, und gern von dem Ansatze eines Astes ausgeht, Heister oft in 
grösserer Ausdehnung zum Eingehen gebracht werden. Namentlich ist 
dies der Fall, wenn die Stämme völlig geringelt werden. Man kann 
den Frass in seinen späteren Stadien daran erkennen, dass sich die 
Rinde, namentlich die dünne, über den Larvengängen ein wenig hebt. 
An altem Frasse blättert sich die Rinde ab und reisst, wenn Ueber- 
wallung und Heilung eintritt. Trockene Lage begünstigt den Frass 
sehr, und unterdrückte Stämmchen werden am liebsten befallen. Auch 
verpflanzte Stämmchen werden gern von dem Käfer angenommen. 

A. viridis L. geht in erster Linie Buchen, dann Eichen, ferner Erlen, 
nach NÖRDLINGER auch Aspen und Linden, nach Aus und Gory Birken 
und nach Erıcnson sogar Rosen an. 

A. elongatus H»sr. und angustulus Irr. schädigen in erster Linie 
Eichen, sind aber auch in Buchen beobachtet worden. Ersterer frisst häufig 
in Verbindung mit Chrysobothrys affinis FABr. und Tomicus dispar. FABR. 

A. pannonicus PırLer ist ein typischer Eichenbewohner. 

A. betuleti Rarz. wurde aus Birken gezogen. 

A. subauratus Ger. ist von Ar,rum gleichfalls aus Eichen erzogen. 


Den stärksten Schaden von A. viridis L. hat Burkuarpr [V, I, Nachträge, 
S. 12— 16] im Brammwalde beobachtet. Im Jahre 1837 wurden daselbst 1400 Buchen- 
pflänzlinge in einer Kultur getödtet, von einer anderen Pflanzung gingen über 
die Hälfte, nämlich 300 Stück, ein. 

Am Harze wurden ausgedehnte Schäden, die sehr wahrscheinlich auf Agrilus 
angustulus Irr. zurückzuführen sind, an Eichen von 1—2m Höhe nach RATzEBURG im 
Jahre 1835 beobachtet; über ein Drittheil der gepflanzten Eichen gingen zu Grunde, 

Agrilus elongatus Hssr. ist 1876 nach Arrum [5] in den pommerischen Staats- 
forstrevieren an Eichen sehr schädlich geworden. Im Revier Grammentin gingen 
in diesem Jahre allein 7502 Eichenheister ein. Auch aus Rogelwitz, Regierungs- 
bezirk Breslau, wurden ihm ähnliche Fälle gemeldet. Diese Thatsachen wider- 
legen die Rarzesurg’sche Angabe, dass die Agrilenschäden im Westen häufiger 
sein sollen als im Osten. 


Auch Chrysobothrys affinis FABr. kann höchst wahrscheinlich für 
sich allein Eichenheister und schwächere Stangen zum Eingehen bringen, 
und der Schaden ist um so beträchtlicher, als der Angriff des Insektes 
an jungen Bäumen stets so tief erfolgt, dass der ganze oberirdische Theil 
eingeht. In den vorpommerischen Revieren Mühlenbeck und Torgelow 
ist nach Arrum [6, S. 39] am Ende der Siebzigerjahre dieses Insekt 
durch seine ausgedehnten, im Verein mit Agrilus elongatus Hssr. ver- 
übten Beschädigungen zur Kalamität geworden. 

Auch die Kiefernfeinde unter den Buprestiden, Chrysobothrys 
Solieri Lap. und Buprestis quadripunctata L., sind sicher im Stande, 
junge Bäume primär zum Eingehen zu bringen, doch liegen Berichte 
über wirklich grössere Schäden vorläufig nicht vor. 


Forstschädliche Buprestiden. 323 


Abwehr. Oberförster Kırcaner |5, S. 371] hat zum Schutze gegen 
Agrilus-Frass vorgeschlagen, noch nicht angegangene Stämmchen mit 
einem bis zur Krone reichenden Anstrich von 2 Theilen Lehm, 1 Theil 
Kalk und 1 Theil Kuhdünger zu versehen. Dieselbe Massregel dürfte 
sich unter Umständen auch gegen Chrysobothrys-Frass anwenden lassen, 
besonders gegen Chr. affinis Far. an Eichen. 

Das beste Vorbeugungsmittel dürfte aber hier, wie in so vielen 
Fällen, die Erziehung recht kräftiger Pflanzen sein, da erfahrungsgemäss 
unterdrückte und kränkelnde Stämmchen auf schlechtem Boden diese 
Käfer am meisten heranziehen. Auch rechtzeitige Durchforstungen werden 
sich namentlich gegen die Verbreitung der hier genannten Kiefernschäd- 
linge nützlich erweisen. 

Ist der Angriff des Insektes einmal erfolgt, so muss man die be- 
wohnten Stämmchen, noch ehe . die Käfer herausfliegen, im Monat Mai 
und in der ersten Hälfte des Juni herausnehmen und verbrennen. Man 
muss zu dieser Zeit, wenn die oben angegebenen Umstände etwa ein- 
treten, sehr aufmerksam sein, und sowohl nach dem Aussehen des Laubes 
oder der Nadeln sich richten, als auch die Rinde an vielen Stämmen 
bis zur Höhe von 1'5—2 m genau betrachten. 

Gehen die Larvengänge an Laubholzheistern nicht ganz bis auf 
den Wurzelknoten, so kann man durch Abschneiden des Stämmchens 
über diesem noch einen gesunden Ausschlag bewirken. 

Buprestiden, welche durch innere 
Ringelung gesunde Eichenzweige zum 
Absterben bringen. Zu dieser Gruppe ist 
vorläufig nur Agrilus (Coraebus) bifasciatus 
OLıv., der „zweibindige Eichenprachtkäfer” zu 
rechnen. 


A. bifasciatus Orıy. Der Käfer ist 11—15 mm 
lang, erzgrün und glänzend. Das letzte Drittel der 
Flügeldecken ist blauschwarz mit zwei, dicht mit 
greisen Härchen besetzten, zackigen Querbinden. 

Die nach dem Typus der Agrilini gebaute Larve 
ist bis 20 mm lang, der Prothorax 5 mm, die übrigen 
Ringe 4 mm breit. Auf der Rückenseite trägt der 
Prothorax ein bräunliches, im Gegensatz zu verwandten 
Formen durch zwei LäÄngsfurchen gekennzeichuetes 
Chitinschild. Afterglied in zwei gebräunte Chitinspitzen 
ausgehend [I8, S. 140, 4, S. 146]. 

Lebensweise. Der mehr auf den Süden 
angewiesene Käfer fliegt im Juni oder Juli, und Fig. 118. Von Agrilus 
das @ belegt die Maitriebe verschiedener Eichen a 

5 = UF 22 geringelter Eichenzweig 
namentlich auch der Kork- und Steineichen, mit nach Nörprinaer [XXIV, 
je einem Ei. Die Larve frisst anfänglich unter S. 5]. 


3 


24 f Kap. IX. Die Käfer. 


der Rinde, später in der Markröhre und schliesslich im Holze einen 
geschlängelten, mit Nagemehl angefüllten Gang durch mehrere Jahres- 
triebe 1—1'5n weit abwärts und wendet sich im Frühling des Jahres, 
in welchem sie sich verpuppt, wieder nach der Peripherie des Zweiges. 
Hier schneidet sie nun, ohne die Aussenrinde zu verletzen, die Innen- 
rinde, den Weichbast und Splint tief ein, indem sie einen scharfen, in 
sich zurücklaufenden oder doch spiraligen Gang (Fig. 118) nagt, der 
völlig die Saftzufuhr zu dem oben liegenden Stück verhindert. Sowie dies 
geschehen, dreht sie wieder nach oben in das Holz um und nagt schliess- 
lich oberhalb der Ringelstelle eine schleifenförmige gegen die Rinde zu 
gewendete Puppenwiege, in welcher der Käfer sich entwickelt, um 
schliesslich im Juni oder Juli durch die letzte dünne Deckschichte das 
bekannte Buprestidenflugloch zu nagen und so frei zu werden. Werden 
ältere Eichen stärker befallen, so zeigen sie dann als Folge des Frasses 
eine grössere Anzahl 1—2m langer dürrer Aeste. In Heistern und 
Schälwaldausschlägen geht der Frass meist bis in den eigentlichen 
Stamm; in Folge dessen stirbt die Krone ab. 

Nach Aurum ist die Generation im Elsass wenigstens dreijährig, 
wenn nicht vielleicht vierjährig. Dies. wird noch wahrscheinlicher, 
wenn man die sehr genauen Untursuchungen von A. pE TREGOMAIN 
über die Generation dieses Käfers in den Steineichen Südfrankreichs, 
namentlich des Departement du Gard, berücksichtigt. Hier ist nämlich 
die Generation schon sicher zweijährig, und man kann also annehmen 
dass sie in dem rauheren Elsass länger dauert. Sie stellt sich im 
Süden folgendermassen dar: 


Jan. | Febr. | März | April| Mai | Juni 


Juli | Aug. 


Sept. | Oct. | Nov. | Dee. 


| 7 et 


7 


Die Bekämpfung kann nur in dem rechtzeitigen Abschneiden 
und Verbrennen der befallenen Aeste vor dem Juni des Flugjahres 
bestehen, und muss mehrere Jahre hindurch fortgesetzt werden, wenn 
sie durchschlagend wirken soll. In Südfrankreich hält man nur das 
Entfernen der eben erst welkenden Zweige für rationell, weil bei 
späterem Abschneiden auch viele mit einem, vorläufig nicht näher 
bestimmten, Ichneumoniden besetzte Larven getödtet werden, und man 
also auch viele nützliche T'hiere vernichtet. 

Dieser Frass ist zuerst aus Südfrankreich durch ABEILLE DE PERRIN, CHAMPENOIS 
und Prrrıs [I8, S. 140—144] Ende der Sechzigerjahre genau geschildert worden. 


Der erste Forstmann, welcher den Schader würdigte, war TuIkrar, „conservateur 
des for&ts’”’ zu Nimes. Auf seine Veranlassung studirten REGIMBEAT, „inspeeteur des 


ur 


Forstschädliche Buprestiden. Elateriden im Allgemeinen. 325 


for&ts’”’ zu Nimes und pE TriGomAın, „sousinspecteur des forets” zu Uzes die 
Lebensweise des zweibindigen Eicheuprachtkäfers und legten ihre genauen, durch 
viele Abbildungen erläuterten Beobachtungen 1876 und 1877 in Bd. XV und 
XVI der „Revue des Eaux et For@ts” nieder. Der Hauptschaden geschieht hier 
in den in kurzem Umtriebe bewirthschafteten Steineichen-Niederwaldungen, und 
es werden namertlich die 20—25jährigen, dicht vor dem Abtriebe stehenden 
Bestände angegriffen. In Deutschland, wo der Käfer im Allgemeinen recht selten 
ist, trat er zuerst 1877 in dem Forstbezirke Colmar im Elsass in den Eichen- 
schälwaldungen auf, und wurde darüber zuerst von Aurum [4,] berichtet. 
Die zweite der Familien, in welche die Sternoxi des LATREILLE neuer- 
dings getheilt werden, sind die forstlich unwichtigen Eucnemidae, welche 
zwischen den Buprestiden und Elateriden die Mitte haltend jenen in Form 
und Lebensweise der Larven, diesen als Imagines ungemein nahe stehen. 
Sie weichen von beiden aber doch dadurch ab, dass wenigstens bei den 
typischen Gruppen die Fühler auf der Stirn eingelenkt sind und das Spring- 
vermögen meist mangelt. Von diesen gewöhnlich dunkelfarbigen, lichtscheuen, 
nächtlichen Thieren ist der auch noch mit schwachem Sprungvermögen begabte 
Trixagus (Throscus Late.) dermestoides L., ein 3—4 mm langes, röthlichbraunes 
Käferchen, mit anliegender, feiner seidenglänzender Behaarung am häufigsten. 
Die Larve von Melasis buprestoides L. wurde von NÖRDLINGER in einem starken 
Schwarzerlenstocke und dessen 10 cm starkem Ausschlage, der im Begriffe stand, 
in Folge dieses Angriffes einzugehen, angetroffen [XXIV, S. 6 und 7]. Auch in 
Eichen, Buchen und Birken ist sie gefunden worden. Da die Larvengänge hori- 
zontal im Stamm verlaufen, springt angegangenes Holz beim Spalten in dieser 
Richtung. Der Käfer selbst ist schwarz, S-9 mm lang und nahe verwandt mit 
dem ähnlich lebenden und gleichfalls schwarzen Tharops melasoides Lar. 
Allgemeines über die Elateriden. Die einfarbigen oder nur 
einfach gezeichneten, schwarz, braun, gelb oder roth gefärbten Käfer 
haben einen oft in das Halsschild eingesenkten, gerade vorgestreckten 
oder mehr weniger geneigten, niemals wie bei den 
Buprestiden senkrecht gestellten Kopf, mit mässig 
grossen, rundlichen Augen. Die elf- oder zwölfgliedri- 
gen, gewöhnlich einfach gesägten, mitunter gekämmten 
Fühler sind vor den Augen unter dem leistenartig 
vortretenden Seitenrande des Kopfes eingefügt. Die p;,, 119. Elater san- 
Mundtheile sind gut ausgebildet, die Oberlippe deut- guineus L. von oben 
lich entwickelt, die Vorderkiefer zweispitzig, die Mittel- gesehen, 
kiefer mit zwei Laden und viergliedrigen Tastern, die 
Hinterkiefertaster dreigliedrig. Das Halsschild ist zur Aufnahme starker 
Muskulatur polsterartig gewölbt und seine Hinterecken in zwei mehr 
weniger lange, nach hinten gerichtete Spitzen ausgezogen (Fig. 119 und 
Fig. 120a). Seine Unterseite ist vorn oft zu einer etwas nach unten ge- 
bogenen, die Mundwerkzeuge verdeckenden Platte(Fig. 120 b) ausgebildet 
und verlängert sich nach hinten in den Bruststachel (Fig. 120 ec), der in 
eine vor den Mittelhüften liegende Vertiefung der Mittelbrust (Fig. 120 d) 
frei versenkt werden kann. Die Beine sind einfach gebaut, mit linearen 
Schienen, Vorder- und Mittelhüften kugelig, Hinterhüften lang querge- 
zogen. Das Schildchen ist deutlich, die Flügeldecken langgestreckt, an der 
Basis etwas aufgetrieben, vorn bauchwärts umgeschlagen ni punktstreifig. 
Auf der starken Muskulatur der Biorderhinse dem Bruststachel 
und der Brustgrube, sowie der freien Beweglichkeit des Halsschildes 


326 Kap. IX. Die Käfer. 


gegen den übrigen Körper beruht das wichtigste biologische Merkmal 
der Elateriden, die Fähigkeit der sich bei Berührung todt stellenden 
Käfer, aus der Rückenlage ziemlich hoch emporzuschnellen, wobei 
sie dann gewöhnlich wieder auf die Beine kommen. Als Vorbereitung 
zu dem Sprunge biegen sie den Prothorax soweit nach der Rücken- 
fläche des Körpers zurück, dass seine Achse einen stumpfen Winkel 
mit der Achse des übrigen Körpers bildet und der Käfer hohl zu 
liegen kommt (Fig. 120 B); hierbei wird die Spitze des Bruststachels 
(c) fest an den Vorderrand der Brustgrube (d) angestemmt und wirkt 
gewissermassen als Stellholz. Indem nun das Thier mit starker Muskel- 
anstrengung plötzlich den Bruststachel wieder in die Brustgrube zu- 
rückscehnappen lässt, schnellt die Vorderbrust nach der Bauchseite vor 
(Fig. 120 C'), der aufgetriebene Basaltheil der Flügeldecken schlägt mit 
bedeutender Kraft auf die Unterlage in der Richtung des Pfeiles I und 
der Rückstoss treibt den Körper in der Richtung des Pfeiles II empor. 


Fig. 120. Elater (Corymbites) aeneusL. A von der Bauchseite.e B im Profil 

in der Stellung vor dem Sprunge, den Bruststachel am Rande der Brustgrube 

angestemmt. (€ im Profil im Anfange des Sprunges. a Ecken des Halsschildes, 

b vordere Verlängerung der Vorderbrust, c Bruststachel, d Brustgrube. Pfeil I 
Richtung des Stosses, Pfeil II Richtung des Rückstosses. 


Man findet die Käfer im Sommer auf Blumen, unter Rinden und 
Steinen. Ihre Flugzeit fällt nach Beume [Il, 6, S. 197] entweder in 
das Frühjahr oder in den Sommeranfang. Die im Frübjahre fliegenden 
Arten, zu denen sämmtliche bis jetzt bekannte Forstschädlinge gehören, 
sind bereits im vorigen Herbst aus der Puppenhülle geschlüpft und 
haben als Käfer überwintert; die erst im Anfang des Sommers 
fliegenden haben ihre, übrigens bei allen einheimischen Elateriden drei 
Wochen dauernde Puppenruhe im April, Mai oder Juni durchgemacht, 

Die im Boden oder morschem, faulem Helze lebenden Larven 
(Fig. 121),in der Praxis „Drahtwürmer’ genannt, ähneln bei oberfläch- 
licher Betrachtung in ihrer allgemeinen Körpergestalt, in der Färbung 
und Consistenz ihres Chitinpanzers ziemlich den bekannten Mehl- 
würmern, unterscheiden sich aber von ihnen sofort durch den ab- 
eplatteten Kopf mit gezähntem Vorderrande. Sie haben kurze drei- 
gliedrige Fühler, drei Paar kurze, robuste Beine, einen sparsam be- 
haarten Hinterleib und an der Unterseite des letzten Hinterleibsgliedes 
eine zapfenförmig vorragende Afterröhre. Sie treten in zwei Haupt- 


nA TE 


Allgemeines über Elateriden. 327 


formen auf. Die einen sind etwas abgeplattet mit gleichfalls abgeplattetem 
und nach hinten abgeschrägtem letzten Hinterleibs- oder Aftergliede, 
welches am Ende gewöhnlich einen tiefen, von zwei kurzen Spitzen be- 
grenzten Ausschnitt zeigt. Seitenränder und Spitzen des letzten Hinterleibs- 
gliedes meist gezähnt (Fig. 121 A). Die anderen sind drehrund mit gleich- 
falls drehrundem, kegelförmig zugespitztem Aftergliede (Fig. 121. B). 

Weitere Unterschiede zwischen den Tenebrioniden- und Elateridenlarven 
sind folgende: Bei den Tenebrionidenlarven hat der gewölbte Kopf einen ge- 
raden Vorderrand mit Epistom und Oberlippe. Mittel- und Hinterkiefer sind an 
ihrem Stammtheile nicht verwachsen; Mittelkiefer mit einfacher Lade. Der einge- 
drückte Kopf der Elateridenlarven hat dageren weder deutliches Epistom, noch 
Oberlippe. Mittel- und Hinterkiefer sind in ihren Stammtheilen verwachsen, der 
Mittelkiefer mit zwei Laden, von denen die äussere einen zweigliedrigen Taster 
darstellt, die innere sehr klein ist. Abweichende Formen sind die Larven der 
Agrypnini, welche auch an der After- 
röhre gebogene Zähne haben, sowie 
die weichhäutigen, langgestreckten, 
auch im Bau ihrer Mundtheile eine 
völlige Sonderstellung einnehmenden 
Cardiophorus-Larven. 

Die Elateridenlarven sind 
Allesfresser, welche sich sowohl 
von Humus und morschen Holz- 
theilen nähren können, als auch 
thierische Kost und pflanzliche 
Substanz zu sich nehmen, nament- 
lich im Boden liegende Sämereien 
und Pflanzenwurzeln angehen. 
Ueber die Dauer der Generation, 
die übrigens wahrscheinlich mehr- 4. B. 

Jährig ist, liegen noch keine siche- Fig. 121. Elateridenlarven. « von dem 


5 : ück b von der Seite gesehen. 
ren Nachweise vor. BELING ist ge- Rücken, i 
8 A von Lacon murinus L. B von Elater 


neigt, die Generation der meisten (Agriotes) lineatus L. 
Formen als dreijährig anzusehen. A a nach Scnöpre [I6, Pars IV, Taf. VI, 
UntersolcherVoraussetzung würde Fig. 2]. 


sich dieselbe für die zahlreichen A b und B Original. 


Formen mit Frühjahrsflugzeit graphisch folgendermassen darstellen lassen. 


| Jan. |Febr. | März | April| Mai | Juni | Juli | Aug. | Sept. | Oct. | Nov. | Dec. 


l \ 


1880 | N re Be ET ee ee a I Be 


1831 ------------------------ -— 


| en 


| 9 ade nun let 


1885 Me ee euer 


PER eeı 


[0 o) 


Kap. IX. Die Käfer. 


Die deutschen und europäischen Elateriden zerfallen in zwei 
Unterfamilien, die Agrypnini und die Elaterini, welche sich dadurch 
unterscheiden, dass bei ersteren die Fübler in tiefe, spaltenförmige, 
auf der Unterseite des Prothorax eingeschnittene Furchen eingeschlagen 
werden können, während bei den eigentlichen Elaterini diese Fühler- 
furchen fehlen. Wir fassen alle eigentlichen Elaterini in die Gattung 
Elater zusammen, die engeren Gattungen als Untergattungen behandelnd. 

Die forstschädlichen Elateriden. Die forstlich vorläufig ernst- 
licher in Frage kommenden Schnellkäfer sind von den Agrypnini 
Lacon murinus L., von den Elaterini Elater subfuscus MürL., E. aeneus 
L., E. lineatus L. und E. marginatus L. 


Die Gattung Lacon ist von den wenigen übrigen einheimischen engeren 
Gattungen der Agrypninen dadurch unterschieden, dass bei ihr die Fühlerfurchen 
nicht bis an die Hüften der Vorderbeine reichen. 

L. murinus L. Käfer. Dieser einzige, aber gemeine Vertreter der Gattung 
in Deutschland ist ziemlich breit, flach gewölbt und allenthalben mit dicht anlie- 
gender, grau und hellbraun oder weiss marmorirter Behaarung bedeckt. Länge 
11—16 mm. 

Die La»ve (Fig. 121. A) gehört zu den abgeplatteten Formen (vergl. S. 326) 
mit gezähntem und ausgeschnittenem letzten Hinterleibssegmente. Sie ist ziemlich 
gross, bis 26 mm lang, und von allen mit ihr verwechselbaren Verwandten durch 
den spitzwinkeligen Grund des Ausschnittes unterschieden. 

Die Gattung Elater begreift nach unserer Zusammenfassung die gesammten, 
nicht zu den Agrypninen gehörigen Schnellkäferformen. Sie wird in eine grössere 
Anzahl von Untergattungen zerlegt, von denen wir nur vier näher in Betracht 
zu ziehen haben, nämlich Athous EscascH, Corymbites Larrk., Agriotes 
EscascH., Dolopius Escuscn. Sie gehören sämmtlich zu denjenigen mit ein- 
fachen ungezähbnelten Fussklauen und nach aussen allmählich verschmälerten 
Hinterhüften, welche hier, weil sie zum Theil den angezogenen Schenkelring und 
Schenkel zu verdecken im Stande sind, Schenkeldecken genannt werden. Sie 
lassen sich durch folgende Kennzeichen unterscheiden: 


Stirn mit deutlicher Quer- 
kante, Tarsen stets theil- 


Stirn und Oberlippe wenig | weise erweitert -. -. ©. 2 2 2... .Athous 
geneigt, die Mundöffnung 
daher vorn am Kopfe. Stirn ohne deutliche Quer- 


kante, die schmalen Schen- 
keldecken nicht gezähnt . . . „.Corymbites. 


Stirn und Oberlippe auf [ Seitenrandlinie des Hals- 
die untere Fläche des | schildes auf die Unterseite 
Kopfes heruntergebogen, | herabgezogen . . . 2». 20.2... Agriotes. 
Querkante der Stirn undeut- 
lich, daher Oberlippe nicht | Seitenrandlinie auf der 
scharf von der Stirn ab- [| scharfen Seitenkante des 
gesetzt. Halsschildes hinlaufend . . » . . Dolopius. 


Die Larven von Athous und Corymbites gehören zu den abgeflachten 
Formen mit ausgeschnittenem und gezähntem Hinterleibsende, die von Agriotes 
und Dolopius zu den drebrunden. 

Elater (Athous) subfuscus Mürr. Käfer ziemlich langgestreckt, heller 
oder dunkler bräunlichgelb, der Kopf, das Halsschild mit Ausnahme der Ränder, 
die Brust und die Basis des Hinterleibes schwärzlich oder rehbraun. Halsschild 
breiter als lang, mit kurzen, nach hinten ein wenig hervortretenden Hinterecken, 
ohne Kiel. Flügeldecken punktstreifig, in den Zwischenräumen fein, aber deutlich 


u 


vorn aufhörender Mittelfurche und stark 


Die forstschädlichen Elateriden. 329 


punktirt. Die Tarsalglieder vom ersten an an Breite abn:hmend, das vierte 
ungefähr ebenso lang als das dritte. Länge 7—10 mm. 

Larve. Larve mässig abgeplattet, biconvex, stark glänzend, gleichmässig 
bräunlichgelb, mit dunklerem Kopf und Prothorax. Afterglied (Fig. 122 a) etwa 
um ein Viertel länger als breit, an den Seiten wulstig gerandet und hier jeder- 
seits mit vier kurzen, stumpfen, zahnartigen, nach hinten an Grösse bis zum 
vorletzten zunehmenden Höckern. Die Oberseite des Aftergliedes polsterförmig 
gewölbt mit kurzer Mittelfurche. Ausschnitt klein, an der Basis gerundet, am 
Hinterende eckig und fast ganz geschlossen. Die beiden Spitzen zweizahnig, 
der äussere Zahn lang, spitz und aufwärts gerichtet, der innere kurz und dick. 
Länge bis 18 mm bei 2 mm Breite [Il«, S. 289]. 

E. (Corymbites) aeneus L. Käfer. Ziemlich breit, flach gewölbt, glatt 
und glänzend metallisch in verschiedenen Nuancen. Fühler vom vierten Gliede 
an schwach gesägt, Halsschild ungefähr 
ebenso lang als breit, mit flacher, nach 


gekielten Hinterecken, mässig punktirt. 
Die Flügeldecken fein punktirt gestreift, 
mit flachen, sehr fein punktirten Zwischen- 
räumen. Beine dunkel metallisch oder 
roth. Länge 11—16 mm. Sehr gemein. 

Larve. Weniger abgeplattet, blass 
bräunlichgelb, an den beiden Enden 
etwas dunkler, Afterglied (Fig. 1225) 
ebenso lang als breit, mit leistenförmig 
erhabenem Rande, der aussen jederseits 
drei kleine, flache, stumpfe Höcker trägt 
und eine polsterförmig gewölbte, unregel- 
mässig gerunzelte, mit vier nach hinten 
eonvergirenden Längsfurchen gezeichnete 
Oberfläche einschliesst. Ausschnitt doppelt 
so breit als lang, an der Basis sehr flach ö 
gerundet, nach hinten gar nicht verenst, Bio! 1930 Die, Atterelieder 
die denselben begrenzenden Spitzen mit = A = 
zwei kurzen, dicken, schwarzbraunen 
Zähnen. Länge bis 23 mm bei 3:3 mm 
Breite [Ifa, S. 281]. 


einiger 
Elateridenlarven, und zwar von: 
a Elater (Athous) subfuscus MüÜrr.; 
b E. (Corymbites) aeneus L.; 

a - : . (Agriotes) lineatus L.; 

E. (Agriotes) lineatus L. (segetis 4 E. See L: 
BiERK.) Käfer greis behaart. Fühler, Füsse 4 5 nach Scuröpre [16, Pars V 
und Flügeldecken gelbroth, letztere mit a =: 13 und Taf X Fio 3 3 
abwechselnd dunkleren und helleren Be en 3]; 

: E: 3 ce und d nach der Natur; d nach einem 
Zwischenräumen zwischen den regel- Bere schenOrieinalexenalar 
mässigen Punktreihen. Unterseite und nt a ee 
Halsschild dunkelbraun, letzteres ebenso 
breit als lang, kissenaıtig gewölbt und an den Vorderecken stark herabgebogen, 
dicht punktirt. Flügeldecken vorn nur wenig breiter als das Halsschild, in der 
Mitte am breitesten. Länge 9 mm. Sehr gemein. 

Larve. Drehrund, schlank, blass bräunlichgelb (Fig. 121 5). Afterglied 
(Fig. 122c) ziemlich lang, schwach behaart, kegelförmig zugespitzt, in einen 
schwarzbraunen kurzen Stachel ausgehend, nur in der Mitte etwas erweitert. An 
seinem Vorderrande jederseits ein tiefdunkel umrahmter, runder Eindruck, von 
Beuing als Luftloch bezeichnet. Afterröhre in einem von dem vorderen Bauchtheile 
des Aftergliedes durch eine erhabene, bogenförmige Leiste abgegrenzten Felde 
stehend. Länge bis 20 mm, Durchmesser 2 mm [ll, a, S. 138]. 

E. (Dolopius) marginatus. L. Käfer langgestreckt, flach, spärlich greis 
behaart, bräunlich rostroth, am Grunde der Fühler, am Saume des Halsschildes 
und in einem breiten Längsstreifen auf der Mitte jeder Flügeldecke heller ge- 
zeichnet, so dass ein dunklerer Nahtstreif und jederseits ein dunklerer Randschatten 
entsteht. Beine gleichfalls heller. Länge 4 mm. Sehr gemein. 


22 
Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde, au 


350 Kap. IX. Die Käfer. 


Larve. Drehrund schlank, bräunlichgelb, glänzend fein und dicht punktirt. 
Afterglied (Fig. 122 d) ziemlich lang, fast vollständig kegelförmig, nur etwas in der 
Mitte erweitert, am hinteren Ende mit mehreren Reihen kleiner, gebräunter, je ein 
Haar tragender Warzen umgeben, von denen die zwei an der Spitze einander 
stark genäherten und eine etwas weiter nach vorn gerückte besonders deutlich. 
Ende des Aftergliedes in eine kleine braune Stachelspitze ausgezogen. Länge 
bis 15mm bei 1’6 mm Durschmesser [Il, a, S. 143]. 


Forstliche Bedeutung der Elateriden. Die bis jetzt bekannt 
gewordenen, durch Schnellkäfer verursachten forstlichen Schäden sind 
zunächst in den Käferfrass und den Larvenfrass einzutheilen. 

Die Käfer sollen mitunter junge Laub- und Nadelholztriebe 
derartig benagt haben, dass diese abstarben oder umknickten, und 
junge Pflänzchen am Wurzelknoten abgebissen haben. Irgend welche 
bedeutendere Beschädigung dieser Art ist aber nicht bekannt geworden. 

Schon RArzesurG [V, Bd.I, Nachtrag S. 7] berichtet über das Benagen von 
Rosenstengeln und Pfropfreisern durch Lacon murinus und Hryrowsky [I] beob- 
achtete 1863 in Böhmen, dass dieser Käfer „im Juni und Juli jung> Triebe von 
Eichen durchfrass, so dass sie vollkommen abtrockneten”. Am oben angeführten 
Orte wird ferner von RArzEBURG nach den Mittheilungen von SAxEsEN und 
BOoRKHAUSEN ein Frass von E. tesselatus an den Haupttrieben vier- bis sechsjähriger 
Fichten berichtet, in Folge dessen Saftausfluss und gelblicher Ueberzug der Triebe 
auf eine Ausdehnung von ungefähr 50 cm eintrat. Dieselben knickten nun leicht 
ab. Da der Name des Autors nicht angegeben ist, lässt sich nicht entscheiden, 
welche von den beiden häufigen Arten, E. (Corymbites) sjaelandicus Mürr. — 
C. tesselatus FABRr. oder der jetzt C. tesselatus L. genannte (. holosericeus 
Orıv. gemeint ist. Auch von E. (Corymbites) castaneus L. wird nach SAXESEN 
angegeben, dass er sich in „Knospen’” einfrässe. Die Bemerkung, dass auch junge 
Pflänzehen über dem Wurzelknoten in der Erde von Schnellkäfern abgefressen 
würden, beruht auf der vorläufig vereinzelten Mittheilung von Brume [I2] welchem 
eine grössere Anzahl von zweijährigen, in Büscheln gepflanzten Kiefern in dieser 
Weise von E. marginatus L. vernichtet worden sind. 

Bei weitem wichtiger sind die Schäden, welche die Elateriden- 
larven anrichten. Zunächst fressen sie in Saaten und Saatkämpen 
ie keimenden Samen an oder aus. Dieser Frass ist an Eicheln, 
Bucheln, Ahorn- und Hainbuchensamen, sowie an den verschiedensten 
Nadelholzsämereien mehrfach in so ausgedehntem Massstabe aufgetreten, 
dass der ganze Anbau in Frage gestellt oder vernichtet wurde. Ferner 
ist mehrmals ein starker Frass an den Wurzeln und den unterirdischen 
Stammtheilen junger Nadelhölzer und älterer Laubhölzer beobachtet 
worden. Achnlicher Schaden ist ferner seit langer Zeit an den 
Wurzeln von Feld- und Gartenfrüchten, namentlich an den Wurzeln 
des Getreides bekannt, und es sind als Schädlinge die Larven der 
oben näher charakterisirten vier Elaterenarten sicher nachgewiesen. 
Es dürften dies aber durchaus nicht die einzigen so thätigen 'Thiere 
sein, und es empfiehlt sich, zur Erweiterung unserer Kenntnisse in 
jedem neuen Falle die Schädlinge zur Bestimmung an einen Fachmann 
einzusenden. 

Unsere Mittel zur Abwehr solcher Schäden sind augenblicklich 
noch sehr gering, und man kann ihnen nur dadurch vorbeugen, dass 
man an solchen Stellen, an denen bei der Bodenbearbeitung sich 
eine grössere Menge von Drahtwürmern zeigt, entweder die beab- 


Die forstliche Bedeutung der Elateriden. 351 


sichtigte Kultur vorläufig aufgibt, oder aber die Drahtwürmer 
sammeln lässt oder sie dadurch vernichtet, dass man den Rasen, 
zwischen dessen Wurzeln sie sich ursprünglich aufhalten, verbrennt 
und erst dann untergräbt. Von landwirthschaftlicher Seite [XX, II, S. 
61] wird empfohlen, Oel- und Rapskuchen in haselnussgrossen Stücken 
in den Boden zu bringen, weil diese die Drahtwürmer anlocken, 
zugleich aber auch vernichten sollen. (?) 


Ueber Samenbeschädigungen durch Elateridenlarven berichtet zuerst Tu. 
Harrıc [14], welcher angibt, dass „Springkäferlarven” sich in einer Ahornsaat 
besonders häufig in das Innere des keimenden Samens einfrassen. 

Genauere Angaben macht zuerst Wıssmann in einem Briefe an RATZEBURG 
[XV,II,S.358]. Es handelt sich hier um die 1860 mehrfach beobachtete Vernichtung 
keimender Bucheln, in welche sich die Larven von der Spitze her einfrassen. 
Ohne sicheren Beweis wird als Thäter die Larve von E. subfuscus Mürr. an- 
gesehen, eine Vermuthung, die uns aber um so wahrscheinlicher ist, als in der 
Tharander Sammlung eine Buchel unbekannten Ursprunges mit eingebohrter Larve 
vorhanden ist, welehe mit Sicherheit so bestimmt werden kann. Ueber ähnliche 
Schäden, welehe dureh Förster MüLLer im Revier Torfhaus im Harze an einer 
Buchenplätzesaat 1876 beobachtet wurden, berichtet ferner Arrum [3, 8. 76]. 

Grössere Zerstörungen an Eichelsaaten erlitt 1876 Oberförster MÜLLER 
zu Uslar [2 und 3, S. 76]. Die Cotyledonen waren stark von den Larven durch- 
bohrt, die Keime dagegen anfänglich unversehrt. Die 
Larve von E. lineatus L. war hier die Tohäterin. G 
Der Kamptheil, in welchem die Larven frassen, wurde 
völlig vernichtet. Ein grösserer Frass an Saateicheln 
aufeiner eirca 3 ha grossen Fläche wurde durch Revier- 
törster DiETZE 1882 auf dem Forstrevier Burgaue bei 
Leipzig beobachtet. Hier waren wesentlich nur die 
Cotyledonen (Fig. 123) angegangen, und es entwickelten fig. 123. Eichel mit zwei 
sich einige in Tharand in Töpfe eingelegte, oft von in den einen Samenlappen 
mehreren Larven angegangene Eicheln noch ganz eingefressenen Larven von 
normal. Auch die Saat selbst hat sich, wie wir uns Fjater subfuscus Mürr. 
im Sommer 1886 überzeugen konnten, nach einigen 
Nachbesserungen ziemlich gut entwickelt. Nach der Bestimmung von NITSCHE 
waren an dem Frasse betheiligt die Larven von Lacon murinus L., Elater 
subfuscus Mürr., E. aeneus L. und E. lineatus L. 

Im Frühjahr 1876 fand Bruing [9, S. 95] mehrfach Larven von E. sub- 
fuscus Mürr, in Mittelwaldbeständen unter der Laubdecke des Bodens mit dem 
Kopfe tief innerhalb der hornigen, klaffenden Hülle ksimender Hainbuchen- 
samen stecken, mit der Zernagung des Samenkorns beschäftigt. In einem Ge- 
fässe mit Walderde unterhaltene Larven zernagten Bucheln, Eicheln und 
Haselnüsse. 

Den bedeutendsten Schaden, den wir kennen, haben Elaterenlarven an 
Nadelholzsamen angerichtet. Von der Herrschaft Nassenfuss in Krain berichtet 
Jupeıcah |[I0, S. 312) nach brieflicher Mittheilung des Besitzers, Baron v. Brrs, 
Folgendes: In einem mit 5°5%y angekeimten Nadelholzsamen — Fichte, Tanne, 
Schwarzkiefer und Lärche — im April 1879 besäten Saatkamp wurden sämmt- 
liche Samen von einer Agriotes-Larve ausgefressen. In Mai wurde die, Fläche 
umgestochen, abermals mit der gleichen Menge Samen besät, und wurden die 
Rillen mit verdünnter Carbollösung begossen. Nach 14 Tagen war aber 
abermals sämmtlicher Samen ausgefressen, so dass die Erziehung von Pflanzen 
auf dieser Fläche aufgegeben werden musste. Einige in einem Glase mit Erde 
eingesperrte Larven frassen eingestreuten Nadelholzsamen in vier Tagen voll- 
ständig aus. 

Die ersten Angaben über die Beschädigung junger Holzpflanzen durch 
Elateridenlarven rühren von Th. Harrıc her, welcher die Thatsache beiläufig bei 
Gelegenheit der obenerwähnten Brum’schen Beobachtung vorbringt. Auch hierbei 


22* 


992 Kap. IX. Die Käfer. 

soll E. marginatus L. der Thäter gewesen sein. 1874 beobachtete dann nach 
Arıum |I] Bünte auf der Oberförsterei Falkenhayn bei Spandau den Frass von 
Elaterenlarven an den Thauwurzeln und bis 7 mm starken Pfahlwurzeln junger 
Akazienpflanzen. An letzteren war die Rinde völlig unterhöhlt. Die Thäter waren 
nicht sicher zu bestimmende Elateridenlarven mit ausgeschnittenem Aftergliede 
[3, S. 80]. Ferner sind Aurum [5, S. 78] Beschädigungen von einjährigen Fichten- 
pflänzchen aus Spiegelsberge bei Bielefeld und an Kiefernpflänzchen aus Lietze- 
görke, Regierungsbezirk Frankfurt a. d. Oder, bekannt geworden. In beiden 
Fällen waren meist die Thauwurzeln ab- und auch die Pfahlwurzel durch- 
gefressen. Aus den Thätern wurde E. marginatus L. und E. aeneus L. er- 
zogen. Auch in Schöneiche in Schlesien beobachtete Oberförster Gupovius einen 
ähnlichen Frass an einjährigen Kiefern [13]. Bauniscn [8, S. 313] berichtet, dass 
er am 10. Mai 1884 in einem Besamungsschlage im Odergebirge m Mähren 
30 bis 40 Procent der aufgegangenen Tannensämlinge von einer Elateriden- 
larve unmittelbar unter der Bodenoberfläche abgebissen gefunden und die Larve 
in vielen Fällen bei der Arbeit beobachtet habe. Aus dem häufigen Vorkommen 
von Elater (Athous) niger L. und E. (Agriotes) aterrimus L. in der 
genannten Oertlichkeit schliesst er, dass die Schädlinge die Larven dieser beiden 
Arten gewesen seien. 


Literaturnachweise zu dem Abschnitte die Pracht- und 


Schnellkäfer. — I, Arrum, Elaterenlarven. Zeitschr. f. Forst- und 
Jagdw. Bd. VII, 1875, 8. 369. — 2. Derselbe. Elaterenfrass an 
Saateicheln. Daselbst Bd. VIII, 1876, S. 498. — 3. Derselbe. Die 


forstschädlichen Elateren. Daselbst. Bd. X, 1879, S. 73—81. — 4. Der- 
selbe. Der zweibindige Prachtkäfer Buprestis bifasciata OL. (ein 
neuer Eichenfeind). Daselbst Bd. XI, 1879, S. 145—151. Mit Ab- 
bildung. — 9. Derselbe. Zwei Eichenheister-Prachtkäfer, Buprestis 
(Agrilus) tenuis und coryli. Daselbst Bd. XI, 1879, 8. 365—371. 
Mit Abbildungen. — 6. Derselbe. Buprestis (Chrysobothrys) affınis 
Far. Daselbst. (Ein neuer Eichenfeind.) Bd. XII, 1880, 8. 35 bis 
41. — 7. Derselbe. Der Linden-Prachtkäfer Buprestis (Lampra) 
rutilans Fasr. Daselbst. Bd. XII, 1880, S. 99—101. — 8. Bauniscn, F. 
Die Elaterlarve als Tannenschädling, Centralblatt f. d. ges. Forstwesen. 
X. Jahrg., 1884, 8..312 und 313. — 9. Beumg. Ueber Elateriden- 
frass. Tharand. forstl. Jahrbuch. Bd. XXVIIL, 1878, 8. 93—95. — 
I0. Derselbe. Ueber Schnellkäferlarven. Daselbst. Bd. XXIX, 1879, 
S. 305—312 mit Anmerkung von Jupeıcah. — Il. Berinc, Th. Beitrag 
zur Metamorphose der Käferfamilie der Elateriden. Deutsche entomolo- 
gische Zeitschrift a) Bd. XXVI, 1883, S. 129—144, 8. 257—304, b) 
Bd. XXVIII, 1884, 8. 177—216. — 12. Brume, in Verhandlungen des 
Hils-Solling-Forstvereines, Jahrg. 1858, S. 36 und 37. — 13. Ba. (Borc- 
GrevE). Abermaliser Frass von Elateriden-(Springkäfer-)Larven auf 
Kiefernsaatbeeten. Forstliche Blätter, XV. Jahrg., 1878, S. 319 und 
320. — 14. Harrıc, Th. Das Insektenleben im Boden der Saat- und 
Pflanzkämpe. Kritische Blätter für Forst- und Jagdwiss. Bd. XLII, 


Heft I, S. 146. — 15. Heyrowsky, in Vereinsschr. f. Forst-, Jagd- u. 
Naturkunde, herausgeg. v. d. Verein böhmischer Forstwirthe 1864, Heft IL, 
S. 73. — 16. Scmöpte, J. C. De Metamorphosi Eleutheratorum Ob- 


servationes. Kopenhagen 1861—1872, Vol. I. Pars IV und V. Mit zu- 
sammen 10 Tfln. — 17. Schreiwer. Ueber das Vorkommen zweier ge- 


FR" 


Literaturnachweise. Die Weichkäfer und ihr Schaden. 3585 


fährlichen Buprestiden (Chrysobothrys Solieri Lap. und Phaenops eyanea F.., 
in der gemeinen Kiefer. Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen. Bd. XIV) 


1882, 8. 52. — I8. Perrıs, E. Histoire des Insectes du Pin maritime. 
Troisieme Suite. Annales de la societ& entomologique de France 1854, 
ser. 3, Bd. II, p. 84-160, Til. 4 und 5. — 19. Derselbe. Larves 


des Col&opteres. 8. Paris 1877. 


Die forstschädlichen Käfer aus den übrigen Familien der 
Pentameren und der Heteromeren. 


Merklich forstschädliche Insekten umfassen ausser den soeben aus- 
führlicher behandelten Familien der Pentameren noch die Malacodermata, 
Lymexylonidae und Anobiidae, sowie unter den Heteromeren die Meloidae. 

Die Weichkäfer, Malacodermata, sind, wie schon der Name 
besagt, besonders durch die wenig feste Chitinbedeckung ausgezeichnet. 
Allgemein bekannt sind die um die Sommersonnenwende fliegenden 
Leuchtkäfer, unter denen Lampyris (Lamprorhiza) splendidula L. 
die bei uns verbreitetste Art ist, und die im Frühjahre häufigen 
„Schneider”’, zu der Gattung Cantharis L. gehörig. Von einigen ge- 
meinsten Arten von Cantharis hat man beobachtet, dass sie im Früh- 
jahre die Triebe junger Eichen unter der Spitze angenagt und ausgesogen 
haben, worauf der oberhalb der Verwundung gelegene Theil welkte und 
leicht abbrach. Cantharis fusca L., C. obscura L. und vielleicht auch 
C. rustica Farr. haben in einzelnen Fällen so geschadet, sind also 
wirthschaftlich auf die gleiche Stufe zu stellen mit den Imagines einiger 
Elateriden (vergl. S. 330). 

Beschreibung. Die Malacodermata, auch Cantharidae genannt, sind 
ziemlich langgestreckte, weiche, biegsame Käfer mit lederartiger Bedeckung. Sie 
haben zehn- bis elfgliedrige, faden- oder borstenförmige, gesägte oder gekämmte, 
an der Stirn eingefügte Fühler, viergliedrige Mittel- und dreigliedrige Hinter- 
kiefertaster und gewöhnlich ganzrandige Augen. Die Vorder- und Mittelhüften 
ragen walzenförmig vor, die vorderen haben einen Anhang, die Hinterhüften sind 
erweitert, die Schenkel sind an der Seite des Schenkelringes befestigt und die 
Schienen meist ohne Enddornen. Die @ einiger Arten sind ungeflügelt. Ihre frei 
lebenden Larven sind sämmtlich Fleischfresser und scheinen sich vielfach von 
Schnecken zu nähren. 

Die Vertreter der einzigen hier zu erwähnenden Unterfamilie, der Cantha- 
rini, haben im Gegensatz zu den Leuchtkäfern, deren Kopf fast vollständig unter 
dem Halsschilde verborgen ist, einen freien Kopf, eine nicht deutlich entwickelte 
Oberlippe, gerundete, nicht zusammengedrückte Beine. Das vierte Tarsalglied ist 
zweilappig und der Hinterleib siebengliedrig. 

In der Gattung Cantharis L. sind die Käfer erkennbar an den vor den 
Augen auf der Stirn voneinander entfernt eingefügten Fühlern, dem beilförmigen 
Endgliede der Taster, dem quer viereekigen, an den Vorderecken abgerundeten 


Halsschild, den langgestreckten, abgeflachten Flügeldecken mit parallelen Rändern, 
die den ganzen Hinterleib bedecken, und den einfachen oder an der Wurzel 


334 Kap. IX. Die Käfer. 


zahnförmig erweiterten Fussklauen. Bei den in Frage kommenden Arten isi 
letzteres nur an der äusseren Klaue der Fall. 

Die Larven treten mitunter in riesiger Menge auf dem Schnee auf, heissen 
im Volksmunde „Schneewürmer” und sind häufig im Verdacht gewesen, vom 
Himmel gefallen zu sein. 

C. obscura L., der Eiehenweichkäfer, ist schwarz, sparsam und kurz 
grau behaart, nur die Seitenränder des Halsschildes, die beiden Wurzelglieder 
der Fühler und die Seitenränder der Bauchriage gelbgesäumt. Länge 9—13 mm. 

C. fusca L., gleichfalls schwarz, nur die Vorderhälfte des Kopfes, die 
Fühlerwurzeln, das Halsschild, mit Ausnahme eines schwarzen Fleckes am Vorder- 
rande, und die Seitenränder des Hinterleibes gelbroth. Länge 11—15 mnı. 

C. rustica FArr. ist der vorigen Art sehr ähnlich, aber der schwarze Fleck 
nimmt die Mitte des Halsschildes ein, und wenigstens die Schenkelbasis der 
Vorderbeine ist roth. Länge 10 bis 14 mm. 

Forstliche Bedeutung. Die von diesen Thieren angerichteten Schäden 
sind zuerst von RATZEBURG auf die Autorität einiger Beobachter in den Rhein- 
landen hin bekannt gemacht worden. Anfangs der Fünfzigerjahre wurden von 
KöLEer und ScHröper in der Oberförsterei Hürtsen, Regierungsbezirk Aachen, in 
fünf- bis achtjährigem Eichenschälwalde C. obscura L. in ungeheurer Menge 
an den jungen Trieben der Stockausschläge gefunden. Diese wurden unter- 
halb der Spitze angenagt, bis sie umknickten. Die Nagestelle wurde sofort, 
später auch der ganze Trieb schwarz |19]. Eine ähnliche Beschädigung, aber an 
verschulten, fünf- bis fünfzehnjährigen, stämmigen Eichenheistern, beobachtete 
Ende Mai, Anfang Juni im Jahre 1861 Bor@erevE in der Oberförsterei Tronecken, 
Regierungsbezirk Trier. Auch hier war C. obscura L. die Hauptthäterin und die 
beiden anderen Arten nahmen nur in geringem Masse an der Beschädigung 
theil [18]. Zusammengestellt hat RAarzesurc die ihm bekannten Fälle in seiner 
Waldverderbniss [XV, II, S. 162 und 358, Tl. 42, Fig 11 und 12]. 

Nach Dözxer [XIV, II, S. 77] ist die gleiche Beschädigung durch C. fusca L. 
im Spessart auch an Kieferntrieben beobachtet worden. An den Eichen scheint 
mitunter ein Zuwachsverlust einzutreten, trotzdem der Johannistrieb den Schaden 
gewöhnlich ausgleicht. Gegenmittel gegen diese Schädlinge haben sich noch nicht 
nöthig gemacht und könnten höchstens im Abklopfen und Sammeln der Käfer 
bestehen. 


Die kleine Familie der Lymexylonidae, welche in ilrem 
äusseren Habitus den Cantharis-Arten und Verwandten nahe steht, aber 
gestreckter und weniger abgeplattet ist, bildet einen Uebergang von 
den Weichkäfern zu den Nagekäfern, den Anobiidae. Wir fassen 
hier die beiden gewöhnlich unterschiedenen Gattungen in eine, 
Lymexylon, zusammen. Von den beiden häufigeren, hier hauptsächlich 
zu erwähnenden Arteu ist Lymexylon (Hylecoetus) dermestoides L., 
ein sehr gewöhnlicher Bewohner der im Walde stehen gebliebenen 
Stöcke, namentlich der Tannen- und Buchenstöcke, an denen dann 
die gruppenweise zusammensitzenden Bohrlöcher der Larven wie durch 
einen Schuss groben Schrotes verursacht aussehen. Das von den Larven 
ausgeworfene grobe Nagemehl liegt mitunter in grosser Menge um 
stark bewohnte Stöcke herum. Ein forstlicher Schaden erwächst durch 
dieses Thier nicht, Lymexylon navale L. geht schon im Walde an- 
brüchige Eichen an, wird dann aus dem Walde auf die Holzlagerplätze 
verschleppt, pflanzt sich hier in dumpfig lagerndem Holze weiter fort, 


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Weichkäfer und Lymexyloniden. 335 


und ist seit dem vorigen Jahrhundert als Zerstörer der Eichenholz- 
vorräthe auf den Werften berüchtigt. Daher sein deutscher Name Werft- 
käfer. Aus der allerneuesten Zeit sind uns gerade von den Werften her, 
in denen allerdings seit Einführung des Eisens und Stahles als Haupt- 


baumaterial für grössere Schiffe die Eichenholzvorräthe abgenommen 


haben, grössere Klagen über diesen wohl stets nur technisch schädlichen 


Käfer nicht bekannt geworden. 


Beschreibung. Die Lymexylonidae sind langgestreckte, fast walzige 
Käfer mit freiem Kopfe, fadenförmigen, gesägten oder gekämmten Fiihlern, 
schwachen Mundwerkzeugen, lang zapfenförmigen, vorstehenden Hüften und sechs- 
bis siebengliedrisem Hinterleibe. 

Ihre im Holze lebenden weisslichen Zarven sind langgestreckt, mit 
kapuzenförmiger, über den Kopf etwas 
übergreifender Vorderbrust und kurzen 
Beinen. 

Die Gattung Lymexylon in unserem 
Sinne umfasst die Formen mit gut ent- 
wickelten Flügeldecken im Gegensatz zu der 
die Tropen bewohnenden Gattung Atractoce- 


rus mit sehr verkürzten Flügeldecken. Fig. 124. Mittelkiefer- 

Bei der Untergattung Hylecoetus tastermitQuastenanhang 
verbergen die Flügeldecken den ganzen auf von Lymexylon der- 
der Bauchseite siebengliedrigen Hinterleib, mestoides L. 


während sie bei der Untergattung Lymexy- 
lon im engeren Sinne noch die Spitze des 
sechsgliedrigen Hinterleibes freilassen. 

L. (Hylecoetus) dermestoides L. 
Der Käfer dieser sehr verbreiteten Art ist 
durch einfach gesägte Fühler in beiden 
Geschlechtern ausgezeichnet. mit einem 
grossen, sehr deutlich hervortretenden, 
büschelförmigen Anhange am zweiten Gliede 
des Mittelkiefertasters (Fig. 124). Es kommt 
in zwei Färbungen vor: ZL. morio FABR. 
ist schwarz, mit schwarzen oder wenigstens 
dunkelbraunen Flügeldecken, ZL. proboseideus 
FAer., gleichfalls schwarz, aber mit gelben 
Beinen und Flügeldecken, letztere an der 
Spitze gebräunt. Die Z dieser in der Grösse 
stark variirenden Art sind meist kleiner wie die @. Länge des d 6-13 mm, 
des @ I—20 mm. 

Die Larve, bis 22 mm lang, hat einen glatten, fühlerlosen Kopf mit deut- 
licher Gabellinie und sehr festen, schneidenden Vorderkiefern. Die Vorderbrust 
ist stark und gewölbt, mit gekörnter Rückenplatte, die beiden hinteren Brust- 
ringe sind ebenso stark als die acht vorderen Hinterleibsringe. Das neunte 
Hinterleibsglied ist in einen langen, an der Spitze zweitheiligen, mit Chitin- 
zäbnen versehenen Schwanzfortsatz ausgezogen (Fig. 125 A). 

Im Norden Deutschlands tritt an Stelle des L. dermestoides L. eine 
andere Art, die sich beim Z durch gekämmte Fühler und einen einfachen, nicht 
quastenförmigen Anhang des dritten Gliedes der Mittelkiefer auszeichnet. Es ist 
dies L. (Hylecoetus) flabellicornis Scuxeim. 

Lymexylon navale L. Käfer. 5 mit quastenförmigem Anhange an dem 
dritten Gliede der Mittelkiefertaster, schwarz, ein Fleck vorn auf der Flügel- 
deckennaht, Hinterleib und Beine gelb. @ röthlich oder lehmgelb, Kopf und 
Flügeldeckenspitzen schwarz. Länge sehr verschieden, 5—12 mm. 


Fig. 125. A. Larve vonLymexylon 
dermestoidesL. (Original.) BLarve 
vonL. navale L. nach RATzegurg. 


6 Kap. IX. Die Käfer. 


Larve derjenigen der vorigen Art ähnlich, aber dadurch leicht unter- 
scheidbar, dass das letzte Segment nicht in einen lang zugespitzten, sondern 
in einen cylindrisch nach oben aufgetriebenen, mit kurzen Dornen besetzten 
Fortsatz endet. Unten hat sie eine etwas vorstehende Afterröhre. Füsse drei- 
gliedrig, mit einfachen Klauen und behaart. Kopf stark. Länge ungefähr 
14 mm (Fig. 125 D). 

Lebensweise. Die Flugzeit von L. dermestoides L. fällt mit dem 
Buchenausschlag zusammen, also in den April oder Mai [15]. Das Weibchen legt 
seine Eier in Ritzen alter Stöcke von Tanne, Eiche, Buche, Birke, Ahorn u. s. £. 
und scheint zur Einbringung derselben mitunter bereits vorhandene Gänge 
anderer holzbewohnender Käfer, z. B. des Tomicus domesticus L. zu benutzen. 
Wir finden dann späterhin die Larven in drehrunden, bogenförmig im Inneren 
des Holzes verlautenden Gängen, welche an ihrem dünneren Anfangsende aller- 
dings mit Bohrmehl vollgestopft sind, aber auch, wenn sie noch von der Larve 
bewohnt werden, in Verbindung stehen mit frei an der Oberfläche des Stockes 
mündenden Ausfuhrkanälen, durch welche die Larven während ihrer Arbeit mit- 
unter soviel Bohrmehl auswerfen, dass man im ersten Augenblicke glaubt, solch 
ein Stock wäre frisch abgesägt und es läge noch das Sägemehl da. Die Art, 
wie die Larven diese Ausfuhrkanäle herstellen und überhaupt die ganze Art 
ihrer Arbeit ist noch nicht völlig klargelegt. Durch diese Kanäle fliegen dann 
auch die Käfer aus, deren Generation einjährig zu sein scheint. So häufig dieser 
Käfer auch im Walde dem Forstmann begegnet, so kann er doch nicht als forst- 
schädlich angesehen werden, ja nach einer neueren von Purox [4] mitgetheilten 
Anschauung von MaArnrEu soll die Larve Insekten fressen, also fast nützlich sein 
und mit ihren Gängen das Holz nur deshalb durchwühlen, um auf die holz- 
bewohnenden Borkenkäferlarven Jagd zu machen. Auf die Schwierigkeit, diese 
Nahrung in allen Fällen zu finden, wird von Puroxn die so sehr auffallenden 
Grössendifferenz der Käfer zurückgeführt, die Zwerge sollen eben Hungerleider 
sein. Definitive Aufklärung können nur neue Untersuchungen geben. 

Die Flugzeit von L. navale L. fällt gewöhnlich in den Juni oder Juli. 
Das Weibchen belegt ältere Eichenstämme, sowohl gefällte als stehende, mit 
seinen Eiern, aber stets nur an solchen Stellen, an denen die Rinde entfernt ist 
oder an Sägeschnitten, und zwar in bereits vorhandene Risse. Auch an Edel- 
kastanien hat v. Heyoen [XXIV, S. 9] Versuche, die Eier abzulegen, gesehen. 
Die Larven fressen dann ähnliche, nur dünnere Gänge wie die Hylecoetus- 
larven, aber auch über die normale Form dieser sind wir schlecht unterrichtet, 
da die erste von Lınxü; gegebene und von Rarzesuxg [V, I, S 40] reprodueirte 
Abbildung kaum der Wirklichkeit völlig entsprechen dürfte. Lınsö beobachtete 
auf einer Reise durch Westgothland eine grosse Verheerung durch diese Thiere 
auf der Admiralitätswerfte bei Gothenburg, die ihm in seiner Reisebeschreibung 
zu der Bemerkung veranlasste: „Bewunderungswürdig, dass ein so elender Wurm 
für so viele tausend Thaler Schaden thun kann!” Es wird erwähnt, dass neuer- 
dings auch in Pola, dem österreichischen Kriegshafen an der Adria, ähnliche 
starke Verwüstungen vorgekommen sein sollen. Authentische Darstellungen der- 
selben sind uns nicht bekannt. Auf den Hamburger Werften ist der Käfer jetzt 
unbekannt. Vermeidung der Aufnahme bereits befallener Stämme in die Hoiz- 
vorräthe dürfte die Einschleppung des Käfers, und Antheeren des gelagerten Holzes, 
welches schon Linx& empfiehlt, die Weiterverbreitung desselben verhindern. 


Anmerkung über holzzerstörende Seethiere. Wir nehmen 
hier Gelegenheit, einige Thiere zu erwähnen, die zwar weder zu 
den Insekten gehören, noch dem Forstmanne in seinem eigentlichen 
Wirkungskreise begegnen, dennoch aber für ihn dasselbe Interesse 
haben wie der Werftkäfer, nämlich als Zerstörer von Nutzhölzern, 
allerdings nicht auf dem Lagerplatze, sondern an der Stelle ihrer 
Anwendung, im Meere. Dieselben sind zum Theil schon durch 
NÖRDLINGER |l2, S. 197—203] in die forstliche Literatur eingeführt. 


Badia 


Lymexyloniden. Anmerkung über holzzerstörende Krebse. 33 


Es sind zunächst zwei kleine Krebse zu nennen, welche an 
den europäischen Küsten die Oberfläche des im Meere versenkten 
und nicht von Schlamm bedeekten Holzwerkes mit maeandrischen 
Gängen durchsetzen, nämlich die Bohrassel, Limnoria lignorum 
Rartuke (terebrans Lracn) und der Bohrflohkrebs, Chelura terebrans 
Paıw. Vielfach vergesellschaftet und in ihrem Frasse einander sehr 
ähnlich, fügen sie namentlich den Hafenbauten vielen Schaden zu. 


Beide sind Mitglieder der Ordnung der Ringelkrebse, Arthrostraca, welche 
zwar mit den Schalenkrebsen, Thoracostraca, zu denen unser gewöhnlicher 
Flusskrebs gehört, in der Zahl der Leibessegmente und Gliedmassen überein- 


Paıtıprr von der Seite gesehen. B. Die Bohrassel Limnoria lignorum RArukE 

vom Rücken gesehen. FI und F II die beiden Fühlerpaare. B. die sieben freien 

_ Brustringe. H der Hinterleib. Die Leibesringel sind mit römischen, die Glied- 
massen mit arabischen Zahlen bezeichnet. Beide Figuren 10mal vergrössert. 

Frass von Limnoria in Nadelholz nach einem vom Professor Dr. Morsıus an 
der Ostküste von Schleswig gesammelten Exemplare. Natürliche Grösse. 


stimmen, aber durch die nicht gestielten, sitzenden Augen und den Mangel des 
eigentlichen grossen Rückenschildes unterschieden sind. Die 13 Segmente des 
Vorderleibes verschmelzen nämlich nicht, wie bei unserem Flusskrebs zu einem 
einzigen grossen Kopfbruststück oder Cephalothorax, sondern es treten nur die 
sechs ersten, die beiden Fühler-, die drei Kiefer- und ein Kieferfusspaar tragenden 
zu einem kleinen Cephalothorax zusammen, während die sieben hinteren Ringel 
frei bleiben (vergl. S. 15, Fig. 11, sowie Fig. 126 A). Die Ringelkrebse umfassen 
zwei Unterordnungen, die Flohkrebse, Amphipoda, und die Asseln, Isopoda. 

Die typischen Amphipoda sind Ringelkrebse mit seitlich zusammen- 
gedrücktem Leibe, kiementragenden Brustfüssen und gut ausgebildetem Hinter- 
leibe mit je einem Schwimmfusspaare an den drei vorderen und je einem Spring- 
fusspaare an den drei hinteren Hinterleibsringeln. Entsprechend ihrer Leibesform 
bewegen sie sich in der Seitenlage fort. 


BY) Kap. IX. Die Käfer. 


Die hier in Frage kommende Form, der Bohrflokkrebs, gehört zu 
der Unterordnung der Crevettina mit kleinem Kopfe und Augen, sowie viel- 
gliedrigen, beinförmigen Kieferfüssen und bildet für sich die Familie der 
Cheluridae, mit fast eylindrischem Körper, bei denen die vierten, fünften und 
sechsten Hinterleibsringel verwachsen und mit sehr verschieden gestalteten Bein- 
paaren besetzt sind. 

Gattung Chelura (Fig. 126 A). Erstes Fühlerpaar zugespitzt, sieben- 
gliedrig, mit Nebenast. Zweites Fiühlerpaar etwas länger, sehr stark, mit platten- 
förmjgen, unterwärts langbeborsteten Geisselgliedern. Die beiden vorderen Bein- 
paare sind scherentragend, das vierte Hinterleibsbeinpaar (Fig. 1264, 17) 
ist langgestreckt und an der Spitze in zwei flache Aeste getheilt, das fünfte 
(A, 18) breit und dreilappig, das sechste (A, 79) lang, mit langgestrecktem, 
gezähntem, einfachem Endgliede. ‚Das dritte Hinterleibssegment (A, XIZ) mit 
langem, nach oben und hinten gerichtetem Dornfortsatze. 


Es gibt nur eine Art, die Ch. terebrans PruLıprr. Dieses zuerst 1839 [Il] - 


bekanrt gewordene Thierchen frisst an den Mittelmeerküsten und den atlanti- 
schen Gestaden Europas und Amerikas das im Meere befindliche Holzwerk von 
dem Meeresgrunde bis zur Ebbegrenze an und macht in ihm drehrunde Gänge 
von 15mm Durchmesser, die mit Ausnahme der Astknoten das Holz gänzlich 
durchsetzen. Holzpfähle mit einem Querschnitte von 30 cm im Geviert können in 
zehn Jahren völlig zerstört werden. Die Holztheilehen dienen den Thieren zur 
Nahrung. Dieser bis 5 mm lange Flohkrebs ist oft mit der Bohrassel vergesell- 
schaftet, letztere dagegen kann auch selbstständig vorkommen, z. B. in der Ostsee. 

Die Bohrassel gehört zu den Isopoden. Die Isopoda oder Asseln (vergi. 
Fig. 126 B) sind Ringelkrebse mit breitem, niedergedrücktem, gewölbtem oder 
abgeflachtem Körper und kurzgeringeltem, oft rückgebildetem Hinterleibe. Die 
an den sieben freien Segmenten sitzenden Beinpaare sind Schreit- oder Klammer- 
füsse; die Hinterleibsbeinpaare sind mit Ausnahme des letzten plattenförmig und 
zu Kiemen verwandelt. 

Wir rechnen mit GrrstÄcker die hier in Frage kommende Form zu der 
Familie der Sphaeromidae, welche sich biologisch durch ihr Einrollungsvermögen 
charakterisiren. Ihr Kopf ist stark in der Quere entwickelt, die beiden Fühler- 
paare sind annähernd gleich, die sicben Beinpaare entweder sämmtlich Wandelbeine 
oder die vorderen mit einer Greifhand endend. Abdominalsegmente öfters zum 
Theil verschmolzen, die vereinigten hinteren bilden ein erosses Schwanzschild. 

Die Gattung Limnoria unterscheidet sich von allen anderen zu dieser 
Familie gehörigen Formen durch die geringe Verschmelzung der Hinterleibs- 
segmente, von denen die fünf ersten (Fig. 126 B, XVI—-AVIII) frei bleiben und 
nur die beiden letzten (B, XIX und XX) zu einem breiten, runden Schwanzschilde 
verschmelzen. Das an diesem angebrachte letzte Hinterleibsbeinpaar. (B, /9) 
hat einen einfachen Innenast, während der äussere zu einer naclı aussen ge- 
krümmten starken Kralle verkümmert. Die beiden Fühlerpaare, welche durch 
keinen Stirnfortsatz getrennt »ind, sind beinahe gleichlang, das erste vier-, das 
zweite fünfgliedrig, wenn man von der feineren Unterabtheilung der Endglieder 
absieht. 

Wahrscheinlich existirt nur eine Art, Limnoria lignorum RArukr, mit 
den Charakteren der Gattung. Dieses 4—5 mm lange Thierchen, welches die 
europäischen Küsten vom Mittelmeer bis zur Schleswig’schen Ostküste bewohnt, 
bohrt im Holz drehrunde Gänge bis 2 mm Durchmesser. Dieselben sind so dicht 
an einander angebracht, dass nur ganz dünne Zwischenwände stehen bleiben und 
zunächst die oberflächlichen Holzschichten, allmählich aber die ganzen Stücke in 
eine schwammige Masse verwandelt werden. In Fig. 126 € ist ein Frassstück 
abgebildet. An der irischen Küste werden nach Srxrer [20, Bd. I, S. 156) auch 
feste Kalksteine angegangen. 

Bereits am Ende des vorigen Jahrhunderts wurde man durch DicquEMARE 
[16] in Havre auf dasselbe aufmerksam, aber erst 1834 wurden seine Verwüstungen 
durch Sternensox an der englischen Küste genauer beobachtet und von CoLDSTREAM 
beschrieben, und zwar bei Gelegenheit des Baues eines Leuchtthurmes auf Belt- 
Rock [14]. Hier wurden die Pfosten zerstört, auf welchen der provisorische Leucht- 


thurm errichtet war. Auf dem ‚ Trinity-Zimmerplatze” wurden die diesen tragenden 
Pfähle innerhalb vier Jahren auf ungefähr die Hälfte des Durchmessers abgenagt. 
Ende der Dreissigerjahre des Jahrhunderts sind auch die Hafenanlagen in Ply- 
mouth sehr erheblich geschädigt worden [Il]. Die verschiedensten Holzarten 
werden zerstört, sind aber durch dichten Beschlag mit eisernen Nägeln zu 
schützen, Teakholz soll nicht angegangen werden. 

Uebrigens können auch Mitglieder der nahe verwandten Gattung Sphaeroma 
Holz anbohren. Dies ist sowohl an der brasilianischen Küste wie in der Präsident 
schaft Madras in Vorderindien beobachtet worden. 


Anmerkung über holzzerstörende Krebse und „Bohrwürmer”. 339 


Fig. 127. Der Schiffsbohrwurm Teredo navalis L. und seine Zerstörungen 
nach v. BauuHaAuner [I]. A. Ein Stück Holz mit Bohrgängen und Thieren; a die 
Löcher,. durch welche die Athemröhren 5 frei in das Wasser ragen; c ein in 
seiner ganzen Länge aufgedeckter Bohrwurm. Bei d ist die Kalkauskleidung der 
Gänge erhalten; e sind leere geöffnete Gänge. B. Ein ganzer Bohrwurm aus dem 
Holze genommen; «a die kleine Schale; 5b äusserer Oeffuungsmuskel; e Fuss; 
d verwachsener Mantel; e „Palette”; f Athemröhren. C. Vordertheil des Bohr- 
wurmes; a Schale; e Fuss mit Saugnapf. D. Linke Schale von aussen, die 
verschiedene Sceulptur der einzelnen, durch römische Zahlen bezeichneten 
Schalabschnitte zeigend. E. Rechte Schale von innen, um den Muskelfortsatz a 
zu zeigen. F. Palette von Teredo navalis. G. Palette der nahe verwandten 
Untergattung Xylotrya. 
A und B ungefähr um die Hälfte verkleinert, € und E natürliche Grösse, 
D, @ und F ungefähr um das Doppelte vergrössert. 


Die gefährlichsten Feinde alles längere Zeit im Meerwasser 
untergetauchten Holzes sind aber Weichthiere, Mollusca, nämlich eine 
Reihe von Muschelarten, welche der Gattung Teredo angehören und 
im gewöhnlichen Leben fälschlich als Bohrwürmer bezeichnet werden. 

Die Gattung Teredo (Fig. 127) gehört zu den Muscheln mit verwachsenen 
Mantelrändern, ist aber vor allen anderen durch ihre ungemein verlängerte wurm- 
förmige Gestalt ausgezeichnet (B), sowie durch die Kleinheit ihrer zweiklappigen 
Schale, welche nrr einen sehr geringen Theil des Leibes an dessen angeschwollenem, 
vorderem Ende bedeckt (B, a). Der grösste Theil des Mantels liegt also völlig 
frei. Die wunderbar dreilappig geformten Schalen (D und E) schliessen bauch- 


340 Kap. IX. Die Käfer. 


wärts nur an einem einzigen Punkte zusammen und lassen vorn und hinten 
zwischen sich je eine weite, klaffende Oeffnung. Der vorderen entspricht eine 
Spalte des sonst vollständig verwachsenen Mantels, durch welche der kleine 
cylindrische, an seinem abgestumpften vorderen Ende mit einem Saugnapfe ver- 
sehene Fuss (B und (, c) vorgestreckt werden kann. An seinem hinteren Ende 
geht der Körper in zwei kurze, ungleich lange Athemröhren aus (B, f f), von 
denen die längere als Einfuhröffnung für das Athemwasser, die kürzere als 
Ausfuhröffnung dient. An der Basis dieser Athemröhren sind im Mantel zwei 
schaufelähnliche (B e und F), bei manchen ausländischen Arten gefiederte (G) 
Kalkstückehen, die sogenannten „Paletten’ eingelagert. 

An den von Teredo bewohnten Hölzern bemerkt man äusserlich nur kleine 
runde, ungefähr 1—1'’5 mm im Durchmesser haltende, schräg in das Holz ein- 
dringende Löcher, aus welchen die ungestörten Thiere ihre beiden Athemröhren 


herausstrecken, Durch letztere wird aber nicht nur das Athemwasser, sondern 


zugleich mit ihm auch die im Meerwasser enthaltene, fein vertheilte, organische 
Substanz, von der sich die Muscheln nähren, aufgenommen, und auch der Koth, 
das Bohrmehl und die jungen Larven ausgestossen. Die beim Bohrgeschäfte fein 
zerriebenen Holztheile dienen der Muschel nämlich nicht als Nahrung, diese sucht 
vielmehr im Inneren der Pfähle nur Schutz für ihren weichen Körper. Der Bohr- 
kanal, in welchem eine solche Muschel lebt, erweitert sich von der Eingangs- 
öffnung aus allmählich bis zu einem abgerundeten blinden Ende, in welchem 
der Vorderleib mit Schale und Fuss ruht (A, c). Die ganze Innenseite des voll- 
endeten Kanales ist mit einer festen, von der Manteloberfäche der Muschel ab- 
gesonderten, gleichmässigen, weissen Kalkschicht ausgekleidet (A, d). Jeder Bohr- 
gang, dessen Länge bis 4) cm betragen kann, ist von seinem Bewohner völlig 
ausgefüllt. 

Teredo ist getrennten Geschlechtes und scheint eine einjährige Generation 
zu haben. Die Eier werden von dem Mutterthiere in die Mantelhöhle aus- 
gestossen, entwickeln sich zu kleinen Larven, die hier auch noch eine kurze 
Metamorphose durchmachen, und gelangen alsdann, allerdings noch in einer dem 
erwachsenen Thiere sehr wenig ähnlichen Gestalt, durch die Athemröhre in das 
Meer. Sie sind zwar schon mit einer zweiklappigen Schale versehen, schwimmen 
aber mit Hilfe eines an ihrem Vorderende befindlichen Wimpersegels frei umher. 
Diese freien Larven treten in unserer Nordsee ungefähr Ende Juni auf [5]. 
Bald setzen sich die Thierchen aber an einem Pfahle, und zwar in einer 
passenden äusseren Ritze desselben, fest, verwandeln sich schon im Laufe von 
8—14 Tagen in anfänglich zwar noch sehr kleine, aber typisch geformte „Bohr- 
wirmer” und beginnen nun das Bohrgeschäft, welches sie lediglich nach Mass- 
gabe ihres allerdings ziemlich raschen Wachsthumes forttreiben. Das hierbei 
benutzte Bohrwerkzeug ist die Schale. 

Diese (D) besteht aus drei, auch ihrer Seulptur nach verschiedenen Theilen, 
deren hinterer (D III) im Leben von einer Falte des Mantels bedeckt wird. Auf 
dem vorderen Schalenabschnitte (DI) ist der Rand jedes Anwachsstreifens mit 
äusserst feinen, scharfen Zähnen besetzt, und auch die rechtwinkelig zu den 
ersterwähnten gestellten Anwachsstreifen an der vorderen Hälfte des mittleren 
Schalenabschnittes (D, II«a) zeigen eine Ähnliche, aber gröbere Bewaffnung. Die 
nur sehr wenig ausgiebigen Sperr- und Schliessbewegungen der Schalen werden 
hier — anders als bei den gewöhnlichen Flussmuscheln oder den Austern, bei 
denen die Oeffnung durch das elastische Schlossband bewirkt wird — beide 
durch die Muskelwirkung verursacht. Die Sperrmuskeln setzen sich aussen an 
den Rückentheil der Schale (B, b), die Schliessmuskeln greifen auch an einem 
von den Schalenwirbeln nach innen tretenden langen Schalfortsatz an (E, a). 
Der Fuss kann sich mit seinem Saugnapfe (©, ec) im Grunde der Höhlung fest- 
setzen, und durch das Zusammenwirken der Fuss-, Sperr- und Schliessmuskeln 
wird nun der Schale eine langsame Drehbewegung gegeben, bei welcher ihre, 
wie eine Feile wirkende Oberfläche das Holz abraspelt. Die zunächst schräg 
gegen die Holzoberfäche eindringenden Gänge werden bald in der Richtung der 
Holzfaser weiter getrieben und weichen von ihr nur so weit ab, als zur Um- 
gehung benachbarter, bereits vorhandener Gänge nothwendig ist. Niemals kreuzt 


en m 


Anmerkung über den Schiffsbohrwurm. Nagekäfer. 341 


ein Bohrwurm die Röhre eines anderen, die einzelnen Gänge liegen aber häufig 
so dicht beisammen, dass nur ganz dünne Scheidewände zwischen ihnen stehen 
bleiben und das völlig schwammig gewordene Holz, seine Widerstandsfähigkeit 
gänzlich verliert. Im Meere schwimmende Hölzer, also auch Schiffsrümpfe und ein- 
gerammtes Pfahlwerk, werden binnen wenigen Jahren vollständig zerstört, le'zteres 
in den Meeren mit Ebbe und Fluth bis zur Höhe des mittleren Wasserstandes. 

Die in Europa gefürchtetste Form ist der gemeine Schiffs- 
bohrwurm Teredo navalis L., der in unseren Meeren einheimisch und 
nicht, wie man früher glaubte, aus tropischen Meeren eingeschleppt 
ist. Indessen treten seine Verheerungen zu Zeiten stärker als ge- 
wöhnlich auf, in den etwas brackigen Wässern der holländischen 
Kanäle und Binnenmeerbusen besonders in regenarmen, warmen 
Jahren, in welchen der Salzgehalt derselben ein wenig steigt. Solche 
Jahre waren 1731, 1770, 1827 und 1859. Im ersteren Jahre ver- 
ursachte die Entdeckung, dass die Pfahlwerke, welehe die holländi- 
schen Deiche stützen, völlig von diesem Thiere durchwühlt seien, in 
den Niederlanden einen panischen Schrecken. In letzterem Jahre 
wurde eine wissenschaftliche und technische Commission zur Auffindung 
einer wirksamen Abwehr so schwerer Schäden niedergesetzt. Der 
äusserst gründlichen, durch v. BAUMHAUER gegebenen Zusammenfassung 
der Arbeiten dieser Commission |l, S. 23], der wir die meisten der 
vorstehend gegebenen, naturgeschichtlichen Thatsachen entnommen 
haben, verdanken wir auch die folgenden praktischen Winke. 

Zunächst steht fest, dass keine Holzart, weder eine einheimische 
noch eine fremdländische, an und für sich gegen die Angriffe des 
Bohrwurms gesichert ist. 

Ferner hilft gegen seine Angriffe keinerlei äusserlicher Anstrich 
des Holzes, ja nicht einmal der Beschlag mit grossköpfigen, dicht 
an einander gereihten Eisennägeln, da die sehr kleinen Larven immer 
noch Stellen finden, an denen sie zwischen den Nägelköpfen eindringen 
können. Der einzige wirkliche Schutz besteht in einer Imprägnation 
des Holzes mit Kreosot; aber auch nur die Stellen, welche vollständig 
imprägnirt sind, werden nicht angegriffen. Da nun die Imprägnation 
der Nadelhölzer leichter gleichmässig gelingt, wie die des Eichen- 
holzes, haben sich imprägnirte Nadelholzpfähle widerstandsfähiger 
erwiesen als Eichenpfähle. Holzschiffe werden unterhalb der Wasser- 
linie durch einen Kupferbeschlag geschützt. 


Die Nagekäfer oder Anobiidae sind kleine eylindrische, dunkel 


gefärbte Käfer mit unter dem Halsschild verborgenem Kopfe, welche in 
ihrem Habitus Aehnlichkeit mit den Borkenkäfern haben, sich von 
ihnen aber durch die fünfgliedrigen Tarsen, die nicht gebrochenen Fühler 


und die mit wohl ausgebildeten Beinen versehenen Larven unterscheiden. 


Sie sind von grosser wirthschaftlicher Bedeutung durch die technischen 
Schäden, welche sie den aufbereiteten und verarbeiteten Hölzern zu- 
fügen; namentlich sind als Balken- und Möbelzerstörer die durch den 


342 Kap. IX. Die Käfer. 


klopfenden Paarungsruf der Männchen bekannten „Todtenuhren”’ Anobium 
pertinax L. und An. domesticum Fourcr. bekannt und An. (Ernobius) 
molle L. ist der gefährlichste Feind aller berindeten Nadelholzstücke, 
also auch der Frassstücksammlungen, welche der Forstmann sich etwa 
anlegt (vergl. 5. 346). Ausserdem ist An. Abietis Fagr. als Zerstörer der 
Fichtenzapfen, und An. nigrinum Srrm. als Vernichter von Kiefern- 
trieben, deren Markröhre er aushöhlt, bekannt. Grössere physiologische 
Schädigungen von Holzgewächsen fallen ihnen nicht zur Last. 


Beschreibung. Die Käfer der Anobiidae in dem hier angenommenen 
Umfang sind meist klein bis mittelgross, eylivdrischh, mit oberwärts von dem 
Halsschild bedecktem Kopfe, nicht gegen die Mittelbrust verlängerter Vorder- 
brust und fünf Bauchringen. Ihre neun- bis elfgliedrigen Fühler sind gesägt, 
sekämmt oder mit drei grösseren Endgliedern versehen und auf der Stirn am 
Vorderrand der Augen eingefügt. Die Vorder- und Mittelhüften sind kugelig 
oder oval, die Hinterhüften quer. 

Die Larven sind weisslich, diek, mit Querwülsten auf dem Rücken der 
Segmente, fein behaart und bauchwärts eingekrümmt, mit deutlich entwickeltem, 
gut chitinisirtem Kopfe, der bedeutend schmäler ist als die stark aufgetriebenen 
Brustringe; die Füsse sind gut entwickelt und behaart, der 
Hinterleib nicht deutlich gegen die Brust abgesetzt, neun- 
gliedrig (Fig. 128). 

Die Käfer, welche sehr verschieden leben und theils 
auf Blüthen, theils in Pilzen, an altem Holze, unter Rinde etc. 
gefunden werden, belegen im Anfange der wärmeren Jahres- 
zeit namentlich trockene pflanzliche Substanzen mit ihren 
Bi So \ Eiern, und die Larven, welche weniger Feuchtigkeitsbedürf- 

ig. 128. Larve . z F en Re “ : 
niss als die meisten übrigen Käferlarven zu haben scheinen, 
durchsetzen ihre Brutstätten dann mit vielfach gewundenen 


von Anobium 


emarginatum Gäne 
Durr. (Original.) a 2 er e: : # 
ee Die Familie der Anobiidae lässt sich für unsere 
1 : : 


Zwecke in zwei grosse Gruppen theilen, in die Anobiini und 
die Apatini, welche sich wesentlich durch die Beschaften- 
heit der Tarsalglieder unterscheiden. Bei den Küfern der ersteren sind, 
ebenso wie bei der durch die Einlenkung der Fühler auf der Stirn unter- 
schiedenen, verwandten Familie der Ptinidae die beiden ersten Tarsalglieder 
ungefähr gleichlang, bei den Apatini dagegen bleibt das erste Tarsalglied 
so klein, dass es oft übersehen wurde, während die Glieder 2 und 5 sehr 
gross sind. 

Auch die Larven dieser beiden Gruppen sind, wenngleich einander sehr 
ähnlich, doch deutlich unterscheidbar. Die der Anobiini sind ziemlich stark 
behaart, mit Punktaugen und sehr kleinen dreigliedrigen Fühlern versehen, welche 
in einer Einsenkung aussen am Grunde der gezähnten Vorderkiefer so gut ver- 
borgen sind, dass sie bis zu den genauen Untersuchungen von Perris als fühlerlos 
angesehen wurden. Vor ihrer Verpuppung bauen sie eine dünne Hülle aus zu- 
sammengeleimtem Nagemehl. Die Larven der Apatini sind dagegen weniger 
behaart, haben keine Punktaugen, deutlich erkennbare Fühler und ungezähnte 
Vorderkiefer. Ihr Vorderleib ist mehr aufgetrieben als bei den Larven der 
Anobiini. 

Wir unterscheiden unter den Anobiini nur zwei Gattungen, nämlich 
Anobium und Ptilinus. 

Bei der Gattung Anobium im weiteren Sinne sind die Käfer dadurch 
charakterisirt, dass die drei Endglieder der nicht sägeförmig gezähnten Fühler 
gross und langgestreckt sind, ohne dabei eine Keule zu bilden. Die Larven sind 
durch, bei den verschiedenen Arten verschieden angeordnete, Dörnchen auf der 


Rückenfläche der Segmente ausgezeichnet. Diese Gattung wird meist in eine 


ee 


Die Nagekäfer oder Anobiiden und ihre forstliche Bedeutung. 345 


Xeihe kleinerer Gattungen getheilt, welche wir als Untergattungen betrachten. 
Wir erwähnen hier folgende: 

Untergattung Anobium FaAsr. im engeren Sinne. Fühler elfgliedrig, 
die drei letzten Glieder sehr lang, oft länger als die übrigen zusammen. 
Halsschild bis zu den Vorderhüften zum Einlegen des 'zurückgeschlagenen 
Kopfes ausgehöhlt, sein Vorderrand als vorspringende Kante bis zu den Gelenk- 
gruben der Vorderbeine verlaufend. Flügeldecken mit regelmässigen Punkt- 
streifen. 

Untergattung Xestobium Morscn. Fühler elfgliedrig, die drei letzten 

- Glieder länglich, Halsschild nicht ausgehöhlt, seine Seitenränder schneidend, 
Flügeldecken nur punktirt ohne Streifen. Fussglieder kurz und dick. 

Untergattung Ernobius Tmus. Fühler elfgliedrig, die drei letzten 
Glieder stark verlängert, Halsschild nicht ausgehöhlt, Flügeldecken nur punktirt, 
Füsse zart und lang, ihr erstes Glied verlängert, die folgenden allmählich kürzer 
werdend. 

Bei der Gattung Ptilinus im weiteren Sinne sind dagegen die Käfer durch 
die gesägten, gekämmten oder wedelförmigen Fühler, deren letzte Glieder nicht 
oder nur wenig vergrössert sind, ausgezeichnet. Ihre Zarven sind durch den 
Mangel der kleinen Dörnchen auf der Rückenseite von denen der Gattung 
Anobium unterschieden. Jetzt werden auch die Ptilinus-Formen in verschiedene 
Untergattungen eingetheilt, die wir hier übergehen können. 

Von den Apatini haben wir nur zwei Gattungen zu erwähnen. 

Gattung Lyctus. Körper langgestreckt, oben gewölbt, Kopf vorgestreckt. 
Augen vortretend, Fühler elfgliedrig mit zwei grösseren Endgliedern. 

Gättung Apate. Körper cylindrisch, Kopf unter dem rauhen gekörnten 
Halsschilde versteckt. Fühler zehngliedrig mit drei grösseren, gesägten End- 
gliedern. 


Forstliche Bedeutung. Die Käfer der Anobiidae sind als solche 
völlig unschädlich, dagegen sind die Larven mannigfach lästig und verderblich. 
Nach dem Schaden derselben kann der Forstentomologe die Anobiidae in 
folgende Gruppen bringen: 

1. Die Larven bewohnen, ohne eigentlich zu schaden, die Rinde von 
älteren Stämmen. 


?. Die Larven leben in noch stehenden Bäumen, deren Holz sie technisch 
schädigen. 

3. Die Larven bewohnen die Aeste der Gipfel von Bäumen und bringen 
sie zum Absterben. 


4. Die Larven fressen junge Triebe an und zerstören sie. 
5. Die Larven bewohnen und zerstören Nadelholzzapfen. 


6. Die Larven zerstören ältere, bearbeitete trockene Hölzer, Bretter, 
Balken etc. in den Holzlagern, Hausgeräthe, Möbeln u. s. w. 


Von den in der Borke älterer Stämme brütenden Anobiiden 
ist hier nur zu erwähnen: 

Anobium emarginatum Durr. Käfer langgestreckt, pechbraun mit feiner 
xelblichgrauer Haarbedeckung. Halsschild mit rechtwinkelig vorgezogenen 
Vorderecken, abgerundeten Hinterecken und stark gerandet. Hinten auf seiner 
oberen Fläche trägt es jederseits einen durch halbkreisförmige Linien be- 
grenzten Eindruck, zwischen denen nach dem Schildchen zu ein mittlerer, er- 
habener, selbst wieder abgeflachter Kamm verläuft. Die Flügeldecken sind fein 
und regelmässig punktirt gestreift. 

Die gänzlich unschädliche Larve bewohnt, oberflächlich unregelmässige, 
kurze, mit braunem Bohrmehl gefüllte Gänge fressend, die Borke älterer stärkerer 
Fichten, ohne je tiefer zu gehen. Die Fluglöcher des Käfers sind an Stärke 
denen des Tomicus typographus L. ähnlich und haben oft bereits überflüssige 
Furcht vor drohender Borkenkäferverheerung erweckt. Nur aus diesem Grunde 
wird dieses Thier hier erwähnt, 


Br Kap. IX. Die Käfer. 


Aus der zweiten biologischen Gruppe, welche in anbrüchi- 
gen Stellen stehender Bäume brütet, sind namentlich zwei Arten zu 
nennen: 

Anobium (Xestobium) rufo-villosum DE GrEr (pulsator ScHALL. 
tesselatum Fazr.). Käfer dunkel pechbraun, oberwärts mit grösseren und 
kleineren unregelmässigen Flecken goldgelber Härchen, Halsschild ohne Höker, 
breiter als lang, gewölbt, der Vorderrand in einen stark vortretenden Bogen 
vorgezogen, der Seitenrand breit und flach gegen die Scheibe abgesetzt. 
Länge 5—7 mm. 

A. (X estobium) plumbeum Irr. Käfer schwarz, auf der Oberseite mit 
grünlichem Metallglanze, mit starker gelber oder bräunlicher Behaarung. 
Fühler und Beine braun, letztere an den Enden mehr weniger rothgelb. 
Länge 4 mm. 

Diese Käfer sind wesentlich Laubholzbewohner und ihre Larven leben 
in anbrüchigen oder blossgelegten Stellen, Aststummeln u. dergl. A. rufo- 
villosum DE GEER meist an| Eiche, A. plumbeum Irr. an Buche und Birke. 
Ausserdem kommen noch eine Reihe anderer Formen vor, die wir hier über- 
gehen können. Dass solche Beschädigungen technisch schädlich werden können, 
ist sicher. Diese Käfer aber, wie EicHuHorr dies gethan hat [7], darum als 
schädlich anzusprechen, weil ihre Gänge das Eindringen der Fäulniss in die 
Stämme besonders begünstigten, ist, wie ALrtum sehr richtig darlest [XVI, III, 
1, S. 154], übertrieben, da die Erreger der Fäulniss doch verschiedene Pilz- 
arten sind und die Sporen derselben so geringe Dimensionen haben, dass sie 
sehon in jeder feinsten Ritze sich festsetzen und überhaupt an jeder rauhen 
Wundfläche haften können. Wenn man nun neuerdings sehr zweckmässiger- 
weise in gut gepflegten Revieren zur Vermeidung des Faulwerdens der auf- 
geasteten Bäume die Schnittflächen antheert, so ist diese Massregel wesentlich 
gegen die Fäulnisspilze gerichtet. Dass sie auch gegen das Eindringen der 
Anobiidae schützt, ist allerdings einer ihrer weiteren Vortheile. 

Die dritte biologische Gruppe, deren Larven Aeste zum 
Absterben bringen, umfasst vorläufig nur zwei Insekten: 

Apate (Sinoxylon) bispinosa Orıw. Käfer schwarz, lang grau 
behaart. Mundwerkzeuge, Fühler, Flügeldecken und Beine mit Ausnahme 
der Schenkel braun. Fühlerkeule gross, nach innen tief gesägt, fast so 
lang als der übrige Fühler. Flügeldecken grob punktirt, an der Spitze in 
eine Schrägfläche abgestutzt, auf deren Mitte nahe neben der Naht jederseits 
ein derber gerader Dorn und zwei bis drei erhabene Körnchen stehen. 
Länge 6—7 mm. 

Dieses Thier ist schon seit langer Zeit in Tirol und Italien als ein den 
Reben schädliches bekannt geworden, und es hat ihm in dieser seiner Eigen- 
schaft auch Costa [5] eine längere Besprechung gewidmet. Es frisst nämlich 
die sehr starke Larve im Holze der Weinreben und schwächt sie so, dass sie 
leicht abbrechen. Es heisst daher in Bozen „Rebendreher”. Nach einem sehr 
schönen Frassstücke, welches die Tharander Sammlung Herrn Professor HENSCHEL 
in Wien verdankt, scheint schliesslich die Larve ähnlich den Zweig zu ringeln, 
nur viel tiefer, wie Agrilus bifasciatus Orıv. die Eiche (vergl. S. 323). Es ist 
ferner im Jahre 1855 im österreichischen Küstenlande im k. k. Forstamte 
Montana beobachtet worden, dass dieses Thier sich auch in die Gipfel 15—30jäh- 
riger Eichen einbohrt, wodurch die befallenen Stammtheile zum Absterben ge- 
bracht werden. Die Thäterschaft steht ausser Zweifel, da zwei in eingesandten 
Frassstücken gefundene todte Käfer von Koruar in Wien sicher bestimmt werden 
konnten [8]. 

A. (S.) sexdentata Orıv., der nächste Verwandte des vorhergehenden, 
wird durch ve TricomAaın ebenfalls als ein Beschiidiger der Steineichen in Süd- 
frankreich angegeben. Er bewohnt vielfach die von Agrilus bifasciatus Orıv. 
befallenen Zweige, in denen er ähnlich frisst, wie A. bispinosa Ouıv. Sein 
Frass ist an den runden Fluglöchern auch äusserlich von dem des Eichen- 
prachtkäfers zu unterscheiden (vergl. S. 324 und 325) und soll irgend welche 
grössere Bedeuturg nicht haben. 


Die Nagekäfer oder Anobiiden und ihre forstliche Bedeutung. 345 


Die vierte hier angenommene Anobiengruppe, deren Larven 
Triebzerstörer sind, umfasst zwei Mitglieder der Untergattung Ernobius. 
Es sind dies folgende: 

Anobium (Ernobius) nigrinum Sr. Käfer ziemlich gestreckt, fast 
eylindrisch, schwarz, etwas glänzend, fein greis behaart, mit röthlichen Fühlern 
und Tarsen. Halsschild quer, gleichmässig gewölbt, feinkörnig punktirt, in der 
Mitte mit einer glatten, schwach vertieften Längslinie. Ecken abgerundet. Viertes 
bis achtes Fühlerglied sehr klein und gedrängt, die drei letzten gross und 
stark. Länge 3—4 mm. 

Anobium (Ernobius) Pini Sr. Käfer länglich, glänzend roströthlich, 
ziemlich dicht greis behaart. Halsschild quer mit breit verflachten Seiten und 
stumpfen, leicht verrundeten Vordereeken, fast eben, nur an der Basis jederseits 
flach eingedrückt. Fünftes bis achtes Fühlerglied dieht gedrängt, viel kürzer als 
die übrigen. Länge 3 mm. 

Von diesen beiden Käfern wird der zweite nur deshalb erwähnt, weil ihn 
Harrıc [V, 1, S. 43] einmal mit Tortrix Buoliana S. V. aus jungen Kiefern- 
trieben erzogen hat. Entschieden wichtiger ist dagegen A. nigrinum Sr., dessen 
Larve die Markröhre von Kieferntrieben in ähnlicher Weise von unten nach 
oben ausfrisst, wie die Imago von Hylesinus piniperda L. Da trotz der deutlich 
vorhandenen Beine die Larve wohl mit einer Borkenkäferlarve verwechselt 
werden kann, hat dieses Thier Veranlassung zu dem Glauben gegeben, H. pini- 
perda brüte auch in Kieferntrieben. 

Im Grossen sind Schädigungen durch A. nigrinum Sr. nur selten 
beobachtet worden; die stärkste bekannte wird von RATzEBuURrG erwähnt [XV, 2 
S. 422]. Im Jahre 1867 wurde in Eberswalde eine Kultur mit sechsjährigen 
Kiefern ausgeführt, welehe unter Insektenschäden ganz besonders zu leiden hatte, 
und es fand sich hier die Larve dieses Thieres in den Gipfelirieben von fast der 
Hälfte der dürrgewordenen Pflanzen. Gegen A. nigrinum ist in den Trieben 
älterer Kiefern nichts zu thun. Haust es in Kulturen, so dürfte Ausschneiden 
und Vernichten der befallenen Triebe das einzige anwendbare Mittel sein. Die 
Generation wird von RATZEBURG als zweijährig angegeben. 


Die fünfte Anobiengruppe umfasst die Zapfenbewohner. Als 
solche werden, und zwar aus der Fichte angeführt: 

Anobium (Ernobius) Abietis FAgr. Käfer oben rostroth, unten dunkler, 
überall mässig fein punktirt und mit kurzer gelblicher, seidenschimmernder Be- 
haarung. Halsschild uneben, mit drei schwachen Längserhabenheiten vor dem 
Schildehen. Fünftes Fühlerglied länger als das vierte, sechste und siebente, achtes 
Füblerglied sehr kurz, fast quer. Länge 3 bis 4 mm. 

A. (Ernobius) longicorne Sr. Käfer verlängert, fast eylindrisch, pech- 
schwarz oder braun, Fühler, Taster, Schienen und Tarsen rothbraun. Halsschild 
quer, gleichmässig gewölbt, mit abgestumpften Vorderecken. Fühler namentlich 
beim g lang, die Glieder vier bis acht kurz und dieht aneinander gedrängt, die 
drei letzten sehr lang und nicht verdickt. Länge 25 mm. 

A. (Ernobius) angusticolle Rarz. Käfer länglich, dunkelbraun glänzend, 
fein behaart. Halsschild bedeutend schmäler als die Basis der Flügeldecken, 
gewölbt mit abgesetzten, stark aufgebogenen Seitenrändern, so dass es von oben 
fast rhomboidal aussieht. Fühler länger als der halbe Körper, die Glieder 
drei bis acht verkehrt kegelförmig, das fünfte und siebente länger als die übrigen, 
die drei letzten Glieder so lang als die acht übrigen zusammen. Länge 
2:5—3 mm. 

Ausserdem wird noch erwähnt A. abietinum Gyrr. aus Föhrenzapfen 
[XXVI, S. 141]. 

Namentlich A. Abietis FAgr. ist überall sehr häufig. Die Zapfen werden 
noch am Baume mit den Eiern belegt, die Larven gehen dann tiefer und die 
kranken, bald abfallenden Zapfen sind am Harzausflusse kenntlich. Zunächst 
wird die Spindel und dann die Basis der Schuppen angegriffen. Im nächsten 
Frühjahre erfolgt die Verpuppung, bald darauf die Verwandlung in den Käfer. 
Die Generation ist also einjährig. 


Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde, 23 


346 Kap. IX. Die Käfer. 


Einziges Gegenmittel dürfte Sammela und Verbrennen der am Boden 
liegenden kranken Zapfen im Herbst und Winter sein. Auch die anderen 
Schädiger der Fichtenzapfen trifft man gleichzeitig mit dieser Massregel. Es 
scheint übrigens fast, als ob alle diese Arten auch in Nadelholzästen und 
-Rinde bıüten könnten. 

Die sechste biologische Gruppe von Anobien mit Werkholz, 
Balken und Hausrath bewohnenden Larven ist zweifelsohne die 
praktisch wichtigste, dagegen leidet der Forstmann als solcher am wenigsten 
unter ihren Schädigungen. Hier sind zu erwähnen: 

Anobium domesticum Fourc. (siriatum OLıv.). Käfer pechbraun, sehr fein 
und kurz grau behaart, Stirn mit einer Beule, Halsschild vor dem Schildehen 
mit einem von beiden Seiten zusammengedrückten, nach rückwärts stumpf 
zugespitzten Höcker, neben welchem sich hinten zwei tiefe Eindrücke bilden, und 
ungekerbtem Seitenrande; Flügeldecken hinten abgerundet und regelmässig 
punktirt gestreift. Länge 3—4'5 nım. 

A. pertinax L. (striatum Farr.). Käfer mattschwarz, äusserst kurz bräunlich 
behaart. Halsschild auf der hinteren Hälfte mit einem nach vorn gabelförmig 
getheilten Längskiel, neben diesem jederseits noch eine beulenartige Erhöhung, 
in den Hinterecken ein scharf abgegrenzter Fleck goldgelber Härchen. Länge 
4:5—5 nım. 

A. rufo-villosum Dr Geer. (vergl. oben S. 344) ist gleichfalls in Balken, 
Fussböden ete. schädlich. 

A. (Ernobius) molle L. Käfer länglich, rostroth, fein greis behaart, 
Halsschild breiter als lang, so breit als wie Basis der Flügeldecken, der Quere 
nach gleichmässig gewölbt, mit nicht abgeflachten herabgebogenen Seiten, das 
fünfte und siebente Fühlerglied länger als die benachbarien. Länge 5 mm. 

Ptilinus pectinicornis L. Käfer länglich, eylindrisch, etwas glänzend 
schwarzbraun, Flügeldecken heller, mit feiner greiser Behaarung. Fühler und 
Beine rostroth, Halsschild vorn stärker gekörnt, vor dem Schildehen mit einer 
kleinen gerundeten, glatten, glänzenden Beule. Flügeldecken mit feinen, unregel- 
mässigen Punktreihen. Fühler des S von dem vierten Gliede an lang gekämmt, 
Q mit nur gesägten Fühlern und auf der hinteren Hälfte des Halsschildes jeder- 
seits mit einer geglätteten Stelle. Länge 3—5 mm. 

Pt. costatus Gyın Käfer dem vorigen sehr ähnlich, etwas dunkler, die 
Kammforisätze der Fühler des Z sind jedoch viel kürzer und dem © fehlen 
die beiden geglätteten Stellen am Halsschilde. Länge 3—5 mm. 

Lyctus unipunctatus Hssr. (canalieulatus FaBr.). Käfer langgestreckt, 
oben etwas flacher, braun. Kopf und Halsschild gerunzelt, letzteres fast viereckig, 
in der Mitte mit einer tiefen Längsgrube. Flügeldecken fein punktstreifig, zwischen 
den Punktreiken Längsreihen feiner Härchen. Länge 3—4 mm. 

Die ersten Angriffe aller dieser Thiere auf bearbeitetes Holz, bei Eichen- 
holz namentlich auf den Splint, erfolgen fast unmerklich und erst wenn die Käfer 
sich durch ihre, meistsenkrechtzur Richtung der Larvengänge stehenden Fluglöcher 
herausbohren, merkt man, dass der betreffende Gegenstand „wurmstichig” ist. 
Dann zeigen sich an ruhig stehenden Gegenständen um die Löcher herum kleine 
Häufehen von Bohrmeh), „Wurmmell”. Die Larven vermeiden bei ihrem Frasse 
meist die Oberdäche der befallenen Gegenstände, höhlen aber unter ihr die 
Holzmasse in dicht gedrängten unregelmässigen Gängen so stark aus, dass die- 
selbe jede Festigkeit verliert und leicht zusammenbricht. Namentlich der Splint, 
die jüngeren Holzschichten, sind ihren Angriffen unterworfen. A. molle L. — 
welches übrigens nach TAscHEnBERG auch in Nadelholztrieben vorkommen soll (?) 
[XXI, II, S. 82] — zieht berindetes Nadelholz allem anderen Brutmateriale 
vor. Vor ungefähr 10 Jahren musste fast die ganze Frasssticksammlung der 
Forstakademie Tharand, soweit sie aus Nadelholzabschnitten bestand, wegen der 
Schädigung durch diesen Käfer erneuert werden. 

Lyctus unipunctatus Hsstr. ist namentlich ein Eichenfeind, kann aber 
auch andere Laubhölzer angehen, und wird, namentlich entrindeten Stücken und 
zwar vornehmlich dem Splintholze schädlich [13 und 14]. Hier in Tharand wurde 
dieser Käfer einmal dem Eichenholzvorrathe eines Tischlers geradezu verderblich. 


VE 


Die Nagekäfer und die Pflasterkäfer oder Meloiden. 347 


Als Vorbeugungsmittel gegen die Schäden aller dieser Käfer 
ist der Anstrich oder besser die Imprägnirung des Holzes mit einer 
giftigen Lösung anzuwenden, ein Mittel, welches allerdings in Wohn- 
räumen durchaus nicht überall anwendbar ist. 

Kupfervitriol, Zinkvitriol, Chlorzink, Zinnchlorür, arsenige Säure 
und Quecksilbersublimat sind versuebt worden, und zwar scheinen die 
vier letzteren Substanzen am wirksamsten zu sein, namentlich bei 
allseitiger Imprägnation [14]. Wo dies möglich ist, thut man gut, der 
Lösung Alkohol zuzusetzen, weil eine alkoholische Lösung besser 
in das Holz eindringt als eine wässerige. In der akademischen 
Sammlung zu Tharand werden zu schützende Stücke erst mit un- 
verdünntem Spiritus stark angestrichen und dann mit einer Lösung 
von arsenigsaurem Natron in Wasser bepinselt. Dieses Verfahren hat 
sich gut bewährt. 


In den verschiedensten trockenen Esswaaren, Sammlungsgegenständen, 
Droguen, Herbarien und Büchern wird auch noch schädlich Anobium paniceum L. 


Die Familie der Pflasterkäfer, Meloidae, ist die einzige aus 
der gesammten Gruppe der Heteromera hier zu erwähnende. Am 
bekanntesten sind die im Frühjahr häufigen, trägen, blauen „Mai- 
würmer”, d. h. verschiedene Arten der Gattung Melo&, und die 
spanische Fliege Lytta vesicatoria I. Fast alle zu dieser Familie ge- 
hörigen Insekten enthalten einen höchst giftigen Stoff, das Cantharidin, 
das aber, wie so viele andere Gifte, mit der gehörigen Vorsicht 
angewendet, auch als Heilmittel dienen kann. Wegen ihres Cantharidin- 
gehaltes werden die Maiwürmer als Volksmittel gegen die Hundswuth 
angewendet, und derselbe Stoff ist der wirksame Bestandtheil in den 
aus der einheimischen spanischen Fliege und verschiedenen ausländischen 
Lytta- und Mylabris-Arten hergestellten Zugpflastern. 

Forstlich schädlich ist lediglich die Imago der gemeinen spanischen 
Fliege, der Lytta vesicatoria L. (Taf. II, Fig. 15 F), welche im Juni 
bei uns oft plötzlich in grossen Mengen erscheint und verschiedene 
Laubhölzer, namentlich Eschen entblättert. Jüngere Pflanzen leiden oft 
bedeutend durch diesen Kahlfrass. Das Sammeln der Käfer, welches sich 
ja bei wirklich stärkerem Auftreten schon wegen des nicht unbedeutenden 
Verkaufswerthes der vorsichtig getödteten und getrockneten Käfer lohnt 
(vergl. S. 220), ist das einzige anwendbare Gegenmittel. 


Beschreibung und Biologie. Die Käfer der Meloidae sind weich- 
häutig, mit senkrecht stehendem, hinter den Augen erweitertem und dann plötz- 
lich zu einem dünnen Halse verengtem, hochgewölbtem Kopfe, rundlichem oder 
herzförmigem Halsschilde und letzteres an Breite stark übertreffenden Flügel- 
decken. Die auf der Stirn oder vor den Augen eingefügten, neun- bis elfeliedrigen 
Fühler sind borsten- oder fadenförmig, mitunter gegen die Spitze verdickt. Die 
Hüften stehen zapfenartig vor, die Fusskiauen sind in zwei ungleich dicke 
Hälften gespalten. 


23* 


Kap. IX, Die Käfer, 


Die Larven des Meloidae treten, da ihre Verwandlung eine Hyper- 
metamorphose ist (vergl. S. 106— 108) in sehr verschiedenen aufeinanderfolgenden 
Formen auf. Die erste ist eine kleine, gefärbte und einen festen Chitinpanzer 
tragende, sechsbeinige Larve mit Augen, deutlichen Fühlern und längeren Schwanz- 
fäden, welche, da ihre Tarsen dreizähnige, mitunter einem antiken Dreizack 
gleichende Klauen tragen, ehe man ihre Zugehörigkeit zu den Meloidae kannte, 
von Durour als eine eigene Gattung, Triungulinus, beschrieben wurde. (Fig. 129.) 

Diese aus den haufenweise im Boden abgelegten Eiern schlüpfenden Larven 
kriechen auf Blumen und besteigeu die verschiedenen hier Honig sammelnden 
Bienenarten, an deren Haarbedeckung sie sich mit ihren Klauen festhalten. In 


jeder grösseren Sammlung von Blumenbienen findet man mit solchen Thierchen 


besetzte Exemplare, die früher auch Bienenläuse, Pediculus melittae, genannt 
wurden. Die Larven lassen sich nun in die Bienennester tragen, dringen in die 
Brutzellen ein, verzehren die abgelegten Bieneneier und unterliegen kurz hinter- 
einander mehreren Häutungen, bei denen sie zunächst ihre Augen allmälig ein- 
büssen, weichhäutig und weisslich werden und zur Honignahrung übergehen. 
Bei der vierten Häutung werden die Larven zu engerlingähnlichen, weisslichen 
Geschöpfen, welche sich bei der nächsten Häutung in eine Art brauner Tönnchen- 
puppen verwandeln. In diesem Stadium überwintern sie, verwandeln sich im 
nächsten Frühjahr durch eine abermalige Häutung wiederum in weissliche, sechs- 
beinige, engerlingartige Larven, um nunmehr erst bei der siebenten Häutung zu 
normalen pupae liberae zu werden, aus welchen schliess- 
lich zur Flugzeit im Vorsommer die Imago ausschlüpft. 
Bei einzelnen Formen wird die Winterruhe in den 
Bienennestern selbst, bei anderen ausserhalb derselben 
in der Erde abgemacht. Nur wenige Formen leben statt 
in Bienen-, in Heuschreckennestern, z. B. die Gattung 
Epicauta, deren nördlichste Form Ep. rufidorsum GözE 
(verticalis ILr.) nach Tascuengere [XXll, II, S. 98] das 
Kartoffelkraut in Böhmen stark befressen hat. 

Die beiden hier zu besprechenden Gattungen sind 
Fig. 129. 4A Erste Melo& und Lytta, von denen wir aber nur die letztere 


Larvenform von ausführlich behandeln. 
Lytta vesicatoria L. Gattung Melo&L.: Käfer dunkelblau oder schwärz- 
B Klauen einer Meloe- lich mit Metallelanz. Leib mit sehr kurzer Hinterbrust, 
Larve des ersten dick und weich, von den gleichfalls weichen Flügeldecken, 
Stadiums. die basalwärts an der Naht übereinandergreifen, meist nur 


unvollkommen bedeckt. Fühler elfgliedrig, fast rosen- 
kranzförmig, beim Ö' länger und in der Mitte oft mit verdickten Gliedern. Flug- 
fügel fehlen. Mittelhüften die Hinterhüften bedeckend. Die Klauen sind unge- 
zähnt, beide Hälften gleichlang. 

Als Arten erwähnen wir Melo& proscarabaeusL. und M. violaceus Marsn., 
welche im Frühjahr allenthalben im Grase häufig sind, sich von Pflanzen nähren und 
wie ihre Verwandten bei Berührung an den Gelenken der Beine Tropfen eines gelben, 
durchsichtigen Saftes ausstossen, der bei manchen Personen blasenziehend virkt. 

Gattung Lytta L.: Käfer langgestreckt, Hinterbrust verlängert, der walzige 
Leib von den mässig weichen, einzeln abgerundeten Flügeldecken vollständig 
bedeckt. Schildehen vorhanden. Fühler fadenförmig, elfgliedrig, an der Spitze 
stets verdünnt, mit verlängert walzenförmigen Endgliedern. Flugflügel gut aus- 
gebildet. Mittelhüften von den Hinterhüften entfernt. 

Lytta vesicatoria L. Küfer: Seiten des Halsschildes vor der Mitte eckig 
erweitert, nach rückwärts verengt, seine Scheibe uneben. Der ganze Käfer lebhaft 
goldgrün oder bräunlich grün, Fühler und Füsse dunkler. Unterseite grauweiss 
behaart. Kopf und Halsschild fein zerstreut punktirt. Die weichen Flügeldecken 
fein und dicht runzelig punktirt mit schwach erhabenen, feinen Längslinien. 
Länge 11—14 mm. (Taf. II. Fig. 15 F.) 

Larve. Nur die erste Larvenform, welche aus den ungefähr 2cm tief von 
dem Weibchen zu 40—50 Stück in eine selbstgegrabene Erdhöhle abgelegten, 
gelben, keulenförmigen Eiern auskriechen, istlänger bekannt. Es ist ein richtiger 


Die spanische Fliege und ihre forstliche Bedeutung. 549 


2 mm langer Triungulinus (Fig. 129 A), der sich von den entsprechenden Larven- 
formen der Verwandten durch die weissliche Färbung der Gliedmassen, der Unterseite 
und namentlich der Mittel- und Hinterbrust, sowie des ersten Hinterleibssegmentes 
auszeichnet. Erst in der jüngsten Zeit ist es Licutensrtein [I0] und BEAUREGARD [2] 
zunächst durch künstliche Zucht festzustellen gelungen, dass die Entwickelung 
auch der spanischen Fliege an die im Boden angelegten Nester von Blumen- 
bienen sich knüpft, dass die Generation typisch einjährig ist und gerau in 
derselben Weise vor sich geht, wie wir dies oben für die Meloidae im Allge- 
meinen schilderten. Sie gehört aber zu den Formen, welche zur Winterruhe die 
Bienennester verlassen und sich zwischen denselben im Boden eingraben. 
Künstlich sind die Larven ernährt worden mit Eiern und Honig von Ceratina, 
Megachile und Osmia tridentata. In der freien Natur, und zwar vorläufig nur 
bei Avignon in Südfrankreich sind die „Tönnchen’” im Boden zwischen den sehr 
dünnen, aus einem seidenartigen Gespinste bestehenden Zellen von Colletes 
signata Kırsr und einer anderen unbestimmten Colletes-Art gefunden worden [2]. 
Es ist demnach kaum einem Zweifel unterworfen, dass auch die einheimischen 
Colletes-, Megachile-, Ceratina- und Osmia-Arten, soweit sie dünnwandige 
Zellen in den Erdboden bauen, in Deutschland die Wirthe der spanischen 
Fliegen sind. Wenn übrigens RATZEBURG die parasitische Entwickelung der 
spanischeu Fliege bezweifelt, weil sich in diesem Falle das „plötzliche massen- 
hafte Auftreten des Insektes schwer erklären lasse”, so ist zu bemerken, dass 
allerdings auch nach den neueren Forschungen dieser letztere Umstand ziemlich 
räthselhaft bleibt. 

Graphisch können wir die Generation von Lytta vesicatoria L. folgender- 
massen darstellen: 


| 
| 


| it ISISISISISHSISHS| 
| | 


| 


| 


Jan. |Febr.| März April Mai Juni Juli | Aug. IRRE | Oct. | Nov. | Dec. 
[_ | | 
SE 
1880 | +++ab ec le | cr ec | ce c 


Sesie=S ISIS) 


ı 


| © © e | d | 
1881 |geseossoosceo=-—-=-@ +++ | | 
| | | RR | 

Wir bemerken hierzu, dass die Z’riungulinus-Form, sowie die ihr schnell 
folgenden Uebergangsstadien mit a, die erste engerlingartige Larve mit 5 und 
die zweite mit d bezeichnet ist. Zur Bezeichnung des tönnchenartigen, falschen 
Puppenzustandes c, in dem das Thier überwintert, haben wir der Unterscheidung 
halber dasselbe Zeichen gewählt, wie für die im Cocon ruhenden Blattwespen- 
larven, obgleich wir wohl wissen, dass zwischen diesen beiden Entwickelungs- 
zuständen sehr verschiedener Thiere eine morphologische Parallele völlig 
unzulässig ist. Die in die forstliche Literatur übergegangenen, schon von Anfang 
an sehr unwahrscheinlichen Angaben von Kırckner |9] über den Kampf der 
spanischen Fliegenlarven mit Engerlingen sind nunmehr völlig zu streichen, 
desgleichen die niemals bestätigten Angaben von Becnstern und C. A. Löw über 

ein ähnlich periodisch vierjähriges Auftreten, wie bei dem Maikäfer. 
Forstliche Bedeutung und Abwehr. Die Käfer erscheinen im Juni 
plötzlich und massenhaft, aber durchaus nicht überall und in jedem Jahre gleich 
häufig. Sie leben am liebsten auf Eschen, auch auf ausländischen, aut 
Liguster und Flieder, gehen aber auch an Ahorn, Pappeln und Rosen, Sambucus, 
Lonicera- und Spiraea-Arten, sowie an Bignonia catalpa L. Sogar Thalictrum 
sollen sie nach TascHengere annehmen. Sie schaden besonders den Eschen, wenn 
sie noch jung und blattarm sind, denn oft bleiben nach dem Frasse nur die 
Blattstiele stehen, und manches Stämmchen geht ein oder kümmert. Gewöhnlich 
erfolgt nach Kahlfrass das Wiedergrünen erst im folgenden Jahre; nur im heissen 
Juli 1870, und zwar auf sehr kräftigem Kalkboden ist es RATZEBURG vorgekommen, 
dass es sofort erfolgte, dass also ein, allerdings nur kurzer Ersatztrieb sich 
bildete, der merkwürdigerweise auch eine Verdoppelung des Jahresringes zur 


9350 Kap. IX. Die Käfer. 


Folge hatte. Namentlich in Baumschulen und Pflanzgärten wird ihr Frass 
schädlich, aber auch den Samenschlägen können sie Nachtheil bringen, und 
Artum |XVI, III, 1, S. 162] erwähnt eines Falles aus dem Regierungsbezirk 
Gumbinnen, in dem eine einzeln stehende Esche in Folge des Frasses einging. 

Die Käfer verbreiten einen unangenehmen Geruch, den man an dem aus 
diesen Thieren bereiteten Pflaster kennen lernen kann. Man wird durch ihn 
leicht zu den Bäumen, auf welchen sie in grosser Menge fressen, geleitet und 
kann sie abschütteln oder abklopfen, was Morgens, wenn sie träge sind, besser 
gelingt, als am Tage. 

Nach Arrum werden im Süden zu ihrem Fange eigens Ligusterhecken 
angepflanzt, welehe sie dort alljährlich regelmässig annehmen. Man darf sie beim 
Sammeln nicht mit blossen Händen zu lange anfassen, indem unangenehme 
Ausschläge darnach entstehen. Auch kann man sie in Schirme klopfen. 

Zur Tödtung wird mitunter ausser den auf S. 220 angegebenen Substanzen 
auch Terpentinöl verwendet, von dem man einige Tropfen in ein gut schliessendes 
Gefäss giebt. Vor dem Verkauf können sie am besten künstlich, eventuell im 
Backofen, gedörrt werden. 

Das Cantharidin, von dem in den offieinellen Arten durchschnittlich 
0-5 Procent enthalten ist, hat die Formel C, H,0O,. Rein ist es neutral und 
krystallisirt in farblosen Säulen oder Blättchen des rhombischen Systems, welche 
sich in Aether, Chloroform und Essigäther, sowie in fetten und ätherischen Oelen 
leicht lösen. Zur Herstellung des spanischen Fliegenpflasters werden die fein 
gepulverten Insekten mit einem Bindemittel verrieben. 

Nur als äusseres, blasenziehendes Reizmittel wird das Cantharidin in der 
rationellen Mediein augenblicklich angewendet, innerlich dagegen meist nur bei 
missbräuchlicher, grösstentheils auf Aberglauben beruhender Anwendung gegeben, 
und diese ist um so verwerflicher, als stärkere Dosen für Menschen, Säuger und 
Vögel — angeblich mit Ausnahme des Igels und der Hühner — tödtlich wirken 
können. Zufällig eingetretene Vergiftungen mit spanischen Fliegen sind durch 
Brechmittel und Eingeben schleimiger Substanzen zu behandeln; Oele sind 
aber, als Lösungsmittel des Cantharidins, streng zu vermeiden. 


Literaturnachweise zu dem Abschnitte „Die übrigen forst- 
sehädlichen Familien der Pentameren und der Heteromeren’. 

Il. BaumHAuER, E. H. von. Sur le taret et les moyens de preserver 
le bois de ses degäts. Archives Neerlandaises des Sciences exactes et 
naturelles. T. I., 1866, p. 1—45, TA. 1. — 2, BrAuresarn, H. Sur le 
mode de developpement naturel de la Cantharide. Comptes rendus. 
Bd. C., 1885, S. 1472—1476. — 3. Branpr. J. F. und RATZEBURG. 
Medicinische Zoologie. 4. II. Bd., Berlin 1833. Cantharida. S. 110 — 
129, Taf. XVI—XIX. — 4, CoLpstream. Ueber Bau und Lebensart von 
Limnoria terebrans. Uebersetzung in Isis. 1838, S. 39—46, Tfl. I. — 
5. Costa, A. Degl’ Insetti che attacano l’albero ed il frutto dell’ 
Olivo ete. Napoli 1877, S. 222—227, Taf. VIlla, C. — 6. DicaurmARE. 
Ueber ein holzzernagendes Seeinsekt. Lichtenberg’s Magazin. II. Bd., 2. 
1783, S. 40—53. Taf. I. — 7. Eıcnnorr. Käferschaden nach Aufästungen. 
Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen. I. Bd., 1869, S. 137 und 138. — 
8. F. G. Ein neuer Feind der Eiche. Oesterreichische Vierteljahrs- 
schrift für Forstwesen. VI. Bd., 1.Heft, 1856. S. 271— 273. — 9. KırcHner, 
L. Ueber die Larven der Lytta vesicatoria unter Engerlingen. Verhandl. 
der Forstsection für Mähren und Schlesien. 51. Heft, 1863, S. S0—82. — 


Literaturangaben. Rüsselkäfer und Verwandte. 351 


I0. Lichtenstein, J. Sur les metamorphoses de la Cantharide (Lytta vesi- 
eatoria Fabr.). Comptes rendus. Bd. LXXXVIII, 1879, 8. 1089— 1092. — 
li. Moorz, E. Ueber das Vorkommen des Teredo navalis und der 
Limnoria terebrans im Hafen von Plymouth. Froriep’s Notizen. VII, 
1838, Nr. 136, S. 49—53. — 12. NörpLinGEr. Die Holzzerstörer auf den 
Schiffiswerften. Pfeil’s kritische Blätter. Bd. L, 1. Heft, $S. 191—192. 
13. Derselbe. Der Splintkäfer. Pfeil’s kritische Blätter. 1862. XLIV. Bd., 
2. Heft, S. 234—238. I4. Derselbe. Wieder der Splintkäfer. Lyetus 
eanaliculatus L. Pfeil’s kritische Blätter. 1870. LII. Bd., 1. Heft, S. 256 
— 260. — 15. Preır. Bemerkungen zur Gattung Hylecoetus Latr. 
Stettiner entomolog. Zeitung, Bd. XX, 1859, S. 74—83 mit 1 Taf. — 
16. Prıcıpp1, A. Chelura terebrans a new Amphipod Genus. Annals of 
natural history. Vol. IV., London 1840, S. 94—96. Til. III, Fig. 5. — 
17. Puron, A. Observation de M. Mathieu sur le Hylecoetus dermestoides. 
Annales de la Societe entomologique de France. 5° ser., T. VIII, 1878. 
Bulletin, S. 127— 129. — I8. Rarzepurg. Forstinsektensachen. Nr. 5 in 
Grunert, forstliche Blätter. Heft 5, S. 165—167. 19. Derselbe. Insekten- 
sachen, Nr. 6 in Pfeil, kritische Blätter, Bd. XXXIJ, 1. Heft, S. 143 — 
145. — 20. Semper, K. Die natürlichen Existenzbedingungen der Thiere. 
8. Leipzig 1880. Bd. I, II. 


Rüsselkäfer und Verwandte. 

Eine grosse Gruppe der tetrameren Käfer ist ausgezeichnet durch 
die vordere, an ihrer Spitze die Mundwerkzeuge tragende Verlängerung 
des Kopfes, den Rüssel. Zugleich kommt ihnen sämmtlich eine einheit- 
liche Larvenform zu, eine weissliche, bauchwärts eingekrümmte, fusslose, 
oder nur Stummel tragende, blinde Made, mit stark chitinisirtem, deut- 
lich abgesetztem Kopfe (Taf. II, Fig. 5 und 6,Z). Biologisch sind diese 
Käfer ausgezeichnet durch ihre ausschliesslich pflanzliche Nahrung, 
sowie dadurch, dass sich das Weibchen bei Unterbringung der Eier an 
zur Brutstätte gewählten Pflanzen niemals selbst in das Innere dieser 
einfrisst, sondern die Eier entweder äusserlich ablegt oder doch nur in 
ein von aussen mit dem Rüssel gebohrtes Loch. Die Larven leben 
zum Tbeil im Boden, meist aber im Inneren der Nährpflanze — einige 
mehr äusserlich an derselben — und vollenden hier vielfach auch ihre 
gesammte Metamorphose, sodass erst der fertige Käfer sich herausfrisst. 
Vereinzelte Formen kommen parasitisch in anderen Insekten vor. 

Wir theilen für unsere Zwecke diese mit Rüsseln versehenen Käfer 
am besten in drei grössere Familien, die Bruchidae, die Attelabidae 
und die Curculionidae. 


352 


[2 7) 


- 


Kap. IX. Die Käfer. 


Die Tetrameren lassen sich leicht in drei grosse natürliche Abtheilungen 
trennen. Die erste derselben ist charakterisirt durch die im Ganzen eiförmige 
Gestalt, die mittellangen Fühler, den Rüssel und die weisse, rundliche, fusslose, 
bauchwärts eingekrümmte, mit starkem Kopfe versehene, phytophage Larvenform. 


Ill 11 I 


Fig. 130. Köpfe (I), Hinterkiefer (II) und 
Mittelkieferhälfte (III), von verschiedenen 
Rhynchophoren. A Bruchus atomarius L. 
B Anthribus varius Farr. CO Attelabus 
eurculionoides L. D Rhynchites Betulae 
L. E Pissodes Pini L. FF Tomicus 
typographus L. Die Köpfe sind schwächer, 
die Mundwerkzeuge stärker vergrössert, und 
die bei den verschiedenen Käfern ange- 
wandten Massstäbe sind sehr ungleich. 


Diese Abtheilung kann man als 
Rüsselkäfer, Rhynchophora, 
bezeichnen (vergl. Taf. II, Fig. 5). 

Ihnen stehen gegenüber zu- 
nächst dieim Ganzen langgestreck- 
ten, mit sehr langen, oft den Leib 
überragenden Fühlern’ versehenen, 
rüssellosen Formen, deren phyto- 
phage Larven gleichfalls im Innern 
ihrer Nahrungsquelle leben und 
daher weisslich sind, sich aber 
durch ihre verlängerte, niemals 
bauchwärts eingekrümmte, schwach 
abgeplattete Gestalt, die starke 
Vorderbrust und die kurzen Beine 
scharf von denen der ersten Gruppe 
unterscheiden. Diese Abtheilung 
enthält nur die Familie der 
Bockkäfer, Cerambycidae (vergl. 
Nat. Ile Bir. 12). 

Die dritte Gruppe begreift oben 
gewölbte, unten mehr abgeflachte, 
rüssellose Käfer mit abgerundetem 
Gesammtumrisse, mit kurzen 
Fühlern und meist frei lebenden, 
beweglichen und entschieden ge- 
färbten, mit langen Beinen ver- 
sehenen, phytophagen Larven. 
Diese Abtheilung umfasst die 
Familie der Blattkäfer, Chryso- 
melidae (vergl. Taf. II, Fig. 2). 

Obgleich auch die beiden 
letzten grossen Abtheilungen dem 
Schicksal einer weiteren Zer- 
splitterung in kleinere Familien 
nicht entgangen sind, werden sie 
von der neueren Systematik, wie 
wir schon erwähnten, doch wieder 
als zwei einheitliche Familien auf- 
gefasst. 

Die Rhyncehophora da- 
gegen werden auch jetzt noch 
in verschiedene Familien getrennt, 
und zwar z. B. im Kataloge von 
L. v. Heyven, REITTER und Weise 
in nicht weniger wie 12. Diesem 
Vorgange können wir uns aus 
praktischen Rücksichten nicht an- 
schliessen, gehen vielmehr auf die 
drei alten Liwsnü’schen Gattungen 


Bruchus, Attelabus und Curculio als Typen zurück und betrachten jede als 
eine Familie. Die Unterschiede dieser beruhen wesentlich in den Mundtheilen 


und in der Form der Fühler. 


Unter die Bruchidae in unserem weiteren Sinne 


rechnen wir mit Westwoo» alle diejenigen Rüsselträger, welche frei vorstehende, 
fadenförmige Taster an Mittel- und Hinterkiefer haben, also die Bruchidae im 


Die Tetrameren im Allgemeinen. Samenkäfer oder Bruchiden. 353 


engeren Sinne — neuerdings mit Hervorsuchung eines alten, gewöhnlich auf 
eine Meloidengattung bezogenen Namens wieder Mylabridae genannt — die 
Anthribidae und die Nemonygidae (Fig. 130 A und B). 

Sämmtliche andere Rüsselträger sind ausgezeichnet durch sehr kurze, kegel- 
förmige Taster an Mittel- und Hinterkiefer (Fig. 130 C—F). Sie lassen sich aber 
leicht nach den Fühlern in zwei Abtheilungen bringen. Bei den einen sind die 
Fühler nicht gebrochen und zerfallen nicht in Schaft und Geissel (C’ und D). 
Diese Formen fassen wir zusammen als Attelabidae im weiteren Sinne, welche 
dann die neueren Faırilien der Apionidae, Rhynchitidae und Attelabidae 
im engeren Sinne enthalten. 

Die anderen haben deutlich gebrochene Fühler mit Schaft und Geissel, 
und diese kann man als Curculionidae oder eigentliche Rüsselkäfer bezeichnen 
(Fig 130 E). Bei dieser ganz allgemeinen Eintheilung gehören dann aber unter 
letztere Gruppe auch die Borkenkäfer (Fig 130 F), denn man dürfte vom 
rein morphologischen Standpunkte aus vergeblich trachten, eine scharfe Scheidung 
zwischen ihnen und den noch heute zu den eigentlichen Rüsselkäfern gerechneten 
Gattungen Baris Germ. oder Cossonus Craırv. zu finden. 

Wir werden aber trotzdem hier aus biologischen Gründen eine Trennung 
vornehmen, da die sämmtlichen Borkenkäfer olıne Ausnahme sich dadurch aus- 
zeichnen, dass die Mutterkäfer zur Ablage ihrer Eier mit ihrem ganzen Leibe 
in die Nährpflanze der Larven eindringen, also „Muttergänge” machen. Dies ist 
vom forstentomologischen Siandpunkte höchst wichtig. Dagegen vereinigen wir 
die vier neueren Familien der Hylesinidae, Scolytidae, Tomicidae und 
Platypidae unter dem weiteren Begriffe der Scolytidae. Die Rhynchophoren 
zerfällen wir also für unsere praktischen Zwecke am besten in die vier grossen 
Familien, der Bruchidae, Attelabidae, Curculionidae und Scolytidae. 


Die Familie der Bruchidae im weiteren Sinne. Unter diesem 
Namen fassen wir mit Westwoonp alle rüsseltragenden Käfer mit frei 
vorstehenden, fadenförmig entwickelten Mittel- und Hinterkiefertastern 
zusammen, also die neueren von uns als Unterfamilien betrachteten 
Gruppen der Bruchidae im engeren Sinne, der Anthribidae und 
der Nemonygidae. Nur die beiden ersteren haben auf einige Be- 
achtung seitens des Forstmannes Anspruch. 

Die Unterfamilie der Bruchidae im engeren Sinne ist bio- 
logisch sehr scharf dadurch charakterisirt, dass die Entwickelung 
ihrer sämmtlichen Vertreter vollständig im Inneren von Samen, bei 
uns namentlich in Hülsenfrüchten, abläuft, aus denen sich dann der 
fertige Käfer herausfrisst, Am bekanntesten ist der in Erbsen sich 
entwickelnde und die Erbsenernte oft empfindlich schädigende Bruchus 
(Mylabris Grorr.) pisorum L. und B. atomarius L. (granarius L.). 

Forstlich kann in Frage kommen Bruchus villosus FABRr., 
welcher bei uns häufig die Samen der Akazien und der Besenpfriemen 
zerstört. Je nachdem man letztere Pflanze an irgend einer bestimmten 
Stelle wünscht oder vernichtet haben will, wird man daher diesen 
Käfer entweder durch Verbrennen der von ihm befallenen Samen- 
hülsen bekämpfen oder gewähren lassen müssen. 


Die Unterfamilie der Bruchidae (Fig. 130 A) ist leicht kenatlich 
durch den kurzen Rüssel mit deutlicher Oberlippe, die hufeisenförmig gestalteten 
Augen, in deren Ausschnitt die nicht gebrochenen, vorn nur wenig verdickten, 
dagegen öfters gezähnten, meist elfgliedrigen Fühler eingelenkt sind, und das 
grosse, von den Flügeldecken freigelassene Pygidium. 

Bruchus villosus Fasr. (after Marsu., Cysti PAyk.) ist ein kleiner, schwarzer, 
an der Oberseite gleichmässig fein grau behaarter Käfer, dessen Fühler nach 


354 Kap. IX. Die Käfer. 


der Spitze gleichmässig verdickt sind und kürzer als der halbe Leib bleiben. 
Halsschild quer, ziemlich trapezförmig, mit abgerundeten Vorderwinkeln. Die 
ganz schwarzen Beine haben ungezähnte Schenkel. Länge 2—2'5 mm. 

Die natürliche Verbreitung der Berenpfrieme Sarothamnus vulgaris Wım. 
(Spartium scoparium L.) wird durch die ausgedehnten Samenzerstörungen 
dieses Käfers bei uns beschränkt, und Arrum [XVI, III, 1, S. 164] macht mit 
Recht darauf aufmerksam, dass dort, wo Besenpfrieme den Kulturen schädlich 
wird, der Käfer nicht zu bekämpfen ist, während er da, wo diese Pflanze als 
Bodenschutz und Bodendeckung für Pflanzungen geschätzt oder zur Anlage von 
Remisen für Federwild und Hasen gewünscht wird, vom forstlichen Standpunkte 
aus als schädlich angesehen werden muss. Ebenso kann letzteres dort der Fall 
sein, wo man Samen der Akazie, Robinia pseudacacia L., zum Zwecke der 
Pflanzenerziehung gewinnen will. 


Die Unterfamilie der Anthribidae hat biologisch keine so 
scharfe Charakteristik wie die vorige. Die meisten ihrer Vertreter 
brüten zwar im Holze, aber meist nur in anbrüchigem, und haben 
daher forstlich keine Bedeutung. Die einzige, den Forstmann inter- 
essirende Gattung ist Anthribus, deren Larven parasitisch in den, 
unsere jungen Laub- und Nadelhölzer schädigenden Schildlausarten 
leben. Am bekanntesten ist Anthribus varius FaAsr., welcher in 
dem auf jüngeren Fichten lebenden Fichtenquirl-Schildlaus Coccus 
racemosus Rarz. ungemein verbreitet ist und meist leicht gezogen 
werden kann, wenn man eine grössere Menge mit Schildlaus-Weibchen 
besetzter Ficehtenzweige in eine Schachtel thut. 


Nach unserer Begrenzung umfasst die Unterfamilie der Anthribidae 
alle rüsseltragenden Käfer mit deutlicher Oberlippe und fadenförmigen Tastern, 
bei denen die Fühler am Ende deutlich und plötzlich zu einer Keule verdickt 
sind, die rundliche Augen und ein so stark ausgeschnittes zweites Tarsalglied 
haben, dass das dritte in dem Ausschnitt eingesenkt erscheint. 

Bei der Gattung Anthribus Georr. (Brachytarsıs ScHöxn.) sind die Käfer 
ausgezeichnet durch ihren gedrungenen, stumpf eiförmigen Körper, mit dreieckigem, 
flachgedrücktem Kopfe, an dem die Augen den Vorderrand des Thorax berühren. 
Die elfgliedrigen Fühler haben am Ende eine aus drei grossen, dicht aneinander 
gelegten Gliedern bestehende Keule. Thorax quer viereckig, am Grunde zweimal 
ausgebuchtet. Vorderhüften klein und fast zusammenstossend. Larve ohne Bein- 
rudimente, 

A. varius Fasr. Käfer schwarz, dicht punktirt, unten dichter, oben spar- 
samer, fein gelbgrau behaart. Flügeldecken tief punktirt gestreift und mit grauen 
Makeln gesprenkelt. Länge 2'5—4 mm. Larve, wie oben bereits erwähnt, in Coccus 
racemosus schmarotzend. 

A. fasciatus Forst. (scabrosus Fapr.). Käfer schwarz, Flügeldecken 
punktirt gestreift, roth, die Zwischenräume der Punktstreifen erhaben und 
abwechselnd roth und schwarz gewürfelt. Länge 3—4 mm. Larve nach unserem 
Züchtungsresultate in grossen, an Acer pseudoplatanus vorkommenden Coccus- 
Weibchen lebend. 


Die Familie der Attelabidae im weiteren Sinne, wie wir sie 
mit Westwoop annehmen, umfasst alle rüsseltragenden Käfer mit 
kurzen kegelförmigen Tastern, welche zugleich keine gebrochenen, 
sondern gerade, nicht aus Schaft und Geissel bestehende Fühler haben, 
also die Brentidae, die Attelabidae im engeren Sinne, zu 
welchen wir auch die Gattung Rhynchites rechnen und die Apionidae. 


N 


a ar 


Die Bruchiden und Attelabiden. 355 


Die Brentidae sind in Europa nur durch eine einzige Art 
vertreten und kommen hier nicht in Betracht. Die Apionidae 
umfassen das einzige, dafür aber sehr artenreiche Genus Apion Hessr. 
und werden wegen der äusserst zierlichen Zuspitzung ihres Kopfes 
„Spitzmäuschen” genannt. Sie sind zwar als Larven mitunter schäd- 
lich, indem diejenigen mancher Arten in den Stengeln von Garten- 
pflanzen, z. B. Malven, oder in den Köpfen des Klees leben. Forst- 
lich kommen sie aber in keinerlei Betracht. 

Dagegen sind die Attelabidae im engeren Sinne forstlich 
einigermassen beachtenswerth, da viele Vertreter derselben Blätter 
mehr weniger künstlich zu Rollen zusammenwickeln, in denen sie 
ihre Eier absetzen. Es sind an unseren Laubhölzern namentlich zu 
erwähnen Attelabus curculionoides L. an Eiche, Apoderus Coryli L. 
an Hasel, Rhynchites Betulae L. an Birke und Rh. Populi L. an 
Pappel. Der ähnlich wie Rh. Populi L. wickelnde Rh. Alni Mürr. 
(betuleti FAer.) ist ein den Weinstock schwer schädigendes Insekt. 


Beschreibung. Von der Gruppe der Attelabiden in unserem Sinne 
kommen für uns drei Gattungen in Betracht: 


Gattung Apoderus Ouıw. Käfer. Rüssel kurz und dick, kaum länger 
als die Hälfte des übrigen Kopfes, der hinter den vorspringenden Augen stark 
verlängert und durch eine dünne, halsförmige Einschnürung mit dem vorn 
gleichfalls in eine enge, dünne Röhre ausgehenden Halsschilde verbunden ist. 
Hinterrand des Halsschildes wulstig aufgeworfen. Fühler zwölfgliedrig, mit vier- 
gliedriger, kurz behaarter Keule. Schienen innen gezähnt. Die einzige in Mittel- 
europa praktisch in Frage kommende Form ist: 


A. Coryli Orıv. mit glattem, nur wenig punktirtem Halsschilde und ein- 
farbigen Flügeldecken. Länge 6—7 mm. Bei der normalen häufigen Form sind 
Halsschild und Flügeldeeken roth oder rothgelb, Kopf und Unterseite dagegen 
schwarz. In einigen Varietäten werden zunächst das ‚Halsschild und dann auch 
die Flügeldecken schwarz. 


Gattung Attelabus L. Küfer. Rüssel kurz und dick, etwas kürzer als 
der übrige Kopf, der hinter den Augen nicht verlängert und nicht halsartig ein- 
geschnürt ist. Halsschild gleichmässig gewölbt, nach vorn verengt. Fühler 
elfgliedrig, Keule dreigliedrig. Schienen innen gezähnt. 


Auch bei dieser Gattung kommt praktisch nur eine Art in Frage, es ist 
der von England bis Spanien und von Sibirien bis zum Kaukasus verbreitete: 


A. curculionoides L. Flügeldecken mit Punktreihen, deren Einzelpunkte 
ziemlich gross und nicht sehr dicht aneinandergereiht sind, Raum zwischen den 
Punktreiben wieder fein punktirt. Bei der gewöhnlichen Form Kopf und Unter- 
seite tiefschwarz, Halssch ld und Flügeldecken roth. Die schwarze, beziehungs- 
weise bläuliche Färbung kann bei einigen Varietäten mehr weniger ausgedehnt 
auf Halsschild und Flügeldecken übergreifen. Länge 3—5 mm. 


Gattung Rhynchites Hssr. Rüssel wenigstens von Kopfeslänge, meist 
sänger. Kopf hinter den Augen etwas verlängert, aber nicht eingeschnürt. Hals- 
schild kaum länger als in der Mitte breit, nach vorn verengt, an den Seiten 
etwas gerundet erweitert. Fühler elfgliedrig mit drei getrennten Endgliedern, 
stets in der Nähe der Mitte des Rüssels eingefügt. Vorderkiefer auch an 
der Aussenseite mit Zähnen versehen. Innenrand der Vorderschienen nicht gezähnt, 


Bei denjenigen Arten, welche besondere Kunsttriebe zur Unterbringung 
ihrer Eier ausüben, ist, da dieses immer nur durch die @ @ geschieht, der Rüssel 
der letzteren uach Länge und Statur, Einlenkung der Fühler und Gestaltung 
der Vorderkiefer von dem der 3 Ö verschieden. 


356 Kap. IX. Die Käfer. 


Aus dieser 24 paläarktische Arten umfassenden Gattung haben wir nur 
einige Arten hervorzuheben, unter ihnen Vertreter der beiden Untergattungen, 
in welche Rhynchites zerfällt wird. Die erste nur wenige Formen umfassende 
Untergattung Bytiscus ist ausgezeichnet durch kleine, kurz oval bleibende und 
daher die Episternen der Hinterbrust nicht erreichende Hinterhüften. Hierher gehört: 


Rh. Alni Mürr. (betuleti Fasr.), der Rebenstecher. Käfer mit glattem 
Halsschilde und zahlreichen Längsreihen unter sich gleicher, mittelgrosser, nicht 
zusammenfliessender Punkte auf den Flügeldecken. Der ganze Körper ist ein- 
farbig grün oder blau, die Stirn seicht gefurcht. Länge mit Rüssel 6 —9 mm. 
d mit Seitendorn am Halsschilde. Zu derselben Untergattung gehört in Europa 
nur noch 

Rh. Populi L., dessen Käfer sich durch die geringere Grösse, nur 
4—6 mnı Länge einschliesslich des Rüssels, durch die tiefe Furchung der Stirn 
und durch die blaue Färbung der Unterseite bei grünen oder goldrothen Flügel- 
decken, also durch Zweifarbigkeit auszeichnet. 

Die zweite Untergattung, welche oft als Rhynchites im engeren Sinne 
bezeichnet wird, hat lange, quer bis zu den schmalen Episternen der Hinterbrust 
reichende Hinterhüften. 


Rh. Betulae L., der Trichterwickler, die einzige hier näher zu besprechende 
Form ist ein kleiner, 25—4mm langer, mattschwarzer Käfer mit bräunlicher 
Behaarung. Rüssel breit und kurz, beim ÖS' etwas kürzer, beim Q@ ebensolang 
wie der hinten verengte Kopf. Hinterschenkel des Ö stark verdickt, innen mit 
einer Reihe feiner Sägezähne, ebenso die Hinterschienen an ihrer Innenseite be- 
setzt. Hinterschenkel des @ einfach keulenförmig, Schienen innen rauh gekörnt. 


Forstliche Bedeutung der Attelabiden. Diese Familie zerfällt 
biologisch nach Wasmann [63, S. 227] nach der Art der von dem 
Weibchen geübten Brutunterbringung und also auch nach der Lebens- 
weise ihrer Larven in fünf Gruppen: 


1. Die Fruchtbohrer legen ihre Eier in junge Früchte, deren 
Stiel sie anschneiden, damit die Frucht bald abfalle, z. B. Rhynchites 
Bacchus L., der Apfelbohrer. 

2. Die Holzbohrer legen ihre Eier in holzige Zweige, von 
deren Mark wahrscheinlich die Larve lebt, z. B. Rhynchites pubes- 
cens Fapr. an Eiche, eine Brutversorgung, der übrigens eine forst- 
liche Bedeutung nicht zukommt. 

. 3. Die Triebbohrer legen ihre Eier in junge Triebe, welche 
sie anschneiden, damit sie welken und abfallen, z. B. Rhynchites 
conicus Irr. an Stein- und Kernfruchtbäumen. 


4. Die Blattstecher legen ihre Eier in ein Bohrloch am 
Grunde der Mittelrippe eines Blattes, welches in Folge dessen ver- 
trocknet und abfällt. Hierher gehört Rbynchites Alliariae Pay. an 
Kichen- und Obstbäumen. 


5. Die Blattwickler, welche ihre Eier in künstlich zusammen- 
gewickelte Blätter legen, die alsdann vertrocknen und mit ihrer 
Blattsubstanz den Larven zur Nahrung dienen. Nur letztere Gruppe 
ist forstlich beachtenswerth, weil nur sie schon mitunter durch aus- 
gedehntere Blätterzerstörung merklich schädlich wurde. Die Art, wie 
diese Käfer die Blätter rollen, ist aber noch sehr verschieden. Wir 
unterscheiden zunächst Blattwiekler, die keinen Blattschnitt ausführen, 
und solche, die denselben anwenden. 


pi 


Attelabiden im Allgemeinen und blattwiekelnde Formen. 357 


A. Blattwickler ohne Blattschnitt. 


Diese Käfer schneiden den Trieb, welcher die zum Wickeln 
bestimmten Blätter trägt, an, sodass er welkt und wickeln dann ein 
oder mehrere Blätter zu lang herabhängenden zapfenförmigen Rollen, 
in denen die Eier untergebracht werden. Hierher gehört der an den 
meisten Laubhölzern und Fruchtbäumen vorkommende Rh. Alni Mürr. 
(betuleti Fagr.), welcher aber, weil er namentlich an den Reben im 
Süden durch seine Thätigkeit hervorragend schädlich ist, als Reben- 
stecher bezeichnet wird. 


Dieser ir allen weinbauenden Ländern, namentlich am Rhein, in Oesterr- 
reich, in Frankreich und Italien, mit sehr verschiedenen Trivialnamen bezeichnete 
Käfer fliest von Mai bis Juli und dreht die oben beschriebenen Wickel zur 
Unterbringung seiner Eier, die meist in der Mehrzahl in einem Wickel sich 
finden. Die Larven verlassen erwachsen den Wickel und verpuppen sich in einer 
kleinen Erdhöhle. Die Generation ist einjährig. Die fertigen Käfer erscheinen 
theils noch in demselben Herbst und überwintern alsdann frei, theils verlassen 
sie die Erde erst im näclısten Frühjahr. Nur in Weinbergen, in denen das Thier 
schonhäufig sehr schädlich autgetreten ist, empfiehlt sich das Ablesen der Käfer 
und das Sammeln und Verbrennen der Wickel. 

In der deutschen Literatur sind die genauesten Beobachtungen über den 
Rebenstecher von NöRrnLIxGEer [VIll, S. 152—174 und XXIV, S. 15] und von 
ScHmiDr-GöBEL [56] publieirt worden. 

Rh. PopuliL. lebt namentlich auf Aspen und verwendet angeblich immer 
nur ein Blatt zu seiner Rolle. 


B. Blattwickler mit Blattschnitt. 


Diese T'hiere verwenden stets nur den Endabschnitt eines 
Blattes zur Herstellung ihres Wickels, nachdem sie denselben vorher 
durch einen Einschnitt von dem Basalstücke theilweise abgetrennt 
haben. 


Im einfachsten Falle wird von einer Seite her der Ein- 
schnitt bis über die Mitte weggeführt, sodass die Verbindung 
zwischen Blattbasis und Wickel durch den stehen gebliebenen 
Randtheil der Blattfläche vermittelt wird, während die Mittel- 
rippe durchgetrennt ist. Fig. 131 stellt ein solches Röllchen 
aus einem Haselblatte dar, welches von dem einzigen in 
Mitteleuropa so, arbeitenden Käfer, von Apoderus Coryli L. 
verfertigt ist. Wir haben diese. an der Durchschneidung 
der Mittelrippe leicht kenntlichen Rollen am häufigsten auf 
Hasel gefunden, während sie RarzerurG und WASsMAnN 
[63, S. 229] auch von Erlen-, Buchen-, Hainbuchen-, Eichen- 
und Birkenbüschen kennen. Die gesammte Entwickelung von 
Apoderus geht in dem Wickel selbst vor sich und dauert 
nur zwei Monate, so dass eine höchstens einjährige Generation 
Regel zu sein scheint. Dagegen kann unter ee Ver- 
hältnissen auch eine doppelte Generation vorkommen. - r 

Die übrigen Blattwickler mit Blattschnitt schneiden Fig. 18%, ‚Van.Apo- 
dagegen von beiden Seiten gegen die unverletzt bleibende 
Mittelrippe zu, und der Wickel bleibt also mit der Blattbasis 
durch die Mittelrippe verbunden. Die aus dem abgegrenzten 
Blatttheile gemachten Wickel können aber wieder nach zweierlei Prineipien eon- 
struirt sein. 


derus Coryli L. aus 
einem Haselblatte 
verfertigtes Röllchen. 


358 Kap. IX. Die Käfer. 


Attelabus curculionoides L. macht kurze, eylindrische Röllchen (Fig. 132), 
welche so gefertigt sind, dass die zu einer Spirale gebogene Mittelrippe den 
Rand der die obere Begrenzung der Rolle bildenden Kreisfläche einnimmt. Der 
hierzu ausgeführte Schnitt ist ganz einfach gerade. Nie werden mehrere Röllehen 
aus einem Blatte gefertigt. Am häufigsten werden Eichenblätter gewickelt, doch 
im Süden und in Gärten, z. B. im Tharander Forstgarten, werden auch häufig 
Blätter der echten Kastanie benützt. Auch an Erlen hat Nırscnhe solche Röllchen 


Fig. 132. Blattrolle aus dem Blatte einer echten Kastanie gefertigt von Attelabus 
eurculionoides L. 


beobachtet. Die Larven entwickeln sich nach Wasmann viel langsamer, als die 
von Apoderus, überwintern im Wickel und gehen erst im nächsten Frühjahre 
zu einer kurzen Puppenruhe in die Erde. Ihre Generation ist also einjährig. 
Rhynchites Betulae L. macht dagegen kegelförmige, an ihrem dicken 
Ende wie eine Papiertüte zugebogene Wickel, welche mit ihrer Spitze der stehen- 
gebliebenen Blattbasis anhängen, bei denen also die Mittelrippe völlig gestreckt 
im Inneren der Tüfe liest (Fig 133 5). Die beiden zur Abtrennung der Wickel- 


A B C 


fläche gemachten Einschnitte sind ferner sehr complieirt und treten an die 
Mittelrippe in verschiedener Höhe heran (Fig. 133 A). Der in der rechten Blatt- 
hälfte befindliche beginnt in Form eines aufrechtstehenden $ näher am Blattstiel 
und tritt ziemlich tief an die Mittelrippe heran, während in der linken Blatthälfte 
der Einschnitt einem liegenden $S— @ — ähnelt und höher an die Mittel- 
rippe herantritt. In einer schönen Arbeit haben nun Deser und Hekıs [I2] 
nachgewiesen, dass diese Anbringung der Schnitte, die für die Ausführung der 
Arbeit vortheilhafteste ist. Da die Schnitte nicht an denselben Punkt der Mittel- 


SE. 


Blattwickelnde Attelabiden. Cureulioniden im Allgemeinen. 359 


rippe herantreten, so ist die Verbindung von Tüte und Blattbasis eine sehr feste, 
andererseits bietet aber die Form der abgetrennten Blatthälften auch vom 
mathematischen Standpunkte aus betrachtet beim Wickeln grössere Vortheile, 
als wenn die Einschnitte einfachere Curven wären. Ja es lässt sich sogar nach- 
weisen, dass der rechtsseitige S-förmige Einschnitt in bestimmtem geometrischen 
Verhältnisse zu dem rechtsseitigen Blattrande steht, wenn man von dessen 
Zähnelung absieht (Fig. 133C'). Man kann nämlich die untere Hälfte des stehenden 
S auffassen als Theil eines Kreises, der zu dem äusseren Blattrande nach der 
von Huygens aufgestellten Evolvententheorie im Verhältnisse von Evolute zu 
Evolvente steht. Der Käfer löst also praktisch eine höchst schwierige, mathe- 
matische Aufgabe, nämlich die Evolute aus der Evolvente zu construiren. 

Das Geschäft des Aufrollens beginnt auf der rechten Blatthälfte, um 
welche dann gewissermassen als Decke die linke Blatthälfte äusserlich herum- 
gewickelt wird. Nachdem das Weibchen zwei bis vier Eier in kleine, besonders 


hierzu zwischen Oberhaut und Mark des Blattes ausgenagte Taschen gelegt hat, 
schliesst es die Tüte am unteren Ende. 


Das ganze complicirte Werk erfordert ungefähr eine Stunde. Die aus den 
bald nach Belaubung der Birken abgelegten Eiern ausschlüpfenden Larven sind 
nach zwei bis drei Monaten ausgewachsen, fressen sich durch den Wickel durch, 
fallen zu Boden, bauen sich hier eine kuglige, innen geglättete Höhle, in der 
sie sich im Herbst verpuppen. Der Käfer schlüpft im nächsten Frühjahr aus, die 
Generation ist also einjährig. Gewöhnlich trifft man diese Wickel auf Birken, 
und nur ausnahmsweise auf Buchen, Hainbuchen, Erlen und Haseln. Im Tharander 
Forstgarten ging der Käfer im Frühjahr 1887 aber nicht blos die einheimischen 
Birkenarten, sondern auch die ve:schiedensten dort gezogenen ausländischen an, 
z. B. die amerikanische Betula lenta L. 


Ein abwehrendes Einschreiten gegen diese Käfer hat sich bisher noch 
nicht nöthig gemacht. 


Die Familie der Rüsselkäfer, Curculionidae, im engeren 
Sinne. Allgemeines. Als Rüsselkäfer im engeren Sinne bezeichnen 
wir alle rüsseltragenden tetrameren Käfer, welche deutlich gebrochene 
Fühler haben und deren Weibchen behufs Ablage der Eier die Wohn- 
pflanzen der zukünftigen Larven nur äusserlich besuchen, nicht mit 
ihrem ganzen Leibe, Muttergänge machend, in sie eindringen oder die 
Eier direct in den Boden legen. Die Jugendzustände dieser Formen 
bieten, was ihren Bau betrifit, gegenüber denen der übrigen, bereits 
besprochenen Rüsselträger keine scharfen Unterschiede. Die Zahl der 
hierher gehörigen Formen ist sehr bedeutend. Sind doch allein aus 
dem europäisch-kaukasischen Faunengebiete nicht weniger als 204 
Gattungen mit 2662 Arten bekannt geworden. 

Für den Forstmann sind aber nur verhältuissmässig wenig Gat- 
tungen und Arten wirklich wichtig, wenngleich die Zahl der Arten, 
welche von Holzpflanzen leben, bedeutend grösser ist. Dagegen ge- 
hören jene beachtenswerthen Arten zu den allergefährlichsten Feinden 
unserer Forste. In den meisten Fällen sind es die Larven, in einigen, 
darunter aber den wichtigsten, die Käfer, selten beide Zustände zu- 
eleich, welche die Verheerung veranlassen. 

; Die Familie der Rüsselkäfer, Curculionidae, zerfällt in 2 grosse 
Unterfamilien, in die Kurzrüssler, Curculionides, und die Langrüssler, 
Rhynchaenides, abgeleitet von zwei grossen ‚älteren Gattungen Cur- 
eulio L. und Rhynchaenus Gyrr., welche von der modernen 
Systematik schon längst in kleinere, schärfer begrenzte Gattungen 


360 Kap. IX. Die Käfer. 


aufgelöst worden sind. Jede dieser Unterfamilien muss der Uebersicht 
halber wieder in eine Reihe von Gruppen zerlegt werden, von denen 
wir aber hier nur wenige eingehend behandeln können. Es sind dies 
unter den Kurzrüsslern die Gruppen der Otiorrhynchina und Phyllo- 
biina, unter den Langrüsslern die Hylobiina, die Cryptorrhynchina, 
die Pissodina, die Balaninina, die Orchestina, die Cionina, die Antho- 
nomina, die Magdalina, also im Ganzen 10 Stück. 

Die Kurzrüssler oder Curculionides sind im Allgemeinen durch 
den kurzen breiten Rüssel gekennzeichnet, an welchem ziemlich vorn, 
in der Nähe der Mundwinkel, die mit langem, die Augen wenigstens 
erreichendem Schafte versehenen Fühler eingelenkt sind. Die über- 
haupt bekannt gewordenen Larven leben sämmtlich unterirdisch von 
Pflanzenwurzeln. Einem Theile dieser Kurzrüssler fehlt das zweite 
Flügelpaar, die eigentlichen Flusflügel. Wir rechnen mit dem schwe- 
dischen Entomologen C. G. Tmomson alle Augunfähigen Kurzrüssler 
zu der Gruppe der Otiorrhynchina, während wir, wieder nach diesem 
Forscher, alle übrigen hier erwähnenswerthen Gattungen in der Gruppe 
der Phyllobiina zusammenfassen. 

Die Lebensgeschichte der zu den Otiorrhynchina gehörigen 
Arten ist nur bei verhältnissmässig wenigen aufgeklärt, eine That- 
sache, aus welcher hervorgeht, dass in beiweitem den meisten Fällen 
nur die Käfer selbst, nicht die Larven forstlich schädlich werden, 
denn wäre dies anders, so wären wir längst schon besser über die 
Biologie der Larven unterrichtet. Die meisten derselben scheinen 
äusserlich an der Nährpflanze zu leben, namentlich unterirdisch nach 
Art der Engerlinge die Wurzeln zu verzehren. 

Der Schaden der Käfer bestekt wesentlich im Benagen von 
Rinde und Blättern bei Laub und Nadelholzpflanzen jüngeren und 
höchstens mittleren Alters. Wirklich grossartige Verheerungen sind 
durch sie noch nicht hervorgerufen worden. Das gleiche gilt von der 
Gruppe der Phyllobiina. 

Zu den Kurzrüsslern gehört die Mehrzahl derjenigen Formen, 
welche von RATzEBuURG in den früheren Auflagen dieses Werkes als 
graue, grüne und schwarze Rüsselkäfer zusammengestellt worden sind, 
also die Gattungen Otiorrhynchus Germ., Cneorrhinus ScHÖNH., 
Strophosomus BitLe., Brachyderes ScHönH., Sitona GERM., Metallites 
GERM., Polydrusus GERM., Phyllobius SchönH. und Scythropus ScHÖNH. 

Als Langrüssler, Rhynchaenides, bezeichnen wir die Formen 
mit im allgemeinen längerem und drehrundem Rüssel, deren mit ver- 
hältnissmässig kurzem, die Augen meist nicht erreichendem Schafte 
versehene Fühler näher an der Mitte als an der Spitze des Rüssels 
eingelenkt sind. Diese Gruppe enthält Formen, welche theils als 
Käfer, theils als Larven schaden, und wir sind namentlich über die 
Lebensweise der letzteren, die bäufig im Inneren ihrer Nährpflanze 
leben, vielfach sehr gut aufgeklärt. 

Den Uebergang von der vorhergehenden Unterfamilie bildet die 
Gruppe der Hylobiina, indem hier der Rüssel selbst zwar schon 


Cureulioniden im Allgemeinen. 561 


völlig die Kennzeichen der Langrüssler trägt, dagegen die Fühler 
an ihm noch ziemlich weit vorn eingelenkt sind. Hierher gehört vor 
allem die Gattung Hylobius ScHöxH., mit ihrem hervorragendsten 
Vertreter dem H. Abietis_L., der ja unter dem missbräuchlich auf ihn 
gedeuteten Namen (urculio Pini oder als „grosser brauner Rüssel- 
käfer”’” jedem Forstmanne als Erbfeind unserer Nadelholzkulturen 
bekannt ist. Diese Gattung schadet nur als Käfer, der Larvenfrass 
ist nicht von praktischer Bedeutung. Ihr schliesst sich die Gattung 
Cleonus SCHÖNH. an. 

Die Cryptorrhynchina oder Verborgenrüssler heissen so, weil 
sie im Stande sind, den Rüssel völlig in eine auf der Brustmitte ver- 
laufende Rinne zu verbergen. Hierher gehört von wichtigen Thieren 
lediglich der als Erlenrüsselkäfer, Cryptorrhynchus Lapathi L., bekannte 
Forstschädling, dessen Larven gefährliche Feinde für die jüngeren 
Erlenbestände sind. 

Die Pissodina, in ihrer äusseren Erscheinung den Hylobiina, 
namentlich dem grossen braunen Rüsselkäfer, sehr ähnlich, aber trotz- 
dem durch die höhere Einlenkung der Fühler leicht zu unterscheiden, 
sind, wenigstens was die wichtigsten Arten der Gattung Pissodes 
Germ. betrifft, auch biologisch leicht zu kennzeichnen. Ihre Larven 
leben zwischen Rinde und Holz von Nadelhölzern und bringen daher 
meist ältere Stämme durch Unterbrechung der Safteireulation zum 
Absterben. Nur zwei Arten haben eine abweichende Lebensweise, die 
eine geht an jüngere Stämme, die andere an Zapfen. Stets sind aber 
die Larven, nicht die Käfer selbst, schädlich. Die „kleinen braunen 
Rüsselkäfer”’, von Rarzegurg als Kulturverderber angeführt, und der 
Harzrüsselkäfer, ein Bestandsverderber, gehören hierher. 


Die Balaninina sind die typisch ausgebildeten Langrüssler ; 
ihr fadendünner, gekrümmter Rüssel übertrifft mitunter, namentlich 
bei dem Weibchen, an Länge den gesammten übrigen Leib. 
Nur die Gattung Balaninus „Nussbohrer”’” kommt hier in Frage. 
Biologisch ist sie eine scharf begrenzte Gruppe, deren Larven im 
Inneren von Baumfrüchten leben, welche sie durch Aufzehren des 
Samens taub machen. 


Die Orchestina sind kleine Langrüssler mit kräfüg ausgebildeten 
Springbeinen. Ihre Larven sind Blattminirer, während die Käfer als 
Blattfresser die immerhin nicht sehr beträchtlichen Zerstörungen der 
Larven vergrössern. Hierher gehört als Buchenfeind Orchestes Fagi L. 


Die Cionina sind wenig bemerkenswerthe Blattzerstörer, deren 
einzige forstlich aufzuführende Art der Eschenblattkäfer, Cionus Fraxini 
DE Geer ist. 

Von den dem Gärtner, namentlich dem Obstzüchter, sehr schäd- 
lichen Anthonomina wird forstlich meist nur eine Art, der den Kiefer- 
nadeln verderbliche Brachonyx pineti Pay. (indigena Hesr.) erwähnt. 

Die die „blauen Rüsselkäfer” umfassenden Magdalina werden 
als Larven in. älteren Nadelholzkulturen schädlich, 


Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde. IL 


362 Kap. IX. Die Käfer. 


Systematik. Die grosse Anzahl der Rüsselkäfer macht eine 
Eintheilung dieser Familie in Unterfamilien und Gruppen nöthig. 


Wir folgen in der Begrenzung dieser Gruppen im Wesentlichen dem System, 
welches C. G. Tuonsox in seinem berühmten Werke: Skandinaviens Coleoptera 
Tom. VIL u. X. Lund 1865 u. 1868 angewendet hat, Da dieser Forscher aber 
die Gattungen Calandra und Cossonus im weiteren Sinne als eine eigene 
Familie Cossonidae von den eigentlichen Curculionidae getrennt hat, ein Vor- 


gang, dem wir uns der Einfachheit wegen nicht anschliessen können, so hätten 


wir eigentlich diese Gruppen mit in die Systematik der Curculionidae im 
weiteren, gewöhnlichen Sinne aufnehmen müssen. Da sie aber für den Forst- 
mann von keinerlei Bedeutung sind, glaubten wir von dieser Umarbeitung um 
so eher absehen zu dürfen, als uns auch das Tuousox’sche System noch 
durchaus nicht für die Dauer festzustehen scheint. 


Familie: Eigentliche Rüsselkäfer, Curculionidae. 


1. Unterfamilie, Kurzrüssler, Curculionides. Rüssel kurz und 
breit, Fühlerschaft lang, zurückgelegt die Augen wenigstens erreichend, 
Einlenkungsstelle der Fühler der Rüsselspitze näher, wie den rundlichen 
Augen. Fühlerfurche nach vorn bis zur Einlenkung der starken Vorder- 
kiefer verlängert. Mittelkiefer von den Hinterkiefern, d. h. also von dem 
Kinn der „Unterlippe” meist verdeckt. 


1. Gruppe. Otiorrhynchina. Kopf hinter den Augen kaum ver- 
längert, Halsschild kuglig oder kurz eiförmig. Schildchen fehlt. Flügel- 
decken ohne vorstehende Schultern, an der Naht verwachsen. Flug- 
flügel fehlen. 


a) Formen mit freien Fussklauen. 


Gattung Otiorrhynchus Gern. 


Käfer: Kopf vorgestreckt, Rüssel an der Wurzel der Fühler lap- 
pig erweitert, Fühler am Mundwinkel eingelenkt, die kurze Fühlerfurche 
nach dem oberen Augenrande gerichtet. Fühlerschaft doppelt so lang wie die 
Furche, Geisel 7gliedrig mit 3gliedriger Keule. Flügeldecken an den Schultern 


stark gerundet, meist in der Mitte am breitesten. Schienen mit gekrümmtem 
Haken. 


Larve; Die wenigen bekannten nach Engerlingsart im Boden von Pflanzen- 
wurzeln lebend. Von dieser grossen, über 300 europäische Arten zählenden 
Gattung sind forstlich wirklich beachtenswerth nur einige Arten, welche zu der 
Untergattung Otiorrhynchus im engeren Sinne gehören, ausgezeichnet durch 
zehnstreifige Flügeldecken, gekörnten, gerunzelten oder punktirten, nicht glatten 
und glänzenden Bauch und an der Spitze nicht besonders erweiterte Vorder- 
schienen. Es sind dies zunächst; 


Ot. niger FAgr. und 


Ot. ovatus L., welche in Folge der Wurzelbeschädigungen, die ihre 
Larven vollführen, in die 1te von uns gebildete biologische Gruppe der Rüssel- 
käfer (vergl. S. 370 u. f.) gehören. Ausserdem kommen ncch in Betracht: 

Ot. singularis. L. 

Ot. irritans Hssı. und 

Ot. perdix Orıv., welche, wie die meisten übrigen Kurzrüssler, nur als 
Käfer durch Rinden- und Blattbeschädigungen unangenehm werden, und daher 
in unsere 6te biologische Gruppe (vergl. S. 403) zu rechnen sind. 


Systematik der Cureulioniden. 363 


b) Formen mit am Grunde verwachsenen Fussklauen. 


&) Fühlerschaft die Augen kaum überragend, Fühler nicht 
auffallend verdünnt. 


Gattung Cneorrhinus Scuöss. Küfer: Rüssel vorn nicht erweitert, Kopf 
hinter den das Halsschild nicht berührenden Augen nicht eingeschnürt, Fühler- 
furche nach abwärts gebogen. Glied 1 der Fühlergeissel verlängert, die übrigen 
kurz und gedrungen; Schienen der Vorderbeine an der Spitze schaufelförmig 
erweitert, Hinterschienen aussen schief abgeflächt und dicht kurz beborstet. 
Allgemeine Körperform kurz und gedrungen, 


Larve: im Boden lebend. Die einzige deutsche Art, 


Cn. plagiatus Scuatt. (geminatus FABr.) zerstört als Käfer durch ober- 
irdischen Frass ganz junge Kiefernkulturen und gehört daher in unsere 6te 
biologische Gruppe (vergl. S. 403). 

Gattung Strophosomus Bırız. Küfer: Rüssel vorn nicht erweitert, Kopf 
hinter den das Halsschild fast berührenden, stark vorstehenden kleinen Augen 
eingeschnürt, Fühlerfurche unter die Augen gebogen. Glied 1 und 2 der Fühl er- 
geissel verlängert, die übrigen kurz. Hinterschienen an der Spitze aussen nicht 
schief abgeflächt. Allgemeine Körperform kurz und gedrungen. 

Larve: in der Erde lebend, an dürren Stellen unter der Moosdecke, 

Forstlich wichtig sind nur zwei Arten: 

Str. obesus Marsa. und 

Str. Coryli FApr., welche beide als Käfer Rinde und Blattorgane junger 
Nadel- und Laubhölzer anfressen und daher iu unserer 6ten biologischen Gruppe 


besprochen werden (vergl. S. 403). Erwähnt wird ausserdem noch Str. lateralis 
PAyk (limbatus FABR.). 


ß) Fühlerschaft die Augen weit überragend, Fühler auffal- 
lend verdünnt. 

Gattung Brachyderes ScHhöx#. Käfer: Rüssel an der Spitze mit einem 
halbkreisförmigen Eindrucke. Fühlerfurche nach dem unteren Rande der stark 
vorstehenden Augen gerichtet, Glied 1 und 2 der Fühlergeissel stark verlängert, 
2 am längsten. Ende der Hinterschienen etwas erweitert, schwarz beborstet. All- 
gemeine Körperform langgestreckt. 

Larve: Im Boden lebend. 

Die einzige hier in Frage kommende Art ist Br. incanus L., welche 
schon lange dafür bekannt ist, dass sie Rinde und Blattorgane von Laub- und 
Nadelhölzern, namentlich von Kiefern, als Käfer benagt, In neuerer Zeit ist aber 
auch die Larve als Wurzelzerstörerin von Nadelhölzern bekannt geworden, und 
dieser Käfer wird daher sowohl in unserer 1ten biologischen Gruppe (vergl. 
S. 371) als auch in der 6ten (vergl. S. 403) besprochen werden, 


2. Gruppe. Phyllobiina. Kopf hinter den Augen verlängert, 
. Halsschild fast eylindrisch, in der Mitte wenig oder gar nicht auf- 
getrieben, Schildchen vorhanden, wenngleich oft schwach entwickelt. 
Flügeldecken an der Naht nicht verwachsen, mit vorstehenden Schulter- 
beulen und parallelen Aussenrändern, Körperform also immer lang- 
gestreckt. Flugflügel entwickelt. 


a) Formen mit freien Fussklauen. 


Gattung Sitona Geru. Küfer: Rüssel mit vertiefter Mittelfurche, Fühler - 
furchen scharf ausgeprägt und unter die Augen winklig herabgebogen, Fühler- 
schaft die Augen nicht überragend. Kinn die Mittelkiefer nicht verdeckend. 


Larve: Im Boden lebend. Die Angaben über Verpuppung in Cocons an 
den Blättern der Nährpfanzen scheinen apokryph zu sein, Die gewöhnlich in 
den Forstentomologien erwähnten Formen: 

24* 


364 Kap. IX. Die Käfer. 


S. lineatus L. und 

S. Regensteinensis Hssr. sind als sehr’ polyphage Thiere auch durch Ab- 
fressen von Nadeln unangenehm geworden, und werden daher S. 407 in der 
Tten biologischen Gruppe erwähnt. 


b) Formen mit am Grunde verwachsenen Fussklauen. 
«) Fühlerfurchen unter die Augen herabgebogen. 


Gattung Metallites Germ. Käfer: Rüssel sehr kurz, vierkantig, Fühler- 
furchen tief, scharf nach abwärts gebogen, aber auf der Kehle nieht zusammen- 
fliessend. Geisselglied 1 kurz und dick, aber länger und dicker als 2, Glied 
4 bis 7 sehr kurz, 

Larve: Im Boden lebend. 

Als sogenannte „grüne Fichtenrüsselkäfer”’ kommen in Betracht: 

M. mollis Germ. und 

M. atomarius Ouıv., welche beide als Käfer durch Benagen von Nadelr 
und Trieben Fichtenkulturen schädigen, daher in der 7ten unserer biologischen 
Gruppen (vergl. S. 408) abgehandelt werden. 

Gattung Polydrusus Gerwm. Käfer: Rüssel sehr kurz, Fühlerfurchen tier, 
scharf nach abwärts gebogen und auf der Kehle sich vereinigend. Körper weich, 
beschuppt. Geisselglieder 1 und 2 schlank und von ziemlich gleicher Länge. 

Larve: Im Boden, Die Angabe, dass sie in zusammengesponnenen 
Gipfelblättern von Laubhölzern lebte, scheint völlig apokryph. 

Als Laubholzschädiger durch Blatt- und Rindenbenagung werden in der 
Tten unserer biologischen Gruppen anzuführen sein (auf S. 408). 

Pol. mollis Srroem. (micans FABr.) und 

Pol. cervinus L. 

Gattung Scythropus Scuöxn. Käfer: Rüssel sehr kurz, an der Spitze 
mit einem halbkreisförmigen glatten, durch eine erhabene Bogenlinie von dem 
übrigen Rüssel abgegrenzten Felde, Fühlerfurche seicht. Fühler die kleinen 
Augen weit überragend, 

Larve unbekannt. 

Sc. mustela Hesr. ist erwachsen als Nadelfresser auf Kiefern bekannt 
geworden und gehört in die 7te biologische Gruppe (vergl. S. 408). 


3) Fühlerfurchen auf der Oberseite des Rüssels convergire nd. 


Gattung Phyllobius Scuösu. Käfer: Fühlerfurchen sehr seicht. Fühler- 
schaft die sehr vorspringenden Augen weit überragend. 

Larve: Unter der Erde lebend. Die gegentheiligen Angaben wahrscheinlich 
apokryph. 

Aus dieser Gattung sind namentlich: 

Ph. argentatus L., 

Ph. psittacinus Germ., 

Ph. viridicollis Faerr. und 

Ph. oblongus L. als Laubholzbenager in der 7ten biologischen Gruppe 
(vergl. S. 408) zu erwähnen. 


2. Unterfamilie, Langrüssler, Rhynchaenides. Rüssel lang und 
meist drehrund, Fühlerschaft kürzer, zurückgelegt die Augen meist nicht 
erreichend. Einlenkung der Fühler meist vom Mundwinkel entfernt in der 
Mitte zwischen der Rüsselspitze und den meist länglichen, quergestellten 
Augen. Fühlerfurche nach vorn nicht verlängert. Vorderkiefer abgeplattet. 
Mittelkiefer von den Hinterkiefern, d. h. also von dem nur stielartig 
entwickelten Kinn der „Unterlippe” meist nicht verdeckt. Rand des Hals- 
schildes die Augen meist erreichend und öfters theilweise verdeckend. 


Systematik der Cureulioniden. 365 


A. Pygidium von den Flügeldecken bedeckt. Flügeldecken am 
Ende nicht einzeln für sich abgerundet. Fussklauen meist frei, unten 
nicht gezähnt. 

1. Vorderhüften in der Mittellinie an einander stossend, Schen- 
kel meist unbewaffnet. 

a) Rüssel ziemlich dick, nur leicht gebogen. Vorderkiefer kurz. 
Augen meist quergestellt. Fühler meist kurz hinter der Rüsselspitze 
eingelenkt. Flügeldecken nur sehr selten den Grund des Halsschildes 
verdeckend. 


3. Gruppe. Hylobiina. Schienen an der Spitze mit einem starken 
Haken. Flügeldecken hinten nicht schnabelförmig verengt und herab- 
gebogen. Epimeren der Hinterbrust frei. Glied 7 der Fühlergeissel 
gross und der Fühlerkeule stark genähert. 


Gattung Hylobius Scaöxu. Küfer: Fussklauen gross, weit auseinander 
stehend, Flügeldecken den Grund des Halsschildes nicht bedeckend. Schildehen 
deutlich. Rüssel ziemlich lang, gerundet, schwach gekrümmt, an der Spitze 
etwas erweitert. Fühler nahe am Mundwinkel eingefügt, der Schaft den Vorder- 
rand der Augen kaum erreichend, die zwei ersten Geisselglieder länglich, die 
folgenden kurz. Halsschild auf der Bauchseite vorn ausgeschnitten und seitlich 
mit bewimperten Augenlappen. Fühlergrube lang, nach dem Unterende .der 
Augen aufsteigend. Schildchen deutlich. Flügeldecken mit stumpf vorstehenden 
Schultern, jede mit kleiner Schwiele vor der Spitze. Beine lang, Schienen mit 
kräftigen Hornhaken an der Spitze, Vorderschienen mit zweibuchtigen Innen- 
rändern. Geflügelt. 

Larve in flachstreibenden, absterbenden Nadelholzwurzeln lebend. 

Als wichtigster aller Rüsselkäfer in forstlicher Beziehung ist hier 

H. Abietis L, der grosse braune Rüsselkäfer zu nennen, welcher in 
Verbindung mit dem biologisch fast gleichwerthigen 

H. Pinastri Gyrr. als Nadelholzkulturverderber durch Rindennagen in 
der 8ten biologischen Gruppe behandelt werden wird. 

Zu erwähnen ist ferner noch 

H. piceus DE GEER (pineti Farr.). 

Gattung Cleonus Scnöxu. Käfer: Fussklauen an der Basis verwachsen. 
Flügeldecken den Grund des Halsschildes bedeekend. Schildehen klein. Rüssel 
kürzer als das Halsschild, oben flachgedrückt, kantig, fast immer gekielt oder 
gefurcht, beiderseits mit einer tiefen, schnell nach abwärts gebogenen Fühler- 
furche. Halsschild unten und vorn stark ausgeschnitten, gewöhnlich so lang als 
am Grunde breit, am Hinterrande oben zweimal gebuchtet, vorn verengt und 
mit seitlichen gewimperten, die grossen senkrecht stehenden Augen erreichenden 
Lappen versehen. Flügeldecken lang gestreckt, Schultern nicht vorragend. 
Geflügelt. 

Larve unterirdisch. frei im Boden an Pflanzenwurzeln lebend. Forstlich 
erwähnt wird nur 

Cl. turbatus Faurs., der als Käfer in ähnlicher Weise wie der grösse 
braune Rüsselkäfer zu schaden im Verdacht steht. (Vergl. S. 411.) 


4. Gruppe. Phytonomina. Forstlich unwichtig. 

5. Gruppe. Bagoina. Forstlich unwichtig. 

b) Rüssel lang, eylindrisch oder fadenförmig. Fühler kurz vor 
der Mitte des Rüssels eingelenkt. 


366 Kap. IX. Die Käfer. 


6. Gruppe. Lixina. Forstlich unwichtig. 

7. Gruppe. Erirrhinina. Forstlich unwichtig. 

2. Vorderhüften in der Mittellinie von einander abstehend. 
Halsschild an die Flügeldecken dicht anstossend. Schienen kürzer 
als die Schenkel, an der Spitze mit einem Haken. Fussklauen frei. 


8. Gruppe. Cryptorrhynchina. Rüssel in eine Furche der Mittel- 
brust einschlagbar, Vorderschenkel verlängert. Halsschild mit deut- 
lichen Augenlappen. 


Gattung Cryptorrhynchus Ir. Käfer: Fühler nahe der Mitte des langen, 
walzenförmigen, gebogenen Rüssels eingefügt; von den sieben Geisselgliedern 
sind die ersten beiden länglich, die folgenden kurz. Drittes Fussglied zwei- 
lappig. Vorderhüften von einander entfernt, zwischen denselben auf der Vorder- 
brust eine scharf begrenzte, tiefe Furche zur Aufnahme des Rüssels, welche erst 
auf der Mittelbrust endigt. Flügeldecken kaum doppelt so lang als breit, an der 
Spitze verengt, bedecken den After ganz. Schildchen deutlich. Hinterschenkel 
ragen nicht über die Flügeldeckenspitze hinaus. 


Larve: Im Inneren des Holzkörpers von Laubhölzern lebend. 


m Cr. Lapathi L. (vergl. S. 391) schadet als Larve durch Schwächung und 
Deformirung jüngerer Aeste und Stämme von Lavbhölzern und wird in der 3ten 
biologischen Gruppe behandelt. 


9. Gruppe. Pissodina. Rüssel nicht einschlagbar. Hinterbrust 
wenig verkürzt. Basis der Fühlerkeule glatt, fast glänzend. 


Gattung Pissodes Germ. Käfer: Fühler nahe der Mitte des Rüssels 
e’ngefügt. Fühlerfurche läuft ziemlich gerade bis zum unteren Augenrande. Rüssel 
so lang oder wenig kürzer, als das nach vorn stark verengte Halsschild, dessen 
Hinterrand zweimal schwach gebuchtet. Schildehen rund, erhaben. Vorderhüften 
durch einen schmalen Zwischenraum getrennt. Schenkel ungezähnt. Schienen 
gerade, mit starkem Hornhaken an der Spitze. Flügeldecken wenig breiter, als 
das Halsschild, den Hinterleib bedeckend, vor der Spitze mit schwielenartiger 
Erhabenheit. Körper geflügelt. 

Larve: Zwischen Rinde und Holz älterer oder jüngerer Nadelhölzer lebend 
oder in den Zapfen. 

Aus dieser Gattung sind fast alle einheimischen Arten für den Forstmann 
durch ihren Larvenfrass wichtig. Wir finden unter ihnen Kulturverderber 


. notatus FAzr. (vergl. S. 377), ferner Bestandsverderber 
. Piceae Irr. (vergl. S. 391), 
. Pini L. (vergl. S. 388), 
. Harcyniae Hssr. (vergl. S. 383), 
. piniphilus Hssr. (vergl. S. 380) und Zapfenzerstörer 
. validirostris GyLL. (vergl. S. 400). Letzterer wird in der öten bio- 
logischen Gruppe, die fünf ersten in der 2ten Gruppe behandelt. 


B. Pygidium von den Flügeldecken nicht bedeckt, oder aber 
die Fussklauen unten mit einem Zahn bewaffnet. Schienen meist 
kürzer als die Schenkel. Fühler mit dünnem, an der Spitze keulen- 
‘förmig verdicktem Schafte. 


as Bas Bao Bas Bao: 


1. Pygidium stets nackt. Episternen der Mittelbrust oberwärts 
verbreitert und zwischen dem Grunde der Vorderbrust und den Flügel- 
decken sichtbar. Episternen der Hinterbrust breit. Hinterleib nach 
hinten zu ansteigend. 


N Wi 


Systematik der Cureulioniden. 367 


a) Hinterleibsringe 2 bis 4 an den Seiten nicht zahnaıtig vor- 
gezogen. 


10. Gruppe. Balaninina. Rüssel sehr lang, dünn fadenförmig 
und gekrümmt. Augen nicht vorstehend. Halsschild vorn nicht ver- 
eugt und bauchwärts vor den Vorderhüften kaum ausgeschnitten. 
Hinterhüften den Rand der Flügeldecken fast erreichend. Spitzen der 
Schienen nach einwärts gebogen. 

Gattung Balaninus Germ. Käfer: Körperumriss rhombisch. Fühler 
hinter der Mitte des Rüssels eingelenkt. Fussklauen mit einem Zahn versehen. 


Wenigstens die Hinterschenkel gezähnt. Füssglied 1 der Hinterbeine in einem 
Ausschnitt des Schienenendes eingelenkt. 


Larve lebt im Inneren der Früchte von Waldbäumen, welche sie aus- 
frisst und vor der Verpuppung, die im Boden erfolgt, verlässt. 


Forstlich erwähnenswerth in der öten biologischen Gruppe sind: 

B. nucum L. (vergl. S. 398), 

B. tesselatus Fourc. (vergl. S. 399), 

B. glandium Marsn. (vergl. S. 399), 
welche.durch ihren Larvenfrass die Samenernte, beziehungsweise den Ertrag, bei 
Haselnüssen und Eicheln, beeinträchtigen. 


b) Hinterleibsringe 2 bis 4 an den Seiten zahnartig vorgezogen 
11. Gruppe. Coryssomerina. Forstlich unwichtig. 

12. Gruppe. Ceutorrhynchina. Forstlich unwichtig. 

13. Gruppe. Baridiina. Forstlich unwichtig. 


2. Episternen der Mittelbrust zwischen dem Grunde der Vorder- 
brust und den Flügeldecken nicht sichtbar. Episternen der Hinter- 
brust linear verlängert. Hinterleibsring 3 unterwärts an den Seiten 
nur sehr selten zahnartig vorgezogen. Rüssel wenig gebogen. Vorder- 
hüften meist aneinanderstossend. 


a) Die Hinterbeine sind Springbeine. 


14. Gruppe. Orchestina. Rüssel gegen die Brust eingebogen, 
ziemlich gerade. Augen auf der Stirne einander genähert oder zu- 
sammenstossend. Fühler mit wenig verlängertem Schaft. Hinterleib 
mit ziemlich gleichlangen Ringen. Vorderschienen aussen an der 
Spitze mit einem kurzen, gekrümmten Zahn bewaffnet. Hinterschienen 
unbewehrt. 


Gattung Orchestes Ir. Käfer: Fühler deutlich gekniet, hinter der Mitte 
des Rüssels, näher den Augen als der Spitze eingefügt, mit 6 oder 7 Geissel- 
gliedern, von denen die ersten länglich. Rüssel dünn, rund, mässig gebogen. 
Augen gross, rund, vorragend, nur durch eine schmale Hornleiste getrennt. 
Halsschild gewöhnlich breiter als lang, vorn verengt, an den Seiten schwach 
gerundet erweitert. Schildehen klein, aber deutlich. Flügeldecken länglich- 
eiförmig, fast doppelt so breit als das Halsschild, den Hinterleib entweder voll- 
kommen bedeekend oder das Pygidium freilassend. Hinterbeine mit stark ver- 
diekten Schenkeln, die häufig mit einer Reihe von Zähnchen bewaffnet sind. 
Fussklauen am Grunde mit einer grossen zahnförmigen Erweiterung. 


La»ve lebt minirend in den Blättern von Laubhölzern, in denen sie sich 
auch verpuppt. 


O. Fagi L, (vergl. S. 395) und 

O. Quercus L. (vergl. S. 395), welche als Larven die Blattorgane von 
Buche und Eiche nicht unbeträchtlich beschädigen. 

b) Die Hinterbeine sind keine Springbeine, 

c) Wenigstens ein Hinterleibsring an den Seiten hinterwärts 
zahnartig verlängert. 

15. Gruppe. Cionina. Fühler vor der Mitte des Rüssels einge- 
lenkt, mit fünfgliedriger Geissel. Vorderhüften keglig vorgestreckt, 
aneinanderstossend. Hinterhüften quer, von einander abstehend, die 
Epimeren der Hinterbrust erreichend. Hinterleibsringe 1 und 2 sehr 
gross, 2 bis 4 zahnförmig verlängert. 2 

Gattung Cionus Craırv. Käfer: Rüssel dünn, fadenförmig. Augen nicht 
vorragend, vorn an den Seiten des Kopfes. Halsschild kurz, vorn und rückwärts 
abgestutzt, vorn etwas verengt. Schildchen länglich. Flügeldecken breit vier- 
eckig, eiförmig, mehr als um die Hälfte breiter wie das Halsschild, nur wenig 
länger als zusammen breit, den ganzen Hinterleib bedeckend. Schenkel mit | 
starkem Zahn vor der Spitze, Schienen an der Spitze mit oder ohne Endsporn. 


Drittes Fussglied zweilappig. Klauenglied mit einer einzigen, entweder einfachen 
oder in zwei ungleiche Hälften gespaltenen Klaue. 


368 ; Kap. IX. Die Käfer. 
Forstlich erwähnenswerth sind in der 4ten biologischen Gruppe: | 
ü 
| 
| 


Larve: lebt äusserlich als Blattbenager an den Blättern von Kräutern und 
Bäumen, an denen sie auch in einem kleinen Cocon die Puppenruhe durchmacht. 


Von den vielen einheimischen Arten leben die meisten an Verbascum 
und Scrophularia, nur eine in der 4ten biologischen Gruppe besprochene lebt 
an der Esche, nämlich 


C. Fraxini De Geer (vergl. S. 396), welche sie als Larve sowohl wie als 
Käfer schädigt. 

16. Gruppe. Tychiina. Forstlich unwichtig. 

P) Hinterleibsringe nicht zahnartig verlängert. 

a) Fühlergeissel fünfgliedrig. 

17. Gruppe. Gymnetrina. Forstlich unwichtig. 

b) Fühlergeissel siebengliedrig. 

18. Gruppe. Elleschina. Forstlich unwichtig. 


19. Gruppe. Anthonomina. Rüssel dünn, fadenförmig, wenig 
gebogen, Augen vollkommen rund, vorstehend, vom Halsschild entfernt. 
Vorderbeine länger als die anderen, Schildchen gross und erhaben. 
Flügeldecken vorn abgestutzt, mit erhabenem Vorderrande. 


Gattung Anthonomus Germ. Käfer: Fühler vor der Mitte des langen 
dünnen Rüssels eingefügt. Augen an den Seiten des Kopfes ein wenig vor- 
springend. Schildchen länglich. Flügeldecken breiter als das Halsschild, mit 
stumpfwinklig vorragenden Schultern, nach hinten gewöhnlich etwas erweitert. 
Beine verlängert, besonders die Vorderbeine, wenigstens die Vorderschenkel mit 
einem Zahn. Letztes Fussglied verlängert. Klauen mit einem Zahn, 

Larve meist in den Blüthenknospen von Kern- und Steinobst, deren 
Fruchtknoten und Staubfäden sie zerstört. So wichtig aber diese Thiere für 
den Gärtner sind, so wenig kommen sie für den Forstmann in Frage. Nur 

A. varians Paye. (vergl. S. 400) ist neuerdings durch Larvenfrass in 
Kiefernknospen schädlich geworden und im Anschluss an seine fruchtzerstörenden 
Verwandten in der 5ten biologischen Gruppe erwähnt. 


Systematik und forstliche Bedeutung der Curculioniden, 369 


Gattung Brachonyx Scuöxn. Käfer: Fühler hinter der Mitte des Rüssels 
eingefügt. Geisselglieder kurz, nur 1 und 2 länglich. Augen an den Seiten des 
Kopfes, schwach gewölbt. Halsschild merklich länger als breit, gegen die Spitze 
schwach verengt. Schildehen klein, punktförmig, etwas erhaben. Flügeldecken 
etwas breiter als das Halsschild, mehr als doppelt so lang als zusammen 
breit, gegen die Spitze etwas erweitert, fast walzenförmig, den Hinterleib ganz 
bedeckend. Schenkel ungezähnt, Schienen halb so lang als die Schenkel, an 
der Spitze ohne Hornhaken, Fussglied 3 sehr breit, zweilappig, das Klauenglied 
kurz, nur wenig vorrasend, mit zwei einfachen Klauen. 


Larve lebt und verpuppt sich in den Nadelscheiden der Kiefer. 

Br. pineti Pay. (indigena Hssr.) ist die einzige Art, welche mitunter 
die Kiefernadeln als Käfer sowohl, wie als Larve beschädist und wird in der 
4ten biologischen Gruppe (S. 398) erwähnt. 

20. Gruppe. Magdalina. Fühler nur wenig gekniet. Hinter- 
ecken des Halsschildes nach unten spitz vorgezogen, vorn etwas ein- 
geschnürt, vor den Vorderhüften nieht ausgeschnitten. Schildchen 
deutlich. Flügeldecken den Grund des Halsschildes bedeckend, an 
der Spitze einzeln abgerundet. Schienen an der Spitze mit einem 
Haken. Vorderhüften aneinanderstossend, Hinterhüften quer, wenig 
von einander abstehend, die Epimeren der Hinterbrust erreichend. 
Fussklauen frei. 


Gattung Magdalis Germ. (Magdalinus Scuönn.). Käfer: Fühler in der 
Mitte des Rüssels eingefügt, Schaft an der Spitze keulenförmig, Geisselglied 1 und 
2 gewöhnlich länglich, Keule zugespitzt. Rüssel rund, mässig lang, an der Spitze 
öfter verdickt. Fühlerfurche zum unteren Rande der Augen gerichtet. Augen gross, 
mehr oder weniger vorragend, einander ziemlich genähert. Schildehen dreieckig. 
Flügeldecken walzenförmig. Schenkel meist gezähnt. Fussglied 3 sehr breit, 
zweilappig, Klauenglied mit zwei kleinen, einfachen Klauen. 


Larve lebt zwischen Rinde und Holz oder in den Markröhren von Holz- 
pflanzen. 


Forstlich kommen nur einige in den Stämmchen und Trieben jüngerer 
Nadelhölzer lebende Formen iu Betracht. Es sind dies die in der 2ten bio- 
logischen Gruppe erwähnten. 


M. memnonia Farp. (carbonaria Fapr., vergl. S. 374), 
M. violacea L. (vergl. S. 374), 
M. duplicata Gern. (vergl. S. 374). Sie schaden sämmtlich nur als Larven. 


_ Die forstliche Bedeutung der Rüsselkäfer. Bisher haben wir 
die Rüsselkäfer im engeren Sinne nur in systematischer Reihenfolge be- 
trachtet. Für die speciellen Zwecke des Forstmannes werden sie aber 
besser nach ihrer Lebensweise und ihrem Schaden, also biologisch ein- 
getheilt. Obgleich nun einige Arten, wie schon oben bemerkt, zweifel- 
los sowohl als Käfer wie als Larven schaden, so ist doch auch bei 
diesen der eine Frass vorherrschend, und wir theilen die Rüsselkäfer 
daher zunächst in zwei grosse Abtheilungen, je nachdem vorherrschend 
der Larven- oder der Käferfrass in das Gewicht fällt, und bringen diese 
Hauptabtheilungen nach der Art ihrer verschiedenen Zerstörungen in 


kleinere Gruppen. 


3 


lad 


‘ 


0 Kap. IX. Die Käfer. 


A, Rüsselkäfer, deren Larvenfrass vornehmlich schadet. 


1. Die Larven befressen die Würzeln junger Nadelhölzer, 
welche in Folge davon eingehen, z. B. Otiorrhynchus niger FABk. 

2. Die Larven zerstören die saftleitenden Rindenschichten an 
Nadelholzstämmen und bringen die Bäume zum Absterben. 

a) in Kulturen, z. B. Pissodes notatus FaABr. 

b) in älteren Beständen, z. B. Pissodes Harcyniae Hßsr. 

3. Die Larven bewohnen die inneren Rindenschichten und den 
Holzkörper jüngerer Laubholzstimme und Aeste, welche in Folge 
dessen deformirt werden und leicht abbrechen. Es ist dies 


Cryptorrhynchus Lapathi L. 


4. Die Larven schädigen Blattorgane und Trieb- oder Blüthen- 
knospen von Holzgewächsen, z. B. Orchestes Fagi L. 

5. Die Larven zerstören die Früchte von Holzgewächsen und 
beeinträchtigen die Samenernte, z. B. Balaninus glandium MaArsu. 


B. Rüsselkäfer, welche vornehmlich als Käfer schaden, und 
zwar durch oberirdisches Benagen von Rinde, Knospen und Blattorganen, 


6. Im Boden brütende, flugunfähige Kurzrüssler, z. B. Strophosomus 
Coryli FABr. 

7. Im Boden brütende, flugfähige Kurzrüssler, z. B. Metallites 
mollis GERM. 

$S. In Nadelholzwurzeln brütende und namentlich die Nadel- 
holzkulturen schädigende Langrüssler, besonders Hylobius Abietis L. 


Rüsselkäfer, deren Larven die Wurzeln junger Nadelholz- 
pflanzen befressen. Es gehören zu dieser biologischen Gruppe nach 
dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse nur einige wenige Arten 
der Gattung Otiorrhynchus, zu denen neuerdings noch Brachyderes 
incanus gekommen ist. Es ist aber wahrscheinlich, dass späterhin 
noch andere als biologisch gleichbedeutend erkannt werden dürften. 


Otiorrhynchus niger Farr. (ater Hzst. und Rarz.). Käfer: Schwarz, 
sehr dünn behaart, beinahe kahl, Halsschild so lang als breit, dicht gekörnt, 
Flügeldecken punktirt gestreift, beim S gestreckter als beim Q, Zwischenräume 
gerunzelt. Beine mit Ausnahme der Füsse und eines Theiles der Schenkel 
roth, Kniee gewöhnlich schwarz. Länge 8—12 mm. 

Larve: Nach Berne fusslos, schmutzig weiss, glasig glänzend, oben stark 
gewölbt, unten etwas abgeplattet, mit grossem gerundeten, polsterförmig ge- 
wölbten, hornigen, braungelben Kopfschilde und plumpen dreieckigen, schwarz- 
braunen, an der Aussenseite im unteren Theile breit rinnenförmig vertieften, 
an ihrem stumpflichen Ende gekerbten Mandibeln. Rücken mit quer stehenden 
Keilwulsten, auf dem zweiten bis einschliesslich vorletzten Segmente mit je 
6 langen und 6 kurzen, zusammen 12, Längenreihen bildenden Haaren. Die 
Oberseite des ersten Segments glatt, stark glänzend, mit theils vereinzelt, theils 
in je einer Seitengruppe stehenden Haaren, unmittelbar hinter dem Kopfe ver- 
waschen rostbräunlich gesäumt. Die eiogekrümmte Bauchseite auf jedem der 
ersten 11 Segmente mit einer Querreihe von 8 kurzen steifen Borstenhaaren, 
welche an jedem ihrer beiden Enden von einem kurzen, vorderen und einem 
hinteren langen Haar auf wulstiger Erhöhurg flankirt wird. Das stumpfe End- 
segment an der Oberseite mit 8, an der Unterseite mit 4 Haaren in Querreihe. 
Alle vorstehend gedachten Haare bräunlichgelb. Länge bis 12 mm, Dicke bis 4:5 mm. 


Rüsselkäfer mit junge Nadelholzwurzeln fressenden Larven. Otiorrhynchus. 371 


Puppe: Nach Being weiss, das breite und lange Gesicht der Brust an- 
liegend, unterhalb der Augen mit je vier langen, unten geschwärzten, nach oben 
hin kastanienbraunen Borsten in unregelmässiger Längenreihe. Zwischen den 
Augen zwei und weiter nach hinten hin vier ähnliche Borsten in Querreihe. 
Halsschild am gekanteten, steil abfallenden Vorderrande mit vier dergleichen 
Borsten, im hinteren Theile mit einer Anzahl meist kurzer, schwärzlicher Borsten 
in unvollständigen Querreihen. Der kegelförmige Hinterleb am Rücken jeden 
Segments mit einer Querreihe von 6 bis 12 ungleich langen, braunen, dornen- 
förmigen Borsten, die auf den späteren Segmenten immer kräftiger werden. Der 
letzte Leibesabschnitt mit 2 dicken braunspitzigen Dornen und 6 schwarz- 
braunen Borsten endend. Die seitwärts gespreizten, weit vorragenden Kniee 
mit je einer langen und oberhalb dieser mit einer weit kürzeren und dünneren 
gefärbten Borste. Länge bis 10mm, Breite bis 5 nım. 

Wir geben diese genaue Larven- und Puppenbeschreibung als Beispiel, 
wie künftighin die nur ungenau bekannten Entwickelungsstadien der Rüssel- 
käfer beschrieben werden sollten. 

O. ovatus L. Käfer: Viel kleiner und gedrungener als der vorige. 
Schwarz, fein behaart. Halsschild grob gekörnt, die Körner auf der Mitte sehr 
deutliche Längsrunzeln bildend. Flügeldecken fein punktirt gestreift. Zwischen- 
räume gerunzelt, Fühler und Beine rothbraun. Länge 5mm. Larve nicht näher 
beschrieben. 


Brachyderes incanus L. Käfer: Pechbraun, mehr oder weniger dicht mit 
grauen und braunen, hier und da metallischen Schuppen besetzt. Fühler rost- 
braun. Rüssel an der Spitze breit eing-drückt, Halsschild dicht punktirt, Flügel- 
decken punktirt gestreift. Länge S—11mm. Larve nicht näher beschrieben. 

Lebensweise. Man kennt genauer nur Ot. niger Fagr, Nach den 
übereinstimmenden Angaben von Rarzesurc und Berne [Ad] tritt 
die Fortpflanzungszeit dieser Käfer, bei denen man, da sie ungeflügelt 
sind, nicht von einer Flugzeit reden kann, normaler Weise im 
Frübjahr, ungefähr Anfang und Mitte Mai ein. Die Eier werden von 
den Weibchen in den Boden jüngerer Fichtenbestände oder Kulturen 
abgelegt. Die Larven schlüpfen bald aus, fressen die zarten Wurzeln 
der jungen Fichtenpflanzen ganz und schälen die Rinde der etwas 
stärkeren so rein ab, dass es aussieht, als sei sie mit einem Messer 
abgeschabt. Gegen die Mitte des Juli sind die Larven der Mehr- 
zahl nach ausgewachsen, verpuppen sich dann an der Stelle, wo 
sie bis dahin lebten, in einer innen geglätteten Höhlung. Nach 
etwa vierwöchentlicher Ruhe werden von Mitte August bis gegen 
Ende September aus den Puppen Käfer, die grösstentheils in den 
Puppenhöhlen bleiben, um im nächsten Frühjahr zu erscheinen und 
der Ernährung und Fortpflanzung obzuliegen. Viele Käfer zeigen sich 
aber schon im Herbst und überwintern in der Bodendecke. Es stellt 
sich demnach die einjährige Generation folgendermassen dar: 


Jan. Febr. März April| Mai Juni | Juli | Aug. Sept. | Oct. | Nov. | Dee. 
| } | | | | 


RE ee 
| | 


+ 


+4+4+4+++ 
euere | | | 


| | | | 
1881 un TEREEHEeR LER, ae | | 


” 


Kap. IX. Die Käfer. 


Diese normale Generation scheint sich aber stets bei einer Massenver- 
mehbrung des Insektes zu verschieben. Auch Berıns [4d] sagt: „die Verpuppung 
erfolgt aber nicht bei allen Larven gleichzeitig oder binnen einer kurzen 
sommerlichen Frist, sondern vielmehr in der Weise, dass im Hochsommer 
10 bis 12 Wochen lang frische Puppen an ein und demselben Fundorte angetroffen 
werden. Eine Anzahl von Larven überwintert und aus diesen gehen dann die 
ersten Puppen des nächsten Sommers hervor.” Auch ist von allen Beobachtern, 
die über grössere Frassschäden berichten, constatirt, dass die Käfer von Mai 
bis August und September zahlreich erschienen, was auch theilweise darin seinen 
Grund haben mag, dass die Käfer wohl, ebenso wie der grosse braune Riüssel- 
käfer, nicht unmittelbar nach der Eiablage eingehen, sondern noch längere Zeit 
leben. 

Schaden. Derselbe tritt namentlich in Gebirgsrevieren von un- 
sefähr 500 — 1000 m Seehöhe auf. Er betrifft junge Fichten bis zum 
Alter von 10 Jahren, sowohl in Saatkämpen als in Kulturen, und es 
werden, trotz entgegengesetzter, vereinzelt in der Literatur zu finden- 
der Angaben, weder Plätzesaaten, noch Riefensaaten, noch Büschel- 
pflanzungen verschont. Das stärkere Auftreten in einer oder der ande- 
ren Kultur hängt nicht von der Kulturmethode, sondern von anderen 
Umständen ab, namentlich von der stärkeren oder schwächeren Ent- 
blössung des Bodens, da in entblössten Boden die eierlegenden Weib- 
chen leichter eindringen. Auch die Güte des Bodens scheint ohne 
Einfluss auf das Auftreten des Käfers zu sein. Der Schaden ist in 
älteren Kulturen fühlbarer als in jüngeren, weil die Ausbesserung 
jener schwieriger ist. Die oben geschilderte Zerstörung der zarten 
und die Entrindung der stärkeren Wurzeln lässt die Pflanzen krän- 
keln, aber es wird übereinstimmend angegeben, dass nur selten der 
Schaden in dem ersten Frassjahre bedeutend ist, und dass erst bei 
andauerndem Frasse im zweiten oder dritten Jahre ein stärkeres Ein- 
gehen eintritt. Meist sind nur wenige Larven, 2 — 8, an einer Pflanze, es 
sind aber schon 20 -- 25, jasogar bis 50 zusammen fressend gefunden 
worden. Im Riesengebirge sind junge Lärchen ebenso wie die Fichten 
beschädigt worden. Man erkennt die beschädigten Pflanzen im ersten 
Jahre am Gelbwerden einzelner Nadeln, erst später tritt das Roth- 
werden vieler Nadeln und schliesslich das Vertrocknen der Pflanzen 
ein, welche sich, ihres Wurzelhaltes beraubt, leicht auch aus dem 
diehtesten Pfanzenbüschel einzeln ausziehen lassen. 

O. ovatus L. ist wesentlich auch als Kulturverderber bekannt 
geworden. Seine Larve schadet an den Wurzeln bis sechsjähriger Fichten. 

Die Schädlichkeit des schwarzen Rüsselkäfers als eines Fichtenkultur- 
verderbers wurde zuerst 1827 durch v. Bere [5a] im königl. preussischen Earz 
sicher festgestellt und darauf durch Ratzegung [48 a;V.S. 141] nach Nachrichten 
aus den verschiedensten Gebirgsforsten bestätigt. Grössere Schäden wurden 
geschildert aus der königl. preussischen Oberförsterei Königshof im Harze 1847 
und 1848 durch Gumrau [22], Schmiedefeld in Thüringen 1850 durch v. Ernst 
[17], Arnsberg im Riesengebirge 1853 durch Haass [245], aus dem königl. 
sächsischen Oberfrauendorfer, jetzigen Schmiedeberger Revier in Erzgebirge 1861 
durch Scnaarn |53], aus dem ebenfalls im Erzgebirge gelegenen herrschaftlich 
v. Schönberg'schen Revier Neuhausen 1865 — 1869 durch OÖ. Künn [32] und 


aus dem herzogl. Braunschweig’schen Revier Wangelnsted: 1572—1876 durch 
Worrr [Hils Solling-Forstverein 1377, 8. 49]. 


Rüsselkäfer mit junge Nadelholzwurzeln fressenden Larven. Otiorrhynchus. 373 


Weitere sicher constatirte Fälle fanden auf königl. sächsischen Staatsforst- 
revieren nach Mittheilung von Professor Kunze 1860 auf Altenberger Revier und 
nach Oberförstercandidat Tınaerus 1882 auf Rehefelder Revier statt. 


Ueber Schaden durch O. ovatus berichtet Guntau [22] aus Königshof 
und NöRDLinGer [XXIV S. 17 und 18] aus dem Revier Elchingen bei Neresheim 
in Württemberg. 

Die Beschädigungen der Larven von Brachyderes incanus sind erst 
neuerdings von J. Czecu [Il] beschrieben worden. Mit zweijährigen Fichten 
bestellte Beete einer Pflanzschule wurden 1879 in grösserer Ausdehnung durch 
Abfressen der feineren und Entrindung der stärkeren Wurzeln völlig vernichtet. 
Der Hauptfrass fiel in den Mai und Anfang Juni, dann im Juli erschienen nach 
dreiwöchentlicher Puppenperiode die Käfer. 


Ueber den Schaden, welchen die drei soeben besprochenen Arten als 
Käfer angerichtet haben, berichten wir weiter unten. 


Abwehr. Zunächst handelt es sich hier um Vorbeugungsmittel. 


Kulturen, welche in berastem Boden ausgeführt werden, sind 
weniger gefährdet als solche in entblösstem. Kulturmethoden mit ge- 
ringer Bodenverwandung werden sich also nicht nur im Flachlande 
gegen den Engerlingschaden, sondern auch im Gebirge gegen den 
Frass der Otiorrhynchus-Larven empfehlen, und das mehrjährige Liegen- 
lassen der Schläge ist nicht nur gegen den braunen, sondern auch 
gegen die schwarzen Rüsselkäfer zu empfehlen. 


In letzterem Falle handelt es sich aber nicht darum, den im 
Boden zurückgebliebenen Wurzeln zum völligen Absterben Zeit zu 
geben, sondern den Boden verrasen zu lassen. 


Vertilgungsmittel sind namentlich gegen den Käfer anzuwenden. 
Hier kann nur Sammeln helfen. Meist ist dies einfach durch Absu- 
chen der befallenen Orte gemacht worden. Nach Berme |[4d] geht 
O. niger FaBr. auch unter die gegen den grossen braunen Rüsselkäfer 
ausgelegsten Rindenplatten, Als bestes Fangmittel des O. ovatus L gibt 
NÖRDLINGER das Auslegen von quadratschuhgrossen Moosdecken in 
die Riefenzwischenräume der Fichtensaat an. In diese verkroch sich 
der Käfer am Tage und konnte handvollweise aufgelesen werden. 
Im erzgebirge’schen Revier Neuhausen wurden nach Künx im Jahre 
1867 auf den eirca 15 ha grossen Kulturen von Mitte Juni bis Ende 
August gegen einen Accordlohn von 1 bis 2 Pfennigen pro Schock 
etwa 1!/, Million Käfer gesammelt. 

Ist eine Kultur einmal stark beschädigt, so hilft das Vertilgen 
der Larven durch Aufsuchen im Boden nach Ausziehen der befal- 
lenen Pflanzen nicht mehr viel. Wenn man dieses aber im Herbst 
vornehmen lässt, so kann man viele in den Puppenhöhlen überwinternde 
Käfer und, bei unregelmässiger Generation, wohl auch Puppen und 
Larven vernichten. 


Rüsselkäfer, deren Larven die saftleitenden Rindenschichten 

an Nadelholzstämmen zerstören und diese zum Absterben bringen. 
Diese Formen zerfallen in Kultur- und Bestandsverderber. Die Kul- 
turverderber sind wieder in sofern getrennt zu behandeln, als die 


374 Kap. IX. Die Käfer. 


einen, mehrere Magdalis-Arten, die oberen Quirle bewohnen, während 
Pissodes notatus, der „kleine braune Kiefernkulturrüsselkäfer”, ge- 
wöhnlich die jungen Srämme tief unten angeht. Die Bestandsver- 
derber gehören sämmtlich zu der Gattung Pissodes. 


Die Gattung Magdalis [vergl. S. 369] umfasst eine Anzahl 
kleinerer blauer und schwarzer Rüsselkäfer, unter denen wir be- 
sonders M. violacea L. und M. memnonia Far. hervorheben, deren 
Larven durch Zerstörung der Bastschiehten oder der Markröhre 
jungen schlechtwüchsigen Kiefernpflanzen im Alter von 3 bis 10 Jahren 
gefährlich werden können, und zwar um so mehr, als sich ihr Frass 
häufig mit dem von Anobium nigrinum Sr. (S- 345), Buprestis quadri- 
punctata L. (S. 320), Tomicus bidentatus Hssr. und Pissodes notatus 
FaAgr. verbindet. Ausreissen und Verbrennen der befallenen Pflanzen, 
vor dem Ausschlüpfen der Käfer hilft gegen diese ganze üble Ge- 
nossenschaft. 


Beschreibung. Magdalis violacea L. Käfer: Farbe blau, Kopf un- 
deutlich punktirt, Augen flach, Rüssel kaum gebogen, Grund jeder Flügeldecke 
in einen gerundeten Lappen vorgezogen, der die Basis des Halsschildes jeder- 
seits überragt und dadurch zweibuchtig erscheinen lässt. Flügeldecken punkt- 
streifig, Zwischenräume doppelt so breit als die Punktstreifen mit einer starken 
Punktreihe. Vorderschenkel mit einem grossen Zahn. Klauen einfach. Länge 
3,5—4,8 mm. 


M. duplicata Germ. Küärer: Farbe blau. Dem vorigen sehr ähnlich, aber 
der Kopf dicht punktiıt, Rüssel deutlich gebogen. Zwischenräume der Flügel- 
decken glatt und reihenweis stark punktirt, Streifen selbst stark. Länge 3—5 mm. 


M. memnonia Fand. (carbonaria Fapr.). Käfer: Farbe schwarz. Hals- 
schild so lang als breit, ohne Höcker. Grund jeder Flügeldecke in einen gerun- 
deten Lappen vorgezogen, der die Ba:is des Halsschildes jederseits überragt 
und dadurch zweibuchtig erscheinen lässt. Flügeldecken punktstreifig, Zwischen- 
räume gewölbt und runzlig, mit einer Punktreihe. Vorderschenkel mit einem 
grossen Zahn. Klauen einfach, Länge 4— 7 mm. 


Lebensweise und forstliche Bedeutung. Die Generation der 
sämmtlichen Magdalis-Arten scheint einjährig zu sein und die Flugzeit in den 
Mai und Juni zu fallen. 


Für M. memnonia Far». stellt sie sich nach Perrıs ungefähr folgender- 
massen [46, S. 256 und 257]. 


| Jan. Febr. | März | lea Juni | Juli |, Aug. |Sept. | Oct. | Nov. Dee. 


1880 || 


BENERTIgETE | 


| 2 
A | | | ++ 
1551 u unsese+tt +++ | | | | | 


Die für uns in Frage kommenden Formen sind wesentlich Nadelholz- 
insekten, welche nicht nur die obersten 2—3 Jahresstriche der gemeinen Kiefer, 
der Schwarzkieier, der Seekiefer und der Weymouthskiefer angehen, sondern 


Br I 


Rüsselkäfer mit bastzerstörenden Larven, Magdalis und Pissodes. 375 


auch in Fichten brüten. Letzteres ist namentlich von M. violacea L. sicher nach- 
gewiesen, einem Käfer, welcher häufig secundär die Gipfel der von Grapho- 
litha pactolana befallenen Pflanzen oberhalb der Wicklerfrassstelle bewohnt 
[Jupeıca XI, S. 77]. Er kommt aber gelegentlich auch an stärkeren Stämmen vor. 


M. duplicata Geru. scheint am häufigsten in den verschiedenen Kiefer- 
arten zu sein und auch Zweige zu bewohnen [27, S. 610]. 


Der Frass der Magdalis-Arten scheint nicht immer gleich zu sein. Schon 
Zınke schildert 1797 [38, S. 61] denjenigen des „Violettrüsselkäfers’” als von 
den Knospen ausgehend und in die Markröhre vordringend, eine Angabe, die 
neuerdings von Arrum [XVI, Bd. III., 1, S, 214] bestätigt wird. 1856 schilderte 
Perrıs den Frass der Larven von M. memnonia Faro. in Seekieferzweigen in 
ganz ähnlicher Weise, und HexscnheL [27] berichtet das gleiche von M. 
duplicata Gerw., während er für M. violacea L. daran festhält, dass die Larven 
zwischen Rinde und Holz leben, eine Beobachtung, welche mit den Angaben 
der meisten übrigen Forscher stimmt und welche wir selbst für diesen Käfer 
und für M. frontalis Gyrr. bestätigen können. In den uns vorliegenden Frass- 
stücken in Kiefer und Fichte verlaufen die Larvengänge stets durchaus peri- 
pherisch und greifen tief in den Splint ein, so dass vielfach die ganze der Rinde 
benachbarte Holzschicht in Wurmmehl verwandelt ist. Die Puppenwiegen dringen 
noch tiefer in den Splint ein. Hier sind also noch genauere Beobachtungen 
nöthig. 

Ueber wirklich grössere Verheerungen, welche von den Magdalis-Arten 
verursacht wurden, liegen noch wenig Beobachtungen vor. . Arrum berichtet 


[XVI, Ba. 3, 1, 8. 212], dass M. violacea L. einmal recht schädlich in der Nähe 
von Eberswalde aufgetreten sei. 


Die Gattung Fissodes (vergl. S. 366) ist es, welcher die 
in dieser biologischen Gruppe zu erwähnenden fünf weiteren Schäd- 
linge angehören. 

Während die Generation der verschiedenen Pissodes-Arten, die 
sämmtlich Nadelholzfeinde sind, eine verschiedenartige zu sein scheint 
und ngeh mancher Aufklärung bedarf, ist, mit Ausnahme des 
P. validirostris Gyrr., ihre Lebensweise sehr übereinstimmend. 
Die Eier werden in die Rinde von Nadelholzstämmen abgelegt. 
Die ausschlüpfenden Larven fressen sich bis auf den Splint durch 
und machen, diesen kaum berührend, allmählich breiter werdende, 
geschlängelte Larvengänge, die schliesslich in eine stets wenig- 
stens theilweise in den Splint eingreifende Puppenwiege mit Span- 
polster enden. Sind mehrere Eier an einer Rindenstelle abgelegt, so 
gehen von dieser Stelle die Larvengänge strahlig auseinander, und 
dieser „Strablenfrass” (Fig. 135 A u. 136) kann alsdann auf den ersten 
Blick mit manchen Borkenkäfer-Frassfiguren, namentlich mit Stern- 
gängen, verwechselt werden. Bei aufmerksamer Betrachtung wird man 
aber sofort erkennen, dass es sich hier nicht um strahlig auseinander 
tretende, stets gleich breite Muttergänge handelt, wie bei den 
Borkenkäfer-Sterngängen, von denen erst secundär Larvengänge ab- 
gehen, sondern um allmählich stärker werdende Larvengänge, 
von denen also keine anderen secundären Gänge abgehen. Bei gerin- 
ger Anzahl von gleichzeitig abgelegten Eiern, oder starker Besetzung 
des Baumes, und daher wirr durcheinander gehenden Gängen, kann 
dieser Habitus wohl auch undeutlich werden. 


376 Kap. IX. Die Käfer. 


Auch der Schaden und die Bekämpfung dieser fünf Käfer zeigt 
gemeinsame Züge. Die in Folge unterbrochener Saftstıömung krän- 
kelnden und schliesslich absterbenden Bäume sind aus dem Bestande 
zu entfernen, bevor noch die Käfer zum Ausfliegen kommen. Werth- 
loses, schwaches, mit Larven besetztes Material ist ganz zu verbrennen. 
Stärkeres, verwerthbares Material wird entrindet und die Rinde ver- 
brannt. Etwa in den Splintpuppenwiegen zurückbleibende Larven und 
Puppen sind ausserdem zu zerquetschen oder auszustossen. 


Die charakteristischen Unterschiede der 5 Hauptarten, sowie des 
erst später als Samenbeschädiger zu nennenden P. validirostris GyLL., 
lassen sich folgendermassen zu einer Bestimmungstabelle vereinigen : 


Flügeldecken 
mit schmaler 
Querbinde 
hinter der 
Mitte 2 0.0.0.,00 ve er RE Din 
a [der Fiieer- 
ee) der Flügel 
BER. decken mit 
winkligen 
: sehr grossen 
Hinterecken. 
u.verschieden 
Flügeldecken starken 
mit breiter Punkten . . 2 22 28 SR Piceaellrrs 
Querbinde 
hinter der Punkte mittel- 
| Mitte. | stark, Hinter- 
ecken des 
Punktstreifen | 
der Flügel- en = 
DER | spiingend . P. notatus Farr. 
decken mit 
ech | Punkte fein 
Punkten. 2 J 
| Hintereeken 
des 
Halsschildes 
rechtwinklig P.validirostris Gyrr. 
Halsschild 
mit kreisrun-Grundfarbe des Käfers rostbraun . . . . . P. piniphilus Hssr. 


den, vertief- 
ten, durch 
ebene Zwi- 
schenräume | 
getrennten 
Punkten und 
abgerundeten 
Hinterecken. | 


Grundfarbe des Käfers schwarz . . . . . . P. Harcyniae Hssr. 


Pissodes im Allgemeinen und Pissodes notatus. 377 


Der braune Kiefernkultur-Rüsselkäfer oder 
Weisspunkt-Rüsselkäfer, 


Pissodes notatus Far. (Taf. II, Fig. 6), 


wird dadurch schädlich, dass die überwinterten Weibchen nach erfolgter 
Begattung im Frühjahr ihre Eier in oder an die Rinde 4- bis Sjähriger 
Kiefernpflanzen bis 1m oberhalb des Bodens ablegen, die ausge- 
kommenen Larven sich in die Bastschichten einfressen und stamm- 
abwärts allmählich breiter werdende Larvengänge erzeugen. Dieser 
Frass, welchersich balddurch Welken 
und Röthung der Nadeln anzeigt, 
bringt, namentlich wenn eine grössere 
Anzahl Larven an einem Stämmehen 
frisst, die Pflanze zum Absterben. Die 
Verpuppung geschieht im Hoch- 
sommer, innerhalb der am Ende der 
Jaarvengänge in den Splint einge- 
senkten Puppenwiegen mit Span- 
polstern. Noch in demselben Herbste 
schlüpft der Käfer aus, um am Fusse 
der Stämmchen zu überwintern. 
Die Larven sind namentlich in 
sandigen Kiefernrevieren auf Boden 
geringer Qualität sehr gefährliche 
Feinde der Kulturen. Einen weite- 
ren, aber äusserst geringen Schaden 
kann der Käfer selbst durch An- 
stechender Triebe im Frühjahr behufs 
“Nahrungsgewinnung verursachen. 
Die Abwehr besteht in dem 
rechtzeitigen Ausreissen und Ver- 
brennen der mit Larven besetzten, 
durch die gerötheten Nadeln = Fig, 134. Kiefernstämmchen über dem 
kennzeiehneten Stämmchen im Juni Wurzelknoten mitPuppenwiegen und 


und Juli. Spanpolstern von Pissodes notatus 
FABr. besetzt. 


Beschreibung. Käfer: Hinter- 
ecken des runzlig-gekörnten Halsschildes 
scharf und mässig spitzwinkelig, sein Hinterrand deutlich zweibuchtig. Punktstreifen 
der Flügeldecken mit ziemlich kleinen Punkten besetzt, Zwischenraum 3 und 5 
nur wenig erhaben. Grundfarbe rothbraun. Die Ober- und Unterseite fast regel- 
mässig mit weisslichen Schüppchen besetzt, welche auf vier Punkten des Hals- 
schildes und dem Schildehen besonders dicht stehen. Vor der Mitte der Flügel- 
decken eine an der Naht unterbrochene, hinter derselben eine durchgehende, 
aussen gelbe, innen weissliche Schuppenbinde. Länge 5—7'5 mm. 

Puppe: Als Entwickelungsstadium eines Rüsselkäfers sofort an dem bereits 
deutlich ausgebildeten Rüssel kenntlich. Ihre Oberseite ist nach Perrıs [46, S. 424] 
mit kleinen röthlichen, auf Höckerchen aufsitzenden Dornen versehen, von denen 
der Kopf zwei, das Halsschild vier und der Hinterleib sechs Reihen trägt. 

Earve von dem Habitus der gewöhnlichen Rüsselkäferlarven. 

Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde. 235 


78 Kap. IX. Die Käfer. 


Lebensweise. Alle deutschen Forscher stimmen in ihren An- 
gaben insofern überein, als sie die Generation dieses Käfers als eine 
einjährige ansehen, bei welcher normalerweise der Flug in die 
Monate Mai und Juni, der Larvenfrass in die Monate Juni und Juli, 
die Verpuppung in den Monat August und das Ausschlüpfen des 
Käfers in denselben Herbst fällt. Im Imagostadium soll dann der 
Käfer am Fusse der Stämme in der Bodendecke überwintern, um 
sich erst im nächsten Frühling fortzupflanzen. Es ergibt sich also 
die folgende graphische Zusammenstellung: 


| 
| 


Jan. |Febr. | März | April| Mai 


Juni | Juli | Aug. Sept. Oct. | Nov.| Dec. 
| | 


| | 


+++++ . 
| . | . alilese oralen er 
| | | 


1850 
| | Kr] 


BER | 


a | 
1881 +++ +44+ +++ a | | 
au E | 


I| 


Ebenso einig sind dagegen auch alle diese Beobachter darüber, 
dass öfters auch zu anderer Zeit Puppen und namentlich überwinternde, 
halbwüchsige Larven gefunden werden, so dass also Abweichungen 
von der normalen Flugzeit nicht selten sind, 

Nach Prrrıs [46, p. 425—431] soll in Südfrankreich, wo der 
Käfer häufig in der Seekiefer auftritt, diese Ausnahme Regel sein 
und sich dort die Generation, obgleich auch einjährig, folgendermassen 
stellen: 


Jan. |Febr. März April Mai | Juni | Juli | Aug. | Sept.| Oct. | Nov. Dec. 


| 
ie | | 


150 | +t+H tt 


RER = | 


| | 
I CT | il | 


Vergleichen wir dieses Schema mit dem oben gegebenen, so 
leuchtet sofort ein, dass, wenn bei zeitigem Frübjahr die Flugzeit 
früher als gewöhnlich eintritt, es wohl noch zu einer Fortpflanzung 
der Käfer im Herbste kommen könnte, wodurch dann überwinternde 
Larven entstünden, die im nächsten Jahre erst später als gewöhnlich 
die Käfer lieferten. Es entstünde alsdann das, was RATZEBURG 
„anderthalbige”’ Generation nennt, d, h. drei Generationen innerhalb 
zweier Jahre [V, Bd. I, S. 143]. 

Der Käfer benagt die Triebe und Zweige der Pflanzen, in 
welche er seine Brut ablegt, auch behufs Nahrungsgewinnung. Anstatt 
aber plätzend kleinere Flächen von Rinde zu entblössen, sticht er 


nn ee 


Kiefernkultur-Rüsselkäfer. Pissodes notatus. 379 


die Rinde tief an, indem er seinen Rüssel fast bis an die Augen 
einbohrt, und es erhält dadurch der Frass das Aussehen von Nadel- 
stichen [V, Bd. I, S. 144]. 

Die Ablage der Eier geschieht normalerweise an die unteren 
Quirle der Stämmchen jüngerer Nadelhölzer, meist nicht höher als 
1m vom Boden. Gewöhnlich wird die gemeine Kiefer im Alter von 
4—12 Jahren angegriffen. Indessen scheinen auch sämmtliche andere 
Kiefernarten, nach Dösser [XIV, li, S. 135] die Schwarzkiefer, 
nach Perrıs [46] die Seekiefer, nach Verwuarn [XXIV, S. 18] 
die Weymouthskiefer von ihm angegangen zu werden. Nach NÖRDLINGER 
[XXIV, S. 18] und Jupeıcn [295] kommt er auch in Fichten vor, und 
ersterer hat ihn auch aus Lärchen gezogen. Ausserdem ist er von 
Fintermann [V, Bd. I, S. 144] und Hockmäuster [XVI, Bd. III, 2, 5.203] 
auch im oberen Theile von 14—30jährigen, kränkelnden Kiefern- 
stangen und ausnahmsweise auch schon in Kiefernstöcken gefunden 
worden. 

Die Eiablage geschieht so, dass die Eier in mehrfacher Anzahl 
an eine Stelle der Rinde abgelegt werden. Die ausschlüpfenden Larven 
fressen sich einzeln durch die Rinde und beginnen nun jede für sich 
in den’ weichen Schichten von Rinde und Splint geschlängelte, all- 
mählich sich verbreiternde und hinter der Larve mit Bohrmehl gefüllte 
Larvengänge zu fressen. An dem normalen Brutmateriale, d. h. an 
jüngeren Stämmchen, sind sämmtliche Gänge dicht gedrängt nach ab- 
wärts gerichtet. Ist die Larve reif, so höhlt sie eine muldenförmig 
bis in das Holz eindringende, elliptische Puppenwiege aus, welche 
sie mit langfaserigen Nagespänen auspolstert und nach oben zu ver- 
stopft. Hier verpuppt sie sich, und der Käfer frisst sich nach seinem 
Ausschlüpfen in der Richtung nach oben durch Spanpolster und 
Rinde durch, hier runde Fluglöcher hinterlassend. Ist stärkeres 
Material mit Brut belegt worden, haben die Larven also mehr Platz, 
so gehen die Larvengänge nach Hocnuäuster [Ie, 5. 494] von dem 
ursprünglichen Ablagerungsorte der Eier strahlenförmig auseinander. 

Schaden und Abwehr. Der Käferfrass ist bis jetzt wohl noch 
niemals ernstlich schädlich geworden, Dagegen ist der Larvenfrass 
in schlechtwüchsigen Kiefernkulturen ungemein zu fürchten. Nament- 
lich liebt der Käfer kränkelndes Material und nimmt daher besonders 
gern früher beschädigte Stämmcehen an. Arrum führt einen Fall an, 
wo er auf einer [XVI, Bd. IIT, 1, S. 202] durch Lauffeuer geschädigten 
Kultur besonders stark auftrat, Schon bald nach Beginn des Larven- 
frasses welken die Nadeln und röthen sich, und die Wurzeln werden 
locker. 

Hieraus ergibt sich, dass zunächst das beste Vorbeugungsmittel 
gegen sein Auftreten die Erziehung gesunder und kräftiger Pflanzen, 
sowie die Entfernung alles kränkelnden Materiales ist, 

Die Vertilgung ist ferner gleichfalls sehr leicht. Man lässt die 
an der Röthung der Nadeln leicht kenntlichen, befallenen Pflanzen 


vor der durch Untersuchung einiger Probestämmchen leicht festzu- 
25* 


380 Kap. IX. Die Käfer. 


stellenden, wahrscheinlichen Zeit des Ausschlüpfens der Käfer, also 
wohl meist im Juni oder Juli durch Arbeiter ausreissen und ver- 
brennen. 


Befürchtet man in einer Kultur einen stärkeren Schaden, und 
müssen zugleich zu Kulturzwecken Vorwüchse im nächsten Jahre 
entfernt werden, so kann man im Herbst oder zeitigen Frühjahre 
die zu entnehmenden Stämmchen durch tiefe Ringelung künstlich 
krank machen und so als Fangstämme verwenden, die später natür- 
lich rechtzeitig entfernt werden müssen [XVI, Bd. III, 1, S. 203]. 
Die Angaben, dass P. notatus auch in Kiefernzapfen brüte, beruht 
vielleicht auf einer Verwechselung mit dem sehr ähnlichen 
P. validirostris Gyr. (vergl. 5. 400). 


Der Kiefernstangen-Rüsselkäfer, 
Pissodes piniphilus Hesr. 


ist ein nicht zu unterschätzender Feind der Kiefernstangenhölzer 
und kann bei nachlässiger Kontrole in den Kiefernforsten der Ebene 
wohl sicher ebensoviel Schaden anrichten, wie der alsbald zu er- 
wähnende Harzrüsselkäfer in älteren Fichtenbeständen der Gebirgs- 
reviere wirklich schon gebracht hat. 


Der einem kleinen P. notatus Far. ähnliche Käfer mit zwei- 
jähriger Generation, dessen Flugzeit Ende Juni fällt, belegt Kiefern- 
stangen und die oberen dünnrindigen Theile älterer Kiefern mit seinen 
Eiern; die gekrümmten Gänge der ausschlüpfenden Larven bringen 
die Bäume von oben zum Absterben. Die Verpuppung geschieht in 
ähnlichen Spanpolsterwiegen wie bei P. notatus Fapr. Die bedeutende 
Höhe, in welcher der Anflug meist geschieht, erschwert die Erken- 
nung des Angriffes, dessen Bekämpfung aber durch die längere Dauer 
der Generation, insbesondere des Larvenlebens, erleichtert wird. 


Einschlag der befallenen Bäume, die an ihren kümmernden 
Maitrieben im zweiten Jahre zu erkennen sind, Schälung des werth- 
vollen Materiales und Verbrennung der Rinde und der werthloseren 
Wipfelstücke sind die anzuwendenden Gegenmassregeln. 


Beschreibung. Käfer: Hinterecken des glatten, dicht mit grossen, 
runden, vertieften Punkten besetzten Halsschildes stumpfwinklig und etwas ge- 
rundet. Die Zwischenräume 3 und 5 der aus ziemlich kleinen Punkten be- 
stehenden Streifen der Flügeldecken nur wenig erhaben. Grundfarbe rostbraun, 
Körper mässig dieht mit gelbgrauen Schuppen besetzt; statt der hinteren 
Fleckenbinde jederseits ein grosser röthlicher Schuppenfleck. Länge 4— 5 mm. 

Puppe und Larve denen des Weisspunktrüsselkäfers sehr ähnlich, nur 
etwas kleiner. 


Lebensweise. Die Annahme von Aurum [Id], dass die Ge- 
neration dieses Kiefernfeindes eine zweijährige sei, scheint uns auf 
sehr zwingenden Gründen zu beruhen. Die Flugzeit fällt normalerweise 
Ende Juni, spätestens in den Juli. 


Pissodes notatus und P. pinipbilus. 381 


Die Larven entwickeln sich nur langsam, überwintern das erste- 
mal als schwache Würmchen und zum zweitenmale als erwachsene 
Larven, die in dem nun folgenden zweiten Frühjahre ihres Lebens 
ihre Puppenwiegen nagen und sich im April und Mai verpuppen. 
Im Juni schlüpfen dann die Imagines aus. Die Generation lässt 
sich also graphisch folgendermassen darstellen: 


Mai | Juni Juli | Aug. | Sept. Oct. | Nov. | Dee. 


| I 
| | | +++ 
| 


2 2 
| 


Jan. Febr. | März | April 


| __ BEFENe Dil BRD Le um a. 


+++ | 


15831 -——-—- -—- - - —— un 


Bewiesen wird die Annalıme von Arrum durch die Thatsache, dass er im 
Jahre 1878 Käfer aus sicher nur durch P. piniphilus HBST. getödteten Kiefern- 
stangen erzog, an denen der Maitrieb 1876 normal entwickelt, der Maitrieb 
1877 dagegen bereits verkümmert war. Wäre die Generation einjährig, d. h. 
wäre der Anfug erst im Juni 1877 erfolgt, so hätte ein nachtheiliger Einfluss 
anf den bereits fertigen Maitrieb 1877 nicht stattfinden können, Auch fand 
Oberförster Perersen [Id S. 89] zur Flugzeit 1876 im Walde alle Stadien 
des Insektes von kaum sichtbaren Larven bis zu flugreifen Käfern. Ebenso 
fand Nırsche Mitte October 1887 in denselben Rollen zwei ganz verschieden 
grosse Larvenformen, welche durch keine Uebergänge verbunden waren, also 
wohl von zwei verschiedenen Jahrgängen herrührten. 

Betrachtet man die von RartzesurgG mitgetheilten Beobachtungen 
[48 d], auf welche er die Annahme einer einjährigen Generation gründet, 
kritisch, so wird man auch finden, dass sie sich ebensogut mit einer zwei- 
jährigen Generation vereinigen lassen, wenigstens scheint es uns sehr unwahr- 
scheinlich, dass die „sehr kleinen Larven”, welche er am 12. April im Bernauer 
Stadtwalde auffand, dieselben gewesen seien, aus denen er im Juni des gleichen 
Jahres Käfer zog. 


Zur Ablage der Eier wählt das Weibchen Kiefernstämme mit 
glatter dünner Rinde, also namentlich Stangenhölzer, und es werden 
besonders die etwa 30—40jährigen häufig angegangen. Aber auch in 
jüngeren Beständen, sowie in älteren kann der Käfer sich einfinden. 
In letzteren, auf welche er namentlich bei längere Jahre hindurch 
fortdauerndem Frasse gern überzugehen scheint, greift er nur die 
oberen, dünnborkigen Stammtheile, dieses obere Drittheil aber bis in 
die Krone hinein an. Er bevorzugt absterbende und unterdrückte 
Stangen. Bei starkem Frasse finden sich an einem Stamme oft mehrere 
hundert Larven. Die Eier werden nach Arrum mehr vereinzelt abge- 
legt, und es soll daher bei dieser Pissodes-Art seltener zur Aus- 
bildung richtig strahliger Frassfiguren kommen, welche aber, wie uns 
eigene Beobachtungen auf Tharander Revier zeigten, trotzdem durchaus 
nicht ausgeschlossen sind. Die Form der geschlängelten, oft um- 


382 Kap. IX. Die Käfer. 


kehrenden, krummgelegten, häufig 10—15 cm langen, schwachen, nur 
in der Rinde verlaufenden Larvengänge ist die gewöhnliche aller 
Pissodes-Arten. Die Puppenwiegen gehen in das Holz und sind meist 
mit ihrer Längsrichtung der Achse des Baumes parallel. Sie sind mit 
einem Spanpolster ausgekleidet. 


Schaden. Obgleich der Kiefernstangen-Rüsselkäfer wohl auch 
zunächst geschwächtes Material vorziehtt — er wurde ja z. B. durch 
Rırtzegurg als Schädling zuerst aus pommerschen durch Forleulen- 
frass, und böhmischen durch Mikrolepidopterenfrass primär ge- 
schädigten Beständen bekannt — so ist doch unzweifelhaft, dass er 
auch sehr gern völlig gesunde Bäume angeht, welche er primär zu 
tödten im Stande ist. Die Erkennung des Frasses ist, trotz der auch 
bier auftretenden Harzflecke, da der Käfer auch an Stangen besonders 
die oberen Partien angeht, kurz nach Beginn desselben nicht leicht, 
und man ist wohl vielfach geneigt gewesen, das durch ihn verursachte 
Eingehen von Kiefernstangen anderen Einflüssen zuzuschreiben, dass 
man in den leichter erreichbaren Theilen derselben keine Käfer fand. 
Im zweiten Kalenderjahre des Larvenlebens macht sich ein starker 
Angriff sicher durch Kümmern des Maitriebes und spätere Röthung 
der Nadeln kenntlich. Da die Generation aber eine zweijährige ist, 
so hat man in dem zweiten Sommer und Heıbste noch vollständig 
Zeit, die nöthigen Gegenmassregeln zu treffen. Die Kalamität kann 
mehrere Jahre hintereinander dauern. 


Die Abwehr kann nur in gründlicher Durchforstung und in der 
rechtzeitigen, rücksichtslosen Entfernung aller als besetzt erkannten 
Bäume bestehen. Dieselben sind zu schälen, und ist die Rinde zu 
verbrennen. Sind schon Puppenwiegen gebildet, so hat das Ausstossen 
dieser in der weiter unten beim Harzrüsselkäfer geschilderten Weise zu 
erfolgen (vergl. S. 386). 


Geschichtliches: Nachdem zuerst im Jahre 1834 G. L. Harrıc 
unseren Käfer in seinem forstlichen Conversationslexikon S. 168 unter die 
Forstinsekten aufgenommen, gab RarzesurG 1862 [48 d| die erste genauere Be- 
schreibung eines im Bernauer Stadtforste stattgefundenen Frasses. Einige weitere 
Notizen über ihn verdanken wir 1865 Geor« [195], und die genauesten Be- 
obachtungen hat Arrum [Id] 1879 gegeben. Der in letzterem Aufsatze am aus- 
führlichsten geschilderte Frass wurde von Oberförster PETERSEN im königl. 
preussischen Staatsforstrevier Ziegenort, Regierungsbezirk Stettin, beobachtet, 
und hatten daselbst auf eirca 352 ha befallener Fläche 1874 : 900 rm, 1875 : 1637 rm, 
1876 :3863 „m, 1877:2996 rm, in diesen vier Jahren also zusammen 9396 m 
Kiefernholz in Folge des Fıasses dieses Käfers eingeschlagen werden müssen, 
also auf dem Hektar: 27 rm. Der Käfer ist auch in den sächsischen Revieren 
nicht selten. Der neueste Frass wird von WESTERMEIER [65] aus der Oberförsterei 
Falkenwalde, Regbez. Stettin, gemeldet. Er trat 1884 als Folgeerscheinung eines 
stärkeren, von 1881—1883 daue:nden Kieferspannerfrasses fast in allen Stangen- 
hölzern des Hauptrevieres auf, besonders stark aber in 2 Jagen, in denen 600), 
der Stangenzahl mit 30°/, der Holzmasse entfernt werden musste. Die Generation 
war zweijährig. 


ee 


ae ne 


Kie’ernstangen- und Harzrüsselkä’er. 383 


Der Harzrüsselkäfer, 
Pissodes Harcyniae Hssr. (Curculio Hercyniae Rarz.), 


ein schwarzer, auf dem Rücken weissgezeichneter, 5— 7 mm langer 
Käfer, ist ein gefährlicher Feind der Fichte, namentlich der 40jährigen 
und älteren Bestände in Gebirgsrevieren. 

Die Eierablage durch das Weibchen fällt in den Mai bis Juli, 
und erfolgt an 50—S0jährigen glattrindigen Fichtenstämmen. Die in 
die Rinde eindringenden und im Bast weitergrabenden Larven er- 
zeugen strahlenförmig auseinander gehende Larvengänge, an deren 
Ende sich die mit einem Spanpolster ausgekleidete, meist zur Hälfte 
in das Holz versenkte Puppenwiege findet. Sie tödten nicht nur 
kränkliche, sondern auch völlig gesunde Stämme, 

4A B 


= on = —& 


li 


ll) 
I 
| Ä e 


| 
WM lınım Im 


Fig. 135. Frass von Pissodes Harcyniae Hesr. an Fichte. 


A strahlenförmiger Larvenfrass an der Innenseite eines Rindenstückes ohne 
Puppenwiegen. B Puppenwiegen an einem stark besetzten Holzstücke. 


Der Anflug des Käfers verräth sich durch das Austreten anfäng- 
lich heller, später aber weisswerdender Harztröpfehen, welche dem 
Stamme das Aussehen geben, als wäre er mit Kalk angespritzt. 
Durch genaue alljährige Revision der bedrohten Fichtenbestände 
von Seiten besonders auf die Erkennung der Zeichen des Frasses 
geschulter Arbeiter, und durch schleuniges Fällen der befallenen 
Stämme mit nachfolgendem Entrinden und Ausstossen der Puppen- 
wiegen ist man bis jetzt in allen bedrohlichen Fällen des Käfers 
wirklich Herr geworden. 

Beschreibung. Käfer: Hinterecken des glatten, dieht mit grossen, 
runden, vertieften Punkten besetzten Halsschildes stumpfwinklig und etwas ge- 
rundet. Der dritte und fünfte Zwischenraum der aus ziemlich grossen, vier- 


eckigen Punkten bestehenden Punktstreifen der Flügeldecken erhaben. Grund- 
farbe mattschwarz, äusserst sparsam mit gelbweissen Schuppen besetzt, welche 


384 Kap. IX. Die Käfer. 


nur auf einigen Flecken des Halsschildes, dem Schildehen und zwei schmalen 
unterbrochenen Querbinden der Flügel dichter stehen. Länge 6—7 mm. 

Puppen und Larven bieten gegenüber denen anderer Pissodes-Arten wohl 
nur Grössenunterschiede. 

Lebensweise. Die Generation dieses Käfers ist immer noch 
streitig. Alle Beobachter stimmen zwar darin überein, dass Käfer 
vom Mai bis August in zahlreicher Menge gefunden werden, dass 
innerhalb dieser Zeit auch die Eiablage geschieht, und dass im 
Winter meistens Larven in den Stämmen sind. Die Deutung dieses 
Befundes ist aber eine verschiedene. Von der einen Partei wird an- 
genommen, dass die im Spätsommer oder Herbstanfang auskommenden 
Käfer Nachzügler sind, während die normalen Flugzeiten in den Juni 
und Juli fallen, die dann auskommenden Käfer sofort wieder zur 
Fortpflanzung schreiten, sich begatten und Eier ablegen sollen. Die 
ausschlüpfenden Larven überwintern, verpuppen sich im nächsten 
Frübjahre und liefern in dem sich anschliessenden Sommer alsbald 
sich wieder fortpflanzende Imagines. 

Die Generation wäre also nach dieser Auffassung einjährig: 


Jan. Be na Mai | Juni | Juli | Aug. [Sept. | Oct. | Nov. | Dec. 


Be a | 


1880 
| TEE 


ER RETEERE | 


| 


Die andere Partei nimmt an, dass die normale Fortpflanzungs- 
zeit etwas zeitiger fällt, nämlich bereits in den Mai und Anfang 
Juni, dass die diesen Eiern entstammenden Larven auch als solche 
überwintern und erst im Juli und August des folgenden Jahres, also 
etwa nach 14 Monaten Käfer liefern, welche sich nicht mehr in 
demselben Jahre fortpflanzen, sondern als Imagines überwintern, 
sich erst im nächsten Mai begatten und Eier legen. „Es führt also 
der Käfer [schriftliche Mittheilung von Forstmeister Scuaar]) im 
Herbst ein reines Schlaraffenleben und nährt sich von jungen Nadeln.” 

Die Generation wäre nach dieser Auffassung zweijährig: 


| | | | 
| Jan. Febr. | März |April| Mai 


| = — 


| 
Juni | Juli | Aug. 


Sept. | Oct. | Nov. | Dec. 


| | | | 
sn a 
| | URN 


| | | | 


1882 PAR REGEL RESELIREREI LEE EON | | | | 


Harzrüsselkäfer, Pissodes Hareyniae. 385 


Die Mehrzahl der Beobachter stimmt letzterer Ansicht bei, 
und es spricht für sie der Umstand, dass in der am klarsten für 
die einjährige Generation eintretenden Notiz von Kerrxer [30] 
durchaus nicht nachgewiesen wird, dass die im Juni und Juli aus- 
kommenden Käfer wirklich auch in demselben Jahre zur Fortpflan- 
zung schreiten. Andererseits fehlen aber, soviel uns bekannt, positive 
Angaben, dass der Käfer ausserhalb des Stammes im Winterlager 
auch wirklich beobachtet worden sei. Seine Ueberwinterung wird 
nur aus der Thatsache geschlossen, dass bereits sehr zeitig im Mai, 
Ja im April Käfer erschienen sind, also zu einer Zeit, wo in den 
Stämmen noch keine ausschlüpfungsreifen Puppen vorkommen. Es 
ist also die Anstellung weiterer Beobachtungen über diese Frage 
dringend zu wünschen. 

Zur Ablage der Eier werden am liebsten Fichten von 50—80 
Jahren gewählt. Aber auch jüngere Stangenhölzer, sowie ältere, bis 
100jährige Fichten werden nicht verschmäht und bei starker Ver- 
mehrung werden auch Aeste befallen. Bevorzugt werden ferner 
unterdrückte und kränkelnde, z. B. durch Schneebruch beschädigte 
Stämme, aber auch ganz gesunde, dominirende werden häufiz ange- 
sangen. 

Der Anflug geschieht meistens dort, wo die Rinde schwach 
und glatt ist, und nur in der Minderzahl der Fälle werden stärkere 
Stämme in den unteren Theilen befallen, wodurch die Erkennung 
des ersten Angriffes erschwert wird. Das angeflogene Weibchen legt 
seine Eier in ein mit dem Rüssel in die Rinde gebohrtes Loch. 
Diese Beschädigung hat den Austritt von Harztropfen zur Folge, welche 
anfänglich klar sind, späterhin aber weiss werden und dem Stamme 
das Aussehen geben, als sei er mit Kalk bespritzt. An rauhrindigen 
Bäumen tritt dieses Hauptkennzeichen des Anfluges weniger deutlich 
auf. Schält man die Rinde einige Zeit nach dem Anfluge ab, so er- 
scheint der Umkreis der Anstichstelle gebräunt. Nur in selteneren 
Fällen werden die Eier einzeln oder zu zweien in ein Bohrloch ge- 
lest, meist wird eine grössere Anzahl gleichzeitig untergebracht, 
und der Strahlenfrass ist daher bei nicht zu starker Zusammen- 
drängung der Gänge deutlich (Fig. 135 A). Diese Gänge verlaufen 
wesentlich in der Rinde ohne in den Splint einzugreifen und treiben 
erstere, sobald sie noch dünn ist, flach wulstförmig auf. Sie bleiben 
aber durchaus nicht immer im gleichen Niveau, so dass öfters an 
abgehobenen Rindenstücken ihr Gesammtverlauf nicht klar vor- 
liegt. Am Ende der gekrümmt verlaufenden Gänge wird die 7—10 mm 
lange und 3 mm breite, ovale Puppenhöhle angelegt, welche meist 
in der Längsriebtung des Stammes liegt und tief in den Splint ein- 
greift, Verschlossen wird sie durch ein langfaseriges Spanpolster. 
Ist ein Stamm mit vielen hunderten von Larven besetzt, so wird 
die ganze Rinde auf weite Strecken zerstört, und es drängen sich 
dann auf ganz geringem Flächenraum sehr viele Puppenwiegen zu- 
sammen. Das von Wırrkomm [40, S. 244] erwähnte Holzstück mit 


386 Kap. IX. Die Käfer. 


74 Puppenwiegen auf einer Splintoberfläche von 34 cm Länge (nicht 
dm, wie dort fälschlich gedruckt ist) und 14cm Breite ist noch 
heute in der Tharander Sammlung. 

Schaden. Die Stämme reagiren nicht gerade sehr schnell auf 
die Beschädigung; es kann ein Baum noch grün und doch von 
hunderten von Larven besetzt sein. Sind Larvengänge nicht an der 
ganzen Peripherie des Stammes vorhanden, so tritt die Röthung der 
Wipfel, das Dürrwerden und die Ablösung der Rinde erst allmählich 
ein. Andererseits kommt es [nach brieflicher Mittheilung von Forst- 
meister ScHAaL]| gar nicht selten vor, dass schon ein einziger die 
ganze Peripherie des Stammes umfassender Gang diesen tödtet. Die 
Schäden, welche hierdurch namentlich in Gebirgsrevieren entstanden 
sind, sind schon sehr bedeutend gewesen, wie man aus der folgenden 
geschichtlichen Skizze ersehen mag. 

Abwehr. Da ganz gesunde Bestände zwar gegen den Frass des 
Harzrüsselkäfers, P. Harcyniae Hssr., nicht völlig geschützt sind, ihm 
aber doch weniger leicht unterliegen, so sorge man zunächst für die 
Erziehung kräftiger Bäume, entferne bei Durchforstungen alles kränk- 
liche und unterdrückte Material und veranlasse bei etwa eintretenden 
Schädigungen durch Wind- oder Schneebruch die schleunige Fällung 
und Aufarbeitung aller beschädigten Stämme. 

„Im Erzgebirge begann der Frass immer in den beherrschten 
Stämmen; ist man hier recht aufmerksam und legt sofort eine recht 
scharfe Durchforstung ein, so kann man das Uebel möglicherweise 
im Keim ersticken. In den dieser Gefahr ausgesetzten Gebirgs- 
revieren sind ferner geschickte Waldarbeiter auf das Erkennen 
befallener Stämme anzulernen. Diese haben dann alljährlich im 
Frübjahre und, wenn bereits die Kalamität grösser geworden sein 
sollte, den ganzen Sommer hindurch die Bestände systematisch zu 
durchgehen und jeden befallenen Stamm anzuzeichnen. Ist die Zahl 
dieser Stämme noch gering, so können dieselben Arbeiter das Fällen 
der Stämme und die weiteren Verrichtungen übernehmen. Sind viele 
Stämme befallen, so beauftragt man mit diesen Arbeiten eine zweite 
Kolonne Arbeiter. Die Entrindung muss dem Fällen sofort folgen, 
die Rinde ist zu verbrennen. Geschieht die Entrindung zur Zeit, wo 
noch keine Puppenwiegen angelegt sind, genügt diese Massregel. Sind 
bereits Puppenwiegen mit Spanpolstern vorhanden, so hat man letztere 
auszustossen”’ [ScHaAr]. Ein einfaches Ueberfahren des geschälten 
Stammes mit der Schneide der Axt genügt nicht, vielmehr muss man 
hierzu alte, abgekehrte Reisigbesen, deren Ruthen leicht in die 
Puppenwiegen eindringen, anwenden, wie dies zuerst RATZEBURG 
[48 d. S. 160] vorschrieb. Auch dürften dazu die neuerdings vielfach 
zur Reinigung der Obstbäume angewendeten Stahldrahtbürsten sehr 
geeignet sein. 

Ist die Vermehrung des Insektes bereits stark geworden, so 
gehe man mit dem Fällen der erst kürzlich angegangenen Bäume 
nicht zu schnell vor, weil die einmal von dem Insekt krank ge- 


A + Gh 


En 2 


Harzıüsselkäfer, Pissodes Hareyniae. 387 


machten gern von den später auftretenden Nachzüglern als Brut- 
plätze benutzt werden, also gewissermassen als Fangbäume dienen. 
Von dem Werfen von Fangbäumen hat man bis jetzt kaum nennens- 
werthe Resultate gehabt. Ist das Schälen nachlässigerweise bis zu 
dem Zeitpunkte verschoben worden, wo der Käfer bereits ausgebildet 
in den Puppenwiegen liegt, so müssen Tücher untergelegt, und 
die Rinden auf diesen in das Feuer getragen werden. Etwa befallene 
Aeste und geringere Wipfel ete. können gleich mit verbrannt werden. 
Die Hauptsache ist auch hier die energische Bekämpfung des 
Insektenfrasses in seineg Anfängen. 


Geschichtliches. Als Rarzesurg [V 1, S. 122] im Jahre 1839 nach 
Sıxesen’s Beobachtungen den Harzrüsselkäfer unter die Forstinsekten aufnahm, 
war eine wirklich grössere Verheerung dieses damals in den Sammlungen 
geradezu seltenen Käfers noch nicht bekannt geworden. Vielmehr konnte von 
ihm nur ausgesagt werden: „Dass das Insekt merklich schädlich werden 
kann, wenn es sich stark vermehrt, ist nicht zu bezweifeln.” Erst Anfang der 
Sechzigerjahre trat ein grösserer Frass ein, und zwar in den königl. hannoveri- 
schen und herzogl. braunschweigischen Fichtenwaldunsen des Harzes, in welchen 
in Folge der drei ungewöhnlich dürren Sommer 1857, 1858 uud 1859 viele 
Stämme kränkelten. Die befallenen Reviere waren die hannoverischen Forst- 
inspeetionen Zellerfeld und Lautenthal, namentlich das Revier Lautenthal II, 
sowie die braunschweigischen Reviere Seesen, Wolfshagen, Oker und Harzburg. 
Die dort befindliehen umfangreichen, 50—120jährigen Fichtenbestände waren 
der Sitz des Frasses. Nachdem im Jahre 1860 zuerst ein stärkerer Frass des 
Käfers bemerkbar geworden, wurden die ersten Gegenmittel angewendet. Da 
jedoch in diesem Jahre die befallenen Fichten etwas zu spät geschält wurden 
und daher viele Käfer auskamen, nahm der Frass 1861 zu, und die Bekämpfung 
musste stärker betrieben werden. Während man aber auch jetzt noch nur die 
wirklich kranken Stämme fällte und entrindete, ging man 1862 überhaupt gegen 
alle durch Harzausflüsse als befallen gekennzeichnete Stämme vor, und setzte 
dies in den Folgejahren fort, so dass man schliesslich im Jahre 1865 den Feind 
als besiegt ansehen durfte. 

Die Grösse des Schadens erhellt am besten aus den Angaben von Lorenz 
[40, S. 238], dass in dem Betriebsjahre 1861/62 in der aus den vier Re- 
vieren Lautenthal I, Lautenthal II), Wildemann und Grund bestehenden da- 
maligen Harzforstinspeetion Lautenthal mit 6767 ha Holzbodenfläche eirca 3400 ha 
infieirt waren, und in Summe 117967 angebohrte Stämme mit einem Aufwande 
an Visitations- und Schälerkosten von 11100 Mark gefällt wurden. Von diesen 
117967 Stämmen waren stark, d. h. nach alt-bannoverischem Brauch circa 45 cm 
iiber dem ersten Wurzelansatz gemessen, 
bis 20 cm über 20—35 cm über 35—50 cm über 50 cm Durchmesser 

83835 33251 840 41 Stück. 

Der Erfolg der Bekämpfungsmassregeln geht daraus hervor, dass nach den 
von Sırvers inden Verhandlungen des Harzer Forstvereines 1867 niedergelegten 
Mittheilungen in dem Forstreviere Lautenthal II auf einer infieirten Fläche von 
etwas über 700 Aha folgender Einschlag von Wurmholz nothwendig wurde: 


————————————————————— 
| 


Betriebsial | Festmeter „Wurmlolz” | Verausgabte Visitations- | 
u | Gesammtmasse | pro Hektar ‚und Schälerkosten in Mark 
| ae | 12539 | 17:26 | vr 59a 
| 1862/3 | 5879 | 8-21 1110 
Boa. | 1885 | 2:66 | 402 


| en | | 
j | 20305 | 28:13 | 6732 


388 Kap. IX. Die Käfer, 


Dieser Durchschnittssatz der „Wurmhölzer’ für das Hektar bleibt nicht 
viel hinter dem stärksten zurück, welcher von Wevexınn [64, S. 103] in stark 
befressenen 60—S0jährigen Beständen des Forstrevieres Zellerfeld im Jahre 1862 
auf 33 cbm, bei weniser stark befressenen auf 24 cbm und bei einzeln befressenen 
auf 14cbm für das Hektar angegeben wird. 

Der Käfer hat sich nach dieser Zeit an vielen anderen Stellen, z. B. 
im sächsischen Erzgebirge, sehr schädlich erwiesen. Im Jahre 1867 trat er 
zuerst, wie Forstmeister ScHAAL brieflich mittheilt, in dem sächsischen Staats- 
forstreviere Olbernhau, 1870 noch viel stärker auf, desgleichen in den nahe- 
liegenden Privatwaldungen von Purschenstein und Pfaffrode. Auf Olbernhauer 
Revier wurde sofort gegen ihn vorgegangen, und es gelang die Unterdrückung 
des Frasses im Laufe der Jahre 1870 bis 1876 so, dass er jetzt nur noch ver- 
einzelt vorkommt. Auf den Revieren aber, wo mam®lässiger gegen das Insekt vor- 
gegangen war, hat der Frass länger augedauert und ist der Schaden ein viel 
grösserer geworden. Im Olbernhauer Revier erstreckte sich der Frass des 
Käfers auf ungefähr 400 ha 50- bis 8Cjähriger Fichtenbestände. Zum Zweck 
der Veıtilgung des Käfers wurden in den Jahren 1870 bis 1876 gegen 6000/m 
gefällt, und dürften die Visitations- und Vertilgungskosten, welche vielfach 
mit anderen allgemein auszuführenden Arbeiten zusammen aufgerechnet wurden, 
Schlägerlöhne, Plätzerlöhne, etwa 1500 Mark betragen haben. 

In der Literatur machten zuerst 1860 Aumaczn [3] und NÖRDLINGER [42 a] 
auf diesen Frass aufmerksam. Hierauf folgten 1863 wichtige Aufsätze von 
Rarzesung [48e] und Grese [20], Lorenz [40], Weperıno [64], NÖRDLINGER 
|42 5] und Beuine [4a], sowie 1869 ein exacter Zuchtbericht von KELLNXER [30]. 
Ausserdem enthalten die Verhandlungen des Harzer Forstvereines 1862—1865 
reichliches Material. 


Der braune Kiefernbestands-Rüsselkäfer, 
Pissodes Pini L. (Curculio Abietis Rarz.) und der 
Tannen-Rüsselkäfer 
P. Piceae ILL. 


sind Feinde namentlich älterer, starkborkiger Nadelholzstämme, und 
zwar bevorzugt ersterer die gemeine Kiefer, während letzterer ein 
ausschliesslicher Bewohner der Tanne ist. 

Ihre Flugzeit fällt in den Juni, die Larven überwintern und 
die Generation wird als einjährig angenommen. Ihre Frassfiguren 
ähneln (vergl. Fig. 136) vollständig der des Harzrüsselkäfers, nur 
sind die Larvengänge und Puppenwiegen, der durchschnittlich be- 
deutenderen Grösse der Käfer entsprechend, auch länger und breiter 
als bei dem ersteren. An gut ausgebildeten Stücken ist der Strahlen- 
frass unverkennbar. Obgleich schon mehrfach über den von diesen 
Käfern in älteren Kiefern- und Tannenbeständen angerichteten Schaden 
geklagt wurde, ist doch eine von ihnen verursachte wirkliche Ver- 
heerung bis jetzt nicht bekannt geworden. Einschlag der befallenen 
Stämme mit Scehälung und Verbrennung der Rinde dürften zur Abwehr 
in den meisten Fällen genügen. Dagegen geht in gelegentlich an- 
gegriffenem, schwächerem Material der P. Pini mit seinen Puppenwiegen 
mitunter so tief in den Splint, dass die hier ohnehin nicht lohnende Schä- 
lung unterbleiben und das ganze Stämmchen verbrannt werden muss. 


Beschreibung P. Pini L. (Curculio Abietis Rarz.). Käfer: Hinter- 
ecken des runzlig gekörnten Halsschildes scharf und rechtwinklig, sein Hinter- 


Pissodes Pini und Piceae. 389 


rand kaum zweibuchtig und kaum schmäler als der Grund der Flügeldecken. 
Punktstreifen der Flügeldecken mit grossen viereckigen, grubenförmigen Punk- 
ten, die abwechselnden Zwischenräume etwas erhabener. Grundfarbe braun. 
Ober- und Unterseite mit gelben Schuppen, welche vor der Mitte zu einer 
schmalen, an der Naht unterbrochenen, hinter der Mitte zu einer schmalen, 
durchgehenden, einfarbig gelben Querbinde verdichtet sind. Länge 6—9 mm. 

Dieser von Lmx& wirk- 
lieh C. Pini genannte Käfer INIHUITINNIDINENINNNINNIN INN 
ist es, dessen Name fälschlieh MINI | 
von RATZEBURG auf den ge- 
wöhnlichen grossen braunen 
Rüsselkäfer übertragen wurde, 
der in Wahrheit von Lmn& C. 
Abietis getauft worden war. 
Die Autorität RAtzegure’s hat 
diese Verwechselung in der 
Forstwelt derartigeingebürgert, 
dass noch heute ältere Forst- 
leute den zuletzt erwähnten 
Käfer, unseren gefährlichsten 
Nadelholzkulturverderber, als 
Curceulio Pini fälschlich be- 
zeichnen. 


Lebensweise. Ge- 
nauere Beobachtungen über 
die Dauer der Generation 
dieses T'hieres fehlen noch, 
dagegen wird seine Flug- 
zeit übereinstimmend als 
um die Zeit der Sommer- 
sonnenwende fallend an- 
gegeben und der Larven- 
zustand als der normale 
Ueberwinterungs - Zustand 
angesehen. Man könnte 
daher graphisch die Gene- 
ration genau so darstellen, 
wie dies auf S. 384 in der 
Mitte für P. Harcyniae 


Hssr. geschehen ist. Fig. 136. Strahlenfrass von Pissodes PiniL.an 
Als Brutmaterial su- Weymouthskiefer. Rindenstück in !/, natürl. 


chen die Weibchen nament- Grösse. Nach JupeıcH [29 5]. 

lich ältere Stämme von Pınus-Arten auf, und zwar findet man sie meistens 
in den starkborkigen Theilen, ohne dass etwa die oberen Stamm- 
partien mit dünnerer Rinde verschmäht würden. Jupeıcn fand eine 
Weymouthskiefer sowohl an den Stellen mit nur 5 mm starker, wie 
solche mit vierfach stärkerer Rinde besetzt [295]. Auch aus Fichten 
soll P. Pini L. schon mehrfach gezüchtet worden sein. 


Arrum [XVI, III. 1, S. 205] ist geneigt anzunehmen, dass auch hier der 
Primär frass meist an den oberen Stammpartien beginnt und erst im Laufe 
der Infektion der untere Stammtheil besetzt wird. Ja auch ganz schwaches 
Material wird befallen. So meldet Berıng [4 c] einen Frass in einer nur 5cm 


Fig.137. Stück eines 
entrindeten Kiefern- 
stämmchens mit Pup- 
penwiegen von Pis- 
sodes Pini L. ?/, 


Grösse. In 
der unteren Hälfte 
sind gewöhnliche 
Puppenwiegen, im 
Längsschnitt oben 
dagegenim Holz ver- 
borgene. a Larven- 
gangspuren auf dem 
Splint, welche sich 
bei 5 in die Puppen- 
wiegen herabsenken, 
ce der zu den ver- 
borgenen Puppen- 
wiegen führende, mit 
Nagespänen ver- 
stopite Gang, d die 
Puppenwiegen, 
e Flugloch. 


natürl. 


Kap. IX. Die Käfer. 


Durchmesser über dem Boden haltenden Schwarzkiefer. 
Trotzdem dürfte es wohl dem heutigen Stande unserer 
Kenntnisse kaum mehr entsprechen, mit RATZEBURG den 
P. Pini unter die Kulturverderber zu rechnen. LETZNER 
berichtet aus dem Riesengebirge über starken Frass 
unseres Käfers in Kpieholzästen [36]. Diese Knieholz- 
bewohner sind es übrigens, welche Rarzesurc als eine 
von den Entomologen nicht anerkannte neue Art, P. 
sudeticus, beschrieben hat [XV, II, S. 371]. 

Die Eier werden von dem Weibchen meist 
häufchenweise abgelegt, und es entsteht alsdann 
durch die von einem Punkte ausgehenden Larven- 
gänge ein typischer Strahlenfrass. Auf Figur 136 
ist eine solche 9strahlige Frassfigur abgebildet. 
Artum hat dagegen solche mit bis 30 Strahlen 
gesehen. Die Länge der einzelnen Gänge kann 
bis 20 cm betragen. Die Breite dieser Gänge und 
die Länge der Puppenwiegen, welche stets in den 
Splint eingreifen, sowie die Stärke der Fluglöcher 
variirt nach der Grösse der Exemplare. Die Flug- 
löcher haben 2,5 —Amm Durchmesser und sind 
kreisrund. 

Die mit groben Spanpolstern ausgekleideten 
Puppenwiegen (Fig. 137) greifen stets in den 
Splint ein, liegen aber an starkborkigen Stämmen 
theilweise auch in der Rinde, und das Flugloch 
liegt dann ausschliesslich in letzterer. Besetzt der 
Käfer aber schwache, dünnrindige Stämmehen, so 
geht die Larve mitunter tiefer in das Holz, so 
dass nach Ablösung der Rinde die Puppenwiegen 
selbst nicht sichtbar sind, sondern nur der 
allmählich in die Tiefe hinabsteigende Eingang zu 
denselben. Frisst der Käfer sich dann heraus, 
so macht er ein eigenes Flugloch, welches also 
auch im Holze sichtbar ist. Beide Puppenwiegen- 
formen können aber in unmittelbarer Nähe von 
einander an ein und demselben Frassstück vor- 
kommen. Auf diese Eigenthümlichkeit wurden wir 
an einigen in 'Iharand von Studiosus JAROSCHKA 
sen. gesammelten Frassstücken aufmerksam. Publi- 
eirt wurde dies Verhältniss zuerst bald darauf durch 
Berise [4e)]. 

Schaden und Abwehr. Dass der Käfer 
merklich schädlich werden kann, ist wohl zwei- 
fellos. Grössere Schäden sind bis jetzt aber noch 
wenig beobachtet worden. Georg [19 6] berichtet 
allerdings über einen stärkeren Frass dieses Käfers 


in Verbindung mit P. piniphilus Hssr. aus der Klosteroberförsterei 
Lüneburg und Arrun [XVI, III. 1, S. 205], über einen ähnlichen Frass 


Kiefernbestands- und Tannenrüsselkäfer. Erlenrüsselkäfer. 391 


an Weymouthskiefer aus Dinklage in Oldenburg. In Betreff der Abwehr 
ist auf das oben Gesagte zu verweisen, 

P. Piceae Irr. Käfer: Hinterecken des runzlig gekörnten Halsschildes 
scharf und spitzwinklig. Sein Hinterrand deutlich zweibuchtig, Punktstreifen 
erst etwas hinter der Basis der Flügeldecken mit viereckigen, starken, ab- 
wechselnd grösseren und kleineren grubenförmigen Punkten, Zwischenräume 
3 und 5 deutlich erhabener, Grundfarbe dunkelbraun, die Oberseite mit braunen 
und gelben Schuppen besetzt, letztere vor der Mitte der Flügeldecken jeder- 
seits einen gelben Punkt, hinter derselben eine einfarbig gelbe, aussen ver- 
breiterte, an der Naht unterbrochene Binde bildend. Länge 6—10 mm. 

Die Lebensweisevon P. Piceae Irr. ist der des P. Pini L. un- 
gemein ähnlich. Nur scheint der Flug nach Rırgen [49] etwas später zu 
fallen, in den Ausgang des Juli, und die Generation sicher einjährig zu 
sein. RıiEGEL war es auch, der unseres Wissens zuerst den Strahlenfrass 
einer Pissodes-Art deutlich beschrieb. Nach Hocnnäusster sollen die 
Centren der Strahlenfrässe gern in Astwinkeln liegen [XVI, III. 1,8. 204]. 
Der Käfer ist, soweit bekannt, völlig monophag, ein typisches Tannen- 
insekt, und geht auch nicht in junge Stämme. Dagegen soll er gern 
Scheitholz, Windfälle, absterbende Stämme und Stöcke annehmen. 
Einen grösseren Schaden erwähnt Aurum kurz aus Schlesien, wo auch 
die Käfer im Frübjahr in Menge an den Stöcken frisch gefällter 
Tannen gefunden wurden. JupeıcH berichtet, dass im Jahre 1868 auf 
dem damaligen königl. sächsischen Staatsforstrevier Chemnitz ein 
sehr erheblicher Schaden an Tannen verursacht wurde. Die Haupt- 
flugzeit war daselbst Ende Juni und Anfang Juli. 

Durch reine Wirthschaft im Walde kann auch dieser Käfer 
wohl am besten unschädlich gemacht werden. 


Rüsselkäfer, deren Larven die tieferen Rindenschichten und 
den Holzkörper junger Laubholzstämme und Aeste bewohnen. 
Hierher gehört nur ein Käfer, nämlich der 


Erlenrüsselkäfer oder Erlenwürger 


Cryptorrhynchus Lapathi L. 


Die Larve dieses Käfers frisst namentlich in jüngeren Erlen- 
und Weidenstämmehen zuerst oberflächlich unter der Rinde, bohrt 
sich dann tiefer in das Holz und fiisst einen aufsteigenden 
Gang. Im Laufe des Sommers eıkenut man den Frass von aussen 
daran, dass an der ÖOeffnung, welche die Larve an der Öber- 
fläche unterhält, braune, langfaserige Nagespäne in Menge hängen. 
Dieser Frass tödtet vielfach jüngere Erlenlohden, deformirt auch und 
schwächt die nicht absterbenden so, dass sie leicht abbrechen. Auch 
in Weidenkulturen wird das Tbier schädlich, und zwar hier auch als 
Käfer durch Benagen der Ruthenspitzen. Ausschlagen und Ver- 
brennen des von lebenden Larven und Puppen besetzten Materiales 
ist das einzige anwendbare Gegenmittel. 


Beschreibung. Cryptorrhynchus Lapathi L. Käfer: pechbraun oder 
schwarz. Der hintere, dritte Theil der Flügeldecken, Mitte der Schenkel, Seiten 


392 Kap. IX. Die Käfer. 


des Halsschildes und Vorderbrust dicht weiss oder röthlich-weiss beschuppt. 
Halsschild und Flügeldecken mit Büscheln aufstehender, schwarzer Schuppen. 
Geflügelt. Länge 7—9 mm. 

Larve weisslich mit stark chitinisirtem, braunem Kopfe, ohne besondere 
weitere Kennzeichen. 

Lebensweise. Die Generation dieses gefährlichen Erlen- und Weiden- 
feindes ist noch nicht vollständig klar gestellt. Die normale Flugzeit fällt in 
den Mai, wenngleich bei starkem Frasse auch im ganzen Verlaufe des Sommers 
Käfer, und zwar auch in der Begattung, zu finden sind. Das Ausschlüpfen 
findet namentlich dann, wenn im Zimmer gehaltene Zuchten beobachtet werden, 
im Herbste statt, während in der freien Natur es zwar auch meist zur Ent- 
wickelung des Käfers kommt, dieser aber in den Larvengängen überwintert. 
Die Streitfrage ist nun die, ob die im Herbste auskommenden Käfer aus Eiern 
stammen, welche im Frühjahre desselben Jahres abgelegt wurden, oder aber 
aus solchen, welehe schon aus dem Jahre vorher stammen. Die Mehrzahl der | 
Autoren ist, unserer Ansicht nach, ohne hinlängliche Beweisgründe für die | 


—— 


SER 


an 


Fig. 138. Frass : A frischer 
Larvengang mit Larve. B älterer Frass mit beginnender Ueberwallung der 
äusseren Wunde. (C' Frassstück, aus dem der Käfer bereits ausgeflogen ist, an 
dem die Nagespäne aber noch erhalten sind. « oberflächlicher Anfangsfrass der 
Larve. 5b aufsteigenderLarvengang. ce Larve. d Nagespäne. e Flugloch. 


erstere Alternative, also für die einjährige Generation, während HenscHEL 
[x1, 2. Aufl., S. 179], allerdings auch ohne Angabe seiner Gründe, ebenso ent- 
schieden für die zweijährige Generation eintritt und Arrum [XVI, 2. Aufl., 
III, 1. S. 222] mit Vorsicht darauf hinweist, dass die Frassart der Larve eine 
derartige sei, wie man sie sonst meist nur bei Insekten mit zweijähriger 
Generation findet. 

Das gewöhnliche Bild des Frasses ist folgendes. Die aus den meist 
einzeln an die Rinde von jüngeren Erlen und Weiden abgelegten Eiern aus- 
schlüpfenden Larven fressen zunächst einen unregelmässigen Hohlraum unter 
der Rinde und dringen erst allmählich tiefer in den Holzkörper ein. In letzterem 
machen sie nun bei dünnen Stämmehen im Centrum, bei stärkeren auch ex- 
centrisch einen aufwärtssteigenden, bis 10 cm langen, drehrunden Larvengang 
und schieben die braunen, ziemlich langfaserigen Nagespäne aus einem in der 
Nähe ihrer ersten Angriffsstelle angebrachten Loche heraus. Im Umkreise der 


> 
ne une m 


Erlenrüsselkäfer, Cryptorrhynchus Lapathi. 393 


letzteren sieht die Rinde blass und missfarbig aus, und es bleiben hier die von 
dem reichlich austretenden Safte befeuchteten Späne in dicken Polstern hängen. 

Bei schwächerem Frasse sind die Larven vereinzelt, mitunter sind aber 
auch viele in einem Stamme. Namentlich in schwächeren Weiden sind sie 
nach Arrum’s Beobachtungen oft dicht gedrängt und von einander nur durch 
wenige Nagespäne geschieden. Die zur Verpuppung reife Larve dreht sich um, 
sodass die Puppe gestürzt, den Kopf nach unten, liegt. Der ausschlüpfende Käfer 
steigt den Gang bis zu der Stelle herab, wo der Larvenfrass oberflächlich begann, 
und frisst dort ein rundes Flugloch dureh die dünne Rinde (Fig. 138 C). Der 
Käfer scheint vorzugsweise in den Larvengängen zu überwintern. Dass er dies 
nicht in der Bodendecke thut, beweist nach TAscHengEr@ |[XXII, II, S. 161] schon 
der Umstand, dass er sich, trotzdem seine Wohnplätze bei Halle stark den Ueber- 
schwemmungen ausgesetzt sind, niemals in dem angeschwemmten Röhricht und 
Gestrüpp findet. 

Als Brutstätten werden benutzt zunächst unsere beiden Erlenarten, 
Alnus glutinosa GÄrrn., die Schwarzerle, und A. incana Wırrv., die Weisserle 
[44], ferner verschiedene Weidenarten, namentlich Salix caprea L., S. viminalis 
L., S. purpurea L. und S. triandra L., ferner, in selteneren Fällen, Birken 
und Pappeln. Die früher häufig gemachte Angabe, dass blos die Schwarzerlen 
befallen würden, hat sich nicht bestätigt. Eine eigenthümliche Beobachtung 
theilt Aurum [XVl. III, S. 221] aus der Gegend von Neustadt, von den Leuen- 
berger Wiesen mit; der Käfer hat dort mit consequenter Vermeidung der 
Schwarzerlen nur die gemischt mit diesen wachsenden Weisserlen, und zwar 
starke Stangen, von unten bis 6 m hoch befallen, selbst 30- und mehrjährige 
Bäume nicht verschont. ALtum vermuthet, dass die Rinde der älteren Schwarz- 
erlen dem Käfer vielleicht zu borkig sei, weshalb er die glatteren Weisserlen 
vorziehe. Die 2—3jährigen Lohden, oft auch die 4jährigen und älteren sind dem 
Käfer die liebsten. An Birken fand NÖRDLINGER die beiden letzten Jahrestriebe 
bewohnt und zerstört. Nach Zese [69] wurden auch Aeste und hervor- 
stehende Wurzeln belegt. Bei Weiden fand TAscHEnBERG vorzugsweise die Wurzel- 
stöcke von der Brut bewohnt. 

Autum sagt: „Eine Entwickelung findet beim jährlichen Schnitt der Ruthen 
lediglich in den Stecklingen und in den Stummeln der früheren Ruthen statt“. 
Am häufigsten findet man den Frass in Erlenrändern, die sich an Gräben, 
Teichen etc. hinziehen. Die Angabe NörvLinger’s [XXIV, S. 175], dass eram häufig- 
sten sei in Erlen, denen zeitweilig die nöthige Feuchtigkeit fehlt, dürfte daher 
wohl kaum zutreffen. 

Der Käfer selbst benagt die Rinde der jüngeren Zweige derjenigen 
Bäume und Sträucher, deren stärkere Lohden oder Wurzelstöcke er als Brut- 
material wählt. Aus der vorstehenden Schilderung geht hervor, dass der Name 
des Käfers, den er erhielt, weil er zuerst zufällig auf Ampfer, dem Lapathum 
der Alten, gefunden wurde, nicht bezeichnend ist. 


Schaden und Abwehr. Wir berücksichtigen zunächst den 
Larvenfrass. Die stark befallenen Erlen gehen entweder ein, oder 
sie werden an den Frassstellen leicht vom Winde abgebrochen. Der 
Schaden ist gegendweise so bedeutend, dass ganze Erlenbestände zu 
Grunde gerichtet werden. Halten die Stämmchen den Frass aus, so 
werden sie doch durch die Ueberwallung der Frassstellen stark de- 
formirt und entwerthet. Der Frass verräth sich ausser durch die aus- 
geworfenen Nagespäne an schwächeren Stämmehen namentlich auch 
durch das Welken der Blätter. Letzteres zeigt den Feind auch in 
den Weidenhegern an, wo häufig in Folge des Larvenfrasses in den 
Stecklingen ein Ruthenbüschel nach dem anderen abstirbt. 

Sowohl in Erlen- als in Weidenbeständen kann das Ausschneiden 
oder Heraushauen des von den Larven besetzten Materiales mit nach- 


Lehrbuch d. ınitteleurop. Forstinsektenkunde. 26 


394 Kap. IX. Die Käfer. 


folgender Verbrennung als zweckmässige Vertilgungsmassregel an- 
gesehen werden, wenngleich bei starkem Frasse dies mitunter dem 
vollkommenen Abtriebe des Bestandes gleichkommt. 

Bei der Unregelmässigkeit der Generation des Käfers wird in 
der Regel der Sommerhieb am besten sein. Wo es die Standorts- 
verhältnisse gestatten, wird man zum Anbau von Eichen, Eschen, 
Ahorn oder Rüstern schreiten müssen. Der früher hier und da ge- 
machte Vorschlag, an Stelle der so sehr gefährdeten Schwarzerle, 
Weisserlen anzubauen, ist haltlos geworden, seit man sich überzeugt 
hat, dass letztere Holzart ebenso gut und verderblich von dem Rüssel- 
käfer befallen wird, wie erstere. 

Der Frass des Käfers ist weit weniger schädlich. Indessen 
ist durch die von RossmÄssLer mitgetheilte Beobachtung von Muru 
[50, S. 200] constatirt, dass er durch Benagen der Rinde junge 
Stämmehen eines Schwarzerlenaufschlages zum Eingehen gebracht hat. 
Ein Nagen an Weidenrinde hat Nörpuinger [XXIV, S. 19] beobachtet, 
und Arrum berichtet, dass er in Weidenhegern die Rinde bis auf 
den Splint benagt. Hierdurch sterben oft die Ruthenspitzen ab, und 
wenn auch die Ruthe seitlich eine neue Spitze bildet, diese aber wieder 
getödtet und ersetzt wird u. s. f., so verliert sie völlig ihren Gebrauchs- 
werth. Bereits verholzte Ruthen sterben in Folge dieser Beschädigung 
nicht ab, die Stiche überwallen vielmehr und haben dann einige 
Aehnlichkeit mit ausgeheilten Hagelschlagverletzungen. 

Gegen den Käfer selbst ist kaum vorzugehen. Ein erfolgreiches 
Sammeln desselben ist nicht möglich, da besondere Fangmittel, welche 
sich beim grossen braunen Rüsselkäfer so gut bewähren, nicht be- 
kannt sind und sich die an den Stämmchen sitzenden, aus der 
Ferne nicht leicht sichtbaren Käfer bei unvorsichtiger Annäherung 
des Menschen sofort auf den Boden fallen lassen, wo man sie nicht 
erkennt. 

Rüsselkäfer, deren Larven die Blattorgane von Holzgewächsen 
beschädigen. Der hier in Frage kommenden Käfer sind nur wenige. 
Allerdings leben die ziemlich zahlreichen Arten der durch ihr Spring- 
vermögen ausgezeichneten Gattung Orchestes fast sämmtlich auf 
Laaubhölzern, deren Blätter ihre Larven zerstören, indem sie minirend 
das Blattfleisch unter Schonung der Epidermisschichten verzehren, 
aber nur eine Art, 

der Buchen-Springrüsselkäfer, 
Orchestes Fagi L., 
auch Buchenrüssler genannt, richtet häufig grössere Verheerungen an, 
indem er namentlich ältere Buchenbestände derartig befällt, dass 
fast kein Blatt verschont bleibt. Da dieser Frass bald nach dem 
Ausschlag des Buchenlaubes eintritt, ist öfters eine Verwechselung dieser 
Beschädigung mit Frostschaden vorgekommen. Der Käfer schadet 
gleichfalls durch Frass an Blättern und Früchten. 

Auch der Eichen-Springrüsselkäfer, O. Quercus L., ist mit- 

unter schon massenhaft aufgetreten. 


Erlenrüsselkäfer und Springrüsselkäfer, Orchestes. 395 


Beschreibung. Orchestes Fagi L. Käfer: Rüssel ziemlich lang, Augen 
gross, nicht völlig aneinanderstossend. Fühler in der Mitte des Rüssels einge- 
lenkt, Fühlerschaft bedeutend länger als 
Geisselglied 1, Fühlergeissel 6gliedrig. Hals- 
schild quer mit abgerundeten Seiten und, eben- 
so wie die Flügeldecken, ohne aufrecht stehende 
Borsten. Flügeldecken punktstreifig mit flachen 
Zwischenräumen. Körperumriss länglich. Vorder- 
schenkel mit kleinem Zahn. Die verdickten 
Hinterschenkel fein gezähnelt.e. Grundfarbe 
schwarz, Fühler und Fussglieder braungelb. 
Oberseite dicht grau behaart. Länge 2— 25mm. 

Die Puppe, in einem dünnen Cocon inner- 
halb der kugelig aufgetriebenen Blattmine 
liegend, ist nur am Kopfe mit einigen Dornen- 
höckern versehen, sonst nur dünn behaart, die 
Afterdornen sind einander sehr genähert. 

Larve: Gabellinie auf dem Kopfe schon 
vom Hinterrande an getheilt; ein geiheiltes 
dunkles Nackenschild auf dem Prothorax und 
ein nach oben gerichtetes Fleischzäpfchen auf \ 
dem letzten Hinterleibssegment. Hinterbrust 
und Hinterleibsringe an den Seiten warzig vor- Fig. 139. Buchenblatt mit Larven- 
tretend, ohne Keilwülste. Hinterleibsringe ober- frass (a) und Käferfrass (b) 
wärts mit je 2 Wärzchen, welche zum Fort- von Orchestes Fagi L. 
schieben in der Mine dienen. 

O. Quercus L. Käfer: Rüssel ziemlich lang, Augen sehr gross, fast ganz 
miteinander verwachsen. Fühler gleich hinter der Mitte des Rüssels eingelenkt, 
Fühlergeissel 6gliedrig. Halsschild und Schultern mit aufrecht stehenden Borsten 
besetzt. Flügeldecken fein punktstreifig. Umriss breit eiförmig. Grundfarbe roth- 
braun. Augen, Brust und erste Ringe des Hinterleibes unten schwarz. Oberseite 
dicht gelb behaart, bei unabgeriebenen Stücken vorn mit einer dichter behaarten, 
nach hinten zugespitzten Stelle. Vorderschenkel in der Mitte mit kleinem Zahır. 
Hinterschenkel stark, unten mit 8 kleinen Zähnchen. Länge 2:5 — 35 mm. 

Lebensweise. Die Generation des Buchen-Springrüsslers ist einfach 
und einjährig, wie die folgende Darstellung zeigt. 


| } 
| Han Febr. |März | April | Mai | Juni | Juli | Aug. Set. Oct. Nov.) Dec. 


1880 Zr anr Ahr HH 


SIE | 
| 1881 +++ +44 HH ++ + | | | | 
| 


Die überwinterten Käfer erscheinen mit Beginn des Laubausbruches auf 
den Buchen. Die Weibehen legen die Eier einzeln an die Mittelrippe der Blätter, 
mitunter mehrere an dasselbe Blatt. Die Larve frisst nun gegen den Rand und 
die Spitze des Blattes zu einen Gang zwischen den beiden Epidermisschichten 
und erweitert diese Mine ziemlich plötzlich am Rande des Blattes, so dass 
sie blasenförmig aufgetrieben erscheint (Fig. 139). Hier verpuppt sich auch die 
Larve in einem runden Cocon. Das Larvenleben dauert ungefähr drei Wochen, 
die Puppenruhe ungefähr 14 Tage. Die bereits Mitte Juni auskommenden 
Käfer befressen zunächst das Laub und die Fruchtansätze der Buchen, 
gehen aber auf verschiedene andere Pflanzen über. So wurde nach 
ALTum und Fickerr [lc] auf Rügen das Obst, namentlich Kirschen, Him- 


26* 


396 Kap. IX. Die Käfer. 


beeren und Stachelbeeren, so stark vom Käfer befressen, dass es ungeniessbar 
für den Menschen war. Auch Blumenkohl wurde angegangen, und Beine 
[4 5] fand, dass diese Thiere in den den befallenen Buchenbeständen benachbarten 
Roggenfeldern die Aehren benagteu. Diese Beschädigung war es, auf welche hin 
früher eine besondere Art, Curculio segetis, aufgestellt worden ist. Mit Beginn 
der kühleren Jahreszeit verlässt der Käfer die Blätter, um in der Bodendecke 
und in Rindenritzen zu überwintern, dann bei Beginn der wärmeren Jahreszeit 
wieder zu erscheinen und zur Fortpflanzung zu schreiten. 


Schaden. Wenn der Käfer sich massenhaft vermehrt, so wird durch den 
Larvenfrass ein grosser Theil der Blattfläche der Buchen zerstört, und diese 
sehen dann, da die Minen sich bräunen und schliesslich aus der Blattfläche aus- 
fallen, wie erfroren aus. Da die Buche nur langsam in der Reproduction neuer 
Blattorgane ist, so ist der Zuwachsverlust nicht unbeträchtlich. Am liebsten nimmt 
der Käfer ältere Bestände an, verschont aber auch jüngere Pflanzen nicht. Dass 
letztere wegen ihrer im Allgemeinen geringeren Widerstandstähigkeit infolge starken 
und wiederholten Frasses eingegangen wären, ist in der Praxis noch nicht vorge- 
kommen. An den Rändern der Bestände ist der Schaden meist stärker als im 
Inneren, aber auch in gemischten Beständen werden die Buchen angegangen. 
Stärkere Verheerungen werden berichtet vom Pfälzerwalde im Jahre 1869 [13] 
und aus Rügen im Jahre 1875. Es boten nach Arrtum „auf stundenlangen 
Fahrten die dortigen Buchenreviere ununterbrochen dasselbe Bild. Millionen und 
Milliarden Blätter waren an der Spitze gebräunt von den niedrigsten Zweigen 
bis an die höchsten Gipfelpartien.” Auch bei Tharand zeigt sich der Käfer öfter 
schädlich. 

Der Käferfrass wird schon von RATZEBURG als mitunter nicht unbedeutend 
angegeben, namentlich der von den eben aus dem Winterlager hervorgekommenen 
Käfern ausgeübte, welche nicht nur die jungen Buchenblätter, sondern auch die 
Fruchtknoten angehen. Schon durch die letztere Thätigkeit kann die Buchelmast 
beeinträchtigt werden, besonders da auch die neuen Käfer im Juni und Juli an 
die Cupula der Buche gehen und in Folge dieses Frasses nach Artum und 
Fickerr die Bucheckern vorzeitig aufspringen und taub bleiben. An manchen 
Stellen soll 1875 auf Rügen hierdurch ein bedeutender Theil der Mast vernichtet 
worden sein. 


Der Eichen-Springrüssler ist in der Lebensweise dem vorigen sehr 
ähnlich. Nur wird nach Nörprınger das Ei in die Mittelrippe des Blattes 
selbst abgelegt, und die Larve frisst in der Mittelrippe ein Stück weiter, ehe sie 
auf die Blattdäche übergeht. Befallen werden bei uns nach NÖRDLINGER [XXIV, 
S. 20) die verschiedenen Arten der sommergrünen Eichen ohne Unterschied. 
Derselbe beriehtet auch, dass namentlich die unter dem Schutze lichter Kiefern- 
bestände erzogenen Eichen besonders gelitten hätten. Nach Hess soll der Frass 
besonders auf unterdrücktem Unterholze vorkommen. So z. B. 1875 bei Giessen. 
v. Vursesus [61] will dagegen beobachtet haben, dass im Jahre 1856 auf dem 
herzogl Brauuschweigischen Revier Ottenstein die Stieleichen gegenüber den 
Traubeneiehen bei weitem bevorzugt wurden. 

Gleichfalls auf Eiche kommt vor O. Ilicis FAgr., ist aber auch aus Birken 
erzogen worden. ©. Alni L. brütet in Pappel- und Ulmenblättern, ©. Populi 
FABr. ist gemein auf Pappeln und Weiden. 


Abwehr. Eine wirksame Bekämpfung der Springrüsselkäfer gibt es nicht. 
Von Natureinflüssen, welche die Verbreitung dieser Käfer hindern könnten, sind ausser 
der Thätigkeit der Insekten fressenden Vögel noch zu erwähnen der Frost, der 
nach Rartzerure [XV, Bd. II, S. 134] einmal die ausgewachsenen Larven zum 
Verlassen ıhrer Minen zwang. 


Die Arten der Gattung Cionus ÜOraırv. sind namentlich auf 
Königskerze, Verbascum und Scrophularien angewiesen, auf deren 
Blättern ihre fusslosen Larven, durch einen zähen Schleim fest- 
gehalten, leben. Nur eine Art, 


Blur > 


Springrüsselkäfer und Eschen-Rüsselkäfer, Cionus. 397 


der Eschen-Rüsselkäfer, 
Cionus Fraxini DE GEER 


befrisst nicht nur als Larve, sondern auch als Käfer die Eschen- 
blätter und macht, da er mehrere Generationen in einem Sommer haben 


kann, mitunter merklichen Schaden. 

Beschreibung: Cionus (Stereonychus) Fraxini DE Geer. Käfer: Augen 
getrennt. Geisselglied 1 und 2 verlängert und einander gleich. Flügeldecken 
punktstreifig mit gleichmässig dicht punktirten Zwischenräumen, oben abgeflacht. 
An jedem Fusse nur eine Klaue. Grundfarbe rothbraun, Fühlerspitzen dunkler. 
Oberseite mit grauen und braunen Schuppen dicht besetzt, letztere auf dem Hals- 
schild einen grossen Fleck und auf den Flügeldecken eine Binde bildend; 
Färbung sehr variirend. Länge 3—3'5 mm. 

Puppe eingeschlossen in einem fast durchsichtigen, gelbliehen Cocon von 
35mm Länge. Letzterer wird gebildet aus dem Schleim, welcher die 6—8mm lange 

Larve dicht bedeckt und aus einem auf der Oberseite des letzten 
Hinterleibsringes befindlichen Zäpfchen abgesondert wird. Sie ist grünlichgelb, 
hat einen schwarzen Kopf, trägt auf dem Prothorax ein getheiltes, schwärzliches 
Nackenschild und ist mit einzelnen Härchen besetzt. Füsse sind nicht vorhanden, 
dagegen die Weichen der Bauchseite durch eine Mittelfurche des Hinterleibes 
in zwei Lappen getheilt [XVIl, S. 429]. 

Lebensweise. Die Generation dieses Käfers ist eine mehrfache. Bei uns 
scheinen nach Jupeicn [29 «a | wenigstens zwei Generationen vorzukommen. 
PrrAGarLo gibt für Nizza im Laufe der Monate April bis Juli eine dreimalige 
Eierablage an. Im Frühjahre erscheinen die Käfer, deren Weibchen die Blätter 
der Esche mit Eiern belegen. Die auskommenden Larven, deren Leben im Süden 
bis zur Verpuppung 10—12 Tage dauert, sitzen durch ihren klebrigen Schleim- 
überzug festgehalten meist an der Unterseite der Blätter und fressen, die Rippen 
vermeidend, auf der Blattäche die Epidermis und das Blattteisch platzweise aus, 
lassen jedoch die Epidermis der Oberseite stehen. Die Ränder des Frasses bräunen 
sich bald. In einzelnen Fällen wird auch die Oberseite angegangen, sodass dann 
die Epidermis der Unterseite stehen bleibt Will die Larve sich verpuppen, so zieht 
sie sich etwas zusammen, der Schleim erhärtet um sie zu einer tönnchenförmigen 
Hülle, in der schliesslich die noch stärker geschrumpfte Larve frei liegt und in 
den 6—8 Tage währenden Puppenzustand übergeht. Diese Verpuppung findet 
öfters an den Blättern selbst, meist aber in der obersten Bodendecke statt. 
Der Käfer, der beim Ausschlüpfen aus dem Cocon ein regelmässig rundes Deckel- 
chen abschneidet, frisst Löcher in die Blätter und verschont selbst die Knospen 
nicht. In welchem Zustande das Thier überwintert, ist noch unbekannt, dies dürfte 
aber wohl sicher als Puppe oder Käfer geschehen. Die Dauer einer Generation 
im Sommer scheint 3 bis höchstens 4 Wochen zu betragen und es könnte daher 
auch bei uns wohl mitunter eine dreifache Generation vorkommen (vergl. auch 55). 

Schaden. Bei uns ist der Käfer ausschliesslich auf die Esche angewiesen, 
im Süden geht er auch au den Oelbaum. Durch den combinirten Frass von 
Larve und Käfer vertrocknen viele Blätter, und bei starkem Frasse kann es zur 
theilweisen oder vollkommenen Entblätterung kommen. Fine Verwechslung mit 
Frostschaden ist dann möglich. Bei Tharand waren 1869 5-6 m hohe Bäume 
so stark befallen. 1364 beobachtete KeLrxer einen stärkeren Frass auf Winter- 
steiner Revier im Thüringer Walde. Ein Eingehen von Bäumen in Folge dieses 
Frasses wurde noch nie bemerkt, ist bei der grossen Reproductionskraft der Esche 
auch nicht wahrscheinlich, dagegen kann Zuwachsverlust die Folge sein. An 
Oliven ist der Käfer schädlicher, da er Blüthen- und Fruchtbildung verhindern kann. 
Durch Abklopfen der Käfer auf untergehaltene Tücher oder Schirme könnte 
man nöthigen Falles den Schaden vermindern. 


Der Kiefernscheidenrüssler, Brachonyx pineti Payk., 


die einzige Art der Gattung, macht seine Entwickelung in den die 
Nadelpaare tragenden Kurztrieben unserer gemeinen Kiefer durch: 


398 Kap. IX. Die Käfer. 


die so befallenen Nadeln bleiben anfänglich im Wachsthume zurück 
und röthen sich später. Ausgedehnter Schaden ist noch nicht verursacht 
worden. Leider ist es kaum möglich, gegen diesen Schädling mit 
Bekämpfungsmassregeln vorzugehen. 


Beschreibung. Br. pineti Payk. (indigena Hssr). Käfer: Körper schmal- 
eylindrisch mit einem dünnen, glänzenden, gebogenen Rüssel, Flügeldecken 
tief punktstreifig, mit schmalen, gewölbten Zwischenräumen. Grundfarbe braun, 
Rüssel und Augen schwarz, Fühler, Beine und Flügeldecken rothgelb. Oberseite 
gelbgrau, ziemlich gleichmässig behaart. Länge 2:8 mm. 

Larve weisslich, mit grossem Kopfe und ansehnlich behaart. Länge 3 mm. 


Lebensweise und Schaden. Die überwinternden Käfer kommen im 
Frühjahr hervor und belegen die sich entwickelnden Nadelpaare mit je einem 
Ei. Zwischen der Basis der beiden Nadeln, innerhalb der Scheide frisst die 
Larve ihren Gang und verpuppt sich im Juli Im August schlüpft der Käfer 
durch ein seitliches Flugloch heraus. Der Käfer benagt der Nahrung wegen die 
jungen Maitriebe und sticht die Nadeln an. Die in Folge des Angriffes der Larve 
kurz bleibenden Nadeln fallen gegen den Herbst ab. Ein starker, wiederholter 
Frass kann schlechtwüchsigen jungen Kiefern nachtheilig werden. Man könnte 
dann vielleicht durch Abschneiden der befallenen Triebe vor Ausschlüpfen des 
Käfers oder durch Abklopfen des letzteren Gegenmassregeln treffen. 


Eine Verwechslung des Frasses dieses Rüsselkäferss mit dem von 
Cecidomyia (Diplosis) brachyntera Schwäc. kann, wenn man nur auf die 
Erscheinung des Frasses sieht, leicht varkommen. Die Larve der letzteren 
Mückenart, die genau so lebt wie die des Käfers, ist aber an dem Mangel eines 
abgesetzten Kopfes und durch ihre orangerothe Färbung leicht zu erkennen, 


Rüsselkäfer, deren Larven den Samenertrag forstlich wiehtiger 
Holzgewächse schädigen, gibt es nur wenige. Zunächst sind in dieser 
Gruppe die Nussbohrer, Balaninus Geru., leicht kenntlich an ihrem 
fadendünnen, namentlich bei den Weibchen sehr langen Rüssel, zu 
erwähnen, von denen drei, nur schwer unterscheidbare Arten in 
Eicheln und Haselnüssen brüten. Das Weibehen bohrt mit seinem 
Rüssel die halbwüchsige junge Frucht an und schiebt ein Ei in das 
Bohrloch. Die auskommende Larve nährt sich von dem Kern, den 
sie ganz oder theilweise ausfrisst. Die so angegriffenen Früchte 
fallen meist etwas zeitiser ab, als die gesunden, die Larve bohrt 
sich dann durch ein grosses kreisrundes Loch heraus und geht in 
den Boden, wo sie sich verpuppt und verwandelt. Ein grösserer 
wirklicher Schaden ist bis jetzt nur selten beobachtet worden. Die drei 
bei uns erwähnenswerthen Arten sind: der Nussrüssler, B. nucum 
L., der grosse Eichelrüssler, B. glandium MaArsn., und der kleine 
Eichenrüssler, B. tesselatus Foukrc. 

Beschreibung. B. nucum, L. Käfer: Rüssel des S' zwei Drittel, des ? fast 
so lang als der Körper, Fühlergeissel dieht abstehend behaart, die letzten Glieder 
verhältnissmässig kurz, nur wenig länger als breit, Alle Schenkel mit starkem 
Zahn. Flügeldecken einzeln nur wenig abgerundet, mit beinahe rechtwinkeligem 
Nahtwinkelaneinanderstossend. Körper mässig dicht behaart, Haare dunkelbräunlich- 


grau, auf den Flügeldeeken hellere und dunklere, zu schiefen Querbinden geord- 
nete Flecken bildend. Länge 5—7 mm. 


B. glandium Marsn. (venosus Gera). Rüssel des g halb so lang, des 2 
zwei Drittel so lang als der Körper. Fühler mit langgestreckten Geisselgliedern, 


Kiefernscheiden-Rüssler, Brachonyx; Nussbohrer, Balaninus. 399 


die nur am Ende eines jeden mit langen, einzelnen Haaren besetzt sind, und 
mit lang zugespitzter, deutlich gegliederter Fühlerkeule. Alle Schenkel mit 
einem starken Zahn, der des Hinterschenkels an seinem Innenrande mit dem 
Schenkel einen halbkreisförmigen Ausschnitt bildend. Flügeldecken hinten einzeln 
abgerundet, dicht gelbgrau behaart, dieHaare an der hinteren Hälfte der Deekennaht 
aufgerichtet und eine Art Kamm bildend. Länge 6—8 mm. 


B. tesselatus Fourc. (furbatus Gyrr.). Rüssel des nur wenig kürzer, 
des © ebensolang als der Körper. Fühlergeissel mit langgestreckten, nur am 
Ende eines jeden mit langen einzelnen Haaren besetzten Gliedern und lang 
zugespitzter, deutlich gegliederter Fühlerkeule, Alle Schenkel mit einem starken 
Zahn, Flügeldecken nicht einzeln abgerundet, sondern in ziemlich rechtwinkligem 
Nahtwinkel aneinander stossend. Körper mässig dicht behaart, gelbgrau und 
braun gefleckt. Naht der Flügeldecken ohne aufrechtstehende Behaarung. Länge 
4—6 nım. 


Lebensweise. Die Flugzeit der Käfer fällt ungefähr in die Monate Mai 
bis Juli; um diese Zeit sind von verschiedenen Beobachtern die Weibehen bei 
dem Bohrgeschäft beobachtet worden, Das zum Zwecke der Eiablage gefertigte 
Loch ist sehr kleir, vernarbt bald und ist an der reifen Frucht nur mit Auf- 
merksamkeit zu erkennen; um so deutlicher ist dasjenige, welches die Larve 
als Ausgangspforte frisst, um sich in den Boden zurückzuziehen und hier in 
einer innen mit einer schleimigen Absonderung ausgeglätteten Höhle der Ver- 
puppung zu harren. Diese erfolgt der gewöhnlichen Annahme nach im folgenden 
Frühjahr, und die Käfer erscheinen dann wieder zur Flugzeit, sodass also als 
Regel eine einjährige Generation angenommen wird. Die von RATZEBURG und HArTIG 
[V., 1, S. 149 u. 150] angestellten Zuchtversuche zeigen aber, dass auch in dieser 
Beziehung Unregelmässigkeiten vorkommen können und eine Ueberjährigkeit der 
Larven, sowie ein spätes Ausschlüpfen der Käfer mit nachfolgender Ueberwinterung 
nicht selten ist. Monophagie scheint bei diesen Käfern nicht vorzukommen, da alle 
drei Formen sowohl aus Haselnüssen wie aus Eicheln gezogen wurden. RATZEBURG 
gibt an, dass mitunter ein Viertel bis ein Drittel aller Haselnüsse und Eicheln 
zerstört wird. Nach Arrum [XVI, III, 1, S. 215] waren im Jahre 1874 die Eicheln 
in zwei Schutzbezirken des unweit von Eberswalde gelegenen Lieper Revieres 
ganz besonders stark befallen, sodass man im nächsten Frühjahr die aus- 
sewanderten Larven massenhaft auf dem Boden der Eichelschuppen fand. 


Gegen den Käfer selbst ist durch Abklopfen wohl kaum vorzugehen, und 
auch durch Aufsammeln und Verbrennen der herabgefallenen, madigen Früchte 
wird man nur dann etwas erreichen, wenn diese Arbeit so schnell ausgeführt 
wird, dass die Larven nicht Zeit haben, vorher auszuwandern. In Samennieder- 
lagen wird man auf Reinhaltung der Schuppen zu sehen haben und die auf 
deren Boden aufgehäuften Larven vertilgen müssen. 


Im Süden lebt in der echten Kastanie, Castanea vesca Gärrx., nach 
PERRIS, und in der Zerreiche, Quercus Cerris L., nach Jupeıcn, als Feind der 
Samen dieser beiden Bäume eine langgestreckte, hellere Balaninus-Art, B. Ele- 
phas Gyrr., welche nicht selten die Ernte bedeutend schädigt. Andere kleinere 
Balaninus-Arten leben in fremden Pflanzengallen. So ist z. B. B. villosus 
FAgr. aus den Eichengallen von Biorhiza terminalis Hrc. gezogen worden. 


Der Vollständigkeit wegen weisen wir bei dieser Gelegenheit noch einmal 
darauf hin, dass Orchestes Fagi L. die Bucheckernernte beeinträchtigen kann, 
allerdings nicht durch seinen Larven-, sondern durch Käferfrass (vergl. S. 396). 


Die Obsternte wird gleichfalls durch Rüsselkäfer-Larvenfrass häufig 
bedroht, indem die als Blüthenstecher bekannten Arten der Gattung Anthono- 
mus Germ. ihre Verwandlung in den Blüthenknospen des Kernobstes, A. pomo- 
rum L. an Aepfelbäumen, A. cinctus Revrs. (Pyri Scuöxe.) an Birnbäumen 
durchmachen und hierbei Staubfäden und Fruchtknoten völlig vernichten. 
In seiner Lebensweise etwas mehr den Balaninus-Arten angenähert ist 
A. rectirostiris L. (druparum L,), dessen Larve in den Blüthen der Traubenkirsche, 


400 Kap. IX. Die Käfer. 


Prunus Padus L. lebt, deren Früchte sie jedoch in der Entwicklung nicht hin- 
dert, sodass sie schliesslich im Innern des Kernes lebt. Wirthschaftliche Bedeutung 
hat dieser, allerdings in einem Forst-Holzgewächse brütende Rüsselkäfer nicht. 


Dagegen ist eine andere Art derselben Gattung, A. varians PAyk., neuer- 
dings als in Kiefernknospen brütend, erkannt worden, und der durch diesen 
Larvenfrass verursachte Schaden soll nicht ganz unbeträchtlich sein. 


Beschreibung. Anthonomus varians PAyk. Käfer: Dünn gleichmässig 
behaart. Das tief punktirte Halsschild und die keine bindenartige Zeichnung tra- 
genden, oft schwarz gerandeten Flügeldecken braunroth. Der übrige Körper mit 
Ausnahme der gelben Fühler schwarz. Rüssel glänzend, kaum punktirt. Schildchen 
nicht gekörnt und greis behaart. Auf dem Hirterende der Flügeldecken verbindet 
sich der dritte Punktstreif mit dem achten. Schenkel mit einfachem Zahn, der am 
Hinterschenkel klein bleibt. Länge 3 mm. 


Lebensweise. Die einzige Beobachtung über das Brutgeschäft und den 
Schaden dieses Thieres rührt aus Russland von LinpemAnn her, dessen Angaben 
Köppen [3l, S. 227] reprodueirt. „Wenn man in alten Kiefernwäldern sein 
Augenmerk dem jungen Nachwuchse zuwendet, so fällt es sofort auf, dass ein 
grosser Theil desselben aus sehr kränklichen Bäumen besteht. Sie wachsen 
unregelmässig; der Stamm ist gekrümmt in Folge der Vernichtung der Gipfel- 
knospe; die Anzahl der Zweige ist sehr gering, und auch diese sind spärlich 
mit vergilbten Nadeln besetzt. Aber ungeachtet dieses kränklichen Aussehens 
fristen diese Bäumchen noch einige Jahre ihr elendes Dasein, bis sie endlich 
aus Entkräftung absterben oder, wenn sie sich erholen, zum Bauholze untaug- 
lich werden. Soleher Kiefern gibt es im Walde der Petrowskischen landwirth- 
schaftlichen Akademie bei Moskau sehr viele, und überhaupt bildet diese Erschei- 
nung keine Ausnahme oder Seltenheit. Ich habe mich überzeugt, dass die 
Urheber jenes kränklichen Zustandes der genannten Bäumchen zwei kleine 
Rüsselkäfer sind. Brachonyx pineti Paye. und Anthonomus varians PAyk. 
Der letztere kommt bei uns in enormer Anzahl vor. Im Laufe der ersten Hälfte 
des Mai nährt er sich von den Nadeln junger Kiefern und von den Säften 
junger Triebe, die er ihnen in derselben Weise entzieht, wie es Hylobius 
Abietis L. thut. Um Mitte Mai findet das Eierlegen statt. Zu diesem Behufe 
steigen die Weibchen auf die Knospen, bohren mittelst des Rüssels ein kleines 
Loch hinein und deponiren daselbst ein oder zwei Eier. Die Larven zehren an 
dieser Knospe, die je nach dem Masse der Beschädigung entweder vertrocknet 
oder einen schmächtigen und unregelmässig gekrümmten Trieb abgiebt.’” 


Ein wirklicher Nadelholzsamenzerstörer ist dagegen ein Pissodes, 
welcher in den Zapfen verschiedener Kiefernarten seine Metamorphose durch- 
macht und jetzt gewöhnlich als P. validirostris Gyr. bezeichnet wird. Der 
erwachsene Käfer frisst sich durch ein kreisrundes Loch aus dem Zapfen 
heraus. Ein namhafter wirthschaftlicher Schaden ist von ihm indessen noch nicht 
bekannt geworden. 

Beschreibung. Pissodes validirostris GyrL. (sirobili Repre.). Käfer 
dem P. notatus FArr. äusserst ähnlich. Hinterecken des fein runzlig gekörnten 
Halsschildes scharf rechtwinkelig, aber weniger spitz als bei notatus, Hinterrand 
kaum zweibuchtig. Punktstreifen der Flügeldecken mit kleinen, fast gleichgrossen 
Punkten. Grundfarbe braun. Ober- und Unterseite mit weisslichen Schuppen, 
Schildehen und zwei Punkte auf dem Halsschild dicht weiss beschuppt. Auf den 
Flügeldecken die vordere Querbinde rothgelb, an der Naht unterbrochen, die 
hintere Querbinde nach aussen breiter und rothgelb, innen schmäler und weisslich. 


Lebensweise. Schon RArzesurG hatte durch Harrıc erfahren, dass ein 
Pissodes in Kiefernzapfen brüte, nahm aber an, dass dies P. notatus FaArr. sei. 
REDTENBACHER wollte in der die Schwarzkiefernzapfen bewohnenden Form eine 
eigene, namentlich durch geringere Zuspitzung der Hintereeken des Halsschildes 
von P. notatus Farr. zu unterscheidende Art erkennen, welche er P. strobili 
nannte. Diese Art wird jetzt als synonym mit P. validirostris betrachtet, den 
GYLLENHAL in SCHÖNHERR’S grossem Risselkäferwerke beschrieb. 


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Anthonomus varians, Pissodes validirostris. Als Käfer schädl. Rüssler. 401 


Fraglich erscheint es doch noch, ob dieser Zapfenbewohner nicht wenigstens 
oftmals P. notatus Farr. ist. Die Bestimmung nahe verwandter Arten dieser 
Gattung ist wegen der Veränderlichkeit derselben bezüglich der feinen Unter- 
schiede in der Gestalt des Halsschildes, in der Skulptur und Beschuppung 
der Flügeldecken äusserst schwierig und unsicher. Die endgiltige Entscheidung 
muss erst weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben. 


RATZEBURG gibt eine recht gute Abbildung des Frasses in den gespaltenen 
Zapfen und sagt, dass gewöhnlich nur eine Larve den einzelnen Zapfen bewohnt, 
aber auch bis drei Stück in einem Zapfen vorkommen können. „Solche Zapfen 
erlangen wohl die normale Grösse, erscheinen aber immer mehr zugespitzt, von 
mehr grüner, nachher ins gelbgraue übergehender Farbe und zeigen, wegen mangel- 
hatter Ausbildung der Nüsse, die Schuppen nicht so deutlich hervortretend”. Ueber 
die Generation des Käfers berichtet zuerst ALrum [li], in dessen Versuchsgefässen 
aus von der Larve besetzten, von niedrigen, kusseligen Kiefern beiEberswalde gebro- 
chenen Zapfen im Herbste die Käfer auskrochen. ALrum nimmt an, ohne weitere 
Begründung für diese Ansicht zu geben, dass der Käfer kurz nach seinem Aus- 
schlüpfen die einjährigen Zapfen mit Eiern belegt und dann abstirbt, sodass 
die Generation einjährig wäre. 


Die Angabe von Arrum, dass man bewohnte Zapfen nicht am Boden finde, 
ist eine nicht gerechtfertigte Verallgemeinerung seiner eigenen Erfahrungen. 
Gelegentlich einer akademischen Forstreise fanden wir bei Darmstadt in einem 
50—60jährigen Kiefernbestande im August viele Zapfen auf dem Boden. In einigen 
derselben befanden sich noch Larven, in anderen bereits Puppen, woraus auf die 
vollständige Entwicklung des Käfers im September mit Sicherheit geschlossen 
werden kann. Nach Harrıc [V, 1, S. 144] soll in der Hasenheide bei Berlin oft 
die Hälfte oder Dreiviertel der Zapfen eines Baumes befallen sein. In der Gegend 
von Wien bewohnt der Käfer häufig die Zapfen der Schwarzkiefer. 


Als Imagines schädliche Rüsselkäfer. Allgemeines: Auf den 
vorhergehenden Seiten haben wir kennen gelernt, dass fast alle 
Rüsselkäfer, deren Schaden zunächst auf der Thätigkeit ihrer Larven 
beruht, gelegentlich auch als Imagines Blätter oder Nadeln, Knospen 
oder Triebe, sowie die Rinde an den Nährpflanzen ihrer Larven zum 
Zwecke der Ernährung benagen, und dass diese im Grossen und Ganzen 
fast monophagen Thiere also auch hierdurch dem Forstmann lästig 
werden können. 


Es giebt aber ausserdem eine Reihe von Rüsselkäfern, deren 
Larven für den Wirthschaftsbetrieb gar keine Bedeutung haben, da 
sie in der Erde entweder von den Wurzeln forstlich gleichgültiger 
Gewächse, oder in denjenigen abgestorbener Bäume leben, deren 
Imagines aber durch ihr ausgedehntes Befressen oder Benagen 
oberirdischer Pflanzentheile in hohem Masse schädlich werden. 
Diese biologische Gruppe, deren Mitglieder vornehmlich in die Unter- 
familie der Kurzrüssler und in die den letzteren zunächst stehenden 
Gruppen der Langrüssler gehören, ist im Gegensatz zu den vorigen 
meist polyphag, wenngleich einige Arten sich allerdings wenigstens 
insofern der Monophagie nähern, als sie die Nadelhölzer den Laub- 
hölzern bei weitem vorziehen oder umgekehrt, wie denn z, B. der wich- 
tigste dieser Käfer, Hylobius Abietis L., nur im Nothfalle oder aus 
individueller Laune Laubhölzer angeht. Auch ist hierbei zu berück- 
siehtigen, dass fortschreitende Beobachtungen auch solche Käfer, welche 
früher in der Literatur als monophag geschildert wurden, immer mehr 


402 Kap. IX. Die Käfer. 


als polyphag nachgewiesen haben, und dass manche schiefe Angaben auf 
der für den praktischen Forstmann nicht unbedeutenden Schwierigkeit 
beruhen, die „schwarzen, grauen und grünen Rüsselkäfer” sicher zu 
bestimmen. Anderseits wird aber für die Praxis in vielen Fällen der 
eine oder der andere Käfer ausschliesslich als Nadelholz- oder Laub- 
holzinsekt Wichtigkeit haben, und alle hier zu erwähnenden Formen 
stimmen insoweit überein, als sie Kulturverderber sind, wenngleich 
manche vielfach wählerisch sind in Bezug auf die Altersklasse der 
von ihnen als Nahrung aufgesuchten Pflanzen. Manche schädigen 
hauptsächlich Saatbeete oder Pflanzkämpe, andere hingegen ältere 
Kulturen. 

Um uns die Uebersicht über die zahlreiche Menge der hier in 
Frage kommenden Tbiere zu erleichtern, theilen wir sie in drei 
Gruppen. Die erste umfasst die flügellosen Kurzrüssler, also nach 
unserer Auffassung die ÖOTIORRHYNCHINA, die zweite die geflügelten 
Kurzrüssler oder PnyrLogıma, an welche wir aus praktischen Gründen 
auch den zu den Langrüsslern gehörigen „grossen weissen Rüssel- 
käfer””’ Cleonus turbatus Fans. schliessen. Beide Gruppen gehören 
insofern näher zusammen, als ihre Larven frei in der Erde leben. 
Die dritte Gruppe umfasst die Mitglieder der Gattung Hylobius, deren 
Larven in absterbenden Nadelholzwurzeln hausen. Diese Eintheilung 
ist von uns deshalb beliebt worden, weil sich aus den hier angeführten 
biologischen Eigenthümlichkeiten gemeinsame Züge für die gegen die 
Vertreter jeder dieser drei Gruppen anzuwendenden Abwehrmassregeln 
ergeben. 

Im Boden brütende, flugunfähige Kurzrüssler, welche als 
Käfer schaden. Es sind dies die vier Gattungen Otiorrhynchus, 
Cneorrhinus, Strophosomus und Brachyderes. Hervorzuheben sind aus 
deren Arten zunächst die Beschädiger ganz junger Nadelhölzer, 
Otiorrhynchus ovatus L. in Fichtenkulturen, Cneorrhinus plagiatus 
Schaut. in Kiefernkulturen, denen sich zwei Strophosomus-Arten, Str, 
obesus Mars. und Str. Coryli FApr. anschliessen. Schädlich werden sie 
namentlich durch platzweises Benagen der Rinde und in zweiter Linie 
auch durch Nadelfrass. 

An Laubhölzern schaden gleichfalls zunächst durch Benagen 
der Triebrinde Ot. singularis L. und die besonders polyphagen grauen 
Rüsselkäfer Str. Coryli FApr., Str. obesus Marsn., sowie strichweise 
auch Cn. plagiatus ScHarz. Von geringer Bedeutung sind einige 
andere, weiter unten mit aufzuführende Otiorrhynchus-Arten und 
Brachyderes incanus L. 


Beschreibung. Ot. singularis L. (picipes FaAzr.), Käfer: Flügeldecken 
mit je 10 Streifen, Kopf und Halsschild verhältnissmässig klein, zusammen viel 
kürzer als die Flügeldecken, Schenkel mit kaum angedeutetem Zahn. Oberseite dicht 
beschuppt, Halsschild flach gekörnt, Flügeldecken punktstreifig, jeder Punkt eine 
Schuppe tragend. Zwischenräume mit einer Borstenreihe. Grundfarbe dunkel- 
rothbraun, Schuppen gelbgrau, Beine dunkelbraun. Länge 6—7 mm. 


Ot. irritans Hssr. Käfer: Flügeldecken mit je 10 Streifen, Kopf und Hals- 
schild verhältnissmässig klein. Alle Schenkel ungezähnt. Halsschild nicht länger 


Als Käfer schadende, flugunfähige Kurzrüssler. 403 


als breit, Flügeldecken deutlich gerunzelt, gestreift und mit grossen, sehr flachen, 


unregelmässig zerstreuten Grübchen besetzt, gelb behaart, Grundfarbe und Beine 
schwarz. Länge 7—8 mm. 


Ot. perdix Orıv. Käfer: Flügeldecken mit 10 Streifen, mit haarförmigen 
Schuppen bestreut, die Zwischenräume mit einer Borstenreihe. Körper lang- 
gestreckt, fast parallel, oben flachgedrückt. Schenkel ungezähnt. Streif 3 der 
Flügeldecken verbindet sich mit Streif 6. Grundfarbe schwarz, Schuppen goldgelb, 
Halsschild fast oval, gekörnt. Länge 10—11 mm. 


Ot. niger und Ot. ovatus sind auf S. 370 u. 371 zu vergleichen. 


Cneorrhinus plagiatus ScHhaLL. (geminatus Fazr.). Käfer: bräunlich, an 
der Seite weisslich beschuppt. Die kugelig gewölbten Flügeldeeken mit kurzen 
weissen Borstenhaaren. Länge 5—6 mm. 


Strophosomus obesus Marsn. Käfer: Fühlerfurchen in einem sehr stumpfen 
Winkel schwach abwärts gebogen. Glied 1 und 2 der Fühlergeissel gleichlang. 
Die Stirn in der Mitte mit einer Furche und durch eine Quernaht von dem 
Rüssel getrennt. Flügeldecken ohne erhabenen Rand an der Wurzel; überall, auch 
am Schildehen, dicht grau beschuppt und mit kurzen, aufrecht stehenden Härchen 
in den Zwischenräumen der Punktstreifen besetzt. Länge 4—4'5 mm. 


Str. Coryli Fızr. Käfer: Dem vorigen zum Verwechseln ähnlich, aber auf 
der Vorderhälfte der Flügeldeckennaht fehlen die Schuppen, sodass hier ein 
kurzer schwarzer Strich erscheint. Länge 4—4'’5 mm. 


Str. lateralis Paye. (limbatus Faer.). Käfer: Die tief punktirt-gestreiften 
Flügeldecken an der Wurzel mit scharfem, erhabenem Rande. Schwarz, etwas 
glänzend. Oberseite sparsam mit goldelänzenden Schuppen besetzt, die nur an 
den Seiten der Flügeldecken zu einem Längsstreifen und am Schildchen ver- 
diehtet sind. Länge 4—5 mm. 


Brachyderes incanus L. vergleiche S. 371. 

Lebensweise und Frass. Wirklich vollständige Beobachtungen über 
die Generation irgend eines dieser Thiere, mit Ausnahme der bereits auf S. 371 
geschilderten von Otiorrhynchus niger FArr., fehlen uns noch ganz; indessen 
stimmen alle Angaben darin überein, dass die Käfer überwintern, im Frühjahr 
erscheinen, ihr Fortpflanzungsgeschäft besorgen, dann verschwinden und erst 
im Herbste wieder auftreten. Der Frass kann also in zwei Perioden eintreten, 
einmal im Herbst durch die eben ausgeschlüpften Käfer, ferner im Frübjahr 
durch die überwinterten. Die Imagines scheinen nach der Begattung abzusterben. 

BerınG [4 c] hat ferner beobachtet, dass die Verpuppung von Str. 
coryli Fagr. Ende Juli, Anfang August erfolgt und der Käfer nach vierwöchent- 
licher Puppenruhe auskommt. Die Generation wird daher von Arrum als einjährig 
angenommen und dürfte ähnlich verlaufen wie bei Ot. niger, nur scheint die 
Flugzeit etwas früher einzutreten und daher auch das Larvenleben ein etwas 
längeres zu sein. Für die übrigen Arten ist anzunehmen, dass die Verhältnisse 
ähnliche sind. Die speciellen Angaben über den Schaden der einzelnen Arten 
sind folgende. 

Schaden der Otiorrhynchus-Arten. Ot niger Farr., dessen wesentliche 
Bedeutung in dem $. 372 genau geschilderten Frasse seiner Larve liegt, ist auch 
mitunter als Käfer durch Benagen der oberirdischen Theile junger Fiehten bis 
zum Alter von 20 Jahren lästig geworden. Nach Arrum [XVI, III, 1,8. 185] frisst 
er plätzend an der Rinde junger Fichten dicht über den Wurzelstock, „steigt aber 
allmählich höher hinauf, sodass wir ihn Anfangs Sommer an den Maitrieben fressend 
finden”. Die weitere Angabe Arrum’s, der auch Haas [24 b] zustimmt, dass er 
nur an Stamm und Triebe gehe und die Nadeln verschmähe, wird widerlegt 
durch die Beobachtung von Scraar, dass bei Gelegenheit des oben (8. 372) we- 
schilderten Larvenfrasses im Erzgebirge auch Millionen Käfer die Nadeln abfrassen; 
allerdings gingen nur wenige 16- bis 17jährige Fichten ein, da noch immer einige 
Benadelung blieb, dagegen erlitten die jüngeren Orte herbe Verluste. Eine Fichten- 
pflanzung von eirca 2 ha wurde in zwei Jahren fast völlig vernichtet. 


404 Kap. IX. Die Käfer. 


Ot. ovatus L., über dessen Larvenschaden auch schon oben kurz berichtet 
wurde, istim Käferstadium namentlich auch als Fiehtenkulturverderber beach- 
tenswerth. Die ersten Angaben über einen Frass desselben stammen von NöRrD- 
LINGER [XXIV, S. 17 und 18], welchem Lmpxer berichtete, dass in Elehingen 
dieser Käfer auf einer von seinen Larven durch Wurzelfrass stark geschädigten 
Fichtenkultur (vergl. S. 373) die übrig gebliebenen, etwa 4jährigen Pflanzen durch 
Benagen der Rinde dicht über dem Boden gefährdet und vieifach getödtet hätte. 
Der Schaden fiel in den Juli. Neuere Nachrichten gibt Arrum [I g], welchem An- 
fang der 80er Jahre aus den Öberförstereien Reifenstein und Leinefelde im Reg.- 
Bezirk Erfurt, aus Pelplin im Reg.-Bezirk Danzig und einigen anderen Preus- 
sischen Revieren ein- bis zweijährige Fichtenpflanzen eingesendet wurden, die 
dieht über dem Wurzelknoten ringsum auf eine Breite von nur 1—2 mm scharf 
geringelt waren, sodass das Holz frei lag. Obgleich der Urheber dieser Beschä- 
digung nicht ertappt wurde, ist Arrum doch geneigt, O. ovatus L. als den 
Thäter anzusehen, da dieser im Jahre 1883 im herzogl. Braunschweigischen Re- 
vier Stiege bei ähnlichen Beschädigungen !/,—1'/, jähriger Fichten sicher bethei- 
ligt war, und da der mitgefangene Strophosomus Coryli Fapr. nach seiner An- 
sicht höher hinauf zu fressen pflegt. 


Ot perdix Orıv. wird von Dögxer [XIV, II, S. 123] als auf jungen Fichten 
in Gebirgsgegenden vorkommmend angegeben. NÖRDLINGER sagt ferner: [XXIV, 
S. 17) „Ganz auffallend ist überhaupt die Masse Otiorrhyncehen: ater, tenebricosus 
Rarz., gemmatus FAsr., squamiger Dvrr., geniculatus Geru., scabripennis ScHönn. 
und noch anderer, welche man im Juni in Tirol an den eben austreibenden, 
noch ganz weichen Fichtenschossen und besonders auch an den zarten Schossen 
von Berberitzen fressen findet.” Wir erwähnen diese Notiz, um die Forstleute zu 
weiteren Beobachtungen anzuregen und zugleich zum Beweise, dass wirklich viele 
hierhergehörige Käfer polyphag sind. 


Ot. irritans Hrsr. hat nach Rarzerurg [XV, II, S. 374] in der Oberförsterei 
Schönlanke, Reg.-Bezirk Bromberg, 1860 durch Nadelfrass an Kiefern bedeutend 
geschadet, und Arrum [XVI, III, 1, S. 186] gibt an, dass derselbe „in Preussen 
und Posen Kiefernsaaten ruinirt habe”. 


Auch Laubholzverderber gibt es unter den Otiorrynchus-Arten. Zunächst 
ist es Ot. singularis L., (picipes Farr.), weleher in Westfalen nach Arrum 
[xVI, III, 1, S. 184] in den Jahren 1872, 74 und 76 in verschiedenen Revieren 
sehr energisck die Triebe jüngerer, ungefähr 1 m hoher Eichen, von der Spitze 
nach abwärts steigend, benagte. Der Frass geschah meist in der Nacht, während 
des Tages hielten sich die Käfer in benachbarten Schlupfwinkeln. Auch an den 
Trieben junger Aepfel- und Zwetschkenbäume schadet der Käfer oftmals durch 
Rindenbenagen, wie denn überhaupt noch eine ganze Reihe von Otiorrhynchus- 
Arten als Feinde des Obst- und Weingartens auftreten. So wird Ot. laevigatus 
Fırr. den Pfropfreisern schädlich, desgl. Ot. raucus FaArr., während Ot. sulcatus 
FaAgr. und Ot. Ligustici L. auch an die Weinstockknospen gehen. 


Schaden der Strophosomus-Arten. Str. Coryli Far. ist ein schon 
mehrfach sehr bedeutend schädlich gewordener, polyphager Rüsselkäfer. Zunächst 
ist seine Thätigkeit öfters in Fichtenkulturen unangenehm bemerkt worden, 
Der Hauptschaden besteht in platzweiser Benagung der Rinde. Sicher wird 
dies zuerst eonstatirtt durch Wırrkomm 1856 auf dem ehemaligen Dorfhainer 
Revier bei Tharand, von Assmann [2] 1875 in Hermeskeil in der Rheinprovinz, 
ferner durch Ranrrr [47] im Jahre 1876 auf Cunnersdorfer Revier in der Sächsi- 
schen Schweiz an 2- und 3jähbrigen Fichtenpflanzungen, Die genauesten Beobach- 
tungen theilt aber Bracumann [9] mit, welcher dieselben auf dem kg. Sächsischen 
Staatsforstrevier Einsiedel von 1872—1878 anstellte. Hier wurden, sowohlin Saaten 
wie in Pflanzungen, Fichten zuerst durch Nadelfrass, dann aber auch stark durch 
Rindenfrass beschädigt. In allen diesen Fällen war Str. Coryli FAgr. mit Hylo- 
bius Abietis L. vergesellschaftet, indessen nahm letzterer mehr die älteren 
Pflanzen an, und wenn beide an älteren Pflanzen zusammen vorkamen, so zeigte 
sich eine „strenge Arbeitseintheilung”, indem Str. coryli FAsr. nur die jüngeren 


Ötiorrhynchus, Strophosomus, Cneorrhinus. 405 


Theile derselben befrass, während Hyl. Abietis L. die älteren benagte. Die an- 
tängliche Vermuthung Arrum’s [XVI, III, 1, S. 174], dass diejenigen Schäden an 
Nadelholz, welche dem Str. Coryli Fasr. zugeschrieben wurden, vielmehr von 
dem sehr nahe verwandten, aber durch Mangel des schwarzen Striches auf der 
Vorderhälfte der Flügelnaht leicht kenntlichen Str. obesus MaArsn. verübt sein 
dürften, jener also reines Laubholzinsekt sei, sind schon durch die eigenen 
neueren Angaben Arrum’s [Iy], der ihn selbst als Fichteninsekt kennen lernte, 
hinfällie geworden, und auch wir können bestätigen, dass auf Tharander Revier 
dieser Käfer häufig in Nadelholzkulturen vorkommt. JupeıcHn hat ihn z. B. in 
einer Kultur der indischen Pinus excelsa Warr. zahlreich thätig gefunden. 


Ebenso häufig, ja vielleicht noch häufiger, sind aber die Klagen über den 
Schaden dieses Käfers in Eichenheisterpflanzungen und in Pflanzgärten, 
wo auch Birken, Buchen und Haseln angegangen werden, 


Strophosomus obesus Marsn., sein nächster Verwandter, ist zunächst als 
Beschädiger von Kiefernkulturen zu nennen. Er benagt namentlich einjährige 
Kiefern an Nadeln, Knospe und Rinde. so z. B. nach Arrum bei Fürstenwalde 
[2] und Nienburg an der Werra [XVI, III, 1, S. 174]. Der ärgste Schaden 
wird aber neuerdings von Forstmeister Paschen [45] aus der grossherzogl. 
Mecklenburgischen Forstinspection Kaliss gemeldet, wo seit dem Jahre 1880 
regelmässig grössere Verwüstungen einjähriger Kiefernpflanzungen vorkommen. 
Der Käfer erscheint hier Ende April, befrisst zunächst die Nadeln und später 
die Epidermis des Stämmchens und vernichtet im Laufe von 14 Tagen mitunter 
sehr bedeutende Strecken. So wird berichtet, dass im Jahre 1883 eine einjährige 
Kiefernkultur von 185 ka binnen 3 Wochen völlig zerstört wurde. Der Käfer war 
mitunter so häufig, dass z. B. in den um einen Saatkamp angebrachten Fang- 
gräben in den 5 m von einander entfernten Fanglöchern in jedem 0'3 ! dieser 
Thiere gefangen wurden. 

Ein grösserer Frass an Laubhölzern ist uns von diesem Käfer nur 
an Eichen und zwar auf dem kgl. Sächsischen Staatsforstrevier Lossnitz bei 
Freiberg bekannt geworden. Der Schaden besteht sowohl im Ausnagen der 
Knospen als auch im Schälen der Triebe. 


Strophosomus lateralis Pay. (limbatus FARr.), welcher im Allgemeinen 
zu den durchaus nicht häufigen Käfern gehört, ist doch auch einmal schädlich 
aufgetreten, und zwar hat er [74] 1858 in der Forstinspeetion Eschede in 
Hannover eine einjährige Kiefern-Streifensaat durch Abfressen der Nadeln 
völlig ruinirt. Der Schaden trat Anfang August ein. 


Schaden von Cneorrhinus. Cn. plagiatus Schaut. ist zwar ebensowenig 
ein monophages Nadelholzinsekt, wie die Strophosomus-Arten, da er nach den von 
Arrum [I a, $S, 31] mitgetheilten Berichten von Oberförster Renne zu Lembeck 
bei Wulfen in Westfalen 1870 in einer 15 Morgen grossen Eichenheister- 
pflanzung durch Anfressen der Knospen im Verein mit anderen Käfern recht unan- 
genehm geworden ist. 


Trotzdem hat er in wirklich sehr ausgedehntem Masse nur an jungen Kiefern 
Schaden gemacht. Ueber seinen stärksten Frass berichtet nach Oberförter STUMPFF’s 
Beobachtungen Arrum [I al. Es war seit 1833—1338 in det Oberförsterei 
Grünhaus bei Treptow a. d. Rega ein Dünenstrich von einer Meile Länge und 
einer Viertelmeile Breite, also beiläufig 1000 Aka, mit Kiefern in zu weitem Ver- 
bande angebaut worden. Da sich aus letzterem Grunde die Kulturen nicht 
schlossen, versuchte man zwischen diese alten Kiefernkusseln seit 1863 ein- 
jährige Kiefern und Seestrandkiefern einzubringen, ein Versuch, der aber seit 
1870 wieder aufgegeben wurde, weil hier Cn. plagiatus Schatz. meist kurz 
nach Beendigung des Pilanzgeschäftes Ende April und Anfangs Mai erschien 
und durch Nadel- und Rindenfrass die Pflanzen zum Eingehen brachte. Jetzt 
werden deshalb dort nur noch kräftige Kiefernballenpflanzen verwendet. Der 
Käfer frisst nur in den kühleren Stunden und vergräbt sich während der Tages- 
hitze oberdächlich in den Sand. Die Häufigkeit des Käfers geht daraus hervor, 
dass von 1866—1870 644000 Stück gesammelt wurden, davon nicht weniger 


406 Kar. IX. Die Käfer. 


als 5120600 allein im Jahre 1870. 5 bis 30 Stück waren häufig an einer 
Pflanze, 74 die höchste Anzahl. Mit Anfang Juni verschwand der Käfer wieder. 
Auch im Gemeindeforst Döverden, Schutzbezirk Krähe, Oberförsterei Nienburg, 
in Hannover, wurden von 1865—1868 70000 einjährige Kiefern nach BopEn 
vernichtet |[la, 8. 36]. 


Schaden von Brachyderes. Br. incanus-L. ist in etwasälteren Kiefern- 
kulturen ein sehr häufiger Nadelfresser, dessen Thätigkeit zwar gewöhnlich nicht 
merkbar wird, der aber doch schon öfters ausgedehnteren Schaden verursacht hat; 
so z. B. nach den von RArzerurG [48 b] wiedergegebenen Mittheilungen von PüscaeL 
1850 im herzoglich Anhaltischen Forstrevier Gross-Möhlau, wo er auf einer 
Fläche von 60 Morgen die Nadeln acht- bis neunjähriger Kiefern am Rande 
derartig befrass, dass sie fast sämmtlich abfielen und man die wie verbrannt 
aussehenden, befallenen Flecke in der Kultur schon von weitem erkennen konnte. 
In demselben und dem folgenden Jahre wurden acht- bis zwölfjährige Kiefern- 
kulturen auf dem königlich Sächsischen Staats-Forstreviere Gohrisch nach Srem 
[98, S. 245 und 46], namentlich auf den trockeneren Partien, auf weite Strecken 
derartig befressen, dass die Nadeln allmählich vertrockneten. Der Frass fand im 
Frühjahre statt, und zwar durch die unter den abgefallenen Nadeln überwin- 
terten Käfer, die im Februar in ihrem Winterverstecke massenhaft zu finden 
waren. Nach Rarzegurc |V, I, 8. 129] ist dieser Käfer auch an Birken merklich 
schädlich geworden, und zwar namentlich durch ausgedehnte Schälung 
der Rinde. 


Abwehr. Obgleich man sicher weiss, dass die Larven aller 
vorstehend erwähnten Käfer im Boden von Pflanzenwurzeln leben, 
so ist man doch noch nicht im Stande gewesen, als Vorbeugungs- 
mittel gegen den Käferfrass eine Vernichtung derselben zu unter- 
nehmen. Indessen deutet die Beobachtung von PaAscHen, dass auf 
rajolten Saatkämpen Strophosomus obesus Marsa. nicht gefunden wird, 
darauf hin, dass die Larven eine starke Bodenbearbeitung nicht ver- 
tragen, und Arrum [45 b, S. 394] schlägt wohl in Folge dieser Beob- 
achtung vor, zu der Zeit, wo man Larven vermuthen kann, den 
Boden mittelst Spaten oder Waldpflug stark zu werfen. Man kann 
weiter in den Fällen, in welchen ganz junge Nadelbolzpflanzen den 
Angriffen besonders ausgesetzt sind, wie z. B. die einjährigen Kiefern 
der Zerstörung durch Cneorrhinus plagiatus SCHALL. oder Strophosomus 
obesus Marsn., dadurch die Gefahr verringern, dass man gleich mit 
älteren Pflanzen kultivirt, wie dies z. B. in der Forstinspektion Kaliss 
durch PaAschen geschehen ist, welcher durch das Pflanzen kräftiger, 
zweijähriger, verschulter Kiefern gute Resultate erzielt hat. 


Vorbeugungsmittel gegen die Einwanderung der Käfer 
und Vertilgungsmittel dieser flügellosen Thiere gleichzeitig sind 
auf dazu geeignetem Terrain die Fanggräben, in deren Boden man 
Fanglöcher anbringen kann. Beweis hiefür ist der oben angeführte 
reichliche Fang von Str. obesus Marsrn. in Mecklenburg. Auch von 
Brachyderes incanus L. wurden in den am Boden der Fanggräben 
angebrachten Fanglöchern mitunter an einem Tage mehrere Metzen 
Käfer gesammelt [48 b, S. 156]. Da aber die Käfer meist wenig be- 
weglich sind, wenn sie einmal am Orte des Frasses angelangt sind, 
so dürften nur um die Kulturen angebrachte Fanggräben wirken, 
während ein Durchschneiden der Kulturen mit solehen weniger an- 


a Ey GN 


ann ne 


Brachyderes. Abwehr der flugunfähigen Kurzrüssler. 407 


gezeigt erscheint; auch solche, die mit frischen Nadelholztrieben ge- 
füllt wurden, hatten nur wenig Erfolg. 

Dagegen hat vielfach das Sammeln genützt. Ohne vorherige 
Anlockung wurde in grossem Masse durch Kinder Strophosomus 
obesus MarsnH. in Kaliss gesammelt, desgleichen Cneorrhinus plagiatus 
Schar. in Grünhaus [vergl. 8. 405]. In letzterem Falle musste aber 
in den Dünen auch die Sandschicht am Fusse der einzelnen Pflänzchen 
genau auf die während der Hitze dort vergrabenen Käfer untersucht 
werden. Strophosomus Coryli FApr., der sonst sehr schüchtern ist, 
lässt sich doch während der Tage der Begattung nach BracHmann 
leicht von den Pflanzen ablesen. Noch leichter kann man die 
Schädlinge an besonderen Anlockungsvorrichtungen fangen, 
so z. B. die meist nächtlich fressenden Otiorrhynchus-Arten, indem 
man ihnen in der Nähe ihres Frasses Schlupfwinkel herrichtet, also 
Fangrinden mit Moosdecken auslegt. An den mit frischen Nadel- 
holzreisern geköderten Fangrinden, wie sie für den grossen braunen 
Rüsselkäfer ausgelegt werden, fängt man viele Strophosomus, und 
Autum empfiehlt gegen Str. obesus Marsn. Auslegen von Kiefern- 
reisigbündeln, die man späterhin auf Tücher ausklopfen soll. Bei 
den im Sommer ausschlüpfenden Käfern, welche erst im nächsten 
Frübjahre zur Fortpflanzung schreiten, ist es besonders angezeigt, 
diese Massregeln schon im Herbste vorzunehmen. 


Man findet vielfach das Abklopfen der Käfer von den Frass- 
pflanzen selbst in untergehaltene Schirme oder in untergebreitete 
Tücher angerathen. Es stimmen jedoch, ganz abgesehen davon, dass 
dies nur in älteren Kulturen möglich ist, -alle genauen Beobachter 
darin überein, dass die Käfer ungemein scheu sind und sich bei 
irgendwie unvorsichtiger Annäherung des Menschen sofort herabfallen 
lassen und todt stelleu. Hieraus geht hervor, dass von dieser Mass- 
regel kaum eine wesentliche Hilfe zu erhoffen ist. 


Handelt es sich um den Schutz hochstämmiger Laubholzheister, 
besonders in Pflanzgärten, so wird das Anlegen von Theerringen 
sehr wirksam sein, da ja diese Arbeit zugleich sicher eine solche 
Erschütterung der Bäumchen hervorbringt, dass die weiter oben be- 
findlichen Käfer zur Erde fallen und nun am Wiederaufstiege ge- 
bindert sind. Dieses Verfahren hat zuerst der königlich Sächsische 
Oberförster Lenmann in Lausnitz gegen Strophosomus obesus Marsn. 
vorgeschlagen [9, S. 76, Anm.]. 


Im Boden brütende, flugfähige Kurzrüssler, welche als Käfer 
schaden. Von den flugfähigen Kurzrüsslern, welche wir mit 'T'momson 
systematisch als die Familie der Phyllobiini zusammengefasst haben, 
sind zwar eine grössere Reihe von Arten der Gattungen Sitona GErM. 
Metallites Germ., Polydrusus GErM., Scythropus ScHönH. und Phyl- 
lobius Schönn. in der Literatur als forstschädlich bezeichnet; eine 
wirkliche Bedeutung als sehr schädliche Thiere für den Forstmann 
haben aber wohl nur, von RATzZEBURG So genannt, 


408 Kap. IX. Die Käfer. 


die grünen Fichten-Rüsselkäfer, 
Metallites mollis GERM. und M. atomarius OLıy. 


Beide Arten gehen an alle Nadelhölzer, am liebsten an die 
Gipfeltriebe 10- bis 20jähriger Stämmchen, welche dann, oft ringsum 
benagt, umknicken oder abbrechen. Sie werden wohl nur deshalb 
als „Fichtenkäfer” angeführt, weil sie am häufigsten im Gebirge, wo 
die Fichte herrscht, auftreten. M. atomarius ist mitunter auch in der 
Ebene an Kiefern lästig. Das einzige wirksame Mittel gegen sie ist 
Abklopfen auf Tücher, und zwar in den kühleren Morgenstunden, 
wenn die Käfer noch festsitzen. Im Vertrauen auf ihr Flugvermögen 
scheinen sie nämlich etwas weniger scheu zu sein, als ihre unge- 
flügelten Verwandten. 

Beschreibung. Sitona (Sitones Scnönn.) lineatus L. Küfer: Augen 
wenig vorstehend, Geisselglied 1 anderthalbmal länger als 2, letzteres konisch, 
fast doppelt so lang als 3; Flügeldecken punktirt gestreift, mit parallelen Seiten 
und regelmässig abgerundeter Spitze. Oberseite des Körpers braun, grau oder 
grünlich beschuppt, Halsschild breiter als lang, sehr dicht und fein punktirt, 
hinter der Mitte am breitesten mit 3 heller beschuppten, geraden Längsstreifen ; 
Flügeldecken mit abwechselnd heller beschuppten Zwischenräumen der Punkt- 
streifen. Länge 4—5 mm. 

Sitona Regensteinensis Hsst. Käfer: Augen stark vorspringend. Hals- 
schild aa den Seiten stark gerundet erweitert, mit grossen tiefen, durch deut- 
liche, glänzend glatte, maschenartige Zwischenräume getrennten Punkten, etwas 
aufgebogenem Vorderrande und drei dichter beschuppten Längsstreifen. Flügel- 
decken nach hinten etwas breiter, mit regelmässigen Punktstreifen. Schwarz, 
etwas glänzend, mit grauen Schuppen und Börstchen fleckig besetzt. Schaft der 
Fühler, Schienen und Füsse rothbraun. Länge 3:5—5 mm. 

Metallites mollis Germ. Käfer: Schwarz oder braun, fein behaart, Fühler 
und Beine blass gelbbraun. Oberseite und Seiten der Brust mit grünen, glän- 
zenden, länglichen Schuppen bekleidet, welche längs der Flügeldeckennaht fehlen. 
Schildehen klein und gerundet. Die Zwischenräume auf den fein punktirten 
Flügeldecken fast viermal so breit als die Punkte. Die Naht und die beiden 
äusseren Zwischenräume sehr fein grau behaart ohne grüne Schuppen. Schenkel 
mit einem kleinen Zähnchen. Länge 5°5—7 mm. 

M. atomarius Orıv. Käfer: Schwarz oder braun, mit haarförmigen, grauen 
oder grün glänzenden, niederliegenden Haaren nicht so dicht bekleidet, wie der 
vorige. Zwischenräume der tief punktirt-gestreiften Flügeldecken etwa doppelt 
so breit als die Punkte. Fühler und Beine röthlich gelbbraun, die Schenkel 
undeutlich gezähnt. Länge 4—5 mm. 


Polydrusus mollis StroEm. (micans FApr.). Käfer: Der kurze Fühlerschaft 
ist halb so lang als die Geissel und erreicht nicht den Hinterrand der Augen. 
Geisselglied 1 kürzer und dicker als 2, Oberseite schwarz, dicht mit haarför- 
migen, gold- oder kupferartig glänzenden Schuppen bekleidet. Halsschild breiter 
als lang. Flügeldecken doppelt so breit als das Halsschild, nach rückwärts 
bauchig erweitert, tief punktirt gestreift. Fühler und Beine bräunlich roth. 
Schienen hinterwärts abgeplattet und diese Fläche durch zwei Längskanten be- 
grenzt. Nur die Hinterschenkel schwach gezähnt. Oft findet man ganz abge- 
riebene, daher schwarze, wenig beschuppte Exemplare. Länge 7—8 mm. 

P. cervinus L. Käfer: Schaft der Fühler ist nur wenig kürzer als die 
Geissel und reicht über die Augen hinaus. Schenkel deutlich gezähnt. Geissel- 
glied 1 etwas dicker als 2. Schwarz mit länglich runden, grünen, grauen oder 
kupferglänzenden Schuppen bedeckt. Flügeldecken punktiri gestreift, in den 
Zwischenräumen mit unbeschuppten, nur äusserst fein behaarten, fast nackten 
Flecken, daher scheckig erscheinend. Fühler, mit Ausnahme des dunkleren End- 
knopfes, und Beine röthlich gelbbraun. Länge 4 mm. 


Im Boden brütende, Augfähige Kurzrüssler, 409 


Scytropus mustela Hsst. Käfer: Alle Schenkel ungezähnt. Grundfarbe 
braun, Oberseite und Unterseite mit haarförmigen Schuppen dicht bekleidet, auf 
den Flügeldecken fleckig, braun und grau, auf den Seiten des Halsschildes und 
auf der Deckennaht silbergrau. Fibler u. Extremitäten rostroth. Länge 6—9 mm. 

Phyllobius viridicollis Fasr. Käfer: Flügeldecken ohne Schuppen. Glied 
3 bis 7 der Fühlergeisel fast knopfförmig. Schenkel ungezähnt. Oberseite des 
Käfers glänzend glatt, nur die Seiten des Halsschildes und die Brust grün be- 
schuppt. Schwarz oder pechbraun, Flügeldecken tief punktirt-gestreift. Fühler 
und Beine braungelb. Länge 4 mm. 

Ph. oblongus L. Käfer: Flügeldecken ohne Schuppen. Glied 3—7 der 
Geissel kurz, kegelförmig. Schenkel gezähnt. Oberseite des Käfers schwarz oder 
pechbraun, letzterenfalles Halsschild und Kopf dunkler, überall mit abstehenden 
grauen Haaren. Flügeldecken tief punktirt-gestreift. Länge 5 mm. 

Ph. Piri L. (vespertinus Fapr.). Käfer: Flügeldecken mit schmalen, fast 
haarförmigen Schuppen. Glied 3—7 der Geissel sehr kurz, knopfförmig. Schenkel 
stark zusammengedrückt und gezähnt. Grundfarbe dunkelbraun. Schuppen hell- 
metallisch und kupfergoldis, auf dem Schildchen weiss. Flügeldecken durch ab- 
wechselnde Nuancen der Schuppen längsgestreift erscheinend. Länge 55—8 mm. 

Ph. glaucus Scor. (calearatus FaBr.). Käfer: Flügeldecken mit schmalen, 
fast haarförmigen, schmutzig gelbgrünen bis graugrünen oder schmutzig kupfer- 
farbenen Schuppen. Glied 3—7 der Fühlergeissel kegelförmig, Glied 2 sehr lang, 
viel länger als 1. Schildchen länger als breit, in den meisten Fällen an den Spitzen 
abgerundet, mitunter jedoch auch spitz. Beine immer rostfarben, mehr oder weniger 
dicht grau behaart, nie beschuppt. Schenkel stark gezähnt. Länge 6—9 mm. 

Ph. argentatus L. Käfer: Flügeldecken dicht mit rundlichen, glänzend 
grünen Schuppen bedeckt und mit darüber vorragenden langen, aufstehenden, 
weissen Haaren. Glied 3—7 der Fühlergeissel kurz kegelförmig. Schenkel gezähnt- 
Fühlergruben nur durch einen schmalen Raum auf der Oberseite des Rüssels 
von einander getrennt. Fühler und Beine gelb, Schenkel manchmal schwärzlich. 
Länge 5 mm. 

Ph. psittacinus Germ. Käfer: Dem vorigen ähnlich, aber etwas grösser. 
Leieht zu unterscheiden durch braune Behaarung der Flügeldecken. Fühler- 
gruben an den Seiten des Rüssels, weiter von einander getrennt, als bei Ph. argen- 
tatus. Länge 7—8°5 mm. 

Ph. maculicornis Geru. Käfer: Flügeldecken mit rundlichen Schuppen nnd 
sehr kurzen, oft kaum wahrnehmbaren Haaren, Schenkel mit Zahn. Grundfarbe 
schwarz, oben und unten grün oder blaugrün, äusserst dicht beschuppt. Füsse 
und Fühler gelbbraun. Spitze des Schaftes und Keule meist dunkler. Länge 5—6 mm. 


Lebensweise und Abwehr. Die Entwickelung aller vor- 
stehend genannten Arten ist noch sehr wenig bekannt. Soweit die 
sicheren Beobachtungen reichen, leben ihre Larven, wie die der 
übrigen Kurzrüssler, im Boden von Pflanzenwurzeln, ohne dass bis 
jetzt durch sie hervorgebrachte forstliche Schäden bekannt geworden 
wären. Die in den verschiedenen Insektenkunden immer wiederholten 
Angaben, dass die Larven verschiedener Arten an den oberirdischen 
Theilen von Holzpflanzen vorkämen, dürften wohl sämmtlich auf 
Irrthum beruhen. 


Für die Sitona-Arten ist eine Verwechselung mit Hypera-Arten, welche 
allerdings ähnlich wie die Larven von Cionus Fraxini L. an den Blättern ver- 
schiedener Kräuter vorkommen, wahrscheinlich, während die Angabe von Ti. 
Stuper über die Minirarbeit der Larve von Phyllobius argentatus L. in Buchen- 
blättern eine offenbare Verwechselung mit Orchestes Fagi L. einschliesst, da die 
Larve jenes Thieres bereits durch Goureau im Boden gefunden wurde, ebenso 
wie die des verwandten Ph. oblongus L. durch SchwmivgerGer. Auch die An- 
gaben von Boucnt: über das Vorkommen der Larven von Polydrusus cervinus L. 


Lehrbuch d, mitteleurop. Forstinsektenkunde, 27 


410 Kap. IX. Die Käfer. 


in Eichenblätterquasten sind äusserst zweifelhaft, da die der anderen Arten nach 
GourEAU gleichfalls unterirdisch leben. Sicher im Boden lebt auch nach neueren 
Angaben die Larve von Sitona hispidulus FAsr. [Brıscuke 10] und die von 
Metallites atomarius Ouıv. [Berne 4e]. 


Die speciellen Angaben über die einzelnen Arten sind folgende: 


Sitona lineatus L. ist nach Berg durch Befressen und Abfressen von 
Nadeln an den beiden letzten Trieben junger Fichtenkulturen im sehr milden 
Winter 1877/73 schädlich geworden, so dass eine ausgedehnte Nachbesserung 
nothwendig wurde. Auch Aurum sagt kurz von ihm, dass er „Kiefern, Kiefern- 
zapfen und Nadelholzsamen, namentlich der frisch gemachten Aussaat durch das 
Befressen der Cotyledonen schädlich geworden” sei [XVI, III, 1, S. 178]. Der 
verwandte Sitona Regensteinensis Hessr. hat sich bei einem Frasse von Stro- 
phosomus Coryli Fızr. an Eichen ein wenig mitbetheilist. Im Allgemeinen 
erscheint dieser Frass aber eine gelegentliche Ausnahme zu sein, da die Angaben 
über Schaden der verschiedenen Sitona-Arten durch Befressen der Blätter von 
Schmetterlingsblüthlern viel häufiger sind. Uebrigens ist neuerdings an Kleefeldern 
auch Larvenschaden beobachtet worden. 

Metallites mollis Germ. und M. atomarius OLıv. sind, wie bereits oben 
bemerkt, wesentlich Nadelholzschädlinge, welche zunächst ältere Kulturen an- 
gehen. Der an den Trieben und zumeist an den Gipfeltrieben durch Benagen 


derselben gemachte Schaden besteht in der Schwächung dieser Triebe, welche 


dann leicht umbrechen; doch werden auch Nadeln benagt. An Fichten scheint 
allerdings die Röthung und das Abfallen derselber, wodurch der Frass schon 
von weitem kenntlich wird, von dem Erkranken der befallenen, noch sehr weichen 
Triebe herzurühren, aber an den Kiefern werden nach Tascurxger@ [60, S. 36] 
durch M. atomarius Orıv. sicher die Nadeln, soweit sie in den Scheiden sitzen, 
angegriffen und hängen dann an einigen nicht zernasten Fasern herab. M. mollis 
Gern. ist wesentlich ein Gebirgsthier, M. atomarius Ourv. dagegen auch in 
der Ebene häufig. In Jahren grosser Verbreitung werden 30—50°/, der Fichten 
befallen. Anfangs gehen sie an Stämmchen von 12—20 Jahren. Ende Juni, wenn 
hier die Oberhaut zu stark wird, nehmen sie junge, frisch gepflanzte Stämmehen 
an. Diese Beobachtungen sind schon von SAaxesen und Harrıg gemacht und 
durch Oberforstrath MicHAeEL, Revierförster HEINEMANN, OHNESORGE bestätigt wor- 
den. In jüngster Zeit haben wir wieder von stärkeren Verheerungen bei Stol- 
berg am Harz (1887) durch Barrers und im Schwarzwalde bei Donaueschingen 
durch Forstverwalter EschBorn und Forstmeister Görz-Innsbruck, gehört. Die 
kleinere Art M. atomarius Orıv. scheint mehr polyphag zu sein, da sie von 
Forstmeister ScHaAL in Grünthal, Sachsen, auch an jungen Buchen als schäd- 
lich beobachtet wurde. Unter den Feinden dieses Käfers sind nach Kunze [33] 
besonders anzuführen zwei Mordwespen, Cerceris variabilis ScHhke. und €. labi- 
ata Fagr., welche ihn zugleich mit Strophosomus Coryli Fasr. als Futter für 
ihre Larven eintragen. 

Aus der Gattung Polydrusus werden P. mollis Srrorm. (micans FARRr.) 
und P. cervinus L. als Laubholzschädlinge, welche bald nach dem Laub- 
ausbruche auftreten, aufgeführt, ohne dass irgend welche grössere Blätterfrässe 
derselben bekannt geworden wären. Ersterer soll namentlich Buchen, Haseln 
und Eichen, letzterer Fichen und Birken angehen. Dass wir es aber auch hier 
nicht mit ausschliesslichen Laubfressern zu thun haben, geht daraus hervor, 
dass „Br.” (7I] von einem Frasse von P. mollis (micans Fazr.) in dem 
oberbayerischen Revier Kranzberg berichtet, wo dieser Käfer von den zuerst 
befallenen jungen Eichen auf die untergebauten, 3jährigen Weymouthskiefern 
überging und deren Nadeln so stark befrass, dass sie nur durch rechtzeitiges 
Sammeln gerettet wurden. Auch berichtet Arrum [XVI, III,1, S.180] nach den 
Berichten von Forstrath Mürter über einen im Mai 1879 im Revier Wernigerode 
vorgekommenen Frass von P. cervinus L. an Lärche. Zuerst wurden die neu- 
gepflanzten Lärchen kahl gefressen und später die vorjährige Pflanzung theil- 
weise entnadelt. Erstere gingen ein. Der Frass verlief am Stämmchen von oben 
nach unten. Es wurde Abklopfen auf untergelegte Laken nöthig, wobei „Hand- 


ee 


: Metallites, Phyllobius und Verwandte. Cleonus. 411 


körbe voll” gesammelt wurden. Als ausserdem auf Buchen, Eichen und Erlen 
vorkommend, nennt Aurum am obigen Orte auf die Autorität von REDTENBACAER 
hin noch: P. tereticollis De GeEEr (undatus Faer.), P. flavipes DE Geer, 
P. chrysomela Orıv., P. sparsus Gyır, P. picus Fasr, 

Scytropus mustela Hsst. wurde durch Jupeıck in der letzten Auflage 
dieses Buches [S. 50] in die Reihe der Forstschädlinge eingeführt, weil er im 
April 1873 und Mai 1374 von ihm in Menge auf jungen Kiefern in dem königl. 
Sächsischen Staatsforstrevier Höckendorf bei Tharand aufgefunden wurde. 


Die oben beschriebenen Phyllobius-Arten sind wesentlich Laub- 
holzsehädlinge durch Knospen- und namentlich Blattfrass. Nur ganz 
vereinzelt wird über einen Schaden an Nadelholz geklagt. Wir 
stellen die wichtigeren der uns in der Literatur aufgestossenen An- 
gaben über das Vorkommen dieser Thiere zusammen, bemerken aber zu- 
gleich, dass dieselben wegen grosser Polyphagie der letzteren nur einen 
untergeordneten Werth haben. 


Ph. viridicollis FAer. ist sehr häufig auf jungen Buchen, kommt aber 
nach SAxzsen auch an jungen Eichen oft vor, desgleichen an Saalweiden, Aspen, 
Himbeeren, und nach Arrum auch an Kiefern. Fichten soll er, nach Saxzsen, 
dagegen verschonen. 

Ph. oblongus L. ist auf allen Laubhölzern gemein und schadet besonders 
in den Baumschulen den Obstbäumen, worüber ScHMIDBERGER |[IV, 258] aus- 
führlich berichtet. 

Ph. Piri L. (vespertinus Faser.) hat Arrum im Mai 1875 auf jungen 
Birken bei Eberswalde fast einen Kahlfrass verursachen sehen [XVI, III. 1., 
S. 182], desgleichen wurde er an Eichen beobachtet, deren Knospen er nach 
einer von RATzEgurG |[V, I., 141] reprodueirten Beobachtung von UrscH nament- 
lich vor ihrem Aufbrechen benagen soll. 

Ph. glaucus Scor. (calcaratus FAzr.) ist nach Dösner den Erlen schäd- 
lich, ebenso wie Ph. argentatus L. häufig den Buchen. Arrum [XVI, III. 1., 
S. 182] erwähnt nach den Mittheilungen von Forstmeister ScHAAL die Zerstörung 
einer eirca 5 ha grossen Buchenkultur im königl. Sächsischen Staatsforstrevier 
Olbernhau. Sein Schaden soll einmal nach den von RATzEBURG mitgetheilten 
Beobachtungen von BorRCHMEYER in einem zweijährigen Buchenschlage in lichtem 
Stande bedeutender gewesen sein, als in dunkleren Partien. Auch Birken bat 
er angegangen. Aehnlich schadet namentlich in Gebirgsgegenden Ph. psittacinus 
Germ. und Ph. maculicornis Gere. 

Ph. pineti Repre. wird nach seinem Entdecker in Oesterreich ob der 
Enns durch seine Menge den Fichten schädlich. Nach DESBROCHERS DES LoGEs 
[13] ist diese Art nichts Anderes als Ph. argentatus L. 

Ph. Urticae Dr Geer (alneti Fıpr.), dem Ph. glaucus Scor. nahe ver- 
wandt, namentlich durch dunkle Beine von ihm zu unterscheiden, ist forstlich ganz 
unwichtig, da er nach verschiedenen Beobachtern in der Hauptsache auf Brenn- 
nesseln lebt. DESBROCHERS DES Logzs betrachtet ihn als synonym mit glaucus Scor. 


Als Anhang zu dieser biologischen Gruppe und als Uebergang 
zu der Würdigung des grossen braunen Rüsselkäfers wollen wir 
hier kurz erwähnen 


Cleonus. turbatus Fanrs. (glaucus GyuL.), 


den grossen weissen Rüsselkäfer, 


ein Name, der wohl charakteristischer ist, als der von RATZEBURG 

benutzte: „Grosser grauer Rüsselkäfer”. Er ist sehr häufig mit dem 

grossen braunen Rüsselkäfer vergesellschaftet und wird massenhaft 
27 + 


412 Kap. IX. Die Käfer. 


mit diesem in Fanggräben erbeutet. Eine durch ihn verübte wirk- 
liche forstliche Beschädigung ist aber bis jetzt nieht nachgewiesen. 


Beschreibung: Cleonus turbatus FAurs, (glaucus Gyr.) Käfer: Fuss- 
glieder der Hinterbeine verlängert, Glied 1 bis 3 ohne filzige Sohle, nur am Rande 
wimperartig behaart. Rüssel kürzer als das Halsschild, mit einer erhabenen 
Mittellinie und nach unten gebogenen Fühlerfurchen. Halsschild am Hinter- 
rande zweimal gebuchtet, in der Mitte gegen das Schildehen erweitert, vorn 
mit erhabener Mittellinie, hinten mit einer Grube. Flügeldecken langgestreckt, 
an der Wurzel einzeln abgerundet, in die Buchten des Halsschildes hineinragend, 
an der Spitze einzeln abgerundet, vor der Spitze an der Verbindungsstelle der 
mittleren Punktstreifen mit einem deutlichen, vorn dicht weissbehaarten, hinten 
nackten Höcker, übrigens dicht weissgrau, seltener bräunlich, fleckig behaart, 
mit tiefen Punktstreifen und länglichen Grübchen. Fühler mit 7gliedriger Geissel, 
Glied 1 derselben fast doppelt so lang wie 2, der Schaft die Augen nicht er- 
reichend. Schenkel ungezähnt. Länge 10 bis 12 mm. 


Lebensweise: Die alten Angaben, dass dieser Käfer ähnlich wie 
Hylobius Abietis L. in Nadelholzwurzeln brüte, beruhten auf Vermuthungen, 
welche hinfällig geworden sind, seitdem Lang [34] direkt durch Zucht nach- 
gewiesen hat, dass seine Larve, wie diejenigen der Kurzrüssler, frei im Boden 
vorkommt und von jungen Kiefernwurzeln lebt. Ein Schaden durch dieselbe 
ist aber bis jetzt noch nicht bekannt geworden, ebensowenig wie ein Schaden 
des Käfers selbst. Die in die Lehrbücher übergegangenen Mittheilungen in 
Betreff des letzteren haben als einzige positive Unterlage die von RATZERURG 
[V, T, S. 138] mitgetheilten Beobachtungen von Krockmann über den von einge- 
zwingerten Käfern an Kiefernmaitrieben und deren Nadeln verübten Frass, zu 
welchem sie vielleicht nur ausnahmsweise durch Hunger getrieben wurden. 
Nach Arrum [XVI, III, I, S. 187] tritt unser Käfer in den Kiefernschlägen, von 
denen der Abraum nicht entfernt wurde, zeitiger auf als der grosse braune 
Rüsselkäfer. Die sicher verbürgte Thatsache, dass er später von hier aus auf 
die Kulturen überwandert und dabei massenhaft abgefangen werden kann, ist 
also vorläufig nur ein Verdachtsgrund für seine Schädlichkeit. Beiläufig ver- 
dient hier Erwähnung, dass andere Cleonus-Arten wirthschaftlich sehr beachtens- 
werth sind, namentlich der im südöstlichen Europa und besonders im südlichen 
Russland häufige Cl. punctiventris Germ., dessen Imago die Blätter der eben 
aufgehenden Runkelrübensaaten befrisst, während die Larve später deren 
Wurzeln zerstört. 


In Nadelholzwurzeln brütende und namentlich die Nadel- 
holzkulturen als Käfer schädigende Langrüssler. Die allein hierher 
gehörige Gattung Hylobius umfasst vier mitteleuropäische Arten, von 
denen drei bis jetzt in die Forstinsektenkunde eingeführt sind. Von 
wirklicher Bedeutung, und zwar von hervorragendster, ist aber nur 


der grosse braune Rüsselkäfer, 
Hylobius Abietis L. 
Rarzegurg’s (Qurculio Pini L. (Taf. II, Fig. 5). 


Sein nächster Verwandter ist Hylobius pinastri GyrL., welcher 
entomologisch zwar unterschieden wird, für die Praxis aber nur inso- 
feın in Betracht kommt, als stets ein gewisser mässiger Procentsatz 
der gefangenen „Rüsselkäfer” aus dieser Art besteht. Er erfordert 
also keine besondere Behandlung im grossen Wirthschaftsbetriebe. 
(Näheres $S. 415.) 


Cleonus. Allgemeines über Hylobius, 413 


Die dritte Art Hylobius piceus Dr G£rr (pineti FAgr.) ist vor- 
läufig nur verdächtig. (Näheres S. 415.) 

Allgemeine Orientirung. Der grosse braune Rüsselkäfer, 
dessen Schäden seit Anfang des Jahrhunderts mit der Ausbreitung 
von Kahlschlagwirthschaft und Nachverjüngung namentlich durch 
Pflanzung in erschreckendem Masse zugenommen haben, ist ein 
Kulturverderber ersten Ranges, welcher namentlich junge 
Kiefern- und Fichtenpflanzen tödtet, indem er die Rinde plätzend 
benagt. Aber ebensowenig verschont er die übrigen Nadelhölzer, 
ja sogar nicht einmal die Laubhölzer. In reinen Laubholzrevieren 
kommt er aber nicht vor, da er ausschliesslich in flachstreichenden, 
eben absterbenden Nadelholzwurzeln brütet. Seine Brutstätten sind 
daher die neuesten, nicht gerodeten Nadelholzschläge, und sein 
Schaden wird da am bedeutendsten, wo man solche nicht gerodete 
Flächen bereits in dem auf den Hieb folgenden Frühjahre wieder in 
Kultur bringt. Bei der trotz aller neueren gegentheiligen Behaup- 
tungen im wesentlichen doch zweijährigen Generation ist 
nämlich jede ungerodete oder schlecht gerodete Schlagfläche in dem 
zweiten auf den Schlag. folgenden Sommer — also bei einem im 
Winter 1879/80 abgetriebenen Bestande im Sommer 1881 — die 
Geburtsstätte unzähliger Rüsselkäfer, welche, wenn sie beim Aus- 
schlüpfen hier bereits junge Pflanzen vorfinden, diese bequem ge- 
botene Nahrung sofort annehmen und den im allgemeinen weniger 
wichtigen Herbstfrass beginnen. Finden die Käfer keine Nahrung 
an ihrer Geburtsstätte, so wandern sie zu Fuss den nächsten jungen 
Nadelholzkulturen zu. Nur wenige kommen noch in ihrem Geburts- 
jahre zur Fortpflanzung, alle aber überwintern in der Bodendecke 
und verüben im nächsten Frühjahre, nach Vollendung des Haupt- 
fortpflanzungsgeschäftes, wozu sie die neuen Schläge — in unserem 
Beispiele die vom Winter 1881/82 — aufsuchen, den sehr schäd- 
lichen Frühjahrsfrass in den jungen Kulturen. Im Herbste des 
zweiten Kalenderjahres ihres Lebens gehen viele Käfer zugrunde. 
Es können aber einzelne auch den zweiten Winter überleben, so 
dass also oft mehrere verschiedene Jahrgänge gleichzeitig fressen. 

Die gegen den braunen Rüsselkäfer mögliche Abwehr besteht 
einmal in Vertilgungsmassregeln, und zwar bevorzugt die ge- 
wöhnliche forstliche Praxis vielfach das Sammeln, welches mit 
Hilfe besonderer Fangapparate geschieht, unter denen wieder Fang- 
rinden und Fangkloben am beliebtesten sind. Es erscheint aber 
die bisher gewöhnlich geübte Praxis, diesen Fang nur in den direkt 
durch. den Käfer gefährdeten Kulturen vornehmen zu lassen, als 
falsch, weil mau dann meist nur Käfer fängt, welche wenigstens 
einen Theil ihres Fortpflanzungsgeschäftes bereits besorgt haben, 
Viel besser ist es, dies zunächst auf den Brutstätten zu thun, sobald 
die jungen Käfer aus denselben auszukommen beginnen, also auf 
den vorjährigen Schlägen — in unserem Beispiel auf dem Schlage 
vom Winter 1879/80 im späteren Frühjahre und Sommer 18831. 


414 Kap. IX. Die Käfer. 


Auch in Fanggräben kann man den ausser im zeitigen Früh- 
jahre nur selten fliegenden Käfer fangen, diese wirken aber zu ver- 
schiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten sehr verschieden, Im 
Umkreise der Schläge gezogene Gräben können kurz nach der 
Hiebsführung zur Flugzeit im Frühjahr nur wenig nützen, da sie 
nicht zu verhindern vermögen, dass der dann häufig fliegende Käfer 
diese als Brutstätten benutzt. Zu der Zeit dagegen, wenn die Haupt- 
masse der Käfer aus den nichtgerodeten Wurzeln auskommt, also im 
zweiten auf den Hieb folgenden Sommer und Herbst — in unserem 
Beispiel 1881 — sind sie von grossem Nutzen zum Abfangen der dem 
Herbstfrasse oder den Winterquartieren zuwandernden Käfer, deren 
Mehrzahl noch nicht zur Fortpflanzung geschritten ist. Dort, wo die 
Anlegung von Fanggräben um die Schläge nicht möglich ist, wird 
man den Käfer durch Darbietung von Brutstätten und vielleicht auch 
Nahrung länger auf den Schlagflächen fesseln und so die Fangzeit 
für denselben auf diesen Schlägen verlängern können. Im Umkreise 
der Kulturen gezogene Gräben schützen sowohl im Herbste wie 
im Frühjahr die auf denselben befindlichen Pflanzen vor den aus den 
Brutstätten oder Winterquartieren zuwandernden Käfern. 

Das beliebteste Vorbeugungsmittel ist das zwei bis drei 
Jahre lange Liegenlassen der nicht zu rodenden Schläge. 


Durch diese Massregel wird erreicht, dass für die nach dieser 


Zeit begründete junge Kultur die Feinde nicht sofort dem Boden, 
auf dem sie stockt, direkt entsteigen. Eine wirkliche Verminderung 
der Rüsselkäfer kann sie aber nicht hervorbringen. Auch das an 
vielen Stellen aus verschiedenen Gründen überhaupt nicht thunliche 
Roden der Wurzeln ist nicht immer wirksam, da eine gleich mit 
der Schlagführung verbundene Entfernung der Wurzeln zwar einen 
grossen Theil des Brutmateriales wegschafft, die Käfer selbst und 
deren Nachkommenschaft aber nicht trifft. Nur späteres Roden der 
Schläge, zu einer Zeit, in welcher die Wurzeln zwar mit Larven 
besetzt, die Käfer aber noch nicht ausgeschlüpft sind, also der Regel 
nach bis spätestens Ende des auf den Abtrieb folgenden ersten 
Winters mit baldiger Abgabe oder Verbrennung der Stöcke trifft 
zugleich die Thiere durch Brutvernichtung. Künstliche, in Nach- 
ahmung der flachstreichenden Nadelholzwurzeln, durch schräg einge- 
grabene, frisch geschnittene Nadelholzknüppel — Brutknüppel — 
hergestellte Brutstätten werden von den Käfern gern angenommen 
und helfen, wenn rechtzeitig zur Zerstörung der in ihnen unterge- 
brachten Brut geschritten wird, zweifelsohne zur Verminderung der 
Käfer, sind aber viel zu theuer. (Vgl. S. 429.) 

Der grösste Erfolg dürfte aber da erreicht werden, wo man, 
ohne dabei eine vollständige Vernachlässigung der bisher üblichen 
Vorkehrungsmassregeln, namentlich der Schutzgräben um die Kulturen 
und der Rodung der mit Larven besetzten Wurzeln eintreten zu 
lassen, durch passende Forsteinrichtungsmassregeln die Schläge 
so legt, dass der Hieb in demselben Jahrzehnt womöglich nur einmal 


u ee 


Allgemeines über den grossen Rüsselkäfer. Hylobius-Arten. 415 


denselben Waldort trifft, zu einer Zeit also, wo die benachbarten, 
vor 6 bis 9 Jahren begründeten Kulturen bereits dem Angriffe der 
Rüsselkäfer, welche sich auf der neuen Hiebsfläche entwickeln, im 
wesentlichen entwachsen sind. 


Beschreibung. Hylobius Abietis L. Käfer: Dunkelbraun, glanzlos, 
goldgelb behaart. Halsschild nach vorn verengt und vor dem Vorderrand seitlich 
leicht eingeschnürt, dicht punktirt und längsgerunzelt. Schildchen so lang als 
breit, behaart. Flügeldecken kettenartig gestreift-punktirt, mit flachen, gerunzelten 
Zwischerräumen und zwei aus Haarschuppen gebildeten, gelben Fleckenquer- 
binden, zwischen denen und hinter denen noch einzelne Haarflecken stehen. 
Punktreihen vorn kaum tiefer als hinten. Schenkel peckbraun, stark gezähnt. 
Alte, namentlich überwinterte Käfer dunkler und schmutzig braun, Querbinden 
und Behaarung oft abgerieben. Länge 7—14mm. d mit einer mehr oder weniger 
scharf ausgesprochenen, flachen Grube auf der Unterseite des letzten Hinterleibs- 
ringes, 


Hylobius pinastri Gyrı. Käfer: Den kleineren Exemplaren des vorigen 
sehr ähnlich, schwarzbraun, etwas glänzend, weisslich behaart Halsschild vor 
dem Vorderrande nicht oder kaum merkbar eingeschnürt, dicht und tief punktirt, 
aber nicht längsgerunzelt. Schildchen etwas breiter als lang, behaart. Flügel- 
decken stark kettenartig gestreift-punktirt mit schmäleren, gerunzelten Zwischen- 
räumen und zwei aus Haarschuppen gebildeten, weisslichen Fleckenquerbinden. 
Punktreihen vorn tiefer als hinten. Schenkel mehr röthlichbraun mit weniger 
starkem Zahn. Gleichfalls häufig abgerieben. Länge 7—9 mm. 


Hylobius piceus DE Ger (pineti Fapr.). Käfer: Schwarzbraun, glatt, 
glänzend, sparsam weissgelb behaart. Halsschild stark gerunzelt mit starkem 
Mittelkiel. Schildchen glatt, unbehaart. Flügeldecken mit Reihen sehr grosser und 
tiefer, grubenförmiger Punkte, Zwischenräume bis hinten stark gekörnt und gleich- 
mässig mit kleinen gelben Haarflecken bestreut. Schenkel kaum gezähnt. Länge 
12—16 mım. 


Charakterisiren wir zunächst kurz die Bedeutung der beiden letzteren, un- 
wichtigeren Arten. Der dem Hylobius Abietis L. zum Verwechseln ähnliche Hyl. 
pinastri Gyrr., welcher sich nur durch seine durchschnittlich kleinere Statur, die 
geringere vordere Einschnürung des nicht längsgerunzelten Halsschildes, die mehr 
weissen Flügeldeckenzeichnungen und die mehr röthlichen Beine von jenem unter- 
scheidet,ist im Allgemeinen biologisch seinem Verwandten völlig gleichwerthig. Nur 
soll er nach Kerner |30 5] vorzüglich die Kiefer lieben, wenngleich er auch 
Fichtenpflanzen befrisst. Auch fliegt er nach dem genannten Forscher gern und 
leicht, und gelangt dadurch auf hohe Kiefern, woselbst er junge Zweige benagt. 
Aus letzterer Thatsache und aus einer Verwechselung dieses Käfers mit seinem 
gemeineren Vetter erklärt sich die eine Zeit lang in der Literatur Aufsehen 
erregende und zu Polemik Anlass gebende, irrthümliche Behauptung eines sonst 
so guten Beobachters, wie Könıs, dass Hyl. Abietis L. zunächst in den Baum- 
kronen vorkommen und diese beschädigen sollte |VIl, 1. Aufl., S. 106], während 
die Kulturen nur soweit unter ihm zu leiden hätten, als Käfer von Ueber- 
ständern herabfallen könnten. Ueberall wird Hyl, pinastri gleichzeitig unbe- 
wusst mit als ‚grosser brauner Rüsselkäfer” gesammelt. Nach KELrxer macht 
er gewöhnlich in Thüringen an 6—10/, der eingelieferten Rüsselkäfer aus. Auf 
dem Tharander Walde fanden sich 1877 unter 1500 untersuchten Rüsselkäfern 
8:60/, desselben. 


Von noch weit geringerer Bedeutung ist Hyl. piceus Dr GEEr (pineti Fazr.), 
die grösste deutsche Hylobius-Form, welche mitunter als „Lärchenrüssler” 
bezeichnet wird. Seine Einführung in die Forstinsektenkunde verdankt er einem 
Aufsatze von Srürrz [59], der ihn in Schlesien in Lärchenstöcken brütend fand, 
und im Zwinger constatirte, dass die Käfer nur Lärchenzweige benagten. Er ist 
daher vorläufig nur verdächtig. 


416 Kap. IX. Die Käfer. 


Lebensweise. Die Biologie des grossen braunen Rüssel- 
käfers, dieses gefährlichen Nadelholzfeindes, enthält noch mancherlei 
ungeklärte Punkte, dürfte aber für die Bedürfnisse der Praxis 
bereits genügend bekannt sein. Die Flugzeit des Käfers fällt, 
nachdem er bei hinreichend warmer Temperatur schon früher seine 
Winterverstecke verlassen, in das wärmere Frühjahr, von Ende 
April bis Mai und Anfang Juni. Um diese Zeit fliegt der Käfer 
wirklich häufig, und wird nicht nur in der Nähe seiner Brut- 
stätten, sondern auch entfernt von ihnen, ja sogar in bewohnten 
Ortschaften etc. schwärmend gefunden. Als Brutmaterial be- 
nutzt er ausschliesslich im Absterben begriffene, flachstreichende 
Nadelholzwurzeln bis zu 1cm Stärke herab, d. h. also in unserem 
Wirthschaftswalde namentlich die Wurzeln der im vorhergehenden 
Winter geschlagenen Fichten und Kiefern. Er findet sich zu dieser 
Zeit auf den Schlägen ein, namentlich auf denjenigen, auf welchen 
der Abraum noch nicht völlig entfernt wurde, begattet sich hier, 
theils oberirdisch, theils bereits in der Bodendecke und belegt die 
oberen Wurzelenden, seltener die Stöcke selbst, mit einzeln unterge- 
brachten Eiern. Die Larven fressen wurzelabwärts, zunächst nur im 
Baste, späterhin tiefer, auch den Splint furchend, so dass eine von 
mehreren Larven befallene Wurzel schliesslich wie eine cannelirte 
Säule aussieht. Bei Beginn der rauheren Jahreszeit sind die Larven 
meist bereits ausgewachsen und nagen sich eine tiefe Splinthöhle, 
in welcher sie überwintern. In letzterer ruhen sie ohne wesentliche 
Veränderung bis zum warmen Frühjahr des nächsten Jahres und ver- 
puppen sich dann, um im Vorsommer oder Sommer zum Käfer zu 
werden, der also gewöhnlich, je nach den Temperaturverhältnissen, 
12 bis 18 Monate nach der Ablage des Eies fertig ist. Finden die 
ausschlüpfenden Käfer jetzt Brutmaterial und sind sie überhaupt 
zeitig ausgebildet, so begatten sie sich schon jetzt und legen einen 
Theil ihrer Eier ab. Später auskriechende Käfer kommen aber in 
demselben Jahre, in welchem sie ihre Metamorphose vollendeten, gar 
nicht zur Fortpflanzungsthätigkeit und schreiten erst im Frühjahr 
des nächsten Jahres hierzu, in Gemeinschaft mit ihren früher 
reifen Brüdern, welche bereits im vorigen Jahre einige Eier ab- 
legten, den Haupttheil des Fortpflanzungsgeschäftes aber gleichfalls 
erst jetzt verrichten. Eine zweijährige Generation erscheint also als 
Regel, da die Käfer, deren Leben als Ei z. B. im Frühjahr 1880 
begann, erst im Jahre 1882 wieder den Haupttheil ihres Fort- 
pflanzungsgeschäftes besorgen. Auf denjenigen Revieren aber, auf 
welchen sich eine besonders starke Vermehrung der Rüsselkäfer be- 
merkbar gemacht, stellen sich eine Reihe von Unregelmässigkeiten 
ein, welche im Einzelfalle das Allgemeinbild, wie wir es oben gaben, 
trüben. Hiefür ist namentlich der Umstand massgebend, dass nach 
älteren und neueren Untersuchungen die Ablage der Eier durch die 
Weibchen nicht, wie sonst bei den meisten anderen Insekten, schnell 
hintereinander geschieht, sich vielmehr auf einen längeren Zeitraum 


Hylobius, Lebensweise und Generation. 417 


vertheilen kann, und demgemäss auch der Zeitpunkt der Ausbildung 
der jungen Käfer sich nicht auf eine so kurze Zeit beschränkt, wie 
die praktischen Forstmänner, in missverständlicher Auslegung der doch 
schliesslich immer nur allgemeine Abstraktionen darstellenden, kurzen 
Angaben der Lehrbücher, durchschnittlich angenommen haben. Es kann 
daher der Zeitraum, in welchem junge Käfer zum Vorschein kommen, 
von Sommeranfang bis zum Eintritt des Herbstes reichen. Die sehr 
früh auskommenden Käfer können noch passendes Brutmaterial finden 
und so eine einjährige Generation haben. Am seltensten dürfte der 
trotzdem von völlig glaubwürdiger Seite beobachtete Fall sein, ‘dass 
aus sehr zeitig gelegten Eiern gekrochene Larven bereits im Jahre der 
Eierablage sich verpuppen und als Puppen überwintern oder gar noch . 
vor Winter zu Käfern werden. Solche wohl auch als Zeitlinge oder 
nothreife Käfer bezeichnete Thiere gehören stets zu den Ausnahmen. 
Für die von anderer Seite neuerdings aufgestellte Hypothese der 
doppelten Generation ist keinerlei Beweis erbracht worden. Die 
Hauptmenge der im Frübjahre und Sommer ihrer Fortpflanzung nach- 
gehenden Käfer stirbt im Herbste desselben Jahres ab. Genaue Beob- 
achtungen haben aber gelehrt, dass dies nicht immer der Fall ist, 
und dass ein Theil der Käfer nicht nur den ersten, sondern auch 
den zweiten, und in einzelnen Fällen sogar den dritten Winter über- 
dauern kann, so dass unter gleichzeitig gesammelten Rüsselkäfern 
nicht weniger als drei verschiedene Jahrgänge sein können. Für die 
Praxis dürfte wohl aber nur der Umstand wichtig sein, dass das 
Ausschlüpfen der Käfer aus dem Brutmateriale eventuell zeitiger ein- 
treten kann, als man theoretisch bisher meist annahm. 

Nach dem eben Gesagten ist es einleuchtend, dass die Generationsver- 


hältnisse des grossen braunen Rüsselkäfers schwerer graphisch darzustellen sind, 
als die irgend einer anderen Art. 


Nach den Angaben von Arrum [I f, S. 157] stellten sich dieselben für 
die märkischen Kiefernreviere, wenn wir mit dem Zeichen & die in den Puppen- 
wiegen ruhende Larve bezeichnen, folgendermassen: 


2 FE VE Er ee EEE EINE EEE | 
Jan. |Febr. | März |April| Mai | Juni | Juli | Aug. Sept. | Oct. |Nov. | Dec. 


ERRZIIEEETCERED j I 
+++ HH ++ 


1380 | ® | @ @ @ | @ @ Km Im Im ME | EEE mE Hmmm ms je Mn mm Mae mm 


©oeoo9990909 


1881 soelseosee ooeoooooe seo++4+++44t+4ttt+tr+H 


| 
| | | 


BSR rettet 


| 


Drücken wir aber die Resultate des durch v. Orrex in dem Jahre 1882/83 
unter möglichst natürlichen Umständen an wirklichen Wurzeln angestellten Zwin- 
gerversuches [43 d, S. 90 u. f.) graphisch aus, und zwar für die Eier, welche 
zuerst, also bereits im Mai abgelegt wurden und daher auch 1883 am zeitigsten 
Käfer lieferten, so erhalten wir folgendes Bild: 


& 


418 Kap. IX. Die Käfer. 


Jan. |Febr. | März 

| 

| ee: | 
1882 | LEE lee | 


April| Mai | Juni | Juli 


Aug. | Sept.| Oct. 


Es wäre dies das Bild einer typisch einjährigen Generation, wenn nicht 
die weiteren Versuche von v. OrrEn, sowie namentlich diejenigen von ZIMMER 
bewiesen, dass die im Juni — in Wirklichkeit die ersten bereits am 29. Mai — 
ausgeschlüpften Käfer nicht vielfach den nächsten Winter, hier also 1883/84, 
überdauerten und dann erst im nächsten Frübjahr sich weiter fortpflanzten. 

Wollen wir dagegen das andere Extrem der in dem angezogenen 
v. Orpzn’schen Versuche gewonnen Resultate darstellen, dass nämlich noch bis 
in den August hinein Copulation der Käfer und somit wahrscheinlich auch Ablage 
von Eiern stattgefunden hat, aus denen dann die im August, respective Septem- 
ber 1883 auftretenden Käfer herstammten, und nehmen wir mit v. Orpen an, dass 
auch diese sich noch fortpflanzten, während andererseits einige der Käfer, welche 
bereits 1882 sich fortgepflanzt hatten, auch noch 1883, dann aber natürlich 
gleich im Frühjahr Brut erzeugten, so erhalten wir das folgende complieirte Bild: 


Ku socoee 


[| 
.o.o+++ 


18853 sSooososoooooo® 


| Jan. |Febr.| März April| Mai | Juni | Juli | Aug. | Sept.| Oct. | Nov. | Dec. 


1882 | a al 

| DO Gear RU BEIN FRE a 

.) man ---— --- 999999890bl 

155) | besez| bt 
| ı | | 

ar rear Poopeo See et] he Eee 

[| —— nun 


Es kommen alsdann in dem Jahre 1883 nebeneinander zwei neue Gene- 
rationen vor, bl und c, von denen 5! die Geschwister der bereits im Jahre 1882 
von denselben Eltern a erzeugten Generation b, die Generation c dagegen die 
Enkel von a enthält. Diese graphische Darstellung weiter zu verfolgen, wäre 
unthunlich, wir heben nur noch in Betreff der längeren Lebensdauer und mehr- 
fachen Eiablage der Rüsselkäfer hervor, dass K. E. G. Zınmer [67] z.B. folgende 
Beobachtungen gemacht hat: Ende März 1856 gesammelte Käfer legen vom 
Mai bis zu Anfang September, und zwar von Mitte Juni ab spärlich. Trotzdem 
leben die Käfer zum Theil weiter und der letzte stirbt erst am 18. März 1858. 
Am 10. Juli 1856 aus den Wurzeln frisch herausgeschnittene junge Käfer 
beginnen einen Monat später, am 10. August, zu legen und legen bis zum 
17. September. Von ihnen überwintern 12 Stück und legen wieder vom 8. März 
bis zum 12. October 1857. Es gehen in die Ueberwinterung nunmehr 10 Stück, 
von denen im Frühjahr 1858 noch 4 leben, welche nun wieder bis zum 30. Juni 
Eier legen. Am 10. Juli 1858 stirbt der letzte Käfer. Die Gesammtsumme der 
abgelegten Eier betrug 1737 Stück. 

Vollständige Ausbildung des Käfers in demselben Jahre, in welchem die 
Brutstätten mit Eiern belegt wurden, vor völligem Eintritt des Winters ist z, B. 
von Geor@ [I9a, S. 165] und von v. Lırs [39 c] sicher beobachtet worden, 
desgleichen neuerdings von Eıcuuorr. Es scheint aber, dass dies im Wesent- 
lichen nur in künstlichen Brutstätten, z. B. in Brutknüppeln, in welchen ab- 
norme Entwickelungsbedingungen gegeben sind, stattfindet, und tür die Praxis 


Hylobius, Generation und Geschichte. 419 


ohne jede Bedeutung ist. Erwähnt sei noch, dass Bırpermann [6] aus seinen 
Versuchen eine einjährige Generation als Regel annimmt, wobei aber die 
Entwickelung in 2 verschiedenen Kreisen verlaufen soll: a) von Mai bis 
November mit Ueberwinterung des Käfers und Fortpflanzung im zweiten Jah:e. 
b) Vom Juli des einen Jahres bis zum nächsten Juli mit Fortpflanzung in dem- 
selben Jahre, in welchem die Käfer entstanden. 


Geschichtliches. Seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts wird dieser 
Käfer und sein Schaden immer erwähnt, zugleich aber mit anderen grösseren 
Rüsselkäfern verwechselt, namentlich mit den jetzt Otiorrhynchus niger Fark. 
und Pissodes Pini L. genannten Arten. Häufig kommt er unter verschiedenen 
Namen vor, so z. B. bei von DER Borck, der seinen Frass bereits aus dem 
Jahre 1802 sehr gut beschreibt, als Carabus aterrimus [7]. 1826 wird ihm 
unter dem Namen Curculio pini von M. Warter ein eigenes Büchlein gewidmet 
[62], aber erst Rarzesurg in seinen Forstinsekten stellte seinen Schaden und 
die wesentlichen Grundzüge seiner Fortpflanzung fest. Zugleich gab seine Autorität 
dem Namen Curculio pini L. die weiteste Verbreitung, und noch heute ist der- 
selbe vielfach in der Forstwelt gebräuchlich, trotzdem wohl sicher nachgewiesen, 
dass Lınn& unseren „grossen braunen Rüsselkäfer” wirklich ursprünglich Cur- 
culio Abietis genannt hat. Der Kernpunkt der Frage dreht sich darum, ob in 
der zweiten Auflage der „Fauna suecica” Linn&’s, in welcher zuerst diese beiden 
Namen vorkommen, die Diagnosen oder die Namen der beiden in der ersten 
Aulage ohne eigentliche lateinische Namen als Cureulio 446 und Curculio 447 
bezeichneten Käfer verwechselt wurden. Wer sich für die klare Begründung der 
jetzt allgemein angenommenen Anschauung, dass die Diagnosen von Mitarbeitern 
Linx&’s verwechselt wurden, interessirt, lese den klaren diesbezüglichen Aufsatz 
von Döner [I4] nach. Die späterhin folgende und allmählich zu beängstigender 
Höhe anschwellende Literaturluth über unseren Käfer enthält neben vielen 
mehr weniger werthvollen Mittheilungen über Bekämpfungsmittel auch sehr 
gute biologische Beobachtungen, welche aber nicht die genügende Beachtung 
gefunden haben. Es sind dies namentlich die Untersuchungen von v. Lırs 1854 
und 1855 [39[, Maxrrını 1855 [41] und Zmmmer-Püchau 1858—1860 [67]. 
v. Lips hat zuerst genaue Experimente mit der künstlichen Brut gemacht und 
nachgewiesen, dass der Käfer zwei Winter überleben könne [395, S. 165], und 
Zimmer hat in ausgedehntestem Massstabe die Thatsache constatirt, dass die- 
selben Käfer mehrere Jahre hintereinander Eier legen können, Die Angaben von 
v. Lies und Zımver waren aber in der Vereinsschrift des Vereines Böhmischer 
Forstwirthe so sicher vergraben, dass es erst der neueren, völlig selbstständigen 
und ohne Kenntniss der Arbeiten seiner Vorgänger — die wir selbst erst kürzlich 
neu „entdeckten” — unternommenen Untersuchungen von v. Orren [43] bedurfte, 
um die bereits von Jenen über öÖftere Begattung im Herbste und lange 
Lebensdauer gefundenen Thatsachen neu bestätigt, der Allgemeinheit zugänglich zu 
machen. Die weiteren genauen Untersuchungen sind namentlich durch Arrun [I e, 
F, , m] ausgeführt, weicher sich ein besonderes Verdienst erworben hat durch 
den Nachweis, wie draussen im Wirthschaftswalde, namentlich in Kiefern- 
revieren der Ebene, die Generation sich stellt, ohne Anwendung künstlicher 
Brutstätten. Fälle, in welchen Käferbrut durch vertrauenswürdige Beobachter 
in alten Metersıtössen, Brückenhölzern und in stehendem Holze beobachtet 
wurde, sind bekaunt, dagegen rühren die meisten älteren Angaben hierüber von 
Verwechslung mit Pissodes-Arten her. 


Verbreitung, Frass und Schaden. Der „Rüsselkäfer” ist ein 
weit verbreitetes, sehr häufiges Thier. Er wird nicht blos, wie der 
früher besprochene (vgl. S. 372) Otiorrhynchus niger FaBr. vorzüg- 
lich in den Gebirgswaldungen schädlich, sondern auch in der Ebene. 
Die durch ihn hervorgerufenen empfindlichen Verwüstungen reichen 
in unseren mitteldeutschen Gebirgen, wie Erz- und Riesengebirge, bis 
zu einer Meereshöhe von etwa 800 m. 


420 Kap. IX. Die Käfer. 


Aırum giebt an, dass der Käfer im köngl. Preussischen Harzrevier Herzberg 


bei 700 m Höhe noch stark schade undin dem Bayerischen Oberlande die Grenze 
seiner Schädlichkeit und überhaupt seines Vorkommens bei 900 bis 1000 m Höhe 
erreiche. Nach den sehr genauen Mittheilungen von v. Orren [43 5] ist der 
Schaden im ganzen, dem Erzgebirge angehörigen, köngl. Sächsischen Forstbezirk 
Bärenfels nicht blos in den tieferen Lagen, 
sondern bis hinauf zu etwa 660 bis 800 m 
Höhenlage ein sehr bedeutender. 


Nur der Käfer thut uns 
Schaden. Am liebsten sucht er 
Nadelhölzer auf, besonders junge, 
3—6jährige, durch Verpflanzung, 
schlechte Erziehung, Schütte u. dgl. 
kränklich gewordene Pflanzen, aber 
selbst einjährige Pflanzen und Keim- 
linge verschont er nicht. Auch der 
auf den Schlägen liegen bleibende, 
noch nicht trocken gewordene Ab- 
raum wird vom Käfer befressen. 
Im Nothfalle geht er aber auch in 
den Kulturen an ältere Stämmchen, 
welche er 1—3 m hoch befrisst. Der 


Fig. 141. Von dem grossen braunen 
Rüsselkäfer benagter Maitrieb, der 
noch in demselben Jahre an der 
Spitze abstarb, nachdem sich unter 


Fig. 140. Rüsselkäferfrass an der Wunde drei Scheidenknospen 
einem Nadelholzstimmehen. entwickelt hatten, 


Frass in den Wipfeln alter Kiefern rührt meist von einem Verwandten, 
dem Hylob, pinastri Gyrr. her (vgl. S. 415). Die Kiefer ist seine 


Schaden des grossen braunen Rüsselkäfers. 421 


Lieblingspflanze, dann folgt die nicht viel weniger gern angenommene 
Fichte und schliesslich die Tanne, aber auch Lärche, Weymouths- 
kiefer und sogar Wachholder verschmäht er nicht völlig. Ein tüchtiger 
Rüsselkäferfrass kann ganze Kulturen vernichten, jedenfalls sehr be- 
deutende Ausbesserungen nöthig machen. Der Käfer schadet dadurch, 
dass er dieRinde platzweise abnagt; an den Frassstellen (Fig. 140), 
die bis auf den Bast oder bis auf den Splint reichen, oft den Um- 
fang einer Erbse haben und’ bald vereinzelt, bald dicht beisammen 
stehen, tritt Harz aus, welches die Rinde wie mit einem Grind über- 
zieht. Meist sind die Wunden Ursache einer Säftestockung, welche 
sich bei der Kiefer im Erscheinen zahlreicher Scheidentriebe aus- 
spricht. Diese treten selbst da, wo der Käfer dem 1—2jährigen Triebe 
eine Frasswunde, die an Braunfleckigkeit, Missfarbigkeit und Verhar- 
zung zu erkennen ist, beigebracht hat, sofort unterhalb der Verletzung 
knospend hervor (Fig. 141). Wo Fichte und Kiefer befallen werden, 
leidet die Fichte immer mehr als die Kiefer, da sie nicht Scheidentriebe 
bringen kann. Es ist ganz gewöhnlich, dass einzelne Fichten inmitten 
eines Pflanzbüschels, wenn sie auch gar nicht so stark benagt sind, 
plötzlich roth werden. Die Kiefern sterben ebenfalls häufig unmittel- 
bar nach den Angriffen ab, kümmern aber oft mehrere Jahre, oder 
sie verfallen in ihrem kränklichen Zustande anderen Insekten, welche 
dann den Tod bringen. 


Der Rüsselkäferfrass unterscheidet sich nach Arrum [Im] dadurch von 
dem der ähnlich fressenden Hylesinen, dass der Rüsselkäfer von oben herab 
den Rüssel ansetzt, zuerst also immer die obere Rinde beschädigt und dann 
erst die tieferen Schichten angeht. Er muss den Rüssel immer von neuem an- 
setzen, so dass stets einzelne, wenngleich oft zusammenfliessende, Frassplätze 
entstehen, während, wenn die kleineren Hylesinen einmal bis auf das Holz 
gelangt sind, sie gern in der Tiefe weitergehen und die innere Rindenschicht 
unterhöhlen; namentlich ist dies, da sie von unten nach oben fressen, an den 
oberen Wundrändern der Fall. Auch findet ihr Frass theilweise noch an den 
unterirdischen Theilen der Stämmchen statt. 


Stärkere Rinde meidet Hylobius immer und soll auch durch Noth ge- 
zwungen höchstens 6jährige Triebe anfallen. Unangenehm sind ihm die Extreme 
von Hitze und Kälte, sowie windiges und regnerisches Wetter. Dies, sowie häufige 
Berührung und Bewegung der Frasspflanzen, vertreibt ihn von oben; er ent- 
schädigt sich dafür aber durch heimliches Fressen in der ihm angenehmen 
Kühle des Grases und Mooses am Wurzelknoten, wo er dann noch schädlicher 
ist als am Stamme. Wenngleich, wo Kiefer und Fichte gemischt angebaut 
wurden, wie oben bemerkt, die Kiefer bevorzugt wird, so ist in reinen Kiefern- 
und reinen Fichtenkulturen der Schaden doch völlig gleich und kann so stark 
werden, dass die Möglichkeit der Verjüngung in Frage gestellt wird. 


Dass er den Tannen weniger schädlich wird, liegt zunächst wohl daran, 
dass in den Gegenden, wo die Tannenbestände eine grössere Wichtigkeit haben, 
meist Vorverjüngung angewendet wird, welche ausserordentlich pflanzenreiche junge 
Bestände liefert. Ueber den Frass an Lärchen wird selten berichtet, so z. B. 
von Assmann [2]. Ueber Beschädigung von Wachholder klagt Schemger [54, 
S. 362]. An zweijährigen Weymouthskiefern hat der grosse braune Rüsselkäfer 
auf einer österreichischen Herrschaft so stark gefressen, dass sämmtliche Rinde, 
Knospen und Nadeln völlig entfernt waren und nur der nackte Holzkörper 
zurückblieb [70]. 


[8 


Kap. IX. Die Käfer. 


Ueber diejenigen Fälle, in welchen der Rüsselkäfer in äl’eren Kulturen 
stärkeren Schaden gemacht haben soll, vergleiche man die Mittheilungen von 
RATZEBURG [XV, I., S. 115—120]. Es sollen durch den Frass eine Reihe von 
Verzweigungsfehlern an Kiefern hervorgebracht worden sein; jedoch ist zu 
bemerken, dass uns der Beweis, es habe hier wirklich Hyiobius Abietis gefressen, 
nicht völlig erbracht scheint. Neuerdings ist aber solcher Hochfrass an 15- bis 
20jährigen Kiefernstangen, von denen viele getödtet wurden, auch von ALTum 
und Gopsersen beobachtet worden [I ’, S. 303 und 304]; in einem Falle war 
Hyl. pinastri der Hauptthäter, im anderen die gemeinere Form. ? 

Der grosse braune Rüsselkäfer kann aber auch in Laubholz- 
kulturen schaden, wenn sie von Nadelholzbeständen umgeben oder 
mit Nadelhölzern gemischt sind. Namentlich thut er dies aber dort, 
wo frische Nadelholzschläge nicht gerodet, sondern sofort mit Eicheln 
besäet werden. Hier benagen die in den Nadelholzwurzeln ausge- 
brüteten Rüsselkäfer die jungen Eichenpflanzen in der schädlichsten 
Weise. In reinen Laubholzrevieren oder -Reviertheilen tritt dagegen 
nie ein Schaden ein, da hier die Brutstätten fehlen. 

So monophag die Larve ist, welehe nur in Nadelholzwurzeln, und zwar, 
wie angenommen wird mit Ausschluss von Wachholder und Taxus, lebt, so poly- 
phag ist der Käfer selbst. Schon Rarzegure [V, I., S. 13+] erwähnt, dass er 
auch junge Erlen und Birken benagen kann, und beschreibt einen Fall von 
Knospenzerstörung an Erlen in dem Eberswalder Forstgarten, welcher zur Ver- 
nichtung manches Stämmchens führte [XV, II., S. 244]. Wırrkomm berichtet von 
einem auf Spechtshäuser Revier bei Tharand 1856 stattgefundenen Frass in 
einer Eichenheisterpflanzung, und NörptinGer beobachtete den Frass an Eichen- 
und Birkenpflanzen, sowie an Apfelbäumehen |XXIV, S. 18]. Am ausführlichsten 
berichtet aber Arrum [le] über: Schaden an Eicherheistern in den königl. 
Preussischen Oberförstereien Stepenitz, Reg.-Bez. Stettin, und Knesebeck, Provinz 
Hannover. In den Hanbergen des Reg.-Bez. Arnsberg wurden ferner 1879 
und 1880 die einjährigen Eichenausschläge, desgleichen diejenigen von Birke, 
Erle und Weide, sehr stark befressen. Auch später kamen solche Frässe vor, 
so im Reg.-Bez. Köln, und zwar sowohl auf Fichtenabtriebsflächen, die sofort 
mit Eichenheistern bepflanzt wurden, als auch bei Eichenschälwaldanlagen, in 
welche als Schutzholz Kiefern reihenweise zwischen je 2 Reihen gelester Eicheln 
eingepflanzt worden waren. In letzterem Falle trat der Schaden nach dem ersten 
Abtrieb, bei welchem natürlich auch die Kiefern mit abgetrieben worden waren, 
auf, indem die Kiefernwurzeln als Brutstätte dienten und die Eichenausschläge 
das Frassobjeet darboten [Arrum In]. 

Abwehr. Die älteste Form derselben ist bei diesem gefürch- 


teten Feinde die direkte Vernichtung, und wir beginnen daher mit 
den Vertilgungsmassregeln. 


Bei der ziemlich bedeutenden Grösse des Käfers ist das direkte 
Sammeln möglich und wird auch vielfach ausgeübt, doch müssen 
die hierzu verwendeten Personen einige Kenntnisse von der Lebens- 
weise des Käfers haben. So findet er sich gern auf frischem Boden, 
an Gräben, auf Schutthaufen, an harzenden Wurzeln, welche man 
am besten noch etwas aus dem Boden reisst, und an harzüberlaufenen 
Stöcken ein und wird oft in der die Stöcke direkt umgebenden Moos- 
und Bodendecke gefunden, wo er sich während der Hitze verkriecht. 
Auch an den Sägespänen der Schneidemühlen kann des Morgens 
im Frühjahr im Thau der Käfer oft in Masse gesammelt werden. 
Die bei diesem direkten Sammeln gemachten Erfahrungen haben dazu 


| 
| 


Schaden und Abwehr des grossen braunen Rüsselkäfers. 423 


r 


geführt, Anlockungsmittel zu erfinden, um an diesen einen reich- 
licheren Fang zu machen. Als solche sind gebräuchlich und wirksam : 


a) die Fangrinden, auch Fangschalen genannt. Es sind dies 
‘frisch geschälte Stücke von Kiefern- oder Fichtenrinde von ungefähr 
30—50 em Länge und 15—20 cm Breite, welehe mit der Bastseite 
nach unten flach auf den Boden gelest und mit Rasen oder Steinen 
beschwert werden. Diese Rinden bieten, namentlich wenn man unter 
sie noch kleine Stücke frischen jungen Kiefern- oder auch Fichten- 
reisigs legt, den Käfern willkommenen Schutz und zugleich Nahrung. 
Die unter ihnen sich verkriechenden Käfer müssen täglich gesammelt 
werden. Sind Rinden und Reisig vertrocknet, so bedürfen sie der 
Erneuerung. Rasenbedeckung hält die Rinden länger fängisch. 

Die erste Erwähnung der Fangrinden geschieht 1832 durch Car. LiegicH 
[37], der von ihrer Anwendung auf der Planer Herrschaft in Böhmen berichtet. 
Die weitere Köderung des Käfers durch untergeleste Zweige soll nach Herss 
[XXI, 257] zuerst im Weimarischen an den Ilmbergen versucht worden sein; 
augenblicklich ist sie sehr verbreitet. Eine weniger wirksame Abänderung der 
Fangrinden besteht in den Rindenrollen, d.h. in längeren Rollen abgeschälter 
Ficehtenrinde von jüngeren Stämmen, in deren Hohlraum sich der Käfer auch 
versteckt, sie trocknen aber viel leichter aus, und die Käfer sind schwerer 
herauszuschütteln. Ueber die passende Grösse der Fangrinden sind natürlich die 
Angaben der verschiedenen Praktiker sehr wechselnd. 


b) Fangkloben, d.h. Kloben von frisch geschlagenem Fichten- 
oder Kiefernholze, welche mit der Rindenseite gegen die Erde gelegt 
und, damit sie besser fängisch sind, geplätzt werden. Damit sie die 
Käfer noch mehr anlocken, entblösst man nämlich den Bast hier und 
da auf 5—10 cm Länge und 3—5 cm Breite und drückt die Kloben, 
wenn der Boden benarbt ist, gegen aufgerissene oder mit der Hacke 
verwundete Stellen desselben. 


ce) Fangbündel, d. h. armlange und schenkeldicke, frisch ge- 
brochene und gebundene Fichten- oder Kiefern-Reisigbündel. Zu 
diesen wird man, wenn auch nicht zuerst, so doch dann seine Zu- 
flucht nehmen müssen, wenn man Kloben nicht hat, oder sich die 
Rinde nicht schälen lässt. 

An deren Stelle ist von Zimmer in Püchau [67, 1859, S. 19] die An- 
wendung von Ähnlichen Bündeln frischer Kiefernwurzeln empfohlen worden. 

Man kann mit den Anlockungsmitteln auch Vorrichtungen ver- 
binden, aus denen die Käfer nicht so leicht wieder herauskommen. 
Solche Fallen ähnliche Anlagen sind zunächst: 


d) die Fanglöcher, d. h. Gruben von 30 cm im Viereck und 
derselben Tiefe, welche man entweder mit frischem Nadelholzreisig 
bedeckt oder auf dem Grunde mit solchem belegt. Diese werden in 
passenden Abständen auf den Kulturen oder Schlägen vertheilt. 

Eine von Forstmeister Zınmer in Moritzburg [68] angewendete Variante 
der Fanglöcher sind die Fangflaschen, welche bis zum Halsrand in den 


Boden eingegraben, mit einer hineingeschütteten Mischung von Holzessig, Holz- 
theer und Terpentin fängisch gemacht und oben mit einem frischen Rinden- 


424 Kap. IX. Die Käfer. 


stück bedeckt werden. Zimmer lässt die Flaschen besonders blasen. Sie sind 
bauchig, von eirca 20 cm Durchmesser und haben einen 15 cm langen, 4—5 cm 
weiten Hals. 

e) Weit wirksamer sind noch die Fanggräben. Man macht 
diese, wie Raupengräben, 30 cm tief und 10—15 cm breit, und bringt 
auf der Sohle alle 5—6 Schritte ein 10—15 cm tiefes und ebenso 
breites Fangloch an. Auf steinigem Boden genügen allenfalls auch 
zahlreiche kleine isolirte Grabenstrecken, da die Käfer nicht blos wie 
die Raupen blindlings in die Gräben fallen, sondern diese sogar 
eifrig aufsuchen, wahrscheinlich weil ihnen die Kühle darin angenehm 
ist. Aus letzterem Grunde gewähren auch Gräben auf unbenarbtem 
Boden in heissen Lagen, wo die Käfer Schutz gegen die Sonne suchen, 
mehr Nutzen, als auf berastem oder durch Unkräuter beschatteten 
Boden in frischen Lagen. Doppelt wirksam ist es, wenn man die 
Gräben mit frischem Fichten- oder Kiefernreisig bedeckt, oder letzteres 
auf der Sohle ausbreitet. Die in die Gräben gefallenen Käfer sind 
stets zu vernichten. Die früher übliche Art, die Kulturen mit solchen 
Gräben zu durchschneiden, ist jetzt weniger beliebt. Man legt sie 
besser im Umkreise der Brutstätten an und fängt so die von diesen 


abwandernden Käfer ab. 

Pascnen [45 a] lässt in der Forstinspection Kaliss in Mecklenburg die 
Gräben nur 25 cm breit, 20 cm tief mit senkrechten Wänden und alle 10 m ein 
20 cm tiefes Fangloch herstellen. Die Kosten für das laufende Meter betragen 
nur 1,5—2 Pf. Die Fanggräben bewähren sich nur in wenig bindisem Boden, 
sind aber dort oft von sehr grossem Nutzen. Nur därf man sich nicht darauf 
verlassen, dass die Käfer in denselben zugrunde gehen, da die Verminderung 
in den Fanglöchern nicht blos von Insektenfressern herrührt, sondern auch da- 
durch geschieht, dass viele Käfer sich in den Boden verkriechen und später wie- 
der herausarbeiten. Auch wühlen sie sich vielfach nach den beim Herstellen der 
Gräben abgestochenen Nadelholzwurzeln hin. Die gefangenen Käfer müssen also 
vernichtet werden. Die Gräben dürfen anfänglich nicht zu breit gemacht werden, 
damit man sie später nachstechen kann. Wir werden auf dieselben sofort noch 
einmal bei den Vorbeugungsmitteln zu sprechen kommen. 


Viel wichtiger aber als die Vertilgungsmittel sind die 
Vorbeugungsmassregeln. Diese bezwecken 


I. Den direkten Schutz der Kulturen gegen den Frass der 
vorhandenen Käfer, und zwar kann sich dieser Schutz beziehen auf 
die ganze Fläche oder nur auf die einzelnen Pflanzen. 


A. Schutz der ganzen Kulturen wird erreicht: 


a) Durch Isolirungsgräben. Diese sind genau so anzulegen 
wie die eigentlichen Fanggräben, von denen sie sich nur dadurch unter- 
scheiden, dass sie im Umkreise der Kulturen angelegt sind. Ueber 
die beste Zeit ihrer Wirksamkeit wird später noch gehandelt werden. 
Auch in ihnen werden die Käfer zerstampft oder gesammelt. 

Das Sammeln hier wie in den oben geschilderten Fangapparaten 
geschieht am besten im Accord, und man kann zu demselben mit Erfolg 
Frauen und Kinder benutzen. Die Bezahlung geschieht nach dem 
Hundert, für welches z. B. auf Tharander Revier 6 Pfennige gezahlt 
werden. 


nn nn nun ee 


Abwehr des grossen braunen Rüsselkäfers. 425 


Die Abzählung wird meist den Sammlern überlassen, und man ver- 
langt dann, dass die Käfer todt zu 100 oder 500 in Düten gepackt abgeliefert 
werden und prüft bei jeder Ablieferung ein’'ge Düten als Stichproben auf die 
Richtigkeit der Zahl. Man kann aber auch die Bestimmung der Zahl dem Per- 
sonal übertragen, und da das jedesmalige direkte Zählen zu beschwerlich, so 
zählt man den Inhalt eines halben oder ganzen Liters mehrmals aus und nimmt 
den abgerundeten Durchschnitt dieser Zählungen als bestimmend an. Am besten 
werden die Käfer zuerst durch kochendes Wasser getödtet und dann abgetrocknet 
gezählt, da viel mehr nasse Käfer, deren Beine angelegt sind, in ein Gefäss 
gehen als trockene. Auf jeden Fall muss man entweder immer nass oder immer 
trocken zählen, da sonst Ungleichheiten entstehen. 


Als Beispiele starken Sammelns seien folgende erwähnt: Nach v. Bea« 
[9 5, S. 204] und Corra wurden im Jahre 1853 in der königl. Sächsischen Oberforst- 
meisterei Grillenburg in ihrem damaligen Umfange auf 14 795 Acker — 8372 ha 
Nadelholzfäche gesammelt rund 1427000 Stück Käfer mit einem Aufwand von 
rund 1096 M. In den Jahren 1381—1884 wurden nach v. Orpen [435, S. 83] 
im königl. Sächsischen Forstbezirke Bärenfels auf sieben Revieren gesammelt: 


HSSTRRE 2 A 32800 
HSS SER u U er ERBEER WEN 220 281365600 
SS Eee we 2500, 
IS ER ER 22231/662200 


Summe. . 9852600, 
von denen auf die einzelnen Monate folgende Procente kamen: 
Mai Juni Juli August September 
12°), 43%), 27) 12"), 6% 


Beim Beginn des Fanges, wenn die Lente noch nicht geübt sind, kann 
man etwas mehr zahlen als späterhin, desgleichen am Ende der Fangzeit, wenn 
die Käfer schon wieder seltener werden. Dort, wo Rüsselkäfergräben vorhanden 
sind, muss man den Preis entsprechend niedriger setzen. Die Fangrinden, Fang- 
kloben u. s. f. lässt man am besten durch das Schutz- und Hilfspersonal herstellen. 

b) Durch Schlagruhe oder Liegenlassen der Schläge. 
Diese Massregel bezweckt, die Bestandsbegründung auf eine Zeit zu 
verlegen, wo auf der zu kultivirenden Fläche keine oder nur noch wenig 
Rüsselkäfer anzutreffen sind. Wird gleich im Frühjahr nach der 
Hiebsführung, noch dazu auf ungerodeter Schlagfläche kultivirt, so 
finden die aus den Wurzeln im zweiten Sommer ausschlüpfenden 
Käfer sofort Nahrung und vernichten jede Pflanze. Da die Käfer 
ferner Keimlinge weniger gern angehen, so wird meist für Saat eine 
einjährige, für Pflanzung eine zweijährige Schlagruhe empfohlen. 
Namentlich im ersteren Falle ist von einer nachtheiligen Verange- 
rung und Verunkrautung der Schläge noch nicht die Rede, und es 
hat sich die Massregel auf den meisten Revieren als höchst segens- 
reich erwiesen. 


c) Durch Vertreibung des Käfers. Die hierzu empfohlenen 
Mittel sind der Schafeintrieb und das Kalkstreuen. Beide 
dürften heute nur noch wenig angewendet werden, namentlich das 
letztere, das sich ziemlich nutzlos erwiesen hat, 

Das Aushüten der Kulturen mit Schafen soll nach einer grösseren 
Anzahl von Berichten aus der Praxis den Rüsselkäfer sicher vertreiben. Uns 


ist nicht bekannt, dass neuerdings dieses übrigens noch von BorG6GrREvE [8] 
1881 erwähnte Mittel wirklich in grösserem Massstabe angewendet würde. 


Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde, 28 


426 Kap. IX. Die Käfer. 


Namentlich dürfte die Gefahr des Verbeissens seitens der Schafe gegen dasselbe 
sprechen. Es ist uns auch nicht gelungen nachzuweisen, wo dieses Mittel zuerst 
empfohlen wurde. Vielleicht war es Forstmeister NerscH [39a, S. 64, Anmerk. d. 
Redaction]; in einem daselbst angeführten Briefe von PreıL wird es als im 
Hannover'schen ganz gebräuchlich bezeichnet. Desgleichen empfehlen die Schaf- 
weide FıscuzAcH [18] mit Rücksicht auf Erfahrungen in Württemberg und zwei 
Anonymi J. F. und M. W. [72] nach Versuchen im südlichen Böhmen. Der 
Versuch wird aber auch von einem so gewiegten Beobachter wie v. Lırs [392, 
S. 178] nach eigener Erfahrung als in der Praxis vollständig geglückt bezeich- 
net. Er ist der Meinung, dass die scharfe Ausdünstung der Schafe und ihres 
Kothes die Hauptursache des Verschwindens des Käfers sei. Zugleich werde aber 
auch der dem Käfer Deckung gewährende Graswuchs in Schranken gehalten. 


Der Versuch, die Rüsselkäfer durch Bestreuen der Kulturen mit 
Kalkpulver aus denselben zu vertreiben, ist zuerst von RuscH [52] in der 
Oberförsterei Grundschütz bei Oppeln in Oberschlesien gemacht worden. Das 
Kalkpulver wurde dadurch gewonnen, dass man Haufen ungelöschten Kalkes 
unter einer Erd- oder Rasendecke an der Luft zerfallen liess. Haass [24 a] erfand 
zum Einstreuen einen eigenen „Kalkeinstäuber”, aber schon WeınscHenk [66] 
überzeugte sich von der vollkommenen Nutzlosigkeit der Massregel. 


d) Durch richtige Kulturmethode. Im Durchschnitt ist die 
Saat der Pflanzung vorzuziehen, weil sie viel mehr Pflanzen liefert. 
Andererseits sind jüngere und schwächere Pflanzen, wenngleich der 
Käfer ganz junge nicht gerade bevorzugt, dem Frasse ebenfalls aus- 
gesetzt und unterliegen ihm leichter als kräftige, etwas ältere. Will 
man daher pflanzen, und dies ist wohl heutzutage vielfach der Fall, 
so wirke man besonders bei der so empfindlichen Fichte, aber auch 
bei Kiefer, auf die Erziehung kräftiger Pflanzen; man vermeide also 
zu dichten Stand der Pflanzen in Saat- und Pflanzbeeten und Verdäm- 
mung durch Unkraut, wobei Rasenasche vortreffliche Dienste leistet; 
denn nur so erhält man Kulturpflanzen, welche einen den Käfer nicht 
einladenden, stark berindeten Wurzelknoten und weit herabreichende 
Benadelung haben. Hrımıcke [26] giebt ausserdem viel auf die Herbst- 
pflanzung, weil im Herbste die Rinde härter wird, und vorzüglich weil 
die Käfer im Herbste weniger fressen. Hügelpflanzung und Ballenpflan- 
zung werden ebenfalls vielfach empfohlen, weil auf solchen Kulturen 
die Pflanzen sicherer ünd schneller in normales Waehsthum kommen 
und daher widerstandsfähiger sind, als dies bei anderen Kultur- 
methoden der Fall ist. Ausführlich bespricht Grimm [21], besonders für 
die Bayerischen Verhältnisse, waldbauliche Vorbeugungsmassregeln 
gegen den Rüsselkäfer bei langsamer Vorverjüngung der Fichten und 
„Absäumungshieben” der Kiefern. 


B. Sehutz der einzelnen Pflanzen wird erreicht: 


a) In Fichtenpflanzungen durch Einsprengung der im Durch- 
schnitt den Käfern genehmeren Kiefern, welche gewissermassen die 
Käfer von den Fichten ablenken. 


b) Bei Kiefer und Fichte für kürzere Zeit nach der Pflan- 
zung, bis sich die Pflänzchen ordentlich erholt haben, durch Ueber- 
zug des Stämmchens mit einer dem Käfer widerstehenden Substanz. 


Abwehr des grossen braunen Rüsselkäfers. 427 


Henmıckz [26] verwendete hierzu mit gutem Erfolge Lehm; die Pfänzchen 
werden bis zur Hältte ihrer Stämmehen in einen dünnen Lehmbrei eingeschlagen 
und dann gepflanzt, sodass nach dem Trocknen eine Kruste bleibt, die nur lang- 
sam vom Regen abgespült wird. Rusarrer |5l] bestrich die Pflanzen vor der 
Pflanzung mittelst einer Bürste oder eines Pinsels bis zum ersten Quirl mit 
Theer, mit besonderer Schonung von Nadeln und Wurzeln. Letzteres Mittel 
wurde in Böhmen schon 1826 vorgeschlagen, wie Water [62, S. 15] mittheilt, 
allerdings nur, um die stehenden, verschonten Fichten in einer Pflanzung vor 
dem Käfer zu retten; in dieser Form verdient die Massregel die Kritik WALTER’s, 
der sie als im Grossen undurchführbar bezeichnet. 

c) Bei Laubholzpflanzungen auf altem Nadelholzboden oder in 
der Nähe von Hauptbrutherden der Rüsselkäfer kann man die ein- 
zelnen älteren Heister, namentlich die Eichenheister, durch breite 
Theerringe, die ziemlich tief angelegt werden können, schützen; 
im Folgejahre, nach der Eintroeknung, sind sie zu erneuern. Da man 
die Ringe aber im Sommer legen muss, ist möglichst zäher Leim zu 
wählen [Arrum 1 n]. 


II. Indirekter Schutz der Kulturen wird erreicht: 


A. Durch Verminderung der Brutstätten und durch 
Larvenvertilgung. 


a) Das Roden der Nadelholzwurzeln auf den frischen Schlägen 
entzieht dem Käfer zweifelsohne eine Menge von Brutplätzen, und 
es ist unzweifelhaft, dass auf einer Winterschlagfläche, auf welcher 
bereits beim Hiebe oder im zeitigen Frühjahr die Rodung gründlich 
durchgeführt wurde, und von welcher der die Käfer im Frübjahr 
anlockende Abraum entfernt worden ist, sich weniger Käfer ent- 
wiekeln können, als auf einer nicht so behandelten. Namentlich ist 
nach Ep. Hryer [28] Rodung mit dem Waldteufel zu empfehlen. 
Am vollständigsten erreicht man aber die Säuberung des Bodens, wenn 
man nach dem Kahlabtrieb des Bestandes einige Jahre Waldfeld- 
bau treibt. Hierzu bringt Ev. Hryer gleichfalls gewichtige Bei- 
spiele aus der Praxis. Auch auf der Herrschaft Pisek in Böhmen hat 
man, wie die Verhandlungen des Böhmischen Eorstvereins 1861 be- 
weisen, den Rüsselkäferfrass durch Waldfeldbaubetrieb vollständig 
verhindert. 

Man daıf aber nie vergessen, dass man auch durch die sorg- 
fältigste Rodung beim Hieb oder kurz nach demselben eben nur auf 
der so behandelten Fläche die Entwickelung der Käfer 
verhindert, dagegen aber kaum eine Verminderung derselben 
überhaupt erreicht. Eine solche Massregel kann daher nur dort 
anempfohlen werden, wo aus irgend welchen zwingenden Gründen 
unmittelbar nach dem Hiebe die Schlagfläche wieder in Kultur ge- 
bracht werden soll. Ueberall, wo dies nicht der Fall ist, ist es besser, 
die Rodung erst dann vorzunehmen, wenn die Wurzeln bereits mit 
Brut besetzt sind. Eine soleme Rodung vernichtet, wenn sie mit 
baldiger Abgabe, beziehungsweise Verbrennung der Stöcke verbun- 
den ist, einen grossen Theil der überhaupt zur Entwiekelung gekom- 
“ menen Larven. Verbrennen des in gleichmässigen Haufen über den 
28* 


[7] 


8 Kap. IX. Die Käfer. 


Schlag vertheilten Abraumes im Frühjahr kann auch noch die von 
ihm angelockten Käfer mit vernichten, und hierbei gewinnt man noch 
nebenbei zu Düngungszwecken geeignete Asche. 


Dieses letztere Mittel wird bereits 1852 von Werısschenk [66, S. 147] 
mitgetheilt und neuerdings von Engter [l6] und Borscreve [8] empfohlen. 


Natürlicherweise muss das Roden jedenfalls beendet sein, ehe 
die Käfer ausschlüpfen, und je nach der Auffassung, welche die ein- 
zelnen Forscher über die Generation der Rüsselkäfer gewonnen haben, 
wechselt der von ihnen für die Beendigung der Rodung angegebene 
Termin. So lehrt Aurum [I f, S. 158], dass die Rodung bis zum 
Juni des zweiten auf das Schlagjahr folgenden Jahres zu beenden 
sei, während v. Oppen der Ansicht ist, dass man bereits im zweiten 
Winter fertig sein müsse. Letzteres dürfte sich schon aus dem Grunde 
empfehlen, weil man dann sicher nicht zu spät kommt. 

Will man durch diese Massregel zugleich die wurzelbrütenden Hylesinen 
treffen, so ist bereits im Sommer des ersten Jahres zu roden. Da dann aber 
wohl vielfach noch nicht die Ablage der Eier der Rüsselkäfer vollendet ist, so 
ist es nur consequent, wenn Diejenigen, welche mit Eıcnnorr [15, S. 486—487] 
den Schwerpunkt der Massregel auf die Vernichtung der Brut in den Schlägen 
gelegt wissen wollen, auch das Auslegen von Brutknüppeln noch vor der Abfuhr 
der gerodeten Wurzeln empfehlen, um die weitere Käferbrut aufzunehmen. Aus 
allen diesen Erwägungen erklärt es sich auch, wie v. Orrrn dazu kommen kann 
[435, S. 148], die Baumrodung als geradezu verwerflich zu bezeichnen. Anders 
würde sich dies allerdings stellen, wenn der Vorschlag vos Scuemeer [34, S. 364] 
befolgt werden könnte, vor dem Hiebe die gesammte Holzmasse zuvor zu 
ringeln, dann würden bereits die Wurzeln der noch stehenden Bäume bei der 
Rodung mit Brut besetzt sein können, was allerdings der ursprüngliche Vor- 
schlag nicht bezweckt. 

Bei Eichenschälwald, in welchem Nadelholzstreifen eingesprengt waren, 
kann nur die baldige Rodung der Nadelholzwurzeln, soweit dies ohne Beschädi- 
gung der Eichenwurzeln möglich ist, helfen; und die Massregel muss durch 
Auslegung von Fangmaterial zur Zeit des Auskommens der Käfer aus den übrig- 
gebliebenen Wurzeln verstärkt werden. Eichenschälwaldanlagen auf Nadelholz- 
abtriebsfächen dürfen nur nach vorheriger gründlicher Stockrodung oder nach 
zweijähriger Schlagruhe begründet werden. 


b) Brutknüppel. Man kann die Käfer auch durch Darbietung 
künstlicher Brutstätten zur Unterbringung ihrer Eier an solchen 
Plätzen veranlassen, an welchen man die Larven späterhin leicht 
vertilgen kann. Man braucht hierzu die Brutknüppel oder Brut- 
stangen, d. h. armdicke bis mannslange Knüppel oder Stangen von 
Kiefern und Fichten, mit glatter Rinde, welche im April und Mai, 
wenn der Saft schon darin ist, gehauen und auf den Schlägen zu 
je 2-3 Stück so eingegraben werden, dass sie, an dem einen Ende 
30—50 cm hoch mit Erde bedeckt, die Wurzelstränge gleichsam nach- 
ahmen, aber am anderen, etwa 3—5 cm hervorragenden Ende erkannt 
werden können; nöthigenfalls sind sie des leichteren Auffindens wegen 
hier auch noch durch Brüche oder Pflöcke zu bezeichnen. An diesen 
Stangen, besonders wenn sie in den jungen Schonungen ausgelegt werden 
— weniger im haubaren Holze oder auf frisch abgeholzten Schlägen, 
wo die Käfer den Wurzelsträngen den Vorzug geben —, legen die 


PZN 


Abwehr des grossen braunen Rüsselkäfers. 429 


Käfer sehr gern, und man kann die Brut hier leicht beobachten und 
vertiligen. Auch beachte man hier die Möglichkeit einer einfachen 
Generation und revidire vor Winter noch die Stangen, um, im Falle 
die Brut schon flugfertig wäre, sie sogleich zu entfernen. 


Vielfach werden die hier geschilderten Vorrichtungen „Fang”-Knüppel 
genannt. Da dies aber äusserst leicht zu Missverständnissen Anlass giebt, benutzen 
wir lieber den obigen, zuerst von Eıchuorr [15] angewendeten Namen. Die 
Brutknüppel sind Anfangs der Fünfzigerjahre durch v. Lırs erfunden worden, 
und Rartzegure hat zuerst hierüber berichtet [48 c, S. 230]. Der Erfinder giebt 
selbst genauere Mittheilungen im Jahre 1858 [39c]. Auch Geror« [19 a und e] 
empfiehlt diese Massregel. Neuerdings berichtet auch HarrrLesen [25], dass 
diese Massregel schon seit 1853 im Hannover'schen Harze völlig bekannt war. 
In neuester Zeit wird sie wieder durch v. Orpen sehr warm empfohlen, und 
zwar [43c, S. 358] in zweimaliger Anwendung auf jeder Schlagfläche: 1. Im Jahre 
der Schlagführung behufs Erlaugung der Brut von auf die Schläge einwandern- 
den Käiern; 2. im Jahre nach der Schlagführung behufs Erlangung der Brut 
der daselbst entstehenden Käfer. Vom theoretischen Srandpunkte aus scheint 
uns er-teres nur dann nothwendig zu sein, wenn sehr zeitig, z. B. wegen der 
Hylesinen, gerodet werden muss, und letzteres wegen der Kostspieligkeit ver- 
werflich. Die Vertilgung von 8400 Stück Larven an 78 Brutknüppeln kostet 
nach v. Orren 17 M 8 Pf, 100 Stück kosten also 20 Pf, während dort beim 
Sammeln für 100 Käfer nur 6 Pf gezahlt werden. v. Orrzn sucht aber diese 
Preisdifferenz dadurch abzuschwächen, dass er sagt, hierdurch wären für die 
nächste Generation 68400 Käfer weniger geworden. Dies ist aber offenbar ein 
Trugschluss, denn man hätte dasselbe erreichen können, wenn man auf dem 
Schlage die Eltern, welche die 8400 Larven produeirt haben, abgefangen hätte, 
d.h. nur 840 Käfer, vorausgesetzt, dass davon die Hälfte Weibchen gewesen seien, 
von denen jedes 20 Eier gelegt hätte. Bei Anwendung von Fangrinden ete. im 
Jahre nach der Schlagführung hätte dies nicht 17 M 8 Pf, sondern nur 54 Pf 
gekostet, und obendrein hätte man alle doch vielleicht von denselben Weibehen 
an anderes Brutmaterial abgelegten Eier auch noch mit in dem Kauf gehabt. 


B. Durch Forsteinrichtungsmassregeln. Am besten kann 
man den Rüsselkäfer bekämpfen, wenn durch eine rationelle Forst- 
einrichtung für die Bildung kleiner Hiebszüge gesorgt wird, welche 
einen solchen Wechsel der Schläge ermöglichen, dass von keiner 
Kultuifläche aus eher weiter geschlagen wird, bis der junge Bestand 
kräftig genug geworden ist, um den ihn etwa noch treffenden Rüssel- 
käferfrass auszuhalten. Letzteres ist sicher der Fall, wenn an einem 
und demselben Orte in jedem Jahrzehnt nur einmal geschlagen wird. 


Auf die Wichtigkeit der Bildung kleiner Hiebszüge, welche nicht blos wegen 
der Insektengelahren, sondern überhaupt auch wegen des aus noch anderen Gründen 
wünschenswerthen Schlagwechsels nothwendig ist, hatin der Literatur am entschie- 
densten und wiederholt Jupeıch aufmerksam gemacht. Es erscheint unbegreif- 
lich, dass si’'h noch heute Stimmen geltend machen, welche davon nichts wissen 
wollen. Wenn in einem 1200 ha grossen Reviere 30 Hiebszüge gebildet werden, 
deren jeder im Durchschnitt 40 ha gross ist, so ist es möglich, jährlich in 
drei verschiedenen Orten zu schlagen und doch erst nach zehn Jahren mit dem 
Hieb an denselben Ort zurückzukehren. Für den 100jährigen Umtrieb würde 
jeder Einzelschlag die ganz entsprechende Grösse von etwa 4 ha erhalten. Wäre 
dieses Ziel der Forsteinıichtung errei ht, so wäre es nicht möglich, dass von 
einem neuen Schlsge Rüsselkäfer in solche Kulturen wanderten, welchen deren 
Frass noch verderblich wird. Dass man ein solches Ziel wegen der meist sehr 
ungünstigen Bestaudsgruppirung im wirklichen Walde oft üb-rhaupt nicht voll- 
ständig erreichen kann, oft erst nach Verlauf mehrerer Umtriebszeiten, kann 


430 Kap. IX. Die Käfer. 


und darf uns nicht davon abhalten, ihm zuzustreben. Man soll das Beste nicht 
des Guten Feind sein lassen. Weil unsere Vorfahren eine rationelle Eintheilung 
des Waldes in kleine Hiebszüge nicht kannten, sind wir heute wicht mehr ent- 
schuldigt, wenn wir unseren Nachkommen dieselbe fehlerhafte Eintheilung über- 
geben. Wie man sich bei ungünstiger Bestandsgruppirung durch Loshiebe, durch 
Bildung vorübergehender Hiebszüge zu helfen hat, zeigt uns die Lehre der 
Forsteinrichtung. Kaum bedarf es der Erwähnung, dass natürlich in sehr kleinen 
Wäldchen ein soleher Schlagwechsel überhaupt nicht zu erreichen ist; dort 
lassen sich aber auch leichter andere Vertilgungsmittel mit Erfolg anwenden. 

Der richtige Gedanke, namentlich des grossen Rüsselkäfers wegen, nicht 
fortwährend Schlag an Schlag zu reihen, hat übrigens in der Literatur schon 
oft Ausdruck gefunden, ist aber noch lange nieht genügend in die Praxis über- 
gegargen. Auch neuerdings ist mehrfach diese Forsteinrichtungsfrage betont 
worden, so z. B. von Forstmeister ScnuLemann zu Bromberg [57]. Derselbe will 
in jeder Abtheilung — jedem „Distriet”’” — zwei Jahresschläge zu etwa 7 ha 
hintereinander führen, und zwar so, dass während dieser zwei Jahre die südliche 
Hälfte der etwa 28 ha grossen Abtheilung entnommen wird, Er nimmt an, dass 
die auf dem ersten Schlage sofort auszuiührende Kiefernsaat vom Rüsselkäfer 
nicht befallen werde, was übrigens doch etwas zweifelhaft ist. In dem von ihm 
gegebenen, durch eine Karte verdeutlichten Beispiele eines 800 ha grossen, 
ebenen Kiefernforstes erhält er auf diese Weise allerdings jährlich nur eine 
einzige Schlagfäche. Nach zehn Jahren wird die nördliche Hälfte der Abtheilung 
abermals in zwei Jahresschlägen verjüngt. Der Zweck des vorbeugenden Schutzes 
gegen den Rüsselkäfer wird dadurch freilich erreicht, allein die gavze von ihm 
vorgeschlagene Hiebsordnung im Rahmen einer veralteten Periodentheilung ist 
unserer Ansicht nach keine glücklich gewählte; im Kiefernwalde ist sie allen- 
falls anwendbar, wenn auch nicht zweckmässig, für den Fichtenwald wäre sie 
im höchsten Grade fehlerhaft. 

In anderer Form sucht, wie Arrum mittheilt. Oberförster GoDBERSEN [I 2, 
S. 306] den Schutz gegen Rüsselkäferfrass durch Schlagwechsel zu erreichen. 
Die Schläge sollen mindestens 100 m entfernt von den am meisten gefährdeten, 
3— jährigen, Kulturen liegen, und soll erst dann ein Schlag auf die Kultur 
folgen, wenn diese dem Frasse des Rüsselkäfers der Hauptsache nach entwachsen, 
also etwa Sjährig ist. Ein zum Hiebe stehender Bestand soll nun im ersten 
Jahrzehnt mit 60—80 m breiten Coulissen durchhauen werden, im zweiten Jahr- 
zehnt kommen die stehengebliebenen Streifen zum Abtriebe. Vor der Kultur 
mit einjährigen Pflanzen bleibt der Schlag zwei Jahre liegen, es wird also die 
erste Coulisse im dritten Jahre bepflanzt, und erst im 11. Jahre von jetzt an 
gerechnet gelangt der an diese erste Kultur angrenzende Streifen des Altholzes 
zum Hiebe. Ganz gewiss ist auch durch dieses Verfahren ein vorbeugender 
Schutz gegen Rüsselkäferfrass gegeben, vorausgesetzt, dass die 10 Jahre stehen 
bleiben sollenden Streifen des Altholzes dies wirklich thun und nicht durch 
Sturm oder andere Unfälle Schaden leiden. Wäre letzteres der Fall, so würde 
man durch solche Coulissenschläge die Gefahr des Rüsselkäferfrasses wesentlich 
vermehrt, anstatt vermindert haben. Im Kiefernwalde mag eine solche Schlag- 
führung allenfalls möglich, daher unter Umständen vielleicht sogar zu gestatten sein, 
dort nämlich, wo sehr grosse, gleichalterige Bestände im Zusammenhange zum 
Hiebe vorliegen. Im sturmgefährdeten Fichtenwalde ist sie ganz verwerflich, wie 
hundertfältige Erfahrungen gelehrt haben. Die im Fichtenwalde mögliche Coulissen- 
wirthschaft des Hochgebirges, wo die Bäume sehr kurz und stämmig sind, hat 
für die Rüsselkäferfrage keine Bedeutung. Immerhin ist aber wohl zu bedenken, 
dass man dort, wo in Kiefern die Standortsverhältnisse eine Coulissenwirthschaft 
wirklich ermöglichen, meist auch durch Loshiebe im Altholz eine entsprechende 
Waldeintheilung in kleine Hiebszüge schaffen kann, während die Coulissen- 
schläge für die Zukunft abermals eine ungünstige Bestandsgruppirung zur 
Folge haben. 


C. Dass auch die Schonung der Feinde der Riüsselkäfer, 
namentlich die aller insektenfressenden Säuger, einschliesslich Fuchs 


Abwehr des grossen braunen Rüsselkäters, Literaturnachweise. 431 


und Marder, sowie der insektenfressenden Vögel, namentlich auch der 
Krähen, geeignet ist, das Gleichgewicht im Forsthaushalt zu beför- 
dern, ist selbstverständlich. Von irgendwelcher genaueren Darlegung 
dieser Frage müssen wir aber hier absehen, weil diese theoretisch 
ganz richtigen Massregeln nur in den seltensten Fällen draussen in 
der Praxis wirklich durchgeführt werden dürften. 


Fassen wir den neueren Standpunkt der Rüsselkäferfrage kurz 
zusammen, so müssen wir besonders darauf hinweisen, dass jetzt der 
Schwerpunkt weniger darauf zu legen ist, die Kulturen direkt zu 
schützen, als vielmehr darauf, die Menge der Rüsselkäfer zu vermin- 
dern. Das oft jahrzehntelange, mit grossen Opfern durchgeführte 
Sammeln auf den Kulturen selbst hat verhältnissmässig nur wenig 
genützt, und man wendet sich deshalb mehr zur Bekämpfung des. 
Käfers auf seinen Brut- und Geburtsstätten. Hier ist er zu sammeln 
oder bei seinem Abmarsch abzufangen, so dass er überhaupt wo- 
möglich zu keiner Fortpflanzung komme. Dies ist um so wichtiger, 
nachdem v. Lips, Zimmer und v. Oppen uns die Langlebigkeit des- 
selben kennen gelehrt haben. Wird diese Massregel künftighin in 
Verbindung mit einer zweckmässigen Forsteinrichtung durchgeführt, so 
dürfen wir wirklich darauf hoffen, in Zukunft des bösen Feindes 
allmählich Herr zu werden. 


Literaturnachweise zudem Abschnitte „Rüsselkäfer 
und Verwandte”. I. Aurum, B. a) Cureulio geminatus. Zeitschrift 
für Forst- und Jagdwesen V, 1873, 8. 32—39. b) Zoologische 
Miscellen. Daselbst VII, 1875, S. 368 und 369. c) Zoologische Mi- 
scellen: Der Buchen-Springrüsselkäfer, der Strahlenfrass der Pissodes- 
larven, die Generation der Pissoden. Daselbst VIII, 1876, S. 283 
und 284 und S. 494—496. d) Der Kiefernstangen-Rüsselkäfer. Da- 
selbst X, 1879, 8. 85—92. e) Der grosse braune Rüsselkäfer (Hylo- 
bius abietis L.) als Laubholzzerstörer. Daselbst XII, 1880, 8. 608 
bis 611. f) Zur Entwickelungsgeschichte und Vertilgung des grossen 
braunen Rüsselkäfers, Hylobius Abietis L. (bei Ratzeburg Cureulio 
pini). Daselbst XVI, 1854, S. 140—167. g) Zerstörung junger Fichten- 
pflanzen durch Strophosomus ceoıyli und ÖOtiorrhynchus ovatus, Da- 
selbst 1885, XVII, 8. 587—591. Ah) Anthribus varius als Schild- 
lausvertilger. Daselbst XVII, 1885, S. 710. ) Pissodes validirostris 
Schönh. (strobili Redtb.), Zerstörer von Kiefernzapfen. Daselbst XVIII, 
1886, S. 43—44. k) 1. Forstzoologische Beobachtungen im Sommer 
1886; 2. zur Generation des Pissodes notatus; 3. zur Generation des 
Pissodes piniphilus. Daselbst XIX, 1887, S. 113—114. /) Altes und 
Neues über Entwiekelung, Lebensweise und Vertilgung des grossen 
braunen Rüsselkäfers. Daselbst XIX, 1857, S. 299—307. m) Zur 
Vertilgung der wurzelbrütenden Hylesinen und des grossen braunen 
Rüsselkäferss auf Kiefernkahlschlagflächen. Daselbst XIX, 1887, 
S. 393—400. n) Rüsselkäfergefahr für Eicheneulturen, Daselbst XIX, 
1887, 8. 639—644. — 2. Assmann. Auftreten des Curculio (Hylo- 


432 Kap. IX. Die Käfer. 


bius) pini und des Strophosomus coryli. Forstliche Blätter 1875, 
S. 258 u. 260. — 3. Auhagen. Ueber das Auftreten des Harz- 
rüsselkäfers (Cureulio Hercyniae). Allgemeine Forst- und Jagdzeitung 
XXXVI, 1860, 8. 462. — 4. Berine. a) Der Harzer Rüsselkäfer. 
Allgemeine Forst- und Jagdzeitung XXXIX, 1863, 8. 167—170. 
b) Der Buchenrüsselkäfer und der Saatrüsselkäfer, Tharander Jahrbuch 
XXI, 1871, S. 78 u. 79. c) Entomologische Mittheilungen. Daselbst 
XXXII, 1883, S. 87—100. d) Der grosse schwarze Fichtenrüssel- 
käfer. Daselbstt XXXVIL 1887, S. 86—92. — 5. v. Bere. 
a) Der rothfüssige Rüsselkäfer. Allgemeine Forst- und Jagdzeitung 
1827, 8. 555. b) Beiträge zur Beantwortung der Frage: Wie ist 
dem Schaden des grossen braunen Kiefern-Rüsselkäfers zu begegnen ? 
Tharander Jahrbuch X, 1854, S. 201—209. — 6. Biepermann. Zur 
Rüsselkäferfrage. Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen XVII, 1885, 
S. 594—599, mit Nachschrift von Altum. — 7. v. DER Borck. Der 
Rüsselkäfer, Carabus aterrimus. G. L. Hartig’s Journal für das 
Forst-, Jagd- und Fischereiwesen 1806, 8. 655. — 8. BorsGrevez, B. 
Zur Generation der forstschädlichen Rüsselkäfer. Forstliche Blätter 


XVII, 1881, S. 347—351. — 9. Bracamann. Ueber Verbrei- 
tung und Auftreten des Strophosomus coryli. Tharander Jahrbuch 
XXIX, 1879, S. 72—76. — 10. Briscake, G. 8. A. Ueber die 
Larven von Sitones hispidulus Fabr. Entomologische Monatsblätter 
1876, 8. 38. — Il. Czecn J. Entomologische Notizen. (Brachyderes 
incanus L.) Centralblatt für das gesammte Forstwesen VI, 1880, 
S. 123. — 12. Deser. Beiträge zur Lebens- und Entwickelungsge- 


schichte der Rüsselkäfer aus der Familie der Attelabiden. 1. Abth. mit 
einer mathematischen Zugabe von E. Heiss. 4, Bonn 1846, 55 S. mit 
4 Tafeln. — 13. Desprocuzrs ves Loges, J. Monographie des Phyllo- 
biides d’Europe. L’Abeille. M&moires d’entomologie par de Marseul XI, 
1875, 8. 659— 748. — IA. Dösner. Ueber die richtige Benennung des 
grossen und kleinen Kiefern - Rüsselkäfers. Allgemeine Forst- und 
Jagdzeitung XXXIX, 1863, 8. 231—285. — 15. Eıcahnorr, W. Zur 
Naturgeschichte des grossen braunen Rüsselkäfers. Zeitschrift für 
Forst- und Jagdwesen XLI, 1884, 8. 473—490. — 16. Enter. Ein 
Beitrag zur Rüsselkäferfrage. Forstliche Blätter XIX, 1882, 8. 174 
und 175. — 17. v. Ernst. Entomologische Aphorismen. Verhandlungen 
des Schlesischen Forstvereins 1851, S. 2933—296. — 18. Fıscugaca, C. 
Der Rüsselkäfer, vertrieben durch Schafweide. Monatschrift für das 
Forst- und Jagdwesen 1869, 8. 142 und 143. — 19. Geore, W. 
a) Insektensachen. Pfeil’s Kritische Blätter XL, 1, 1858, $. 160 
bis 168. b) Die Pissodes-Arten in der Umgegend von Lüneburg und 
über die Vertilgungsmittel wider dieselben in Burckhardt’s Aus dem 
Walde, Heft 1, 1865, $S. 114—122. c) Die Vertilgung des Rüssel- 
käfers Hylobius Abietis Fabr. ete. durch Fangknüppel. Daselbst Heft 1, 
1865, 8. 122—125. — 20, Grese, F. Specielle, den Harzrüsselkäfer 
im königlich Hannover’schen Lautenthaler Forstreviere betreffende 
Erfahrungen. Grunert’s Forstliche Blätter, Heft 5, 1863, S. 202 bis 


Literaturnachweise über Rüsselkäfer. 435 


205. — 21. Grimm. Ueber die Verhütung des Rüsselkäferschadens in 
Fichten- und Föhrenbeständen. Allgemeine Forst- und Jagdzeitung 
LIII, 1877, S. 336—341. — 22. Gumtau. Beschädigung junger 
Fiehtenbestände in der Öberförsterei Königshof durch Insekten in 
den Jahren 1847 und 1848. Verhandlungen des Harzer Forstvereins, 
Jahrgang 1849—1852, S. 17—20. — 23. Gusz. Rüsselkäfergräben. 
Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen XVI, 1884, S. 519—521, mit 
Nachschrift von Altum, 8. 521—522. — 24. Hass. a) Der Kalk- 
einstäuber zur Abwehr der Verwüstungen durch den grossen braunen 
Rüsselkäfer. Verhandlungen des Schlesischen Forstvereins 1851, 
S. 290—292; b) Ueber den schwarzen Rüsselkäfer Cureulio ater ete. 
Daselbst 1854, S. 146—148. — 25. Harrıegen. Zur Rüsselkäfer- 
frage. Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen XIX, 1887, S. 686—688. 
— 26. Hrınıckr, R. Einige Erfahrungen zur Verhütung der Rüssel- 
käferschäden. Allgemeine Forst- und Jagdzeitung XXXIV, 1858, 8. 464 
bis 467. — 27. HenscHer, G. Entomologische Notizen. Centralblatt für 
das gesammte Forstwesen V, 1879, S. 610. — 28. Hryer, Ed. Ueber 
Begegnung des Schadens durch den Cureulio pini. Allgemeine Forst- 
und Jagdzeitung XL, 1864, $. 34—36. — 29. JupeıcH, F. a) Cionus 
Fraxini, De Geer (Eschenrüsselkäfer).. 'Tharander Jahrbuch XIX, 
1869, S. 37—48. b) Entomologische Notizen. Daselbst XIX, 1869, 
S. 347 und 348. — 30. Kerner, A. Generation des Harzrüssel- 
käfers. Allgemeine Forst- und Jagdzeitung XXXXV, 1869, 8. 117. 
b) Ueber Hylobius pinastri. Protokoll der 15. Versammlung 
Thüringischer Forstwirtbe. 8. Gotha 1875. S. 17—19. — 31. Köppen, 
Fr. Tu. Die schädlichen Insekten Russlands. 8. Petersburg 1880. — 
32. Künn. Mittbeilungen über einen Frass von Otiorrhynchus ater etc. 
Tharander Jahrbuch XIX, 1869, S. 49—52. — 33. Kunze, M. 
Entomologische Notizen. Ebendaselbt XX, 1870, 8. 239. — 
34. Lang. Zur Biologie des „weissen Kiefernrüsselkäfers”. Forst- 
wissenschaftliches Centralblatt XXVI, 1882, S. 502—504. — 35. Len- 
MANN. Der Kiefernrüsselkäfer. Pfeil’s Kritische Blätter XL, 2, 1858. 
S. 168—180. — 36. Lerzwer. Bewohner und Beschädiger des Knie- 
holzes. Arbeiten der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische 
Cultur 1854, S. 87—90. — 37. Lissıch, Car. Ueber Rüsselkäfer- 
schaden. Allgemeines Forst- und Jagdjournal II, 1832, 8. 160. — 
38. v. Lmker. Der besorgte Forstmann. 8. Weimar 1798. — 
39. v. Lies. a) Der grosse Rüsselkäfer (Cureulio pini). Smoler’s 
Vereinsschrift für Forst-, Jagd- und Naturkunde, Heft 18, 1854, 
S. 55—65. b) Der Rüsselkäfer Cureulio pini. Pfeil’s Kritische Blätter 
XXXVI, 1855, 2, S. 152—181. c) Ein Beitrag zur Rüsselkäferfrage. 
Monatschrift für Forst- und Jagdwesen 1858, 8. 150—152. — 
40. Lorwunz. Das schädliche Auftreten des Harzrüsselkäfers in den 
königlich Hannover’schen Harzforsten, mit Nachschrift von M. Will- 
komm. Tharander Jahrbuch XV, 1863, $S. 235 —245. — 4l. Mar- 
rını. Den Cureulio pini betreffend. Pfeil’s Kritische Blätter XXXVI, 
1, 8. 137—149. — 42. NÖRDLINGER. a) Ueber Curculio hereyniae Hb. 


434 Kap. IX. Die Käfer. 


am Harz. Pfeil’s Kritische Blätter 1860, XLII, 2, S. 288 bis 
290. b) Der Harzer Rüsselkäfer Curculio hereyniae Hb. Pfeil’s 
Kritische Blätter 1863, XLVI, 1, S. 260—263. — 43. v. Oppen, G. 
a) Zur Lebensdauer des Hylobius abietis. Zeitschr. f. Forst- u. Jagdwesen 
XV, 1883, S. 547—548. 5) Untersuchungen über die Generations- 
verhältnisse des Hylobius abietis. Ebendaselbst XVII, 1885, S. 81 
bis 118 und 8. 141—155. c) Zur Rüsselkäferfrage. Ebendaselbst 
XIX, 1887, 8. 344—362. — 44. Österbers, Ep. Schaden, veranlasst 
durch die Larve von Cryptorrbhynchus Lapathi in den Stadt- und 
Stiftswaldungen von Lauingen a. d. Donau. Monatschrift für das 
Forst- und Jagdwesen 1859, 8. 354—256. — 45. Pascuen, F. 
a) Ueber die Anwendung von Fanggräben, insbesondere zur Ver- 
tilgung des Cureulio pini. Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen XIV, 
1882, S. 533—535; 5b) Cureulio (Strophosomus) obesus und das 
Auftreten desselben in der grossherzoglich Mecklenburgischen Forst- 
inspection Caliss, mit Nachschrift von Altum. Zeitschrift für Forst- 
und Jagdwesen XVIII, 1886, S. 339— 395. — 46, Prrrıs, E. Histoire 
des insectes du pin maritime. Annales de la soc. entomol. de France 
gi’me serie, IV, 1856, p. 245—257 u. 423—486. — 47. Ranrrr. Ueber 
das gemeinsame Auftreten des Cureulio pini und Strophosomus 
coryli. Forstliche Blätter 1876, S. 61 u. 62. — 48. Rarzegurc. a) Forst- 
insekten I. Curculio ater. Pfeil’s Kritische Blätter XXIX, 2, 1851, 
S. 221—225. b) Insektensachen. Daselbst XXX, 2, 1851, 8. 155 
und 156. c) Insektensachen. Daselbtt XXXVIIL, 1, 1856, 8. 224 
bis 234. d) Die Nachkrankheiten und die Reproduction der Kiefer 
nach dem Frass der Forleule. 8. Berlin 1862. e) Forstinsekten- 
sachen. Nr. 1. Kiefernstangen-Rüsselkäfer Cureulio (Pissodes) pini- 
philus. Nr. 2. Harzrüsselkäfer Curculio (Pissodes) Hercyniae. Nr. 3. 
Erlenrüsselkäfer Cureulio Lapathi. Grunert’s Forstliche Blätter, 
Heft 5, 1863, 8. 151—161. — 49. Rıreer. Beitrag zur Kenntniss 
der Lebensweise des Weisstannen-Rüsselkäfers Curculio (Pissodes) 
Piceae Jll. Monatschrift für das württembergische Forstwesen III, 
1852, 8. 28 und 29. — 50. RossmÄsster. Bemerkungen über einige 
bisher nur noch wenig beobachtete forstschädliche Insekten. Tharander 
Jahrbuch II, 1845, S. 197—200. — 5l. RusarteL, Ca. Schädliche 
Forstinsekten. Schweizerisches Forstjournal VI, 1855, 8. 143. — 
92. Rusch. Beobachtungen über den Rüsselkäfer ete. Verhandlungen 
des Schlesischen Forstvereins 1842, S. 115—119. — 53. ScHAAL. 
Der schwarze Rüsselkäfer. Allgemeine Forst- und Jagdzeitung XXX VIII, 
1862, 85. 320. — 54. Scnenmger. Ueber Rüsselkäferschaden. Allgemeine 
Forst- und Jagdzeitung XLIV, 1868, 8. 361— 366. — 99. SCHMIDT, A. 
Cionus fraxini. Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen 1885, XVII, 
S. 504 und 505. — 56. Scnmipr-GögeL, H. M. Der Rebenstecher, 
sein Leben und Treiben und seine Vertilgung. 8. Wien 1882, 74 8. 
mit Holzschnitten. — 57. SchuLemAann. Beitrag zur Abwendung des 
Rüsselkäferschadens in Kiefernforsten. Mit 1 Tafel. Zeitschrift für 
Forst- und Jagdwesen IX, 1878, 8. 544—548. — 38. Stem, F. Bei- 


Literaturnachweise über Rüsselkäfer, Borkenkäfer, 435 


träge zur Forstinsektenkunde. Tharander Jahrbuch VIII, 1852, 
S. 223—256. — 39. Srürtz, R. Hylobius Pineti Fabr., der grösste 
deutsche braune Nadelholz-Rüsselkäfer, als Feind der Lärche, Forst- 
liche Blätter 1873, S. 356—358. — 60. TascHuengere. Die grünen 
Rüsselkäfer Ratzeburg’s, in Judeich’s Deutscher Forst- und Jagd- 
kalender III, 2, 1875, S. 32—42. — 6l. v. Vurtesus, A. Insekten- 
schaden an den Blättern der Eiche ete. Verhandlungen des Hils- 
Solling-Forstvereins. Jahrgang 1856, S. 59—63 mit 1 Tafel. — 
62. Warrer, M. Bemerkungen über die Verheerungen des Fichten- 
rüsselkäfers, Cureulio pini Lin. und einige Hilfsmittel zur Vertilgung 
desselben. kl. 8. Carlsbad 1826. — 63. Wasmans, E. Der Trichter- 
wickler, eine naturwissenschaftliche Studie über den Thierinstinkt. 8. 
Münster 1884. 266 S. mit Holzschnitten und Tafeln. — 64. Weper- 
xınn, G. W. Das Auftreten des Harzrüsselkäfers, Cureulio (Pissodes) 
Hercyniae, an der Fichte im Forstreviere Zellerfeld in den Sommern 
1860, 1861 und 1862. Monatschrift für das Forst- und Jagdwesen 
1863, S. 100—107. — 65. WESTERMEIER. Ein Frass des Kiefern- 
stangenholz - Rüsselkäfers, Pissodes piniphilus Herbst. Allgemeiner 
Holzverkaufs-Anzeiger 1886, Nr. 36, S. 416. — 66. WeEInscHENK 
Zwei Berichte etc. Verhandlungen des Schlesischen Forstvereins 1852, 
S. 141—148. — 67. Zimmer, K. E. G. (Püchau, } 1860). Der Cureulio pini 
und Mittel zu seiner Vertilgung. Smoler’s Vereinsschrift, Heft 30. 
1858, S. 63—71; Heft 31, 1859, S. 3—26; Heft 37, 1860, S. 48 
bis 57. — 68. Zimmer, A. (Moritzburg). Neue Methode, Rüsselkäfer zu 
fangen. Forstwissenschaftliches Centralblatt XXIII, 1879, S. 256. — 
69. Zee. Aphoristische Mittheilungen. 1. Cureulio Lapathi Linn. Ver- 
handlungen des Schlesischen Forstvereins 1843, 8. 73—75. — 
70. B... Ueber Schaden an Weymouthskiefern durch Hylobius 
abietis. Centralblatt für das gesammte Forstwesen VI, 1880, 8. 277. 
— 71. Bp. Zur Geschichte schädlicher Forstinsekten. Allgemeine Forst- 
und Jagdzeitung LII, 1876, 8. 364. — 72. J. F. u. M. W. Ver- 
treibung des Cureulio Pini. Vereinsschrift des Böhmischen Forst- 


vereins,' Heft: 65, 1869..8. 74. — 73. .... Aus dem Pfälzerwalde. 
Allgemeine Forst- und Jagdzeitung XLV, 1869, 8. 473 und 474. — 
DA 4 Strophosomus limbatus. Allgemeine Forst- und Jagdzeitung 


XXXIV, 1858, S. 452. 


Die Borkenkäfer. 


Die Borkenkäfer, Scolytidae im weiteren Sinne, sind den eigent- 
lichen Rüsselkäfern zoologisch nahe verwandte, kleine bis kleinste, 
beinahe walzenförmige, tetramere Käfer mit gebrochenen, aus Schaft 
und Geissel mit Endknopf bestehenden Fühlern und nach unten ver- 
breiterten Schienen. Sie brüten fast durchweg in Holzpflanzen, aber auch 
in diesen wieder nur in den verholzten Theilen, und legen ihre Eier stets 


436 Kap. IX. Die Käfer. 


in „Muttergänge”, d. h. in Höhlungen mit kreisrunden Eingängen, 
den Bohrlöchern, welche der hierbei mit seinem ganzen Körper 
in die Pflanze eindringende Käfer nagt. (Taf. II, Fig. S—11.) 

Die weissen, fusslosen, bauchwärts eingekrümmten, weichen, nur 
am deutlich abgesetzten Kopfe stärker chitinisirten Larven sind denen 
der Rüsselkäfer so ähnlich, dass es sehr schwer hält, eine nicht mehr 
an ihrer natürlichen Wohnstätte befindliche Larve von einer ähnlich 
grossen Rüsselkäferlarve zu unterscheiden. Dagegen sind die meist durch 
das Zusammenwirken von Mutterkäfern und Larven gebildeten Frass- 
figuren so ungemein charakteristisch, dass nicht allein für den nur 
einigermassen Geübten ein Borkenkäferfrass sofort von jedem anderen 
Insektenfrasse unterscheidbar ist, sondern auch in den meisten Fällen 
aus der Gestalt der Frassfigur und der befallenen Holzart auf die Art, 
welcher der Thäter angehört, geschlossen werden kann. 


In den meisten Fällen werden wenigstens von den in Stämmen 
brütenden Nadelholzbewohnern solche mit stockenden Säften, also 
kränkliche oder beschädigte Hölzer, Windwürfe, Schneebrüche, durch 
Raupenfrass vorbereitete Stimme oder geschlagenes Holz angenommen. 
Die mehr auf schwächeres Nadelholzmaterial und Laubhölzer ange- 
wiesenen gehen aber auch au ganz gesundes Material, welches bei 
starker Vermehrung auch von den ersteren keineswegs verschont 
wird. Vielmehr bestehen gerade die stärksten Borkenkäferschäden in 
der Tödtung vorher ganz gesunder, älterer Nadelholzbestände. 

Viele Borkenkäfer sind insofern monophag, als sie eine be- 
stimmte Holzart als Brutstätte bevorzugen und nur ausnahmsweise 
auf verwandte Pflanzen übergehen. Andere, besonders eine Reihe von 
Nadelholzbewohnern, sind mehr polyphag. Ihre geographische Ver- 
breitung ist eine sehr weite und wird wohl nur durch die Waldgrenze 
beschränkt. 

Im Freien bemerkt man die Borkenkäfer nur dann in grösserer 
Menge, wenn sie schwärmen, Dieses Schwärmen findet bei den ausser- 
halb ihrer Gänge überwinternden Formen beim Eintritt der ersten 
schönen Frühlingstage statt, hingegen bei denen, welche im Frühjahr 
oder Sommer ihre Metamorphose vollenden, bald nach ihrem Aus- 
schlüpfen, immer aber nur an warmen, sonnigen Tagen gegen Mittag 
und Abend. Einige Formen, z. B. Hylesinus piniperda L., brauchen 
allerdings weniger Wärme, sind also Frühschwärmer, während 
andere erst in der wärmeren Jahreszeit auftreten, also Spätschwär- 
mer sind, z. B. Tomicus typographus L. Die Zahl der gleichzeitig 
schwärmenden Käfer ist mitunter so bedeutend, dass man an Oertlich- 
keiten mit passendem, reichlichem Brutmateriale ganze Wolken be- 
obachten, und oft mit einem Schlage des Hutes eine ganze Anzahl 
fangen kann. Die Oberfläche der Brutstätten, z. B. von geschlagenen 
Stämmen, Meterstössen u. s. f., ist dann mitunter dicht von ihnen bedeckt. 


Be 


Allgemeines über Borkenkäfer. 437 


Ist die Generation einjährig, d. h. wird ein Entwicke- 
lungseyklus im Verlaufe von ungefähr 12 aufeinander folgenden 
Monaten vollendet, so giebt es nur eine Hauptschwärmzeit; ist die 
Generation mehrfach, so folgen sich im Laufe von Frühjahr und 
Sommer mehrere Schwärmperioden. Der in der neueren Zeit heftig 
geführte Streit, ob eine bestimmte Art einfache oder mehrfache Gene- 
ration hat, ist insofern ein ziemlich müssiger, als sich diese Frage 
für die einzelne Art im Allgemeinen überhaupt nicht entscheiden 
lässt. Es hängt dies durchaus nicht von der Art, sondern von der 
Temperatur ihres Wohnortes ab. Alle Borkenkäfer, vielleicht mit 
alleiniger Ausnahme der krautartige Pflanzen bewohnenden, können 
sowohl einfache wie doppelte oder sogar mehrfache Generation haben; 
letztere kommt aber nur in verhältnissmässig wärmeren Jahren oder 
Gegenden vor. In Mittel- und Südeuropa scheint die mehrfache 
Generation Regel zu sein. Diese theoretisch im Allgemeinen unmög- 
liche Entscheidung hat aber trotzdem im gegebenen Einzelfalle, in 
einer bestimmten Gegend und in einem bestimmten Jahre, für den 
praktischen Forstmann eine sehr grosse Wichtigkeit, und es müssen 
alle Kräfte daran gesetzt werden, um Gewissheit darüber zu erlangen, 
weil nur dann die Abwehr genügend besorgt werden kann. Im 
Zweifelsfalle ist es stets zu empfehlen, sich auf eine mehrfache Gene- 
ration einzurichten. 

Nachdem die Käfer beim Schwärmen passendes Brutmaterial 
gefunden, beginnen sie sofort mit der Anlage der Brutstätten, indem 
sie ein Bohrloch nagen und durch dieses in die Pflanze eindringen. 
Ihr Verhalten hierbei ist aber sehr verschieden, je nachdem dieses 
Bohrloch bei den Rindenbrütern höchstens bis auf das Holz ge- 
trieben wird, oder bei den Holzbrütern in letzteres eindringt. 

Wir beginnen mit den Rindenbrütern. Hier wird bei den in 
Vielweiberei lebenden Formen nach Eiıcuuorr, dem neuesten und 
genauesten deutschen Monographen der Borkenkäfer [15 a], das Bohr- 
loch wahrscheinlich vom Männchen hergestellt, das alsbald unter 
diesem eine kleine Höhlung, die sogenannte Rammelkammer, aus- 
frisst, in welcher sich ihm einige Weibchen zugesellen, die nach hier 
erfolgter Begattung von der Rammelkammer, in welcher das Männchen 
zurückbleibt, ausgehend, jedes einen Muttergang an der Grenze 
von Holz und Rinde fressen und mit Eiern belegen. Bei den ein- 
weibig lebenden scheint das Weibchen auch das Bohrloch zu fressen 
und während dieser Arbeit, oder im Inneren des Ganges von dem 
Männchen begattet zu werden. Am Anfange solcher einfacher Gänge 
vorkommende Erweiterungen sind daher nicht als Rammelkammern 
anzusehen. Die Muttergänge sind entweder linear oder unregel- 
mässig. Im ersteren Falle nagt das Weibchen rechts und links kleine 
Grübchen für die Aufnahme der einzeln abgelegten Eier, und von 
diesen Eiergrübchen gehen dann die meist deutlich von einander 
getrennt bleibenden Larvengänge ab. Bei unregelmässigen Gängen 
werden die Eier haufenweise in den Gang selbst abgelegt, und die 


4538 Kap. IX. Die Käfer. 


Larven erweitern diesen Gang, geschaart fortfressend, zu einem 
Familiengange oder graben verworrene, vielfach verschmel- 
zende, unregelmässige Gänge. Je nachdem von dem Bohrloche 
nur ein Gang abgeht oder mehrere, spricht man von einarmigen 
oder mehrarmigen Muttergängen, ferner je nach der Rich- 
tung, welche der Muttergang an dem stehenden Baume hat, von 
Lothgängen und Wagegängen, Namen, welche Eıcnsorr durch 
Längs- und Quergänge zu ersetzen vorschlägt. Frassfiguren, bei 
denen mehrere einzelne Muttergänge strahlenartig von der Rammel- 
kammer ausgehen, nennt man Sterngänge. Obgleich im Allgemeinen 
die einzelnen Arten entweder ausschliesslich Loth-, Wage- oder 
Sterngänge nagen, sind doch diese Bezeichnungen nicht streng im 
mathematischen Sinne zu nehmen, und die gegebenen Raumverhält- 
nisse bedingen oft Abweichungen von der Normalform. Namentlich 
werden im schwachen Material Quergänge häufig zu Schräggängen, 
und mehrarmige Loth- oder Wagegänge nähern sich häufig der 
Sternform. Im Allgemeinen sind die Rindengänge bei Trennung von 
Rinde und Holz auf den einander zugewendeten Flächen beider zu 
erkennen, greifen aber je nach den einzelnen Arten tiefer bald in 
jene, bald in dieses ein. Während der Eschenbastkäfer, Hylesinus 
Fraxini FAgr., stets auch das Holz tief furcht, verlaufen die Gänge 
des Kiefernmarkkäfers, Hylesinus piniperda L., meist nur in der Rinde. 
Die Richtung der Larvengänge verläuft im Allgemeinen recht- 
winkelig gegen die Muttergänge, so dass also von Quermuttergängen 
längsgerichtete Larvengänge und von Längsmuttergängen quergerich- 
tete Larvengänge entspringen. Die den blinden Enden der Mutter- 
gänge zunächst liegenden Larvengänge gruppiren sich um diese 
Enden aber vielfach strahlenförmig. Bei einzelnen Formen, z. B. bei 
Hylesinus crenatus Fapr., biegen die ursprünglich längsgerichteten 
Larvengänge später in die Querrichtung über, verlaufen also schliess- 
lich dem Muttergange parallel. Die Länge der Larvengänge ist der 
Art nach sehr verschieden. Hylesinus Fraxini FaAgr. hat z. B. sehr 
kurze, Scolytus intricatus Rarz. ungemein lange Larvergänge. Die 
sich von den abgenagten Rinden- und Holztheilen nährenden Larven 
verpuppen sich nach vollendetem Wachsthume, dem die allmählich 
zunehmende Breite des Ganges entspricht, in einer Puppenwiege, 
welche entweder in der Rinde oder auf der Grenze von Rinde und 
Holz gelegen, einen ovalen Umriss zeigt, oder mit einer runden 
Oeffnung senkrecht in das Holz eindringt. Nach erfolgtem Aus- 
schlüpfen fressen alle Rindenbrüter kreisrunde, je nach der Stärke 
des Käfers verschieden grosse, direkt über der Puppenwiege gele- 
gene Fluglöcher, durch welche sie ihre (Greburtsstätte verlassen. 
Ausser Bohr- und Fluglöchern kann man manchmal noch Luftlöcher 
unterscheiden, welche behufs Ventilation von den Mutterkäfern in der 
Decke der Muttergänge durch Nagen von innen angebracht werden. 

Bei den Holzbrütern, zu denen wir uns nun wenden, scheinen 
allein die Weibehen die Muttergänge zu fressen, nachdem, wenigstens 


Frassfiguren der Borkenkäfer im Allgemeinen. 439 


bei den Arten mit flugunfähigen Männchen, die Begattung bereits 
kurz nach Vollendung der Metamorphose an der Geburtsstätte, inner- 
halb der Gänge stattgefunden hat. Von dem Bohrloche aus wird stets 
eine radial in das Holz eindringende Eingangsröhre angelegt, und 
von ihr aus werden dann die eigentlichen Brutröhren im Holze 
weiter getrieben. Bei den Nutzholzborkenkäfern, d. h. bei der Unter- 
gattung Trypodendron, verlaufen diese Brutröhren stets in einem 
senkrecht auf die Längsachse gerichteten Querschnitte des Stammes, 
und es werden die Eier an der oberen und unteren Seite der Röhren 
— diese Orientirung bezieht sich hier auf den stehenden Stamm — ein- 
zeln in von der Mutter genagte, halbkugelförmige Eiergrübchen abge- 
legt. Die ausschlüpfenden Larven fressen nun kurze, senkrecht gegen 
die Brutröhre, also in der Richtung der Holzfaser verlaufende 
Larvengänge. Auf diese Weise entstehen die sogenannten Leiter- 
gänge. Auch bei einem Mitgliede der Untergattung Xyleborus, 
nämlich bei Tomicus Saxesenii Ratz., wird die Frassfigur durch Zu- 
sammenwirkuug von Mutter- und Larvenfrass hergestellt, indem die 
Larven die Brutröhren nach unten und oben erweitern, hier aber 
durch unregelmässigen Frass, welcher schliesslich buchtige, weitere 
Familiengänge erzeugt, in denen Larven, Puppen und junge Käfer 
geschaart durcheinander liegen. Ob sich in diesen Fällen die Larven 
blos von den abgenagten saftreichen Holztheilchen nähren oder 
nach Vollendung des Larvenganges auch von dem Pilzrasen, welcher 
sich nach Tn. Harrıc in letzterem bildet, oder wenigstens von dem 
in die Larvenhöhle durchschwitzenden Holzsafte, steht noch nicht 
sicher fest. Bei den übrigen Mitgliedern der Untergattung Xyleborus, 
insoweit ihre Lebensweise genauer bekannt ist, werden hingegen von 
den tiefer in das Holz eindringenden Eingangsröhren aus durch den 
Mutterkäfer mehr oder weniger sich gabelnde, in ein und demselben 
. Stammquerschnitte gelegene Brutröhren weiter getrieben und entweder 
in diesen Gabelgängen direkt die Eier abgelegt, z. B. bei Tomi- 
cus monographus FABr., oder ausserdem noch senkrecht gegen die 
primären Gabelgänge in der Richtung der Holzfaser verlaufende, 
secundäre Brutröhren angelegt, die ebenso wie die primären 
zur klumpenweisen Eiablage dienen. In allen Fällen, in welchen 
Gabelgänge erzeugt werden, nehmen die Larven an der Erzeugung 
der Frassfigur keinen Amtheil, können sich also nicht von saftigen 
Holztheilchen nähren, sondern entweder lediglich von dem an den 
Wänden der Brutröhren ausschwitzenden Safte, oder von dem auch 
hier vorkommenden, bereits oben erwähnten Pilzrasen. Pilze sind es 
auch, welche die für die Holzgänge der Borkenkäfer so charakte- 
ristische schwarze Färbung der Wände erzeugen, welche diese Gänge 
wie mit einer glühenden Stricknadel gebrannt erscheinen lässt. Bei 
allen Holzbrütern kommt es weder zur Bildung besonderer Puppen- 
wiegen, noch auch zur Entstehung von besonderen Fluglöchern, in- 
dem die fertigen Käfer durch die Brut- und Eingangsröhren und 
schliesslich durch das primäre Bohrloch ihre Geburtsstätte verlassen. 


Kap. IX. Die Käfer. 


440 


welche die Brutstätten der 


icht der Formen, 


he Uebers 
forstlich wicht 


1SC 


142. Schemati 


ig. 


F 


igen. 


Borkenkäfer ze 


igen 


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1e 


die Fluglöcher und di 


änge schraflirt. 


gespart, 


Bohrlöcher sind weiss aus 


ganz schwarz angelegt 


Die 


Larveng 


ie 


d 


’ 


Frassfiguren der Borkenkäfer im Allgemeinen. — Systematik. 441 


4A. Rindengänge, welche die jungen Käfer schliesslich durch neu ge- 
nagte Fluglöcher verlassen. 
{ a) Regelmässige Muttergänge mit zweiseitig angebrachten Eiergruben, 
deutlich gesonderten Larvengängen und besonderen Puppenwiegen. 

1. Einarmige, längsgerichtete Muttergänge mit quergerichteten Larven- 
gängen. 

2. Einarmige, quergerichtete Muttergänge mit längsgerichteten Larven- 
gängen. 

3. Zwei- oder mehrarmige, längsgerichtete Muttergänge mit querge- 
richteten Larvengängen. 

4. Zwei- oder mehrarmige, quergerichtete Muttergänge mit längsge- 
richteten Larvengängen. 

5. Sternförmige Muttergänge mit strahlig von denselben ausgehenden 
Larvengängen. 

b) Unregelmässige Muttergänge ohne Eiergruben mit unregelmässigen, 
verworrenen Erweiterungen durch Larvenfrass, ohne besondere Puppenwiegen. 

6. Familiengänge. 

B. Holzgänge, welche die jungen Käfer schliesslich durch das alte 
Bohrloch verlassen. 

c) Lineare Muttergänge, welchen sich durch Larvenfrass entstandene Fort- 
setzungen anschliessen. 

7. Leitergänge, deren von dem Mutterkäfer genagte Theile, Eingangs- 
röhre und Brutröhren, in der Ebene eines Stammquerschnittes liegen, 
während die kurzen, von den Larven genagten, und von je einer 
Larve ganz ausgefüllten Larvengänge in der Richtung der Holzfaser 
senkrecht nach oben und unten abgehen. 

8. Familiengärge, deren von dem Mutterkäfer genagte Theile, Ein- 
gangsröhre und Brutröhren, in der Ebene eines Stammquerschnittes 
liegen, aber durch unregelmässigen Larvenfrass in der Richtung der 
Holzfaser nach oben und unten zu unregelmässig gebuchteten, geräu- 
migen Gesellschaftslarvenlagern erweitert werden. 


d) Lineare Muttergänge, die zugleich als Larvenlager dienen und niemals 
durch Lärvenfrass ausgedehnt werden. 

9. Gabelgänge aus Eingangsröhre und Brutröhren bestehend, welche 
sämmtlich in der Ebene eines Stammquerschnittes liegen. 

10. Gabelgänge, bei denen die Eingangsröhre und die Brutröhren erster 
Ordnung in der Ebene eines Stammquerschnittes liegen, während 
die gleichfalls vom Mutterkäfer genagten, zugleich aber als Larven- 
lager dienenden, längeren Brutröhren zweiter Ordnung in der Rich- 
tung der Holzfaser senkrecht nach oben und unten abgehen. 

Die Figuren 7—6 sind rein schematisch gehalten, ohne direkte Beziehung 
auf bestimmte Arten, dagegen stellt Nr. 7 den Frass von Tomicus lineatus Ouıv., 
Nr. & den von T. Saxesenii Rarz., Nr. 9 den von T. monographus FAsr. nach 
EıcHHorr, und Nr. /0 den von T. dispar Fark. dar. 


Systematik und Bestimmungstabellen. Die Borkenkäfer im 
weiteren Sinne, die Scolytidae (vgl. $. 352 und 353), zerfallen in 
zwei Unterfamilien, die Scolytiri und die Platypini, von denen nur 
erstere in Europa für den Forstmann wirkliche Bedeutung haben. 
Sie unterscheiden sich folgendermassen: 

Platypini. 'Scolytini- 
Kopf breiter als das Halsschild, Kopf schmäler als das Halsschild, 
Augen gewölbt vorragend. Erstes Augen flach. Erstes Fussglied kür- 
Fussglied länger als die iibrigen zer als die übrigen zusammen. 


zusammen. 
Lehrbuch d, mitteleurop. Foretinsektenkunde. 239 


442 Kap. IX. Die Käfer. 


e 
Ä\ 
| 


A B e D 
Fig. 143. Aund B ganzer Käfer und Vorderbein von Platypus cylindrus FAßk., 
C und D dasselbe von Scolytus intricatus Rarz. 

Die Platypini umfassen nur die Gattung Platypus, welche aus 
einer grossen Anzahl exotischer, namentlich amerikanischer Käfer 
besteht. In Europa kommen nur zwei Arten vor. 

Beschreibung: Gattung: Platypus Hssr. Körper lang, walzenförmig. 
Kopf frei, senkrecht, breiter als das ihn nicht überragende Halsschild. Augen 
rundlich, hervorragend. Fühler gekniet, mit 4gliedriger Geissel. Keule sehr gross, 
plattgedrückt, derb. Halsschild lang, walzenförmig, vorn gerade abgestutzt, an 
der Basis beiderseitig gebuchtet, an den Seiten zur Aufnahme der Vorder- 
schenkel mit einem tiefen Ausschnitt. Flügeldecken an der Spitze steil abfallend. 
Bauch horizontal. Schenkel und Schienen breitgedrückt, die Vorderschienen an 
der Aussenfläche meist mit sehr deutlichen, parallelen Schrägleisten. Füsse sehr 
lang und dünn, das erste Glied mindestens so lang als die folgenden zusammen. 
Das vierte Fussglied zwar klein, aber so deutlich, dass man diese Gattung 
streng genommen nicht zu den Cryptopentameren rechnen sollte. Das Klauen- 
glied wieder sehr lang, länger als die Glieder 2, 3 und 4 zusammen. 


Die Scolytini zerfällen wir wiederum in drei Hauptgattungen, 
als welche wir annehmen Scolytus GeoFFR., Splintkäfer, Hylesinus 
Faprr., Bastkäfer, und Tomicus Larr., Borkenkäfer. Die beiden 
ersteren sind von der letzteren unterschieden durch die freie Haltung 
des Kopfes, der für den Betrachter von oben durch das Halsschild 
nicht vollständig verdeckt wird, sowie meist auch durch die Zwei- 
lappigkeit des dritten Fussgliedes, ein Kennzeichen, welches aller- 
dings bei einigen kleineren Arten der Gattung Hylesinus undeutlich 
wird und namentlich bei der Untergattung Polygraphus so schwin- 
det, dass letztere einen direkten Uebergang zu den Tomicus-Arten 
bildet. Trotz dieser näheren Zusammengehörigkeit unterscheiden sich 
die Gattungen Scolytus und Hylesinus leicht dadurch, dass bei 
ersterer der Hinterleib nach oben schräg abgestutzt ist (vgl. S. 444), 
ein Kennzeichen, welches ihr wohl auch den deutschen Namen 
„Stutzkäfer”, der allerdings auch für Hister verwendet wird, sowie 
den freilich aus Gründen der Priorität nicht dauernd beizubehal- 
tenden, aber sehr charakteristischen Namen Eccoptogaster Hssr. ver- 
sehafft hatte: „Käfer, denen der Bauch hinten ausgeschnitten ist.’ 
Sie zerfällt nicht in weitere Untergattungen. 

Die Gattung Hylesinus besteht dagegen aus den einfach ceylin- 
drisch gestalteten Formen, welche hier wieder in neun Untergattungen 
getheilt werden. 

Die Gattung Tomicus, früher meist Bostrychus oder Bostrichus 
genannt, ist ausgezeichnet durch das stets einfach cylindrische dritte 
Fussglied und den unter dem Halsschild verborgenen Kopf, in der 


a ee 


7. 


Systematik der Borkenkäfer im Allgemeinen. 443 


Mehrzahl ihrer wichtigen Formen ferner dadurch, dass der Absturz 
der Flügeldecken besonders gestaltet erscheint, und zwar meist durch 
tiefere, gewöhnlich auch Zähne tragende Eindrücke. Sie wird in ein 
Dutzend Untergattungen getheilt. 

Der europäischen Fauna gehören von der Unterfamilie der 
Scolytini nach den neuesten Angaben ungefähr 130 Arten an, von 
denen aber nur etwa 30 forstlich beachtenswerth sind. 


Will man die kleineren Arten, namentlich die der Gattungen Hylesinus 
und Tomicus, sicher bestimmen, so genügt, wenn man nicht über bereits sicher 


“bestimmtes Vergleichsmaterial verfügt, die Anwendung sogar einer stärkeren 


Lupe oder eines schwächeren Objectives eines guten, zusammengesetzten Mikro- 
skopes, z. B. Nr. 4 von Harrnack, durchaus nicht, und es muss daher das 
zusammengesetzte Mikroskop selbst benutzt werden. Es sind aber in den folgen- 
den Tabellen alle diejenigen Kennzeichen weggelassen worden, welche sich auf 
nur schwer präparirbare Theile beziehen, also z. B. auf die Mundwerkzeuge. 
Dagegen konnte die genaue Schilderung der Fühler nach Geisselgliederzahl und 
Keulenform, sowie die der Fussglieder nicht umgangen werden. Diese Theile 
sind aber verhältnissmässig leicht als Dauerpräparate herzustellen, wozu wir die 
folgende Anleitung geben. Will man von frischgefangenen Borkenkäfern mikro- 
skopische Präparate machen, so löst man, eventuell unter einer Präparirlupe, die 
zu untersuchenden Theile mit in Hefte gefassten Nadeln oder einem feinem 
Messer ab, bringt sie auf den Objectträger, befeuchtet sie mit reinem, unver- 
dünntem Spiritus, giebt alsdann ein Tröpfelien reinen Glycerins darauf und deckt 
sie mit einem nicht zu feinen Deckgläschen. So hergestellte Präparate genügen 
zu einer Untersuchung und lassen sich von geübter Hand durch Verschluss mit 
schwarzem Maskenlack auch in Dauerpräparate umwandeln. Dagegen wird die 
Herstellung letzterer einfacher, wenn man statt des Glycerins ein Tröpfehen 
Glyeeringelatine verwendet, welche zuvor im Wasserbade über einer Spirituslampe 
flüssig gemacht wurde. Diese erstarrt alsbald und lässt sich viel leichter mit 
Maskenlack einschliessen. Ebenso kann man auch bereits in der Sammlung auf- 
gestellte Käfer untersuchen, wenn sie vorher aufgeweicht werden, was am besten 
dadurch geschieht, dass man den mit Spiritus befeuchteten Käfer in einem kleinen 
Reagensglase, welches man zur Noth aueh durch einen silbernen Löffel ersetzen 
kann, in Wasser einige Minuten kochen lässt. Fühler und Beine von getrockneten 
Käfern kann man aber auch ohne vorheriges Kochen untersuchen, wenn man die 
abgelösten Theile mit Xylol oder Kreosot befeuchtet, in einen Tropfen flüssigen 
Canadabalsams bringt und dann deckt. In diesem Falle bleiben aber dem Unge- 
übten leicht Luftblasen in den Hohlräumen des präparirten Käfertheiles zurück. 
Einen Einschluss mit Lack brauchen solche Präparate nicht unbedingt Die 
nöthigen Reagentien bezieht man am besten aus Specialgeschäften, z. B. von Dr. 
GEORG GRÜBLER in Leipzig, Dufourstrasse Nr. 17. Canadabalsam kann gelöst, in 
Metalltuben wie die Oelfarben bezogen werden. 


Gattungs-Beschreibung: 1. Gattung: Scolytus GEorFr. (Eccopto- 
gaster Hest., Rarz.) Kopf geneigt, von oben meist 
sichtbar, mit sehr kurzem Rüssel. Augen lang, vorn 
etwas ausgebuchtet. Fühler gekniet, mit 7gliedriger 
Geissel und einer letztere an Länge überragenden, 
derben, geschuppten Keule. Halsschild gross, nach vorn 
Fig. 144. Fühler von etwas verengt, oben meist fein punktirt. Flügeldecken 
Scolytus Ratzeburgii An der Basis nicht erhaben gerandet, an der Spitze 
Jans. nicht abschüssig gewölbt, niemals eingedrückt oder 
gezähnt. Naht am Schildehen vertieft. Bauch nicht 

horizontal, sondern vom zweiten Ringe an steil gegen den After aufsteigend, 
Schienen nach aussen ganzrandig, ohne Zähne oder Dornen, nur mit einem End- 
haken, die vorderen gekrümmt. Hinterhüften ziemlich weit, die vorderen wenig 
von einander entfernt. Drittes Fussglied breiter als die vorhergehenden, zweilappig. 

29* 


444 Kap. IX. Die Käfer. 


e 


"UIOT Purfo SIeJS Om Aop ur Surifonegr aofromz 


Bestimmungstafel für die Gattung Seolytus. 


Zweiter Bauchring stets in der Mitte mit 

inem langen, nach hinten gerichteten Dorn. 

Rüstern- oder Pappel bewohner mit loth- 
rechten Muttergängen Se. Re multistmiatus: 


g u.Qinder Mitte des dritten u. 
| Fiügetäecken mit einer | vierten Bauchringes mit einem 
geringeren Anzahl weit- | Höcker. Rüsternbewohner mit 


gestellter, tiefer Punkt- ] lothrechten Muttergängen . . . Geoffroyi. 
streifen, in deren 
Zwischenräumen feinere 
Punktreihen stehen. 
Wenigstens das g' mit 
Auszeichnungen am 
dritten und vierten 
Bauchring u. goldgelber 
Stirnbürste. Grössere, 


d allein auf der Mitte des dritten 
Bauchringes mitHöcker undleisten- 
artigem, besonders in der Mitte 
erhöhtem Hinterrande des vierten 
Bauchringes.. Birkenbewohner 
mit lothrechten Muttergängen. . Ratzeburgii. 


meist 5—6 mm lange 
Formen. 
| Bu & "3 Halsschild fein punktirt, besonders 
re auf der Scheibe. Obstbaum- 
J u. Er bewohner mit lothrechten, oft 
el Flügel- langen Muttergängen ... .. Pruni. 
ge A decken | Halsschilä überall mit dichten und 
= & 5 | glänzend. tiefen, auf der Scheibe nur etwas 
&: = > feineren Punkten. Hainbuchen- 
= & 3 bewohner mit kurzen, wagerechten 
Ss Be (nmussaner SAN TE Carpini. 
eE50© Halsschild wenig glänzend, grob 
; wo, 5 oe Obstbaumbewohner 
2 _ > mit kurzen, lothrechten Mutter- 
08 Flügel- |gängen ........0...... Tugulosus. 
< Sn | re | Eee stark glänzend, auf 
; o® der Scheibe fein punktirt. Eichen- 
Nu 5 | Bewohner mit kurzen, wagerechten 
2.0 & Muttergängen und sehr langen 
| 2 e & ee ee eeenttlcatus. 


os 


. Gattung: Hylesinus Rarz., Gyuv. Kopf geneigt, von oben meist sicht- 
bar, mit einem sehr kurzen, mehr oder weniger deutlichen Rüssel. Fühler ge- 
kniet, mit 5—Tgliedriger Geissel und einer geringelten, geglied:rten oder 
derben Keule. Halsschild fast stets nach vorn verengt, oben gleichmässig punktirt. 
Flügeldecken an der Basis meist erhaben gerandet und einzeln abgerundet, an 


Bestimmungstafel für Scolytus. Systematik von Hylesinus. 445 


der Spitze abschüssig gewölbt, niemals eingedrückt oder gezähnt. Bauch horizontal. 
Schienen nach aussen mit Zähnen oder Dornen. Drittes Fussglied meist herz- 
förmig oder zweilappig, nur bei wenigen Arten einfach. 

Wohl von allen Hylesinen, wenigstens von den meisten, kommen ausser 
den dunklen auch lichtbraune oder gelb gefärbte Käfer vor; da dies nur unreife, 
noch nieht ausgefärbte Exemplare sind, können sie nicht als besondere Arten, 
nicht einmal als sogenannte Varietäten betrachtet werden. 

1. Untergattung: Hylastes Er. Fühlergeissel lang, mit sieben, nach vorn 
wenig breiter werdenden Gliedern. Fühlerkeule nicht zusammengedrückt, geringelt 
kurzeiförmig. Kopf in einen kurzen, aber deutlichen Rüssel verlängert. Augen 
langoval, vorn ganzrandig. Vorderbrust vor den Hüften vertieft, beiderseits mit 
einer von letzterer bis zum Vorderrand verlaufenden, scharfen Kante. Vorder- 
hüften aneinander stehend. Basis der Flügeldecken nicht oder kaum erhaben 
gerandet. Die ersten drei Fussglieder ziemlich gleich lang, das dritte herzförmig 
oder zweilappig. 

2. Untergattung: Hylesinus Far. im engeren Sinne. Fühlergeissel mit 
sieben, nach vorn nicht breiter werdenden Gliedern. Fühlerkeule länger als die 
Geissel, etwas zusammengedrückt, geringelt, lang zugespitzt. Augen langoval, 
vorn ganzrandig. Vorderhüften von einander entfernt. Flügeldecken an der Basis 
erhaben gerandet, meist bunt beschuppt. Die drei ersten Fussglieder ziemlich 
gleich lang, das dritte breiter als die vorhergehenden, zweilappig. 

3. Untergattung: Hylurgus Larr. Fühlergeissel mit sechs, nach vorn 
breiter werdenden Gliedern. Fühlerkeule nicht zusammengedrückt, geringelt, kurz, 
kugelig gerundet. Augen langoval, vorn ganzrandig. Vorderbrust vor den sich 
einander berührenden Vorderhüften fast gar nicht ausgerandet, diese daher etwas 
entfernt vom Vorderrand stehend. Basis der Flügeldecken kaum erhaben gerandet. 
Körper dicht punktirt und lang behaart. Erstes Fussglied länger als die folgen- 
den, das dritte herzförmig. 

4, Untergattung: Myelophilus Eıcmm. (Blastophagus Eıcaa.). Fühler- 
geissel mit sechs Gliedern. Fühlerkeule nicht zusammengedrückt, geringelt, eiför- 
mig zugespitzt. Augen langoval, vorn ganzrandig. Vorderbrust sehr kurz, bis zu 
den nahe zusammenstehenden Vorderhüften ausgerandet. Flügeldecken an der 
Basis schwach erhaben gerandet, einzeln abgerundet, Oberseite nur weitläufig 
punktirt, dünn behaart. Erstes Fussglied etwas länger als das folgende, das 
dritte breit zweilappig. 

5. Untergattung: Dendroctonus Er. Fühlergeissel mit fünf, nach vorn 
viel breiter werdenden Gliedern. Fühlerkeule zusammengedrückt, gerundet, ge- 
ringelt. Augen langoval, vorn ganzrandig. Vorderbrust kurz, bis zu den einander 
sich berührenden Vorderhüften ausgerandet. Vorderrand des Halsschildes tief 
ausgerandet, Basis der Flügeldecken schwach erhaben gerandet. Körper gross, 
lang behaart. Erstes Fussglied am längsten, das dritte zweilappig. 

6. Untergattung: Xylechinus Cnaar. Forstlich völlig unwichtig und 
daher genügend gekennzeichnet in der Bestimmungstafel auf folgender Seite. 

7. Untergattung: Carphoborus Eıcan. Fühlergeissel mit fünf, nach vorn 
kaum breiter werdenden Gliedern. Fühlerkeule zusammengedrückt, gerundet, 
geringelt. Augen nierenförmig, vorn in der Mitte tief ausgerandet, Vorderbrust 
kurz, bis an die sich berührenden Vorderhüften ausgerandet. Basis der Flügel- 
decken erhaben gerandet. Erstes Fussglied etwas kürzer als die folgenden, das 
dritte schwach herzförmig. 

8. Untergattung: Polygraphus Er. Fühlergeissel mit 5, nach vorn 
breiter werdenden Gliedern. Fühlerkeule zusammengedrückt, zugespitzt, nicht 
geringelt, viel länger als die Geissel. Augen durch einen Fortsatz der Stirn in 
zwei Theile gespalten. Vorderbrust kurz, bis an die sich berührenden Vorder- 
hüften ausgerandet. Basis der Flügeldecken erhaben gerandet. Die ersten drei 
Fussglieder kurz, das dritte einfach, nicht herzförmig. 

9. Untergattung: Phloephthorus Worr. Forstlich völlig unwichtig 
und daher genügend gekennzeichnet in der Bestimmungstafel auf folgender Seite. 


Die Untergattungen und forstlich wichtigen Arten sind folgende: 


446 Kap. IX. Die Käfer, 


Gattung Hylesinus. Untergattung. 


Fühlerkeule aus 3 deutlich getrennten Gliedern Phloeophthorus. 
bestehend 


[ Fühlerkeule 
N kurz, Hylastes 


zugespitzt 


— — 


pusssgjum 7 poıfossu,f 91x} 


Srıparfo, [OSstosao]ynd 


Fihlerkeule £ 


g "2 
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® © 
B>3 
ı u 


Hylesinus. . 


solid, aber vorn 


| 


—n 
DD 
— 


geringelt abgerundet 


[Pssı9310]yn Ad 


vorn 


EU 7» Myelophilus 


> UL 


A11P31]89 


| Fühlerkeule 
| zugespitzt 


(8) 


— 


Augen vorn nicht 
Dendroctonus 


I 
lang, 
zugespitzt 
Fühlerkeule > [ Fühlerkeule 


= 
= 
ausgeschnitten \ 
en 
& (9) 
IIE—>R 2, jAugen vorn leicht eingebuchtet. . Xylechinus . 
= es vorn tief eingebuchtet. . . Carphoborus 


(8) 


Fussglied 3 eylindrisch, das rudimentäre Fussglied 4 an der 
Spitze tragend. Fühlerkeule solid, ARSSrnEST Fühlergeissel 
Sgliedrig, Augen zweitheilig. -. ... ... er .rolygrapkus 


Bestimmungstafel für die Gattung Hylesinus. 


[ Punktstreifen der Flügeldeeken mässig stark mit flachen 


Zwischenräumen 


\ Punktstreifen der Flügeldecken tief eingekerbt 


förmig erhöhten Zwischenräumen . 


| Hraisschita en 
Mitte ebenso breit 


Länge 
4—5 mm 


PEakeeRig nur allmäh- | 
lich nach vorn verengt. 


(10) | Länge 2—3 mm . 


| Halsschild \_ 


abgerundet 
dreieckig 


Länge 4—5 mm 


Länge 3 mm . 


| 


dunkelbraun bis schwarz 


| ohne Schüppehen. Länge 45—5°5 mm 


Flügeldecken gleich- 


mässig abgerundet 
gescheckt mit (13) 
Schüppchen bedeckt. 
Länge 2—3 mm Flügeldecken hinten 


| steil abfallend 


langbehaart. Länge 4—5 mm. 


Die zweite Längsreihe 


[ hört vor Beginn des 
| Absturzes auf 


haartragender (15) 


Höckerchen jeder- 
seits neben der 


Flügeldeckennaht | reicht bis a. d. Ende 


der Flügeldecken 


(6) 


Länge S-9 mm .. . 


. Länge 2—3 mm . 
. Länge 1'5 mm . 


Fr 


N 
x 


Halsschild i. 
Mitte breiter als 
| hinten (12) 


als hinten (17) 


d. 


(18) 


But 


/ kiel- 


447 


Arit: 


Spartii (4). 


rhododactylus. 


ater (17). 


eunicularius 
(5 u. 12). 


attenuatusu.Verw, 


glabratus. 


palliatus (70). 
crenatus., 


Fraxini (6 73). 


vittatus u, Verw. 
(14). 


ligniperda (7 u. 7). 


piniperda (8 u. 
15). 


minor (16). 


micans (9). 


pilosus (2). 
minimus. 


poligraphus (3, 
17 u. 18). 


448 Kap. IX, Die Käfer. 


3. Gattung. Tomicus Lark. (Bostrichus Raız., Gyr.) Kopf kugelförmig, 
ohne Rüssel, meist unter das Halsschild zurückgezogen, dieser von oben nicht oder 
nur wenig sichtbar. Nur die Untergattung Crypturgus macht hievon eine Aus- 
nahme. Fühler gekniet, mit zwei- bis fünfgliedriger Geissel und einer meist zusam- 
mengedrückten Keule. Halsschild vorn meist höckerig gerunzelt, hinten punktirt 
oder glatt. Flügeldecken an der Basis bei einigen Arten erhaben gerandet, bei 
anderen nicht, an der Spitze abschüssig, oft stark eingedrückt und gezähnt. 
Bauch horizontal. Schienen aussen gezähnt oder bedornt. Drittes Fussglied stets 
einfach, nie herzförmig oder zweilappig. 

Die häufig vorkommenden, licht gefärbten gelben Exemplare dieser 
Gattung sind nur unreife, noch nicht ausgefärbte Käfer. 


1. Untergattung: Crypturgus Er. Kopf sehr wenig, aber doch merkbar 
verlängert, nicht ganz unter dem Halsschilde versteckt, von oben theilweis sichtbar. 
Fühlergeissel sehr kurz, zweigliedrig, viel kürzer als die ovale, vorn winklig zuge- 
spitzte, nicht geringelte Keule. Halsschild mehr oder weniger länger als breit, 
gleichartig punktirt, ohne Höcker. Flügeldecken hinten einfach abgerundet, ohne 
Unebenheiten. Nahtstreifen nur wenig stärker vertieft als die anderen Streifen. 
Vorderbrust nicht ganz bis zu den sich stark berührenden Vorderhüften ausge- 
schnitten. Schienen breit gedrückt, nach vorn verbreitert, mit abgerundeter 
Aussenecke. Vier sehr kleine europäische Arten, welche durch ihre lang walzen- 
förmige Gestalt den kleinsten Arten der Untergattung Hylastes ähneln. 


2. Untergattung: Cryphalus Er. Fühlergeissel viergliedrig. Die Keule 
rundlichoval mit gerade erscheinenden, schräg herumlaufenden, beborsteten 
Quernähten. Halsschild breiter als lang, hoch gewölbt, nach vorn etwas ver- 
schmälert, an der Basis fein gerandet, vorn mit einem Höckerfleck. Augen vorn 
ausgerandet. Schildehen punktförmig. Flügeldeecken dieht mit schuppenartiger 
Behaarung bestäubt, hinten einfach gewölbt, ohne Unebenheiten. Schienen zu- 
sammengedrückt, vorn erweitert, aussen abgerundet und sehr fein gezähnelt. Die 
drei ersten Fussglieder gleich lang. Fühler und Beine bräunlich- oder röthlich- 
gelb. Fünf europäische Arten. 

3. Untergattung: Ernoporus Tuoms. Der Untergattung Cryphalus 
Er. sehr nahe stehend. Hauptsächlich dadureh unterschieden, dass die Augen nicht 
ausgerandet sind, und dass das Halsschild in der Mitte des Vorderrandes zwei 
bis vier besonders hervorragende Körnchen hat. Fühlergeissel viergliedrig. Die 
ovale Keule mit mehr oder weniger nach vorn convexen, beborsteten Quer- 
nähten. Hinterschenkel bei einigen Arten dunkler. Fünf europäische Arten. 


4. Untergattung: Glyptoderes Eıcnn. Fühlergeissel fünfgliedrig. Die 
Keule langeiförmig, mit Borstenringen. Halsschild breiter als lang, hochgewölbt, 
vorn gehöckert und am Vorderrande mit vier dieht beisammenstehenden Körnchen. 
Schildehen deutlich. Flügeldeeken hinten flach abgerundet, an der Naht sehr 
schwach eingedrückt oder auch mit einem Höckerchen. Schienen zusammen- 
gedrückt, nach vorn erweitert, aussen fein gezähnt. Drei sehr kleine europäi- 
sche Arten. 

5. Untergattung: Pityophthorus Eıcun. Fühlergeissel fünfgliedrig. 
Die Keule oval, an den Rändern deutlich geringelt, fast gegliedert. Halsschild 
nicht breiter als lang, an der Basis deutlich gerandet, vorn mit Höckerchen. 
Flügeldecken einfach punktirt gestreift, mit nieht punktirten Zwischenräumen, 
hinten beiderseits mit einer glatten Furche und mit mehr oder weniger deut- 
lichen Höckerchen. Schienen schmal, an der Spitze abgestutzt, mit nur einzeln 
gezähntem Aussenrand. Fünf kleine europäische Arten. *g 


6. Untergattung: Taphrorychus Eıcnu. Fühlergeissel fünfgliedrig, 
kürzer als die Keule. Diese kreisrund, beiderseits mit spitzenwärts convexen, 
beborsteten, um einen basalen Kern annähernd concentrischen Quernähten. Augen 
ohne Ausrandung. Halsschild nicht breiter als lang, vorn runzlig gehöckert, an 
der Basis nicht gerandet. Flügeldeeken punktirt gestreift, hinten steil abgeflacht, 
ohne Höcker. Schildchen kaum sichtbar. Schienen nach vorn etwas erweitert, 
aussen gezähnelt. Zwei europäische Arten. 


Systematik der Gattung Tomieus. 449 


7. Untergattung: Thamnurgus Eıcun. Fühlergeissel fünfgliedrig, faden- 
förmig, etwas länger als die Keule. Diese oval, von hinten verhüllt, vorn mit 
schwächer beborsteter Abstutzungsfläche. Augen tief ausgerandet. Halsschild auf 
der Scheibe tief, gleichartig punktir, mehr oder weniger länger als breit. 
Flügeldecken walzenförmig mit tiefen, undeutlich gereihten Punkten, hinten 
mit flachem Absturz ohne Höcker oder Zähne. Schildehen kaum sichtbar. Schienen 
kaum zusammengedrückt, an der Spitze schief abgestutzt, aussen und innen mit 
Enddorn. Fünf europäische Arten. 


8. Untergattung: Xylocleptes Ferr. Fühlergeissel fünfgliedrig, etwas 
kürzer als die Keule. Diese rund, beiderseitig mit concentrischen, spitzenwärts 
stark convexen Borstenreihen. Halsschild nicht viel länger als breit, vorn 
und hinten gerundet, höckerig und punktirt, an der Basis nicht gerandet. 
Flügeldecken länger als das Halsschild, am Absturz beim S' eingedrückt und 
gezähnt, beim © furchenartig eingedrückt und mit Körnchen besetzt. Schienen 
wenig zusammengedrückt, nach vorn erweitert, am Aussenrande gezähnelt. 
Vorderfüsse zurücklegbar. Eine europäische Art. 


9. Untergattung: Tomicus Larr. im engeren Sinne. Fühlergeissel 
fünfgliedrig. Die gerundete Keule vorn, mit Ausnahme des derben Basalringes, 
weich, mit beborsteten Quernähten, auf der Hinterdäche durch den bis an die 
Spitze erweiterten, derben Basalring verhüllt. Halsschild meist stark gewölbt, 
nach vorn abgerundet verschmälert, vorn schuppenartig gehöckert, an der Basis 
kaum gerandet. Flügeldecken mit furchenartig vertieftem Nahtstreifen. Absturz 
meist eingedrückt und am erhabenen Rande verschieden gezähnt. Schienen nach 
vorn wenig verbreitert, am Aussenrande gezähnt. Die Beine sind mehr oder 
weniger bräunlich- oder röthlich-gelb, nur wenige Arten haben dunkle Hüften, 
Schenkel und Schienen. Gegen zwanzig europäische Arten. 


10. Untergattung: Dryocoetes Eıcan. Fühlergeissel fünfgliedrig. Keule 
durch den derben Basalring fast ganz verhüllt, an der Spitze schief abgestutzt, 
schwammig. Augen schwach ausgerandet. Halsschild fein schuppenartig ge- 
höckert, an der Basis nicht erhaben gerandet. Flügeldecken an der Basis ohne 
erhabenen Rand, hinten abschüssig gewölbt, mehr oder weniger gefurcht, Ab- 
sturz nicht gerandet und nicht gezähnt. Schienen breit gedrückt mit abgerun- 
deter, gezähnelter Aussenkante. Vorderfüsse in eine Rinne der Schienen zurück- 
legbar. Fünf europäische Arten. 


11. Untergattung: Xyleborus Eıcun, Fühlergeissel fünfgliedrig. Keule 
wenigstens auf der Vorderfläche, wenn auch undeutlich geringelt. Augen vorn 
tief ausgerandet. Halsschild vorn höckerig gerunzelt, hinten fein punktirt oder 
glatt, theils walzerförmig, theils kugelig, an der Basis nicht erhaben gerandet. 
Flügeldecken regelmässig punktirt gestreift, deren Nahtstreif nicht oder kaum 
vertieft, an der Wurzel ohne erhöhten Rand. Vorderbrust bis zu den Hüften 
ausgeschnitten. Schienen nach vorn verbreitert, mit abgerundetem, gezähntem 
Aussenrand. Alle Füsse zurücklegbar. Die SS scheinen meist ungeflügelt zu 
sein. Acht europäische Arten. 

12. Untergattung: Trypodendron Srtera. Fühlergeissel viergliedrig, 
kürzer als die Keule. Diese gross und derb, nach vorn erweitert, ungeringelt. 
Halsschild breiter als lang, stark gewölbt, vorn schuppig gekörnt, an der Basis 
fein gerandet. Flügeldecken an der Spitze ohne Zähne, höchstens schwach ge- 
furcht, an der Basis ohne erhabenen Rand. Vorderbrust bis zu den Hüften aus- 
geschnitten. Schienen nach vorn stark verbreitert, am abgerundeten Aussenrande 
sägeartig gezähnt, zur Aufnahme der Fussglieder gefurcht. Ein sich nach rück- 
wärts ziehender Fortsatz der Stirn theilt die Augen vollständig in zwei Hälften 
und ist hierdurch diese Gattung von allen anderen Tomicus-Arten leicht zu 
unterscheiden. Stirn des g tief ausgehöhlt. Drei europäische Arten. } 


Von einer Tabelle zur Bestimmung der einzelnen Tomicus- 
Arten sehen wir hier ab, geben aber eine solche für die zwölf Unter- 
gattungen. 


450 Kap. IX. Die Käfer. 


Gattung: Tomieus. 


Fühlergeissel 2gliedrig, viel kürzer als die vorn zugespitzte Keule . . 


Augen einfach, höchstens vorn 
etwas ausgeschnitten; sehr 


kleine Formen . 


Fühlergeissel 4gliedrig. . . - » - 2... 0... 


Augen zwei- 


theilig; grössere 


| Formen. 


[EsWerkenle fast drehrund, lnseire mit 


Borstenringen . . . - 


Absturz der Flügeldecken ohne re 
breiten, gerandeten Eindruck und zande, tel aus 
; Fühlerkeule geschnitten. 
ohne deutliche Zähne, dagegen 
.„.| zusammenge- 
manchmal abgeflacht oder mit 
{ drückt, kurz 
kleinen Körnchen versehen. AugenamVorder- 


und von rund- 
rande ohne deut- 


lichem Umriss. {Jichen Ausschnitt 
oder nur schwach 
ausgerandet. 


.|Absturz der Flügeldecken beiderseits neben der Naht mit tiefer, 
nicht punktirter Furche. 


SLIp91TSg [Essıodıojyn Tg 


Absturz der Flügeldecken mit breitem und 
gerandetem Eindruck. Der Rand wenigstens 


| beim Z mit deutlichen Zähnen, z. B. so: 
11 


u | 


12 


Bestimmungstafel für die Gattung Tomicus. 


Kleinste, nur 1—1'5 mm lange 
Rindenbrüter in Nadelholz . . . 


Fühlerkeule rundlich oval, mit ge- 
rade erscheinenden, schräg herum- 
laufenden, beborsteten Quernähten. 
Rindenbrüter in Nadelhölzern . 


Fiihlerkeule oval, mit mehr weniger 
nach vorn convexen, beborsteten 
Quernähten. Rindenbrüter inLaub- 
hülzernun.., cp 


Fühlerkeule derb, nach vorn etwas 
verbreitert und nieht durch Borsten- 
reihen gegliedert. Holzbrüter in 
Laub- und Nadelholz 


Rindenbrüter in Laubhölzern . 


Halsschild gleichmässig En en, brüten in Gallen kraut- 
artiger Gewächse.. . 


Halsschild vorn deutlich et oder a hinten fein 


punktirt; Holzbrüter 


Fühlerkeule kreisrund, beiderseits mit spitzenwärts convexen, 
beborsteten, annähernd concentrischen Quernähten. Rindenbrüter 
in Buchen 


Fühlerkeule vorn schief abgestutzt und auf dieser Fläche mit 
Borstenreihen. Rindenbrüter in Laubholz und Nadelholzwurzeln 


Keule oval, an den Rändern deut- 


lich geringelt, fast gegliedert . 


u Fühlerkeule beiderseitig mit con- 
Ay 


centrischen, 


a 


spitzenwärts stark 


convexen Borstenreihen 


Fühlerkeule vorn, mit Ausnahme 
des derben Basalringes mit be- 


borsteten Quernähten . . . 


451 


Untergattung: 


Crypturgus (2. 


Cryphalus (2). 


Ernoporus (2). 


Trypodendron 
(4 u. 5). 


Glyptoderes (6). 


Thamnurgus. 


Xyleborus (7). 


Taphrorychus. 


Dryocoetes (8). 


Pityophthorus 
(9 u. 10). 


Xylocleptes(23). 


Tomieus/71,12,14) 


452 Kap. IX. Die Käfer. 


Anmerkung: Die zur leiehteren Erkennung der Untergattungen in der 
Bestimmungstafel für die Gattung Tomicus auf Seite 450 und 451 beigefügten 
und mit Cursiv gedruckten Zahlen bezeichneten Figuren stellen folgende Arten 
dar: 1. T. pusillus GyrrL.; 2. T. Piceae Rarz.; 3. T. Fagi Fasr.; 4. und 5. T. 
lineatus Orıv.; 6. T. binodulus Rarz.; 7. T. dispar Fıarr.; 8. T. autogra- 
phus Rarz.; 9. und 10. T. micrographus L.; 17. uud 74. T. typographus L.; 
12. T. chalcographus L. Es sind dieselben, wie auch die in den Bestimmungs- 
tabellen für die Gattungen Scolytus und Hylesinus (8. 444, sowie $. 446 und 
447), sämmtlich Originalzeichnungen. 


Forstliche Bedeutung der Borkenkäfer. Wir theilen der 
besseren Uebersicht halber die Borkenkäfer in fünf biologische 
Gruppen, die wieder in zwei Hauptabtheilungen zusammengefasst 
werden können, in Rindenbrüter und Holzbrüter, 


1. Wurzelbewohnende Rindenbrüter, welche als Käfer die Rinde 
Junger Nadelholzpflanzen am Wurzelknoten plätzend benagen, z. B. 
Hylesinus cunicularius Er. 


2. Wurzeln und auch Stämme bewohnende Rindenbrüter, welche als 
Larven ältere Nadelholzbestände gefährden: Hylesinus micans Kue. 


3. Stamm bewohnende Rindenbrüter, welche als Larven die 
Bastschicht der Nadelhölzer zerstören, als Käfer Triebe aushöhlen, 
sogenannte Waldgärtner: Hylesinus piniperda L. u. minor Hre. 


4. Stamm und Aeste bewohnende Rindenbrüter, welche als 
Larven durch Zerstörung der Bastschicht den Laubhölzern schaden, 
z. B. Scolytus Ratzeburgii Jans. 


5. Stamm und Aeste bewohnende Rindenbrüter, welche als 
Larven durch Zerstörung der Bastschicht den Nadelhölzern schaden, 
z. B. Tomicus typographus L. 


6. Im Holze selbst brütende Borkenkäfer, welche physiologisch 
und technisch Laub- und Nadelhölzer beschädigen, z. B. Tomicus 
dispar L. und T. lineatus OLıv. 


Wurzelbewohnende Rindenbrüter, welche als Käfer die Rinde 
junger Nadelholzpflanzen am Wurzelknoten plätzend benagen. 
Hierher gehören zunächst eine Reihe Bastkäfer, nämlich drei grössere 
Formen, 

der schwarze Kiefern-Bastkäfer, Hylesinus ater PAyk., 
der schwarze Fichten-Bastkäfer, H. cunicularius Er. und 
H, ligniperda FApkr., 
drei kleinere, H. attenuatus Er.,H. angustatus Hssr.undH. opacus Er., 
sowie mehr ausnahmsweise Tomicus autographus Rarz. 
Die meisten sind gefährliche Kulturverderber, welche in ganz 


ähnlicher Weise, wie der grosse braune Rüsselkäfer, schaden und 
durch Rodung, am besten der schon mit Brut besetzten Wurzeln, 


. 


Forstliche Bedeutung der Borkenkäfer. Wurzelbewohnende Rindenbrüter. 453 


durch Fangrinden und -Kloben, sowie durch Verbrennen der getödteten 
Pflanzen sammt den an diesen sitzenden Käfern erfolgreich bekämpft 
werden können. Auch hier ist Schlagruhe nothwendig. 


Beschreibung: Hylesinus (Hylastes Er.) ater Payr. Käfer lang ge- 
streckt, walzenförmig, schwarz, mässig glänzend. Halsschild länger als breit, bis 
über die Mitte mit fast geraden Seiten, dann nach vorn verengt, oben stark 
und ziemlich dicht, an den Seiten feiner, aber dichter, fast runzelig punktirt, 
auf der Mitte mit mehr oder weniger deutlicher, glatter, aber nicht erhabener 
Längslinie. Flügeldecken an der Basis fast gerade abgestutzt, nicht erhaben 
gerandet, stark punktirt gestreift, die Streifen am Hinterabsturz stärker vertieft, 
Nahtstreif wenig tiefer als die anderen; Zwischenräume breiter als die Streifen, 
vorn dicht und fein, etwas runzelig punktirt, hinten körnig gerunzelt und sehr 
fein und dünn behaart. Rüssel und Stirn dieht punktirt, ersterer an der Spitze 
beiderseits mit grubenförmigem Eindruck, mit einer kleinen erhabenen Mittel- 
linie, welche sieh bis zur Stirn fortsetzt. Fühler und Füsse röthlich-braun. 
Drittes Fussglied wenig breiter als die beiden ersten, herzförmig. d auf dem 
letzten Hinterleibssegment mit einer kleinen Grube. Länge 4—4'5 mm. 


H. (Hylastes Er.) cunicularius Er. Käfer mässig lang gestreckt, etwas 
gedrungener als der ihm sehr ähnliche H. ater, schwarz, mässig glänzend. Hals- 
sehild nichtlänger, als in der Mitte breit, an den Seiten etwas gerundet erweitert, 
vor der Mitte nach vorn verengt, oben stark und ziemlich dicht, an den Seiten 
feiner, aber dichter, fast runzelig punktirt, auf der Mitte mit mehr oder weniger 
deutlicher, glatter, aber nicht erhabener Längslinie. Flügeldecken an der Basis 
fast gerade abgestutzt, nicht erhaben, stark punktirt gestreift, die Streifen neben 
der Naht, namentlich in der Nähe des Schildchens, etwas tiefer als die andern; 
Zwischenräume nicht breiter als die Streifen, körnig gerunzelt, sehr dünn 
behaart, die ganze Skulptur der Flügeldecken ist gröber als bei H. ater. Rüssel an 
der Spitze beiderseits mit grubenförmigem Eindruck, mit einer kleinen, erhabenen 
Mittellinie, welche etwas feiner und kürzer als die glatte Linie des H. ater ist. 
Stirn und Rüssel dicht punktirt. Fühler und Füsse röthlieh-braun. Drittes Fuss- 
glied herzförmig, wenig breiter als die beiden ersten. auf dem letzten Hinter- 
leibsring mit einer kleinen Grube. Länge 3:5—45 mm. 


H. (Hylastes Er.) attenuatus Er. Küfer lang gestreckt, walzenförmig 
pechbraun, gewöhnlich mit schmutzig braunröthlichen Flügeldeeken. Halsschild 
kaum länger als breit, die Seiten wenig erweitert, nach vorn verengt, oben 
stark und dicht, an den Seiten etwas feiner punktirt, auf der Mitte mit einer 
feinen, erhabenen Längslinie. Flügeldecken an der Basis fast gerade abgestutzt, 
nicht erhaben gerandet, stark punktirt gestreift. Streifen nach hinten etwas ver- 
tieft, Zwischenräume etwas gewölbt, mit einer regelmässigen Reihe Körnchen 
und Haarbörstehen. Rüssel an der Spitze etwas eingedrückt, an der Basis mit 
einer feinen vertieften Längslinie. Kopf dicht, fein lederartig punktirt. Fühler 
und Füsse röthlieh-braun. Drittes Fussglied herzförmig, wenig breiter als die 
beiden ersten. Länge 2—2:5 mm. 


H. (Hylastes Er.) angustatus Hssr. Käfer dem H. attenuatus Er. äusserst 
ähnlich, doch fast immer etwas grösser. Halsschild wenig länger als breit, 
stark punktirt, mit deutlich erhabener Mittellinie. Zwischenräume auf den Flügel- 
deeken vorn breiter und unregelmässig, nach hinten zu etwas schmäler und mit 
einer fast regelmässigen Reihe von Körnchen und Börstehen besetzt. Länge 
2.5—3 mm. 


H. (Hylastes Er.) opacus Er. Käfer demH. angustatus am ähnliehsten, 
aber gedrungener, glanzlos, dünn behaart, schwarz. Halsschild an den Seiten 
gerundet, so lang als an der weitesten Stelle breit, nach der Spitze mehr ver- 
sehmälert als an der Basis, dieht und tief punktirt, mit einer feinen, erhabenen 
Längslinie. Flügeldecken an der Basis fast gerade, tief punktirt-gestreift, 
Zwischenräume nach hinten etwas verschmälert, fein gekörnt und behaart. Kopf 


454 Kap. IX. Die Käfer. 


dicht, sehr fein punktirt, Rüssel etwas gewölbt, ohne eingedrückte oder erhabene 
Linie. Fühler und Füsse röthlich. Drittes Fussglied herzförmig, wenig breiter 
als die beiden ersten. Länge 25 mm. 


Der dem H. ater sehr ähnliche, wohl sehr selteneH. brunneus Er., sowie 
der gleichfalls sehr seltene H. linearis Er. und der zweifelhafte H. corticiperda Er. 
seien hier nur als in unser Faunengebiet gehörig genannt. Der kleine, forst- 
lich ganz gleichgiltige H. Trifolii Müır., der sich normalerweise in den 
Wurzeln des Klees entwickelt, ist übrigens von NÖRDLINGER auch in armdieken 
Stämmen der Besenpfrieme gefunden worden [XXIV, S. 26]. 


H. (Hylurgus Lane.) ligniperda Fazr. Käfer langgestreckt, matt 
pechbraun oder schwarz, ziemlich lang und dicht behaart, besonders an den 
Seiten des Halsschildes und an der Spitze der Flügeldecken. Halsschild deutlich 
länger als breit, nach vorn verengt, an den Seiten nicht gerundet erweitert, 
dieht punktirt, mit glatter Mittellinie. Flügeldeeken an der Basis fast gerade 
und fein erhaben gerandet, punktirt-gestreift, die Streifen vorn und an den 
Seiten undeutlich, nach hinten stärker vertieft, Zwischenräume runzlig gekörnt; 
auf dem Hinterabsturz der zweite Zwischenraum stark eingedrückt. Kopf und 
Rüssel sehr dicht körnig punktirt. Rüssel an der Basis quer eingedrückt, an der 
Spitze mit einer kurzen, erhabenen Linie, in der Mitte mit einem kleinen 
Höckerchen. Fühler und Füsse rostroth. Drittes Fussglied wenig breiter als die 
beiden ersten, herzförmig. Länge 4—5 mm. 


Tomicus (Dryocoetes Eıchn.) autographus Rarz. (villosus GyLL.) 
Zottiger Fiehten-Borkenkäfer. Käfer braun, etwas glänzend, lang greisbehaart. 
Halsschild etwas länger als breit, in der Mitte gerundet erweitert, ziemlich 
grob, vorn etwas schuppig punktirt, mit einer schmalen, mitunter undeutlichen, 
erhabenen Mittellinie. Flügeldecken an der Wurzel breiter als das nach hinten 
verengte Halsschild, Schultern daher vortretend, grob punktirt-gestreift, mit 
feineren Punktreihen auf den Zwischenräumen. Nahtstreifen kaum vertieft. Ab- 
sturz einfach schräg abgewölbt. Länge 3—4 mm. 


Lebensweise. Sämmtliche hier zu erwähnende Formen sind 
Frühschwärmer, die meist als Käfer überwintern, in den ersten 
warmen Frübjahrstagen die neuen Nadelholzschläge besuchen und 
hier die flachstreichenden Wurzeln, sowie die Wurzelstöcke mit Eiern 
belegen. Die normale Frassfigur aller Arten besteht aus kürzeren 
oder längeren, einarmigen Längs- oder Lothgängen mit regelmässigen 
Eiergrübehen und quer abgehenden Larvengängen, welche allerdings 
nur, solange die Larven noch ganz jung und die Gänge sehr kurz 
sind, deutlich getrennt bleiben, später aber sich stets so kreuzen und 
verwirren, dass die ganzen tieferen Rindenlagen auf beträchtliche 
Ausdehnung hin in braunes, dem „Schnupftabak ähnliches” [Arrun, 
2 f, S. 394] Frassmehl verwandelt sind. Je nach dem Klima und der 
Lage des Revieres im Vorsommer oder etwas später, sicher aber im 
Juli ist die erste Generation vollendet und fliegt aus, um sofort 
wieder auf der gleichen Schlagfläche in dem noch unversehrten Brut- 
materiale zur Fortpflanzung zu schreiten. Diese zweite Generation 
wird noch in demselben Herbste fertig, schlüpft aus und überwintert 
in der Bodendecke oder unter Rindenplatten. 


Die Generation ist also eine doppelte und stellt sich für Mittel- 
deutschland schematisch ungefähr folgendermassen: 


Wurzelbewohnende Rindenbrüter. Beschreibung und Lebensweise. 455 


Rinne nn nn nn rn mn no mm nn ass nn nee nn nn nenn num nn nn nn nenne 
11 I | | 
h | | 


Jan. Febr. März En Mai | Juni 


Juli | Aug. |Sept. 


HEIEZI- ser 44t+tt 


FERTTERERERTEENTE, 
IR | | = FErzEr 


2 | 
| 1881 +++ +++ +t++++ 


während für Süddeutschland die Flugzeiten etwas früher eintreten 
mögen. Eıcunorr |I5«, S. 80] ist sogar geneigt, unter Umständen eine 
dreifache Generation anzunehmen. 


Während früher eine einjährige Generation als Regel angesehen wurde, 
und auch Arrum, welcher anfänglich eine zweijährige Generation anzunehmen 
geneigt war [XVI, 1. Aufl.], später [XVI, 2. Aufl.] die einjährige vertheidigte, 
hat derselbe neuerdings ausdrücklich das Vorhandensein einer doppelten auch 
in der Mark anerkannt [2 /, S. 395]. 


Abweichende Frassfiguren sind nur selten beobachtet worden. So berichtet 
Eıcanorr [l5a, $. 88], dass H. attenuatus Er. öfters die Bohrlöcher und Mutter- 
gänge des H. ater Pay. zum Eindringen benutzt und von hier aus weiter frisst. 
Bei H. ligniperda Far, beschreibt derselbe Autor [15 a, S. 99] hirschhornähnlich 
gegabelte Gänge. Solche kennen wir, beiläufig bemerkt, auch von Tomicus 
longicollis Gyrr., der von Oberförster KrorrEr neuerdings in Primkenau in 
Schlesien an Kiefern gefunden wurde, es war uns aber nicht möglich, bei 
dieser merkwürdigen Frassfigur Mutter- und Larvengänge zu unterscheiden. 


Ausserdem finden sich mehrfach Angaben in der Literatur, dass nament- 
lich die hier erwähnten Mitglieder der Untergattung Hylastes an den Pfahl- 
wurzeln junger Nadelhölzer gebrütet haben sollen, so z. B. bei HexscHer [Xl. 
1. Aufl., S. 80] für H. angustatus Hesr. an Kiefern, einem Käfer, den auch 
JupeicH [Xl., S. 66] aus jungen Fichtenpflanzen erzogen hat. Auch liegt uns 
jetzt gerade eine in diesem Frühjahr vom königl. sächsischen Staatsforstrevier 
Colditz eingesendete Fichtenpflanze vor, an welcher deutlich ein in den Splint 
eingreifender Muttergang von H. cunicularius Er. zu sehen ist. Aehnliches 
berichtet auch Rarzesure [6l ), S. 400] von den Kiefernbewohnern. Trotzdem 
dürfte eine solche Brutstätte Ausnahme sein. Wenngleich Tomicus autographus 
Rarz. auch nach unserer Beobachtung der Regel nach in Wurzelstöcken und 
Wurzeln brütet, so ist andererseits die Angabe von Aurum [XIV, II, 1, S. 308], dass 
er auch an beschädigten oder durch anderen Insektenfrass getödteten Stämmen 
secundär oft vorkomme, völlig unzweifelhaft. Wir haben sehr häufig die gleiche 
Beobachtung an aufbereiteten Meterstössen gemacht, wo er mit H. palliatus 
Gyrr. gemeinschaftlich vorkam. Der Larvenfrass scheint uns aber in diesem 
Falle praktisch völlig gleichgiltig zu sein. NÖRDLINGER berichtet [XXIV, S. 33], 
dass dieser Käfer gleichfalls fremde Bohrlöcher, z. B. solche von H. pilosus 
Rarz. oder T. Saxesenii Rarz. zum ersten Eindringen benutzt. Eine ganz verein- 
zelte Beobachtung ist die von Kuxze, dass auf dem früheren Neusorger Revier, 
jetzt zum königl. Sächsischen Staatsforstrevier Zöblitz geschlagen, T. autographus 
Rarz. einmal in Erlen gebrütet hat, und zwar an den Stämmchen. 


Schaden. Der einzige, wirklich in Betracht kommende Frass 
ist der von den Käfern selbst verübte, welche in biologischer Be- 
ziehung dem Hylobius Abietis L. fast gleichgestellt werden müssen. 
Er besteht in der Benagung der Rinde junger Nadelholzpfanzen 
im Alter von ungefähr 3 bis 10 Jahren, und zwar sowohl oberirdisch 
an dem unteren Theile der Stämmchen, als auch unterirdisch in den 


456 Kap. IX. Die Käfer. 


Wurzelknoten und den oberen Theilen der Pfahlwurzeln. Entsprechend 
ihrer Natur als Borkenkäfer dringen diese Thiere aber tiefer ein als 
der Rüsselkäfer (vergl. 5. 416) und unterhöhlen gern die Rinde, 
indem sie namentlich an den Bast gehen und nach oben fressen. 
Grindiger Harzausfluss findet sich auch hier. In Folge dieses Frasses 
gehen die jungen Pflanzen ein, nachdem sich der Angriff des Käfers 
zunächst durch das Gelbwerden der Nadeln verrathen hat, und werden 
oft sehr bedeutende Nachbesserungen in den Kulturen nothwendig. 
Nur wenig befressene Pflanzen, namentlich etwas ältere, halten einen 
einmaligen Frass zwar aus, behalten aber, sogar wenn sie sich 
dauernd erholen, Missbildungen am Wurzelknoten. 


Beiweitem am meisten verbreitet sind H. ater Payk., der ein 
ausschliessliches Kieferninsekt ist, und nicht nur die gemeine Kiefer, 
sondern auch alle anderen bei uns kultivirten Pinus-Arten angeht, 
und H. cunicularius Er., welcher seinen Verwandten an Fichte er- 
setzt. Die drei kleinen Vertreter der Untergattung Hylastes wurden 
häufig an Kiefer beobachtet, doch ist H. angustatus Hssr. nach 
den von Eıcnsorr [15 a, S. 90] mitgetheilten Beobachtungen von 
SCHREINER im Thüringer Walde auch an Fichten gefunden worden. 
H. ligniperda FıApr. ist, was seine Brutstätte betrifft, sicher ein 
Kieferninsekt. Trotzdem er öfters als forstschädlich aufgeführt wird, 
ist aber ein wirklicher Nachweis eines Schadens nicht bekannt ge- 
worden. Die Aufführung des Tomicus autographus Rarz. an dieser 
Stelle beruht auf einem von Jupzıcn beobachteten Frass an jungen 
Fichtenpflanzen [Xl, S. 65, Anm.] auf Hohenelber Herrschaft im 
Riesengebirge. 

Eine Mittheilung von Oberförster Brume, dass H. ater Paye. auch 
40jährige Kiefern getödtet habe [9], beruht, wie schon HArTIG vermuthet, wahr- 
scheinlich auf einer Verwechslung mit H. piniperda L. Dasselbe gilt von den 
Beobachtungen von H. Prrır, der diesen Käfer auf der Insel Usedom in Kiefern- 
zweigspitzen gefunden haben will [V, I, S. 220]. Dagegen kann sich der Frass 
gelegentlich etwas höher aufwärts erstrecken, wie z. B. Hexschrt [XI, S. 65) 
das „Beschaben” der Rinde bis zum ersten oder zweiten Astquirl hinauf beob- 
achtet hat. Rarzerurg berichtet von diesen Käfern, welche er in die Forstento- 
mologie eingeführt, in seinen „Forstinsekten” nur geringe Beschädigung. v. BERG 
erwähnt zuerst einen stärkeren Frass von H. cunicularius Er. vom Hasenberg 
im Revier Wildemann am Harz aus dem ‚Jahre 1840, und v. HOLLEBEN [35, 
S. 41] berichtet 1845 ausführlich und rechnet ihn zu den sehr schädlichen 
Käfern. Wahrscheinlich schon 1828—1830, sicher aber zu Anfang der vierziger Jahre 
hat derselbe in dem Paulinenzeller Forst ungefähr 12 ha Fichtenpflanzung zer- 
stört. Seit dieser Zeit wurde der Fichtenbastkäfer vielfach als schädlich beob- 
achtet, z. B. von Fürst zu Berg im Bayerischen Regierungsbezirk Pfalz [19] 
im Jahre 1874, und wird in allen Forstinsektenkunden ausführlich behandelt, 
desgleichen von Ercnnorr in seiner Monographie. Die genauesten Schilderungen 
der Kiefernschädlinge, besonders des H. ater Payk., giebt Eıchuorr und neuer- 
dings Arrum [2 /], welcher aus den Revieren in der Umgegend von Eberswalde 
diese Käfer als der Wiederaufforstung der grossen Kiefernschlagflächen sehr 
schädlich kennen gelernt hat. i 


Abwehr. Als Vorbeugung gegen den Frass dieser Käfer ist 
zunächst die Verhinderung einer stärkeren Vermehrung derselben 


Lebensweise und Abwehr von Hylesinus ater und H. eunieularius. 457 


anzusehen. Dieser Zweck wird erreicht durch Verminderung der 
Brutstätten, hier also, da wir es mit wurzelbrütenden Formen zu 
thun haben, durch Rodung der Wurzelstöcke. Je vollständiger diese 
erfolgt, desto grösser ist ihre Wirksamkeit. Demgemäss ist auch 
intensiver Waldfeldbau, bei welchem sie besonders gründlich zu ge- 
schehen pflegt, empfehlenswerth, wie schon v. Horresen [35] be- 
tont. Da aber eine so vollständige Rodung, dass wirklich jede Brut- 
stätte vernichtet würde, nicht durchführbar ist, die Käfer auch 
gelegentlich an den Wurzeln kränkelnder, stehender Pflanzen brüten, 
so empfiehlt es sich, die Wurzelstöcke als Anlockungsmittel für die 
Käfer zu benutzen und erst dann zu roden, wenn sie bereits mit Brut 
belegt worden sind. Dies muss vor dem Ausfliegen der ersten Gene- 
ration, also bei einem Winterschlage im Juni geschehen. Gegen die 
zweite Generation kann man durch Darbietung von künstlichem Brut- 
material, z. B. durch Eingraben von Brutknüppeln, in derselben 
Weise, wie gegen den grossen braunen Rüsselkäfer vorgehen und 
bei rechtzeitiger Vernichtung der abgelegten Brut Erfolge erreichen. 
In allen diesen Fällen müssen aber die besetzten, gerodeten Wurzeln 
und herausgenommenen Brutknüppel nicht etwa blos abgefahren, 
sondern wenigstens äusserlich angeschwält werden. 


Um die Kulturen selbst zu schützen, ist es nothwendig, nament- 
lich in denjenigen Fällen, wo eine gründliche Rodung nicht durch- 
führbar war, mit dem Wiederanbau wenigstens ein, noch besser zwei 
Jahre zu warten, weil sonst die auskommenden Käfer gleich an Ort 
und Stelle ihr Zerstörungswerk an den kurz nach der Frühjahrs- 
pflanzung noch nicht erstarkten Pflanzen beginnen können. Aber auch 
wenn eine solche Vorsichtsmassregel beobachtet oder der Schlag 
gründlich gerodet wird, empfiehlt es sich auf dazu geeignetem Ter- 
rain, die Kultur vor dem Anbau mit einem Fanggraben zu umgeben, 
in welchem sich die, wie der grosse braune Rüsselkäfer, zu Fuss 
ihrem Frassorte zuwandernden Käfer leicht fangen. Auch die gegen 
den braunen Rüsselkäfer ausgelegten Fangrinden, Faugkloben u. =. f. 
dienen gleichzeitig zum Fange der wurzelbrütenden Hylesinen, da diese 
Fangvorrichtungen von den Borkenkäfern sehr gern aufgesucht werden. 
Arrtum berichtet z. B. [2, f, $S. 392], dass an einzelnen Kloben „20 
bis 50, ja bis 200 Hylesinen” gefunden wurden und empfiehlt [2 f, 
S. 396], die an diesen ansitzenden Thiere gleich mit einem Holz- 
stücke zu zerquetschen, ihre Reste aber dann abzustreifen, damit man 
an den folgenden Tagen leichter die frisch zugewanderten Käfer er- 
kennen könne. 


Die bereits angegriffenen, durch ihr Welken kenntlichen Pflanzen 
sind zu entfernen und zu vernichten, am besten durch Verbrennen. 
Von besonderer Wichtigkeit ist es aber hierbei, dass die kranken 
Pflanzen nicht einfach herausgezogen werden, weil alsdann die an den 
Wurzeln fressenden Käfer, namentlich bei trockenem Wetter, abge- 
streift im Boden zurückbleiben. Dieselben missen vielmehr mit Ballen 


Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde. 30 


58 Kap. IX. Die Käfer. 


ausgehoben, dann mit trockenem Reisig durchsetzt, zusammengehäuft 
und verbrannt werden. Dabei gewinnt man überdies eine gute 
Kulturerde. 


Wurzel- und auch stammbewohnende Rindenbrüter, welche 
als Larven ältere Nadelholzbestände beschädigen. Hierher gehört nur 


der Riesen-Bastkäfer, 
Hylesinus (Dendroctonus Er.) micans Kuve. 


Die Larven dieses Thieres, welche gewöhnlich in den Wurzeln 
und dem unteren Stammtheile der Fichtenstämme mittlerer Alters- 
klassen, seltener auch an höher gelegenen, beschädigten Stellen älterer 
Bäume regellose Familiengänge fressen, bringen bei starkem Vor- 
kommen durch Unterbrechung der Safteireulation die befallenen 
Stämme zum Absterben. 


Gegen diesen Angriff, der sich leicht durch grosse Harztrichter 
und krümlichen Harzausfluss kenntlich macht, ist als Vorbeugungs- 
mittel die Erziehung unterwärts ganz unbeschädigter Stämme geboten. 
Die Vertilgung wird nach Einschlag der erkrankten Stämme und 
Rodung der Wurzeln am besten durch Anschwälen der mit dem 
Feinde noch besetzten Theile erreicht. 


Beschreibung. H. (Dendroetonus Er.) micans Kus. Käfer länglich, 
wenig glänzend, schwarz, mit langen, grau-gelben Haaren nicht sehr dicht 
besetzt. Halsschild viel breiter als lang, nach vorn stark verengt, vor der Spitze 
etwas eingeschnürt, am Vorderrand tief ausgerandet, oben ziemlich tief, aber etwas 
ungleichmässig punktirt, mit mehr oder weniger deutlicher, glatter Mittellinie. 
Flügeldecken punktirt gestreift, mit breiten, runzlig gekörnten Zwischenräumen, 
Der breite, an der Spitze flach eingedrickte Rüssel und der Vordertheil des 
Kopfes runzlig gekörnt. Fühler und Füsse gelb-roth. Länge S—9 mm. 


Lebensweise und Schaden. Ein direktes Schwärmen dieses 
Käfers ist von Sachverständigen überhaupt noch nicht beobachtet 
worden, die Eiablage scheint aber hauptsächlich in den wärmeren 
Monaten, Mai bis August, stattzufinden. Seine Generation erscheint 
jedoch äusserst complieirt, und zwar besonders deshalb, weil von allen 
Beobachtern gleichmässig ein Ueberwintern, sowohl der Larven, 
wie der Käfer, sicher festgestellt wurde. Am einfachsten scheinen 
sich die hieraus ergebenden Zweifel zu lösen, wenn man mit 
Oberförster Grück [24, S. 388] annimmt, dass zwei Generationen 
A und B, nebeneinander herlaufen, und zwar so, dass bei der 
Generation A die Eiablage in den Mai und Anfang Juni fällt, der 
Larvenfrass während der Monate Juni, Juli und August dauert und 
der Käfer im September erscheint, um als soleher zu überwintern. 
Bei der Generation B fiele dagegen die Eiablage wesentlich in den. 
Juli und August, die im August ausschlüpfenden Larven überwintern 
und verwandeln sich erst Ende Juni oder Anfang Juli des nächsten 
Jahres nach kurzer Puppenruhe in den Käfer. Graphisch kann mau 
dies folgendermassen darstellen: 


Hylesinus micans, Beschreibung und Lebensweise. 459 


| | 
| Jan. geht. März 'April| Mai | Juni | Juli | Aug. Sept. Oct. | Nov. | Dec. 
| ++ | 
150 | Innen kera et + 
" | | | 
1881 +++ +++ +++ +++ +++ ER | | 
! # & | | | 
1 T | l ni Bern; 
[iso Mean FHITTL-un a 
| | | EIERN, 
\ Be Da 


Hiermit steht, ausser einigen nicht völlig beweiskräftigen Mittheilungen 
von Eıc#sorr [15 a, S. 127], nur die Deutung einer von Urrıcı [73, S. 151] 
semachten Beobachtung in Widerspruch. Dieser Forscher hat nämlich in dem 
einen Belauf der Oberförsterei Thale gefunden, dass die überwinterten Käfer erst 
im Juni zur Eiablage geschritten, und aus diesen Eiern bereits von Mitte Juli 
bis Anfang August allerdings noch unreife gelbe Käfer entsprungen waren. Zu- 
gleich fand er am 23. Juli sehr zahlreiche Eier und ganz junge Larven und 
meint nun, da ihm „eine derartige Verspätung des Eierlegens von Anfang Juni 
bis Mitte Juli kaum wahrscheinlich ist”, dass diese Eier vermuthlich von den 
zuerst ausgekommenen Nachkommen der Wintergeneration abgelegt worden 
seien. Die erst im August ausgekommenen Käfer sollen sich aber nicht fort- 
pflanzen. Es hätte also hier eine doppelte Generation stattgehabt. An anderen 
Stellen des Revieres konnten Anzeichen für eine solehe nicht gefunden werden. 


Der Käfer macht bei seinem ersten Angriff einen unregel- 
mässigen Wagegang oder einen knieförmig gebogenen, auch doppelt 
knieförmigen Muttergang [Unrıcr 73, S. 154], in welchem die Eier 
in einem oder mehreren Haufen von 50 bis 150 Stück abgelegt 
werden. Die auskummenden Larven fressen, eng gedrängt nebenein- 
ander nach oben fortschreitend, einen gemeinsamen Hohlraum unter 
der Rinde, an dessen oberem Ende man sie dicht nebeneinander in 
gestreckter Stellung arbeitend findet. Zum Zwecke der Verpuppung 
gehen sie wieder in den mit harzdurchdrungenem Wurmmehl gefüllten 
Frassraum zurück und bilden jede für sich einen Puppenhohlraum. 
In diesem Lager überwintern auch die Käfer. die sich höchstens 
etwas weiter wurzelwärts zurückziehen. Nach Kourar [44 b] sollen 
dagegen die Käfer in der Nadelstreu überwintern. Der Angriff ist zu- 
nächst an dem wenigstens 3 mm haltenden, grossen Bohrloche leicht 
zu erkennen, aus welchem bald reichlich Harz, vielfach mit Nage- 
mehl gemischt, austritt, um sich bald in krümliche, weissliche Klumpen 
zu verwandeln, welche nach einem treffenden Vergleiche Aurum’s 
wie abgefallene Mörtelbrocken aussehen. Dies ist namentlich an den 
Wurzeln charakteristisch, während an höher gelegenen Angriffsstellen 
häufig Harztrichter auftreten und eine bedeutende Grösse — ein vorlie- 
gendes Exemplar misst 33 mm Länge und 23 mm Querschnitt — er- 
reichen. Der den Gang verlassende Käfer durehbohrt dieselben öfters. Am 

30* 


460 Kap. IX. Die Käfer. 


liebsten wählt der Käfer zu seinem Angriff bereits beschädigte Stellen 
mit Harzaustritt, also an den tieferen Baumpartien durch Wagenräder 
verletzte Wurzeln, Schälstellen des Wildes, ferner angelaschte Bäume 
und solche, an denen bei der Durchforstung Zwiıeselstangen tief weg- 
geschnitten wurden. An diesen tieferen Theilen der Stämme, ungefähr 
bis Brusthöhe, ist der Käfer bisher am häufigsten gefunden worden, 
und man darf, obgleich er vereinzelt überall auch schon höher an- 
getroffen worden ist, diese als seine normale Brutstätte annehmen. 
Erst Grück [24] fand, dass in einem Belaufe des Revieres Neu- 
pfalz, Regierungsbezirk Coblenz, der Käfer mit Vorliebe die oberen 
Stammtheile in-15 bis 20 m Höhe angegangen hatte, gewöhnlich durch 
Schnee- und Eisbruch beschädigte Gipfelstellen an sogenannten 
„Bajonettfichten”. Ja es genügt schon eine durch Reibung eines 
benachbarten Astes geschädigte Rindenstelle, um ihn anzulocken. 
Dagegen ist allgemeine Kränklichkeit und unterdrücktes Wachsthum 
durchaus nicht nöthig, vielmehr werden häufig die schönsten und 
dominirendsten Stämme angegangen, 


Als Brutpflanze wählt der Käfer fast ausschliesslich die Fichte. 
Erfoigt der Angriff an höheren Stellen, so steigt der Käfer allmählich 
stammabwärts [24, S. 386]. Randbäume in südlicher und östlicher 
Lage, sowie lichte, warme Bestände sind am meisten gefährdet. Am 
häufigsten werden Stangenhölzer von 20 bis 40 Jahren befallen, mit- 
unter aber auch ältere Bestände, z. B. 60jährige [Grück, 24, S. 385]. 
Geht er gelegentlich auch einmal die Kiefer an [73, S. 156; 20, 
S. 60], so scheint es selten zu einer wirklichen Fortpflanzung zu 
kommen, und werden die Bohrgänge bald wieder verlassen. Erst neuer- 
dings berichtet Hrxscuer [32 e], dass H. micans in ausgebreiteter 
Weise in Böhmen in Kiefern gefunden worden sei, und Artum 
erwähnt [2 g S. 243], dass in Gauleden, Regierungsbezirk Königs- 
berg, dieser Käfer in Kiefernstangen zahlreich gebrütet habe. 


Der Käfer ist zu den sehr sehädliehen zu rechnen. Wenn- 
gleich sein erster Angriff durchaus nicht sofort tödtlich wird, so gehen 
doch bei fortgesetztem Frasse neuer Generationen die Bäume ein. 
Am Stamme kommt es namentlich darauf an, ob nur ein geringerer 
Theil der Peripherie angegangen oder derselbe ringsum befressen ist. 
In letzterem Falle geht der oberhalb der Frassstelle gelegene Theil 
ein, Die Wurzeln sterben unterhalb der angegriffenen Stelle ab; ist 
nur eine Wurzel so beschädigt, so lebt der Stamm weiter, die Zer- 
störung einer grösseren Anzahl der Hauptwurzeln tödtet ihn jedoch. 
Geschieht dies mit vielen Stämmen, so wird der Bestandesschluss 
gefährdet. [73]. 


Dieser Käfer wurde zuerst 1794 durch v. Sterstorrrr [67, S. 59 und 60, 
Fig. 14 und 15], allerdings unter dem Namen „Bostrichus ligniperda”, in die 
Forstentomologie eingeführt, aber noch Rarzesurg, der [V, I, S. 217] wesent- 
lich nur Beobachtungen von Saxesen wiedergiebt, kannte keinen ernstlichen 
dureh denselben verursachten Schaden. Auch Sreı konnte in einer ersten Mit- 
theilung hierüber nichts berichten [68 a, S. 235], kannte aber bereits zwei Jahre 


Hylesinus micans, Schaden und Abwehr. 461 


später, 1854 [68 5, S. 277], eine grössere Verheerung durch H. micans von dem 
königl. Sächsischen Staatsforstrevier Neudorf im Erzgebirge, wo er seit dem 
Jahre 1852 in vierzig- bis fünfzigjährigen Fichtenbeständen derartig überhand 
senommen hatte, dass der Einschlag von circa 500 Klaftern ®/,-elligen Scheit- 
holzes nothwendig wurde. 1858 berichtet Korrar [4 5] über einen grösseren Frass 
an zehn- bis fünfzehnjährigen Fichten im kaiserlichen Parke zu Laxenburg 
bei Wien. Anfänglich hatte hier der Käfer nur in einzelnen alten, kranken, über- 
ständigen Fichten, die jahrelang Widerstand leisteten, gelebt. Man fällte nach 
Möglichkeit und, da man bald das Brüten in den Wurzeln, besonders in den 
angefaulten, beobachtet hatte, so rodete man auch diese, die Gruppirung des 
Parkes immer wieder durch neue kräftige Stämme, die in einem Alter von 
zehn bis fünfzehn Jahren aus dem nahen Gebirge entnommen wurden, ver- 
Jüngend. Aber auch diese befiel das Insekt, besonders durch die warmen Jahre 
1856 und 1857 begünstigt. Auf der 1567er Versammlung des Harzer Forst- 
vereines [21] wurde über sein Vorkommen im Harze, Thüringer Walde und’ 
Anhalt, sowie auch in der Ebene bei Braunschweig im Marienthaler Forstreviere 
von mehreren Seiten berichtet, der Käfer aber im wesentlichen noch als wenig 
bedeutend betrachtet. Auf der 1872er Versammlung desselben Vereines berichtet 
GEBBERS [20] von einem Frasse in der königl. Preussischen Öberförsterei Thale 
am Harze, wo der Käfer einen 10 ha grossen, fünfunddreissigjährigen, mit 
Kiefern gemischten Fichtenbestand angegangen und hier zwei Drittel aller 
Fichten besetzt habe, ein Frass, der genauer von Urrıcı [73] geschildert 
wurde. Aus dem königl. Preussischen Revier Neupfalz, Regierungsbezirk Coblenz, 
berichtet Grück [24] über einen stärkeren Frass, der, von benachbarten 
Gemeindewaldungen ausgehend, mehrere Bestände der genannten Oberförsterei 
schädigte. 


Abwehr. Als Vorbeugungsmittel ist vor allem die Erziehung 
gesunder, an den unteren Theilen unbeschädigter Bäume zu nennen. 
Mit Recht betont daher Eıcnnorr |[I3 a, S. 128]. dass Büschelpflanzung, 
welche häufig zur Bildung von Zwillingen führt, vermieden werden 
sollte und man bei der Durchforstung von letzteren nicht nur den einen 
Stamm, »ondern, wenn thunlich, beide entfernen müsse. Ungefährlich 
sind dagegen Büschelpflanzungen, wenn sie zur Gewinnung schwachen 
Materials zeitig genug ausgeschnitten werden. Ferner ist die Ent- 
nahme der vom Wild geschälten Stangen, von Wipfelbrüchen u. dgl. 
anzurathen. Die Erhaltung einzelner werthvoller Stämme 
kann durch die Umkleidung des unteren Stammtheiles mit einer den 
Käfer abhaltenden Schutzschicht erreicht werden. Als solche wird 
die vom Hofgärtner Leınweger im Laxenburger Park bei Wien an- 
gewendete empfohlen. 


Das Recept des Anstriches ist folgendes: Man übergiesst fünf Pfund 
ordinären Tabak mit einem halben Eimer warmem Wasser, lässt ihn vierund- 
zwanzig Stunden so stehen und drückt ihn gehörig aus. Dieser Aufguss wird 
dann mit einem halben Eimer Rindsblut gemengt und ein Theil gelöschten 
Kalkes und sechzehn Theile frischer Kuhexeremente hinzugesetzt, so dass alles 
ein Brei wird. Diesen Brei lässt man in einer offenen Tonne einige Zeit gähren 
und täglich mehrmals umrühren. Der Anstrich wird, nachdem man die Stämme 
bis an die oberen Wurzeln von Erde entblösst und gereinigt hat, mittelst eines 
Maurerpinsels von den freiliegenden Wurzeln an bis 06m am Stamme auf- 
wärts aufgetragen. Dies wird drei Tage hintereinander wiederholt, bis sich eine 
Kruste am Stamme bildet, die dann vom Regen nicht abgewaschen wird und 
auch den Bäumen nicht schadet [Korrar 44 b]. 


In bereits angegriffenen Beständen muss man zur Vertilgung 
der Käfer und Larven schreiten. Die angegangenen Stämme sind ein- 


462 Kap. IX. Die Käfer. 


zuschlagen und die Stöcke, falls die unteren Stammtheile auch befallen 
sind, sorgfältig zu roden. Die Stockhölzer werden alsdann mit dürrem 
Reisig durchsetzt in lockere Haufen geschichtet und angebrannt. Die 
namentlich durch das ausgetretene Harz genährte Flamme schlägt 
hoch auf, verkohlt aber nur die Rinde, während das Holz unbe- 
schädigt bleibt [Urrıcı 73, S. 158]. Stehenlassen der gerodeten Stöcke 
an der Luft genügt nicht zur Tödtung der Brut. Stämme, welche 
auf diese Weise nicht zu behandeln sind, werden geschält, eventuell 
auf untergelegten Tüchern, und die Rinde wird verbrannt. 


Grück empfiehlt hierzu mehr als die gewöhnlichen Schnitzmesser den 
Rorn’schen Rindenschäler [64]. Hesse hat einen Bestand durch Begiessen der 
Umgebung der befallenen Bäume mit Chlorwasser gerettet (vgl. S. 212). 


Stammbewohnende Rindenbrüter, welche als Larven die 
Bastschicht der Nadelhölzer zerstören, als Käfer Triebe aushöhlen. 


Der grosse oder schwarze Kiefern-Markkäfer, 
Hylesinus piniperda L. (Taf. II, 10) und 
der kleine oder braune Kiefern-Markkäfer, 
H. minor Hre., 


zusammen wohl auch als „Waldgärtner” bezeichnet, sind gefährliche 
Feinde der Kiefernbestände mittlerer und höherer Altersklassen. Wenn 
sie auch kränkelnde Bäume vorziehen, so brüten sie (Fig. 145 und 
146) bei starker Vermehrung doch auch vielfach in gesunden, können 
diese zum Eingehen bringen und werden, auch wenn sie nicht gleich 
ganze Bestände vermichten, durch die Gefährdung des Bestandschlusses 
schädlich. Hylesinenfrass ist ferner häufig eine unwillkommene Folge- 
erscheinung von Raupen-, namentlich von Kieferneulenfrass. Hierzu 
kommt noch, dass die Käfer vom August an die Endtriebe der 
Kiefernzweige von unten nach oben nagend aushöhlen (Fig. 147) 
und hierdurch derartig schwächen, dass sie in Menge von den Herbst- 
stürmen herabgebrochen werden. Werden Kiefern alljährlich in dieser 
Weise angegriffen, so verändert sich ihre ursprünglich breite Kronen- 
form in eine spitze, fichtenähnliche, wie bei einem unter der Schere 
gehaltenen Baume (Fig. 147). Diese Verluste an Trieben und Nadeln 
haben alsdann nicht nur einen Zuwachsverlust und Lichtstellung 
der Bestände, sondern auch vielfach eine Minderung der Samenernte 
zur Folge. Rechtzeitiger Einschlag und Entrindung der mit Brut 
besetzten Bäume, verbunden mit Verbrennung der Rinde, ist als 
Abwehr eines schon vorhandenen Frasses, rechtzeitiges Werfen von 
Fangbäumen als Vorbeugungsmittel zu empfehlen. Im Sommer noch 
nicht abgefahrene Kiefernstämme müssen wie Fangbäume behandelt 
werden. 

Beschreibung: H. (Myelophilus Eıcrn.) piniperda L. Käfer läng- 


lich, schwarz glänzend, Flügeldecken nur bei jungen braunroth. Kopf und 
Rüssel fein und nicht dicht punktirt, letzterer vorn etwas eingedrückt, mit 


Die Waldgärtner, Hylesinus piniperda und H. minor. 463 


feiner, erhabener Mittellinie. Halsschild kürzer als an der Basis breit, vorne 
verengt, kugelförmig, vor der Spitze leicht eingeschnürt, oben weitläufig, nicht 
tief punktirt, mit undeutlicher, glatter Mittellinie. Flügeldecken fein punktirt-ge- 
streift, Zwischenräume vorn runzlig-punktirt und gehöckert, nach hinten zu mit 
einer Reihe borstentragender kleiner Höckerchen. Der zweite Zwischenraum 
trägt jedoch auf dem Absturz selbst keine Höckerehen und erscheint daher vor- 
züglich beim d furchenartig, etwas vertieft. Fühler und Füsse rostroth. Länge 
4—4-5 mm. 

H. (Myelophilus Eıcan.) minor Hre. Käfer dem H. piniperda äusserst 
ähnlich, der zweite Zwischenraum trägt aber auch auf dem Absturz Höckerchen, 
erscheint daher nicht vertieft. Die Flügeldecken sind auch bei ganz reifen Exem- 
plaren nur röthlich-braun, nicht oder nur selten schwarz. Meist sind ausser den 
Fühlern nicht blos die Füsse, sondern die ganzen Beine rostroth. Länge 3:5—4 mm. 


Lebensweise: Wie aus den vorstehenden, genauen Diagnosen 
hervorgeht, sind die zoologischen Unterschiede dieser beiden 
Arten, d. h. bei H. piniperda L. die bei vollständig ausgefärbten 
Exemplaren dunklere Färbung der Flügeldecken — zuerst von v. BINZER 


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Fig. 145. Fig: 146. 
Fig. 145. Ein Stück Kiefernrinde von der Innenseite mit Frassfiguren von 
Hylesinus piniperda L.; links unten ein frischer Gang nur mit Eiergruben. 
a Bohrloch mit krückenförmigem Anfange des Mutterganges, 5 Luftlöcher. 


Fig. 146. Kiefernrolle mit Frassfiguren von Hylesinus minor Hrg. Am oberen 
Theile ist die aufgesprungene Rinde noch nicht abgefallen. 

[6] scharf betont — sowie, mit Rarzegurg zu reden [235, S. 377], 

die „Schattenfurche neben der Naht am Absturze”, die zuerst SAXESEN 

auffand, doch schliesslich so fein, dass in der Praxis wohl sehr viel 

häufiger eine Verwechselung beider Arten vorkommen würde, wenn 


S 


464 Kap. IX. Die Käfer. 


nicht ihre Frassfiguren äusserst verschieden wären. H. piniperda L. 
macht nämlich einarmige, senkrechte, am stehenden Baume von dem 
Bohrloch nach unten verlaufende, gewöhnlich mit einem Luftloche 
versehene, 7 bis 14cm lange Muttergänge mit krückenstockartig 
gebogenem Anfangstheile, von denen bei typischer Entwickelung der 
Frassfigur dicht gedrängte, langgestreckte Larvengänge in der Quer- 
richtung abgehen, um in a auf der Grenze von Rinde und 
Holz gelegenen Puppenwiegen zu enden ER werden die starkborkigen 
unteren Stammtheile vorgezogen, und die Gänge verlaufen meist so 
vollständig in der Rinde, dass das Holz höchstens von den Mutter- 
gängen, nicht aber von Larvengängen und Puppenwiegen oberfläch- 
lich gefurcht wird. Die Bohrlöcher des Käfers, welche meist recht 
verborgen unter Rindenschuppen angelegt werden, sind trotzdem oft 
durch sie umgebende, kleine hellgelbe Harztrichter ausgezeichnet. 


Der Anflug des Käfers ist oft ein sehr heftiger, so dass nament- 
lich Fangbäume häufig so dicht mit Frassfiguren besetzt sind, als 
überhaupt nur möglich. An starkem Holze kann man auf das laufende 
Meter bis 60 Gänge zählen, jeder durchschnittlich mit 100 Eiern 
belegt. Nehmen wir auch nur die Hälfte der Gänge und die Hälfte 
der sich zum Käfer ausbildenden Larven, so würden sich an Stämmen 
von 10 bis 13m Länge gegen 20 000 Käfer entwickeln! Er scheint 
ferner anfänglich die liegenden Stämme gern von der Unterseite 
anzugehen. 

Das oben über die Richtung der Muttergänge Gesagte bezieht sich 
wesentlich auf den stehenden Baum. Am gefällten kommt es auf die Lage an. 
Liegt ein Ende höber als das andere, so richten die Käfer ihre Gänge ein- 
heitlich von oben nach unten. Bei wagerecht liegenden kommen sowohl 
nach dem Wurzelende, wie nach dem Zopfende gerichtete gemischt vor [Eıcan. I5 a, 
Ss. 104]. 

H. minor Hrg. macht dagegen (Fig. 146) zweiarmige, quer- 
gerichtete Muttergänge, ungefähr von der Gestalt einer liegenden 
Klammer —— , bei denen die kurze mittlere Eingangsröhre von dem 
Bohrloche nach oben geht. Diese Muttergänge dringen stets bis in 
den Splint, während die von ihnen in der Längsrichtung des Baumes 
nach oben und unten abgehenden kurzen, nicht sehr dicht stehenden 
Larvengänge bald nur in der Rinde verlaufen, bald aber auch den 
Splint seicht furchen. Die Puppenwiegen liegen dagegen stets im 
Holz, und zwar mit ihrer Längsachse in radialer Richtung, so- 
dass nur ein kreisrundes Loch ihre Lage anzeigt. Der Käfer zieht 
frischeres, saftreiches Holz dem welken vor und brütet vorzugsweise 
in den Stammtheilen mit dünner, röthlichgelber, blättriger Rinde, 
welche über den Muttergängen und an den Stellen, wo die Flug- 
löcher sie reihenweise durchkohren, gern aufspringt. Der Käfer ist da- 
her im Durchschnitt in jüngeren Stangenhölzern und in den oberen 
Theilen älterer Bäume heimisch, während H. piniperda_L. die unteren 
Theile vorzieht. Trotzdem kommen gelegentlich Frassgänge beider 
Arten in unmittelbarer Nähe von einander vor. 


Lebensweise von Hylesinus piniperda und H. minor. 465 


Beide Käfer sind im Allgemeinen typische Schädlinge unserer 
gemeinen Kiefer, kommen aber auch in sehr vielen, ja vielleicht 
in allen anderen Pinus-Arten vor. Angriffe auf Fichte sind ferner 
durchaus nicht sehr selten, ohne dass man deshalb berechtigt wäre, 
von einem Schaden an letzterer Holzart zu reden. Im Allgemeinen 
sind die Waldgärtner der Verbreitung der gemeinen Kiefer ent- 
sprechend bei uns mehr Insekten der Ebene wie des Gebirges. 


In grosser Ausdehnung fressen beide Arten nach Prrrıs [58] in Südfrankreich 
an der Seekiefer, sowie in den verwandten Arten. In Weymouthskiefer wurde 
H. piniperda L. bereits 1846 zu Hohenheim beobachtet [XXIV, S. 21]. JupEıcH 
berichtet über einen ausgezeichneten Frass an derselben Holzart aus dem Tharan- 
der Forstgarten [38 5, S. 260]. Im Schwarzwald ist H. minor Hre. [XXVI, S. 22] 
auch in Legföhren getroffen worden, während Eıc#nuorr berichtet, dass ihm von 
dem Vorkommen von H. piniperda L. im Knieholz nichts bekannt geworden sei 
[5 a. S. 102]. Die geographische Verbreitung des bekannteren H. piniperda L. ist 
gleich derjenigen seiner Nährpflanzen eine eircumpolare, indem er sowohl in ganz 
Europa und Nordasien bis nach Japan hin, wie auch in Nordamerika vorkommt. 
Südlich geht er bis auf die canarischen Inseln [I5 a, S. 106]. Was das Brüten in 
Fichten betrifft, so sind die Angaben Becnstei’'s [ll, S. 190 bis 192] von Rarze- 
BURG zunächst angezweifelt worden [V, 1, S. 209], doch hereits 1863 berichtet 
WiırLkonm, dass Braun den Kiefern-Markkäfer im Reussischen in Fichte gefunden, 
eine Beobachtung, welche Braun selbst genauer und auf H. minor ausgedehnt 
1867 [9] publieirt. Es geschah dies in Folge einer neuen gleichen Beobach- 
tung von GIGGLBERGER [23 a] in der Bayerischen: Oberpfalz, welcher hierüber 
noch mehrmals geschrieben [23 5 und c] und sowohl RArzEegurG wie NöRD- 
LINGER mit Frassstücken und Käfern versehen hat. Letztere erkannten, jener 
brieflieh [235, S. 377] für H. piniperda L., dieser ausserdem in einem be- 
sonderen kleinen Artikel, auf Grund eigener Untersuchungen des Materiales 
die Richtigkeit dieser Beobachtungen an. Weitere eigen beobachtete Fälle 
führt NÖRDLINGER in seinen Nachträgen [XXIV, S. 21 und 22] an, und Juprıca 
beriehtet 1876 [XI, S. 116] vom Tharander Revier und aus Böhmen Gleiches. 
Wir können hinzusetzen, dass wir in neuerer Zeit wiederholt dieselbe Beob- 
achtung gemacht haben. An Lärchen brütend ist der Käfer unseres Wissens 
blos in Sibirien gefunden worden, und zwar durch v. Mınpenporrr [45 b, S. 243] 
Gelegentliche ältere Mittheilungen, dass er auch Tannen annähme, scheinen 
uns apokryph. Was Wırrkoum [75 5] darüber berichtet, beruht auf bewusster 
Anpassung an den Sprachgebrauch der russischen Ostseeprovinzen, in welchen 
die Kiefer „Tanne” genannt wird. Desgleichen scheinen uns die Mittheilungen, 
dass der Käfer auch Fichtentriebe ausgefressen habe, vorläufig nicht beglaubigt. 


Beide Arten sind Frühschwärmer, H. piniperda L. allerdings 
in noch hervorragenderem Masse als H. minor Hr. Sie überwintern 
als Käfer und werden von den ersten warmen Frühjahrstagen 
hervorgelockt. Zu dieser Zeit sind sie in riesigen Mengen auf den 
Winterschlägen, von denen das Holz noch nicht abgefahren wurde, 
an den Holzniederlagen der Sägemühlen u. s. f. zu beobachten. 
Die Weibehen beginnen alsdann die Anlage der Muttergänge und 
werden, halb im Bohrloche steekend, von den aussen sitzenden Männ- 
chen begattet. Die Eiablage geht recht allmählich vor sich und kann 
in demselben Muttergange, von dem Anfange bis zum Ende fort- 
schreitend, einige Wochen in Anspruch nehmen, worauf dann die 
später abgelegten Eier entsprechend später Larven, Puppen und Käfer 
liefern. Im allgemeinen kann man bei normaler mittlerer Früh- 
jahrswitterung 14 Tage auf das Eistadium, sieben bis acht Wochen 


466 Kap. IX. Die Käfer. 


auf das Larvenstadium und 14 Tage auf das Puppenstadium rech- 
nen, so dass also nach Rartzesurg 75 bis 84 Tage, nach Hzss 
11 bis 12 Wochen [33, S. 511] von der Eiablage bis zur Aus- 
bildung der anfänglich noch strohgelben, bald aber sich ausfärbenden 
Imago vergehen. Beobachtet man also einen Hauptflug Ende März, 
so kann man Ende Juni auf Käfer rechnen. 

H. minor soll nach Arrum meist etwas später fliegen alsH. piniperda, was 


EicHHorr für den Elsass leugnet, trotzdem es auch in Südfrankreich nach PERRIS 
[58, S. 222] Regel sein soll, dass er nicht vor April schwärmt. 


In Betreff der Schwärmzeit dürften aber wohl überhaupt die 
lokalen und klimatischen Verhältnisse stark mitsprechen. Es verspätet 
sich nämlich bei rauher Frühlingswitterung der Flug der Hylesinen 
oft so sehr, dass man noch bis in den Mai hinein frische Gänge 
findet. Auch die Entwickelungsdauer der Käfer wird stark von der 
Temperatur beeinflusst, wie erst kürzlich Hrss |33] klar zeigte. 
Während nämlich in Fangstämmen, die im Schatten eines etwa 60jähri- 
gen Kiefernbestandes lagen, die Entwickelung von der Eiablage bis zum 
Ausfliegen des Käfers ungefähr die oben angegebene Zeit von 11 bis 
12 Wochen betrug, ging sie in Stämmen gleichen Alters, auf einem der 
Südwestsonne exponirten Kahlschlage viel rascher vor sich und nahm 
nur sieben bis acht Wochen in Anspruch. Diese Thatsache ist sehr zu 
berücksichtigen, wenn es sich um Entscheidung der Frage nach der 
Generation der Kiefern-Markkäfer handelt. Rarzesurg und viele seiner 
Nachfolger waren geneigt, als Regel eine einfache Generation anzu- 
sehen, indem sie annahmen, dass die im Sommer ausgekommenen 
Käfer in demselben Jahre nicht wieder zur Fortpflanzung schritten, 
sondern sich direkt in die Triebe einbohrten. Dieser Behauptung 
stehen viele ganz positive Beobachtungen entgegen, welche das Vor- 
kommen einer zweiten Generation nachweisen ; dagegen ist an vielen 
Orten ebenso unzweifelhaft eine nur einfache Generation constatirt, 
und die Behauptung von Eıcnnorr, dass die doppelte Generation die 
Regel bilde und vielleicht eine dreifache vorkomme, eine ebenso 
unberechtigte Verallgemeinerung, wie die entgegenstehende RATZE- 
Burg’s. Vielmehr sind Höhenlage und Klima des Reviers, sowie die 
gerade herrschende Jahreswitterung die Faktoren, von denen es 
abhängt, cb eine einfache oder doppelte Generation vorkommt. 

Grapbisch lassen sich die Verhältnisse der Generation ungefähr 
folgendermassen darstellen: 


Einfache Generation von Hylesinus piniperda L. 


Jan. Febr.) März April Mai Juni | Juli | Aug. | Sept. | Oct. | Nov. Den 
| | | | 
| aunzumen 
++ | 
12 ers [rlisleeleee 


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1881 een, 


Lebensweise von Hylesinus piniperda und H. minor. 467 


Doppelte Generation. 


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| Jan. 


Febr. | März April| Mai | Juni | Juli | Aug. | Sept.| Oct. | Nov. | Dec. 
| A an | BB 27) We eure 
1880 "IL 044 | | 
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- — 


Kiefern-Markkäferbrut im Herbste wurde unseres Wissens zuerst von 
GeorG [22] gefunden, doch ist derselbe noch nicht geneigt, hieraus auf eine 
doppelte Generation zu schliessen, was auch RATZEBURG nicht thut. ALTUM 
ist bereits in der ersten Auflage seiner Forstzoologie [XVI, III, 1, S. 231] nach 
seinen Beobachtungen überzeugt, dass bei frühem Sommerfluge des H. piniperda 
der Käfer zu einer zweiten Brut schreitet. Er sagt: „Wiederholt habe ich unter 
dieser Voraussetzung bemerkt, wie einzelne starke Kiefern sich im Laufe des 
Sommers mit Harztrichtern an ihrem unteren Stammende bedeckten und das 
Bohrmehl händevoll um den Wurzelknoten angehäuft lag. Bohrt der Käfer 
nämlich lebende Stämme an, so wird seine Thätigkeit nicht nur durch das 
Bohrmehl, sondern noch auffälliger durch starken Harzausflus aus den Bohr- 
löchern verrathen, der die Oeffnung freizulassen und somit eine Trichterform 
anzunehmen pflegt. Unsere 1871 erloschene Kiefernspinnerkalamität zeigt durch 
allmähliches Absterben einzelner Stämme im Altholze noch fortwährend ihre 
Nachwirkung, so dass in den stark heimgesuchten Beständen weit mehr Stämme 
eingehen, als gewöhnlich. Der alte Kiefernhochwald stellt sich ja stets allmählich 
licht. An diesen kranken Stämmen nun zeigt sich in höchst auffallender Weise 
die eben genannte Erscheinung. Schon aus der Ferne erregen die zahlreichen 
weissen Flecke an denselben die Aufmerksamkeit. Das ist schon im Juli der 
Fall. Die Annahme, dass sich der Käfer an solchen zum Winterschlafe einbohre, 
ist schwerlich zu approbiren. Mitten im Sommer verkriecht sich kein Insekt zur 
Winterruhe, das hervorquellende Harz würde den Käfer tödten, und die Flug- 
löcher im Herbste beweisen striete, dass darin eine Generation zu Stande 
gekommen ist. An und für sich wäre es möglich, dass ein spätes Frühlings- 
schwärmen des Käfers dieselbe Erscheinung zur Folge hätte, zumal nach bereits 
erfolgter Entfernung aller gefällten Stämme und des Klafterholzes, sodass sich hier 
folglich nicht eine zweite, sondern die erste, einzige Generation entwickelt hätte. 
Allein meine Notizen zeigen mir gerade für das Jahr, in dem die genannte 
Erscheinung besonders hervorstechend auftrat, den Anfang März (7. bis 10.) 
als sehr lebhafte Schwärmzeit an.” Dieser Ansicht schliesst sich JupeıcH (XI, 
S. 112] völlig an. Eicunorr [I5 a, S. 112] triti dann mit voller Entschiedenheit 
für eine wenigstens doppelte Generation auf, und die hierdurch veranlassten 
Beobachtungen von Czeca [l2] und Hess [33] sprechen, erstere für eine mit- 
unter sogar dreifache, letztere für eine öftere doppelte Generation. 


Doch nicht nur bei ihrem Brutgeschäft, also wesentlich durch 
Larvenfrass, bedrohen die Kiefern-Markkäfer unsere Bestände, sondern 
auch durch Käferfrass, durch welchen irn Spätsommer und Herbst 
die bekannten Abfälle, Abbrüche oder Brüche an den Kiefern 
erzeugt werden. Die jungen, eben fertig gewordenen Käfer beider 
Arten, welche in ihrem Gebuitsjahre nicht mehr zur Fortpflanzung 
schreiten, bohren sich dann in die jungen Triebe benachbarter 
Kiefern. Das Bohrloch, welches sich durch das austretende und 
verhärtende, in Form eines Trichters dasselbe umgebende Harz 
leicht kenntlich macht, befindet sich meist 2 bis 5 cm unterhalb der 


468 Kap. IX. Die Käfer. 


Spitzknospen, also im jüngsten und zartesten Theile des Triebes. 
Ist es weiter von der Knospe entfernt, und geht der vom Käfer 
ausgefressene Gang nicht bis an dieselbe, so entwickelt sie sich zu- 
weilen, und die hohle Triebröhre füllt sieb wieder mit Holzmasse, 
Meist erkennt man dies an den kurzen Bürstennadeln und an einer 
Anschwellung des Triebes schon von weitem. Der Käfer frisst nur 
die Markröhre aus, ohne aber je darin zu brüten, wie Anob. nigrinum 
Er., und entfernt sich dann bald wieder daraus. Von den durch Schmet- 
terlingsraupen verursachten Aushöhlungen von Trieben unterscheidet 
sich dieser Borkenkäferfrass durch den Mangel an Raupenkoth in 
den Röhren. Die Triebe brechen, mit oder ohne Zapfen, an der 
Stelle des Bohrloches leicht herunter, oft wenn der Käfer noch darin 
sitzt, und bedecken nicht selten den Boden merklich. 

Diese Triebzerstörung wurde lange Zeit nur dem H. piniperda L. zuge- 
schrieben. Aber schon Perrıs [98, S. 222] kennt auch H. minor Hrc. aus 
Seekieferntrieben. EıcnHorr [15 a, S. 118] berichtet, dass SchREINER den letzteren 
häufig in Trieben gefunden, Arrum ist neuerdings auch damit bekannt gewor- 
den [XVI, III, 1, S. 262], und auch Jupzıcn hat bei Meissen H. minor Hre. in 
Trieben gefunden. Arrum glaubt auch beobachtet zu haben [2 c], dass die 
Käfer mitunter statt der Triebe die Stämme 2 bis 3 cm starker Kiefern angehen 
und in deren Rinde unregelmässige Gänge fressen, ohne hier zu brüten. 

Sobald anhaltender Frost eintritt, in unseren nördlicheren Gegen- 
den also im November und December, verlässt der Käfer die Triebe 
und bohrt sich an Randbäumen, zuweilen auch an Stöcken, in der 
Gegend des Wurzelknotens durch die Rinde bis auf den Splint. Um 
ihn hier zu suchen, muss man, wenn die Bohrlöcher nicht über der 
Erde zu sehen sind, das Moos des Bodens etwas entfernen und auf 
das Wurmmehl und die Harzkrümelchen, welche vor den Bohr- 
löchern liegen, achten. An diesen Stellen überwintern sie. Nach 
TASCHENBERG sollen die durch Harztrichter kenntlichen Ueberwinte- 
rungsgänge oft ziemlich weit am Stamme hinauf vorkommen [XXII, 
II, 8. 207]. 

Schaden. Wir haben es hier mit den wichtigsten Kiefern- 
käfern zu thun. Sie wirthschaften durch ihren Larvenfrass ähnlich 
wie der Fichten-Borkenkäfer. Indessen tritt dieser häufiger primär auf, 
während die Kiefern-Markkäfer meist nur nach Raupenfrass, Schnee- 
brüchen, Windwürfen, Ueberschwemmungsbeschädigungen und nament- 
lich auch nach Waldbränden, welche die Kiefernstämme beschä- 
digen, also secuudär, grosse Verbreitung erlangen. H. minor 
bohrt meist nur stehendes Holz an und wurde früher als der 
seltenere Käfer betrachtet, seitdem man aber mehr auf ihn achtet 
und auch die Wipfelpartien in kränkelnden Beständen beob- 
achtet, hat man ihn immer häufiger gefunden. H. piniperda begnügt 
sick meist mit liegendem Holze, da ihn der Harzfluss aus den Bohr- 
löchern des stehenden Holzes leicht erstickt; jedoch überwindet er 
diesen auch, und man findet ihn nach Eulenfrass meist gemeinschaft- 
lich mit H. minor, welcher letztere vielleicht für Verlangsamung der 
Saftbewegung sorgt und dem H. piniperda dadurch vorarbeitet. Daher 


Schaden von Hylesinus piniperda und H. minor. 469 


findet man Stämme, an welchen erst H. minor in den Zweigen des 
Wipfels haust, die absterben, ehe noch H. piniperda hinzukommt. Die 
Fälle, in welchen beide Arten gemeinschaftlich einen ganzen Bestand 
befallen und ihn ganz oder grösstentheils tödten, sind selten. In 
soleben Fällen betheiligen sich gewöhnlich auch die Holzwespen, 
welche im Innern der kranken oder abgestorbenen Stämme wirth- 
schaften. Auch werden nicht nur die Stangenhölzer und Althölzer 
als Brutplätze aufgesucht, sondern mitunter, namentlich von H. pini- 
perda L., auch jüngere Kulturen im Alter von 12 bis 15 Jahren als 
solche benutzt. Auch schon die Anlage der Ueberwinterungsgänge 
kann schwächlichere Bäume empfindlich schädigen und sogar zum 
Eingehen bringen, Der Frass von H. piniperda L. hat meist am ein- 
gegangenen Stamme die Ablösung grösserer Rindenstücke zur Folge, 
während die dünne Rinde der von H. minor Hra. bevorzugten 
glatteren Stammtheile sich in kleinen Plättchen loslöst. 


Ueber ausgedehntere Beschädigungen durch Larvenfrass der Kiefern-Mark- 
käfer liegen schon ältere Berichte vor. So fand Gror« [XI, S. 115] die Käfer 
Ende der Fünfzigerjahre im Reviere Grünhagen bei Lüneburg in 60jährigen 
Kiefernbeständen in solcher Masse vor, dass im Winter vorher auf 47 ha 398 
Fangbäume gefällt werden mussten, und dass doch noch Käfer genug das 
stehende Holz angingen, weshalb Berichterstatter im Juli sämmtliche Bestände 
mit einem Holzhauer absuchen und alles vom Käfer angegriffene Holz abgeben 
musste; ja es musste die Revision noch später wiederholt werden, weil viele 
Stämme erst nachher roth wurden. Die stärksten und gesundesten gingen 
massenweise zugrunde. Am schlimmsten hauste der Käfer da, wo erst einmal 
eine Blösse im Bestande war, die er dann immer mehr vergrösserte. Obgleich 
bier auch von Jahren vor 1857 die Rede ist, so spielte doch dieses durch seine 
ungewöhnliche Wärme berühmte und berüchtigte Jahr, welches auch in anderen 
Gegenden Ausnahmserscheinungen hervorrief, die Hauptrolle. Auf verschiedenen 
Preussischen Revieren wurde im Jahre 1862 über den Kiefern-Markkäfer geklagt. 
Die Vergrösserung einmal vorhandener Blössen durch den Markkäfer beob- 
achtete RATzEsurg im Gebirge, in den Bernburger Forsten des Harzes, wo aller- 
dings der Käfer in den durch Boden und klimatische Verhältnisse nicht 
begünstigten Kiefern leichtes Spiel hatte. Ganz besonders lehrreich sind die vor 
Wırrkomm [75 5] gegebenen Schilderungen ausgedehnter Verheerungen von 
H. piniperdaL. in Verbindung mit Tomicus sexdentatus Boerrn. und T. biden- 
tatus Hest. in den Wäldern der Ostseeprovinzen. Schöne Beispiele für die 
Neigung des H. piniperda L., durch Bodenfeuer geschädigte Kiefern anzugehen, 
führt Rarzegure [V, S. 210] nach Beobachtuugen von Hryer an. Irgendwie ge- 
köpfte Bäume befällt der Käfer, wie Nırsche beobachtete, mit ganz besonderer 
Schnelligkeit. Sehr allgemein sind die Klagen über die Kiefern-Markkäfer als 
Nachfolger der die Kiefern beschädigenden Raupen, und zwar scheint diese 
Erscheinung nach Kieferneulenfrass noch. regelmässiger als nach Kiefernspinner- 
frass vorzukommen. Ein neuerer Fall davon wird von Krorrer von der Herr- 
schaft Primkenau berichtet [43, S. 75]. Ueber grössere Beschädigung durch 
unsere beiden Käfer in Folge einer Salzwasserüberschwemmung von Kiefern- 
beständen dureh Sturmfluth berichtet v. Bimzer [6] nach den Mittheilungen von 
Oberförster BaLruasar von dem Revier Born auf dem Darss an der Ostsee. 
Später ging der Käfer hier aber auch massenweise gesunde Bäume an. Absterben 
von Kiefern in Folge des Vorhandenseins massenhafter Ueberwinterungsgänge 
hat ausser Rarzerurg [Xl, S. 116] namentlich auch Tascnengere [XXIl, I, 
S. 207] beobachtet. 


Bei weitem gefürchteter sind aber die Schäden, welche durch 
Anbohren und Vernichten der Zweigspitzen entstehen und 


470 Kap. IX. Die Käfer. 


den Thätern, weil sie gewissermassen die Bäume verschneiden, 
von Linn& die Bezeichnung hortulanus naturae eintrugen, ein Name, 
der sich in der Uebersetzung „Waldgärtner” in die forstliche 
Praxis übertrug. „Abfälle” oder „Abbrüche” wurden auch an 
Krummholzkiefern und Weymouthskiefern beobachtet. Diese Abfälle 
sind so gewöhnlich, dass sie fast überall und alljährlich vorkommen, 
glücklicherweise aber im geschlossenen Bestande mehr einzeln, in 
Massen nur in Lücken desselben oder an freien Rändern, wo der 
Käfer, von nahen Holzhöfen, Ablagen, besonders von den Holzstössen 
naher Schläge u. s. f. herkommend, leicht zuschwärmen kann und 
dabei hauptsächlich auf die hervorragenden Stämme, besonders auf 


WIE ART, 


Fig. 147. 
Fig. 147. Triebzerstörungen durch Hylesinus piniperda L. und H. minor Hre. 
hervorgebracht. In der kleinen Landschaft links sieht man bei aa Kiefern mit 
normaler Kronenbildung, während die bei 5b durch die Arbeit der „Waldgärtner” 
gelichtete Wipfel zeigen. Rechts ein von dem Käfer ausgehöhlter Trieb, ce Bohr- 
loch mit Harztrichter, d aufgeschnittener Frasskanal. 
alte, übergehaltene Kiefern, einfällt, die ihn also von Junghölzern 
ableiten. Aeltere Stämme verlieren oft so viele Triebe an dem 
ganzen Mantel der Krone, dass diese ihre gewölbte Form einbüsst, 
und fast die Gestalt von Fichten oder Cypressen, mit einzeln her- 
vorragenden Armen, annimmt, auch im Innern fehlerhafte Verzwei- 
gung bekommt und der Baum endlich anfängt wipfeldürr zu werden 
(Fig. 147). Im Laufe der Jahre gehen so auch zahllose Zapfen ver- 
loren, und es kann möglicherweise das Wirthschaften in Samen- 
schlägen dadurch unmöglich gemacht werden. Im jüngeren Holze 
werden die Wipfel eigenthümlich lückig. Aber es fehlen die beiden 


Abwehr des Schadens der „Waldgärtner”. 471 


Kiefern-Markkäfer doch auch mehr im Innern der Bestände nicht. Der 
Schaden, den sie hier anrichten, trifft nicht blos die befallenen, einzeluen 
Bäume, sondern indirekt den ganzen Bestand, weil alles, was den 
ohnehin lichten Kronenschluss der Kiefer noch weiter lichtet, nach- 
theilig für den Boden wirkt. Hierauf ist entschieden Gewicht zu 
legen, und verdienen schon deshalb die Käfer gründlich verfolgt zu 
werden. Sie finden sich auch an jungen, besonders schlechtwüchsigen 
Kiefern in der Markröhre ein; ihre Gegenwart wird hier an dem mit 
weissem Harztrichter aussen bekleideten Bohrloche der jungen Triebe 
erkannt, sowie an den massenhaft auftretenden Scheidentrieben. 

Es können in Folge dieser Triebbeschädigungen, wenn sie sich 
Jahr für Jahr wiederholen, ältere Kiefern auch direkt eingehen, 
und durch Verbindung von Rinden- und Triebbeschädigungen werden 
die schlimmsten Verheerungen durch die Kiefern-Markkäfer erklärlich. 

Abwehr. Als Vorbeugungsmittel ist ausser der Erziehung 
gesunder Bestände, passender Durchforstung und Entfernung aller 
- geschädigten Stämme das rechtzeitige Werfen von Fangbäumen 
zu bezeichnen. Ueber die Wirksamkeit dieser Massregeln, deren 
specielle Ausführung wir im Allgemeinen weiter unten bei Gelegen- 
heit des Fichtenborkenkäfers besprechen, ist kein Streit, wohl aber 
verdient hervorgehoben zu werden, dass in neuerer Zeit vielfach über 
die Dauer der Zeit, in welcher die Fangbäume zu werfen und zu ent- 
rinden sind, Streitigkeiten entstanden. Die Regel hiefür ist nun ganz 
allgemein, dass Fangbäume so lange geworfen werden müssen, als 
- Käfer schwärmen, also in warmen Revieren und Jahren, in denen 
doppelte Generation zu vermuthen ist, vom Februar bis September, 
während in kälteren Jahren und Revieren dies nur im Frübjahr noth- 
wendig wird. Die Entrindung hat stattzufinden, sobald die Larven aus- 
geschlüpft sind, und sie muss im Allgemeinen für die erste Generation 
Anfang Juni vollendet sein. Auf Schlägen lagernde Stämme müssen 
wie Fangbäume behandelt werden, da sowohl hier, als bei anderen 
Borkenkäfern das blosse Abfahren des befallenen Holzes aus dem 
Walde nicht genügt. Erfolgt die Abfuhr nur nach benachbarten 
Consumtionsorten, so finden die Käfer häufig ihren Weg nach dem 
Walde zurück. Wird das Holz weit transportirt, so werden dadurch 
nicht selten diese Waldverderber fremden Waldungen zugeführt. Die 
Rinde ist zu verbrennen, da in blos abgeschälten oder abgeschnitzten 
Rindenstücken sich doch viele Larven entwickeln können. Hat man 
es auch mit H. minor Hrc. zu thun, so muss man besonders darauf 
achten, dass die Schälung vollendet ist, ehe die Larven die Puppen- 
wiegen bezogen haben, da diese im Holze liegen, und sich daher auch 
in geschälten Stämmen Käfer entwickeln können. Mit Puppenwiegen 
von H. minor Hr. bereits besetzte Zopfenden und schwächere 
Stämme sollten wenigstens angeschwält werden. 

Innerhalb der Bestände selbst werdeu, wenn hier viele krän- 
kelnde Stämme, z. B. in Folge von Raupenfrass, vorhanden sind, 
die gefällten Fangbäume nicht mit besonderer Vorliebe angenommen. 


472 Kap. IX. Die Käfer. 


Weit besseren Erfolg hat alsdann die Herstellung stehender Fang- 
bäume durch Köpfung von Kiefern an der Stelle, wo die dünne, 
hellbräunliche Rinde anfängt. Solche stehende Fangbäume müssen 
natürlich nach erfolgtem Anfluge gefällt und entrindet werden. Einen 
grösseren comparativen Versuch mit einigen Tausend Stück Fang- 
bäumen beider Art hat KLoprer in Primkenau neuerdings auf An- 
rathen von NrrsgH& durchgeführt, „und der Erfolg sprach in hervor- 
ragender Weise für die geköpften” [43, S. 45 und 46]. Man hat 
auch das Zusammenharken der im Herbst unter den Bäumen liegen- 
den grünen Triebe empfohlen. Da aber die meisten schon wieder 
vom Käfer verlassen sind, wenn sie abfallen, so darf man sich keine 
grosse Wirkung von diesem Mittel versprechen. 


Stamm und Aeste bewohnende Rindenbrüter, welche als 
Larven den Laubhölzern schaden. Die zahlreichen, in diese biolo- 
gische Gruppe gehörigen Arten der Gattungen Scolytus, Hylesinus 
und auch Tomicus sind für die Praxis sehr ungleichwerthig. Die- 
jenigen, welche nur in ganz schwachem Materiale oder in abge- 
storbenen Stämmen und Stöcken vorkommen und zum Theile noch 
immer für Sammler unter die Seltenheiten gehören, sind durch- 
aus unwichtig und können hier nur kurz erwähnt werden. Andere 
sind dagegen häufiger vorkommende, wirklich das Leben von Laub- 
holzstämmen gefährdende Käfer, welche zwar nur in Ausnahmefällen 
ausgedehntere Verwüstungen hervorbringen, dagegen sehr häufig 
durch Zerstörung werthvoller Einzelbäume und kleinerer Baumgruppen, 
namentlich auch von Alleebäumen, unangenehm werden. Ziehen wir aber 
im Allgemeinen einen Vergleich zwischen diesen Laubholzschädlingen 
und den biologisch und systematisch verwandten Nadelholzformen, 
so müssen wir erstere, namentlich mit Rücksicht auf die viel grössere 
Widerstandskraft und das stärkere Reproductionsvermögen der Laub- 
hölzer, als die weit weniger gefährlichen erklären. Wir fassen die 
wichtigeren nach den einzelnen, von ihnen bevorzugten Holzarten 
zusammen und behandeln einige andere mehr als Anhang. 


Rüstern-Borkenkäfer. Obgleich die Rüstern, und zwar gleich- 
mässig unsere Feldrüster, Ulmus campestris L. und die Flatterrüster 
U. effusa Wırnn., von einer grösseren Anzahl von Borkenkäfern heim- 
gesucht werden, als die anderen Laubhölzer, so sind hier doch nur 
drei Arten einer genaueren Erwähnung werth, nämlich 

der grosse Rüstern-Splintkäfer, (Taf. II, Fig. 11) 

Scolytus Geoffroyi GOEZE, 
der kleine Rüstern-Splintkäfer, 
Sc. multistriatus MArsn. und 
der kleine bunte Rüstern-Bastkäfer, 
Hylesinus vittatus FABr. 
von denen die beiden ersten kurze Lothgänge (Fig. 148) machen, 
während der dritte kleine doppelarmige Wagegänge (Fig. 149) er- 


Rindenbrütende Rüstern-Borkenkäfer. 473 


zeugt. Von den Frassfiguren der beiden Splintkäfer sind wieder 
die von Sc. multistriatus Marsn. durch geringere Stärke der Mutter- 
und Larvengänge und grössere Zahl und Gedrängtheit der von einem 
Muttergange ausgehenden Larvengänge leicht zu unterscheiden. Alle drei 
Formen können jüngere und kränkliche Bäume zum Absterben bringen, 
und namentlich Sc. Geoffroyi GorzE hat schon Rüsternbestände durch 
im Gipfel beginnende und allmählich herabsteigende, jahrelang 
wiederholte Angriffe, denen schliesslich eine grössere Zahl Stämme 
zum Opfer fiel, unangenehm gelichtet. Ihr grösster Schaden hat aber 
immer in Alleebäumen stattgefunden. Fangbäume sind gegen diese 
Schädlinge wirksam. 


"Beschreibung. Scolytus Geoffroyi Gorze (destructor Ouıv., Ratze- 
burgü Tums., Eccoptogaster scolytus Rarz.).. Käfer schwarz oder pech- 
braun, glänzend. Halsschild etwas breiter als lang, ziemlich weitläufig und 
fein, auf der Scheibe sehr fein punktirt. Flügeldecken braun, oft verwaschen 
dunkel gefleckt, nach hinten verschmälert, tief punktirt-gestreift; Zwischenräume 
breit und flach, fein und unregelmässig gereiht-punktirt. Stirn fein gerunzelt, 
mit kurzen gelben Haaren. Der dritte und vierte Bauchring in der Mitte mit 
einem kleinen Höckerchen. Fühler und Füsse röthlich-gelb, Schenkel und 
Schienen braun, oft mit schwärzlichen Flecken. Beim S Stirn etwas flachge- 
drückt, Afterspitze mit langen gelben Haaren. Beim P Stirn flach gewölbt, 
Afterspitze ohne solche Haare. Länge 4—6 nım. 


Sc. multistriatus Marsu. Käfer schwarz oder pechbraun, mässig glänzend. 
Halsschild etwas länger als breit, auf der Scheibe fein und nicht dicht, an den 
Seiten diehter und gröber punktirt. Flügeldecken braun, nach hinten ver- 
schmälert, sehr dieht punktirt-gestreift, mit fast gleich starken Punkten. Stirn 
sehr fein gerunzelt, nadelrissig. Der zweite Bauchring an der Spitze mit einem 
grossen, wagerecht nach hinten gerichteten Dornfortsatz. Fühler und Beine röth- 
lieb-braun. Beim d' die Stirn etwas flachgedrückt, an den Seiten und hinten mit 
graugelben Haarbörstchen eingefasst. Stirn des 9 etwas gewölbt, ohne Borsten- 
kranz. Länge 3—3°5 mm. 


In Rüstern leben noch die seltenen Sc. pygmaeus FıArr. und Sc. 
Kirschi SkaL.; auch Sc. Pruni Rarz. soll sich in Rüster verirrt haben 
[XXIV, S. 27]. 


H. (Hylesinus Fark. i. eng. Sinne) vittatus Fasr. Käfer oval, glanzlos. 
Halsschild etwas breiter als lang, nach vorn verengt, an der Basis sehr schwach 
gebuchtet, äusserst feinkörnig punktirt, gelblich beschuppt mit zerstreuten 
grösseren Körnchen besetzt, eine Mittellinie nur angedeutet. Flügeldecken hinten 
abschüssig gewölbt, mit bräunlich-gelben und weisslichen Schüppehen dicht be- 
kleidet, welche mitunter unregelmässige, viereckige Fleckehen, mitunter schräge 
Längsbinden bilden, fein punktirt-gestreift; die flachen Zwischenräume erreichen 
sämmtlich den Spitzenrand. Kopf und der sehr kurze Rüssel äusserst feinkörnig 
punktirt und beschuppt, Fühler und Beine gelbroth. Länge 2—2'5 mm. 


Sehr nahe steht diesem Käfer noch der H. Kraatzi Eıcan., welcher sich 
von ihm namentlich dadurch unterscheidet, dass der zweite Zwischenraum der 
Punktstreifen auf dem Flügeldeckenabsturze nicht bis zur Spitze herabreicht, 
sondern sehr versehmälert und etwas abgekürzt ist. Die verwandten südlichen 
Arten, H. Perisi CHar. und H. vestitus Murs. et Rey., gehören unserem Faunen- 
sebiete nicht an. 


Lebensweise. Die Frassfiguren der beiden hier in Frage 
kommenden Scolytus-Arten bestehen aus verhältnissmässig kurzen 
Längsgängen, die nur selten Luftlöcher haben. Auch bei dem grossen 


Lehrbuch d. mitteleurops Forstinsektenkunde.! 31 


474 Kap. IX. Die Käfer. 


Rüstern-Splintkäfer (Fig. 148) sind sie meist nur 2—3 cm lang und 
2:5—3 mm breit, bei dem kleinen erreichen sie dieselbe Länge, sind 
aber viel schmäler. Die Larvengänge sind dagegen bei beiden ausge- 
dehnt, mitunter 10—15 cm lang und laufen fast sternförmig von dem 
kurzen Muttergange in der Rinde fort, in welcher auch die Puppen- 
wiegen liegen. Nur bei dünnerer Rinde wird auch der Splint vom 
Muttergange und den Puppenwiegen leicht gefurcht. Die grössere 
Regelmässigkeit in der Anordnung der Larvengänge lässt die schwächere 
Frassfigur des kleinen Rüstern-Splintkäfers leicht erkennen. Der 
bunte Rüstern-Bastkäfer, H. vittatus Fasr, macht dagegen typisch 


| | 


il N 


Kiel, 


NINE 
STEHEN mM IC 


Fig. 149. Frass von Hylesinus 
Fig. 148. Frassfigur von Scolytus Geoffroyi vittatus Faze. in Ulmenrinde. 
Original nach einem von Prot. 
HenscHEL in Wien geschenkten 
Original. Präparate. !/, nat. Grösse. 


GoezE in Ulmenrinde. !/, nat. Grösse. 


zweiarmige, im ganzen 2—4 cm lange Wagegänge, welche haupt- 
sächlich in der Rinde verlaufen. Die mittlere Eingangsröhre geht 
nicht bis auf den Splint, sodass an der Innenseite der Rinde die 
beiden Arme des Mutterganges durch eine kleine, unverletzte Rinden- 
stelle (Fig. 149 a) getrennt erscheinen. [XXIV, S. 26]. Die Larven- 
gänge sind kurze, in der Rinde verlaufende Längsgänge. Ganz ähnlich 
frisst der nur schwer von H. vittatus FApr. unterscheidbare H. Kraatzi 
Eıcan. 


Rindenbrütende Rüstern-Borkenkäfer. 475 


Der grosse Rüstern-Splintkäfer und seine Genossen sind Spät- 
schwärmer, welche frühestens im Mai zur Fortpflanzung schreiten, 
Sc. multistriatus Marsh. nach Eıcunorr [15 a, S. 161] sogar erst 
im Juni und Juli. Ob letzterer eine doppelte Generation hat, 
ist noch nicht festgestellt, dagegen sprechen verschiedene Beobach- 
tungen dafür, dass die beiden ersteren oft noch einen Augustflug 
haben. Auf jeden Fall überwintern die Larven. 


Ueber einen Augustflug von Sc. Geoffroyi Gorze berichtet sicher Arrum 
[2 d]| aus dem königl. Preussischen Staatsforstrevier Lödderitz. NÖRDLINGER 
fand im August junge Käfer von H. vittatus Farr. [XX!V, S. 26] und Leyo- 
HECKER [!5 a, S. 143] fand ihn am 21. Mai stark schwärmend. Wie wir uns durch 
Untersuchung der Käfer, die aus einem von Prof. HrxscHer in Wien der Tharan- 
der Sammlung geschenkten Frassstücke genommen wurden, überzeugen konnten, 
sind die Frassgänge vonH. vittatus FAgr. genau denen desH. Kraatzi Eıcan., welche 
EıcHHorr abbildet, gleich, sodass also von Seiten NÖrDLInGEr’s keine Verwechs- 
lung vorliegt [15 a, S. 141]. Sc. multistriatus Marsn. ist nach Aırum [XVI, III, 
1, S. 247] in Frankreich durch v. Sarısca in Pappel gefunden worden, und Sc. 
Geoffroyi GoEZE wird von HenscHeL auch als gelegentlicher Eschenbewohner 
bezeichnet [XIl, 2. Aufl., S. 205]. 


Der Schaden aller dieser Formen besteht lediglich in dem 
Larvenfrass. Der Angriff von Sc. Geoffroyi GoEze ist am genauesten von 
Oberförster Brecner in Zoeckeritz bei Bitterfeld beobachtet worden. 
Hier befällt er [XVI, III, 1, S. 244] unbemerkt die obersten Zweige 
der Ulmen, bringt diese zum Absterben und steigt dann allmählich 
tiefer herunter, schliesslich den Baum tödtend. Sein Angriff erfolgt 
stets nur an saftigen Stellen. Auch jüngere Bäume kann er befallen, 
wie die Beobachtungen von ScHinpLer [66, S. 16] zeigen, der den- 
selben nicht nur an einzeln stehenden Samenbäumen, sondern auch 
an einer „fünfjährigen Maiss” in dem Sellyer k. k. Fondsforste in 
Ungarn fand. Nach demselben Beobachter kommt Sc. multistriatus 
MaArsH. mebr in den Aesten vor. Ein sehr bekannt gewordener Fall 
von Alleebaumzerstörungen durch beide Splintkäfer ist der von Rarze- 
BURG [62 c] berichtete auf dem Tempelhofer und Schöneberger 
Ufer zu Berlin, wo verpflanzte Bäume von 20—30 cm Durchmesser, 
die durch Grundwasser geschädigt waren, in Folge dieser Angriffe 
eingingen. Andererseits kennt Rarzesura einzelne ältere Rüstern, 
welche viele Jahre lang den Käfern widerstanden [XV, II, S. 266]. 
Ein wirklicher Schaden von H. vittatus FAagr. wird nur durch 
ScHINDLER beschrieben |66, S. 18 bis 20], und zwar aus den bereits 
oben erwähnten Sellyer Forsten, wo 1858 „1200 Stück 1 bis 2 Zoll 
starke und 6 bis 10 Schuh hohe Rüsternstämmchen” dem Käfer, der 
durch v. FrRAUENFELD bestimmt wurde, zum Opfer fielen und entfernt 
werden mussten. 


Abwehr. Einschlag der befallenen Bäume und Verbrennung 
der mit Larven besetzten Aeste und der stärkeren Rinde ist ein 
Vertilgungsmittel. Öberförster BrecHher hat mit Erfolg gegen die 
grösseren Splintkäfer Fangbäume, beziehungsweise -Aeste angewendet 

31* 


6 Kap. IX. Die Käfer. 


IxVI, III, 1, S. 244]. Rarzegurg berichtet [V, 1, S. 228], dass man 
in Brüssel junge Alleebäume durch Anstrich mit Steinkohlentheer zu 
schützen versucht habe. 


Beachtenswerth ist ferner das, was GRrUNERT zunächst aus Frankreich 
mittheilt [26 5, S. 74]. Bei den von Borkenkäfern angegangenen Rüstern sucht 
man dort gewissermassen eine Verjüngung der Rinde durch Abschälen von 5 bis 6 
Längsstreifen von der Wurzel bis in die Aeste verlaufend oder durch ein Ab- 
nehmen der rauhen Borke bis auf eine ganz dünne Schicht über dem Baste, oft 
auch durch eine Verbindung beider Massregeln herbeizuführen. Das Mittel soll 
nicht erfolglos sein, und man sieht in dieser angeblich schützenden Weise unter 
Anderem auch die riesigen Ulmen im königl. Park in Brüssel behandelt. 
RATzegure schlägt für diese Procedur den Namen ‚,‚Searification” vor und sucht 
ihre Wirksamkeit in der Entstehung von Ueberwallungschichten. 


Eschen-Borkenkäfer. Die beiden hierher gehörigen 
Formen sind 
der kleine bunte Eschen-Bastkäfer, 
Hylesinus Fraxini FABr. und 
der grosse schwarze Eschen-Bastkäfer, 
H. crenatus FApr. 


Ersterer lebt in Stämmen und Aesten von Eschen aller Alters- 
klassen über Heisterstärke, während der im allgemeinen seltenere, 
schwarze Eschen-Bastkäfer namentlich alte Eschen mit starker, rissiger 
Rinde bevorzugt. Obgleich die Eschen den Angriffen dieser Käfer 
häufig lange Widerstand leisten, so sterben doch bei alljährlich 
wiederholtem Angriffe, der namentlich bei dem bunten Eschen-Bast- 
käfer in der Krone beginnt und dann stammabwärts fortschreitet, 
oftmals nicht nur einzelne Aeste, sondern ganze Bäume und Baum- 
gruppen ab. Da H. Fraxini Faser. auch liegendes Holz angeht, kann 
man ihn durch Fangbäume bekämpfen. Wegen H. crenatus FABRr. 
hilft nur Einschlag der stark befallenen Stämme mit nachfolgender 
Entrindung und Verbrennen der brutbesetzten Rinde. 


Besehreibung: H. (Hylesinus Far. i. eng. Sinne) Fraxini FaBkr. 
Käfer oval, pechbraun bis schwarz, unten dieht greis behaart. Halsschild fast 
doppelt so breit als lang, nach vorn verengt, an der Basis fast gerade abge- 
stutzt, oben fein runzelig punktirt und gehöckert, mit gelblieh-grauen Schüppehen 
bedeckt, an der Basis vor dem Schildehen beiderseits mit einem bräunlichen 
Fleck. Flügeldecken von der Basis nach hinten fast gleichmässig gewölbt, hinten 
nicht steil abschüssig, fein punktirt-gestreift, mit flachen, gehöckerten und hinten 
reihig gekörnelten Zwischenräumen, unregelmässig buntscheckig beschuppt. 
Kopf sehr fein und dicht punktirt, grau behaart. Rüssel sehr kurz. Fühler und 
Füsse rothgelb. Länge 2:5—3'2 mm. 


H. (Hylesinus Far. i. eng. Sinne) crenatus Fasr. Küfer lang eiförmig, 
gewölbt, schwarz, etwas glänzend, fast unbehaart. Halsschild etwas breiter als 
lang, nach vorn verengt, am Hinterrand beiderseits tief gebuchtet, an den Seiten 
serundet, tief und dieht punktirt, mit einem glatten Punkt auf der Mitte der 
Seheibe und einem flachen Eindruck beiderseits vor dem Hinterrand. Flügel- 
decken gekerbt-gestreift, nach hinten nicht steil abfallend, Zwischenräume quer- 
runzelig, mit kurz beborsteten Höckerehen. Kopf und der an der Spitze einge- 
drückte, breite Rüssel runzelig punktirt. Fühler und Beine braun-röthlich. Länge 
4:5—5'5 mm. 


Rindenbrütende Eschen-Borkenkäfer. Auen 


Gelegentlich bewohnt (vgl. S. 472) auch Scolytus Geoffroyi Göze 
die Esche. 

Lebensweise. Die beiden Eschenbastkäfer sind nicht nur 
durch ihre Grösse und Färbung zoologisch leicht unterscheidbar, 
sondern auch ihren Frassfiguren nach. Der gemeinere von beiden, 
H. Fraxini FAer., macht deutliche doppelarmige, meist 5 bis 8 cm 
lange Wagegänge mit kurzer mittlerer Eingangsröhre, von denen eine 
grössere Anzahl kurzer, dieht gedrängter Larvengänge meist ziemlich 
senkrecht nach oben und\unten abgehen (Fig. 150). Die Muttergänge 
sowohl wie die Larvengänge schneiden meist tief in das Holz ein, 
und nur an sehr starkborkigen Stämmen verlaufen sie mehr in der 


| M Mi || , 
N u ") I 


Fig. 150. Fig. 151. Fig. 152. 
Fig. 150. Frass von Hylesinus Fraxini Farr. in einer stärkeren Eschenrolle. 
t/, nat. Gr.; Original. 
Fig. 151. Frass desselben Käfers mit abnorm gerichteten Muttergängen in einem 
sehr schwachen Aste. !/, nat. Gr.; Original. 
Fig. 152. ‚‚Rindenrosen” an Esche, entstanden als Folge der Ueberwinterungs- 
gänge des bunten Eschenbastkäfers. !/, nat. Gr.; Original. 
Rinde wie im Splint. In Folge dessen sieht ein stark mit H. Fraxini 
Fapr. besetztes Aststück, nachdem die Rinde entfernt wurde, häufig 
aus, als wäre es zierlich mit künstlichem Schnitzwerk versehen. Die 
Puppenwiegen liegen entweder mit ihrer Längsachse in der Peri- 
pherie des Holzes oder dringen senkrecht in dasselbe ein (Fig. 151), 
wiebei H. minor Hrg. an Kiefer. Beide Formen können an einem und 
demselben Frassstück vorkommen. Bei starkem Anfluge ist ein Baum 
mitunter so dicht mit Frassfiguren besetzt, dass Gang dicht an Gang 
gedrängt erscheint, ohne die mindeste Unterbrechung. 


478 Kap. IX. Die Käfer, 


Die Frassfiguren können je nach dem Material einige Unterschiede zeigen. 
In ganz starken Stämmen werden die hier wirklich horizontalen Muttergänge 
länger und können nach Arrum [XVI, III, 2, S. 275] bis 16°6 cm lang werden, 
in schwachen Aesten weichen sie dagegen öfter von der Querrichtung ab und 
erscheinen alsdann mehr längsgestellt (Fig. 151), ohne dass dies hier immer 
der Fall wäre. An sehr harte, z. B. durch Sonnenbrand ausgedörrte Stellen 
gehen die Käfer ungern; ist an einem Baume eine solche Längszone vorhan- 
den, so hören an ihrer Grenze die Muttergänge wie abgeschnitten auf, und nur 


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Fig. 153. Fig. 154. 


Fig. 153. Eschenrolle mit Frassgängen von Hylesinus crenatus FAsr. I nor- 
maler, zweiarmiger Muttergang (a b) mit sehr langen Larvengängen c, welche 
zum Theil (ec) wieder von hinten herum kommen. II und III angefangene ab- 
norme Muttergänge. 
Fig. 154. Stark besetzte Eschenrinde mit dichtgedrängten Frassfiguren von 
demselben Käfer [Nıtschk, 55]. 


die äussersten Larvengänge verirren sich, unregelmässig geschlängelt, in dieselbe. 
Die Menge der Gänge ist oft ganz unglaublich. Auf einer Rolle der Tharander 
Sammlung von 100 cm Länge und 13'5 cm mittlerem Durchmesser ist buch- 
stäblich nicht 1 gmm ohne Frassgang, und an einem anderen Stamme 
von 280 cm Länge, einem oberen Umfange von 32°5 cnı und einem unteren von 
60 cm wurde die Anzahl der vorhandenen Fluglöcher von uns auf ungefähr 
24000 Stück berechnet. Auf drei verschiedenen Rindenstellen von je 1 gdem 
Fläche wurden je 232, 246 und 262 Fluglöcher gezählt. 


Hylesinus Fraxini und H. vittatus. 479 


Auch H. crenatus Far. macht der Regel nach zweiarmige, in 
das Holz eingreifende Wagegänge, deren einer Arın aber mitunter sehr 
kurz ist (Fig. 153), wie denn überhaupt diese Gänge die Länge derjenigen 
des bunten Eschenbastkäfers, welche sie an Stärke beiweitem über- 
treffen, nicht erreichen. Häufig nur 2 bis 4 cm lang, messen die 
längsten uns bekannten nur 8°5 cm für beide Arme zusammen. Die 
von ihnen abgehenden Larvengänge sind dagegen viel länger, häufig 
bis 30 cm, und verlaufen nur eine kurze Strecke in der Längsrich- 
tung des Baumes nach oben oder unten, biegen dann aber mehr 
weniger rechtwinklig in die Querrichtung um, sodass sie schliesslich 
den Muttergängen parallel verlaufen... Die grossen ovalen Puppen- 
wiegen liegen an der Grenze von Rinde und Holz, in letzteres ver- 
tief. Die soeben beschriebene und abgebildete normale Frassfigur 
erkennt man aber nur dann, wenn die Frassfiguren vereinzelt stehen 
(Fig. 153). An stark besetzten Stämmen verwirren sich die Gänge 
derartig, dass man nur selten ein klares Bild bekommt. Sogar ein 
solches, wie das in Fig. 154 abgebildete, ist verhältnissmässig selten, 
Wenngleich auch gelegentlich in dünner berindeten Aesten vorkom- 
mend, finden sie sich am häufigsten in den starkborkigen Stämmen 
und starken Aesten. ; 


Rartzegure [V, 1, S. 223] kannte nur einarmige, ganz kurze Wagesänge, 
aber schon Neumann II [53,] beschreibt die zweiarmigen Gänge als Regel, 
desgleiehen NÖRDLINGER [XXIV, S. 25]. Die Angaben von Arrum [2 d, S. 399], 
dass die Gänge immer nur einarmige Wagegänge wären, lassen sich also nicht 
festhalten, ebensowenig wie die, dass der Käfer, ehe er den eigentlichen Mutter- 
gang anlegt, gewöhnlich erst in der Rinde hakenschlagend einen Minirgang 
fresse. Die ausführlichste Beschreibung isolirter, deutlicher Frassfiguren rührt 
von Nırsche her [55]. Neben den normalen Muttergängen kommen, wie 
schon Neumann [53] und Barrıox [46] abbilden, ganz unregelmässige, mehrarmige 
vor (Fig. 153 II und III). 


Der gewöhnliche Brutbaum von H. Fraxini Fapr. ist die ge- 
meine Esche, Fraxinus excelsior L. In unserem Forstgarten ist er 
auch auf Ornus Europaea Pers. vorgekommen. 

Im Süden geht er an den Oelbaum — Nırsche hat schöne derartige 
Frassstücke von der Riviera zurückgebracht — und einmal ist er auch von 
Kerzer [41 a] an Akazie beobachtet worden, desgleichen nach Hexscaer [32 d] 
von Lippert im Apfelbaum. Ganz kürzlich hat Hexscr#eu [32 f] den Käfer auch 
einmal in letztjährigen Eichentrieben und einjährigen Stockausschlägen, die ihm 
aus Tribuswinkel bei Baden zugesendet wurden, brütend gefunden. Er hatte sich 
hier in die Knospenachseln oder die Knospen selbst eingebohrt, und zwar so 
zahlreich, dass die Schosse' sicher bald absterben und vertroeknen mussten, und 
die Larven also vielleicht nicht einmal Zeit zur Entwiekelung gefunden haben 
dürften. 


Auch H. crenatus Fapr. ist, wie schon bemerkt, ein typischer 
Eschenkäfer, wurde aber nach den ausführlichen Mittheilungen von 
Barzıon, die Körser [46] übersetzt hat, in Russland, im Gouverne- 
ment Cherson, auch in alten Eichen zahlreich gefunden. Die geogra- 
phische Verbreitung beider Formen dürfte wenigstens dieselbe sein, 
wie die der gemeinen Esche. H. Fraxini FApr. ist von Skandinavien 


480 Kap. IX. Die Käter. 


bis nach Italien, von Frankreich bis Russland bekannt und soll sogar 
in Californien vorkommen [I5a, $. 136]. H. crenatus Far. ist durch 
ganz Europa verbreitet. Die frühere Angabe, dass er vorzugsweise 
ein Gebirgsthier sei, ist unhaltbar. Er kommt ebensogut im bayeri- 
schen Gebirge, im Harz und im höheren Erzgebirge, wie in den 
Ebenen der Provinz Sachsen und am Ostseestrande vor. 


Die Generation des bunten Eschenbastkäfers wurde von 
RarzEeBurG als einjährig angesprochen und wird vielfach auch jetzt 
als ausschliesslich einjährig angegeben, was für die meisten Lagen 
richtig sein mag. Dagegen weist Eıcnuorr [I3 a, S. 138] für den Elsass 
im Jahre 1879 sicher eine doppelte Generation nach. Die gewöhnliche 
Flugzeit dieses überhaupt nicht sehr früh schwärmenden Käfers fällt 
meist in den April und Mai, und es kommt bei doppelter Generation 
dann noch ein zweiter Flug von Mitte August an hinzu. Die Ueber- 
winterung geschieht stets als Käfer, und zwar wie zuerst NÖöRD- 
LINGER nachwies [IX, S. 40], „in unregelmässig gefressenen, meist in 
der Nähe von Aesten oder Aststellen sich findenden Gängen”. Diese 
Gänge, welche nach Henscaer [32 c] etwas gebogen, aber nahezu 
horizontal sind und 2cm Länge nicht übersteigen, liegen „aus- 
schliesslich in der Grünrindenschicht und sind gedeckt von der 
äusseren dünnen Rindenhaut”. Sie sind es, von denen, nachdem beim 
ersten Angriff Ueberwallung durch Wundkork eingetreten ist, bei 
erneuten Angriffen in späteren Jahren die Bildung jener „Rinden- 
rosen” (Fig. 152) ausgeht, die zuerst Rarzegura [XV, 2, S. 275] 
beschrieb und abbildete, und welche vielfach mit Unrecht als eine 
krebsartige Bildung angesehen werden. Hexschzr glaubt, dass die 
Anlage dieser Ueberwinterungsgänge oft bereits im August beginnt. 

Bei H. crenatus FABr. sprechen die in der Literatur vorhandenen 
Angaben für eine doppelte Generation, und zwar in der Art, dass 
aus den in der ersten Flugperiode Ende April und Mai abgelegten 
Eiern bis zum Juli Käfer entstehen, welehe wieder brüten und deren 
Nachkommen dann als Larven überwintern. Indessen überwintern 
vielfach auch die Käfer, und Aurum ist geneigt, einen April- und 
einen Octoberflug anzunehmen. 

Die genaueren Angaben über Flugzeit und Entwickelung rühren von 
NEUMANN II [53], Nörpuinger |XXIV, S. 25] und Arrum [2 d, S. 400 —401] 
her. Auch eine Beobachtung von Nırsch£ [55, S. 188] stimmt mit doppelter 
Generation. 

Schaden. Die Frage, ob H. Fraxini FApr. nur kränkliche 
Bäume angehe oder auch gesunde, wird von verschiedenen Schrift- 
stellern verschieden beantwortet. Rassmann, einer der ältesten Bericht- 
erstatter, schreibt |60, S. 187], dass der Käfer 1836 im Reviere 
Alt- und Neu-Sternberg, Regierungsbezirk Königsberg in Preussen, 
stets vorzugsweise die stehenden, gesunden Bäume wählte, und auch 
Artum [XVI, III, 1, S. 277] ist geneigt, dies anzunehmen. Froh- 
wüchsiges Jungholz wird aber stets gemieden, wie ALtum von Ebers- 
walde berichtet und die Jupzın’schen Beobachtungen in Tharand be- 


Rindenbrütende Eschen- und Eichen-Borkenkäfer. 481 


stätigen. Andere Autoren, z. B. Eıcnuorr |I5a, S. 139] und Henscheu 
[32 c] sprechen aber dafür, dass meist nur kränkelnde Bäume an- 
gegangen werden. Der Anflug erfolgt häufig vom Wipfel herab nach 
unten. Auch nimmt der Käfer mit besonderer Vorliebe geschlagenes 
und aufbereitetes Holz, Meterstösse und dergleichen an. Was den 
Schaden betrifft, so ist sicher, dass nicht sehr kranke Bäume den 
Frass oft viele Jahre aushalten, obgleich häufig die Zweige absterben. 
Mehrt sich aber der Angrifl, gehen die Frassfiguren rings um den 
Stamm herum, oder erreicht ihre Häufigkeit gar das oben geschil- 
derte Extrem, so gehen die Bäume sicher ein. Für H. crenatus Far. 
gilt in Betreff des Schadens wohl im Allgemeinen genau dasselbe, wie 
für seinen bunten Verwandten, dass nämlich sein starker Angriff Bäume 
wirklich tödtet, andererseits diese einem schwachen lange widerstehen 
können, Beachtenswerth für diese Art ist besonders, dass ihre Larvengänge 
sehr lang sind und horizontal um den Stamm verlaufen, sodass an 
schwächeren Stämmen und Aesten die Frassgänge nicht nur bis auf 
die der Lage des Mutterganges entgegengesetzte Seite reichen, son- 
dern wieder auf die Vorderseite kommen können (vgl. Fig. 153 c‘‘), 
also fast 360° umfassen. Hierdurch wird leicht eine fast vollständige 
Ringelung und demgemäss eine sehr starke Saftstromunterbrechung 
veranlasst. 


Abwehr. Als Vorbeugung lässt sich das Werfen von Fang- 
bäumen, in welche wenigstens H. Fraxini FaABr. sicher geht, gut 
empfehlen. Dieses Werfen müsste spätestens Mitte April geschehen. 
Ist eine schnelle Entwiekelung bemerkbar, so wäre noch im Anfang 
August eine neue Reihe von Fangbäumen herzustellen. Auch für 
H. crenatus Fagr. werden Fangbäume angerathen, nur hätte man 
hier mehr starkborkige zu wählen. Aurum [2 b, 8. 401] empfiehlt die 
Herstellung stehender Fangstämme durch künstliche Beschä digung 
starker Stämme an ihrer unteren Partie. Als Vertilgungs mittel 
kann nur Einschlag und Entrindung der befallenen Stämme mit 
nachfolgender Rindenverbrennung wirken. Doch dürfte es namentlich 
bei hohem Anfluge schwer sein, gleich den Anfang des Angriffes zu 
erkennen. 


Eichen-Borkenkäfer, welehe Rindenbrüter sind und physio- 
logisch schaden, sind überhaupt nicht zahlreich. Beashtenswerth ist 
unter ihnen nur 

der Eichen-Splintkäfer, 
Scolytus intricatus RaArz., 


welcher verschiedene Eichen, auch ausländische angeht und durch 
sein Brutgeschäft, bei welchem ganz kurze, einarmige Muttergänge mit 
riesig langen Larvengängen gemacht werden, schwächere Stämme und 
Aeste zum Eingehen bringen kann. 


Beschreibung: Scolytus intricatus Rarz. (Eccoptogaster pygmaeus GYLL.). 
Käfer schwarz, dünn greis behaart. Halsschild fast etwas breiter als lang, auf 
der Scheibe stark glänzend, fein und weitläufig, an den Seiten dichter und 


482 Kap. 1X. Die Käfer. 


gröber, etwas runzelig punktirt. Flügeldecken matt pechbraun, nach hinten 
etwas verschmälert, mit sehr dichten, feinen, etwas unregelmässigen Punktstreifen, 
welche hier und da durch schräg gerichtete feine Runzeln und Strichel unter- 
brochen werden. Naht nur am Schildehen, nieht weit nach hinten vertieft. Stirn 
fein nadelrissig. Fühler und Beine röthlich-braun. Bauchringe bei beiden Ge- 
schlechtern einfach, letztere äusserlich nicht sicher zu unterscheiden. Länge 
3—3'5 mm. 


Lebensweise. Die Frassfiguren dieses Käfers bestehen aus 
kurzen, einarmigen, den Splint tief furchenden Wagegängen von 1 
bis höchstens 3 cm Länge. Von ihnen gehen, gleichfalls in den 
Splint tief eingreifend, lothrechte, 
etwas geschlängelte, 10 bis 15 cm 
langeLarvengängeab, deren Puppen- 
wiegen bald in der Rinde liegen, 
bald in den Splint eindringen. Iso- 
lirte Frassfiguren (Fig. 155 A) sind 
verhältnissmässig selten, dagegen 
findet man oft schwächere Stämm- 
chen und sogar solche bis zu 15 cm 
Stärke derartig besetzt, dass ein- 
zelne Larvengänge kaum mehr unter- 
scheidbar sind, vielmehr der Splint 
in seiner ganzen Ausdehnung durch 
parallele Längsfurchen wie cannelirt 
erscheint. Die Muttergänge, deren 
Einzelbezirke man nicht mehr ab- 
grenzen kann, erscheinen dann als 
kurze Querfurchen (Fig. 155 B). 
Als Flugzeit wird der Mai ange- 
geben. Die Begattung erfolgt nach 
Jupeıcn’s Beobachtungen ganz im 
Freien. Sieheres über die Genera- 
tion weiss man aus dem Freien 
nicht. Bei mehrmaliger künstlicher 
Zucht in Tharand fand JupeıcH die 


B 


4. 


Fig. 155. Frass von Scolytus intrica- 
tus Rarz. in Eiche. a die kurzen Wage- 
gänge, A schwacherAst mit einer isolir- 
ten Frassfigur, die in Folge künstlicher 
Zucht entstanden. B starker Frass in 


einem älteren Stämmcehen. Originale. 
Heister, welche schon kränklich, 
von Agrilus-Arten angegangen 


eingesprengt sind, kann er auch 


Generation einjährig mitüberwintern- 
den Larven. Als Brutbaum wählt 
Sc. intricatus RATz. meist unsere 
gewöhnlichen Eichenarten, und 
zwar schwächere Stämme und 
namentlich auch solche, die primär 
sind. Wo ausländische Eichen 
diese befallen. So berichtet schon 


Wesrwoon [V, I, 8. 229], dass ein Stamm von Quercus Lusitanica 
im Jardin des Plantes von ihm 1838 getödtet worden sei, und das 
Gleiche wurde neuerdings zu Tharand im Forstgarten an der nord- 
amerikanischen Quercus Prinos, var. tomentosa beobachtet. Sehr gern 
befällt er auch eingeschlagenes Holz, das zu Zäunen, Bänken, Pfählen 


Rindenbrütende Eichen- und Birken-Borkenkäfer. 483 


u. s. f. benutzt wurde. Ausserdem kommt er, wie schon RATZEBURG 
wusste [XV, S. 185], ausnahmsweise auch in Buche vor. 


Die Ansichten über die Schädlichkeit dieses Thieres sind ge- 
theilt. Meist wird es als nur unbedeutend angesehen, da neuere 
genaue Angaben über ausgedehntere Verwüstungen nicht vorliegen, 
ausser einer von Arrum [XVI, III, 1, S. 248] eitirten Mittheilung 
von WECKBECKER, dass Ende der Siebzigerjahre in der Oberförsterei 
Ville, Regierungsbezirk Cöln, eine grosse Anzahl junger Eichen von 
ihm getödtet sein sollen. Aber Rarzesura [V, I, S. 229] weiss bereits 
1839 in seiner Forstinsektenkunde eine Reihe von Schädigungen an- 
zuführen, unter denen die ursprünglich von Aupouın mitgetheilte, in 
Folge deren im Vincenner Walde bei Paris 50 000 Stämme 20- bis 
30jähriger Eichen hatten gefällt werden müssen, immer wieder 
eitirt wird. 

Ausserdem lebt Tomicus (Dryocoetes) villosus FAsr. namentlich unter 
der dieken Rinde älterer Eichen und guter Kastanien. Er unterscheidet sich 
von seinem bei uns gemeinen Verwandten, dem T. autographus Rarz. (vgl. 
S. 454), dadurch, dass sein grobhöckerig punktirtes Halsschild nach hinten nicht 
verengt und so breit wie die Basis der Flügeldecken ist. Letztere sind noch 
gröber als bei T. autographus punktirt-gestreift, mit einem am Absturz breit 


furchenartig vertieften Nahtstreifen; der ganze Käfer ist sehr lang behaart. Länge 
2-3—3 mm. Eine forstliche Bedeutung kommt diesem Thiere nicht zu. 


Für den Osten bleibt es beachtenswerth, dass Bartıon [46] im Cherson- 
schen Gouvernement in Russland an starken Eichen auch Hylesinus crenatus 
FApr. gefunden hat. 


In Birke kommt nur ein rindenbrütender Borkenkäfer vor, 
nämlich 


z der Birken-Splintkäfer, 


Scolytus Ratzeburgii Jans., 


dessen Angriffe leicht kenntlich sind durch die in Reihen geordneten 
Luftlöcher, welehe von dem Weibchen in die Decke des lothrechten 
Mutterganges, von dem lange Larvengänge abgehen, gefressen werden, 
und sich als schwarze Punkte deutlich von der weissen Rinde ab- 
heben. Er kommt meist nur in bereits erkrankten Birken vor und 
hat daher keine grosse, forstliche Bedeutung. 


Beschreibung. Scolytus Ratzeburgii Jans. (destructor Trms., Eccopto- 
gaster destructor Rarz.) Küfer schwarz, glänzend. Halsschild kaum länger als 
breit, vorn etwas ausgerandet, auf der Scheibe sehr fein und weitläufig, an den 
Seiten etwas gröber punktirt. Flügeldecken nach hinten wenig verschmälert, 
fein punktirt-gestreift. Zwischenräume breit und flach, sehr fein, etwas unregel- 
mässig gereiht punktirt. Stirn fein gerunzelt, in der Mitte mit einem namentlich 
beim 2 deutlichen Längskiel. Fühler und Füsse röthlich-braun, Schienen und 
namentlich Schenkel dunkler. Beim d' Stirn flach vertieft und dicht mit 
langen, gelben Haaren besetzt, der dritte Bauchring in der Mitte des Hinter- 
randes mit einem kleinen Höcker, der Hinterrand des vierten Ringes in der 
Mitte leistenartig erhaben, die quere Erhabenheit etwas ausgerandet. Beim ? 
dritter und vierter Bauchring einfach, Stirn flach gewölbt, nur spärlich und kurz 
behaart. Länge 4+5— 7 nım. 


454 Kap. IX. Die Käfer. 


Lebensweise. Dieses lange Zeit mit dem grossen Rüstern-Splint- 
käfer zusammengeworfene Thier ist namentlich durch seine auch auf 
dem Holze deutlich kenntliche Frassfigur gut charakterisirt. Seine 
Muttergänge sind stets bedeutend grösser als die von jenem, bis 10 cm 
lang, und beginnen häufig mit einer unregelmässigen Krümmung 
(Fig. 156). Die Copula findet so statt, dass das Männchen auf der 
Rinde sitzt und das halb im Bohrloch steckende Weibchen begattet. 
Die Larvengänge bilden, dicht gedrängt und bis 15 cm lang, eine 
meist völlig abgeschlossene Frassfigur. Die Muttergänge haben oft 


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Fig. 156. ea, Ikatk 
Fig. 156. Birkenrolle mit Frassfigur von Scolytus Ratzeburgii Jans. Original. 


Fig. 157. Luftlöcherreihen von demselben Käfer an Birke. Die senkrechten 
Reihen gehören zu Muttergängen, die schrägen zu Minirgängen. Original. 


nur 2 bis 4, manchmal jedoch mehr Luftlöcher; ein uns vorliegendes 
Frassstück zeigt deren 9 auf einem 7'5 cm langen Muttergange 
(Fig. 157). Aber es giebt auch, wie Aurum zuerst nachwies [XVI, 
III, 1, S. 245], unregelmässige, schräg gestellte Gänge, welche gar 
nicht zur Ablage von Eiern dienen, dicht unter der äusseren Rin .e 
verlaufen, ebenfalls oft mit reihenweise geordneten Luftlöchern ver- 
sehen und schon von weitem zu erkennen sind. Die Puppenwiegen 
liegen meist in der Rinde, greifen aber mitunter auch in den Splint ein. 


Rindenbrütende Birken- und Obstbaum-Borkenkäfer. 485 


Der Birken-Splintkäfer ist jedenfalls merklich sehädlich. Wenn 
er auch nach den bisherigen Erfahrungen nur kränkliche, ältere oder 
Jüngere Birken, oder wenigstens solche, welche von kimmerlichem 
Wuchse sind, angehen soll, so beschleunigt er deren Absterben doch 
in oft störender Weise. Mittheilungen über grössere Schäden haben 
wir nur aus dem Osten, aus den ÖOstseeprovinzen und dem übrigen 
Russland, wo der Käfer bis nach Sibirien und Transkaukasien vor- 
kommt und sein Frassbaum eine wichtige und verbreitete Holzart ist 


145, S. 249]. 


Wirrkoma [75 5, S. 240] berichtet über einen starken Frass zu Dondangen 
in den Ostseeprovinzen, wo namentlich durch Waldbrände beschädigte Bäume 
häufig von ihm vollends getödtet werden. Nach Reese [45, S. 250] ist er bei St. 
Petersburg oft schädlich geworden, und im nördlichen Russland fallen ihm 
nach LIinpEMmAnn namentlich die Alleebäume zum Opfer. 


Gegenmittel ist wohl nur Fällen und rechtzeitiges Entrinden, was 
bei der wohl stets nur einjährigen Generation — im Winter findet 
man Larven und Puppen — leicht möglich. Ob der Käfer durch Fang- 
bäume genügend angelockt werden kann, ist uns nicht bekannt. Bei 
künstlicher Zucht im Zwinger nimmt er frisch gefälltes Birkenholz 
sehr gern an. 


Die Obstbaum-Borkenkäfer sind hier auch zu erwähnen, 
da oftmals Obstbäume eingesprengt in Laubholzwaldungen vorkom- 
men, und auch richtige Waldbäume, wie Eberesche, Sorbus aucuparia 
L., und Traubenkirsche, Prunus padus L., befallen werden. Zwei 
Formen sind wichtiger, nämlich 


der grosse Obstbaum-Splintkäfer, 
Scolytus Pruni Rarz. und 
der kleine Obstbaum-Splintkäfer, 
Sc. rugulosus RATz. 


Die Muttergänge beider Arten sind Lothgänge, von denen die 
an ihrem Anfange meist eine gelappte Erweiterung zeigenden von 
Sc. Pruni Rartz. bedeutend grösser und stärker sind, als die des 
zweiten. Von einem wirklichen durch sie verursachten Schaden wissen 
wohl nur die Obstzüchter zu berichten. 


Beschreibung. Sc. PruniRarz. (Eceoptogaster Pyri Ratz., castaneus RATz.) 
Käfer schwarz, glänzend. Halsschild nicht länger als hinten breit, oben äusserst 
fein und weitläufig, feiner als bei Sc. intricatus, an den Seiten etwas gröber punk- 
tirt, sein Vorderrand rothbraun. Flügeldecken dunkel- oder roth-braun, nach hinten 
kaum verschmälert, mit einer grossen Zahl eng aneinanderstehender, fast 
gleich starker Punktstreifen, an den Seiten verworren punktirt. Naht am Schild- 
chen ziemlich weit nach hinten vertieft. Stirn nadelrissig, Fühler und Beine 
röthlich-braun. Bauchringe bei beiden Geschlechtern einfach; überhaupt sind 
letztere äusserlieh nicht sieher zu unterscheiden. Länge 3—4'5 mm. 


Die grösseren Exemplare des Sc. Pruni unterscheiden sich von den ihnen 
sonst recht ähnlichen, ungewöhnlich kleinen weiblichen Exemplaren des Sc. 
Ratzeburgii Jans. leicht durch den Mangel der erhabenen Längslinie auf der 
Stirn, welche letztere Art auszeichnet. 


486 Kap. IX. Die Käfer. * 


Sc. rugulosus Rarz. Käfer länglich oval, pechbraun, wenig glänzend. 
Halsschild länger als breit, ziemlich stark nach vorn verengt, Vorderrand schmal 
röthlich gesänmt, dieht und tief mit länglichen Punkten besetzt, welche nament- 
lich an den Seiten zu Längsrunzeln zusammenfliessen. Flügeldecken matt, 
dunkelbraun, an der Spitze lichter, nach hinten stark verschmälert, mit dicht 
gedrängten, tiefen Punktstreifen, feinen Runzeln und feinen aufrecht stehenden 
Haarbörstehen. Naht vom Schildehen aus nur weniz nach rückwärts vertieft. 
Stirn fein nadelrissig. Fühler, Schienen und Tarsen röthlich-braun. Bauch bei 
beiden Geschlechtern ohne Höcker oder Dornen, gewölbt, gleichmässig nach 
dem After zu aufsteigend. Länge 2—2'5 mm. 


Lebensweise. Die Frassfigur von Sc. Pruni (Fig. 158), welche 
den Splint deutlich furcht, besteht aus 5 bis 6 cm, ja ausnahmsweise 
10 bis 12 cm langen Muttergängen, die bald stammaufwärts, bald staınm- 
abwärts gefressen sind und gewöhnlich mit einer lappigen, fast einem 
schlecht gezeichneten Kartentreff ähnlichen Figur beginnen. Nörp- 
i LInGER |XXIV, S. 27] nennt diese 
Erweiterung wohl mit Unrecht Ram- 
melkammer, da nach direkten Beob- 
achtungen von JupeıcH die Begattung 
hier in derselben Weise vollzogen 
wird wie bei Sc. Ratzeburgii Jans. 
(vgl. S. 484). Da, wo die Gänge 
isolirt stehen, erkennt man, dass die 
zahlreichen Larvengänge, welche nach 
rechts und links divergirend abgehen, 
an dem oberen und unteren Ende des 
sa Mutterganges sich nicht aneinander- 


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| entsteht. Die Larvengänge sind lang, 
furchen den Splint gleichfalls und 
enden in häufig tief in letzteren ein- 
greifenden Puppenwiegen. 
Die Muttergänge von Sc. rugu- 
Fig. 158. Frass von Scolytus Pruni losus Ratz. sind ähnlich, aber viel 
Rarz. in Eberesche. Original. kürzer und gewöhnlich ohne die 
eben geschilderte Erweiterung. Auch 
seine Larvengänge sind weniger zahlreich. Ausnahmsweise sollen nach 
Aurum [XVI, III, 1, S. 249] auch kurze Wagegänge als Muttergänge 
vorkommen. Die Brutbäume beider Käfer sind Apfel- und Birnbaum, 
Kirsche, Pflaumenbaum, Traubenkirsche, Weissdorn, Eberesche. Der 
kleinere soll nach Arrum auch an Aprikosen vorkommen, und der 
grössere wurde ausnahmsweise auch in Rüster gefunden (vgl. S. 473). 
Grössere Schäden von ihnen sind nur an Obstbäumen bekannt. Aurum 
berichtet, dass der kleine Obstbaum-Splintkäfer häufig bei Eberswalde 
die Pflaumen empfindlich schädige, und ein grosser Frass an Obst- 
bäumen wird aus Schlesien durch Lerzner |49] geschildert. JupEicH 
hat bei dreimaliger, künstlicher Zucht des Sc. Pruni in Weisswasser 


Obstbaum- und minder wichtige Laubholz-Borkenkäfer. 487 


stets eine nur einfache Generation beobachtet, eine solche scheint also 
jedenfalls Regel zu sein; Ausnahmen sind freilich nicht unmöglich. Die 
Ueberwinterung geschieht wohl meist als Larve. Besonderes über 
Vorbeugung und Vertilgung ist bei diesen Arten nichts zu sagen, 
höchstens wäre anzuführen, dass man vielleicht in Obstbaumplan- 
tagen die Stämmchen durch einen Anstrich schützen könnte. 


In alten, anbrüchigen Hainbuchen frisst ferner Scolytus Carpini Rarz. 
Er macht ähnlich wie Sc. intricatus Rarz. kurze Wagegänge. Die einzige in 
der Literatur zu findende Mittheilung über seine forstliche Bedeutung ist die von 
RATZEBURG citirte Angabe Reıssıa’s [XV, II, S. 215], dass er ein „Feind der 
alten Kopfholz-Hainbuchen, welehe im Darmstädter Oberwalde und im Revier 
Bessungen in lichten Eichenbeständen vorkommen”, sein soll. Der Käfer brütet 
nach RaArzesurg an der Grenze der gesunden und absterbenden Borke, bis bei 
öfterer Wiederkehr der Stamm selbst eingeht. Hier in Tharand ist er selten. 


Beschreibung. Sc. Carpini Rarz. Käfer pechschwarz, etwas glänzend. 
Halsschild etwas länger als breit, auf der Scheibe fein und ziemlich dicht, an 
den Seiten gröber und dichter punktirt. Flügeldecken dunkelbraun, nach hinten 
wenig verschmälert, sehr dieht und gleich stark punktirt-gestreift, aber nicht 
gerunzelt; an den Seiten ist die ganze Punktirung dichter und verworren, die 
Vertiefung der Naht erstreckt sich vom Schildehen aus etwas weiter nach hinten 
als bei Sc. intricatus, aber nicht so weit als bei Sc. Pruni. Fühler, Schienen 
und Füsse gelbbraun. Stirn fein nadelrissig, beim S (?) etwas eingedrückt, beim 
® flach gewölbt, Bauchringe bei beiden Geschlechtern einfach. Länge 3—3°5 mm. 


Die in Rothbuchen vorkommenden Borkenkäfer sind ohne jede prak- 
tische Bedeutung. Häufig ist an ihnen, und zwar meist in alten Stöcken oder be- 
schädigten Stellen starker Bäume, Tomicus bicolor Hssr., und zuweilen kommt 
Tomicus Fagi FAgr. in schwachen Aesten und unterdrückten Stämmchen vor. 
Beide haben, ersterer seiner Grösse entsprechend etwas stärkere, letzterer 
schwächere, sehr unregelmässige Muttergänge mit meist längs verlaufendeu 
Larvengängen. Auch der gewöhnlich in Eichen brütende Scolytus intricatus 
Rarz. kommt gelegentlich in Buche vor, desgleichen Hylesinus oleiperda Fapr. 


Beschreibung. Tomicus (Taphrorychus Eıcun.) bicolor Hsst. Käfer 
walzenförmig, pechbraun bis schwarz, mässig glänzend, mit langen grauen 
Haaren überall besetzt. Halsschild etwas länger als breit, nach vorn abgerundet 
verschmälert, vorn runzlig gehöckert, hinten fein und dicht punktirt, ohne glatte 
Mittellinie, in der Mitte leicht quer eingedrückt und vor dem Eindruck lichter 
gefärbt. Flügeldecken dicht punktirt-gestreift, die Zwischenräume fast ebenso 
stark wie die Hauptstreifen punktirt, so dass die Flügeldecken oft unregel- 
mässig punktirt erscheinen. Absturz steil abfallend mit tieferem Nahtstreifen. 
Fühler und Beine blassbräunlich. Beim Ö Stirn nur dünn behaart, Absturz der 
Flügeldecken flach mit erhöhter Naht; beim 2 Stirn mit dichter grau-gelber, 
borstenartiger Behaarung, Absturz der Flügeldecken etwas gewölbt. Länge 
2—2:3 mm 


T. (Ernoporus Tums.) Fagi Farr. Käfer langgestreckt, walzenförmig, 
peehschwarz, wenig glänzend. Halsschild so lang wie breit, vorn auf der Scheibe 
mit einem aus einzeln stehenden Höckerchen bestehenden Höckerfleck, welcher 
die Mitte nicht überragt, am Vorderrande mit zwei kleinen, eng beisammen 
stehenden, vorragenden Körnchen. Flügeldecken viel länger als das Halsschild, 
äusserst fein und dicht gerunzelt, mit kurzen Haarbörstchen reihenweise be- 
setzt; an den Seiten mit Spuren von Punktstreifen. Augen vorn ganzrandig. 
Fühlerkeule dunkel, mit nach vorn in ovalem Bogen gekrümmten Nähten. Hinter- 
schenkel dunkel. Länge 1’5—1'8 mm. 

In Linde fressen zwei Borkenkäfer, nämlich Tomicus Tiliae Panz. und 
T. Schreineri Eıcnn., beide der Untergattung Ernoporus Tuums. angehörig. 
In Aspe und Pappel kommt Tomicus (Glyptoderes) binodulus Rarz. (aspe- 


488 Kap. IX. Die Käfer. 


ratus GYLL.) vor, wo auch gelegentlich Scolytus multistriatus Marsh. gefunden 
wurde. In Ahorn lebt Tomicus (Dryocoetes) Aceris Lmpemans, in Erle 
Tomicus (Dryocoetes) Alni Geore und Glyptoderes Alni Linvemann. In der 
Hasel findet sieh Tomicus (Dryocoetes) Coryli PErkrs. 


Hier seien noch kurz einige Borkenkäferformen erwähnt, welche in dico- 
tyledonen Holzpflanzen, Stauden und Kräutern vorkommen, aber keine direkten 
Beziehungen zum Walde haben. 


Im Süden ist besonders der Olivenbaum in Betracht zu ziehen. Dass 
in ihm auch Hylesinus Fraxini FAgr. vorkommt, wurde bereits erwähnt (S. 479), 
und ausser dem gleichfalls bereits oben erwähnten Hylesinus oleiperda FAsr., 
welcher dem H. crenatus Far. am nächsten steht und nach Costa einarmige 
kurze Wagegänge macht, frisst hier namentlich als specifischer, wirthschaftlich 
sehr beachtenswerther Schädling der doppelarmige Wagegänge erzeugende, mit 
lang dreiblättriger Keule versehene Phloetoribus Oleae Far. Aus Spanien 
haben wir ferner durch Wırrkomm Lothgänge in Oelbaumrinde erhalten, die 
wahrscheinlich von Scolytus armatus ComorLı, einer Varietät von Sc. multistria- 
tus Marsn., herrühren. 


Im Feigenbaum lebt der kleine Tomicus (Hypoborus) Ficus ERr., 
im Maulbeerbaum Tomicus (Liparthrum) Mori Aus. 


An Spartium scoparium Wımm., der Besenpfrieme sowie in Ulex 
Europaeus L., und Cytisus laburnum L. kommt ferner der kleine Hylesinus 
Phloeophthorus) Spartii Nörpr. vor. Er macht als Muttergänge unter der Rinde 
Gabelgänge, bei welchen die Gabelschenkel fast längs gestellt nach oben ver- 
laufen. Auch Hylesinus Trifolii MüLer, der meist in Kleewurzeln brütet, wurde 
von NÖRDLINGER [XXIV, S. 23] in Besenpfrieme gefunden. 


In der Waldrebe Clematis vitalba L. wohnt namentlich in Süddeutsch- 
land häufig Tomicus (Xylocleptes) bispinus Durr, dessen Muttergänge 
unregelmässig zu sein scheinen. 


In Epheustämmen lebt Hylesinus (Kissophagus) Hederae ScaMipr. 


An wirklich krautartigen Gewächsen, nämlich Teucrium scorodonia 
Mvcn., Origanum vulgare L., auch Lamium album L. und Betonica officinalis 
L. kommt Tomicus (Thamnurgus) Kaltenbachii Bacn. vor, der an den 
Stengeln dieser Pflanzen Gallen erzeugt, welche aber nicht, wie Eıcnsorr [I5 a, 
S. 209] noch nach den irrigen Angaben von Perrıs berichtet, durch oberfläch- 
liches Anfressen der Stengel seitens des Weibehens erzeugt werden, sondern 
nach den ganz genauen Untersuchungen von Buppegere [10] durch das Ein- 
dringen des Weibehens in die Stengel, wo es die Eier in unregelmässige 
Höhlungen ablegt. Dies ist wiehtig, weil hierdurch eine angebliche Ausnahme in 
der Biologie der Borkenkäfer, der einzige Fall, in welchem das Borkenkäfer- 
weibehen seine Eier von aussen her ablegen sollte [15 a, 8. 13], beseitigt wird. 


Rindenbrütende Borkenkäfer, welche Nadelholzstämme und 
Aeste bewohnen und nur als Larven schaden. Von den in dieser 
fünften Gruppe zu erwähnenden Thieren, welche zum Theil als 
Schädlinge allerersten Ranges angesehen werden müssen, sind zwar 
wohl nur sehr wenige wirklich monophag, und manche sogar ziem- 
lich polyphag, dagegen kann man bei den meisten eine Holzart als 
bevorzugte Brutstätte angeben, und da diese zugleich die Bedeutung 
der Käfer für die Praxis kennzeichnet, so theilen wir hiernach, 
unter dem eben angedeuteten Vorbehalte, da der Lärche eigene 
specifische Borkenkäfer fehlen, die hierhergehörigen Thiere in, 
Tannenschädlinge, Kiefernsehädlinge und Fichtenschäd- 
linge. Weniger wichtige, nur beiläufig zu erwähnende Formen be- 


Nadelholz-Borkenkäfer i. Allg. und Tannen-Borkenkäfer i. Bes. 489 


handeln wir aber mit Abweichung von dieser Grundeintheilung im 
Anschluss an ihre wichtigeren Verwandten, auch wenn sie eine 
andere Nährpflanze haben. Am besten abgeschlossen sind 

die Tannen-Borkenkäfer, unter welchen nur zwei wirklich 
beachtenswerthe Thiere vorkommen, nämlich 


der krummzähnige Tannen-Borkenkäfer, 
Tomicus curvidens GERM. und 
der kleine Tannen-Borkenkäfer, 


T. Piceae Rarz. 


Diese zwei Bestandsverderber, von denen namentlich der erstere 
schon lange gefürchtet ist, sind in allen Tannenrevieren um so unan- 
genehmere Gäste, als bisher keine Berichte über die Anwendbarkeit 
von Fangbäumen als Vorbeugungsmittel gegen ihre Schäden vorliegen, 
und ihre Vertilgung insofern Schwierigkeiten bereitet, als gegen T. cur- 
videns Germ., da dessen Puppenwiegen häufig völlig im Splint versenkt 
liegen, das Verbrennen der Rinde der befallenen Stämme nicht ge- 
nügt, diese vielmehr selbst angekohlt werden müssen, und weil der in 
den Gipfelpartien erfolgende Angriff von T. Piceae Rarz. schwer in 
seinen Anfängen erkennbar ist. 


Der an Grösse individuell sehr ver- 
schiedene, krummzähnige Borkeukäfer ist 
im männlichen Geschlechte an dem grossen, 
hakenförmigen zweiten Zahne des Ab- 
sturzes, im weiblichen an der goldgelben 
Stirnbürste leicht kenntlich. Seine Mutter- 
gänge haben als Grundform die Gestalt 
einer einfachen —- oder doppelten, 
liegenden Klammer —<. Der kleine Fig. 159. Absturz der Flügel- 
Tannen-Borkenkäfer ist von ihm durch decken bei f undQ@von Tomi- 
die viel geringere Grösse und den Mangel 
jeder Bezahnung am Flügeldeckenabsturze 
leicht unterscheidbar. 


cus curvidens GERM. 


Beschreibung. Tomicus curvidens Germ. Käfer walzenförmig, pech- 
braun, wenig glänzend, lang gelblich behaart. Vorderbrust nach hinten zwischen 
den Vorderhüften mit scharfem Fortsatz. Die runde Fühlerkeule mit fast gerader 
Basalnaht, die folgenden Nähte leicht nach der Basis zu gekrümmt. Halsschild 
etwas länger als breit, vorn breit gerundet, gehöckert, in der Mitte auf der 
Scheibe beiderseits quer eingedrückt, hinten fein, nieht dieht punktirt, mit 
glatter Mittellinie. Flügeldeeken etwas länger als das Halsschild, mit tiefen, 
nach hinten, namentlich beim S' breiter werdenden Punkt- oder Kerbstreifen; 
Zwischenräume sehr fein reihig-punktirt. Absturz fast senkrecht mit einem fast 
kreisförmigen, glänzenden, punktirten Eindruck. Beim S in der Regel beider- 
seits drei Zähne, von denen der oberste, Zahn 1, klein, nach aufwärts gerichtet, 
Zahn 2 sehr gross, hakenförmig nach unten gekrümmt, 3 ebenfalls gross, aber 
wenig gekrümmt ist. Zwischen Zahn 2 und 3 befinden sich zwei zahnförmige 
Höckerchen. Beim 9 werden diese Höckerchen sehr undeutlich, und treten nur 
die drei Zähnchen hervor, bleiben aber viel kleinerer als beim Z und sind 


Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde, 32 


490 Kap. IX. Die Käfer. 


nicht gekrümmmt. @ überdies mit einem Büschel langer, gelber Haare auf der 
Stirn. Vorderschienen nach vorn etwas erweitert, mit Rinnen für die Füsse. 
Länge 2:5—3 mm. 


Lebensweise. Die Muttergänge dieses wichtigen Käfers ver- 
laufen wagerecht, oder, wenn sie sehr gedrängt sind, mehr oder 
weniger schräg (Fig. 160). Sie sind in der Regel zweiarmig, mit 
längerem Fingange; mitunter stossen mehrere so zusammen, dass 
scheinbar unregelmässige Sterngänge entstehen, eine Form, die EıcH- 
Horr [Id a, 8. 247, Anm.] sogar geneigt ist, als die normale anzusehen, 
wobei er den Käfer als polygam annimmt. Mutter- und Larvengänge 
furchen meist den Splint, erstere stärker als letztere. Die Larve bohrt 
sich zur Verpuppung oft reichlich 2 mm tief in den Splint, legt alsdann 
die Puppenwiege also ganz im Holze an und verschliesst das zu letzterer 
führende kleine Bohrloch mit feinen Bohrspänen. In diesem Falle 
findet man unter der Rinde keine Puppen- 
wiegen, sondern am Ende der Larvengänge 
aufdem Splinte nur weissliche, punktförmige 
Erhöhungen von kaum 1 mm Durchmesser; 
entfernt man diese, so sieht man darunter 
das kleine Eingangsloch, welches zur ver- 
senkten Puppenwiege führt. Oft liegen aber 
auch die Puppenwiegen im Baste oder nur 
oberflächlich im Splinte. 

Die gewöhnlichen Brutbäume des 
Käfers sind stärkere Weisstannen, Abies 
pectinata Dec., und zwar in der so über- 
wiegenden Mehrzahl der Fälle, dass er nur 
in Tannenwäldern als wirklich heimisch an- 
zusehen ist [I a, S. 246]. Doch wurde er 
mehrfach auch in Fichte und Lärche 
[XXIV, S. 31], sowie in anderen, namentlich 
auch ausländischen Nadelhölzern gefunden. 


Solche Vorkommen sind beschrieben von 
NÖRDLINGER |56 a] an einer abgestorbenen, in einem 
Tannenbestand befindlichen starken Kiefer zu 
Herrenalb, invom Schnee gedrückten Weymouths- 
kiefern zu Adelberg [56c] und in einer Balsam- 
tanne, Abies balsamea Miırtr., zu Tübingen [XXIV, 
S. 31]. Letzterer Frass wird neuerdings aus dem 
Park von Gross-Wisternitz bei Olmütz an 15jähri- 
gen Stämmehen bestätigt [76]. Körren fand den 
Käfer in Baden-Baden an der Nordmannstanne, Abies Nordmanniana STtev. 
[45, S. 258 Anm.], und Korrar [44 a] in den kaiserlichen Parkanlagen bei Wien 
ausser in Fiehten und Lärchen auch in der sibirischen Pechtanne, Abies 
Pichta Fore. vom Altai und in der Libanon-Ceder, Cedrus Libani Bark., 
deren kostbaren 50jährigen Stamm der Käfer bald tödtete. In Lärchen wurde 
er 1876 auch in Tharand beobachtet. Ganz vereinzelt steht die Meldung von 
RıeseL [63 c], dass er einmal auch in einer Buche gebrütet habe; die Bestim- 
mung des Frasses erfolgte hier freilich nur nach der Gangform, nicht nach dem 
Käfer selbst. 


Fig. 160. Frass von Tomi- 

cus curvidens Ger". in 

Weisstanne; die kleinen 

schwarzen Punkte deuten 

die Oeffnungen der Puppen- 
wiegen an. 


Krummzähniger Tannen-Borkenkäfer, Tomicus curvidens. 491 


Entsprechend der Verbreitung seiner Brutpflanze ist der krumm- 
zähnige Tannen-Borkenkäfer hauptsächlich als Mittelgebirgsthier an- 
zusehen, das z. B. im Schwarzwalde, im Thüringerwalde, in der 
rauhen Alb, in den Vogesen und im Erzgebirge häufig vorkommt. 
Er gehört zu den Frühschwärmern, welche schon im April fliegen, 
und es ist allseitig zugegeben, dass er, wie schon RarzegurG nach 
den Mittheilungen von Zese als wahrscheinlich bemerkt, eine doppelte 
Generation hat, im Juli also zu einer zweiten Brut schreitet, die noch 
im Herbst vollendet wird, sodass — einige Ausnahmen abgerechnet 
— das Thier als Käfer in den Puppenwiegen der zweiten Generation 
überwintert. In heissen Jahren ist eine dreifache Generation direkt 
beobachtet worden, so in Schemnitz durch Kanrıca [39, S. 59]. 


Schaden. Die Weisstanne hat ihren wichtigsten und gewöhn- 
liehsten Feind an diesem Borkenkäfer. Wo sie in reinen und ge- 
mischten Beständen vorkommt, selbst bis auf die höchsten Punkte 
des Schwarzwaldes und des Cantal in der Auvergne [NÖRDLINGER, 
XXIV, S. 31], folgt er ihr. In Württemberg und Böhmen soll 
schon kein Tannenrevier mehr sein, wo er nicht lästig oder ge- 
fährlich würde. Hier müssen öfters Hunderte von starken Bäumen, 
welche plötzlich oder allmählich getödtet worden sind, gefällt werden. 
Ganz besonders schädlich wurde er in den Sechzigerjahren als Be- 
gleiter des Tannenwicklers in der Gegend von Karlsbad. Er unter- 
scheidet sich’in seinem Angriffe von dem Fichten-Borkenkäfer da- 
durch, dass er am liebsten die Stämme einzeln befällt, und von 
einmal entstandenen Lücken aus sich weiter verbreitet. Scheinbar 
ganz gesunde Stämme, bei denen Saftausfluss die ersten Angriffe 
zurückschlägt, fallen ihm schliesslich doch zum Opfer [15 a, S. 247]. 
Er brütet sowohl in den Gipfeln wie in den unteren Stammtheilen 
starker Bäume, in Stangenhölzern und Schonungen ist er dagegen noch 
nicht schädlich geworden. Kasora sah ihn allerdings solche ebenfalls 
angehen, er wurde aber durch den Saftausfluss zurückgetrieben, und 
die Stangen blieben gesund |[V, 1, 8. 191]. Ueber die Schnelligkeit, 
mit der sein Angriff nachtheilig wird, lauten die Berichte sehr ver- 
schieden. Einigen Angaben zufolge soll derselbe bereits nach wenigen 
Wochen ein Gelbwerden der Nadeln verursachen, und der stärkste 
Stamm ihm höchstens ein halbes Jahr Widerstand leisten [z. B. 39, 
S. 62], nach anderen soll ein Baum jahrelang bewohnt werden 
können, ehe er abstirbt. 

Dieser Käfer wurde in Württemberg schon 1803 durch v. SponEck im 
Engelsbrander Gemeinderevier und 1807 durch Grürer im Revier Blitzenreute 
als schädlich erkannt [V, 1, S. 190]. 1835 mussten gleichfalls in Württemberg 
im Revier Murrhardt 2700 /m, und zwar von den stärksten Sortimenten gefällt 
werden [XXIV, S. 31]. Rarzesure [V, 1. S. 190] berichtet auch aus Ober- 
schlesien von Schäden. 1851 fand ein Frass im Boonwalde bei Zofingen in der 
Schweiz statt [78] und 1863 ein solcher in Ungarn auf dem Schemnitzer Revier 
[39], wo vom Mai 1863 bis zum August 1864 12953 Stämme in Folge der 
Angriffe dieses Käfers gefällt werden mussten. Bei dem grossen Böhmischen 
Borkenkäferfrass in Folge des Windbruches im Jahre 1868 trat in den Tannen- 

g2= 


492 Kap. IX. Die Käfer. 


beständen dieser Käfer massenhaft auf [l8, S.6]. Auf Tharander Revier fielen 
ihm Ende der Sechziger- und Anfang der Siebzigerjahre die durch die Einwir- 
kung des Lokomotivrauches kränkelnden Tannen an den Weiseritzhängen fast 
sämmtlich zum Opfer. 

In Verbindung mit diesem grösseren Tannen-Borkenkäfer kommt 
häufig auch der kleine Tannen-Borkenkäfer vor. 

Beschreibung. Tomicus (ÖCryphalus) Piceae Rarz. Käfer länglich 
oval, gewölbt, braun, greis behaart. Halsschild viel breiter als lang, an der Basis 
am breitesten, vorn mit einem bis etwas über die Mitte reichenden, aus concen- 
trisch gereihten Höckern gebildeten Fleck, der Vorderrand jedoch ohne beson- 
ders hervorragende Körnchen. Flügeldeecken kaum doppelt so lang als das Hals- 
schild, gewöhnlich heller gefärbt, undeutlich, kaum sichtbar punktirt, mit äusserst 
feinen Schuppenhärchen bestäubt und mit längeren, greisen, aufgerichteten 
Haaren reihenweise besetzt. Augen vorn in der Mitte etwas ausgerandet. Länge 
1’5—2 mm. 

Lebensweise. Dieser winzige Käfer macht, wie zuerst NÖRD- 
LINGER 1848 nachwies, unregelmässige, mehr platzartige Muttergänge 
(vgl. das Schema Fig. 142, Nr. 1°), in welchen die Eier einzeln ab- 
gelegt werden. Die Larven fressen aber von hier aus jede für sich 
in der Rinde einen getrennten, kurzen Larvengang, der in einer 
mitunter in den Splint eingreifenden Wiege endet. Sein Brutbaum 
ist wohl ausschliesslich die Weisstanne, welche er sowohl in den 
jüngeren Schonungen, als in den älteren Beständen angeht. In letzteren 
richtet sich der Angriff wesentlich gegen die Gipfel und Aeste, aus 
denen er aber auch allmählich tiefer heruntersteig. Nur einmal 
wurde er von NÖRDLINGER in einer Fichtenwurzel [XXIV, S. 36] und 
in Steiermark von HrnscHeu in 10- bis 15jährigen Lärchen [32 5, S. 15] 
gefunden. Die Generation des Käfers, welcher normalerweise als 
Imago überwintert, wird von Eıcunorr als wenigstens doppelt ange- 
geben [I5 a, S. 174]. Er schwärmt zuerst im März und April, zum 
zweitenmale im Juni, und vielleicht kann es zu einer dritten Gene- 
ration kommen. Der erste bekannt gewordene grössere Frass dieses 
Thieres in Verbindung mit seinem eben beschriebenen, krummzähnigen 
Vetter ist von Rırsen aus Adelmannsfelden in Württemberg be- 
schrieben [63 5b]. Die Bemerkung von Kaution, dass Bostrichus abietis 
in Schemnitz gleichfalls häufig an jüngeren Tannenbeständen 1863 
aufgetreten wäre |39, S. 60], bezieht sich offenbar auf unseren Käfer. 
Die schwersten Beschuldigungen gegen ihn erhebt Eıcnuorr [13 a, 
S. 173 bis 175], welcher ihn 1872 in dem Vogesenrevier Albersch- 
weiler als sehr schädlich kennen lernte. Er ist geneigt, ihn als den 
schädlicheren der beiden Tannen-Borkenkäfer anzusehen und ihm die 
Schuld an dem nach den verschiedensten Berichterstattern stets von 
oben nach unten fortschreitenden Absterben der Tannen bei Borken- 
käferfrass zuzuschreiben. Auch hier in Tharand trat der Käfer häufig 
in Gesellschaft des T. curvidens auf. 

Abwehr. Gegen die, wie wir eben sahen, mitunter sehr be- 


deutenden Schäden dieser Tannenfeinde sind bis jetzt stets nur 
Vertilgungsmittel angewendet worden, und zwar Einschlag der be- 


Kleiner Tannen-Borkenkäfer, Tomieus Piceae. 493 


fallenen Stämme mit nachfolgender, rechtzeitiger Schälung und 
Verbrennung der Rinde. Dort, wo der kleine Tannen-Borkenkäfer 
mitfrisst, muss aber auch alles schwächere Material, welches nicht 
gut. entrindet werden kann, Gipfelstüicke und Aeste, dem Feuer 
übergeben werden. Fortgesetzte, consequente Reinigung des Revieres 
in dieser Weise hat in den meisten Fällen zu wirklich erfolgreicher 
Abwehr genügt, trotzdem bei diesem Verfahren sicher viele Larven 
und Puppen im Holze zurückbleiben, in welchem sie sich, auch nach 
Entfernung der Rinde, normal entwiekeln können [Jupeıcn, 38 b], da 
ähnlich wie bei Hylesinus minor Hre. (vgl. 5. 464) und oftmals auch 
bei Scolytus Pruni Rarz. (vgl. S. 486), die Puppenwiegen des 
krummzähnigen Borkenkäfers häufig im Splint vertieft liegen. Wollte 
man daher bei der Bekämpfung ganz sorgfältig verfahren, so müsste 
man, wie schon RıeseL [63 b] sehr richtig bemerkt, eigentlich die 
ganzen Stämme dem Feuer übergeben, was aber wohl nur dann 
thunlich ist, wenn in der Nähe industrielle Anlagen vorhanden sind, 
welche, wie z. B. Glashütten oder Eisenschmelzen, auch noch nicht 
ganz ausgetrocknetes Holz als Feuerungsmaterial verwenden können, 
Denn’ eine längere Aufstapelung des Holzes auf dem Walde benach- 
barten Lagerplätzen würde immer noch die Gefahr der Rückkehr 
der auskommenden Käfer nach dem Walde einschliessen. Das Ver- 
brennen des Holzes blos zum Zwecke der Vernichtung dürfte wohl 
nur für die geringwerthigsten Sortimente zu empfehlen sein. In den 
leichteren Brennhölzern könnte man den versteckten Feind dadurch 
tödten, dass man sie in dem mit Rinde und Astholz gespeisten Feuer 
etwas röstete, Mit schweren Nutzhölzern, Klötzen und Stämmen wird sich 
nicht viel anfangen lassen. Ueber die Anwendung von Fangbäumen 
gegen diese Käfer liegen unseres Wissens bisher keine Berichte vor. 
Arrum [XVI, III, 1, S. 303] bezweifelt ihre Wirksamkeit, während 
Eıchuorr [I5 a, S. 248] mehr von ihnen erhofft. Er ist auch der An- 
sicht, dass es sich zur Bekämpfung des kleinen Tannen-Borkenkäfers 
empfehle, „Versuche zu machen mit zartrindigen Fangknüppeln, Zopf- 
enden und Reisig, welche eventuell mit dem Stammende in die Erde 
einzugraben wären, um sie länger frisch zu erhalten” [15 a, S. 175]. 
„Gute Wirthschaft, voller Bestandesschluss’”’ ist das beste Vorbeu- 
gungsmittel [XVI, III, 1, S. 303]. Ausführliches in letzterer Be- 
ziehung, sowie auch über die Behandlung der Fangbäume, findet 
man in dem der Darstellung der Fichten-Borkenkäfer angehängten 
Abschnitte über „Abwehr. 

Viel zahlreicber und polyphager sind diejenigen Borkenkäfer 
dieser Abtheilung, welche wir nach ihrem bevorzugten Brutbaume als 

Kiefern-Borkenkäfer bezeichnen wollen. Es sind unter ihnen 
viele sehr beachtenswerthe Feinde des Forstmannes, wenngleich sie 
an Wichtigkeit sicher weit hinter den später zu besprechenden 
Fichten-Borkenkäfern zurücktreten, und „Wurmtrocknisse’”’ so aus- 
sedehnter Art wie letztere noch niemals verursacht haben, sondern 
erst im Gefolge der Kiefernkahlfrass erzeugenden Schmetterlingsraupen 


494 Kap. IX. Die Käfer. 


und in Verbindung mit den aus biologischen Gründen bereits oben 
(S. 468) besprochenen Kiefern-Markkäfern, Hylesinus piniperda L. 
und H. minor Hre., in grösserem Masse schädlich geworden sind. 
Welehe Schäden ihnen im Besonderen zur Last zu legen sind, wird 
nach den Arten getrennt abgehandelt werden. Dagegen wollen wir 
uns auf eine Besprechung der Abwehrmassregeln bei den einzelnen 
Arten nicht einlassen, ja nicht einmal solche für die Kiefern-Borken- 
käfer allein bringen. Es stimmen nämlich die Lebensgewohnheiten 
der verschiedenen, die gleichen Altersklassen der Kiefern bewohnen- 
den Borkenkäfer so nahe einerseits unter sich, andererseits mit denen 
der ähnlich lebenden Fichten-Borkenkäfer überein, dass wir erst nach 
Behandlung der letzteren eine zusammenhängende Besprechung dieses. 
Themas geben können. 
Unter den Kiefernfeinden dieser Abtheilung steht obenan 


der grosse oder 12zähnige Kiefern-Borkenkäfer, 
Tomicus sexdentatus Borrxn. 


Diese grösste aller Tomicus-Arten, welche nicht nur die gemeine 
Kiefer und ihre näheren Verwandten, sondern zuweilen auch die 
Fichte befällt, ist als Käfer an den sechs, jederseits am Rande des 
Flügeldeckeneindruckes stehenden Zähnen leicht kenntlich, während 
ihre Frassfigur, welche im Ganzen fast 1 m Länge erreichen kann, 
durch die bis 4 mm erreichende Breite der lothrechten, zwei- oder 
mehrarmigen Muttergänge sich vor allen anderen auszeichnet. 

Der bei uns meist nur gefälltes, starkes Holz angehende Käfer 
hat bis jetzt gewöhnlich blos als Begleiter anderer Borkenkäfer, z. B. 
des Hylesinus piniperda L., einige Bedeutung erlangt. 

Beschreibung: Tomicus sexdentatus Boern., (stenographus Durt., RATz., 
typographus Gyıı., pinastri Becast.) Käfer fast walzenförmig, nach vorn und 
hinten etwas verengt, schwarz oder braun, glänzend, lang gelblich behaart. 
Vorderbrust nach hinten zwischen den Vorderhüften mit scharfem Fortsatz. 
Fühlerkeule eiförmig, erste und zweite Naht derselben winklig gegen die Spitze 
vorgezogen. Halsschild länger als breit, vorn breit abgerundet, gekörnt, hinten 
weitläufig, tief punktirt, mit glatter Mittellinie. Flügeldecken tief und grob 
punktirt-gestreift, mit glatten, an den Seitenrändern und hinten punktirten 
Zwischenräumen. Absturz schräg, vertieft, glänzend, grob und weitläufig punktirt, 
am Aussenrande beiderseits mit sechs, nur ausnahmsweise mit fünf Zähnen, 
von welchen der vierte am längsten und an der Spitze gewöhnlich verdickt ist. 
Auf der Stirn vorn ein Höckerehen und hinter demselben ein mehr oder weniger 
deutlicher, glatter Querwulst. Vorderschienen vorn verbreitert, mit einer zum 
Einlegen der Füsse bestimmten Furche. Länge 5°5—8 mm. 


Lebensweise. Die Frassfigur besteht normalerweise aus 
einem lothrechten, zweiarmigen, sehr langen Muttergange, dessen 
Arme von einer geräumigen Rammelkammer beginnen und in ihrer 
Decke vielfach Luftlöcher haben; oftmals gabeln sie sich aber, oder 
es gehen drei bis vier Arme von der Rammelkammer ab, sodass als- 
dann mehrarmige Lothgänge entstehen. Die Muttergänge sowohl, wie die 
verworrenen Larvengänge bleiben gewöhnlich fast ausschliesslich in 
der Rinde, und nur an schwachberindeten Stücken greift der Mutter- 


Kiefern-Borkenkäfer, bes. Tomicus sexdentatus. 495 


gang in das Hcelz ein. Die Länge der einzelnen Arme kann, wie 
schon RATZEBURG wusste |V, 1, S. 187], bis auf 40 cm steigen und 
erst kürzlich massen wir hier in Tharand eine Frassfigur von über 
80 cm Gesammtlänge. Die Breite der Muttergänge steigt bis zu 4 mm. 

Der gewöhnliche Brutbaum des zwölfzähnigen Borkenkäfers ist 
bei uns die gemeine Kiefer, der er in ihrem geographischen 
Verbreitungs-Gebiete von Lappland bis an die Mittelmeerküsten und 
Transkaukasien und vom Atlantischen bis zum Stillen Ocean folgt 
[45, S. 254 und I5a, 8. 213]. 

Er verschmäht aber auch keineswegs ihre südlicheren Verwandten, sodass er 
in den Mittelmeerländern häufig an Seh warzkiefer, P. laricio Poır., und See- 
kiefer, P. pinaster SoLann (maritima Poır.), wohnt, wie uns in Betreff der letzteren 
in den Südwestfranzösischen Landes namentlich Perrıs [58, S. 179 bis 184] sehr 
ausführlich schildert. Ausserdem geht er aber sicher auch an Fichte, wie schon 
RATzegurg [V, 1, S. 186] und Nörpuinger berichten [56 d, S. 264] und NEUMEISTER 
[54, S. 294] am genauesten darstellt. Hierister auch nach RATzesurG und SAXESEN 
in Gesellschaft von Hylesinus micans gefunden worden. NEunrister berichtet 
(94, S. 294] bei Gelegenheit eines in Folge des Windbruches im December 
1868 auf Langebrücker Revier bei Dresden auftretenden Borkenkäferfrasses: 
„Ferner verdient das Auftreten des Bostryehus stenographus in stehenden 
Fichten erwähnt zu werden. Es ist unbestreitbar, dass dieser Käfer die stehende 
Fichte ebenso stark wie B. typographus beziehen kann 
und mithin, ceteris paribus, gefährlicher für die Fichte als 
für die Kiefer wird, welch letztere Holzart er in der Regel 
nur im liegenden Zustande annimmt. In zwei Abtheilungen 
trat stenographus durchgängig und so massig auf, dass 
man anfangs wohl glauben konnte, es mit besonders grossen 
Exemplaren des B. typographus zu thun zu haben. In 
gefällten und zersehnittenen Fichten ist stenographus 
nur zweimal gefunden worden.” Von der Richtigkeit der Fig. 161. Flügel- 
Bestimmung in diesem Falle hat sich Jupeican überzeugt, deckenabsturz von 
welcher den Käfer auch 1888 auf demselben Revier im Mehr- Tomicus sexden- 
zahl in Fichtenklötzen fand. tatus BoErn. 


Die Generation des zwölfzähnigen Borkenkäfers wurde ursprüng- 
lich als einjährig angesehen und seine Flugzeit etwas später, als die 
des achtzähnigen Fichten-Borkenkäfers angesetzt, sowie angegeben, 
dass seine Entwickelung etwas langsamer vor sich gehe; dagegen ist 
in neuerer Zeit auch bei ihm in Deutschland mehrfach eine doppelte 
Generation beobachtet worden, wobei die erste Flugzeit in den April 
oder Mai, die zweite in den Juli fiel. Der Käfer überwintert dann 
als Imago. Man findet aber auch Winterlarven. Die genauesten Beob- 
achtungen über doppelte Generation sind von Prrrıs an der See- 
kiefer in Südfrankreich gemacht worden. 


Schaden. Der Käfer wird gewöhnlich auf Schlägen und Holz- 
plätzen in liegenden, frisch gefällten Stämmen, und zwar nur in starken 
gefunden. Bemerkenswerth ist es, dass er hier oft an den höheren 
Partien der Stämme, wo die Rinde dinn wird, wohnt, wodurch 
sich das häufige Verkümmern der hier zu stark in den Splint einge- 
betteten Brut erklären möchte. Wahrscheinlich nimmt ihm Hylesinus 
piniperda L., der immer früher kommt, den Platz weg, da sich dieser 
am liebsten am unteren Stammende einquartiert, wo dann die Gänge 


496 Kap. IX. Die Käfer. 


des Nachzüglers kaum alle Platz finden. Diese Umstände mögen 
auch seine Vermehrung im Zaum halten, und am stehenden Holze, 
das er sicher öfters annimmt, scheint er nur dann zu schaden, wenn 
liegendes Holz seine Vermehrung ungewöhnlich begünstigt hat. Auch 
geht er mitunter an schwächeres Material; so fand ihn z. B. DögBneEr 
[XIV, S. 175] an solchem im Revier Burgjoss und Prrrıs gelegent- 
lich auch in Südfrankreich. In einem ähnlichen, von HEnscHEL aus 
Ungarn mitgetheilten Falle war der Käfer zuerst in die kränkelnden 
Samenbäume eines südlich gelegenen Schlages gegangen und hatte 
sich von da in einem anstossenden Stangenorte verbreitet, der als 
„räumdig und mit stufigem Holze bestanden” geschildert wird; 
einzelne der 18- bis 24jährigen Stangen waren 26 bis 30 cm stark. 
Röthung der Nadeln war schon nach vier Wochen sichtbar, während 
nach Hylesinus-Frass die Röthung erst später erfolgt. Ein grösserer, 
ausschliesslich durch T. sexdentatus Borrn. hervorgebrachter Frass 
ist uns nicht bekannt, dagegen tritt der Käfer häufig secundär in 
durch Raupenfrass verwüsteten Wäldern auf, z. B. Ende der Sechziger- 
jahre in Ostpreussen in den durch Nonnenfrass gelichteten Revieren 
[Antemann Ib, S. 1051. In Russland, wo er überhaupt nach Körppen 
|45, S. 254—257 und 390] häufiger zu schaden scheint als bei 
uns, ist sein Frass als Folgeerscheinung der durch die Kieferneule, 
den Kiefernspanner und sogar die Kiefernscheidengallmücke, Ceci- 
domyia brachyntera ScHwäg., verursachten Beschädigungen beachtens- 
werth. Auch durch Waldbrände beschädigte Waldorte sucht er gern 
auf, wie Wırtkomm [75 b, S. 234] berichtet. Er brütet ausser mit 
Hylesinus piniperda L., vielfach mit Tomicus Laricis FABr. zusammen. 
Gleichfalls als Bestandsverderber sind anzusehen 


der sechszähnige Kiefern-Borkenkäfer, 
Tomicus acuminatus GYLt., 


der vielzähnige Kiefern-Borkenkäfer, T. Laricis FAsBr. und 
seine häufig mit ihm verwechselten Verwandten. 


Die beiden mit Namen in der Ueberschrift aufgeführten 
Käfer werden stets in den Forstinsektenkunden genannt, trotzdem 
man ihnen nur wenig wirkliche Schädigungen nachweisen kann. 
Namentlich die Angaben über T. Laricis FıpBr., von dem schon 
Rartzegurg [V, 1, S. 188] sagt, dass er seinen lateinischen Namen 
sehr mit Unrecht trage, „weil er unter allen Nadelhölzern am selten- 
sten in der Lärche zu finden sei”, entbehren, was speciell seine 
forstliche Bedeutung anbelangt, der wünschenswerthen Schärfe. Er 
besitzt nämlich eine Reihe, erst in jüngster Zeit besser charakteri- 
sirter Verwandter, die ihm so ähnlich sind, dass man bis jetzt nur 
selten entscheiden kann, ob es sich bei Angaben in der Literatur 
wirklich um T. Laricis FaApr. oder eine der letzteren Arten handelt. 
Die folgende Zusammenstellung der uns bekannt gewordenen Litera- 
turangaben und die genauen Diagnosen sollen daher besonders zu 
weiteren Beobachtungen anregen. 


a 


Kiefern-Borkenkäfer, bes. Tomieus aeuminatus. 497 


T. acuminatus Gyuv. (Fig. 162) ist kenntlich durch drei jeder- 
seits an dem Rande des Flügeldeckeneindruckes stehende Zähne, von 
denen stets der unterste am kräftigsten ist und beim d in zwei 
stumpfe Spitzen ausgeht. Er macht Sterngänge mit sehr langen 
Armen in den dünnrindigen Theilen älterer und in jüngeren Kiefern, 
T, Laricis FABr. und seine Verwandten sind kenntlich an dem fast 
kreisrunden, beinahe senkrecht gegen die Längsachse des Käfers ge- 
stellten Flügeldeckeneindrucke, der bei T. Laricis Farr. (Fig. 163) 
selbst fein gekerbt, und ausserdem noch jederseits mit drei, etwas 
mehr nach innen gerückten stärkeren Zähnen versehen ist. Die biolo- 
gische Charakteristik des auch in anderen Nadelhölzern vorkommen- 
den T. Laricis Fagr. liegt aber in der Gestalt seiner Frassfigur, welche 
aus einem unregelmäsgig gebuchteten, kurzen Muttergange besteht, in 
welchem die Eier haufenweise abgelegt werden, und von dem aus 
die Larven gemeinschaftlich weiterfressend, einen Familien-Rinden- 
gang erzeugen. Die zoologisch ziemlich schwierige Unterscheidung 
der verwandten Arten scheint dagegen um 
so begründeter, als alle diese mehr oder 
weniger regelmässige, mehrarmige Loth- 
oder Sterngänge mit Eiergrübchen erzeugen, 
von denen die Larvengänge einzeln abgehen. 
Alle diese Formen dürften mehr als Beglei- 
ter oder Nachfolger anderer Schädlinge, wie 
als selbstständige Verwüster anzusehen sein. Fig. 162. Flügeldeckenab- 

Beschreibung: Tomicus acuminatus Sn ee ung Ten 
Gyir. (geminatus Zerr.). Käfer walzenförmig, Tomicus acuminatus GyLL. 
nach vorn fast gar nicht, nach hinten etwas mehr 
verengt,pechbraun, etwas glänzend, greis behaart. Vorderbrust nach hinten zwischen 
den Vorderhüften mit scharfem Fortsatz. Fühlerkeule stumpf-eiförmig mit leicht 
gegen die Spitze gekrümmten Nähten. Halsschild länger als breit, vorn breit 
abgerundet, gekörnt, hinten fein und weitläufig punktirt, ohne glatte Mittellinie. 
Flügeldecken kaum länger als das Halsschild, fein punktirt-gestreift, mit ge- 
reiht-punktirten Zwischenräumen. Absturz schräg, vertieft, glänzend, etwas 
runzelig, aber nicht tief punktirt, am Aussenrande jederseits mit drei Zähnen, 
von welehen der unterste der grösste ist und etwa in der Mitte des Randes 
steht; Nahtwinkel etwas vorgezogen. Beim d' ist der dritte, unterste Zahn 
sehr breit und ausgerandet, sodass er wie zwei miteinander verwachsene 


Zähne, als Doppelzahn erscheint. Vorderschienen nach vorn etwas verbreitert, 
mit zum Einlegen der Füsse bestimmten Rinnen. Länge 3—3'7 mm. 


Lebensweise. Die ersten Frassstücke des Käfers hat RırgeL, 
der auch selbst hierüber eine kurze Notiz [63 a] veröffentlichte, in 
Herrenalb im Schwarzwalde gefunden, und Nörnuinger [vgl. XXIV, 
S. 31] beschrieb sie. Am genauesten schildert sie nach eigenen Beob- 
achtungen Henscnen [XIl, 2. Aufl., S. 105]: „Die Sterngänge sind 
meist drei- bis fünfstrahlig, die einzelnen Arme oft bis 8 cm lang 
und nicht selten über 2 mm breit; tief in den Splint eingeschnitten, 
besonders wenn die Rinde sehr dünn ist, weniger tief bei diekerer 
Rinde; gerade oder leicht geschwungen, nie gabelig getheilt. Die 
Eiernischen sind gross, tief und nicht sehr zahlreich, wechselweise 


498 Kap. IX. Die Käfer. 


in Ziekzackform gegenüber gestellt. Sind die Larvengänge normal ent- 
wickelt, so erreichen sie nicht selten die ausserordentliche Länge von 
10 bis 13 em; sie sind stark geschlängelt, durchziehen und berühren 
sich oft und sind schwach auf der Splintlläche sichtbar. Die abnormen 
Formen sind jedoch bei diesem Käfer weit häufiger und sogar vor- 
wiegend. Die Larvengänge sind dann vereinzelt, drei bis viermal 
breiter als die Muttergänge, meist muschelförmig ausgenagt, kurz, 
tief in den Splint und nicht selten sogar in das Holz eingesenkt.” 


Der Brutbaum des Käfers ist die gemeine Kiefer. In Herren- 
alb bewohnte er nach Rırcen 10 bis 15 cm starke Kiefernstangen 
und die oberen Theile einer alten Kiefer. Henscnen hat ihn „in 
Oesterreich” in 40- bis 60jährigen Kiefern in den Gipfelpartien und 
in stärkeren Aesten, vorzüglich in der A gefunden, also 
stets nur an Stammtheilen mit dünner, blätteriger, rothgelber Rinde 
[XIH, Aufl. 1, S. 64 und 65]. Rupzkı fand ihn an der Südküste der 
Krim auch in Pinus laricio Poır. [45, S. 257]. Nach Henscker fällt 
die Flugzeit in den Mai; Mitte October waren die noch weichen 
Käfer fertig, überwinterten unter der Rinde und flogen Anfang Mai 
nächsten Jahres aus. In diesem Falle wurde also die einjährige 
Generation beobachtet. Tascuengerg [XVIII, S. 160] giebt an, dass 
unter Umständen auch eine doppelte oder anderthalbige Generation 
vorkommen kann. Der Käfer ist von Lappland bis nach Sieilien und 
vom Kaukasus bis nach Spanien [I5 «a, S. 232] verbreitet, aber 
nirgends gemein; in Süddeutschland und Oesterreich scheint er 
häufiger zu sein als bei uns. Grössere Schäden sind von ihm nicht 
zu verzeichnen, dagegen rechnen ihn sowohl RızgeL wie HENSCHEL 
und SIEMASCHKo, der ihn im Gouvernement St. Petersburg beobachtete 
[45, S. 257], zu den merklich schädlichen. 


Wachtr hat für den T. acuminatus Gyrr. nebst einigen Verwandten die 
Gruppe der sogenannten doppelzähnigen Borkenkäfer geschaffen [74], zu welchen 
er ausser einigen von uns zu den näheren Verwandten des T. Laricis FApr. 
gerechneten, gleich zu erwähnenden Formen, namentlich den T. duplicatus 
SaHue. und den T. Judeichii Kırscn zählt. T. duplicatus ist weiteren Kreisen bis Jetzt 
eigentlich nur nach einem Exemplare, einem Sauszerg’schen Originale bekannt, 
denn die in der forstlichen Literatur vorhandenen Angaben, dass er zahlreicher 
in Oesterreich mit T. typographus zusammen aufgetreten sei, die im Wesent- 
lichen von HrawA [34] und Preirrer [99] stammen, sind dadurch entstanden, 
dass nach den sicheren Nachweisen von KELLxer [42 5], HenscheL [32a und 
32 5] und Mick [52] der weiter unten genauer zu erwähnende T. amitinus 
Eıchn. fälschlich als T. duplicatus bestimmt wurde. Ein Originalexemplar von 
Tomicus duplicatus Sante. hat aber inzwischen CLemens MÜLLER in Dresden 
für seine Sammlung erworben. Bei der dadurch nunmehr möglich gewordenen 
direkten Vergleichung mit den Originalexemplaren von T. Judeichii Kırscn hat 
es sich herausgestellt, dass beide Formen identisch sind. 7’ Judeichüi Kırsch ist 
demnach als Art zu streichen und als Synonym zu T. duplicatus Saure. zu 
stellen, einem Käfer, welcher vorzugsweise nördlicheren Gebieten und dem 
östlichen Russland anzugehören scheint. 


Wir wenden uns jetzt zu dem vielzähnigen Kiefern- 
Borkenkäfer und seinen Verwandten. 


1 


Tomicus acuminatus, T. Larieis und Verwandte. 499 


Beschreibung: Tomicus Laricis Fasr., Rarz. Käfer walzenförmig, 
nach hinten fast gar nicht, nach vorn etwas stärker verengt, pechschwarz oder 
-braun, etwas glänzend, dünn greis behaart. Vorderbrust nach hinten zwischen 
den Vorderhüften mit scharfem Fortsatz. Fühlerkeule kreisrund, erste Naht der- 
selben fast gerade, in der Mitte wenig, aber doch merkbar nach vorn gekrümmt, 
die folgenden Nähte gerade oder sehr wenig nach der Basis zu gekrümmt. 
Halsschild kaum länger als breit, nach vorn verengt, gekörnt, hinten ziemlich 
dicht punktirt, ohne deutliche Mittellinie. Flügeldecken länger als das Hals- 
schild, dieht und tief punktirt-gestreift, die flachen, glatten Zwischenräume 
mit je einer äussert feinen und weitläufigen Punktreihe, Absturz 
fast senkrecht, mit kreisförmigem, punktirtem, glänzendem Ein- 
druck, der Aussenrand desselben gekerbt und beiderseits mit 
drei, bei J und ® gleichgeformten, etwas nach innen gerückten 
Zähnen, von denen der unterste zwischen Mitte und Spitzenrand, 
in der Verlängerung des sechsten Zwischenraumes steht. Vorder- 
sehienen nach vorn etwas verbreitert, mit einer Rinne für die 
Füsse. Länge 3:5—4 mn. 


Fig.163. Flügel- 
Lebensweise, In früherer Zeit wurden dem Re 


T. Laricis stets mehrarmige Lotbgänge zugeschrieben. von T. Laricis 
Es scheint diese Angabe auf einer Verwechselung mit Far. 

seinen Verwandten zu beruhen; denn wie zuerst NÖRDLINGER beob- 
achtete, aber als Abnormität ansah [vgl. XXIV, S. 29], EicuHorr 
auf die Beobachtungen Schremer’s hin, die er selbst controlirte, mit- 
theilt [15 a, S. 240], Aurum nach eigenen vielfachen Erfahrungen 
bestätigt [XVI, 2. Aufl., III, 1, S. 301], und wir selbst mehrfach 
gesehen haben, macht der Käfer Rindenfamiliengänge. Der Mutter- 
gang besteht aus einem 
kurzen, 1 bis 3 cm langen, 
unregelmässigen, am Ein- 
gange oft mit einem stiefel- 
artigen Knick beginnenden, 
den Splint höchstens streifen- 
den Längsgange, der auch 
Seitenarıne zeigen kann. In 
diesem werden die Eier 
haufenweise abgelegt, nicht 
etwa regelmässig in Eier- 


nischen vertheilt. Dieser _ i 

Mnttereans wird nun durch Fig. 164. Halbschematische Zusammenstellung 
DD i von Frassgängen des Tomicus Laricis FaABr. 

den Larvenfrass zu einem nach Nörnuinger [XXIV, S. 29] und Eıcnnorr 

keine bestimmte Formen ein- [l5«a, S. 241]. «a Eierhaufen, 5 Larven. Das 

haltenden Frassplatze un- Bohrloch ist schwarz angedeutet. '/, nat. Grösse, 


regelmässig erweitert, an dessen Rand die Larven gemeinsam weiter- 
nagen, hier und da auch wohl einen Einzelgang über seine Grenze 
hinaustreiben. Besser als Worte erläutern dies die in Fig. 164 nach 
NÖRDLINGER und Eıcnnorr gegebenen Abbildungen. Die Generation 
wird von RATzegurg sicher als doppelt angesehen, womit auch andere 
Angaben übereinstimmen. Er scheint ein Spätschwärmer zu sein. 

Als Brutbaum scheint er mit Vorliebe die Kiefer zu wählen, 
doch ist er auch in Fiehten nicht selten und soll Lärchen und 


500 Kap. IX. Die Käfer. 


Weisstannen gleichfalls angehen [V, 1, S. 188; I5 a, S. 240; XVI, 
2. Aufl., III, 1, 8. 301]. 


NÖRDLINGER will ihn auch in Pinus strobus L. und P. Halepensis Miırr. 
gefunden haben [XXIV, S. 30). Er kommt sowohl in starken Bäumen als in 
schwächeren Stangen vor. Dagegen scheint die immer citirte Angabe RATze- 
BURG's [V, 1, S. 189], dass er junge Kiefernkulturen in Gesellschaft mit anderen 
Kulturverderbern zerstöre, neuerdings nicht bestätigt worden zu sein. 


Noch viel unsicherer ist alles, was wir über den Frass seiner 
drei näheren Verwandten wissen. Unter ihnen ist zunächst zu er- 
wähnen: 


T. suturalis Gyır. (nigritus Gyr.) Käfer dem T. Laricis sehr ähnlich. 
Fühlerkeule mit nach der Basis gekrümmten Nähten. Halsschild etwas mehr 
nach vorn verschmälert, hinten mit deutlicher, glatter Mittellinie. Absturz der 
Flügeldecken nicht kreisrund, sondern schmäler als bei T. Laricis, oval, am Rande 
mit drei etwas nach innen gerückten Zähnehen, von denen das unterste, wie 
bei T. Laricis, zwischen Mitte und Spitzenrand, am Ende des sechsten Zwischen- 
raumes steht. Bei vollständig ausgefärbten Exemplaren sind Schienen und 
Schenkel dunkel. Beim d' stehen die Zähne des Absturzes mehr am Seitenrand, 
beim 9 sind sie stumpf, der zweite und dritte Zahn ist noch mehr nach innen 
gerückt. Die Flügeldeckenspitze des @ ist hell-braunroth gefärbt. Länge 3 mm. 


Lebensweise. Dieser lange Zeit nur für eine Varietät von T. Laricis 
FABr. angesehene Käfer unterscheidet sich von diesem nach EıchHorr [15 a, 
S. 244] deutlich durch seine Frassfigur, die aus mehreren von einer geräumi- 
gen Rammelkammer ausgehenden Lothgängen besteht, welche aber die Neigung 
haben, etwas schräg zu verlaufen. Die Larvengänge beginnen in deutlichen, 
getrennten Eiergrübchen. Er findet sich in Kiefer und Fiehte und bevorzugt die 
höheren Stammtheile mit dünner Rinde, kommt nach Eıc#uorr aber auch in 
Stöcken vor. Jupeich hat ihn einmal aus 5- bis 6jährigen Kiefernpflanzen er- 
zogen. HenscHeL kennt ihn auch aus der Zirbelkiefer [32 e]. 


T. proximus Fıcun., dem T. Laricis FAgr. ebenfalls sehr ähnlich, früher 
wohl meist mit ihm verwechselt. Käfer walzenförmig, pechbraun oder schwarz, 
dünn greis behaart. Vorderbrust mit scharfem Fortsatz zwischen den Vorder- 
hüften. Fühlerkeule kreisrund, mit etwas welligen Nähten. Halsschild kaum 
länger als breit, vorn breit abgerundet, gekörnt, hinten stark, aber nicht dicht 
punktirt, mit etwas undeutlicher, glatter Mittellinie, auf der Scheibe in der Mitte 
leicht quer eingedrückt; Flügeldecken etwas länger als das Halsschild, tief 
punktirt-gestreift, die Punkte, namentlich hinten in die Breite gezogen, ‚sodass 
die Zwischenräume querrunzlig erscheinen, letztere schmal, gereiht-punktirt. 
Absturz fast seukrecht, mit kreisförmigem, grobrunzlig punktirtem Eindruck, 
dessen Seitenrand an seiner oberen Hälfte drei oder vier Zähnchen trägt, von 
denen das unterste etwa in der Mitte des Randes liegt. Beim S sind vier deut- 
liche Zähne vorhanden, die drei unteren nahe beisammenstehend, beim 9 er- 
scheint der dritte Zahn nur als stumpfer Höcker. Vorderschienen nach vorn 
etwas erweitert, mit Rinnen zum Einlegen der Füsse. Länge 3—4 mm. 


Lebensweise. Der Frass dieses Käfers ist bis jetzt nur nach den von 
SCHREINER an Kiefern gesammelten Exemplaren durch Eıcaunorr [I$a, S. 236— 238] 
beschrieben worden. Er frisst ganz ähnlich wie der vorhergehende, aber die 
von der Rammelkammer angehenden Lothgänre halten sich strenger an die 
Senkrechte, und die ganze Figur nähert sich daher weniger der Sterngangform. 


T. rectangulus Eıcan. (Laricis Perrıs?). Käfer dem T. Laricis äusserst 
ähnlich. Die runde Fiühlerkeule hat jedoch deutlich nach vorn gekrümmte 
Nähte und am Absturz der Flügeldecken befinden sich beiderseits beim d 
als Fortsetzung des ersten, dritten, vierten und fünften Zwischenraumes stärker 
hervortretende Zähnchen, beim ® nur drei, indem bei ihm der dritte Zahn nur 


Tomicus suturalis und T. bidentatus nebst Verwandten. 501 


als stumpfer Höcker erscheint; das unterste Zähnchen befindet sich bei beiden 
Geschlechtern fast in der Mitte des Randes, während es bei T. Laricis etwas 
tiefer steht. Länge 3—4 mm. 


Lebensweise. Ueber den Frass dieses namentlich in den verschiedenen 
Südeuropäischen Kiefern formen lebenden Käfers weiss man mit wirklicher 
Sicherheit gar nichts, denn alle Angaben von EıcHHorr sind begründet auf die Ver- 
muthung, dass der von Perrıs [58, S. 184—187] als T. Laricis aus den Kiefern- 
Strandwäldern der Landes beschriebene Käfer T. rectangulus sei. Seinen T. 
Laricis bezeichnet Perrrıs als sehr häufig, ungemein schädlich, in abgestorbenen 
Stämmehen und Stämmen jeder Dimension brütend und schildert seine Frass- 
figur als einen mehrarmigen Lothgang mit geschwungenen Armen. Er soll stets 
in Südfrankreich eine sicher dreifache Generation haben. 

Mehr als Kulturverderber und Feinde der strauchartigen Kiefern 


sind zu betrachten 
die hakenzähnigen Kiefern-Borkenkäfer, 
Tomicus bidentatus Hssr., T. quadridens Hre., 
T. bistridentatus Eıcnn. und Verwandte, 


Die hier genannten Kiefernkäfer bilden eine sehr gut abge- 
schlossene Gruppe, welche sich zoologisch dadurch charakterisirt, dass 
bei den dd am oberen Theile des Flügeldeckenabsturzes ein grosser 
Hakenzahn steht (Fig. 165), zu dem noch ein oder mehrere kleine 
Höcker kommen können, während bei den 2? nur eine Furche 
jederseits der Naht und keine oder höchstens kleine Zähnchen vor- 
handen sind. Biologisch sind sie durch meist tief in den Splint 


Fig. 165. Flügeldeckenabsturz der Jg von a) Tomicus bidentatus Hesr. 
b) T. bidentatus var. f, c) T. quadridens Hre. und d) T. bistridentatus Eıcan. 


eindringende Sterngänge gekennzeichnet, sowie durch ihre Vorliebe 
für schwächeres, dünnrindiges Material. Der Hauptschaden von T. 
bidentatus Hssr. besteht in der Vernichtung junger Kiefernpflanzen 
von 5 bis 12 Jahren. T. bistridentatus Eıcan. erscheint namentlich 
in Gebirgslagen als Feind der Krummholzkiefer. 


Beschreibung: Tomicus bidentatus Hssr. (bidens Fasr., Rarz.). Käfer 
walzenförmig, pechschwarz oder -braun, etwas glänzend, aber nicht so fettglänzend 
wie T. chalcographus L., fein behaart, nach hinten etwas lichter gefärbt. Vorder- 
brust ohne Fortsatz zwischen den Hüften. Fühlerkeule eiförmig mit fast geraden 
Nähten. Halsschild kaum länger als breit, nach vorn verschmälert, in der Mitte 
beiderseits quer eingedrückt, vorn gekörnt, hinten gröber punktirt als bei 
T. chalcographus, mit etwas erhabener, glatter Mittellinie und einem glatten 
Fleckehen beiderseits. Flügeldeeken meist bis zum Absturz punktirt-gestreift, 
die Punkte an den Seiten diehter und feiner als auf dem Rücken. Der Absturz 
beim Z sehräg, kreisrund, glatt, wenig vertieft, oben beiderseits mit einem 
grossen, nach abwärts gekrümmten Zahn, beim 2 ohne Zahn, neben der erhabenen 


502 Kap. IX. Die Käfer. 


Naht beiderseits gefurcht, mit gewölbten Seitenrändern. Stirn des @ nicht aus- 
gehöhlt. Bei beiden Geschlechtern Vorderschienen nicht erweitert, Schenkel und 
Schienen etwas dunkler. Länge 2—2'3 mm. 


Nicht selten findet sich beim d' dicht oberhalb des grossen Zahnes 
noch ein kleines Zähnchen; var. f Eıcnu. Manche Q9 zeigen auf der Stirn ein 
nadelstichähnliches Grübchen; var. trepanatus Nörpt. 


T. quadridens Hr. Käfer dem T. bidentatus sehr ähnlich, beim 
befindet sieh aber am Absturze unterhalb des grossen Hakenzahnes, etwa in der 
Mitte des Randes, ein kleiner, kegelförmiger Zahn, beim ® zeigt der wulstige 
Seitenrand neben der Furche am Absturz beiderseits zwei mehr oder weniger 
deutliche, kleine Höckerchen. Wenn diese sehr undeutlich sind oder fehlen, ist 
das @ von dem des T. bidentatus nicht zu unterscheiden. Mitunter hat das 
Weibehen eine dichte greise Haarbürste auf der Stirn; var. c. Eıchn. Länge 
1-5 2:3 mm. 


T. bistridentatus Eıcnuu. Käfer dem vorigen sehr ähnlich, meist etwas 
grösser. Das Ö hat am Rande des Absturzes, ausser dem kleinen Zähnchen in der 
Mitte, oberhalb des Hakenzahnes noch ein kräftiges Zähnchen. 


T. Lipperti Henscuer. Bei dieser Form kommen zu den drei jederseits 
bei den ZZ von T. bistridentatus vorhandenen Zähnen noch jederseits zwei 
kleinere weitere hinzu, welche zwischen dem Hakenzahn und dem unteren 
Zahn eingeschoben sind. 


Lebensweise. Die vorstehend geschilderten vier Arten, welche 
in ihren Körpermerkmalen, trotzdem sie sich entomologisch gut aus- 
einanderhalten lassen, wie wir sahen, gewissermassen Variationen 
eines und desselben Grundthemas sind, haben auch eine gemeinsame, 
Form der Frassfigur, den Sterngang, und zwar greifen, da diese 
Thiere im Grossen und Ganzen schwaches Material mit dünner Rinde 
bevorzugen, die Muttergänge sowohl, wie die Larvengänge meist tief 
in den Splint ein; von einer gemeinsamen, ausgebuchteten, tief ein- 
geschnittenen Rammelkammer gehen 3 bis 7 1—5 cm lange Mutter- 
gänge sternförmig auseinander, je nach der Stärke des Materiales mehr 
oder weniger dicht besetzt mit deutlichen, grossen Eiernischen. Dem 
entsprechend sind an stärkeren Aesten und Stämmchen die von einem 
Muttergange ausgehenden Larvengänge zahlreicher als an schwächeren. 
Nach Eıcnnorr sollen bei den typischen T. bidentatus Hssr. die 
Muttergänge mehr parallel der Schaftachse verlaufen [15 a, S. 256] 
und öfters geknickt sein, bei T. bistridentatus Eıcna. mehr rad- 
speichenartig auseinanderstehen und namentlich in stärkerem Brut- 
holze in weiten bogenförmigen Krümmungen verlaufen [15 d], endlich 
bei T. quadridens Hre. weniger tief in den Splint eingreifen, also 
mehr in der Rinde bleiben. Nach unserer Anschauung ist die hier 
wiedergegebene Verschiedenheit viel weniger auf die Käferart, als 
auf die Stärke der befallenen Aeste oder Stämmcehen und auf die 
mehr oder weniger dichte Zusammendrängung der Frassfiguren zurück- 
zuführen, sodass uns also eine Bestimmung der speciellen Art nach 
den blossen Frassgängen kaum möglich erscheint, während für alle, 
ganz abgesehen davon, dass sie gewöhnlich nur an Kiefern fressen, 
T. chalcographus L. dagegen vorwiegend Fichteninsekt ist, eine dem 
scharfen Beobachter leicht kenntliche, aber schwerer zu beschreibende 


Tomicus bidentatus und Verwandte. 503 


charakteristische Gestalt der Gänge besteht, die eine Verwechselung 
mit denen des „Kupferstechers” nicht leicht gestattet. Die Puppen- 
wiegen gehen oft tief in den Splint. 

Als Brutbaum wird von allen heimischen Arten in unseren Gegen- 
den regelmässig die gemeine Kiefer benutzt, und zwar hauptsäch- 
lich an dünnberindeten Stellen, sodass also die Gipfelstücke stärkerer 
Stämme und Kulturen besonders von ihnen angegangen werden. Ausser- 
dem werden aber alle anderen Kiefernarten gern von ihnen ange- 
nommen; im Süden sind demge- 
mäss Pinus laricio Poır. und P. 
pinaster Sor. vielfach befallen, 
und in höheren Gebirgslagen ist 
die so sehr variirende Berg- 
kiefer, P. montana Miırr., ihren 
Angriffen ungemein ausgesetzt. 
Namentlich kommt T. quadridens 
Hre. sowohl in den Gebirgsföhren 
der Pyrenäen, wie in den Leg- 
föhren des Schwarzwaldes [XXIV, 
S. 32] und den Sumpfkiefern des 
Erzgebirges vor, und T. bistri- 
dentatus EıcHn. ist nicht nur von 
Perrıs in den Hakenkiefern der 
Pyrenäen gefunden worden, son- 
dern auch ein ganz regelmässiger 
Bewohner des Knieholzes im 
Riesengebirge, wo wir ihn häufig 
selbst beobachtet haben. 

Auch an Zirbelkiefern, P. 
cembra L., gehen diese Thiere, wie 
nach FischBacH NÖRDLINGER [XXIV, 
S. 32] für T. quadridens Hrc. und 
EiıchHorr nach FANnkHAUSER für T. 
bistridentatus Eıcan. [155] mittheilt und 
Hessc#EL [32e, S.536] bestätigt. KeLLer 
berichtet [41], dass letztgenannte Art 
ee Momeennne, m eierete Mm 
finden sei und im Bündtner Oberland 
an der Lärche, am Buochseshorn an der Fichte, im Canton Uri an der Leg- 
föhre und im Canton Wallis an der Arve beobachtet wurde. T. Lipperti Henscn. 
wurde bis jetzt nur in der Aleppokiefer, P. Halepensis Mırr., gefunden [32 g]. 
T. bidentatus Hssr. ist ausserdem auch an Weymouthskiefern, die er sogar 
nach Arrum [XVI, 2. Aufl., III, 1, S. 306] besonders zu bevorzugen scheint, häufig. 
Derselbe kennt ihn auch aus Lärche. Harrıc hat ihn einmal zahlreich an 
Fichten beobachtet [29], und Nörpuinger [XXIV, S. 32] fand T. quadridens Hre. 
sogar an Picea obovata Le. (Schrenkiana Anr.) von der sibirischen Waldgrenze. 
Schon hieraus geht hervor, dass die geographische Verbreitung dieser Arten 
eine sehr weite ist. 

T. bidentatus H»sr. ist ein Spätschwärmer, der erstim Mai oder 
Juni zum ersteumale fliegt [15 a, S. 257]. Die erste Generation ist 


Fig. 166. Frassfiguren von Tomicus 


in stärkerem und 
schwächerem Materiale. Originale. 


504 Kap. IX. Die Käfer. 


bereits im Juli fertig, es folgt der zweite Flug, und die zweite Gene- 
ration überwintert dann als Käfer in den Puppenwiegen oder brütet 
noch einmal; die letzterenfalls entstehende dritte Generation über- 
wintert als Larven. Dies wurde sowohl in Deutschland von verschie- 
denen Seiten, als auch in Südfrankreich von Prrrıs [58, S. 190] 
beobachtet. Aus diesem Umstande erklärt sich auch die Angabe von 
Rarzegurg, dass der Käfer eine 1!/,fache Generation habe. Er 
schliesst dies nämlich aus dein Umstande, dass immer im Winter 
sowohl Käfer als Larven zu finden sind. Die verwandten Arten 
scheinen nach Allem, was man weiss, sich genau so zu verhalten. 


Schaden. T. bidentatus Hssr. und seine Verwandten gehören 
sicherlich zu den sehr schädlichen Kieferninsekten. In unseren alten 
Kiefernbeständen, wo sie ungemein häufig in den Aesten brüten, 
trägt der zweizähnige Borkenkäfer viel zur Lichtung der Kronen bei. 
Aus den Östseeprovinzen meldet Wırukomm [75 b], dass im Angern- 
schen Kronforste bei einer Menge 50- bis 100jähriger Kiefern der 
Wipfel und nicht selten auch das ganze obere Dritttheil in Folge 
seines Angriffes dürr war, und Köppen stellt ähnliche Angaben anderer 
Berichterstatter aus Russland zusammen [45, S. 259]. Dieser Käfer 
geht auch in den Abraum der Kiefernschläge [I5 a, 8. 255] und 
T. quadridens Hre. ist auch in Kiefernklaftern im Elsass gefunden 
worden [I3 a, S. 260]. 

Seinen Hauptschaden richtet T. bidentatus Hssr. aber in unseren 
Kulturen an, wo er ganz gesunde Pflanzen der verschiedenen 
Kiefernarten, namentlich im Alter von 5 bis 12 Jahren, aber auch 
noch jüngere, tödtet. Er ist also ein starker Verbündeter von Pissodes 
notatus FABrR. Grössere Verheerungen in Kulturen waren schon 
Rarzegure [V, I, S. 193] aus Oberschlesien bekannt. Auf durch 
Feuer beschädigte Kulturen ist besonders zu achten, da der Käfer 
solche nach . Nörpumeer |[XXIV, S. 31] mit Vorliebe annimmt. 
TascnHengere [XVI, S. 161] theilt mit, dass 1872 in dem von 
Oberförster v. Bernuru verwalteten Reviere 10 000 7jährige Kiefern 
befallen waren. Ueber häufigere Verwüstungen in Weymouthskiefern- 
und Seekiefernkulturen berichtet Aurum |XVI, III, 1, S. 306], des- 
gleichen über vernichtenden, ausgedehnten Frass in Kiefernstangen- 
orten. In dem einzigen Falle, in welchem er aus Fichten bekannt 
geworden [29], hatte der Käfer in der Oberförsterei Segeberg in 
Schleswig-Holstein über die Hälfte der Pflanzen einer 8- bis Yjährigen 
Fichtenkultur, die im Schutze eines älteren Kiefernbestandes durch 
Saat erzogen und dann freigestellt worden war, vernichtet. T. bistri- 
dentatus Eıcnm. scheint seinen zweizähnigen Verwandten namentlich 
im Gebirge zu ersetzen und besonders den verschiedenen Bergkiefer- 
formen zu schaden. So in den Pyrenäen nach Prrrıs, in der Schweiz 
nach Eıcnnorr und FankHauser [l5 5] dem Krummholz, und nach 
unseren Beobachtungen im Riesengebirge dem Kniebolz. 


Die Vermuthung von Eıchuorr [155], dass die nach Arrum im Riesen- 
. „ ni „ 2 
gebirge gefundenen Exemplare des „T. chalcographus”, sowie der an Arrum 


Tomieus bidentatus und Hylesinus minimus, Fichten-Borkenkäfer,. 505 


durch HexscheL aus Steiermark gesendete und brieflich möglicherweise als neue 
Art „Bostrichus alpinus’ bezeichnete, dort ganze Flächen von Legföhren ver- 
nichtende Käfer nichts weiter als T, bistridentatus Eıchn. seien, ist uns daher 
sehr wahrscheinlich. 

Als letzter aller typischen Kiefernbewohner sei noch angeführt: 

Hylesinus(CarphoborusEiıcha.)minimusF%Apr. Käfer länglich, schwärzlich, 
durch dichte, schüppchenartige Behaarung grau erscheinend. Halsschild nicht länger 
als breit, nach vorn stark verengt und etwas eingeschnürt, oben sehr dieht und 
fein, etwas körnig punktirt, mit etwas undeutlicher Mittellinie und mit grauer 
Schüppchen bedeckt. Flügeldecken gekerbt gestreift, an der Spitze oft röthlich. 
Zwischenräume sehr schmal, äusserst fein gerunzelt und dicht mit grauen, wenig 
abstehenden Borstenhärchen besetzt. Am Absturz ist die Naht und der dritte 
Zwischenraum verbreitert und kielartig erhöht, und mit dem ebenfalls verbreiterten 
und erhöhten Seitenrande verbunden; der zweite Zwischenraum ist dagegen ver- 
schmälert und vertieft. Füsse und Fühler gelbbraun. S auf der Mitte der Stirn 
mit zwei Höckerchen, 2 daselbst mit einem glänzendglatten Flecke. Länge 
13—1'5 mm. 


Lebensweise und Bedeutung. Dieser nach Eıcnnorr [lda, S. 130] 
wahrscheinlich ziemlich früh schwärmende und eventuell zweimal im Jahre 
brütende, kleinste Bastkäfer frisst in jungen Kiefernpflanzen, schwächeren Knüppeln 
bis zu 5cm Stärke [V, 1, 8.219] und namentlich in schwächeren und schwächsten 
Aesten von einer Rammelkammer aus 3- bis darmige, schmale, noch etwas in den 
Splint eingreifende Sterngänge mit verhältnissmässig kurzen und sparsamen 
Larvengängen. Er kommt nach einem unserer Sammlung von Henschet geschenk- 
ten Frassstücke auch an Schwarzkiefer vor. Auf seine forstliche Bedeutung hat 
bis jetzt nur Arrum [XVi. III. 1, S. 275] aufmerksam gemacht, welcher ihn für 
die Kulturen, wo er mit T, bidentatus Hrsr. gelegentlich zusammen haust, nicht 
wesentlich schädlich hält, dagegen seinem Frasse Schuld giebt, erheblichen 
Antheil an dem allmählichen, unerwünsehten Lichterwerden der Kronen in 40- 
bis 60jährigen Kiefernstangenorten zu haben. Auch hier wirkt er mit T. biden- 
tatus undLamia(Pogonochaerus) fasciculata DE GrEr zusammen. Da der Käfer 
in den Gängen überwintert, kann man gegen ihn durch Sammeln und Verbrennen 
des von den Herbststürmen herabgeworfenen "Reisigs vorgehen. 


Die zu dieser fünften biologischen Gruppe gehörigen 


Fichten-Borkenkäfer im weitesten Sinne haben von jeher 
die grösste Beachtung unter allen ihren Verwandten gefunden und 
als Verursacher der grössten Verheerungen auch verdient. Allen voran 
steht der Buchdrucker Tomicus typographus L., dem sich in neuerer 
Zeit als wenigstens ebenbürtig, ja vielleicht sogar, weil sicher sehr 
polyphag, als noch schädlicher der früher als besondere Art nicht 
unterschiedene T. amitinus Eronm. zugesellt. Beide sind Bestandes- 
verderber allerersten Ranges, welche oftmals in Fichtenwäldern 
Hunderte, ja Tausende von ha vernichtet haben und, obgleich sie 
unter gewöhnlichen Verhältnissen am liebsten kränkelndes Material 
angehen, ihr Frass daher vielfach erst als Folge von grösseren anderen 
Unglücksfällen, namentlich von Windbruch und Raupenfrass verderb- 
lich geworden ist, doch sicher auch gesunde Bäume befallen und 
tödten können. Dies beweisen wohl alle grösseren Borkenkäferver- 
heerungen, namentlich auch die im Böhmerwalde Anfang der Siebziger- 
jahre dieses Jahrhunderts. Diesen beiden Arten schliesst sich eine 
Reihe anderer eigentlicher Borkenkäfer, sowie Bastkäfer an, von 
denen zwar, wie wir bei den einzelnen Arten ausführen werden, 


Lehrbuch d, mitteleurop. Torstinsektenkunde, 33 


506 Kap. IX. Die Käfer. 


auch jede Art gelegentlich für sich allein schadet — es gilt dies 
namentlich für die schwächeres Material bevorzugenden Arten, die 
dann Kulturverderber werden können —, die aber im Grossen und 
Ganzen ihre wesentliche Bedeutung durch Ergänzung des Frasses 
von T. typographus L, und T. amitinus Eıcnn. gewinnen. Unter 
ihnen ist als regelmässiger Begleiter des Buchdruckers der Kupfer- 
stecher, T. chalcographus L, hervorzuheben, welcher sich, da er 
mit Vorliebe die oberen Stammtheile angeht, zu jenem verhält wie 
Hylesinus minor Hre. zu H. piniperda L. (vgl. $. 464). Nicht minder 
vergesellschaftet sich mit den vorhergehenden ebenfalls als Bestands- 
verderber der doppeläugige Fichten-Bastkäfer H. poligraphus 
L., während die forstliche Bedeutung des noch häufigeren, ja geradezu 
überall sehr gemeinen H. palliatus Gyrr. neuerdings geringer ange- 
schlagen wird, da man ihn meist nur secundär auftretend findet. 
Seltener, aber für Gebirgsreviere immerhin beachtenswerth, ist dann 
sein grösserer Verwandter, H. glabratus Zerr. Mehr als Verderber 
schwächeren Materiales treten eine Reihe anderer, bisher forstlich 
weniger beachteter Käfer auf, unter denen wohl T. micrographus 
GyrL., T. Abietis Ratz. und T. pusillus Gyr. schon hier eine vor- 
läufige Erwähnung verdienen. 


Wir behandeln zunächst 
die achtzähnigen Fichten-Borkenkäfer, 


Tomicus typographus L. (Taf. II, Fig. 7), und 
T. amitinus Eıcrn., 


denen wir als eine auf das engste verwandte, aber eigentlich wohl 
nur im Hochgebirge für die Zirbelkieferbestände wirklich beachtens- 
werthe Art, T. Cembrae Hrrr anschliessen. Diese 4 
bis 5 mm langen Käfer sind von allen anderen leicht 
dadurch zu unterscheiden, dass sie am Rande des 
tief eingedrückten Absturzes der Flügeldecken jeder- 
seits vier deutliche Zähne tragen, von denen der 
dritte von oben am grössten ist. T. typographus L. 
ist leicht an dem reifartig getrübten Innentheile des 
Fig. 167. Flügel- Flügeldeckeneindruckes kenntlich, während derselbe 
deckenabsturz von bei T. amitinus Eıcnn. vollständig glänzt. Trifft man 
sn BICRE, achtzähnige Borkenkäfer in Fichte, so können beide 

“ ıten in Frage kommen; brüten sie dagegen in 
anderen Nadelhölzern, so spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, dass 
man es mit der zweiten Art, dem T. amitinus zu thun hat. Was 
die Frassfiguren betrifft, so macht T.typographus mehr reine, meist 
zweiarmige Lothgänge mit wenigen Luftlöchern, während die einiger- 
massen der Sternform sich nähernden, oft mehr als zwei Brutarme 
zeigenden Lotbgänge von T. amitinus stets auch viel mehr Luft- 
löcher haben. 


a ee ee nn 


Die achtzähnigen Fichten-Borkenkäfer, Tomicus typographus u, Verwandte. 507 


Beschreibung: Tomicus typographus L. (octodentatus Gyır.). Küfer 
walzenförmig, nach vorn und hinten etwas verengt, schwarz oder braun, glänzend, 
lang gelblich behaart. Vorder- 3 
brust nach hinten zwischen den _ Ft: 
Vorderhüften mit scharfem fl ah 
Fortsatz. Fühlerkeule eiförmig, 
erste Naht derselben nur wenig 
nach vorn gebogen, die zweite 
winklig gegen die Spitze vor- 
gezogen. Halsschild 
länger als breit, vorn breit 
abgerundet, gekörnt, hinten 
fein zerstreut punktirt. Flügel- 
decken tief und grob punktirt- 
gestreift, mit fast glatten, nur 
an denSeiten und hinten punk- 
tirten Zwischenräumen. Absturz 
schräg, vertieft, nicht glänzend, Ihm 
sondern reifartig getrübt, zer- ) Ma Mein £ vi) N 
streut punktirt, am Aussen- "| (if eh RE, EN RSS eu il) 

£ a E E Sul], Ju ) Di TG 
rande beiderseits mit vier Me ATI 
Zähnen, von denen der dritte 
am grössten und an der Spitze 
verdickt ist. Verschiedene Un- 
regelmässigkeiten dieser Zähne 
sind übrigens nicht selten; bei 
manchen Stücken sind die Zähne 
weniger stark entwickelt als 
bei anderen, manchmal ist der 
dritte Zahn nicht grösser als 
die übrigen, mitunter sogar 
durch eine Erhöhung des Ab- 
sturzrandes mit dem zweiten 
Zahn verbunden und dergleichen mehr. Am Vorderrande der Stirn fast immer 
mit einem kleinen, hervorragenden Körnchen. Vorderschienen nach vorn ver- 
breiter, mit einer zum Einlegen der Füsse bestimmten Furche. Länge 
45 —5'5 mm. 


T. amitinus Eıcan. (duplicatus Hrawa). Käfer dem T. typographus L. 
sehr ähnlich, deshalb früher stets, auch von RATZEBURG, mit diesem verwechselt. 
Er ist jedoch fast immer etwas kleiner und schlanker, nach vorn etwas mehr 
verschmälert. An der Fühlerkeule ist nicht blos die erste, sondern auch die 
zweite Naht nur in schwachem Bogen nach vorn gekrümmt. Die Schienen, 
Schenkel und Hüften sind meist dunkler. Auf der Stirn fehlt das erhabene 
Körnehen. Am leichtesten unterscheidet sich diese Art jedoch von T. typographus 
dadurch, dass bei ihr der Absturz der Flügeldecken niemals reifartig getrübt, 
sondern glänzend und weitläufig, etwas runzlig punktirt ist. Länge 4—45 mm. 


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Frassfigur von T. typographus L. 
I/, nat. Grösse. Original. 


Fig. 168. 


T. Cembrae Heer. Käfer dem T. typographus L. und T. amitinus Eıcun. 
sehr ähnlich. Ersterem gleicht er fast ganz in Gestalt und Grösse, sowie bezüg- 
lich der Bildung der Fühlerkeule, deren zweite Naht winkelig gegen die Spitze 
vorgezogen ist; er unterscheidet sich von ihm jedoch durch den glänzenden, 
runzlig punktirten, nie reifartig getrübten Absturz der Flügeldecken, sowie durch 
den Mangel des erhabenen Körnchens auf der Stirn. Von T. amitinus Eıcun. 
unterscheiden sich typische Exemplare des T. Cembrae Heer durch grössere, 
nach vorn weniger verschmälerte Gestalt, durch stärkere Behaarung und durch 
die der Form des T. typographus ähnlichen Nähte der Keule. Mit beiden Arten 
hat er gemein, dass bei regelmässiger Bildung stets der dritte Zahn am Rande 
des Absturzes der grösste und an der Spitze verdickt ist. Länge 4:5 bis 5’dnım. 

33* 


508 Kap. IX. Die Käfer. 


Es ist nicht zu verkennen, dass sowohl bezüglichder Gestalt, als auch der 
Behaarung und der Fühlerkeule Uebergangsformen zwischen T. Cembrae und 
T.amitinusvorkommen, welche 
— nicht sicher zu bestimmen sind. 
nl A Ein T. amitinus des Tharander 

UN Waldes ist allerdings von 
einem echten T. Cembrae des 
Hochgebirges sehr verschieden, 
nicht so scharf unterschieden 
sind aber wohl meist die in 
den mittleren Höhen der Alpen 
vorkommenden Formen beider 
Arten. : 

Lebensweise. Die 
Frassfigur (Fig. 168) von 
T. typographus L. besteht 
aus deutlichen, ein- oder 
mehrarmigen, 3 bis 4 mm 
breiten, 10 bis 15 cm 
langen, den Splint meist 
kaum berührenden Loth- 
gängen mit Rammelkammer. 
Diese liegt gewöhnlich voll- 
ständig in derRinde, sodass 
Ah man sie an unverletzt ab- 

h N geschälten Stücken häufig 

gar nicht sieht. Die ein- 

Fig. 169. Frassfigur von Tomicus amitinus Eıcnn. und zweiarmigenLothgänge, 
!/, natürl. Grösse. Original, welche nur sehr sparsam 

mit Luftlöchern versehen 

sind, bilden die Regel, und wenn mehrere Gänge von einer Rammel- 
kammer ausgehen, so verlaufen dieselben grösstentheils parallel der 
Längsachse des Baumes, sodass bei Betrachtung eines stark besetzten 
Rindenstückes in der Quere jene zeilenartige Anordnung der Mutter- 
gänge auffällt, welche Lmxs& veranlasst hat, den Käfer „Buch- 
drucker” zu taufen. Die von deutlichen, weitgestellten Eiergrübchen 
quer abgehenden Larvengänge bleiben ebenfalls in der Rinde, sind 
mässig, meist 5 bis 10 cm lang und enden in Rinden-Puppenwiegen. 


IN) 
I ih 


iin hi 


Die Frassfigur des T. amitinus Eıcnn. (Fig. 169) besteht gewöhnlich 
aus mehrarmigen Muttergängen, welche zwar im Grossen und Ganzen 
auch als Lothgänge bezeichnet werden können, bei denen die ein- 
zelnen Brutarme aber eine grössere Neigung zur Bogenbildung und 
zu schrägem Verlaufe zeigen, sodass Annäherung an Sterngangform 
vorkommt. Zugleich sind, wie uns zuerst Forstmeister ScuaaL be- 
lehrte, und unsere sehr guten, von Oberförster KLoPFEr gesammelten 
Frassstücke deutlich zeigen, die Luftlöcher viel Sahlesıcher als bei 
T. typographus L. As Frassfiguren kommen bei beiden Arten 
gelegentlich überall vor, naeh z. B. in Aesten, welche auch 
angegangen werden. Einen scharfen Unterschied der Frassfigur von 


Lebensweise von Tomieus typographus und T. amitinus, 509 


T. Cembrae Herr. gegenüber der von T. amitinus Eıcnn. können 
wir nach den uns durch die Freundlichkeit von Professor HENnscHEL 
vorliegenden Frassstücken nicht finden. Nur ist das Kaliber der 
Löcher und Gänge der etwas grösseren Statur des Käfers entsprechend, 
gewöhnlich etwas stärker. Auch die von Kerrer [Alb] gegebene 
Beschreibung der Frassfigur des T, Cembrae sowie die von BiIscHOFF- 
Enınger gelieferte Abbildung [81] stimmt fast ganz mit der des 
T. amitinus überein; auffallend ist, dass der erstere Forscher in der 
Arve vorwiegend vierarmige, in der Lärche vorwiegend dreiarmige 
Sterngänge der Käfer fand. 

Da bis jetzt die Frassfigur von T. amitinus Eıcan. im Durchschnitt nur 
ziemlich schlecht abgebildet wurde, sei auf die mustergiltigen, schon 1870 von 
Hıawa |34] gegebenen und im Gegensatz zu denen von T. typographus L. 


gestellten, photolithographischen Abbildungen hingewiesen. Allerdings werden 
sie dort irrthümlich dem T. duplicatus Sau. zugeschrieben (vgl. S. 498). 


Der gewöhnliche Brutbaum des T. typographus L. ist die 
Fichte oder gemeine Rothtanne, Picea excelsa Link. In der 
Literatur finden sich zwar schon von Anfang des Jahrhunderts her 
Angaben, dass der Käfer auch in Kiefern, Lärchen, Tannen und 
Arven gebrütet haben soll, die Richtigkeit dieser Angaben ist aber, 
ganz abgesehen davon, dass in manchen älteren Fällen, namentlich 
wenn es sich um Kiefer und Tanne handelt, einfach sprachliche Ver- 
wechselungen vorgelegen haben mögen, stark zu bezweifeln, seitdem 
Eıc#uorr den T. amitinus als eine gut unterschiedene Art nachwies, 
die aber dem T. typographus trotzdem sonahe steht, dass eine frühere 
Verwechselung beider sehr erklärlich ist. In höchstem Grade 
wahrscheinlich wird eine solche z. B. für die früher als besonders 
beweisend angesehene Mittheilung über das Vorkommen des T. typo- 
graphus in Kiefern von Srrıy auf Tharander Revier. Hier spricht 
die sehr deutlich [69 b, S. 274] abgebildete Sternform der Gänge für 
T. amitinus. Alle neueren Untersuchungen von achtzähnigen, aus 
anderen Holzarten als der Fichte stammenden Borkenkäfer haben 
denn auch fast stets ergeben, dass es sich bier um T. amitinus Eıchn. 
oder T. Cembrae Hrer handelte. T. amitinus Eıcnn. bevorzugt näm- 
lich zwar auch die Fichte, geht aber sicher gleichfalls an Kiefern, 
Knieholz-Kiefern [Jupeıcn 1888], Lärchen und Tannen. Nur 
ganz ausnahmsweise scheint T. typographus andere Holzarten als 
Fichte zu bewohnen; so liegen uns z. B. einige Exemplare dieses 
Käfers vor, welche HenscheL in Steiermark in Lärche fand und auch 
Arrum hat ihn neulich in dieser Holzart beobachtet |2 g, 8. 243]. 
In manchen Fällen kommt T. typographus L. allein vor, so z. B. war 
unter 3100 an Jupeicn im Jahre 1884 aus dem Gouvernement 
Nischni-Nowgorod in Russland durch Oberforstmeister 'TiEDEMAnN 
(vgl. S. 157) gesendeten Käfern kein einziger T. amitinus Eıcnn. 
Andererseits können beide Arten in einem und demselben Bestande 
und in demselben Baume vorkommen. Kerrner [42 a] fand im 
Thüringer Walde im Sommer 1874 in demselben Stamm !/, T. typo- 


510 Kap. IX. Die Käfer. 


graphus und ”/, T. amitinus. T. Cembrae Heer ist ursprünglich nur 
aus der Arve bekannt, dagegen liegen uns durch Prof. HenscHeu 
auch Frassstücke desselben in Lärche vor. Auch Jupeıcn hat ihn in 
Lärche in der Schweiz und in Steiermark ziemlich zahlreich gefunden. 
Die geographische Verbreitung des T. typographus L. entspricht der- 
jenigen seines bevorzugten Brutbaumes, der Fichte, reicht also von 
Lappland bis zu den Alpen und vom Ural bis nach Frankreich. Er 
ist demgemäss vorwiegend ein Mittelgebirgsthier, welches jedoch 
auch in der Ebene vorkommt, wie z. B. die grossartigen ÖOstpreussi- 
schen und Russischen Wurmtrocknisse beweisen. Er kann andererseits 
in den Hochgebirgen bis zu 2000 m Höhe steigen, wie EicHHOFF 
angiebt |I5 a, 8. 221]. Ueber die geographische Verbreitung von 
T. amitinus Eıcnm. ist noch wenig Genaues bekannt. Man kennt ihn 
hauptsächlich aus Mitteldeutschland, Oesterreich und den Alpen- 
ländern. T. Cembrae Hrer ist nicht nur aus dem alpinen, sondern 
auch aus dem Sibirischen Verbreitungsgebiete der Zirbelkiefer be- 
kannt [45, S. 254]. 

Die angeblich weitere, über die Fiehtenregion hinausgehende Verbreitung 
des T. typographus L. im Russischen Reiche bis nach dem Stillen Ocean und 
in die Kaukasusländer, wie sie uns Körren schildert [45, S. 252], muss aus 
denselben Gründen, aus denen sein normales Vorkommen in anderen Holzarten 
wie der Fichte vorläufig als nicht bewiesen anzusehen ist, als noch nicht fest- 
gestellt betrachtet werden. 

Die Menge der Borkenkäfer ist eine bei starkem Angriffe der- 
selben fast unglaublich grosse. Sie bilden bei ihrem Schwärmen, wie 
schon v. Sırrstorprr |[67, $. 15] weiss, mitunter geradezu kleine 
Wolken, und stark befallene Bäume sind so dieht von ihnen besetzt, 
dass kein Quadrateentimeter vorhanden ist, auf dem nicht Mutter- oder 
Larvengänge vorhanden wären. Cocno [Il a, S. 16] berechnet die 
Zahl der Käfer in einem von ihm untersuchten Stamme von 28°8 cm 
mittlerem Durchmesser und 20 m Länge auf rund 34000 Stück. 

Die achtzähnigen Borkenkäfer, namentlich T. typographus L., 
sind Spätschwärmer, deren Flug meist frühestens im April ein- 
tritt. Ueber die Generation derselben lassen sich, da dieselbe ganz 
besonders stark von den Witterungsverhältnissen beeinflusst wird, 
keine bestimmten Angaben machen. Es kann je nach der geographi- 
schen und der Höhen-Lage der einzelnen Oertlichkeit und nach 
ihrem Klima, sowie nach den speciellen Witterungsverhältnissen des 
Jahres eine einfache, 1!/sfache, doppelte oder dreifache Generation 
vorkommen. Bei mittlerer Lage und nicht allzu rauhem Klima dürfie 
die doppelte Generation die normale sein. Die Ueberwinterung kann 
sowohl als Käfer in der Bodendecke oder in Rindenritzen, als auch 
als Larve oder Puppe in der Rinde erfolgen. 

Gegenüber der von Eıcuuorr immer wiederholten Behauptung, dass vor 
ihm das Vorkommen mehrfacher Generation beim Borkenkäfer leichtsinniger- 
weise nicht genug gewürdigt worden sei, reprodueiren wir hier wörtlich einige 
Angaben der letzten Ausgabe dieses Buches: „Entwickelungszeit gewöhnlich 


8 bis 10 Wochen, zuweilen auch wohl über 3 Monate, je nach der Lage des 
Ortes und der Witterung. Oft ist also die ganze Brut schon im Juli, zuweilen 


E 


RR nu 


Verbreitung und Generation der achtzähnigen Fichten-Borkenkäfer. 511 


in Süddeutschland schon im Juni fertig, und kann bei günstiger Witterung eine 
neue folgen. Eine doppelte Generation entsteht schon, wenn — wie in Mittel- 
deutschland gewöhnlich — die Monate Mai bis September eine Mitteltemperatur 
von 13°, 17°, 19°, 17%, 14° C. haben. Wenn die jungen Käfer in demselben 
Jahre nicht mehr brüten, fliegen sie oft gar nicht aus, sondern fressen unregel- 
mässige, verworrene Gänge um ihre Wiege herum.... 1874 fanden im Böhmer- 
wald drei Hauptflüge statt, der erste vom 21. bis 24. April, der zweite vom 4. 
bis 10. Juni, der dritte vom 2. bis 5. August.’ 

Beispiele davon, dass wirklich in rauhen Lagen T. typographus L. nur 
einfache Generation habe, sind von den zuverlässigsten Beobachtern mitgetheilt 


‘ worden, z. B. durch v. Ber aus Schweden [5c] und von HerxscheL aus Wild- 


alpen in Steiermark an Aırum [2e]. 

In milden Lagen findet der erste Flug zur Zeit des Ausschlagens der 
Buchen oder, wie Eıc#Horr [l5a, S. 223] bemerkt, zu Ende der Auerhahnbalz 
statt. Die graphische Darstellung einer doppelten Generation kann also folgender- 
massen gegeben werden: 


I ! 
I 
| | 


: | 
|| Jan. Is ‚März | April Mai | Juni | Juli | Aug. Sept. | Oct. |wor. Dee. 


| | 
1880 | 
| 


| 
| 
. | 


--00+4++ | 
Bu FFIR 


| 1881 |F ++ 


| ++ 
| 
| 


Pre FORLFOREN | 


| 


Es wurden hierbei, soweit dies bei der Art der graphischen Darstellung 
angeht, die Untersuchungen über die Dauer der einzelnen Entwickelungsstadien 
von Pape [V, I, S. 171] und Quexser [5a, S. 122] berücksichtigt, welche die 
Zeitdauer von der ersten bis zur neuen, zweiten Eiablage auf 86, beziehungsweise 
77 Tage angeben, von denen allerdings in beiden Fällen ungefähr 30 auf die 
Ausfärbung und Erstarkung der Käfer gerechnet werden. Dass dies bei warmer 
Witterung schneller gehen kann, wie EıchHorr hervorhebt, sei aber gern zu- 
gegeben. Hierbei ist ferner angenommen, dass die Ueberwinterung als Imago 
erfolgt. Es können aber auch die im August fertig gewordenen Käfer nochmals 
legen, sodass dann eine dritte Generation entsteht. Wenn diese im Larvenzustand 
iiberwintert, was häufig vorkommt (vgl. auch Cocno Ild), so ist die graphische 
Darstellung folgende: 


aa \Febr., März April| Mai | Juni | Juli | Aug. | Sept.| Oct. | Nov. | Dee. 


—-——- 00++ 


Hierbei ist zu bemerken, dass, wie Cocno [lld] genau nachweist, die 
Winterkälte den Larven nichts anbat, wie überhaupt die Lebenszähigkeit 
des Käfers in seinen verschiedenen Stadien eine solche ist, dass die Larven 
sogar durch 'ein kürzeres Verflössen der Stämme nicht getödtet werden, und 
Käfer, welehe drei Wochen in geflösstem Holze eingefroren waren, späterhin 
ungestört zu ihrer Zeit ausgeflogen sind [v. Smrstorrr 67, S. 21]. Sogar ein 
Anrösten der Rinde tödtet nicht immer alle in dem Stück befindlichen Käfer. 


512 Kap. IX. Die Käfer. 


wie eine Beobachtung von JupeicH [38a, S. 256] beweist. So ist denn der 
namentlich von Cocno [ll «] lebhaft geführte Kampf gegen die Lehre, dass bereits 
das Entrinden der Stämme mit nachfolgendem Liegenlassen der Brut in der 
Sonne zur Tödtung wenigstens der Larven genüge — siehe auch weiter unten in 
dem Abschnitte über Abwehr — ein vollberechtigter. Ob sein Widerspruch gegen 
die Möglichkeit eines weiteren Ueberschwärmens des Borkenkäfers [Ilc] es gleich- 
falls sei, scheint uns jedoch sehr fraglich, umsomehr als immer wieder neue Mit- 
theilungen hierüber kommen. 

Schaden. Die achtzähnigen Fichten-Borkenkäfer sind Be- 
standsverderber, welche Althölzer von 80 bis 100 Jahren bevor- 
zugen und am liebsten in ziemlicher Höhe anfliegen, um zuerst unter 
der Krone ihr Brutgeschäft zu beginnen. Erst später werden all- 
mählich auch die unteren Stammtheile befallen. Sie kommen aber 
auch in Stöcken vor |Jupeıch 38 a, S. 76] und sind mitunter 
auch in Fichtenästen gefunden worden, z. B. nach Juprıcn’s Mit- 
theilung durch v. Oppen auf Nassauer Revier im Erzgebirge [38 d]. 
Im allgemeinen gehen sie zunächst in kränkelndes Holz, welches 
z. B. durch Schneebruch oder Feuer beschädigt, durch Windstösse 
in den Wurzeln gelockert, durch Pilze befallen, oder schon primär 
von anderen Insekten, namentlich von der Nonnenraupe befressen 
worden ist. Da frisch geschlagene Stämme in ihrer Beschaffenheit 
dem kränkelnden, stehenden Holze sehr ähnlich sind, nehmen sie 
solche mit besonderer Vorliebe an und gehen auch gern in nicht zu 
alte, aufbereitete Meterstösse. Entrindetes Holz nehmen sie nicht an. 
Bei starker Vermehrung gehen sie aber auch an ganz gesundes 
Holz, welches sie alsdann tödten, wie nach den übereinstimmenden 
Beobachtungen der verschiedensten Forscher nicht uachdrücklich 
genug immer wieder hervorgehoben zu werden verdient. Die Lieb- 
lingsplätze des Käfers sind warme und trockene Lagen, kleine Blössen 
und Bestandsränder, natürlich gilt dies aber nur so lange, als keine 
allzu starke Vermehrung stattfindet. In letzterem Falle überschwemmt 
er alle erreichbaren Reviertheile. Er wurde auch schon, entgegen den 
früheren Angaben von RATzegurg, in sumpfigem Terrain gefunden, 
so in Schlesien von Donmmes [l4].e Die Wirkung des Angriffes der 
Borkenkäfer auf noch grüne Bäume ist nach der Jahreszeit ver- 
schieden. Dem Frühjahrsangriff, welcher den Nadeln den gipfelwärts 
aufsteigenden Saft entzieht, folgt die Röthung der Nadeln schneller als 
dem Sommerangriff. In dieser Zeit ist ja der Assimilationsprocess in 
den Nadeln in vollem Gange. Dagegen werden die in den Nadeln 
erzeugten, stammabwärts gehenden Nahrungssäfte bei Sommerfrass 
von dem Baste abgehalten und es folgt daher der Rindenabfall 
schneller, sodass Rindenabfall bei noch grüner Benadelung vorkommen 
kann [Huss, XXI, 2. Aufl, S. 278 und 279]. 


Der erbitterte Streit über die Frage: Geht der Borkenkäfer nur kranke 
oder auch gesunde Bäume an? ist so alt, als die Wahrnehmung, dass es „Wurm- 
trockniss” giebt. Wer sich für die ältere Literatur hierüber interessirt, möge die 
betreffenden Abschnitte in Guerin’s 1787 erschienenem, ausführliehem Buche 
nachlesen, in welchem der besonnene Mann schliesslich [25, S. 136] zu dem 
Urtheile kommt, „dass die letztere Meinung mehr für sich hat als die erstere”, 


Schaden der achtzähnigen Fichten-Borkenkäfer. Geschichtliches. 513 


und dann fortfährt: „Wenn sie es aber auch nicht hat, so scheint es mir, solange 
wenigstens bis die entgegengesetzte Meinung noch nicht bis zur vollkommenen 
Gewissheit erwiesen ist, rathsamer, ein Verfahren ferner zu befolgen, durch 
welches man der Geschichte zufolge in älteren Zeiten den Wurm so oft bis zur 
Unschädlichkeit vermindert hat, als ein neues einzuführen, das sich auf eine 
so sehr widersprochene Meinung gründet. Und gesetzt auch, der Wurm falle 
nur kranke Bäume an, so stimmen doch alle Beobachter darin überein, dass 
diese Bäume, wenn sie der Wurm nicht angegriffen hätte, noch Jahre lang grün 
geblieben wären, und die meisten unter ihnen gutes brauchbares Holz behalten 
hätten, vielleicht sich wieder ganz erholt hätten, da sie hingegen, wenn sie der 
Borkenkäfer anbohrt, in wenigen‘ Monaten unaufhaltbar so daraufgehen, dass, 
wenn sie nun nicht bald gefällt werden, auch ihr Holz ungemein an Güte ver- 
liert. Ist also jenes Verfahren in älteren Zeiten nicht auch aus dem Grunde 
rathsam, um jene kranken Bäume vor ihrem schnellen Verderben und Absterben 
in Sicherheit zu setzen, umsomehr, da es nach den Vertheidigern der ersten 
Meinung so äusserst schwer ist, kranke Bäume, ehe sie der Wurm anfällt, immer 
zuverlässig zu erkennen?” 

Diese so richtigen Worte gelten unserer Ansicht nach noch heute völlig 
uneingeschränkt, und nur des historischen Interesses wegen führen wir an, dass 
sich auch bis auf den heutigen Tag lebhafte Vertheidiger der entgegengesetzten 
Meinung gefunden haben. Als Beispiele vernünftiger, sachlicher Besprechung der 
Frage seien die Arbeiten von Broxpem [7] rühmend hervorgehoben, während 
solche tolle Elaborate, wie die von Barock [3] und Revırzey [62] wohl nur als 
Curiositäten angeführt werden können. Auch der auf scheinbar wissenschaftlicher 
Grundlage unternommene Versuch von Linpemann [vgl. 28], nachzuweisen, dass 
der primäre Schaden den Bäumen durch Agaricus melleus zugefügt worden 
sei und die Borkenkäfer erst secundär zutreten, dürfte, trotzdem er in der forst- 
lichen Tagesliteratur Beachtung gefunden hat, namentlich in Folge der licht- 
vollen Erwiderung durch SogirscHhEwskı als völlig abgethan anzusehen sein. 

Geschichtliches. Die Berichte über das Vorkommen der Wurm- 
trockniss, auch Wurmfrass, Fichtenkrebs, Sohrung, Darre, Dürrwerden genannt, 
in Deutschland reichen ziemlich weit hinauf. In Kreser’s tabellarischer Ueber- 
sicht der Waldverheerungsgeschichte von 1449 —1799 [47] ist die erste Wurm- 
trockniss im Harze 1649 angeführt und es folgen dann gleich die Jahre 1665 
und 1677. 1681 bis 1691 wird im Harze das Uebel durch schleuniges Nieder- 
hauen und Verkohlen gedämpft, die Verheerungen wiederholen sich aber schnell 
und nehmen von 1703 an bedenklich zu, um eigentlich das ganze Jahrhundert 
hindurch in den mitteldeutschen Gebirgswäldern nicht mehr aufzuhören, trotz- 
dem man 1707 mit rationeller Abwehr beginnt, nicht wie früher die bereits ganz 
dürren Stämme, sondern die „frische Trockniss”, d. h. die noch mit Larven 
besetzten Bäume, zuerst haut und die Borke verbrennt. 

Die Anschauungen über die Natur des Uebels waren damals noch sehr 
primitiver Natur; allerdings darf man es dem Pastor Curıstıan LEHMANN zu 
Scheibenberg im Erzgebirge, einem übrigens recht gescheiten Manne, der 1699 
seinen bekannten „Historischen Schauplatz derer natürlichen Merkwürdigkeiten 
in dem Meissnischen Ober-Ertzgebirge” herausgab, nicht allzuhoch anrechnen, 
wenn er sagt: „Ich vermeine, man müsse diesem sonderlichen Siechthum unter- 
schiedliche Ursachen beimessen, theils der Sideration (!) und giftigem Thau, 
der auf die Wälder fällt und eine grosse Fäulniss verursacht, dass allerhand 
schädliches Ungeziefer und Gewürme zwischen der Rinde und Holtz wächset, 
sich tieffin den Kern einfrisset und den balsamischen Saft vergiftet und verzehret. 
Wie dann viel Gewürme innerhalb der Rinde und des Holtzes gefunden wird 
und man observiret, dass die schwartzen Rosskäfer sich an das Gehöltze fest 
anhangen, mit dem Schwantz durch die Rinde bohren, und ihren Unrath hinein- 
schmeissen. Daher grosse Maden mit schwartzen Köpffen wachsen, die sich tieff 
ins Holtz hineinfressen.” Hat doch noch der Verfasser der „Grundsätze der 
Forstökonomie”, W. S. Moser 1757 nicht viel klarere Vorstellungen, trotzdem 
bereits R. F. von Freuuming in seines „Vollkommenen Teutschen Jägers anderem 
Haupttheil” 1724, S. 76 und 77, eine ganz verständige Schilderung der wirk- 


514 Kap. IX. Die Käfer. 


lichen Entwickelung der Borkenkäferlarven giebt, die er allerdings durchaus als 
secundär ansieht. 

Aber erst gegen das Ende des 18. Jahrhunderts beginnt eine einiger- 
massen mit unseren heutigen Anschauungen vergleichbare Auffassung der Natur 
des „fliegenden schwarzen Wurmes”, wie man damals den Borkenkäfer nannte, 
platzzugreifen, im Zusammenhang mit der allgemeinen Hebung der entomolo- 
gischen Kenntnisse, welche sich damals unter Lixnn#’schem Einfusse vollzog. 
Es erscheint nun eine Unmasse kleiner, nach unseren Begriffen mehr oder 
weniger wunderbarer Schriftchen über den Borkenkäfer mit rohen Abbildungen 
welche aber doch zur Klärung der Anschauungen beitrugen, und unter denen 
einige besonders rühmlich hervorgehoben zu werden verdienen, z. B. die kleine 
Broschüre des herzogl. Braunschweig-Lüneburgischen Oberforstmeisters von 
SIERSTORPFF [67], während Gmeri’s Abhandlung über die Wurmtrockniss ein 
zusammenhängendes, gutes Bild des damaligen Zustandes der mitteldeutschen 
Gebirgswälder, namentlich im „Communionharz’ giebt. War doch hier allerdings 
die Erscheinung so Besorgniss erregend, dass sie sich dem einsichtigen Beob- 
achter geradezu gewaltsam aufdrängte. Seit 1772 nahm die Wurmtrockniss stark 
überhand, erreichte 1781 bis 1783 den höchsten Grad und erlosch erst gegen 
1757. Um einen Begriff von dem Umfang der Verheerung zu geben, genügt es 
zu sagen, dass nach Guerin [25, S. 67 bis 69] die Anzahl aller im Communion- 
harz trocken gewordenen Stämme 1781: 182 451 Stück, 1782: 259 106 Stück betrug. 
In letzterem Jahre allein waren daselbst 3359 Waldmorgen neu abgestorben, 
und Ende 1786 betrug im Zellerfelder Forstdistrikte, der aus 5 Forsten bestand, 
die Anzahl der in Trockniss auf dem Stamme stehenden und abgeborkt liegen 
gebliebenen Stämme nicht weniger als 446 284 Stück, sodass man ganz gut 
annehmen kann, dass im Ganzen durch diesen Frass gegen 3 Millionen Fichten- 
stämme vernichtet wurden. Eine solche Höhe erreichen dann die Frasse, welche 
1795 bis 1798 im Voigtlande, 1818 und 1828 in der Provinz Preussen und 1835 
bis 1836 in Württemberg wütheten [26.a, S. 124], nicht. 

Von den neueren Frassen sind zwei besonders lehrreich, der ÖOst- 
preussische in den Jahren 1857 bis 1858, beziehungsweise 1862, und der 
im Böhmerwald in den Jahren 1871 bis 1875. Ersterer war ein secundärer 
Frass, welcher dem dort seit 1854 auftretenden Nonnenfrasse, über den wir 
noch später zu berichten haben werden, folgte. Wer die genaueren Daten 
kennen lernen will, ist zu verweisen auf die gründlichsten Berichte, welche 
GrunerT [26a] und WırLkonm [75a] gegeben haben. Hier genüge es zu sagen, 
dass nach Gruxert [26a, S. 106 und 107] die Verwüstungen in dem Regie- | 
rungsbezirk Gumbinnen von 1854 bis Ende 1862 sich folgendermassen stellten: E 


Menge des abgestorbenen Holzes in Massen- 


Flächeninhalt in Morgen klaftern & 70: Kuhikfuss 
EEE | Ehen | Raupen? ass | Käfer | Summe 
| Staatsforsten | 897823 224244 | 1609095 966 607 | 2 575 702 
pe Kr 350 59 000 | 225000 | 452500 | 677500 
| | 1135173 | 283244 | 1834095 | 1419107 | 3253 202 
ı 


Hierbei ist zu berücksichtigen, dass nach Forstmeister Schurz der Raupen- 
frass dem Käferfrass gegenüber meist zu hoch angesprochen wurde. Von dem 
abgestorbenen Holze waren bis October 1862 verwerthet 2 353 566 Klaftern Derb- 
holz und ausserdem noch 154 470 Klaftern Stockholz und Reisig, die nebst jenem 
Derbholze gewonnen worden waren; unverwerthet blieben zu jener Zeit noch 


Hervorragende Verheerungen der achtzähnigen Fichten-Borkenkäfer, 515 


40 672 Klaftern aufbereitetes Holz. 858 964 Klaftern Holz auf dem Stamme, ausser- 
dem an Stockholz 432 642 Klaftern und 1396997 Klaftern Reisig. Es wurde daher 
durch den nachfolgenden Borkenkäferfrass ziemlich ebensoviel Holz vernichtet 
wie durch den Raupenfrass. 


Anders verhielt es sich mit dem grossen Borkenkäferfrass im Böhmer- 
wald und im Bayerischen Wald. Hier waren grosse Wind- und Schneebrüche 
die erste Ursache. Der furchtbare Sturm, welcher am 7. Decembor 1868 in ganz Mittel- 
deutschland, in Böhmen, Schlesien und Mähren hauste, hatte auch den Böhmer- 
wald getroffen, so z. B. auf dem Kubany allein 100 Joch Urwald vernichtet 
- und überall Borkenkäfergefahren heraufbeschworen, namentlich in Centralböhmen, 
wo ihm am 9. November desselben Jahres ein verheerender Schneesturm voraus- 
gegangen war, welcher wohl 1 Million Klafter Holz, auf der 38 000 Joch grossen 
Domäne Zbirow allein 95 000 Klafter, geworfen und gebrochen hatte. Wäre es 
möglich gewesen, die mächtigen Bruchmassen rechtzeitig aufzuarbeiten, wie es 
anderwärts vielfach geschehen konnte, so wäre kaum die grosse Borkenkäfer- 
verheerung eingetreten. In der Hauptsache wurde man wohl erst 1870 damit 
fertig und die 1869 liegenden Bruchmassen bildeten die ersten Brutstätten für 
eine ungewöhnlich grosse Menge von Borkenkäfern. Zum Unglück traf nun der 
grossartig verwüstende, von Südwest nach Nordost laufende Sturm in der Nacht 
vom 26. zum 27. October 1870 den Böhmerwald, welcher viele Millionen Klaftern 
warf, die für den ohnehin massenhaft vorhandenen Borkenkäfer neue willkommene 
Brutwiegen boten. Die zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte langten zu der 
schwierigen Aufarbeitung der haushoch aufgethürmten Bruchmassen nicht hin, 
und trotz wiederholter, rechtzeitiger Gesuche, welehe namentlich, insoweit sie 
die Bitte um Gewährung von Militäraushilfe betrafen, anfänglich abschlägig 
beschieden wurden, entschloss sich die k. k. Staatsregierung erst 1873, also viel 
zu spät, mit Geldvorschüssen u. s. w. helfend einzuschreiten. Bei der in Folge 
von Arbeitermangel namentlich in den kleineren Privat- und Gemeindewaldungen, 
z. B. in Aussergefield, ungenügenden Bekämpfung in den Jahren 1871 und 1872 
hatten sich von den älteren Herden aus die Käfer in geradezu entsetzlicher 
Weise vermehrt und fielen massenhaft auch gesunde Bäume und Bestände an. 
Hier war ihre Bekämpfung überdies noch durch das Vorhandensein ausgedelınter, 
im Zusammenhang liegender Komplexe von Althölzern wesentlich erschwert. 
Bei der durch Forstrath Swosopa 1873 unternommenen Bereisung des Böhmer- 
waldes [69] zeigte es sich, dass in den Bezirkshauptmannschaften Krumau, 
Prachatitz, Schüttenhofen und Klattau zusammen 104 100 ha Waldfläche befallen 
waren. Mit 1400 fremden aus Krain, Tirol u. s. w. zugezogenen und 7000 ein- 
heimischen Arbeitern wurden nun Gegenmassregeln energisch in Angriff genommen. 
Zur Herstellung der für die Abbringung der Hölzer nöthigen Strassen wurden 
vom böhmischen Landtage 100 000 fl. bewilligt und die gleiche Summe vom 
k. k. Ackerbauministerium vorschussweise gewährt. Auf den fürstlich Schwarzen- 
berg’schen Herrschaften waren überdies durch Krainer und Tiroler Arbeiter 
mehrere ausgedehnte Holzriesen gebaut worden. Die Opfer, welche die Wald- 
besitzer selbst bringen mussten, lassen sich nicht beziffern; es sei hier nur 
erwähnt, dass allein auf den Domänen Krumau, Winterberg, Stubenbach, Gross- 
Zdikau und Bergreichenstein im Jahre 1873 auf einer Waldfläche von 51 800 ha 
141 000 fl. an Vertilgungskosten aufgewendet werden mussten. Im Jahre 1875 
konnte die Gefahr als überwunden angesehen werden. In den oben genannten 
vier Bezirkshauptmannschaften waren 104100Aha Waldfläche befallen worden, 
6300Aa mussten davon kahl abgetrieben werden. Im Ganzen waren mehr als 
300 000 Fangbäume gefällt worden, und die Aufbereitung der befallenen Hölzer, 
welche durch viele Tausend Arbeiter mit einem Lohnaufwande von 130 0 000 fl 
bewirkt wurde, ergab ungefähr 2 700 000 /m. 


Werden die Verheerungen durch den Borkenkäfer von ihrem Beginn an 
bis Ende 1874 zusammengefasst, so ergeben sich nachstehende Ziffern [80, 
S. XCVII]: 


516 ; Kap. IX. Die Käfer. 


Bis 1873 2 2.2.0. 0.3590 ha Bestandsfläche mit 1 496 000 fm Holzmasse, 


ee an A # „ 1.069 200 fm = 
Im JR lSRA er 21692, 8 3 „ 1066 850 fm x 
ZusammensrsnrB. 9 012:0 ka Bestandsfläche mit 3 632 050 fm Holzmasse, 


wozu im Böhmerwaldgebiete für 1875 noch weitere 2 176ha mit 358 590 fm hinzu- 
kommen [80, S. XCIHI. _ | 
Leider sind die Daten über diesen Borkenkäferfrass nicht so aktenmässig | 
zusammengestellt wie die aus Ostpreussen, immerhin geben aber der Reise- 
berieht von Wırrkomm [75c], der Bericht von SwosopA [69] und einige andere 
Zeitungsberichte ein allgemeines Bild über die Verheerungen. Die neueste und 
genaueste Zusammenstellung des Bekanntgewordenen giebt J. Bernar |80, 
S. XCIHI—C]. Ueber den Verlauf des Frasses im Bayerischen Walde berichtet 
ScuwarrachH [66] und über die gleichzeitig in Oesterreich-Schlesien stattgefundenen 
Borkenkäferschäden KarsascH [40]. Eine Borkenkäferverwüstung im Gouverne- 
ment Moskau 1882/83 schildert neuerdings Tuüruer [72]. 


Einer der häufigsten Begleiter des Buchdruckers ist 
der sechszähnige Fichten-Borkenkäfer, | 
Tomicus chalcographus L., 


welcher sich von jenem sofort durch seine geringere, nur bis 2 mm 
betragende Grösse und die langgestreckte Form des Flügeldecken- 
eindruckes auszeichnet, der jederseits am Rande mit drei, beim d 
starken, beim ? schwachen Zähnen besetzt ist (Fig. 170). Die Frass- 
figur ist ein typischer Sterngang mit geschwungenen, schmalen Armen, 
dessen Rammelkammer fast immer in der Rinde verborgen bleibt 
(Fig. 171). 


Fig. 170. Flügeldeckenabsturz von Ö und @ von T. chalcographus L. 


Beschreibung: Tomicus chalcographus L. Käfer walzenförmig, pech- 
schwarz oder pechbraun, fettglänzend, fast unbehaart, hintere Hälfte der Flügel- 
decken heller gefärbt. Vorderbrust ohne Fortsatz zwischen den Hüften. Fühler- | 
keule rund mit fast geraden, etwas welligen Nähten. Halsschild etwas länger als 
breit, nach vorn verschmälert, in der Mitte auf der Scheibe beiderseits quer ein- 
gedrückt, vorn gekörnt, hinten fein und weitläufig punktirt, die Mittellinie und ein 
nicht ganz deutlicher Fleck beiderseits glatt. Flügeldecken länger als das 
Halsschild, vorn bis gegen die Mitte sehr fein punktirt-gestreift, mit glatten 
Zwischenräumen, hinter der Mitte glatt. Der Nahtstreifen vorn nicht vertieft, 
etwa von der Mitte an eine schräge, nach hinten breiter werdende, tiefe, glatte 
Furche bildend, in welcher die Nath erhaben hervortritt; die Ränder des Ab- 
sturzes jederseits mit drei an der Spitze dunkler gefärbten Zähnchen, die beim 
g scharf und etwas nach oben und innen gerichtet sind und von denen der 
oberste fast in der Mitte der Flügeldecken liegt; Stirn des S gewölbt. © mit drei viel 
schwächeren Zähnchen, welche etwas weiter nach hinten gerückt sind, der Ab- 
sturz ist weniger tief und breit gefurcht; Stirn ausgehöhlt. Vorderschienen 
nach vorn nicht erweitert. Länge 15 —2 mm. 


Der sechszähnige Fichten-Borkenkäfer, Tomicus chaleographus, 517 


Lebensweise. Die Frassfigur von T. chalcographus L. ist 
ein typischer Sterngang, bei welchem eine grössere Anzahl nur 
1 mm breiter, geschwungener, deutlich radiär auseinander tretender 
Muttergänge, welche sowohl Rinde als Splint furchen, von einer 
grösseren, aber meist in der Rinde liegenden Rammelkammer aus- 
gehen. Schält man daher ein Stück Rinde sauber ab, so sieht man 
weder auf der Rinden- noch auf der Holzfläche die Rammelkammer, 
sodass also die Muttergänge getrennt voneinander zu entspringen 
scheinen. Die verhältnissmässig kurzen Larvengänge stehen sehr dicht 
nebeneinander. Die Puppenwiegen liegen in der Rinde. 

Der gewöhnliche Brutbaum ist auch für den „Kupferstecher” 
die gemeine Fichte, Picea excelsa Liwnk, welcher er in ihrer 
geographischen Verbreitung bis nach Skandinavien und zum Ural 
folgt [V, 1, S. 191]. Er soll aber auch in Tannen vorkommen, 
wie schon RATzegurg erwähnt und Nörnuinger |XXIV, S. 31] be- 
stätigt, der ihn auch aus der gemeinen Kiefer, der Weymouths- 
kiefer, der Arve und der Lärche kennt. 


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Fig. 171. Frass von Tomicus chalcographus L. in Fichte. A. Stammabschnitt 
in !/, nat. Grösse. B. Rindenstück in ?/, nat. Grösse. Originale. 


Wie es sich mit dem schon von Rartzegure [XV, I, S. 98] erwähnten 
Vorkommen im Knieholz des Riesengebirges und mit dem von Aurum nach 
Hrnsschet berichteten Vorkommen in der Steierischen Legföhre verhält, und ob 
hier nieht eine Verwechselung mit T. bistridentatus Eıcun. vorliegt, ist augen- 
blieklich nieht zu entscheiden. Nach Meier [öl] ist er im Solline auch an 
Schwarzkiefer vorgekommen und nach Reser [vgl. 45, S. 259] hat er in den 
Anlagen bei St. Petersburg auch Abies Pichta Fore. (Sibirica Leper.) befallen. 


Ueber die Generation dieses Spätschwärmers, dessen Flug- 
zeit gewöhnlich mit der von T. typographus L. zusammenfällt, ob- 


518 Kap. IX. Die Käfer. 


gleich er nach Paury ]82] weniger wärmebedürftig ist, ist dasselbe zu 
bemerken, wie bei diesem seinen Verwandten. Während dieselbe 
früher durchgängig als einjährig angegeben wurde, bricht sich all- 
mählich die Ueberzeugung Bahn, dass sie in Lagen mit gemäs- 
sigtem Klima wohl doppelt sein dürfte. Dies giebt nach exacten 
Versuchen in der allerneuesten Zeit sogar PauLy zu, der sonst ein 
energischer Verfechter der Anschauung ist, dass im Durchschnitt 
unsere Borkenkäfer nur eine einfaehe Generation haben. Zugleich 
zeigt dieser Forscher aber auch, wie stark die Temperaturverhält- 
nisse die Entwickelungsdauer unseres Käfers beeinflussen. 

Schaden. Der Käfer bevorzugt im Gegensatz zu T. typographus 
L. die dünnere Rinde und nimmt daher in älteren Beständen mit 
Vorliebe die oberen Stammtheile und die Aeste an, obgleich er 
mitunter auch starke Fichten von oben bis unten besetzt [V, 1, 
S. 192]. Wenn er sich noch nicht allzu sehr vermehrt hat, befällt 
er aber hauptsächlich kränkelnde oder durch Schneedruck beschädigte 
Stangenorte. Späterhin geht er an die Aeste älterer Bäume und wird 
im Allgemeinen für sich allein nur selten in ausgedehntem Masse 
schädlich, betheiligt sich aber an dem Frasse des T. typographus L. 
in den von diesem mehr gemiedenen, dünnborkigen Theilen so stark 
und ergänzt dessen verderbliche Thätigkeit so erfolgreich, oder 
arbeitet ihr sogar häufig vor, dass er zu den sehr schädlichen 
Borkenkäfern zu rechnen ist. Von grösseren Schäden in jüngeren 
Diekungen kennen wir nur den von HenscreL [32 b] aus Steiermark 
berichteten Fall, im Salzathal in Steiermark, in einer 8- bis 12jährigen, 
durch Aecidium abietinum geschädigten Fichtendickung. Die erste 
sichere Erwähnung eines Schadens geschieht in der forstlichen Lite- 
ratur durch v. SıERSTORPFF 1794 aus dem Harze, wo man diesen 
Käfer damals „Astkäfer” nannte [67, 8.56 bis 58]. Er wird seitdem 
bei jeder grösseren Wuımtrockniss als Mitarbeiter erwähnt, so z. B. 
in Östpreussen durch Antemann [I b, 8. 96], wo auffallenderweise 
der Käfer nur bei dem ersten Anfluge des T. typographus L. be- 
theiligt war, und in Böhmen von Freiscner [I7, S. 29]. 

Nicht minder häufiger erscheint namentlich in schwächeren 
Fichten 


der doppeläugige Fichten-Bastkäfer, 


Hylesinus poligraphus L., 


welcher etwas grösser wie T. chalcographus und als Käfer sehr leicht 
an den deutlich getheilten Augen, der soliden, zugespitzten Fühler- 
keule, der reifartigen Beschuppung und der schon bei Lupenver- 
gıösserung sichtbaren eylindrischen, nicht herzförmigen, Bildung des 
dıitten Fussgliedes zu erkennen ist. Seine meist in der Rinde 
verlaufenden Frassgänge, welche, wenn gut ausgebildet, doppel- 
armige Wagegänge darstellen (Fig. 172 B), sind dagegen nur selten 
klar und auf der Innenseite der Rinde wie auf dem Holze kann 


Tomicus chaleographus und Hylesinus poligraphus. 519 


man meist nur die alsdann zusammenhanglos erscheinenden Enden 
der Larvengänge (Fig. 172A) erkennen. 

Beschreibung: Hyl. (Polygraphus) poligraphus L. (pubescens Bach). 
Käfer länglich, schwarzbraun, mit Schuppenhaaren ziemlich dicht bedeckt. Hals- 
schild nach vorn stark verengt, an der Spitze leicht eingeschnürt, kürzer als an 
der Basis breit, oben fein und dicht punktirt, mit feiner, erhabener Mittellinie. 
Flügeldecken mit aufstehendem, fein gezähneltem Wurzelrande, sehr fein undeut- 
lich punktirt-gestreift; die breiten Zwischenräume feinkörnig, durch die Be- 
sehuppung reifartig rauh erscheinend. Kopf und der sehr kurze, etwas ein- 
gedrückte Rüssel sehr feinkörnig punktirt. 5 mit gelblich behaarter Stirn und 
beiderseits schwach gefurchtem Absturz der Flügeldecken. 2 mit dünn behaarter, 
auf der Mitte mit zwei Höckerchen besetzter Stirn und einfach gewölbtem 
Absturz. Länge 2—2°5 mm. 


Wir behalten hier vorläufig noch diese eine Art bei, können aber nicht 
umhin zu erwähnen, dass dieselbe nach Schwedischen Exemplaren neuerdings 
von THonson in drei Arten getrennt wurde, den eigentlichen P. pubescens Bach, 
den P. punctifrons Tuoums. und den P. subopacus Tuonms. [70, S. XI]. Inwiefern 
sich diese Arten halten lassen und ob sie biologische Unterschiede zeigen, 
konnten wir noch nicht feststellen; dagegen können wir bestätigen, dass die 
vierte, neuerdings von THouson aufgestellte Art [70, S. LXI], P. grandiclava, eine 
gute Art ist, welche sich von dem P. pubescens Bacu durch bedeutendere Grösse, 
im Allgemeinen viel dunklere Färbung, schwarzbraune Beine mit helleren Tarsen 
und ausgesprochen hellgelbe Fühler mit sehr grosser, eiförmig zugespitzter 
Keule deutlich unterscheidet. 


Lebensweise. Rarzegurc beschreibt [V, 1, S. 223] die Frass- 
figur dieses Käfers ausgezeichnet: „Seine Gänge sind zweiarmige Wage- 
gänge. Wenn sie auch nicht immer vollkommen wagerecht laufen, so 
sind sie doch nie ganz lothrecht. Meist sind sie stark geschlängelt, 
beide von einer grossen Rammelkammer abgehende Arme messen 
2:5—4cm und sind fast 18 mm breit. Die mehr oder weniger loth- 
rechten Larvengänge zerstören den Bast in hohem Grade. Sehr ober- 
flächliche Splintwiegen.” Diese Schilderung können wir im allgemeinen 
nach ganz vorzüglichen Präparaten, die wir vom königlich Sächsischen 
Staatsforstrevier Colditz erhielten, völlig bestätigen, müssen aber hinzu- 
fügen, dass mitunter nur ein einziger, in anderen Fällen aber auch 
mehr, 3—5, Arme vorhanden sein und auch etwas länger werden 
können. Die hervorragendste Eigenthümlichkeit des Frasses besteht 
darin, dass in beiweitem den meisten Fällen Rammelkammer und 
Muttergänge das Holz nicht furchen und der Anfang der Larven- 
gänge völlig innerhalb der Rinde verborgen liegt. Auf der geschälten 
Holzfläche sieht man daher stets nur die Enden der Larvengänge 
und die Puppenwiegen, höchstens hie und da einmal die Andeutung 
eines Mutterganges (Fig. 172 A bei a), während auf der Innenseite 
der Rinde ausserdem noch die bis auf das Holz gehende Rammelkammer 
und die Muttergänge sichtbar sind. Vollständig, wie auf Fig. 172 B 
dargestellt, übersieht man die Frassfigur nur. dann, wenn man sorg- 
fältig die äussere Hälfte der Rinde mit dem Messer abträgt. In 
schwächerem Materiale wird die Frassfigur unregelmässiger und nähert 
sich mehr der Sterngangform [XXIV, S. 24, untere Abbildung]. In 
stark besetzten Stangen wird die ganze Bastschicht so durchfressen, 


520 Kap. IX. Die Käfer. 


dass man gar kein deutliches Bild erhält, und in dieser Form kommt 
der Frass in der forstlichen Praxis am häufigsten vor. 


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Fig. 172. A. Fichtenholz mit Larvengang-Enden, Puppenwiegen und Muttergang (a) 

von Hylesinus poligraphus L. B. Ausgebildete Frassgänge desselben Käfers 

in Fichte durch Abtragung der oberen Rindenschicht blossgelegt. Beide 
!/, nat. Grösse. Originalzeichnungen. 


Der gewöhnliche Brutbaum des H. poligraphus L. ist die 
gemeine Fichte. Ausserdem ist er von NörpLincer [XXIV, S. 24] 
in Kiefernästen, in Weymouthskiefernästen und im „exotischen’’ 
Garten zu Tübingen in Zirbelkiefer gefunden worden. Letzteres Vor- 
kommen im Hochgebirge bestätigt Hrxscuen |32e, S. 536]. Hreger 
fand ihn im Park von Laxenburg bei Wien auch in Weisstannen 
[31, 8. 538]. Einen neuen Fall von vereinzeltem Vorkommen in Kiefern, 
die in einem befallenen Fichtenhorst eingesprengt waren, berichtet 
Tavu [71]. 

Die Angabe von NÖRDLINGER, dass dieser Käfer auch in Kirschbaum vor- 
kommt, eine Beobachtung, welche auch von Jupeıch nach einem Funde zu 
Herzogswalde in der Nähe von Tharand bestätigt wurde, ist zwar insoweit 
richtig, als es sich hier um einen Polygraphus handelt; indessen konnte neuer- 
dings wenigstens für den zweiten Fall constatirt werden, dass dies nicht der 
Polygraphus pubescens BacHu sei, sondern vielmehr der neue P. grandiclava 
Troms. (vel. S. 519). 

Hyl. poligraphus L. ist ein Spätschwärmer, der zuerst Ende 
April oder im Mai schwärmt. Seine Generation wird von STEIN 
[68.«a, S. 254] als „anderthalbig” angegeben. Alle neueren Angaben 
stimmen dagegen überein, dass dieselbe unter normalen Verhältnissen 
in mittlerem Klima wenigstens eine doppelte ist |37, S. 443 und 7I, 
S. 25 und I5a, $. 124], und dass häufig noch im Herbst zu einer 
dritten Eiablage geschritten wird. 


Hylesinus poligraphus und H. palliatus, 521 


Mittheilungen über Schaden von H, poligraphus L, finden sich 
in der Literatur zahlreich; eine der älteren ist die von Srrın |68 a, 
S. 250 ff.], dass auf dem damaligen Herrndorfer, jetzigen Grillen- 
burger Reviere bei Tharand die Bäume eines 20—40jährigen Fichten- 
bestandes in ihren unteren Theilen stark von ihm angegriffen worden 
seien, während die oberen Theile von H. palliatus Gyrı. bewohnt wurden. 
Doch musste der Käferfrass hier nur als seeundär angesehen werden. 
Dösner [13] berichtet über einen verderblichen Frass an stärkeren und 
schwächeren Fichten im Schönbusch bei Aschaffenburg aus den Jahren 
1859 und 1860; sogar Fichten von „mehreren Fuss Durchmesser” 
hatte der Käfer getödtet. Einen Fall, dass 82 Stämme von 14—42 cm 
Brusthöhendurehmesser eines in einem Buchenbestand eingesprengten 
Fiehtenhorstes von ihm getödtet worden seien, berichtet 1877 A. 
Josepu aus dem Oberhessischen Revier Nidda [37]. Aruemanv theilt 
ferner mit, dass in der Öberförsterei Guttstadt H. poligraphus im 
Gefolge von T. typographus in grosser Menge zunächst in den 
Aesten aufgetreten ist und sich dann so vermehrt hat, dass er selbst- 
ständig, ohne Mithilfe des T. typographus, starke Fichten in erkleck- 
licher Menge getödtet habe [la, S. 53). In der Gegend von Laubach 
in Hessen verwüstete er 1884 in Verbindung mit T. Abietis Rarz. 
die Hälfte eines 3:5 ha grossen, 30jährigen Fichtenbestandes, und war 
in den höheren Fichtenlagen des Vogelsberges, wo er auch ältere 
Fichten anging, häufig [71]. Auf Tharander Wald ist er wiederholt 
sehr schädlich aufgetreten, und zwar theils allein, theils als Begleiter 
anderer Borkenkäfer. An dem furchtbaren Borkenkäferfrass, welcher 
im Böhmerwalde wüthete, ist er ebenfalls, wenn auch untergeordnet, 
betheiligt gewesen, desgleichen an dem Östpreussischen Frasse, bei dem 
er aber, im Gegensatz zu Tomicus chalcographus L., meist nur den 
zweiten Flug des T. typographus L. begleitete [Ib, 8. 96]. In den 
Siebzigerjahren hat er bei T'harand, namentlich im breiten Grunde 
auch horstweise in 15—20jährigen Fichtendickungen stark geschadet. 


Zu den häufigsten Erscheinungen in allen Fichtenrevieren gehört 
ferner 
der braune Fichten-Bastkäfer, 


Hylesinus palliatus GYLL., 


welcher, 3mm lang, den H. poligraphus L. etwas an Grösse über- 
trifft und sich von ihm durch die einfachen Augen, das herzförmige 
dritte Fussglied und die feine Behaarung der Flügeldecken unter- 
scheidet. Seine Frassfigur besteht aus einem kurzen Lothgange mit 
langen, meist in der Rinde verlaufenden Larvengängen, welche aber 
oft so dicht gedrängt sind, dass die ganze Innenseite der Rinde in 
Mulm verwandelt erscheint. 


Beschreibung: H. (Hylastes) palliatus Gyrr. Käfer länglich, 
etwas glänzend, Unterseite, Kopf, Rüssel und Seitenränder der Flügeldecken 
schwarz oder schwarzbraun, Oberseite des Halsschildes und Flügeldeeken braun- 
roth, niemals schwarz. Halsschild etwas breiter als lang, nach vorn verengt, vor 

Lehrbuch d, mitteleurop. Forstinsektenkunde, 34 


522 Kap. IX. Die Käfer. 


der Spitze eingeschnürt, nach der Basis kaum verschmälert, oben sehr dicht 
runzelig punktirt, mit erhabener, vorn abgekürzter, glatter Mittellinie. Flügel- 
decken an der Basis einzeln abgerundet, mit. nach hinten etwas tiefer werdenden 
Punktstreifen, Zwischenräume kaum breiter als letztere, körnig punktirt, mit 
kleinen Höckerehen und sehr feinen, reihig gestellten Härchen, gegen die Spitze 
mit feinen, gelblichen Schüppcehen. Kopf fein und dicht punktirt. Rüssel von der 
Stirn durch einen flachen, halbkreisförmigen Eindruck, der indessen manchmal 
fehlt, geschieden, an der Spitze mit erhabener, feiner Längslinie, zu beiden Seiten 
derselben leicht eingedrückt. Fühler und Beine braunroth, Keule und Schenkel 
etwas dunkler. Erstes Glied der Fühlerkeule gross, die folgenden klein. Drittes 
Fussglied wenig breiter als die beiden ersten, zweilappig. Länge 3 nım. 


Lebensweise. Seine Frass figur ist, da der Käfer meist dicht- 
gedrängt in Massen brütet, gewöhnlich sehr wenig charakteristisch aus- 
gebildet. Die Larven verwandeln dann die ganze Bastschicht in 
Mulm. Wo er aber nur vereinzelt frisst, sieht man, dass, wie HexscHeL 
[X1, 2. Aufl, S. 43] gut beschreibt, seine „lothrechten Muttergänge 
sehr kurz sind, nur 15cm bis höchstens 5 cm lang, oft sehr unregel- 
mässige Einschnürungen und Erweiterungen haben und so ein darm- 
ähnliches Aussehen erhalten. Stellenweise erscheinen sie nicht selten 
gabelförmig getheilt. Die Larvengänge sind auffallend lang, nicht 
überzahlreich, laufen unregelmässig, sich oft durchkreuzend, in der 
Regel Widergänge oder Verästelungen bildend’”’. Eıcnnorr |Ib a, 8. 94] 
bemerkt ausserdem sehr richtig, dass der Anfang der einarmigen 
Muttergänge meist stiefelförmig gekrümmt ist. Die Larvengänge ver- 
laufen in der Regel deutlich in der Längsriehtung des Stammes oder 
des Astes. Ausserdem wurden von Eıcnnorr auch abnorme, geweih- 
artige Muttergangformen gefunden, von denen keine oder nur sehr 
wenig Larvengänge entsprangen. 

Sein normaler Brutbaum ist die Fichte, ausserdem kommt 
er häufig auch in Kiefer und Weisstanne vor, desgleichen, wie 
schon RATzegurg wusste, in Lärche [V, 1, S. 221]. 


NÖRDLINGER [XXIV, S. 22] kennt ihn aus Weymouthskiefer und See- 
kiefer; in letzterer Holzart hat ihn auch Perrıs [58, S. 226] wenngleich selten 
gefunden, und Arrum [XVi. III. 1, S. 267] erwähnt ihn ausserdem aus Pinie, 
HexscuheL aus Zirbelkiefer [32e, 8.536] und Eıcunorr [I$a, S. 93] aus 
Schwarzkiefer. 


Der Käfer ist in ganz Europa häufig, von Sibirien bis an 
den Atlantischen Ocean, vom Mittelmeer bis nach Lappland verbreitet 
und kommt nach Eıcunorr sogar in Nordamerika vor [I3a, S. 92]. 
Er ist ein Frühschwärmer, der schon fliegt, wenn noch Schnee 
liegt [V, 1, 8. 221]. Seine Generation wird von Prrrıs ausdrücklich 
als einjährig angegeben; dagegen meint Eıcnnorr, dass gewöhnlich 
eine doppeite Generation vorkommt und die im Herbst ausgebildeten 
Käfer der zweiten in der Bodendecke und in Rindenritzen über- 
wintern. RAatzegur« fand ihn im Winter sogar unter Buchenrinde. 
Ausnahmsweise überwintern aber auch Larven und Puppen, 

Der Käfer befällt am liebsten starkrindiges Material, sowohl 
stehendes als geschlagenes. In ersterem kommt er vielfach nur 
secundär vor, in letzterem bevorzugt er im Schatten stehende, feuchte 


Hylesinus palliatus und H. glabratus, 523 


Meterstösse, oder dort lagernde Stämme und Klötzer, sowie Stockholz. 
Bei jedem grossen Borkenkäferfrass ist er zahlreich mitbetheiligt, und 
er gehört in jedem Nadelholzwalde zu den gemeinsten Insekten. Im 
allgemeinen wird er aber jetzt kaum noch unter die sehr schädlichen 
Käfer gerechnet. Aeltere Autoren sind dagegen anderer Meinung. 
Wenn wirklich der Bostrichus abietiperda Becustein’s [ll, 187], wie 
RaTzEgurG wohl mit Recht vermuthet, unser Käfer ist, so hat er 
Anfang des Jahrhunderts in den Rudolstädter Tannenwaldungen 
60-—80jährige Bäume zum Eingehen gebracht. Auch Kerrxer ist 
geneigt, ihn zu den sehr schädlichen Käfern zu rechnen. 

Sreın [68a, 1] berichtet, dass er selbst den Käfer nur im 
Klafterholz gefunden und, auch in der Nähe solcher befallener Klaftern, 
nicht in kranken Bäumen; dagegen meldete ihm Förster MÜLLER, 
dass in einem frischesten und gesundesten Theile des Bermsgrüner 
Revieres auf einer mit 150 Stämmen bestandenen Fläche der Käfer 
85 Stämme derartig angegangen hatte, dass trotz noch grüner Be- 
nadelung deren Eingehen unvermeidlich schien. Sreın erwähnt ferner 
[168a, 5] vom Herrndorfer Revier, dass daselbst H. palliatus und 
H. poligraphus in 20-—40jährigen, stehenden, vorher kranken 
Fichten vorgekommen sei, und zwar unten H. poligraphus, oben 


H. palliatus. 
Auf jeden Fall ist H. palliatus höchstens in Fichten- und Weiss- 


tannenbeständen beachtenswerth. Für Kiefernreviere hält ihn ALrtum 
DEMIEIIT: 14.5: 267] kaum für merklich schädlich, dagegen berichtet 
er, dass er in den Harzforsten bei Wernigerode 1876 die Neubildung 
von Wipfeln durch Bajonettbildung an durch Schneebruch geschä- 
digten Stämmen verhindert habe. Auch in dem kaiserlichen Park 
zu Bjelostok, Gouvernement Grodnow, soll er 2000 Bäume getödtet 
haben [45, S. 243]. 


Mehr als Gebirgsthier tritt auf: 
Hylesinus glabratus ZETT. 


Dieser im Allgemeinen seltenere Schädling ist vor allen anderen 
in Frage kommenden Formen durch die bis 5mm steigende 
Länge unterschieden. Auch seine aus verhältnissmässig kurzen, ge- 
schwungenen Lothgängen und langen, in grossen Puppenwiegen 
endenden Larvengängen bestehende, unregelmässige Frassfigur ist an 
der Stärke ihrer Gänge leicht unterscheidbar. 


Beschreibung: H. (Hylastes) glabratus Zrrt. (decumanus L.). Käfer 
länglich, peehbraun. Halsschild nicht länger als in der Mitte breit, nach vorn stark 
verengt, vor der Spitze etwas eingeschnürt, nach der Basis verschmälert, oben tief 
und sehr dicht punktirt, mit einer gewöhnlich deutlichen, glatten, etwas erhabenen 
Mittellinie. Flügeldecken an der Basis einzeln abgerundet, vorn etwas schwächer, 
nach hinten stärker tief punktirt-gestreift, Zwischenräume breiter als die Punkt- 
streifen, körnig punktirt, nach hinten mit kleinen Höckerchen und Schuppen. 
Rüssel von der Stirn durch eine halbkreisförmige, eingedrückte Linie geschieden, 
an der Spitze mit erhabener Längslinie, zu beiden Seiten derselben leicht ein- 
gedrückt. Kopf fein und dicht punktirt. Fühler mit Ausnahme der dunkeln Keule 
braunroth, ebenso die Füsse. Erstes Glied der Fühlerkeule gross, die folgenden 


34* 


524 Kap. IX. Die Käfer. 


klein. Drittes Fussglied wenig breiter als die beiden ersten, herzförmig, fast 
zweilappig. Länge 45—5 mm. 

Lebensweise und Bedeutung. Die Frassfigur dieses Käfers 
ist, wie bereits die Kürze der wenigen, höchst unbestimmten Schil- 
derungen errathen lässt, eine wenig scharf ausgeprägte. Die uns vor- 
liegenden Exemplare von dem königlich Sächsischen Staatsforstreviere 
Brunndöbra, die wir Forstingenieur Lenmann verdanken, finden 
sich an 6—7 cm starken Fichtenstangen und sind mehrfach ge- 
schwungene Lothgänge von 5—8cm Länge und 3 mm Breite, welche 
mit einer unregelmässigen Erweiterung beginnen. Die sehr wirr von 
ihnen abgehenden Larvengänge furchen den Splint nur stellenweise, 
und zwar besonders an ihren Enden, vor den zur Hälfte in den 
Splint eingreifenden, ”—9 mm langen Puppenwiegen. 


Sein Brutbaum scheint fast ausschliesslich die Fichte zu 
sein. Nur Henscaen [32d, S. 10] berichtet, dass er in Steiermark 
auchin Zirbelkiefern brüte, bis2000 m Meereshöhe. Sein Vorkommen 
ist aus ganz Nord- und Mitteleuropa bekannt, ja auch in Sibirien 
und Nordamerika soll er gefunden worden sein [Eıcunorr I5 a, S. 92]. 
Jedenfalls scheint er vorzugsweise Gebirgsthier zu sein. Ueber 
seine Generation wissen wir so gut wie gar nichts. Die ältesten 
Angaben, die sich auf seine Forstschädlichkeit beziehen, sind die von 
RatzegurG in der ersten Auflage seiner Forstinsekten |V, I. Nach- 
trag, 8. 50]: „Nach Herrn BurkıArpr zerstörte er im Jahre 1838 
theils mit H. palliatus GyLL. zusammen, theils allein eine erhebliche 
Anzahl guter Stämme.” Kerner |[42c, 8. 422] rechnet ihn im 
Thüringer Walde mit T. typographus L. und T. amitinus Eıchn. zu 
den „schädlichsten Fichtenborkenkäfern”, gibt aber an, dass der in 
den Zwanzigerjahren in den Hochlagen des Thüringer Waldes noch 
sehr häufige Käfer nunmehr in Folge rationeller Vorbeugungsmass- 
regeln sehr selten geworden sei. Seine Flugzeit fällt dort in den 
Mai. Auch bei dem grossen Borkenkäferfrass in Böhmen fand er sich 
zahlreich ein |I7, 8. 35]. 


Gleichfalls häufig und bei stärkerem Frass als Begleiter der vor- 
genannten Arten in den oberen Stammtheilen auftretend, unter ge- 
wöhnlichen Verhältnissen aber mehr Verderber in älteren Kulturen 
und Stangenhölzern, ist 


der furchenflüglige Fichten-Borkenkäfer, 


Tomicus micrographus GYyLL., 


der in unserer Fauna auch noch einige nähere, aber unwichtige Ver- 
wandte hat. Der sehr kleine, nur bis 15mm lange Käfer, welcher 
hinten auf dem Flügeldeckenabsturze nur längs der Naht einen 
furchenartigen, nicht mit Zähnen besetzten Eindruck hat (Fig. 1734), 
und dessen 9 durch eine goldgelbe Stirnbürste leicht kenntlich ist, 
zeichnet sich dadurch aus, dass seine Frassfiguren, welche typische, 


mehrarmige Sterngänge darstellen, in allen T'heilen, besonders aber 


Hylesinus glabratus und Tomicus micerographus. 525 


was die Rammelkammer und die Muttergänge betrifft, sehr tief in 
das Holz geschnitten sind (Fig. 174). 


Beschreibung: Tomicus (Pityophthorus) micrographus GxL. (pityo- 
graphus Rarz.) Käfer langgestreckt, walzenförmig, pechbraun, etwas glänzend, 
fein und sparsam greis behaart. Halsschild länger als breit, wenig nach vorn 
verschmälert, kaum eingeschnürt, vorn auf der Seheibe mit econcentrisch geord- 
neten Höckerchen besetzt. hinten zerstreut, sehr fein punktirt. Flügeldecken fein 
punktirt-gestreift, die Stärke der Punkte bei verschiedenen Exemplaren ver- 
schieden, hinter der Mitte neben der Naht beiderseits mit facher, glatter Furche, 
deren Seitenkanten und Naht gleichmässig erhöht und mit einer Reihe feiner, 
mehr oder weniger deutlicher, borstentragender Höckerchen besetzt. Die Furche 
selbst ist bei manchen Exemplaren stärker vertieft als bei anderen. Die Spitze 
der Naht springt stumpf vor. @ mit einem goldgelben Haarbüschel auf der Stirn. 
Die frühere Annahme, dass das S die Stirnbürste trüge, ist eine irrige. Fühler 
und Beine bräunlichgelb. Länge 1’2—1'’5mm. 


Fig. 173. Flügeldeckenabsturz der Sc‘ A von Tomicus micrographus Gyıı, 
und B von T. macrographus Schrein. 


Lebensweise. Die Frassfigur dieses Käfers ist ein deut- 
licher Sterngang, bei welchem von einer tief in den Splint einge- 
fressenen Rammelkammer 4—7, mehr oder weniger geschwungene, 
mit mässig dicht gestellten Eiergrübchen besetzte Muttergänge von 
2—5 cm Länge und 0'5—0 7 mm Breite abgehen. Obgleich auch auf 
der Rinde deutlich sichtbar, sind sie doch stets besonders tief in das 
Holz eingeschnitten und mit ganz scharfen Rändern versehen. Die 
Muttergänge gehen, namentlich in mittelstarkem Materiale, nicht 
regelmässig, radspeichenartig auseinander, sondern haben mehr das 
Bestreben, sich querzurichten (Fig. 174 A), während die von den 
Eiergrübchen entspringenden Larvengänge, soweit die Larven nicht 
gezwungen sind, den Muttergängen oder früheren Larvengängen aus- 
zuweichen, der Längsrichtung des Baumes folgen, und wenn sie so 
nicht weiter können, wohl auch einmal direkt umkehren. Die Puppen- 
lager sind längsgestellte Rindenwiegen. 


Der gewöhnliche Brutbaum des Käfers ist die gemeine Fichte. 
Er kommt aber auch, wenngleich seltener, in Kiefer, sowie nach 
NÖRDLINGER in Weymouthskiefer [XXIV, S. 35] und Tanne vor, 
und ist sogar einmal im T'harander Forstgartenin einer Schierlings- 
tanne, Tsuga Canadensis OArr., gefunden worden. Er bevorzugt 
schwaches Material, Stangen und jüngere Pflanzen von 6—8 Jahren 
an. Namentlich in Stangen stehen dann seine Gänge ungemein dicht 
gedrängt. Von Rıreen ist er aber selbst in 15cm starken Fichten 
gefunden worden |XXIV, 8. 35]. Auch Fichtenreisig, Hexenbesen 


526 Kap. IX. Die Käfer. 


und ausgerissene, jüngere Fichtenpflanzen geht er an |I5a, 8. 199 
und 200]. Er kann horstweise in Fiehtenkulturen Schaden anrichten. 


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Fig. 174. Frass von Tomicus micrographus Gyrr. A in Fichte mit ausgebildeten 
Larvengängen, B Schierlingstanne, Tsuga Canadensis Carr., mit blossen Eier- 
grübchen. !/, nat. Grösse. 


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Nur der Vollständigkeit wegen führen wirnoch an: T. (Pityophthorus) 
macrographus Scarei., glabratus Eıcan. und Lichtensteinii Rarz., welche dem 
micrographusGvrr. sehr ähnlich sind. Ersterer unterscheidet sich von ihm nament- 
lich durch eine tiefere Furche am Flügeldeekenabsturz, auf welchem die Naht oben 
wenigerüberdiescharfwulstigen Seitenränder hervorragt, nach hintenaber erhabener 
wird und deutlich über erstere binaustritt (Fig. 1732); der Nahtwinkel springt 
spitzig vor; Flügeldecken meist etwas stärker punktirt; Länge 15—2nm. Ob 
Rarzesung’s Bostr. exsculptus mit dieser Art gleichbedeutend, ist fraglich. 
T. glabratus Eıcnu. und T. Lichtensteinii Rarz. unterscheiden sich von 
T. micrographus durch abgerundeten Nahtwinkel, unter sich dadurch, dass die 
Höckerchen auf Naht und Seitenrändern der Furche am Absturz bei T. Lichten- 
steinii deutlich sind, bei T. glabratus fehlen oder wenigstens undeutlich bleiben, 
namentlich aber dadurch, dass das Halsschild bei ersterem nach vorn nur mässig, 
bei T. glabratus dagegen stark verengt und ausserdem vor der Mitte deutlich 
eingeschnürt ist. 

Forstliche Bedeutung hat wohl keine dieser Arten, weder die Kiefern 
bewohnenden T. Lichtensteinii und T, glabratus, noch der bei uns in Fichten- 
ästen brütende, seltene T. macrographus, welcher sich besonders durch seine 
Frassfigur charakterisirt. Diese stellt ausgesprochene, oft sehr lange, tief einge- 
schnittene Längsgänge dar, von denen nur sparsamst lange Larvengänge ab- 
gehen. Der Frass wurde zuerst durch SchrEmer [l5a, S. 202] an einem 
dünnrindigen, schwachen Fichtenstamme gefunden. Zu Tharand kennen wir den 
Käfer nur aus schwachen Aesten; hier sind die Muttergänge ganz besonders 
lang und verlaufen mitunter von einer Rammelkammer zur anderen. 


Zu den recht häufig in schwächerem Fichtenmateriale vorkommenden Käfern 
gehören noch: T. (Cryphalus) AbietisRarz. und T. asperatus Rarz. Sie sind dem 
T. Piceae (vergl. S. 492) an Gestalt und Grösse ähnlich, unterscheiden sich von 
ihm aber durch den gänzliehen Mangel an aufgerichteten, langen Haaren auf 
den Flügeldecken. Letztere sind bei T. Abietis einfarbig dunkelbraun und 
wenigstens vor der Mitte deutlich fein punktirt-gestreift, während T. asperatus 


Minder wichtige Fiehten-Borkenkäfer. 527 


fast unpunktirte, an der Spitze stets heller gefärbte Flügeldecken hat. Dass 
sie zusammen vielleicht nur eine Art bilden, scheint immerhin möglich. 
Länge 1'7—2 mm. 

Lebensweise. Die Frassfigur beider Arten besteht in einem platzweise 
ausgefressenen, bald mehr einem Längs-, bald mehr einem Quergange (Fig. 175) 
ähnelnden Muttergange, von dem die Larvengänge wohl meist in der Längs- 
richtung des Stämmchens oder Zweiges abgehen. Oft sind aber die Larven- 
gänge so verworren, dass man einen deutlichen Eindruck von irgend welcher 
Regelmässigkeit nicht erhält. Beide Arten bewohnen 
hauptsächlich die Fichte, erstere wurde jedoch auch 
häufig inTanne und Kiefer, sowie Weymouths- TI INBERETErTITÄT RT 
kiefer, letztere einmal von Keıxer [Iöa, S. 180] an 'IN:l| Kl I) 
einem Kiefernästchen gefunden. Es sind Früh- ll I] JilF 
sehwärmer derausgesprochensten Art, welche bereits i Ai 
Saxesen [V, 1, S. 198| als solche bezeichnet. Sie 
können schon im März erscheinen und haben wohl 
gewöhnlich eine doppelte, mitunter auch dreifache 
Generation. Sie überwintern als ausgehärtete Käfer 
[I5a, S. 178]. In der Wahlihres Brutmateriales sind 
sie nicht sehr eigen. RAatzesurG kennt sie an 40 cm 
starken Fichten in allen Höhen des Stammes eben- 
sogut, wie in 6—12jährigen Weymouthskiefern und 
2-6jährigen Fichten [V, 1, S. 198]. Eıchnorr hat 
sie [I5a, 8. 177] in 20jährigen, unterdrückten Fichten- 
stangen gefunden. Sie greifen gern von den Astquirlen 
aus den Baum an. Rarzegurg rechnet sie zu den 
merklich schädlichen Arten. Meist sind sie mit den 
vorhergehend beschriebenen Arten vergesellschaftet 
und kommen allein fressend wohl mehr als Kultur- 
verderber in Betracht. 


Als kleinster, häufigerer Fichtenbewohner ist 
noch zu erwähnen 


Fig. 175 Frassfigur von 

ü : = Tomicus Abietis Rarz. in 
Tom. (Crypturgus) pusillus Gyrr. Käfer ungewöhnlich deutlicher 

schwarz, glänzend, fast gar nicht behaart. Halsschild Ausprägung. Original. 


lang eiförmig, fein und weitläufig punktirt, mit glatter ı/; nat. Grösse. 
Mittellinie. Flügeldecken punktirt gestreift, mit ein- 

fachen, runden Punkten; Zwischenräume mit sehr weitläufig gereihten, sehr 
undeutlichen Pünktchen. Länge 1 mm. 


Lebensweise. Die Frassfigur dieses Zwerges ist deshalb sehr schwer 
festzustellen, weil der meist nur innerhalb der Rinde fressende Käfer wohl 
gewöhnlich seeundär auftritt und durch die von anderen Käfern gemachten 
Bohrlöcher eindringt. Nur Prrrıs [58 S. 204] ist im Stande gewesen, nachzu- 
weisen, dass der Käfer einen verhältnissmässig breiten Längsgang ohne Rammel- 
kammer anlegt, von dem aus den sehr dicht gestellten Eiergrübchen stark ge- 
wundene Larvengänge abgehen. Er soll eine doppelte Generation haben. Ur- 
sprünglich Fiehteninsekt und wohl nur als solches von einiger Bedeutung, wurde 
er schon von Rapzar [V, I, S. 196] in Tanne, von NörDLIinGer [XXIV, S. 34] 
auch in Kiefer, Weymouthskiefer, Lärche und Seekiefer, in letzterer auch 
von JupEıch gefunden. Er kommt meist in schwachem Materiale vor, ist aber von 
Henscner [XIl, 2. Aufl., S. 34] auch in 20—30jährigen Fichtenstangen beobachtet 
worden. Die meisten Autoren sehen ihn als unbedeutend an. RATzEgurG rechnet 
ihn dagegen zu den merklich schädlichen Arten, und Hexscher, der ihn auch als 
Nachzügler anderer Arten betrachtet, bemerkt: „doch soll man sich dadurch 
nicht täuschen lassen. Im Gebirge kommt sehr häufig das Absterben von 
12—15jährigen Fichten auf sein Siündenregister, und ist daher sein Schaden 
durchaus nicht so unbedeutend, wie man seither anzunehmen pflegte.” Die 
Angabe aber, dass dieser Käfer im Jahre 1888 in den erzgebirgischen 
Forsten bei Görkau 10.000 Fichten vernichtet habe, sind vollständig aus der 


g Kap. IX. Die Käfer. 


Luft gegriffen. Wir erwähnen diese zuerst durch die „Weser-Zeitung” ver- 
breitete, dann in viele andere politische Blätter übergegangene Nachricht nur 
deshalb, weil auch die „Oesterreichische Forstzeitung” 1888, S. 239, sie ab- 
druckte, sind aber in Folge von speciell eingezogenen Nachrichten berechtigt 
zu erklären, dass in der ganzen dortigen Gegend im Jahre 1888 kein bemer- 
kenswerther Borkenkäferfrass vorgekommen ist, am allerwenigsten ein solcher 
von T, pusillus. 

Sein nächster Verwandter, T. (Crypturgus) cinereus Hesr., der vielfach 
in der gemeinen Kiefer und auch in den südlichen Kiefernarten ge- 
funden wird, bewohnt gleichfalls oft die Fiehte, wo er nach Hexscuer, dem 
einzigen Forscher, dem es glückte, seine Frassfigur zu entziffern, geschwungene 
Wagegänge machen soll [X1l, 2. Aufl., S. 32 Anm.]. Er hatihn in 15—30jährigen 
Fichtenbeständen des steierischen Hochgebirges nicht selten als Kulturverderber 
gefunden. 


Mehr als entomologische Merkwürdigkeiten, nieht als wirklich beachtens- 
werthe Fichtenschädlinge seien noch folgende Nadelholzrinde bewohnende Bast- 
käfer erwähnt: 

Hylesinus (Xylechinus) pilosus Rarz. Käfer länglich, ohne Glanz, schwarz, 
mit braunen Flügeldecken, grau beschuppt und behaart, Halsschild kaum länger 
als breit, nach vorn wenig verengt, an der Basis etwas verschmälert, sehr dicht 
und fein runzlig punktirt, mit grauen Schuppenhärchen bedeekt und mit sehr 
schmaler, erhabener Mittellinie. Flügeldecken mit erhabenem, gezähneltem Wurzel- 
rande, deutlich punktirt gestreift, Punkte viereckig; Zwischenräume breit, fein 
runzlig punktirt mit feinen, niederliegenden Haarschüppehen und mit reihenweis 
gestellten, aufgerichteten, kurzen Börstehen; der erste Zwischenraum längs der 
Naht etwas dichter behaart, daher weisslich. Kopf und Rüssel sehr fein runzlig 
punktirt, letzterer an der Spitze etwas eingedrückt, mit einer feinen, oft nicht 
ganz deutlichen Längslinie. Fühler und Beine braun. Länge 2'3 mm. 

Lebensweise. Die Frassfigur dieses Käfers, weleher durchaus nicht, 
wie Eıchnorr [I5a, S. 121] angiebt, „in Absicht seines biologischen Verhaltens 
noch gar nicht genauer beobachtet zu sein scheint”, ist schon von NÖRDLINGER 
IX, 8.36] als „zweiarmiger Wagegang, wovon die eine Hälfte allerdings häufig 
kurz bleibt,” gut beschrieben und abgebildet worden. Noch bessere Abbildungen 
der Frassgänge giebt Linprmann [50, S. 110 und 111]. Hieraus, sowie aus den 
uns vorliegenden Frassstücken ergibt sich die völlige Richtigkeit der Beschrei- 
bung NörpLixGer’s, zu der nur noch hinzuzusetzen, dass der Muttergang meist 
mit einer kurzen, von unten nach oben laufenden Eingangsröhre beginnt. Der 
Käfer, den schon Rarzegure [V, I, S. 218) aus Fichte und Lärche kannte, ist 
im Erzgebirge und bei uns in Tharand ein nicht allzuseltener, aber auch nicht 
häufiger Bewohner von Fichtenstangen. Eine forstliche Bedeutung kommt ihm 
nicht zu. 


H. (Phloeophthorus) rhododactylus Marsu. Käfer länglich, stark 
gewölbt, glanzlos, pechschwarz oder dunkelbraun. Halsschild fast so lang als 
breit, nach vorn etwas verschmälert, an der Basis fast gerade, fein körnig- 
punktirt, gelblich behaart, die feine Mittellinie etwas erhaben. Flügeldecken 
meist etwas heller gefärbt, breit und tief punktirt-gestreift, die Punkte vier- 
eckig, Zwischenräume sehr schmal, erhaben, jeder mit einer Reihe aufgerichteter 
Haarbörstehen und Höckerchen. Kopf und Rüssel äusserst fein körnig punktirt, 
dünn gelb behaart, letzterer sehr kurz, durch einen halbkreisförmigen Eindruck 
von der Stirne geschieden. Fühler und Fussglieder rothgelb. Schenkel und 
Schienen pechbraun. Länge 1'7—2 mm. 


Lebensweise. Die Frassfigur dieses Käfers, diezunächst nach Russischem 
Materiale von Lixpemann [50, S. 102—103] und nach Materiale aus Tharand 
und dem Erzgebirge neuerlich von JaroscukA [36] abgebildet wurde, ähnelt 
ungemein der seines Verwandten aus der Besenpfrieme, dem Hyl. (Phloe- 
ophthorus) Spartii Nörpr. [vgl. XXIV, S. 23]. Auch er macht einen doppel- 
armigen Gang mit kurzer Eingangsröhre, dessen beide quer gegen die Astachse 
verlaufende Arme wie die Zinken einer Gabel zu einander gestellt sind. Die 


Abwehr der unter Nadelholzrinde brütenden Borkenkäfer. 529 


Larvengänge sind längsgerichtet. Eine Bedeutung kommt diesem in Fichten- 
ästen häufiger, als man gewöhnlich glaubt, vorkommenden Thiere nicht zu. 

Abwehr der unter Nadelholzrinde brütenden Borken- 
käfer im Allgemeinen. Nachdem wir auf $. 493 die Massregeln aus- 
führlich besprochen haben, welche durch die Verpuppung des Tannen- 
borkenkäfers, Tomicus curvidens Germ., im Holze selbst ausnahms- 
weise gegen diesen Käfer nöthig werden, wenden wir uns nun zu 
der Darstellung der Vorkehrungen, welche gegen die übrigen in der 
Rinde von Nadelholzstämmen und -Aesten brütenden Borkenkäfer 
zu treffen sind. Diese lassen sich fast gleichmässig auf alle zu dieser 
biologischen Gruppe gehörigen Borkenkäfer anwenden, ganz gleich, 
welche Nadelholzart befallen ist. Nur insofern variiren sie, als die 
einen sich mehr auf die Bewohner starken Materiales, also auf die 
Feinde älterer Bestände beziehen, während die anderen mehr gegen 
die Verderber der Stangenhölzer und Kulturen gerichtet sind. Eine 
sehr klare und übersichtliche Darstellung aller, namentlich auf den 
Buchdrucker bezüglichen Massregeln mit einsichtigster Kritik hat 
von KusawA [48] gegeben. Auch die Zusammenstellung namentlich 
bei dem Böhmischen Frasse gemachter Beobachtungen hierüber [79], 
welche 1875 in Wien erschien und unter Anderen werthvolle Bei- 
träge von PompE, SMETACZER, KLosE, ZENkER und J. Mickrırz enthält, 
namentlich die „Studien, Rückblicke und Folgerungen” des letzteren 
sind sehr beachtenswerth. 


Vorbeugungsmittel sind in diesen Fällen den Vertilgungsmitteln 
voranzustellen, da letztere allein in ausgedehntem Massstabe nur da 
in Frage kommen, wo bereits namhafter Schaden eintrat, und da 
das wichtigste und erfolgreichste Vertilgungsmittel, das Werfen von 
Fangbäumen zugleich auch Vorbeugungsmittel ist. Geeignete Vor- 
beugungsmittel sind namentlich folgende: 

a) Die Erziehung gesunder Bestände ist das Wichtigste, 
da kränkliche Bäume von den Käfern zunächst befallen werden, 
und von ihnen aus ein Angriff auf die gesunden Bäume ausgehen 
kann. Dies bezieht sich am allermeisten auf die Fichte, da man 
dieser Holzart eine viel grössere Disposition für die Wurmtrockniss 
beimessen muss als der Kiefer. Die Fichte darf also nicht auf ganz 
unpassendem, etwa zu armem Boden angebaut und muss auch später 
stets so bewirthschaftet werden, dass frühe und regelmässige Durch- 
forstungen, Stehenlassen von Windmänteln u. dgl. die Stämme in 
Wurzel und Krone gehörig befestigen. Bei den Durchforstungen ist 
jede Stockrodung zu unterlassen, da namentlich in sehr diehtem 
Stande erzogene Fichten vielfach mit ihren Wurzeln verwachsen und 
in Folge dessen jede Rodung die bleibenden, dominirenden Stämme 
verletzt, wodurch der Borkenkäfer herbeigelockt wird. 

b) Begründung gemischter Bestände. Dies bezieht sich nicht 
nur auf die Einsprengung von Laubbölzern in Nadelholzkomplexe, 
eine Massregel, die allerdings sehr geeignet ist, grössere Schäden 
abzuwenden, da nur in verschwindend seltenen Fällen Laubholz- 


530 Kap. IX. Die Käfer. 


borkenkäfer auf Nadelhölzer übergehen oder umgekehrt, sondern 
namentlich auch auf die Mischung verschiedener Nadelholzarten. 
Schon die Mischung von Fichten mit Kiefern ist bei der einigermassen 
geringeren Disposition der letzteren für Borkenkäferfrass angezeigt, 
noch mehr aber die Einsprengung der verhältnissmässig am wenigsten 
den Boıkenkäfern ausgesetzten T’annen und Lärchen. Dagegen haben 
sich die Hoffnungen, welche man früher häufig auf die Einführung 
fremder Nadelhölzer gesetzt hatte, nicht erfüllt, indem man nicht 
nur die Erfahrung machen musste, dass im Grossen und Ganzen die 
fremden Nadelhölzer von den in ihren einheimischen näheren Ver- 
wandten brütenden Käfern gern gleichfalls angenommen werden, 
sondern auch die erweiterte Kenntniss der geographischen Verbreitung 
der Scolytiden gelehrt hat, dass einige unserer einheimischen Borken- 
käferformen bis in die Heimat jener fremden Hölzer verbreitet sind. 


c) Reinliche, saubere Wirthschaft im Walde, die sich, 
soweit sie hier in Frage kommt, namentlich in rechtzeitiger Auf- 
arbeitung und Entfernung alles desjenigen todten und kranken Mate- 
riales zu äussern hat, in welchem die Borkenkäfer passende Brut- 
stätten finden können. Dies bezieht sich namentlich auf die Wind- 
und Schneebruchhölzer in älteren Beständen, sowie hier und in den 
Kulturen auf alle absterbenden, beschädigten, grösseren oder kleineren 
Stämmchen. Auch die Fällungsmethoden kommen in Betracht; so 
kann das Stehenlassen hoher Stöcke nachtheilig sein, indem letztere 
ebenso leicht für die grösseren Arten zu Brutstätten werden können, 
wie ungenutzt liegen bleibendes Reisig für die kleineren. Hohe, 
stehengebliebene Stöcke sollten wenigstens geschält werden, eine 
Massregel, welche gewiss manchmal Leseholzleute gern unentgeltlich 
besorgen. Das nicht absetzbare Reisig ist zu verbrennen, wodurch 
überdies noch Schutz gegen Waldbrände erzielt wird, unter Um- 
ständen auch noch für den Kulturbetrieb brauchbare Asche zu Kom- 
posthaufen gewonnen werden kann. Das während der Schwärmzeit 
der Käfer gefällte oder im Walde liegen bleibende Langnutzholz ist 
zu schälen oder wenigstens zu benappen. Dadurch entzieht man nicht 
blos den Borkenkäfern Brutstätten im Walde, sondern verhindert 
auch, dass mit Brut besetzte Stämme aus dem Walde nach benach- 
barten Lagerplätzen, Holzhöfen, Sägemühlen u. s.f. abgefahren werden, 
von wo aus erfahrungsgemäss die dort auskommenden Käfer leicht 
ihren Weg nach dem Walde zurückfinden. Indessen hat man mit 

diesen Massregeln nicht vorschnell vorzugehen, sondern darauf zu 

achten, dass der zu verbrennende Abraum und die zu schälenden 
Stämme vorher als Fangreisig und Fangbäume ausgenutzt werden 
können (vgl. S. 532—534). 

d) Regelmässige Revision der Bestände mit besonderer 
Berücksichtigung der schädlichen Insekten, namentlich der Borken- 
käfer, erleichtert ungemein die Durchführung der vorstehend ange- 
rathenen Massregeln. In einem nicht schon eine ungewöhnliche Käfer- 
menge bergenden Wirthschaftswalde wird diese Arbeit leicht von dem 


Abwehr der unter Nadelholzrinde brütenden Borkenkäfer. 531 


Forstpersonal selbst vorgenommen werden können. Ist aber die Menge 
des verdächtigen Materiales sehr bedeutend, sind ferner aussergewöhn- 
liche Naturereignisse, Windbrüche, Ueberschwemmungen u. s. f. ein- 
getreten, kommen auf 200 bis 300 Hektar schon mehr als 100 kranke 
Stämme und können die Beamten des Revieres die Revision nicht 
mehr allein bestreiten, besonders in schwer zugänglichen Gebirgs- 
gegenden, so müssen noch zuverlässige Arbeiter angestellt werden, 
je nachdem das Terrain den Begang mehr oder weniger leicht ge- 
stattet, auf 800 bis 1000 Hektar ein Mann. Diesem darf man nichts 
Anderes als nur die Revision der verdächtigen Hölzer, nicht auch die 
Entrindung und Wegschaffung derselben auftragen. Er muss jeden 
Stamm, jeden Stock und jede Klafter, worin er Käfer oder Brut 
antraf, mit dem Datum bezeichnen, womöglich auch noch ein Ver- 
zeichniss der Orte aufnehmen, welche entwickelte Brut haben und 
das Entrinden zuerst nothwendig machen [v. Bere]. 

Was die Zeit der Visitationen betrifft, so müssen die ersten 
zur ersten Schwärmzeit der Käfer unternommen werden. Aber auch 
später noch ist, besonders wenn durch Witterung und andere äussere 
Umstände eine schnellere Entwickelung begünstigt wurde, also eine 
mehrfache Generation zu erwarten steht, oder wenn Brut überwinterte, 
stete Aufmerksamkeit nöthig. 

Man hat ferner die Lieblingsplätze der Käfer besonders 
im Auge zu behalten. Es sind dies immer die trockensten und wärm- 
sten, am Rande der Schläge gegen Mittag, in Gebirgen vorzüglich 
an geschützten Südhängen gelegenen Stellen, ferner die kleinen Blössen 
in Mitte geschlossener Bestände, da wo der Sturm Lücken gemacht 
oder der Blitzschlag einzelne Bäume getödtet hatte. Bei stehendem 
Holze fliegt der Käfer am liebsten die höheren Theile an, da wo die 
stärksten Aeste abgehen, an Klaftern wählt er die oberen Kloben, 
nur bei heissem Wetter und in Freilagen auch wohl die untersten. 


Für die wichtigsten Bestandsverderber sind ferner die Merk- 
male des erfolgten Anfluges der Käfer dem Personal besonders 
einzuprägen. Beim Einbohren schafft der Mutterkäfer das Bohr- 
mehl zum Eingangsloch hinaus, Theils sieht man es vor diesem noch 
liegen, theils stäubt es hinunter und bleibt an allen Vorsprüngen 
des Schaftes, sowie an Moosen, Flechten, Spinnergeweben u. dgl. 
hängen. Beim Anprällen des Schaftes mit der Axt wird man das 
Bohrmehl noch deutlicher wahrnehmen und es sogar an einem eigen- 
thümlichen Geruche erkennen können, aber nur bei trockenem Wetter, 
denn Regen verwischt oft alle Spur desselben. Hat man indessen 
die Zeit getroffen, zu welcher der Käfer mit seinem Gange noch 
nicht ganz fertig ist, so wird sich auch nach dem Regen Bohrmehl 
wieder zeigen. Mit den Bohr- und Luftlöchern sind aber nicht jene 
Löcher zu verwechseln, welche andeuten, dass eine Familie bereits 
den Baum verlassen hat, die Fluglöcher. Sie sind stets zahlreicher 
und unregelmässiger vertheilt. Ferner ist auch auf den Specht zu 
achten, da dieser die Aufmerksamkeit auf kränkelnde Bäume lenkt. 


532 Kap. IX. Die Käfer. 


Zur Untersuchung giebt man den Arbeitern eine lange, oben 
mit einem Eisen beschlagene Stange, damit sie mit dieser auch 
die höheren Gegenden der Bäume untersuchen und nachsehen können, 
ob die Rinde sich hier schon löst und dadurch Käferbrut verräth. 
Unten wird mit einem Messer oder Meissel untersucht. 

In vielen Fällen leitet auch das, oft schon wenige Wochen 
nach dem Anfluge eintretende, kränkliche Aussehen der Bäume auf 
den Frass, indem die Nadeln vom Gipfel an sich röthen. Auch 
kommt es vor, dass die Nadeln plötzlich hängen, ohne vorher gelb 
zu werden. Oft sieht man aber der Benadelung nichts an, zumal 
wenn nach einer zweiten Brut im Herbste Knospen und Nadeln ganz 
ausgebildet sind und besonders durch feuchtes Wetter frisch erhalten 
werden. Die Rinde bekommt meist bald nachdem die Gänge fertig 
sind, ein eigenes missfarbiges, graues Ansehen [v. Ber«] und blättert 
ab, von unten nach oben am Stamm |Aurrmann]. 

Solche Revisionen sind um so nöthiger, als ja alle diese Käferarten 
dauernde Bewohner unserer Wälder sind, welche nur darauf warten, dass die 
ihre Vermehrung normalerweise beschränkenden Ursachen (vergl. den Allee- 
meinen Theil, $S. 158) theilweise wegfallen, um sich zu ungeheuren Schaaren zu 
vermehren. Sie allein werden es auch in Zukunft möglich machen, mit Sicher- 
heit die Frage nach dem wirklichen Vorkommen des Ueberfliegens der Borken- 
käfer aus stark befallenen Beständen in verhältnissmässig unbeschädigte zu 
entscheiden. Wir halten, wie schon oben bemerkt, die Wirklichkeit dieser Er- 
scheinung für feststehend, wenngleich durchaus nicht geleugnet werden soll, 
dass in vielen Einzelfällen die Angabe, auf diese Weise habe eine grössere 
Verheerung ihren Anfang genommen, gewiss unrichtig war und nur eine Ver- 
tuschung der Nachlässigkeit des Personales bezweckte. Die. Revisionen geben 
ferner den besten Aufschluss darüber, ob und wann mit dem Werfen von Fang- 
bäumen begonnen, beziehentlich fortgefahren werden muss. 

e) Das Werfen von Fangbäumen ist ohne Zweifel das 
sicherste Mittel, der Borkenkäfergefahr vorzubeugen, da man durch 
diese Massregel auch gleichzeitig eine Unmasse Käfer vernichtet. 
Man benutzt dazu zurückgebliebenes Lang- und Klafterholz, oder 
vom Winde gebrochene oder geschobene, oder auch unterdrückte 
Stämme, sie mögen stark oder schwach sein; denn an den schwachen 
fangen sich auch Käfer, und die geringen Mehrkosten des Entrindens 
der schwachen, für den Schluss des Bestandes entbehrlichen Stämme 
kommen nicht in Betracht. Sie werden 3—4 Wochen vor der Schwärm- 
zeit an Orten gefällt, wo man die Käfer am meisten erwartet, und 
sofort entastet, da das Belassen der benadelten Aeste die Aus- 
troeknung der gefällten Bäume so beschleunigt, dass sie sehr bald fast kein 
Käfer mehr annimmt. Man wirft sie auf untergelegte Stöcke oder 
Steine, damit die Käfer auch an der Unterseite anbohren können. 
Nur Windwürfe, welche mit einem Theile der Wurzeln in der Erde 
blieben, kann man als Fangbäume benutzen, ohne sie zu entasten, 
Die Anzahl der zu fällenden Fangbäume richtet sich nach der Grösse 
der Gefahr. Im ersten Frühjahr genügen wohl etwa 10 Stück für 
das Hektar, später bei geringer Gefahr weniger. Eine Hauptsache 
ist, von Zeit zu Zeit neue Fangbäume zu fällen und damit 


Abwehr der unter Nadelholzrinde brütenden Borkenkäfer. 533 


fortzufahren,solange währenddesSommersKäfer schwärmen. 
Bestimmte Vorschriften hierüber lassen sich nicht geben, da nach Lage, 
örtlichem Klima und Jahreswitterung die Generation der Käfer sehr 
verschieden ist. Man vergleiche hierüber auch die werthvollen Aus- 
einandersetzungen von Nüssrın [97 a und 57 b]. Unter Umständen kann 
man laufende Schläge als „Fangschläge” benutzen, wie sie HruscHEu 
sehr richtig nennt und nach seinen Erfahrungen in Oesterreich empfiehlt. 

Auch ist eigentlich jedes im Walde lagernde, noch nicht ab- 
gefahrene Holz gewissermassen als Fangbaum zu betrachten. Wo 
indessen keine besonders dringende Gefahr droht, darf man wohl, 
unter Beobachtung aller sonstigen Vorsichtsmassregeln, das in Raum- 
metern aufbereitete Holz unentrindet lassen. Gefällte Stämme werden 
dagegen bei nur irgendwie näher gerückter, grosser Gefahr stets zu 
schälen sein, aber wie z B. Krrıxer [42c] sehr richtig angiebt, 
nicht etwa gleich bei der Winterfällung, sondern erst im Frühjahr, 
wenn sich die Borkenkäfer bereits eingebohrt haben. Da indessen 
die Käfer, trotz der Fangbäume, auch andere stehende, ganz 
gesunde Stämme befallen, so muss man stets vorsichtig sein und 
nicht die Aufmerksamkeit verlieren, die Käfer also auch gleichzeitig 
im stehenden Holze aufsuchen und vertilgen. Man hat dabei haupt- 
sächlich die in der Nähe der Fangbäume befindlichen Orte, weil die 
Käfer sich hier concentriren, im Auge zu behalten. 

Sobald man merkt, dass die Muttergänge in den Fangbäumen 
fertig, und dass die ersten Larven schon der Verpuppung nahe sind, 
schreitet man zum Entrinden derselben 
und zum Verbrennen der mit Brut 
besetzten Borke, ‚gleichzeitig aber auch 
der infieirten Aeste, Zum Entrinden kann 
man sich mit Vortheil des in der neben- 
stehenden Figur abgebildeten, aus dem 
Schwarzwald stammenden Stosseisens be- 
dienen, das an einem ungefähr 1m langen 
Holzstiele gehandhabt wird. Es wurde 
zuerst von Roru [64] beschrieben. Unter- 
gelegte Tücher werden beim Entrinden Fig. 176. Im Schwarzwald ge- 
verhindern, dass Larven, Puppen und ee nach 
einzelne, bereits frühzeitig entwickelte Fa 
Käfer in das Gras und Moos fallen. Auch ist es gut, beim Verbrennen 
um das Feuer einen Kreis von heisser Asche zu bilden, der die 
etwa noch aus den aufgehäuften Rindenstücken hervorkriechenden 
Käfer vernichtet. Vortheilhaft ist es, wenn man bei der ganzen Ar- 
beit durch kühles Wetter unterstützt wird, weil bei solchem die 
Thiere träge sind. Aeste und Zweige müssen, wenn solche an ein- 
zelnen Fangbäumen zurückgeblieben sind, mit der Rinde verbrannt 
werden, denn sie enthalten gewöhnlich die kleineren Borkenkäferarten, 
die, wenn sie häufig sind, fast ebenso schädlich werden können wie die 
grossen. Dass beim Verbrennen grösste Vorsicht obwalten muss, um 


534 Kap. IX. Die Käfer. 


nicht Feuersgefahr für den Wald hervorzurufen, versteht sich von 
selbst. AutLemann räth, die Verbrennung in Gruben vorzunehmen, aus 
deren Umkreis man Streu und Moos entfernt hat 1 8.52]: 

RarzesurGg hat bis zuletzt [|X, S. 84] festgehalten, dass es sich empfehle, 
den Fangbäumen die Aeste zu lassen. Dieses Verfahren wird aber schon 1875 
von Fıscuracu [I6, S. 28] gänzlich verworfen, da er beobachtet hat, dass gerade 
die entasteten Stämme am besten wirken, und Jupeicu schloss sich bereits seit 
langer Zeit der richtigen Ansicht Fıschracn's ausdrücklich an [38a, S. 75]. 
Wenn neuerdings Hess [XXI, 2. Aufl., S. 282] gegen diese gewiss sehr noth- 
wendige Massregel einwendet, dass dieselbe am Kostenpunkte scheitern dürfte, 
so ist einfach darauf hinzuweisen, dass es doch wohl völlig gleich viel kostet, 
ob die Fangbäume gleich beim Fällen, oder erst bei der Schälung, wo es absolut 
nicht vermieden werden kann, entastet werden. Das Bedenken, dass man 
mit entasteten Fangbäumen die astbrütenden Borkenkäfer nicht trifft, fällt 
gleichfalls nieht in das Gewicht, wenn man, wie wir im Folgenden empfehlen, 
Fangreisig gegen diese kleineren Feinde legt, wozu sich die von den Fang- 
bäumen abgehauenen Aeste recht gut eignen. 

Das Verbrennen der Rinde ist unumgänglich nöthig. Hier und da 
unterliess man es, in der Meinung, dass das blosse Auslegen der Rinde an der 
Sonne schon hinreiche, die Brut zu tödten. Indessen ist diese, allerdings ur- 
sprünglich von RAtzsgurG selbst getheilte, späterhin von ihm aber völlig auf- 
gegebene Ansicht durch die genauen Versuche von Cocno [Ila] gründlich 
widerlegt. Wir theilen die Ansicht dieses genauen Beobachters vollständig, um- 
somehr, als es bei der unregelmässigen Entwiekelung einer und derselben Brut 
ganz unmöglich ist, das Schälgeschäft zu vollenden, ehe sich nicht die ersten 
Larven in Puppen und Käfer verwandelten. Dazu kommt noch, dass in der 
diekeren Rinde sehr alter Fichten die Larven ihre Puppenwiegen nicht blos in 
der Bastschicht, sondern unmittelbar unter der äusseren Borkenschicht anlegen, 
so dass man sie an den losgeschälten Rindenstücken auf deren Innenseite gar 
nicht bemerkt, und erst findet, wenn man die Rinde zerbricht. Jupeıcn hat diese 
Thatsache 1874 im Böhmerwalde wiederholt an den im Boden zurückgebliebenen 
Fichtenstöcken beobachtet. Das Gleiche gilt von dem Vergraben der besetzten 
Rinde; auch dieses genügt keineswegs, da die Käfer im Stande sind, sich auf 
die Oberfläche durchzugraben, und die Decke der Grube dann mitunter wie ein 
Sieb aussieht. Dies wird durch die Versuche von Anuemann (la, S. 52) und CocHo 
deutlich bewiesen. Selbst durch Beigabe von Kalk in die Gruben werden nicht 
alle Käfer getödtet. O. Grunerr hat sogar nachgewiesen, dass 7!/, Monate langes 
Vergraben in eine Tiefe von 63 und 40 cm dem T. typographus L. nicht schadet. 

f) Das Auslegen von Fangreisigbündeln ist eine Mass- 
regel, welche sich in gleicher Weise gegen die schwaches Material 
bewohnenden Borkenkäfer richtet, wie das Werfen von Fangbäumen 
gegen die Stammbewohner. Es ist dieselbe bis jetzt wohl kaum in 
grösserem Massstabe angewendet worden. Da aber Eıcnuorr mit 
Bestimmtheit angiebt, dass er T. bidentatus H»sr. jedesmal, wenn es 
ihm darum zu thun war, angelockt und veranlasst habe, seine Brut 
an Kiefernfangreisig abzusetzen, so ist sie als Vorbeugungsmittel 
wenigstens für diesen Kulturverderber sicher zu empfehlen und dürfte 
sich wohl in sehr vielen Fällen auch gegen die anderen kleineren, 
namentlich Aeste bewohnenden Borkenkäfer nützlich erweisen. Natür- 
lich ist dann dieses Vorgehen, wie das Werfen der Fangbäume, so 
lange fortzusetzen, als man ein nochmaliges Schwärmen der Käfer 
erwarten darf. Auch muss es, wenn es nicht in sein Gegentheil 
umschlagen soll, mit dem rechtzeitigen Verbrennen der Fangbündel 
verbunden werden. 


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Abwehr der unter Nadelholzrinde brütenden Borkenkäfer. 535 


g) Forsteinrichtungsmassregeln können insofern vorbeugend 
gegen Borkenkäfergefahren wirken, als durch eine den örtlichen Ver- 
hältnissen entsprechende Ordnung der Hiebsfolge die Bestände gegen 
die Beschädigungen durch den Wind wenigstens einigermassen ge- 
schützt werden, namentlich aber auch dadurch, dass durch die 
Bildung kleiner Hiebszüge für die Zukunft das Entstehen grosser, 
gleichalteriger Bestandskomplexe verhindert wird, deren Vorhandensein 
allein derartig fürchterliche Sturmverheerungen und deren Folgen 
ermöglicht, wie sie z. B. 1868 und 1870 viele Deutsche und Oester- 
reichische Waldungen heimsuchten. Besonderes Gewicht ist aber ferner 
darauf zu legen, dass eine gute, durch die Bildung kleiner Hiebszüge 
bedingte Ordnung des Hiebes es sehr leicht macht, künftig einen 
oder den anderen Bestand ohne Störung des ganzen Wirthschafts- 
betriebes früher abzutreiben, als man in der Gegenwart, beim Ent- 
wurf des Wirthschaftsplanes, voraussehen konnte. Nur so hat man es 
in der Hand, durch Elementarereignisse oder durch Insektenfrass 
gelichtete und beschädigte Bestände rasch zum Hieb zu bringen und auf 
diese Weise sogenannte Insektenherde rechtzeitig zu beseitigen. 


Sehonung aller Feinde der Borkenkäfer ist natürlich auch hier 
eine sehr zu empfehlende Massregel, wenngleich eine Ermahnung dazu für die Praxis 
kaum besonders werthvoll sein dürfte. Wo man rationelle Forstwirthschaft treibt, 
mordet man meistens die insektenfressenden Vögel, um welche es sich hier in 
erster Linie handelt, überhaupt nicht; wo man dies thut (vergl. S. 240), wird 
man es sicher nicht mit Rücksicht auf Borkenkäferfrass unterlassen. Schonung 
der Borkenkäferfeinde aus der Klasse der Insekten (vergl. z. B. S. 291) in einem 
praktisch wirksamen Umfange ist einfach unmöglich. Es bleibt daher hier nur 
zu erwähnen, dass sich, wie namentlich Aurrmann [la, S. 53] und FreiıscHEr 
[17, S. 23] berichten, die Schlupfwespen öfters an der Vernichtung der Borken- 
käfer betheiligen. Pteromalus multicolor und Roptocerus xylophagorum Rarz. 
sind aus T. typographus erzogen worden. 

Die Vertilgungsmittel, deren Anwendung, seitdem wir die 
Vorbeugungsmassregeln besser als ehemals zu handhaben gelernt haben, 
und seitdem wir von dem Glauben zurückgekommen sind, dass der 
Borkenkäfer nur krankes Holz angreife, Gottlob! immer seltener 
nöthig wird, sind zum Theil dieselben. Wir brauchen die Fang- 
bäume auch dann noch, wenn die Wurmtrockniss schon anfängt 
um sich zu greifen. Es ist das einzige Mittel, derselben noch Einhalt 
zu thun und den Käfer von den stehenden Bäumen etwas abzuleiten. 
Sie müssen daher auch zahlreich und an möglichst vielen Orten ge- 
worfen werden. Die Vertilgung des Borkenkäfers wurde in Ostpreussen 
bei dem grossen Insektenfrasse der Fünfziger- und Sechzigerjahre, 
so wenig Aussicht auf Erfolg auch die rapid wachsende Wurmtrockniss 
bot, doch mit. aller Energie betrieben, und man kämpfte da, wo das 
Uebel noch nicht durch Naturhilfe beseitigt war, unausgesetzt gegen 
das Insekt durch Fangbäume und Aushiebe der beflogenen, noch 
grünen Stämme, besonders in mehreren einzelnen, in weiten Feldern 
liegenden Forstschutzbezirken, welche durch Raupenfrass wenig ge- 
litten hatten. In ähnlicher Weise wurde in neuerer Zeit in den fürst- 
lich ScHhwArzengerg’schen und gräflich Tuun’schen Waldungen des 


536 . Kap. IX. Die Käfer. 


Böhmerwaldes verfahren, wo dem Borkenkäfer bis 1874 allerdings 
Millionen von Bäumen zum Opfer gefallen sind. 

Ist es schon so weit gekommen, dass der Hieb im wurm- 
trockenen Holze geführt werden muss, so steht die Sache sehr 
schlimm. Es ist schon vorgekommen, z. B. am Ende des vorigen 
Jahrhunderts im Harze und Voigtlande, dass die Bäume überall, so 
weit das Auge reichte, trocken geworden waren, und dass man gar 
nicht Holzschläger genug bekommen konnte, um alle schnell genug 
fällen zu lassen. In diesem Falle ist es höchst wichtig, die alte von 
der frischen Trockniss sorgfältig zu unterscheiden und vor allen 
Dingen in der frischen, d. h. da, wo der Käfer mit seiner Brut 
noch darin steckt, zuerst zu hauen. Der Käfer geht natürlich 
immer weiter und greift nur die frischen Bäume, gleichsam 
stehende Fangbäume, an. Liesse man ihn hier also hausen und 
räumte man nur das abgestorbene Holz weg, so würde immer mehr 
absterben. Es versteht sich, dass hier das Abschälen und Verbrennen 
der mit Brut gefüllten Rinde, oder die schleunige Abfuhr, Verflössung 
oder Verkohlung des ganzen Holzes ebenso wichtig ist, wie bei den 
Fangbäumen. Auch räth Anuemans, nirgends mit dem Hiebe zu 
zögern, da auch Wurmholz, wenn es nur sofort nach dem Anfluge 
gefällt und geschält wird, sich recht gut hält. 


Hier ist auch besonders darauf zu sehen, dass nicht nur die 
geschälte Rinde, sondern auch das Reisig verbrannt wird. Geht ja 
doch sogar der Buchdrucker gelegentlich in Aeste (vgl. S. 512), und 
sind doch sie und die Gipfelstücke bei grösserem Frasse stets die 
Wohnstätten der vielen kleineren Käferarten. 


Viel wichtiger als bei den eigentlichen Bestandsverderbern 
sind Vertilgungsmittel gegen die Feinde der Stangenhölzer und 
Kulturen. Besonders in letzteren wird öfters auch in gut bewirth- 
schafteten Revieren, namentlich in grösseren Diekungen, an schwer 
zugänglichen Hängen u. s. f. ein horstweiser Frass dieser kleineren 
Formen vorkommen und erst dann bemerkt werden, wenn er bereits 
wirklich Schaden gethan hat. Hier ist in älteren Kulturen rücksichts- 
losester Aushieb aller befallenen Stämmchen, in jüngeren das Aus- 
reissen der befallenen Pflanzen zu empfehlen. Gewinnt man hierdurch 
noch brauchbare Knüppel, so kann man sich mit gründlichem An- 
rösten derselben begnügen, namentlich dort, wo günstige Absatzver- 
hältnisse eine Verwerthung des so geretteten Materiales gestatten. 
Wo das nicht der Fall ist, muss auch hier vollständige Verbrennung 
eintreten, und sicher müssen alle Abraumhölzer aus solchen be- 


en lim 


fallenen Horsten, sowie die aus jüngeren Kulturen ausgerissenen 
Pflanzen verbrannt werden. 
Durch Borkenkäferfrass bedingte Veränderungen im 
. . 48 E 
ganzen Wirthschaftsbetriebe werden natürlich nur dort vor- | 
kommen können, wo wirklich ausgedehnte Flächen verwüstet wurden. { 


Namentlich werden dieselben bedingt erstens durch die Unmöglichkeit 


Abwehr der unter Nadelholzrinde brütenden Borkenkäfer. 537 


der Verwerthung grosser, plötzlich auf den Markt gelangender 
Holzmassen zu normalen Preisen, zweitens durch die Schwierigkeit, die 
ausgedehnten Abtriebsflächen wieder schnell in Bestand zu bringen. Hier 
_ eröffnet sich dem denkenden, höheren Forstbeamten ein weites Feld 
der Thätigkeit. Durch passende, auf die örtlichen Verhältnisse und 
die Gewohnheiten der holzverbrauchenden Bevölkerung gestützte Er- 
leichterungen der Absatzbedingungen, durch Abschlüsse mit Gross- 
händlern, durch Unterstützung der Anlage holzverbrauchender, ge- 
werblicher Betriebe in der Nähe der verwüsteten Wälder, wird es 
einem solchen möglich werden, den Ertragsrückgang seiner Reviere 
wenigstens einzuschränken. Durch die ausnahmsweise Verwendung 
erheblicher Mittel auf die Erziehung einer hinreichenden Menge von 
Pflanzen, durch ausgedehntere Anwendung der Saat auf irgend dazu 
geeigneten Orten wird man meist in der Lage sein, der Verangerung 
und Verhaidung der grossen Schlagflächen mit Hilfe rechtzeitigen 
Anbaues vorzubeugen. Die rasche und gelungene Aufforstung der 
grossen, durch Sturm und Borkenkäfer kahlgelegten Flächen im 
Böhmerwald, welche man z. B. in den fürstlich SchwArzEnBErg’schen 
und fürstlich Homenzoruern’schen Waldgebieten findet, beweist die 
Möglichkeit sicherer Erfolge der sofort energisch in Angriff genom- 
menen Kulturmassregeln auch im grössten Massstabe. 

Unter besonderen örtlichen Verhältnissen kann es wohl auch 
möglich und rathsam sein, einige Jahre hindurch auf den kahlgelegten 
Flächen durch Verpachtung an eine dazu bereite, ländliche Be- 
völkerung Waldfeldbau zu treiben. Dadurch wird nicht blos eine 
beachtenswerthe Nebennutzung gewonnen, sondern es wird bekanntlich 
auch durch die mit solcher Massregel verbundene Bodenlockerung 
der darauf folgende forstliche Anbau wesentlich erleichtert und ge- 
fördert. In grossartigstem Masse mussten derartige Hilfsmittel nach 
den furchtbaren Verheerungen der Ostpreussischen Waldungen durch 
Nonne und Borkenkäfer in den ‚Jahren 1854 bis 1862 ergriffen 
werden, weil es dort thatsächlich unmöglich war, die ausgedehnten, 
verwüsteten Flächen in kurzer Zeit wieder forstlich anzubauen. Man 
hat dort grosse Strecken des Waldbodens auf 2—12 Jahre, einzelne 
grössere Partien sogar auf 50 Jahre zu Feldbau verpachtet; man 
hat für vorübergehende Zeit Wiesen durch die Pächter anlegen 
lassen, hier und da anderen Grasnutzung und Weide gestattet. Die 
ernstlich erwogene Frage, ob es rathsam sei, einen grösseren Theil 
der fraglichen Flächen bleibend der Waldwirthschaft zu entziehen 
und der Landwirthschaft zu übergeben, glaubte man vermeinen zu 
müssen und zog deshalb Verpachtungen auf längere oder kürzere 
Zeit vor. Die Aufforstung der sofort anzubauenden und der zuerst 
wieder pachtfrei werdenden Flächen erfolgte ganz planmässig, 
indem man dabei auf die künftige Hiebsordnung Bedacht nahm, also 
die einst wahrscheinlich zuerst zum Abtrieb gelangenden Flächen 
auch zuerst anbaute. Unterstützt wurde diese Massregel durch das 
Ueberhalten vieler, wenn auch schwer geschädigter Bestände, deren 

Lehrbuch d, ınitteleurop. Forstinsektenkunde, 35 


538 Kap. IX. Die Käfer. 


Beschaffenheit dies, namentlich wegen fast sicher zu erhoffender, 
natürlicher Besamung der darin befindlichen grossen und kleinen 
Bestandslücken, ermöglichte. Dass man beim künstlichen Anbau der 
Kahlflächen die Frage erwog, ob und inwieweit den Fichten, die 
einst wieder den Hauptbestand bilden sollten, Kiefern, Lärchen und 
Laubhölzer, wie Eichen, Eschen u. s. w., beizumischen seien, an 
welchen Stellen vielleicht die Kiefer überhaupt Vorzug verdiene, 
versteht sich von selbst. Wir empfehlen vorkommenden Falls die vor- 
treffliche Darstellung nachzulesen, welche Gruxerr [26a] von den 
bei dem ÖOstpreussischen Nonnen- und Borkenkäferfrasse getroffenen 
Anordnungen giebt. Auch Wırrkomm [75a] bringt in seinem ÖOst- 
preussischen Reiseberichte viele beachtenswerthe Angaben. 


Im Holze selbst brütende Borkenkäfer. Diese gewöhnlich 
technisch schädlichen, nur selten auch das Leben jüngerer Stämme 
bedrohenden Käfer entziehen sich zwar der Beobachtung ihrer Ge- 
wohnheiten in Folge der grösseren Verborgenheit ihrer Brutstätten 
mehr als die Rindenbrüter, ihre Angriffe sind aber als solche leicht 
kenntlich, weil, abgesehen von der Zeit des allerersten Angriffes, 
das von den bohrenden Weibchen aus den Röhren geschaffte 
Bohrmehl ausschliesslich von der Holzfaser herrührt und daher 
durchaus weiss ist, nicht braun oder gemischt braun und weiss, 
wie bei den Rindenbrütern. Ausserdem lassen sich auf Spaltstücken 
ihre Gänge von denen anderer Holzbohrer leicht durch die schwarze 
Färbung der Wände unterscheiden. Sehen sie doch aus, als wären 
sie mit glühendem Draht in das Holz gebrannt. Es stimmt ferner die 
Lebensweise aller dieser Formen darin überein, dass die Nahrung 
ihrer Larven, wie bereits oben (vgl. S. 439) kurz auseinandergesetzt 
ist, nicht wie die der Rindenbrüter ausschliesslich aus den bei Er- 
zeugung der Larvengänge gewonnenen Nagespänen besteht, sondern in 
einigen Fällen wenigstens theilweise, in anderen wohl vollständig 
aus den in die Brutröhren austretenden Baumsäften oder aus hier 
wuchernden Pilzrasen. 

Die Anschauungen über Leben und Nahrung der Larven holzbrütender 
Borkenkäfer sind noch nicht völlig geklärt. Definitiv abgethan ist die ältere 
Ansicht, dass bei den Leitergänge machenden Formen die kurzen Leitersprossen 
nicht durch das Nagen der Larven, sondern durch eine im Umkreise der Larven 
entstehende Zersetzung des Holzes verursacht würden. Diese Aufklärung ver- 
danken wir Berıne [305, S. 182 und 4, 8. 38 und 39]. Hier sowohl wie bei 
Tomicus Saxesenii Rarz. dienen also nachweisbar die von ihnen abgenagten 
Holztheilchen als Nahrung für die Larven. Anders liegt aber die Frage bei 
denjenigen Arten, bei welchen die Larven kein selbstständiges Nagegeschäft 
betreiben. Hier muss nothwendigerweise die Ernährung eine andere sein, Auch 
für die erstgenannten, namentlich für die Leitergänge machenden Formen ist 
es zweifelhaft, ob die abgenagten Späne ihre einzige Nahrung bilden und nicht 
wenigstens zu der Zeit, wo die Leitersprossen bereits fertig sind, eine andere 
Nahrungsquelle vorhanden ist. Die ersten Angaben hierüber rühren aus den 
Dreissigerjahren von SCHMIDBERGER her und beziehen sich auf Tomicus dispar 


Fagr, [IV, S. 264]. Er berichtet, dass er die von den Weibehen gemachten 
Gänge mit einer weisslichen, einer Salzkruste ähnlichen Substanz überzogen 


u 


Pr. 


Im Holze selbst brütende Borkenkäfer. Nutzholz-Borkenkäfer. 539 


fand, welche nach seiner Ansicht von dem Weibchen „aus dem anusgetretenen 
und ins Stocken gerathenen Baumsafte mit Hinzuthun eines eigenen Saftes 
bereitet”' wird. Diese Substanz, welche er „Ambrosia” nennt, hielt er für die 
Nahrung der Larven und fand sie stets in den Brutgängen, in denen ausge- 
wachsene Larven vorhanden waren, völlig aufgezehrt. In der ersten Auflage 
seiner Forstinsektenkunde bezweifelt RarzegurG diese Angaben, bestätigt sie 
aber in der zweiten [V, I, S. 207] und vermuthet, dass der in die Muttergänge 
austretende, in eine weinige Gährung übergehende Pflanzensaft durch Vermi- 
schung mit Nagespänen und Speichelsaft des Mutterthieres seine Consistenz 
erlange. 1844 berichtet Tu. Harrıc [30a], dass diese „Ambrosia” aus einem 
von Nagespänen völlig freien Pilzrasen bestehe, welcher direkt der durchnagten 
Holzfaser, die an ihrem äusseren Ende eine dunkelbraune Färbung erhalten 
hat, entspringt. Er nennt den Pilz Monilia candida und nimmt diesen Rasen, 
der „sich von den Borkenkäferlarven abgeweidet, in kurzer Zeit regenerirt”, als 
die einzige Nahrung der Larven an. EıcnHorr ist geneigt, diese „Ambrosia”, 
welche er wesentlich als ausgetretenes Baumsaftgerinnsel ansieht, als die 
alleinige Nahrung aller holzbewohnenden Borkenkäferlarven zu betrachten, die 
Pilze aber als etwas Unwesentliches beiseite zu lassen, und er bezweifelt sogar, 
dass die vonden Trypodendron-Larven abgenagten Späne wirklich gefressen 
werden [l5a, S. 304]. Letztere Anschauung lässt sich aber nach den Beob- 
achtungen Beuine’s [4, S. 39] nicht halten. Dass aber andererseits der Baumsaft 
hier eine wesentliche Rolle spielt, ist schon daraus ersichtlich, dass völlig aus- 
getrocknetes Holz von den Käfern gemieden, beziehentlich verlassen wird. Auch 
die schwarze Färbung der Gangwände ist noch nicht völlig erklärt. Allerdings 
steht fest, dass diese Färbung durch Pilzmycelien erzeugt wird, welche sich 
einige Zeit nach der Anlage der Gänge durch den Mutterkäfer, wenn bereits 
eine Zersetzung der Säfte eingetreten, hier ansiedeln, aber durch die fort- 
währende Bewegung der Mutterkäfer und der Larven gestört, zu keiner richtigen 
Fructifieation gelangen können, sondern nur eine dünne Kruste bilden. Die 
Thatsache, dass sich sowohl bei Fichten wie Buchen eine ähnliche Schwarz- 
färbung auch auf feucht gehaltenen Spaltflächen bildet, beweist nämlich, dass 
diese Erseheinuug nicht etwa, wie man früher meinte [30a], von einem durch 
den Mutterkäfer abgesonderten Giftstoffe herrührt. Welcher Art diese Pilze aber 
sind, steht, obgleich Tu. HarrısG |305 und 30c] hierüber mancherlei Angaben 
gemacht hat und namentlich nachzuweisen sucht, dass es sich bei Fichte und 
Buche um verschiedene Pilze handele, noch nicht fest. Dass in Fichte der von 
WILLKkomMm aufgestellte Xenodochus ligniperda die Ursache sei, kann insofern 
nicht angenommen werden, als dieses Mycel gar keine selbstständige Pilzform 
- darstellt, sondern nur eine Entwickelungsform eines Hymenomyceten ist. 


Hierher zählen sämmtliche Mitglieder der Untergattungen Xyle- 
borus Eıcnm. und Trypodendron Sırpu., welche wieder zur Gattung 
Tomicus im weiteren Sinne gehören, und die Gattung Platypus Hssr. 
Wir sehen von den selteneren ab und behandeln nur neun, nach 
biologischen Unterabtheilungen zusammengefasste Arten. 


Die erste zusammengehörige Unterabtheilung bilden 


die Nutzholz-Borkenkäfer, 


Tomicus lineatus OLıv., T. signatus Fapr. und T. domesticus L., 


Diese ungefähr 3mm langen Käfer sind leicht kenntlich au 
dem stark gewölbten, vorn gekörnten Halsschilde, die fast glänzenden, 
gewöhnlich heller gefärbten und dunkle Längszeichnungen zeigenden 


Flügeldecken ohne Eindruck an dem Absturze. Biologisch sind sie 
35* 


t 


540 Kap. IX. Die Käfer. 


charakterisirt durch die von ihnen gemachten Holz-Leitergänge, durch 
deren Anlage die technische Verwendbarkeit des Holzes für feinere 
Zwecke beeinträchtigt wird. Vertilgungsmittel sind weniger gegen 
sie anzuwenden, als Vorbeugungsmittel. 


Beschreibung: T. (Trypodendron Srrna., Xyloterus Er.) lineatus 
Or. Liniirter Nadelholz-Bohrer. Käfer walzenförmig, schwarz, Beine, 
Fühler, Basis des Halsschildes und Flügeldeeken gelblichbraun, der Seitenrand 
der letzteren und die Naht, sowie ein mehr oder weniger deutlicher Längsstreifen 
auf der Mitte jeder Flüseldecke schwarz; die Flügeldeeken fein, nicht tief 
punktirt-gestreif, mit glatten Zwischenräumen. Die Fühlerkeule ist an der 
Spitze stumpf abgerundet. Beim S ist die Stirn tief ausgehöhlt und hat vorn 
ein schwaches, manchmal undeutliches Längskielchen. Das Halsschild ist breiter 
als lang, fast viereckig mit gerundeten Seiten, vorn nur ganz flach gerundet, 
überdies mit feinerer Skulptur als beim ®. Beim 9 ist die Stirn gewölbt, 
das Halsschild nach vorn in starkem Bogen gerundet. Länge 2:8—3 mm. 

Die schwarze Zeichnung auf der Oberseite des Käfers ist ziemlich ver- 
änderlich und tritt oft fast ganz zurück. Die wohl unreifen Exemplare, bei 
welchen nur der Kopf schwarz ist, betrachtete man früher als Don Art, 
Bostr. melanocephalus FABr. 

T. (Trypodendron Sren., Xyloterus Er.) signatus FApr. (Or 
Liniirter Laubholz-Bohrer. Käfer an Gestalt und Färbung dem T. 
lineatus äusserst ähnlich, auch bezüglich der Unterschiede beider Ge- 
schlechter. Die Fühlerkeule ist jedoch viel grösser und an der inneren Ecke 
stumpf, etwas nach innen vorgezogen. Die Punktstreifen der Flügeldecken sind 
etwas gröber, die einzelnen Punkte zum Theil nieht ganz rund, sondern etwas 
eckig ausgezogen, so dass die Zwischenräume stellenweise gerunzelt erscheinen. 
Länge 3—3°5 mm. 

T.(Trypodendron Sıru., Äyloterus Er.) domesticus L. Buchen-Laub- 
holz-Bohrer. Käfer seinen Gattungsverwandten sehr ähnlich, auch be- 
züglich der Unterschiede beider Geschlechter. Die Fühlerkeule ähnelt der des 
T. signatus, ist jedoch an der Spitze nach innen in ein weniger abgerundetes, 
deutliches Zähnchen erweitert. Die fein punktirten Flügeldecken sind an der 
Spitze deutlich gefurcht, mit etwas vorspringendem Nahtwinkel. Letzterer ist 
bei den andern beiden Arten einfach abgerundet. Typische Exemplare sind schon 
durch die Färbung leicht zu erkennen; die Flügeldecken sind mehr strohgelb, 
der schwarze Streifen auf der Mitte fehlt stets; das Halsschild ist in der Regel 
ganz schwarz. Farbenvarietäten, z. B. solche mit mehr oder weniger gelblich 
gefärbtem Halsschild, unterscheiden sich von den verwandten Arten am leichtesten 
durch die Gestalt der Fühlerkeule und durch den vorspringenden Nahtwinkel 
der Flügeldecken. Die gewöhnlich gelben Fühler und Beine zeigen ausnahms- 
weise eine dunkle Färbung. Länge 3 mm. 


Lebensweise. Diese drei Käferarten schliessen sich insofern 
den bisher behandelten, rindenbrütenden Borkenkäfern noch an, als 
auch bei ihnen die Larven, jede für sich, einen gesonderten Gang 
anlegen, unterscheiden sich aber andererseits scharf von jenen dadurch, 
dass der zugleich in seiner gesammten Ausdehnung als Puppenwiege 
dienende Larvengang gerade nur so gross ist, dass die Larve ihn in 
jedem Stadium ihrer Entwickelung ganz ausfüllt. Die Larven können 
also sicher wenigstens einen Theil ihrer Nahrung den abgenagten 
Holztheilchen entnehmen (vgl. S. 538). Das bereits an seiner Ge- 
burtsstätte von dem der gleichen Brut entstammenden Männchen be- 
gattete Weibehen bohrt eine senkrecht durch die Rinde in das Holz 
gehende Eingangsröhre und verlängert diese gewöhnlich in mehrere, 


in demselben Stammquerschnitt wie die Eingangsröhre verlaufende 


eh 


Tomicus lineatus, T. signatus und T. domesticus. 541 


Brutröhren, in welchen, dem Fortschritte des Stollens entsprechend, 


N 
| 
[ 
ER EB BR 


Fig. 177. Leitergänge holzbrütender Borkenkäfer: A Frassfigur von Tomicus 

lineatus Orıv. auf einem Stammquerschnitte, BD dieselbe im Längsschnitte des 

Stammes, beide nach Bering [4]. C Frassfigur von T. domesticus L. auf dem 
Stammquerschnitt gesehen. ab Eingangsröhren, be Brutröhren. Original. 


auf der Unter- und Oberseite, nicht rechts und links, in mässiger 
Entfernung Einischen genagt, je mit einem Ei belegt und wieder 


542 Kap. IX. Die Käfer. 


mit Bohrmehl verschlossen werden. Die ausschlüpfenden Larven 
nagen nun je nach der Lage ihrer Geburtsnische nach oben oder 5 
unten in der Richtung der Holzfaser Larvengänge von dem gleichen 
Kaliber wie die Muttergänge, welche aber, wie bereits bemerkt, sehr 
kurz, höchstens 5 mm lang, bleiben und wie die Sprossen einer ein- 
baumigen Leiter zu einander stehen, weshalb die gesammte Frass- 
figur als „Leitergang’’ bezeichnet wird. Die Exkremente werden von 
der Larve zur Verstärkung der den Larvengang gegen den Mutter- 
gang abschliessenden, dünnen Scheidewand benutzt. Die Puppe liegt 
in diesem Larvengang stets mit dem Kopfe der Brutröhre zugewendet. 

Die Frassfiguren der drei Arten unterscheiden sich insoweit, 
als der Regel nach die Eingangsröhre von T. lineatus OLıv. ver- 
hältnissmässig kurz bleibt und von ihrem Ende nur zwei Brutgänge, 
dem Laufe der Jahresringe folgend, nach rechts und links sich ab- 
zweigen (Fig.141, 7, 8.440), obgleich auch andere Anordnungen, welche 
Beuing sehr gut in einer schematischen Figur vereinigt hat (Fig. 177A), 
vorkommen. Gewöhnlich bleiben diese Gänge blos im Splinte. Die 
Gänge der beiden anderen Arten dringen dagegen öfters tiefer ein, 
und die oft in der Mehrzahl vorhandenen Brutröhren gehen nicht 
in der Richtung der Jahresringe, sondern schräg durch dieselben 
(Fig. 1770). 

Was die Brutbäume dieser drei Arten betrifft, so ist T. lineatus 
Orıv. wohl ausschliesslich Nadelholzkäfer, und zwar schon nach 
Rarzegurg’s später öfters bestätigter Angabe mit Bevorzugung der 
Tanne, Abies pectinata Dec., [V, I, S. 200]. Die beiden anderen 
Arten sind dagegen den verschiedensten Laubhölzern gemeinsam. 
T. lineatus Orıv. geht sicher mitunter stehende Stämme an, dagegen 
scheint er ganz gesunde zu meiden. Viel häufiger findet er sich aber 
in Windbruchhölzern, alten Stöcken und gefälltem Nutzholze. Die 
beiden anderen Arten gehen meist auch nur in unterdrückte Stangen 
und Stöcke, jedoch auch in gefällte Stämme. 


Die Angabe von Rartzegurg, dass T. lineatus Orıy. auch in Birke vor- 
komme, dürfte wohl, wie EıcuHorr vermuthet, auf Verwechselung mit dem sehr 
ähnlichen, damals noch nieht unterschiedenen T. signatus FAgr. beruhen. Auch 
Weymouthskiefern und Lärchen geht er an, desgleichen nach HenscHEL 
[|32e, S. 536] die Arve. Die Laubholzkäfer sind sehr polyphag. T. signatus 
Fazer. wird angegeben [I5a, S. 297] aus Eiche, Buche, Ahorn, Birke und 
Linde; T. domesticus L. ist vorwiegend ein Buchenkäfer, kommt aber auch 
[XXIV, 8. 37] in Ahorn, Birke, Hainbuche, Akazie, Erle, Kirschbaum 
und Mehlbaum, (Sorbus aria Eurn.), vor. 


Sämmtliche drei Arten sind Frühschwärmer, welche meist 
eine doppelte Generation haben. Wir stellen die Entwickelung 
von T. lineatus Orıv. nach den Untersuchungen von Bering, 
dem wir die erste Klarlegung dieser Frage |4] verdanken, dar. 
Dieser nimmt als normale Flugzeit im Harze den Monat April an, 
und verlegt den zweiten Flug in den Juli, weiss aber sehr wohl, 
dass bei günstiger Witterung und in wärmeren Gegenden — z.B. 
nach Eıchnorr stets im Elsass — der Käfer auch viel früher, schon 


3 
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y 


Lebensweise, Schaden und Abwehr von T., lineatus u. Verwandten. 543 


im März, tliegen kann. Es stellt sich daher die normale Ent- 
wiekelung ungefähr folgendermassen: 5 


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Jan. a ar Mai | Juni | Juli | Aug. | Sept. | Oet. | Nov. | Dee. 


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| 1881 ee ++ | | | 
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Sum — & — 


In höheren, kälteren Gebirgslagen hat er vielleicht auch nur 
eine einfache Generation; die betreffenden Beobachtungen Jupzicm’s 
im Riesengebirge bedürfen indessen noch der Bestätigung. 


Der Schaden unserer Käfer ist zunächst wesentlich ein tech- 
nischer. Holz, welches von ihren Bohrlöchern reichlich durchsetzt 
wurde, ist vielfach nicht mehr brauchbar, namentlich kann das von. 
T. lineatus Orıv. angegangene Nadelholz nicht mehr zur Fabrikation 
von Schachteln, Schindeln und feineren Brettern dienen. Doch macht 
EicHhHorr mit Recht darauf aufmerksam, dass letzterer Käfer mit 
seinen Gängen fast immer im Splinte bleibt und das Innenholz nicht 
angeht, sodass für Zwecke, bei denen der Splint keine Verwendung findet, 
die technische Entwerthung nicht so bedeutend ist, als die Händler 
zum Zwecke der Herabdrückung des Preises oft behaupten. Immerhin 
ist allseitig seit neuerer Zeit eine Reihe sehr bedeutender Klagen 
gegen ihn laut geworden. Auch die beiden anderen, wesentlich in 
Harthölzern lebenden Arten schaden stark, besonders weil sie tiefer 
in das Holz gehen und häufig starke Eichen-, Buchen-, Birken- und 
Ahornklötze entwerthen. 

Beachtenswerthe Beispiele stärkerer Schäden sind in den Verhandlungen 
des Harzer Forstvereines 1869, S. 14—29 und 1871, S. 17—22 und in den 
Berichten des Sächsischen Forstvereines 1870, S. 15—25 niedergelegt, ferner in 
denjenigen des Elsass-Lothringischen Forstvereines 1879, 8. 47, wo Oberförster 
Ney sagt: „Ein Theil meines Wintereinschlages konnte in Folge starken Sehnee- 
falles namentlich im März 1877 nicht abgezählt werden, das Holz war deshalb 
zur ersten Flugzeit — Mitte April — theilweise noch im Walde und wurde, 
obwohl entrindet, so stark von den Käfern befallen, dass man das Wurmmehl 
von weitem sah und ich für das Anfang Mai verkaufte Holz statt 20 nur 9 Mark 
pro Festmeter erhielt. In Windfalljahren sind Dielen, welche vom Käfer be- 


fallen sind, kaum verkäuflich. Ich sehätze meinen Schaden vom Jahre 
1887 im Staatswalde allein auf 30 000 Mark.” 


Abwehr. Als Vorbeugungsmassregel gegen die Verheerungen 
der Käfer im Nutzholze ist namentlich die Entfernung aller kranken, 
unterdrückten und beschädigten Stämme, sowie vorzüglich die der 
Stöcke zu empfehlen, also alles Materiales, in welchem sie gern 
brüten, womöglich mit Verbrennung oder Ankohlung. Gegen die 
beiden Laubholzborkenkäfer dürfte wohl überhaupt weiter nichts zu 


544 Kap. IX. Die Käfer. 


thun sein. Etwas Anderes ist es mit T. lineatus Orıv. Gegen ihn ist 
von jeher das Schälen der gefällten Hölzer empfohlen worden. Aber 
den wenigen Berichten, in denen diese Massregel schon an und für 
sich als wirksam geschildert wird, stehen andere gegenüber, welche 
ihre völlige Nutzlosigkeit in vielen Fällen erweisen. Dagegen steht 


fest, dass Sommerfällung in der Saftzeit mit sofortiger Entrindung . 


die Bäume so austrocknet, dass sie auch dann, wenn sie im Walde 
bis zum nächsten Frühjahre liegen bleiben, von den im ersten Früh- 
jahr schwärmenden Käfern nicht mehr befallen werden. Diese Beob- 
achtung ist namentlich sicher durch Jupeıch an Tausenden von 
Klötzen auf der Herrschaft Hohenelbe im Riesengebirge gemacht 
worden, und wurde ihm neuerdings durch Forstmeister BarzscH da- 
selbst mündlich bestätigt. Auch NÖörnLınger theilt mit, dass gegen 
den Käfer die mit völliger Entrindung des Schlagmateriales ver- 
bundene Sommerfällung ziemlich sicher schütze. Bei geschälten Bäumen 
käme es „nur unter besonderen Umständen, wie schattiger Lage, nasser 
Witterung oder dem Boden nahe vor, dass sich der Käfer einstelle”. 
Seit mehr als 100 Jahren sei deshalb in den Vogesen, seit den 
Zwanzigerjahren dieses Jahrhunderts im Schwarzwalde die genannte 
Massregel mit bestem Erfolge eingeführt [XXVI, S. 189]. Eıcnnorr 
empfiehlt das Auslegen von „Fangkloben und Stangen, welche zweck- 
mässigerweise mit dem unteren Ende in die Erde einzugraben sind, 
um sie länger frisch zu erhalten, und zwar vom Februar und März 
an allmonatlich bis in den Herbst hinein. Die mit Brut besetzten 
Fanghölzer müssen spätestens 4—6 Wochen nach ihrer jedesmaligen 
Fällung verbrannt oder wenigstens ganz dünn gespalten werden, 
so dass sie rasch austrocknen und die darin enthaltene Brut ver- 
hungert.” Er empfiehlt ferner bei den nach den Holzablagen und 
Sägemühlen abgefahrenen Hölzern das Absägen und Vernichten der 
äusseren Schwartenbretter. „Besonders werthvolle Hölzer könnten 
allenfalls mit einem schützenden Theeranstriche versehen werden” 
[15a, $8. 303 u. 304]. 

Tu. Harrıc hat bei dem Harzer Forstverein 1871 die Frage angeregt, ob 
es nicht zweckmässig wäre, zum Schutze gegen T. lineatus Orıv. die stehenden 
Fichten durch Schälung im unteren Theile, welche nach dem Frühjahrsfluge zu 
geschehen hätte, auf dem Stocke abzuwelken, um sie so im nächsten Frühjahr 
gegen den Käfer zu schützen. Berichte über die beabsichtigten Versuche liegen 
unseres Wissens aber nicht vor. Dagegen sollen so abgeschälte Eichen von 
Lyctus- undAnobium-Larven verschont werden unter Umständen, unter welchen 
gleiche, nicht abgewelkte, zu gleicher Zeit gehauene, andere Eichen von ihnen 


angegangen wurden. Tr. Harrıc schiebt dies auf den Mangel an abgelagerten 
Reservestoffen im Splinte der abgewelkten Bäume. 


Saxzesen’s Holzbohrer, 
Tomicus Saxesenii Rarz., 


der kleinste und im weiblichen Geschlecht auch schlankste aller 
Holz-Bohrkäfer bildet die zweite biologische Unterabtheilung für sich 
allein, ist aber forstlich wenig bedeutend. 


Abwehr der Nutzholz-Borkenkäfer. Tomiceus Saxesenii. 545 


Beschreibung: T. (Xyleborus, Eıcum.) Saxesenii Rarz. Pech- 
schwarz oder braun, dünn greis behaart, Halsschild länger als breit, vorn ab- 
gerundet, hinten glatt, auf der Scheibe vor der Mitte mit einem oft undeut- 
lichen Querwülstchen, Fühler und Beine rostgelb. ® lang gestreckt, walzen- 
förmig. Flügeldecken fein gestreift-punktirt, mit sehr fein gereiht-punktirten 
Zwischenräumen, letztere nach der Spitze zu fein gekörnt. Am schwach 
gewölbten Absturz die Naht und beiderseits der Zwischenraum 3 und 4 
reihenweis gekörnt, 2 glatt, eine schwach vertiefte Furche bildend. d etwas 
lichter gefärbt und kleiner als das ?, von der Spitze der verwachsenen Flügel- 
decken bis zum Vorderrand des Halsschildes flach gewölbt, vorn und hinten 
niedergebeugt; Flugflügel verkümmert. Die Skulptur der Flügeldecken sehr 
undeutlich, am Absturz jedoch die Vertiefung des Zwischenraumes 2, sowie die 
Körnchen auf der Naht und dem Zwischenraume 3 meist deutlich zu erkennen. 
Auf 25 2 kommt erst ein d. Länge des 2 15—2mm. 


Lebensweise. Die Haupteigenthümlichkeit dieses Thieres liegt 
darin, dass an der Herstellung der Gesammtfrassfigur zwar auch noch 
dieLarven theilnehmen, aber nicht in der Weise, dass jede für sich einen 
von der Brutröhre ausgehenden Larvengang frisst, sondern so, dass 
von allen zusammen eine die ganze Familie bergende Ausweitung 
hergestellt wird. Hier besteht also wahrscheinlich wenigstens ein 
Theil der Larvennahrung aus abgenagten Holztheilen (vgl. S. 538), 
Die Eingangsröhre geht radial in den Baum, von ihr frisst der 
Mutterkäfer nach rechts und links in demselben Stammquerschnitt 
Brutröhren, welche gewöhnlich den Jahresringen folgen und in dem 
weichsten Theile derselben angelegt werden (Fig. 142, 8). Mitunter 
sehen von derselben Eingangsröhre auch in verschiedener Entfernung 
von der Rinde Brutröhren ab. In den in der. Richtung der Holzfaser 
oft fingerbreiten, in radialer stets engen Familiengängen sind häufig 
Eier, Larven in verschiedenen Entwickelungszuständen, Puppen und 
junge Käfer vereinigt. Auch dieser Käfer scheint zeitig im Jahre 
zu fliegen und doppelte Generation haben zu können. 


T. Saxesenii Rarz. gehört zu den sehr polyphagen Thieren, da 
er nicht nur in Eiche, Buche, Ahorn, Linde, Birke, Pappel, 
Rosskastanie, Obstbäumen, z. B. Aprikosen-, Aepfel- und Kirsch- 
bäumen vorkommt, sondern auch Nadelhölzer, Kiefer, Fichte, Tanne, 
Lärche angeht, und sogar in der Koelreuteria paniculata Laxm., einem 
chinesischen Zierstrauche, von NÖRDLINGER gefunden wurde. 


Obgleich er gern älteres Holz annimmt, vielfach Verletzungen 
und sogar von Rinde entblösste Stellen zum Einbohren benutzt, ja 
selbst durch die Bohrlöcher anderer Borkenkäfer eindringt, so ist er 
doch auch schon sicher ia Heistern gefunden worden. 


Sein Schaden ist, wo überhaupt von einem solchen gesprochen 
werden kann, wohl vorwiegend technisch. Grössere Verheerungen an 
Heistern hat er noch nicht angerichtet, dagegen scheint er in Obst- 
baumschulen nicht ganz ungefährlich zu sein. 


NÖRDLINGER hat bis jetzt die genauesten Beobachtungen über ihn gemacht 


[XXIV, S. 38—40]. 


546 Kap. IX. Die Käfer. 


Die dritte biologische Unterabtheilung umfasst die beiden 
Eichen-Bohrkäfer, 


Tomicus monographus Rarz. und T. dryographus Rarz., 


den Eichen-Kernkäfer, 
Platypus cylindrus F'ABr. und 


den Kiefern-Bohrkäfer, 


Tomicus eurygraphus Rarz. 


Von diesen Käfern ist der, mehr südliche, Eichen-Kernkäfer 
sofort kenntlich durch seine 5mm erreichende Grösse, die schlanke 
Gestalt, den breiten Kopf mit vorspringenden Augen und die längs- 
gerieften Flügeldecken (Fig. 143). Die drei anderen Arten zeigen 
den gewöhnlichen Habitus der holzbohrenden Borkenkäfer aus der 
Untergattung Xyleborus, zu deren grössten Vertretern der bis Amm 
lange, gleichfalls nur im Süden beachtenswerthe Kiefern-Bohrkäfer 
gehört. Dagegen sind die kleinen, ungefähr 2:5 mm langen, schlanken 
Eichen-Bohrkäfer auch bei uns wirklich technisch schädliche Baum- 
feinde. In der Praxis bezeichnet man sie im Gegensatz zum „grossen 
Wurm”, der Larve des Eichen-Bockkäfers, Cerambyx cerdo L., als 
„kleinen schwarzen Wurm’. Alle machen tief in das Holz eindrin- 
gende Gabelgänge und sind schwer zu bekämpfen. 


Beschreibung. Tomicus (Xyleborus Eiche.) monographus Fapr. 
Käfer walzenförmig, rothbraun, glänzend, sehr fein behaart. Halsschild länger als 
breit, vornabgerundet, hinten sehrfein punktirt. Flügeldecken fein punktirt-gestreift, 
mit sehr feinen Punktreihen in den Zwischenräumen. Absturz steil abschüssig, 
glatt, mit vier im Viereck gestellten Höckerchen, nämlich zwei zu jeder Seite 
der Naht, ausserdem am Rande noch mit einigen kleineren Höckerchen. Das 
seltenere S kürzer als das ®, sein Halsschild vorn ausgehöhlt mit etwas horn- 
artig aufsebogener Spitze des Vorderrandes, Flugflügel verkümmert. Länge des 
d 2—2'3 mm, die des @ 2:3—3'2 mm. 


T. (Xyleborus Eıcan.) eurygraphus Rırz. Käfer gestreckt, walzen- 
förmig, glänzend, pechschwarz, lang behaart. Halsschild fast: viereckig, länglich, 
am Seiten- und Vorderrande fast gerade, vorn gekörnt, hinten punktirt. Flügel- 
decken punktirt-gestreift, die Punkte in den Streifen dieht und gross, Zwischen- 
räume einreihig fein punktirt. Absturz steil abschüssig, runzelig punktirt, auf 
Zwischenraum 1 und 3 undeutlich gehöckert, nahe der Naht oben beiderseits 
gewöhnlich mit zwei deutlichen Höckerchen, der Zwischenraum 2 ohne 
solche. Das seltenere S' mit vorn ausgehöhltem, dieht punktirtem Halsschild, in 
der Mitte des Vorderrandes desselben mit einem zurückgebogenen Höckerchen, 
Flugflügel verkümmert. Länge 3:5—4 mm. 


T. (Xyleborus Eıcus.) dryographus Rarz. Käfer walzenförmig, röth- 
lichbraun, dünn grau behaart, Fühler und Beine rothgelb. Halsschild länger als 
breit, vorn abgerundet, hinten sehr fein punktirt. Flügeldeeken fein gestreift- 
punktirt mit sehr fein gereiht-punktirten Zwischenräumen, die nach der Spitze 
zu mit Reihen feiner Körnchen besetzt sind. Absturz abschüssig gewölbt, auf 
ihm die Streifen etwas tiefer eingedrückt und sämmtliche Zwischenräume mit 
einer Reihe feiner Höckerchen; hierdurch und durch die Punktirung des Hals- 
schildes ist das 2 hauptsächlich von lichter gefärbten Exemplaren des T. Saxe- 


u a a ri 


Eichen- und Kiefern-Bohrkäfer, sowie Eichen-Kernkäfer. 547 


senii unterschieden. S etwas kürzer als das 9, sein Halsschild vorn breit 
ausgehöhlt, mit einem zurückgebogenen Höckerchen an der Spitze. Länge 
des d| 2 mm, die des ? 2:3—2'5 mm. 


Platypus cylindrus FıAer. Käfer sehr lang, walzenförmig gestreckt, 
peehbraun, wenig glänzend, gelblich behaart. Fühler und Beine rothbraun. Hals- 
schild sehr fein und nicht dicht punktirt, hinter der Mitte mit kurzer, vertiefter 
Längslinie. Flügeldecken mit namentlich auf dem Rücken und nach hinten stark 
vertieften, fein und unregelmässig punktirten Längsstreifen und kielartig 
erhabenen Zwischenräumen. Absturz dichter gelb behaart. @ auf dem Hals- 
sehild hinter der Mitte mit einem rundlichen, ziemlich scharf abgegrenzten, 
äusserst dicht und fein punktirten, daher mattglänzenden Fleck, welchen die 
vertiefte Linie durchschneidet; Absturz der Flügeldecken gekörnt. Beim dg ist 
das Halsschild ohne solchen Fleck, zu beiden Seiten der vertieften Linie in 
unbestimmter Ausdehnung fast gar nieht punktirt, daher glänzend glatt; auf 
dem Absturz befindet sich beiderseits in der Mitte am Ende des dritten Zwischen- 
raumes ein kleines Zähnchen, seitlich etwas tiefer, am Ende des letzten 
Zwischenraumes ein grosser, nach rückwärts vorstehender Zahn. Länge 5 mm. 


Larve von der der übrigen Borkenkäfer dadurch unterschieden, dass sie 
hinten senkrecht abschüssig und eben ist. Kopf stark gewölbt, desgleichen die 
Vorderbrust, die mit feinen braunen Hornleistehen versehen ist. Luftlöcher und 
Unterwülste mit einem Härchen und mit deutlichen dunkler gefärbten Knöpfehen, 
welehe wiederholten Luftlochreihen ähneln. Kopf und letzter Ring behaart, 
sonst nackt. 


Lebensweise. Die gemeinsame Eigenthümlichkeit des Frasses 
aller dieser Käfer beruht darin, dass sie primäre Gabelgänge machen. 
Die Mutterkäfer bohren eine radial in den Baum eindringende Eingangs- 
röhre, von weicher sie seitlich einfache oder verästelte Brutröhren in 
demselben Stammquerschnitt anlegen. In diesen Röhren werden die 
Eier in kleinen Häufchen abgelegt. Die ausschlüpfenden Larven 
ordnen sich in ihnen reibenweise und vollenden hier ihre Metamorphose, 
ohne irgend etwas selbstständig zu der Erweiterung oder Verlängerung 
der Gänge beizutragen. Ihre Nahrung kann also nur aus Baumsaft oder 
Pilzrasen (vgl. 8. 538) bestehen. Bei T. monographus Rarz. ist die 
Eingangsröhre meist etwas geschwungen, 1—8 cm lang, also mit- 
unter nur im Splinte verlaufend, oder aber bis in den Kern ein- 
dringend; die geschwungenen Brutarme gehen demgemäss auch mehr 
oder weniger tief in das Innere des Baumes (Fig. 142, 9). Bei T. dryo- 
graphus Rıartz. sind die Eiugangsröhren dagegen meist vollständig 
gerade, dringen in der Richtung der Markstrahlen bis 15 cm tief in 
das Holz ein, und die von ihnen schräg nach dem Innern des Baumes 
zu abgehenden Brutröhren sind gleichfalls meist vollständig gerade 
[Eıcuuorr 15a, S. 284 u. 287]. Nach den nur wenig ausführlichen, 
von Prrrıs [58] gegebenen Beschreibungen der Frassgänge des T. eury- 
graphus Rarz. scheinen dieselben denen des T. dryographus Rarz. 
zu gleichen, mit dem einzigen Unterschiede, dass öfters zwei Brut- 
röhren von einem und demselben Punkte der Eingangsröhre nach 
rechts und links abgehen. Noch weniger Sicheres weiss man von der 
Frassfigur des Platypus cylindrus FAgr., die aber im Allgemeinen der 
des T. monographus Rarz. ähnlich zu sein scheint, obgleich GrorG 
[6la, S. 139) aus einer Beobachtung im Solling schliessen will, dass 


548 Kap. IX. Die Käfer. 


sich bei diesem Käfer die Larven an der Herstellung der Gänge 
betheiligen. 

T, monographus Ratz, T. dryographus Rarz. und der erst im Süden 
häufiger werdende Pl. cylindrus Fapr. sind Eichenbewohner, und 
zwar bevorzugen sie ältere Stämme, namentlich beschädigte, sowie 
auch Stöcke. Diese dürfen aber noch nicht ausgetrocknet sein, wie 
denn alle Holzborkenkäfer bis zu einem gewissen Grade frisches, noch 
saftiges Holz lieben. T. eurygraphus Rarz. ist ein mehr im Süden 
und Osten vorkommendes Kieferninsekt, welches namentlich in den 
Südfranzösischen Landes von Prrrıs als häufiger Bewohner alter 
Stämme beobachtet wurde. | 

Sicheres über die Generation dieser Käfer weiss man kaum. | 
Die meisten älteren Autoren geben sie als einjährig an, während Eıcn- 
HOFF durchgehend eine doppelte annimmt. 


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Die früher von Arrum gemachte und auch in andere Bücher überge- 
gangene Angabe, dass T. dryographus Rarz. in Heistern vorgekommen wäre, 
beruht, wie er selbst berichtigend bemerkt [XVI, 2. Aufl. II, 1, S. 319], auf 
einer Verwechselung mit T. Saxesenii Rarz. In seltenen Fällen kommt er nach 
Dösxer [XIV, 8. 81] in Buche und nach Henscneu [32d, S. 9] auch in Ulme 
vor. Pl. cylindrus Far. ist auch in Edelkastanie gefunden worden [XXIV, 
S. 40]. Auch in Ulme hat er sich schon eingebohrt, diese Holzart aber alsbald 
wieder verlassen [77, $. 42], und die Angabe von Genm, dass er auch im Birn- 
baum lebe, hält Nörnuincer [VII, S. 237] wohl mit Recht für eine irrthümliche. 
Dieser Eichenkernkäfer ist nicht nur in Europa in der Eichenregion verbreitet, 
sondern kommt auch in anderen Welttheilen vor [I5a, S. 306]. 

T. eurygraphus Rarz., den Eıcnnorr aus Südfrankreich, Corsiea, Dalmatien, 
Griechenland, dem Kaukasus und Steiermark kennt, und der wahrscheinlich 
auch noch in anderen Gegenden Oesterreichs und im südlichen Deutschland 
vorkommt, ist nicht auf die gemeine Kiefer beschränkt, sondern geht nament- 
lich gern die verschiedenen anderen, die Mittelmeerküstenstriche bewohnenden 
Kiefernarten an, wie Seekiefer, Schwarzkiefer u. s. f. [I5a, S. 277]. 


Der Schaden aller dieser Arten ist wohl sicher ein rein 
technischer. Namentlich werden die starken Eichenstämme durch ihren 
Frass bedeutend entwerthet. Da der Schaden ein um so grösserer, 
ist, je tiefer die Gänge in den Kern gehen, so ist T. dryographus 
Rarz. wohl schädlicher als T. monographus Rarz. Ein physiologischer 
Schaden wird bis jetzt nur einmal dem Pl. cylindrus Far. 
zugeschrieben, welcher in Istrien im Reichsforste Montana auf Ueber- 
schwemmungsterrain stehende Eichen vielfach tödten soll. Es könnte 
hieran aber hauptsächlich Verschläimmung Schuld sein, da der ur- 
sprüngliche Wurzelknoten bei allen dortigen Eichen unter dem 
augenblicklichen Bodenniveau, oft über einen Meter tief, liegt, und 
die Eichenkern-Käfer sich erst seeundär an den bereits kranken | 
Stämmen einfinden, denen sie allerdings alsdann den Rest geben. 

Da die Beobachtungen über den Kernkäfer bisher nur sehr lückenhaft 


sind, sei aus den schönen Beobachtungen- von $. H. [77] noch Folgendes mit- 
getheilt: Platypus greift in Montana stets die Bäume im untersten Theile an, erst 
später verbreitet er sich höher, geht aber nicht in die Aeste und in das Zopf- 
holz Vollkommen ausgebildete Käfer sind das ganze Jahr vorhanden. Sie über- 
wintern im Splinte klumpenweise zu 30—40 Stück zusammen, und zwar öfters 
etwa 30—50 cm unter dem aufgeschwemmten Bodenniveau. Von der Rinde ent- 


Lebensweise von T. monographus u, Verw. u. Platypus. T. dispar. 549 


blösste Stellen an noch lebendem Holze greifen sie gern an, verlassen sie jedoch 
bald wieder. Solche Stellen überwallen dann nicht. Gefälltes Holz nehmen sie 
nieht an, und befallenes Holz wird, sobald es nach der Fällung trocken wird, 
verlassen. Aus einem befallenen, geschlagenen Stamme wanderten einmal die 
Käfer, sobald er trocken wurde, aus, um den unter dem Schwemmlande ver- 
borgenen Theil eines benachbarten, noch stehenden Baumes auf der dem ge- 
fällten zugewendeten Seite bis auf ein Drittel des Durchmessers siebartig zu 
durchlöchern. Seit 1840 sind in Montana nicht nur einzelne Stämme, sondern 
ganze Distrikte in einem Sommer abgestanden. Die höher gelegenen, nicht über- 
schwemmten Eichenwaldungen blieben verschont. Die im Frühjahr angegriffenen 
Stämme zeigen nach dem Johannistrieb ein Lichterwerden der Krone, einzelne 
Aeste verlieren die Blätter, und im nächsten Frühjahre schlagen sie nicht mehr 
aus. Erst im Laufe des Sommers befallene Stämme schlagen zwar im nächsten 
Frühjahr kümmerlich aus, welken aber nach dem Johannistriebe ab. Das Holz 
der getödteten Stämme ist, besonders horizontal und vertical wie ein Sieb 
durchlöchert und ausser zur Feuerung zu keinem Gebrauche mehr geeignet, 
obgleich dortige Böttcher sich zu helfen suchen, indem sie an den Fassdauben 
die Bohrlöcher mit Stiften verschlagen. 


In die letzte biologische Unterabtheilung gehört nur der 
Ungleiche Holzbohrer, 


Tomicus dispar FıABr., 


welcher mehr physiologisch als technisch beachtenswerth ist, Dieser 
ganz schwarze Käfer ist zoologisch hauptsächlich durch den auf- 
fallenden Unterschied seiner beiden Geschlechter gekennzeichnet, der 
ihm auch den Namen verschaffte. Während nämlich das ungefähr 
3 mm lange, durch ein sehr starkes, fast kugeliges Halsschild aus- 
gezeichnete ? die gewöhnliche Borkenkäfergestalt bewahrt, erscheint 
das 5 als fast halbkugelförmiger Zwerg. Seine ausschliesslich von 
dem Weibchen hergestellte Frassfigur ist charakterisirt durch die 
senkrechten Brutröhren zweiter Ordnung (Fig. 142, 10). Dem Forst- 
manne ist er als Feind namentlich der jungen Laubhölzer von Heister- 
stärke, die er durch seinen Angriff tödtet, beachtenswerth. Recht- 
zeitige Verbrennung des angegangenen Materiales ist die einzige 
gegen ihn angezeigte Abwehr. 


Beschreibung: T. (Xyleborus Eıcmn.) dispar Fasr. Käfer pech- 
schwarz, greis behaart, mit bräunlichgelben Fühlern, Schienen und Füssen. 
Q gedrungen, walzenförmig. Halsschild kugelig, hinten glatt. Flügeldecken 
bis zum Hinterrand ziemlich fein punktirt-gestreift, mit breiten, sehr fein ge- 
reiht-punktirten Zwischenräumen. Absturz flach gewölbt, die Zwischenräume auf 
demselben mit etwas undeutlichen Körnchen besetzt, der siebente Zwischenraum 
an der Spitze etwas erhaben. d' kugelig eiförmig, viel kleiner als das 9, mit 
einem nur flach gewölbten, nach vorn herabgezogenen Halsschild und längeren 
Beinen. Flugflügel fehlen dem Z. Länge des? 3—3:5 mm, Länge des | 2 mm. 

Lebensweise und Schaden. Das Merkmal, welches die 
Frassfigur dieses Käfers vor allen anderen auszeichnet, ist das Auf- 
treten der seeundären Brutröhren. Das Weibchen treibt, wie bei allen 
anderen Holzbohrern, eine kürzere oder längere Eingangsröhre radial 
in den Baum, legt dann in demselben Stammquerschnitt ungefähr in 
der Richtung der Jahresringe primäre Brutröhren an und bohrt ven 
diesen weiter fressend seeundäre, rechtwinklig von diesen abgehende, 


550 Kap. IX. Die Käfer. 
der Richtung der Holzfaser folgende, längere oder kürzere Brutröhren 
zweiter Ordnung nach oben und unten (Fig. 142, 10 und Fig. 178). 
Die Länge der Eingangsröhre und die Zahl und Länge der Brut- 
ıöhren erster und zweiter Ordnung ist sehr verschieden, besonders 
nach der Stärke des befallenen Materiales. In stärkeren Stämmen 
und Stöcken kann die Länge der Eingangsröhre 3—6 cm betragen 
15a, S. 272]. Die Brutröhren erster Ordnung gehen dann entweder 
vom Ende der Eingangsröhre regelmässig nach rechts und links den 
Jahresringen folgend, oder es zweigt sich bereits früher eine oder 
die andere primäre Brutröhre von der Eingangsröhre ab, oder die 
Brutröhren gehen schräger nach innen, mehrere Jahresringe schneidend. 
In schwächerem Materiale bleiben die Eingangsröhren oft sehr kurz. 
Die Brutröhren erster Ordnung folgen meist 
streng dem Verlaufe der Jahresringe, und 
wenn von einem Punkte zwei derselben nach 
rechts und links abgehen, so können beide 
zusammen fast einen Kreis um den innersten 
Stammkern beschreiben, wie dies schon 
RATzEBurG und Arrum richtig schildern, 
und wie wir selbst beobachtet haben. Die 
secundären, 1—2 cm langen Brutröhren 
weichennur selten bedeutend von der Rich- 
tung der Holzfaser ab. In ihrer Bedeutung 
für das Thier sind die Brutröhren beider 
Ordnungen einander gleich. In beiden leben 
die aus den haufenweise am Einrgange der 
Fig. 178. Frass von Tomicus Brutröhren ausgekrochenen Larven von 
dispar aux. in einem Heister. dem in jene ausschwitzenden Safte oder 
dem sich dort entwickelnden Pilzrasen (vgl. 8. 538), reihenweise 
hintereinander angeordnet und verpuppen sich auch dort. Die ent- 
wickelten Thiere verlassen ihre Geburtsstätte, nachdem sich wahr- 
scheinlich bereits hier die Begattung abgespielt hat, durch die Ein- 
gangsröhre. Da die Zabl der 99 im Allgemeinen die der JS weit 
übertrifft, nach ErcHhnorr und ScHrREINER verhalten sie sich wie 4:1 
15a, S. 275], so begattet wahrscheinlich ein d' mehrere Weibchen. | 
Alle Beobachtungen deuten auf eine doppelte Generation. Die erste | 
Flugzeit scheint in den April oder Mai zu fallen, die zweite in den | 
Juli und August. Die Käfer der zweiten Brut sind schon im Herbste \ 
fertig und überwintern reihenweise hintereinander geordnet, JS und | 
?2 gemischt, in den Brutröhren. 
T. dispar Fapr. ist bezüglich der Holzart sehr wenig wählerisch 
und geht wohl alle Laubhölzer an, obgleich er am häufigsten in 


Eichen und Buchen, sowie in Obstbäumen vorzukommen scheint. 

Er wird angeführt aus Birke, Hainbuche, Ahorn, Erle, Eiche, Platane, 
Rosskastanie, Edelkastanie, Apfelbaum, Birnbaum, Pfaumenbaum, Kirschbaum 
[Nırscne], Weissdorn, ja sogar aus Granatbaum [Dösxer XIV, 2, S.183], Koelreu- 
teriapaniculata [NörnLinger XXIV, 8.40], Rebe [Arrun], Pernambukholz | Eıcnuorr] 
und Kiefernbauholz [Scurrier]. 


"Lebensweise, Schaden und Abwehr von Tomieus dispar. 551 


Auch Alter und Gesundheitszustand der befallenen Bäume 
scheint dem Käfer ziemlich gleichgiltig zu sein. Eıcauorr [I3 a, S. 270] 
hat ihn oft in Eichen- und Buchenstöcken gefunden, sowie SCHREINER 
in Eichenklafterpfähblen, und Eıcnnorr ist geneigt, derartiges Mate- 
rial als seine eigentliche normale Brutstätte anzusehen. Dagegen 
greift er auch ganz gesunde Stämmchen von Heisterstärke an, und in 
diesen ist sein Frass, der in dem vorgenannten Materiale völlig gleich- 
giltig bleibt, auch wirklich schädlich geworden. Der erste uns be- 
kannte und wohl bis auf den heutigen Tag noch ausführlichste Be- 
richt über die Art seines Angriffes stammt von SCHMIDBERGER her 
IV, S. 261—270], welchem der Käfer 22 in Töpfen gezogene 
Zwergapfelbäume und einen Pflaumenbaum tödtete. Die Folge des 
Einbohrens war Saftfluss, der sich, wenn der Käfer einmal bis in 
das Holz gekommen war, nicht stillen liess und den Tod des Baumes 
zur Folge hatte. Der Käfer ist daher in den Obstbaumschulen sehr 
gefürchtet. Bei Tharand wurden vor einigen Jahren an der Chaussee 
mehrere Kirschbäume von 10—12cm Durchmesser nur von diesem 
Käfer getödtet. Grössere forstliche Schäden sind unseres Wissens bis 
jetzt fast nur von Artum registrirt worden [XVI, III, 1, S. 321]: In 
Münster tödtete er 100 Eichenheister, zu Cloppenburg im Olden- 
burgischen auf 4—5 ha im Juli und August 1872 über 3000 und zu 
Golchen in Vorpommern 475 Eichenheister. Auch betheiligt er sich 
gern an dem Frasse anderer Käfer; so war er auch bei der in 
Grammentin durch Agrilus elongatus Hssr. bewirkten Verheerung 
von Eichenheistern, die wir nach Aurum auf S. 322 anführten, stark 
betheiligt. Der Tod angegriffener Stämme ist sicher, namentlich wenn, 
wie dies häufig geschieht, mehrere Käfer denselben Heister angreifen. 


Der forstlichen Section der Versammlung deutscher Land- und 
Forstwirthe zu Prag im Jahre 1856 wurde ferner, unter Vorlegung be- 
treffender Frassstücke und Käfer, von einem erheblichen Schaden 
berichtet, welchen der Käfer durch Tödtung vieler junger Ahorn- 
heister auf der Herrschaft Pürglitz in Böhmen verursacht habe. Die 
über diese Versammlung veröffentlichten Berichte theilen dies aller- 
dings nicht mit. 


Abwehr. Entfernung alles nutzlosen Materiales, in dem der 
Käfer brüten kann, als alte Stöcke von Eichen, Buchen u. s. f., ist 
als Vorbeugungsmittel zu nennen. Rechtzeitige Entfernung und Ver- 
brennung der angegangenen Heister ist als Vertilgungsmittel anzu- 
sehen. Das Verschmieren der Bohrlöcher mit Theer oder Baumwachs 
oder das Verkeilen derselben mit Holzstiften wird auch empfohlen, 
ist aber höchstens in Pflanzgärten und Obstbaumschulen anwendbar. 
Das nach Herxpr von Hrnscaer [XIl, 2. Aufl., S. 202] empfohlene 
Zerquetschen des Mutterkäfers in der Eingangsröhre mit Hilfe eines 
eingeführten Drahtes kann nur bei sehr zeitiger Erkennung des An- 
griffes nützen. 


552 Kap. IX. Die Käfer. 


Literaturnachweis zu dem Abschnitte „Die Borkenkäfer”. 
I. Arnemann. a) Auftreten des Borkenkäfers in der Oberförsterei 
Guttstadt, Regierungsbezirk Königsberg. Grunert’s Forstliche Blätter, 
Heft 4, 1862, 5. 49—62. 5) Der Insektenfrass in der Oberförsterei 
Guttstadt, Regierungsbezirk Königsberg. Daselbst, Heft 6, 1863, 
S. 89—-111. — 2. Arrum, B. a) Zoologische Miscellen. Zeitschrift 
für Forst- und Jagdwesen VIII, 1876 S. 496—497. b) Der grosse 
schwarze Eschenbastkäfer. Daselbst X, 1879, S. 397—402. c) Ein 
neuer Sommeraufenthalt von Hylesinus piniperda. Daselbst 1879, 


XI, S. 264. d) Fangbäume gegen Eecoptogaster scolytus. Daselbst 


XII, 1881, S. 61 und 62. e) Ueber die Generation des Bostrichus 
typographus. Daselbst XV, 1883, $S. 160 und 161. f) Zur Vertil- 
gung der wurzelbrütenden Hylesinen u. s. f£ Daselbst XIX, 1887, 
S. 392—396. g) Kleinere forstzoologische Mittheilungen. Daselbst 
XX, 1888, 8. 242—245. — 3. Barocn, J. Der Borkenkäfer und seine 
Nützlichkeit im Walde. 8. Pinka Mindszent 1878. — 4. Berme. Bei- 
trag zur Naturgeschichte des Bostrychus lineatus und des Bostrychus 
domesticus. Tharander Jahrbuch XXXIIL 1873, 8. 17—44. — 
3. v. Berc. a) Notizen über den Borkenkäfer. Pfeil’s kritische 
Blätter X, 1, 1836, 5. 119—130. b) Resultate der Forstverwaltung 
des hannoverschen Harzes von 1836 bis einschliesslich 1840. 5) In- 
sekten. Allgemeine Forst- und Jagdzeitung 1843, 8. 151. c) Ent- 
wickelung der Borkenkäfer in Schweden. Monatschrift für das Forst- 


und Jagdwesen 1870, 8. 109 und 110. — 6. v. Bimzer. Die 
beiden Kiefernmarkkäfer. Forstwissenschaftliches Centralblatt XXIII, 
1879, 8. 170—177. — 7, Broxpem, K. M. Zur Borkenkäferfrage. 


Böhmische Forstvereinszeitschrift, Heft 87, 1874, 8. 16—31, Heft 90, 
1875, S. 69—82 und Heft 93, 1876, S. 77—88. — 8. Bıune. Ueber 
Hylesinus ater. Verhandlungen des Hils-Solling-Forstvereins. Jahrg. 


1858, S. 35—36. — 9. Braun, A. Hylesinus piniperda und Hyl. 
minor in der Fichte. Monatschrift für das Forst- und Jagdwesen 
1867, 8. 267. — 10. Bupvegerg. Beobachtungen über die Lebensweise 


und Entwickelungsgeschichte des Thamnurgus Kaltenbachi. Jahrbuch 
des Nassauischen Vereines für Naturkunde XXXII und XXXIV, 
S. 394— 402. — Il. Cocno. a) Ueber die Lebenszähigkeit des Fichten- 
borkenkäfers,. 8. Frankenstein in Schl. 1874. b) Ueber die Ursachen 
der längeren Dauer von Borkenkäferverheerungen älterer und neuester 
Zeit. Jahrbuch des Schlesischen Forstvereins für 1874, $S. 226 bis 
234. c)_.Ueber das Ueberfliegen des Fichtenborkenkäfers. Daselbst 
S. 235—239. d) Ueber die Ueberwinterung der Brut des Bostrychus 
typographus. Jahrbuch des Schlesischen Forstvereins für 1875. 
S. 238—250. —- I2. Ozecu, J. Beiträge zur Kenntniss der Lebens- 
weise des Kiefernmarkkäfers ete. Vereinsschrift des Böhmischen Forst- 
vereins, Heft 121, 1883, S. 139—143. — 13. Dörner. Einige Be- 
merkungen über schädliche Forstinsekten. Allgemeine Forst- und 
Jagdzeitung XXXVII, 1862, 8. 275. — IA. Dommss. Ueber das 
Vorkommen des Borkenkäfers im Bernstadter Revier. Verhandlungen 


Di 


Literaturnachweise zu dem Abschnitte „die Borkenkäfer”. 553 


des Schlesischen Forstvereins 1857, S. 115—117. — 15. EıcuHorr, W. 
a) Die europäischen Borkenkäfer. 8. Berlin 1881. 5) Tomieus (Bo- 
strichus) bistridentatus Eichh. nicht Varietät von quadridens u. s. f. 
Zeitschrift für das Forst- und Jagdwesen XV, 1883, 8. 219—222. — 
16. FıscheacHh, C. Zur Lebensweise des Fichtenborkenkäfers u. s. f. 
Centralblatt für das gesammte Forstwesen I, 1875, 8. 27—29. — 
17. Freiscuher, A. B. Der Fichtenborkenkäfer „Bostrychus typo- 
graphus” im Böhmerwalde, seine Mithelfer u. s. w. Vereinsschrift des 
Böhmischen Forstvereins, Heft 69, 1877, S. 1—42. — 18. Funke, W. 
Ueber die Massregeln zur Verhütung von Borkenkäferfrass in Folge 
der Elementarschäden im Jahre 1868. Daselbst Heft 70, 1870, 
S.1—11. — 19. Fürst. Auftreten des Hylesinus eunicularius (Fichten- 
bastkäfer). Allgemeine Forst- und Jagdzeitung LIII, 1877, S. 184. — 
20. GesBers. Ueber Hylesinus micans. Verhandlungen des Harzer 
Forstvereins, Jahrgang 1872, 8. 55—62. — 21. Gerren und Ge- 
nossen. Ueber Hylesinus mieans. Daselbst, Jahrgang 1867, 5. 13—15. 
— 22. Georc, W, Beitrag zur Lebensweise einiger Borken- und 
Rüsselkäfer. Pfeil's kritische Blätter XL, 1, S. 160-166. — 
23. GIGGLBERGER, J. a) Ueber das Vorkommen des Kiefernzweig- 
bastkäfers. Monatschrift für das Forst- und Jagdwesen, Jahrgang 
1867, 8. 106 und 107. b) Jahrgang 1868, 8. 376—378. c) Jahrgang 
1873, 8. 467—469. — 24. Grück. Das Auftreten von Hylesinus 
micans im königlichen Forstreviere Neupfalz, Regierungsbezirk Co- 
blenz. Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen VIII, 1876, S. 385—391. 
— 25. Gmeuin, J. F. Abhandlung über die Wurmtrockniss. 8. Leipzig 
1787. — 26. Grunxert, J. Th. a) Die neueren Insektenverheerungen 
in der Provinz Preussen. Grunert’s forstliche Blätter, Heft 7, 1864, 
8. 66— 134. b) Die französischen Forste. Daselbst, Heft 8, S. 1—75. 
— 27. Grunert, O. Ein Beitrag zur Forstinsektenkunde. Forstliche 
Blätter XX, 1883, S. 78 und 79. — 28. Gusz, C. Russische Ur- 
theile über die Schädlichkeit des Borkenkäfers. Centralblatt für das 
gesammte Forstwesen IV, 1878, 8. 226—258 und 309—311. — 
29. Hıarrıcg, R. Bostrichus bidens in Fichten. Zeitschrift für das 
Forst- und Jagdwesen II, 1870, S. 403. — 30. Harrıc, Th. a) 
Ambrosia des Bostrichus dispar. Allgemeine Forst- und Jagdzeitung 
XII, 1844, S. 73 und 74. 5b) Der Fichten-Splintkäfer Bostrichus 
(Xyloterus) lineatus. Daselbst XLVIII, 1872, S. 181—183. c) Der 
Buchensplintkäfer Bostrichus (X yloterus) domesticus. Daselbst XLVII, 
1872, S. 183—184. — 31. Hesser, E. Beiträge zur Naturgeschichte 
der Insekten. Fortsetzung 19. Sitzungsberichte der mathematisch- 
naturwissenschaftlichen Classe der Wiener Akademie LIII. 1. Ab- 
theilung, S. 533—542, mit 4 Tafeln. — 32, Hruscuer, G. a) Ento- 
mologische Notizen. Oentralblatt für das gesammte Forstwesen III, 
1877, S. 526—528. b) Entomologische Beiträge. Daselbst VI, 1875, 
S. 11—15. c) Die Rindenrosen der Esche und Hylesinus Fraxini. 
Daselbst VI, 1880, 8. 514—516. d) Vagabundagen im Bereiche 
des Insektenlebens. Daselbst VIII, 1882, S. 9 und 10. e) Forst- 


Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde, 36 


554 Kap. IX. Die Käfer. 


entomologische Notizen. Daselbst XI, 1885, 8. 534—536. f) En- 
tomologische Notizen. Daselbst XII, 1886, S. 8344—345. 9) Tomieus 
Lipperti n. sp. Oesterreichische Forstzeitung 1885, S. 242. — 
33. Hzss. Beiträge zur Generation des Hylesinus piniperda L. Forst- 
wissenschaftliches Centralblatt XXVIII, 1884, S. 508-514. — 
34. HrLawa, L. Ein neuer Borkenkäfer. Oesterreichische Monatsschrift 
für das Forstwesen XX, 1870, 8. 344—348. — 35. (v. HozLegen?) 
Einiges über das forstliche Verhalten des Fichtenbastkäfers, Hylesinus 
ceunicularius, Kn. (?) Tharander Jahrbuch 1845, S. 41—50. — 
36. JaroscHkA, H. Beitrag zur Kenntniss unserer Borkenkäfer. Bio- 
logische Beobachtungen über Phloeophthorus rhododactylus. Vereins- 
schrift des Böhmischen Forstvereins, Heft 138, 1885, 8. 29—33. — 
37. Josern, A. Käferfrass in Oberhessen. Allgemeine Forst- und 
Jagdzeitung LIV, 1878, S. 442 und 443. — 38. Jupeıcn, F. a) 
Notiz über den Fichtenborkenkäfer. Tharander Jahrbuch XXV, 1875, 
S. 74—84. b) Entomologische Notizen. Daselbst XXV, 1875, 
S. 260—264. c) Entomologische Notizen. Polygraphus pubescens Er. 
Daselbst XXVI, 1876, S. 96. d) Entwickelung des Fichtenborken- 


käfers in Aesten. Daselbst XXVI, 1876, S. 254— 257. — 39. Kanuıca, V. 


Der Tannenborkenkäfer im Schemnitzer Revier. Oesterreichische 
Monatssehrift für das Forstwesen XV, 1865, S. 585—62. — 40. Kar- 
BASCH, M. R. Der Borkenkäferfrass in Oesterreich-Schlesien. Allgemeine 
Forst- und Jagdzeitung LI, 1875, S. 65 und 66. — Al. Keuter, C. 
a) Ein abnormer Frass von Hylesinus fraxini Fabr, Schweizerische 
Zeitschrift für das Forstwesen 1885, 8. 25und 26. 5) Insektenschäden 
im Gebirgswalde. Oesterreichische Forstzeitung III, 1885, S. 239 
und 280. — 42. Krrrner, A. a) Bostrichus amitinus Eichh. Cen- 
tralblatt für das gesammte Forstwesen I, 1875, 8. 641—642. 
b) Ueber Bostrichus amitinus Eichh. Deutsche entomologische Zeit- 
schrift XX, 1876, 8.. 191 und 192. c) Ueber die im "Thüringer 
Walde vorkommenden Fichtenborkenkäfer, ihre Vertilgung und die 
dahin einschlagende Wirthschaft. Centralblatt für das gesammte Forst- 
wesen VI, 1880, S. 421—424. — 43. Kroprer. Ueber Kieferneulen- 
frass in den Primkenauer Forsten. Jahrbuch des Schlesischen Forst- 
vereins 1887, S. 43—46. — 44. Korrar. a) Beitrag zur Natur- 
geschichte des Bostrichus eurvidens Ratz. Verhandlungen der zoo- 
logisch-botanischen Gesellschaft in Wien VII, 1857, S. 187 und 
188. b) Beiträge zur Naturgeschichte des grossen Fichtenbastkäfers 
Hylesinus micans Ratz. Daselbst 1855, S. 23—23. — 45. Köppen, 
Fr. Th. Die schädlichen Insekten Russlands. 8. St. Petersburg 1880. 
— 46. Körser. Hylesinus erenatus. Zeitschrift für Forst- und Jagd- 
wesen VII, 1875, 8. 234—242. — 47. Kreser, J. F. Tabellarische 
Uebersicht der Waldverheerungsgeschichte von 1449—1799. Forst- 
und Jagdkalender für das Jahr 1802, IX. Leipzig, 12, 8. 171 bis 
219. — 48, v. Kusawa. Zur Borkenkäferfrage. Forstliche Blätter 
1875, 8. 65—78. — 49. Lerzxer, K. Ueber Eceoptogaster pruni 
und pyri. Arbeiten der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische 


j 


Literaturnachweise zu dem Abschnitte „die Borkenkäfer”. 555 


Kultur 1845, S. 37—40. — 50. Linpemann. Monographie der Borken- 
käfer Russlands. Nachrichten der kaiserlichen Gesellschaft der Freunde 
der Naturwissenschaften, Anthropologie und Ethnographie an der 
Universität Moskau XVIII, 1875, 4°, 111 8. mit 3 Tafeln (russisch). 
— 5I, Meer, A. Ungewöhnliches Vorkommen von Bostrichus chaleo- 
graphus und Hylesinus minimus. Monatschrift für Forst- und Jagd- 
wesen 1866, 8. 219—220. — 52. Mick, J. Nochmals Tomieus dupli- 
catus Sahlb. Centralblatt für das gesammte Forstwesen II, 1877, 
S. 637— 639. — 53. Neumann II. Ueber den Eschenbastkäfer, Hyle- 
sinus Fraxini und crenatus. Pfeil’s kritische Blätter, Band XXXVI, 
2, 8. 263. — 54. Neumeister H. A. Mittheilungen über eine Borken- 
käfercalamität in Sachsen und dabei gemachte Beobachtungen. Tha- 
rander Jahrbuch XXI, 1871, 8. 292—301. — 55.Nrrscue. Ueber den 
Frass von Hylesinus crenatus FAgr. Daselbst XXXIT, 1881, 8. 172— 190. 
— 56. Nörpuinger. a) Bostrichus eurvidens Gern. in einer durch Streu- 
ablagerung getödteten Föhre. Pfeil’s kritische Blätter XLVI, 1, 
S. 260 und 261. b) Hylesinus minor Hrıtg. und H. piniperda L. 
u. s, f. in Fichten. Daselbst LI, S. 262—265. c) Massenhaftes, zum 
Theil widersinniges Auftreten von Borkenkäfern im Jahre 1869. Da- 
selbst LII, 1, 260— 262. — 57. NüssLıs, O. a) Ueber normale Schwärm- 
zeiten und über Generationsdauer der Borkenkäfer. Allgemeine Forst- 
und Jagdzeitung LVIII, 1882, 8. 73—76. b) Zur Vertilgung der 
Borken- und Rüsselkäfer durch Fangbäume. Daselbst LIX, 1883, 
S. 150—154. — 58. Perrıs, Ed. Histoire des Inseetes du Pin mari- 
time. Annalesde la soc,. entomologique de France 3i®m® ser. IV, 1856, 
S. 173—257. — 59. Preırer, J. Beitrag zur Naturgeschichte des 
Bostrichus duplicatus. Weber’s Forst- und Jagdtaschenbuch für das 
Jahr 1872, S: 35—46. — 60. Rassmann. Hylesinus fraxini Farr. 
Preiv’s kritische Blätter XII, 2, 1838, S. 187 bis 190. — 
61. Rırzesurg. a) Insektensachen. Daselbst XXXIL, 1, 1852, S. 132 
bis 147. b) Eine Pflanzschule für Forstinsekten. Zeitschrift für Forst- 
und Jagdwesen III, 1871, 8. 396—402. c) Ein Fall von ungewöhn- 
licher Verbreitung des Rüsternborkenkäfers, des Scolytus destructor 
Oliv. u. s. f. Daselbst III, 1871, S. 403—407. — 62. Revirzey v, 
Renıssye, J. Geschichte der hundertjährigen Irrlehre über Schäd- 
lichkeit des Borkenkäfers. Bericht über die XV. Versammlung deutscher 
Forstmänner zu Darmstadt 1886, S. 234—253. — 63. RiEGEL. 
a) Beitrag zur Kenntniss der Lebensweise des Bostrichus acuminatus. 
Monatschrift für das württembergische Forstwesen Ill, 1852, 
S. 29—30. b) Beitrag zur Kenntniss der Lebensweise und Vertilgung 
des Bostrichus ceurvidens und piceae (Ratz). Daselbst VII, 1856, 
S. 140—142. c) Bostrichus curvidens Gr. Monatschrift für das 
Forst- und Jagdwesen 1860, 8. 205 und 206. — 64. Roru. Ein 
Rindenschäler für Nadelholz. Daselbst XIX, 1875, S. 133 und 134, 
mit Abbildungen. — 65. ScuinpLer. Krankheiten und Feinde der Ulme. 
Vereinsschrift Böhmischer Forstwirthe (Smoler’s), Heft 39, 1861, 
S. 12—22. — 66. Scuwarpach, A. Der Borkenkäfer im bayerischen 


36* 


55 


‚trag 


6 Kap. IX. Die Käfer, 


Walde. Monatschrift für Forst- und Jagdwesen 1875, S. 156 bis 
168. — 67. v. Sierstorprr. Ueber einige Insektenarten, welche den 
Fichten vorzüglich schädlich sind u. s. f. 8. Helmstedt 1794. — 
68. Srem, F. a) Beiträge zur Forstinsektenkunde, Tharander Jahr- 
buch VIII, 1852. 1.) Ueber mehrere in Fichten hausende Borken- 
käfer, namentlich über Bostrichus typographus und Hylesinus palliatus, 
S. 223—239 und 5.) Ueber Beschädigung von 20- bis 40jährigen 
Fichten durch Hylesinus polygraphus und palliatus, $. 250—256. 
b) Ueber einige Borkenkäferarten. Daselbst X, 1854, 3. 270—280. 
— 69. SwogopA, A. Auszug aus dem Jahresberichte des k. k. Forst- 
rathes Sw. über seine Thätigkeit während des Jahres 1873. Mittheilung 
des k. k. Ackerbauministeriums IV, 1874, Wien, 4. Heft X. — 
70. Tuouson, M. C. G. Ueber Polygraphus. Annales de la soeiete 
entomologique de France. 6! m® serie, VI, 1886; Bulletin entomologique 
S. XI und $S. LXI und LXIH. — 71. Tuum.. Käferfrass in der 
Gegend von Laubach. Allgemeine Forst- und Jagdzeitung LXI, 1885, 
S. 24 und 25. — 72. Tuürmer. Die Borkenkäfercalamität in Russ- 
land in den beiden Sommern 1882/83. Daselbst LXI, 1885, S. 389 
bis 392. — 73. Uurıcr. Beobachtungen über das Auftreten des Hyle- 
sinus micans in der Oberförsterei T'hale. Zeitschrift für Forst- und 
Jagdwesen VI, 1873, 8.150—161. — 74. Wacarr, F. A. Die doppel- 
zähnigen europäischen Borkenkäfer. Mittheilungen aus dem forstlichen 
Versuchswesen Oesterreichs, XI. Heft, Wien 1884. — 75. Wırrkonm, M. 
a) Die Insektenverheerungen in Ostpreussen und die durch dieselben 
herbeigeführte Umgestaltung der ostpreussischen Forsten und ihrer 
Bewirtbschaftung. 'Tharander Jahrbuch XVI, 1864, 5. 160—215. 
b) Ueber Insektenschäden in den Wäldern Liv- und Kurlands. Vor- 

$, gehalten vor der Dorpater Naturforschergesellschaft, 14. Sep- 
tember 1871. c) Eine Ferienreise durch das böhmisch-bayerische 
Waldgebirge. Forstliche Blätter 1876, 8. 10—16, 70—77, 97—114. 
— 76. F. B. Bostrychus curvidens Germ. als Schädling der Balsam- 
tanne (Abies balsamea). Centralblatt für das gesammte Forstwesen XI, 
1885, 8. 187. — 77.8. H. Einiges über den Eichenkernkäfer, Platypus 
eylindrus Hbst. Oesterreichische Vierteljahresschrift für das Forst- 
wesen I, 1851, 8. 36—43. — 78, .... Käferfrass in Weisstannen- 
beständen. Schweizerisches Forstjournal U, 1851, 8. 16—22. — 
79..... Der Kampf gegen den Fichtenborkenkäfer. Gesammelte 
Erfahrungen aus der forstlichen Praxis. Centralblatt für das gesammte 
Forstwesen 1875, Supplement I, Wien 1875. Faesy und Frick. 8. 
48 S. — 80. Beiträge zur Forststatistik von Böhmen. Herausgegeben 
vom Comite für die Land- und Forstwirthschaftsstatistik u. s. £. gr. 8. 
Prag 1885. — 81. Biscnorr-Eninger. Beobachtungen über die Lebens- 
weise und Minirarbeiten des Tomicus (Bostrichus) Cembrae in den 
Alpen Graubündtens, Mittheilungen der Schweizerischen entomelogischen 
Gesellschaft IV, 1877, 8. 160—162 mit Tafel. — 82. Pıaury, A. 
Ueber die Generation der Bostrychiden. Allg. Forst- und Jagdzeitung 
1858, Novemberheft. 


Literaturnachweise, Die Bockkäfer, 557 


Die Bockkäfer. 


Die Bockkäfer, Cerambycidae, sind langgestreckte, mittelgrosse bis 
sehr grosse, tetramere Käfer, welche ihren schlanken, den Körper oft an 
Länge übertreffenden und vielfach an der Spitze der einzelnen Glieder 
etwas verdickten, geknoteten Steinbockhörnern ähnlichen Fühlern ihren 
Namen verdanken. Die Käfer leben meist auf Stämmen und Laub, einige 
auch auf Blüthen. Ihre weisslichen Larven fressen stets Pflanzen- 
theile, leben meist im Innern von Holzgewächsen und nähern sich in 
ihrer Gestalt insofern denjenigen der Prachtkäfer, als auch sie einen 
grossen, stark chitinisirten Kopf mit sehr kurzen Fühlern besitzen, der 
gewöhnlich zum grössten Theil in dem ersten Brustring derartig zurück- 
gezogen ist, dass kaum sein vorderes Dritttheil hervorragt. Dagegen sind 
sie im Durchschnitt weniger abgeflacht und die Brustringe tragen wenig- 
_ stens bei der grösseren Anzahl wirkliche, aber kleine, wenig entwickelte 
Beinpaare. Die forstliche Bedeutung der Bockkäfer, welche nicht allzu- 
hoch anzuschlagen ist, beruht, wenigstens in Europa, stets auf dem 
Larvenfrass. 


Die genaueren Kennzeichen der Käfer (vgl. Taf. II, Fig. 12 
und Fig. 179) sind folgende: Kopf geneigt oder mit senkrechter 
Stirn, nie rüsselartig verlängert. Fühler 11-, selten 12gliederig, 
borsten- oder fadenförmig, mitunter gesägt oder geschuppt, gegen 
die Spitze verdünnt, aber stets mit sehr grossem ersten und sehr 
kleinem zweiten Gliede. Sie sind auf der Stirn, oder in oder bei einer 
fast immer vorhandenen Ausrandung der Augen eingefügt, gewöhnlich 
länger als der halbe, oft viel länger als der ganze Körper. Oberlippe 
deutlich. Mundwerkzeuge scharf. Flügeldecken flach, mitunter abge- 
kürzt. Flugflügel meist ausgebildet. Beine gewöhnlich lang und 
schlank, an den Seiten des Körpers vorragend, Schenkel häufig 
keulenförmig verdickt. Füsse tetramer oder richtiger gesagt erypto- 
pentamer, d. h. mit gering entwickeltem vierten Gliede (vgl. 8. 284). 
An der Unterseite der Füsse eine deutliche behaarte Sohle, nament- 
lich an dem dritten, zweilappigen Gliede. Färbung sehr verschieden, 
theils matt und dann entweder ganz dunkel oder mit helleren, oft 
sogar schreienden Zeichnungen, oder glänzend bis zu den schönsten 
Metallfarben. 

Man darf aber nicht übersehen, dass im Gegensatz zu den anderen 
Familien tetramerer- Käfer die Grösse der Böcke oft eine so bedeutende ist, 
dass auch das vierte, rudimentäre Glied der Füsse leicht ohne stärkere optische 
Hilfsmittel erkannt werden kann, z. B. bei Spondylis, 

Puppen namentlich an den langen, der Bauchseite ange- 
schmiegten Fühlern leicht kenntlich (vgl. Taf. II, Fig. 12 P). 


558 Kap. IX. Die Käfer. 


Larven (vgl. Taf. II, Fig. 12 L und Fig. 180), wie alle dem 
Lichte entzogen lebenden, weisslich, mit stark chitinisirtem Kopfe, 
der kleine, dreigliederige Fühler und derbe Mundwerkzeuge trägt; 
im Gegensatze zu den ähnlichen Buprestidenlarven finden sich aber 
auch stets am dritten Kieferpaare Taster, also Lippentaster. Punkt- 
augen fehlend oder jederseits neben den Fühlern bis zur Fünfzahl 
vorkommend, Die drei Brustsegmente, von denen die kragenartig 
meist den grössten Theil des Kopfes einschliessende, häufig oben 
und unten mit Chitinplatten bekleidete Vorderbrust am grössten ist, 
sowie die neun Hinterleibsringe unter sich sehr ähnlich und durch 
scharfe, tiefe Einschnitte voneinander getrennt. After am letzten 
Hinterleibsringe kegelförmig vortretend, ein eigenes Scheinsegment 
(Fig. 180 A, 9!) bildend, meist Y-förmig, seltener quer gespalten. Die 
beiden hinteren Brust- und die sieben vorderen Hinterleibsringe oben 
und unten mit je einer Haftscheibe, d. h. einem queren, scheiben- 
oder warzenartig vortretenden Höcker, welcher den Larven die Be- 
wegungen in den Gängen erleichtert. Stigmata oval, im Gegensatz zu 
den halbmondförmigen der Buprestidenlarven. Beine entweder sehr 
klein und seitlich an den Brustringen angebracht, oder sogar ganz 
fehlend. 

Nur einige wenige, z. B. die Larven der Gattung Dorcadion, 
leben nach Engerlingsart im Boden und können dann, beiläufig 
gesagt, landwirthschaftlich schädlich werden, namentlich die von 
Dorcadion carinatum Par. in Russland durch Befressen der Getreide- 
wurzeln [Körrpen Il, S. 266—270]. Eine andere, ebenfalls kleinere 
Anzahl lebt in den Stengeln nicht holziger Pflanzen, z. B. „’Aiguil- 
lonnier”’, die Larve von Calamobius gracilis CREurTz., im südlichen 
Frankreich als wirklicher Schädling in den Getreidehalmen [vgl. 
VIl, 2. Auf., S. 246]. Beiweitem die meisten Larven leben aber 
im Innern von Holzgewächsen, und zwar von diesen wiederum die 
grössere Anzahl in kränkelnden oder abgestorbenen Toaeilen, die 
geringere, aber dafür desto schädlichere und hier am genauesten zu 
besprechende, in lebenden und gesunden Stämmen. Fast alle Holz- 
bewohner fressen als junge Larven an der Grenze zwischen Rinde 
und Holz unregelmässige, mäandrische, mit Nagemehl dicht voll- 
gepfropfte Gänge und verpuppen sich in einer hakenförmigen, mit 
ovaler Eingangsöffoung in das Holz dringenden Puppenwiege, aus 
der die Käfer wieder nach der Rinde zu steigen und diese in ovalen 
Fluglöchern durchbohren. Wir geben als Typus dieser gemeinsten 
Frassform die Abbildung derjenigen von Callidium variabile L. 
(Fig. 183). Abweichend ist die Form der Puppenwiegen bei 
einigen Lepturini, z. B. bei dem sehr häufigen Rhagium inquisitor L., 
welches, ohne in das Holz einzudringen, eine mit langen, kranzartig 
xcordneten Nagespänen eingefasste, ovale Puppenwiege unter der 
Rinde von Nadelhölzern macht. Acmaeops collaris L. geht sogar zur 
Verpuppung in die Erde [I4b, S. 533—539]. Anders verhalten 


sich dagegen manche Formen der Lamiini, welche, wie z. B. Saperda 


Allgemeines über Bockkäfer. Systematik. 559 


oculata L., die Markröhren von Aesten mit langgestreckten Gängen 
durchsetzen. Diese Käfer scheinen stets ein rundes Flugloch zu 
machen. 


Ueber die Generation der Bockkäfer lasseu sich keine allge- 
meinen Angaben machen. Allerdings wird sie gewöhnlich als zwei- 
jährig angegeben, andererseits haben aber manche Formen sicher 
einjährige Generation, andere dürften, wie Cerambyx cerdo L., viel 
länger brauchen, und es variiren*sogar mitunter bei ein und derselben 
Art die Angaben der verschiedenen Forscher ganz erheblich. So soll 
Callidium (Gracilia) pymaeum Far. nach von Hryven [XXIV, S. 41] 
eine doppelte Generation haben, während Harrıc einen Fall von 
vierjähriger Dauer berichtet. Sehr wahrscheinlich ist die Generation 
je nach der Temperatur und nach der Beschaffenheit, namentlich 
Feuchtigkeit der bewohnten Hölzer eine sehr wechselnde. Genaue 
Untersuchungen hierüber wären in hohem Grade wünschenswerth. 


Systematik. Die Bockkäfer können in zwei grosse Unterfamilien 
getrennt werden, die folgende Kennzeichen haben: 


Cerambycitae: Lamiitae: 
Kopf: 
nach vorn geneigt | vorn senkrecht abfallend 


Endglied der Taster: 
abgestutzt | . zugespitzt 


Innenseite der Vorderscehienen: 
ohne Furche | mit Furche 


Figur 179 links Cerambyx cerdo L., rechts Saperda carcharias L. A 
Käfer in natürlicher Grösse im Profil. B Innenseite des linken Vorderbeines, 
um die Sohlenbildung und bei Saperda die Furche der Schiene zu zeigen. c 
rechter Kiefer des zweiten Paares mit Taster, von unten. !/, nat. Gr. Originale. 


Diese schon am Habitus kenntlichen Hauptgruppen sind um so 
natürlicher, als auch ihre Larven sich leicht unterscheiden. Bei den 
Cerambycitae erscheint nämlich die feste Chitinkapsel des Kopfes, 


560 Kap. IX. Die Käfer. 


wenn man sie aus dem Vorderbrustringe befreit, quergeformt, also 
breiter als lang (Fig. 180 C, D, E), und es sind stets deutliche Füsse 
vorhanden, während bei den Lamiitae (Fig. 180 F) der Kopf länglich, 
viel länger als breit erscheint, und die Beine entweder völlig fehlen 
oder kaum mit dem Mikroskope als verschwindende Stummel zu er- 
kennen sind. 


Fig. 180 A. und B. Larve von Cerambyx cerdo L. in ?/, natürlicher 
Grösse von der Seite und von oben. Bei A Füsse und Stigmata erkennbar. 
Original. C—F'\, schematische Darstellungen der Kopfkapsel und deren Verbältniss 
zu den punktirt angedeuteten Brustringen, (€ von Rhagium inquisitor L., D 
von Cerambyx cerdo L., E von Prionus coriarius L., F von Saperda car- 
charias L. Diese Schemata sind, ohne Rücksicht auf das natürliche Grössen- 
verhältniss der einzelnen Larven, so gezeichnet, dass alle Kopfkapseln die 
gleiche Breite haben. Nach der Natur mit Berücksichtigung der Abbildungen 
von ScHıöprE [I6]. 


Die Lamiitae zerfallen nicht in kleinere Gruppen, die viel 
zahlreicheren Cerambyeitae dagegen in drei Hauptgruppen mit fol- 
genden Kennzeichen: 


Lepturini: Cerambyecini: Prionini: 
Kopf: 
hinten halsartig verengt | hinten nicht halsartig verengt 
Halsschild: 
ohne scharfen Seitenrand | mit scharfem Seitenrand 


Vorderbrust: 


nicht bis hinter die Vorderhüften als breiter Fortsatz | bis hinter die Vorderhüften 
verlängert als breiter Fortsatz ver- 
längert 
Vorderhüften: 


zapfenförmig vorragend | meist kugelig und nicht quer 
vorragend 


Auch diese Gruppen sind nach ScHiöpTe und GAnGLBAUER |I6 und 7] 
fast noch besser, als durch die Kennzeichen der Käfer, durch diejenigen der 
Larven charakterisirt. Wenn wir nämlich an der chitinisirten Kopfkapsel 
das durch die Gabellinie vorn über der Oberlippe abgetheilte Dreieck als 
Mittelstück, die beiden nach hinten von der Gabellinie gelegenen als 
Seitenstücke bezeichnen, so stossen diese Seitenstücke bei den 
Lepturini (Fig. 180 C) blos in einem Punkte zusammen, bei den 
Cerambyeini (Fig. 180 .D) in einer Linie und bei den Prionini (Fig. 180 
E) gleichfalls in einer Linie; beiletzteren sind sie aber über diese Linie 
hinaus jedes für sich verlängert, so dass die hintere Begrenzung des 


Systematik der Bockkäfer. Bestimmungstafel. 561 


Kopfes einen einspringenden Winkel bildet. Es ist ferner bei den 
Lepturini der Kopf nur sehr wenig von dem grossen Vorderbrustringe 
eingeschlossen, ragt also fast ganz frei vor (Fig. 180 C’), während dies 
bei den Cerambycini und den Prionini nur sein Vorderrand thut. 
Wir unterscheiden also die gesammten Cerambyeidenlarven in vier 
Typen. 

Die Unterschiede der wichtigeren Gattungen, welche wir aus 
Gründen der praktischen Bequemlichkeit und der Namensvereinfachung 
etwas weit fassen, und denen wir die kleineren Gattungen als Unter- 
gattungen unterordnen, sind aus der folgenden Tafel zu ersehen: 


I. Unterfamilie: Cerambycitae. 


1. Gruppe: Lepturini. 
Gattung: Untergattung: 
A. Flügeldecken nicht verkürzt. 


I. Fühler kurz, wenig über das Halsschild zu- 
rüekreiehend, Glied 1 der Hintertarsen, wie die 
beiden folgenden, breitsöhlig entwickelt. .. Rhagium 
II. Fühler länger, weit über das Halsschild zu- 
rückreichend, Glied 1 der Hintertarsen mehr 
zusammengedrückt, nicht breitsöhlig entwickelt Leptura 
i. weit. Sinne 
a) Die halsartige Verengung des Kopfes 
nicht stark abgeschnürt. 
1. Halsschild mit spitzem Seitendorn. . .... Toxotus 
2. Halsschild mit stumpfem Seiten- 
dorn oder ohne solchen. . ae MB, alcihayat.a 
b) Die halsartige Verengung des Kopfes 
scharf abgeschnürt, Halsschild ohne 
EIKE Or ee. lepuuna 
i. eng. Sinne 


Br Rlüpeldecken) verkürzt .; coria u selon ine von #u eo, ‚Necydalis 


2. Gruppe: Cerambycini. 
4A. Flügeldecken verkürzt, nicht bis zur Mitte des 
Elinterleibes reichend.. 2, 21. 2.0.10 000 fer.er,e,  Molorchus 


B. Flügeldeeken nicht verkürzt, den Hinterleib höch- 
stens an der Spitze freilassend. 


I. Halsschild ohne Seitendorn. 
a) Aussenrand der Schienen gezähnelt, 
Ende der Vorderschienen löffelförmig 
ausgezogen, Fühler sehr kurz, Körper 
fast” walzenförmig Are . . Spondylis 
5b) Aussenrand der "Schienen "nieht ge- 
zähnelt, Körper mehr abgeflacht. 


1. Flügeldecken bei allen forstlich 
wichtigen Arten ohne helle, scharf 
abgesetzte Zeichnungen . . . Callidium 
i. weit. Sinne 
«) Augen deutlich zweigetheilt. 
a') Halsschild doppelt so lang 
als breit, sehr kleine Käfer... . .. Graeilia 
b‘) Halsschild eben so lang als 
breit, mittelgrosse Formen . . . . . . Tetropium 


562 Kap. IX. Die Käfer. 


Gattung: Untergattung: 


ß) Augen nur nierenförmig ausge- 
schnitten. 
a‘) Vorderbrust zwischen den 
Vorderhüften zugespitzt, sie 
garnicht od. nurals schmalste 
Lamelle trennend! . „a rare allidamum: 
i. eng. Sinne 
&‘) Vorderbrust zwischen den 
Vorderhüften schmal, nach 
hinten abgerundet, sie wenig 
trennend . . N elalanse)ilopeiels 
ce‘) Vorderbrust zwischen den 
Vorderhüften breit, sie stark 
auseinandertreibend . . ee ee Hy loiimuimeis 


2. Flügeldecken stets mit hellen, 
scharf abgesetzten, gewöhnlich 
Querbinden darstellenden Zeich- 
DUNGEN EN caRS De ee Clytus 


II. Halsschild mit Seitendorn. . . -. ... . Cerambyx 
1, weit. Sinne 
a) Seitendorn auf die Oberseite des 
Halsschildes heraufgerückt . . Dlie = Trnabnee oBe 
5) Seitendorn an der Grenze von Ober- 
und Unterseite frei hervorragend. 
1. Halsschild gekörnt, Färbung matt 


roth und schwarz . . . 24.0. Purpunieenus 
2. Halsschild stark quer gerunzelt, 
Färbung dunkel, etwas glänzend. ..... .. Cerambyx 


ji. eng. Sinne 
3. Halsschild höchstens schwach ge- 
runzeltund grob punktirt, FArhRSE 
glänzend metallisch . . . fin. ee AAO 
3. Gruppe: Prionini. 
Einzige hier zu erwähnende Gattung . .’. . Prionus 
i. weit. Sinne 
4A. Halsschild mit drei spitzen, starken Seiiendornen . ne ee BrTomaus 
i. eng. Sinne 
B. Halsschild am Seitenrande gezähnelt, mit einem 


stärkeren Seitendorn hinter der Mitte . „. „u. 2. 2. Ergates 


I. Unterfamilie: Lamiitae. 
A. Halsschild mit Seitendorn. 


I. Käfer ohne Flugflügel, Larven in der Erde 
nach Engerlingsart lebend; forstlich unwichtig. Dorcadion 


II. Käfer mit Flugflügeln, Larve im Innern 
von Pflanzen lebend ?Eun2..m 03ER: Kalt Re Lamia 
i. weit. Sinne 
a) Schenkel ander Spitze plötzlich keulen- 
artig verdickt. 

1. Fühler sehr viel länger als der 

Körper, 2 mit dauernd vorragen- 
der Legscheide . sn. 1.2.2 2,2». Acanthocinug 
(Astymomus) 

2 Fühler nur wenig länger als der 

Körper. Flügeldeeken mit er- 
habenen Längsrippen . . . ... . .Pogonochaerus 


D 
Mr a u a 


Bestimmungstafel. Forstliche Bedeutung der Bockkäfer. 563 


Gattung: Untergattung: 
b) Schenkel an der Spitze nicht keulen- 
förmig verdickt. 
1. Fühler dünn, länger als der Körper, 


Färbung dunkel metallisch .. .. » . „Monochammus 
2. Fühler dick, kürzerals der Körper, 
Färbung dunkel, aber matt. . !..... Lamia 


i. eng. Sinne 
eeralsschild ohne Seitendom . . . „un .,..""Saperda 
i. weit, Sinne 
I. Fussklauen nicht gezähnt, Fühler eilf- 
gliedrig, Flügeldecken über zweimal so lang 
alsehreit.. „2.0.0. I EEE et area Saperda 


II. Fussklauen stark gezähnt, Augen nur 
nierenförmig ausgerandet, nicht doppelt, Hinter- 
schenkel kurz, nur bis zum Ende des zweiten 
Hinterleibsringes DeI@ end Pl ehur 21 ODER 


Die forstliche Bedeutung der Bockkäfer ist eine viel geringere, 
als die der Rüssel- und Borkenkäfer: immerhin dürfen aber einige 
ihrer Arten als Schädlinge nicht unterschätzt werden. Die Käfer als 
solche sind stets gleichgiltig, dagegen können ihre Larven manche 
Holzarten theils physiologisch, theils technisch schädigen, und zwar 
sind diesen Angriffen sowohl Nadelhölzer wie Laubhölzer ausgesetzt. 
Unter den letzteren haben von den physiologischen Schädigungen 
wieder am meisten die weichen Holzarten zu leiden, während der 
technische Schaden in den harten Holzarten am bedeutendsten ist. 
Auch giebt es einige Arten, welche nicht die Hölzer im Walde an- 
greifen, sondern erst auf den Lagerplätzen oder am Ort ihrer Ver- 
wendung. Wir unterscheiden daher: 

1. Physiologisch schädliche Nadelholz-Bockkäfer. 

2. Physiologisch schädliche Laubholz-Bockkäfer. 

3. Das stehende Holz technisch schädigende Bockkäfer. 

4. Das geschlagene und verarbeitete Holz technisch schädigende 

Bockkäfer. 

Ausserdem werden wir im Anschlusse an die einzelnen bio- 
logischen Abtheilungen kurz einige Arten erwähnen, die man eigentlich 
nieht als schädlich bezeichnen kann, welche aber doch als im Walde 
sehr auffallende und gewöhnliche Käferformen eine kurze Betrachtung 
verdienen. 


Physiologisch schädliche Nadelholz-Bockkäfer. Es sind hier 
ausführlicher zu erwähnen: 
Der zerstörende Fichtenbock, 
Callidium luridum L., 
der Schneider- und der Schusterbock, 

Lamia sartor FABr. und L. sutor L. und 
der Kiefernzweigbock, 
Lamia fasciculata DE GeEER. 


564 Kap. IX. Die Käfer. 


Die ersten drei Formen sind Verderber von alten Fichten- 
beständen, in welchen sie nicht nur kränkelnde, sondern auch gesunde 
Stämme angehen und vielfach allein oder in Vereinigung mit den 
gewöhnlichen Fichtenborkenkäfern, z. Be Tomicus typographus L., 
zum Eingehen bringen. 

Der zerstörende Fichtenbock, ein 1—1'5 cm langer Käfer mit 
abgerundetem Halsschild, verhältuissmässig kurzen Fühlern und zwei- 
getheilten Augen, welcher in der Färbung sehr variirt und entweder 
ganz schwarz ist oder anders gefärbte Gliedmassen und in einer Spiel- 
art auch gelbbraune Flügeldecken hat, ist wohl der wichtigste unter 
ihnen. Man kann seinem Schaden durch Einschlag und rechtzeitige 
Entfernung der befallenen Hölzer aus dem Walde, sowie durch Werfen 
von Fangbäumen im Juni, die man vor Herbst, solange die Larve 
noch unter der Rinde lebt, zu schälen hat, mit Erfolg bekämpfen. 

Genauere Angaben über die Ausdehnung der Schäden und die 
mögliche Bekämpfung des Schneider- und Schusterbockes, 
zweier 1'5—53 cm lauger, dunkler Gebirgskäfer mit senkrecht stehendem 
Kopfe, grossen, langgliedrigen Fühlern, seitlich mit einem Dorn ver- 
sehenem Halsschilde und undeutlich braun metallglänzenden, flecken- 
weise hell behaarten Flügeldecken, fehlen noch. 

Der Frass des kleinen, ungefähr nur 65mm langen Kiefern- 
zweigbockes, ist eine der vielen Ursachen, weshalb bei älteren 
Kiefern die Kronen licht werden und Wipfeldürre eintritt. Gelegentlich 
brütet er auch in Kiefernkulturen. Eine Bekämpfung desselben ist 
schwierig und wohl meist auch nicht einmal nöthig. 


Wir behandeln zunächst den zerstörenden Fichtenhock. 


Beschreibung. Callidium (Tetropium Kıre., Criomorphus Murs.) 
luridum L. (castaneum L.) Käfer: Auzen vollständig in zwei Hälften getheilt. 
Fühler länger als das Halsschild, nahe der Basis der Mandibeln eingelenkt. 
Halsschild an den Seiten ohne Dorn oder Zähne, etwas breiter als lang, an den 
Seiten stark gerundet, auf der Scheibe nur sparsam punktirt, daher glänzend, 
an den Seiten fein und dicht gekörnt, seine Mittellinie, sowie die des Schild- 
chens leicht vertieft. Flügeldecken äusserst fein und dicht punktirt, mit einigen 
mehr oder weniger deutlichen, erhabenen Längslinien. Schienen glatt, Schenkel 
keulenförmig verdickt. Färbung sehr veränderlich, Kopf und Halsschild schwarz, 
Fühler und Beine wenigstens theilweise röthlich, Flügeldeeken braun, bei var. 
fulcratum Fapr. schwarz. Der ganze Käfer ist schwarz bei var. aulicum FABr. 
Länge 10—16 mm. 

Larve nach dem Cerambyeinen-Typus gebaut, nur unbedeutend nieder- 
gedrückt. Kopf fast herzförmig, Mitteltheil mit tiefer Mittelfurche und zwei rund- 
liehen Eindrücken neben derselben. Clypeus viermal so lang als breit. Oberlippe 
halbkreisförmig, so breit als der Clypeusrand. Punktaugen verschwindend. Fühler 
äusserst klein, kaum über den Stirnrand vorragend. Vorderkiefer am Innenrande 
mit 2 Zähnen. Vorderbrust nicht sehr breit, etwas halbmondförmig, oben etwas 
stärker chitinisirt, mit ausgesprochener Mittellinie. Füsse klein, 1!/3mal so lang 
als die Kiefertaster. Klauenglied mit feinen Dornen. Haftscheiben der Hinterleibs- 
ringe mit einer Querfurche. Körper sehr fein und kurz behaart, am Hinterende 
oben mit 2 sehr kleinen Chitinspitzen. Länge 15—25 mm [V, I, S. 237 und I6, 
S. 398 und 399]. 

Zugleich mit diesem Käfer und unter ganz ähnlichen biologischen Verhält- 
nissen kommt eine andere Art vor, welche lange nur als Abart angesehen wurde, 
nämlich 


Physiologisch schädliche Nadelholz-Bockkäfer. Callidium luridum. 565 


Cal. (Tetr.) fuscum Gyrr. Käfer: Halsschild an den Seiten weniger 
erweitert, auf der Scheibe dicht runzelig punktirt, daher matt. Kopf und Hals- 
schild schwarz, letzteres am Vorder- und Hinterrand röthlich. Flügeldecken 
gelbbraun. Länge 10—14 mm. Larve von der der vorigen Art kaum zu unter- 
scheiden [I6, S. 400). 


Lebensweise. Diese beiden hier gemeinsam zu besprechen den 
Arten sind gewöhnlich Bewohner der gemeinen Fichte, doch kommt 
Cal.luridum L. auch in Lärche und Kiefer vor. Sie lieben stärkere 
Rinde und gehen daher vorzugsweise Fichtenstämme von 60 bis 
100 Jahren an, während sie in Lärchenbeständen [Dösner XIV, 2, S. 159 
Anm.) bereits 30—40jährige Stämme befallen. Sie beginnen den 
Stamm von unten her mit Eiern zu belegen, gehen dann auf der 
zuerst angegriffenen Seite in die Höhe, und erst wenn diese vollständig 
mit Eiern belegt ist, wird auch die andere Seite angenommen. An 
gefällten Bäumen, die nur auf einer Seite angenommen werden, findet 
man im Winter unten am Stamme die Larven ausgewachsen und tief 
im Holze, während dieselben nach dem Wipfel zu immer kleiner 
werden und noch unter der Rinde sitzen [Autemann I, 8. 100]. 
Die beiden Arten kommen theils gemischt miteinander vor, theils 
überwiegt die eine oder die andere Art, und in manchen Fällen ist 
wesentlich nur eine einzige der oben geschilderten Abarten des 
Cal. luridum L. an dem Frasse betheiligt gewesen. 

NÖRDLINGER [XXIV, S. 41] fand den Käfer zuerst in Lärche und Dösxer 
XIV, S. 189] bestätigte dies dann durch ausführliche Mittheilung. Desgleichen 
Arrum nach den Mittheilungen von Berin« [XVlI., IIL., 1., S. 339]. Auch auf den 
königl. Sächsischen Staatsforstrevieren Tharand und Höckendorf bei Tharand kam 
der Käfer in Lärche vor. In Kiefern ist er, so viel uns bekannt, in Deutschland 
nur von AHLEMANN gefunden worden, wie RATzEgur@ [XV, S. 165] mittheilt, da- 
gegen kommt er, wie Körren [ll, S. 264] auf die Autorität von Linpemann hin be- 


richtet, in Russland, wo er von Lappland bis zur Krim und bis zur Mündung des 
Amur gemein ist, in Kiefer häufiger als in Fichte vor. 


Die aus den unter Rindenschuppen oder in Rindenritzen abge- 
legten Eiern schlüpfenden Larven fressen zunächst an der Grenze 
von Rinde und Holz unregelmässige, allmählich sehr breit werdende, 
gebuchtete, flache Gänge, die mit wurstförmigen Bast- und Splint- 
nagespänen dicht gefüllt sind und meist auch in den Splint eingreifen. 
Ist die Larve ausgewachsen, so geht sie gewöhnlich in das Holz, wo 
sie einen gekrümmten, anfänglich schwach aufwärts, später aber ab- 
wärts gerichteten Hakengang nagt, der im Bogen gemessen oft 5 bis 
6cm und mehr lang ist. Den absteigenden Schenkel verstopft sie 
hinter sich mit Nagemehl und verpuppt sich schliesslich daselbst. 
Der Eingang zu dieser Splint-Puppenwiege ist oval und seine Längs- 
achse läuft in der Richtung der Baumachse. Da uns ein geignetes 
Object fehlte, konnten wir den Frass nicht abbilden, aber der in 
Fig. 183 gegebene von Cal. variabile L. kann zur Erläuterung dienen. 
Die Puppe ruht in derselben mit dem Kopfe nach oben; der Käfer 
nagt sich zuerst durch den Wurmmehlpfropf und dann durch die 
Rinde in das Freie. Die Flugzeit des Insektes fällt ungefähr in die 


566 Kap. IX. Die Käfer. 


Zeit der Sommersonnenwende, die einzelnen speciellen Angaben über 
sie variiren von Juni bis August. 


In selteneren Fällen, die zum Beispiel Autzmann [I] nie beobachtet hat, 
welche aber bereits Rarzegure [V. 1. S. 237] erwähnt und Paury [13] bestätigt, 
findet die Verpuppung in einer nicht in das Holz dringenden Rinden-Puppenwiege 
statt. Die Angabe von Dösxer [XIV, IH, S. 189] und Hrawsa [9], dass die 
Rindenwiegen dem Cal. fuscum FAsr., die Splintwiegen dem Cal. luridum L. 
zukämen, bedürfen der Bestätigung. | 


Die Generation des Insektes ist höchst wahrscheinlich ein- 
jäbrig, und zwar verläuft sie in der Art, dass die im Laufe des 
Sommers schnell heranwachsenden Larven im Herbste als ausge- 
wachsene Thiere den Hakengang in das Holz nagen, hier als Larven 
überwintern, sich im Frühjahr verpuppen und im nächsten Sommer 
wieder zu Käfern werden. 


Wir stützen uns bei dieser Darstellung zunächst auf die Angaben von 
Autemann [I, S. 101] als desjenigen Forschers, der unsere Thiere am gründ- 
licehsten beobachtet zu haben scheint und dem auch Rarzerure [X, S. 80] zu- 
stimmt. Ferner spricht Linpemann nach Körren [Il, S. 265] ganz bestimmt von 
einjähriger Generation. Hierzu passen auch die allgemeinen Anschauungen von 
Perrıs |[vgl. namentlich 14 b, S. 563—569], und der direkte Beweis durch 
Zucht ist neuerdings von Paury [I3]| beigebracht worden, nach dessen Versuchen 
es sogar vorkommen kann, dass die Käfer bereits in demselben Kalender- 
jahre ausschlüpfen, in welchem die Eier abgelegt wurden. Die Exemplare, die 
sich so entwickelt hatten, waren aber schmächtige, die erst im nächsten Jahre 
zum Vorschein kommenden normale Exemplare. Beiläufig sei bemerkt, dass 
diese Zueht mit allen wünschenswerthen Vorsichtsmassregeln ausgeführt und so 
eingerichtet wurde, dass ein Pärchen des Käfers einen frisch geschlagenen 
Fichtenkloben, dessen Schnittflächen man zur Verhinderung der Verdunstung mit | 
Paraffin getränkt hatte, als Brutmaterial erhielt und letzteres alsdann in einem 
Leinwandsäckchen eingeschlossen in einem den Witterungseinflüssen ausgesetzten 
Lattenzwinger überwintert wurde. Aehnliche Versuche, an im Freien auf natür- 
liche Weise von Cal. luridum L. besetzten Fichtenklötzern die ausschlüpfenden 
Käfer in einer Zeugumhüllung abzufangen, hat schon Hrawsa gemacht [9]. Die 
Angabe, dass die Generation zweijährig wäre, ist bei TascHexgere [XVINl, S. 192] j 
ausgesprochenermassen nur eine Vermuthung, und die genauere Darstellung von 
Autumn [XVI, II, 1, S. 339 und 340], dem offenbar auch Hess [XXI, 2. Aufl., 
S. 330] folgt, beruht wohl theils darauf, dass jener Forscher überhaupt ver- 
schiedene Arten der Arbeit einer und derselben Insektenlarve, also hier das 
Plätzen unter der Rinde und die Herstellung des Hakenganges, gewöhnlich als 
in verschiedenen Jahren erfolgend ansieht, während er andemtheils Mittheilungen 
von Schaan folgt. Eine völlige Sicherheit ist also hier noch nicht erreicht, und 
ist es sehr wohl möglich, dass auch hier Temperatureinflüsse die Dauer der 
Generation wesentlich verändern können. 


Sehaden. Die Käfer gehen mit Vorliebe, wie wir schon oben 
bemerkten, an ältere, starkborkige Bäume, und wenngleich auch hier 
kränkelnde Stämme von ihnen bevorzugt werden mögen, wie dies 
namentlich Hrawsa [9, S. 19] daraus schliessen will, dassin dem Splint 
der befallenen häufig grössere, mit flüssigem Harze gefüllte Hohlräume 
vorkommen, und auch dadurch wahrscheinlich wird, dass die Käfer 
sehr oft als Begleiter des Tomicus typographus L, erscheinen, so 
sind es doch stets noch mit frischer Benadelung versehene Stämme, 
welehe sie annehmen; in wirklich abgestorbenes Holz gehen sie 


Lebensweise, Schaden und Abwehr von Callidium luridum. 567 


niemals. Dagegen befallen sie sehr häufig ganz gesund erscheinende 
Bäume, die dann sicher getödtet werden, sodass die Käfer zu den 
recht schädlichen gerechnet werden müssen. Zeichen des Anfluges sind 
anfänglich kaum wahrzunehmen, erst im Früjahr, wenn der Saft 
stammaufwärts zu steigen beginnt und nun durch die Larvengänge 
die Circulation unterbrochen wird, also erst dann, wenn die Larven, 
— vorausgesetzt, dass unsere Annahme einer einjährigen Generation 
richtig ist — ihr Zerstörungswerk bereits vollendet haben, tritt ein 
Herunterhängen der Nadeln und zugleich bereits meist auch Los- 
lösung der Rinde an der zuerst befallenen Seite des Stammes von 
unten nach oben fortschreitend auf. Erst später röthen sich die Nadeln. 
Unangenehm ist, dass auch die technische Brauchbarkeit manch er 
Sortimente beeinträchtigt wird. 


Wir folgen in der voranstehenden Darstellung wiederum Anuemann [I, 
S. 95—100], wollen dagegen nicht unterlassen zu erwähnen, dass ScuaaL [XVI, 
IH, 1, S. 340] anderer, nämlich der Ansicht ist, dass bald nach dem Angehen 
starker Harzausfluss eintrete und bereits nach 10—14 Tagen die Nadeln welk 
werden. Auch über diese Frage müssen noch genauere Untersuchungen ent- 
scheiden. Berichte über stärkere Frässe sind folgende: Antemaxn [I] meldet zu- 
nächst das Auftreten dieser Käfer in der Oberförsterei Guitstadt, Regierungs- 
bezirk Königsberg in Ostpreussen, im Gefolge von Nonne und Borkenkäfer in 
den Sechzigerjahren. Allein im Frühjahre 1862 mussten auf diesem Reviere 
1200 Klaftern nur von diesem Käfer getödtete Stämme zum Einschlag kommen. 
Auf dem königlich Sächsischen Staatsforstrevier Hirschberg im Erzgebirge war 
namentlich 1870 der Schaden nach ScHAAL in einigen etwa 100jährigen Beständen 
sehr bedeutend, weil diese Orte in empfindlicher Weise gelichtet wurden. Gleich- 
falls von 1870 an trat der Käfer in den städtisch Bergreichensteiner Forsten 
im „Schlosswalde” nach Hrawsa [9] stärker auf. Einen grösseren Frass an 
Lärche berichtet Dörner |[XIV, 2, S. 189] aus den Jahren 1854/55 im Reviere 
Frammersbach im Spessart, wo 30—40jährige Stämme getödtet wurden. Es war 
hier Cal. luridum L., var. fulcratum FAgr., während auf dem Bergreichensteiner 
Revier mehr Cal. fuscum FaApr., vertreten war. Aus Russland berichtet nur 
LinDEMmAnNn über einen grösseren, in den Sechzigerjahren bei Moskau stattgehabten 
Frass [I5, S. 264]. 


Abwehr. Die Bekämpfung dieser Käfer besteht zunächst in 
dem Einschlagen und Wegschaffen der vom Monat Februar an als 
besetzt erkannten Stämme. Letzteres ist unerlässlich, denn sonst 
kommt, bei einjähriger Generation, der Käfer doch noch zum Aus- 
schlüpfen. Schälung solcher Bäume ist im Frühjahre überflüssig, da 
die Larven dann schon meist im Holze sitzen. Ausserdem hat Auuz- 
MANN [l, S. 102] mit grossem Erfolge Fangbäume angewendet. Dieselben 
müssen zur Flugzeit des Käfers, also spätestens im Juni geworfen 
sein. Entastete und dicht auf die Erde gelegte Fangbäume werden nament- 
lich gern an der Unterseite angenommen. Diese müssen natürlich 
geschält werden, und zwar vor dem Herbst, solange noch die juuge 
Larve unter der Rinde lebt; eine genaue Revision der Stämme an 
der Unterseite ist nöthig, damit der richtige Zeitpunkt nicht versäumt 
wird. Der einmal in das Holz gegangenen Larve kommt man nicht 
mehr bei. Auch NÖörDLInGEr fand Cal. luridum L. in einem Lärchen- 


fangbaume [XXIV, S. 41]. 


568 Kap. IX. Die Käfer. 


Wir wenden unsnun zu dem Schneider- und Schusterbock. 


Beschreibung. Lamia (Monochammus Larr.) sartor Faser. Käfer: 
Halsschild breiter als lang, fein querrunzelig, an den Seiten mit einem Dorn. 
Fühler lang und dünn, deren erstes Glied verdickt, viel kürzer als das dritte, 
beim ' einfärbig, viel länger als der Körper, beim @ kaum länger als letzterer 
und vom dritten Glied an die Wurzel der einzelnen Glieder grau behaart. Schild- 
chen dicht weiss oder gelblich behaart. Flügeldecken viel breiter als das’ Hals- 
schild, mehr als doppelt so lang wie zusammen breit, vorn grob, nach hinten 
feiner runzelig oder körnig punktirt, schwarz mit braunem Metallglanz, beim 
dg weniger, beim 2 mehr fleckig behaart, hinter dem ersten Drittel mit einem 
deutlichen, seichten Quereindruck. Gelenkhöhlen der Vorderfüsse nach hinten 
offen. Schenkel nicht keulenförmig verdickt, Fussklauen einfach. Länge 26—32 mm. 

Larve nach dem Lamiiten-Typus gebaut, sehr gross, glänzend, sparsam 
behaart. Kopfkapsel nach hinten verengt, Clypeus den ganzen Stirnrand ein- 
nehmend, dreimal so breit als lang. Lippe am Vorderrande beborstet, doppelt 
so breit als lang. Zwei kleine Punktaugen. Füsse nicht wahrnehmbar, weil [16, 
S. 435] sechsmal kleiner als das Endglied‘ der Kiefertaster. Haftscheiben der 
Brustringe und der sieben ersten Hinterleibsringe oben mit drei Längs- und zwei 
Querfurchen und in viele kleinere, reihenweis stehende und wieder gekörnelte 
Höcker zerfallend, unten nur mit einer Querfurche. After quer gestellt mit kurzer 
Mittelfurche in der unteren Klappe. 

L. (Mon.) sutor L. (pellio GErn.), Käfer dem vorigen sehr ähnlich, Flügel- 
decken jedoch ohne Quereindruck und etwas gleichmässiger punktirt, Schildehen 
mit nackter Mittellinie. Länge 16—25 mm. 

Larve derjenigen der vorigen Art sehr ähnlich. Sie wird abgebildet 
durch v. GERNET, Horae societatis entomologicae Rossicae V, 3. 1867. 

Lebensweise. Der Schneider- und der Schusterbock sind 
wesentlich Bewohner starker Fichtenstämme in Gebirgsrevieren. Ueber 
ihren Frass und ihre Generation finden sich fast gar keine positiven 
Angaben in der Literatur, nur Freıscher [6, S. 39] bemerkt, dass 
ihre Larven „ähnliche, jedoch viel breitere Gänge” wie Cal. luridum L. 
machen. Ihr Frass wird daher ähnlich sein dem von Perrıs [I4a, 
S. 467 u. 468] beschriebenen, ihrer südlichen und westlichen, in der 
Seekiefer lebenden Verwandten, der L. (Mon.) Galloprovincialis 
OLıv., deren Larve zueıst starke, plätzende, in Rinde und Holz 
eingreifende Gänge nagt und sich später in einem Hakengange 
verpuppt, aus dem schliesslich der Käfer durch ein kreisrundes, 
nur mit den Fluglöchern von Sirex zu verwechselndes Rinden- 
flugloch hervorkommt. Seine Generation ist einjährig. Während 
aber diese südliche Art nach Perrıs wesentlich nur in bereits ab- 
gestorbenen Kiefernstämmen lebt, gehen seine östlicheren Ver- 
wandten auch an stehende, gesunde Fichtenstämme und sollen 
hier nicht unbeträchtlichen Schaden thun. Die einzige uns bekannte 
positive Angabe über Schaden von L. sutor L. ist die von Wacht 
herrührende in dem Kataloge der Ausstellung des Erzherzogs ALBRECHT 
in der Wiener Weltausstellung, welche wir nach Arrum [XVi, III, 
1, 8. 345] wiedergeben: „Für die Fichtenbestände des Gutes Saybusch 
in Galizien einer der grössten Schädlinge. Das Iusekt geht die Bäume 
bis in die Gipfelspitzen an. Ich liess einst eine Fichte fällen, die 
von dem 'T'hiere vollständig zugrunde gerichtet und mit Fluglöchern 
besetzt war”. Der Stamm war 20m lang, mit 20cn. Brusthöhen- 
durchmesser bei einem Alter von 110 Jahren. 


- i 
Ze 2 a 1 


Lamia sartor, L. sutor und L. fasciculata. 569 


Einschlag und rechtzeitige Entfernung der befallenen Stämme 
dürfte vorläufig die einzige zu empfehlende Abwehrmassregel sein. 

Avrtum hat ferner diese Käfer in der Bayerischen und Tiroler Alpen bis 
1500 m Seehöhe zahlreich gefangen, und Freıscher [6, S. 39] berichtet, dass 
dieselben beidem grossen Böhmisehen und Bayerischen Käferfrasse der Siebzigerjahre 
gleichfalls in beachtenswerther Menge aufgetreten und von ihm namentlich im 
Bayerischen Walde zu Finsterau zahlreich gefangen worden seien. NÖRDLINGER 
[XXIV, S. 42] fand dieselben in copula und beim Eierlegen im Juni und Juli 
in auffallender Menge auf Fichtenstämmen in Tirol. Hess [XXI, 2. Aufl., S. 331] 
erwähnt ihn aus dem Thüringerwalde. 

Diesen Fichtenverderbern ist als wirklich beachtenswerth nur 
ein Kiefernfeind, der Kiefernzweigbock, anzureihen. 

Besehreibung. Lamia [Pogonochaerus Larr.) fasciculata DE GEER 
(faseicularis Panz.). Käfer: Halsschild an den Seiten in der Mitte mit einem 
Dorn, auf der Scheibe jederseits mit einem schwachen, kahlen Höckerchen. 
Scheitel mit zwei dunklen Borstenhöckerchen. Fühler nicht oder wenig länger 
als der Körper, auf der Unterseite gewimpert, ihre Glieder an der Wurzel 
weiss behaart, das dritte Glied etwas kürzer als das vierte, Flügeldecken an 
der Spitze einfach abgestutzt, jede mit drei erhabenen Längsrippen und 2—4 
schwarzen Borstenbüscheln, übrigens scheckig grau und braun behaart, hinter 
der Basis mit einer weisslichen, schrägen, nach rückwärts dunkel begrenzten 
Querbinde. Die ganze Oberseite des Käfers lang abstehend behaart. Vorder- 
hüften vomeinander getrennt, ihre Gelenkhöhlen seitlich geschlossen. Schenkel 
keulenförmig verdickt. Ersies Glied der Hinterfüsse kaum länger als das zweite. 
Fussklauen einfach. Länge 5—6°5 mm. 

Larve noch nicht näher bekannt, aber natürlich nach dem Lamiiten- 
Typus gebaut. 

Lebensweise. Dieses kleine Böckchen, mit wahrscheinlich 
einjähriger Generation und überwinternden Larven, ist im Wesentlichen 
ein Kieferninsekt, welches in geringem Materiale brütet und nament- 
lich schwache Aeste von 1—5cm Durchmesser in den Kronen 
alter Kiefern bewohnt. Hier verübt die Larve ihren Frass, bestehend 
„in einem sehr flachen, scharfrandigen Splintgange, welcher, kaum 
sichtbar beginnend und sich allmählich gegen sein Ende zu 3 mm 
Breite erweiternd, in den mannigfachsten Windungen den Zweig ver- 
folgt, ja ihn gar oft bald mehr, bald weniger vollständig umwickelt, 
bis er mit einem kurzen Hakengange im Holze endigt’’ [ALrum, 2f, 
S. 26]. Der Käfer nimmt dürres Material nicht an, da sich an noch 
frisch mit Larven besetzten Zweigen häufig letzte Triebe, Knospen 
und Nadeln normal entwickelt finden. Es ist bei dieser Lebensweise 
nicht auffallend, dass er auch in jungen Kiefernpflanzen brütet. 
JupeicH erzog ihn aus 5—6jährigen Kiefern, aber auch aus Fichten- 
stangen |[XI, S. 66]. Arrum fand ihn in 12—15jährigen Kiefern, die 
in Folge des Frasses abgestorben waren [XVI, III, I, S. 347]. Nörn- 
LINGER [XXIV, S. 42] hat ihn ferner aus Weymouthskiefer und 
sogar aus Edelkastanie erzogen. Er ist in seiner Thätigkeit 
häufiz vergesellschaftet mit Magdalis violacea L., Tomicus bidentatus 
Hesrt., Hylesinus minimus FaApr. und, wie der genannte Tomicus, 
sowohl Kultur-, als auch Bestandsverderber, da er in unerwünschter 
Weise sich an der Lichtung der Kronen älterer Kiefern betheiligt 
und öfters die Wipfeldürre der Kiefernüberhälter mit verschuldet. Hier- 

Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde, 37 


570 Kap. IX. Die Käfer. 


auf hat zuerst Arrum [2 a und 2 f] aufmerksam gemacht. Eine wirkliche 
Abwehr dieses letzteren Schadens giebt es nicht, höchstens kann man 
durch Verbrennen des von den Herbststürmen in alten Kiefernbeständen 
herabgeworfenen Reisigs, von dem ein Theil stets mit Larven des 
Käfers besetzt ist, eine Verminderung desselben anstreben. In Kulturen 
von ihm angefallene Pflanzen werden ausgerissen und verbrannt. 


Unter den blos abgestorbene Nadelhölzer bewohnenden Bockkäfern ist 
seines typischen Larvenfrasses, sowie seiner Puppenwiegen wegen am auffal- 
lendsten 

Rhagium (Stenocorus Georr.) inquisitor L. (indigator FApr.). Käfer: 
Halsschild an den Seiten mit scharfem Dorn, an der Spitze lang abgeschnürt, 
Hinterecken stumpf. Augen nur schwach ausgerandet. Fühler kurz, die Basis 
des Halsschildes wenig überragend. Schildehen mit kahler Mittellinie. Flügel- 
deeken bräunlich, mit drei schwarzen Querbinden, jede mit drei Längsrippen, 
von denen zwei scharf erhaben, eine schwächer ist. Die ganze Oberseite des 
Käfers dieht scheekig grau behaart. Vorderhüften durch einen hohen, ziemlich 
breiten Fortsatz der Vorderbrust getrennt. Das erste Glied der Hinterfüsse kurz 
und breit. Fussklauen einfach. Länge 12 —14 mm. 

Larve zu den Formen des Lepturinen- Typus (vgl. S. 560 und Fig. 180 ©) 
gehörig, also mit kleinen Füssen versehen und mit breitem, querem Kopfe; sie 
ist vor allen anderen gemeineren Nadelholzbocklarven durch den stark abge- 
flachten, an den Rändern fast schneidenden Kopf zu unterscheiden. 

Sie lebt in allen Nadelhölzern unter der Rinde, wo sie, ohne den Splint 
zu furchen, 1—2 cm breite, gewundene Gänge nagt, welche dicht mit braunem, 
festem, bei Entfernung der Rinde oft auf dem Splint haftenbleibendem Bohrmehl 
erfüllt sind. Die Verpuppung erfolgt in einer grossen, flachen, ovalen Puppen- 
wiege, welehe 3—4cm Länge hat und von einem zierlichen, ungefähr 5 mm 
breiten Kranze langer Holznagespäne umgeben ist, eine Eigenthümlichkeit, welche 
allen Rhagien zukommt. Eine forstliche Bedeutung besitzt der Käfer trotzdem 
wohl nicht, doch wollen wir es nicht unterlassen, anzuführen, dass AHLEMANN 
annimmt, der Käfer brüte vorzüglich in noch lebendem, allerdings kränklichem 
Holze und frischen Stöcken, welehe erst im Laufe der Entwickelung des Käfers 
trocken würden [l, S. 104 und 105]; aber auch er nimmt an, dass dieser Bock 
nicht im Stande sei, für sich allein einen Baum zu tödten. 

Auch eine andere gemeine Art derselben Gattung, Rh. bifasciatum FaApkr., 
lebt ähnlich im Nadelholz, während Rh. mordax Dr Ger (inquisitor Far.) und 
Rh. sycophanta Schzk. (mordax Fasr., scrutator Ouıv., grandiceps Tuoums.) mehr 
in Laubhölzern, namentlich auch in Eichen vorkommen. 


Weniger wegen ihres Larvenfrasses, wie als häufige, grosse Käfer in Nadel- 
holzrevieren sind noch einige Formen zu nennen. Zuerst der grosse, flache, 
gedrungene, in Mitteldeutschland erst Ende Juli und im August fliegende 

Prionus coriarius L. Küfer pechbraun, Das scharf gerandete, Jederseits 
mit drei Zähnen versehene Halsschild doppelt so breit als lang, runzelig punktirt. 
Flügeldecken grob gerunzelt mit zwei bis drei angedeuteten, erhabenen Längs- 
linien. Die dieken Fühler beim S' stark gesägt, länger als der halbe Körper, 
beim @ schwach gesägt, etwas kürzer. Die neun letzten Glieder derselben kaum 
doppelt so lang als breit. Länge 25—40 mm. 

Larve sehr gross, bis 50 mm lang, nach dem dritten Typus (vgl. S. 561 
und Fig.180 E) gebaut, also mit Füssen versehen, hinten mit tief ausgeschnittener 
Kopfkapsel, durch die breiten, in der Mittellinie ungetheilten, dagegen auf dem 
Rücken mit je zwei, auf dem Bauche mit je einer tiefen Querfurche versehenen 
Haftscheiben der vorderen Hinterleibsringe gekennzeichnet. Vorderbrust mit stark 
chitinisirter Rückenplatte. Sie lebt namentlich in alten, mulmigen Nadelholzstöcken. 


Gleichfalls in Stöcken, und zwar meist in Kiefern brütet 
Spondylis buprestoides L. Küfer ganz mattschwarz. Die kurzen, fast 
schnurförmigen Fühler nahe an der Basis der Mandibeln eingelenkt. Halsschild 


u WET 


Minder wichtige Nadelholz-Bockkäfer. Hr 


fast kugelförmig, an den Seiten unbewaffnet, so breit wie die Flügeldeeken und 
wie diese dicht runzelig punktirt. Flügeldecken in der Mitte mit zwei erhabenen 
Längslinien. Schienen am Aussenrande gezähnelt. Länge 12—22 mm. 

Larve nach dem Cerambyeinen-Typus gebaut, mit etwasvorstehendem Kopfe, 
zugespitzten, schneidenden Vorderkiefern, verhältnissmässig langen Beinen. 
Vorderbrustschild stark punktirt, Hinterbrustschild fein und dieht gekörnt, des- 
‚gleichen die Haftscheiben. Afterspitze mit zwei kegelförmigen Dornen [I42, S. 416]. 
Länge ungefähr 34 mm. 


In abgestorbenen Kiefern, geschlagenem Holze und Stöcken brütet ferner 
diejenige sehr gemeine und im Frühjahre zeitig fliegende Bockkäferform, welche 
‚das gerade Gegentheil des ebenerwähnten Sp. buprestoides, der unter allen 
Böcken die kürzesten Fühler hat, insofern darstellt, als sie die längsten Fühler 
unter allen einheimischen Formen besitzt. Es ist dies 

Lamia (Acanthoeinus und Asiynomus Srea.) aedilis. L. Käfer: Fühler 
beim © 1!/,-bis 2-, beim d' 5mal so lang als der Körper, das erste Glied an der 
‘Spitze und an der Aussenseite, die übrigen Glieder an der Spitze dunkel. Hals- 
schild an den Seiten mit einem Dorn, auf der Scheibe vor der Mitte mit vier 
kleinen, dieht gelb behaarten Höckerfleckchen. Flügeldecken nur mit undeutlich 
erhabenen Längsrippen, vorn etwas gröber, hinten feinkörnig punktirt, grau 
behaart, hinter der Mitte mit einer dunklen, schrägen Querbinde. Gelenkhöhlen 
der kugeligen Vorderhüften seitlich fast ganz geschlossen, Schenkel keulen- 
förmig. Erstes Glied der Hinterfüsse so lang als die übrigen Glieder zusammen. 
Fussklauen einfach. Legröhre des @ weit vorgestreckt. Länge 13 —19 mm. 

Larve nach dem vierten Typus gebaut, also lang-, beziehungsweise klein- 
köpfig und fusslos, glatt und glänzend, mit Ausnahme der mit feinsten Dörn- 
chen besetzten Haftscheiben, dünn röthlich behaart. Augenpunkte sehr deutlich. 
After dreispaltig. Länge bis 30 mm. 


Gleichfalls unschädlich, aber doch wegen der Abnormität seiner Er- 
scheinung, die in Folge der verkürzten, die Flugflügel nicht bedeckenden 
Flügeldecken etwas an eine grosse Schlupfwespe erinnert, erwähnenswerth, ist 

Molorchus minorL. (ceramboides DE GeER, dimidiatus FaBr.). Käfer braun. 
Halsschild ohne Dornen an den Seiten, kaum breiter als der Kopf, dieser hinter 
den Augen nicht eingeschnürt. Die langen Fühler auf der Stirn eingelenkt, ihr 
‚erstes Glied kürzer als das dritte, beim d' zwölfgliedrig. Die fein facettirten 
‚Augen stark ausgerandet. Flügeldeeken stark verkürzt, wie bei den Staphylinen, 
die Flügel können jedoch nieht darunter zusammengefaltet werden; jede Decke 
mit einem schrägen, weissen Längsfleck. Vorderhüften stark vorragend, ihre 
'Gelenkhöhlen nach hinten geschlossen. Schenkel keulenförmig verdickt. 

Larve nach dem Cerambyeinen-Typus gebaut, mit verhältnissmässig langen 
Fühlern, ohne Punktaugen und fein genetzten, in der Mitte längsgetheilten Haft- 
scheiben [I6, S. 414 —415]. 

Die Larve dieses namentlich in Fichten, und zwar in schwächeren 
Stämmen, Knüppeln und Aesten brütenden, aber nach Arrum [XVI, III, 1, 
S. 341] auch Tannen angehenden Käfers macht unter der Rinde und im 
Holze scharf ausgenagte, mit braun und weiss gemischtem Bohrmehle gefüllte, 
flache und breite, äusserst geschlängelte Gänge, geht dann durch eine 
ovale Oeffnung in das Holz, um sich im Splinte in einem Hakengange zu ver- 
puppen. Gewöhnlich lebt dieser Bock in abgestorbenen Hölzern, nach den Mit- 
theilungen von Saxzsen [V, 1, S. 240] und einer schriftlichen Notiz von Forst- 
meister Görtz geht er aber auch an frisches Holz. Wir finden Larven und Käfer 
nieht selten in dem Brennholze unserer Akademie. Auch an Einfriedigungsstangen: 
sind seine charakteristischen Gänge häufig. 


Beiläufigsei erwähnt, dass diezu den Lepturinen gerechnete Gattung Necydalis 
L. der Gattung Molorchus FaArr. durch die stark verkürzten Flügeldecken sehr 
ähnlich ist. Die Gelenkhöhlen der Vorderhüften sind jedoch nach hinten offen, 
und der Kopf ist hinten etwas eingeschnürt. Die beiden bräunlich gefärbten 
Arten, mit goldgelber Behaarung auf dem Halsschild und an den Seiten, N. major 
L. undN. abbreviatus Panz. (Panzeri Harop), gehören zu den grössten Europäi- 


37* 


ou 


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b) Kap. IX. Die Käfer. 


schen Bockkäfern, ihre Länge beträgt 25—33 mm. Sie bewohnen in unschäd- 
licher Weise verschiedene Laubhölzer. Hier in Tharand wurden beide aus an- 
brüchigem Buchenholze erzogen. 


Physiologisch schädliche Laubholzböcke sind vornehmlich 


der grosse Pappelbock, Saperda carcharias L. [Taf. II, Fig. 12), 
der kleine Aspenbock, S. populnea L., 
der kleine Haselbock, S. linearis L., 
der rothhalsige Weidenbock, S. oculata L., und 


der Weberbock, Lamia textor L. 


Der grosse Pappelbock, ein bis 3cm langer Käfer, welcher 
seinen lateinischen Namen dem Umstande verdankt, dass die Skulptur 
der gelbgrauen, mit schwarzen Punkten besäten Obarseite lebhaft an 
Haifischhaut erinnert, sowie der kaum halb so grosse, grünlich-graue, 
oben gelb gezeichnete Aspenbock sind Bewohner der Pappelarten, 
namentlich der Aspe, und zwar brütet der erstere in den Stämmen, 
letzterer in den jungen Zweigen, die an dem Sitze der Larve zu 
kleinen Gallen anschwellen. Beide sind Hindernisse für die Erziehung 
gesunder Pappeln und werden ersterer namentlich an Alleebäumen, 
letzterer in Niederwaldschlägen öfters lästig und sogar schädlich. 

Der kleine schwarze, durch hellgelbe Beine gekennzeichnete 
Haselbock bringt Haselzweige zum Absterben, dürfte aber im 
Ganzen weniger Bedeutung haben, als sein grösserer Verwandter, der 
rothhalsige Weidenbock mit grauen Flügeldecken und schwarzem 
Kopfe, der seinen lateinischen Namen zwei schwarzen Punkten ver- 
dankt, die sich wie Augen auf dem gelbrothen Halsschilde scharf 
abheben. Er brütet in Weidenzweigen und kann daher in Weiden- 
hegern recht unangenehm werden. 

Ebenfalls in Weidenanlagen kann der Weberbock schaden, 
dessen Larve die älteren, stärker über den Boden vorragenden Stöcke 
durchfrisst und zum Eingehen bringt. Sie ist unter dem Namen der 
„Holzwurm’” von den Weidenzüchtern gefürchtet. 


Wir behandeln zunächst den grossen Pappelbock. 


Beschreibung. Saperda carcharias L. (punctata De Gerr). Käfer: Stirn 
zwischen den Fühlern tief gefarcht. Halsschild walzenförmig, an den Seiten ohne 
Dorn oder Höcker. Fühler mit Wimperhaaren, so lang als der Körper, ihr 
drittes Glied länger als das vierte, gelblich grau behaart, die einzelnen Glieder 
mit Ausnahme der letzten mit schwarzer Spitze. Flügeldecken breiter als das 
Halsschild, mit vorragenden Schultern, grob und tief, an der Basis etwas körnig 
punktirt, mit dichter, gelblicher Behaarung, welehe die Punkte frei lässt, so dass 
diese schwarz hervortreten, nach hinten beim stark, beim 2 wenig ver- 
schmälert, hinten mit etwas ausgezogener Spitze, Episternen der Hinterbrust nach 
hinten verschmälert. Schenkel in der Mitte am dicksten, nicht keulenförmig. 
Fussklauen einfach. Länge 22—2S mm. 


Pbysiologisch schädliche Laubholz-Bockkäfer. Saperda carcharias. 573 


Larve nach dem Lamiiten-Typus gebaut, Kopf nur sehr wenig aus der 
fast doppelt so breiten Vorderbrust hervorsehend, sein versteckter Theil nach 
hinten nur wenig verschmälert (Fig. 180 F.). Oberlippe halbkreisförmig, hinten 
vertieft und nackt, vorn etwas gewölbt und beborstet. Fühler sehr klein. Jeder- 
seits ein deutliches Punktauge. Vorderbrust oben mit einem stark chitinisirten, 
braunen Schilde, dessen äusserste Seitentheile jederseits durch eine klammer- 
artig von hinten bis zur Mitte eintretende Furche abgetrennt werden und nach 
aussen einen flachen Eindruck zeigen. Der mittlere Theil hinten deutlich ge- 
körnt, Unterseite der Vorderbrust jederseits mit einem kleinen, chitinisirten, 
braunen Schilde, Mittelbrust in der Mitte der Seitentheile stärker chitinisirt. 
Füsse nicht wahrnehmbar, Leib glatt und glänzend, nur sparsam behaart. Haft- 
scheiben oben von dem Hinterbrustringe an bis zum siebenten Hinterleibsringe 
fein chagrinirt, durch eine mittlere und zwei seitliche Längsfurchen, sowie 
je zwei Querfurchen in acht Abschnitte getheilt, von denen die beiden mittleren 
einen Rhombus bilden. After dreigespalten, Y-förmig. Länge bis 33 mm. 

Lebensweise. Der grosse Pappelbock, ein durch ganz 
Mitteleuropa bis nach Skandinavien, Sibirien und dem Kaukasus ver- 
breitetes Insekt, ist ein Pappelbewohner, der zwar wohl am häufigsten 
in Aspe vorkommt, aber auch alle anderen einheimischen und fremden 
Pappelarten angeht. Er fliegt im Juni und Juli und belegt lebende 
Stämme mit glatter Rinde einzeln mit Eiern, gewöhnlich erst vom 
fünften Jahre an. Aeltere als zwanzigjährige Stämme mit stärkerer 
borkiger Rinde meidet er dagegen. Auch in Aesten kommt er vor, 
desgleichen nach Anrumin Baumweiden [XVI, IIT, 1, 8.349 und 350]. 
Der erste Frass der auskommenden Larve geschieht unregelmässig 
plätzend in den letzten Jahresringen, später dringt sie jedoch in die 
tiefergelegenen Holzschichten und macht hier, aufwäıts fressend, im 
Querschnitt ovale, oft recht langgestreckte Gänge, in welchen lange, 
grobfaserige Nagespäne liegen und von hier aus oft auch durch eine 
untere Auswurfsöffnung nach aussen gebracht werden. Hierdurch, 
sowie an jungen Stämmehen durch eine stärkere Anschwellung des 
unteren Endes ist der Frass leicht zu erkennen. Vergesellschaftet ist 
dieser Käferlarvenfrass häufig mit dem der Raupen des Weiden- 
bohrers, Cossus ligniperda L., und des Hoınissenschwärmers, Sesia 
apiformis L., deren Anwesenheit aber an dem eigenthümlichen Raupen- 
kothe unterschieden werden kann. Ist diese Gesellschaft vereinigt, so 
wird oft das Pappelholz arg durchwühlt. Ganz junge, etwa bis 3 cm 
starke Stämmchen sterben häufig in Folge der Angriffe des Pappel- 
bockes völlig ab, namentlich wenn mehrere Larven in einem Stamme 
fressen. Aeltere halten den Frass dagegen lange aus. Während 
der Käfer in letzteren also wesentlich technisch nachtheilig ist, wird 
er in jenen physiologisch schädlich und kann namentlich da, wo 
Pappelalleen angelegt werden sollen, recht unangenehm werden, um 
so mehr, als auch von ihm nicht direkt getödtete Stämme leichter 
vom Winde gebrochen werden. Er ist ferner ein Haupthinderniss 
der ja ohnedies in unseren Forsten selten gut gelingenden Erziehung 
gesunder, älterer Äspen, 

Die Generation wird bestimmt als zweijährig angegeben, so 
dass also die gestürzt in dem Frassgange liegende Puppe im dritten 
Frühjahre den Käfer liefert. 


% 


574 Kap. IX. Die Käfer. 


Eine Abwehr ist nur durch Einschlag und Verbrenner 
der befallenen Stämme, sowie durch Sammeln des grossen, im Früh- 
jahre leicht von den Stämmen herabzuklopfenden Käfers zu erreichen. 
Werthvolle Stämmehen, namentlich in Baumschulen und Alleen, kann 
man durch einen dünnen, zur Flugzeit des Käfers an den Stämmen 
bis zu 15m Höhe anzubringenden Lehmanstrich schützen [V,I, S. 235]. 
Noch sicherer dürfte aber ein Anstrich mit der bei Hylesinus micans- 
Kvg. erwähnten Leınweger’schen Schutzmasse wirken (vgl. S. 461). 


Sein nächster Verwandter ist der Aspenbock. 


Beschreibung. Saperda populnea L. Käfer in den plastischen Kenn- 
zeichen der S. carcharias ähnlich, aber kleiner. Stirn zwischen den Fühlern 
nicht vertieft, vor den Fühlern etwas gewölbt. Flügeldecken dicht mit groben 
Punkten besetzt, welche durch die fleekige Behaarung nicht verdeckt werden, 
walzenförmig mit stumpfer Spitze. Die ganze Oberseite schwarz, fein und spar- 
sam grau behaart, Kopf und Halsschild mit längeren Borsten; 3 Längslinien auf 
dem Halsschild, von denen die mittlere oft undeutlich, und 4—5 in unregel- 
mässiger Längslinie stehende Fleekehen auf jeder Flügeldecke dicht gelb behaart, 
Fühler schwarz, die einzelnen Glieder an der Wurzel behaart. Länge S—13 mm. 
Larve nur durch ihre geringere Grösse von der des grossen Pappelbockes 
verschieden. 


Lebensweise. Der Aspenbock ist, wie sein Name besagt, 
meist ein Bewohner von Populus tremula L., kommt aber auch in 
Silberpappel, P. alba L. [Nörprıncer XXIV, S. 42] und in anderen 
Pappeln mitunter vor. Neuerdings ist er von Czzcr auch in Weiden, 
und zwar in Salix alba L. und S. fragilis L., brütend gefunden worden. 

Sein angeblich von Becustein berichtetes Brüten in Birken wird von 
Rartzegurg geleugnet [V, I, S. 235], von Dösxer [XIV, 2, S. 195] als wahrschein- 
lich angesehen. Wir haben die eben angeführte Behauptung bei BEcHSTEIN 
übrigens nicht finden können, vielmehr berichtet derselbe [I 1, S. 201] nur, dass 
der Käfer im Juni auf Aspen und Birken gefunden werde. Ganz vereinzelt 
steht die von Dösxer [XIV, 2, S. 195] berichtete Thatsache, dass Bac# ihn aus. 
der Anschwellung einer Brombeerstaude erzogen habe. 

Der Käfer bevorzugt schwaches Material und befällt am liebsten 
junge, zwei- bis sechsjährige Stämmehen und Stockausschläge, an 
älteren Bäumen schwache Aeste von 0'5—2 cm Stärke, am. 
häufigsten solche von ungefähr 1cm. Mitunter ist ein Zweig oder 
Ast dicht hintereinander mit mehreren Larven besetzt, und an manchen 
Stellen ist der Käfer so gemein, dass kaum ein gesundes Stämmchen 
zu finden ist. Seine Flugzeit fällt nach dem Laubausbruche der 
Aspen, auf deren Blättern man ihn im Mai und Juni häufig in 
Begattung findet. Das Weibchen legt dann die Eier einzeln in Rinden- 
ritze oder eigens hierzu genagte, später wulstig überwallende, kleine 
Rindenlöcher; die ausgeschlüpfte Larve frisst sich bis in den Splint 
durch und nagt zunächst in diesem, und zwar so, dass sowohl die 
äussersten Splintschichten als die Markröhre unversehrt bleiben, einen 
mit feinem Bohrmehl gefüllten Hohlraum, der ungefähr in der Form 
eines Cylindermantels die Hälfte der Markröhre umgreift. Auf diesen 
Frass reagiren die Pappelarten durch Bildung einer gallenartigen 
Anschwellung, welche die Stämmehen und Zweige knotenartig auf- 


Lebensweise und Schaden des Aspenbockes, Saperda populnea. 575 


treibt, während dies nach Czecn [4] bei den Weiden nicht stattfindet. 
Diese oft dicht aneinandergereihten Knoten lassen den Angriff leicht 
erkennen, und unter ihrem Einflusse 
nimmt die Höhlung des ersten Frasses 
häufig die Gestalt einer Halbkugel an 
(Fig. 181). Späterhin wendet sich die 
Larve tiefer in das Innere und frisst nun 
nach oben in der Markröhre einen 2—5 cm 
langen Gang aus, in welchem sie schliesslich 
umkehrt und sich, nachdem sie denselben 
unten noch bis dicht an die Rinde fort- 
gesetzt hat, gestürzt, den Kopf nach 
unten, verpuppt. Der Käfer nagt schliesslich 
ein kreisrundes Flugloch, welches immer 
auf der Anschwellung liegt. Schneidet 
man die Galle der Länge nach durch, 
so dass man das Flugloch halbirt, so 
erscheint der Markröhrenfrass als eine 
Art Hakengang, und nach aussen von f / 
diesem wird der Splintfrass ein- oder zwei- | Y 
mal durch den Schnitt getroffen. Die 
genaueste und zutreffendste Schilderung 
des Frasses giebt Arrum [XVI, III, 1, U) 
5.0351]. Fig. 181. Frass von Saperda 

Allgemein nimmt man an, die populnea L. an Aspe. A eine 


Larve mache den peripherischen Frass quergeschnittene, B eine längs- 
gespaltene Galle. a Stelle, von 


im ersten, den centralen im zweiten 1., der Larvenfrass ausging, 
Sommer ihres Lebens und verpuppe sich 3 peripherer Larvenfrass, ce cen- 
im dritten Frübjahre, um im Juni des- traler Larvenfrass, d Flugloch. 
selben den Käfer zu liefern. Die Generation wäre also zweijährig 
und könnte dann folgendermassen dargestellt werden: 


| Jan. | Febr.| März ‚April Mai | Juni 


| 


Juli | Aug. |Sept.| Oct. | Nov. | Dec. 


1880 | | 444-1 


1881 | BrN — (m Re EEE u rm SEE GER Bu | HERE GIER ImsEn | BR Au am ——— 
| | | | | | 
152 -—— mn no 00 Erst | | | | 


| | | | | | 


Wir haben aber in sicher einjährigen Aspen-Stockausschlägen, welche 
also erst in demselben Jahre mit Eiern besetzt sein konnten, im Herbste so- 
wohl den peripherischen, wie den centralen Frass gefunden, so dass also hier 
sicher beide Frässe aus demselben Jahre stammten. Da die in diesen Gallen 


[1 


u} 


6 Kap. IX. Die Käfer. 


enthaltenen Larven klein und auch ihre Frassgänge demgemäss von kleinem 
Kaliber waren, so ist trotzdem wohl möglich, dass sie noch ein weiteres Jahr 
zur vollen Entwickelung brauchen. 

In diesen Gallen kommt, wahrscheinlich seeundär, mitunter auch eine 
Sesienraupe vor, und von dieser rührt dann der Koth her, der an ihnen 
äusserlich anklebt. Einen Ausgang, durch den die Nagespäne der Aspenbocklarve 
regelmässig herausgeschafft würden, haben wir dagegen nicht finden können. 
Die Innenfläche der Frassgänge bräunt sich häufig tief. 


Schaden und Abwehr. Dicht mit Jder Brut dieses Bockes 
besetzte Aspen, Stämmchen oder Ausschläge gehen sicher ein, während 
solche, welche nur ein oder einige Gallenknoten zeigen, höchstens 
kümmern oder verkrüppeln und schliesslich das Flugloch, sowie 
eventuell von dem grossen Buntspecht, der nach den Larven sehr 
lüstern ist, gehackte andere Löcher doch wieder überwallen. Solche 
Stämmehen oder solche Wurzelbrutschösslinge können aber keine 
gesunden Bäume geben, und es ist daher der Frass des Aspenbockes 
wie der seines gıösseren Vetters, des Pappelbockes, eine der Ur- 
sachen, warum es uns so schwer fällt, in Mitteldeutschland ältere, 
gesunde Aspen zu erziehen. Der Käfer kann also im Allgemeinen 
zu den merklich schädlichen Insekten gerechnet werden. Wo das 
Aspengebüsch dagegen mehr als Forstunkraut betrachtet wird, ist 
der Käfer als gleichgiltig, ja sogar unter Umständen als nützlich anzu- 
sehen. Seine Bekämpfung kann an jungen Stämmen und Stockausschlägen 
dort, wo sie überhaupt nöthig wird, dadurch erfolgen, dass man die 
leicht sichtbaren Gallen vor dem Ausschlüpfen des Käfers ausschneiden 
und verbrennen lässt. Auch könnte man den Käfer zur Flugzeit von 
den Bäumen klopfen und sammeln lassen. Auf älteren Stämmen, wo 
sein Astfrass gänzlich unschädlich bleibt, ist ihm im Larvenzustand 
natürlich schwieriger beizukommen. 


Noch geringer ist die Bedeutung der beiden zur Untergattung 
Oberea Murs. gehörigen Saperda-Arten. 


Beschreibung. Saperda (Öberea Murs.) oculata L. Käfer: Halssebild 
seitlich ohne Dorn oder Höcker, rothgelb mit zwei schwarzen Punkten auf der 
Scheibe. Augen tief ausgerandet, Kopf und Fühler schwarz, letztere mit einigen 
abstehenden Wimperhaaren, nicht so lang als der lange, walzenförmige Körper. 
Flügeldecken schwarz, vorn schmal gelb gesäumt, fein grau behaart, mit tiefen, 
gereihten Punkten, an der Spitze abgestutzt. Hinterleib länger als Kopf und 
Brust zusammen. Leib, Brust, Schildehen, Taster und Beine gelbroth. Schenkel 
nieht keulenförmig verdickt, die hinteren reichen nicht über das zweite Leibes- 
serment hinaus. Fussklauen mit einem wenigstens bis zur Mitte reichenden 
Zahn. Länge 16—20 mm. 

Larve nach dem Lamiiten-Typus gebaut, sehr schmalköpfig, gänzlich 
augen- und fusslos. Jede Haftscheibe mit zwei schmalen, geschwungenen Quer- 
binden von feinen röthlichen Chitinspitzehen, von denen die vordere in der 
Mitte unterbrochen. Länge 25—30 mm [l4 5, S. 509 und 510]. 

Sap. (Ob.) linearis L. Käfer in seiner Gestalt der Sap. oculata L. ganz 
ähnlich, aber mit Ausnahme der gelben Taster und Beine und des gewöhnlich 
gelben vorderen Theiles des Seitenrandes der Flügeldecken, ganz schwarz, 
ausserdem nur äusserst fein und sparsam grau behaart. Länge 11—15 mm. 

Larve der des Weidenbockes ähnlich, aber kleiner, nur 20 mm lang [vgl. 
auch TascurngerG XXI, II, S. 260]. 


| 
C 
E 
2 
1 

B 


- 


Saperda populnea, S. oculata und S. linearis. 577 


Lebensweise. Die beiden soeben beschriebenen Käfer stimmen 
biologisch insoweit überein, als ihre Larven die Markröhre, beziehungs- 
weise die inneren Holzlagen junger Laubholztriebe durch. lange Gänge 
aushöhlen, an deren Ende sie sich verpuppen. Hierdurch gehen die 
Triebe ein und kennzeichnen sich durch ihre vertrockneten Blätter. 
Die auskommenden Käfer nagen dann ein kreisrundes Flugloch. Da- 
gegen sind beide auf verschiedene Holzarten angewiesen. 

Der rothhalsige Weidenbock, Sap, oculata L, nimmt 
namentlich Weiden an, und zwar werden besonders Salix Caprea L,., 
S. babylonica L., S. alba L. [I4 b, S. 510], S. viminalis L. und 
S. daphnoides Vırr. (caspica) |XVI, III, 1, S. 353] angeführt. Er 
fliegt zur Sommerszeit, im Juni oder Juli, und belegt gesunde 
Weidentriebe an von ihm ausgenagten Rindenstellen mit einzelnen 
Eiern; die Larven dringen, ohne sich lange im Splint aufzuhalten, 
direkt in das Innere des Holzes und machen hier aufwärts oder 
abwärts fressend [14b, S. 510] bis 30cm lange und 3 bis 4mm 
breite, fast drehrunde Gänge. Zuerst werden an der Einbohrungs- 
stelle frische, später veıtrocknete Nagespäne ausgestossen, während 
die zuletzt abgenagten einfach in der Röhre selbst verbleiben und sie 
verstopfen. Die Generation wird von Perrıs als einjährig ange- 
geben. Der Frass, den z. B. Rırzegurg und TascHenBEerg gar nicht 
erwähnen, ist erst von Arrum [XVl, III, 1, S. 353] als unter Um- 
ständen ernstlich schädlich nachgewiesen worden. Er fand nämlich, 
dass in den Weidenanlagen des Eberswalder Stadtbruches die freien 
Spitzen der Stecklinge mit je einem Ei belegt wurden, von wo aus 
die ausgekommene Larve in die zweijährigen Weidenruthen hinauf- 
stieg, dieselben auf 20—25cm aushöhlte, um sich in diesem Falle 
an dem obersten Ende des Frasskanales zu verpuppen. Oberhalb 
dieser Puppenwiege sterben die Ruthen ab. 

Eine Abwehr des Käfers ist nur durch Abschneiden und 
Verbrennen der befallenen Ruthen möglich. Als Vorbeugungsmass- 
regel gegen seine Angriffe empfiehlt Arırum |XVI, III, 1, 8. 353] 
bei Neuanlage von Weidenhegern tiefes Einsetzen der Stecklinge, 
deren Spitzen mit Erde bedeckt werden müssen. Diese Mahnung, 
der man allerdings nur bei leichtem. Boden Folge leisten kann, ist 
um so beherzigenswerther, als sich dieselbe auch aus anderen wald- 
baulichen Gründen empfiehlt [vgl. Krane, 12, S. 154]. 

Der schwarze Haselbock, Sap. linearis L., ist dagegen schon 
durch Rarzesure [V, 1, 8. 336 und XV, II, S. 346] in die Forst- 
insektenkunde eingeführt. Er ist, wie sein Name besagt, zunächst ein 
Feind der Haselnuss- Sträucher, und zwar sowohl der Corylus avellana 
L., als der C. colurna L. 

Er geht aber nach Arrum [2e] auch ausnahmsweise an Hainbuche, 
Erle und Korkrüster, sowie nach TascHexBer@G [XXII, II, S. 261] an die ge- 
meine Hopfenbuche, Ostrya carpinifolia Scor. (vulgaris WILLD). 

Der Käfer fliegt im Mai und Juni und belegt die vorjährigen 
Ruthen etwas unterhalb der Spitze an einer angenagten Stelle mit 


“2 


578 Kap. IX, Die Käfer, 


je einem Ei. Die Larve frisst nun nach allen. Angaben ausschliesslich 
abwärts, im ersten Sommer in der vorjährigen Ruthe, im zweiten 
Sommer dringt sie aber in die vorvor jährige vor, wo sie sich schliesslich 
gestürzt verpuppt, um im dritten Jahre den Käfer zu geben. Die 
Generation soll also zweijährig sein. Die angefressenen, jungen 
Triebe verrathen durch zeitiges Welken der Blätter den Angriff, ihre 
Knospen verkümmern und sie bleiben daher im nächsten Frübjahre 
blattlos. Die Larve findet man alsdann aber schon tiefer. Dass eine 
reichliche Triebzerstörung den Ertrag beeinträchtigen kann, ist un- 
zweifelhaft, doch sind bis jetzt grössere Verheerungen durch diesen 
Käfer in der Praxis unbekannt. 


Ein sehr beachtenswerther Feind der Weidenheger ist dagegen 
der Weberbock. 

Beschreibung. Lamia textor L. (nigrorugosa DE GEEr). Käfer schwarz 
glanzlos, von sehr gedrungener Gestalt. Das runzelige Halsschild beiderseits 
mit einem Dorn. Fühler nicht länger als der Körper, ihr verdicktes erstes Glied 
so lang wie das dritte. Hinterbrust kurz. Schildchen fein behaart, mit kahler 
Mittellinie. Flügeldecken fein und dicht körnig punktirt, sparsam fein behaart, 
häufig mit gelb behaarten Flecken. Schenkel dick, aber nicht keulenförmig. 
Fussklauen einfach. Länge 14—20 mm. 

Larve gedrungen, nicht abgeflacht, mit abgerundet sechseckigem Querschnitt 
in dem mittleren Theile. Derjenigen von Saperda carcharias L. sehr ähnlich, 
aber leicht von ihr zu unterscheiden durch den äusserst schmalen Clypeus, die 
Skulptur des grossen Chitinschildes der Vorderbrust, welches vorn glatt und 
hinten gerunzelt, aber nicht gekörnt ist, den Mangel der Körnelung auf den 
Haftscheiben, welehe ebenso glatt sind wie der übrige Leib, und den querge- 
spaltenen, nicht Y-förmigen After. Länge bis 40 mm, Breite 8S—10 mm. 

Die Lebensweise dieses Käfers ist noch wenig aufgeklärt. 
Seine Larve bewohnt sicher die weichen Laubhölzer, und zwar nicht 
nur Aspen [Rarzegurs, V, I, S. 240], sondern auch Weiden, und 
wurde hier sowohl in S. vitellina L. [3, S. 586], als in S. daph- 
noides Vırr. (caspica Parr.) [Arrum, 2d, S. 19] gefunden. Sie dürfte 
wohl in allen stärkeren Weiden vorkommen. Die Angaben, dass sie 
namentlich in Weidenmulm lebe, scheint auf Irrthum zu beruhen, da 
die genaueren Angaben stets ihr Vorkommen in lebendem Holze 
berichten, wo auch wir sie in den Serkowitzer Korbweidenhegern 
bei Dresden gefunden haben. In den starken Stecklingsstöcken kann 
sienun recht schädlich werden, weil in Folge ihres Frasses die treibenden 
Ruthen absterben, wie zunächst Arrum [2e, S. 19] in einem Weiden- 
heger des Schlesischen Revieres Cosel 1874 fand, und wir aus Serko- 
witz bestätigen können. Zweifellos dürften auch die „Holzwürmer”, 
welche der so gewiegte Weidenzüchter Krane irrthümlicherweise 
als Larven verschiedener Bostrychus-Arten ansieht, hierher gehören, 
und es ist daher sehr bemerkenswerth, wenn er sagt, dass es aus- 
schliesslich die über der Erde stehenden Stöcke sind, welche vom 
Holzwurm heimgesucht werden, der, wenn er einmal in einer Anlage 
ist, sie bald zugrunde richtet [I2, S. 154], und wenn er später erwähnt, 
dass man diesem Schaden „hauptsächlich durch Anhöhen der Stöcke, 
sodass diese in der Erde bleiben”, vorbeugen könne 12, S. 193]. 


Der Weberbock, Lamia textor und minder wichtige Laubholzböcke. 579 


Dass in Weidenhegern, die bereits von dem Holzwurm befallen 
sind, Rodung und Verbrennen der angegangenen Stöcke, sowie 
Sammeln der grossen, leicht kenntlichen Käfer zweckmässige Mass- 
regeln sind, braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden. 


Beiläufig sei erwähnt, dass ein seines auffallenden Geruches wegen Mo- 
schusbock genannter, grosser, blaugrüner Bockkäfer, welcher gewöhnlich nur 
in anbrüchigen, starken Weidenstämmen lebt, auch in den alten Stöcken der 
Weidenheger vorkommt und seine Larve hier den Frass derjenigen von Lamia 
textor L. verstärken kann, wie wir selbst in Serkowitz gefunden haben. Wir 
geben deshalb kurze Diagnosen von Käfer und Larve. 


Beschreibung. Cerambyx (Aromia Serv.) moschatus L. Käfer metall- 
glänzend, dunkelgrün oder blaugrün. Halsschild beiderseits mit starkem Dorn, 
seine Scheibe schwach gerunzelt und punktirt. Die blauen Fühler des länger, 
die des ® kürzer als der Körper, ihr viertes Glied länger als das erste. Schild- 
chen spitzig dreieckig. Flügeldecken dicht gerunzelt, an der Wurzel doppelt 
so breit als der Hinterrand des Halsschildes, dreimal so lang als zusammen 
breit, gegen die Spitze etwas verengt. Schenkel der langen, blauen Beine wenig 
verdickt. Fussklauen einfach. Skulptur und Farbe des Halsschildes variüren; 
so kommt z. B. in Südeuropa die var. ambrosiaca Srrv. mit ganz oder zum 
Theil rothem Halsschild vor. Länge 15 — 34 mm. 


Larve nach dem zweiten Typus gebaut, also mit Füssen versehen und 
derjenigen von Cerambyx cerdo L. (Fig. 180 A und BD) sehr ähnlich, aber 
kleiner, 30—35 mm lang, mit nur einem undeutlichen Augenpunkte jederseits 
und durch die geringe Chitinisirung der grob längsgerieften Vorderbrustplatte, 
die äusserst scharfe Längstheilung der sehr erhabenen Haftscheiben, deren 
Hälften wieder dureh seeundäre Furchen gegliedert sind, und die fast voll- 
ständige Haarlosigkeit gut gekennzeichnet. 


Wir erwähnen ferner eine Angabe von Eıcnnorr [3], dass ein anderer, 
im Ganzen seltener Bockkäfer, Clytus tropicus Paxz., in der Oberförsterei 
Hart-Nord im Ober-Elsass krankhafte, auf ungünstigem Standort erwachsene 
Eichen-Oberständer und Lassreidel im Mittelwalde zuweilen in grosser Zahl 
besetzt und ihr Absterben sehr beschleunigt habe. Von seinen Gattungsver- 
wandten unterscheidet sich 


Cl. tropicus Panz. hauptsächlich durch folgende Kennzeichen: Küfer 
schwarz oder dunkelbraun, Fühler, Beine und Wurzel der Flügeldecken 
röthlichgelb, Schenkel in der Mitte dunkel. Zeichnungen auf Halsschild 
und Flügeldecken gelb, ersteres mit einer in der Mitte unterbrochenen 
Binde am Vorderrande, zwei Makeln an der Basis und zwei kleineren Makeln auf 
der Unterseite. Die besonders langen Flügeldecken mit einer schiefen Makel 
hinter der Schulter und drei Querbinden. Die erste beginnt am Schildehen, ver- 
läuft neben der Naht weit nach rückwärts und krümmt sich angelförmig kurz 
vor der Mitte nach aussen und nach vorn, die zweite Binde bildet über beide 
Flügeldecken einen nach vorn gekrümmten, gemeinschaftlichen Bogen, die dritte 
ist auf jeder Decke nach rückwärts gekrümmt, an der Naht nach vorn gezogen. 
Spitze der Flügeldecken dunkelbraun. Länge 10—16 mm. 


Zahlreiche, andere, mittelgrosse, durch ihre bunte Färbung, gelbe oder 
weisse Binden auf dunklem Grunde, ausgezeichnete Arten der Gattung Clytus, 
schwärmen auf Holzlagerplätzen bei warmer, sonniger Witterung lebhaft umher. 
Meist sind es wohl Laubholzbewohner, die sich in forstlich unschädlicher Weise 
unter der Rinde entwickeln, so z. B. die gelbgezeichneten, häufigen Arten Cl. 
arietis L., arcuatus L. und der weissgezeichnete Cl. mysticus L., dessen Flüsel- 
deeken auf der vorderen Hälfte braun gefärbt sind. Aebnliche Zeichnungen 
kommen unter den einheimischen Böcken nur bei wenigen, forstlich ganz 
unwichtigen Callidium-Arten vor. 


580 Kap. IX. Die Käfer. 


Das stehende Holz technisch schädigende Bockkäfer. Hierher 
ist vor allen Dingen zu rechnen 


der grosse Eichenbock, 


Cerambyx cerdo L., 


ein Bewohner starker, alter Eichen, dessen Larven diese Bäume, 
ohne sie zu tödten, mit daumenstarken, gewundenen, anfänglich unter 
der Rinde verlaufenden, bald aber in das ganz gesunde Holz ein- 
dringenden, geschwärzten® Gängen durchsetzen und für technische 
Zwecke völlig entwerthen (Fig. 182). 

Ausserdem leben aber in den verschiedenen Laubhölzern noch 
die Larven einer grossen Anzahl mehr oder weniger häufiger Bock- 
käfer, welche fast sämmtlich wohl gelegentlich technisch 
schädlich weıden können, weil sie einmal die Oberfläche des Holzes 
mit Larvengängen furchen, andererseits zur Verpuppung hakenförmige, 
tiefer in das Holz dringende Puppenwiegen machen. Wer sich über 
diese Formen orientiren will, muss die schönen biologischen Notizen 
von NÖRDLINGER [XXIV, S. 40—43] und namentlich die genauesten 
Schilderungen von Perrıs [VIb, S. 416—570] vergleichen. Wir 
können ausser dem Eichenbock nur einige wenige, gelegentlich in 
der forstlichen Literatur berührte Arten erwähnen. 


Beschreibung. Cerambyx (Hamaticherus REDTB.) cerdo L. (heros Scop.). 


Käfer schwarz, ohne Metallglanz. Halsschild mit groben Querrunzeln und beider- 
seits mit einem starken Dorn. Die ausgerandeten Augen ziemlich grob facettirt. 
Fühler an der Basis verdickt, ihr viertes Glied nicht länger als das erste, die 
des 5 viel länger als der Körper. Flügeldecken am Nahtwinkel mit einem 
kleinen, spitzen Dorn, nach hinten verengt, vorn fast schwarz, hinten roth- 
braun, vorn grob, hinten feiner runzelig punktirt. Gelenkhöhlen der Vorder- 
hüften nach aussen ganz, nach hinten bis auf einen Spalt geschlossen. Schenkel 
nicht keulenförmig verdickt. Fussklauen einfach. Länge 20—50 mm. 


Larve nach dem zweiten Typus gebaut, sehr gross, bis SO mm lang 
[Fig. 180 A, B und D] mit einer senkrecht stehenden Reihe von drei Punktaugen 
nach aussen von den sehr kleinen Fühlern. Vorderrand des Kopfes braun- 
schwarz, eine Binde auf dem Vorderrande der Vorderbrust braun. Chitinschild 
derselben wenig fest, vorn quer-, hinten längsgerunzelt, mit durch Furchen 
abgegrenzten Seitentheilen. Füsse sehr klein. Haftscheiben mit mittlerer Furche, 
jede Hälfte wieder weiter quer- und längsgetheilt, ausserdem fein gehöckert. 
After Y-förmig. 

Lebensweise, Schaden und Abwehr. Dieser grösste aller 
Europäischen Bockkäfer ist vornehmlich ein Bewohner starker alter 
Bichen, obgleich er nach den neuesten Angaben von Keller [IQ] im 
Süden auch in Esche und Nussbaum vorkommt. Wenngleich er in 
Russland fehlen, in Skandinavien selten sein soll, dagegen in Ungarn 
und Italien zu den sehr häufigen Käfern gehört, kommt er doch auch 
bei uns in Deutschland überall da in ziemlicher Menge vor, wo sich 
ältere Eichenbestände finden. Wir selbst kennen ihn am besten aus den 
Mulde-Auen bei Dessau, wo er in den 100—200jährigen, einzeln- 
stehenden Eichen zahlreich lebt. 


eV VE 


ee N 


Der grosse Eichenbock, Cerambyx 


cerdo, 581 


Seine Flugzeit fällt in die Monate Juni und Juli, zu welcher 
Zeit er an warmen Abenden zahlreich schwärmt, während er sich 


bei Tage meist in den Frassgängen seiner 
Larve versteckt hält, aus denen er sich mit 
Gewalt, namentlich an den herausgestreckten 
Fühlern, kaum herausziehen lässt, während 
eingeblasener Tabaksrauch ihn leichter 
heraustreibt. Er belegt wahrscheinlich haupt- 
sächlich die anbrüchigen Stellen alter Eichen 
mit Eiern. Die erwachsenen, fast zeige- 
fingergrossen Larven bleiben aber durchaus 
nicht etwa, wie die des Hirschkäfers, in den 
mulmigen Theilen, sondern durchwühlen 
zuerst in flachen, oberflächlichen Gängen 
den gesunden Splint, um später in das ganz 
feste Holz, mitunter bis auf den Kern einzu- 
dringen. Das Larvenleben scheint 3—4 
Jahre zu dauern, und der Käfer bereits in 
dem seinem Flugjahre vorausgehenden Winter 
diePuppenhülle, in welcher er in glattgenagter 
Wiege in der Tiefe des Holzes schlummerte, 
abzustreifen. Wir haben z. B. bereits im 
Januar aus Dessau frische, noch weiche 
Käfer erhalten. Seinen Ausgang sucht er 
dann durch die grossen Larvengänge. Die 
Wände der im Querschnitt gewöhnlich ovalen, 
fingerstarken, mit festem, braunem Nage- 
mehl gefüllten Gänge schwärzen sich bald 
unter dem Einflusse parasitischer Pilz- 
wucherungen. (Fig. 182). Die Praktiker 
sagen alsdann, das Holz seivondem „grossen 
schwarzen W urm’’ befallen, wie sie unseren 
Käfer im Gegensatz zu dem „kleinen 


schwarzen Wurm”, dem Tomicus mono- 


graphus Rarz., nennen (vgl. S. 546). Ob- 
gleich starke Eichen den Frass, welcher bei 
der Rauhigkeit der alten Eichenrinde häufig 
erst dann bemerkt wird, wenn letztere, völlig 
morsch geworden, sich ablöst, äusserst lange 
aushalten, so kann doch kaum ein Zweifel 
darüber bestehen, dass durch solchen Riesen- 
frass auch eine gewisse physiologische 
Sehädigung der Stämme eintritt. Eine 
wirkliche forstliche Bedeutung hat der Käfer 
aber nur in technischer Beziehung, da 


Fig.182. Frass von Cerambyx 
cerdo L.inEichenholz. 1/, nat. 
Grösse. Original, 


die von seinen Larven durchfressenen Stämme als Nutzholz völlig ent- 
werthet und namentlich zu Fassdauben unbrauchbar werden. In den 


582 Kap. IX. Die Käfer, 


Oberitalienischen Sägemühlen wird dieser Frass noch dadurch lästig, 
dass in den Gängen sich häufig die Riesenameise, Formica ligniperda 
Larr., ansiedelt und nicht nur die Gänge erweitert, sondern auch die 
Arbeiter so empfindlich belästigt, dass sie die Ameisen häufig durch 
Eingiessen von heissem Wasser vertreiben müssen [I0]. Eigentliche 
Abwehrmassregeln sind gegen diesen Käfer wohl fast unmöglich, 
höchstens könnte man den Käfer selbst zur Flugzeit an schönen 


Abenden wegfangen lassen. 

Die gewöhnliche Annahme, dass die von Prisıus unter dem Namen „Cossus’ 
angeführte, von Hırroxymus als „SvAopayov” bezeichnete, in Eichen lebende 
und von den Alten als Leckerbissen betrachtete Insektenlarve diejenige von 
Cerambyx cerdo L. gewesen sei, wird neuerdings von Kerrer [I0] verworfen 
und vielmehr angenommen, dass sich diese Argabe auf die häufigere Hirsch- 
käferlarve beziehe. 


Cerambyx Scopolii Laıcuarr. (cerdo Scor.), sein nächster Verwandter, der 
häufig wenigstens dem Namen nach mit dem Riesenbocke verwechselt wurde, 
aber durch geringere Grösse, 18—29 mm Länge, sowie durch den Mangel des 
Dornes am Nahtwinkel der nach hinten nicht verengten und ganz schwarzen 
Flügeldecken leicht unterschieden werden kann, ist, obgleich er häufig inBuchen 
und auch in anderen Laubhölzern, namentlich in Edelkastanie, Apfel- und 
Birnbaum, sowie Ulme vorkommt [XXVI, S. 205], noch niemals forstlich 
bedeutungsvoll geworden, wenn auch die ziemlich grossen Gänge seiner Larve 
als technisch einigermassen schädlich angesehen werden könnten, 


Dasselbe gilt nach unserer Ansicht von zwei weiteren nahen Verwandten, 
welche, obgleich in den Sammlungen noch immer als selten sehr gesucht, doch 
in die Forstinsektenkunde eingeführt wurden. Bereits durch Rarzesurg [XV, II, 
S. 299—302] geschah dies mit dem Ahornbock. 

Beschreibung. Callidium (Rhopalopus Murs.) Hungaricum Hesr. 
Käfer schwarz. Halsschild ohne Dornen, in der Mitte glatt, fein zerstreut-punktirt, an 
den winklig erweiterten Seiten grob runzlig punktirt. Vorderhüften durch einen 
schmalen, abgerundeten Fortsatz der Vorderbrust getrennt, Mittelbrust zwischen 
den Mittelhüften ausgerandet. Flügeldecken hinter den Schultern nach der Mitte 
zu etwas verengt, grün erzfarbig, an der Basis grob, nach hinten allmählich 
feiner gerunzelt. Schenkel gegen die Spitze stark keulenförmig verdickt. Fuss- 
klauen einfach. Länge 18 —24 nım. 

Larve bis jetzt nicht näher beschrieben. 

Von RAtzegure ist der Ahornbock allerdings Cerambyx dilatatus genannt 
worden, hier liegt aber offenbar eine Verwechselung vor. Einerseits ist nämlich 
das früher Callidum dilatatum Pays, genannte, jetzt in den Katalogen als Cal. 
aeneum DE Grrr aufgeführte Thier, welches allerdings in Form und Farbe dem 
Cal. Hungaricum ähnlich ist, aber zu einer ganz anderen Untergattung, zu 
Callidium im engeren Sinne gehört, nach den übrigen Mittheilungen, z. B. 
den sehr genauen von Hrrger [8], ein Buchenthier. Andererseits versichert 
Aurum [22], dessen Exemplare aus derselben Waldherrschaft stammen, aus denen 
Rarzegurg die seinigen bezog, bestimmt, dass es sich um Callidium insubricum 
Genm. handle, einer Varietät des Cal. (Rhopalopus) Hungaricum Hessr., die 
neuerdings aber wieder durch GAnGLpaver [7] als gute eigene Art betrachtet 
wird. Wir wählen den Namen Cal. Hungaricum, weil nach letzterem Autor dies 
die weiter nördlich vordringende Form ist, während sein Cal. (Rh.) insubricum 
Germ. mehr südlich von den Alpen angetroffen wird. Im Allgemeinen scheint 
uns aber die Speciesfrage noch etwas unklar zu sein. 

Der Grund, warum sowohl RArzesurG wie Arrum den Ahornbock behan- 
deln, ist ein und dasselbe lokale Vorkommen. Er ist nämlich von Anfang der 
Sechzigerjahre an in den im südöstlichen Westfalen, zwischen Lahn und Eder 
gelegenen fürstlich WırtGenstein-BeErteBURG’schen Revieren im Bergahorn, 
Acer Pseudoplatanus L., aufgetreten, und zwar namentlich in zopftrockenen, 


Ahorn- und Alpenbock. Verarbeitetes Holz schädigende Böcke, 583 


älteren Stämmen, die theilweise von oben bis unten mit seinen Gängen besetzt 
sind. Der Käfer fliegt dort Ende Mai, Anfang Juni, legt seine Eier an die 
Rinde der Ahornstämme, die auskommende Larve plätzt im ersten Jahre unter 
der Rinde, macht nach der Ueberwinterung einen charakteristischen, abwärts- 
gehenden Hakengang, in dem sie den zweiten Winter verbringt, um im dritten 
Frühjahre sich hier zu verpuppen und den Käfer zu liefern. Die Generation ist 
also hiernach zweijährig. Die Stämme sollen den Frass sehr lange aushalten, 
sodass sich vielfach überwallte Frassgänge vorfinden. Dagegen entwerthet der 
Käfer angegriffenes Holz völlig für Dreh- und Schnitzwaaren, sodass z. B. im 
Frühjahre 1869 50—60 Stämme, die besonders stark angegriffen waren, verkohlt 
werden mussten. Das Vorkommen im Berleburg’schen scheint aber lokal zu sein, 
da bereits im Bergischen und im Westerwalde der Käfer sich nicht mehr finden 
soll [ALrum 25]. Im Allgemeinen ist er so selten, dass er in den Verkaufs- 
katalogen noch mit 80 Pfennig das Stück angeboten wird und oft gar nicht im 
Handel zu haben ist. 


Der zweite Käfer wurde erst in der neueren Zeit von ALtum etwas genauer 
forstlich behandelt. Es ist dies der Alpenbock. 


Beschreibung. Cerambyx (Rosalia Serv.) alpinus L. Käfer 
dicht fein bläulichgrau behaart. Halsschild mit flacher, runzlig punktirter Scheibe, 
beiderseits mit hoch hinaufgerücktem Seitendorn und am Vorderrande mit einem 
sammtschwarzen Flecke. Fühler nicht dick, ihr viertes Glied länger als das 
erste, einige Glieder an ihrer Spitze mit schwarzen Borstenbüscheln. Auf den 
Flügeldecken eine an der Naht unterbrochene, breite Querbinde hinter der 
Schulter, eine nicht unterbrochene solche Binde etwas hinter der Mitte und 
gewöhnlich ein Fleck vor der Spitze schön sammtschwarz. Gelenkhöhlen der 
Vorderhüften nach aussen mit einem ziemlich langen, offenen Schlitz. Schenkel 
nur mässig verdickt, Fussklauen einfach. Länge 20—36 mm. 

Larve vorläufig nicht näher beschrieben. 

Dieser in den Alpen am häufigsten vorkommende, aber auch in Ungarn, 
Skandinavien, in der rauhen Alp, am Rhein [XXIV, S. 41] u. s. w. in an- 
brüchigen Buchen brütend gefundene, zierlichst gekleidete Käfer erregte durch 
sein eine Zeitlang häufiges Auftreten in dem königlich Preussischen Staatsforstrevier 
Mühlenbeck, Regierungsbezirk Stettin, wo ein früherer Förster ihn zu Handels- 
zwecken in grosser Anzahl gesammelt hat, die Aufmerksamkeit Arrum’s [2 c]. 
Jetzt ist er dort bereits äusserst selten geworden, woraus Artum mit Recht 
schliesst, dass bei einem so grossen, auffallenden Käfer, wenn er einmal wirklich 
schädlich werden sollte, consequent durchgeführtes Sammeln als Abwehr an- 
wendbar und erfolgreich sei. Einen direkten Schaden konnte ihm übrigens auch 
Arrtum nicht nachweisen. 


Geschlagenes und verarbeitetes Holz technisch schädigende 
Bockkäfer. Als Typen dieser biologischen Gruppe wählen wir 


den Hausbock, Callidium bajulus L., und 
Cal. variabile L., 


denen sich noch einige Verwandte anschliessen. Es sind dies Thiere, 
welche zwar ebensowenig wie manche Anobien den Forstmann bei 
der Ausübung seines eigentlichen Berufes stören, wohl aber die Pro- 
ducte der Forstwirthschaft schwer zu schädigen im Stande sind. 


Cal. variabile L., ein im Durchschnitte ungefähr 12 mm langer, 
wie schon sein Name besagt, in der Färbung äusserst veränderlicher, 
meist einen schwarzen Kopf, rothgelbes Halsschild und blaue Flügel- 
decken zeigender Bock, schliesst sich der vorhergehenden biologischen 
Gruppe nebst einigen Verwandten noch insofern an, als er berindetes 


584 Kap. IX. Die Käfer. 


TLaubholz nach der Fällung angeht, mit Eiern belegt und seine 
Larve die Rinde durch flache Gänge unterhöhlt und sich schliesslich 
in einem in das Holz eindringenden Hakengange verpuppt. Der 
Hausbock, ein ungefähr 15—20 mm langer, dunkelbrauner, fein 
weisslich behaarter Käfer mit zwei glatten, glänzenden Höckerchen 
auf dem Halsschilde, ist dagegen im Wesentlichen auf bereits ent- 
rindetes und bearbeitetes Nadelholz angewiesen, dessen Splint seine 
Larven in tief eindringenden Gängen, bei Schonung der Oberfläche, 
im Inneren so vollständig durchwühlen, dass es alle Festigkeit ver- 
liert. Die Verheerungen der Larven sind öfters Ursache des Zu- 
sammenbrechens von Balken. In ähnlicher Weise zerstören Cal, lividum 
Rossı und Cal. pygmaeum FuaApr. die Reifen von Weinfässern. 
Abwehrmassregeln von wirklich durchgreifender Wirkung giebt es 
gegen diese Thiere kaum. 


Wir wenden uns zunächst zu den berindete Hölzer angreifenden 
Formen. 


Beschreibung. Cal. (Phymatodes 
Murs.) variabile L. Käfer: Vorderhüften 
aneinanderstehend. Halsschild mit einigen 
glatten, glänzenden Erhabenheiten. Flügel- 
decken fein, weitläufig, etwas rauh purktirt. 
Fühler des g länger als der Körper. 
Färbung äusserst veränderlich,h Körper 
rothgelb, Flügeldecken blau, mitunter theil- 
weise oder ganz rothgelb, Halsschild bis- 
weilen dunkel, ebenso Stirn und Brust. Diese 
Farbenvarietäten haben viele Synonyme 
hervorgerufen, so ‚fennicum L., testaceum 
FABR., praeustum FABr., similare Küst., anale 
Repre., Sellae Kraarz. Länge S—14mm. 

Larve nach dem Cerambyeinen-Typus 
gebaut, also beintragend, mit zwei grösseren 
”Augenpunkten, Haftscheiben in der Mitte 
wenig gefurcht, leicht genetzt, der ganze 
Leib kurz behaart. Aftersegment ohne Aus- 
zeichnung. Länge 10—13 mm. 

Cal. sanguineum L. Käfer schwarz oder 
schwarzbraun, die Flügeldecken, sowie häufig 
auch die Spitzen und die Seiten des 
Hintertheiles roth. Die ganze Oberseite 
mit feurigrothen, sammetartigen Härchen 
dicht bedeckt. Länge 9—11 nım. 

Larve der vorigen sehr ähnlich, aber mit 
fein chagrinirten Haftscbeiben [14 d., S. 429]. 

Lebensweise. Bs>ide Arten leben 
in abgestorbenem Laubholze, am liebsten 
wohl in Buchen, Hainbuchen, Eichen, 
Edelkastanien, aber auch in Obst- 


Grösse. Original. furchenden, mit Nagemehl vollgestopften 
Gängen, von denen sie späterhin durch 
längsgestellte, ovale Oeffaungen in die Tiefe des Holzes eindringen, um sich hier in 


’ 


Callidium variabile u. Cal. bajulus, der Hausbock. 585 


3—6 cm langen, hakenartig herabgebogenen Puppenwiegen zu verpuppen 
(Fig. 183). Da diese Thiere häufigan gefälltes Holz gehen und auch sehr ausge- 
trocknetes nicht scheuen, so findet man sie leider nur zu oft in Holzsammlungen, 
wo sie unvergifteten (vgl. S. 260), berindeten Laubholz-Abschnitten ebenso 
schädlich werden, wie Anobium molle L. (vgl. S. 346) den berindeten Nadelholz- 
Abschnitten. 

Weit beachtenswerther für die Praxis sind dagegen die auch 
entrindete Hölzer und namentlich verarbeitetes Nadelholz angehenden 
Formen, besonders der Hausbock. 

Beschreibung. Callidium (Hylotrupes Serv.) bajulus L. Käfer: 
Fühler auf der Stirn entfernt von den Kiefern eingelenkt. Augen tief ausgerandet. 
Halsschild an den Seiten stark gerundet und erweitert, breiter als der Kopf 
und als seine eigere Länge, unbewafinet, mit zwei glänzenden flachen Höcker- 
chen auf der Scheibe. Gelenkhöhlen der Vorderhüften nach hinten offen, letztere 
durch einen breiten Fortsatz der Vorderbrust getrennt. Hinterschenkel kürzer 
als der Leib, pechschwarz oder braun, Flügeldecken mit einigen weissbehaarten, 
nicht scharf begrenzten Flecken. Länge 8—20 nım. 


Larve nach dem Cerambyeinen-Typus gebaut und namentlich den Larven der 
Untergattung Callidium im engeren Sinne nahe verwandt, aber durch eine jeder- 
seits ausserhalb von den Fühlern stehende, senkrechte Reihe von drei Augen- 
punkten, wenig festes, glänzendes, schwach längsgeritztes Vorderbrustschild mit 
deutlicher Mittellinie und zwei kurzen Seitenfurchen sowie in feine Wärzchen 
zertheilte, in der Mitte etwas längsgefurchte Haftscheiben unterschieden. Körper 
sparsam behaart, After Y-förmig, keine hinteren Chitinspitzen. Länge 20 —22 mm. 


Cal. violaceum L. Käfer: Halsschild flach, dicht und grob gleichmässig 
punktirt. Flügeldecken grob gerunzelt und gekörnt. Oberseite dunkelblau. Vor- 
derhüften aneinanderstossend, Fühler bei { und ® kürzer als der Körper. 
Länge 10—15 mm. 


Larve nicht näher bekannt. 


Lebensweise. Diese ist eigentlich nur bei dem Hausbocke 
etwas genauer beobachtet. Derselbe ist ein Nadelholzinsekt, welches 
im Freien in Stöcken, Planken, Brettzäunen u. s. f. lebt, aber namentlich 
auch bearbeitete und in Gebäuden verbaute Nadelholzbalken, sowie 
Möbel aus Kiefern-, Fichten- und Tannenholz aufsucht. Das Weibchen 
belegt die Ritzen mit Eiern, und die Larven durchfressen, wenn sie 
ungestört bleiben, wenigstens so weit der Splint reicht, das Holz mit 
der Faser folgenden, im Querschnitt elliptischen Gängen dermassen, 
dass häufg nur ganz dünne Scheidewände zwischen den mit Nage- 
spänen dicht erfüllten Hohlräumen übrig bleiben. Dieser Schaden ist 
deshalb schwer zu entdecken, weil die Larven, wie die der ähnlich 
lebenden Anobien (vgl. S. 346), die äussere Oberfläche völlig ver- 
schonen, und sogar die Käfer sich häufig nicht einzeln durchfressen, 
sondern nacheinander durch ein und dasselbe Flugloch das Holz ver- 
lassen, so dass also ein anscheinend ganz gesunder Balken völlig 
morsch sein kann. Ja es scheint nach den Schilderungen von PERrRIS 
[I0 a, S. 456— 459], dem wir hier vorzugsweise folgen, dem aber 
Nörpuinger [XXIV, S. 41] widerspricht, nicht unmöglich, dass 
sich die Käfer, ohne das Holz zu verlassen, im Inneren wieder weiter 
fortpflanzen. Wenigstens kamen in dem Hause dieses französischen 
Forschers neun Jahre lang aus einem eingegipsten Kiefernbalken 
immer wieder Käfer hervor. Auch Arrun [XVI, III, 1, S. 339] kennt 


Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde, 38 


556 Kap. IX. Die Käfer. 


einen Fall, in welchem aus einem Hausgeräth, das vor acht Jahren 
angefertigt war, sich ein Käfer herausnagte. Es ist aus diesem Grunde 
auch sehr schwer, die Generation festzustellen. Die Larve soll nach einer 
von STEPHENS herrührenden, von Wesrtwoon mitgetheilten Beobach- 
tung so feste Kiefer haben, dass sie sogar durch Bleiplatten, mit 
denen ein Balken beschlagen war, zahlreiche Löcher frass.. Am ge- 
fährlichsten wird dieser Käfer wohl dort, wo er Gebälk angeht; einen 
Fall, in welchem im Laufe von 25 Jahren der Dachstuhl eines Hauses 
in Marburg völlig zerstört wurde, berichtet Aurum [XVI, III, 1, S. 339], 
und uns selbst ist im Jahre 1886 ein ähnlicher Fall aus Franken- 
berg in Sachsen bekannt geworden. 

Aehnlich, wenn auch minder grossartig ist der Schaden, den 
Cal. violaceum L. anrichtet, welches ausser in Nadelhölzern auch in 
Laubhölzern lebt, z. B. von Nörpuinger |[XXIV, S. 41] aus Erle 
erzogen wurde. 

Abwehr. Ist einmal Holz von den Larven angegangen, so 
sind Vertilgungsmittel gegen sie wohl nicht anwendbar. Als 
wesentlichstes Vorbeugungsmittel ist die Vermeidung der Ver- 
wendung von Splintholz anzurathen, welches viel mehr wie Kernholz 
den Angriffen unterliegt. Wie Aurum ferner sehr richtig bemerkt, 
dürfte „Theer- oder Kreosotölanstrich” einen neuen Holzbau gleich- 
falls schützen. Im Uebrigen verweisen wir auf die von uns bei Be- 
sprechung der Anobien (8. 347) berichteten Versuche von NÖRDLINGER, 
Holz durch verschiedene Imprägnationsflüssigkeiten zu schützen. 


Als Feinde aller Gewerbe, welche hölzerne Fassreifen brauchen, 
sind noch folgende zwei Formen anzuführen: 


Beschreibung. Callidium (Graeilia Serv.) pygmaeum Far. (Saperda 
niinuta FABr., Cal. pusillum Fasr., (al. vwini Panz.). Käfer: Augen grob 
facettirt, deutlich getheilt. Fühler auf der Stirn eingelenkt. Letztes Glied der 
Kiefertaster Klein, nicht länger als das vorletzte. Halsschild unbewaffnet, länger 
als breit, kaum breiter als der Kopf, nach hinten verengt, sehr fein und dicht 
punktirt. Gelenkhöhlen der Vorderhüften nach aussen geschlossen, nach hinten 
weit offen. Flügeldecken schmal, ziemlich flach, weitläufig seicht punktirt. Ober- 
seite braun, fein behaart. Länge 45—6nım. 

Larve nach dem Cerambyeinen-Typus gebaut, schlank und weiss, sparsam 
behaart, mit nicht ganz kurzen Fühlern, jederseits mit einem, nach ScHIÖDTE aus 
fünf Einzelaugen bestehenden Punktaugenflecke, sehr kurzen Beinen und in der 
en ek fein genetzten Haftscheiben. Länge 6—7mm [l4c, S. 464 und 
16, S. 413]. 

Cal. (Phymatodes Mus.) lividum Rossı (melancholicum FABr., brevicolle 
ScHÖönH., thoracicum Com.). Käfer: Flügeldecken dicht und tief runzelig 
punktirt, braun mit blauem Schimmer oder violett, Halsschild weitläufig tief 
punktirt, mit drei Längsschwielen, rothgelb oder braun, mit violettem Schimmer 
und nur die Mittellinie gelb. Unterseite braun, Fühler hellbraun, ihr drittes 
Glied länger als das vierte. Vorderhüften aneinander stossend. Beine gelb, 
theilweise bräunlich. Länge 7—10 mm. 

Larve nach dem Cerambyeinen-Typus gebaut, 9—11mm lang. 

Lebensweise. Beide Arten stimmen darin überein, dass sie in den ab- 
gestorbenen oder abgeschnittenen Aesten verschiedener Laubhölzer brüten. 
Cal. pygmaeum Far. ist polyphag, doch scheint es bei uns hauptsächlich die 
Birke [Scauirr 17], in Frankreich die Edelkastanie [l42, S. 465] zu bewohnen, 


Hausbock u. Fassreifen zerstörende Böcke. Literaturnachweise. 587 


kommt aber auch in Weide, Eiche, Weissdorn, Pfaffenhütchen, Rose 
und Brombeere vor, und ist von uns selbst aus Buche und Hainbuche 
gezogen worden. Cal. lividum Rossı ist dagegen mehr auf Eiche und im Süden 
namentlich auf Edelkastanie angewiesen. Der Frass beider — wir kennen 
den der zweiten Art nur aus der Beschreibung von Perrıs [I45, 8. 432] — 
scheint sehr ähnlich zu sein. Cal. pygmaeum Farr. belegt die Basis der Ast- 
ansätze mit einer Reihe von Eiern, und die auskommenden Larven fressen nun 
bald nach unten, bald nach oben in Rinde und Holz, bei ihrem späteren Wachs- 
thum hauptsächlich in letzterem, tiefe, scharfe, allmählich sich verbreiternde, 
anfangs parallel verlaufende, später unregelmässig gekrümmte Längsgänge. Nach 
Vollendung des Wachsthums wenden sie sich von der Richtung ihres Ganges 
nur so weit ab, dass sie schräg in das Innere des Holzes dringen und hier eine 
Puppenwiege mit ovalem Eingange nagen, aus welcher dann das Insekt durch 
ein gleichfalls ovales Flugloch sich befreit. Die Generation scheint zweijährig, 
vielleicht sogar mehrjährig zu sein (vgl. aber S. 559). Da immer nur bereits 
abgestorbene oder eingeschlagene Stangen mit Eiern belegt werden, so kann 
von einem physiologischen Schaden nicht die Rede sein, und der technische 
Schaden ist auch nur in dem einen, aber, wie es scheint, recht häufigen Falle 
wirklich namhaft, wenn nämlich zu Fassreifen verwendetes Material angegriffen 
wird. Die Fassreifen werden dann häufig so geschwächt, dass sie platzen oder 
wenigstens ersetzt werden müssen. Diese Thiere sind daher namentlich in Frank- 
reich, wo besonders Edelkastanienreifen zu Weinfässern verwendet werden, von 
den Weinbauern und -Händlern sehr gefürchtet, und es ist oft vorgekommen, 
dass in Folge durch sie verdorbener Reifen Fässer während der Gährung ge- 
sprungen sind. Als Vorbeugungsmittel wird von Prrrıs die Lagerung der Fässer 
in völlig dunklen Kellern empfohlen, 


Uebrigens können nach Perrıs [l4b, S. 465 und 466] und NÖRDLINGER 
[XXIV, S. 41] auch berindete Weidenruthen, namentlich aus solchen hergestellte 
Körbe geschädigt werden. In dem Falle von Prrrıs war allerdings der Haupt- 
schädling Leptidea brevipennis Murs. Sollte wirklich einmal ein Schaden an 
Weidenruthenvorräthen bei uns eintreten, so könnte dies nur an ungeschälten 
Ruthen der Fall sein, und es wäre dem Insekt durch Dörren oder Schälen der 
Ruthen beizukommen. 


Literaturnachweise zu dem Abschnitte „die Bockkäfer”. 
1. Antemann. Der Insektenfrass in der Oberförsterei Guttstadt u. s. f. 
Grunert’s forstliche Blätter, Heft 6, 1863, S. 89—111. — 2, Arrtum, 
B. a) Cerambyx fascieularis, Bostrichus bidens und Hylesinus minimus 
nach einem Herbststurm im Kiefernwalde. Zeitschrift für Forst- und 
‚Jagdwesen VII, 1875, S. 126—128. b) Der Ahornbockkäfer, Callidium 
insubricum Germ. Daselbst VII, 1875, 8. 129—134. c) Der Alpen- 
bockkäfer. Daselbst X, 1879, 5. 402—404. d) Die den Weidenhegern 
schädlichen Insekten. Daselbst XI, 1879, S. 17—22. e) Der Hasel- 
bockkäfer. Daselbst XI, 1879, S. 328. f) Wipfeldürre der Kiefern- 
überständer. Daselbst XVI, 1884, $S. 21—29. — 3, Cnapuss, M. T. 
et CAup&ze, M. E. Catalogue des Larves des Col&opteres etc. ME&- 
moires de la Soc. Roy. de Liege, VIIL, S. 341—653. — 4. Czecn, J. 
Saperda populnea in Weiden. Centralblatt für das gesammte Forst- 
wesen IV, 1878, S. 433 und 434. — 5. Eıcnnorr, W. Technisch 
schädliche Forstinsekten. Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen XV, 
1883, S. 221. — 6. Freiscuher, A. B. Der Fichtenborkenkäfer im 
Böhmerwalde, seine Mithelfer an dem Zerstörungswerke u. s. f. Vereins- 
schrift des Böhm. Forstvereins, Heft 99, S. 1—42. — 7. GAnGL- 

38* 


588 Kap. IX. Die Käfer. 


BAUER, L. Bestimmungstabellen der europäischen Colespteren VII und 
VIII. Cerambyeidae. Verhandl. der Zoolog.-botan. Gesellschaft in 
Wien 1881 und 1883. — 8. Hergzr, E. Beiträge zur Naturgeschichte 
der Insekten. Sitzungsber. der math.-naturw. Olasse der kais. Akad. 
d. Wiss. z. Wien IX, S. 927, 1853, Decemberheft. — 9. Hrawsa, A. 
Tetropium luridum et fuscum. Vereinsschrift des Böhm. Forstvereins, 
Heft 105, 1879, S. 78—85. — 10. Kerer, C. Zur Lebensweise von 
Cerambyx heros Fabr. Schweizerische Zeitschrift für das Forstwesen 
1885, 85. 10—13. — Il. Körpren, Th. Die schädlichen Insekten 
Russlands. 8. Petersburg 1880. — I2, Krause, J. A. Lehrbuch der 
rationellen Korbweidenkultur. Aachen 1886. 4. Aufl. — 13. Paury, A. 
Ueber die Generation des Fichtenbockkäfers, Callidium luridum. 
Allgem. Forst- und Jagdzeitung LXI[V, 1888, S. 309—312. — 14. Perrıs, 
Ep. a) Histoire des Insectes du Pin maritime. Annales de la soeiete 
entomolog. deFrance, 3i®me s&r,, IV, Paris 1856, S. 440—486. b) Larves 
de Coleopteres. 8. Paris 1877. — I. Rırzesure. Forstiasekten- 
sachen Nr. 5. Fichtenbockkäfer etc. Grunert forstliche Blätter, Heft 5, 
1863, 8. 164 und 165. — 16. Scniöore, J. C. De metamorphosi 
eleutheratorum observationes. Pars IX. Cerambyces. Naturhist. Tid;skr. 
X, 8. 369—458. Kopenhagen 1876. — I7, Schmitt. Entwickelungs- 
geschichte von Gracilia pygmaea. Stettiner entomologische Zeitung IV, 
1843,18. 108-107. 


Die Blattkäfer. 


Die Blattkäfer, Chrysomelidae, umfassen eine grössere Reihe kleiner, 
bis mittelgrosser, blattfressender, häufig lebhaft und besonders metallisch 
gefärbter, tetramerer Käfer, von einer im ganzen cylindrischen oder halb- 
kugeligen, gedrungenen Leibesform, mit rüssellosem Kopfe und kurzen, 
ungebrochenen Fühlern, deren meist ausgesprochen gefärbte, mit kurzen, 
aber gut entwickelten Beinen versehene Larven gewöhnlich äusserlich 
an denselben Nährpflanzen wie die Käfer selbst leben, und zwar manchmal 
in einem aus ihrem Kothe erbauten, sackförmigen Gehäuse. Die Eier 
werden gewöhnlich direkt an die Blätter der in den meisten Fällen 
krautartigen Nährpflanzen abgelegt, und die Larve hängt sich zum 
Zweck der Verpuppung entweder mit der Hinterleibspitze an ein Blatt, 
oder geht in die Erde oder in die Bodendecke. 

Ihr im ganzen nicht allzu hervorragender forstlicher Schaden setzt 
sich in den meisten Fällen aus dem Larven- und Käferfrass zusammen 
und wird eigentlich nur in den Weidenhegern wirklich empfindlich. 

Systematik. Die Chrysomeliden werden in den entomologischen 


Speeialwerken in vier grosse Unterfamilien getrennt und diese wieder 
in kleinere Gruppen und zahlreiche Gattungen getheilt. Wir behalten 


Literaturnachweise über Bockkäfer. Die Blattkäter. 589 


bier die Unterfamilien bei und sehen die sie zusammensetzenden 
Gruppen als Gattungen an, während wir die gewöhnlichen Gattungen 
als Untergattungen betrachten. 

Diese Unterfamilien reihen sich so aneinander, dass sich ein 
allmählicher Uebergang von länger gestreckten, sich im allgemeinen 
Habitus den Bockkäfern nahe anschliessenden Formen, den Eupoda, 
durch die gedrungeneren, aber noch walzigen Gestalten der Campto- 
somata, zu den fast halbkugelförmigen, typischen Chrysomeliden, 
den Cyclica, und schliesslich zu den meist ganz abgeplatteten, mit ab- 
wärts gewendeter Stirn und rückwärts verborgenen Mundtheilen versehe- 
nen Cryptostomata, ergiebt. Wirthschaftlich sind Vertreter aller vier 
Unterfamilien beachtenswerth, forstlich kommen aber, sogar wenn man 
sehr streng rechnet, nur die beiden mittleren Unterfamilien in Betracht, 
und wirklich bedeutenden Schaden haben nur Vertreter der Cyclica 
gemacht, 


Die drei ersten Unterfamilien, die Eupoda, Camptosomata und Cyclica, 
stimmen darin überein, dass die Käfer den Kopf mit der Stirn nach vorn geneigt 
oder senkrecht tragen, die Mundwerkzeuge daher ihre normale Lage haben, 
während bei der vierten Unterfamilie, den Cryptostomata, die Stirn plötzlich 
nach unten und hinten gebogen ist, sodass auch die Mundwerkzeuge nach 
hinten gedrängt erscheinen. 

Die 1. Unterfamilie, Eupoda, ist ausgezeichnet durch den läng- 
lichen Umriss des Leibes, den hinter den Augen eingeschnürten Kopf und das 
schmale, der scharfen Seitenränder entbehrende, gegen die breiteren Flügeldecken 
scharf abgesetzte Halsschild. | 

Sie zerfällt in drei grosse Gattungen, Sagra Farr., Donacia FApr. und 
Crioceris GEoFF. Erstere, durch die weit auseinanderstehenden Vorderhüften 
gekennzeichnet, in der Deutschen Fauna nur durch die Untergattung Orsodacna 
vertreten und sonst im Wesentlichen aus tropischen Formen bestehend, ist wirth- 
schaftlich ebenso unwichtig als die zweite, deren Mitglieder, wie schon der 
Name Donacia, „Rohrkäfer”, andeutet, auf den verschiedensten Wasserpflanzen, 
theilweise sogar unter Wasser leben. Diese letzteren erinnern in ihrem Habitus 
so sehr an die Bockkäfer, dass sie früher geradezu als solche angesehen und 
den Gattungen Leptura oder Rhagium beigezählt wurden, von denen sie sich 
aber scharf durch die Lebensweise ihrer stets unter Wasser bleibenden und dort 
an Pflanzen fressenden Larven unterscheiden. Die nahe bei einander eingelenkten 
Fühler und die bedeutende Länge des ersten Hinterleibsringes unterscheiden die 
Gattung Donacia wieder von der Gattung Crioceris, bei welch letzterer die 
Fühler durch die ganze Breite der Stirn getrennt und der Hinterleibsring 1 
höchstens so lang, wie 2 und 3 zusammengenommen, wird. Auch diese Gattung 
ist forstlieh unwichtig, dagegen gärtnerisch beachtenswerth, da Cr. Lilii Scop., 
d. h. die schwarzbeinige Verwandte von Cr. merdigera L, als Larve und Käfer 
die Gartenlilien an Blättern und Stengeln arg befrisst und Cr. 12-punctata L., 
sowie Cr. Asparagi L. in beiden Lebenszuständen unsere Spargelanpflanzungen 
schädigen. 

Die 2. Unterfamilie, Camptosomata, ist charakterisirt durch den der 
vorigen gegenüber abgekürzten Umriss des walzenförmigen, also fast einen kreis- 
runden Querschnitt besitzenden Körpers, den Mangel einer Halseinschnürung am 
Kopfe, der sich unmittelbar an das mit scharfen Seitenrändern versehene Hals- 
schild anschliesst und durch die Verwachsung der beiden Hinterleibsringe 4 und 5. 
Ihren Namen verdankt die Unterfamilie aber den Larven, weil diese mit ihrem 
bauchwärts „eingekrümmten Hinterleibe” in einem mehr oder weniger festen, 
aus ihrem Kothe gebauten Gehäuse sitzen, welches sie, Kopf und Brust hervor- 
streckend, mit sich herumschleppen. Sie zeigen also eine etwas höhere Kunst- 


590 Kap. IX. Die Käfer. 


fertigkeit als die Lilien-Crioceriden, deren Larven sich einfach mit ihren schmie- 
rigen Exerementen überdecken. Wir unterscheiden zwei Gattungen. 

Die erste, Clytra Lascnarr., ist als Käfer durch gesägte Fühler, genäherte 
Vorderhüften und ein von den Flügeldecken bedecktes Pygidium, als Larve 
durch die gewölbte Stirn und den dünnen, zerbrechlichen Larvensack, sowie durch 
ihre halbparasitische Lebensweise in Ameisenhaufen ausgezeichnet und forstlich nur 
insoweit erwähnenswerth, als sie eine Reihe ziemlich gleichgiltiger Laubfresser 
an verschiedenen Holzarten umfasst. Die Gattung Cryptocephalus GEorFrF. ist 
dagegen als Käfer durch fadenförmige Fühler, getrennte Vorderhüften und freies 
Pygidium, als Larve durch flach gedrückte Stirn und dieken, festen Larvensack 
kenntlich. Sie ist zwar sehr artenreich, es kommt aber nur eine einzige Form, und 
zwar als ziemlich unbedeutender Nadelholz-Kulturverderber in Betracht. 

Die 3. Unterfamilie, Cyclica, ist der neueren, etwas engeren Anfassung 
nach charakterisirt durch die allgemeine Leibesform, welche bei den typischen 
Gattungen eine etwas in die Länge gezogene Halbkugel darstellt, deren flache 
Seite die Bauchseite des Käfers bildet. Die Oberseite von Kopf, Halsschild und 
Flügeldeeken ist also in die gemeinsame Wölbung einbegriffen, der Kopf zeigt. 
keine Halsverdünnung, und das sich meist unmittelbar an die Flügeldecken 
anschliessende Halsschild ist an seiner Basis ebenso breit, wie letztere. Die 
Hinterleibsringe sind sämmtlich frei, und das letzte Fussglied ragt weit aus dem 
dritten, verbreiterten Gliede hervor. Die gewöhnlich freilebenden, seltener Blätter 
minirenden Larven sind meist lebhaft gefärbt. 

Wir trennen diese Unterfamilie in vier Hauptgattungen, Eumolpus Farkr., 
Chrysomela L., Galeruca Grorr. und Haltica Grorr., von denen die beiden 
ersten und die beiden letzteren wieder enger miteinander verwandt sind. 

Die Gattungen Eumolpus und Chrysomela stimmen darin überein, dass 
ihre Fühler an der Basis weit getrennt, über den Wurzeln der Vorderkiefer ein- 
gefügt sind. Dagegen sind bei Eumolpus die Gelenkhöhlen der kugeligen Vorder- 
hüften rund und das vorletzte Fussglied immer tief zweilappig, während bei 
Chrysomela die Gelenkhöhlen der queren Vorderhüften quergezogen sind und 
das dritte Fussglied entweder ganz oder an der Spitze blos ausgerandet, nur 
bei wenigen Arten zweilappig ist. 

Bei Galeruca und Haltica sind dagegen die Fühler an der Basis genähert, 
meist auf der Stirn zwischen den Augen eingelenkt, und Galeruca hat gewöhn- 
liche Hinterbeine, während die von Haltica in Springbeine verwandelt erscheinen. 
Alle vier Gattungen enthalten wirthsehaftlich beachtenswerthe Mitglieder, forstlich 
sind aber nur solche der drei letzteren erwähnenswerth. Ausser diesen werden 
wir aber auch noch kurz den in unserem Sinne zu der Gattung Chrysomela zu 
rechnenden Kartoffel- oder Coloradokäfer erwähnen. 

Die 4. Uxterfamilie, Cryptostomata, ist ausser durch die oben 
bereits erwähnte Umbiegung des Kopfes nach hinten und unten, welche die 
Rückwärtsdrängung der wenig entwickelten Mundtheile bedingt, noch dadurch 
charakterisirt, dass die Fühler einander an der Basis noch viel mehr angenähert 
sind als bei Galeruca und Haltica. Sie zerfällt in zwei grosse Gattungen. 
Von diesen ist Hispa L. wesentlich aussereuropä sch und bei uns nur durch 
drei kleine, aber sehr sonderbar aussehende Arten vertreten, während die Gat- 
tung Cassida L. charakterisirt wird durch die starke Verbreiterung der Hals- 
schildränder, welche sich unmittelbar an die ebenfalls nach aussen sehr er- 
weiterten Flügeldeeken anschliessen, sodass eine schildkrötenähnliche, Kopf, 
Brust und Hinterleib überdeckende Schale entsteht. Sie enthält eine grössere 
Reihe von Europäern. 

Auch in ihrer Larvenform sind beide Gattungen insoweit unterschieden, 
als die Hispa-Larven farblose, schlanke, blattminirende Formen darstellen,, 
während die breiten und häufig langbedornten Cassida-Larven äusserlich an 
ihren Nährpflanzen leben und sich mit Hilfe einer Aftergabel mit einer ‘aus 
ihrem Kothe gebildeten Hülle decken. Alle Cryptostomata sind forstlich unbe- 
deutend, dagegen enthält die Gattung Cassida einige landwirthschaftlich schäd- 
liche Arten, von denen Cassida nebulosa L. als Runkelrübenfeind am meisten 
gefürchtet ist. 


Systematik der Blattkäfer. Bestimmungstafel. 591 


Wir geben nunmehr eine Tafel zur Bestimmung der von uns 
angenommenen Gattungen. 


Familie: Chrysomelidae. 
Unterfamilie: Gattung: 
4A. Stirn nach vorn geneigt oder senkrecht, Mund- 
öffnung nach vorn oder unten gerichtet. 

I. Kopf hinter den Augen halsartig einge- 
schnürt, Halsschild ohne scharfen Seitenrand, 
Flügeldecken viel breiter als der Grund des 

Halsschildes, allgemeine Körpergestalt gestreckt Eupoda 
a) Vorderhüften breit voneinander ge- 


trennt, . . ee lenue Noyte Jede Sagra 
b) Vorder hüften kaum auseinanderste- (Untergattung 
hend. Orsodaena) 


1. Grund der Fühler einander ge- 
nähert, Hinterleibsring 1 sehr 
lang. Wasserpflanzenbewohner . . . . . . Donacia 
. Grund der Fühler von einander 
entfernt, Hinterleibsring 1 nur 
so lang wie Hinterleibsring 2 
und 3 zusammen. Landpflanzen- 
bewohner. . . Dee eripceris 
II. Kopf hinter den Augen richt“ halsartig 
eingeschnürt, Halsschild mit scharfem Seiten- 
rande, Flügeldecken nicht oder nur wenig breiter 
als der Grund des Halsschildes. 
a) Körpergestalt walzenförmig. Hinter- 
leibsring 4 und 5 verwachsen. 
Larven bauchwärts eingekrümmte 


tv 


Sackträger . . . . Camptosomata 
Te Flügeldecken das Pygidium be- 
deckend . . . een Elyitra 
2 et das Pygidium frei- 
lassend . Den ar Cryptoce- 
b) Körpergestalt einer etwas "langgezo- phalus 
genen, planconvexen Linse ähnlich. 
Larven freilebend .... . 2 Cyclica 
1. Fühler am Grunde von einander 
entfernt. 


«) Vorderhüften kugelig, Fuss- 

glied 3 tief ee zwei- 

lappig . a 
ß) Vorderhüften quer, Fuss- 

glied 3 ganz oder vorn nur 

ausgerandet, meist nicht 

zweilappig Al : Chrysomela 

2. Fühler am Grunde genähert. 

a). Beimpaanı3r einfacher Ir. ar nen Galeruca 


ß) Beinpaar 3 Springbeine ....  . ... Haltica 
B. Stirn nach unten gerichtet, Mundöffnung nach 
hinten zurückgedrängt.. . . . . „ Cryptostomata 
I. Rand des Halsschildes und der Flügel- 
decken nicht seitlich erweitert. Larven minirend. .... . Hispa 


II. Rand des Halsschildes und der Flügel- 
decken erweitert, zusammenstossend und in 
ein Kopf, Brust und Hinterleib weit über- 
ragendes Schild verwandelt. Larven freilebend, 
bedornt und eine Kothhülle tragend. ...:....... Cassida 


592 Kap. IX. Die Käfer. 


Die Diagnosen der forstlich beachtenswerthen und daher im 
Folgenden aufgeführten Gattungen und Untergattungen — die zahl- 
reichen anderen für uns nicht in Frage kommenden müssen wir 
übergehen — sind folgende: 


Gattung: Cryptocephalus. Käfer: Fühler fadenförmig, weit auseinander-, 
stehend, am inneren Theile des Vorderrandes der Augen eingelenkt, Kopf nach 
hinten nie halsförmig verengt, in das Halsschild eingezogen, mit senkrechter 
Stirn. Vorderhüften durch einen mehr oder weniger breiten Fortsatz der Vorder- 
brust getrennt, Hinterschenkel weit auseinanderstehend. Pygidum frei. Fuss- 
glied 3 tief gespalten, zweilappig. Die 22 besitzen auf dem letzten Bauchring 
eine grosse, tiefe, verschiedenartig begrenzte Grube, in welcher sie jedes Ei, 
ehe sie es an der Nährpflanze befestigen, lange herumtragen, um es mit Koth 
zu überziehen. Diese fehlt den SZ der meisten Arten. 

Larve: Allgemeine Färbung weisslich, Kopf ziemlich gross, fest chitinisirt, 
braun, flach und plattgedrückt, jederseits mit 6 Punktaugen und mit dreigliede- 
rigen, kegelförmigen Fühlern. Der erste Brustring oben mit einer halbmond- 
förmigen braunen Chitinplatte, die beiden anderen den Hinterleibsringen gleich, 
ohne feste Platte. Die drei Beinpaare ziemlich lang, letztes Glied eine sehr 
lange, scharf gebogene, braune Klaue darstellend. Die neun Hinterleibsringe 
oben stark gewölbt und mit Querfurchen durchzogen. After quergespalten, 
9 Stigmenpaare. Die Larven stecken, den Hinterleib gegen die Brust gekrümmt, 
in einem festen, aus ihrem Kothe gebauten, eylindrischen, nach vorn verengten 
Sacke, den sie an der schmalen Oefinung nur bis zum Hinterleibsring 1 ver- 
lassen können und bei ihrem ruckweisen Fortkriechen aufgerichtet mit sich 
schleppen [20, S. 84, 139]. 

Diese Hauptgattung zerfällt nach Weıse in 3 Gattungen oder Unter- 
gattungen in unserem Sinne, von denen wir nur eine anführen. 


Untergattung: Cryptocephalus Georr. im engeren Sinne. Küfer 
länglich, stark gewölbt, von fast eylindrischer Gestalt. Kopf in das Halsschild 
eingezogen, mit senkrechter Stirn. Augen gross, nierenförmig ausgerandet, Fühler 
fadenförmig. Halsschild nach vorn verengt, vorn und an den Seiten stark ab- 
wärts gewölbt, Hinterrand gegen das Schildchen etwas erweitert, der Vorder- 
rand von vorn betrachtet einen den Kopf umfassenden Halbkreis bildend, Seiten- 
ränder scharf gerandet. Das deutliche Schildehen gewöhnlich nicht in einer 
Ebene mit den Flügeldecken, sondern nach rückwärts schräg aufsteigend. Drittes 
Fussglied zweilappig. Ueber 150 europäische Arten. 


Gattung: Chrysomela. Käfer gewölbt, länglich oder eiförmig, bis halb- 
kugelförmig, oft metallisch gefärbt. Flugflügel meist entwickelt, Kopf gerundet, 
niemals halsförmig verengt, bis zu den Augen in das Halsschild eingezogen, 
mit senkrechter oder schräg vorgestreckter Stirn. Fühler weit auseinandergerückt, 
etwas unter der Mitte des Innenrandes der Augen eingelenkt, nicht so lang wie 
der Körper, die letzten Glieder etwas erweitert. Halsschild meist quer, an den 
Seiten oft wulstig, fast so breit wie die Flügeldecken. Letztere mit wenig ent- 
wickelten Schultern. Schildehen dreieckig. Vorderhüften quer, durch einen Fort- 
satz der Vorderbrust getrennt. Hinterhüften auseinanderstehend. Fussglied 3 
an der Spitze ganzrandig oder nur ausgerandet, meist nicht zweilappig. 


Larven nach vorn und hinten verschmälert, in der Mitte gewölbt und am 
breitesten, mit deutlich abgesetztem, chitinisirtem Kopfe, kleinen drei- oder vier- 
gliedrigen Fühlern, zweigliedrigen Lippentastern und deutlichen Augenpunkten, 
drei gut gesonderten Brustringen, von denen der erste gewöhnlich ein stärkeres 
Chitinschild hat, drei gedrungenen, ein hakenartiges Endglied tragenden Bein- 
paaren und einem neunringeligen Hinterleibe mit wulstigem, quergespaltenem, 
im Leben nach unten gerichtetem After, der als Nachschieber dient. Gewöhnlich 
mit zahlreichen, deutlichen, behaarten, dunkleren Warzen besetzt und im Allge- 
meinen der freien Lebensweise auf der Oberfläche der Nährpflanzen entsprechend 
entschieden gefärbt, nicht weisslich. Die hier gegebene Schilderung bezieht sich 
aber nicht allein auf die Larven der Gattung Chrysomela, sondern ebensogut 


Systematik der Blattkäfer. 593 


auf alle freilebenden Formen der gesammten Unterfamilie der Cyclica, also 
auch auf die Gattung Galeruca und soweit sie hier in Betracht kommt, auch 
auf die Gattung Haltica, da wir die in Blättern minirenden Larven, welche 
vielen Untergattungen der letzteren zukommen, hier nicht zu erwähnen haben 
werden. Wir beziehen uns daher weiter unten immer auf diese Larvenform, 
welche wir als typische warzentragende Chrysomelidenform bezeichnen. 

Nach Weise [20] zerfällt unsere Hauptgattung in 17 Gattungen, welche 
wir als Untergattungen betrachten, von denen aber nur die folgenden 4 forst- 
liche Bedeutung haben. 


Untergattung: Phytodeeta Kırz. (Gonioctena Repr».). Käfer länglich- 
eiförmig, geflügelt. Färbung veränderlich, meist roth oder gelbroth. Kopf geneigt. 
Augen oval, weit voneinander entfernt. Letztes Glied der Kiefertaster verbreitert 
und abgestutzt. Die kurzen, das Halsschild nur mit zwei bis drei Gliedern über- 
ragenden Fühler vom sechsten Gliede an gegen die Spitze allmählich verdickt. 
Halsschild viel breiter als lang, an der Basis fast so breit wie die Flügeldecken, 
nach vorn etwas verengt, ohne gewulstete Seitenränder, gleichmässig gewölbt, 
an den Seiten meist grob punktirt. Flügeldecken punktirt-gestreift, mit scharfem 
Nahtwinkel. Gelenkhöhlen der Vorderhüften nach hinten offen. Schenkel in der 
Mitte verdiekt, Schienen nach der Spitze verbreitert, die der vier Hinterbeine 
am Aussenrande vor der Spitze mit einem starken Zahn. Fussklauen am Grunde 
gezähnt. 13 Europäische Arten. 


Untergattung. Phyllodecta Kırs. (Phratora Repre.). Käfer sehr 
lang, eiförmig, geflügelt, metallisch grün oder blau, violett oder messinggelb 
varürend. Kopf geneigt. Fühler ungefähr so lang wie der halbe Körper, nur 
schwach verdickt, schwarz, die beiden ersten Glieder unterseits röthlich. Hals- 
schild quer viereckig, nach vorn etwas verengt, schmäler als die Flügeldecken, 
an den Seiten fein gerandet. Flügeldecken ziemlich parallel, am Ende gemein- 
schaftlich abgerundet, gereiht-punktirt, die Punktreihen nach der Spitze zu ver- 
worren. Vorderbrust zwischen den Hüften verengt, ihre Gelenkhöhlen nach 
hinten offen. Letzter Bauchring am Hinterende röthlich. Schenkel wenig ver- 
diekt, Schienen nach der Spitze nur schwach erweitert. Fussglied 2 klein, 3 
dagegen gross, breit, fast bis zum Grunde in zwei Lappen gespalten. Klauen am 
Grunde gezähnt. 8 Europäische Arten. 


Untergattung: Plagiodera Reprs. Käfer rundlich, eiförmig, oben 
mässig gewölbt, unten abgeflacht, gefügelt. Kopf klein, fast bis zur Mitte der 
gewölbten Augen in das Halsschild eingezogen. Fühler kurz, den Hinterrand 
des Halsschildes kaum überragend, vom sechsten Gliede an nur mässig er- 
weitert. Halsschild viel breiter als lang, ringsum fein gerandet, nach vorn stark 
verengt, am Grunde fast so breit wie die Flügeldecken. Diese verworren punktirt, 
in der Mitte am breitesten, mit ziemlich vorragender Schulterbeule. Vorderhüften 
durch einen nur schmalen Fortsatz der Vorderbrust getrennt, ihre Gelenk- 
höhlen nach hinten offen. Schenkel mässig diek, mit einer Rinne zum Anlegen 
der Schienen, letztere aussen mit einer schwachen Rinne, welche die Basis 
nieht erreieht. Fussglied 3 zweilappig, Klauen einfach. Nur 1 Europäische Art. 


Untergattung: Melasoma Sren. (Lina Repre.). Käfer lang eiförmig, 
mässig gewölbt, Kopf bis zur Mitte der lang-ovalen Augen in das Halsschild 
eingezogen. Fühler kurz, den Hinterrand des Halsschildes kaum überragend, 
vom siebenten Gliede an etwas erweitert. Halsschild viel breiter als lang, mit 
seharfen Hinterwinkeln, nach vorn verengt, wenig gewölbt, ringsum fein ge- 
randet, schmäler als die Flügeldeecken. Diese mit stark vortretenden Schultern, 
hinter ihnen leicht eingeschnürt, dann verschieden verbreitert, hinten breit ab- 
gerundet, verworren punktirt. Vorderhüften durch einen ziemlich breiten Fortsatz 
der Vorderbrust getrennt, ihre Gelenkhöhlen nach hinten offen. Schienen am 
Hinterrande mit einer fast bis zur Basis reichenden Rinne. Fussglied 2 schmäler 
als 1 und 3, letzteres bei einigen Arten zweilappig, bei anderen nur aus- 
gerandet. Klauen einfach. 8 Europäische Arten. 


594 Kap. IX. Die Käfer. 


Gattung: Galeruca. Käfer mehr oder weniger eiförmig, ziemlich weich. 
Kopf klein, schmäler als das Halsschild, mit ovalen, mitunter stark gewölbten 
Augen. Nur bei den Jg einiger Luperus-Arten ist der Kopf mit den Augen 
so breit oder breiter wie das Halsschild. Die fadenförmigen Fühler halb so lang 
als der Körper oder länger, in runden Gruben einander genähert eingefügt, 
entweder in einer Linie zwischen dem Unterrand der Augen, oder etwas höher 
auf der Stirn; zwischen.den Fühlergruben befindet sich ein Längskiel, über 
dem fast immer zwei kleine Beulen stehen. Das viereckige Halsschild meist 
breiter als lang, schmäler als die Flügeldecken, häufig mit grubenförmigen Ein- 
drücken. Flügeldecken nach hinten erweitert, selten fast gleiehbreit, mit deut- 
liehen Schultern, hinten einzeln oder gemeinschaftlich abgerundet. Schildehen 
deutlich, Vorderhüften zapfenförmig vorragend, sich einander berührend, Beine 
einfach, Hinterschenkel nicht verdickt. Fussglieder mässig breit, ihre Sohle 
filzig oder bedornt, meist ist Glied 1 das längste, 2 das kürzeste. Klauen einfach 
oder gezähnt oder gespalten. 

Diese Hauptgattung zerfällt in 12 Untergattungen in unserem Sinne, von 
denen aber nur die vier folgenden forstlich wichtige Arten enthalten. 


Untergattung: Agelastica Reprs. Käfer breit, geflügelt, oben kahl, 
glänzend blau, Fühler länger als der halbe Leib. Der durch die hohen Ränder 
der Fühlergruben gebildete Längskiel zwischen den Fühlern mit tiefer Rinne. 
Halsschild viel breiter als lang, an den Seiten ziemlich breit, am Vorder- und 
Hinterrand fein gerandet. Flügeldecken am Grunde etwas breiter als das Hals- 
schild, nach hinten bauchig erweitert, den Hinterleib bedeckend, ihr umgeschlagener 
Seitenrand vorn mässig breit, nach rückwärts ganz fein, auf dem vorderen Drittel 
rinnenförmig vertieft. Gelenkhöhlen der Vorderhüften hinten offen. Schienen mit 
deutlichem Enddorn, ihre Aussenkante glatt, nur an den Seiten mit Borsten- 
härchen. Fussglied 1 so lang wie 2 und 3 zusammen, fast so breit wie das zwei- 
lappige Glied 3. Klauen am Grunde zahnartig erweitert. Nur 1 Europäische Art. 


Untergattung: Luperus Georr. Käfer weich, mehr oder weniger 
gestreckt, schwach gewölbt, geflügelt. Kopf klein, mit den grossen gewölbten 
Augen zuweilen so breit oder breiter als das Halsschild. Fühler dünn, faden- 
förmig, beim ® fast so lang, beim d länger als der Körper. Zwischen den 
Fühlern ein erhabener Längskiel. Halsschild breiter als lang, ringsum fein 
gerandet, an den Seiten und am Grunde etwas gerundet. Flügeldecken am 
Grunde breiter als das Halsschild, nach hinten kaum erweitert, unregelmässig 
punktirt, den Hinterleib ganz bedeckend, ihr Seitenrand nur vorn deutlich um- 
geschlagen. Beine schlank. Schienen eylindrisch, mit kaum sichtbarem Enddorn. 
Glied 1 und 2 der Fussglieder schlank, etwas schmäler als das zweilappige 
Glied 3, Glied 1 etwas länger als 2 und 3 zusammen. Klauen kurz, am Grunde 
mit einem spitzen Zahn. Diese Gattung enthält einige 30, aber noch nicht 
ganz sichergestellte, Europäische Arten. 


Untergattung: Lochmaea Weıse. (Arimonia LaıcHArr.) Küfer etwas 
sewölbt, geflügelt. Oberseite fast kahl, ohne Metallschimmer. Fühler des länger, 
die des @ kürzer als der halbe Körper. Zwischen den Fühlern ein durch die 
wulstigen Ränder der Fühlergruben gebildeter Längskiel. Halsschild breiter als 
lange, ohne Querfurche am Grunde, nahe den Hinterecken ausgerandet und mit 
grosser Grube jederseits auf der Scheibe. Flügeldecken unregelmässig punktirt, 
nach hinten etwas erweitert; ihr Seitenrand, etwas verdiekt und abgesetzt, verläuft 
bis zum abgerundeten Nahtwinkel als feiner, glatter Längswulst, der umgeschlagene 
Theil dieses Randes ist wenigstens unter den Schultern breit und deutlich. Schienen 
ohne Enddorn. Gelenkhöhlen der Vorderhüften hinten offen. Drittes Fussglied 
zweilappig. Klauen gespalten. 8 Europäische Arten. 

Untergattung: Galerucella CrorcHn. Käfer länglich, geflügelt, die 
Oberseite dieht mit kurzen, feinen, anliegenden Härechen bedeckt, daher etwas 
seidenglänzend. Fühler ungefähr halb so lang wie der Körper, in der Höhe des 
Unterrandes der Augen eingefügt, voneinander so weit, wie von den Augen 
abstehend, Glied 2 am kürzesten. Zwischen den Fühlern bilden die wulstigen 
Ränder der Fühlergruben eine Rinne, deren Fortsetzung nach oben zwei meist 


Systematik und forstliehe Bedeutung der Blattkäfer. 595 


deutliche Querbeulen der Stirne trennt. Halsschild breiter als lang, nahe den 
Hinterecken leicht ausgerandet. Flügeldecken unregelmässig punktirt, breiter als 
das Halsschild, nach hinten kaum erweitert, den Hinterleib ganz bedeckend, ihr 
umgeschlagener Seitenrand wenigstens unter den Schultern deutlich und breit, 
letztere vorragend. Schienen ohne Enddorn. Gelenkhöhlen der Vorderhüften hinten 
offen. Drittes Fussglied breit zweilappig. Klauen gespalten oder mit einem 
kleinen, scharfen Zahn. 10 Europäische Arten. 


Gattung: Haltica. Käfer meist ziemlich klein, sehr verschieden gestaltet 
und gefärbt, meist geflügelt. Kopf bis zu den Augen oder ganz in das Halsschild 
eingezogen. Hinter und zwischen den Augen sehr verschieden gebogene Rinnen. 
Stirn gewöhnlich mit 2 Beulen, zwischen den Fühlern mit oder ohne Längskiel. 
Fühler 10-, 11-, selten auch 9 gliedrig, schlank und fadenförmig oder nach der 
Spitze etwas verdickt, am Grunde einander genähert. Halsschild breiter als lang, 
nach vorn verengt, mit oder ohne Eindrücke, verworren punktirt, an den Seiten 
mit abgesetztem Rand. Schildehen dreieckig. Flügeldecken hinter den Schultern 
etwas erweitert. Hüften quer. Die vier vorderen Beine einfach, an den hinteren 
sind die Schenkel etwas verlängert und stark verdickt, Springbeine. Die Hinter- 
schienen ebenfalls etwas verlängert, mit verschieden gestaltetem Enddorn. Fuss- 
glied 1 am längsten, Glied 2 klein, 3 breit zweilappig oder herzförmig. Klauen 
dünn und kurz, meist mit zahnförmiger Erweiterung am Grunde. 

Die über 350 Europäische Arten umfassende Gattung wird von Weıse [20] 
in 25 Untergattungen getheilt, von denen aber nur eine bisher forstlich beachtens- 
werth wurde. 

Untergattung: Haltica GeorFr. im engeren Sinne. Käfer länglich, 
gestreckt, grün, blau oder bronzefarbig, glänzend, gefüsgelt. Taster, Fussglieder 
und Fühler schwarz, die ersten Glieder der letzteren mit grünlichem Anfluge. 
Stirnhöcker gross, ein starker Längskiel endet nach oben zwischen ihnen in einer 
Spitze. Fühler 11-gliedrig, unter sich weiter entfernt als von den Augen, beim 
® merklich länger als beim S. Halsschild hinten fein, an den Seiten breiter 
gerandet, beiderseits neben dem Schildehen leicht ausgebuchtet, seine Oberfläche 
gewölbt, vor dem Hinterrande mit einer Querfurche, welche an den Seiten durch 
keine Längsfalte abgegrenzt ist. Flügeldecken verworren punktirt, bis hinter die 
Mitte etwas erweitert und dann gemeinschaftlich abgerundet, dicht vor der Spitze 
an der Naht etwas eingedrückt, Hinterschenkel spindelförmig verdickt. Gelenk- 
höhlen der Vorderhüften hinten offen. Schienen seitlich behaart, die hinteren an 
der Spitze mit einem kurzen, einfachen Dorn. Füsse an der Spitze der Schienen 
eingelenkt, Glied 1 kürzer als die halbe Schiene, Glied 3 breit, zweilappig. 
Klauen an der Basis zahnartig erweitert. 12 Europäische Arten. 


Forstliche Bedeutung der Chrysomeliden. Ein Theil derselben 
ist auf Holzgewächse angewiesen, deren Blattorgane sowohl Käfer als 
Larvenäusserlich befressen. Esistdaher erklärlich,dassin den verschiedenen 
Forstinsektenkunden, namentlich in den älteren, z. B. bei Becusrem [1], 
eine grosse Anzahl von Arten aufgeführt wurden. Wir müssen uns 
hier auf diejenigen beschränken, denen bereits eine wirkliche Schädi- 
gung in grösserem Masse, namentlich durch den stets schädlieher als 
der Käferfrass wirkenden Larvenfrass, nachgewiesen wurde, und können 
ausserdem nur noch solche Formen berücksichtigen, die mit jenen 
leicht verwechselt werden können oder irgend eine auffällige Beson- 
derheit in ihrer Lebensweise zeigen. 

Bei der grossen Gleichförmigkeit des Chrysomelidenfrasses können 
wir diese nur nach den Frasspflanzen gruppiren und behandeln nach- 
einander die Weiden- und Pappel-, Eichen-, Erlen-, Ulmen- 
und Kiefern-Schädlinge. 


596 Kap. IX. Die Käfer. 


Die Weiden- und Pappelschädlinge sind unter allen Chryso- 
meliden die einzigen, welche man forstlich mit Recht als sehr gefähr- 
lich bezeichnen kann. Aus der grossen Menge der an Weiden fressenden 
Arten kommen für uns aber nur einige grosse rothe, einige mittlere 
gelbe und einige kleine dunkel-metallisch gefärbte Arten in 
Betracht. Als Hauptvertreter der rothen Formen ist zu bezeichnen 


der rothe Weiden-Blattkäfer, 


Chrysomela Tremulae FApr. 


Es ist dies ein fast 1cm langer Käfer, dessen einfarbig rothe 
Flügeldecken scharf gegen die schwärzlich-blauen übrigen Theile- 
und Glieder, namentlich gegen Halsschild und Kopf abstechen. Viel- 
leicht in Verbindung mit seinen, häufig mit ihm verwechselten beiden 
nächsten Verwandten, Chr. Populi L. und Chr. longicollis SUFFR., 
welche allerdings mehr Pappelkäfer zu sein scheinen, befrisst er die 
Blätter, namentlich der Purpurweiden in so ausgedehntem Masse, dass 
öfters seine Bekämpfung durch Abklopfen und Einsammeln der Käfer 
nothwendig erscheint. 


Beschreibung. Wir gehen hierbei von der als Typus der Unterga‘'tung 
aufgestellten gemeinsten, aber, wie es scheint, für den Weidenzüchter weniger 
bedeutsamen Form aus. 


Chr. (Melasoma) Populi L. Käfer schwärzlich- oder grünlich-blau.’ Die 
rothen Flügeldecken nach hinten etwas verbreitert, ihre äusserste Spitze schwarz. 
Halsschild kurz, nach vorn etwas verengt, auf der schwach gewölbten Scheibe 
fast glatt, äusserst fein punktirt, beiderseits mit einem nach vorn breiter werden- 
den, nicht sehr hohen Längswulst, welcher wie der ihn nach innen begrenzende, 
ziemlich flache, nach vorn ebenfalls etwas verbreiterte und gekrümmte Längs- 
eindruck stark punktirt ist; die Seiten selbst sind entweder gleichmässig gerundet 
oder vom Grunde aus fast parallel, und erst im vorderen Drittel gerundet ver- 
engt. Drittes Fussglied zweilappig. Das Klauenglied an der Spitze des inneren 
Randes in eine sehr kleine Kante vorgezogen. Länge 9—12 mm (Taf. II, Fig. 3 F.). 

Puppe bräunlich-gelb und schön bunt gefärbt durch sehr regelmässig 
symmetrisch gestellte, schwarze, eckige Flecke und Punkte. Mit der Hinterleibs- 
spitze an ein Blatt angeheftet, gestürzt hängend. 

Larve an beiden Enden verschmälert, auf dem Rücken wenig gewölbt, 
weisslich, mit schwarzem Kopf und Gliedmassen, sowie regelmässig gestellten, 
glänzend schwarzen Schildern und Wärzchen, Kopf mit dreigliedrigen, kurzen 
Fühlern, zweigliedrigen Lippentastern und jederseits 6 Augenpunkten, von denen 
die 4 inneren, im Viereck gestellten, grösser sind als die beiden äusseren. Brust- 
ring 1 mit grossem, querem, schwarz gerändertem Chitinschilde und zwei schwarzen 
Warzen. Brustring 2 und 3 mit je vier schwarzen Warzen und je einem seit- 
lichen, schneeweissen Seitenhöcker. Die 8 ersten Hinterleibsringe oberwärts mit 
8 Reihen schwarzer Zeichnungen, sodass jederseits der der Mittellinie zunächst 
stehenden, aus kleinen, queren Schildeın zusammengesetzten Reihe sich nach 
aussen je eine Reihe kegelförmiger Warzen, Stigmenplatten und rundlicher Borsten- 
warzen anschliessen. Die Mittelplatten verschmelzen auf den vier letzten Ringen. 
Unterseite der Hinterleibsringe mit 5 Reihen schwarzer Punkte. Aus den kegel- 
förmigen Warzen auf der Oberseite der Hinterleibsıinge sind Drüsenschläuche 
vorstreckbar, ‘ie einen scharf riechenden Saft absondern. Länge ungefähr 14 
mm [2, S. 610 und 611, und V, I, S. 242]. (Taı. II, Fig. 3 ZL.). 


Eier gelblich, langoval, aufgerichtet, haufenweise und gedrängt der Unter- 
stite der Blätter angeklebt. 


Weiden- und Pappelschädlinge. Chr. Tremulae und Verwandte. 597 


Chr. (Melasoma) Tremulae Fapr., Surrr. (saliceti Weısz). Käfer der 
Chr. Populi L. in Gestalt und Färbung sehr ähnlich, aber kleiner. Halsschild 
mit etwas stärkeren, nach innen ebenfalls verflachten, stark punktirten Längs- 
eindrücken und etwas stärker hervortretenden Seitenwülsten; seine Seiten sind 
bis zum ersten Drittel entweder gleichbreit oder bis dahin unmerklich verengt, 
nach vorn gerundet-verengt, mit ziemlich spitzigen Vorderecken, manzhmal vor 
den Hinterecken etwas eingezogen. Flügeldecken ohne schwarze Spitze. Drittes 
Fussglied nur ausgerandet. Klauenglied an der Spitze der Unterseite jederseits 
nur mit einem ganz schwachen, nicht leicht sichtbaren Zähnchen. Länge 7'5—9 mm. 


Larve derjenigen von Chr. Populi äusserst ähnlich, aber etwas kleiner, 
mi; ganz schwarzem Chitinschilde auf Brustring 1 und schwärzlichem Anflug über 
den ganzen Körper [KrıngELHörrer 17]. 


Chr. (Melasoma) longicollis Surrr. (Tremulae Weıse). Käfer der Chr. 
Populi L. und Chr. Tremulae Faer. nach Gestalt und Färbung sehr ähnlich, 
so gross wie letztere. Halsschild etwas kürzer als bei dieser, vor den nach 
aussen etwas vorspringenden Hinterecken zuerst etwas eingezogen, dann all- 
mählich schwach erweitert, sodass seine grösste Breite in oder dicht vor dem 
ersten Drittel liest, hierauf nach vorn in starker Rundung verengt, mit dicken, 
stumpfen Vorderecken; der grob punktirte Seitenwulst von einem tiefen, grob 
punktirten Eindrucke begrenzt, welcher gleich tief und gleichmässig in flachem 
Bogen gerundet von der Basis bis zum Vorderrande verläuft. Flügeldecken ohne 
schwarze Spitze. Drittes Fussglied nur stark ausgerandet Klauenglied an der 
Spitze der Unterseite jederseits in e’nen ziem!ich grossen Zıhn ausgezogen. 
Länge 7:5—10 mm. 

Larve nicht näher beschrieben. 


Lebensweise und Schaden. In dieser Beziehung stimmen wohl 
alle hier genannten rothen Arten überein. Die überwiaternden Käfer er- 
scheinen bei dem Laubausbruche und belegen die Blätter aufder Unterseite 
mit kleinen, gelblichen, langgestreckten Häufchen aufrechtstehender Eier. 
Die Käfer und die bald ausschlüpfenden Larven vereinigen sich nun 
zur Skeletirung und Durchlöcherung der Blätter; namentlich die 
Skeletirung geht häufig so weit, dass das Blattfleisch ganz ver- 
schwindet und nur die Rippen übrig bleiben. Die Verpuppung, zu 
welcher sich die Larven mit dem Kopfe nach abwärts aufhängen, 
geschieht an den Blättern, an welchen die Puppen, gestürzt, fest 
anhängen. Die jungen Käfer erscheinen im Hochsommer und können 
nun unter günstigen Verhältnissen noch eine zweite Generation er- 
zeugen, welche dann entweder, wie auch Tascnexgere [XVIIl, S. 200] 
beobachtet hat, bereits im September zum Abschluss kommt, oder sich 
auch bis kurz vor Eintritt der Herbstfröste hinziehen kann. Auf jeden 
Fall überwintern schliesslich die Käfer in den verschiedensten Boden- 
verstecken. Als Frasspflanzen werden im Allgemeinen meist die ver- 
schiedenen Pappelarten, namentlich die Aspen, angegeben, und man 
kann sich sehr häufig davon überzeugen, wie stark namentlich die 
Blätter der Aspenstockausschläge befallen werden. Die unter Um- 
ständen zweimal im Laufe eines Sominers sich wiederholende Blatt- 
vernichtung kann da, wo man auf Erziehung von Aspen Werth 
legt, einen merklichen Zuwachsverlust mit sich bringen. Wirklich 
als sehr schällich betrachtet man die rothen Blattkäfer aber erst, 
seitdem man gefunden hat, dass sie auch Weiden, namentlich die 
Purpurweiden, angehen und hierbei die Entwickelung der Ruthen so 


t 


em 


IS Kap. IX. Die Käfer. 


wesentlich beeinträchtigen, dass oft nur ganz werthloses Material 
geerntet wird. Es ist aber hervorzuheben, dass man bei der nicht 
ganz unbeträchtlichen Schwierigkeit, die drei Arten auseinander zu 
halten, noch nicht sicher weiss, ob alle drei Arten gleichmässig an 
den Weiden fressen oder ob nicht vielleicht hauptsächlich die, neuerdings 
von Weise ja auch in Ohr. saliceti umgetaufte, von ihm auf Salix triandra 
L. gefundene Chr. Tremulae Fagr. den Hauptschaden verursacht. 

Letztere Art fand auch Arrum [XVI, III, 1, S. 362] schon vor längerer 
Zeit auf Weidengebüsch am Emsufer, und derselbe Autor berichtet ferner, dass 
sie 1882 in den Weidenhegern des Freiherrn von MırkAu zu Trieb-Nassanger 
in Franken an Salix purpurea in verheerender Weise auftrat [Ig, S. 608]. 

Ferner berichtet Krane [I3, S. 195 und 244], dass in seinen Weidenhegern 
zu Prummern bei Aachen von diesem Käfer ausschliesslich die Purpurweiden 
und ihre Bastarde angegangen würden. Nach diesem genauen Beobachter ver- 
schont das Thier die eigentliche Spitze der jungen Ruthe und hält sich nur an 
die zarteren Blätter, welche der Käfer nur am Rande zackig ausfrisst, während die 
Larve sie skeletirt. 

Einen Fall, dass auch Chr. Populi sich auf Weiden schädlich gezeigt habe, 
berichtet Aurum [Id, S. 21] nach Oberförster Morges aus dem Revier Züllsdorf, 
wo von Mitte Mai an die ersten, die besten Ruthen gebenden Ausschläge von 
Salix purpurea nach und nach so verstümmelt wurden, dass sie entweder ein- 
singen oder nur geringwerthiges Material lieferten. Das Gleiche trat nach ALrum 
lc, 8. 219] in der Weidenschule zu Bruck bei Erlangen ein, wo ausser der 
Purpurweide auch Salix pentandra, pentandra alba und pentandra fragilis, 
sowie die Varietäten von S. rubra und S. viminalis geschädigt wurden. Das- 
selbe kam vor in den berühmten Weidenhegern zu Messdunk [Id, S. 482]. 

Als wichtigste Vertreter der mittleren, gelben, unsere Weiden- 


heger schädigenden Blattkäfer sind zu betrachten 


der Sahlweiden-Blattkäfer, 
Galeruca Capreae L. (Taf. II, Fig. 1) und 


Gal. lineola FApr. 


Diese 4—6 mm langen, oberwärts matt ledergelben Käfer mit 
schwarzem Kopfe und kleinen, ebensolehen Zeichnungen auf dem 
Halsschilde und wohl auch auf den Schultern sind für den Nicht- 
entomologen unter den Weideninsekten höchstens noch mit der 
ebenfalls zur Noth als gelb zu bezeichnenden, gelbrothen Chrysomela 
viminalis L. zu verwechseln, welche sich aber bei genauerer Be- 
trachtung sofort durch die gewölbtere Form, röthlichere Färbung, 
stärkeren Glanz und häufig weit grössere schwarze Fleckung, nament- 
lich auf den Flügeldecken, unterscheidet. Auch ist diese letztere 
Form, wenngleich sie auf Weiden oft massenhaft angetroffen wird, 
in der Praxis noch beiweitem nicht so schädlich geworden, wie ihre 
beiden Vorgänger, und wird deshalb hier nur beiläufig erwähnt. 
Gal. Capreae und Verwandte sind zwar nicht monophage Insekten, 
sondern gehen an verschiedene Laubhölzer, wurden aber erst in 
neuerer Zeit wirklich beachtenswerth, seitdem man nämlich weiss, 
dass sie in Weidenhegern die Ruthenernte wesentlich beeinträchtigen 
können. 


Chrysomela Tremulae u. Verw. Galeruea Capreae u. Verw. 599 


Beschreibung. Gal. (Lochmaea, Adimonia) 'Capreae L. Küfer auf 
der Unterseite mit schimmernden Härchen besetzt. Die einfarbig ledergelben 
Flügeldeeken ohne Rippen, dicht punktirt. Halsschild ledergelb, an deu Seiten 
winkelig erweitert, sein Hinterrand an den Hinterwinkeln schräg nach vorn ab- 
geschnitten, auf der Scheibe einige dunkel gefärbte Grübchen. Kopf, Brust, 
Bauch, Schenkel und Schildchen schwarz. Stirn dicht runzelig punktirt. Schienen, 
Füsse und die ersten Fühlerglieder gelb. Länge 4—6 mm. 

Larve. Derjenigen von Chr. Populi sehr ähnlich und nur verschieden 
durch geringere Grösse, etwas kürzere Beine, weiter voneinander entfernte 
Warzen und Rückenschilder, welche auch kleiner sind. Auf dem sechsten 
Hinterleibsringe bleiben die Mittelplatten noch unverschmolzen [V, I,S. 248 und 
17, S. 90—92]. 

Gal. (Galerucella) lineola Fıer. Käfer auf der Oberseite leder- oder 
röthlichgelb, fein seidenglänzend behaart. Kopf kurz mit schmalen, vertieften 
Wangen. Flüsgeldecken ziemlich grob, nicht dicht punktirt, mit abgerundetem, 
rechteckigem Nahtwinkel; die den umgeschlagenen Seitenrand begrenzende 
innere Randlinie ist scharf und verbindet sich vor der Spitze etwas undeutlich 
mit der äusseren Linie. Halsschild schmäler als die Flügeldecken, an den Seiten 
in der Mitte winkelig erweitert, undeutiich grob punktirt, mit abgekürzter Mittel- 
linie und jederseits mit einer grossen, flachen Grube. Die Spitze der einzelnen 
Fühlerglieder, die Stirn über den Beulen, ein Fleck auf dem Halsschild, Schildchen, 
Mittel- und Hinterbrust, Schulterbeulen und Bauch, mit Ausnahme der Spitze, 
schwärzlich. Beine rothgelb. Länge 5—6 mm. 

Larve nicht genauer bekannt. 

Chr. (Phytodecta, Gonioctena) viminalis L. Käfer auf der Oberseite 
rothgelb, mehr oder weniger schwarz gefleckt, selten ganz schwarz. Alle Schienen 
am Aussenrande mit einem grossen Zahn. Flügeldecken regelmässig fein punktirt- 
gestreift, mit fein punktirten Zwischenräumen. Halsschild in der Mitte fein, an 
den Seiten grob punktirt, bei schwarzen Stücken ganz schwarz, sonst nur mit 
schwarzer Quermakel an der Basis, seine Seiten stark gerundet. Unterseite 
schwarz, Schienen oft braun. Fühlerglied 3 kaum länger als 5. Länge 5--7mm. 

Larve im Allgemeinen nach dem gewöhnlichen Typus der warzigen 
Chrysomelidenlarven gebaut, gelblich mit schwarzem Kopfe, Warzen, Schildern 
und Beinen. Genauere Beschreibungen geben LErzxer [14, S. 109] und Corneuıus 
[3, S. 165]. 

Lebensweise und Schaden. Die einzigen genaueren Angaben 
macht Krane [I3, S. 193 und 243]. Wir geben sie hier fast wörtlich 
wieder. Beide Arten der Galeruca verheeren in manchen Jahren 
Hunderte von Morgen der Weidenheger von Prummern bei Aachen, 
und zwar erscheint G. lineola früher als ihr Verwandter. Anfangs 
April sind beide schon da, befressen die erst fingerlangen Triebe, 
legen an die Unterseite der Blätter ihre Eier in Häufchen von un- 
gefähr 20 Stück und sterben dann. In 8—14 Tagen kriechen aus 
den Eiern kleine, braunschwarze Larven aus und fallen über die 
neu entstandenen Seitensprossen her, diese in derselben Weise ver- 
zehrend, wie ihre Eltern es mit den Hauptspitzen gethan haben. 
Sie skeletiren die Blätter von der Unterseite her und sollen, im 
Gegensatz zu den gleich zu erwähnenden, metallfarbenen Blattkäfern, 
zuerst die Triebspitzen und dann erst die tiefer sitzenden Blätter 
angehen. Die reife Larve begiebt sich in den Boden zur Verwandlung, 
und bald ist eine zweite Generation der Käfer vorhanden. In einzelnen 
Jahren wurde eine viermalige Verwandlung wahrgenommen. Die so 
oft beschädigten Ruthen sind fast werthlos, sie haben nicht die ge- 
hörige Länge und sind zu ästig. Die Käfer überwintern sehr wahr- 


600 Kap. IX. Die Käfer. 


scheinlich in der Bodendecke. Erscheinen sie bei ungünstiger Witterung 
später, etwa im Juni, so ist der Schaden minder gross. Ihre Lieb- 
lingsfrassbäume sind der Reihenfolge nach: Mandelweide, Salix 
trianda L. (amygdalina L.), Hanfweide, S. viminalis L., und Sahl- 
weide, S. Caprea L., sowie deren Bastarde. Auf Purpurweide, 
S. purpurea L., und deren Bastarden mit S, viminalis hat Kraus 
sie gleichfalls gefunden, ohne dass sie dort viel Schaden gethan hätten. 


Gal. Capreae ist aber auch auf anderen Laubhölzern vielfach beob- 
achtet worden. 1832 wurde sie von RATzeEsurg an jungen Birken bei Braun- 
schwende im Harz in solcher Menge gefunden, dass infolge ihres Frasses 
„das Eingehen der jungen Bestände auf weite Strecken mit Sicherheit zu er- 
warten war” [17]. 1838 soll sich dieser Frass nach Prrır [V, I, S. 244] wieder- 
holt und viele junge Birken „gänzlich zerstört” haben. Auch Nörnuinger [XXIV, 
S. 44] berichtet Aehnliches. Die ihm gemachte Mittheilung, dass Ziegen in Folge 
des Genusses von Aspenblättern mit Larven der Gal. Capreae eingegangen 
wären, dürfte wohl auf Missdeutung beruhen. 


Die kleinen, dunkelmetallischen Weidenblattkäfer, 


Chrysomela Vitellinae L., Chr. vulgatissima L., 


Chr. Viennensis ScHrk. und Chr. versicolora LAICHART., 


sind trotz ihrer geringen Dimensionen in neuerer Zeit am wichtigsten 
geworden, namentlich die beiden ersteren Arten. Sie verhindern 
durch den Blattfrass ihrer Käfer und Larven die richtige Entwicke- 
lung der Korbweidenruthen ebenso wie die rothen und gelben Weiden- 
Blattkäfer, Während die Klagen über letztere aber bis jetzt nur 
vereinzelt sind, haben diejenigen über ihre kleineren, erzgrünen oder 
blauen Verwandten bereits einen ziemlichen Umfang erreicht und 
die Praktiker angespornt, auf ihre Abwehr zu sinnen, die man durch 
Abklopfen der Käfer von den Ruthen und Vernichten, sowie durch 
Sammeln derselben in künstlich angelegten Winterverstecken erreichen 
kann. Am verbreitetsten und auch am meisten gefürchtet ist die 
gewöhnlich nur 4 mm lange, erzgrüne Chrysomela Yitellinae L., welche 
sich von ihren beiden anderen, etwas grösseren und in der Regel 
mehr blauen Verwandten dadurch unterscheidet, dass sie einen weniger 
gestreckten Umriss hat, also im Verhältniss zur Länge breiter ist. 
Chr. Viennensis ScHrk. unterscheidet sich von der ihr äusserst ähn- 
lichen Chr, vulgatissima L. durch die tieferen Eindrücke auf dem 
Halsschilde und, wenigstens bei den typisch gefärbten Exemplaren, 
durch gelbe Schienen. Die bis jetzt von Seiten der praktischen Forstleute 
noch nicht direkt grösserer Verwüstungen beschuldigte, aber sicher 
auch vielfach in Masse auf Weiden fressende Chr. versicolora LAICHART. 
ist durch ihren fast kreisförmigen Umriss leicht zu unterscheiden. 
Beschreibung. Chr. (Phyllodecta, Phratora) Vitellinae L. Küfer 
länglicheiförmig, nicht ganz doppelt so lang als breit, glänzend messinggelb, bald 
mehr, bald weniger mit grünlichem Schimmer, oder ganz erzgrün, seltener blau. 
Flügeldecken mit starken, hier und da geschlängelten Punktreihen und äusserst 


fein und sparsam punktirten Zwischenräumen, von denen nur der achte so starke 
Punkte hat, wie die Reihen. An den ziemlich kurzen Fühlern Glied 2 kürzer 


Galeruca Capreae. Chrysomela Vitellinae u. Verwandte. 601 


als 3. Schienen stets von der Farbe des Körpers. Länge 4—5mm. Diese Art 
zeigt bezüglich des Körperbaues und der Punktirung an verschiedenen Fund- 
orten wesentliche Abweichungen. 


Larve nach dem Typus der warzigen Chrysomelidenlarven gebaut. Grund- 
farbe trübweiss, auf der Mitte der Oberseite aber schwärzlich. Fester ehitinisirte 
Theile, Kopf, Schilder, Warzen u. s. w. dunkelschwarz. Letztere bilden auf der 
Oberseite des Leibes von der Mittelbrust an 8 Reihen. Auch auf der Unterseite, 
in der Mitte jedes Ringes, findet sich eine schwarze Zeichnung |[3, S. 394 und 
14, S. 106). Länge 5—7 mm. 

Chr. (Phyllodeceta, Phratora) Viennensis ScHure. (tibialis SUFFR). 
Käfer länglichoval, doppelt so lang als breit, glänzend metallischgrün oder blau, 
auch messinggelb. Halsschild stark punktirt, mit deutlichen Eindrücken, ein rund- 
licher, flacher, beiderseits nahe der Mitte des Seitenrandes, und ein länglicher, quer- 
liegender, schmaler, am Hinterrande zu jeder Seite des Schildchens. Punktreihen 
der Flügeldecken ziemlich stark, Zwischenräume äusserst fein punktirt, nur der 
achte mit so grossen Punkten, wie die Reihen. Fühlerglied 2 kürzer als 3. 
Schienen und Fussglieder bei der typischen Form röthlich gelbbraun, Schienen 
mitunter theilweise oder ganz bläulich- oder metallgrün mit kupferigen Knieen, 
Fussglieder dann mitunter schwarz. Länge 5—6 mm. 

Larve der der Chr. Vitellinae sehr ähnlich, aber etwas schmäler und mit 
fast durchaus russfarbiger, glanzloser Oberseite, die von einer helleren, gelblichen 
Mittellinie durehschnitten wird, und trübgelber Grundfarbe der Bauchseite. Die 
Spitzen der Seitenwarzen am Hinterleibe, sowie die Haare sind heller, als bei _ 
der vorigen Larve, mit welcher sie aber die Fleckung der Unterseite gemein 
hat [3]. 

Chr. (Phyllodeceta, Phratora) wulgatissima L. (Vitellinae Gyıı., 
coerulescens Küsr.). Käfer langgestreckt, doppelt so lang als breit, glänzend 
metallisch grünlich-blau, d‘e Färbung ändert ab in reines Grün, Blau, Violett, 
Schwarz mit oder ohne Kupferschimmer. Auf den Flügeldecken die fünf inneren 
Punktreihen ziemlich regelmässig, fein, etwas geschlängelt, mit äusserst fein 
punktirten Zwischenräumen, die vier äusseren Punktreihen stärker, verworren. An 
den Fühlern Glied 2 so lang oder etwas länger als 3. Schienen und Füsse stats 
dunkel gefärbt. Länge 4—5 mm, 

Larve von denen der vorhergehenden Arten wenig verschieden. Abgesehen 
von den stärker chitinisirten Theilen, anfänglich heller, später aber sehr dunkel, 
mit olivengrüner Mittellinie. Bauchränder und Behaarung weiss. Die Unterseite 
ist im Gegensatz zu den beiden vorigen ganz ungefleckt [3], 

Chr. (Plagiodera) versicolora LaıcHAart. (Armoraciae FABr., Salicis 
Taonus.) Käfer ausgezeichnet durch seine rundliche Gestalt. Halsschild sehr fein, 
zerstreut punktirt, fast dreimal breiter als lang. Flügeldecken viel stärker als 
das Halsschild, verworren, stellenweise etwas gereiht-punktirt, mit einem schwachen . 
Längswulst neben dem Seitenrande und deutlicher Schulterbeule. Die ersten fünf 
oder sechs Fühlerglieder und die Fussglieder dunkelbraun oder röthlich. Ober- 
seite blau, bald nach Grün oder Violett hinneigend; Kopf und Halsschild meist 
etwas dunkler, als die Flügeldecken. Unterseite schwarzgrün oder schwarz. 
Länge 2:5—4'5 mm. 

Larve nach dem gewöhnlichen warzigen Chrysomelidentypus gebaut, aber 
mit grünlicher Grundfarbe. 


Die Lebensweise ist, wenigstens was den forstlichen Schaden 
betrifft, bis jetzt genauer nur von Chr. Vitellinae L. beschrieben 
worden, indessen dürfte kaum ein Zweifel darüber bestehen können, 
dass vielfach in den Berichten die ersten drei zur Untergattung 
Phyllodecta gehörigen Arten untereinander geworfen wurden, und 
dass die meisten Angaben, soweit sie überhaupt richtig, für alle drei 
gelten. 


Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde, 39 


Diese Thiere überwintern als Käfer, und zwar in der Regel 
nicht am Boden oder in der Bodendecke, sondern in der Höhe an 
möglichst geschützten Stellen, zwischen zusammengeknäulten Blättern, 
den Spitzenknospen junger 2—3 m hoher Kiefern, in hohlen Pflanzen- 
stängeln, unter lockeren Baumrinden und sogar in Borkenkäfergängen. 
Dass andererseits auch viele schliesslich in das am Boden liegende Laub 
und zwischen die Ruthenstümpfe gelangen, versteht sich von selbst. 


Diese wichtigen Thatsachen sind namentlich durch Aurum bekannt ge- 
geworden, welchem hierüber zuerst Berichte aus der Weidenschule zu Bruck bei 
Erlangen [Ic, S. 201], und Oberförsterei Züllsdorf, Regierungsbezirk Merseburg 
(Id, S. 483], zugingen. Er selbst beobachtete dann 1880 auf dem Revier Grün- 
walde, Regierungsbezirk Magdeburg, dass der Käfer in grosser Menge die Bohr- 
gänge von Hylesinus crenatus an zwei alten Eschen bereits im August zu 
Verstecken gewählt hatte, und fand im Nachbarrevier Lödderitz ein ähnliches 
Verkriechen unter Kopfweiden- und Eichenrinde [If, S. 275]. 

Die Flugzeit der Käfer, in welcher sie mitunter sogar in 
grösseren Schwärmen die Luft durchziehen, fällt gewöhnlich in den 
April. Sie begeben sich dann in die Weidenanlagen, wo sie sowohl 
die jungen Ausschläge, wie die Blätter der zwei- oder mehrjährigen 
Wüchse angehen, und zwar nach Kranz [I3], im Gegensatze zu den 
gelben Weidenblattkäfern, die tiefer stehenden Blätter vor den 
höherstehenden. Sie legen nun ihre kornförmigen Eier in mit den 
Spitzen zusammenstossenden Doppelreihen von eirca 20 Stück flach 
auf die Unterseite der Blätter, und die auskriechenden Larven fressen 
in dichtgedrängten Colonnen, Leib neben Leib reihenweise fortschreitend 
das Blattfleisch der Unterseite auf. Zur Verpuppung begeben sie sich 
in den Boden. Es können einander drei Generationen in einem 
Sommer folgen. 

Dass die Generation dieser Weidenfeinde wirklich eine mehrfache ist, 
dafür sprechen alle Beobachtungen, namentlich die von Lerzxer [14] und Cor- 
nELıUS [3]. Ja sogar bei Petersburg ist durch Körren [I2, S. 276] eine doppelte 
Generation direkt constatirt worden. Es fiel hierbei die erste Puppenruhe von 
6 Tagen in den Juli, die zweite von 12 Tagen in den Anfang des September. 
Schwer lässt sich mit diesen positiven Angaben die oben erwähnte Beobachtung 
von ALrtuM vereinigen, dass die Käfer bereits im warmen August ihre Winter- 
verstecke beziehen. 

Sämmtliche Arten sind in Europa weit verbreitet und gehen 
auch in den Gebirgen und im Norden hoch hinauf. Namentlich ist 
Chrysomela YVitellinae [I2, S. 276] von Lappland bis Transkaukasien 
und von Frankreich durch Sibirien bis zur Amurmündung verbreitet. 


Frasspflanzen sind für sie ausser den gleichfalls von ihnen an- 
gegriffenen Pappelarten, namentlich die Weiden. Jedoch nicht alle 
Korbweidenarten werden gleichmässig befallen. In der Weidenschule 
zu Bruck waren es nach Arrum [Ice, $S. 217] die zarteren Arten, 
namentlich Salix viminalis L. mit ihren Abarten, S. purpurea L. und 
ihre Bastarde, unter ihnen wieder S. rubra Hups., die angegangen 
wurden. Bei Knappwerden des Futters nahmen wohl die Käfer, aber 
nicht die Larven, auch die Bastarde von S. triandra L. an. Letztere 
selbst blieb in Züllsdorf völlig verschont. Diese Beobachtung bestätigt 


Chrysom:la Vite'linae u. Verw. Abwehr der Weiden-Bla ttkäfer. 603 


Kraus |I3, S. 243] bezüglich der Vorliebe für S. viminalis, erwähnt 
dann aber als nächstbeliebte Futterpflanze die Sahlweide, S. Caprea L. 
In neuerer Zeit, 1884, glaubt nun aber Arrum [IAR, 8. 188] in den 
Weidenhegern des Eberswalder Stadtforstes gefunden zu haben, dass 
ein Unterschied in dem Geschmacke der einzelnen Arten insofern 
bestehe, als Chr. Vitellinae die S. purpurea, Chr. vulgatissima hingegen 
die S. viminalis fast ausschliesslich annimmt. 


Wie riesig die von Chrysomela Vitellinae angerichteten Schäden 
sein können, geht daraus hervor, dass Kraus [I3, S. 204] einmal 
seine Weidenheger so stark besetzt fand, dass er die Zahl der Larven 
für jede einzelne Ruthe auf mindestens 100 Stück ansetzen konnte, 

was also bei 200000 Sträuchern zu je 4 Ruthen 4 X 100 X 200000 — 
80 Millionen auf das Hektar ergiebt. Oberförster Moxses [Id S. 483] 
berichtet an Arrum 1880 aus Züllsdorf, dass eine Fortdauer der 
Calamität die Existenz der dortigen Weidenanlagen ernstlich in Frage 
stellen würde, der Ertrag habe sich bereits auf ein Drittel des 
früheren verringert. Aehnliche Angaben sind aus verschiedenen Gegen- 
den bekannt geworden. 

Chr. versicolora trat 1888 in einer kleinen Weidenanlage an dem Schloss- 
teiche zu Tharand als arger Fresser auf, während Chr. Vitellinae hier weniger 
häufig war, 

Abwehr der Weiden-Blattkäfer im Allgemeinen. Das 
seit längster Zeit empfohlene und wohl auch wirksamste Abwehrmittel 
ist gegen die Käfer selbst gerichtet und besteht in der Anpassung 
deı bekannten Sammelmethode der Entomologen, des „Abklopfens’’, 
an die Bedürfnisse der Praxis, also darin, dass die Käfer durch leise 
Schläge von den Ruthen auf untergehaltene Gegenstände herabgeworfen, 
dort gesammelt und vernichtet werden. Bei der grossen Ausdehnung, 
die häufig die gefährdeten Weidenanlagen haben, handelt es sich 
aber vornehmlich um die Anwendung geeigneter Werkzeuge, die ein 
schnelles und sicheres Arbeiten gestatten. Die Art und Weise, wie die 
Weidenstöcke in den Hegern vereinigt sind, also der Pflanzenverband 
und die strauchartige Form verbieten von selbst das Unterlegen von 
Tüchern oder das Unterhalten von Schirmen. Dagegen hat sich in 
der Weidenschule zu Bruck hierzu ein niedriger, viereckiger Kasten 
aus verzinntem Blech mit umgebogenem Rande bewährt, dessen Boden 
mit einer dünnen, die Käfer am Entweichen hindernden Aschenschicht 
bedeckt wird [Id, S. 484]. Krane [I3, S. 203] versieht dagegen mit 
Vortheil die Arbeiter mit einer Art einräderiger Schiebkarre, die 
einen niedrigen, 1 m langen und 30 cm breiten Kasten hat. Diese 
wird mit ihren Bäumen in den Gürtel des Arbeiters eingeschoben, 
der sie so vor sich her zwischen den Pflanzenreihen hinschieben kann 
und doch die beiden Hände, in denen er Stöcke führt, zum Abklopfen 
frei behält. Diese Methode bewährt sich aber nur da, wo die Weiden 
noch richt hoch und nicht durcheinander gewachsen sind. Wo dies der 
Fall ist, versieht Kraue Frauen mit um den Hals zu hängenden 
Körben, in welche Tücher gelegt und beim Durchgehen durch die 

39 


604 . Kap. IX. Die Käfer, 


Weidenreihen die Käfer hineingeklopft werden. Sowohl aus der Schieb- 
karre wie aus den Tüchern lässt Krane die Käfer von Zeit zu Zeit 
in einen Eimer voll Wasser, auf welches vorher eine Petroleumschicht 
gegossen wurde, ausschütten. Mit Hilfe dieser Mittel konnte KrAHE 
z. B. in acht Tagen durch 15 Personen täglich 21 Käfer fangen lassen, 
was also, 1/ zu 52000 Stück gerechnet, im Ganzen 8736000 Käfer 
beträgt. Auch gegen die Larven kann man ähnlich vorgehen. Es ist 
dies aber schwieriger, weil die Larven fester sitzen als die Käfer. 
Einen „Bürstenapparat”’, den Krane zu diesem Zwecke an der er- 
wähnten Schiebkarre anbrachte und der gut gewirkt haben soll, 
beschreibt er leider nicht näher. Bei den rothen Weidenkäfern, die 
etwas grössere Larven haben, kann man in kleineren Verhältnissen 
vielleicht auch durch direktes Larvensammeln etwas ausrichten. 

Als Abwehrmittel gegen die Larven hat sich ferner in der 
Weidenschule zu Bruck [lc, S. 218] eine „ziemlich scharfe Lauge 
aus guter Holzasche’”’ bewährt. Die Arbeiterinnen mussten aber, da 
ein Uebersprühen der Pianzen mittelst einer Art Giesskanne nichts 
half, die Ruthen durch die rechte, in die Lauge getauchte Hand 
ziehen. Weil sie diese Arbeit aber höchstens zwei Tage lang aus- 
halten, wäre in Zukunft zu überlegen, ob man nicht zu diesem 
Zwecke mit Vortheil zwei weiche, langhaarige Bürsten verwenden 
könnte, zwischen denen die Ruthen ebensogut durchgezogen werden 
können, wie durch die Hand. 

Die wiederholt gemachten Versuche, die Käfer durch dauernde 
Beunruhigung aus den Weidenhegern zu vertreiben, oder ihre Larven 
durch Bestreuen der Pflanzen mit für sie gifiigen Pulvern zu tödten, 
haben in der Praxis wohl keine Zukunft. 

Vertreiben kann man den Käfer aus Weidenhegern, indem man alle 
Viertelstunden über die Anlage eine mit Strohwischen behangene Leine durch 
zwei Knaben hinüberziehen lässt. Sind die Ruthen schon höher geschossen, so 
beschwert man die Leine noch mit einigen Steinen. Die dauernd gestörten 
Käfer wandern aus und legen ihre Eier ausserhalb dss Hesers ab Als rationell 
kann dieses von S$cHurze-Messdunk anzewendete Verfahren [I g, S. 607] aber 
kaum angesehen werden, da durch dasselbe nur ein zeitweiliger Schutz einer 
bestimmten Oertlichkeit, keine Verminderung der Schädlinge erreicht wird. 

Versuch:, die Larven durch Bestreuen der Blätter mit arseniksaurem 
Kupferoxyd [Arrum Ib, S. 20) oder Bestauben mit Schwefelpulver [Docnnar 5] 
zu tödten, sind wohl dem Gedanken entsprungen, diese zur Zerstörung von 
Gartenschädlingen empfohlenen, und zur Bekämpfung der Weinstockpilze verwen- 
deten Mittel auf die Forstwirthschaft zu übertragen. 

In neuester Zeit hat Arrum empfohlen If], in oder in der 
Nähe der Weidenheger künstliche Winterverstecke anzubringen, 
aus denen man nach Eintritt der kälteren Jahreszeit die erstarıten 
Käfer herauszunehmen und zu vernichten hätte. Dieses theoretisch 
gewiss ganz richtig ausgesonnene Mittel hat aber, soviel uns bekannt, 
die Probe der praktischen Anwendung noch nicht bestanden. 


Er sagt: „In den Hegern selbst oder in der nächsten Umgebung derselben 
würden eingegrabene, entborkte Stammabschnitte splitterig eingehauen und ge- 
spalten und dann wieder mit Rinde umbunden od»r benagelt, ohne Zweifel 
wesentliche Dienste leisten und jahrelang Verwendung finden können”, Bereits 


Abwehr der Weiden-Blattkäfer. Der Eichen-Erdfloh. 605 


in der Nähe vorhandene Kopfweiden möchte er gleichfalls diesem Zwecke 
anpassen, und er empfiehlt auch mit Rücksicht auf das von ihm beobachtete 
Eindringen der Chr. Vitellinae L. in die Frassgänge von Hylesinus crenatus 
das Durchlöchern der umzubindenden oder lose anzunagelnden Rinden mit 
einem Drillbohrer. 


Eichenfeinde. Von den übrigen sehr zahlreichen, auf Laubholz- 
blätter angewiesenen Blattkäfern sind nur wenige bis jetzt wirklich 
forstschädlich geworden. Verhältnissmässig noch am häufigsten findet 
man Klagen über 

den Eichen-Erdfloh, 


Haltica erucae OL1iv., 


einen kleinen, metallisch-grünen oder blauen, springenden Käfer, 
der sammt seiner Larve in unseren jüngeren Eichenbeständen die 
Blätter zerfrisst und skeletirt. 


Beschreibung. Haltica erucae Ouıv. (guercetorum Fouor.). Käfer 
metallisch grün, manchmal mit blauem Schimmer. Stirnhöcker gross, quer drei- 
eckig oder rund, und wie der von ihnen durch eine Querrinne geschiedene 
Scheitel fast ganz glatt und glänzend. Halsschild beim g etwa um die Hälfte, beim 
Q doppelt so breit als lang, seine Oberfläche stark gewölbt, so dass man von 
oben den schmal abgesetzten Seitenrand nicht sieht, vor der Mitte am breitesten, 
nach vorn und hinten nur in leichter Rundung verengt. Vor den Hinterecken 
oft etwas ausgeschweift, die abgerundeten Vorderecken verdickt, etwas nach 
aussen vortretend, oben fein punktirt, mit einigen grösseren Punkten jederseits 
auf der vorderen Hälfte, Querfurche vor dem Hinterrande nicht sehr tief. 
Flügeldecken dicht und deutlich verworren punktirt, an der Wurzel breiter als 
das Halsschild, nach hinten bis über die Mitte etwas erweitert, von der Basis 
aus etwas ansteigend, daher mit dem Halsschild nicht in einer Ebene gewölbt. 
Schultern stark vortretend; von ihnen zieht sich bis zur Spitze eine erhabene 
Längsfalte, die in der Mitte manchmal undeutlich wird, vor der Spitze aber 
oft rippenartig hervortritt. Länge 4—5 nım. 

Larve von dem gewöhnlichen Habitus der warzigen Chrysomelidenlarven, 
schwärzlich, mit glänzendem, grob punktirtem und dünn behaartem Kopfe und 
kurzen Fühlern. Vorderbrust mit stärker chitinisirtem Schilde auf den Rücken 
Mittel- und Hinterbrust mit einer doppelten Querreiha grosser, hellere Haare 
tragender Warzen besetzt, jederseits über der Einlenkung der starken Beine 
eine besonders grosse. Die Hinterleibsringe gleichfalls mit Warzenquerreihen, 
welche auf den letzten schwächer werden. Länge ungefähr 5—7 mm. 

Puppe gedrungen, schmutzig gelb, mit schwarzen Augen und zwei schwarzen 
Enddornen [Tascnaexngere XVIll, S. 206]. 

Die in Gemüsegärten sehr häufige, gefürchtete, etwas kleinere Art, der 
Kohl-Erdfloh, H. oleracea L., unterscheidet sich von H. erucae Orıv. als 
Käfer vorzüglich durch den Mangel der Längsfalte an den Seiten der Flügel- 
deeken, während die Larve entschieden mehr braun und an dem Rücken 
kantiger ist [XVII, S. 206]. 

Lebensweise und Schaden. Halt. erucae ist im Wesentlichen auf 
unsere einheimischen Eichen angewiesen, soll aber nach Artum die Stieleiche 
vor der Traubeneiche bevorzugen und geht gelegentlich auch wohl andere Laub- 
hölzer, namentlich Hasel und Schwarzerle, an [V, 1, S. 242 und la, S. 26]. 
Der Käfer überwintert in der Bodendecke oder in Rindenritzen, erwacht im 
Frühjahre beim Laubausbruche aus dem Winterschlaf, und die Weibchen legen 
nun ihre Eierhaufen an die Unterseite der jungen Blätter, welche alsbald von den 
jungen Larven befressen werden. Anfangs lassen diese die Epidermis der Ober- 
fläche noch stehen, in vorgerückterem Alter wird aber auch sie zerstört, und es 
bleiben dann nur noch die Blattrippen übrig. Die so mitunter vollständig skeletirten 


606 Kap. IX. Die Käfer. 


Blätter bräunen und kräuseln sich, und bei staıkem Frasse erhält der Bestand 
alsdann das Ansehen „eines durch die Flammen eines Lauffeuers versengten 
Eichenortes’” [la, S. 27]. Dieser Frass dauert ungefähr bis zum Juli, zu welcher 
Zeit die erwachsenen Larven sich in der Bodendecke oder in Rindenritzen ver- 
puppen und nach etwa 14 Tagen die Käfer liefern, welche nun vom August bis- 
zum Eintritt der Fıöste das Frassgeschäit der Larven fortsetzen und sich endlich: 
in die Winterverstecke zurückziehen. 


Die einjährige Generation kann man also folgendermassen graphisch 
darstellen: 


| Jan. |Febr. März |April Mai | Juni | Juli | Aug. Sen 


Oct. | Nor. | Dee. 


n 0 "] | fo 
1880. HEE___ dt HrHthr ht 
EEERTTEEFERNF TITTEN ! 


| ABBL Etat | | 


m 


Eingeführt wurde dieser Käfer in die Forstinsektenkunde durch 
Kerıxer [I0] und etwas später durch RAtzegurg, der seinen Schaden [V,1, S. 213] 
sehr gut beschreibt, jedoch in dem Irrthum befangen bleibt, der von ihm be- 
schriebene Eichenfeind sei mit dem gemeinen Kohl-Erdfloh, Haltica oleracea L., 
identisch. 


Die ersten neueren Nachrichten über durch diesen Käfer verursachten, 
ausgedehnten Schaden stamm«n von TASCHENBERG, welcher ihn Anfangs der Sieb- 
zigerjahre in den Revieren um Halle a/S. in grosser Menge in den Eichen- 
stangenhölzern und auf Eichenunterholz antraf; da gegen den Frass nicht ein- 
geschritten wurde, ging er auch auf die alten Eichen über, und an anderen 
Stellen schadete er den jungen Pflanzen bedeutend [XVIll, S. 206]. 1876 berichtet 
Aurum [Il, a] ausgedehnte, 4—10 ha umfassende Massenfrässe im Wildpark zu 
Potsdam, im königlich Preuss’schen Staatsforstrevier Diebzig bei Aken an der 
Elbe und aus Zütfen bei Arnheim in Holland. 1877 fand ein grösserer Frass 
auf dem königlich Sächsischen Staatsforstrevier Dit'ersdorf statt, über welchen 
wir durch den damaligen königlichen Förster FRANckE unterrichtet wurden. Zwei 
Jahre später wurden die etwa 50jährigen Eichen an „Cotta’s Grabe” bei Tharandı 
stark befressen. 


Abwehr dieses Schadens dürfte für die wirkliche Praxis ziemlich schwer 
sein, da das Abklopfen der Käfer, welches von verschiedenen Seiten empfohlen 
wird, bei ihrer grossen Beweglichkeit und dem nicht unbedeutenden Spring- 
vermögen nur an trüben und rauhen Herbsttagen, an denen sie träger sind, 
einigen Erfolg versprechen dürfte. Taschexgere [XVIN, S. 209] empfiehlt, den 
Arbeitern in die linke Hand ein zwischen Stäben ausgespanntes Tuch zu geben, 
welches unter die Sträucher gehalten wird, während die rechte Hand den 
klopfenden Stock führt. Von Zeii zu Zeit werden die so erbeuteten Käfer dann 
in eine Flasche, in welche man einige Tropfen Terpentinöl gefüllt hat, in Sicher- 
heit gebracht. Vielleicht würde es passend sein, statt des Tuches den oben bei 
Abwehr der Weidenkäfer beschriebenen, mit einer Aschenschicht versehenen Blech- 
kasten zu verwenden. Die gegen die im Garten so häufig schädlichen, verwandten: 
Arten immer angepriesenen Mittel, namentlich das Begiessen der Pflanzen mit Wer- 
muthaufguss oder das Bestreuen derselben nach einem stärkeren Thaufalle oder 
Regen mit Kalkstaub oder Asche [vgl. XXIl, II, S. 295] dürften wohl nur auf 
Saatbeeten oder in Pflanzgärten in Frage kommen, im Forste selbst aber nicht 
durchführbar sein. 


Haltica erucae. Die Erlen-Blattkäfer. 607 


Als Erlenfeind ist zu erwähnen 
der blaue Erlen-Blattkäfer, 
Galeruca Alni L. (Taf. II, Fig. 2). 


Dieser 5—6 mm lange Käfer unterscheidet sich durch seine 
stets tief stahlblaue Färbung und die, wie bei allen Galeruca-Arten, 
nahe beisammen, zwischen den Augen eingelenkten Fühler leicht von 
der ebenfalls Erlen bewohnenden Chrysomela aenea L., die einen 
ausgesprocheneren metallischen Glanz, eine von Grün durch Blau 
bis zu Schwarz wechselnde Färbung und an der Wurzel weiter 
auseinanderstehende Fühler hat. Er duichlöchert und befrisst als 
Larve und Käfer die Erlenblätter. Doch scheint er einen ernsteren 
Schaden bis jetzt überhaupt nur in Pflanzgärten an jungen Samen- 
pflanzen gemacht zu haben. Ueber die nur wegen der möglichen 
Verwechslung hier angeführte und weiter unten auch näher be- 
schriebene, ähnlich lebende Chrysomela aenea sind bis jetzt wirkliche 
Klagen von Seiten der Forstmänner noch nicht eingelaufen. 


Beschreibung. Gal. (Agelastica) Alni L. Käfer auf der Obeiseite 
glänzend blau, selten grünlich, Unterseite schwarz oder schwarzblan, Halsschild 
viel breiter als lang, nach voın stark verschmälert, wie die Flügeldecken ziemlich 
grob, veıworren punktirt. Länge 5—6 mm. 

Puppe sehr weich, zart und hellgelb. Zarve von dem allgemeinen warzigen 
Typus der Chrysomelidenlarven, dunkelschwarz, ins Grünliche stechend, mit ziem- 
lich starker Behaarung. Kopf ziemlich flach, mit etwas vertiefter Stirn. Dicht 
hinter den kurzen Fühlern jederseits ein kleines Punktauge. Die drei, die starken 
Beine tragenden Brustringe sowohl, wie die Hinterleibsringe jeder mit einer sehr 
deutlichen Querfurche, vor und hinter welcher zwei glänzende, aus zwei länglichen 
Wärzchen bestehende, behaarte Querleisten erscheinen. Luftlöcher am Grunde 
von aus- und einziehbaren Kegelwarzen, unter denen sich noch eine behaarte 
Warze befindet, so dass der Rand des Leibes von oben gesehen wie gezähnt 
erscheint. Letzter Ring mit einer grünen, den After umschliessenden Haftscheibe. 
Länge bis 12 mm [V, 1, S. 244]. 

Chr. (Melasoma) aenea L. Käfer oben blau, goldgrün, kupferfarbig 
oder schwarz, mit metallischem Schimmer, unten dunkler, schwärzlich grün, in 
der Färbung sehr veränderlich. Von allen verwandten Arten dadurch leicht zu 
unterscheiden, dass die Hinterbrust zwischen den Mittelhüften hoch gerandet ist, 
und dass das an den Seiten stark, in der Mitte feiner punktirte Halsschild an 
den Seiten keine Längseindrücke hat. Flügeldecken etwas gröber punktirt als 
das Halsschild. Mundtbeile schwarz. An den Fühlern ist Glied 1, mit Ausnahme 
der röthlichen Spitze, an seiner Oberseite von der Farbe des Körpers, Glied 2—4 
oder 6 sind röthlich, die Endglieder schwarz. Fussglied 3 nur stark ausgerandet, 
4 an der Spitze der Unterseite jederseits mit einem spitzigen Zähnchen, Länge 
6°5—8'5 mm. 

Lebensweise, Schaden und Abwehr. Galeruca Alni überwintert als 
Käfer und erscheint nach Entwickelung des Erlenlaubes, um sich zu begatten. 
Das befruchtete ® schwillt sehr stark an, so dass die Flügeldecken den Hinter- 
leib nur unvollständig bedecken. Die gelben Eier werden partienweise ab- 
gelegt. Die Larven brauchen zu ihrer Entwickelung etwa 4 Wochen und begeben 
sich dann zur Verpuppung flach in die Erde. Larven und Käfer skeletiren die 
Blätter. Die ganz jungen Lärvchen benagen nur die Oberhaut. Im August und 
September erscheint der junge Käfer, frisst nochmals an den Blättern und begiebt 
sich dann unter das abgefallene Laub zur Ueberwinterung. Die Generation ist 
also einfach, doch findet man nicht selten Eier, Larven und Käfer gleichzeitig, 
weil das ® ziemlich lange Zeit zum Ablegen der Eier braucht. 


608 Kap. IX. Die Käfer. 


Dieses äusserst gemeine Thier ist durch ganz Europa verbreitet und dringt 
in Russland bis nach Transkaukasien und Turkestan [Körren 12, S. 279]. Es 
frisst sowohl auf Alnus glutinosa GäÄrrn., wie auf A. incana Wirrp. und ver- 
schont auch die fremden Erlenarten nicht. Die Larven scheinen ausschliesslich 
auf die Erle angewiesen zu sein, während Rarzegurg [V, I, S. 244] den Käfer 
im ersten Frühjahre auch auf Weiden und Pappeln fressend fand. 

Wo Erlen häufig sind, kann man alljährlich die Verheerungen des Käfers 
sehen, auch ziemlich weit im Norden. So fand ihn z. B. Körren [I2, S. 279] 
1851 und 1855 in derartig kolossaler Menge bei St. Petersburg, und zwar hier 
besonders auf Alnus incana Wırrv., dass kaum ein Blättehen ausgedehnter Erlen- 
gebüsche verschont wurde. “ 

Wenngleich natürlich eine so ausgedelnte Zerstörung der Blätter auch an 
älteren Erlenstämmen und Gebüschen des Zuwachsverlustes wegen unangenehm 
ist, so tritt ein wirklich beachtenswerther Schaden doch nur dort ein, wo in 
Saatbeeten und Saatkämpen junge Pflanzen angegriffen und dann häufig so 
beschädigt werden, dass sie eingehen [Rarzesune V, I, S. 245]. Das jüngste 
Beispiel einer solchen Verheerung berichtet Revierförster Donse aus dem Mecklen- 
burg-Schwerin’schen Forstrevier Kneese; daselbst gingen von stark befressenen, 
stehengebliebenen, zweijährigen Schwarzerlenpflänzchen die Larven im Juli auf 
die Erlensämlinge desselben Jahres über und tödteten sie schnell. Der noch nicht 
befallene Theil der Sämlinge wurde daher durch Stichgräben isolirt und so gerettet, 
dagegen kehrten nun die Larven zu den zweijährigen Pflänzchen zurück, welche 
sie aus Mangel an Laub mit Ausschluss des direkt bis 4—5cm hoch über der 
Erde liegenden Theiles so vollständig von der Rinde entblössten, dass nunmehr 
sämmtliche eingingen. 

Bei sehr starkem Frasse suchen sich die Bäume durch Bildung von Ersatz- 
trieben zu helfen, bringen es aber häufig nur zu Halbtrieben oder einzelnen 
Blättern [Rarzegure XV, II, S. 250, mit Abbildung des letzteren Falles]. 

Als Abwehr hat man bis jetzt immer nur das Abklopfen und Tödten 
der Käfer empfohlen. Vielleicht könnte man aber noch mehr erreichen, wenn 
man unter den Sträuchern und Bäumen die Erde zu der Zeit lockerte, wo die 
Puppe im Boden ruht. Hierbei würden gewiss sehr viele der zarten Thierchen 
zerquetscht werden. 


Als Feind der Rüstern ist hier wohl nur zu nennen 


der Rüstern-Blattkäfer, 
Galeruca xanthomelaena SCHRK., 


ein ungefähr 7 mm langer, gestreckter, gelbbrauner Käfer, der sich 
leicht durch die schwarze Doppelschwiele auf der Stirn, durch eine 
breite, schwarze Längsbinde nahe am Seitenrande der Flügeldecken 
und besonders durch schwarze Unterseite der letzteren unterscheidet. 
Im Süden mehr verbreitet als im Norden, hat er weniger den Forst- 
leuten als den Parkbesitzern durch Ulmenentblätterung Anlass zur 
Klage gegeben. 

Beschreibung. Gal. (Galerucella) xanthomelaena Scure. (Calma- 
viensis FAgr., Orataegi Bacu). Käfer auf der Oberseite gelb oder gelbbraun, nur 
dünn behaart. Kopf kurz, mit schmalen vertieften Wangen. Augen gross. Flügeldecken 
etwas querrunzlig punktirt, mit fast rechtwinkliger Nahtecke; ihr umgeschlagener 
Seitenrand reicht bis zur Spitze. Halsschild an den Seiten wenig, fast gleich- 
mässig gerundet, ziemlich glänzend, etwas stärker als der Kopf punktirt, mit 
breiter, oft nur aus zwei kleinen Eindrücken bestehender Mittellinie und beider- 
seits mit einer flachen, hinten mehr als vorn vertieften Grube. Die Fühlerglieder 
sind an der Oberseite pechbraun oder schwarz, die glänzenden Stirnhöcker, eine 
Längsmakel auf der Stirn, 3 oder 4 kleine Makeln auf dem Halsschild, eine 
kurze Längslinie neben dem Schildehen, eine breite Längsbinde nahe dem Seiten- 


Galeruca Alni. Rüstern- und Schneeball-Blattkäfer. 609 


rande der Flügeldecken, Unterseite der letzteren, Hinterbrust und theilweise der 
Bauch schwarz. Beine gelbbraun. Länge 6—8 mm. 

Larve nach dem gewöhnlichen Chrysomeliden-Typus gebaut. Sie ist bis zur 
zweiten Häutung schwarzbraun und bekommt nach dieser zwei gelbe Längs- 
striche auf dem Rücken und einen breiteren an jeder Seite. Vorderbrust mit einem 
doppelten Chitinschilde. Die beiden anderen Brustringe, sowie die Hinterleibs- 
ringe mit drei Längsreihen querer Chitinschildchen, welche auf jedem Ringe wieder 
zwei Querreihen bilden, zu denen seitlich noch Haarwärzchen hinzutreten 
[Hreger 9]. 

Lebensweise, Schaden und Abwehr. Dieser, sowohl auf Ulmus 
campestris L., wie auf U. effusa Wırrn. lebende Käfer ist in Nord- und Mittel- 
deutschland selten, kommt dagegen weiter südlich bis Transkaukasien und 
Turkestan [Körren 12, S. 278] sehr häufig vor und wird hier durch Entblätterung 
namhaft schädlich. Das Weibchen belegt die Unterseite der Blätter, welche es 
zugleich durchlöchert, im Frühjahr mit Eiern, und bald betheiligen sich auch 
die ausschlüpfenden Larven, welche nur die Epidermis der Blattoberseite stehen 
lassen, an dem Frass, der so stark werden kann, dass kein Blatt unversehrt 
bleibt. Die Verpuppung geschieht in der Erde. Die Anzahl der Generationen 
soll nach HEEGER in einem Jahre bis auf 4 steigen können. Ob Puppe oder 
Käfer überwintert, ist noch nicht feststehend. Grössere Frässe, aber wohl immer 
nur in Parkanlagen, nicht in Beständen, werden erwähnt bei Wien durch Leıx- 
WEBER [XVIlI, S. 535], Heeger [9] und NörpLıinger [XXIV, S. 44], von Davarı 
[4] bei Genf, von NÖRDLINGER [XXIV, S. 44] im Rhonedelta und von JAKOWLEW 
bei Astrachan [I2, S. 278]. Da namentlich grössere Parkbäume befallen werden, 
dürfte als Abwehr irgend welches Abklopfen oder Sammeln der Käfer unaus- 
führbar sein. Dagegen ist der bei Genf nach Davaur gemachte und gelungene 
Versuch, den zur Verpuppung in den Boden gehenden Larven einen 20 cenmı 
breiten, auf dem Boden um den Baum herum gelegten Ring von frischem Moose 
als bequemen ersten Schlupfwinkel darzubieten, und sie dann mit diesem zusammen 
zu verbrennen, beachtenswerth. Indessen ist zu bemerken, dass einmal diese 
Vorkehrung bei mehrfacher Generation auch mehrmals im Jahre — Davarı 
selbst nimmt nur eine einjährige Generation an und verlegt den Abstieg in den 
August — wiederholt werden müsste, und dass die richtigen Zeitpunkte dann 
schwer zu treffen wären, andererseits doch wohl auch nur die wenigsten Larven, 
wie DAvALr annimmt, wirklich am Stamm herunterkriechen, die meisten sich 
einfach herabfallen lassen dürften. Diese letztere Vermuthung spricht auch gegen 
das von demselben Autor vorgeschlagene Abfangen der herabsteigenden Larven 
an einer Art complieirten Theerringes, dessen Herstellung er genau beschreibt, 
der aber in der Praxis noch kaum versucht sein dürfte. 


Beiläufig sei hier noch wegen seiner, von derjenigen der übrigen Blatt- 
käfer abweichenden Art der Eierablage erwähnt 


der Schneeball-Blattkäfer, 


Galeruca (Galerucella) Viburni Payk., 


ein: der eben genauer beschriebenen Gal. xanthomelaena Scark. ähnlicher, 
brauner Käfer, der sich von dieser Art durch den grossen Kopf, den Mangel 
der schwarzen Doppelschwiele auf der Stirn, die Abwesenheit der dunklen Längs- 
binde auf den Flügeldecken und deren dichte gelbe Behaarung leicht unter- 
scheiden lässt. Er lebt häufig auf Viburnum Opulus L., V. Lantana L. und im 
Süden wohl auch auf dem immergrünen V. Tinus L., wird in den Gärten mit- 
unter durch seinen Kahlfrass, in Folge dessen nach Körpern [I2, S. 279] sogar 
die jungen Triebe vertrocknen können, auffällig, ist aber forstlich nicht beachtens- 
werth. Er legt seine Eier im Herbst zu 4—12 Stück in eigens dazu an den 
jungen Trieben bis auf das Mark genagte und mit Nagespänen verklebte Löcher, 
wo sie überwintern, Es sind bis vierundzwanzig solche Löcher in einer Reihe 
beobachtet worden. Diese zuerst von Harrıc in seinem Conversationslexikon, 
S. 333 beschriebene Eigenthümlichkeit wurde erst neuerdings wieder durch 


610 Kap. IX. Die Käfer. 


Kıwaıı [vgl. Körren 12, S. 279] bestätigt und verdient deshalb Beachtung, weil 
sie doch vielleicht auch noch bei anderen Verwandten vorkommen könnte. 


Kiefern beschädigende Blattkäfer giebt es nur sehr wenige, 
und ihre Bedeutung ist eine untergeordnete. Es sind dies 


der schwarzbraune und der gelbe Kiefern-Blattkäfer, 


Galeruca pinicola Durrt. und Cryptocephalus Pini L., 


Ersterer ist ein ungefähr 3 mm langer, etwas abgeplatteter, 
pechbrauner Käfer mit meist gelbem Halsschilde; letzterer dagegen mehr 
walzenförmig, lehmgelb und bis 4mm lang. Beide befressen als 
Käfer Rinde und Nadeln der jungen Kieferntriebe und können bei 
stärkerer Vermehrung dadurch merklicb schädlich werden. Ab- 
wehrmassregeln sind gegen sie umsoweniger anwendbar, als man 
bis jetzt ihr Larvenleben noch kaum kennt. 


Beschreibung. Gal. (Luperus Georr.) pinicola Durr. Küfer gestreckt, 
wenig gewölbt. Kopf mit Ausnahme der gelben Kiefer und Wangen, Flügel- 
decken, Brust und Bauch schwarz oder pechschwarz. Halsschild etwa doppelt 
so breit als lang, mit gerundeten Seiten und Ecken, glänzend, äusserst fein, 
nur bei starker Vergrösserung sichtbar punktirt, rothgelb, bisweilen braun 
gefleckt oder ganz pechschwarz. Flügeldecken etwas deutlicher punktirt als das 
Halsschild. Fühler braun, die ersten vier Glieder gelb, Glied 3 und 2 gleich- 
lang. Schenkel mit Ausnahme der röthlichgelben Spitze braun, Schienen und 
Füsse röthlichgelb. Erstes Glied der Hinterfüsse so lang wie die folgenden zu- 
sammen. Länge 3 mm. 

Larve bis jetzt noch unbekannt. 

Cryptocephalus Pini L. (Abietis Surrr.). Küfer glänzend lehmgelb, die 
Schulterbeule und ein verwaschener Längsstreifen auf den Flügeldecken bis- 
weilen dunkler. Halsschild dicht punktirt, rothbraun. Flügeldecken verworren, 
weniger dicht, aber gröber punktirt als das Halsschild. Schildchen liegt mit den 
Flügeldeeken in einer Ebene. Beine kurz und kräftig, Schenkel dick, Schienen 
zusammengedrückt, gegen die Spitze stark erweitert, namentlich die vorderen 
des g. Fussglieder kurz und breit. Unterseite mit Ausnahme der stets roth- 
selben Beine meist etwas dunkler, gelbbraun, bisweilen sogar schwärzlich. Letzter 
Bauchring des @ mit einer tiefen, runden Grube. Länge 3:5—4 mm. 

Larve in einem aus ihren Exkrementen verfertigten Sacke lebend und 
von denen der übrigen Cryptocephalen (vgl. S. 592) nicht wesentlich unterschieden. 


Lebensweise. Der schwarzbraune Kiefernblattkäfer wurde 
1832 durch TuıerscH [I9a und 195, S. 27] in die Forstinsektenkunde eingeführt 
und auf die Angaben dieses Forschers hin von Rarzesura |V, 1, 8. 245] er- 
wähnt. Er hatte nämlich auf dem königlich Sächsischen Staatsforstrevier Auers- 
berg im Erzgebirge an einer beiläufig 650m über ”dem Meere gelegenen, 
10jährigen Kiefernsaat im Frühjahre die Rinde der Maitriebe und späterhin die 
Nadeln benagt. Indessen scheint das angeblich durch ihn veranlasste Absterben 
von vielen hundert Zweigen, theils Gipfeln, theils Seitenästen, sowie die massen- 
hafte Bildung von Scheidentrieben nicht allein auf seine Rechnung zu kommen. 
Es ist dieser Schaden nach Turerscu nämlich nicht blos in Folge äusser- 
lichen Frasses, sondern auch des Brutgeschäftes eingetreten, bei welchem an- 
geblich das Weibehen die Knospen mit Eiern belegen, die Larve unter dem 
Schutze des austretenden Harzes die Knospen ausfressen und sich hier auch ver- 
puppen soll. Es liegt nun hier — obgleich eine ähnliche Unterbringung der Eier 
im Inneren von Holzpflanzen sicher bei Galeruca Viburni PAyk. (vgl. S. 609) 
nachgewiesen ist — wahrscheinlich eine Verwechslung mit dem Schaden von 
Kleinschmetterlingslarven, vielleicht von Wicklerraupen, wie schon RATZEBURG 


Kiefern beschädigende Blattkäfer. 611 


hervorhebt, oder mit dem von Anthonomus varians Park. (vgl. S. 400) vor. 
Wenigstens ist eine Bestätigung dieser Angaben bis jetzt ausgeblieben, wie denn 
überhaupt neuere Beobachtungen über sein Larveuleben völlig fehlen. 


Alle späteren Mittheilungen beziehen sich auf den Käferfrass,. Die stärkste 
Beschädigung berichtet Oberförster vox Pannewırz [15] 1850 aus dem königlich 
Preussischen Staatsforstrevier Hoyerswerda, Regierungsbezirk Liegnitz, wo der 
Käfer in Masse auf einer allerdings nicht zusammenhängenden Fläche von etwa 
150 ha in 10-—20jährigen Kiefernschonungen Bast und Nadeln der Maitriebe 
so stark befrass, dass diese roth wurden und die am meisten befallenen Pflanzen 
eingingen. Im August waren die Käfer plötzlich verschwunden. An dem Frasse 
betheiligte sich später auch Brachyderes incanus L. (vgl. S. 406). Ende der 
Sechzigerjahre beobachtete dann JupeıcH [Xl, S. 51] einen grösseren Frass aut 
dem königlich Sächsischen Staatsforstrevier Höckendorf bei Tharand, ferner 
Ersas [7] 1850 auf der gräflich Dohna-Schlodien’schen Herrschaft Kotzenau, 
Regierungsbezirk Liegnitz. Letztere Beschädigung, über welche auch Arzum [le] 
berichtet, fand in 12—17jährigen Kiefernsaaten auf Boden vierter Classe statt, 
und es wurden hierbei auf zusammenhängenden Flächen von !/,—1 ha Grösse 
die noch nicht verholzten Maitriebe au Rinde und Nadeln geschädigt. Die Nadeln 
waren meist nur in der oberen Hälfte abgestorben. Die besserwüchsigen Kiefern 
auf ehemaligen Meilerstellen blieben verschont. Der Käfer fiel bei der geringsten 
Berührung der Triebe zu Boden. Auch Aus der neueren Zeit ist uns mehrfaches 
Auftreten des Käfers in Sachsen bekannt, so z. B. 1886 in einem Priva'forste zu 
Bischheim. 


Dass der Käfer sich nicht auf die gemeine Kiefer beschränkt, geht aus 
einer Mittheilung von NÖRDLINGER [XXIV, S. 44] hervor, der ihn im Juni 1859 
den handlangen Schossen der Weymouthskiefer durchBenagen des Schosses wie 
der Nadeln stark zusetzend fand. Die Schosse hatten durch Harzaustritt gelitten, 
die Nadeln sich geröthet, als ob Feuer darüber gegangen wäre, 


Der gelbe Kiefernblattkäfer ist als Forstschädling genauer vor- 
nehmlich an der Seekiefer in den südfranzösischen Landes durch Perrıs [16] - 
beobachtet worden. Hier treten die Käfer im Oetober und November in 6— 15jäh- 
rigen Kiefernbeständen auf, und zwar am liebsten in sonnigen, lückigen, schlecht- 
wüchsigen Schonungen und an Randbäumen. Bei der geringsten Berührung 
lassen sich die Käfer sofort herabfallen. Sie begatten sich zu der ge- 
nannten Zeit, und in der Gefangenschaft legen die Weibchen dann auch ihre 
Eier ab. Diese Zeitangabe stimmt gut mit derjenigen von RosExHAuer [I8, S. 31], 
dass in Bayern die Eiablage im September erfolge. 


Der Frass betrifft fast ausschliesslich die Unterseite der Nadeln, an welcher 
durch den Käfer eine oder zwei lange Rinnen ausgefressen werden. Sind alle 
Nadeln eines Stämmchens in dieser Weise angegriffen, so sehen die Pflanzen mit- 
unter bös aus. Prrrıs kennt jedoch kein Beispiel, dass sie eingegangen wären. 
Auch in Tirol hat NörnLinger [XXIV, S. 43] den Käfer auf Kiefern gefunden. 
Obgleich ihn schon Becastem [I!, 1, S. 146] erwähnt, wird aus Deutschland doch 
nur einmal über einen durch den Käfer verursachten Schaden berichtet, und 
zwar von Oberförster v. Pansewisz [15]. Als nämlich bei dem obenerwähnten 
Frasse von Galeruca pinicola Durt. zu Hoyerswerda dieser Käfer im August 
verschwunden war, trat im September Cryptocephalus Pini L. auf und setzte 
die Beschädigung fort. Er nagte „an den äussersten Spitzen im und am Quirl 
der Kiefern, veranlasste das Rothwerden der Spitzen und das Abfallen der 
Nadeln an diesen Stellen, sowie endlich eine bedeutende Harzau-schwitzung 
an den Knospen der Maitriebe”. 5-—20jährige Kiefern auf allen Bodenarten 
wurden angegangen. Auch hier fand die Begattung Anfangs September statt. 


Ueber den Ort der Eierablage weiss v. PAnnewıtz ebensowenig etwas zu 
berichten, wie Prrrıs und ROosENHAUER, uud von den Larven ist nur durch 
letzteren bekannt, dassderen Kopf unddas Chitinschild auf der Vorderbrust dunkel- 
braun und glatt sind und dass die Säcke, in denen sie leben (vgl. S. 592), 
ziemlich regelmässige Längsrippen zeigen. Ueber ihre Lebensweise im Freien 


612 Kap. 1X. Die Käfer. 


fehlen aber alle Angaben, und nur nach Analogie kann man schliessen, dass 
auch bei ihnen die Generation wahrscheinlich zweijährig ist [17, S. 12 und 13]. 

In Betreff der etwa wünschenswerthen Abwehr sind keine positiven 
Angaben möglich, dagegen ist darauf hinzuweisen, dass bei der grossen Furcht- 
samkeit beider Kiefern-Blattkäfer ein Abklopfen und Sammeln derselben un- 
thunlich erscheint. 


Anmerkung über den Coloradokäfer. Wenn wir hier 
diesem neuerdings so gefürchteten Kartoffelfeinde einige Seiten 
widmen, trotzdem er in keiner Weise zu den forstschädlichen Insekten 
gezählt werden kann, so geschieht dies schon deshalb, weil dort, wo 
es sich in Deutschland um seine Bekämpfung handelte, Forstleute 
als Leiter der Vernichtungsarbeiten mit grossem Erfolge zugezogen 
wurden. Wichtiger ist uns aber der Umstand, dass es uns hierbei 
möglich wird, in kurzen Zügen ein Beispiel zu geben, wie der Staat 
zu verfahren hat, wenn es sich darum handelt, dem ersten Ein- 
dringen eines ausländischen Schädlings ohne Rücksicht auf die 
Kosten so kräftig zu begegnen, dass seine Einbürgerung vermieden 
und einer ernstlichen Schädigung wirklich vorgebeugt wird. Trotzdem 
nämlich die nachweisslich in neuerer Zeit bei uns eingeschleppten, 
schädlichen Insekten im Wesentlichen nur Feinde der Landwirthschaft 
waren, so liegt doch kein Grund vor, warum Europa nicht auch 
einmal von der Einschleppung eines fremden Forstschädlings bedroht 
werden könnte. In diesem Falle müsste nach denselben Grundsätzen 
verfahren werden, welche die Deutschen Regierungen bei der Bekämpfung 
des Coloradokäfers mit Erfolg zur Geltung gebracht haben. 


Der Coloradokäfer, Chrysomela (Doryphora, Leptinotarsa) decem- 
lineata Say., ist ein in seiner Körpergestalt der bekannten Chr. Populi L. un- 
gemein ähnlicher Käfer von elfenbeingelber, strohgelber oder orangeröthlicher 
Grundfarbe mit schwarzen Zeichnungen. Die schwarze Färbung tritt besonders 
stark hervor in der Endhälfte der Fühler, einer zweitheiligen, häufig V-förmigen 
Längszeichnung in der Mitte des Halsschildes, je 5—6 kleineren Zeichnungen 
zu beiden Seiten der letzteren und zehn deutlichen, ungefähr durch ebenso 
breite, gelbe Zwischenräume getrennten, nach hinten spitz zulaufenden Längs- 
streifen auf den Flügeldecken. Die Kniee derBeine, sowie einige grössere Flecke 
auf der Unterseite der Brust, und zahlreiche kleinere auf den Bauchringen sind 
gleichfalls schwarz. Länge 9—11 mm. 

Die Puppe ist einfach gelbröthlich mit schwärzlichem Dorn am letzten 
Leibesringe. Länge 9—10 mm. 

Die Larve ist nach dem Chrysomeliden-Typus gebaut, mit deutlich ab- 
gesetztem Kopfe, allmählich an Breite zunehmenden Brustringen mit kräftigen 
Beinen und einem hochgewölbten, nach hinten wieder zugespitzten, neungliedrigen 
Hinterleibe. Ihre Grundfarbe ist in der Jugend ein dunkleres, im Alter ein 
helleres, mennigartiges Roth, von dem sich die stärker chitinisirten Theile als 
schwarze Zeichnungen scharf absetzen. Schwarz sind der Kopf, die einzelnen 
Beinglieder, auf der hinteren Hälfte der Vorderbrust ein queres, in der Mitte 
getheiltes Schild, jederseits an der Mittel- und Hinterbrust über der Einlenkung 
der Beine, sowie auf den sieben ersten Hinterleibsringen je zwei, an jeder Seite 
zwei übereinanderstehende Längsreihen bildende, flache Warzen, von denen 
die obere die grössere ist, auf der Oberseite des achten und neunten Hinter- 
leibsringes ein kleines queres Schild. Neben dem After USE ein Nach- 
schieber. Länge bis 12 mm. 


Anmerkung über den Coloradokäfer. 613 


Eine Verwechselung dieser Larve mit irgend einer einheimischen, auf 
dem Kartoffelkraute lebenden Larve ist völlig unmöglich, dagegen sind er- 
fahrungsgemäss die ungemein zahlreichen falschen Gerüchte über ein Auftreten 
des Coloradokäfers in Deutschland dadurch hervorgebracht worden, dass man 
die auf dem Kartoffelkraute um die Mitte des Sommers sehr häufig vorkommenden, 
ebenfalls rothgelb und schwarz gezeichneten Puppen des siebenpunktigen 
Marienkäferchens oder Herrgottsschäfehens, Coccinella septempunctata L., für 
die Larve des Coloradokäfers gehalten hat. Indessen ist eine Verwechselung 
für den nur einigermassen in der Entomologie Bewanderten leicht zu vermeiden, 
da es sich hierbei um eine mit dem Hinterende an dem Kartoffelblatte sitzende 
wirkliche Puppe handelt. Die allerdings in der Form eine gewisse Aehnlichkeit 
mit einer Chrysomelidenlarve zeigende, auf dem Kartoffelkraute von Blattläusen 
lebende, also nicht schädliche, sondern nützliche Marienkäferchenlarve kann für 
einen aufmerksamen Beobachter gar nicht in Betracht komınen, da sie schiefer- 
grau ist mit drei Paaren vereinzelt stehender korallenrother Rückenflecke. 

Die Eier des Coloradokäfers haben die Gestalt eines Langbleies und sind 
dottergelb. 


Lebensweise. Die Käfer überwintern entweder in der Erde in ihrem 
Puppenlager oder in der Bodendecke. Das begattete Weibehen belegt im Früh- 
jahr die Unterseite der jungen Kartoffelblätter mit Packeten von 15—80 Stück 
aufreeht -und dicht gedrängt nebeneinander stehender Eier und vertheilt diese 
Packete, von dem ersten Orte der Eierablage geradlinig fortschreitend, auf eine 
ganze Anzahl verschiedener Kartoffelpflanzen. Im Ganzen soll ein Weibchen 
500 -1000 Eier ablegen können. Käfer sowohl wie ausschlüpfende Larven zer- 
fressen das Kartoffelkraut. Die erwachsene Larve begiebt sich in die Acker- 
krume, wo sie in einer Tiefe von 4—15 cm sich in einer kleinen Erdhöhle ver- 
puppt und in den Käfer verwandelt. Der Eizustand dauert ungefähr 8, der 
Larvenzustand 20, die Puppenruhe 16 und das Käferleben bis zur neuen Eiab- 
lage 14 Tage; es nimmt also rund gerechnet die einfache Generation 8—9 
Wochen in Anspruch. In Amerika tritt erfahrungsgemäss regelmässig alljährlich eine 
dreifache Generation ein, wobei die Käfer der letzten den Boden gewöhnlich nicht 
mehr verlassen. Bei der etwas kürzeren Vegetationsperiode der Kartoffeln in 
unseren Gegenden dürfte trotzdem mitSicherheit immer auf eine doppelte Generation 
zu rechnen sein. 


Der Schaden des Coloradokäfers besteht in einer, und zwar bei wieder- 
holtem Frasse oft vollständigen Zerstörung des Kartoffelkrautes. Die häufig in 
Folge des Frasses auftretende völlige Missernte wird also nicht etwa, wie man 
im Publikum fälschlieh oft aunimmt, durch .ein Zerfressen der Kartoffelknollen, 
sondern dadurch hervorgebracht, dass die ihrer Assimilationsorgane beraubte 
Kartoffelstaude ihre Knollen nicht ausbilden kann. Der Schaden ist ein so 
sehr beträchtlicher, weil die Vermehrung des Käfers bei den mehrfachen Ge- 
nerationen innerhalb eines Sommers unter der Einwirkung günstiger Verhältnisse 
eine geradezu kolossale ist, denn ein Weibchen, das im Frühjahre z. B. 700 Eier 
ablegte, kann in der zweiten Generation schon über 200000, in der dritten 
schon über 80 Millionen Nachkommen haben. 


Heimat und Verbreitung. Der Coloradokäfer, der seinen Namen 
von dem amerikanischen Staate Colorado trägt, ist daselbst und überhaupt in 
dem Gebiete des Felsengebirges einheimisch, wo er auf einer unserer Kartoffel 
verwandten Nachtschatten-Art lebt. Als sein Wohngebiet besiedelt und daselbst 
der Kartoffelbau eingeführt wurde, ging er plötzlich auf die Kartoffelstaude über 
und rückte nun allmählich den Kartoffelfeldern ostwärts nachgehend seit 1859 
bis an die Küsten des Atlantischen Oceans vor, die er 1874 erreichte, legte also 
in 15 Jahren einen Weg von etwa 3000 km zurück und beherrscht zur Zeit 
seines ersten Auftretens in Europa im Jahre 1877 in Amerika bereits einen 
Fläehenraum von ungefähr 3850 000 qkm, ja wohl noch mehr, da wie erst 
neuerdings bekannt geworden, bereits in den Siebzigerjahren auch Mexiko von 
ihm infieirt war. Er hatte sieh in den östlichen Staaten der Union, die in regem 
Schifffahrtsverkehr mit Europa stehen, 1876 in soleher Menge an den Küsten 


614 Kap. IX. Die Käfer. 


DS 


eingefunden, dass in den Hafenstädten und den Häfen selbst die Käfer massen- 
haft vorkamen und bei günstigem Winde auf die Schiffe übergingen. 

Einschleppung in Deutschland. Bei so bewandten Umständen und 
bei der Lebenszähigkeit des Käfers war es kein Wunder, dass, trotz der recht- 
zeitig bereits im Jahre 1875 seitens der Europäischen Staaten erlassenen Ein- 
fuhrverbote Amerikanischer Kartoffeln 1876 ein lebender Coloradokäfer in Bremen 
gefunden wurde und alsbald auch die ersten Fälle einer wirklichen Ein- 
bürgerung in Deutschland vorkamen. Diese wurde zuerst im Juni 1877 auf 
einem Kartoffelfelde zuMühlheim am Rhein, also in der unmittelbaren Nähe 
von Köln entdeckt, wo die Käfer und Larven sich auf einem Kartoffelfelde 
von eirca 30—40 a verbreitet hatten. Die sofort und vielleicht etwas übereilt 
eingeleiteten Vertilgungsmassregeln hatten keinen vollen Erfolg, denn bereits 
Ende Juli desselben Jahres wurden in der Nähe der ersten Frassstelle neue 
junge Larven gefunden. Die nunmehr völlig sachgemäss vorgenommene Be- 
kämpfung hat so vollständig durchschlagend gewirkt, dass bis heute an dieser 
Stelle kein neuer Frass vorgekommen ist. 

Der zweite, von diesem ganz unabhängige Frassherd wurde im August des- 
selben Jahres 1877 auf der Flur der südlich von Torgau, in der Nähe der 
Grenze des Königreichs Sachsen gelegenen Stadt Schildau gefunden. Hier 
war die Infeetion eine bedeutend stärkere, da nach und nach in den Feld- 
marken Probsthain, Langenreichenbach und Schildau nicht weniger als 17 in- 
fieirte Felder aufgefunden wurden. Die unter Leitung von Professor Dr. GERST- 
ÄCKER — dessen lichtvoller Darstellung wir bisher im Wesentlichen gefolgt 
sind [8] — und Oberförster Passow vorgenommene Vertilgung hatte trotzdem 
vollständigen Erfolg, da der Feind verschwand. 

Erst zehn Jahre später, also im Juli 1887, trat jn der Nähe von 
Torgau auf der Feldmark Mahlitzsch bei Dommitzsch der Käfer wieder 
auf, eine Erscheinung, die unbedingt auf eine neue Infection zurückzuführen 
ist. Es waren hier — wir folgen nunmehr, so wie bei der folgenden Darstellung 
der Vernichtungsmassregeln den amtlichen, von dem königl. Sächs. Ministerium 
des Innern uns gütigst zur Benutzung überlassenen Schriftstücken — im ganzen 
4 ha infieirt. 

Die letzte bekannt gewordene Infeetion wurde im August desselben 
Jahres 1887 auf der Feldmark Lohe bei Meppen in Ostfriesland gefunden, wo 
eirca 49 a sich als infieirt erwiesen. Aber auch in diesen neuesten Fällen ist die 
gegründete Hoffnung vorhanden, dass die Gefahr als beseitigt anzusehen ist. 

Im übrigen Europa ist eine Einschleppung des Coloradokäfers nicht 
bekannt geworden. 

Abwehr. Die klare Erkenntniss, dass die dauernde Einbürgerung eines 
so gefälrrlichen Kartoffelfeindes für die weit mehr als die Bewohner der Ver- 
einigten Staaten von Nord-Amerika an Kartoffelnahrung gewöhnte und vielfach 
lediglich auf dieselbe angewiesene Bevölkerung Deutschlands einer der schwersten 
überhaupt denkbaren Unglücksfälle sein würde, veranlasste die königlich 
Preussische Regierung, sofort mit aller Energie gegen den Feind aufzutreten und 
die Vertilgung von amtswegen zu veranlassen, ohne Rücksicht auf die Kosten, 
welche bei dem eingeschlagenen, radiealen Verfahren so hoch sind, dass der 
einzelne Feldbesitzer dieselben zu tragen gar nicht im Stande wäre. Die Re- 
gierung entschädigte vielmehr die Feldbesitzer für den durch die Vernichtungs- 
arbeiten auf ihrem Felde entstandenen Ernteausfall. Die Schwierigkeit der 
Vertilgung beruht wesentlich auf dem Umstande, dass die Larve zur Ver- 
puppung tief in den Boden geht und auch der ausschlüpfende Käfer länger 
in demselben verweilen kann. 

Das Vertilgungsverfahren, welches bei der Mühlheimer Infection 
angewendet wurde, bestand bei der zweiten, völlig gelungenen Bekämpfung darin, 
dass man nach sorgfältiger Constatirung der Ausdehnung der Infeetion durch 
genaues und wiederholtes Absuchen der ersten Fundstelle und ihrer weiteren _ 
Umgebung die der Vernichtung preisgegebene Fläche Kartoffellandes zur Ver- 
hinderung” des Entweichens von Käfer und Larven mit einem 50 cm tiefen und 
40 cm breiten Graben umgab, Sohle und Wände des Grabens mit Rohbenzol 


Anmerkung über den Coloradokäfer. Literaturnachweise. 615 


besprengte, das grüne Kraut abschnitt und durch Feuer vernichtete, wobei als 
Brennstoff mit Benzol getränkte Sägespäne dienten, demnächst die abgebrannten 
Flächen sehr sorgfältig umgrub, um etwa vorhandene Puppen aufzufinden und 
zu vernichten, sodann die Ackerkrume des ganzen Feldes mit Benzol tränkte, 
zweimal tief grubberte und schliesslich scharf eineggte. Bei der ersten nicht 
ganz gelungenen Vernichtung war man insofern verschieden verfahren, als man 
als Nüssigen Brennstoff das schlechter brennende und dazu noch theurere Petro- 
leum und zur Desinfeetion des Bodens eine Lauge, aus Pottasche und 
Kalkmilch bereitet, anwendete. Für die Anwendung des Benzols auch zur Desin- 
feetion des Bodens im zweiten Falle war die Rücksicht massgebend, dass die 
Lauge die Puppen nur bei direkter Berührung tödten kann, während das flüchtige 
Benzol in dampftörmigem Zustande die gesammte Bodendecke durchdringt und 
so leichter allen Puppen verderblich wird. Bei Schildau verfuhr man anfänglich 
in gleicher Weise, sah aber später von dem Verbrennen des Kartoffelkrautes 
ab, stampfte dasselbe vielmehr in tiefen Gruben mit Benzol ein und deckte die 
Gruben 70 cm hoch mit Erde. Das Abbrennen der Fläche wurde deshalb, und 
wie uns scheint mit vollem Rechte aufgegeben, weil sich bald herausstellte, dass 
die durch dasselbe erzeugte, einmalige Hitze durchaus nicht tief genug in den 
Boden eindringt, um die in ihm ruhenden Puppen zu vernichten. Auch ist das 
Verfahren ein ungemein gefährliches und in der Nähe bewohnter Gebäude 
schlechterdings nicht anwendbares. Schlägt doch die Flamme von einem mit 
Benzol getränkten Sägespänen bedeckten Feldstücke im Momente des Anzündens 
kirchthurmhoch auf, wie Nırsche bei Schildau beobachtete. 

Bei den Infectionen des Jahres 1887 in Mahlitzsch und Lohe hat man 
denn auch fast vollständig von dem Verbrennen abgesehen, dagegen ein weit 
grösseres Gewicht als früher auf das sorgfältigste, am besten durch geschickte 
Kinder ausgeführte Absuchen des Feldes nach den Schädlingen gelegt. Zur Ver- 
wahrung der gefundenen Käfer, Larven und Eier dienten Fläschehen mit Spiritus. 
Erst als man nach mehrtägigem Absuchen gar keine Schädlinge mehr fand, 
schnitt man die Pflanzen so tief als irgend möglich ab, transportirte sie in mit 
Sackleinwand gefütterten Körben in die Gruben zur Einstampfung mit Benzol 
und übererdete sie schliesslich. Dann schritt man zum Umpflügen des Feldes mit 
gleichzeitiger Absuchung der hierbei zu Tage geförderten Larven und Puppen, 
und erst wenn nach wiederholtem Durchsuchen des mehrfach neu übereggten 
Feldes keine Schädlinge mehr gefunden wurden, begann die Begiessung der 
Ackerkrume mit Benzol, und zwar wurden auf je 40 qm 700 kg verwendet. Es 
hat sich übrigens ergeben, dass die verwendeten Benzolsorten einander nicht 
gleichwerthig waren und die dunkelbraunen, Naphthalinkrystalle enthaltenden, mit 
höherem Siedepunkte sich als brauchbarer erwiesen als andere. Die infieirt 
gewesenen Flächen unterstehen auch nach Zerstörung der Kartoffelstauden 
längere Zeit einer sachverständigen Aufsicht. 

Von den Verwaltungsbehörden sind ferner strenge Verordnungen erlassen, 
welche Jedermann bei Strafe verpflichten, die Auffindung von Coloradokäfern 
sofort an Amtsstelle anzuzeigen, und die sofortige Einleitung einer sachver- 
ständigen Untersuchung der Meldung und eventueller Bekämpfung regeln. 

Diese Massregeln stechen gewaltig von den in Amerika gegen den Käfer 
gebräuchlichen ab, welche sich auf ein Behandeln der infieirten Kartoffelpflanzen 
mit arsenikhaltigen Verbindungen, nämlich mit „Paris green” oder „London 
purple” beschränken. Sicher zu ergründen, welehe Verbindungen mit diesen 
Namen gemeint werden, war uns nicht möglich, dagegen ist es in hohem Grade 
wahrscheinlich, dass unter dem Namen „Paris green” das bekannte „Schwein- 
furter Grün”, d, h. arsenig-essigsaures Kupferoxyd gemeint ist. 

Diese Stoffe werden entweder im Verhältniss von 1:30 mit Gyps gemischt 
auf die bethauten Pfanzen gestreut oder in Wasser vertheilt mit Pinsel oder 
Giesskanne auf dieselben gebracht. Eine durchschlagende Wirkung haben sie nicht. 


Literaturnachweise zu dem Abschnitte „Die Blattkäfer”. 
I. ArLrum. a) Der Eichenerdfloh Haltica erucae Ol. Zeitschrift f. 
Forst- u. Jagdwesen IX, 1878, S. 24—27. b) Die den Weiden- 


616 Kap. IX. Die Käfer. 


hegern schädlichen Insekten. Daselbst XI, 1879, S. 17-22. 
c) Lebensweise der Chrysomela (Phratora) vitellinae und Gegenmittel 
gegen dieselbe. Daselbst XII, 1880, S. 217—219. d) Ueber Weiden- 
insekten, besonders Chrysomela vitellinae L. Daselbst XII, 1880, 
5. 482—85. e) Chrysomela (Luperus) pinicola Duftschm. Daselbst 
XII, 1880, 8. 639.. f) Neue Winterverstecke der Chrysomela 
vitellinae. Daselbst XIII, 1881, S. 274—76. g) Neue Erfahrungen 
über schädliche Weideninsekten. Daselbst XIV, 1882, S. 605—610. 
h) Chrysomela vitellinae L. und vulgatissima I. Daselbst XVII, 
1885, 8. 187 u. 188. — 2. Onapurs er Oanpize. Catalogue des 
larves des Col&opteres. — 3. Corxerivs. Ernährung und Entwicke- 
lung einiger Blattkäfer. Stettiner Entomolog. Zeitung XVIII, 1857, 


S. 162—171 u. 392—405. — 4. Davarı, A. Schädliches Insekt 
auf der Ulme. Schweizer. Zeitschrift f. d. Forstwesen 1878, 
S. 181—183. — 5. DocnnAau sen, F. J. Die Band- und Flecht- 
weiden und ihre Kultur. 8, Frankfurt a. M. 1881. — 6. Donse. 


Schaden durch Chrysomela alni. Allg. Forst- u. Jagdzeitung LXI, 
1885, 8. 179. — 7. Ersas über Luperus pinicola. Jahrbuch des 
Schlesisehen Forstvereins 1880, S. 41 u. 42. — 8. GERSTÄCKER, A. 
Der Coloradokäfer (Doryphora decemlineata) und sein Auftreten 
in Deutschland. 8. mit 1 Tafel u. einer Karte. Kassel 1877. — 
9. Herser. Beiträge zur Naturgeschichte der Insekten. Fortsetz. 17. 
Sitzungsberichte der Wiener Akademie; mathemat.-naturw. Classe 
CLXXIX, 1858, S. 100-120, mit 6 Tfin. — 10. K. (Kerıxer). 
Ein den Waldungen schädlicher Käfer. Allgemeine Forst- und 
Jagdzeitung V, 1829, 8. 247. — Il. KLinGEeLHörrer. Ueber die 
ersten Zustände der Lina populi und tremulae Fabr. Stettiner ento- 
molog. Zeitung IV, 1843, 8. 85 u. 86. — 12. Körren, Fr. Th. 
Die schädlichen Insekten Russlands, 8. Petersburg 1880. — 
13. Krane, J. A. Lehrbuch der rationellen Korbweideneultur. 8. 
4. Aufl, Aachen 1886. — 14. Lerzuer, K. Stände der Chrysomeln 
(Phratora) vitellinae L. und der Chrysomela (Gonioctena) viminalis 
Gyl. Jahresbericht d. Schles. Gesellschaft f. Vaterl. Cultur 1855, 


S. 106—111 u. 1856. 8. 106. — 15. v. Pannewırz. Ueber Chryso- 
mela pini (pinicola u. Trichius octopunctatus). Verhandl. d. Schles. 
Forstvereins. 1852, S. 165—167. — 16. Perrıs, E. Histoire des 
Insektes du Pin maritime. Annales de la soeciet&E entomolog. de 
France 3itme ser, V, 1857, 8. 341—343. — 17. Rarzesurg. Forst- 
lich-naturbistorische Bemerkungen u. s. f. im Herbste 1832. Pfeil’s 
kritische Blätter VII, Heft 1, 1833, 8. 68—93. — |8. RosENHAUER. 


Ueber die Entwickelung und Fortpflanzung der Clythren und 
Cryptocephalen. 8. mit 1 TA., Erlangen 1852. — 19. Tuıersch, E. 
a) Wieder ein schädliches Forstinsekt mehr in unseren deutschen Ge- 
birgsforsten. Allgemeine Forst- und Jagdzeitung, V, 1829, S. 246. b) Die 
Forstkäfer ete. 4. mit 2 Kupfertafeln, Stuttgart u. Tübingen, 1830. — 
20. Weise, J. Chrysomelidae. Naturgeschichte der Insekten Deutschlands 
von W. F. Eriehson u. Genossen VI, Heft 1—5, 1832 —188S. 


Nachtrag. 


Auf 8. 347 haben wir bemerkt, dass aus der gesammten Gruppe 
der Heteromera nur die Familie der Meloidae eine forstliche Bedeutung 
habe. Seit der Abfassung dieses Abschnittes stellte es sich aber heraus, 
dass auch einige Verwandte unseres gemeinen Mehlkäfers, des Tenebrio 
molitor L., in sandigen Kieferngegenden unter Umständen forstschädlich 
werden können, sowie dass in der Literatur eine im Allgemeinen sehr 
seltene Art aus einer anderen Heteromeren-Familie, aus derjenigen 
der Melandryidae, von mehreren Seiten als forstlich beachtenswerth in 
Anspruch genommen wird. Wir hatten dies leider anfänglich übersehen 
und tragen es nun im Verein mit den neuen Erfahrungen an dieser 
Stelle nach. 


Die Familie der Tenebrionidae ist äusserst gattungs- 
und artenreich und umfasst sehr verschieden gestaltete, meist düster 
gefärbte Käfer von plumpem Ansehen, welche von den verschiedensten 
Substanzen leben und ein verborgenes Dasein führen. Ihre Larven 
ähneln meist den gewöhnlichen Mehlwürmern. Wenngleich die Mehr- 
zahl der Arten den Mittelmeergegenden angehört, sind sie doch 
auch in unserer Deutschen Fauna noch gut vertreten. Die Gruppe 
wird in viele Unterfamilien getheilt, unter denen wir hier nur die- 
jenige der Pedinini und der Opatrini zu erwähnen haben. 

Beschreibung. Die Tenebrionidae im Allgemeinen haben folgende 
Kennzeichen. Käfer von selır verschiedener Grösse, mit 11-, seltener 10glied- 
rigen Fühlern, welche unter dem mehr oder weniger aufgeworfenen Seitenrande 
des Kopfes eingefügt sind. Halsschild meist mit deutlichem, scharfem Seiten- 
rande. Augen sehr häufig gross, ausgerandet oder durch die Kopfleiste ganz in 
zwei Theile getheilt. Die Hüften stossen nicht aneinander; die vorderen sind 
kugelig oder etwas quer, niemals kegelförmig vorragend, ihre Gelenkhöhlen 
nach hinten geschlossen; Hinterhüften quer. Bauch mit fünf Ringen, von denen 
der vorletzte kürzer als die übrigen. Fussklauen einfach. 

Lehrbuch d. mitteleurop. Forstinsektenkunde, 40 


618 Kap. IX. Die Käfer. 


Die Larven, welche bei oberflächlicher Betrachtung denjenigen der 
Elateriden, also den „Drahtwürmern’” gleichen, sind ziemlich gleichförmig 
gebaut, und zwar wesentlich nach dem Typus der Jedermann bekannten Mehl- 
würmer, der Larven des gemeinsten Vertreters der Tenebrioniden, des Tenebrio 
molitor L. Es sind also langeylindrische, gelbbräunliche Thiere, mit festem 
Chitinskelet, deutlich abgesetztem Kopfe und drei gesonderten Brustringen, welche 
drei gut,entwickelte Beinpaare von mittlerer Länge tragen und sich kaum gegen 
die neun ziemlich gleich gebildeten Hinterleibsringe absetzen. Der letzte Ring, 
welcher meist keselförmig abgestumpft und vielfach mit Haken oder Dornen ver- 
sehen ist, trägt die nach unten vorspringende Afteröffnung und neben ihr jeder- 
seits einen kleinen Nachschieber. Der Kopf, welcher sich durch seine Wölbung 
vor dem abgeplatteten der Elateridenlarven auszeichnet, hat einen geraden 
Vorderrand mit Epistom und gut entwickelter Oberlippe, sowie mässig lange, 
viergliedrige Fühler, die unmittelbar über den Vorderkiefern eingelenkt sind. 
Mittel- und Hinterkiefer sind an ihren Stammtheilen nicht verwachsen, und erstere 
haben nur eine einfache Kaulade. Die Stigmen sind kreisrund. 


Zu beachten haben wir zwei Unterfamilien. Die erste, 

die Unterfamilie der Pedinini ist ausgezeichnet durch auf der Unter- 
seite nur behaarte, nicht stachelige Fussglieder, welche an den Vorderbeinen bei 
den gg erweitert sind. Hinterbrust länger als Mittelbrust. 


In Frage kommt hier nur ein einziges Genus, nämlich die 

Gattung Heliopathes Mus. Käfer: Kopf bis zu den Augen in das 
Halsschild zurückgezogen, diese durch den erweiterten Kopfrand fast ganz 
getheilt. Fühler äusserst wenig gegen die Spitze verdickt, Vorderschienen nach 
vorn stark erweitert, schief abgestutzt, nicht gezähnelt. Fortsatz des ersten 
Bauchringes zwischen den Hinterhüften breit, sehr stumpf abgerundet, fast ge- 
rade abgestutzt. Halsschild nach hinten etwas verengt, mit fast geradem Hinter- 
rand. Der umgeschlagene Seitenrand der Flügeldecken reicht bis zur Spitze. Die 
Schulterecken ragen nicht oder nur wenig vor. Zahlreiche Arten in Südeuropa. 


Die Unterfamilie der Opatrini umfasst ziemlich abgeplattete, dunkle 
Käferformen von gedrungenem, ovalem Umriss, mit typischen Grabbeinen, bei 
denen die Fussglieder der Vorderbeine bei Jg und 22 gleichgebildet sind, 
Der Fortsatz des ersten Bauchringes ist zwischen den Hinterhüften recht- 
winklig oder an der Spitze stumpf abgerundet. Wir fassen die wenigen zu ihr 
gehörigen Formen in die 

Gattung Opatrum zusammen und betrachten die kleineren Gattungen 
als Untergattungen. 


Untergattung Opatrum Far. im engeren Sinne. Käfer: Kopf bis zu 
den Augen in das Halsschild zurückgezogen, Augen durch den erweiterten Kopf- 
rand fast ganz getheilt. Fühler nur allmählich und wenig gegen die Spitze- ver- 
diekt. Endglied der Kiefertaster sehr kurz, stark beilförmig. Vorderschienen bis 
zur Spitze allmählich erweitert, hier schief abgestutzt oder nach aussen in einen 
Zahn erweitert, am Aussenrande mehr oder weniger fein gekerbt. Fortsatz des 
ersten Bauchringes zwischen den Hinterhüften breit, an der Spitze abgerundet. 
Halsschild am Hinterrande beiderseits stark ausgebuchtet. Flügeldecken rauh, 
ihr umgeschlagener Seitenrand nicht bis zur Spitze reichend. Zahlreiche Arten, 
namentlich im südlichen Europa. 


Untergattung Mierozoum Reore. Käfer der Untergattung Opatrum 
sehr ähnlich, hauptsächlich durch folgende Kennzeichen unterschieden: Endglied 
der Kiefertaster nicht beilförmig, sondern langeiförmig. Vorderschienen uach vorn 
stark erweitert, am Aussenrande vor der Erweiterung deutlich gezähnelt, Fort- 
satz des ersten Bauchringes zwischen den Hinterhüften viel schmäler, als bei 
Opatrum, stumpf zugespitzt. Halsschild am Hinterrande nur schwach gebuchtet. 
Flügeldecken uneben, ihr umgeschlagener Seitenrand bis zur Spitze reichend. 
Nur eine Europäische Art. 


Die forstlich beachtenswerthen Arten sind folgende: 


Nachtrag. Forstschädliche Tenebrioniden. 619 


Heliopathes gibbus Farr. Käfer schwarz, etwas glänzend, mässig gewölbt. 
Kopf und Halsschild dicht und tief punktirt, letzteres kurz vor den recht- 
winkeligen, scharfen Hinterecken etwas ausgebuchtet. Flügeldeeken undeutlich 
punktirt-gestreift, Zwischenräume etwas erhaben und runzelig punktirt. Hinter- 
sehenkel, Hinter- und Mittelschienen des g innen gelb behaart, Flugflügel 
fehlen, Länge 7°5 bis S’5 mm, 

Larve im Allgemeinen mehlwurmartig gestaltet und gefärbt, mit etwas 
stärker gewölbter Rückenseite. Kopf vorgestreckt, jederseits mit drei deutlichen 
Augenpunkten. Oberlippe mit zwei Borsten. Fusspaar 1 fast dreimal stärker als 
2 und 3, mit starken, sichelförmigen, an der Aussenseite erweiterten Klauen. 
Letzter Hinterleibsring abgerundet und kurz vor seinem Ende an der Oberseite 
mit einer nach hinten convexen Reihe von S—9 Dornen besetzt. Länge 12 bis 
17 mm [Schıöpre 7, 8. 538; Prrrıs 5, S. 261]. 


Opatrum (Opatrum FaArr. im engeren Sinne) sabulosum L. Küfer 
schwarz, matt, Oberseite dicht körnig punktirt. Halsschild viel breiter als lang, 
mit vorspringenden Hinterwinkeln. Flügeldecken mit erhabenen Streifen und 
kleinen glänzenden Höckerchen. Vorderschienen an der Spitze in einen drei- 
eckigen Zahn erweitert und längs des ganzen Aussenrandes deutlich gezähnelt. 
Flugfügel vorhanden. Länge 7—S mm. 

Larve derjenigen von Heliopathes sehr ähnlich, aber der letzte Hinter- 
leibsring ist deutlich dreieckig mit gerundetem Hinterende, das eine nach oben 
gerichtete knopfförmige Erhabenheit trägt und an der Hinterhälfte des Ober- 
randes mit einer Reihe von ungefähr 18 kleinen Dornen besetzt ist. Länge 12 
bis 16 mm [Lucas 4 und Scnröpte 7, 8. 511— 543]. 


Op. (Microzoum) tibiale Fasz. Käfer schwarz, matt. Kopf und Hals- 
schild dicht punktirt, dieses viel breiter als lang, nach rückwärts etwas verengt, 
mit drei nicht punktirten, glatten Flecken und einem Eindrucke beiderseits am 
Hinterrande. Flügeldecken dicht punktirt mit groben, flachen Runzeln. Flug- 
flügel vorhanden. Länge 2:5—3 mm. 

Larve derjenigen von Op. sabulosum sehr ähnlich, jederseits am Kopfe 
mit einer Andeutung von vier Augenpunkten. Letzter Hinterleibsring langei- 
förmig, etwas zugespitzt, mit langen, hellen Haaren und am letzten Drittel 
des Hinterrandes mit 10, im Verhältniss zu denen der verwandten Arten etwas 
längeren Dornen besetzt. Länge 5—6 mm [Perrıs 5, S. 264 und 265]. 


Lebensweise und Schaden. Opatrum sabulosum L. ist in allen 
sandigen Ebenen wohl ganz Mittel- und Siüdeuropas ein häufiger Käfer. Op. 
tibiale FABr. scheint seltener vorzukommen, gehört aber ebenfalls der sandigen 
Ebene an; von JupeEıch wurde dieser Käfer besonders häufig bei Weisswasser 
im mittleren Böhmen gefunden. Heliopathes gibbus FAsr. bewohnt ebenfalls 
Sandgegenden, scheint aber vorzugsweise in den Dünen der Küstenländer zuhause 
zu sein. Arıum meint, dass diese Art im Nordwesten Deutschlands zu fehlen 
scheine, während sie namentlich in den sandigen Küstengegenden der Ostsee 
zeit- und stellenweise zahlreich angetrofien wird. Die Vermuthung dürfte wohl 
nicht ganz richtig sein, da der Käfer von JupEicHh in grosser Anzahl 1881 in 
dem Dünensand bei Blankenberghe in Belgien an der Nordseeküste gefunden 
wurde. Nach UrrricH [REDTENBACHER, Fauna Austriaca. 3. Aufl., I, S. 95] soll 
er auch bei Wien vorkommen. 

Am genauesten ist der Frass von Op. tibiale L. durch Autum beschrieben, 
welcher auf denselben zuerst durch den Bericht des Düneninspectors EruA auf- 
merksam wurde. Im Dünenbezirk Rositten, Regierungsbezirk Königsberg, ging 
Mitte Juni 1887 eine grosse Anzahl im Mai gepflanzter, einjähriger, gutwüchsiger 
Kiefern ein. Den Pflanzen war durch den im trockenen Sande, 5—10 cm unter 
der Oberfläche lebenden Käfer der untere Theil der zarten Wurzeln weggeschnitten, 
und an dem oberen Theil war die Rinde bis zu den Nadeln hinauf mehr oder 
weniger stark befressen; auch die Pfahlwurzeln hatten ihre Spitze verloren. 
Arrum fand, dass das Holz der Pfahlwurzeln von 45cm Tiefe an oft bis auf 
die halbe Dicke faserig angenagt, an manchen Pflanzen, sowie näher der Boden- 

40* 


620 Kap. IX. Die Käfer. 


oberfläche meist nur mehr oder weniger der Rinde beraubt war. Es fanden sich 
bis 15 Stück Käfer auf einem Platz. Ob und wie weit die unterirdisch lebende 
Larve an diesem Frass betheiligt ist oder nicht, ist noch ganz unbekannt. 


Anders wird der Frass von Op. sabulosum L. und von Hel. gibbus Fark. 
durch Arrum |ld] geschildert. Diese beiden Käfer, welche Obeıförster KrüGER 
zu Kobbelbude, Regierungsbezirk Königsberg, zu den sehr schädlichen Forst- 
insekten rechnet, sollen die Köpfe einjähriger Kiefern ganz in ähnlicher Weise 
abbeissen wie die Ackereulenraupen, Agrotis vestigialis Rorr. und Ag. Tritici 
L. Etwas Näheres ist darüber nicht bekannt. Jedenfalls kann aber Hel. gibbus 
nicht auf diese Nahrung allein angewiesen sein, denn an den Stellen der 


Dünen von Blankenberghe, wo er sehr häufig von Jupeıch gefunden wurde, giebt 
es kein Nadelholz. 


Abwehr. Vorbeugungs- oder Vertilgungsmassregeln gegen die drei neuen 
Forstschädlinge sind nicht bekannt. Allenfalls würde man sie in Rüsselkäfergräben 
fangen können, da Op. sabulosum und Op. tibiale zwar geflügelt sind, aber, 
wie es scheint, als schwerfällige Thiere nur äusserst selten von ihrem Flugver- 
mögen Gebrauch machen. Nach den Mittheilungen Axrrun’s verdienen sie aber 
jedenfalls die Aufmerksamkeit der Forstleute, damit weitere Beobachtungen ihre 
Lebensweise genauer kennen lehren. 


Beiläufig sei erwähnt, dass nach Lınvemann [Id, S. 495] die Larve von 
Opatrum intermedium Frıscu 1877 in Bessarabien den Tabakspflanzungen ver- 
niehtend schädlich geworden ist. 


Die Familie der Melandryidae umfasst ebenfalls zahlreiche 
Gattungen und Arten, meist kleinere Käfer von düsterer Färbung, 
unter denen sich viele durch sehr rasche, manche durch purzelnde 
Bewegung auszeichnen. Die meisten leben in faulem Holze und 
in Baumschwämmen. Auch das Gebiet unserer Fauna ist reich an 
Arten dieser Gruppe, wenn auch viele zu den Seltenheiten in ento- 
mologischen Sammlungen gehören. Forstlich wichtig ist eigentlich 
keine der hierher zu zählenden Arten, nur eine verhältnissmässig 
sehr grosse, zu der Unterfamilie der Dircaeini gehörige Art, Serropalpus 
barbatus ScHAuL., kann allenfalls forstliche Beachtung verdienen. 
Ihre Larven haben im allgemeinen noch viele Züge mit denen der 
Tenebrioniden gemein, sind aber viel weniger chitinisirt als diese 
und daher meist weisslich und weicher, differiren aber doch soweit 
von einander, dass wir auf ein Gesammtbild derselben verzichten, 


Beschreibung. Die Melandryidae haben im Allgemeinen folgende 
Kennzeichen: Käfer meist klein, mit elf-, seltener zehngliedrigen, fadenförmigen 
oder etwas gegen die Spitze oder in der Mitte verdickten Fühlern. Kopf vorge- 
streckt oder geneigt, mehr oder weniger in das Halsschild eingezogen, oft von 
letzterem kapuzenartig bedeckt. Halsschild mit scharfem Seitenrande, am Grunde 
meist so breit wie die Flügeldecken und nach vorn verengt. Kiefertaster ge- 
wöhnlich gross mit breitem Endgliede. Die Hüften zapfenförmig aus den Gelenk- 
höhlen vorragend, die vorderen meist aneinanderstossend, mit nach hinten offenen 
Gelenkhöhlen, die hinteren durch keinen Fortsatz des ersten Bauchringes ge- 
trennt. Klauen meist einfach. 


Die Unterfamilie der Dircaeini umfasst jene Melandryiden, welche 
folgende Kennzeichen haben: Vorderhüften durch die Vorderbrust nicht getrennt, 
sondern aneinanderstossend. Fühler elfgliedrig. Halsschild hinten so breit wie 
die Flügeldecken, sein Hinterrand nicht aufgebogen, dessen Winkel sich an 
die Schulterwinkel eng anschliessen. Körper eylindrisch oder nach hinten zuge- 
spitzt. Fussklauen einfach. 


Nachtrag. Serropalpus barbatus, 621 


Gattung Serropalpus Herr. Die borstenförmigen, elfgliedrigen Fühler bei 
dem $ so lang als der halbe Leib, bei dem ® kürzer, alle Glieder mit Aus- 
nahme des zweiten mehr als doppelt so lang wie breit. An den grossen, vier- 
gliedrigen Kiefertastern Glied 2 gross, dreieckig, 3 sehr kurz, nach innen haken- 
förmig erweitert, 4 sehr gross, beilförmig. Lippentaster kurz. Alle Hüften zapfen- 
förmig aus den Gelenkgruben vorragend. Beine lang und dünn, Schienen mit 
zwei langen Dornen an der Spitze. Fussglieder allmählich an Länge abnehmend, 
vorletztes Fussglied einfach. Körper fast walzenförmig, Flügeldecken mehr als 
dreimal so lang als zusammen breit. Halsschild vorn gerade abgestutzt, daher 
Kopi von oben sichtbar. 

Die als unbedeutender Weisstannenschädling hier anzuführende Art ist 

Serr. barbatus ScuAuL. (striatus Heıı.). Käfer einfarbig braun mit seiden- 
glänzendem Haarüberzug. Halsschild mit einem nicht ganz bis zur Spitze 
reichenden, scharfen Seitenrande, rechtwinkeligen Hinterecken und wie der Kopf 
fein punktirt. Flügeldecken schwach gestreift, fein runzelig punktirt, Länge 
6—15 mm. 

Puppe gelblichweiss, sehr leicht kenntlich durch die bereits sehr deutlich 
ausgeprägten Kiefertaster, sowie durch eine quere, kammartige, mit vier starken 
Stacheln besetzte und in der Mitte noch einmal in der Längsrichtung einge- 
schnittene, fleischige Erhöhung auf der Oberseite des vorletzten und eine Reihe 
von vier schwächeren Dornen auf der Oberseite des letzten Hinterleibsringes 
[Wacuru 8]. 

Larve gelblich-weiss mit stärker chitinisirten, dunkleren Mundtheilen, 
ein wenig abgeplatte, in der Mitte am breitesten, gegen das Kopfende 
schwächer, gegen das Hinterende stärker verjüngt, mit fast vollständig unbe- 
haarter und fein nadelrissiger Oberfläche. Kopf mit deutlicher Oberlippe, ohne 
Augen und mit viergliedrigen Fühlern. Vorderbrust am stärksten entwickelt. 
Mittel- und Hinterbrust den neun Hinterleibsringen ähnlich gebildet, von denen 
der letzte auf der Oberseite zwei nach aufwärts gekrümmte, braune Hornhaken 
trägt. Beine gut entwickelt, aber nicht lang [Wacht 8]. 


Lebensweise. Der Käfer ist nach Ernü’s [2] genauen Beobachtungen 
ein nächtliches Thier, das sich am Tage wahrscheinlich in dem Moos an den 
Bäumen und in der Bodendecke verbirgt, in der Nacht dagegen ungemein 
flüchtig ist. Auch die Begattung findet in der Nacht statt. 


Sein bevorzugter Brutbaum ist die Weisstanne, in welcher Holzart 
Ern&t und Wacht [8] die Larven ausschliesslieh fanden. Doch kommen sie 
sicher auch in Fichten vor, Die Eier werden ohne Zweifel in irgend eine Ritze 
abgelegt, und die Larven fressen sich in den Holzkörper ein. Die Larvengänge, 
welche nach den übereinstimmenden Angaben von Ernü und Wacutr sich in 
keiner Weise von denen der Holzwespenlarven unterscheiden, sind drehrund 


“ und mit feinem Wurmmehl gefüllt, verlaufen, allmählich an Stärke zunehmend, 


in verschiedenen Krümmungen von der Peripherie des Stammes in das Innere, 
wenden sich dann wieder gegen die Oberfläche und endigen, bald näher, bald 
entfernter unter derselben, in nicht besonders ausgezeichneten Puppenwiegen, 
aus denen sich der Käfer durch ein kreisrundes Flugloch herausfrisst. 


Nach Erxi% braucht das Thier „3 Jahre zu seiner Entwickelung”, nach 
WachHtL „dürfte die Generation eine zweijährige sein”, zwei Angaben, die insofern 
einander völlig decken, als ja eine zweijährige Generation sich stets in drei 
Kalenderjahren abspielt. Auch darin stimmen beide Beobachter überein, dass 
der Käfer stets nur Stämme angeht, und zwar nach Ern% nur in ihrer unteren 
Hälfte. Letzterer hat ihn gelegentlich, aber selten, auch in Weisstannenstöcken 
gefunden, WacatuL auch in Klafterholz, welches er erst nach der Fällung be- 
fallen haben konnte. Nach Ern& sind es stets frische oder erst kürzlich abge- 
storbene Stämme, die angegangen werden, und zwar solche, welche noch gut 
vom Tischler verarbeitet werden können. Fault der Stamm dann an, oder 
bleibt er an einer Seite lange feucht, so sterben die Larven ab. Nach Wacht 
soll dagegen bei stehendem Holze ein gewisser Krankheitsgrad nothwendig sein, 
um den Käfer anzulocken, 


622 Kap. IX. Die Käfer, 


Der Schaden des Käfers beruht auf dem Larvenfrasse und ist im 
Wesentlichen demjenigen von Sirex spectrum L., einem Thiere, welches häufig 
in denselben Bäumen haust, gleichwerthig, ja es dürfte vielfach sein Frass mit 
dem Holzwespenfrasse verwechselt worden sein. Im allgemeinen ist die Be- 
schädigung mehr technisch als physiologisch beachtenswerth und hat gewöhn- 
lich nur eine äusserst untergeordnete Bedeutung. Der einzige bekannt gewordene 
Fall einer grösseren Verbreitung wird von Erxü&; berichtet, nach welchem an 
einer nicht näher bezeichneten, wahrscheinlich aber auf der Höhe der Vogesen 
gelegenen Oertlichkeit „auf einer Strecke von 3/, Stunden Länge und !/, Stunde 
Breite etwa 250 Bäume von diesem Insekte durchlöchert waren”. Manche 
Bäume enthielten bis zu 80 Stück. 


Der Käfer wurde zuerst 1863 in die forstliche Literatur durch RATzesurG 
[6, S. 149] eingeführt, der ihn bei Gelegenheit des grossen Nonnenfrasses aus 
Östpreussen durch Förster Barzereıt in allen drei Entwickelungsstufen zu- 
gesendet erhalten hatte. Er giebt aber keine genauere Schilderung, da „für forst- 
liche Blätter das Speciellere einer Rarität zu fremdarlig sein” dürfte. Dagegen 
macht Ernz# [2] im Juni 1872 äusserst vollständige Mittheilungen über seine 
Entwickelung und Lebensweise, bildet auch die Larve und ihre Frassgänge 
ganz leidlich ab und betont, dass der Käfer in den hohen Vogesen sehr häufig 
sei. In dem Katalog der auf der Wiener Weltausstellung 1873 ausgestellten 
entomologisch-biologischen Sammlung erwähnt Wacht den Käfer kurz als in 
seinem Schaden den Sirexlarven ähnlich, desgleichen Arrum 1874 [XVI, III, 1, 
S. 158]. Die besten Abbildungen der Entwickelungsstadien und des Frasses, 
sowie eine biologische Schilderung giebt dann WacatL [8], ohne die früheren 
Mittheilungen von RATZEBURG und Ernst; zu kennen, im Jahre 1878. 


Der von Ern& sowohl wie von WAcHtL darüber ausgesprochene Zweifel, 
dass das Insekt auch in Fichten lebe, ist ein unberechtigter, da verschiedene 
Entomologen, wie SCHALLER, Herrenivs, PAykurLL und Thomson, es zu der 
Fauna Schwedens zählen, und RATzegur@ berichtet, dass es nach dem bekannten 
Nonnenfrass in Ostpreussen gefunden worden sei; in diesen Gegenden giebt es 
aber keine Weisstannen, sondern von Nadelhölzern nur Fichten und Kiefern. 
Dass indessen dort, wo die Tanne heimisch ist, diese Holzart von dem Käfer 
bevorzugt wird, ist nach den übereinstimmenden und von einander unabhängigen 
Beobachungen Ern#'s und Wachntr’s ganz unzweifelhaft. 

Vorbeugungs- und Vertilgungsmittel werden gegen dieses Insekt 
wohl nur selten nöthig werden. Erstere können bestehen in der gegen Holzinsekten 
überhaupt zu empfehlenden reinlichen Wirthschaft, nämlich gründlicher und 
rechtzeitiger Durchforstung, Entfernurg aller kranken Bäume, Entrinden des 
gefällten Rund- und Schichtholzes, Aufbereitung und Aufbewahrung desselben 
nur an freien, luftigen Orten, sodass es bald und gründlich austrocknet. Ob 
letztere namentlich von WaAcatL betonte Massregel wirklich erfolgreich ist, 
bleibt aber bei der positiven Angabe von Erxf&, dass die Larven in feuchtem 
Holze sicher zugrunde gehen, noch zweifelhaft. Ferner wäre Rodung der Stöcke 
oder Tiefabhieb zu empfehlen. 


Eine Notiz von Lorkry [3], dass er im Mai 1888 an fünfjährigen Pflanzen 
von Quercus rubra einen Käfer, den zu den Lucaniden gehörigen, von uns 
auf S. 295 kurz angeführten Lucanus (Platycerus) caraboides L,, die kräftigen 
fleischigen Triebe ausfressend gefunden habe, wird hier noch der Vollständigkeit 
wegen erwähnt. 


Literaturnachweise zu dem „Nachtrag”. I. Autumn, B. 
a) Opatıum tibiale Fabr., ein neuer Kiefernfeind. Zeitschrift f. d. 
Forst- und Jagdwesen XIX, 1887, S. 466—469. b) Opatrum sabu- 
losum L. und gibbum Fabr., zwei neue Kiefernfeinde. Daselbst XX, 
1888, S. 495 u. 496. — 2. Ern&, T. Ueber Entwickelung und 
Lebensweise von Serropalpus striatus Hell. Mittheilungen der 


Literaturnachweise. 633 


Schweizerischen entomologischen Gesellschaft III, 1872, 8. 525—530 
mit Tafel. — 3. Lorer. Lucanus caraboides an Rotheiche. Allg. 
Forst- und Jagdzeitung LXIV, 1888, S. 336. (Der daselbst be- 
findliche Druckfehler „eurculioides”’ wurde S. 407 derselben Zeitung 
berichtigt). — 4. Lucas, H. Note sur la vie evolutive de l’ Opatrum 
sabulosum. Annales de la Soc. entomolog. de France, 5itme ser, T. 
I, 1871, 8. 452—460. — 9. Perrıs, E. Larves de Cole&opteres. 8. 
Paris 1877. — 6. Ratzegurc. Forstinsektensachen. Grunert’s forstliche 
Blätter, Heft 5, 1862, S. 149—201. — 7. Scmöprte, J. C. De 
metamorphosi eleutheratorum observationes. Pars X, "Tenebriones. 
8. Kopenhagen 1877—1878. — 8. Wacutr, A. Serropalpus barbatus 
Schall. und Retinia margarotana H. S. Mittheilungen aus dem forstl. 
Versuchswesen Oesterreichs I, 1878, S. 92—106, Taf. XV u. XVI. 


K, k, Hofbuchdruckerei Carl Fromme in Wien, 


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I. Deneria monacha.d, |; lonne/ 2.Dasychira prudtbunda.lı. | Kothschwanz) 
3.Trachen junerda. Panz./ fiteferneule) 4. Pıdonia piniarial,. / fitefernsnanner) 
5 Ketinta buoliana SV, Äicferntriebwickler 


GI: #7 Aadllıf ton ( ICAWER: J ( EN L: “ Taf. 


I. Ocneria disnar],./Schmammspinner 


2. Gastronacha neustria.L/ Ringesyinner 
3. Porthesia chrysorrhoca.l./ Goldafter) 4.( nethocampa processioneaL, | Bü 


rhen-Frocessionsjjunner. 
9. Tortrise viridanad, | Bichenwickder 


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all %. (Da BEER ee) Wespen “e. L. allen. Taf Zi 


L.Iydapratensis.Babr. 2 1yda campestrisL, 3 Lonhyrus punı.L. (Lüefernblattwesnen 
4. Sırev Juoencus.L./Holzwespe) 5. Gryllotaipa vulgaris. Latr / Werre 


N, 
a, 


Prospectus. 


LEHRBUCH 


Mittelenronäisehen Forstinsektenkunde 


mit einem Anhange: 


Die forstschädlichen Wirbelthiere. 


Als achte Auflage von 


DI B2C RATZEBURG 
Die Wealdverderber und ihre Feinde 


in vollständiger Umarbeitung herausgegeben von 


Dr. H. Nitsche und Dr. J. F. Judeich 
königl. sächs. Geh. Oberforstrath und Professor der Zoologie an der Forst- 
Director der Forst-Akademie zu Tharand. Akademie -zu Tharand. 


I. ABTHEILUNG: 
Einleitung und allgemeiner Theil mit 1 Porträt Ratzeburg’s, 3 colorirten Kupfer- 
tafeln und 106 Holzschnitten. 
II. ABTHEILUNG: 


Specieller Theil der Forstinsektenkunde, Bestimmungstabellen und Anhang: Die 
forstschädlichen Wirbeltbiere. 


Inhalt der I. Abtheilung: 


Ratzeburg’s Leben .".". = . .. 2 er TERN: . . Seite 1 
Einleitung: 
Kap. I. Die Gliederfüssler im Allgemeinen. . . . 2 2 2 2... ı. 


Allgemeiner Theil: 


Kap. II. Die äussere Erscheinung der erwachsenen Insekten . . 2». „236 
Kap. III. Der innere Bau der erwachsenen Insekten und die Lebensver- 
richtungen. der ‚Einzelthiere, . ..... ...., me AT 
Kap. IV. Die Fortpflanzung und die Jugendzustände der Insekten . . „ 8 
Kap. V. Die Insekten als natürliche und wirthschaftliche Macht . . . „ 130 
Kap. VI. Entstehung, Abwehr und wirthschaftliche Ausgleichung grösserer 
Insektenschäden „ala a we. ee a En 
Kap. VII. Allgemeine Einführung in die systematische und praktische 
Eintomologie,: ».. 1a. al er at en Ware a een en 


Musste schon die nunmehr vergriffene, von Oberforstrath Dr. Jupeıch besorgte 
7. Auflage des vorstehend angezeigten Buches als eine „vollständig neue Bearbeitung” 


Fig. 17. A. Männliche Hornisse. Vespa Crabro L. K Kopf, B Brust, H Hinterleib mit sieben Seg- 

menten, F Fühler (erstes Gliedmassenpaar), NA Netzauge, pa Punktauge, Ob K Vorderkiefer 

(zweites Gliedmassenpaar); die zwei folgenden Kieferpaare sind in dieser Ansicht nicht wahr- 

zunehmen, 5, 6, 7 Beine (fünftes bis siebentes Gliedinassenpaar), Fl 1 Vorderflügel, Fl2 Hinter- 
flügel, B. Vorderkiefer isolirt. 


bezeichnet werden, so ist dies mit der 8. Auflage in noch höherem Grade der 
Fall. Jupeıcn glaubte die von RArzesurg gewählte Eintheilung des Ganzen noch 4 
beibehalten zu müssen, weil die Vorbereitungen zu einer 7. Auflage von diesem 
selbst kurz vor seinem Tode begonnen worden waren. Diesmal war eine solche 


‚Rücksichtnahme nieht mehr nothwendig, und es konnte daher durch den neu hinzu- 
getretenen Bearbeiter, Professor Dr. Nırschz, dem Werke eine völlig neue Dispo- 
sition zu Grunde gelegt werden. Zunächst erscheint Jetzt der von RArzesure als 
zweiter oder theoretischer Cursus bezeichnete Theil an der ihm naturgemäss 
zukommenden Stelle, also als erster. In ihm sind besonders die allgemein ento- 
mologischen, die anatomischen und entwicklungsgeschichtlichen Abschnitte, welche 
in. der 7. Auflage noch so ziemlich in der ihnen 1869 von RATzkBurG gegebenen 
Fassung verblieben waren, in eine erweiterte, den neueren zoologischen Forschungen 
entsprechendere gebracht worden. Der Herausgeber wurde bei der Ausarbeitung 
dieser Kapitel von der Ueberzeugung geleitet, dass in einem für praktische Zwecke 
berechneten Buche jede anatomische und entwicklungsgeschichtliche allgemeine 
Darstellung, soll sie nicht eine gänzlich unwirksame Zugabe sein, derartig aus- 
führlich sein muss, dass der Leser sich von den beschriebenen Organen und Vor- 
gängen ein wirkliches Bild zu machen im Stande ist. Hierzu sind ausserdem noch 
erläuternde Abbildungen nothwendig. Diese, von Herrn Zeichner TmkocHar in Leipzig 
sowohl gezeichnet als geschnitten, konnten, dank dem freundlichen Entgegen- 
kommen der Verlagsbuchhandlung, in reichliehster Anzahl beigegeben werden. 


Fig. 81. Der Kiefernspinner. 4 Eben der Raupenhaut entschlüpfte Puppe, von der Seite, A’ dieselbe 
von unten. B fertige!Puppe, von der Seite, B’ dieselbe von unten. (eben ausgeschlüpfter Schmetter- 
ling. / Fühler, 3 Mittelkiefer (Saugrüssel), 5 bis 7 die Brustfüsse, F’ Vorderfligel, 7"’ Hinterfügel. 


Die beiden folgenden Kapitel enthalten eine Darstellung der allgemein wirth- 
schaftlichen und speciell forstwirthschaftlichen Bedeutung der Insekten. Auch dieser, 
in gemeinsamer Arbeit von beiden Herausgebern hergestellte Abschnitt hat eine 
völlig neue Disposition erhalten und dürfte als die erste grössere zusammen- 
hängende Darstellung der einschlägigen Fragen zu bezeichnen sein. Einzelne 
Abschnitte dieser Kapitel, z. B. der die insektentödtenden Pilze betreffende — bei 
dessen Abfassung die gütige Hilfe des Herrn Professor Dr. oz Bary in Strassburg 
den Herausgebern zu Theil wurde — die allgemeine Besprechung der Vertilgungs- 
massregeln, die Zusammenfassung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen 
u. 8. f., sind in soleher Ausdehnung noch keiner anderen Forstinsektenkunde bei- 
gegeben worden. 

Erst im zweiten speciellen Theile werden die einzelnen Insektenordnungen, 
sowie die praktisch wichtigen Forstinsekten eine eingehende Besprechung finden. 
Auch dieser Theil wird in mannigfach verävuderter Gestalt erscheinen und besonders 
durch viele neue Abbildungen von Frassstücken erläutert werden. Als dritter 
Abschnitt folgen dann Bestimmungstabellen für die Forstschädlinge in solcher 

‚ Form, dass auch dem praktischen Forstmanne die Benutzung derselben leicht werden 
wird. Die forstschädlichen Wirbelthiere sind in einen Anhang verwiesen worden, 
welchem gleichfalls viele neue Abbildungen beigegeben sind. 


Alle diese tiefgreifenden Veränderungen lassen es berechtigt erscheinen, dass 
auch der Titel eine Umänderung erfahren hat. Dieselbe erschien umso nöthiger, 
als der von RATzesurg gewählte Titel sich bereits für die 6. und 7. Auflage mit 
dem Inhalte nicht mehr vollkommen deckte. Schon zu der Zeit, in welcher diese 
Auflagen erschienen, war ja die Kenntniss der forstschädlichen Pilze so weit 
fortgeschritten, dass der Ausdruck „Waldverderber” im Allgemeinen nothwendiger- 
weise auch auf diese hochbedeutsamen Schädlinge bezogen werden musste. Die 
neueren Forschungen haben nun die verderbliche Bedeutung der auf Holzpflanzen 
parasitirenden Pilzformen noch weit schärfer hervortreten lassen. 

Die Herausgeber standen daher vor der Alternative, entweder den alten 
Titel zu lassen und die forstschädlichen Pilze mit einzubeziehen, oder den Titel 


Vom Tannenheher, Nucifraga caryocatactes L., angehackte Zirbelkieferzapfen. 


zu ändern und dem Buche wesentlich den Charakter einer mitteleuropäischen 
Forstinsektenkundezu geben. Dass sie letzteren Weg gewählt haben, geschah mit 
Rücksicht darauf, dass eine Einbeziehung der schädlichen Pilze eine sehr bedeutende 
Erweiterung des Buches nothwendig gemacht hätte, sowie aus der Ueberzeugung, 
dass es hierdurch an Abrundung verloren haben würde. Allgemeine Zusammen- 
fassungen verschiedenartiger, den Wald schädigender Einflüsse und deren Abwehr 
gehören nur in ein Lehrbuch des Forstschutzes; neben einem solchen sind aber 
nur EinzeldarsteHungen abgerundeter Specialkapitel zeitgemäss. 

Der alle diese Aenderungen bemerkende Leser wird nun vielleicht fragen, 


ob denn das jetzige Buch überhaupt noch berechtigt sei, RArzesurng’s Namen 


zu führen. Die Herausgeber glauben dies zuversichtlich bejahen zu dürfen; nicht 


nur weil jede heutzutage geschriebene Forstinsektenkunde im Grunde als eine neue 
Auflage eines Rarzesur«’schen Werkes erscheint, sondern auch darum, weil sie sich 
redlich bemüht haben, die Eigenthümlichkeiten, welche die „Waldverderber” 
vor ähnlichen Büchern auszeichnen, zu bewahren. Sie glaubten die wesentlichste 
dieser Eigenthümlichkeiten darin zu finden, dass Rarzegurg ein bedeutendes 
Gewieht auf den theoretischen Cursus gelegt hat. Bis zur dritten Auflage waren 
die Waldverderber eine kurze Zusammenstellung der wichtigsten Forstschädlinge. 
Mit der vierten Auflage traten sie durch Hinzufügung des theoretischen Cursus ein 
in die Reihe der eigentlichen Lehrbücher. RAtzesurg hatte eben eingesehen, 
dass viele dem praktischen Forstmanne wichtige Erscheinungen nur 
im Zusammenhange mit der allgemeinen Entomologie und Biologie 
richtig begriffen werden können. Diesen Gedanken hoch zu halten, ist 
das eifrigste Bestreben der Herausgeber gewesen, und insofern befinden sie sich 
völlig auf dem Ruatzesurg’schen Wege, trotzdem von dem ursprünglichen 
Rarzesurg’schen Texte kaum einzelne Zeilen unverändert in diese neue Auflage 
übernommen sein dürften. 

In seiner Vollständigkeit stellt sich also das vorliegende Lehrbuch als für 
den Forstmann der höheren Carrie&re’ berechnet dar. Dieser muss aber nicht 
allein selbst Forstinsektenkunde treiben, sondern häufig auch seine Unterbeamten 
und Lehrlinge in dieselbe einführen. Damit ihm auch hierzu das „Lehrbuch der 
mitteleuropäischen Forstinsektenkunde’” ein sicherer Wegweiser sei, ist der Druck 
derartig eingerichtet worden, dass alle diejenigen Sätze, welche auch für den ein- 
fachen praktischen Forstmann oder Lehrling von Wichtigkeit erscheinen, besonders 
ausgezeichnet, die genaueren Ausführungen dagegen ein- und zusammengerückt, 
aber mit denselben Lettern gegeben wurden. Die feineren Details sind in Petit- 
schrift hinzugefügt. 


Die erste Abtheilung des Werkes ist soeben zum Preise von 
fl. 4,80 —= M. 8.— erschienen, die zweite Abtheilung soll Ende des 
Jahres zu ähnlichem Preise zur Ausgabe gelangen. Die geehrten 
Besteller der ersten Abtheilung sind zum Bezuge der zweiten ab: 
theilung verpflichtet. 

Nach Vollendung des Werkes wird dasselbe nur gebunden in 
elegantem Leinwandband ausgegeben. 


Wien, im Februar 1885. Ed. HölzeV’s Verlag. 


Inhaltsverzeichniss. 


Seite 

Ratzeburg’s Leben ......... EEE A ee Fer a len een ee lien I 

Einleitung. 

Kapitel I. Die Gliederfüssler im Allgemeinen .... 2.22.22 ron 7 
Der Typus der Arthropoden S. 7. — Die Klassen der Arthropoden S. 12. — Die spinnen- 
artigen Thiere S. 17. — Die Gallmilben $S. 19. — Die Tausendfüsse $. 25. 

Allgemeiner Theil, 

Kapitel Il. Die äussere Erscheinung der erwachsenen Insekten - ».».. 2» 22.20.00. 26 
Der Kopf S. 27. — Die Fühler S. 29. — Die Mundwerkzeuge $. 30. — Die Brust S. 32. — 

Die Beine S. 33. — Die Flügel 8. 35. — Der Hinterleib S. 38. — Die Cbitineuticula 


S. 40. — Färbungen des Insektenkörpers $. 41. — Secundäre ‚Geschlechtscharakter 8. 42. 


Kapitel illl. Der innere Bau der erwachsenen Insekten und die Lebensverrichtungen der 


Einzelthiene:, uacse. aur.Kih Rainer nee N EN Or ANA N AHA, 
Allgemeine 'Orientirung S. 47. — Die Leibeswand S. 49. — Der Darmeanal und seine » 
Anhänge. — Der Darm S. 50. — Die Harngefässe S. 54. — Die Athmungs- und Kreislauforgane, 
Das Tracheensystem S. 55. — Der Fettkörper 8. 58. — Das Blut S. 58. — Das Herz 


S. 58. — Die Leuchtorgane S$. 60. — Das Muskelsystem und seine Thätigkeit. Die Museulatur 
S. 61. — Die Ortsbewegungen 8. 61. — Die Lautäusserungen 8. 64. — Das Nervensystem. 
Das Centralorgan desselben S. 66. — Das peripherische Nervensystem $. 69. — Das 
Eingeweidenervensystem 8. 69. — Die Sinnesorgane. Tastorgane S. 70. — Geruchsorgane 
S. 70. — Geschmacksorgane S. 71. — Gehörorgane 8. 71. — Gesichtsorgane 8. 72. — Die 
Fortpflanzungsorgane. Die weiblicben Fortpflanzungsorgane S. 76. — Die männlichen Fort- 
pflanzungsorgane S. 79. 

Kapitel IV. Die Fortpflanzung und die Jugendzustände der Insekten ........ Ra ee 
Ei und Samen. Entwicklung im Ei S. 81. — Das Ei S. 82. — Der Samen S$. 84. — Die Be- 
gattung S. 86. — Die Befruchtung 8. 86. — Die Ablage der Eier S. 37. — Die Verwandlung 
der Eizelle in den Embryo S. 90. — Die Larve und ihre Verwandlung in die Imago; 
Metamorphose und Puppenruhe. Die Larve S. 91. — Einige Einzelheiten über den Bau und 
das Leben der Larven S. 94. — Metamorphose der Larven im Allgemeinen S. 98. — Die 
unvollkommene Metamorphose 8. 99, — Die vollkommene Metamorpbose $S. 100. — Die 
Puppe S. 102. — Hypermetamorphose und verwandte Erscheinungen 8. 105. — Die Ver- 
wandlung der Puppe zur Imago S. 108. — Zeitlicher Ablauf der Entwicklung. Flugzeit 
S. 109. — Generation S. 112, — Ueberwinterungsstadium S. 119. — Lebensdauer $. 121. — 
Literaturnachweise S. 121. — Parthenogenesis und mitihr zusammenhängende Erscheinungen 
S. 122. — Parthenogenesis im engeren Sinne. S. 123. — Pädogenesis S. 124. — Einfacher 
und zusammengesetzter Entwieklungscyklus S. 125. — Heterogonie S. 127. 

Kapitel V. Die Insekten als natürliche und wirthschaftliche Macht . ........ ee Ant 

Die Bedeutung der Insekten für den allgemeinen Naturhaushalt S. 130. — Die Insekten als 
Zerstörer S. 132. — Die Insekten als Nahrungsquelle für andere Thiere S. 132. — Die 
Insekten als Befruchter S. 133. — Die Insekten als wirthschaftliche Macht überhaupt S. 134. 
— Die nützlichen Insekten. S. 134. — Die’schädlichen Insekten. S. 135. — Die forstwirth- 
schaftliche Bedeutung der Insekten. Die nützlichen und schädlichen Forstinsekten im 
Allgemeinen S. 136. — Die verschiedenen Arten der durch Insekten verübten Beschädigungen 


81 


130 


an Holzpflanzen S. 137. — Gallen S. 135. — Wurzelbeschädigungen S. 139. — Blatt- 
beschädigungen $S. 140. — Rindenbeschädigungen 8. 140. — Verletzungen des Holzkörpers 
S. 141. — Störungen in der normalen Ausbildung der Pflanzenform $. 142. — Heilungs- 


vorgänge S. 143. — Die Grade der Schädlichkeit und die sie bedingenden Ursachen $. 146. 
— Unmerklich, merklich und sehr schädliche Insekten S. 147. — Physiologisch und technisch 
schädliche Insekten 8. 151. — Die durch Insekten hervorgerufenen Störungen des forst- 
lichen Wirthschaftsbetriebes S. 152. — Kultur- und Bestandsverderber S. 153. — Ver- 
schiebungen des Wirthschaftsplanes S. 154. 
Kapitel VI. Entstehung, Abwehr, und wirthschaftliche Ausgleichung grösserer Insektenschäden 156 
Die Entstehung grösserer Insektenverheerungen. Einwanderung von aussen 8. 157. — 
Massenvermehrung bereits angesiedelter Schädlinge 8. 155. — Die Beschränkung der 
Insektenschäden durch natürliche Einflüsse 8. 162. — Insektentödtende Witterungseinflüsse 
8.163. — Insektentödtende Pilze S. 164. — Literaturnachweise S. 181. — Insektentödtende 
thierische Parasiten $. 182. — Die insektenfressenden Thiere S, 187 — Die wirthschaft- 
lichen Vorbeugungsmassregeln gegen Insektenschäden 8. 195. — Massregeln der Bestands- 
gründung S. 196. — Massregeln der Bestandspflege S. 197. — Massregeln der Ernte S. 199. 
— Massregeln der Forsteinriehtung 8. 200. — Standortspflege S. 202. — Beobachtung des 
Iosektenlebens im Walde S. 202. — Schonung, Hegung und Aussetzung nützlicher Thiere 
S. 208. — Die Bekämpfung von forstschädlichen Insekten durch Vertilgungsmittel S. 206. — 
Allgemeine Gesichtspunkte S. 207. — Die Aufsuchung und Vertilgung der Schädlinge an 
ihren Aufenthaltsorten $. 209. — Vertilgung der Schädlinge mit Hilfe von künstlich auf 
ihren Wegen angebrachten Hindernissen $S. 213. — Vertilgung der Schädlinge nach vorher- 
gegangener künstlicher Anlockung S. 216. — Die Ausführung der Vertilgungsmassregeln 
S. 218. — Verwerthung der gesammelten Schädlinge S. 219. — Die Beurtheilung der Noth- 
wendigkeit und Möglichkeit der Durchführung von Bekämpfungsmassregeln S. 221. — 
Untersuchungen über die Menge der Schädlinge S. 221. — Die Untersuchung des Gesund- 
heitszustandes der Forstschädlinge S. 223. — Die Beobachtung der Witterungsverhältnisse 
S. 226. — Untersuchung des befallenen Bestandes S. 226. — Die Möglichkeit der Durch- 
führung der Bekämpfungsmassregeln $. 231. — Werth und Behandlung der von Insekten 
befallenen oder getödteten Bäume und Bestände. Werth des von Insekten befallenen oder 
getödteten Holzes S. 231. — Behandlung der befallenen oder getödteten Bäume und Bestände 
S. 233. — Rücksichten beim Einschlag $S. 235. — Die gesetzliche Regelung der Bekämpfung 
der Forstschädlinge $. 236. — Gesetzliche Vorsehriften über die Schonung nützlicher Vögel 
S. 237. — Gesetzliche Vorschriften bezüglich der Bekämpfung der Insektenschäden S. 240. 
Kapitel VII. Allgemeine Einführung in die systematische und praktische Entomologie . . . 245 
Die wissenschaftliche Eintheilung und Benennung der Insekten. Allgemeine Systematik 


8. 245. — Nomenelatur $. 249. — Das Bestimmen der Forstschädlinge und die Anlegung 
von forstentomologischen Sammlungen. Die Bestimmung des Urhebers eines forstlichen 
Insektenschadens $. 253. — Die Anlage von forstlichen Insektensammlungen S. 254. — 


Allgemeine Literatur S. 261. 


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Landwirthe gleich wichtigen Werke von Ratzeburg ete., und bitte sich zu Bestellungen des ange- 
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Eduard Hölzel in Wien. 


RATZEBURG, Die Forstinsekten 


oder Abbildung und Beschreibung der in den Wäldern Preussens und der Nachbar- 

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Folge und mit besonderer Rücksicht auf die schädlichen. Im Auftrage des Preussi- 

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Pössl, Holzkubirungstafeln nach Metermass. Zweite Auflage. geb. l 150—=M 3.—. 

Schmidt-Göbel, Die schädlichen und nützlichen Insekten in Forst, Feld und 
Garten. Mit 14 Foliotaf. in Farbendruck u. 23 Abbild. im Text. fl. 12.60 = M. 25.20. 

Hieraus einzeln: 
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II. Abth.: Die schädlichen Insekten des Land- und Gartenbaues. 6 Foliotafeln mit 
Text. fl. 5.30 = M. 11.60. 
Suppl. zur I. und II. Abth.: Die nützlichen Insekten, die Feinde der schäd- 
lichen. 2 Foliotafeln mit Text. fl. 1.30 — M. 3.60. 

Derbholzgehalte geschichteter Hölzer, nebst Schlüssel zur Redueirung 
der Raum- auf Festmeter. Nach in den hochfürstl. Johann Liechtenstein’schen 
Forsten ermittelten Reductionszahlen. fl. —.50 = M. 1.—. 


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Y Forstinsektenkunde. Als achte Auflage von Ratzeburg: Die Wald- N 
N verderber und ihre Feinde. Erste Abtheilung. Preis fl. 4.30 —=M. 8.— $ 
N und ersucht um Zusendung der zweiten Abtheilung nach Erscheinen. X 
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