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Full text of "Lehrbuch der Optik;"

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HARVARD  UNIVERSITY 


LIBRARY  OF  THE 

PHYSICS  RESEARCH 
LABORATORY 


THS  OIFT  OF 

THEODORE  LYMAN 

DimscTOR  or  thx 

JXrrBRSON  PHTSICAI.  LABOEATOKY 


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Lehrbuch  der  Optik 


von 


Dr.  Paul  Drude, 

Professor  der  Physik  an  der  Universität  Berlin. 


Mit  110  AbbUdangren. 


Zweite  erweiterte  Auflage. 


Leipzig 

Verlag  von  S.  Hirzel 
1906. 


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Das  Recht  der  Übersetzang  ist  vorbehalten. 


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Vorwort  zur  ersten  Auflage. 


Das  vorliegende  Buch  soll  den  mit  den  Grundbegiiffen  der 
Differential-  und  Integral-Rechnung  vertrauten  Leser  in  das  Gebiet 
der  Optik  derart  einführen,  daß  er  auch  die  Ziele  und  Eesultate 
der  neuesten  Forschung  verstehen  und  an  der  Hand  der  Original- 
arbeiten ins  einzelne  verfolgen  kann. 

Dieses  Buch  ist  entstanden  auf  Wunsch  des  Verlegers,  dem 
ich  aber  gern  entsprochen  habe,  weil  auch  ich  seine  Ansicht  teilte, 
daß  ein  das  ganze  Gebiet  umfassendes  modernes  Lehrbuch  fehlte, 
und  weil  ich  für  mich  selbst  durch  die  Vertiefung  des  Überblicks, 
zu  dem  das  Niederschreiben  eines  Buches  nötigt,  Anregung  zu 
eigenen  neuen  Ideen  erhoffte.  Einige  derselben  habe  ich  im  II.  und 
III.  Abschnitt  der  physikalischen  Optik  verwendet,  im  übrigen 
habe  ich  lediglich  schon  publizierte  Resultate  möglichst  einfach 
darzustellen  gesucht.  Da  ich  die  Form  eines  Lehrbuches,  nicht 
eines  Handbuches  im  Auge  hatte,  so  ist  eine  Anhäufung  von 
Literaturzitaten,  aus  denen  man  die  historische  Entwickelung  des 
betreffenden  Arbeitsfeldes  ersehen  könnte,  vermieden  worden.  Die 
wenigen  Zitate,  die  ich  aufgenommen  habe,  sollen  wesentlich  dem 
Leser  zur  näheren  Information  an  denjenigen  Stellen  dienen,  welche 
im  Texte  nur  kurze  Darstellung  finden  konnten,  besonders  bei  den 
neueren  Untersuchungen,  welche  noch  nicht  Eingang  in  die  Hand- 
bücher gefunden  haben. 

Um  den  Kontakt  mit  dem  Experiment  zu  wahren  und  zum 
Zwecke  der  möglichst  einfachen  Darstellung  des  Gebietes  habe  ich 
einen  synthetischen  Gang  gewählt.  Die  einfachsten  Experimente 
führen  zur  geometrischen  Optik,  in  ihr  macht  man  die  wenigsten 
Voraussetzungen  über  die  Natur  des  Lichtes.  So  habe  ich  mit  der 
Darstellung  der  geometrischen  Optik  begonnen,  wobei  ich  mich 


P-A/ 


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IV  Vorwort  zur  ersten  Aoflage. 

stark  angelehnt  habe  an  die  vortrefllichen  Zusammenstellungen 
von  Czapskiin  Winkelmanns  Handbuch  der  Physik  und  vonLummer 
in  der  6.  Auflage  des  MüUer-Pouilletschen  Lehrbuches. 

Der  darauf  folgende  I.  Abschnitt  der  physikalischen  Optik 
behandelt  nur  die  allgemeinen  Eigenschaften  des  Lichtes,  denen  zu 
Folge  man  im  Licht  auf  eine  periodische  Zustandsänderung  schließt 
welche  sich  in  Transversal- Wellen  mit  endlicher  Geschwindigkeit 
ausbreitet.  In  diesem  Abschnitt  habe  ich  als  wichtige  Fortschritte, 
die  in  den  bisherigen  Büchern  meist  fehlen,  aufgenommen  die 
Sommerfeldsche  strenge  Lösung  des  einfachsten  Falles  der  Beu- 
gung, die  geometrische  Darstellung  der  Fresnelschen  Integrale 
durch  Cornu,  und,  als  experimentell  bedeutenden  Fortschritt,  die 
Michelsonschen  Glasplattenstaffeln. 

Erst  im  IL  Abschnitt  wird  zur  Darstellung  der  optischen  Eigen- 
schaften der  verschiedenen  Körper  eine  weitere  Vertiefung  der 
Hypothese  über  die  Natur  des  Lichtes  notwendig.  Dem  Zwecke 
des  Buches  entsprechend  habe  ich  die  mechanischen  Lichttheorien 
nur  wenig  erwähnt,  dagegen  die  elektro-magnetische  Lichttheorie, 
welche  die  einfachste  und  konsequenteste  Darstellung  der  optischen 
Eigenschaften  ermöglicht,  in  folgender  Form  durchgeführt: 

Bezeichnet  man  mit  X,  V,  Z,  bezw.  a,  /9,  7,  die  Komponenten 
der  elektrischen  bezw.  magnetischen  Kraft  (erstere  elektrostatisch 
gemessen),  ferner  mit  jx,  j'y,  jx  bezw.  sx,  sy,  sx  die  Komponenten  der 
elektrischen  bezw.  magnetischen  Stromdichte  d.  h.  der  Anzahl  von 
elektrischen  bezw.  magnetischen  Kraftlinien,  welche  durch  eine  re- 
lativ zum  Äther  ruhende  Flächeinheit  in  der  Zeiteinheit  hindurcli 
treten,  dividirt  durch  4n,  so  gelten  stets,  falls  c  das  Verhältnis 
des  elektrostatischen  zum  elektromagnetischen  Maßsystem  be- 
zeichnet die  Grundgleichungen: 

471  jx       by       hß  ,^^^    47t  Sx       hY      bZ  ,^^_ 
--=^  =  v- r-,  USW.    =  -s jTi  USW. 

c  by       d*'  c  bx        by^ 

Die  Anzahl  der  Kraftlinien  wird  in  der  üblichen  Weise  de- 
finiert. —  Die  besonderen  optischen  Eigenschaften  der  Körper  machen 
sich  nun  erst  geltend  in  den  Gleichungen,  welche  die  elektrische 
bezw.  magnetische  Stromdichte  mit  der  elektrischen  und  magneti- 
schen Kraft  verbinden.  Wir  wollen  diese  Gleichungen  als  „Körper- 
Gleichungen"  von  den  hingeschriebenen  „Grundgleichungen"  unter- 
scheiden. Da  die  „Körper-Gleichungen"  auch  füi-  inhomogene  Körper 
aufgestellt  werden,  d.  h.  für  solche,  deren  Eigenschaften  Funktionen 


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Vorwort  zur  ersten  Auflage.  V 

des  Ortes  sind,  und  da  die  „Grundgleichungen"  in  jedem  Falle 
gelten,  so  gewinnt  man  außer  den  Differentialgleichungen  für  die 
elektrische  bezw.  magnetische  Kraft  auch  sofort  die  an  den  Körper- 
oberflächen zu  erfüllenden  Grenzbedingungen. 

Bei  der  Aufstellung  der  „Grund-  und  Körper-Gleichungen"  bin 
ich  wiederum  synthetisch  vorgegangen,  indem  ich  sie  aus  den  ein- 
fachsten elektrischen  bezw.  magnetischen  Experimenten  ableitete. 
Der  Gang  konnte  hier,  da  das  Buch  vorwiegend  Optik  behandeln 
soll,  nur  flüchtig  skizziert  werden,  betreffs  ausführlicherer  Ableitung 
verweise  ich  auf  mein  Buch  „Physik  des  Äthers  auf  elektro- 
magnetischer Grundlage"  (Enke,  1894).  —  Auf  diesem  Wege  ge- 
langt man  zunächst  zu  keiner  Erklärung  der  Dispersionserschei- 
nungen, da  die  rein  elektrisch-magnetischen  Experimente  nur  auf 
ich  möchte  sagen  makro-physische  Körpereigenschaften  schließen 
lassen.  Zur  Erklärung  der  optischen  Dispersion  ist  eine  Hypothese 
über  die  mikro-physischen  Eigenschaften  der  Körper  zu  machen. 
Als  solche  habe  ich  die  von  Helmholtz  eingeführte  Ionen-Hypothese 
benutzt,  weil  sie  mir  der  einfachste,  anschaulichste  und  konsequen- 
teste Weg  zu  sein  scheint,  um  außer  der  Dispersion,  Absorption 
und  natürlichen  Zirkularpolarisation  auch  die  magneto-optischen 
Eigenschaften  und  die  optischen  Eigenschaften  bewegter  Körper 
darzustellen.  Gerade  diese  beiden  zuletzt  genannten  Kapitel  glaubte 
ich  mit  aufnehmen  zu  müssen,  da  das  erste  durch  die  wichtige  Ent- 
deckung Zeemanns  neues  Interesse  gewonnen  hat  und  das  zweite 
durch  H.  A.  Lorentz  zu  einem  ebenso  übersichtlichen,  wie  eleganten 
Abschluß  geführt  worden  ist.  Ich  habe  diese  Theorie  von  Lorentz 
durch  Elimination  aller,  für  die  Optik  entbehrlichen  Größen  zu 
vereinfachen  gesucht.  Hinsichtlich  der  magneto-optischen  Eigen- 
schaften habe  ich  darauf  hingewiesen,  daß  man  sie  im  allgemeinen 
nicht  allein  dadurch  erklären  kann,  daß  die  bewegten  Ionen  im 
Magnetfeld  seitlich  ablenkende  Kräfte  erfahren,  sondern  daß  in 
den  stark  magnetisierbaren  Metallen  die  Ionen  auch  in  einer  be- 
ständigen Bewegung  sein  müssen,  welche  die  Wirkung  von  Am- 
pfereschen Molekularströmen  besitzt.  Damit  wird  zugleich  auch  die 
bisher  unvollständig  beantwortete  Frage  erledigt,  weshalb  die 
Magnetisierungs-Konstante  des  Eisens  und  überhaupt  aller  Körper 
für  Lichtschwingungen  gleich  der  des  freien  Äthers  anzunehmen  ist. 

Die  Anwendung  der  Ionen-Hypothese  führt  ferner  zu  einigen 
neuen  Dispersionsformeln  für  die  natürliche  und  magnetische  Drehung 
der  Polarisationsebene,  die  experimentell  bestätigt  werden;  ferner 


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VI  Vorwort  zur  ersten  Auflage. 

führt  die  Ionen-Hypothese  bei  den  Metallen  zu  Dispersionsformeln, 
die  die  Kontinuität  der  optischen  und  der  elektrischen  Eigenschaften 
der  Metalle  wesentlich  durch  die  Trägheit  der  Ionen  darlegen  und 
ebenfalls  in  dem  bisher  allerdings  noch  sehr  beschränkten  Beobach- 
tungsintervall bestätigt  werden. 

Der  II.  Abschnitt  des  Buches  beschäftigt  sich  mit  der  Ver- 
knüpfung der  Optik  mit  der  Thermodynamik  und  (im  3.  Kapitel) 
mit  der  kinetischen  Gastheorie.  Theoretisch  wurde  hier  durch 
Kirchhoff,  Clausius,  Boltzmann  und  W.  Wien  Bahn  gebrochen,  und 
die  vielen  fruchtbaren  experimentellen  Untersuchungen  über  die 
Strahlung  der  Körper,  welche  in  neuerer  Zeit  unternommen  wurden, 
zeigen  deutlich,  daß  Theorie  und  Experiment  durch  gegenseitige 
Anregung  zur  besten  Blüte  sich  entfalten. 

Von  dieser  Überzeugung  durchdrungen,  habe  ich  auch  dies 
Buch  geschrieben,  indem  es  die  Theorie  weiteren  Kreisen  zugäng- 
lich zu  machen  sucht,  die  sich  nicht  mit  dem  zum  Teil  zeitraubenden 
Studium  der  Originalarbeiten  befassen  wollen.  Auf  Vollständig- 
keit, wie  sie  das  ausgezeichnete  Lehrbuch  von  Mascart  oder  Winkel- 
manns Handbuch  erstreben,  kann  ich  dabei  keinen  Anspruch  machen; 
ich  habe  manche  interessante  und  wichtige  Gebiete  optischer 
Forschung  der  Kürze  halber  nicht  behandelt.  Meine  Absicht  ist 
hier  erreicht,  wenn  diese  Blätter  den  Leser  in  der  Ansicht  be- 
stärken, daß  die  Optik  nicht  ein  altes,  abgearbeitetes  Gebiet 
der  Physik  ist,  sondern  daß  auch  hier  frisches  Leben  pulsiert,  zu 
dessen  weiterer  Ernährung  beizutragen  für  jeden  einzelnen  lockend 
sein  muß. 

Herr  stud.  F.  Kiebitz  hat  mich  beim  Lesen  der  Korrekturen 
wirksam  unterstützt. 

Leipzig,  Januar  1900. 


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Vorwort  zur  zweiten  Auflage. 


In  den  sechs  Jahren,  welche  seit  Erscheinen  der  ersten  Auf- 
lage dieses  Buches  verstrichen  sind,  hat  sich  in  der  ganzen  Physik 
durch  die  experimentelle  und  theoretische  Ausbildung  der  Elektro- 
nenlehre eine  rapide  Entwickelung  vollzogen,  wie  sie  wohl  bisher 
einzig  dasteht.  Auch  in  der  Optik  ist  naturgemäß  dieser  Fortschritt 
bemerklich  in  den  Kapiteln,  welche,  wie  die  Dispersion  der  Körper, 
und  die  magnetische  Aktivität,  auf  der  Ionen-Hypothese  aufgebaut 
sind.  Der  Fortschritt  liegt  dabei  wesentlich  im  Ersatz  der  Ionen- 
Hypothese  durch  die  Elektronen-Hypothese,  das  heißt  durch  die  Er- 
kenntnis, daß  aus  gewissen  optischen  Erscheinungen  dieselben  uni- 
versellen charakteristischen  Konstanten  abgeleitet  werden  können, 
die  auch  bei  Kathodenstrahlen  und  überhaupt  freien  Elektronen 
auftreten.  Diesen  Fortschritt  habe  ich  in  den  betreffenden  Ka- 
piteln in  dieser  neuen  Auflage  kurz  zur  Darstellung  zu  bringen 
gesucht  —  Im  Kapitel  über  natürliche  Aktivität  ist  die  Aufstellung 
der  Grundgleichungen  auch  verbessert,  entsprechend  den  hier  ge- 
machten Fortschritten.  —  Der  größte  Fortschritt  ist  aber  wohl 
zweifellos  im  Gebiete  der  Strahlung  zu  verzeichnen,  wo  es  Planck 
gelungen  ist,  nicht  nur  ein  experimentell  gut  bestätigtes  Strah- 
lungsgesetz für  schwarze  Körper  zu  gewinnen,  sondern  auch  eine 
zahlenmäßige  Berechnung  des  elektrischen  Elementarquantums  und 
der  absoluten  Masse  der  Gasmoleküle  aus  den  Strahlungskonstanten. 
Wenn  ich  auch  darauf  verzichten  mußte,  eine  Ableitung  dieser 
Planckschen  Formel  zu  geben,  zumal  diese  Aufgabe  auch  seit  Er- 
scheinen der  Planck'schen  Vorlesungen  über  die  Theorie  der  Wärme- 
strahlung völlig  unnötig  ist,  so  habe  ich  doch  kurz  außer  den 
Resultaten  auch  den  Gedankengang  zu  skizzieren  gesucht,  weil  er 
mir  von  allgemeinem  Interesse  zu  sein  scheint  auch  für  einen  Leser, 


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VIII  Vorwort  zur  zweiten  Auflage.  —  Nachwort. 

der  in  das  mathematische  Detail  nicht  eindringen  will.  —  In  den 
übrigen  Kapiteln  besonders  der  physikalischen  Optik,  habe  ich  an 
einigen  Stellen  Fortschritte  und  Zitate  neuerer  Literatur  aufge- 
nommen, aber  diese  machen  auf  Vollständigkeit  keinen  Anspruch, 
da  der  Charakter  des  Buches  der  eines  kurz  gefaßten  Lehrbuches 
bleiben  sollte,  das  zum  weiteren  Studium  der  ausführlichen  Hand- 
bücher und  der  Original-Literatur  vorbereiten  und  anregen  soll. 

Dem  bei  einer  Besprechung  der  I.Auflage  geäußerten  Wunsche 
folgend,  habe  ich  dieser  2.  Auflage  ein  kurzes  Sachregister  zuge- 
fügt. 

Den  Herren  Dr.  Kiebitz  und  Dr.  Bode  bin  ich  zu  großem  Danke 
verpflichtet  für  die  Hilfe  bei  den  Korrekturen  und  dem  Register. 

Berlin,  den  27.  Juni  1906. 


Nachwort 


Die  vorliegende  zweite  Auflage  von  Paul  Drudes  Lehrbuch 
der  Optik  lag  im  Manuskript  fertig  vor,  als  am  5.  Juli  1906  ein 
verborgenes  seelisches  Leiden,  hervorgerufen  durch  seine  auf- 
reibende Tätigkeit,  den  groß  denkenden,  warm  empfindenden  und 
edel  handelnden  Gelehrten  an  sich  selbst  verzweifeln  und  seinem 
blühenden  Leben  ein  erschütterndes  Ende  setzen  ließ.  Das  Buch 
war  damals  zur  Hälfte  gedruckt;  es  war  den  Assistenten  des  Ver- 
fassers eine  Pflicht  des  Dankes  und  der  Verehrung,  für  die  wort- 
getreue Beendigung  der  Drucklegung  einzustehen. 

Möge  diesem  Buche  außer  seinem  wissenschaftlichen  Inhalt 
auch  Drudes  glückliche  Art,  wissenschaftliche  Probleme  aufzufassen 
und  zu  behandeln,  bleibenden  Wert  verleihen,  und  möge  es  jeden 
Leser  etwas  von  dem  Geiste  empfinden  lassen,  der  ihn  zu  seiner 
Lehrtätigkeit  begeistert  hat,  der  ihn  den  Gipfel  wissenschaftlichen 
Forschens  und  Erkennens  in  der  Veredelung  der  Lebensauffassung 
und  Lebensführung  erblicken  ließ. 

Franz  Kiebitz. 


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Inhaltsverzeichnis. 


Geometrische  Optik. 

Kapitel  I. 
Die  Fundamentalgesetze. 

Seite 

1.  Direkte  ErfahniDgen 4 

2.  Satz  vom  ausgezeichneten  Lichtweg 9 

3.  Der  Satz  von  Malus 13 

Kapitel  IL 
Geometrisclie  Theorie  der  optischen  Abbildung. 

1.  Begriff  des  optischen  Bildes 15 

2.  Allgemeine  Abbildungsformeln 16 

3.  Zentrierte  Abbildung 18 

4.  Konstruktionen  konjugierter  Punkte 24 

5.  Charakterisierung  der  verschiedenen  Gattungen  von  Abbildungen .    .  25 

6.  Teleskopische  Abbildung 26 

7.  Kombination  mehrerer  Abbildungen 27 

Kapitel  III. 
Physiltalische  HersteUung  der  optischen  Abbildung. 

1.  Brechung  an  einer  Kugelfläche 31 

2.  Reflexion  an  einer  Kugelfläche 35 

3.  Linsen 38 

4.  Dünne  Linsen 40 

5.  Experimentelle  Bestimmung  der  Brennweite 42 

6.  Astigmatische  Abbildung 44 

7.  Die  Erweiterung  der  Abbildungsgrenzen 49 

8.  Sphärische  Abberration 51 

9.  Der  Sinus-Satz , 55 

10.  Abbildung  großer  Flächen  durch  enge  Büschel 59 

11.  Die  chromatischen  Abweichungen  in  dioptrischen  Systemen  ....  62 

Kapitel  IV. 

über  Strahlenbegrenzung  und  die  Ton  ihr  abhängige 
Lichtwirkung. 

1.  Eintrittspupille  und  Austrittspupille 67 

2.  Telezentrischer  Strahlengang 69 


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X  Inhalte  Verzeichnis. 

Seite 

3.  Gesichtsfeld 70 

4.  Photometrische  Grundsätze 71 

6.    Die  Intensität  und  Beleuchtungsstärke  optischer  Bilder 78 

6.  Die  subjektive  Helligkeit  optischer  Bilder 80 

7.  Die  Helligkeit  punktförmiger  Lichtquellen 84 

8.  Die  Bedeutung  der  Apertur   fQr  die  Leistungsfähigkeit  optischer 

Instrumente 85 

Kapitel  V. 
Optische  Instrumentei 

1.  Photographische  Systeme 86 

2.  Die  Lupe 88 

3.  Das  Mikroskop 90 

a)  Allgemeines 90 

b)  Das  Objektiv 91 

c)  Das  Okular 92 

d)  Der  Kondensor 95 

e)  Der  Strahlengang 95 

f)  Die  Vergrößerung 96 

g)  Die  Leistungsfähigkeit 97 

h)  £bq>erimentelle  Bestimmung  der  Vergrößerung  und  der  nume- 
rischen Apertur 98 

4.  Das  astronomische  Femrohr 99 

ö.    Das  holländische  Femrohr 101 

6.  Das  terrestrische  Femrohr 103 

7.  Prismendoppelfemrohre  von  C.  Zeiß 103 

8.  Spiegelteleskope 104 


Physikalische  Optik. 

I.  Abschnitt 

Allgemeine  Eigenschaften  des  Lichtes. 

Kapitel  L 
Die  Fortpflanznngsgeschwindigkeit  des  Lichtes. 

1.  Methode  von  Romer 107 

2.  Methode  von  ßradley 108 

3.  Methode  von  Fizeau 109 


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InhaltsTerzeichiiis.  XI 

Seite 

4.  Methode  von  Foucault 111 

5.  '  Abhängigkeit  der  Lichtgeschwindigkeit  vom  Medium  und  der  Farbe  113 

6.  Die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  einer  Wellengruppe 114 

Kapitel  ü. 
Interferenz  des  Lichtes. 

1.  Allgemeines 116 

2.  Hypothesen  über  die  Natur  des  Lichtes 116 

3.  Der  Fresnelsche  Spi^elversuch 122 

4.  Modifikationen  des  Fresnelschen  Spiegelversuches 126 

5.  Newtonsche  Binge  und  Farben  dünner  Blättchen 128 

■6.    Achromatisierung  der  Interferenzstreifen 135 

7.  Der  Interferentialrefraktor 136 

8.  Interferenzen  bei  hohen  Qangunterschieden 139 

9.  Stehende  Lichtwellen 147 

10.    Photographie  in  natürlichen  Farben 148 

Kapitel  IIL 
Das  Hnygenssehe  Prinzip. 

1.  Das  Huygenssche  Prinzip  in  seiner  ersten  Fassung 151 

2.  Verbesserung  des  Huygensschen  Prinzips  durch  Fresnel  .....  154 

3.  Die  Differentialgleichung  für  die  Lichterregung 160 

4.  Ein  mathematischer  Hilfösatz 163 

5.  Zwei  allgemeine  Formeln 164 

ß.    Strenge  Formulierung  des  Huygensschen  Prinzips 168 

Kapitel  IV. 
Beugung  des  Lichtes* 

1.  Allgemeine  Behandlung  der  Beugungserscheinungen 174 

2.  Fresnelsche  Beugungserscheinungen 176—200 

3.  Fresnelsche  Integrale 177 

4.  Beugung  am  geradlinigen  Bande  eines  Schirmes 180 

5.  Beugung  durch  einen  schmalen  Spalt 185 

6.  Beugung  durch  einen  schmalen  Schirm 188 

7.  Strenge  Behandlung  der  Beugung   am   geradlinigen  Bande   eines 

Schirmes 190 

8.  Fraunhofersche  Beugungserscheinungen 200 — 227 

9.  Beugung  durch  ein  Rechteck 201 

10.  Beugung  durch  ein  schiefwinkliges  Parallelogramm 203 

11.  Beugung  durch  einen  Spalt 203 


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XII  Inhaltsverzeichnis. 

Seite 

12.  Beliebige  Grestalt  der  Beugungsoffnung 205 

13.  Mehrere  gleichgestaitete  und  gleichorientierte  Beugungsöffnungen    .  205 

14.  Das  Babinetsche  Theorem 207 

15.  Beugungsgitter 208 

10.    Konkavgitter 211 

17.  Brennpunktseigenschaften  ebener  Gitter 213 

18.  Das  Auflösungsvermögen  eines  Gitters 213^ 

19.  Michelsons  Glasplattenstaffeln 214 

20.  Das  Auflösungsvermögen  eines  Prismas 218 

21.  Die  Leistungsgrenze  eines  Femrohrs 220 

22.  Die  Leistungsgrenze  des  menschlichen  Auges 221 

23.  Die  Leistungsgrenze  des  Mikroskops 221 

24.  Zerstreuung  des  Lichtes  durch  trübe  Medien 22& 

Kapitel  V. 
Polarisation. 

1.  Polarisation  durch  Doppelbrechung 228 

2.  Das  Nicoische  Prisma 230 

3.  Andere  Herstellung  polarisierten  Lichtes 231 

4.  Interferenz  polarisierten  Lichtes 233- 

5.  Die  mathematische  Darstellung  der  Lichterregung  im  polarisierten 

Licht 23a 

6.  Stehende  Wellen  durch  schief  einfallendes  polarisiertes  Licht .    .    .  237 

7.  Lage  des  maßgebenden'  Lichtvektors  in  Kristallen 23& 

8.  Das  natürliche  und  teilweise  polarisierte  Licht 23^ 

9.  Experimentelle  Untersuchung  elliptisch  polarisierten  Lichtes   .    .    .  241 


IL  Abschnitt. 

Optische  Eigenschaften  der  Korper. 

Kapitel  L 
Theorie  des  Lichtes. 

1.  Mechanische  Theorie 245 

2.  Elektromagnetische  Theorie 24d 

3.  Die  Definition  der  elektrischen  und  der  magnetischen  Kraft    .    .    .  247 

4.  Definition   des   elektrischen    Stromes   nach    elektrostatischem   und 

elektromagnetischem  Maße 240 

5.  Definition  des  magnetischen  Stromes .    .  251 

6.  Das  Vacuum  (der  freie  Äther) 253 

7.  Isotroper  Isolator 254 

8.  Die  Grenzhedingungen 25ö 

9.  Die  Energie  des  elektromagnetischen  Feldes 258 

10.    Die  Lichtstrahlen  als  Strömungslinien  der  Energie 258 


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Inhaltsverzeichnis.  XIII 

Kapitel  IL 
Darchsichtige  isotrope  Körper. 

Seite 

1.  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  des  Lichtes 259 

2.  Trans versalität  ebener  Wellen 263 

3.  Reflexion  und  Brechung  an  der  Grenze  durchsichtiger  isotroper  Körper  264 

4.  Senkrechte  Inzidenz.    Stehende  Wellen 269 

5.  Polarisation  natürlichen  Lichtes  beim  Durchgang  durch  einen  Platten- 

satz 270 

6.  Experimentelle  Prüfung  der  Theorie 271 

7.  Elliptische  Polarisation  des  reflektierten  Lichtes  erklärt  durch  Ober- 

flächen- oder  Übergangsschichten 272 

8.  Total-Reflexion 280 

9.  Über  das  bei  der  Totalreflexion  in  das  zweite  Medium  eindringende 

Licht 284 

10.  Benutzung  der  Totalreflexion  zur  Bestimmung  von  Brechungsexpo- 

nenten      287 

11.  Intensität  der  Newtonschen  Kinge 287 

12.  Inhomogene  Körper;  krumme  Lichtstrahlen 291 

Kapitel  III. 
Optische  Eigenschaften  durchsichtiger  Kristalle. 

1.  Difierentialgleichungen  und  Grenzbedingungen 203 

2.  Lichtvektor  und  Lichtstrahl 296 

3.  Das  Fresnelsche  Gesetz  für  die  Lichtgeschwindigkeit 299 

4.  Die  Lage  der  Lichtschwingungen 301 

5.  Die  Normalenfläche 302 

6.  Geometrische  Konstruktion  der  Wellenfläche  und  der  Schwingungs- 

richtung       305 

7.  Einachsige  Kristalle 307 

8.  Bestimmung  der  Richtung  des  Lichtstrahls  aus  der  Wellennormale  308 

9.  Die  Strahlenfläcbe    . 310 

10.  Konische  Refraktion 315 

11.  Durchgang  des  Lichtes  durch  Kristallplatten  und  Kristallprismen   .  319 

12.  Totalreflexion  an  Kristallplatten 323 

13.  Partielle  Reflexion  an  einer  Kristallplatte 327 

14.  Interferenzerscheinungen  von  Kristallplatten  im  senkrecht  einfallen- 

den» polarisierten  Lichte 327 

15.  Interferenzerscheinungen  von  Kristallplatten  in  konvergent  einfallen- 

dem, polarisiertem  Lichte 331 


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XIV  Inhaltsverzeichiiis. 

Kapitel  IV. 
Absorbierende  Körper. 

Seit» 

1.  Elektromagnetische  Theorie 338 

2.  Reflexion  an  Metallen S42 

3.  Die  optischen  Eonstanten  der  Metalle 346 

4.  Absorbierende  Kristalle 349 

5.  Interferenzerscheinungen  in  absorbierenden  zweiachsigen  Kristallen  355 

6.  Interferenzerscheinungen  in  absorbierenden  einachsigen  Kristallen  .  360 

Kapitel  V. 
Die  Dispersion  der  Körper. 

1.  Theoretische  Grundlage 362 

2.  Vervollständigung  der  Theorie 368 

3.  Normale  Dispersion 371 

4.  Berechnung  der  Elektronen-Konstanten  aus   der  Dispersion.    Be- 

ziehung der  Elektronenzahl  zur  chemischen  Valenz 376 

5.  Abhängigkeit  des  Brechungsindex  von  der  Dichte 380 

6.  Anomale  Dispersion 381 

7.  Die  Dispersion  der  Metalle 385 

Kapitel  VI. 
Natfirlieli-aktiye  Korper. 

1.  Allgemeine  Grundlage 388 

2.  Isotrope  Körper 381> 

3.  Die  Drehung  der  Polarisationsebene 394 

4.  Kristalle 397 

5.  Die  Dispersion  der  Rotationspolarisation 401 

6.  Absorbierende  aktive  Körper 404 

Kapitel  VII. 
HagnetisciL-aktiye  Korper. 

A.  Hypothese  der  Molekularströme. 

1.  Allgemeine  Grundlage 406 

2.  Herleitung  der  Differentialgleichungen 409 

3.  Die  magnetische  Drehung  der  Polarisationsebene 413 

4.  Die  Dispersion  der  magnetischen  Eotationspolarisation 417 

5.  Magnetisierung  senkrecht  zu  den  Lichtstrahlen 420 

B.  Hypothese  des  Halleffektes. 

1.  Allgemeine  Grundlage 420 

2.  Herleitung  der  Differentialgleichungen 422 

3.  Lichtstrahlen  parallel  zur  Magnetisierung 423 


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Inhaltsyerzeichnis.  XV 

Seite 

4.  Die  Dispersion  der  magnetiBchen  Drehung  der  Polarisationsebene  .  425 

5.  Die  Wellenlänge  liegt  nahe  bei  einer  Eigenwellenlänge 428 

6.  Lichtstrahlen  senkrecht  zur  Magnetisierung 431 

7.  Die  Wellenlänge  liegt  nahe  bei  einer  Eigenwellenlänge 432 

a    Der  Zeemann-Effekt 434 

9.    Die  magnetooptischen  Eigenschaften  von  Eisen,  Nickel,  Kobalt  .    .  437 

a)  durchgehendes  Licht 438 

b)  reflektiertes  Licht  (Kerrsches  Phänomen) 440 

10.    Die  Wirkungen  des  magnetischen  Feldes  der  Lichtstrahlen     .    .    .  440 

Kapitel  VIIL 
Bewegte  Körper. 

1.  Allgemeine  Grundlage      445 

2.  Die  Differentialgleichungen  des  elektromagnetischen  Feldes  in  bezug 

auf  ein  festes  Koordinatensystem 445 

3.  Die  Lichtgeschwindigkeit  im  bewegten  Körper 451 

4.  Die  Differentialgleichungen  und  Grenzbedingungen  des  elektromag- 

netischen Feldes  in  bezug  auf  ein  bewegliches  Koordinatensystem, 

welches  mit  dem  bewegten  Körper  fest  verbunden  ist 453 

5.  Die  Bichtung  des  Lichtstrahls',  ermittelt  nach  dem  Huygensschen 

Prinzip 456 

6.  Ersetzung  der  absoluten  Zeit  durch  eine  Art  Ortszeit 457 

7.  Die  Unabhängigkeit  des  relativen  Strahlenganges  von  der  Bewegung  458 

8.  Die  Erde  als  bewegtes  System 459 

9.  Die  Aberration  des  Lichtes 461 

10.  Der  Polarisationsversuch  von  Fizeau 462 

11.  Der  Interferenzversuch  Michelsons 463 


IIL  Abschnitt 

Die  Strahlimg  der  Körper. 


Kapitel  L 
Die  Strahlnng  in  energetischer  Deutung. 

1.  Das  Emissionsvermögen 469 

2.  Die  Strahlungsintensität  einer  Fläche 470 

3.  Das  mechanische  Äquivalent  der  Lichteinheit 471 

4.  Die  Sonnenstrahlung 472 

5.  Der  Wirkungsgrad  einer  Lichtquelle 473 

6.  Der  Druck  der  Strahlung 474 

7.  Prevosts  Theorie  des  Wärmeaustausches 477 


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XVI  Inhaltsverzeichnis. 

Kapitel  11. 

Anwendung  des  zweiten  Hauptsatzes  der  Thermodynamik 
auf  reine  Temperaturstrahlung. 

Seite 

1.  Die  beiden  Hauptsätze  der  Thermodynamik 478 

2.  Teraperaturstrahlong  und  Luminiszenz 480 

3.  Das   Emissionsvermögen  eines  vollkommen   spi^elnden   oder  voll- 

kommen durchsichtigen  Körpers  ist  Null 481 

4.  Kirchhofs  Gesetz  über  den  Zusammenhang  der  Emission  mit  der 

Absorption 482 

5.  Folgerungen  aus  dem  Kirchhoffschen  Gesetz 485 

6.  Die  Abhängigkeit  der  Strahlungsintensität  vom  Brechungsindex  der 

Umgebung 488 

7.  Der  Sinussatz  bei  der  optischen  Abbildung  von  Flächenelementen .  492 

8.  Die  absolute  Temperatur 493 

9.  Die  Entropie :    ....  496 

10.  Allgemeine  Formeln  der  Thermodynamik 497 

11.  Die  Abhängigkeit  der  Gesamtstrahlung  eines  schwarzen  Körpers 

von  seiner  absoluten  Temperatur 498 

12.  Die  Sonnentemperatur,  erschlossen  aus  ihrer  Gesamtstrahlung    .    ,  502 

13.  Die  Veränderung  des  Spektrums  eines  schwarzen  Körpers  mit  der 

Temperatur  (Wiensches  Verschiebungsgesetz) 503 

14.  Die  Sonnentemperatur,  erschlossen  aus  der  Energieverteilung  des 

Sonnenspektrums 509 

15.  Die  Verteilung  der  Energie  im  Spektrum  eines  schwarzen  Körpers  510 

Kapitel  III. 
Das  Leuehten  der  Oase  und  Dämpfe. 

1.  Unterscheidung  der  Luminiszenz  und  Temperaturstrahlung      .    .    .  520 

2.  Die  Elektronenhypothese 521 

3.  Die   Dämpfung   der   Elektronenschwingungen    durch    ihre   eigene 

Strahlung 525 

4.  Die  Strahlung  der  Elektronen  bei  äußerer  Einstrahlung 526 

5.  Über  Fluoreszenz 527 

6.  Die  Verbreiterung  der  Spektrallinien  nach  dem  Dopplerschen  Prinzip  528 

7.  Andere  Ursachen  zur  Verbreiterung  der  Spektrallinien 532 


Sachregister 534 


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GEOMETRISCHE  OPTIK. 


Dmde,  Lehrbach  d.  Optik,   2.  Aufl. 


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Es  gibt  ein  großes  Gebiet  von  Lichterscheinungen,  —  und 
darunter  befinden  sich  gerade  diejenigen,  welche  die  weitgehendste 
praktische  Anwendung  gefunden  haben,  —  die  auf  vier  Fundamen- 
talgesetzen des  Lichtes  beruhen.    Diese  sind: 

1.  die  geradlinige  Ausbreitung  des  Lichtes, 

2.  die  Unabhängigkeit  der  Teile  eines  Lichtbündels  voneinander, 

3.  das  Eeflexionsgesetz, 

4.  das  Brechungsgesetz. 

Diese  vier  Gesetze  bieten  sich  als  Erfahrungstatsachen  der 
Beobachtung  leicht  dar. 

Wenn  man  sie  zum  Ausgangspunkt  der  Betrachtung  macht, 
ohne  andere  Eigenschaften  des  Lichtes  in  Eücksicht  zu  ziehen,  so 
erhält  man  Aufschluß  über  gewisse  geometrische  Beziehungen 
bei  den  Lichterscheinungen,  da  jene  vier  Fundamentalgesetze  sich 
ebenfalls  nur  auf  geometrische  Bestimmungen  der  Lichtausbreitung 
beziehen.  Jene  Fundamentalgesetze  bilden  daher  die  ausreichende 
Grundlage  für  die  sogenannte  geometrische  Optik,  und  man 
braucht  zum  folgerichtigen  Aufbau  derselben  keine  besonderen 
Hypothesen  heranzuziehen,  welche  näher  auf  die  Natur  des  Lichtes 
eingehen. 

Im  Gegensatz  zur  geometrischen  Optik  steht  die  physikalische 
Optik,  welche  andere  als  rein  geometrische  Eigenschaften  des 
Lichtes  behandelt,  und  welche  näher  auf  das  physikalische  Ver- 
halten der  verschiedenen  Körper  gegenüber  den  Lichterscheinungen 
eingeht  Zur  bequemen  Zusammenfassung  der  großen  Mannig- 
faltigkeit dieser  Erscheinungen  hat  man  mit  bestem  Erfolge  be- 
sondere Hypothesen  über  die  Natur  des  Lichtes  ersonnen. 

Vom  Standpunkte  der  physikalischen  Optik  aus  erscheinen  die 
vier  angeführten  Fundamentalgesetze  der  geometrischen  Optik  nur 
als  allerdings  meist  sehr  weitgehende  Annäherungsgesetze.  Es  läßt 
sich  aber  wohl  angeben,  welches  der  Gültigkeitsbereich  der  geo- 
metrischen Optik  ist,  d.  h.  unter  welchen  Umständen  ihre  Folge- 
rungen von  der  Wirklichkeit  eine  merkbare  Abweichung  besitzen. 

1* 


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4  Kapitel  I. 

An  diesem  Umstände  muß  man  stets  festhalten,  wenn  man  in 
der  geometrischen  Optik  sich  nicht  auf  einem  Übungsfelde  der 
reinen  Mathematik,  sondern  in  einer  wirklich  physikalischen  Diszi- 
plin bewegen  will.  Die  wirklich  vollständige  Theorie  der  optischen 
Instrumente  läßt  sich  nur  vom  Standpunkt  der  physikalischen 
Optik  aus  entwickeln. 

Da  aber,  wie  schon  vorhin  bemerkt  wurde,  die  Gesetze  der 
geometrischen  Optik  in  den  meisten  Fällen  eine  sehr  große  An- 
nähemng  an  die  Wirklichkeit  besitzen,  so  erscheint  es  gerecht- 
fertigt, zunächst  diese  geometrisch-optischen  Gesetze  bis  zu  ihren 
Konsequenzen  in  komplizierteren  Fällen,  wie  sie  z.  B.  in  den  optischen 
Instrumenten  vorhanden  sind,  zu  entwickeln. 

/ 


Kapitel  I. 

Die  Fnndamentalgesetze. 

1.  Direkte  Erfahiaingen.  Unter  den  direkten  Erfahrungen 
sollen  die  vier  eben  angeführten  Grundgesetze  verstanden  werden. 

Die  geradlinige  Ausbreitung  des  Lichtes  wird  bewiesen 
durch  den  Schatten,  den  eine  kleine  (punktförmige)  Lichtquelle  P 
von  einem  undurchsichtigen  Gegenstande  auf  einem  Schirme  ä  ent- 
wirft. Hat  der  undurchsichtige  Gegenstand  ein  Loch  L,  so  findet 
man  die  Schattengrenze  auf  dem  Schirme  S  als  Durchschnitt  von 
S  mit  einem  Kegel,  dessen  Spitze  in  der  Lichtquelle  P  liegt,  und 
dessen  Mantel  durch  die  Umgrenzung  des  Loches  L  geht. 

Wenn  man  das  Loch  L  kleiner  macht,  so  zieht  sich  die  Schatten- 
grenze auf  dem  Schirme  S  zusammen.  Sie  wird  aber  unscharf, 
wenn  das  Loch  L  sehr  klein  (unter  1  mm  etwa)  wird;  nach  Punkten 
des  Schirmes  S^  welche  innerhalb   des  geometrischen  Schattens 


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Die  FuDdamentalgesetze.  5 

liegen,  gelangt  noch  Licht  von  der  Quelle  P.  Es  ist  zwar  zu  be- 
rücksichtigen, daß  eine  streng  punktförmige  Lichtquelle  P  nie 
herzustellen  ist,  und  daß  schon  wegen  der  Ausdehnung  der  Quelle  P 
die  Schattengrenze  keine  absolut  scharfe  sein  kann,  auch  wenn 
sich  das  Licht  geradlinig  ausbreitet  (Kernschatten  und  Halbschatten). 
Indes  ist  bei  einem  sehr  kleinen  Loche  L  (von  etwa  Vio  nim  Größe) 
die  Lichtausbreitung  hinter  L  auf  dem  Schirme  S  so  weit,  daß 
sicher  in  diesem  Falle  keine  geradlinige  Ausbreitung  des 
Lichtes  vorliegt. 

Dieselben  Resultate  erhält  man,  wenn  man  die  Lichtausbreitung 
anstatt  mit  Hilfe  eines  Loches  L  in  einem  undurchsichtigen  Gegen- 
stande durch  den  Schatten  studiert,  den  ein  undurchsichtiger  Gegen- 
stand S'  auf  dem  Schinne  S  entwirft.  Ist  S'  genügend  klein,  so 
findet  keine  geradlinige  Ausbreitung  des  Lichtes  von  P  aus  statt. 
Man  muß  also  daran  festhalten,  daß  das  Gesetz  von  der  gerad- 
linigen Ausbreitung  des  Lichtes  nur  dann  gilt,  wenn  die  freien 
Öffnungen,  durch  welche  das  Licht  hindurchtritt,  oder  die  Schirme, 
welche  den  Durchtritt  des  Lichtes  verhindern,  nicht  zu  klein  sind. 

Um  die  Ausbreitung  des  Lichtes  von  einer  Quelle  P  aus  nach 
einem  Schirme  S  hin  anschaulich  zu  bezeichnen,  pflegt  man  zu 
sagen,  daß  P  Lichtstrahlen  nach  S  entsende.  Der  Weg  eines 
Lichtstrahles  wird  dadurch  definiert,  daß  seine  Wirkung  auf  S 
nur  durch  ein  Hindernis  abgeschnitten  wird,  welches  auf  der  Bahn 
des  Lichtstrahls  selbst  liegt.  Bei  geradliniger  Ausbreitung  des 
Lichtes  sind  also  auch  die  Lichtstrahlen  gerade,  z.  B.  wenn  das 
Licht  sich  von  P  aus  durch  ein  nicht  zu  kleines  Loch  L  eines 
undurchsichtigen  Gegenstandes  ausbreitet.  In  diesem  Falle  pflegt 
man  zu  sagen,  daß  P  ein  Bündel  gerader  Lichtstrahlen  durch  L 
hindurchsende. 

Da  bei  Verkleinerung  von  L  die  Lichtwirkung  auf  einem 
Schirme  S  sich  so  darstellt,  als  ob  für  gewisse,  von  P  ausgesandte 
Lichtstrahlen  die  Wirkung  auf  S  einfach  aufgehoben  ist,  während 
sie  für  die  anderen  Lichtstrahlen  unverändert  geblieben  ist,  so 
sind  die  Teile  eines  Lichtbündels  unabhängig  von  ein- 
ander. 

Auch  dieses  Gesetz  besteht  nicht  mehr,  wenn  die  Verkleinerung 
des  Loches  L  zu  weit  geht.  Dann  hört  aber  überhaupt  der  Begriff 
der  geraden,  von  P  fortgepflanzten  Lichtstrahlen  auf. 

Die  Lichtstrahlen  sind  also  ein  zweckmäßig  eingeführter  Be- 
griff, man  kann  aber  nicht  einen  einzelnen  Lichtstrahl  isolieren  und 


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6  Kapitel  I. 

seine  physikalische  Existenz  nachweisen.  Denn  je  mehr  man  dorch    • 
Verengerung  eines  Lichtstrahlenböndels  diesem  Ziele  zustrebt  um 
so  weniger  breitet  sich  das  Licht  geradlinig  aus  und  um  so  mehr 
verliert  der  Begriff  der  Lichtstrahlen  seine  physikalische  Bedeutung. 

Wenn  die  Homogenität  des  Raumes,  in  welchem  sich  die 
Lichtstrahlen  befinden,  gestört  wird  durch  einen  eingelagerten 
Körper,  so  erfahren  die  Lichtstrahlen  an  seiner  Oberfläche  plötz- 
liche Richtungsänderungen:  der  Lichtstrahl  spaltet  sich  in  zwei, 
einen  reflektierten  und  einen  gebrochenen  StrahL  —  Ist  die  Ober- 
fläche des  Körpers,  welche  von  dem  Lichtstrahl  getroffen  wird,  eine 
Ebene,  so  nennt  man  die  durch  die  Normale  N  dieser  Ebene  und 
den  Lichtstrahl  gelegte  Ebene  die  Einfallsebene,  den  Winkel 
zwischen  jenen  beiden  Richtungen  den  Einfallswinkel  (^). 

Es  bestehen  die  Gesetze:  Der  reflektierte  und  der  ge- 
brochene Strahl  liegen  ebenfalls  in  der  Einfallsebene,  der 
Reflexionswinkel  (Winkel  zwischen  X  und  reflektiei-tem  Strahl) 
ist  gleich  dem  Einfallswinkel,  der  Brechungswinkel  9?' 
(Winkel  zwischen  N  und  gebrochenem  Strahl)  steht  mit  dem 
Einfallswinkel  9?  in  der  Beziehung: 

wobei  n  für  eine  bestimmte  Farbe  des  Lichtes  eine  Konstante  ist, 
und  der  Brechungsexponent  (oder  Brechungsindex)  des  Körpers 
gegen  seine  Umgebung  genannt  wird.  —  Wenn  nichts  anderes  be- 
merkt ist,  wollen  wir  unter  n  den  Brechungsexponenten  gegen  Luft 
verstehen.  —  Für  alle  gut  durchsichtigen,  flüssigen  und  festen 
Körper  ist  derselbe  größer  als  1. 

Ist  ein  Körper  Ä  durch  eine  dünne,  planparallele  Platte  eines 
anderen  Körpers  B  von  der  Luft  getrennt,  so  wird  das  Licht  an 
beiden  Grenzflächen  der  Platte  gebrochen  entsprechend  der  Formel 
(1)  nach  den  Gesetzen: 


sin  w  sin  tp 

— — -r  =  Hb.   — — -ft  =  Hab, 

sm  (f  '  stn  <p  ' 


wobei  q>  den  Einfallswinkel  des  Lichtes  in  Luft,  q)  den  Brechungs- 
winkel im  Körper  B,  q)"  den  Brechungswinkel  im  Körper  A,  m 
den  Brechungsexponenten  von  B  gegen  Luft,  nab  den  Brechungs- 
index von  A  gegen  B  bedeutet    Es  ist  daher 


sin  <p 


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Die  Fundamentalgesetze.  7 

Wenn  die  Platte  des  Körpers  B  unendlich  dünn  wird,  so  bleibt 
diese  Formel  bestehen;  der  Fall  unterscheidet  sich  dann  aber  nicht 
mehr  von  dem  zuerst  betrachteten,  daß  eine  einfache  Brechung 
des  Lichtes  von  Luft  gegen  den  Körper  A  stattfindet.  Die  letzte 
Formel  liefert  also  durch  Vergleichung  mit  (1),  wenn  wir  den 
Brechungsindex  von  A  gegen  Luft  mit  ua  bezeichnen: 

na=  nh  '  flab, 

oder  (2) 

d.h.  der  Brechungsexponent  von -4  gegen  5  ist  gleich  dem 
Verhältnis  der  Brechungsexponenten  von  A  und  B  gegen 
Luft. 

Wenn  wir  den  Fall  betrachtet  hätten,  daß  eine  unendlich 
dünne  Platte  A  auf  dem  Körper  B  läge,  so  würden  wir  durch  die- 
selbe Schlußweise  erhalten: 

flba  =  nb  :  fla* 

Es  ist  also 

Hab  =  1  :  nbaj 

d.  h.  der  Brechungsindex  von  A  gegen  B  ist  gleich  dem 
reziproken  Werte  des  Brechungsindex  von  B  gegen  A. 

Das  Brechungsgesetz  (1)  erlaubt  daher  nun  den  Schluß,  daß 
man  auch  q>  als  Einfallswinkel  im  Körper,  g>  als  Brechungswinkel 
in  seiner  Umgebung  (Luft)  betrachten  kann,  d.  h.  daß  der  Sinn 
der  Lichtausbreitung  auch  ohne  Änderung  der  Strahlen- 
richtungen umgekehrt  werden  kann.  Bei  dem  Reflexions- 
gesetz ist  dies  Prinzip  der  ümkehrbarkeit  der  Lichtwege  ebenfalls 
gültig,  wie  hier  ohne  weiteres  ersichtlich  ist. 

Man  erhält  daher  das  Brechungsgesetz  (1)  beim  Übergang  des 
Lichtes  von  einem  Körper  A  zu  einem  Körper  B  oder  umgekehrt 
in  der  symmetrischen  Form: 

Ha  '  sin  q)a  =  nb '  sin  gpt,  (3) 

wobei  g)a  und  g)b  die  Winkel  des  Lichtstrahls  im  Körper  A  bezw.  B 
gegen  die  Normale  N  der  Trennungsfläche  bedeuten,  und  na  bezw. 
Hb  die  Brechungsexponenten  der  beiden  Körper  gegen  irgend  einen 
dritten  Vergleichskörper,  z.  B.  Luft,  oder  auch  gegen  den  luftleeren 
Eaum,  das  Vacuum. 

Was  letzteren  anbelangt,  so  unterscheidet  sich  der  Brechungs- 
exponent n  eines  Körpers  gegen  Luft  nur  sehr  wenig  von  dem 
Brechungsexponenten  no  gegen  das  Vacuum.    Nach  (2)  muß  sein: 

no  =  n  :  n\  (4) 


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S  Kapitel  I. 

wobei  n  den  Brechungsindex  des  Vacunms  gegen  Luft  bedeutet.  Der- 
selbe hat  bei  Atmosphärendruck  und  0  Grad  Temperatur  den  Wert 
(5)  n'=  1:1,00029. 

Nach  dem  Brechungsgesetz  (3)  gibt  es  zu  jedem  einfallenden 
Lichtstrahl  (gp«)  nur  dann  einen  gebrochenen  Strahl  (^6),  falls 
na  <  uh  ist.    Ist  das  Umgekehrte  der  Fall  (n«  >  nh),  so  wird  für 

(ö)  sin  9)a  >  - 

sin  9)5  >  1,  d.  h.  es  gibt  keinen  reellen  Brechungswinkel  9)6.  Dann 
tritt  an  der  Grenzfläche  keine  Brechung,  sondern  nur  Reflexion 
ein.  Im  reflektierten  Strahl  muß  jetzt  die  ganze  Wirkung  des  ein- 
fallenden Strahles  enthalten  sein;  daher  bezeichnet  man  diesen 
Fall  als  Totalreflexion. 

In  welcher  Weise  sich  in  den  anderen  Fällen  (partielle 
Reflexion)  die  Wirkung  des  einfallenden  Strahles  auf  den  reflek- 
tierten und  gebrochenen  Strahl  verteilt,  wird  in  der  physikalischen 
Optik  (im II.  Abschnitt,  Kapitel II)  näher  betrachtet  werden.  Hier  mag 
die  Bemerkung  genügen,  daß  im  allgemeinen  bei  durchsichtigen  Kör- 
pern der  gebrochene  Strahl  weit  mehr  Lichtwirkung  enthält,  als 
der  reflektierte.  Nur  bei  den  Metallen  findet  sich  in  letzterem  fast 
die  volle  Wirkung  des  einfallenden  Strahles.  Es  ist  übrigens  zu 
bemerken,  daß  bei  so  stark  undurchsichtigen  Körpern,  wie  den 
Metallen,  das  Reflexionsgesetz  wohl  bestehen  bleibt,  das  Brechungs- 
gesetz aber  in  der  Form  (1)  oder  (3)  nicht  mehr  gültig  ist.  Auch  dieses 
Süll  später  näher  betrachtet  werden  (im  II.  Abschnitt,  Kapitel  IV). 

Im  Licht  empfinden  wir  verschiedene  Qualitäten:  die  Farben. 
Der  Brechungsindex  hängt  von  der  Farbe  ab,  er  wird  (gegen  Luft 
gemessen)  bei  allen  gut  durchsichtigen  Körpern  größer  von  rot 
über  gelb  zu  blau.  Die  Ausbreitung  weißen  Lichtes  beim  Durch- 
gang durch  ein  Prisma  in  ein  Spektrum  beruht  auf  der  Änderung 
des  Brechungsindex  mit  der  Farbe.  Man  nennt  diese  Eigenschaft 
des  Körpers  seine  Dispersion. 

Ist  die  Oberfläche  eines  Körpers,  der  von  Lichtstrahlen  ge- 
troffen wird,  nicht  eben,  sondern  gekrümmt,  so  kann  man  trotz- 
dem die  Oberfläche  als  aus  sehr  kleinen  Stücken  von  Ebenen  (den 
Tangentialebenen)  zusammengesetzt  denken  und  den  Gang  der 
Lichtstrahlen  nach  den  obigen  Gesetzen  konstruieren.  Dieses  Ver- 
fahren ist  aber  nur  statthaft,  wenn  die  Krümmung  der  Oberfläche 
einen  gewissen  Betrag  nicht  übersteigt,  so  daß  wir  die  Fläche 
noch  als  eine  glatte  bezeichnen  können. 


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Die  Fundamentalgesetze. 


9 


Rauhe  Oberflächen  zeigen  unregelmäßige  (diffuse)  Reflexion 
und  Brechung,  sie  wirken  ähnlich  so,  als  ob  sie  selbst  Licht  aus- 
strahlen. 

Die  Grenzfläche  eines  Körpers  ist  überhaupt  nur  bei  diffuser 
Reflexion  oder  Brechung  sichtbar;  dagegen  ist  die  Oberfläche  eines 
vollkommenen  Spiegels  nicht  sichtbar,  man  sieht  nur  die  an  ihr 
reflektierten  Strahlen,  die  von  außerhalb  des  Spiegels  liegenden 
Lichtquellen  herrühren,  d.  h.  man  sieht  nur  die  letzteren. 

2.  Satz  vom  ausgezeichneten  Lichtweg.  Die  vorhin  an- 
geführten direkten  Erfahrungstatsachen  über  die  Richtung  der 
Lichtstrahlen  lassen  sich  gemeinsam  zusammenfassen  in  den  Satz 
vom  ausgezeichneten  Lichtweg.  Wenn  ein  Lichtstrahl  durch  eine 
beliebige  Anzahl  von  Reflexionen  und  Brechungen  von  einem  Punkte 
P  nach  einem  Punkte  P'  gelangt,  so  ist  die  Summe  der  Produkte 
aus  Brechungsexponent  je  eines  Mediums  und  der  in  ihm  durch- 
laufenen Strecke  Snl^  ein  Extremwert,  d.  h.  sie  weicht  von  der 
gleichen  Summe  für  alle,  dem  tatsächlichen  Wege  unendlich  be- 
nachbarten höchstens  um  Glieder  zweiter  Ordnung  ab.  Es  ist  also, 
wenn  wir  die  Änderung  erster 
Ordnung  durch  ein  vorgesetztes 
6  bezeichnen; 

d-rM/  =  0.  (7) 

Das  Produkt:  Brechungs- 
exponentmal durchlaufener  Weg 
wird  „Lichtweg"  öder  „optische 
Länge"  des  Strahles  genannt. 

Um  den  Satz  für  eine  ein- 
zelne Brechung  zu  beweisen, 
sei  POP'  der  tatsächliche  Gang 
des  Lichtes  (Figur  1).  OE  sei 
der  Durchschnitt  der  Einfalls- 
ebene PON  mit  der  Grenzfläche 
(Tangentialebene)  des  brechen- 
den Körpers.  O'  sei  ein  dem 
Punkte  0  unendlich  benachbarter  Punkt  in  der  Grenzfläche  des 
brechenden  Körpers,  und  zwar  möge  OCf  einen  beliebigen  Winkel 
^  mit  der  Einfallsebene,  d.  h.  der  Linie  OE^  einschließen.  Nun 
ist  zu  beweisen,  daß  bis  auf  Größen  der  zweiten  oder  höheren 
Ordnung 

n-  PO  +  n  '  OP'=^n'  PO'  +  n  -  O'P'  (8) 


Fig.  1. 


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10 


Ki^itel  L 


ist,  wenn  w  und  n  die  Brechungsexponenten  der  aneinander  gren- 
zenden Medien  bedeuten. 

Fällt  man  von  0  ein  Lot  OR  auf  PO'  und  ein  Lot  OR'  auf 
P'(/,  so  ist  bis  auf  Größen  zweiter  Ordnung: 

(9)  PC/=PO  +  R(y,    0'P'=OP^—0'R\ 
Ferner  ist  mit  derselben  Annäherung: 

(10)  RCf=  00'- cos  POCf,    aR'=  OCf  .cos  P' OÖ . 

Um  cos  POÖ  zu  berechnen,  wollen  wir  die  Richtungskosinus 
der  Strecken  PO  und  00'  in  bezug  auf  ein  rechtwinkliges  Achsen- 
kreuz hinschreiben,  als  das  wir  die  Richtungen  ON,  OE  und  OD 
wählen,  wobei  OD  senkrecht  zu  ON  und  OE  gedacht  ist.  Bezeich- 
net g)  den  Einfallswinkel  PON,  so  sind  die  Richtungskosinus  von 
PO  (die  Vorzeichen  lassen  wir  unberücksichtigt): 

PO  :    cos  q),  sin  9),  0, 
die  Richtungskosinus  von  00^: 

00'  \    0,  cos  &',  sin  &, 
Nach  einem  Satze  der  analytischen  Geometrie,  nach  dem  der 
Kosinus  des  Winkels  zwischen  zwei  beliebigen  Strecken  gleich 
der  Summe  der  Produkte  entsprechender  Richtungskosinus  der 

Strecken  gegen  ein  rechtwink- 
fP'  liges  Achsenkreuz  ist,  folgt: 

cos  POO'  =  sin  g) '  cos  ^, 
und  analog: 

cos  P'OO^  =  sin  g)'  •  cos  ^, 
falls  q/   den  Brechungswinkel 
bedeutet. 

Es  ist  daher  nach  (9)  und  (10): 
n'P0r+n'O'P'  =  n'  PO 
+  n  '  OÖ  -sing)' cos ^  +  n  •  OP' 
—  n  •  00'  •  sin  g)  •  cos  d-. 
Da    nun    aber    nach    dem 


P. 


Fig.  2. 


Brechungsgesetz  (3)  die  Relation  besteht: 

n  '  sin  g>  =  n  '  sin  g>\ 
so  ist  in  der  Tat  die  Relation  (8)  erfüllt  für  eine  beliebige  Lage 
des  Punktes  0',  falls  er  nur  unendlich  nahe  benachbart  ist  an  0. 
Für  eine  einzelne  Reflexion  läßt  sich  der  Satz  (7)  einfacher 
beweisen.    Derselbe  nimmt  hier  die  Form  an: 
(11)  6{P0+  OP'):=0, 


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Die  Fundamentalgesetze. 


11 


falls,  wie  in  Figur  2  gezeichnet  ist,  PO  und  OP'  den  tatsächlichen 
Strahlengang  bezeichnet  Denken  wir  uns  denjenigen  Punkt  P^ 
konstruiert,  welcher  zu  P  symmetrisch  liegt  in  bezug  auf  die  Tan- 
gentialebene OE  des  brechenden  Körpers,  so  ist  für  jeden  beliebigen 
Punkt  C(  in  der  Tangentialebene  PO'  =  Pj  (/.  Der  Lichtweg  von 
P  nach  P'  bei  einer  einmaligen  Reflexion  an  der  Tangentialebene 
OE  ist  also  bei  jeder  beliebigen  Lage  des  Treffpunktes  C(  gleich 
der  Länge  PxCf  +  0'P\  Diese  Länge  ist  nun  ein  Minimum,  wenn 
Pj,  C(  und  P'  in  gerader  Linie  liegen.  Dann  fällt  aber  der  Punkt 
0'  in  der  Tat  mit  dem  aus  dem  Keflexionsgesetz  folgenden  Punkte 
0  zusammen.  Da  nun  die  Eigenschaft  eines  Minimums  (ebenso  wie 
eines  Maximums)  durch  Verschwinden  der  ersten  Variation,  d.  h. 
durch  die  Gleichung  (11),  sich  ausdrückt,  so  ist  unser  Satz  (7)  für 
eine  einmalige  Reflexion  bewiesen. 

Es  ist  zu  bemerken,  daß  das  Verschwinden  der  ersten  Variation 
sowohl  der  Ausdruck  eines  Minimums  wie  eines  Maximums  sein  kann 
In  dem  Falle,  wo  der  brechende  Körper  tatsächlich  von  einer 
Ebene  begrenzt  ist,  folgt  aus  der  angegebenen  Konstruktion  ohne 
weiteres,  daß  bei  der  Reflexion  der  Lichtweg  ein  Minimum  ist. 
Ebenso  läßt  sich  beweisen, 
wie  weiter  unten  näher  aus- 
geführt werden  wird,  daß 
bei  der  Brechung  der  tat- 
sächliche Lichtweg  ein  Mini- 
mum ist,  falls  der  brechende 
Körper  von  einer  Ebene  be- 
grenztwird.  Daherist  unser 
Prinzip  auch  oft  das  vom 
kürzesten  Lichtweg  ge- 
nannt worden. 

Wenn  indes  die  Ober- 
fläche des  brechenden  oder 
reflektierenden  Körpers  gekrümmt  ist,  so  kommt  es  ganz  auf  die 
Art  dieser  Krümmung  an,  ob  der  Lichtweg  ein  Minimum 
oder  ein  Maximum  ist.  Allen  Fällen  gemeinsam  ist  nur  das 
Verschwinden  der  ersten  Variation,  und  dies  genügt  auch  voll- 
kommen zur  Bestimmung  des  Strahlenganges. 

Um  die  Verhältnisse  klar  zu  übersehen,  empfiehlt  sich  die  Ein- 
fuhrung der  sogenannten  aplanatischen  Fläche,  das  ist  diejenige 
Fläche,  für  deren  sämtliche  Punkte  A  die  Summe  der  Lichtwege 


Fig.  3. 


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12 


Kapitel  I. 


nach  den  zwei  Punkten  P  und  P'  konstant  ist.  Für  diese  Fläche 
verschwindet  also  für  die  Summe  der  Lichtwege  nicht  nur  die 
Variation  der  ersten  Ordnung,  sondern  alle  Variationen  beliebig 
hoher  Ordnung. 

Bei  der  Reflexion  ist  die  aplanatische  Fläche 
(12)  PA  +  P'A  =  Konstante  C 

ein  Rotationsellipsoid  mit  den  Punkten  P  und  P'  als  Brenn- 
punkten. 

Wenn  SOS'  das  Stück  eines  reflektierenden  Spiegels  ist  (vgl. 
Figur  3),  und  0  ein  Punkt  auf  demselben,  für  den  die  Richtungen 
PO  und  P'O  dem  Reflexionsgesetz  genügen,  so  muß  die  zu  den 
Punkten  P  und  P'  zugehörige  aplanatische  Fläche  AOÄ,  welche 

durch  den  Punkt  0 
geht,  offenbar  den 
Spiegel  SOä'  in  0 
berühren,  da  für 
beide  Flächen  die 
erste  Variation  der 
Lichtwege  ver- 
schwindet. Ist  nun 
der  Spiegel  ÄOS', 
wie  in  der  Figur, 
stärker  konkav 
gekrümmt  als 
die  aplanatische 
Fläche,  so  ist 
der  Lichtweg 
PO  +  OP'  ein  Maximum,  sonst  ein  Minimum.  Der  Beweis 
hierfür  ergibt  sich  direkt  aus  dem  Anschauen  der  Figur,  da 
für  alle  Punkte  Cf  im  Innern  des  Rotationsellipsoids  AOÄ, 
dessen  Gleichung  durch  (12)  gegeben  ist,  die  Summe  PO'  -{-  ÖP' 
kleiner  ist  als  die  Konstante  C,  während  für  alle  äußeren  Punkte 
0'  die  Summe  PO'  +  CfP'  größer  ist  als  C,  und  für  den  tatsäch- 
lichen Reflexionspunkt  0  die  Summe  PO  -{-  OP'  gleich  ist  C. 
Bei  der  Brechung  ist  die  aplanatische  Fläche 
n-  PA-^-n  '  P'A  =  Konstante  C 
eine  sogenannte  Kartesische  Ovale,  welche  nach  dem  schwächer 
brechenden  Medium  zu  (es  sei  in  der  Figur  4  w < ii)  konvex  sein 
muß,  und  zwar  offenbar  stärker  als  irgend  eine  um  /*'  als  Zentrum 
beschriebene  Kugel. 


Fig.  4. 


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Die  Fundamentalgeßetze.  13 

Diese  aplanatische  Fläche  scheidet  wiederum  die  Gebiete,  für 
deren  Punkte  Cl  die  Summe  der  Lichtwege  n  •  PO'  +  n  -  P'd  '^G 
ist,  von  denen,  in  welchen  jene  Summe  <  C  ist  Erstere  Gebiete 
liegen  von  der  aplanatischen  Fläche  aus  nach  dem  schwächer  brechen- 
den Medium  (links  in  der  Figur),  letztere  nach  dem  stärker  brechen- 
den Medium  (rechts  in  der  Figur). 

Wenn  nun  SOS'  ein  Stück  der  Grenzfläche  zwischen  beiden 
Medien  ist,  und  PO,  P'O  den  tatsächlichen  Strahlen  verlauf,  wie 
er  nach  dem  Brechungsgesetz  stattfindet,  bezeichnet,  so  ist  der 
Lichtweg  über  0  ein  Maximum  oder  Minimum,  je  nachdem  SOS' 
stärker  oder  schwächer  konvex  ist  nach  dem  schwächer  brechen- 
den Medium  zu,  als  die  aplanatische  Fläche  AOÄ,  Der  Beweis 
ergibt  sich  direkt  aus  der  Figur. 

Falls  also  z.  B.  SOS'  eine  Ebene  ist,  so  ist  der  Lichtweg  ein 
Minimum.  In  der  Figur  ist  der  Fall  gezeichnet,  daß  der  Licht- 
weg über  0  ein  Maximum  ist. 

Da  wir  später  sehen  werden,  daß  der  Brechungsexponent 
umgekehrt  proportional  der  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  des 
Lichtes  ist,  so  ist  der  optische  Weg  nl  proportional  der  Zeit,  welche 
das  Licht  zum  Durchlaufen  der  Strecke  /  gebraucht  hat.  Das 
Prinzip  des  kürzesten  Lichtweges  deckt  sich  also  mit 
Fermats  Prinzip  der  schnellsten  Ankunft  des  Lichtes, 
man  erkennt  aber  aus  dem  Vorigen,  daß  unter  Umständen  die  An- 
kunft des  Lichtes  auch  die  langsamste  sein  kann. 

Nach  dem  Prinzip  der  Superposition  von  Variationen  können 
wir  von  der  Gleichung  öSnl  =  0  für  eine  einzelne  Reflexion  oder 
Brechung  sofort  Anwendung  machen  auf  den  Fall  beliebig  vieler. 

3.  Der  Satz  von  Malus.  Es  gibt  zwei  verschiedene  Arten 
von  geometrischen  Strahlensystemen:  solche,  welche  sich  recht- 
winklig von  einer  geeignet  konstruierten  Fläche  F  schneiden  lassen 
(orthotomisches  System),  und  solche,  für  welche  eine  deraiüge 
Flächei^nicht  gefunden  werden  kann  (anorthotomisches  System). 
Unter  Benutzung  des  vorigen  Satzes  läßt  sich  nun  der  Satz  von 
Malus  beweisen.  Derselbe  lautet:  Ein  orthotomisches  System 
von  Strahlen  bleibt  auch  nach  beliebig  vielen  Reflexio- 
nen und  Brechungen  ein  orthotomisches.  Nach  der  Wellen- 
theorie des  Lichtes,  nach  der  die  Strahlen  die  Normalen  der  Wellen- 
fläche sind,  ist  der  Satz  selbstverständlich.  Man  kann  ihn  aber 
auch  allein  aus  den  bisher  benutzten  geometrischen  Fundamental- 
gesetzen herleiten. 


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14 


Kapitel  I. 


Fig.  5. 


Seiea  (vgl.  Figur  5)  ABCDE  und  ÄB'C'D'E'  zwei  unendlich 
nahe  benachbarte  Strahlengänge,  und  zwar  mögen  sie  senkrecht 
von  einer  Fläche  F  ausgehen.  Ist  die  gesamte  optische  Länge  von 
A  bis  E  mit  L  bezeichnet,  so  läßt  sich  beweisen,  daß  alle  Strahlen 
senkrecht  auf  einer  Fläche  F'  stehen,  die  von  den  Endpunkten  E, 

E'  usw.  aller  Strahlengänge  gebildet 
werden,  für  die  die  gesamten  opti- 
schen Längen,  von  ihren  Anfangs- 
punkten A,  Ä  aus  gerechnet,  denselben 
konstanten  Wert  L  besitzen.  —  Zum 
Beweise  wollen  wir  uns  AB  und  E'D 
gezogen  denken. 

Nach  dem  vorigen  Satze  vom  aus- 
gezeichneten Lichtweg  muß  der  ge- 
samte Lichtweg  ^'B'C'i>'£^  gleich  sein 
dem  nur  unendlich  wenig  variierten 
ÄBCDBf,  d.  h.  gleich  L,  welches  auch 
der  Wert  für  den  Lichtweg  ABCDE  ist.  Subtrahiert  man  nun 
von  beiden  Lichtwegen  ÄBCDE'  und  ABCDE  die  gemeinsamen 
Strecken,  so  folgt,  daß  sein  muß: 

n  '  AB  +  n  '  DE  =  n  '  AB  +  n  '  DE\ 

falls  mit  n  der  Brechungsindex  vor  der  Fläche  F,  mit  n  der 
Brechungsindex  vor  F'  bezeichnet  wird.  Da  nun  aber  AB=^a'B 
ist,  weil  AB  senkrecht  gegen  F  gerichtet  sein  soll,  so  folgt  auch 

DE^DE', 

d.  h.  DE  steht  senkrecht  zur  Fläche  F\  Ebenso  läßt  sich  für 
jeden  anderen  Strahl  D'E'  beweisen,  daß  er  senkrecht  auf  F'  steht. 
Strahlen,  die  von  einem  leuchtenden  Punkt  ausgehen,  stehen 
senkrecht  auf  einer  Fläche  F,  nämlich  auf  irgend  einer  um  den 
leuchtenden  Punkt  als  Zentrum  beschriebenen  Kugel.  Da  jede 
Lichtquelle  als  ein  Komplex  leuchtender  Punkte  angesehen  werden 
kann,  so  bilden  also  stets  die  Lichtstrahlen  ein  orthotomi- 
sches  System. 


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Geometrische  Theorie  der  optischen  Abbildang.  15 

Kapitel  U. 

Geometrische  Theorie  der  optischen  Abbildung. 

1.  Begriff  des  optischen  Bildes.  Wenn  wir  einen  leuchten- 
den Punkt  P  haben,  in  dessen  Umgebung  brechende  und  reflek- 
tierende Körper  beliebig  angeordnet  sind,  so  geht  im  allgemeinen 
durch  einen  beliebigen  Punkt  P'  des  Raumes  nur  ein  einziger  Licht- 
strahl, d.  h.  die  Richtung,  in  welcher  das  Licht  von  P  nach  P'  ge- 
langt, ist  eine  eindeutig  bestimmte.  Es  können  aber  auch  Punkte 
P'  gefunden  werden,  in  denen  sich  mehrere  Lichtstrahlen  schneiden, 
z.  B.  zwei  Lichtstrahlen,  wenn  P'  der  Durchschnittspunkt  zweier 
von  P  ausgehender  Lichtstrahlen  ist.  —  Wenn  ein  Bündel  von 
Lichtstrahlen,  die  von  Pausgehen,  sich  in  einem  Punkte  P'  schneiden, 
so  heißt  P'  das  optische  Bild  von  P.  In  P'  wird  offenbar  ein 
Maximum  von  Lichtwirkung  stattfinden.  Das  Bild  P'  wird  reell 
genannt,  wenn  die  Lichtstrahlen  dort  wirklich  zum  Schnitt  kommen, 
dagegen  virtuell,  falls  erst  die  rückwärtigen  Verlängerungen 
der  Lichtstrahlen  sich  in  P'  schneiden.  Das  einfachste  Beispiel 
eines  virtuellen  Bildes  bietet  die  Spiegelung  einer  Lichtquelle  P  in 
einem  ebenen  Spiegel.  Das  Bild  P'  ist  der  symmetrisch  zu  P  in 
bezug  auf  den  Spiegel  gelegene  Punkt.  Reelle  Bilder  kennzeichnen 
sich  durch  direkte  Erleuchtung  einer  geeignet  gehaltenen  rauhen 
Fläche,  z.  B.  Tafel  weißen  Papiers,  virtuelle  Bilder  nicht.  Bei 
der  Spiegelung  dringt  z.  B.  gar  kein  Licht  zum  Bildpunkte  P\ 
Virtuelle  Bilder  können  aber  durch  optische  Vorrichtungen  in  reelle 
Bilder  umgewandelt  werden,  z.  B.  sehen  wir  ein  virtuelles  Bild, 
indem  dasselbe  mit  Hilfe  des  Auges  in  ein  reelles  Bild  umgewan- 
delt wird,  welches  eine  bestimmte  Stelle  der  Netzhaut  erleuchtet. 

Das  im  Bilde  zur  Vereinigung  gebrachte  Strahlenbündel  kann 
ein  endliches,  oder  auch  ein  unendlich  dünnes  räumliches  oder 
eventuell  sogar  nur  ebenes  (Elementar-)Bündel  sein.  Denken  wir 
uns  z.  B.  den  Fall  einer  einzigen  Brechung.  Wenn  die  Grenzfläche 
des  brechenden  Körpers  die  aplanatische  Fläche  für  die  beiden 
Punkte  P  und  P'  ist,  so  wird  ein  endliches  Strahlenbündel,  welches 
von  P  ausgeht,  in  P'  zur  Vereinigung  gebracht;  denn  alle  Strahlen, 
die  von  P  ausgehen  und  die  aplanatische  Fläche  treffen,  müssen 
sich  in  P'  schneiden,  da  für  sie  alle  die  gesamte  optische  Länge 
denselben  Wert  hat. 


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16  Kapitel  11. 

Wena  die  Grenzfläche  des  brechenden  Körpers  nicht  die  Ge- 
stalt der  aplanatischen  Fläche  besitzt,  so  kommen  um  so  weniger 
Strahlen  in  P'  zur  Vereinigung,  je  stärker  die  Abweichung  in  der 
Gestalt  beider  Flächen  (die  sich  notwendig  berühren  müssen,  cf. 
oben  S.  12)  ist.  Damit  ein  ebenes  Elementarbüschel  sich  in  P' 
schneide,  muß  wenigstens  in  einer  Ebene  die  Krümmung  beider 
Flächen  in  ihrem  Berührungspunkte  0  übereinstimmen.  Stimmt 
die  Krümmung  beider  Flächen  in  0  für  zwei  Ebenen  und  damit 
überhaupt  überein,  so  kommt  in  P'  ein  räumliches  Elementarbündel 
zum  Schnitt,  und  wenn  schließlich  ein  endliches  Stück  der  Grenz- 
fläche des  brechenden  Körpers  zusammenfällt  mit  der  aplanatischen 
Fläche,  so  gelangt  ein  endliches  Strahlenbündel  in  P'  zum  Schnitt. 

Vermöge  der  ümkehrbarkeit  der  Lichtwege  können  Lichtquelle 
P  und  Bild  P'  ihre  Funktion  vertauschen,  d.  h.  P'  als  Lichtquelle 
hat  sein  Bild  in  P,  Wegen  dieser  ümkehrbarkeit  der  Beziehung 
nennt  man  auch  P  und  P'  konjugierte  Punkte. 

2.  Allgemeine  Abbildnngsformeln.  Wir  wollen  annehmen, 
daß  es  durch  irgendwelche  Mittel  (Reflexionen  und  Brechungen) 
gelungen  wäre,  ein  räumliches  Continuum  von  Punkten  P  abzubilden 
in  ein  räumliches  Continuum  von  Punkten  P',  Ersteres  Continuum 
heißt  der  Objektraum,  letzteres  der  Bildraum.  Nach  der 
Definition,  nach  der  das  optische  Bild  definiert  ist,  folgt,  daß  es  zu 
jedem ^)  durch  P  gehenden  Strahl  einen  durch  P'  gehenden  kon- 
jugierten Strahl  gibt  Zweien  in  P  sich  schneidenden  Strahlen  des 
Objektraumes  müssen  zwei  konjugierte  Strahlen  im  Bildraum  ent- 
sprechen, welche  sich  ebenfalls  schneiden,  und  zwar  in  dem  zu  P 
konjugierten  Punkte  P\  Es  gibt  also  zu  jedem  P  nur  einen  kon- 
jugierten Punkt  P\  Wenn  vier  Punkte  PyP2P.^Pj^  des  Objektraumes 
in  einer  Ebene  liegen,  so  schneiden  sich  die  Strahlen,  welche  je 
zwei  dieser  Punkte  verbinden,  z.  B.  der  Strahl  P^P^  schneide 
7*3^4  im  Punkte  A.  Die  konjugierten  Strahlen  P\P'2  und  P\P\ 
schneiden  sich  daher  ebenfalls,  nämlich  im  Bilde  ^'  von  A,  Daher 
liegen  die  vier  Bilder  P\P\P\P\  ebenfalls  in  einer  Ebene. —  Man 
kann  also  sagen,  daß  sich  Punkte,  Strahlen  und  Ebenen  in  beiden 
Räumen  gegenseitig  eindeutig  entsprechen.  Eine  solche  Beziehung 
beider  Räume  nennt  die  Geometrie  eine  kollineare  Verwandt- 
schaft. 

1)  Die  Abbildung  soll  nicht  nur  durch  Elementarbüschel,  sondern  durch 
beliebig  weite,  endliche  Büschel  zustande  kommen. 


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Geometriflche  Theorie  der  optischen  Abbildung.  17 

Der  analytische  Ausdruck  der  kollinearen  Verwandtschaft  läßt 
sich  leicht  bilden.  Nennen  wir  xyz  die  Koordinaten  eines  Punktes 
P  im  Objektraum  in  bezug  auf  ein  festes  rechtwinkliges  Koordinaten- 
system, xyz  die  Koordinaten  des  konjugierten  Punktes  P'  in  bezug 
auf  ein  anderes,  für  den  Bildraum  angenommenes  Koordinaten- 
system, so  muß  zu  jedem  xyz  ein  und  zwar  nur  ein  Wertsystem 
x'yz'  zugehören,  und  umgekehrt.  Dies  ist  nur  möglich  bei  dem 
Ansatz: 

ax  +  by  +  cx  +  d    ' 

^/  ^  03a?  -h  ^y  -h  ozz  -h  dj 
ax -\-  by  -\-  ex  -\-  d    ' 

wobei  die  a,  b,  c,  d  gewisse  Konstanten  sind.  —  In  der  Tat,  f&r 
jedes  x\  y\  z  berechnen  sich  nach  (1)  die  x,  y,  z  aus  drei  linearen 
Gleichungen;  und  umgekehrt  gehört  zu  jedem  x,  y,  z  ein  Wert- 
system x\  y\  z\  Wenn  die  rechten  Seiten  der  Gleichungen  (1) 
nicht  der  Quotient  zweier  linearer  Funktionen  von  x,  y,  z  wären, 
so  würden  zu  gegebenem  x\  y\  %  mehrere  Wertsysteme  a:,  t/,  z 
gehören;  außerdem  muß  der  Nenner  dieser  Quotienten  ein  und 
dieselbe  lineare  Funktion  sein  (oa:  -f-  %  +  c;;;  -f  cQ,  weil  sonst  einer 
Eben^: 

Äx  ^Ply  -^  (fz  +  Ü=0 

nicht  wiederum  eine  Ebene: 

Ax  +  By+  Oz  +  D=0 
entsprechen  würde. 

Wenn  man  die  Gleichungen  (1)  nach  a:,  y^  z  auflöst,  so  folgen 
ganz  analoge  Formen  wie  (1),  nämlich: 

^  —    aV+^y+cV  +  d'  '  ^^^-  (^) 

Aus  (1)  folgt 

für  ax  -{-  by  +  ex  +  d  =  0:        a:'  ==  t/'  =  %'  =  00, 
aus  (2)  folgt 

für  ax'  +  ^V  +  c^'  +  d'  =  0:        x  =  y  ==^  z=  00. 

Die  Ebene  ax  +  by  +  cz  +  d=0  heißt  die  Brennebene  ^ 
des  Objektraumes.  Ihren  Punkten  P  entsprechen  im  Unendlichen 
liegende  Bilder  P\   Zwei  Strahlen,  die  von  einem  Punkte  P  dieser 

Drnde,  Lehrbuch  d.  Optik.   2.  Aufl.  2 


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18 


Kapitel  II. 


Brennebene  ausgehen,  entsprechen  zwei  Parallelstrahlen  im  Bild- 
raume. 

Die  Ebene  dx  +  iSy  +  cV  +  cf  =  ö  heißt  die  Brennebene  %' 
des  Bildraumes.  Parallelstrahlen  des  Objektraumes  besitzen 
konjugierte  Strahlen  im  Bildraume,  die  sich  in  einem  Punkte  dieser 
Brennebene  ^  schneiden. 

In  dem  Falle,  daß  a=^h  =  c=  0  ist,  entsprechen,  wie  aus 
den  Gleichungen  (1)  hervorgeht,  allemal  endlichen  Werten  von 
a;,  y,  %  auch  endliche  Werte  von  x,  y\  %  und  umgekehrt.  Es  ist 
also  dann  auch  a=6'=c'=ö.  In  diesem  Falle,  der  als  tele- 
skopische Abbildung  bezeichnet  wird,  gibt  es  also  keine,  im 
Endlichen  liegenden  Brennebenen. 

S.  Zentrierte  Abbildung.  Bei  optischen  Instrumenten  ist  viel- 
fach der  Fall  realisiert,  daß  die  Abbildung  rings  um  die  Achse 
symmetrisch  ist.  Dies  ist  z.  B.  der  Fall,  wenn  die  Grenzflächen  der 

brechenden      bezw. 
reflektierenden  Kör- 
y  per  Rotationsflächen 

mit  gemeinsamer 
Achse  sind,  oder  spe- 

zieller  Kugelflächen, 

0  X  oc'       O'  deren   Zentren    auf 

einer  Geraden  liegen. 
—  Diese  Abbildung 
wird  zentrierte  ge- 
nannt. 

Nach  Symmetrie 

muß  das  Bild  P'  eines  Punktes  P  in  der  durch  die  Achse  des 
Systems  und  durch  den  Punkt  P  gehenden  (Meridian-)Ebene  liegen, 
und  es  genügt  zum  Studium  der  Abbildung  vollkommen,  wenn  die 
Beziehungen  zwischen  Objekt  und  Bild  in  einer  solchen  Meridian- 
ebene bekannt  sind. 

Wählen  wir  als  solche  die  ;c?/-Ebene  des  Objektraumes  und 
die  a;' //'-Ebene  des  Bildraumes,  und  legen  wir  die  x- Achse  bezw. 
X-Achse  in  die  Symmetrieachse  der  Abbildung,  so  können  die  x- 
bezw.  ^'-Koordinaten  in  den  Abbildungsgleichungen  gar  nicht  mehr 
auftreten,  so  daß  sie  sich  reduzieren  auf: 

^^^  ^         ax  +  by  +  d'    ^^  ~  ax  +  by  -\-  d' 

Die  beiden  Koordinatensysteme  xy  und  xy   haben  dann  also 


Fig.  6. 


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Geometrische  Theorie  der  optischen  Abbildung.  19 

parallel  gerichtete  Koordinatenachsen,  und  zwar  fallen  die  x- Achse 
und  die  a;'- Achse  in  eine  Richtung.  Der  Koordinatenanfang  Cf  für 
den  Bildraum  kann  aber  eine  gewisse  Distanz  von  dem  Koordinaten- 
anfang 0  des  Objektraumes  haben.  Die  positive  Richtung  von  x 
soll  sich  im  Sinne  der  einfallenden  Lichtstrahlen  (von  links  nach 
rechts)  erstrecken,  die  positive  Richtung  von  x  dagegen  entgegen- 
gesetzt, d.  h.  von  rechts  nach  links.  Die  positiven  y  und  y  sollen 
nach  oben  gerechnet  sein  (vgl.  Figur  6). 

Nach  der  Symmetrie  der  Abbildung  darf  nun  x  seinen  Wert 
nicht  ändern,  falls  y  sein  Vorzeichen  ändert.  Dies  gibt  für  die 
Gleichungen  (3)  die  Bedingung  ft^  =  6  =  ö.  Ebenso  folgt  aus  der 
Symmetrie  der  Abbildung,  daß  y  einfach  sein  Vorzeichen  wechselt, 
falls  es  y  tut.  Dies  gibt  die  Bedingung  a^=z  d2=  0.  Die 
Gleichungen  (3)  reduzieren  sich  daher  auf: 

' gi3?  -h  dj        f bjy 

^  —  ax-\-d'    y  ~  ax-^rd'  ^^^ 

Es  bleiben  also  fünf  Konstanten  übrig,  aber  nur  ihre  gegen- 
seitigen Verhältnisse  sind  für  die  Abbildung  maßgebend.  Eine 
zentrierte  Abbildung  hat  also  im  allgemeinen  vier  charak- 
teristische Konstanten. 

Die  Umkehrung  der  Gleichungen  (4)  liefert: 

dx  —  dx         a^d  —  ad\  y 

Die  Brennebene  g  des  Objektraumes  hat  die  Gleichung  ax -f-  d=  0, 
die  Brennebene  %'  des  Bildraumes  die  Gleichung  ax  —  a^  =  0. 
Die  Durchschnitte  mit  der  Achse  des  Systems  werden  die  Brenn- 
punkte F,  F'  genannt 

Legen  wir  den  Anfang  der  x  in  den  Brennpunkt  F  des  Objekt- 
raumes, ebenso  den  Anfang  der  x  in  den  Brennpunkt  F'  des  Bild- 
raumes, so  ist,  falls  xo,  rco'  die  von  den  Brennebenen  aus  gerech- 
neten Koordinaten  bedeuten,  axo  für  ax-\-d  zu  schreiben,  und  —  axo 
für  fli  —  ax\ 

Aus  den  Gleichungen  (4)  gewinnt  man  dann: 

,       adx—oxd     y  h^ 

Es  bleiben  also  nur  noch  zwei  charakteristische  Konstanten- 
kombinationen in  den  Gleichungen  übrig.  (Die  anderen  beiden 
Konstanten  sind  in  der  Lage  der  beiden  Brennebenen  enthalten.) 
Wir  wollen  für  diese  beiden  Konstantenkombinationen  vereinfachte 

2* 


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20 


Kapitel  II. 


Beziehungen    einführen,   indem  wir   schreiben  (es  werden   jetzt 
wieder  diö  Indices  o  an  den  x  fortgelassen): 

Hierbei  sind  also  die  x  bezw.  x  die  Entfernungen  des 
Objektes  bezw.  Bildes  von  den  Brennebenen  %  bezw.  %\ 
Das  Verhältnis  y\y  wird  die  Lateralvergrößerung  ge- 
nannt, oder  auch  die  Vergrößerung  schlechthin.  Dieselbe  ist 
gleich  1  für  a;  =  /;  d.  h.  x  ==  f ,  Hierdurch  sind  zwei  zur  Achse 
des  Systems  senkrecht  liegende  Ebenen  ^  und  ^  charakterisiert, 
welche  die  Hauptebenen  der  Abbildung  genannt  werden.  Die 
Durchschnitte  mit  der  Achse  des  Systems  heißen  die  Haupt- 
punkte F,  E\ 

Die  Hauptebenen  haben  also  die  Eigenschaft,  daß 
irgend  einemPunktePin  der  einenHauptebene  ein  achsen- 
äquidistanter  Punkt  F'  in  der  anderen  Hauptebene  kon- 
jugiert ist 

Die  beiden,  in  den  Abbildungsgleichungen  (7)  noch  übrig- 
bleibenden Konstanten  f  und  f  haben  nach  dem  Vorigen  die  Be- 
deutung   der    Ent- 
DC  oc'    ^'  femung  der  Haupt- 

ebenen ^,  ^  von 
den  Brennebenen  g, 
g'.  Die  Konstante  f 
heißt  die  Brenn- 
weite des  Objekt- 
raumes, f  die 
Brennweite  des 
Bildraumes,  f  ist 
positiv  gerechnet, 
wenn  die  Lichtstrah- 
len zuerst  die  Brennebene  g?  dann  die  Hauptebene  §  treffen;  bei 
f  ist  es  umgekehrt.  In  Figur  7  sind  beide  Brennweiten  positiv. 
Die  Bedeutung  der  Brennweiten  kann  man  sich  in  folgender 
Weise  klar  machen:  Parallelstrahlen  im  Objektraum  müssen  kon- 
jugierte Strahlen  im  Bildraume  besitzen,  die  sich  in  einem  Punkte 
der  Höhe  y  in  der  Brennebene  g'  schneiden  mögen.  Diese  Höhe 
//  hängt  nun  offenbar  von  dem  Neigungswinkel  u  der  einfallenden 
Strahlen  gegen  die  Achse  ab.  Ist  der  Winkel  w=  (?,  so  folgt  schon 
aus  Symmetrie  //  ^  ö,  d.  h.  achsenparallele  Strahlen  haben  kon- 


Fig.  7. 


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Geometrische  Theorie  der  optischen  Abbildung.  21 

jugierte  Strahlen,  die  sich  im  Brennpunkt  ^  vereinigen.  Wenn  da- 
gegen u  von  Null  verschieden  ist,  so  betrachten  wir  einen  Strahl 
PFA  (Figur  7)  des  Bündels,  der  durch  den  ersten  Brennpunkt  geht 
und  die  Hauptebene  $  in  ^  schneidet  Der  konjugierte  Strahl  zu 
ihm:  ÄP'  muß  offenbar  ein  a'chsenparalleler  Strahl  sein,  da  der 
erste  Strahl  durch  F  geht,  femer  hat  Ä  die  gleiche  Höhe  wie  A, 
wegen  der  Eigenschaft  der  Hauptebenen.  Folglich  ist  die  gesuchte 
Höhe  y  des  Bildes  der  unter  dem  Winkel  u  einfallenden  Parallel- 
strahlen, wie  aus  Figur  7  sofort  hervorgeht: 

y'=f.tgu.  (8) 

Man  kann  deshalb  den  Satz  aussprechen:  Die  Brennweite 
des  Objektraumes  ist  gleich  dem  Verhältnis  der  linearen 
Größe  eines  in  der  Brennebene  des  Bildraumes  gelegenen 
Bildes  zur  scheinbaren  (angularen)  Größe  seines  unend- 
lich entfernten  Objektes.  Eine  analoge  Definition  gilt  natür- 
lich auch  für  die  Brennweite  f  des  Bildraumes,  wenn  man  sich 
nämlich  ein  schiefes  Parallelstrahlbündel  in  ihm  einfallend  denkt, 
so  daß  es  zu  einem  Bilde  in  der  Brennebene  %  vereinigt  wird. 

Wenn  man  sich  in  Figur  7  ÄP'  als  einfallenden  Strahl  denkt, 
so  daß  die  Rolle  von  Bildraum  und  Objektraum  vertauscht  wird, 
so  kann  man  auch  folgende  Definition  der  Brennweite  f,  die  dann 
also  die  Brennweite  des  Bildraumes  bedeutet,  aussprechen: 

Die  Brennweite  des  Bildraumes  ist  gleich  der  Ent- 
fernungeines achsenparallelenStrahles  desObjektraumes 
von  der  Achse,  dividiert  durch  die  Tangente  des  Neigungs- 
winkels des  konjugierten  Strahles. 

Zu  denselben  Folgerungen,  nämlich  der  Gleichung  (8),  gelangt 
man  natürlich  von  den  Gleichungen  (7)  durch  Rechnung,  indem 
man  tgu  =  y :  x,  tgu  =y:x  setzt.  —  Wegen  der  entgegen- 
gesetzten Richtung  der  x  und  x  (cf.  oben  S.  19),  der  gleichen 
Richtung  der  y  und  y\  ergibt  sich,  daß  u  und  u  in  verschiedener 
Weise  positiv  gerechnet  sind:  Der  Neigungswinkel  u  eines 
Strahles  im  Objektraum  ist  positiv  (und  kleiner  als  90*^), 
falls  der  Strahl  von  links  unten  nach  rechts  oben  geht; 
der  Neigungswinkel  u  eines  Strahles  des  Bildraumes  ist 
positiv,  falls  der  Strahl  von  links  oben  nach  rechts  unten 
geht. 

Die  Lateralvergrößerung  hängt,  wie  Gleichung  (7)  lehrt,  von 
Xj  d.  h.  der  Entfernung  des  Objektes  vom  Brennpunkte  F,  sowie 


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22 


Kapitel  U. 


von  der  Brennweite  f  ab.  Sie  ist  aber  unabhängig  von  y,  d.  h. 
eine  zur  Achse  des  Systems  senkrechte  Figur  vrird  ähnlich  ab- 
gebildet Dagegen  wird  ein  Raumteil  nicht  mehr  ähnlich  ab- 
gebildet, wie  schon  einerseits  aus  der  Abhängigkeit  der  Lateral- 
vergrößerung von  X  hervorgeht,  andererseits  kann  man  leicht  aus 
(7)  ableiten,  daß  die  Tiefenvergrößerung,  d.  h.  das  Verhältnis 
eines  Zuwachses  dx  von  x  zu  einem  Zuwachse  dx  von  x  propor- 
tional dem  Quadrat  der  Lateralvergrößerung  ist 

Ein  Strahl  im  Objektraum  möge  die  Hauptebene  §  in  A,  die 
Achse  in  P  schneiden  (vgl.  Figur  8). 


Fig.  8. 

Sein  Neigungswinkel  u  gegen  die  Achse  folgt  aus 

AR         AH 

falls  X  die  Entfernung  des  P  von  F  mit  richtigem  Vorzeichen  be- 
deutet 

Der  Neigungswinkel  u   des  konjugierten  Strahles  gegen  die 
Achse  bestimmt  sich  aus 

,    .      A'H'       A'n' 

falls  X  die  Entfernung  des  P'  von  F'  bedeutet,  und  P'  der  kon- 
jugierte Punkt  zu  P,  Ä  der  zu  A  ist  Wegen  der  Eigenschaft  der 
Hauptebenen  UiAH=ÄH\  durch  Division  der  beiden  letzten 
Gleichungen  folgt  also  mit  Berücksichtigung  von  (7): 


(9) 


tgu 
if/u 


f-x 


Das  Verhältnis  der  Tangenten  der  Neigungswinkel  konjugierter 


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Geometrische  Theorie  der  optischen  Abbildung. 


23 


Strahlen  wird  Konvergenzverhältnis  oder  Angularvergrös- 
serung  genannt.  Dasselbe  ist  also  gemäß  der  Gleichung  (9)  von 
u  oder  u  unabhängig. 

Die  Angularvergrößerung  wird  = —  l  für  a;=/^,  oder  x=f. 
Die  beiden  hierdurch  bestimmten  (konjugierten)  Punkte  K  und  K' 
heißen  die  Knotenpunkte  des  Systems.  Sie  haben  die  Eigen- 
schaft, daß  einem  Strahl  durch  den  einen  Knotenpunkt 
K  ein  paralleler  Strahl  durch  den  anderen  Knotenpunkt 
K'  konjugiert  ist  —  Die  Lage  der  Knotenpunkte  K,  K'  bei  posi- 
tiven Brennweiten  f  und  f  ist  in  der  Figur  (9)  gezeichnet    KA, 


Fig.  9. 

K'a'  sind  zwei  konjugierte  Strahlen.  Es  folgt  aus  der  Figur,  daß 
die  beiden  Knotenpunkte  dieselbe  Entfernung  vonein- 
ander besitzen  wie  die  beiden  Hauptpunkte.  —  Falls /'=/^ 
ist,  fallen  die  Knotenpunkte  mit  den  Hauptpunkten  zusammen. 

Durch  Multiplikation  der  zweiten  der  Gleichungen  (7)  mit  (9) 
leitet  man  ab: 

ytqu  _         f 

Jl^-         f  (^^) 

Nennt  man  e  die  Entfernung  eines  Objektes  P  von  der  Haupt- 
ebene $,  ebenso  e  die  Entfernung  seines  Bildes  P'  von  der  Haupt- 
ebene §',  wobei  e  und  e  positiv  gerechnet  werden  sollen,  wenn 
P  vor  (links  von)  §,  und  P'  hinter  (rechts  von)  §'  liegt,  so  ist 

e  =  f — ic,   e=f  —  x\ 
Daher  liefert  die  erste  der  Gleichungen  (7): 


c    '    e 


(11) 


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24 


Kapitel  ü. 


3 
Fig.  10. 


K 


Dieselbe  Gleichung  gilt,  falls  e  und  e   die  Entfernungen  des 
P  und  P'  von  zwei  beliebigen  konjugierten  Ebenen,  die  senkrecht 
zur  Achse  stehen,  bedeutet  und  f  und  f'  die  Entfernungen  der  Brenn- 
punkte von  diesen  Ebenen.  Das  Resultat  ist  leicht  aus  (7)  abzuleiten. 
4.  Konstruktionen  konjugierter  Punkte.  Die  Formel  (11)  er- 
laubt eine  bequeme  graphische  Konstruktion 
(Figur  10).  Wenn  ABCD  ein  Rechteck  mit 
den  Seiten  f  und  f  ist,  so  schneidet  jede 
Grade  ECBf  den  rechten  Winkel  in  zwei 

D\ \r  Distanzen  AE^=^e,  AE'=e\  welche  der 

f'  |\  Gleichung  (11)  genügen. 

Man  kann  auch  in  anderer  Weise  ver- 
fahren, um  zu  P  den  konjugierten  Punkt  P' 
zu  finden,  indem  man  die  Hauptebenen  und 
Brennpunkte  benutzt  Man  ziehe  (vgl.  Figur  11)  von  P  einen  achsen- 
parallelen Strahl  PAj  und  einen  durch  den  Brennpunkt  F  gehenden 
Strahl  PF.  Zu  PA  ist  A'y  konjugiert,  wobei  A'  dieselbe  Höhe  wie 
A  hat,  zu  PFB  ist  ein  achsenparalleler  Strahl  P'B'  konjugiert,  wobei 

B  und  B^  gleiche 
Höhe  haben.  Der 
Schnittpunkt  P'  bei- 
der Strahlen  ist  der 
gesuchte  konjugierte 
Punkt  zu  P.  —  Man 
könnte  auch  die 
Knotenpunkte  be- 
quem zur  Konstruk- 
tion heranziehen. 

Die  in  Figur  11 
benutzte  Konstruk- 
tion versagt  in  dem  Falle,  daß  P  und  P'  auf  der  Achse  liegen.  Ein 
von  P  ausgehender  Strahl  möge  die  Brennebene  %  in  der  Höhe  g, 
die  Hauptebene  £>  in  der  Höhe  h  schneiden  (vgl.  Figur  12).  Der 
konjugierte  Strahl  schneide  §'  und  g'  in  den  Höhen  //  =  h  und  g. 
Aus  der  Figur  folgt,  daß 


Fig.  11. 


g_ 

h 


PF 


ff 
h 


durch  Addition  folgt: 

ff  4-  g' 2xx  —  fx  —  fx 


f~^^'F'~  f-x 


(12) 


1, 


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Geometrische  Theorie  der  optischen  Abbildung. 


25 


da  nach  Gleichung  (7)  xx  ^=^ff  ist.  P'  ist  also  dadurch  zu  finden, 
daß  man  die  Höhe  g  ^==h  —  g  in  der  Brennebene  %'  abträgt  und 
die  Endpunkte  der  Strecken  h'  =h  in  §'  und  /  in  g'  durch  eine 
Linie  verbindet,  g  und/  sind  negativ  zu  nehmen,  falls  sie  unter 
der  Achse  liegen. 

5.  Charakterisierung  der  verschiedenen  Gattungen  von  Ab- 
bildungen. Die  verschiedenen  Gattungen  von  Abbildungen  können 
nur  durch  die  Vorzeichen  der  Brennweiten  /  und  f  voneinander 
verschieden  sein. 

Haben  beide  Brennweiten  dasselbe  Vorzeichen,  so  ist 
die  Abbildung  eine  rechtläufige,  d.h.  wenn  das  Objekt  von  links 


Fig.  12. 

nach  rechts  rückt  (d.  h.  x  größer  wird),  so  rückt  das  Bild  in  gleichem 
Sinne,  d.  h.  auch  von  links  nach  rechts  {x  wird  kleiner).  Dies 
folgt  unmittelbar  aus  der  Gleichung  (7)  und  dem  Sinne,  in  welchem 
x  bezw.  /  positiv  gerechnet  sind  (vgl.  oben  S.  19).  Wir  werden 
später  sehen,  daß  diese  Art  Abbildung  vorliegt,  falls  sie  nur  durch 
Brechungen  oder  eine  gerade  Zahl  von  Reflexionen  oder  eine  Kombi- 
nation beider  zustande  kommt.  Diese  Abbildung  wird  (weil  die- 
selbe meist  nur  durch  Brechungen  realisiert  wird),  auch  kurz  als 
dioptrische  bezeichnet. 

Haben  beide  Brennweiten  verschiedenes  Vorzeichen, 
so  ist  die  Abbildung  rückläufig,  d.  h.  wenn  sich  das  Objekt 
von  links  nach  rechts  bewegt,  so  rückt  das  Bild  von  rechts  nach 
links,  wie  aus  der  Formel  xx  =^ff  hervorgeht.  Dieser  Fall  liegt 
vor,  wenn  die  Abbildung  durch  eine  ungerade  Zahl  von  Spiegelungen 


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26  Kapitel  IL 

zustande  kommt  oder  durch  Kombination  von  Brechungen  mit 
solchen.  Diese  Abbildung  wird  daher  auch  kurz  als  katoptrische 
bezeichnet  Bei  diesen  Abbildungen  ist  der  Sinn  der  Lichtaus- 
breitung im  Bildraum  umgekehrt  wie  im  Objektraum,  so  daß  man 
diese  Fälle  gemeinsam  zusammenfassen  kann  unter  das  Gesetz: 
Bei  jeder  Abbildungfolgendie  konjugiertenPunkte  zweier 
konjugierter  Strahlen  aufeinander  im  Sinne  der  Licht- 
ausbreitung. 

Unter  den  dioptrischen  Abbildungen  sind  wiederum  zu  unter- 
scheiden die  mit  positiven  und  die  mit  negativen  Brennweiten. 
Erstere  Abbildungen  heißen  kollektive,  letztere  dispansive; 
bei  ersteren  nämlich  wird  ein  Parallelstrahlbtindel  in  ein  kon- 
vergentes, bei  letzteren  in  ein  divergentes  abgebildet,  wenn 
man  es  von  der  Hauptebene  §'  des  Bildraumes  im  Sinne 
der  Lichtfortpflanzung  weiter  verfolgt.  Eine  Unterscheidung 
zwischen  beiden  Abbildungen,  je  nachdem  die  Brennpunkte  reell 
oder  virtuell  sind,  kann  nicht  gemacht  werden,  denn  wir  werden 
später  sehen,  daß  manche  dispansive  Systeme  (Mikroskop  z.  B.) 
reelle  Brennpunkte  besitzen. 

Unter  den  katoptrischen  Abbildungen  sind  nach  gleicher  Defi- 
nition die  mit  negativer  Brennweite  des  Bildraumes  als  kollektive 
zu  bezeichnen,  da  sich  durch  Eeflexion  der  Sinn  der  Lichtfort- 
pflanzung umkehrt  (also  nach  unseren  Festsetzungen  von  rechts 
nach  links  geht). 

Es  gibt  daher  folgende  4  Abbildungsarten: 

Dioptrische     ^  Kollektive:  +  A  +  A 
^  b)  Dispansive:  —  f,  —  /  . 

T7    .      .    .     ,     a)  Kollektive:   +  /*,  —  f. 

Katoptrische  ,  (  t^.         .  j     ,  V 

^  b)  Dispansive:  —  /;   +  /  . 

6.  Teleskopische  Abbildung.  Bisher  ist  angenommen,  daß 
die  Brennebenen  im  Endlichen  liegen.  Liegen  sie  in  der  Unend- 
lichkeit, so  liegt  der  Fall  der  teleskopischen  Abbildung  vor.  In 
den  Abbildungsgleichungen  (4)  verschwindet  für  diesen  Fall  der 
Koeffizient  a,  so  daß  sich  dieselben  bei  geeigneter  Wahl  des 
Koordinatenanfangs  der  x  reduzieren  auf: 

(13)  x  =  ax,  y=ßy. 

Da  rr'  =  0  für  rc  =  0  ist,  so  sieht  man,  daß  irgend  zwei  konjugierte 
Punkte  die  Anfangspunkte  der  Zählung  für  x  bezw.  x  bilden.  — 
Aus  den  Formeln  (13)  folgt,    daß   die  Lateral-  und  Tiefenver- 


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Geometrische  Theorie  der  optischen  Abbildung.  27 

größerung  konstant  ist,  ebenso  ist  die  Angularvergrößerung  kon- 
stant; denn  haben  wir  irgend  zwei  konjugierte  Strahlen  OP  und 
(yp\  so  mögen  ihre  Schnitte  mit  der  Achse  der  Abbildung  zu 
Koordinatenanfangspunkten  dienen.  Hat  dann  ein  Punkt  P  des 
ersten  Strahles  die  Koordinaten  rr,  y,  der  konjugierte  Punkt  P'  des 
konjugierten  Strahles  die  Koordinaten  x  y ,  so  gilt  für  die 
Neigungswinkel  «,  u: 

tgu  =  y  :x,   tgu=y:  x\ 

Daher  folgt  vermöge  der  Gleichungen  (13) 

tgu  :  tgu=^  ß  :  a.  (14) 

a  muß  positiv  sein  bei  rückläufiger  (katoptrischer)  Abbildung, 
negativ  bei  rechtläufiger  (dioptrischer).  Bei  letzterer  sieht  man 
also  nach  (14)  in  Berücksichtigung  des  positiven  Sinnes  von  u  und 
u  (cf.  oben  S.  21)  bei  positivem  ß  aufrechte  Bilder  von  unendlich 
entfernten  Objekten,  bei  negativem  ß  umgekehrte  Bilder.  Es  gibt 
also  je  nach  dem  Vorzeichen  von  a  und  ß  vier  verschiedenartige 
teleskopische  Abbildungen. 

Aus  (14)  und  (13)  erhält  man 

ytgu  _ß\  .    . 

ytgu  —  a  ^^^^ 

Ein  Vergleich  mit  Formel  (10)  (S.  23)  lehrt,  daß  bei  der 
teleskopischen  Abbildung  beide  Brennweiten  (die  beide  unendlich 
groß  sind)  ein  endliches  Verhältnis  besitzen.    Es  ist  nämlich 

/— ?■  (.6) 

Falls  f=f  ist,  wie  bei  Femrohren,  und  überhaupt  bei  jedem 
Instrument,  bei  dem  der  Brechungsindex  des  Objektraumes  gleich 
dem  des  Bildraumes  ist  [vgl.  dazu  Kap.  III,  Formel  (9)],  so  ist  also 
a  =  —  ß\    Nach  (14)  ergibt  sich  dann 

igu  :  tgu  =  —  \  :  ß. 
Man  bezeichnet  dies  Konvergenzverhältnis  (Angularvergrößerung) 
bei  Femrohren  schlechthin  als  Vergrößemng  F.    Nach  (13)  er- 
gibt sich 

y:y'=-r,  (14') 

d.  h.  beim  Fernrohr  ist  die  reziproke  Lateralvergrößerung 
numerisch  gleich  der  Angularvergrößerung. 

7.  Kombination  mehrerer  Abbildungen.  Eine  Eeihenfolge 
mehrerer  Abbildungen  muß  einer  einzigen  Abbildung  äquivalent 


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28 


Kapitel  IL 


sein.  Wir  wollen  uns  hier  wiederum  auf  zentrierte  Abbildungen 
beschränken.  Nennt  man  (vgl.  Figur  13)  /;  /^  die  Brennweiten  der 
resultierenden  Abbildung,  /i,  f(  die  der  ersten  Abbildung,  /i,  /i' 
die  der  zweiten,  so  kann  man  leicht  die  Brennweiten  und  Brenn- 
punktslagen der  resultierenden  Abbildung  berechnen  oder  kon- 
struieren, wenn  man  die  Distanz  F^F^  =  A  kennt  Diese  Distanz 
wollen  wir  kurz  als  Intervall  der  beiden  Abbildungen  1  und  2 
bezeichnen,  und  zwar  sei  dasselbe  positiv,  wenn  F(  links  von  F^ 
liegt,  sonst  negativ. 

Ein  in  der  Höhe  y  einfallender  achsenparalleler  Strahl  S  (Fig.  1 3) 
wird  durch  die  Abbildung  1  in  den  Strahl  S^  abgebildet,  welcher 


Fig.  18. 


durch  den  Brennpunkt  F(  geht.  Durch  die  Abbildung  2  wird  S^ 
in  den  Strahl  S'  abgebildet  Sein  Schnittpunkt  F'  mit  der  Achse 
ist  der  Brennpunkt  des  Bildraumes  der  resultierenden  Abbildung. 
Er  bestimmt  sich  rechnerisch  daraus,  daß  Fl  und  F'  konjugierte 
Punkte  in  bezug  auf  die  Abbildung  2  sind,  d.  h.  es  ist 

(17)  F/F'^/"^', 

wobei  F^F'  positiv  ist,  falls  F'  rechts  von  F^  liegt;  konstruktiv 
erhält  man  F^  aus  der  oben  S.  25  angeführten  Konstruktion,  indem 
die  Durchschnittspunkte  von  5,  und  S'  mit  den  Brennebenen  §2 
und  82'  solche  Entfernungen  g  und  g  von  der  Achse  besitzen,  daß 
^ +  /  =  «/!  ist 

Der  Durchschnittspunkt  Ä  von  S'  mit  S  muß  in  der  Haupt- 
ebene ^  des  Bildraumes  der  resultierenden  Abbildung  liegen.  Da- 
durch ist  also  §'  und  infolgedessen  auch  die  resultierende  Brenn- 


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Geometrische  Theorie  der  optischen  Abbildung.  29 

weite  f  konstruiert,  welches  die  Entfernung  des  resultierenden 
Brennpunktes  F'  von  $)'  ist.  Aus  der  Konstruktion  und  der  Figur 
folgt,  daß  f  bei  positivem  A  negativ  ist. 

Eechnerisch  folgt  f  aus  Berechnung  des  Neigungswinkels  u 
des  Strahles  S\    Für  S^  gilt: 

und  zwar  ist  u^  mit  entgegengesetztem  Vorzeichen  zu  rechnen, 
falls  S,  als  Objektstrahl  für  die  Abbildung  2  aufgefaßt  wird.  Nach 
(9)  ist  nun: 

igu  d 

d.  h.  da  tgu^  =  —  2/ :  /"/  ist: 

Da  nun  aber  (vgl.  auch  den  Satz  der  S.  21)  y\f^=^tgu  ist,  so  folgt 

/'=-^'-  (18) 

Analog  erhält  man  durch  Betrachtung  eines  achsenparallelen  Strahles 
im  Bildraum  und  seines  konjugierten  Strahles  im  Objektraum: 

f—^^h  (19) 

und  für  die  Entfernung  des  resultierenden  Brennpunktes  F  von  dem 
Brennpunkte  F^\ 

jTF^^flli,  (20) 

wobei  FF^  positiv  ist,  falls  F  links  von  F^  liegt 

Die  Gleichungen  (17),  (18),  (19),  (20)  enthalten  die  Eigenschaften 
der  resultierenden  Abbildung,  berechnet  aus  denen  der  zusammen- 
setzenden Abbildungen. 

Ganz  ähnlich  kann  man  verfahren,  wenn  mehr  als  zwei  succes- 
sive  Abbildungen  vorhanden  sind.  . 

Ist  das  Intervall  J  zweier  Systeme  gleich  Null,  so  werden  die 
Brennweiten  /und/'  unendlich  groß,  man  erhält  also  teleskopische 
Abbildung.  Das  Verhältnis  der  Brennweiten,  welches  endlich 
bleibt,  folgt  aus  (18)  und  (19): 

Die  Lateralvergrößerung  y  :  y  ergibt  sich  aus  Betrachtung  eines 
einfallenden  achsenparallelen  Strahles  zu: 

y':y  =  ß /,://.  (22) 


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30  Kapitel  III. 

Vermöge  (21),  (22)  uud  (16)  ist  die  Konstante  a,  welche  die  Achsen- 
vergrößerung bedeutet  [vgl.  oben  Formel  (13)] 

Folglich  ist  nach  (14)  die  Angularvergrößerung: 

(24)  tgu:tgu  =  ß\a  =  f^:  /i'. 

Die  Konstruktion  oder  Berechnung  einer  resultierenden  Ab- 
bildung, wenn  unter  den  zusammensetzenden  Abbildungen  eine  oder 
mehrere  teleskopische  auftreten,  ist  etwas  zu  modifizieren  gegenüber 
den  bisherigen  Betrachtungen.  Das  Resultat  kann  aber  wiederum 
sofort  erhalten  werden,  wenn  man  die  successiven  Abbildungen  eines 
einfallenden  achsenparallelen  Strahles  konstruiert  oder  berechnet. 


Kapitel  III. 
Physikalische  Herstellung  der  optischen  Abbildung, 

Im  vorigen  Kapitel  ist  nach  dem  Vorgang  von  Abbe  die  geo- 
metrische Theorie  der  optischen  Abbildung,  welche  das  physikalische 
Zustandekommen  derselben  ganz  unerörtert  läßt,  deshalb  voran- 
gestellt, weil  wir  die  so  erhaltenen,  allgemeinen  Gesetze  in  jedem 
speziellen  Abbildungsfalle  wieder  finden  müssen,  einerlei,  welche 
spezielleren  physikalischen  Hilfsmittel  zur  Herstellung  der  Ab- 
bildung herangezogen  werden.  Der  Begriff  der  Brennpunkte  und 
Brennweiten  z.  B.  ist  also  nur  geknüpft  an  das  Bestehen  einer 
Abbildung,  einerlei,  ob  dieselbe  durch  brechende  Linsen  oder  reflek- 
tierende Spiegel  oder  durch  andere  Mittel  realisiert  wird. 

In  diesem  Kapitel  werden  wir  sehen,  daß  die  optische  Ab- 
bildung allerdings  in  dem  idealen  Sinne  des  vorigen  Kapitels  und 
ohne  alle  Beschränkungen  physikalisch  nicht  hergestellt  werden 
kann,  es  ist  nämlich  die  Abbildung  endlicher  Räume  durch  beliebig 
weit  geöffnete  Strahlenbüschel  nicht  zu  realisieren. 


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Physikalische  Herstellung  der  optischen  Abbildung.  31 

Wir  haben  zwar  schon  früher  S.  15  gesehen,  daß  man  durch 
Eeflexion  oder  Brechung  an  einer  aplanatischen  Fläche  die  Ab- 
bildung eines  Punktes  durch  weit  geöffnete  Büschel  erzielen  kann. 
Für  andere  Punkte  ist  dann  aber  keine  Abbildung  durch  weit  ge- 
öffnete Büschel  vorhanden,  da  die  Gestalt  der  aplanatischen  Fläche 
vom  Orte  des  Objektes  abhängt.  Deshalb  bietet  die  genauere  Be- 
handlung spezieller  aplanatischer  Flächen  kein  großes  physikalisches 
Interesse.  Wir  werden  im  folgenden  nur  die  Herstellung  der 
Abbildung  durch  brechende  oder  reflektierende  Kugelflächen  behan- 
deln, da  diese  wegen  der  leichteren  technischen  Herstellbarkeit 
bei  den  optischen  Instrumenten  allein  verwandt  werden,  und  andere 


Fig.  u. 

Gestalten  der  reflektierenden  oder  brechenden  Flächen  schon  allein 
aus  dem  angeführten  Grunde  doch  keine  ideale  optische  Abbildung 
liefern  können. 

Wir  werden  sehen,  daß  man  durch  brechende  oder  reflektierende 
Kugelflächen  optische  Abbildung  praktisch  herstellen  kann,  wenn 
man  gewisse  Beschränkungen  dabei  zuläßt,  nämlich  entweder  in 
der  Größe  der  abgebildeten  Räume,  oder  in  der  Weite  der  die 
Abbildung  vermittelnden  Strahlenbüschel. 

1.  Breehung  an  einer  Engelfliche.  In  einem  Medium  vom 
Brechungsindex  n  falle  ein  Strahl  PA  auf  eine  stärker  brechende 
Kugel  vom  Brechungsindex  n.  Der  Radius  der  Kugel  sei  r,  ihr 
Zentrum  C  (vgl.  Figur  14).    Um  den  gebrochenen  Strahl  zu  finden, 


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32  Kapitel  m. 

konstruiere  man  (nach  Weierstrass)  um  G  zwei  Kugeln  1  und  2  mit 

den  Radien  r^  =  %,  und  r^  =  ^r.    Kugel  1  werde  von  PA  in  B 

getroffen;  man  ziehe  BG,  welches  Kugel  2  in  D  schneide.  Dann  ist 
ÄD  der  gebrochene  Strahl.  Man  kann  dies  leicht  einsehen,  da 
Dreieck  ABC  ähnlich  dem  Dreieck  BAG  ist.  Denn  es  ist  AG\  GD 
=  BG:GA  =  n:n.  Folglich  ist  ^DAG=^ABG=g)'  (Brechungs- 
winkel), und  da  ^BAG=g)  (Einfallswinkel)  ist,  so  ist 

sin  (p  :  sin  (p  =  BG :  AG  =  n  :n, 
was  nach  dem  Brechungsgesetz  sein  muß. 

Wenn  man  so  zu  verschiedenen,  von  einem  Punkte  P  aus- 
gehenden Strahlen  die  gebrochenen  konstruiert,  so  erkennt  man  schon 
aus  der  Zeichnung,  daß  dieselben  sich  nicht  in  einem  einzigen 
Punkte  P'  schneiden;  eine  Abbildung  durch  weit  geöffnete  Strahlen- 
btischel  findet  also  nicht  statt  Aus  der  benutzten  Konstruktion 
geht  aber  unmittelbar  hervor,  daß  alle  Strahlen  PA,  welche  nach 
dem  Punkte  B  hinzielen,  sämtlich  nach  dem  Punkte  D  hin  ge- 
brochen werden.  Umgekehrt  haben  alle  Strahlen,  welche  von  D 
ausgehen,  ihren  virtuellen  Vereinigungspunkt  in  Ä  Es  gibt 
also  auf  jeder  durch  das  Zentrum  G  einer  Kugel  vom 
Radius  r  gehenden  Geraden  zwei  Punkte  in  den  Entfer- 

nungen  r^  und  r^,,  welche  durch  alle  Strahlen  genau  in- 
einander abgebildet  werden,  allerdings  nicht  zu  zwei  reellen 
Bildern.  Diese  Punktepaare  heißen  die  aplanatischen  Punkte- 
paare der  Kugel. 

Bezeichnen  wir  die  Neigungswinkel  zweier  von  den  aplanati- 
schen Punkten  B  und  D  ausgehender  Strahlen  gegen  die  Achse  BD 
mit  u  und  u\  d.  h.  setzen  wir 

^ABG=u,   ^ADG=u\ 
so  ist,  wie  vorhin  nachgewiesen  wurde,  ^ABG=^DAG=u, 
Aus  Betrachtung  des  Dreiecks  ADG  folgt  daher: 

( I )  sin  u  :  sin  u  =  AG:  GD  =  n  :  n. 

Wir  haben  also  hier  ein  von  u  unabhängiges  Verhältnis  der  Sinus 
der  Neigungswinkel  konjugierter  Strahlen,  nicht  wie  nach  Formel  (9) 
der  S.  22  ein  konstantes  Verhältnis  der  Tangenten  der  Neigungs- 
winkel. Der  Unterschied  beider  Fälle  ist  darin  begründet,  daß 
früher  eine  Abbildung  gewisser  endlicher  Raumteile  angenommen 
wurde,  während  hier  nur  eine  Abbildung  zweier  Flächen  durch 


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Physikalische  Herstellung  der  optischen  Abbildung.  33 

weit  geöffnete  Büschel  stattfindet.  Die  sämtlichen  aplanatischen 
Punktepaare  B,  D  bilden  nämlich  die  beiden  konzentrischen  Kugel- 
flächen 1  und  2  der  Figur  14.  Allerdings  ist  diese  Abbildung  der 
beiden  Flächen  auch  nicht  eine  kollineare  im  früheren  Sinne,  denn 
die  beiden  Flächen  sind  nicht  zwei  Ebenen.  Bezeichnet  man  die 
Größe  zweier  konjugierter  Flächenstücke  in  ihnen  mit  s  und  s\  so 
ist,  da  ihr  Verhältnis  gleich  dem  der  ganzen  Kugelfläche  1  und  2 
sein  muß: 

$  :  s  =  n^:  n^. 

Daher  kann  man  die  Gleichung  (1)  auch  schreiben: 

sin^u  •  s  •  n^  =  smhi  •  s  •  n'^,  (2) 

Wir  werden  später  sehen,  daß  diese  Gleichung  stets  für  die  physi- 
kalische Abbildung  zweier  unendlich  kleiner  Flächenstücke  «  und  s 
gilt,  einerlei,  durch  welche  speziellen  Anordnungen  die  Abbildung 
hergestellt  ist. 

Um  eine  räumliche  optische  Abbildung  durch  die  Brechung  an 
einer  Kugelfläche  zu  erhalten,  müssen  wir  die  Öffnung  der  die 
Abbildung  vermittelnden  Strahlenbüschel  als  sehr  klein  annehmen. 


Fig.  15. 

Sei  (vgl.  Figur  15)  PÄ  ein  Strahl,  welcher  in  AP'  gebrochen  wird, 
und  sei  PCP'  die  durch  den  Kugelmittelpunkt  G  gehende  Zentrale, 
so  folgt  aus  Dreieck  PAC: 

sin  q> :  sin  a  =  PH  +  r  :  PA^ 
aus  Dreieck  P' AG\ 

sin  (p  :  sin  a  =  HP'  —  r  \  P  A, 
Durch  Division  folgt: 

sin  y  _n__  PH+jr     Pji 
sin  (p         n         P^H  —  r      PA 
Drnde,  Lehrbuch  d.  Optik.   2.  Aufl.  3 


(3) 


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e  +  r 


34  Kapitel  ni. 

Setzen  wir  nun  voraus,  daß  A  unendlich  nahe  an  H  liege,  d.  h. 
daß  ^APH  sehr  klein  sei,  so  ist  P^^PF,  P'A  =  P'n  zu  setzen. 
Bezeichnen  wir  diese  Entfernungen  mit 

PH=e,   P'E=e\ 
so  folgt  aus  (3): 

oder 

(4) 

Dabei  ist  r  positiv  gerechnet,  wenn  die  Kugel  gegen  das  einfallende 
Licht  konvex  ist,  d.  h.  C  rechts  von  H  liegt;  e  ist  positiv,  falls  P 
links  von  F,  e  ist  positiv,  falls  P'  rechts  von  H  liegt.  Zu  jedem 
e  gehört  also  ein  ganz  bestimmtes  e',  unabhängig  von  der  Lage 
des  Strahles  PA,  d.  h.  es-  findet  eiAe  Abbildung  eines  sich  nahe  an 
die  Zentrale  PC  anschließenden  Raumteiles  statt  durch  Strahlen, 
welche  der  Zentrale  nahe  bleiben. 

Eine  Vergleichung  der  Formel  (4)  mit  der  früher  auf  S.  23 
abgeleiteten  Formel  (11)  lehrt,  daß  die  Brennweiten  der  Ab- 
bildung sind: 

und  daß  die  beiden  Hauptebenen  §  und  §'  zusammenfallen  in  die 
im  Scheitel  H  der  Kugelfläche  errichtete  Tangentialebene.  Die 
gleichen  Vorzeichen  von  f  und  f  entsprechen  dem  oben  auf  S.  25 
besprochenen  Merkmale  der  dioptrischen  oder  rechtläufigen  Ab- 
bildung. Ist  n  >  n,  so  gibt  eine  konvexe  Krümmung  (positives  r) 
eine  kollektive  Abbildung.  Reelle  Bilder  {e  >  0)  entstehen  dabei, 
solange  e  >  /*  ist.  Die  Bilder  sind  dann  zugleich  umgekehrt. 
Die  Gleichung  (10)  der  S.  23  wird: 

Nach  früheren  Festsetzungen  sind  die  Neigungswinkel  w,  u  kon- 
jugierter Strahlen  in  verschiedenem  Sinne  gerechnet  Wenn  sie  in 
gleichem  Sinne  gerechnet  werden,  so  wollen  wir  dies  durch  die  Be- 
zeichnung 'u  an  Stelle  von  u  ausdrücken.  Es  ist  also  'u  =  —  u 
zu  setzen.  Man  kann  dann  die  letzte  Gleichung  schreiben: 
(7)  nytgu  =  nytgu. 

Wir  lernen  durch  diese  Gleichung  eine  Größe  kennen,  welche 


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Physikalische  Herstellung  der  optischen  Abbildung.  35 

durch  die  Brechung  nicht  geändert  wird,  eine  optische  Invariante. 
Dieselbe  bleibt  daher  auch  konstant,  wenn  eine  Brechung  durch 
beliebig  viele  zentrierte  Kugelflächen  stattfindet.  Bezeichnen  wir 
in  diesem  Falle  mit  n  den  Brechungsindex  im  ersten  Medium,  mit 
n  den  im  letzten,  so  gilt  also  auch  Gleichung  (7).  Da  nun  aber 
allgemein  nach  der  früheren  Gleichung  (10)  der  S.  23  för  jede  Ab- 
bildung gilt 

ytgu         f'  W 

so  gibt  die  Vergleichung  mit  (7): 

fif^n:n\  (9) 

d.  h.   bei   der  Abbildung   durch  ein  System  zentrierter, 
brechender  Kugelflächen  ist  das  Verhältnis  der  Brenn- 
weiten gleich  dem  Verhältnis  der  Brechungsindizes  des 
ersten  unddes  letzten 
Mediums.     Wenn   also 
z.  B.  diese  beiden  Medien 
Luft  sind,  wie  es  bei  den 
Linsen,  den  Spiegeln  und 
den    meisten    optischen 
Instrumenten  der  Fall  ist, 
so  sind  beide  Brennweiten 
einander  gleich. 

2.  Beflexion  an  einer 
Kugelfläche.  Der  Eadius  ^^    ^^ 

r  des  Spiegels  sei  positiv 

für  einen  Konvexspiegel,  negativ  für  einen  Hohlspiegel  gerechnet. 
Nach  dem  Reflexionsgesetz  muß  (vgl.  Figur  16)  ^PäG=^  P^äC 
sein.    Es  ist  also  nach  einem  Satze  der  Geometrie: 

PA:P'ä  =  PC:P'C.  (10) 

Wenn  der  Strahl  PA  beliebig  große  Winkel  mit  der  Achse  PC 
bildet,  so  ist  der  Durchschnittspunkt  P'  der  Achse  mit  dem  kon- 
jugierten Strahl  ein  variabler.  Es  besteht  dann  auch  keine  Ab- 
bildung des  Punktes  P.  Wenn  aber  der  Winkel  APC  so  klein 
bleibt,  daß  man  anstatt  seines  Sinus  den  Winkel  selbst  setzen 
kann,  so  gehört  zu  jedem  P  ein,  bestimmtes  konjugiertes  P',  d.  h. 
dann  besteht  eine  Abbildung.  Man  kann  dann  nämlich  PA  =  PH, 
P'A  =  P'H  setzen,  so  daß  (10)  übergeht  in 

PH:P'H=PC:P'C,  (11) 


• 


3 


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36  Kapitel  III. 

oder  wenn  man  PF  =  e,  P'H=  —  e  setzt,  so  folgt  (in  der  Figur 
ist  r  negativ): 

(12)  --e  +  i  =  7- 

Ein  Vergleich  mit  der  früheren  Formel  (11)  auf  S.  23  lehrt,  daß 
die  Brennweiten  der  Abbildung  sind: 

(13)  /*=-|^     f=  +  ^r, 

und  daß  die  beiden  Hauptebenen  ^  und  ^'  zusammenfallen  in  die 
im  Scheitel  H  des  Kugelspiegels  errichtete  Tangentialebene;  die 
beiden  Brennpunkte  fallen  zusammen  (in  die  Mitte  zwischen  G  und 


Objektlinie 


Fig.  17. 

//)»  lind  die  Knotenpunkte  fallen  auch  zusammen,  und  zwar  in  das 
Zentrum  C  des  Kugelspiegels.  —  Die  Größen  e  und  e  sind  in  dem- 
selben Sinne  positiv  gerechnet  wie  früher  auf  S.  23. 

Das  verschiedene  Vorzeichen  der  Brennweiten  f  und  f  ent- 
spricht dem  oben  auf  S.  25  besprochenen  Merkmale  der  katoptri- 
schen  oder  rückläufigen  Abbildung.  Nach  den  Festsetzungen  der 
S.  26  entspricht  ein  negatives  r,  d.  h.  ein  Hohlspiegel,  einer  kollek- 
tiven Abbildung,  dagegen  ein  Konvexspiegel  einer  dispansiven  Ab- 
bildung. 

Wie  ein  Vergleich  der  Formeln  (13)  und  (5)  dieses  Kapitels 
lehrt,  kann  man  die  hier  gewonnenen  Resultate  bei  der  Reflexion 
an  einer  Kugelfläche  ableiten  aus  den  früheren  Resultaten  für  eine 
Brechung  an  .derselben,  falls  man  n\n  =  —  1  setzt.  In  der  Tat 
geht  ja  auch  für  w':  w  =  —  1  das  Brechungsgesetz  in  das  Reflexions- 
gesetz über.    Von  dieser  Bemerkung  kann  man  Gebrauch  machen, 


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Physikalische  Herstellung  der  optischen  Abbildung.  37 

falls  es  sich  um  die  Kombination  der  Abbildungen  an  mehreren 
brechenden  oder  spiegelnden  Kugelflächen  handelt.  Der  Satz  (9) 
bleibt  für  alle  diese  Fälle  bestehen  und  zeigt,  daß  durch  Zusammen- 
setzung der  Reflexionen  an  einer  geraden  Anzahl  von  Kugelflächen 
und  beliebigen  Brechungen  allemal  ein  positives  Verhältnis  f :  f. 
d.  h.  eine  dioptrische  oder  rechtläufige  Abbildung  entsteht  (vgl. 
oben  S.  25). 

Den  Zusammenhang  zwischen  Bild  und  Objekt  kann  man  deut- 
lich aus  der  Figur  17  entnehmen.  Dieselbe  bezieht  sich  auf  einen 
Konkav-(Hohl-)Spiegel.  Die  Zahlen  1,  2,  3,  ...  8  bedeuten  Objekt- 
punkte in  konstanter  Höhe  über  der  Achse  der  Abbildung.  Die  Zahlen 
7  und  5,  welche  hinter  dem  Spiegel  liegen,  entsprechen  virtuellen 
Objekten,  d.h.  die  einfallenden  Lichtstrahlen  zielen  nach  diesen 


'"^^^ 

^^^ 

-^    # 

/  Objektlmiß         z 

^^"""^-^.m^  ^      s        e               7                  8 

»^:; 

1   ^'''^'^*-^-.,^ " 

m.                '^->,^^ 

"> 

Flg.  18. 

Punkten  hin,  kommen  aber  in  ihnen  nicht  zum  Schnitt,  sondern 
treffen  vorher  auf  den  Spiegel  und  werden  reflektiert.  Das  Gebiet 
der  reellen  Objekte  ist  in  der  Figur  17  durch  eine  ausgezogene, 
das  der  virtuellen  Objekte  durch  eine  gestrichelte  Linie  gekenn- 
zeichnet Die  Punkte  /,  2',  5^  ...  6^  sind  die  Bilder  der  Punkte 
1,  2,  3  , . .  8.  Da  letztere  in  einer  achsenparallelen  Geraden  liegen, 
so  müssen  erstere  in  einer  Geraden  liegen,  welche  durch  den  Brenn- 
punkt F  geht  und  durch  den  Punkt  6,  den  Schnitt  des  Objekt- 
strahles mit  dem  Spiegel,  d.  h.  der  Hauptebene.  Die  ausgezogene 
Bildlinie  bedeutet  reelle  Bilder,  die  gestrichelte  virtuelle.  Irgend 
ein  Bildpunkt,  z.  B.  2',  kann  dadurch  konstruiert  werden  (nach 
S.  24),  daß  man  durch  das  Objekt  2  und  den  Brennpunkt  F  eine 
Gerade  zieht,  welche  den  Spiegel,  d.  h.  die  Hauptebene,  in  einem 
Punkte  A2  schneiden  möge.  Zieht  man  dann  durch  A2  eine  Parallele 


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38  Kapitel  IIL 

zur  Achse,  so  schneidet  diese  die  vorhin  konstruierte  schiefe  Bild- 
linie im  gesuchten  Bildpunkt  2". 

Aus  der  Figur  ersieht  man  deutlich,  daß  ferne  Objekte  sich 
reell  und  umgekehrt  abbilden,  daß  von  Objekten,  die  innerhalb  der 
Brennweite  vor  dem  Spiegel  liegen,  virtuelle  aufrechte  Bilder  ent- 
stehen, und  daß  zu  virtuellen  Objekten  hinter  dem  Spiegel  reelle, 
aufrechte  Bilder  vor  dem  Spiegel  gehören. 

Für  einen  Konvexspiegel  gibt  ebenso  Figur  18  die  Lage  von 
Objekt  und  Bild  an.  Man  ersieht  daraus,  daß  zu  allen  reellen 
Objekten  virtuelle,  aufrechte,  verkleinerte  Bilder  gehören,  daß  bei 
virtuellen  Objekten,  die  innerhalb  der  Brennweite  hinter  dem 
Spiegel  liegen,  reelle,  aufrechte,  vergrößerte  Bilder  entstehen;  zu 

ferneren  virtuellen  Objek- 
ten gehören  wieder  vir- 
tuelle Bilder. 

Die  Gleichung  (11)  be- 
sagt, daß  PCP'U  vier 
harmonische  Punkte  sind. 
Man  kann  also  zu  einem 
Objekte  P  sein  Bild  in 
folgender  Weise  nach 
Fig.  19.  einem  Lehrsatze  der  syn- 

thetischen Geometrie  kon- 
struieren (vgl.  Figur  19):  Man  ziehe  von  einem  beliebigen  Punkte 
L  aus  zwei  Strahlen  LC  und  LH,  femer  ziehe  man  den  beliebigen 
Strahl  PDB,  Der  Schnittpunkt  von  DF  mit  BC  sei  O,  dann  schneidet 
LO  die  Gerade  PH  in  dem  zu  P  konjugierten  Punkte  P\  —  Bei 
einem  Konvexspiegel  ist  die  Konstruktion  ganz  dieselbe,  es  ver- 
tauschen die  beiden  Punkte  C  und  H  nur  ihre  physikalischen  Be- 
deutungen. 

3.  Linsen.  Die  Eigenschaften  der  Abbildung  durch  zwei  zen- 
trierte Kugelflächen  (Linsen)  können  wir  direkt  aus  dem  §  7  des 
Kapitels  II  ableiten.  Die  Krümmungsradien  r^  und  r^  rechnen  wir 
in  dem  früher  (§  t)  festgesetzten  Sinne  positiv.  Wir  rechnen  näm- 
lich den  Radius  einer  Kugelfläche  als  positiv,  wenn  sie  konvex 
nach  links,  d.  h.  gegen  die  einfallenden  Strahlen  konvex  ist  Wir 
wollen  den  Fall  betrachten,  daß  die  Linse  den  Brechungsindex  n 
besitzt  und  in  Luft  liegt.  Die  Dicke  der  Linse,  d.  h.  der  Abstand 
ihrer  Scheitelpunkte  S^  und  S2  (vgl.  Figur  20),  sei  d.  Wenn  dann 
die  Brennweiten  für  die  Abbildung  durch  Brechung  an  der  ersten 


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Physikalische  HerstelluDg  der  optischen  Abbildung.  39 

Grenzfläche  der  Linse  mit  /i  und  f(,  far  die  Abbildung  an  der 
zweiten  Grenzfläche  mit  ^2  imd  f^  bezeichnet  werden,  so  ist  das 
Intervall  A  beider  Abbildungen  (cf.  oben  S.  28)  gegeben  durch: 

j  =  d-f;-f,,  (14) 

und  nach  (5)  ist 

/i=ni^in,   /i=n;riri.   h=rc,j-^,   f^^r^j--.      (15) 

Nach  den  Formeln  (19)  und  (18)  des  Kapitels  11  (S.  29)  werden 
also  die  resultierenden  Brennweiten: 

während  die  Lage  der  beiden  resultierenden  Brennpunkte  F  und  F' 
aus  den  Formeln  (17)  und  (20)  des  Kapitels  II  (S.  28,  29)  berechnet 


-Y-^J- 

? 

* ''  .           .  'i  . 

"^ 

°F 

4' 

/' 

Fig.  20. 

wird.  Nach  diesen  Formeln  wird  die  Entfernung  a  des  Brenn- 
punktes F  vor  dem  Linsenscheitel  S^  und  die  Entfernung  a  des 
Brennpunktes  F'  hinter  dem  Linsenscheitel  iSj,  da  0  =  FF^  +  /;, 
i/r:=.F2F'+  f2   ist: 

^        n  —  1    rf(n  — i)  — wri-f  wra'  ^^ '>' 

^'_     r2  —d{n  —  l)-i-  nrx 

^  ~  n  —  l'  d(n  —  l)'-nrt+nr2'  ^^^^ 

Nennt  man  h  die  Entfernung  der  ersten  Hauptebene  §  von 
dem  Linsenscheitel  S^,  und  h'  die  Entfernung  der  zweiten  Haupt- 
ebene $)' hinter  dem  Linsenscheitel  Äj,  so  ist  /*+  h=ö  und  f'+  ä'=  o\ 
d.  h.  es  folgt  nach  (16),  (17)  und  (18): 

^"^äln-i)  — nri-f  wra'  (^^) 


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40  Kapitel  III. 

für  die  Distanz  p  der  Hauptebene  §  vor  der  Hauptebene  ^'  folgt, 

da  ;?  =  c?  +  Ä  +  ä': 

(21)  P  =  d  {n  -  1)—-^^^^±±I^ 

Die  Knotenpunkte  fallen  in  die  Hauptpunkte,  As^  f=f  ist  (vgl. 
oben  S.  23). 

Aus  diesen  Formeln  geht  hervor,  daß  die  Krümmungen  r^  und 
r^  allein  noch  nicht  den  Charakter  der  Abbildung  bestimmen,  son- 
dern daß  derselbe  auch  wesentlich  von  der  Dicke  d  der  Linse  be- 
stimmt ist.  So  wirkt  z.  B.  eine  bikonvexe  Linse  (r^  positiv,  r^ 
negativ)  bei  nicht  zu  großer  Dicke  d  kollektiv,  d.  h.  sie  besitzt 
eine  positive  Brennweite,  dagegen  dispansiv,  falls  d  sehr  groß  ist 
(bikonvexe  Stablinse). 

4.  Dfinne  Linsen.  In  der  Praxis  tritt  oft  der  Fall  ein, 
daß  die  Dicke  d  der  Linse  so  klein  ist,  daß  man  d  {n  —  1)  ver- 
nachlässigen kann  gegen  n  {r^  —  r^j.  Von  dem  Falle  r^=r2,  welcher 
bei  einer  konvex-konkaven  Linse  mit  zwei  gleichen  Krümmungen 
eintritt,  wollen  wir  hierbei  absehen.  Dann  werden  nach  (16)  die 
Brennweiten  der  Linse: 


(22) 


f=f='-f i^T-^ — \,  oder 

|-c»-'(i-.^). 


während  nach  (19),  (20)  und  (21)  die  Hauptebenen  nahe  zusammen- 
fallen mit  den  nahe  zusammenfallenden  Tangentialebenen  in  den 
Scheiteln  S^  und  Äj  der  Linse. 

Genauer  berechnet    sich   nach   diesen  Formeln,   wenn   man 
d  {^n  —  i)  gegen  n  (rj  —  rj)  vernachlässigt: 

d         Kl  j,  d         rj  ,  n  —  1 


(23)         h  = — ,    7^  =  +  -.   ~-^~-     ü  = 


d^ 


Der  Abstand  p  beider  Hauptebenen  voneinander  ist  also  von  den 
Linsenkrümmungen  unabhängig.  Für  n  =  1,5  beträgt  p  =  Va  ^• 
Für  bikonvexe  sowohl  als  bikonkave  Linsen  liegen  die  Hauptebenen 
im  Innern  der  Linse  (da  h  und  li  negativ  sind).  Bei  gleichen 
Krümmungen  {ry  =  — 1\^  ist  für  n  =  i,o  :  ä  =  /i'=  —  %  d,  d.  h.  die 
Hauptebenen  liegen  um  je  Vs  der  Linsendicke  von  der  Oberfläche 
entfernt.  —  Bei  gleichem  Vorzeichen  von  r^  und  r^  (konkav-konvexe 
Linsen)  können  die  Hauptebenen  außerhalb  der  Linse  liegen. 


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Physikalische  Herstellung  der  optischen  Abbildung. 


41 


Zu  den  Linsen  mit  positiver  Brennweite  (Sammellinsen)  ge- 
hört die 

Bikonvexlinse  (q  >  ö,  rj  <  0) 
Plankonvexlinse  (r^  >  0,  f^  =  od) 
Konkav-konvexlinse  {r^  >  ö,  rj  >  0,  rj  >  7\\ 
kurz  alle  Linsen,  welche  in  der  Mitte  dicker  sind  als  am  Rande. 
Zu  den  Linsen  mit  negativer  Brennweite  (Zerstreuungslinsen) 
gehört  die 

Bikonkavlinse  (r^  <  ö,  rj  >  ö) 
Plankonkavlinse  (rj  =  oo,  rj  >  ö) 
Konvex-konkavlinse  (r^  >  ö,  r2  >  ö,  rj  <  rj), 
d.  h.  alle  Linsen,  welche  in  der  Mitte  dünner  sind  als  am  Rande.  ^) 
Der  Zusammenhang  zwischen  Bild  und  Objekt  ergibt  sich 


4-^--,ff/. 


v/. 


'^i 


*^^--^^r 


Objfktlinie 


Fig.  21. 


Übersichtlich  aus  den  Figuren  21  und  22,  die  in  demselben  Sinne 
zu  verstehen  sind  wie  die  früheren  Figuren  17  und  18.  Aus  ihnen 
ergibt  sich,  daß  bei  der  Sammellinse  reellen  Objekten  je  nach 


Ohjtktlinie 


ßHd^'.f.'- 


^       -r-^'j 


r' 


Fig.  22. 

ihrer  Distanz  reelle  oder  virtuelle  Bilder  entsprechen,  während  bei 
der  Zerstreuungslinse  zu  reellen  Objekten  nur  virtuelle  Bilder  ge- 
hören.   Reelle,  aufrechte,  vergrößerte  Bilder  entstehen  durch  eine 


1)  Die  Bezeichnung:  kollektive  (dioptrische)  Abbildung  für  solche   mit 
positiven  Brennweiten,   dispansive  för  solche  mit  negativen  Brennweiten   ist 


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42  Kapitel  m. 

Zerstreuungslinse  von  virtuellen  Objekten,  die  innerhalb  der  Brenn- 
weite hinter  der  Linse  liegen. 

Wenn  zwei  dünne  Linsen  der  Brennweite  f^  und  f^i  zentriert 
aufeinander  gelegt  werden,  so  ist  das  optische  Intervall  A  (vgL 
oben  S.  39)  J  =  —  (/i  +  f^.  Nach  Formel  (19)  des  Kapitels  11 
(S.  29)  ist  daher  die  resultierende  Brennweite: 

(24)  oder 

Man  pflegt  die  reziproke  Brennweite  einer  Linse  ihre. Stärke 
zu  nennen.  Es  besteht  also  der  Satz:  Die  Stärke  einer  Kombi- 
nation mehrerer  aufeinandergelegter  dünner  Linsen  ist 
gleich  der  Summe  der  Stärken  der  einzelnen  Linsen. 

5.  Experimentelle  Bestimmimg  der  Brennweite.  Bei  dünnen 
Linsen,  bei  denen  man  die  beiden  Hauptebenen  als  praktisch  zu- 
sammenfallend ansehen  kann,  genügt  die  Bestimmung  der  Orte 
eines  Objektes  und  seines  Bildes,  um  die  Brennweite  daraus  her- 
zuleiten, z.  B.  nach  Formel  (11)  des  IL  Kapitels,  S.  23,  die  sich 
hier,  da  /'=/^  ist,  vereinfacht  zu 

(25)  7 +  7  =  7- 

Da  die  Orte  reeller  Bilder  durch  Auffangen  auf  einem  Schirm 
besonders  bequem  zu  bestimmen  sind,  so  kombiniert  man  Konkav- 
linsen, die  bei  reellen  Objekten  nur  virtuelle  Bilder  liefern,  mit 
einer  Konvexlinse  gemessener  Stärke,  so  daß  die  Kombination 
reelle  Bilder  liefert.  Nach  (24)  ist  dann  leicht  die  Brennweite 
der  Konkavlinse  zu  erhalten,  wenn  man  die  resultierende  Brenn- 
weite f  der  Kombination  experimentell  ermittelt. 

Dieses  Verfahren  ist  nicht  mehr  statthaft  bei  dicken  Linsen 
und  überhaupt  beliebigen  optischen  Systemen.  Die  Lage  der 
Brennpunkte  ist  leicht  zu  ermitteln,   falls  man  Parallelbüschel 


dieser  Eigenschaft  der  Linsen  entnommen :  eine  Linse  mit  positiver  Brennweite 
macht  ein  auffanendes  Ldchtbündei  konvergenter,  eine  Linse  mit  negativer 
Brennweite  macht  es  divergenter.  Bei  Abbildungen,  die  durch  ein  System  von 
Linsen  entstehen,  und  bei  denen  die  Hauptebenen  nicht  zusammen&llen  mit 
z.  B.  der  ersten  brechenden  Fläche,  ist  der  Unterschied  zwischen  koUektiven 
und  dispansiven  Systemen  nicht  so  direkt  zu  konstruieren.  Man  muß  dann 
nach  S.  26  definieren. 


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Physikalische  Herstellung  der  optischen  Abbildung.  43 

einfallen  läßt.  Bestimmt  man  nun  den  Ort  eines  Objektes  und 
seines  Bildes  in  bezug  auf  die  Brennpunkte,  so  ergeben  sich  nach 
den  Formeln  (7)  auf  S.  20  und  (9)  auf  S.  22  sofort  die  Brenn- 
weiten. —  Auf  die  im  II.  Kapitel  S.  21  gegebene  Definition  der 
Brennweite  [vgl  die  dortige  Formel  (8)] 

f=yitgu  (26) 

kann  man  leicht  ein  strenges  Verfahren  zur  Ermittelung  der  Brenn- 
weite gründen,  indem  man  die  angulare  Größe  tgu  eines  unend- 
lich entfernten  Objektes  mißt  und  die  lineare  Größe  seines  Bildes 
y\  Dies  ist  besonders  bequem  auszuführen  bei  Objektiven  von 
Fernrohren,  die  über  einem  Teilkreise  drehbar  sind,  da  man  dann 
an  ihm  sofort  den  Sehwinkel  igu  ablesen  kann. 

Ist  das  Objekt  der  Größe  y  nicht  unendlich  entfernt,  sondern 
hat  den  Abstand  e  von  der  Hauptebene  ^,  während  sein  Bild  der 
Größe  y  den  Abstand  e  von  der  Hauptebene  §'  hat,  so  ist 

2/':«/  =  — e':e,  (27) 

da,  falls  /*«=/^  ist,  die  Knotenpunkte  in  die  Hauptpunkte  fallen, 
d.  h.  Objekt  und  Bild  von  den  Hauptpunkten  aus  unter  gleichen 
Winkeln  erscheinen. 

Eliminiert  man  e  oder  e  aus  (25)  und  (27),  so  folgt 

(28) 


1-^      i-^ 
y  y 

Entweder  wählt  man  nun  e  sehr  groß,  oder  e.  In  beiden  Fällen 
kann  man  dann  ohne  merklichen  Fehler  e  bezw.  e  gleich  der  Ent- 
fernung vom  optischen  System  (z.  B.  Linse)  setzen,  falls  wenigstens 
nicht  die  Hauptebenen  desselben  sehr  weit  von  ihm  entfernt  liegen. 
Man  kann  also  dann  eine  der  beiden  Formeln  (28)  zur  Bestimmung 
der  Brennweite  f  benutzen,  wenn  man  e  bezw.  e  und  die  Ver- 
größerung y\  y  mißt 

Man  umgeht  die  Bestimmung  des  Objekt-  oder  Bildortes, 
wenn  man  die  Vergrößerung  für  zwei  Objektlagen  bestimmt,  welche 
eine  gemessene  Distanz  l  voneinander  besitzen.  Denn  nach  (7) 
S.  20  ist 

(y\_^    iy\^ ^-H^ 

Wirf  \yk-~r^ 


daher 


;•= L__.  (29) 


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H  Kifhe:  HL 

r  d-^  •jrj-k*'^.  y '  y\  •^*'  n-zipr-kf  VrrrgT^'*>-raLZ  bri  d»fr  Lage 
ar  —  /  :--^  ^  »'';rki'->,  /  i-t  f^-r-itir.  fall?  in  d^r  zweiten  Läse  das 
^^'r'-kt  i.7i  >iLi.*f  d-^  ♦"ir.fall-L i-a  LirLt-^  uni  die  Snxke  /  rer- 
-  :.  'v-a  i*t    'L  h-  T-'S  lir.k-i  nach  T^:hx> . 

Alf  'ü---rr  M-iL  -i-  brmbi  d^^  F«.'koniri*rr  Vi.»a  Abbe,  mit 
Hilf»r  dr""-!!  m^n  cirh-ütli'-h  di»f  Bivnaw^iir-n  r^a  Mikr«>skop- 
«  ^Jrkt:v-n  b^^ri^-r^nj-a  k^na.  Zar  Messung  der  Bil  igp'Sra  y  dient 
*-!::  H;;f-rr,:kn>-k"p-  Mit  »riariu  s*dch»rn  Intzv.  einer  einfachen 
hi^'^  k":.:,»-a  Gdiärli'-h  »-b^a.^tw.^hl  von  reellira.  wie  Ton  virtnellen 
Hr.  i-ra  ihre  Grr»S-a  g»-niess*rn  wenl^-n,  so  daß  di^rse  Methoden 
z.  H,  an'^-h  für  di-paa-ire  Linsen,  d.  h.  übtrrhanpt  allgemein  an- 
w-r.ibar  sirA' 

€•  A«tii;«atL>ehe  Abbiliwi^.  In  unseren  früheren  Betrach- 
X'i:.^-*n  hab*-n  wir  gesehen,  daß  dan?h  zentrierte  Kngelflächen  eine 
AbbiMnag  venrjittelt  wird  durch  Elementar-  d.  h.  unendlich  enge' 
Kü-'hfr'L  d^-ren  >trahlen  nur  eine  g*^ringe  Neigung  zur  Achse  haben 
n::d  die  von  Punkt^-n  der  Achse  oder  ihrer  unmitt^-lbaren  Xachbar- 
*»^'haft  au-geh^-B.  In  diesem  Falle  schneiden  sich  die  samtlichen 
.Mmhl^n  d^s  Bö-chels  im  Bildraum  in  einem  Punkte  dem  Bilde^. 
Ml*-n  wie  man  kurz  sagt  die  Strahlenbüschel  sind  auch  im  Bild- 
r^urne  homozentrisch.  Wir  wollen  nun  einmal  prüfen,  was  ein- 
tritt. Wf-nn  man  eine  der  gemachten  Beschrankungen  fallen  läßt, 
4  h-  Wenn  ein  beliebig  schiefes  Elementarbüschel  von  einem 
Pnnkte  P  ausgeht 

Im  allgemeinen  ist  dann  das  Bildbüschel  nicht  mehr  homozen- 
tri>'lL  Die  Konstitution  eines  Elementarbüschels,  welches  von  einem 
Lichtpunkte  P  ausgegangen  ist  und  Reflexionen  und  Brechungen 
an  irirend  welchen,  beliebig  gestalteten  Flächen  erfahren  hat 
charakterisiert  sich  durch  den  oben  auf  S.  13  besprochenen  Satz 
von  Malus  als  ein  orthotomisches  Strahlenbündel,  i  h.  dasselbe 
laßt  i^ich  als  die  Normalen  X  auf  einem  gewissen  Flächenstück  -T 
auffassen.  Dieselben  schneiden  sich  nun  im  allgemeinen  nicht  in 
ein^m  Punkte.  Wie  aber  die  Geometrie  lehrt,  gibt  es  auf  jeder 
Fläche  2J  zwei  sich  rechtwinklig  schneidende  Kurvenscharen  (die 
hogenannten  Krümmungslinien^,  deren  Normalen,  die  zugleich  senk- 
recht auf  df^r  Fläche  U  stehen,  sich  schneiden. 

1^  Nähere«  über  das  Fokometer  und  über  die  Brennweitenbestimmung 
GJHffhaupt  findet  man  in  Winkelmann,  Handbuch  der  Physik,  2.  Auflage, 
Optik,  S.  431»  AT.  (Autor  Czapskij. 


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Physikalische  Herstellung  der  opüscheu  Abbildung.  45 

Wenn  man  also  ein  ebenes  Elementarbüschel  ins  Auge  faßt, 
und  zwar  ein  solches,  dessen  Bildstrahlen  die  Normalen  eines 
Stückes  Zj  einer  Krttmmungslinie  sind,  so  wird  durch  dasselbe  eine 
optische  Abbildung  vermittelt.  Der  Ort  des  Bildes  ist  der  Krüm- 
mungsmittelpunkt jenes  Stückes  /j  der  Krümmungslinie,  da  sich 
dort  die  Normalen  schneiden.  Da  jedes  Stück  /j  einer  Krümmungs- 
linie senkrecht  von  einem  Stück  I2  einer  anderen  Krümmungslinie 
geschnitten  wird,  so  gibt  es  stets  auch  noch  ein  zweites  ebenes 
Elementarbüschel,  welches  ebenfalls  eine  optische  Abbildung  ver- 
mittelt, aber  der  Bildort  ist  für  dasselbe  Objekt  ein  änderer,  da  die 
Krümmung  von  l^  im  allgemeinen  verschieden  ist  von  der  von  /,. 

Wie  wird  nun  im  allgemeinen  die  Abbildung  beschaffen  sein, 
welche  ein  beliebiges  räumliches  Elementarbüschel  von  einem 
Objekt  P  entwirft?    Es  seien  (vgl.  Figur  23)  i,  2,  5,  4  die  vier 


Fig.  28. 

Schnittpunkte  von  vier  benachbarten  Krümmungslinien,  welche  ein 
Plächenelement  d2  auf  2  abgrenzen.  Die  Krümmungslinienstücke 
i— 2  und  3—4  seien  horizontal,  die  Stücke  2—3  und  1—4  vertikal. 
Die  Normalen  in  1  und  2  schneiden  sich  im  Punkte  12,  die  Nor- 
malen in  3  und  4  im  Punkte  34,  Da  die  Krümmung  der  Linie 
1—2  sich  nur  unendlich  wenig  unterscheidet  von  der  Krümmung 
der  Linie  3—4,  so  liegen  auch  die  Schnittpunkte  12  und  34  nahezu 
in  gleichem  Abstand  von  der  Fläche  X  Die  Verbindungslinie  pi 
der  Punkte  12  und  34  steht  daher  auch  nahezu  senkrecht  zu  dem 
Strahl  S,  welcher  in  der  Mitte  von  d2J  senkrecht  zu  dJS  errichtet 
ist,  und  welcher  der  Hauptstrahl  des  räumlichen  Elementar- 
büschels genannt  wird,  das  aus  der  Gesamtheit  der  Normalen 
auf  du  besteht  Die  Linie  p^  muß  ferner  offenbar  wegen  der 
Symmetrie  der  Figur  parallel  den  Krümmungslinien  2—3  oder  1 — 4 
verlaufen,  d.h.  vertikal  sein.  Die  Normalen  irgend  einer  horizontalen 


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46  Kapitel  lU. 

Krümmungslinie  werden  sich  auf  einem  Punkte  der  Linie  pi 
schneiden. 

Ebenso  werden  die  Normalen  irgend  einer  vertikalen  Krüm- 
mungslinie sich  in  einem  Punkte  der  Linie  P2j  der  Verbindungs- 
linie der  Punkte  14  und  23,  schneiden.  ^  muß  auch  nahezu 
senkrecht  zu  S  stehen  und  horizontal  liegen.  Diese  beiden  Linien 
Pi  und  P2,  welche  senkrecht  aufeinander  und  senkrecht  zum  Haupt- 
strahl stehen,  werden  die  beiden  Brennlinien  des  Elementar- 
büschels, die  durch  den  Hauptstrahl  S  und  die  beiden  Brennlinien 
Pb  P2  gelegten  beiden  Ebenen  die  Fokalebenen  des  Büschels  ge- 
nannt Man  kann  also  sagen,  daß  im  allgemeinen  sich  ein  Objekt- 
punkt P  durch  ein  beliebiges  Elementarbüschel  in  zwei  Brenn- 
linien abbildet,  die  senkrecht  aufeinander  und  zum  Hauptstrahl 
stehen  und  einen  gewissen  Abstand  voneinander  besitzen.  Dieser 
Abstand  wird  die  astigmatische  Differenz  genannt.  Erst  in 
spezielleren  Fällen,  nämlich  wenn  die  Krümmung  beider  Scharen 
von  Krümmungslinien  die  gleiche  ist,  hat  man  es  mit  homozen- 
trischer  Strahlenvereinigung,  d.  h.  mit  der  eigentlichen  Abbildung 
im  früheren  Sinne,  zu  tun.  Zur  Unterscheidung  wird  die  hier  be- 
trachtete allgemeinere  Abbildung  die  astigmatische  0  genannt 

Ein  erkennbares,  scharfes  Bild  entsteht  bei  einer  Reihenfolge 
von  Objektpunkten  P  bei  astigmatischer  Abbildung  nicht.  Nur 
wenn  das  Objekt  aus  einer  geraden  Linie  besteht,  kann  ein  eben- 
falls aus  einer  Geraden  bestehendes  scharfes  Bild  entstehen,  näm- 
lich wenn  die  Objektlinie  so  orientiert  ist,  daß  die  Brennlinien,  in 
die  sich  jeder  Punkt  P  der  Objektlinie  abbildet,  zur  Deckung 
kommen.  Da  von  jedem  Punkte  P  zwei  verschiedene,  sich  recht- 
winklig kreuzende  Brennlinien  p^,  p^  entstehen,  so  gibt  es  also 
zwei,  ebenfalls  um  90®  verschiedene  Orientierungen  der  Objektlinie, 
bei  denen  eine  Abbildung  wahrzunehmen  ist  Die  Bilder  liegen 
an  verschiedenen  Stellen  des  Raumes. 

Ebenso  gibt  es  für  ein  System  paralleler  Geraden  als  Objekt 
zwei  Orientierungen,  bei  denen  eine  Abbildung  als  parallele  Gerade 
zustande  kommt 

Ist  das  Objekt  ein  rechtwinkliges  Kreuz  (oder  ein  recht- 
winkliges Kreuzgitter),  so  gibt  es  eine  bestimmte  Orientierung, 
bei  der  eine  Abbildung  der  einen  Linie  des  Kreuzes  (oder  des 


1)  Stigma  wird  dabei  als  Bezeichnung  des  Brennpunktes  gebraucht,  und  astig- 
matisch ist  also  ein  Strahlenbündel,  welches  keinen  eigentlichen  Brennpunkt  hat. 


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Physikalische  Herstellung  der  optischen  Abbildung. 


47 


einen  Systems  der  Linien  des  Kreuzgitters)  zustande  kommt  in 
einer  gewissen  Ebene  '^^  des  Bildraumes;  in  einer  anderen  Ebene 
^  des  Bildraumes  entstellt  dann  ein  Bild  der  anderen  Linie  des 
Kreuzes  (oder  des  anderen  Systems  der  Linien  des  Kreuzgitters). 
Diese  Erscheinung  ist  ein  gutes  Erkennungszeichen  von  vorhan- 
denem Astigmatismus. 

Astigmatische  Abbildung  muß  im  allgemeinen  eintreten,  wenn 
die  brechende  oder  spiegelnde  Fläche  zwei  verschiedene  Krüm- 
mungen besitzt  So  bieten  z.  B.  Zylinderlinsen  deutlich  die  Er- 
scheinung 'des  Astigmatismus.  Aber  auch  ein  auf  eine  Kugelfläche 
schief  auftreflfendes,  homozentrisches  Elementarbüschel  muß  nach 
der  Brechung  oder  Reflexion  zu  einem  astigmatischen  werden. 

Wir  wollen  diesen  Fall  einer  näheren  Berechnung  unterziehen. 
In  der  Ebene  der  Zeichnung  (Figur  24)  möge  der  Objektpunkt  P, 
das  Kugelzentrum  C  und  der  Punkt  A  der  Kugelfläche  liegen,  in 
welchem  sie  vom  Hauptstrahl  (d.  h.  dem  mittleren  Strahl)  des  von 
P  ausgehenden  Elementarbüschels  getroffen  wird.  Die  Strecke  PA 


Fig.  24. 


möge  mit  5,  die  Strecke  AP2  mit  «2  bezeichnet  werden.  Da  nun  ist: 

Dreieck  PAP^  =  Dreieck  PAC  +  Dreieck  CAP2, 
so  folgt: 

S82  sin  {(p  —  (p)  =^  sr  sin(p  +  s^r  sin  (p\ 

falls  (p  und  (p  Einfalls-  bezw.  Brechungswinkel  bedeuten,  während 
r  der  Kugelradius  ist  Da  nun  nach  dem  Brechungsgesetz  wi  g)  = 
n  •  sin  (p\  so  folgt  aus  der  letzten  Gleichung: 

SS2  {neos  (p'  —  cos  q>)  ^=  s  r  n  -\'  s^r^  oder 


1  j^  n n  cos  <p  —  cos  <p 


(30) 


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48  Kapitel  III. 

In  demselben  Punkte  P<i  müssen  offenbar  alle  diejenigen  von  F  aus- 
gehenden Strahlen  nach  der  Brechung  die  Achse  treffen,  welche  gleichen 
Neigungswinkel  u  mit  derselben  besitzen.  Diese  Strahlen  werden 
ein  Sagittalbüschel  genannt.  Dasselbe  hat  also  den  Bildpunkt  Pj. 
Dagegen  wird  ein  elementares  Meridionalbüschel,  dessen 
Strahlen  sämtlich  in  der  Ebene  FAG  liegen,  einen  anderen  Bild- 
punkt Pi  besitzen.  Sei  FB  ein  dem  Strahl  FA  benachbaiiier  Strahl, 
welcher  den  Neigungswinkel  u  '\-  du  gegen  die  Achse  besitze  und 
der  in  die  Eichtung  BF^  gebrochen  werde.  Dann  ist  ^  BF^A  als 
Inkrement  du  von  u  zu  bezeichnen,  und  ^  BGA  als  Inbrement  da. 
Es  ergibt  sich  nun  sofort: 

(31)  5  •  rfw  =  AB  cos  g)^   «j  •  du=AB  •  cos  g>',  r  '  da^=  AB. 
Da  nun  femer  ist 

g)  =  a  +  V,  g/=  a  —  u\ 

so  folgt  mit  Eücksicht  auf  (31): 

d(p  =  da'\-du  =  AB  {^  +  -— ^], 

(32)  n 
d<p^da  -  d^=  AB('^  -"^-^^y 

Aus  dem  Brechungsgesetz  sin  ^  =  w  sin  qf  folgt  aber  durch  Diffe- 
rentiation: 

cos  <p  '  d(p  =  n  cos  <p  •  dq)\ 

Setzen  wir  hierin  für  d(p  und  d<p  die  aus  (32)  folgenden  Werte, 
so  ergibt  sich  die  Gleichung: 

.     .  co8^  <p    ^^  n  co8^  (p  n  cos  (p —  cos  <p 

(33)  -7  -  H         —-  '  —  - 

Aus  (33)  und  (30)  ergeben  sich  verschiedene  Werte  s^  und  s^,  die 
zu  gleichem  s  gehören,  d.  h.  P  wird  astigmatisch  abgebildet.  Die 
astigmatische  Differenz  wird  um  so  bedeutender,  je  schiefer  das 
Büschel  einfällt,  d.  h.  je  größer  9)  ist  —  Die  astigmatische  Differenz 
verschwindet  nur,  d. h.  es  ist  s^  =  S2  =  s\  falls  s=  —  m  ist,  wie 
aus  (30)  und  (33)  hervorgeht.  Diese  Bedingung  führt  auf  die 
beiden,  oben  S.  32  erwähnten  aplanatischen  Punkte  der  Kugel. 

Der  Fall  einer  reflektierenden  Kugelfläche  leitet  sich  nach  der 
oben  S.  36  gemachten  Bemerkung  aus  den  Formeln  (30)  und  (33) 
dadurch  ab,  daß  man  n  =  —  1,  d.  h.  9)'=  —  9)  setzt  Es  ergibt 
sich  demnach  für  einen  Kugelspiegel*): 

(OA)  ^    _    ^      =—2   "^'-^        Z    _     ^     =    _    -^—  . 

^      ^  s         S2  '^       r     ^    s         Si  r  cos  <p 


1)  Für  einen  Konvexspiegel  ist  r  positiv,  für  einen  Konkavspiegel  r  negativ. 


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Physikalische  Herstellung  der  optischen  Abbildung.  49 

Durch  Subtraktion  dieser  beiden  Gleichungen  ergibt  sich: 
112(1  \ 

= cos  QP    , 

«1         82        r   \cos  <p  ^/ ' 

oder 

'7?  =  7  ^**^  ^  ^^  ^-  (35) 

Man  erkennt  hieran  deutlich,  in  welchem  Maße  der  Astigmatismus 
mit  dem  Einfallswinkel  wächst,  und  zwar  ist  dies  in  so  hohem 
Maße  der  Fall,  daß  man  mit  geeigneten  Mitteln  an  einem  Flüssig- 
keitsniveau, etWa  einem  Quecksilberspiegel,  den  durch  die  Krüm- 
mung der  Erde  verursachten  Astigmatismus  der  an  ihm  reflek- 
tierten Büschel  noch  bemerken  könnte.  Betrachtet  man  nämlich 
das  Spiegelbild  eines  sehr  weit  befindlichen  Kreuzgitters  mittels 
eines  Fernrohrs  von  7,5  m  Brennweite  (Öffnung  etwa  V2  i^0>  so 
ist  die  astigmatische  Differenz  gleich  0,1  mm,  d.  h.  es  sind  die  Orte, 
wo  das  eine  oder  das  andere  System  von  Gitterstäben  deutlich  ist, 
um  Vio  ^^  voneinander  getrennt  Wendete  man  aber  gar  das 
Riesenfernrohr  des  Lick-Observatoriums  in  Kalifornien  zur  Be- 
obachtung an,  so  würde  jene  Differenz  bis  auf  0,7  mm  steigen.  — 
Die  Erscheinung  des  Astigmatismus  läßt  sich  also  gut  dazu  ver- 
wenden, um  Spiegel  auf  ihre  Ebenheit  zu  prüfen.  Anstatt  der 
Differenz  der  Bildorte  eines  Kreuzgitters,  das  man  möglichst  streifend 
im  Spiegel  reflektieren  läßt,  kann  man  auch  die  verschiedene  Schärfe 
der  Bilder  der  Kreuzgitterlinien  als  Kriterium  verwenden.  Man 
verwendet  zu  dem  Zwecke  passend  gestrichelte  Linien  im  Kreuz- 
gitter. 

7.  Die  Erweiterung  der  Abblldangsgrenzeu.  Im  Voran- 
gegangenen haben  wir  gesehen,  daß  durch  Brechung  oder  Reflexion 
an  zentrierten  Kugelflächen  nur  die  Abbildung  eines  nahe  der  Achse 
anliegenden  fadenförmigen  Raumes  durch  räumliche  Elementar- 
büschel von  geringer  Neigung  gegen  die  Achse  erzeugt  werden  kann. 
Sind  die  Elementarbüschel  stärker  geneigt  gegen  die  Achse,  so  muß 
man,  wie  im  letzten  Paragraphen  gezeigt  wurde,  sich  sogar  aiif 
ebene  Büschel  beschränken,  falls  man  noch  Abbildung  erhalten  will. 

Diese  bisher  betrachtete  physikalische  Herstellung  der  Ab- 
bildung wäre  nun  praktisch  sehr  unbrauchbar.  Denn  nicht  nur 
würden  die  Bilder  sehr  lichtschwach  sein,  wenn  sie  durch  Elemen- 
tarbüschel erzeugt  werden,  sondern  aus  der  physikalischen  Theorie 
des  Lichtes  ergibt  sich  auch,  daß  (wegen  der  Beugung  des  Lichtes 

Drude,  Lehrbuch  d.  Optik.   2.  Aafl.  4 


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50  Kapitel  III. 

cf.  I.  Abschnitt,  Kapitel  IV)  Elementarbüschel  nie  scharfe  Bilder 
erzeugen  können,  sondern  stets  nur  Beugungsscheibchen. 

Wir  müssen  also  uns  notwendig  nach  Mitteln  umsehen,  die 
Abbildungsgrenzen  zu  erweitem.  Zunächst  kommt  uns  die  be- 
schränkte Empfindlichkeit  des  Auges  hierbei  zu  statten:  Wir  können 
zwei  Lichtpunkte  schon  dann  nicht  mehr  als  getrennt  unterscheiden, 
wenn  sie  unter  einem  Sehwinkel  von  etwa  einer  Winkelminute 
erscheinen.  Eine  mathematisch  exakte  punktförmige  Abbildung 
brauchen  wir  daher  nicht  notwendig,  und  schon  dadurch  brauchen 
die  die  Abbildung  vermittelnden  Strahlenbüschel  nicht  elementare 
im  mathematischen  Sinne,  d.  h.  solche  von  unendlich  kleinem 
Öffnungswinkel,  zu  sein. 

Durch  eine  gewisse  Teilung  der  Ansprüche  kann  man  nun 
noch  eine  größere  Erweiterung  der  Abbildungsgrenzen  erreichen. 
Man  kann  nämlich  entweder  ein  bei  der  Achse  gelegenes  Plächen- 
element  durch  weitgeöfifhete  Strahlenbüschel  abbilden,  oder  ein 
ausgedehntes  Objekt  durch  enge  Strahlenbüschel.  Je  weiter  man 
den  ersten  Fall  realisiert,  desto  weniger  tritt  gleichzeitig  der 
zweite  ein,  und  umgekehrt. 

Daß  man  einen  Punkt  auf  der  Achse  durch  weitgeöffnete 
Strahlenbüschel  abbilden  kann,  haben  wir  schon  oben  S.  32  bei 
Betrachtung  der  aplanatischen  Flächen  gesehen.  Aber  auch  durch 
Anwendung  geeignet  gestalteter  zentrierter  Kugelflächen  kann  man 
dies  Ziel  näherungsweise  erreichen.  Es  ergibt  sich  dies  aus  der 
theoretischen  Berechnung  der  sogenannten  sphärischen  Aber- 
ration. —  Benachbarte  Punkte  würden  nun  allerdings  im  all- 
gemeinen noch  nicht  durch  weitgeöffnete  Strahlenbüschel  abgebildet 
werden.  Soll  dies  eintreten,  d.  h.  will  man  ein  zur  Achse  senk- 
rechtes Flächenelement  durch  weitgeöffnete  Büschel  abbilden,  so 
wird  man  auf  die  sogenannte  Sinusbedingung  geführt  Die 
Objektive  von  Mikroskopen  und  Fernrohren  müssen  diesen  An- 
forderungen genügen. 

Der  Aufgabe,  größere  Räume  durch  relativ  enge  Büschel  ab- 
zubilden, müssen  die  Okulare  der  optischen  Instrumente  und  die 
photographischen  Systeme  genügen.  Bei  letzteren  können  die 
Büschel  auch  schon  ziemlich  weit  sein,  weil  es  sich  unter  Umständen 
(Porträtphotographie)  um  Herstellung  nur  mäßig  scharfer  Bilder 
handelt.  Im  folgenden  sollen  diese  verschiedenen  Aufgaben  der 
Abbildung  näher  besprochen  werden.  Eine  Abbildung  im  früheren 
idealen  Sinne  zu  erreichen,  nämlich  beliebig  großer  Räume  durch 


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Physikalische  HersteUung  der  optischen  Abbildung.  5  t 

weitgeöffnete  Strahlenbtischel,  ist  allerdings  unmöglich,  schon 
allein  aus  dem  Grunde,  weil,  wie  wir  sehen  werden,  die  Sinus- 
bedingung nie  gleichzeitig  für  mehr  als  eine  Objektlage  erfüllt 
werden  kann. 

8.  Sphärische  Aberration.  Wenn  von  einem  Achsenpunkte  P 
zwei  Strahlen  S^  und  S^  ausgehen,  von  denen  S^  einen  sehr  kleinen 
Winkel,  S^  aber  einen  endlichen  Winkel  u  mit  der  Achse  bildet,  so 
schneiden  ihre  Bildstrahlen  S^'  und  &{  nach  Brechung  durch  zen- 
trierte Kugelflächen  die  Achse  im  allgemeinen  in  zwei  verschiedenen 
Punkten  P{  und  P2'-  Die  Distanz  zwischen  diesen  Punkten  wird 
als  sphärische  Aberration  (Longitudinalaberration)  be- 
zeiclinet  Um  dieselbe  zu  berechnen,  kann  man,  falls  der  Neigungs- 
winkel u  des  Strahles  Äj  gegen  die  Achse  nicht  zu  groß  ist,  eine 
Entwickelung  nach  steigenden  Potenzen  von  u  vornehmen.  Wenn 
dagegen  u  beträchtlich  ist,  so  empfiehlt  sich  eine  direkte  trigono- 
metrische Durchrechnung  der  einzelnen  Wege  eines  Strahles.  Diese 
Rechnungen  sollen  hier  nicht  im  Detail  mitgeteilt  werden.^)  Bei 
relativ  dünnen  Kollektivlinsen  ist  für  sehr  weit  entfernte  Objekte  P 
der  Vereinigungspunkt  P^  der  der  Achse  nahen  Strahlen  entfernter 
von  der  Linse,  als  der  Vereinigungspunkt  P2  der  stärker  geneigten 
Strahlen.  Man  spricht  dann  von  sphärischer  ünterkorrektion. 
Umgekehrt  besitzt  eine  Dispansivlinse  sphärische  Überkor- 
rektion. Beschränkt  man  sich  auf  das  erste  Glied  in  der  Potenz- 
entwickelung nach  u  (dasselbe  enthält  u^  als  Faktor),  so  ergibt 
sich  für  diese  sogenannte  Aberration  erster  Ordnung,  falls  das 
Objekt  P  sehr  weit  entfernt  ist: 


—  A  ^2  f,2n(n  —  l)^{r^^^) 


(36) 


Dabei  bezeichnet  h  den  Radius  der  Öffnung  der  Linse,  f  ihre 
Brennweite,  n  ihren  Brechungsexponenten  und  0  das  Verhältnis 
ihrer  Krümmungsradien: 

ö  =  ri :  rj.  (37) 

ri  und  r2  sind  in  dem  oben  S.  38  definierten  Sinne  positiv  ge- 
rechnet, für  eine  Bikonvexlinse  ist  z.  B.  r^  positiv,  r^  negativ. 


1)  Näheres  hierüber  vgl.  in  Winkeimanns  Handbuch  der  Physik,  Optik, 
2.Anfl.,  S.109ff.  (AutorCzapski),  oder  M aller- Po uillets  Lehrbuch d.Physik, 
9.  Aufl.,  S.  487  ff.  (Autor  La  mm  er),  oderHeath,  Geometrische  Optik,  deutsch 
von  Kanthack,  Bariin  1894,  S.  146ff. 

4* 


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52  Kapitel  IIL 

P/Pj'  ist  negativ  für  sphärische  ünterkorrektion,  positiv  für  Über- 
korrektion.  Das  Verhältnis  h  :  f  wird  auch  die  relative  Öffnung 
der  Linse  genannt  Es  ergibt  sich  dann  aus  (36),  daß  das  Ver- 
hältnis der  Aberration  P/Pi'  zur  Brennweite  f  proportional  dem 
Quadrat  der  relativen  Öffnung  der  Linse  zunimmt,  falls  a  kon- 
stant bleibt 

Bei  bestimmten  f  und  h  erreicht  die  Aberration  für  ein  be- 
stimmtes Radien  Verhältnis  ö'  ein  Minimum;*)  dasselbe  folgt  aus 
(36)  zu: 

Für  n  =  1,5  folgt  o  =  —  1  :6,  Dies  entspricht  entweder  einer 
Bikonvex-  oder  Bikonkavlinse.  Die  stärker  gekrümmte  Fläche 
muß  dem  einfallenden  Lichte  zugekehrt  sein.  Wenn  dagegen  das 
Objekt  etwa  in  Brennweitenabstand  von  der  Linse  entfernt  läge, 
so  würde  sie  das  beste  Bild  liefern,  wenn  ihre  schwächer  gekiümmte 
Fläche  nach  dem  Objekt  zu  läge, 2)  da  man  ja  diesen  Fall  aus  dem 
vorhin  betrachteten  (sehr  entferntes  Objekt)  ableiten  kann,  wenn 
Objekt  und  Bild  ihre  Rolle  gegenseitig  vertauschen.  —  Für  n  =  2,0 
folgt  aus  (38)  ö'=  -j-  %.  Dies  würde  einer  konvex-konkaven  Linse 
entsprechen,  welche  die  konvexe  Seite  nach  dem  fernen  Objekt  P 
zuwendet 

Folgende  Tabelle  ergibt  eine  Anschauung  von  der  Größe  der 
Longitudinalaberration  s  bei  zwei  verschiedenen  Brechungsindizes 
und  verschiedenen  Radienverhältnissen  ö.  Es  ist  dabei  f  konstant 
gleich  1  m  und  ä:/'=  Vio»  d.  h.  h=li)  cm  gesetzt  Die  sogenannte 
Lateralaberration  C,  d.h.  der  Radius  des  Kreises,  welchen  die 
Randstrahlen  der  Linse  auf  einem  Schirme  bilden,  der  durch  den 
Bildpunkt  P{  geht,  ergibt  sich,  wie  man  sofort  aus  dem  Strahlen- 
gange erhält,  durch  Multiplikation  der  Longitudinalaberration  mit 
der  relativen  Öffnung  hjf,  d.  h.  hier  mit  ^/,o.  Die  Lateralaberration 
gibt  den  Radius  der  Bildscheibchen,  welche  die  Randstrahlen  von 
einem  leuchtenden  Punkte  P  in  einer  Ebene  entwerfen,  in  welcher 
P  durch  achsennahe  Strahlen  scharf  abgebildet  wird. 


1)  Dies  Minimum  ist  immer  noch  von  Null  verschieden.  Mau  kann  ein 
völliges  Verschwinden  der  Aberration  erster  Ordnung  erst  dann  erreichen,  wenn 
auch  die  Linsendicke  geeignet  gewählt  wird. 

2)  Schon  hieraus  folgt,  daß  die  Gestalt  der  Linse  minimalster  Aberration 
von  der  Lage  des  Objektes  abhängt. 


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Physikalische  Herstellung  der  optischen  Abbildung.  53 

/■=  Im.   h=  10  cm. 


1,5 


n  =  2 


Gestalt  der  Linse  .    . 

_A  " 

—  6 

?      '1      ff 

—  e 

s 

Ebene  Vorderfläche     . 

1 

4,5  cm 

4,5  mm ,    <x> 

2    cm 
1      „ 

2  mm 

Gleichseitig     .... 

.    .  1.'  —  1 

1,67  „ 

1,67    „i  -1 

1      „ 

Ebene  Hinterfläche     . 

.    .  i'       0 

1,17  „ 

1,17    „'i        0 

0,5  „ 

0,44,, 

0,5  „ 

Günstigste  Form     .    . 

.  .|:-.. 

1,07  „ 

1,07    „!    +V5 

0,44,, 

Daß  eine  plankonvexe  Linse  Bilder  von  geringerer  Aberration 
liefert,  falls  ihre  konvexe  Seite  dem  fernen  Objekt  zugekehrt  ist, 
als  umgekehrt,  ist  schon  aus  dem  Grunde  plausibel,  weil  im  ersten 
Falle  die  Strahlen  an  beiden  Flächen  der  Linse  gebrochen  werden, 
im  letzteren  nur  an  einer,  und  es  ist  plausibel,  daß  eine  möglichst 
gleichmäßige  Verteilung  der  Brechungen  günstig  ist,  da  dann  an 
jeder  brechenden  Fläche  die  kleinsten  Winkeländerungen  von  ein- 
fallendem und  gebrochenem  Strahl  eintreten.  —  Die  Tabelle  lehrt 
femer,  daß  die  günstigste  Linsenform  wenig  Vorteil  bietet  vor 
der  geeignet  gestellten  plankonvexen  Linse.  Aus  dem  Grunde 
leichterer  Herstellung  wird  daher  letztere  oft  in  praxi  angewendet. 
Schließlich  lehrt  die  Tabelle,  daß  die  Aberrationsfehler  ganz 
bedeutend  kleiner  werden,  wenn  bei  gegebener  Brennweite  der 
Brechungsindex  möglichst  hoch  ist.  Dieses  Resultat  bleibt  auch 
bestehen,  wenn  man  die  Aberration  höherer  Ordnung  berücksich- 
tigt, welche  nicht  mehr  allein  abhängt  vom  ersten  Gliede  in  der 
Potenzentwickelung  nach  dem  Neigungswinkel  u  der  Objekt- 
strahlen. —  Ebenfalls  vermindert  sich  die  Aberration  bedeutend, 
wenn  man  eine  einzige  Linse  ersetzt  durch  ein  System  mehrerer 
Linsen  von  gleicher  Gesamtbrennweite.  ^)  Wählt  man  letztere 
sogar  noch  von  verschiedener  Gestalt,  so  hat  man  die  Möglichkeit, 
die  Aberration  erster  Ordnung  und  auch  noch  höherer  Ordnungen 
zum  Verschwinden  zu  bringen.  2)  —  Man  kann  dies  auch  gleich- 
zeitig für  mehrere  Objektlagen  erreichen,  aber  allerdings  nie  für 
ein  endliches  Stück  der  Achse. 


1)  Man  bößt  dann  allerdings  etwas  an  der  Bildhelligkeit  ein  wegen  der 
vermehrten  Reflexionsverluste. 

2)  80  kann  man  durch  zwei  Linsen,  von  denen  die  eine  kollektiv,  die 
andere  dispansiv  ist,  die  Aberration  erster  Ordnung  aufheben. 


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54  Kapitel  III. 

Bei  beträchtlichen  Neigungswinkeln  u  wird  die  Potenzent- 
Wickelung  der  Aberration  unbrauchbar,  z.  B.  bei  Mikroskop-Objek- 
tiven, bei  denen  u  unter  Umständen  fast  90®  erreicht  Es  ist  dann 
praktischer,  durch  trigonometrische  Rechnung  den  Gang  mehrerer 
Strahlen  zu  verfolgen  und  durch  Probieren  die  besten  Linsen- 
gestalten und  Anordnungen  zu  ermitteln.  Es  bietet  sich  indes 
durch  Benutzung  der  oben  S.  32  erwähnten  aplanatischen  Punkte 
der  Kugel  ein  Weg,  um  bei  nahen  Objekten  die  Divergenz  ihrer 
austretenden  Strahlen  streng  aberrationsfrei  beliebig  zu  verkleinem, 
d.  h.  auch  ein  aberrationsfreies,  beliebig  großes,  virtuelles  Bild  des 
Objektes  zu  erzeugen. 

Die  erste  Linse  1  (Frontlinse)  möge  plankonvex  (z.  B.  Halb- 
kugel vom  Radius  r^)  sein,  und  zwar  kehre  sie  ihre  ebene  Fläche 

dem  Objekt  P  zu  (vgl. 
Figur  25).  Wenn  P  in 
einem  Medium  einge- 
bettet ist  vom  gleichen 
,--:  Brechungsexponenten  wj, 

,,''''\y'' /  wie  diese  Frontlinse,  so 

_.'''"    y'     /  findet  erst  an  der  Hinter- 

^i"^^-..^/r  X  A  fläche    derselben    eine 

^^  .?; . \  BrechungdervomObjekt 

ausgehenden     Strahlen 

statt,  und  zwar  wenn  P 

den  Abstand  r^jn^  vom 

Fig.  23.  Krümmungszentrum    Q 

jener  Hinterfläche  be- 
sitzt, so  erzeugen  die  austretenden  Strahlen  ein  aberrationsfreies 
virtuelles  Bild  Pj  im  Abstand  iifx  von  Ci.  Bringt  man  nun  hinter 
der  Frontlinse  eine  zweite  konkav-konvexe  Linse  2  an,  deren  Vor- 
derfläche ihr  Krümmungszentrum  in  P^  hat,  während  ihre  Hinter- 
fläche einen  derartigen  Radius  r^  besitzt,  daß  Pj  im  aplanatischen 
Punkte  dieser  Kugel  r^  (für  den  Brechungsindex  n^  der  Linse) 
liegt,  so  werden  die  Lichtstrahlen  nur  an  dieser  Hinterfläche  ge- 
brochen, und  zwar  derart,  daß  sie  vom  virtuellen  Bilde  P2  her- 
kommen, welches  den  Abstand  ii^r^  vom  Krümmungszentrum  Gj 
der  Hinterfläche  der  Linse  2  besitzt  und  wiederum  völlig  aber- 
rationsfrei ist.  Durch  Anwendung  einer  dritten,  vierten  usw.  Kon- 
kav-konvexlinse  kann  man  successive  weiter  nach  links  liegende 
virtuelle  Bilder  P3,  P4  usw.  vom  Objekt  P  erzeugen,  d.  h.  auch  die 


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PhysikaÜBche  Herstellung  der  optischen  Abbildung.  55 

Divergenz  der  Lichtstrahlen  successive  verkleinern,  ohne  daß 
Aberrationsfehler  entstehen. 

Dieses  Prinzip  (von  Amici  herrührend)  benutzt  man  in  der 
Tat  vielfach  bei  der  Konstruktion  der  Mikroskopobjektive,  wobei 
man  allerdings  höchstens  die  beiden  ersten  Linsen  desselben  nach 
diesem  Prinzip  konstruiert,  weil  sonst  zu  starke,  unkompensierbare 
chromatische  Fehler  (vgl  hierüber  weiter  unten)  entstehen. 

9.  Der  Sinnssatz.  Wenn  ein  Achsenpunkt  P  durch  weitge- 
öffnete Strahlenbüschel  aberrationsfrei  in  einem  Punkte  P'  abgebildet 
wird,  so  ist  damit  im  allgemeinen  noch  nicht  die  Abbildung  eines 
bei  P  senkrecht  zur  Achse  gelegenen  Flächenelements  de  in  ein 
bei  P'  gelegenes  Flächenelement  de'  verknüpft,  sondern  es  muß 
dazu  noch  die  sogenannte  Sinusbedingung  erfüllt  sein,  daß  näm- 
lich sin  u  :  sin  w  =  constans  ist,  falls  u  und  u  die  Neigungswinkel 
irgend  welcher  durch  P  und  P'  gehender  konjugierter  Strahlen  sind. 

Nach  Abbe  werden  diejenigen  abbildenden  Systeme,  welche 
aberrationsfrei  für  zwei  Achsenpunkte  P  und  P'  sind,  und  für  diese 
Punkte  die  Sinusbedingung  erfüllen,  aplanatische  Systeme  ge- 
nannt. Die  Punkte  P  und  P'  heißen  die  aplanatischen  Punkte 
des  Systems.  Die  früher  S.  32  genannten  aplanatischen  Punkte 
der  Kugel  entsprechen  diesen  Bedingungen,  da  nach  der  dortigen 
Formel  (2)  das  Sinusverhältnis  konstant  ist.  Die  beiden  Brenn- 
punkte eines  ellipsoidischen  Hohlspiegels  sind  aber  nicht  aplana- 
tische Punkte,  sondern  nur  aberrationsfreie. 

Früher  (S.  22,  Formel  (9),  Kapitel  II)  hatten  wir  gesehen,  daß 
bei  der  kollinearen  Abbildung  beliebig  großer  Eäume  das  Verhält- 
nis tgu:  ig  w  =  const.  ist  Diese  Bedingung  tritt,  sobald  u  und 
u  nicht  sehr  kleine  Winkel  sind,  mit  der  Sinusbedingung  in  Wider- 
spruch, und  hieraus  ergibt  sich,  da  die  letztere  notwendig  bei 
physikalischer  Abbildung  zweier  Flächenelemente  erfüllt  werden 
muß,  daß  eine  punktförmige  Abbildung  beliebig  großer 
Eäume  durch  weitgeöffnete  Strahlenbüschel  physikalisch 
nicht  herzustellen  ist 

Erst  wenn  die  Winkel  u  und  u  sehr  klein  sind,  können  beide 
Bedingungen  nebeneinander  bestehen.  In  diesem  Falle  entsteht 
auch,  falls  P  ein  Bild  P'  erzeugt,  allemal  ein  Bild  do  bei  P'  von 
einem  Flächenelemente  da  bei  P.  Bei  weiten  Öffnungswinkeln  u 
werden  aber,  falls  die  Sinusbedingung  nicht  erfüllt  ist,  selbst  bei 
vollkommenster  Aufhebung  der  sphärischen  Aberration  für  Achsen- 
punkte, die  Bilder  benachbarter  Punkte,  die  seitlich  der  Achse 


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56 


Kapitel  III. 


liegen,  so  undeutlich,  daß  ihre  Zerstreuungskreise  von  derselben 
Größenordnung  sind,  wie  die  Abstände  der  Punkte  von  der  Achse. 
Nach  Abbe  hat  diese  undeutliche  Abbildung  seitlicher  Achsenpunkte 
ihren  Grund  darin,  daß  die  verschiedenen  Zonen  des  sphärisch 
korrigierten  abbildenden  Systems  von  einem  Flächenelement  Bilder 
von  verschiedener  Linearvergrößerung  entwerfen. 

Die  mathematische  Bedingung  für  die  Konstanz  dieser  Linear- 
vergrößerung ist  nach  Abbe^)  die  Sinusbedingung.  Andere  Be- 
weise dafür,  die  auf  photometrischen  und  energetischen  Grundsätzen 


Fig.  26. 

beruhen,  gab  Clausius^)  und  v.  Helmholtz.^)  Diese  Schlußweisen 
werden  weiter  unten  im  III.  Abschnitt  auseinandergesetzt  werden. 
Es  möge  hier  ein  einfacher  Beweis  folgen,  den  Hockin  4)  gegeben 
hat  und  der  nur  den  Satz  benutzt,  daß  die  optischen  Längen  aller 
Strahlenwege  zwischen  konjugierten  Punkten  einander  gleich  sein 
müssen  ^)  (vgl.  oben  S.  9). 

Es  möge  (vgl.  Figur  26)  P  durch  einen  Achsenstrahl  PA  und 
einen  unter  dem  Winkel  u  geneigten  Strahl  PS  im  Achsenpunkte  P' 
abgebildet  werden.    Ebenso  möge  der  unendlich  nahe  Punkt  Pj 


1)  Carls  Repert.  f.  Physik,  1881,  16,  S.  303. 

2)  R.  Claus i US,  Mechanische  Wännetheorie,  1887,  3.  Aufl.,  1,  S.  315. 

3)  Pogg.  Ann.  Jubelbd.,  1874,  S.  557. 

4)  Journ.  Roy.  Microscop.  Soc.  1884,  (2),  4,  S.  337. 

5)  Nach  Bruns  (das  Eikonal,  Abhandl.  d.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  Bd.  21, 
S.  325,  math.-phys.  Kl.)  kann  man  den  Sinussatz  auf  noch  allgemeinere  Grund- 
sätze zurückführen,  nämlich  allein  auf  das  Vorhandensein  konjugierter  Strahlen 
und  den  Malusschen  Satz  (cf.  oben  S.  13). 


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Physikalische  Herstelluiig  der  optischen  Abbildung.  57 

durch  einen  achsenparallelen  Strahl  Pj^^  und  einen  zu  S  parallelen 
Strahl  P^Si  im  Punkte  P{  abgebildet  werden.  Der  zu  P^Ay  kon- 
jugierte Strahl  F'P^  muß  offenbar  durch  den  Brennpunkt  F'  des 
Bildraumes  gehen.  Bezeichnet  man  nun  die  optische  Länge  zwischen 
den  Punkten  P  und  P'  auf  dem  Wege  über  Ä  durch  {PAP'\  auf 
dem  Wege  über  5,  S'  durch  {PSS'P'),  und  analog  die  optischen 
Längen  der  von  P^  ausgehenden  Strahlen,  so  ist  nach  dem  Prinzip 
vom  ausgezeichneten  Lichtweg: 

{PAP')  =  {PSS'py,    {P,A,F'P;)  =  {PySA'Pi'), 
daher  auch 

{PAP')  -  {P^A^F'p;)  =  {PSS'P')  -  {PASi'Pi')'  (39) 

Da  nun  F'  konjugiert  ist  zu  einem  unendlich  entfernten  Objekt  T 
auf  der  Achse,  so  wäre  {TPAF')  =  {TP^A^F').  Nun  sind  aber  offen- 
bar die  Längen  TP  und  TP^  einander  gleich,  da  PPi  senkrecht 
zur  Achse  stehen  soll.  Daher  folgt  aus  der  letzten  Beziehung  durch 
Subtraktion  dieser  Längen  TP  =  TP^: 

{PAF')  =  {PyA,F').  (40) 

Ferner  folgt,  da  P'Pl  senkrecht  steht  zur  Achse:  F'P'=F'Py\ 
wenigstens  falls  P'P{  sehr  klein  ist.  Addiert  man  diese  Gleichung 
zu  (40),  so  ergibt  sich: 

{PAfP')  =  {P,A,F'P{), 
d.  h.  die  linke  Seite  der  Gleichung  (39)  verschwindet,  d.  h.  es  wird: 

{pss'p')  =  {PAs{p;).  (41) 

Nennt  man  nun  F^'  den  Schnittpunkt  der  Strahlen  P'S'  und  P/^/, 
so  ist  F{  konjugiert  zu  einem  unendlich  entfernten  Objektpunkte  T^, 
dessen  Strahlen  den  Winkel  u  mit  der  Achse  bilden.  Fällt  man 
daher  von  P  ein  Lot  PN  auf  PyS^,  so  entsteht,  analog  wie  oben 
die  Gleichung  (40): 

{PSS'F{)  =  {NS^S{F{).  (42) 

Durch  Subtraktion  dieser  Gleichung  von  (41)  entsteht: 

{F;p')  =  -  (iVPi)  +  (P/P/).  (43) 

Ist  nun  n  der  Brechungsindex  des  Objektraumes,  n  der  des 
Bildraumes,  so  ist,  falls  die  geometrischen  Längen  ohne  Klammern 
bezeichnet  werden: 

{NP^}  =  n'NP^  =  n'  PPi'  sin  u,  (44) 

Zieht  man  ferner  P'N'  senkrecht  zu  F{P\  so  ist,  da  P'P{ 
unendlich  klein  ist, 

{F{P{)  -  (F/P')  =  n  .  iY'P;=  n-  P'P^-  sin  u,  (45) 


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5S 


Kapitel  m 


Daher  gibt  die  Gleichung  (43^ ,  wenn  man  ^44^  und  (45)  be- 
rficksichtigt: 

n  •  PP^ .  «n  «  =  «'•  P'P{-  sin  u\ 

Nennt  man  y  die  lineare  Große  PPj  des  Objektes,  ebenso  y 
die  des  Bildes  P'P/,  so  ergibt  sich  also: 


'46) 


sin  u  ny 

sin  u  n  y 

Hiermit  ist  die  Eonstanz  des  Sinusverhältnisses  bewiesen,  und 
zwar  ist  auch  zugleich  der  Wert  der  Konstanten  ermittelt    Der- 


i?     i* 


p/      P' 


n' 


Fig.  27. 

selbe  stimmt  fiberein  mit  der  bei  den  aplanatischen  Punkten  der 
Kugel  frtther  (S.  33)  erhaltenen  Formel  (2). 

Für  zwei  verschiedene  Achsenpunkte  kann  man  nicht  die  Sinus- 
bedingung erfüllen.    Denn  wenn  (vgl  Figur  27)  P  und  P^  die 
Bilder  P\  P/  besitzen,  so  muß  nach  dem  Prinzip  gleicher  optischer 
Längen  sein: 
(47)  {PAP')  =  {PSS'P'),    {P,ÄP{)  =  {P^S^S^'P{). 

PS  und  P^Si  mögen  zwei  einander  parallele  Strahlen  vom 
Neigungswinkel  u  sein.  Durch  Subtraktion  beider  Gleichungen  (47) 
voneinander  folgt  dann  durch  dieselben  Schlußfolgerungen  wie 
vorhin: 

(P/P')  -  {P,P)  =  -  {P,N)  +  {N'P\ 
oder 

n  •  P^P  {1  --co8u)  =  n-  P{P'  {1  —  cos  u),  d.  h. 

/JON  sin^  j  u  n  .  P'P£ 

^  ^  sin-^\u  ~  iiTPPr ' 


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Physikalische  Herstellang  der  optischen  Abbildung. 


59 


Diese  Gleichung  ist  also  die  Bedingung  dafür,  daß  zwei  be- 
nachbarte Punkte  der  Achse,  d.  h.  ein  unendlich  kleines  Stück  der- 
selben, durch  weitgeöffnete  Strahlenbüschel  abgebildet  werden. 

Diese  Bedingung  kann  aber  nicht  gleichzeitig  mit  der  Sinus- 
bedingung (46)  erfüllt  werden.  Man  kann  also  nur  für  eine 
Objektivlage  ein  abbildendes  System  aplanatisch  machen. 

Für  die  Mikroskopobjektive  ist  die  Erfüllung  der  Sinusbe- 
dingung besonders  wichtig.  Man  hat  dieselbe  bei  der  Konstruktion 
der  älteren  Mikroskope  theoretisch  noch  nicht  gekannt,  man  kann 
aber  nach  Abbe  experimentell  nachweisen,  daß  die  älteren  Mikro- 
skopobjektive, welche,  rein  nach  empirischen  Grundsätzen  hergestellt, 
gute  Bilder  liefern,  tatsächlich  der  Sinusbedingung  genügen. 


Fig.  28. 

10.  Abbildung  großer  Fläehen  durch  enge  BflseheL    Vor 

allem  muß  der  Astigmatismus  gehoben  sein  (vgl.  oben  S.  44).  Es 
läßt  sich  auf  theoretischem  Wege  kein  Satz  für  diese  Bedingung 
ableiten,  wenigstens  wenn  die  Neigung  der  abbildenden  Strahlen 
gegen  die  Achse  beliebig  groß  ist  Man  ist  also  wesentlich  hierbei 
auf  praktische  Erfahrungen  und  trigonometrische  Durchrechnung 
angewiesen.  Es  mag  hervorgehoben  werden,  daß  auf  den  Astig- 
matismus nicht  nur  die  Gestalt  der  einzelnen  Linsen,  sondern  auch 
der  Ort  einer  Blende  Einfluß  hat 

Noch  zwei  weitere  Forderungen  pflegt  man  an  die  Abbildung 
zu  stellen,  welche  allerdings  keine  unbedingten  sind  und  zum  Teil 
nur  der  Bequemlichkeit  dienen:  das  Bild  soll  eben  sein  (ohne 
Wölbung)  und  in  seinen  einzelnen  Teilen  gleiche  Vergrößerung 


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60 


Kapitel  III. 


besitzen  (es  soll  frei  von  Verzerrung  sein).  Erstere  Forderung 
wird  besonders  an  photographische  Objektive  gestellt,  über  die 
analytischen  Bedingungen  vgl.  Winkelmann,  Handb.  d.  Physik, 
Optik,  2.  Aufl.,  S.  140  (Autor  Czapski). 

Die  analytische  Bedingung  für  Verzerrungsfreiheit  läßt  sich 
leicht  aufstellen:  Es  sei  (vgl.  Figur  28)  P,  Py,  P^  eine  Objektiv- 
ebene; P\  P/,  P2  die  konjugierte  Bildebene.  Die  abbildenden 
Strahlenbüschel  des  Objektes  werden  stets  durch  eine  bestimmte 
Blende  B  (Eintrittspupille)  begrenzt  (eventuell  ist  diese  einfach 
der  Rand  einer  Linse,  oder  eine  speziell  angebrachte  Blende),  und 
zwar  sind  die  von  den  Objekten  Pj,  P2  usw.  nach  dem  Mittelpunkt  B 
der  Eintrittspupille  hinzielenden  Strahlen  die  Hauptstrahlen 
(mittleren  Strahlen)  der  abbildenden  Büschel.    Ebenso  werden  die 


Fig.  29. 

Bildstrahlen  durch  eine  Blende  P'  (Austrittspupille),  welche 
das  konjugierte  Bild  zur  Eintrittspupille  0  ist,  begrenzt.  Wenn  l 
und  f  die  Entfernungen  der  Pupillen  von  der  Objekt-,  bezw.  Bild- 
ebene ist,  so  ergibt  sich  aus  der  Figur: 

tgu^==PP^:l,    tgu^^PP^il, 

tgu{=  P'P^ :  (,    tg  u\  =  P'P^ :  t. 

Wenn  nun  die  Vergrößerung  konstant  sein  soll,  so  muß  sein: 

P'P\:PP^  =  P'P^:PP2, 
daher  auch 

(49)  ^~  =  /  —  =  constans. 

Bei  konstanter  Vergrößerung  müssen  alle  konjugierte 


1)  Näheres  hierüber  vgl.  im  Kapitel  IV. 


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Physikalische  Herstellung  der  optischen  Abbildung.  ßi 

Hauptstrahlen  ein  konstantes  Tangentenverhältnis  ihrer 
Neigungswinkel  besitzen.  Man  pflegt  in  diesem  Falle  die 
Schnittpunkte  der  Hauptstrahlen  mit  der  Achse,  d.  h.  die  Mittel- 
punkte der  Pupillen,  „orthoskopische"  Punkte  zu  nennen;  man 
kann  also  auch  sagen:  die  Zentra  der  Perspektive  von  Objekt 
und  Bild  müssen  orthoskopische  Punkte  sein,  falls  das 
Bild  ohne  Verzerrung  sein  soll. 

Aus  diesem  Grunde  ist  die  Lage  der  Pupillen  von  Bedeutung. 
An  einem  Beispiele,  welches  der  photographischen  Optik  entnommen 
ist,  mag  gezeigt  werden,  wie  man  bei  einem  Projektionssystem  der 
Bedingung  der  Orthoskopie  am  einfachsten  gentigen  kann:  Man 
bringt  nämlich  zu  beiden  Seiten  einer  körperlichen  Blende  R  voll- 
kommen symmetrische  Linsensysteme  1  und  2  an.  (Das  ganze 
System  nennt  man  dann  ein  symmetrisches  Doppelobjektiv.)  In  der 
Figur  29  sind  zwei  konjugierte  Hauptstrahlen  S,  S'  gezeichnet.  Das 
optische  Bild  B  der  Blende  E  in  bezug  auf  das  System  1  ist  offen- 
bar die  Eintrittspupille,  denn  alle  Hauptstrahlen  müssen  tatsäch- 
lich durch  die  Mitte  der  Blende  E  gehen,  die  einfallenden  Haupt- 
strahlen S  müssen  daher  nach  der  Mitte  von  J5,  dem  optischen 
Bilde  von  E  in  bezug  auf  1,  hinzielen.  Ebenso  ist  B\  das  optische 
Bild  von  E  in  bezug  auf  2,  die  Austrittspupille.  Aus  der  Symmetrie 
der  Anordnung  ergibt  sich  nun  sofort,  daß  stets  u  =  u  ist,  d.  h. 
die  Bedingung  (49)  der  Orthoskopie  ist  erfüllt. 

Solche  symmetrische  Doppelobjektive  besitzen,  kraft  ihrer 
Symmetrie,  noch  zwei  andere  Vorteile: 

Einmal  ist  eine  bessere  Vereinigung  der  Meridionalbüschel  zu 
erzielen,  0  andererseits  sind  auch  chromatische  Fehler  (die  im 
nächsten  Paragraphen  ausführlicher  behandelt  werden  sollen)  leich- 
ter zu  vermeiden.  Das  Resultat  u  =  u\  d.  h.  die  Parallelität  kon- 
jugierter Hauptstrahlen,  ist  ganz  unabhängig  von  den  Brechungs- 
exponenten des  Systems,  d.h.  auch  von  der  Farbe  des  Lichtes.  Wenn 
nun  jedes  der  beiden  Teilsysteme  1  und  2  einzeln  für  sich  achro- 
matisiert  ist  in  bezug  auf  den  Bildort,  der  von  der  körperlichen 
Blende  E  entsteht,  d.  h.  wenn  die  Orte  der  Eintritts-  und  Aus- 
trittspupille unabhängig  von  der  Farbe  sind, 2)  so  fallen  konjugierte 

1)  Es  handelt  sich  hier  um  Aufhebung  des  sogenannten  Komafehlers.  Vgl. 
darüber  MüUer-Pouillet,  Optik  (von  Lummer),  S.  774. 

2)  Diese  Achromatisierung  kann,  wie  wir  sehen  werden,  praktisch  genügend 
nahe  erreicht  werden,  dagegen  kann  nicht  gleichzeitig  erreicht  werden,  daß 
auch  die  Größen  der  von  R  entstehenden  Bilder  unabhängig  von  der  Farbe  sind. 


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62 


Kapitel  III. 


Hauptstrahlen  von  einem  Objekte  P^  und  seinem  Bilde  P{  für 
alle  Farben  stets  zusammen.  Dadurch  entstehen  dann  aber  auch 
in  der  Bildebene  gleichgroße  Bilder  für  alle  Farben.  Der  Ort 
der  schärfsten  Bildebene  ist  allerdings  streng  genommen  für  die 
verschiedenen  Farben  etwas  verschieden,  wenn  aber  z.  B.  ein  Schirm 
auf  Gelb  scharf  eingestellt  ist,  so  ist  die  Unscharfe  für  andere 
Farben  nur  gering  und  ihre  Bilder  liegen  an  den  Schnittpunkten 
der  Hauptstrahlen.  Falls  also  diese  für  alle  Farben  zusammen- 
fallen, so  wird  das  Bild  nur  wenig  durch  chromatische  Fehler 
gestört. 

Von  der  Entfernung  der  Einzelsysteme  1  und  2  von  der 
Blende  R  hängt  der  Astigmatismus  und  die  Bildwölbung  ab.  Im 
allgemeinen  wird  das  Bild  mit  zunehmender  Entfernung  der  Einzel- 
systeme gestreckter,  d.  h.  die  Bildwölbung  nimmt  ab,  während  die 
astigmatische  DiflFerenz  zunimmt.  Nur  infolge  Verwendung  der 
neuen  Gläser  von  Schott  in  Jena,  bei  denen  hohe  Dispersion  mit 
niedrigem  Brechungsindex  und  geringe  Dispersion  mit  hohem 
Brechungsindex  gepaaii;  vorkommt,  ist  eine  anastigmatische  Bild- 
ebnung  ermöglicht  worden.  Es  soll  dies  unten  (Kapitel  V  über 
optische  Instrumente)  noch  näher  besprochen  werden. 

11.  Die  chromatisehen  Abweiehungen  in  dioptrisehen 
Systemen.  Bisher  ist  immer  nur  vom  Brechungsexponenten  eines 
Körpers  schlechthin  die  Rede  gewesen;  aber  es  ist  zu  bedenken,  daß 
derselbe  für  die  verschiedenen,  im  weißen  Lichte  enthaltenen 
Farben  ein  verschiedener  ist.  Für  alle  gut  durchsichtigen  Körper 
wächst  der  Brechungsexponent  kontinuierlich,  wenn  man  vom  roten 
Ende  der  Spektralfarbenskala  zum  blauen  Ende  übergeht.  Um 
eine  Anschauung  zu  geben,  sind  in  folgender  Tabelle  die  Brechungs- 
exponenten für  3  Farben:  nc  für  rotes  Licht  (der  Fraunhoferschen 
Linie  C  des  Sonnenspektrums,  die  identisch  mit  der  roten  Wasser- 
stoflflinie  ist),  no  für  gelbes  Licht  (Natriumlinie),  uf  für  blaues 
Licht  (blaue  Wasserstoflflinie)  bei  zwei  verschiedenen  Glassorten 
angegeben. 


Glassorte 

nc 

UD 

UF 

Calcium-Silicat- Crown  .    . 
Gewöhnl.  Silicat-Flint  .    . 

1,5153 
1,6143 

1,5179 
1,6202 

1,5239 
1,6314 

0.0166 
0,0276 

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Physikalische  HerstelloDg  der  optischen  AbbildoDg.  63 

In  der  letzten  Kolumne  ist  das  sogenannte  Dispersionsver- 
mögen V  des  Körpers  angegeben.  Dasselbe  ist  also  definiert 
durch: 

v  =  ^^^'  (50) 

Es  ist  übrigens  für  v  ziemlich  gleichgültig,  ob  im  Nenner  nn 
oder  der  Brechungsexponent  für  irgend  eine  andere  Farbe  gewählt 
wird.    Denn  dadurch  würde  sich  v  um  höchstens  2%  ändern. 

Da  nun  die  Abbildungsfaktoren  vom  Brechungsexponenten 
abhängig  sind,  so  muß  im  allgemeinen  das  von  einem  weißen 
Objekte  entstehende  Bild  farbige  (chromatische)  Abweichungen 
zeigen,  d.  h.  die  verschiedenen  im  weißen  Objekte  enthaltenen 
Farben  entwerfen  Bilder,  welche  nach  Ort  und  Größe  voneinander 
etwas  verschieden  sind. 

Will  man  das  rote  und  blaue  Bild  vollständig  zur  Deckung 
bringen,  d.  h.  will  man  das  abbildende  System  für  rot  und  blau 
achromatisieren,  so  ist  dazu  erforderlich,  daß  nicht  nur  die 
Brennweiten,  sondern  auch  beide  Hauptebenen  für  beide  Farben 
identisch  werden.^)  In  vielen  Fällen  genügt  aber  schon  eine  teil- 
weise Achromatisierung  des  Systems,  z.  B.  entweder  nur  der  Brenn- 
weite, oder  der  Lage  eines  Brennpunktes,  je  nach  den  praktischen 
Zwecken,  denen  das  System  dient,  nach  denen  entweder  mehr  Ge- 
wicht auf  die  Bildvergrößerung  oder  den  Bildort  zu  legen  ist 

Durch  eine  Achromatisiening  des  Systems  fiir  zwei  Farben, 
z.  B.  rot  und  blau,  ist  aber  im  allgemeinen  noch  nicht  eine 
Achromatisierung  für  alle  anderen  Farben  erreicht,  weil  das  Ver- 
hältnis der  Dispersionen  in  verschiedenen  Teilen  des  Spektrums 
von  Substanz  zu  Substanz  variiert.  Die  so  noch  übrig  bleibenden 
chromatischen  Abweichungen  der  Bilder,  welche  man  sekundäres 
Spektrum  nennt,  sind  aber  meist  schon  unerheblich  für  praktische 
Zwecke.  Man  kann  ihren  Einfluß  noch  weiter  reduzieren  entweder 
durch  Wahl  geeigneter  brechender  Körper,  bei  denen  die  Dispro- 
portionalität des  Dispersionsvermögens  möglichst  klein  ist,  oder 
durch  Achromatisierung  für  3  Farben.  (Die  dann  noch  übrigbleiben- 
den chromatischen  Bildabweichungen  heißen  tertiäres  Spektrum.) 

Die  Wahl  der  zum  Zwecke  praktischer  Achromatisierung  zu 
vereinigenden  Farben  hängt  vom  Zwecke  des  optischen  Instru- 


1)  Bei  weitgeoffneten  Strahlenbüscheln  gibt  es  noch  mehr  Bedingungen, 
die  zur  völligen  Achromasie  notwendig  sind;  cf.  weiter  unten. 


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64  Kapitel  III. 

mentes  ab.  Bei  einem  photographischen  Systeme,  für  welches  das 
blaue  Licht  das  wirksamste  ist,  wird  man  beide  Farben  mehr  nach 
dem  blauen  Ende  des  Spektrums  zu  wählen,  als  bei  einem  dem 
menschlichen  Auge  dienenden  Instrumente,  für  welches  das  gelb- 
grüne Licht  das  wirksamste  ist  In  letzterem  Falle  kann  man 
experimentell  leicht  entscheiden,  welche  beiden  Farben  man  am 
zweckmäßigsten  vereinigt  in  folgender  Weise:  Man  stellt  zwei 
Prismen  verschiedener  Glassorten  auf  den  Tisch  eines  Spektrometers 
so  zusammen,  daß  sie  nahezu  achromatische  Spaltbilder  liefern, 
z.  B.  die  Farben  G  und  F  bei  bestimmter  Stellung  des  Spektro- 
metertisches  vereinigen.  Dreht  man  denselben,  so  wird  das  Spalt- 
bild im  allgemeinen  farbig  gesehen,  bei  einer  Stellung  des  Spektro- 
metertisches  wird  aber  das  Spaltbild  am  wenigsten  gefärbt  er- 
scheinen. Man  berechnet  dann  aus  dieser,  hier  gerade  vorhandenen 
Lage  der  Prismen  die  beiden  Farben,  welche  tatsächlich  genau 
parallel  aus  den  Prismen  austreten.  Dieses  sind  dann  diejenigen 
beiden  Farben,  welche  zur  Achromatisierung  bei  subjektiver  Be- 
obachtung am  zweckmäßigsten  zu  vereinigen  sind. 

Schon  mit  einer  einzigen  dicken  Linse  kann  man  Achromati- 
sierung der  Brennweite  oder  der  Brennpunktsorte  erreichen. 

Praktisch  wichtiger  sind  aber  die  Fälle,  in  denen  dünne  Linsen 
verwandt  werden.  Werden  dieselben  aufeinander  gelegt,  so 
können  wir  näherungsweise  von  der  chromatischen  Abweichung 
der  Hauptebenen  absehen,  da  diese  bei  dünnen  Linsen  einfach 
immer  in  die  Linsen  fallen  (vgl.  oben  S.  40).  Wenn  man  also  dann 
die  Brennweite  achromatisiert,  so  ist  das  System  nahezu  vollständig 
achromatisiert,  d.  h.  sowohl  für  Bildort  als  auch  Bildgröße. 

Es  ist  nun  die  Brennweite /i  einer  dünnen  Linse  vom  Brechungs- 
index 71^  bei  einer  bestimmten  Farbe  nach  Formel  (22)  der  S.  40 
gegeben  durch 

(51)  I  -  (^1  -  1)  {,-?;  -  ./;)  =  (''1  -  ^)  ^-1. 

wobei  A'i  eine  Abkürzung  für  die  Differenz  der  Linsenkrümmungen 
bedeutet 

Femer  ist  nach  (24)  der  S.  42  die  resultierende  Brennweite  / 
zweier  aufeinander  gelegter  dünner  Linsen  der  Brennweiten  /i  und 
/i  gegeben  durch 

1       1,1 

Für  einen  Zuwachs  dn^  des  Brechungsindex  /?i  bei  Übergang  zu 


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Physikalische  Herstellung  der  optischen  Abbildung.  65 

einer  anderen  Farbe  folgt  nun  aus  (51)  der  Zuwachs  der  reziproken 
Brennweite: 

'^{fj='^'H•*»=„-'?h•i=^       (58) 

wobei  Vi  das  Dispersionsvermögen  der  Substanz  der  Linse  1 
zwischen  den  beiden  benutzten  Farben  bedeutet  Soll  daher  die 
resultierende  Brennweite  f  für  beide  Farben  die  gleiche  sein,  so 
folgt  aus  (52)  und  (53): 

Die  Bedingung  der  Achromatisierung  ist  also  in  (54)  enthalten. 
Diese  Gleichung  sagt  aus,  da  v^  und  V2  beständig  dasselbe  Vor- 
zeichen besitzen,  was  für  Körper  1  und  2  man  auch  verwenden 
möge,  daß  die  Einzelbrennweiten  einer  dünnen  achro- 
matischen Doppellinse  entgegengesetztes  Vorzeichen  be- 
sitzen. 

In  Verbindung  mit  (52)  folgen  die  Einzelbrennweiten  zu 

1  1  V2  1  1  Vi 


fi  f  V2  —  Vi^       /i  /'   V2  —  Vi 


(55) 


Bei  positiver  Gesamtbrennweite  hat  daher  die  Linse  mit  kleinerem 
Dispersionsvermögen  eine  positive,  die  mit  größerem  Dispersions- 
vermögen eine  negative  Brennweite. 

Wenn  f  vorgeschrieben  ist  und  die  Glassorten  gewählt  sind, 
so  sind  zur  Erreichung  der  Brennweiten  /i  und  /2  vier  Krümmungs- 
radien verfügbar.  Es  bleiben  daher  noch  zwei  frei  verfügbar.  Will 
man  die  beiden  Linsen  aneinander  kitten,  so  ist  r/  =  rj  zu  setzen. 
Es  bleibt  dann  noch  ein  Krümmungsradius  verfügbar.  Derselbe 
kann  zweckmäßig  so  gewählt  werden,  daß  die  sphärische  Aber- 
ration möglichst  klein  wird. 

Bei  mikroskopischen  Objektiven  werden  achromatische  Paare 
dieser  Art  sehr  allgemein  verwendet;  es  besteht  hierbei  jedes  aus 
einer  plankonkaven  Linse  aus  Flintglas,  welche  mit  einer  bikon- 
vexen Linse  von  Crownglas  verkittet  ist,  wobei  die  plane  Linsen- 
fläche dem  einfallenden  Licht  zugekehrt  wird. 

Wenn  wir  zwei  dünne  Linsen  in  einem  größeren  Ab- 
stände a  voneinander  verwenden  wollen,  so  ist  ihr  optisches 
Intervall  J  (vgl.  oben  S.  28) 

^  =  a~(/i  +  /2), 
Drnde,  Lehrbach  d.  Optik.   2.  Aufl.  5 


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66 


Kapitel  III. 


daher  nach  (19)  S.  29  die  resultierende  Brennweite: 

Soll  die  Brennweite  achromatisiert  werden,  so  folgt  aus  (56) 
und  (53): 


0 


oder 

(57) 


Vi      ,     ^2   


^  ^  v-kU  -\-v\h 

Vi  -I-  V2       * 

Bestehen  beide  Linsen  aus  gleichem  Material  (1^1  =  ^2)» 
so  bilden  sie  also  in  der  Distanz 


(58) 


_f±±h 


ein  hinsichtlich  der  Brennweite  achromatisches  System. 
Diese  Achromasie  findet  dann  zugleich  für  alle  Farben  statt,  da 
stets  v^  =  v<i  ist. 

Will  man  das  System  nicht  nur  hinsichtlich  der  Brennweite 
achromatisieren,  sondern  vollständig,  d.  h.  nach  Bildort  und  Bild- 
größe, so  ergibt  die  Figur  30: 


y 


5l    y. 

ei  '     Vi 


~?^,  d.h. 


das  Vergrößerungsverhältnis: 

(59) 


y'y  =  ^\h'  ^1^2- 


Fig.  80. 

Wenn  daher  die  Vergrößerung  und   der  Bildort   achromatisiert 
werden  soll,  so  muß  sein,  da  e^  für  alle  Farben  konstant  ist: 


(60) 


^(^')  =  o,  rf.;=o. 


Da  nun  aber  e^  +  e^^^a  (Abstand  der  Linsen)  auch  für  alle  Farben 
konstant  ist,  so  folgt  de^=  —  de^,  während  aus  (60)  folgt  d  {elje^  =  0. 


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Physikalische  Herstellung  der  optischen  Ahhildung.  57 

Hieraus  ergibt  sich  c?e/=  0,  de^  =  (>,  d.  h.  die  beiden  Einzellinsen 
müssen  schon  für  sich  achromatisiert  sein,  d.  h.  müssen  aus  achro- 
matischen Paaren  bestehen. 

Man  kann  daher  auch  allgemein  schließen:  Ein  Gesamt- 
system, welches  aus  mehreren  getrennten  Einzelsystemen 
besteht,  ist  nur  dann  vollständig  (d.  h.  nach  Bildort  und  Bild- 
größe) achromatisiert,  wenn  dies  schon  die  Einzelsysteme 
für  sich  sind. 

Wenn  der  Öffnungswinkel  der  die  Abbildung  vermittelnden 
Strahlenbüschel  erheblicher  wird,  so  ist  mit  der  Achromasie  des 
Bildortes  oder  der  Brennweite  noch  nicht  das  Zustandekommen 
eines  guten  Bildes  gewährleistet,  auch  wenn  es  für  eine  Farbe 
entstehen  sollte.  Es  muß  auch  die  sphärische  Aberration  für  zwei 
Farben  möglichst  aufgehoben  sein  und  (bei  Abbildung  von  Flächen- 
elementen) die  Bedingung  des  Aplanatismus  (Sinusbedingung)  für 
zwei  Farben  erfüllt  sein.  Abbe  nennt  Systeme,  die  frei  von  sekun- 
därem Spektrum  sind  und  zugleich  aplanatisch  für  mehrere  Farben, 
„apochromatische"  Systeme.  Dieselben  besitzen  dann  noch  eine 
chromatische  Differenz  der  Vergrößerung;  dieselbe  kann  durch 
andere  Mittel  unschädlich  gemacht  werden  (vgl.  weiter  unten  bei 
Besprechung  des  Mikroskops). 


Kapitel  lY. 

Über  die  Strahlenbegrenzung  und  die  von  ihr  abhängige 

Lichtwirknng. 

1.  Eintrittspupille  und  Austrittspupille.  Die  Strahlen, 
welche  die  Abbildung  durch  ein  optisches  System  vermitteln,  sind 
naturgemäß  stets  begrenzt,  entweder  infolge  der  beschränkten 
Größe  der  Linsen  bezw.  Spiegel,  oder  infolge  besonders  angebrachter 
körperlicher  Blenden.    Sei  P  ein  bestimmt  gelegener  Objektpunkt 

5* 


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68 


Kapitel  IV. 


(vgl.  Figur  31),  so  findet  man  zunächst  diejenige  von  den  vorhan- 
denen Blenden  (oder  denjenigen  Linsenrand),  welche  die  Öffnung 
der  abbildenden  Büschel  am  meisten  einschränkt,  in  folgender 
Weise:  Man  konstruiere  von  jeder  Blende  P  das  optische  Bild  ß^, 
welches  der  zwischen  B  und  dem  Objekt  P  liegende  Teil  Äj  des 
optischen  Systems  entwirft.  Dasjenige  unter  diesen  Bildern  J?,, 
welches  vom  Objekt  P  unter  dem  kleinsten  Sehwinkel  erscheint, 
begrenzt  offenbar  die  abbildenden  Strahlenbüschel;  dieses  Bild  heißt 
die  Eintrittspupille  des  ganzen  abbildenden  Systems,  die  körper- 
liche Blendet  selbst  wird  die  Apertur-  oder  Öffnungsblende 
(oder  auch  Iris)  genannt^    Der  Sehwinkel  2U,  unter  welchem 


Fig.  31. 

die  Eintrittspupille  vom  Objekt  aus  ei^scheint,  d.  h.  der  \Mnkel 
zweier  in  einer  Meridianebene  verlaufenden  Randstrahlen,  heißt 
der  Öffnungswinkel  des  Systems. 

Das  optische  Bild  B(,  welches  das  ganze  System  von  der 
Eintrittspupille  entwirft,  wird  seine  Austrittspupille  genannt 
Dieselbe  begrenzt  ofi'enbar  die  von  dem  Bilde  P'  des  Objektes  P 
ausgehenden  Strahlen.  Der  Winkel  2  U\  unter  dem  die  Austritts- 
pupille von  P'  aus  erscheint,  heißt  der  Projektions winkel  des 
Systems.  Aus  der  Vertauschbarkeit  von  Bild  und  Objekt  folgt  ohne 
weiteres,  daß  die  Austrittspupille  B[  das  Bild  der  Aperturblende 
B  in  bezug  auf  den  Teil  Äj  des  ganzen  optischen  Systems  ist, 
welcher  von  B  nach  dem  Bildraume  zu  folgt.  Beim  Fernrohr  ist 
oft  der  Rand  der  Vorderlinse  (des  Objektivs)  die  Aperturblende, 


1)  Wenn  die  Iris  vor  der  ersten  Linse  des  Systems  liegt,  so  ist  sie  mit 
der  Eintrittspupille  identisch. 


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über  die  Strahlenbegrenzung  und  die  von  ihr  abhängige  Lichtwirkung.  69 

das  von  dem  Okular  entworfene  Bild  dieses  Linsenrandes  daher 
die  Austrittspupille.  Man  sieht  die  Austrittspupille  als  reelles  oder 
virtuelles  Bild,  wenn  man  das  Instrument  in  genügender  Ent- 
fernung vom  Auge  gegen  einen  hellen  Hintergrund  hält. 

unter  Umständen  kann  aber  auch  die  Iris  des  beobachtenden 
Auges  die  Aperturblende  bilden,  deren  von  der  Hornhaut  und 
Augenwasser  entworfenes  Bild  die  Pupille  genannt  wird.  Nach 
diesem  Falle  ist  die  allgemeine  Bezeichnung  „Eintrittspupille"  und 
„Iris"  gewählt. 

Die  Lage  der  Pupillen  ist,  wie  wir  schon  oben  S.  59  sahen, 
von  Wichtigkeit  bei  der  Abbildung  ausgedehnter  Objekte  durch 
enge  Büschel  Soll  das  Bild  dem  Objekte  ähnlich  sein,  so  müssen 
die  Mittelpunkte  der  Eintritts-  bezw.  Austrittspupille  „ortho- 
skopische" Punkte  sein.     Außerdem   ist  die  Lage  der  Pupillen 


Fig.  82. 

wesentlich  für  den  Gang  der  Hauptstrahlen,  d.  h.  der  mittleren 
Strahlen  der  die  Abbildung  vermittelnden  Büschel.  Sind,  was  wir 
voraussetzen  wollen,  die  Pupillen  Kreise,  deren  Zentren  auf  der 
Achse  des  abbildenden  Systems  liegen,  so  sind  die  von  einem  be- 
liebig liegenden  Objekt  P  bezw.  seinem  Bilde  P'  nach  dem  Mittel- 
punkt der  Eintritts-  bezw.  Austrittspupille  hinzielenden  Strahlen 
die  Hauptstrahlen  der  Objekt-  bezw.  Bildstrahlenbündel.  Den  Ver- 
lauf der  Hauptstrahlen  im  abbildenden  System  bezeichnet  man  des 
näheren  als  seinen  Strahlengang. 

2.  Telezentriseher  Strahlengang.  Durch  besondere  Lage  der 
„Iris"  kann  man  es  erreichen,  daß  entweder  die  Eintritts-  oder 
Austrittspupille  (oder  bei  teleskopischer  Abbildung  beide  zugleich) 
ins  unendliche  rücken.  Man  braucht  dazu  nur  die  Iris  in  den 
hinteren  Brennpunkt  von  S^  oder  in  den  anderen  Brennpunkt  von 
S<i  zu  legen  (vgl.  oben  Figur  31).  Dieser  Fall  wird  als  „telezen- 
triseher*' Strahlengang  bezeichnet,  und  zwar  der  erstere  als  „tele- 


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70  Kapitel  IV. 

zentrisch  nach  der  Objektseite",  der  letztere  als  „telezentrisch  nach 
der  Bildseite".  Im  ersteren  Falle  sind  alle  Hauptstrahlen  des 
Objektraumes  achsenparallel,  im  letzteren  alle  Hauptstrahlen  des 
Bildraumes.  Figur  32  bezieht  sich  auf  diesen  Fall,  d.  h.  auf  einen 
telezentrischen  Strahlengang  nach  der  Bildseite.  Die  Iris  B  liegt 
im  vorderen  Brennpunkt  der  Linse  S,  welche  von  dem  Objekt  P^P2 
das  reelle  Bild  P/A'  entwirft.  Die  von  den  Punkten  P^  und  P^ 
ausgehenden  Hauptstrahlen  sind  stark  gezeichnet,  die  Randstrahlen 
schwach.  —  Dieser  Strahlengang  ist  vorteilhaft  anzuwenden,  wenn 
das  Bild  P{P2  auf  einer  mit  Teilstrichen  versehenen  Pointierungs- 
ebene  (Mikrometer)  ausgemessen  werden  soll.  Auch  wenn  sie  nicht 
genau  mit  dem  Bilde  P/A'  zusammenfällt,  so  ergibt  sich  doch 
immer  dieselbe  Bildgröße,  weil  bei  unscharfer  Einstellung  der 
Schnitt  der  Hauptstrahlen  mit  der  Pointierungsebene  als  Ort  des 
(unscharfen)  Bildes  aufgefaßt  wird.  Wenn  nun  die  Hauptstrahlen 
des  Bildraumes  achsenparallel  sind,  so  müssen  auch  die  unscharfen 
Bilder  auf  der  nicht  genau  eingestellten  Mikrometerebene  stets 
dieselbe  Größe  behalten.  Bei  schiefem  Gange  der  Hauptstrahlen 
würde  aber  die  scheinbare  Größe  des  Bildes  stark  mit  der  Lage 
der  Pointierungsebene  wechseln. 

Wenn  man  das  System  telezentrisch  nach  der  Objektseite  macht, 
so  ist  aus  ähnlichem  Grunde  die  Bildgröße  unabhängig  von  einer 
genauen  Einstellung  auf  das  Objekt.  Dieser  Strahlengang  ist  daher 
bei  den  Mikrometeimikroskopen  vorteilhaft  anzuwenden,  während 
der  erstere  bei  Femrohren  zu  realisieren  ist,  bei  denen  die  Objekt- 
distanz immer  gegeben  ist  (unendlich  groß),  aber  das  Okular- 
mikrometer verstellt  werden  kann. 

3,  Gesichtsfeld.  Außer  der  Blende  B  (Iris),  welche  selbst, 
bezw.  deren  optische  Bilder  Eintritts-  bezw.  Austrittspupille  bilden, 
sind  stets  noch  weitere  Blenden  oder  Linsenränder  vorhanden, 
welche  die  Größe  des  abzubildenden  Objektes,  das  Gesichtsfeld, 
bestimmen.  Man  findet  diejenige  Blende  (die  sogenannte  Gesichts- 
feldblende), welche  hierfür  maßgebend  ist,  indem  man  wiederum 
von  sämtlichen  Blenden  ihre  optischen  Bilder  konstruieit,  die  der 
Teil  Si  des  ganzen  optischen  Systems  entwirft,  der  zwischen 
Objekt  und  der  betreffenden  Blende  liegt.  Dasjenige  Bild  Gy  unter 
diesen,  welches  von  der  Mitte  der  Eintrittspupille  aus  unter  dem 
kleinsten  Winkel  2w  erscheint,  ist  für  das  Gesichtsfeld  bestimmend. 
Der  Sehwinkel  2w  heißt  der  Gesichtsfeldwinkel.  Die  Richtig- 
keit dieser  Behauptung  geht  aus  einer  Zeichnung,  z.  B.  Figur  31 


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über  die  Strahlenbegrenzung  und  die  von  ihr  abhängige  Lichtwirkung.  71 

auf  S.  68,  unmittelbar  hervor.  In  dieser  Figur  sind  außer  der 
Iris  B  noch  die  Ränder  der  Linsen  S^  und  S2  und  das  Diaphragma 
G  als  Blenden  vorhanden.  Das  Bild  der  letzteren  in  bezug  auf 
S^  ist  Gl,  und  da  wir  annehmen  wollen,  daß  G^  von  der  Mitte 
der  Eintrittspupille  unter  kleinerem  Winkel  erscheine,  als  der  Rand 
von  S^  und  das  Bild,  welches  S^  vom  Linsenrand  S^  entwirft,  so 
wirkt  G  als  Gesichtsfeldblende.  —  Das  optische  Bild  ö/,  welches 
das  ganze  System  S^  +  ^^2  von  G^  entwirft,  begrenzt  das  Gesichts- 
feld im  Bilde.  Der  Winkel  2w\  unter  dem  G(  von  der  Mitte 
der  Austrittspupille  aus  erscheint,  heißt  der  Bildwinkel. 

In  der  Figur  31  ist  angenommen,  daß  das  Bild  G^  der  Ge- 
sichtsfeldblende in  die  Ebene  des  abzubildenden  Objektes  P  fällt 
Dieser  Fall  zeichnet  sich  dadurch  aus,  daß  dann  das  Gesichtsfeld 
scharf  begrenzt  ist,  weil  jeder  Objektpunkt  P  entweder  die  Ein- 
trittspupille vollständig  mit  Strahlen  erfüllen  kann,  oder  gar  keine 
Strahlen  zu  denselben  senden  kann,  da  sie  alle  von  G^  aufgehalten 
werden.  Wenn  die  Objektebene  nicht  mit  dem  objektseitigen  Bilde 
G^  der  Gesichtsfeldblende  zusammenfällt,  so  ist  das  Gesichtsfeld 
unscharf  begrenzt,  d.  h.  durch  eine  Zone  kontinuierlich  abnehmender 
Helligkeit.  Denn  dann  gibt  es  nach  dem  Rande  des  Gesichts- 
feldes zu  offenbar  Objektpunkte  P,  deren  Strahlen  die  Eintritts- 
pupille nur  teilweise  erfüllen  können. 

Bei  Instrumenten,  welche  zur  subjektiven  Beobachtung  dienen, 
ist  es  günstig,  wenn  die  Pupille  des  Auges  mit  der  Austrittspupille 
des  Instrumentes  zusammenfällt,  damit  das  Gesichtsfeld  möglichst 
ausgenutzt  wird.  Denn  wenn  die  Augenpupille  in  einiger  Ent- 
fernung von  der  Austrittspupille  liegt,  so  kann  erstere  als  Gesichts- 
feldblende wirken  und  das  Gesichtsfeld  unter  Umständen  sehr  ein- 
schränken. Die  Austrittspupille  wird  daher  auch  oft.  als  Augen- 
kreis  (Okularkreis),  ihr  Mittelpunkt  als  Augenort  bezeichnet. 

Bisher  ist  der  Einfluß  der  Blenden  im  wesentlichen  allein  auf 
den  geometrischen  Verlauf  des  Strahlengang^s  diskutiert,  die  Blenden 
haben  nun  aber  auch  noch  die  größte  Bedeutung  für  die  Hellig- 
keit der  Bilder.  Bei  Betrachtung  derselben  verlassen  wir  den  Boden 
der  rein  geometrischen  Optik,  wir  wollen  aber  diese  Betrachtungen 
hier  einschalten,  da  ohne  dieselben  die  Beschreibung  der  Wirkungs- 
weise der  verschiedenen  optischen  Instrumente  zu  unvollständig 
ausfallen  würde. 

4.  Photometrische  Grundsätze.  Wir  bezeichnen  als  Ge- 
samtlichtmenge M  einer  Lichtquelle  Q  diejenige  Lichtmenge, 


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72  Kapitel  IV. 

welche  Q  auf  irgend  eine  geschlossene,  sie  umgebende  Fläche 
S  sendet  Auf  die  speziellere  Gestalt  von  S  kommt  es  dabei  nicht 
an,  indem  die  Voraussetzung  (oder  besser  Definition)  gemacht  wird, 
daß  bei  der  Ausbreitung  des  Lichtes  in  einem  vollständig  durch- 
sichtigen^) Medium  die  Gesamtlichtmenge  weder  verkleinert  noch 
vergrößert  wird. 

Ebenso  wird  vorausgesetzt  (definiert),  daß  die  Lichtmenge  kon- 
stant bleibt  für  jeden  Querschnitt  einer  Röhre,  deren  Seiten  von 
Lichtstrahlen  gebildet  werden  (Lichtröhre).  2)  Vernachlässigen  wir 
bei  einer  Lichtquelle  Q  zunächst  ihre  seitliche  Ausdehnung,  d.  h. 
setzen  wir  sie  als  punktförmig  voraus,  so  sind  die  Lichtstrahlen 
gerade  Linien,  die  vom  Punkte  Q  ausgehen.  Eine  Lichtröhre  ist 
also  ein  Kegel,  dessen  Spitze  in  Q  liegt.  Als  Öffnungswinkel  (oder 
räumlicher  Winkel)  Q  des  Kegels  wird  die  Flächengröße  ver- 
standen, welche  der  Kegel  aus  einer  um  seine  Spitze  als  Zentrum 
beschriebenen  Kugel  vom  Radius  l  (1  cm)  ausschneidet. 

Fassen  wir  nun  einen  Elementarkegel  von  dem  sehr  kleinen 
räumlichen  Winkel  d^  ins  Auge,  so  ist  die  in  ihm  enthaltene 
Lichtmenge: 

(61)  .  dL=^K'dQ, 

Die  Größe  K  wird  die  Lichtstärke  (Leuchtkraft)  der  Licht- 
quelle Q  in  Richtung  der  Kegelachse  genannt  Sie  hat  die  physi- 
kalische Bedeutung,  daß  sie  diejenige  Lichtmenge  bedeutet,  welche 
Q  auf  die  Flächeneinheit  in  der  Einheit  der  Entfernung  sendet, 
falls  diese  Fläche  senkrecht  zu  den  Lichtstrahlen  liegt,  denn  dann 
ist  d^  =  1. 

Die  Lichtstärke  kann  im  allgemeinen  von  der  Richtung  der 
Lichtstrahlen  abhängen.  Die  Gesamtlichtmenge  M  drückt  sich 
daher  nach  (61)  aus  durch 

(62)  M=/K'd£, 

wobei  das  Integral  ganz  um  die  Lichtquelle  Q  herum  zu  summieren 


1)  Im  folgenden  wird  stets  vollkommene  Durchsichtigkeit  des  Mediums 
vorausgesetzt. 

2)  Die  hier  vorangestellten  Definitionen  ergeben  sich  als  notwendig,  sowie 
man  die  Lichtmenge  als  die  in  der  Zeiteinheit  durch  den  Querschnitt  der  Böhre 
hindurchgehende  Energie  auffaßt.  Solche  tiefer  gehende  physikalische  Vor- 
stellungen soUen  aber  hier  vermieden  werden,  um  nicht  zu  sehr  den  Boden  der 
geometrischen  Optik  zu  verlassen. 


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über  die  Strahlenbegrenzung  und  die  von  ihr  abhängige  Lichtwirkung.  73 

ist  Falls  K  unabhängig  von  der  Richtung  der  Lichtstrahlen  wäre, 
so  würde  folgen 

da  die  Summe  der  räumlichen  Öffnungen  aller  um  Q  befindlichen 
Elementarkegel  gleich  der  Oberfläche  einer  um  Q  mit  dem  Radius  1 
beschriebenen  Kugel  ist,  d.  h.  gleich  4jt,  Die  mittlere  Lichtstärke 
Km  wird  definiert  durch 

Schneidet  nun  der  Elementarkegel  dQ  aus  einer  beliebig  liegen- 
den Fläche  S  ein  kleines  Stück  dS  heraus,  dessen  Normale  den 
Neigungswinkel  9  mit  der  Kegelachse  bildet,  und  welches  in  der 
Entfernung  r  von  der  Spitze  Q  des  Kegels,  d.  h.  der  Lichtquelle, 
liegt,  so  ergibt  eine  einfache  geometrische  Betrachtung  die  Be- 
ziehung: 

dQ-r'^^dS'  cos  e.  (64) 

Aus  (61)  folgt  also  für  die  auf  dS  fallende  Lichtmenge: 

dL  =  K^-^'-^^  (65) 

Die  auf  die  Flächeneinheit  fallende'  Lichtmenge  wird  die  Be- 
leuchtungsstärke B  genannt.    Aus  (65)  ergibt  sich  für  sie 

B-K'^,  (60) 

d.  h.  die  Beleuchtungsstärke  ist  umgekehrt  proportional 
dem  Quadrat  der  Entfernung  von  der  punktförmigen 
Lichtquelle  und  proportional  dem  Kosinus  des  Neigungs- 
winkels der  Normale  der  beleuchteten  Fläche  gegen  die 
Lichtstrahlen. 

Wenn  die  hier  aufgestellten  Definitionen  wirklich  brauchbar 
sind,  so  muß  unserem  Auge  ein  Schirm  gleichhell  beleuchtet 
erscheinen,  wenn  die  Beleuchtungsstärke  dieselbe  ist.  Das  zeigt 
nun  in  der  Tat  der  Versuch,  wenn  man  mehrere  gleiche  Licht- 
quellen Q,  sagen  wir  z.  B.  Stearinkerzen,  auf  ihre  Beleuchtungs- 
wirkung hin  prüft.  Eine  Kerze  in  1  m  Entfernung  vor  einem 
Schirm  S  läßt  denselben  nämlich  in  gleicher  Helligkeit  erscheinen, 
wie  vier  dicht  zusammengestellte  Kerzen  in  2  m  Entfernung. 

Wir  besitzen  daher  ein  einfaches  Mittel,  um  Lichtstärken 
relativ  zu  vergleichen:  Man  läßt  zwei  Lichtquellen  Q^  und  Q2  in 
solchen  Entfernungen  r^  und  rj  einen  Schirm  (bei  gleichem  ö) 


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74 


Kapitel  IV. 


beleuchten,  daß  die  Beleuchtungsstärke  auf  ihm  gleich  erscheint 
Dann  verhalten  sich  die  Lichtstrahlen  K^  und  JTj  der  beiden  Licht- 
quellen wie  die  Quadrate  der  Entfernungen  r^^ :  rj^.  Um  eine 
solche  Vergleichung  scharf  ausfahren  zu  können,  dient  das  Photo- 
meter. Das  vollkommenste  dieser  Instrumente*)  ist  das  von 
Lummer  und  Brodhun  konstniierte. 

Der  wesentlichste  Teil  dieses  Instrumentes  ist  ein  Glaswürfel, 
der  aus  zwei  mit  ihren  Hypotenusenflächen  gut  eben  aufeinander 
abgeschliffenen  rechtwinkligen  Prismen  A,  B  besteht  (vgl.  Figur  33). 
Nachdem  an  der  Hypotenusenfläche  des  einen  Prismas  A  durch 


a, 


a. 


Fig.  33. 

Anschleifen  einer  Kugelfläche  die  obere  Glasschicht  bis  auf  eine 
scharf  begrenzte  Kreisfläche  entfernt  ist,  wird  dieses  Prisma  so 
fest  gegen  das  andere  {D)  gepreßt,  daß  an  der  Berührungsstelle 
keine  Luftschicht  zwischen  den  Prismen  bleibt.  Ein  Auge  bei  o, 
welches  mit  Hilfe  einer  Lupe  w  senkrecht  zur  Kathetenfläche  des 
Prismas  B  blickt,  erhält  durchgehendes  und  totalreflektiertes  Licht 
unmittelbar  nebeneinander.  Zwischen  die  beiden  zu  vergleichenden 
Lichtquellen  Q^  und  Q2  wird  ein  auf  beiden  Seiten  gleich  be- 
schaffener Schirm  S  von  weißt^m  Gips  gestellt;  das  von  5  diffus 

1)  Eine  vollständige  Übersicht  über  diese  Instrumente,  sowie  überhaupt 
über  die  Grundsätze  der  Photometrie  ist  in  Winkelmanns  Handbuch  d.  Physik, 
Optik,  2,  Aufl.,  S.  747  (Autor  Brodhun)  gegeben. 


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über  die  Strahlenbegrenznng  und  die  von  ihr  abhängige  Lichtwirkung.  75 

ausgestrahlte  Licht  wird  durch  die  beiden  Spiegel  S^  und  Äj  zu 
den  Glaswtirfeln  A,  B  reflektiert.  Sind  die  Beleuchtungsstärken 
beider  Seiten  von  S  einander  gleich,  so  erblickt  das  Auge  in  0 
den  Glaswürfel  gleichmäßig  erhellt,  d.  h.  die  Figur,  welche  durch- 
gehendes und  reflektiertes  Licht  trennt,  verschwindet.  Die  Licht- 
quellen Qi  und  Q2  werden  nun  in  solche  Entfernungen  r^  und  r^ 
vom  Schirm  S  gebracht,  bis  daß  dieses  Verschwinden  der  Trennungs- 
figur im  Glaswürfel  eintritt.  —  Um  sich  frei  von  einem  Fehler  zu 
machen,  der  durch  etwaige  Ungleichheit  beider  Seiten  von  S  ent- 
stehen kann,  ist  es  zweckmäßig,  eine  zweite  Messung  auszuführen, 
bei  der  die  Lage  der  beiden  Lichtquellen  Q^  und  Qj  ^^  ^d^I" 
gekehrte  ist,  d.  h.  so,  daß  Q^  rechts  von  S  und  Q^  links  von  S 
steht.  Der  Schirm  S  ist  mit  den  Spiegeln  /Si,  S^  und  dem  Glas- 
würfel fest  im  Instrument  durch  den  Kasten  KK  verbunden. 

Als  Lichteinheit,  d.  h.  als  diejenige  Lichtstärke,  auf  welche 
alle  anderen  Lichtstärken  bezogen  werden,  benutzt  man  meist  ent- 
weder die  50  mm  hohe  Flamme  der  deutschen  Vereins-Paraffinkerze, 
oder  besser,  weil  mit  viel  größerer  Genauigkeit  reproduzierbar,  das 
Hefnerlicht,  eine  durch  v.  Hefner- Alteneck  eingeführte  Lampe,  die 
mit  Amylacetat  gespeist  wird  und  deren  Flammenhöhe  40  mm 
betragen  soll. 

Hat  man  die  Lichtstärke  irgend  einer  Lichtquelle  gemessen, 
so  berechnet  sich  die  Beleuchtungsstärke  an  irgend  einer  Stelle 
nach  (66).  Die  Maßeinheit  der  Beleuchtungsstärke  ist  die  Meter- 
kerze, d.  h.  diejenige  Beleuchtungsstärke,  welche  eine  Kerze  in 
l  m  (horizontaler)  Entfernung  auf  einen  senkrecht  gegen  die  Licht- 
strahlen liegenden  Schirm  wirft.  So  z.  B.  bedeutet  eine  Beleuch- 
tungsstärke von  50  Meterkerzen,  welche  beim  Lesen  gefordert 
wird,  die  gleiche  Beleuchtungsstärke,  welche  50  Kerzen  in  1  m 
Entfernung  auf  dem  senkrecht  gegen  das  Licht  gehaltenen  Buche 
hervorbringen,  oder  12—13  Kerzen  in  V2  ^  Entfernung,  oder 
1  Kerze  in  V7  m  Entfernung. 

Die  Photometrierung  verschiedenfarbigen  Lichtes  bietet  große 
Schwierigkeiten.  Nach  Purkinje  variiert  die  Helligkeitsdifferenz 
zweier  verschieden  gefärbter  Flächen  mit  der  Größe  der  Beleuch- 
tungsstärke. *) 

1)  Selbst  in  dem  FaUe,  daß  beide  Lichtquellen  farblos  erscheinen,  aber 
aus  yerschiedenen  Farben  zusammengesetzt  sind,  kann  die  Photometrierung 
durch  physiologische  Einflüsse  unsicher  werden.  Vgl.  darüber  A.  Tschermak, 
Arch.  f.  ges.  Physiologie,  70,  S.  297,  1898. 


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76  Kapitel  IV. 

Wenn  wir  die  Lichtquelle  Q  nicht  als  sehr  klein  (punktförmig), 
sondern  als  Fläche  auffassen  müssen,  so  hängt  die  ausgestrahlte 
Lichtmenge  nicht  nur  von  der  Größe  der  Fläche,  sondern  auch 
von  ihrer  Neigung  gegen  die  Lichtstrahlen  ab. 

Eine  glühende  Metallkugel  erscheint  dem  Auge  gleichmäßig 
hell.  In  allen  Elementarkegeln  von  gleichem  Öffnungswinkel  dm, 
deren  Spitze  im  Auge  liegt,  und  die  die  Metallkugel  treffen,  muß 
daher  ein  und  dieselbe  Lichtmenge  enthalten  sein.  Da  nun  aber 
[vgl.  dazu  die  frühere  Formel  (64)]  diese  Kegel  aus  der  Metallkugel 
ein  Flächenstück  ds  der  Größe 

herausschneiden,  falls  ^  den  Neigungswinkel  von  ds  gegen  die 
Kegelachse  bezeichnet,  so  ist  das  Flächenstück,  welches  die  gleiche 
Lichtmenge  liefert,  um  so  größer  (proportional  mit  l:co«^),  je 
schiefer  es  zu  den  Lichtstrahlen  liegt. 

Wir  erhalten  daher  für  die  Lichtmenge  dL,  welche  ein  Flächen- 
element ds  einem  anderen  Flächenelement  dS  zustrahlt,  durch  Be- 
rücksichtigung der  früheren  Formel  (65): 

,  ^^  , ,         i  .  ds  ,  dS ,  C08  ^  .  nos  B    is 

(08)  dL  = -^ 1) 

Dabei  bezeichnet  r  die  Entfernung  der  beiden  Flächenelemente 
voneinander  und  ^,  ß  die  Neigungen  der  Normalen  von  ds  und 
dS  gegen  ihre  Verbindungslinie,  i  wird  die  spezifische  Licht- 
intensität der  Fläche  ds  genannt.  Dieselbe  ist  also  diejenige 
Lichtmenge,  welche  die  Flächeneinheit  einer  um  die  Längeneinheit 
entfernten  anderen  Flächeneinheit  zustrahlt,  falls  beide  Flächen- 
stücke senkrecht  zu  ihrer  Verbindungsstrecke  liegen. 

In  der  Formel  (68)  ist  ihre  Symmetrie  in  bezug  auf  das 
strahlende  und  das  bestrahlte  Flächenstück  beachtenswert.  Diese 
Symmetrie  kann  man  in  die  Worte  fassen:  Die  Lichtmenge, 
welche  ein  Flächenstück  der  Intensität  i  einem  anderen 
Flächeustück  zustrahlt,  ist  dieselbe,  als  ob  letzteres  mit 
derintensitätt  dem  ersterenFlächenstückLicht  zustrahle. 


1)  Diese  Formel,  welche  oft  kurz  das  Kosinusgesetz  der  Strahlung  genannt 
wird,  ist  aber  nur  angenähert  richtig.  Streng  genommen  variiert  i  stets  etwas 
mit  ^,  bei  verschiedenen  Körpern  in  verschiedener  Weise.  Es  wird  davon  noch 
einmal  später  bei  Besprechung  des  Kirchhoffschen  Gesetzes  (III.  Abschnitt, 
Kapitel  II)  die  Rede  sein.  —  Wir  woüen  aber  hier  mit  der  Näherungsformel 
weiter  rechnen,  d.  h.  %  als  konstant  annehmen. 


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über  die  Strahlenbegrenzung  und  die  von  ihr  abhängige  Lichtwirkung.  77 

Wir  können  die  Formel  (68)  in  eine  einfachere  Gestalt  bringen, 
wenn  wir  den  räumlichen  Öffnungswinkel  dQ  einführen,  unter  dem 
dS  von  ds  aus  erscheint.  dO.  steht  nämlich  mit  dS  in  der  durch 
die  Gleichung  (64)  angegebenen  Beziehung.  Es  läßt  sich  daher 
(68)  auch  so  schreiben: 

dL  =  i'ds'COsd'^dSi.  (69) 

Andererseits  kann  man  aber  auch  den  räumlichen  Öffnungs- 
winkel d(D  einführen,  unter  dem  ds  von  dS  aus  erscheint;  seine 
Größe  ist  nach  (67)  gegeben.    Daher  wird: 

dL  =  i'dS'  cos  e  •  dcD.  (70) 

Die  Lichtintensität  i  steht  in  einer  leicht  angebbaren  Beziehung 
zur  Gesamtlichtmenge  if,  welche  die  Fläche  ds  ausstrahlt. 

Zunächst  ergibt  ein  Vergleich  der  Formeln  (61)  und  (69),  daß 
die  Lichtstärke  K  der  Fläche  ds  in  einer  Richtung,  die  den 
Winkel  0-  mit  ihrer  Normalen  bildet,  den  Wert  hat, 

K=idscosd-.  (71) 

Wir  wollen  nun  zunächst  die  Lichtmenge  berechnen,  welche 
enthalten  ist  zwischen  zwei  Kegeln,  deren  erzeugende  Gerade  den 
Winkel  9-  und  *  +  d*  mit  der  Normale  auf  ds  bilden.  Den  zwischen 
beiden  Kegeln  enthaltenen  Raum  kann  man  ansehen  als  einen 
ringförmigen  Elementarkegel  der  Öffnung 

dQ  =  2x  sin  ö-  dd-,  (72) 

denn  er  schneidet  aus  einer  Kugel  vom  Radius  1  einen  Kreisring 
der  Breite  dd-  und  vom  Radius  sin  9-  aus.  Nach  den  Formeln  (69) 
und  (72)  ist  daher  die  im  ringförmigen  Elementarkegel  enthaltene 
Lichtmenge 

dL  =  2jc  i  ds  sin  9-  cos  9-  d9. 

In  einem  endlichen  Kegel,  dessen  erzeugende  Gerade  den 
Winkel  ü  mit  der  Normale  auf  ds  einschließen,  ist  daher  die  Licht- 
menge enthalten: 

u 

L  =  2^  ids  j  sin  9  cos  9-  d9  =  :^  i  ds  sifi'^  U,  (73) 

0 
Um  die  Gesamtlichtmenge  M  zu  finden,  ist  hierin  U^jtl^ 
zu  setzen  und  das  Resultat  mit  2  zu  multiplizieren,  falls  das  Flächen- 
element ds  nach  beiden  Seiten  mit  der  Intensität  i  strahlt.    Dies 
gibt 

M=2jrids,  (74) 


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78  Kapitel  IV. 

5.  Die  Intensität  und  BelenchtungsstSrlLe  optischer  Bilder. 

Auf  der  Achse  eines  zentrierten  optischen  Systems  liege  ein  senk- 
recht zur  Achse  stehendes  Flächenelement  ds,  welches  mit  der 
Intensität  t  leuchte.  Bezeichnet  [/  den  Winkel,  den  die  Rand- 
strahlen, d.  h.  die  von  ds  zum  Rande  der  Eintrittspupille  hin- 
zielenden Strahlen  mit  der  Achse  des  Systems  bilden,  so  ist  nach 
(73)  die  Lichtmenge,  welche  in  das  System  gelangt 

(75)  L  =  Jtids  sin^  ü. 

Dieselbe  ist  also  um  so  größer,  je  gi'ößer  [/,  d.  h.  je  größer 
die  Eintrittspupille  des  Systems  ist  Wenn  nun  ds  das  optische 
Bild  von  ds  ist,  und  U'  der  Winkel,  den  die  Randstrahlen  des 
Bildes,  d.  h.  die  vom  Rande  der  Austrittspupille  zum  Bilde  hin- 
zielenden Strahlen,  mit  der  Achse  des  Systems  machen,  so  wollen 
wir  zunächst  nach  der  Intensität  t  des  optischen  Bildes  fragen. 
Nach  der  Formel  (73)  würde  die  Lichtmenge,  welche  vom  Bilde 
ausstrahlt,  gegeben  sein  durch 

(76)  L'=:jtid8  sin'^  U\ 

Nun  kann  aber  L'  höchstens  gleich  L  sein,  falls  nämlich  Licht- 
verluste durch  Reflexion  und  Absorption  ganz  ausgeschlossen  wären, 
da  dann  nach  der  Festsetzung  der  S.  72  die  Lichtmenge  innerhalb 
einer  Lichtröhre  konstant  bleibt.  Setzen  wir  den  günstigsten  Fall 
voraus,  so  folgt  aus  (75)  und  (76): 

,     .  ./ .  ds  sin^  U 

^ ' ')  *  "~  ^  d^sin^  U'  ' 

Wenn  nun  aber  ds'  das  optische  Bild  von  ds  ist,  so  folgt  aus 
dem  Sinussatz  [Formel  (46)  S.  58] 

.  ds  sin^  U  n^ 

^ '  ^^  ddsin'^  U'  ~  ^ ' 

falls  n  der  Brechungsindex  des  Objektraumes  und  n  der  Brechungs- 
index des  Bildraumes  ist.    Daher  ergibt  sich  aus  (77) 

(79)  '='n^' 

Sind  die  Brechungsindices  des  Bild-  und  Objekt- 
raumes einander  gleich,  so  ist  also  die  Intensität  des 
optischen  Bildes  höchstens  gleich  der  Intensität  des 
Objektes. 

Wenn  wir  also  z.  B.  durch  ein  Brennglas  ein  reelles  Sonnen- 
bild entwerfen,  so  ist  die  Intensität  in  ihm  nicht  gesteigert  gegen- 


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über  die  StrahlenbegreozuDg  und  die  von  ihr  abbäDgige  Licbtwirkung.  79 

Über  der  der  Sonne.  Trotzdem  ist  aber  die  Beleuchtungsstärke 
durch  das  Brennglas  sehr  verstärkt,  um  so  mehr,  je  größer  seine 
Öffnung  und  je  kürzer  seine  Brennweite  ist.  Die  Beleuchtungs- 
stärke B  wird  erhalten,  indem  man  in  (76)  L'  durch  ds  dividiert. 
Falls  n  =  n ,  so  folgt  daher  aus  (76)  B  =  xi  sin^  Jf,  Die  Ver- 
stärkung der  Beleuchtungsstärke  durch  das  System  wird  am 
anschaulichsten,  wenn  wir  bedenken,  daß  alle  Lichtröhren,  welche 
durch  das  Bild  ds'  gehen,  auch  durch  die  Austrittspupille  hindurch- 
treten. Die  gesamte  Lichtmenge,  welche  im  Bilde  ds  vereinigt 
wird,  ist  daher  nach  dem  Lehrsatz  der  S.  76  dieselbe,  als  ob  die 
ganze  Austrittspupille  mit  der  Intensität  i  der  Sonne  dem  Elemente 
ds  Licht  zustrahle.  Die  Wirkung  des  Brennglases  ist  also  ganz 
dieselbe,  als  ob  das  Element  ds'  ohne  Brennglas  der  Sonne  so  nahe 
gebracht  wäre,  daß  sie  von  ds'  aus  unter  demselben  Sehwinkel 
erscheint,  wie  die  Austrittspupille  (freie  Öffnung)  des  Brennglases 
von  ihrem  Brennpunkte  aus. 

Dieselbe  Betrachtung  gilt  für  jedes  optische  Instrument,  alle 
Vorrichtungen  zur  Lichtkonzentration  können  nur  das 
Ziel  verfolgen,  mit  Hilfe  einer  gegebenen  Lichtquelle 
von  kleinen  Dimensionen  oder  an  einem  sehr  entfernten 
Orte  dennoch  einen  solchen  Effekt  zu  bewirken,  wie  er 
ohne  Vorrichtung  direkt  nur  durch  eine  gleich  intensive, 
ausgedehntere  oder  in  größerer  Nähe  befindliche  Licht- 
quelle erreichbar  wäre. 

Im  Falle,  daß  n  und  n  voneinander  verschieden  sind,  kann 
man  eine  Steigerung  der  Intensität  des  optischen  Bildes  erreichen, 
wenn  n<Cn'  ist.  Dies  ist  z.  B.  der  Fall  bei  den  Immersions- 
systemen der  Mikroskope,  falls  das  Licht  einer  Quelle  0  im  Medium 
n  =  1  durch  ein  Sammellinsensystem  (Kondensor)  vor  dem  Objektiv 
in  einem  Räume  von  größerem  Brechungsindex  n  (Immersions- 
flüssigkeit) vereinigt  wird.  Die  Lichtmenge,  welche  in  das  Mikro- 
skop hineingelangt,  ist  daher  proportional  mit  n^  sin^  Z7,  wobei  U 
den  Kandstrahlwinkel  zur  Eintrittspupille  bedeutet.    Das  Produkt 

n  sin  U=  a  (80) 

wird  nach  Abbe  die  numerische  Apertur  des  Instrumentes  ge- 
nannt Die  aufgenommene  Lichtmenge  ist  also  proportional  dem 
Quadrate  der  numerischen  Apertur.  —  Die  Intensität  im  optischen 
Bilde,  welches  wiederum  in  Luft  (n  =  l)  liegt,  ist  natürlich  höch- 
stens gleich  der  Intensität  der  Lichtquelle  0. 


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80  Kapitel  IV. 

6.  Die  subjektive  Helligkeit  optischer  Bilder.  Man  hat  zu 

unterscheiden  zwischen  der  (objektiven)  Beleuchtungsstärke,  welche 
von  einer  leuchtenden  Fläche  s  an  einem  Orte  O  hervorgebracht 
wird,  und  der  (subjektiven)  Helligkeit,  mit  welcher  eine  solche 
Fläche  von  einem  Beobachter  gesehen  wird.  Die  Lichtempfindung 
wird  durch  die  Bestrahlung  kleiner  lichtempfindlicher  Elemente 
auf  der  Netzhaut  im  Auge  vermittelt.  Wenn  es  sich  um  eine 
leuchtende  Fläche  s  handelt,  so  ist  ihr  Bild  auf  der  Netzhaut  eben- 
falls eine  kleine  Fläche  /,  welche  sehr  viele  lichtempfindliche 
Elemente  erregt  Wir  definieren  nun  als  Helligkeit  der  Fläche  s 
die  Lichtmenge,  welche  auf  die  Flächeneinheit  der  Netzhaut  fällt, 
d.  h.  die  Beleuchtungsstärke  auf  der  Netzhaut. 

Betrachten  wir  nun  zunächst  die  Lichtquelle  ohne  Zwischen- 
schaltung eines  optischen  Systems  vor  das  Auge,  so  ist  letzteres 
selbst  als  ein  optisches  System  aufzufassen,  für  welches  die  früheren 
Betrachtungen  gelten.  Die  Beleuchtungsstärke  auf  der  Netzhaut  wird 
also  aus  den  Formeln  (76),  (79)  erhalten,  mit  der  Berücksichtigung, 
daß  hier  die  Brechungsexponenten  n  des  Objektraumes  und  des 
Bildraumes  n  (hintere  Augenkammer)  im  allgemeinen  voneinander 
vei-schieden  sind.  Daher  wird  die  Helligkeit  Ho  ohne  Zwischen- 
schaltung eines  optischen  Instrumentes  und  unter  der  Annahme, 
daß  die  Lichtquelle  im  Medium  des  Brechungsindex  w  =  1  strahle, 
die  sogenannte  natürliche  Helligkeit: 

(81)  Ho  =  Jtin    sin^Wo. 

Hierin  bezeichnet  i  die  Intensität  der  Lichtquelle,  falls  man 
von  Lichtverlusten  beim  Durchgang  der  Strahlen  durchs  Auge 
absieht.  Wj  ist  der  Winkel,  den  die  vom  Mittelpunkte  des  Bildes 
auf  der  Netzhaut  nach  dem  Bande  der  Pupille  (strenger  nach  dem 
Rande  des  von  der  Kristallinse  des  Auges  entworfenen  Bildes  der 
Irisöffnung)  hinzielenden  Strahlen  mit  der  Augenachse  bilden,  d.  h. 
es  ist  2Wi!  der  Projektionswinkel  im  Auge  (vgl.  oben  S.  68). 
Wenn  die  Pupillengröße  konstant  bleibt,  so  ist  Wo  ebenfalls  kon- 
stant. Die  Helligkeit  Ä>  hängt  dann  also  nur  von  der 
Intensität  i  der  Lichtquelle  ab,  ist  aber  von  der  Ent- 
fernung derselben  vom  Auge  gänzlich  unabhängig. 

In  der  Tat  entspricht  dies  auch  innerhalb  gewisser  Grenzen 
dem  physiologischen  Eindruck.  Bei  sehr  großer  Annäherung  an 
die  Lichtquelle,  bei  der  das  optische  Bild  auf  der  Netzhaut  erheb- 
lich größer  wird,  empfindet  man  allerdings  eher  den  Eindruck 


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über  die  Strahlenbegrenzung  und  die  von  ihr  abhängige  Lichtwirkung,  gl 

der  Blendung,  was  man  als  ein  Wachsen  des  Helligkeitseindrucks 
ansehen  kann.  —  Bei  Verkleinerung  der  Pupille  wird  Wo  kleiner, 
daher  auch  Ho  geringer. 

Schalten  wir  nun  ein  optisches  Instrument  vor  das  Auge,  so 
kann  ersteres  inklusive  letzterem  in  Summa  wiederum  als  ein 
einziges  System  aufgefaßt  werden,  für  welches  die  früheren  Be- 
trachtungen gelten.  Es  soll  das  Auge  an  den  Ort  der  Austritts- 
pupille des  Instrumentes  gebracht  werden,  was  nach  S..71  zur 
möglichsten  Ausnutzung  des  Gesichtsfeldes  günstig  ist  Nun  sind 
zwei  Fälle  zu  unterscheiden: 

1.  Die  Austrittspupille  des  Instrumentes  ist  größer 
oder  mindestens  gleich  der  Augenpupille.  Dann  ist  der 
Projektionswinkel  2W'  des  Bildes  im  Auge  durch  die  Augeu- 
pupille  bestimmt,  d.  h.  es  ist  W'=  Wo\  Für  die  Helligkeit  gilt 
die  Foimel  (81),  wobei  i  höchstens  gleich  der  Intensität  der  Licht- 
quelle ist,  wenn  man  nämlich  von  allen  Lichtverlusten  im  Instru- 
mente und  im  Auge  absähe,  und  falls  die  Lichtquelle,  wie  bei  (81) 
vorausgesetzt  war,  in  einem  Medium  vom  Brechungsindex  w  =  1 
strahlt  Ist  dieser  Brechungsindex  von  1  verschieden,  so  wäre  H 
noch  durch  w^  zu  dividieren.  Dieser  Fall  ist  aber  bei  den  ge- 
bräuchlichen Instrumenten  nie  realisiert.  Die  eigentliche  Licht- 
quelle liegt  stets  in  Luft,  oder  (z.  B.  bei  der  Sonne)  im  Weltraum; 
für  die  Immersionssysteme  der  Mikroskope  z.  B.  gilt  dies  ebenfalls, 
denn  die  Lichtquelle  ist  nicht  das  in  der  Immersionsflüssigkeit 
eingebettete  Objekt,  sondern  dies  wird  nur  durchleuchtet  Der 
Selbstleuchter  ist  der  helle  Himmel,  die  Sonne,  eine  Lampe  usw. 
Wir  wollen  also  stets  an  der  Annahme  festhalten,  daß  die  Licht- 
quelle in  einem  Medium  des  Brechungsindex  n  =  1  strahle,  und 
erhalten  so  das  Resultat:  Die  Helligkeit  des  optischen  Bildes, 
welches  das  Instrument  liefert,  ist  gleich  der  natürlichen 
Helligkeit  der  Lichtquelle,  falls  keine  Lichtverluste  durch 
Reflexion  und  Absorption  im  Instrument  einträten. 

2.  Die  Austrittspupille  des  Instrumentes  ist  kleiner 

als  die  Augenpupille.    Dann  gilt  für  die  Helligkeit  //  die  zu 

(81)  analoge  Formel 

E=Jtin^sin'^W',  (82) 

wobei  i  höchstens  gleich  der  Intensität  der  Lichtquelle  ist  (bei 
Absehen  von  Reflexionsverlusten  im  Instrument),  und  worin  2W' 
der  Projektionswinkel  des  Bildes  im  Auge  ist  Nun  ist  aber 
TF'<  Wo\   d.  h.  die  Helligkeit   des    optischen  Bildes   ist 

Drude,  Lehrbuch  d.  Optik.   2.  Aufl.  6 


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82  Kapitel  IV. 

kleiner  als  die  natürliclie  Helligkeit  der  Lichtquelle.  Das 
Verhältnis  beider  Helligkeiten  folgt  aus  (81)  und  (82)  zu: 

(83)  H:Ho  =  sin^  W :  sin^  Wo. 

Da  nun  Wo  und  um  so  mehr  W'  kleine  Winkel  sind  (beim  mensch- 
lichen Auge  ist  Wo  etwa  5^),  bei  denen  man  den  sin  mit  tg  ver- 
tauschen kann,  so  ist  die  rechte  Seite  von  (83),  d.  h.  das  Ver- 
hältnis der  Helligkeit  des  Bildes  zur  natürlichen  Hellig- 
keit der  Lichtquelle,  gleich  dem  Verhältnis  der  Größe 
der  Austrittspupille  des  Instrumentes  zu  der  Größe  der 
Augenpupille  (dem  von  der  Hornhaut  und  vorderen  Augen- 
kammer entworfenen  Bilde  der  Irisöflfnung).  —  Zusammenfassend 
können  wir  also  sagen:  Bei  flächenhaft  ausgedehnten  Objek- 
ten kann  jedes  optische  Instrument  nur  das  Ziel  ver- 
folgen, das  Objekt  dem  Auge  im  Bilde  unter  vergrößertem 
Sehwinkel  darzubieten,  aber  in  höchstens  der  gleichen 
Helligkeit. 

Diese  Resultate  hätte  man  auch  in  folgender  Weise  erhalten 
können.  Nach  dem  Satze  der  S.  78  ist  die  Intensität  des  Bildes 
gleich  der  der  Lichtquelle  (bei  n  =  n  =  l  und  bei  Vernachlässigung 
der  Reflexions-  und  Absorptionsverluste  im  Instrument).  Das  optische 
Instrument  bewirkt  also  nur  eine  scheinbare  Ortsveränderung  der 
Lichtquelle.  Da  nun  aber  die  Helligkeit  derselben  von  ihrem  Orte 
nach  dem  Satze  der  S.  80  ganz  unabhängig  ist,  solange  die  ganze 
Pupille  des  Auges  von  Lichtstrahlen  angefüllt  wird,  so  ist  die 
Helligkeit  des  Bildes  gleich  der  natürlichen  der  Lichtquelle.  Falls 
aber  die  Austrittspupille  kleiner  als  die  Augenpupille  ist,  so  wird 
letztere  nicht  ganz  von  Lichtstrahlen  erfüllt,  d.  h.  die  Helligkeit 
des  Bildes  muß  kleiner  sein  als  die  natürliche  Helligkeit.  Das 
Verhältnis  ergibt  sich  in  diesem  Falle  wie  es  vorhin  festgestellt 
wurde,  da  die  Neigungen  der  Bildstrahlen  gegen  die  Achse  bei  den 
Entfernungen  des  Bildes  vom  Auge,  auf  denen  man  noch  mit  dem 
Auge  deutlich  sehen  kann,  sehr  klein  sind. 

Befindet  sich  das  Bild  ds'  einer  leuchtenden  Fläche  ds  in  der 
Entfernung  6  von  der  Austrittspupille  (d.  h.  auch  vom  Auge,  da 
dies  an  den  Ort  der  Austrittspupille  gebracht  sein  soll),  so  ist 
ötg  U'  der  Radius  der  Austrittspupille,  wobei  2\J'  der  Projektions- 
winkel des  Bildes  (in  Luft)  ist.  Man  erhält  daher,  bei  Ver- 
tauschung des  sin  U'  mit  tg  U'  für  das  Verhältnis  der  Hellig- 
keit //  des  Bildes  zur  natürlichen  Helligkeit  Ih  der  Lichtquelle, 


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Ober  die  Strahlenbegrenzung  und  die  von  ihr  abhängige  Lichtwirkung.   83 

falls  die  Austrittspupille  kleiner  als  die  Augenpupille  ist,  deren 
Eadius  p  sei: 

Nun  ist  nach  dem  Sinussatz  [vgl.  Formel  (78)]  zu  schreiben  (am 
Bildorte  ist  der  Brechungsindex  n  =  1): 

ilo~         p^  'ds'^  ^^^) 

wobei  ds  das  zu  ds  konjugierte  Flächenelement  ist,  dessen  Rand- 
strahlen den  Winkel  U  mit  der  Achse  des  Instrumentes  bilden,  n 
sei  der  Brechungsindex  am  Orte  von  ds^  es  ist  also  n  sin  U  =  o 
[Formel  (80)]  gleich  der  numerischen  Apertur  des  Systems,  ds':  ds 
ist  das  Quadrat  der  Lateralvergrößerung  des  Instrumentes.  Be- 
zeichnet man  diese  mit  F,  so  wird  (84)  zu 

Ho       p^V^  ^^^' 

Diese  Formel  gilt  also  nur,  solange  H  <  IIo  ist.  Sie  zeigt  deut- 
lich den  Einfluß  der  numerischen  Apertur  auf  die  Bildhelligkeit 
und  ist  bei  der  Theorie  des  Mikroskops  von  großer  Bedeutung. 
Man  nennt  die  Normalvergrößerung  eines  optischen  Instru- 
mentes diejenige,  bei  der  seine  Austrittspupille  gleich  der  Augen- 
pupille ist,  bei  der  also  die  Bilder  gerade  noch  die  natürliche 
Helligkeit  der  Lichtquelle  besitzen.  Nimmt  man  den  Radius  p  der 
Pupille  zu  2  mm  an,  die  Distanz  rf  des  Bildes  vom  Auge  zu  25  cm 
(deutliche  Sehweite),  so  folgen  aus  (85)  für  verschiedene  numerische 
Aperturen  folgende  Normal vergrößemngen  F„: 

a^0,5       Vn=    62 

a  =  1,0       Vn  =  125 

a  =  1,5       Vn  =  187. 

Für  die  doppelten  Vergrößerungen  V=  2  •  Vn  ist  die  Helligkeit 
//  der  vierte  Teil  der  natürlichen  Helligkeit  I/o.  Man  kann  diese 
Vergrößerungen  etwa  als  Grenze  für  die  unverminderte  Deut- 
lichkeit des  Bildes  ansehen.  Bei  a  =  1,5  wäre  dies  also  etwa 
eine  380  fache  Vergrößerung.  Bei  einer  1000  fachen  Vergrößeining 
und  der  Apertur  a  =  1,5  ist  die  Helligkeit  H  der  27.  Teil  der 
natürlichen  Helligkeit  Ho. 

Für  Fernrohre  ist  die  Formel  (85)  praktisch  etwas  umzu- 
gestalten. Ist  nämlich  h  der  Radius  der  freien  Öffnung  des  Fern- 
rohrs (Radius  seines  Objektivs),  so  ist  nach  Formel  (14')  auf  S.  27 


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84  Kapitel  IV. 

der  Radius  seiner  Austrittspupille  gleich  h  :  F,  wobei  F  die  (Angu- 
lar)vergrößerung  des  Fernrohrs  ist.  Daher  wird  das  Verhältnis 
von  Austrittspupille  zu  Augenpupille: 

Für  die  Normalvergrößening  A  eines  Fernrohrs  muß  also 
das  Objektiv  den  Radius  p  •  A  besitzen,  d.  h.  2,  4,  6,  8  usw.  mm, 
falls  die  Normalvergrößerung  den  Wert  1,  2,  3,  4  usw.  hat  und 
/?  zu  2  mm  angenommen  wird.  Für  die  Normalvergrößerung  100 
muß  also  z.  B.  das  Objektiv  einen  Radius  von  20  cm  besitzen. 

7.  Die  Helligkeit  punktförmiger  Lichtquellen.  Die  Gesetze 
für  die  Lichtstärke  optischer  Bilder  von  flächenhaften  Objekten 
gelten  nicht  mehr,  wenn  punktförmige  Objekte,  wie  z.  B.  Fixsterne, 
zur  Abbildung  gelangen.  Ihr  Netzhautbild  ist  nämlich  (wegen 
Beugung  am  Pupillenrande)  immer  von  gleicher  Größe,  die  nur 
vom  Pupillendurchmesser  abhängt.  (Vgl.  dazu  die  Entwickelungen 
Kapitel  IV  des  I.  Abschnittes  der  physikal.  Optik.)  Solange  der 
Sehwinkel  eines  Objektes  etwa  eine  Winkelminute  nicht  über- 
schreitet, ist  es  in  diesem  Sinne  als  punktförmig  aufzufassen. 

Die  Helligkeit  punktförmiger  Lichtquellen  P  wird  bestimmt 
durch  die  Lichtmenge,  welche  von  P  ins  Auge  gelangt.  Die  natür- 
liche Helligkeit  Ih  ist  daher  proportional  der  Größe  der  Pupille 
und  umgekehrt  proportional  dem  Quadrate  der  Entfernung  P  vom 
Auge.  —  Bei  Betrachtung  mit  Hilfe  eines  optischen  Instrumentes 
gelangt  alles  Licht  von  P,  welches  durch  die  Eintrittspupille  des 
Instrumentes  tritt,  in  das  Auge,  falls  die  Austrittspupille  kleiner 
als  die  Augenpupille  ist,  d.  h.  wenn  die  Normalvergrößeiung  des 
Fernrohrs  überschritten  wird.  Bildet  daher  der  Rand  des  Objek- 
tivs seine  Eintrittspupille,  so  ist  die  Helligkeit  einer  sehr  ent- 
fernten*) Lichtquelle  (Stern)  im  Verhältnis  der  Größe  des  Objektivs 
zur  Augenpupille  verstärkt  gegenüber  der  natürlichen  Helligkeit 

Wenn  aber  die  Normalvergrößerung  des  Fernrohrs  noch  nicht 
erreicht  ist,  d.  h.  wenn  seine  Austrittspupille  größer  als  die  Augen- 
pupille ist,  so  bildet  letztere  bei  Benutzung  des  Instrumentes  seine 
Austrittspupille,  das  vom  Fernrohr  entworfene  Bild  der  Augen- 
pupille ist  seine  p]intrittspupille.  Nach  Formel  (14')  auf  S.  27  ist 
letztere  F'-^mal  größer  als  die  Augenpupille,   falls  F  die  Ver- 

1)  Die  LichtqneUe  soll  in  einer  solchen  Entfernung  liegen,  daß  ihr  gegen- 
über die  Fernrohrlänge  zu  vernachlässigen  ist. 


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über  die  Strahlenbegrenznng  und  die  von  ihr  abhängige  Lichtwirkung.  S5 

größerung  des  Fernrohrs  bezeichnet.  Daher  ist  die  Helligkeit 
des  Sternes  F^mal  größer  als  die  natürliche  Helligkeit. 

Da  man  also  die  Helligkeit  von  Sternen  bei  Betrachtung  mit 
einem  Fernrohr  vergrößern  kann,  während  die  Helligkeit  ihres 
Hintergrundes  nicht  vergrößert,  sondern  eventuell  (bei  Über- 
schreitung der  Normalvergrößerung)  verringert  wird,  so  hebt  sich 
im  Fernrohr  der  Stern  deutlicher  vom  Hintergrunde  ab  und  kann 
eventuell  (bei  großen  Fernrohren)  bei  Tage  gesehen  werden. 

8.  Die  Bedeutung  der  Apertur  fBr  die  Leistungstähigkeit 
optischer  Instrumente.  Bisher  ist  die  Bedeutung  der  Apertur 
für  den  geometrischen  Verlauf  des  Strahienganges  und  für  die 
Bildhelligkeit  behandelt  worden.  Die  Apertur  ist  aber  drittens 
auch  noch  bestimmend  fQr  die  Leistungsfähigkeit  des  Instru- 
mentes, d.  h.  sein  Vermögen,  zwei  Gegenstände,  welche  das  un- 
bewaffnete Auge  nicht  zu  unterscheiden  vermag,  optisch  zu  trennen. 
Schon  oben  S.  50  ist  darauf  hingewiesen,  daß  sehr  enge  Strahlen- 
büschel wegen  sogenannter  Beugungserscheinungen  schlechte  Bilder 
liefern.  Das  Auftreten  derselben  ist  bestimmend  für  die  Grenze 
der  Leistungsfähigkeit  optischer  Instrumente,  und  es  ist  von  vorn- 
herein klar,  daß  diese  Grenze  aus  diesem  Grunde  um  so  weiter 
hinausgeschoben  werden  kann,  je  weiter  die  die  Abbildung  ver- 
mittelnden Strahlenbtischel  sind,  d.  h.  je  größer  die  Apertur  des 
Instrumentes  ist.  Die  zahlenmäßigen  Beziehungen,  welche  man 
hier  aufstellen  kann,  sollen  aber  erst  später  in  dem  Kapitel  über 
die  Beugung  des  Lichtes  hergeleitet  werden.  Vorgreifend  soll  hier 
nur  bemerkt  werden,  daß  durch  das  Mikroskop  zwei  Objektpunkte 
der  gegenseitigen  Distanz  d  noch  optisch  getrennt  werden  können, 
falls  ist: 

rf>i,  (S7) 

wobei  k  die  (später  definierte)  Wellenlänge  des  Lichtes  in  Luft,  a 
die  numerische  Apertur  des  Mikroskops  ist.  Das  Fernrohr  kann 
zwei  Objekte  noch  optisch  auflösen,  falls  sie  unter  einem  Sehwinkel 
q>  erscheinen,  der  gegeben  ist  durch 

9>>0,6^,  (SS) 

wobei  h  der  Öffnungsradius  des  Fernrohrs  ist 


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86  Kapitel  V. 

Kapitel  Y. 

Optische  Instrumente.  0 

1.  Photographische  Systeme.  Bei  der  Landschaftsplioto- 
graphie  soll  das  optische  System  auf  der  lichtempfindliclien  Platte 
ein  reelles  Bild  von  dem  weit  ausgedehnten  Objektraum  entwerfen. 
Die  Öffnung  der  abbildenden  Strahlenbüschel  ist  verhältnismäßig 
eng.  Schon  früher  (S.  59)  ist  auf  die  Bildfehler  hingewiesen, 
welche  hierbei  hauptsächlich  zu  vermeiden  sind.  Auch  ist  dort  der 
Vorteil  der  symmetrischen  Doppelobjektive  besprochen,  sowie  der 
Einfluß  geeignet  gestellter  Blenden  zur  Erreichung  der  Bildähn- 
lichkeit. Doch  auch  für  die  Ebnung  des  Bildes  kann  die  Lage 
der  Blende  von  Einfluß  sein. 

Eine  möglichste  Ebnung  des  Bildes  kann  nun  auch  bei  zwei 
aufeinander  gelegten  dünnen  Linsen  der  Brennweiten  /i  und  f^  und 
der  Brechungsindizes  n^  und  n^  erreicht  werden,  falls  die  Be- 
dingung 2)  erfüllt  ist: 

(1)  wi/i  =  —  W2/i. 

Die  Bedingung  der  Achromasie  lautete  nach  Formel  (54)  S.  65 
für  zwei  dünne  Linsen: 

(2)  v^A  =  —  ^i/i- 

Beide  Bedingungen  (1)  und  (2)  können  nur  dann  gleichzeitig 
erfüllt  werden,  wenn  die  Linse  mit  größerem  Brechungsindex  n  das 
kleinere  Dispersix)nsvermögen  v  besitzt.  Früher  hatte  man  nur 
Glassorten,  welche  diese  Bedingung  nicht  erfüllten,  d.  h.  welche 
bei  höherem  Brechungsindex  auch  stärkere  Dispersion  besaßen; 
das  schwach  brechende  Crownglas  besaß  eine  geringe  Dispei-sion, 
das  stark  brechende  Flintglas  eine  hohe  Dispersion.  Erst  die 
neueren  von  Schott  in  Jena  hergestellten  Gläser  zeigen  zum  Teil 
auch  das  umgekehrte  Verhalten,^)  und  seitdem 4)  ist  es  möglich,  mit 

1)  Betreffs  ausfuhrlicherer  Darstellung  vgl.  Hdb.  d.  Physik  von  Winkel- 
mann, Optik,  2.  Aufl.,  S.  295ff.  (Autor  Czapski  u.  Rohr).  —  M.  v.  Rohr, 
Die  Theorie  der  optischen  Instrumente  I,  Berlin  1904  (J.  Springer).  — 
MüUer-Pouillet,  Physik,  9.  Aufl.    Optik,  S.  721ff.  (Autor  Lummer). 

2)  Über  die  Herleitung  dieser  schon  von  Petzval  im  Jahre  1843  aus- 
gesprochenen Bedingung  vgl.  Lummer,  Ztschr.  f.  Instrumentenkunde  1897^ 
S.  231,  wo  überhaupt  in  drei  Arbeiten  (S.  208,  225,  204)  eine  vorzügliche  Über- 
sicht über  die  photographische  Optik  gegeben  ist. 

3)  Die  Baryumsilikatgläser  haben  stärkere  Brechung  als  das  gewöhnliche 
Crownglas,  aber  geringere  Dispersion. 

4)  Für  unverkittete  Linsen  gilt  allerdings  die  Petzvalsche  Gleichung  nicht. 


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Optische  iDstruDiente.  *  S7 

der  Achromasie  zugleich  die  Ebnung  des  Bildes  zu  erreichen. 
Solche  Linsensysteme  werden  Neuachromate  im  Gegensatz  zu 
den  früheren  (Altachromaten)  genannt. 

Auch  noch  aus  einem  anderen  Grunde  bietet  die  Anwendung 
der  neuen  Glassorten,  welche  mit  wachsendem  n  kleinere  Disper- 
sion p  besitzen,  Vorteile  für  die  photographische  Optik:  Verbindet 
man  einen  Altachromaten  mit  einem  Neuachromaten,  so  läßt  sich 
der  Astigmatismus  heben,  weil  ersterer  mit  seiner  dispansiv  wir- 
kenden Kittfläche  eine  astigmatische  Differenz  von  entgegen- 
gesetztem Vorzeichen  erzeugt,  als  letzterer  mit  seiner  kollektiv 
wirkenden  Kittfläche.  Solche  symmetrische  Doppelobjektive,  welche 
auf  beiden  Seiten  alt-  und  neuachromatische  Kombinationen  be- 
sitzen, heißen  Anastigmat  0-Aplanate. 


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Fig.  84. 

Um  ferne  Gegenstände  möglichst  groß  abzubilden,  muß  die 
Brennweite  f  des  Systems  möglichst  groß  sein.  Dadurch  wird 
aber  eine  unbequeme  Verlängerung  der  photographischen  Camera 
erzielt,  falls  das  System  aus  nahe  zusammenstehenden  Linsen  be- 
steht, da  dann  annähernd  die  Cameralänge  h  gleich  der  Brennweite 
f  sein  muß.  Man  kann  diesen  Übelstand  vermeiden  durch  das 
sogenannte  Teleobjektiv,  bei  welchem  ein  Kollektivsystem  mit 
einem  im  Abstand  a  von  ihm  befindlichen  Dispansivsystem  ver- 
knüpft ist.  Das  letztere  entwirft  nach  der  Figur  22  auf  S.  41 
aufrechte,  reelle,  vergrößerte  Bilder  von  virtuellen  Objekten,  die 
hinter  der  Dispansivlinse,  aber  noch  vor  ihrem  hinteren  Brenn- 


und  daher  kann  man  dann  auch  mit  den  alten  Glassorten  Bildebnung  u;3d 
Achromasie  erfüllen;  vgl.  dazu  K.  Martin,  Centr.-Ztg.  f.  Optik  u.  Mechanik, 
Nr.  13,  1901. 

1)  An  Stelle  der  zweifachen  Negationen  in  „Anastigmat"  wäre  das  Wort 
„Stigmat**  einfacher. 


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88  •  Kapitel  V. 

punkte  F2  liegen.  Dort  muß  also  der  Brennpunkt  F(  des  vorderen 
Kollektivsystems  liegen.  Wie  der  in  Figur  34  gezeichnete  Strahlen- 
gang  ergibt,  ist  die  Brennweite  f  des  ganzen  Systems  größer  als 
die  Distanz  des  Kollektivsystems  vom  Bildorte,  d.  h.  die  Camera- 
länge. Um  z.  B.  bei  einer  Cameralänge  von  20  cm  (genauer 
19,85  cm)  eine  Brennweite  f  von  37  cm  benutzen  zu  können,  muß 
man  mit  einer  Sammellinse  von  10  cm  Brennweite  eine  Dispansiv- 
linse  von  5  cm  Brennweite  im  optischen  Intervall  A  von  1,35  cm, 
d.  h.  im  Abstand  6,35  cm  hinter  der  Sammellinse  kombinieren.  Diese 
Zahlen  ergeben  sich  aus  den  auf  S.  28,  29  ermittelten  Formeln  (17) 
und  (19)  eines  kombinierten  Systems. 

Bei  der  Porträtlinse  wird  das  Hauptgewicht  auf  die  Öffnung 
gelegt,  um  möglichste  Lichtstärke  zu  erzielen.  Es  muß  demnach 
vor  allem  die  sphärische  Aberration  gehoben  und  ebenfalls  die 
Sinusbedingung  erfüllt  sein. 

2.  Die  Lupe.  Die  scheinbare  Größe  eines  Gegenstandes  hängt 
von  der  Größe  des  Sehwinkels  ab,  unter  welchem  derselbe  er- 
scheint. Durch  Annäherung  des  Gegenstandes  an  das  Auge  kann 
man  den  Sehwinkel  vergrößern,  aber  nur  bis  zu  einer  gewissen 
Grenze,  da  der  Gegenstand  innerhalb  der  Weite  des  deutlichen 
Sehens  liegen  muß.  Durch  Anwendung  einer  Lupe  läßt  sich  aber 
der  Sehwinkel  noch  weiter  vergrößern. 

Die  einfachste  Form  der  Lupe  ist  eine  Sammellinse.  Dieselbe 
entwirft  (vgl.  Figur  21  auf  S.  41)  von  einem  Objekte,  welches 
zwischen  vorderem  Brennpunkt  und  Linse  liegt,  ein  aufrechtes, 
vergrößertes,  virtuelles  Bild.  Soll  dasselbe  in  der  Entfernung 
(J  =  25  cm  vom  Auge  liegen,  so  ist  nach  Formel  (7)  auf  S.  20  die 
Vergrößerung  V  der  Lupe 

^^^  y       f  f    ' 

worin  x  die  Entfernung  des  Bildes  vom  hinteren  Brennpunkte, 
a  die  Entfernung  des  Auges  von  demselben  bezeichnet.  Meist 
kann  man  a  gegenüber  6  vernachlässigen,  man  erhält  dann  als 
Vergrößerung  der  Lupe 

(4)  r=f 

Dieselbe  ist  also  umgekehrt  proportional  zur  Brennweite  der  Lupe. 

Wenn  die  Lupenlinse  größeren  Durchmesser  besitzt  als  das 

von  der  Lupe  entworfene  Bild  der  Augenpupille,  so  bildet  letztere 

die  Apeiturblende,  erstere  die  Gesichtsfeldblende.    Zur  EiTeichung 


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Optische  iDstrumeDte.  S9 

eines  möglichst  großen  Gesichtsfeldes  ist  es  daher  notwendig, 
das  Auge  der  Lupe  möglichst  nahe  zu  bringen.  Mit  wachsender 
Entfernung  des  Auges  wird  nicht  nur  das  Gesichtsfeld  beschränkter, 
sondern  auch  der  Strahlengang  (vgl.  oben  S.  69)  ein  anderer,  indem 
dann  seitliche  Objektpunkte  durch  seitliche  Partien  der  Lupenlinse 
abgebildet  werden.  Dies  ergibt  sich  direkt  aus  einer  Zeichnung 
der  Eintrittspupille  des  Systems,  d.  h.  des  Bildes,  welches  die  Lupe 
von  der  Augenpupille  entwirft.  Dadurch  wird  dann  auch  meist 
die  Oi-thoskopie  (vgl.  oben  S.  69)  zerstört,  d.  h.  das  Bild  erscheint 
am  Rande  verzerrt. 

Eine  einfache  plankonvexe  Linse  gibt  gute  Bilder  bis  zu 
achtfacher  Vergrößerung,  d.  h.  bis  zur  Brennweite  von  3  cm 
herunter.  Man  muß  dabei  die  plane  Seite  der  Linse  dem  Auge 
zukehren.  Diese  Stellung  gibt  zwar,  da  das  Objekt  nahe  beim 
vorderen  Brennpunkt  der  Linse  liegt,  relativ  großen  Betrag  der 


Fig.  36.  Fig.  3ß.  Fig.  87. 

sphärischen  Aberration  in  der  Achse  (vgl.  oben  S.  53),  ist  aber 
trotzdem  günstiger  als  die  umgekehrte  Stellung  der  Linse  wegen 
der  erheblich  geringeren  Fehler  außerhalb  der  Achse. 

Durch  die  Anwendung  zweier  einfacher  Linsen  wird  das  Bild 
wesentlich  verbessert,  weil  durch  Verteilung  der  Brechung  auf 
mehrere  Linsen  die  sphärische  Aberration  in  der  Achse  bedeutend 
verringert  wird.  Die  Figuren  35  (Fraunhofersche  Lupe)  und  36 
(Wilsonsche  Lupe)  geben  zwei  bekannte  Ausführungsfonnen.  Bei 
der  letzteren  ist  die  Distanz  beider  Linsen  noch  größer  gewählt 
als  bei  der  ersteren.  Man  erreicht  dadurch  den  Vorteil,  daß  die 
chromatische  Differenz  der  Vergrößerung  noch  verringert  wird, 
allerdings  auf  Kosten  des  Objektabstandes  von  der  Frontlinse.*) 

1)  Inwiefern  der  Abstand  der  Linsen  Einfluß  auf  die  Achromatisierung 
hat,  ist  schon  oben  S.  66  besprochen.  Wir  kommen  hierauf  bei  Besprechung 
der  Okulare,  der  Mikroskope  und  Fernrohre  zurück,  welche  auch  als  Lupen 
aufzufassen  sind. 


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90  Kapitel  V. 

Eine  Achromatisierung  durch  Wahl  verschiedener  Glassorten 
ist  in  der  Steinheiischen  sogenannten  aplanatischen  Lupe  erreicht 
(vgl.  Figur  37).  Bei  dieser  ist  eine  bikonvexe  Crownglaslinse 
zwischen  zwei  Flintglasmenisken  eingekittet. 

Durch  großen  Objektabstand  zeichnet  sich  die  Brückesche 
Lupe  aus,  bei  welcher  man  eine  kollektive  achromatische  Vorder- 
linse mit  einer  (einfachen)  Zerstreuungslinse  in  einem  gewissen 
Abstand  verbindet.  Letztere  entwirft  (vgl.  dazu  Figur  22  auf 
S.  41)  von  virtuellen  Objekten,  welche  etwas  hinter  ihrem  hinteren 
Brennpunkt  liegen,  umgekehrte,  vergrößerte,  virtuelle  Bilder. 
Die  Anordnung  der  Linsen  kann  dieselbe  wie  im  Teleobjektiv  sein 
(Vgl.  Figur  34),  d.  h.  das  optische  Intervall  A  zwischen  der  kollek- 
tiven und  dispansiven  Linse  kann  positiv  sein.  Bei  genügender 
Nähe  des  Objektes  fällt  dann  doch  das  von  der  Sammellinse  ent- 
worfene Bild  hinter  den  hinteren  Brennpunkt  der  Zerstreuungslinse. 
Die  Kombination  liefert,  gerade  wie  die  einfache  Lupe,  aufrechte 
Bilder,  da  das  von  der  Sammellinse  entworfene  Bild  umgekehrt 
sein  würde,  und  dieses  von  der  Zerstreuungslinse  noch  einmal  um- 
gekehrt wird.    Ein  Übelstand  ist  aber  das  kleine  Gesichtsfeld. 

3.  Das  Mikroskop,  a)  Allgemeines.  Um  stärkere  Ver- 
größerungen zu  erzielen,  wendet  man  anstatt  einer  Lupe  von  sehr 
kurzer  Brennweite  viel  vorteilhafter  das  Mikroskop  an,  das  aus 
zwei  in  größerem  Abstand  voneinander  befindlichen  Kollektiv- 
systemen besteht.  Das  erste  (Objektiv)  entwirft  von  einem  Objekte, 
welches  nahe  an  seinem  vorderen  Brennpunkte  liegt,  ein  reelles 
umgekehrtes  vergrößertes  Bild,  welches  durch  das  zweite  Kollektiv- 
system (Okular),  das  als  Lupe  wirkt,  noch  weiter  vergrößert 
wird.  Abgesehen  davon,  daß  man  durch  den  größeren  Abstand 
beider  Kollektivsysteme,  d.  h.  durch  die  Tubuslänge  des  Mikroskops, 
offenbar  stärkere  Vergrößerungen  erzielen,  kann,  als  durch  die 
Kollektivsysteme  einzeln,  wenn  man  sie  als  Lupen  benutzen  wollte, 
liegt  der  Hauptvorteil  des  Mikroskops  darin,  daß  man  die  Auf- 
gabe der  Abbildung  in  zwei  Teile  zerlegt,  welche  einzeln  vom 
Objektiv  und  Okular  gelöst  werden  können.  Diese  Arbeitsteilung 
besteht  darin,  daß  das  Objektiv  von  einem  Flächenelement  eine 
Abbildung  vermittelt  bei  möglichst  großer  numerischer  Apertur, 0 
während  das  Okular,  wie  jede  Lupe,  bei  großem  Gesichtsfeld  eine 

1)  Diese  Forderung  wird  gestellt  nicht  nur  zur  Erzielung  möglichster 
Bildhelligkeit,  sondern  auch  zum  Zweck  größter  Auflösungskraft.  Vgl.  oben 
S.  83  und  85. 


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Optische  iDstrumente.  91 

Abbildung  durch  Stralilenbüschel  vermitteln  soll,  die  wenig  geöffnet 
sind,  da  die  Bildstrahlen  von  der  Augenpupille  begrenzt  werden. 
Diese  beiden  verschiedenen  Aufgaben  sind  aber  nach  früheren  Aus- 
einandersetzungen (vgl.  Kapitel  III,  §§  8,  9,  10)  einzeln  lösbar. 

b)  Das  Objektiv.  Die  Hauptforderungen  an  das  Objektiv 
sind:  Bei  hoher  numerischer  Apertur  soll  eintreten: 

1.  Aufhebung  der  sphärischen  Aberration  in  der  Achse  und 
Herstellung  konstanten  Sinusverhältnisses  (Bedingung  des  Aplana- 
tismus). 

2.  Achromatisierung.    Diese  besteht  einerseits  darin,  daß  die 
Bedingungen   des   Aplanatismus    für   mehrere,    mindestens    zwei 
Farben  erfüllt  sind,  andererseits  in  Herstellung  eines  achromatischen, 
vom  Objekt  durch  das  Objektiv  ent- 
worfenen reellen  Bildes.  Begnügt  man 

sich  mit  teilweiser  Achromatisierung 
(vgl.  oben  S.  63),  so  ist  die  Lage  des 
vorderen  Brennpunktes  des  Objektivs 
zu  achromatisieren.  Denn  das  Objekt, 
welches  nahe  bei  diesem  Brennpunkt  F 
liegt,  liefert  ein  Bild,  dessen  Ort  sehr 
stark  mit  der  Farbe  variieren  würde, 
falls  die  Lage  von  F  mit  der  Farbe 
variierte.  Bei  einer  solchen  teilweisen 
Achrctoatisierung,  in  der  also  die  Lage  yi^,  38. 

von  F,  d.  h.  auch  der  Bildort,  achro- 

matisiert  wird,  ist  die  Brennweite  nicht  achromatisiert.  Die  ver- 
schiedenen Farben  entwerfen  daher  verschieden  große  Bilder,  d.  h. 
es  bleibt  eine  chromatische  Differenz  der  Vergrößerung  bestehen. 
Diese  muß  dann  durch  das  Okular  kompensiert  werden. 

Man  unterscheidet  Trockensysteme  und  Immersions- 
systeme. Bei  letzteren  füllt  man  den  Zwischenraum  zwischen 
der  Frontlinse  des  Objektivs  und  dem  Deckglas,  unter  dem  das 
Objekt  liegt,  mit  einer  Flüssigkeit  aus.  Die  Vorteile  der  letzteren 
zur  Erhöhung  der  numerischen  Apertur  liegen  auf  der  Hand, 
außerdem  kann  durch  Anwendung  sogenannter  homogener  Im- 
mersion, bei  der  die  Flüssigkeit  (Zedernholzöl)  denselben  Brechungs- 
index und  Dispersion  wie  das  Deckglas  und  die  Frontlinse  besitzt, 
das  Prinzip  von  Amici  (vgl.  oben  S.  54),  nämlich  eine  aplanatische  Ab- 
bildung durch  eine  stark  gewölbte  (halbkugelige)  Frontlinse,  erreicht 
werden.    In  der  Figur  38  ist  in  etwa  doppelter  natürlicher  Größe 


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92  Kapitel  V. 

ein  von  Abbe  konstruiertes  Objektiv,  Aprochromat  genannt,  ge- 
zeichnet, welches  die  angegebenen  Anforderungen  durch  Kombi- 
nation von  10  verschiedenen  Linsen  erfüllt  und  mit  homogener 
Immersion  arbeitet.  Der  Aprochromat  ist  für  drei  Spektralfarben 
achromatisiert,  ist  also  frei  vom  sekundären  Spektrum  (vgl.  oben 
S.  63),  die  Bedingungen  des  Aplanatismus  sind  für  zwei  Farben 
erfüllt.  Die  Brennweite  des  ganzen  Systems  beträgt  2  mm,  seine 
numerische  Apertur  ist  «=1,40.  Die  lichtsammelnde  und  dioptrische 
Güte  dieses  Objektivs  ist  eine  derartige,  daß  die  Grenze  der 
Leistungsfähigkeit  des  Mikroskops  [vgl.  oben  S.  85,  Formel  (87)] 
als  tatsächlich  erreicht  angesehen  werden  kann. 

c)  Das  Okular.  Die  Hauptanforderungen  an  das  Okular  sind, 
wie  bei  der  Abbildung  ausgedehnter  Objekte  durch  enge  Büschel: 

1.  Aufhebung  des  Astigmatismus  in  den  schiefen  Büscheln. 

2.  Orthoskopische  Abbildung. 

3.  Achromatisierung. 

Über  die  beiden  ersteren  Punkte  ist  schon  im  Kapitel  III, 
§  10,  S.  59  gesprochen  worden;  was  den  dritten  Punkt  anbelangt, 
so  kann  man  sich  wiederum  mit  einer  teilweisen  Achromatisierung 
begnügen.  Nehmen  wir  zunächst  den  Fall  an,  daß  das  vom 
Objektiv  entworfene  Bild  ohne  chromatische  Fehler  sei.  Die  Haupt- 
strahlen, welche  auf  das  Okular  fallen,  sind  bei  der  Tiibuslänge 
des  Mikroskops,  d.  h.  bei  der  ziemlich  beträchtlichen  Entfernung, 
welche  das  vom  Objektiv  entworfene  reelle  Bild  von  der  Austritts- 
pupille des  Objektivs  besitzt,  nahezu  achsenparallel,  oder  haben 
wenigstens  nur  geringe  Neigung  zur  Achse  des  Mikroskops.  Wenn 
nun  die  Brennweite  des  Okulars  achromatisiert  ist,  so  spaltet  sich, 
wie  aus  der  oben  S.  24  angegebenen  Konstruktion  konjugierter 
Strahlen  oder  aus  der  S.  21  ausgesprochenen  Eigenschaft  der  Brenn- 
weite hervorgeht,  ein  weißer  Strahl,  der  auf  das  Okular  achsen- 
parallel einfällt,  in  farbige  Strahlen,  welche  unter  gleicher  Neigung 
gegen  die  Achse  aus  dem  Okular  austreten.  Ein  auf  Unendlich 
akkommodiertes  Auge  sieht  daher  ein  farbenfreies  Bild.  Auch  wenn 
dasselbe  in  der  deutlichen  Sehweite  (25  cm)  vom  Auge  entfernt 
liegt,  so  ist  doch  die  Bedingung  eines  farbenfreien  Bildes  nahezu 
die  Achromatisierung  der  Brennweite  des  Okulars.   , 

Nun  wurde  oben  S.  66  der  Satz  bewiesen,  daß  zwei  einfache 
Linsen  der  Brennweiten  /",  und  fi  ^^s  gleichem  Glase   in    der 

Distanz  a  =  --^  für  alle  Farben  gleiche  resultierende  Brenn- 


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Optische  Instrumente.  93 

weite  /besitzen.  Da  man  zugleich  durch  die  Zerlegung  des  Okulars 
in  zwei  Linsen  eine  Bildverbesserung  hinsichtlich  der  Aufhebung 
des  Astigmatismus  erzielen  kann,  so  sind  die  Okulare  nach  diesem 
Prinzipe  konstruiert.  Die  dem  Objektiv  zugewandte  Linse  des 
Okulars  heißt  die  Kollektivlinse,  die  dem  Auge  zugewandte  die 
Augenlinse. 

Diese  achromatischen  Okulare  werden  meist  in  zwei  ver- 
schiedenen Formen  ausgeführt: 

1.  Das  ßamsdensche  Okular  (vgl.  Figur  40,  S.  100),  welches 
aus  zwei  gleichen,  plankonvexen,  mit  ihren  gekrümmten  Flächen 
einander  zugewandten  Linsen  besteht.  Bei  /i  =  /i  folgt  der  Ab- 
stand a  dieser  Linsen  zu  a  =  f^^=  f^.  Dies  würde  aber  den  Übel- 
stand haben,  daß,  da  die  Kollektivlinse  von  der  Augenlinse  um 
ihre  Brennweite  entfernt  ist,  etwaige  Staubkörnchen  oder  Kratzen 
auf  der  Kollektivlinse  durch  die  Augenlinse  deutlich  vergrößert 
gesehen  und  das  Bild  stören  würden.  Man  legt  daher  die  Kollek- 
tivlinse etwas  näher  an  die  Augenlinse,  wählt  etwa  a  =  %  /i. 
Man  erreicht  dadurch  noch  einen  weiteren  Vorteil.  Das  optische 
Intervall  (vgl.  oben  S.  28)  beider  Linsen  hat  für  a  =  \  f^  den 
Wert  A  =  —\  /;.  Nach  Formel  (20)  auf  S.  29  liegt  daher  der 
vordere  resultierende  Brennpunkt  F  des  Okulars  noch  um  V4  /l  vor 
der  Kollektivlinse,  während  er  bei  a  =  /i,  d.  h.  zl  =  —  4  in  die 
Kollektivlinse  selbst  fallen  würde.  Da  nun  das  vom  Objektiv  des 
Mikroskops  entworfene  reelle  Bild  nahe  beim  Brennpunkt  F  des 
Okulars  liegen  muß,  so  liegt  dies  für  a  =  %  /i  noch  vor  der 
Kollektivlinse;  man  kann  daher  das  Mikroskopbild  mikrometrisch 
ausmessen,  indem  man  vor  der  Kollektivlinse  am  Orte  des  reellen, 
vom  Objektiv  entworfenen  Bildes  ein  Mikrometer  (feine  Teilung 
auf  Glas,  oder  durch  Schraube  verschieblicher  Faden)  anbringt. 

2.  Das  Huygenssche  Okular  (vgl.  Mgur  39).  Bei  diesem 
ist  die  Brennweite  /i  der  Kollektivlinse  größer  als  die  Brenn- 
weite /2  der  Augenlinse.    Meist  ist  /;  =  5/^.    Aus  fi  =  Sf^  folgt 

für  a  =  -^-  der  Wert  a  =  %  /;  —  24  Das  optische  Inter- 
vall A  hat  hier  den  Wert  A  =  —  '%  /i,  daher  liegt  nach  (20)  auf 
S.29  der  resultierende  Brennpunkt  F  des  Okulars  um  V2  /i  hinter 
der  Kollektivlinse.  Das  vom  Objektiv  entworfene  reelle  Bild  muß 
daher  hinter  die  Kollektivlinse  (als  virtuelles  Objekt)  fallen,  und 
eine  mikrometrische  Ausmessung  ist  nicht  gut  statthaft,  da  das 
Objekt  durch  beide  Okularlinsen  abgebildet  wird,  während  das 


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94 


Kapitel  V. 


Mikrometer  nur  durch  die  Augenlinse  abgebildet  werden  könnte. 
Dadurch  können  aber  verschiedene  Vergrößerungsverhältnisse  ent- 
stehen. Dieses  Okular  besteht  auch  aus  zwei  plankonvexen  Linsen, 
die  aber  beide  mit  ihren  gekrümmten  Seiten  dem  Objekte  zu- 
gewandt sind.  Der  Vorteil  der  Kombination  einer  schwachen 
Kollektivlinse  mit  einer  dreimal  stärkeren  Augenlinse  liegt  darin, 
daß  dann  die  Ablenkungen  der  Lichtstrahlen  auf  beide  Linsen 
gleichmäßig  verteilt  sind.*) 

Ist  das  reelle,  vom  Objektiv  entworfene  Bild  mit  chromatischen 
Fehlern  behaftet,  so  können  diese  im  Okular  durch  entgegen- 


Fig.  39. 


gesetzte  chromatische  Abweichungen  aufgehoben  werden.  Wir  sahen 
oben  S.  91,  daß  die  Aprochromatobjektive  eine  chromatische  Ver- 
größerungsdifferenz bestehen  lassen,  das  blaue  Bild  ist  stärker 
vergrößert  als  das  rote.  Mit  diesen  Objektiven  kombiniert  nun 
Abbe  die  sogenannten  Kompensationsokulare,  welche  nicht 
hinsichtlich  ihrer  Brennweite,  d.  h.  auch  ihrer  Vergrößerung, 
achromatisiert  sind,  sondern  welche  das  rote  Bild  stärker  ver- 
größern als  das  blaue. 

1)  Eine  diesbezügliche  Rechnung  vgl.  in  Heath,   geometrische  Optik, 
deutsch  von  Kant  hack,  S.  292.    Beriin  1894. 


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Optische  Instrumente.  95 

d)  Der  Kondensor.  Damit  eine  hohe  numerische  Apertur 
des  Objektivs  voll  ausgenutzt  werden  kann,  müssen  Lichtstrahlen 
in  genügender  Neigung  gegen  die  Achse  einfallen.  Um  solche, 
genügend  geneigte  Lichtstrahlen  zu  erzeugen,  ist  der  Kondensor 
unter  dem  Objekttisch  des  Mikroskops  angebracht,  welcher  aus 
einer  oder  mehreren  Sammellinsen  kurzer  Brennweite,  im  wesent- 
lichen wie  ein  Objektiv  in  umgekehrter  Keihenfolge  der  Linsen, 
konstruiert  ist  Durch  einen  solchen  Lichtsammler  wird  zwar  nach 
früheren  Auseinandersetzungen  (vgl.  oben  S.  79)  die  Intensität 
der  Lichtquelle  nicht  gesteigert,  aber  wohl  wird  dadurch  der- 
selbe Effekt  erzielt,  als  ob  dieselbe  dem  Objektiv  sehr  genähert 
würde. 

e)  Der  Strahlengang.  Wenn  die  Normalvergrößerung  (vgl. 
oben  S.  83)  nicht  erreicht  ist,  so  ist  die  Pupille  des  Auges  des 
Beobachters  die  Austrittspupille  für  das  ganze  Mikroskop,  das  von 
ihm  entworfene  Bild  der  Augenpupille  ist  die  Eintrittspupille.  Wenn 
aber  die  Normalvergrößerung  überschritten  wird,  so  ist  eine  Blende 
oder  ein  Linsenrand  im  Mikroskop  die  Aperturblende.  Dieselbe  liegt 
stets  im  Objektiv,  nicht  im  Okular.  Figur  39  bezieht  sich  auf  den  viel- 
fach vorkommenden  Fall,  daß  die  Öffnung  B1B2  der  halbkugeligen 
Frontlinse  des  Objektivs  die  Aperturblende  und  zugleich  Eintritts- 
pupille ist.  Das  vom  ganzen  Mikroskop  entworfene  Bild  Bi'Bi 
von  B1B2  ist  die  Austrittspupille.  Dieselbe  liegt  bei  nicht  zu 
kleiner  Tubuslänge  nahezu  im  hinteren  Brennpunkt  des  Okulars. 
Das  Okular  in  i^gur  39  stellt  ein  Huygenssches  dar,  das  vom 
(xegenstand  P1P2  durch  das  Objektiv  und  die  Kollektivlinse  ent- 
worfene reelle  Bild  ist  P/zV-  An  dieser  Stelle  wird  die  Gesichts- 
feldblende OG  angebracht  Dadurch  wird  das  Gesichtsfeld  scharf 
begrenzt,  weil  dann  das  von  O  durch  Kollektivlinse  und  Objektiv 
entworfene  Bild  in  die  Objektebene  I\P2  fällt  (vgl.  dazu  die  Be- 
merkungen der  S.  71).  Die  Punkte  P/ZV  sollen  in  die  Ränder  der 
Gesichtsfeldblende  fallen.  Dann  ist  P,P2  die  Größe  des  Gesichts- 
feldes auf  der  Objektseite.  Das  durch  die  Augenlinse  vom  reellen 
Bilde  Pi'P2'  entworfene  virtuelle  Bild  Pl'P^  ist  das  vom  Beobachter 
gesehene  Bild.  Liegt  dasselbe  in  der  Entfernung  6  von  der  Aus- 
trittspupille, so  muß  der  Beobachter,  dessen  Augenpupille  nach 
S.71  an  dem  Ort  der  Austrittsptipille  B^B^  liegen  soll,  sein  Auge 
auf  diese  Entfernung  6  akkommodieren.  Durch  geringe  Hebung 
oder  Senkung  des  ganzen  Mikroskops  gegen  das  Objekt  P1P2  kann 
das  Bild  Pi"P2"  leicht  in  jede  gewünschte  Entfernung  6  gebracht 


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96  Kapitel  V. 

werden.  Man  nimmt  meist  an,  daß  6  den  Weiii  25  cm  (sog.  deut- 
liche Sehweite)  besitze. 

In  der  Figur  39  ist  der  von  Pj  aiggehende  Hauptstrahl  und 
die  Sandstrahlen  gezeichnet.  Für  P^  ist  nur  der  Hauptstrahl  ge- 
zeichnet, die  Kandstrahlen  sind  hinter  der  Augenlinse  angegeben. 

f)  Die  Vergrößerung.  Das  Objekt  habe  die  (seitliche) 
Größe  y.    Vom  Objektiv  wird  nach  Formel  (7)  auf  S.  2ü  ein  reelles 

Bild  der  Größe  y^=  y  •  p  entworfen,  wobei  f^  die  hintere  0  Brenn- 
weite des  Objektivs,  /  die  Distanz  des  Bildes  vom  hinteren  Brenn- 
punkt des  Objektivs  bedeutet.  Da  dieses  Bild  y  nach  Früherem 
dicht  vor  oder  hinter  der  Kollektivlinse  des  Okulars  liegt,  so  kann 
man  näherungsweise  für  /  die  Länge  des  ganzen  Mikroskops  (Tubus- 
länge)  setzen.    Das  vom  Okular  entworfene  virtuelle  Bild  hat 

ebenfalls  nach  der  obigen  Formel  (7)  die  Größe  t/"=  y-  7^,  wobei 

h 

f2  die  Brennweite  des  Okulars,  und  6  die  Entfernung  des  virtuellen 
Bildes  vom  hinteren  Brennpunkt  des  Okulars  bezeichnet.  Da  dieser, 
wie  oben  bemerkt  wurde,  nahe  bei  der  Austrittspupille,  d.  h.  auch 
der  Augenpupille,  liegt,  so  kann  man  für  6  die  Entfernung  des 
Bildes  vom  Auge  setzen. 

Die  ganze  Vergrößerung  V  des  Mikroskops  wird  demnach 

Da  die  hintere  Brennweite  f  des  ganzen  Mikroskops  nach 
Formel  (18)  auf  S.  29  sich  bestimmt  2)  zu 

(6)  ^=-^9' 

weil  das  optische  Intervall  zl  zwischen  Objektiv  und  Okular  nahezu 
gleich  der  Tubuslänge  /  ist,  so  kann  man  (5)  auch  schreiben  (ohne 
Rücksicht  auf  das  Vorzeichen): 

(7)  F=f. 

Die  Vergrößerung  hängt  also  von  drei  Faktoren  ab,  über  die 
man  frei  verfügen  kann,  nämlich  von  /"/,  ^  und  /.  Die  Tubus- 
länge /  wird,  schon  allein  um  das  Mikroskop  nicht  unhandlich  zu 
machen,  nicht  über  ein  gewisses  Maß  gesteigert;    man    ersetzt 


1)  Eioe  Unterscheidung  der  hinteren  und  vorderen  Brennweite  ist  nur  bei 
den  Im mersionssy Sternen  notwendig. 

2)  Es  ist  für  das  Okular  /i  =  ^2'. 


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Optische  Instrumente.  gy 

praktischer  die  Wirkung  einer  Vergrößerung  von  /  durch  ein 
stärkeres  Okular.  Die  Brennweite  des  Objektivs  wird  femer  stets 
viel  kleiner  als  die  des  Okulars  gewählt  Einmal  werden  dadurch 
auch  bei  hoher  numerischer  Apertur  die  Dimensionen  der  Objektiv- 
gläser verhältnismäßig  klein,  andererseits  kann  man  eine  be- 
stimmte Bildqualität  (in  der  Achse)  bei  einer  gegebenen  Gesamt- 
vergrößerung desto  leichter  erreichen,  je  kürzer  man  die  Brennweite 
des  Objektivs  wählt  Da  aber  mit  der  Verringerung  der  Objektiv- 
brennweite die  Fehler  des  letzten  vom  Okular  entworfenen  Bildes 
außerhalb  der  Achse  zunehmen,  so  wird  die  Verringerung  von  /i' 
auch  nicht  über  eine  gewisse  Grenze  (1,5  bis  2  mm  bei  Immersions- 
systemen) getrieben. 

g)  Die  Leistungsfähigkeit  Dieselbe  ist  nicht  mit  der 
Vergrößerung  zu  identifizieren,  d.  b.  es  kann  unter  Umständen  ein 
weniger  vergrößerndes  Mikroskop  leistungsfähiger  sein,  d.  h.  mehr 
Details  eines  Objektes  dem  Auge  enthüllen  als  ein  stärker  ver- 
größerndes. Die  Leistungsfähigkeit  ist  wesentlich  durch  die  Kon- 
struktion des  Objektivs  bedingt;  der  Inhalt  oder  das  Detail  des  von 
ihm  entworfenen  Bildes  hängt  .(vgl  oben  S.  85)  einmal  von  der 
numerischen  Apertur  des  Objektivs  ab,  andererseits  von  der  Größe 
der  Zerstreuungskreise,  welche  durch  nicht  streng  homozentrische 
Strahlenvereinigung  entstehen.  Wenn  nun  zwei  Punkte  1\  und  P2 
eines  Objektes  betrachtet  werden,  für  die  die  Zerstrauungskreise 
im  Objektivbild  nicht  übereinander  greifen,  so  können  sie  am 
Auge  als  zwei  distinkte  Punkte  oder]  Scheibchen  wahrgenommen 
werden,  falls  das  Okular  ihr  Objektivbild  mindestens  auf  die 
Grenze  des  Sehwinkels  (l')  vergrößert  hat  Wenn  aber  die  Zer- 
streuungskreise im  Objektivbilde  übereinander  greifen,  so  kann 
auch  das  stärkste  Okular  die  beiden  Punkte  Pj  und  P2  optisch 
nicht  trennen.  Für  jedes  bestimmte  Objektiv  ergibt  sich  sonach 
eine  Okularvergrößerung  —  die  sogenannte  förderliche  Okular- 
vergrößerung  — ,  welche  gerade  ausreichen  muß,  um  das  im 
Objektivbild  enthaltene  Detail  vollkommen  zu  erkennen.  Eine 
stärkere  Vergrößerung  kann  wohl  dieses  Detail  noch  bequemer 
zur  Erkennung  bringen,  aber  sie  fügt  kein  neues  Detail  dem  Bilde 
zu,  man  spricht  daher  dann  von  leerer  Vergrößerung.  —  Aus 
der  Objektivbrennweite,  der  Tubuslänge  und  der  förderlichen 
Okularbrennweite  berechnet  sich  nach  (5)  die  förderliche  Ge- 
samtvergrößerung. Dieselbe  ist  also  um  so  höher,  je  voll- 
kommener die  Leistungen  des  Objektivs  sind. 

Drude,  Lehrbuch  d.  Optik.   2.  Aufl.  7 


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98  Kapitel  V. 

Setzen  wir  ein  dioptrisch  vollkommenes  Objektiv  voraus,  so 
ist  die  förderliche  Gesamtvergrößerung  nur  abhängig  von  der 
numerischen  Apertur.  Dieselbe  ist  bisher  (bei  Immersionssystemen) 
nicht  über  den  Wert  a  =  1,6  gesteigert  worden.  Nach  Formel  (87) 
auf  S.  85  ist  daher  die  kleinste  Distanz  rf,  die  optisch  auf- 
zulösen ist: 

.         A         0,00053  mm        a/^.iai^. 
rf  =  2i  =  - — 32 =  0,00016  mm, 

falls  für  die  Wellenlänge  X  der  Wert  für  grünes  Licht  gesetzt 
wird.^  In  der  Entfernung  rf  =  25cm  vom  Auge  erscheint  nun 
eine  Distanz  <t=  0,145  mm  unter  dem  Sehwinkel  2',  dem  Grenz- 
winkel bequemer  Unterscheidbarkeit.  Da  nun  6^:^  =  905,  so  hat 
die  förderliche  GesamtvergröJBerung  des  Mikroskops  etwa 
den  Wert  900.  Durch  die  dioptrischen  Fehler  des  Objektivs  wird 
dieselbe  noch  etwas  herabgedrückt.  —  Nach  Formel  (85)  auf  S.  83 
ist  in  diesem  Falle  das  Verhältnis  der  Bildhelligkeit  zur  normalen 
Helligkeit 

rr.rr    _^^a^  /250  .  1,6\2_    ,, 

falls  die  Augenpupille  zu  2  mm  Radius  p  angenommen  wird. 

h)  Experimentelle  Bestimmung  der  Vergrößerung  und 
der  numerischen  Apertur.  Die  Vergrößerung  wird  bestimmt, 
indem  als  Objekt  eine  feine,  auf  Glas  eingeritzte  Skala  (Mikrometer) 
benutzt  wird,  deren  Bild  man  auf  ein  in  25  cm  vom  Auge  be- 
findliches Papierblatt  aufzeichnet  mit  Hilfe  eines  über  dem 
Okular  angebrachten  Zeichenapparates.  Derselbe  besteht  im  ein- 
fachsten Falle  aus  einem  schräg  aufgestellten  kleinen  Spiegel, 
dessen  Belegung  in  der  Mitte  in  Form  eines  kleinen,  etwa  2  mm 
großen  Loches  fortgenommen  ist.  Durch  das  Loch  erblickt  man 
das  vom  Mikroskop  entworfene  Bild,  während  die  Spiegelbelegung 

1)  Man  kann  d  noch  weiter  herabdrücken,  wenn  man  als  LicbtqueUe  ganz 
kurzwellige,  ultraviolette  Strahlen  benutzt,  die  auf  das  Auge  überhaupt  nicht 
mehr  wirken,  sondern  nur  auf  die  photographische  Platte.  Dieser  Weg  ist  in 
der  Zeissschen  Werkstätte  und  namentlich  von  A.  Köhler  beschritten  worden. 
Das  Objektiv  (Monochromat)  besteht  aus  Quarz,  dem  durch  Erhitzen  seine 
kristallinische  Struktur  genommen  ist  Es  wird  Licht  der  Wellenlänge  A=0,275/i 
bis  0,280  fJL  benutzt  (/u  =  Viooo  mm),  welches  durch  Funkenentladungen  zwischen 
Kadmium-  oder  Magnesiumelektroden  gewonnen  wird.  Da  bei  den  Monochro- 
maten  mit  homogener  Immersion  a  bis  etwa  auf  1,3  gebracht  ist,  so  ergibt 
sich  dann  als  Auflösungsgrenze  d  =  0,1C6  (jl  =  0,C00106  mm. 


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Optische  InstrumeDte.  99 

das  Zeichenblatt  dem  Auge  gleichzeitig  sichtbar  machte  Das 
Verhältnis  der  Abstände  der  Teilstriche  des  Mikrometers  in  der 
Zeichnung  zu  den  Abständen  im  Objekte  selbst  gibt  die  Ver- 
größerung an. 

Mit  Hilfe  der  Vergrößerung  und  der  Ausmessung  der  Aus- 
trittspupille des  Mikroskops  kann  man  leicht  seine  numerische 
Apertur  a  finden.  Da  das  Verhältnis  der  Bildhelligkeit  zur  nor- 
malen Helligkeit  nach  Früherem  (vgl.  oben  S.  82)  gleich  dem  Ver- 
hältnis der  Austrittspupille  zur  Augenpupille  ist,  so  folgt  nach 
(85)  auf  S.  83 

H        62        S^a^ 


H^~p^~p^V^' 


(8) 


wobei  b  den  Radius  der  Austrittspupille  bezeichnet  Es  ergibt 
sich  also  die  numerische  Apertur  aus: 

«  =  7-'  (^) 

Setzt  man  hierin  fftr  V  den  Wert  nach  (7),  so  folgt: 

a  =  6:A  (10) 

d.  h.  die  numerische  Apertur  ist  gleich  dem  Verhältnis 
des  Radius  der  Austrittspupille  zu  der  hinteren  Gesamt- 
brennweite des  ganzen  Mikroskops. 

Ein  von  Abbe  konstruiertes  Apertometer  gestattet  die  numerische 
Apertur  des  Objektivs  allein  direkt  zu  messen. 2) 

4.  Das  astronomische  Femrohr.  Dasselbe  besteht  ebenfalls, 
wie  das  Mikroskop,  aus  zwei  kollektiven  Teilen:  dem  Objektiv 
und  dem  Okular.  Ersteres  entwirft  von  einem  sehr  fernen  Objekte 
ein  reelles  umgekehrtes  Bild  in  der  Brennebene  des  Objektivs, 
dieses  Bild  wird  durch  das  Okular,  das  als  Lupe  wirkt,  vergrößert. 
Akkommodiert  das  Auge  des  Beobachters  auf  Unendlich,  so  fällt  die 
vordere  Brennebene  des  Okulars  mit  der  hinteren  Brennebene  des 
Objektivs  zusammen,  und  wir  haben  die  „teleskopische"  Abbildung 
im  früheren  Sinne  (oben  S.  26),  bei  der  unendlich  entfernte  Gegen- 
stände unendlich  entfernte  Bilder  haben.  Unter  der  Vergrößerung 
r  versteht  man  dann  das  Konvergenzverhältnis  der  Bildstrahlen 


1)  Betreffs  anderer  Zeichenapparate  vgl.  Müller-Pouillet,  Optik  von 
Lnmmer,  8.839—842. 

2)  Betreffs  näherer  Beschreibung  dieses  Instrumentes  vgl.  die  eingangs 
dieses  Kapitels  zitierten  Lehrbücher. 

7* 


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100 


Kapitel  V. 


zu  den  Objektstrahlen.    Nach  (24)  auf  S.  30  0  ist  aber 

(11)  r=tgu:tgu  =  f^:f^, 

wobei  /i  die  Brennweite  des  Objektivs,  f^  die  des  Okulars  ist 

Damit  also  eine  starke  Vergrößerung  r  erzielt  wird,  muß  /i  groß 

und  ^2  klein  sein. 

Die  Vergrößerung  kann  man  experimentell  bestimmen,  indem 
man  das  Verhältnis  der  Eintrittspupille  des  Instrumentes  zur 
Austrittspupille  bestimmt  Denn  bei  der  teleskopischen  Abbildung 
ist  nach  Früherem  (S.  26)  die  Lateralvergrößerung  konstant,  d.  h. 
unabhängig  vom  Orte  des  Objektes,  und  zwar  ist  sie  nach  der  doii; 
(S.  27)  gegebenen  Formel  (14')  gleich  der  reziproken  Angularver- 
größerung.  Die  Eintrittspupille  ist  nun  (ohne  Rücksicht  auf  das 
Auge  des  Beobachters,  vgl.  weiter  unten)  der  Rand  des  Objektiv- 


Fig.  40. 

Systems,  die  Austrittspupille  daher  das  von  diesem  Rande  durch 
das  Okular  entworfene  reelle  Bild  (der  Augenkreis).  Mißt  man 
daher  den  Durchmesser  dieses  Augenkreises  mikrometrisch,  so  ist 
sein  Verhältnis  zum  Objektivdurchmesser  gleich  der  reziproken 
Angularvergrößerung  des  Femrohres. 

In  Figur  40  ist  der  Strahlengang  bei  Benutzung  eines  Ramsden- 
schen  Okulars  (vgl.  oben  S.  93)  gezeichnet.  Bß^  ist  die  Eintritts- 
pupille (Objektivrand),  B[B^  die  Austrittspupille.  F^  ist  das  reelle, 
vom  Objektiv  entworfene  Bild  eines  unendlich  fernen  Punktes  1\  Sein 
Hauptstrahl  ist  stark,  seine  Randstrahlen  sind  schwach  gezeichnet 
Pj  liegt  etwas  vor  der  Kollektivlinse  des  Okulars.    An   gleicher 

1)  Dort  sind  der  Allgemeinheit  halber  die  vorderen  und  hinteren  Brenn- 
weiten (/i  und  /!',  fi  und  fi)  voneinander  unterschieden.  Hier  ist  das  nicht 
nötig,  da  beim  Femrohr  stets  /*,  ^  /i',  /i  =  fi  iß*  (vgl-  oben  8.  35). 


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Optische  Instrumente.  101 

Stelle  ist  die  Gesichtsfeldblende  GG  angebracht.  Da  ihr  Bild  auf 
der  Objektseite  im  Unendlichen  liegt,  so  wird  das  Gesichtsfeld  bei 
Betrachtung  sehr  entfernter  Objekte  scharf  begrenzt.  —  P'  ist  das 
unendlich  ferne  Bild,  welches  das  Okular  von  P^  entwirft  —  Zieht 
man  das  Auge  des  Beobachters  in  Rücksicht,  so  sind  die  zwei 
Fälle  zu  unterscheiden,  ob  die  Austrittspupille  des  Instrumentes 
kleiner  oder  größer  als  die  Augenpupille  ist  (d.  h.  ob  die  Normal- 
vergrößerung überschritten  ist  oder  nicht).  Nur  in  ersterem  Falle 
bleiben  die  bisherigen  Betrachtungen  unverändert  bestehen,  während 
im  letzteren  Falle  die  Augenpupille  die  Austrittspupille  für  den 
ganzen  Strahlengang  ist  und  das  vom  Femrohr  entworfene  Bild 
der  Augenpupille  die  Eintrittspupille  ist. 

Als  Objektiv  wird  eine  achromatisierte  Doppellinse  gewählt,  die 
auf  sphärische  Aberration  korrigiert  ist.  Für  die  Achromatisieruug 
des  Okulars  gelten  dieselben  Bedingungen,  die  oben  beim  Mikro- 
skop besprochen  sind:  da  die  auf  das  Okular  fallenden  Haupt- 
strahlen nahezu  achsenparallel  sind,  so  genügt  die  Achromatisierung 
der  Brennweite  des  Okulars.  Man  kann  daher  für  Mikroskop  und 
Fernrohr  dieselben  Okulare  benutzen,  meist  jedoch  wird  bei  letz- 
terem das  Ramsdensche  Okular  angewandt,  da  es  vorteilhafter  bei 
der  mikrometrischen  Bildausmessung  ist  (vgl.  oben  S.  93). 

Auch  hier  gelten,  gerade  wie  beim  Mikroskop,  die  Begriffe  der 
förderlichen  und  leeren  Okular-  bezw.  Gesamtvergrößerung.  Die 
freie  Öffnung  des  Objektivs  spielt  hier  die  Rolle  der  numerischen 
Apertur  des  Mikroskops  (vgl.  dazu  S.  84,  85). 

5.  Das  holländische  Fernrohr.  Wird  das  kollektive  Okular 
des  astronomischen  Fernrohres  durch  ein  dispansives  ersetzt,  so 
erhält  man  das  holländische  Fernrohr.  Damit  teleskopische  Ab- 
bildung stattfindet,  muß  der  hintere  Brennpunkt  des  Okulars  mit 
dem  hinteren  Brennpunkt  des  Objektivs  zusammenfallen.  Die  Länge 
des  Fernrohrs  ist  also  nicht,  wie  beim  astronomischen,  gleich  der 
Summe,  sondern  gleich  der  Differenz  der  Brennweiten  von  Objektiv 
und  Okular. 

Die  Formel  (11)  dieses  Kapitels  für  die  Angularvergrößerung  F 
gilt  auch  hier,  da  diese  Formel  für  jede  teleskopische  Abbildung  gilt. 
Das  Fernrohr  gibt  aber  im  Gegensatz  zum  astronomischen  Fernrohr 
aufrechte  Bilder,  da  das  vom  Objektiv  entworfene  umgekehrte 
Bild  durch  das  dispansive  Okular  noch  einmal  umgekehrt  wird. 

Ohne  Rücksicht  auf  das  Auge  des  Beobachters  würde  der 
Objektivrand  stets  die  Eintrittspupille  des  Instrumentes  sein.  Das 


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102  Kapitel  V. 

Okular  entwirft  von  demselben  ein  virtuelles  verkleinertes  Bild 
(Austrittspupille)  vor  dem  Okular.    Dasselbe  hat  den  Eadius 

(12)  6  =  Ä.f;  =  ^, 

falls  h  der  Radius  des  Objektivs  ist 

Da  diese  Austrittspupille  vor  und  nicht  hinter  dem  Okular 
liegt,  so  kann  die  Augenpupille  des  Beobachters  nicht  mit  ihr  zur 
Deckung  gebracht  werden.  Infolgedessen  wirkt  die  Augenpupille 
als  Gesichtsfeldblende,  wenn  die  nach  Formel  (12)  bestimmte  Größe  h^ 
nämlich  die  Austrittspupille  des  Instrumentes,  kleiner  als  die 
Augenpupille  ist,  d.  h.  wenn  die  Normalvergrößerung  überschritten 
ist  Deshalb  ist  das  Gesichtsfeld  bei  starken  Vergrößerungen 
ein  sehr  beschränktes.    Figur  (41)  bezieht  sich  auf  diesen  Fall  des 


Fig.  41. 


Strahlenganges,  pp  bedeutet  die  Augenpupille,  w  ist  der  Ge- 
sichtsfeldwinkel im  Bilde.  Da  das  vom  ganzen  Fernrohr  entworfene 
Bild  der  Gesichtsfeldblende  (der  Augenpupille)  im  Endlichen,  d.  h. 
nicht  am  Orte  des  Objektes  im  Unendlichen  liegt,  so  ist  auch  das 
Gesichtsfeld  nicht  scharf  begrenzt  (vgl.  oben  S.  71). 

Wenn  aber  die  AustrittspupiUe  3^3^=  2h  des  Instrumentes 
größer  als  die  Augenpupille  ist,  d.  h.  wenn  die  Normalvergrößerung 
nicht  erreicht  ist,  so  ist  mit  Rücksicht  auf  das  Auge  des  Beobachters 
seine  Augenpupille  die  AustrittspupiUe  für  den  ganzen  Strahlen- 
gang, und  die  Objektivöflfnung  wirkt  als  Gesichtsfeldblende;  das 
bildseitige  Gesichtsfeld  ist  begrenzt  durch  das  Bild  2h  (in  Figur  42 
ist  dies  mit  B^B^  bezeichnet)  der  Objektivöffnung.  In  diesem 
Falle  kann  man  also  durch  Wahl  eines  recht  großen  Objektivs 
das  Gesichtsfeld  vergrößern.  Aus  demselben  Grunde  wie  vorhin 
ist  dasselbe  aber  auch  hier  unscharf  begrenzt.    Figur  42  bezieht 


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Optische  lostnunente.  103 

sich  auf  diesen  Fall  des  Strahlenganges,  vf  ist  der  bildseitige 
Gesichtsfeldwinkel. 

Nimmt  man  die  Augenpupille  zu  2  mm  Radius  an,  so  tritt 
nach  (12)  der  Strahlengang  der  Figur  41  oder  der  Figur  42  ein, 
je  nachdem 

Ä^^rmm 

ist;^)  z.  B.  bei  einer  achtmaligen  Vergrößerung  ist  2h  =  32  mm 
die  kritische  Objektivgröße. 

6,  Das  terrestrische  Fernrohr.  Für  terrestrische  Zwecke 
ist  es  von  Vorteil,  wenn  das  Femrohr  aufrechte  Bilder  entwirft. 
Wenn  die  Vergrößerung  nicht  sehr  stark  sein  soll,  so  empfiehlt 
sich  daher  der  Gebrauch  des  holländischen  Femrohres.  Da  dasselbe 
aber  bei  starken  Vergrößerungen  ein  sehr  kleines  Gesichtsfeld  hat, 
so    ist   für   starke 

Vergrößerungen  das 
sogenannte  terre- 
strische Fernrohr 
praktischer,  welches 
ein  astronomisches 
Fernrohr  mit  bild- 
umkehrendem Oku- 
lar ist.  Der  Abbil- 
dungsvorgang ist 
dann  folgender:  Die 
Objektivlinse  ent- 
wirft ein  umgekehr-  pjg'  ^^ 
tes  reelles  Bild  vom 

Objekt.  Dieses  Bild  wird  durch  ein  (aus  zwei  Linsen  bestehendes) 
Kollektivsystem  ohne  wesentliche  Vergrößerungsänderung  um- 
gekehrt und  das  dadurch  entstandene  aufrechte  Bild  durch  ein 
Ramsdensches  oder  Huygenssches  Okular,  das  als  Lupe  wirkt,  zu 
einem  virtuellen  aufrechten  Bilde  vergrößert. 

7.  PrismendoppeLremrohre  von  C.  Zelss.  Das  terrestrische 
Okular  hat  eine  unbequeme  Länge.  Diesen  Übelstand  kann  man 
vermeiden,  wenn  man  die  Umkehrung  des  vom  Objektiv  entworfenen 
Bildes   durch  viermalige  Totalreflexion   an  zwei   rechtwinkligen 

1)  Experimentell  kann  man  diese  beiden  Fälle  dadurch  unter8(jheiden,  daß 
bei  teilweiser  Abbiendung  des  Objektivs  durch  eine  vorgehaltene  Blende 
nur  die  Bildhelligkeit  abnimmt  oder  das  Gesichtsfeld  verkleinert  wird. 


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104 


Kapitel  V. 


Glasprismen  bewirkt,  die  wie  in  Figur  43  angeordnet  sind.  Der 
austfetende  Strahl  ist  dem  einfallenden  parallel,  hat  aber  eine 
seitliche  Verschiebung  erlitten.  —  Im  übrigen  ist  die  Konstruktion 
des  Fernrohres  die  des  astronomischen. 

Durch  Trennung  der  beiden  Prismen  I  und  II  kann  eine  be- 
deutende Verkürzung  des  Fernrohres  erzielt  werden,  da  der 
Lichtstrahl  die  Strecke  zwischen  den  Prismen  dreimal  zurückzu- 
legen hat.  —  Durch  etwas  andere  Anordnung,  bezw.  Zerschneidung 

der  Prismen  kann  die  seit- 
liche Verschiebung  des  ein- 
fallenden und  austretenden 
Lichtstrahles  beliebig  erhöht 
werden.     Man   kann   nach 
diesem  Prinzipe  ein  für  beide 
Augen  benutzbares  Doppel- 
fernrohr   konstruieren,    in 
welchem  die  Eintrittspupil- 
len (Objektivlinsen)  eine  viel 
größere  Distanz  besitzen  als  die  Augenpupillen.   Dadurch  wird  der 
stereoskopische  Effekt,  der  mit  der  Betrachtung  der  Landschaft 
durch  die  beiden  Augen  verbunden  ist,  sehr  erhöht. 

8.  Spiegelteleskope.  Dieselben  unterscheiden  sich  von  den 
dioptrischen  dadurch,  daß  an  Stelle  der  Objektivlinse  ein  Hohl- 
spiegel ein  reelles  Bild  des  Objektes  entwirft.  Dasselbe  wird  mit 
dem  Auge  betrachtet  durch  Okulareinrichtungen,  die  bei  den  ein- 
zelnen Konstniktionen  etwas  verschieden  sind.^  Die  Spiegelteleskope 
hatten  besonders  früher  eine  große  Bedeutung,  als  man  noch  keine 
achromatischen  Objektive  herstellen  konnte,  denn  naturgemäß  treten 
chromatische  Bildfehler  beim  Hohlspiegel  nicht  auf. 

Zur  Erzielung  möglichst  starker  Vergrößerungen  sind  große 
Spiegel  von  großem  Krümmungsradius  zu  wählen.  Herschel  hatte 
einen  Riesenhohlspiegel  von  16  m  Krümmungsradius  gebaut.  Das 
von  ihm  entworfene  reelle  Sonnenbild  ist,  da  der  Sehwinkel  der 
Sonne  32'  beträgt,  etwa  7  cm  groß. 


Fig.  43. 


1)  Betreffs  näherer  Details  vgl.  Heath,  Geometrische  Optik,  deutsch  yon 
Kanthack,  S.  299— 310. 


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PHYSIKALISCHE  OPTIK. 


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L  Abschnitt 

Allgemeine  Eigenscliafteii  des  Liclites. 

Kapitel  I. 

Die  Fortpflanzimgsgescliwiiidigkeit  des  licIites. 

1.  Methode  Ton  BSmer.  Die  Beantwortung  der  Frage,  ob 
das  Licht  eine  endliche  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  besitze,  ist 
von  großer  prinzipieller  Bedeutung.  Eine  terrestrische  Methode, 
wie  sie  zuerst  von  Galiläi  angewandt  wurde,  führte  wegen  der 
außerordentlichen  Schnelligkeit  des  Lichtes  nicht  zum  Ziel;  bei 
kleinen  Entfernungen,  wie  sie  in  terrestrischen  Methoden  vor- 
kommen, müssen  die  experimentellen  Hilfsmittel  sehr  verfeinert 
werden. 

Von  besserem  Erfolg  waren  zunächst  astronomische  Methoden 
gekrönt,  da  es  sich  bei  ihnen  um  sehr  große  Distanzen  für  die 
Lichtausbreitung  handelt.  Die  erste  Bestimmung  für  die  Licht- 
geschwindigkeit lieferte  Olaf  Römer  im  Jahre  1675,  welcher  be- 
obachtete, daß  die  Periode  für  die  Verfinsterung  eines  Jupiter- 
mondes etwas  größer  war,  wenn  die  Erde  sich  in  ihrer  Bahn  vom 
Jupiter  entfernt,  als  wenn  sie  sich  ihm  nähert.  Diese  Veränderung 
in  der  Verfinsterungsperiode  kann  durch  Beobachtung  zahlreicher 
aufeinander  folgender  Verfinsterungen  sehr  scharf  bestimmt  werden. 
Römer  fand,  daß  die  Summe  der  Verfnsterungsperioden,  welche 
zwischen  zwei  Verfinsterungen  lag,  von  denen  die  erste  in  Opposition 
der  Erde  zum  Jupiter,  die  zweite  in  Konjunktion  beider  Planeten 
eintrat,  um  996  Sekunden  differierte  gegenüber  der  Zeitsumme,  die 
man'aus  der  Anzahl  der  Verfinsterungen  und  der  im  Verlauf  des 
ganzen  Jahres  im  Mittel  beobachteten  Verfinsterungsperiode  erhält. 
Schon  Römer  deutete  diese  Differenz  aus  der  endlichen  Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeit des  Lichtes.    Nach  dieser  Anschauung 


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108  Kapitel  I. 

muß  das  Licht  zum  Durcheilen  des  Erdbahndurchmessers  996  Sekun- 
den gebrauchen.  Nach  neueren  Beobachtungen  von  Glasenapp  ist 
die  Römersche  Zahl  in  1002  Sekunden  zu  korrigieren.  —  Der  Erd- 
bahndurchmesser ergibt  sich  aus  dem  Erdradius,  wenn  man  die 
sogenannte  Sonnenparallaxe  kennt,  i  h.  den  Winkel,  unter  dem 
der  Erdradius  von  der  Sonne  aus  erscheint.  Nach  den  neueren 
astronomischen  Bestimmungen  ist  der  wahrscheinlichste  Wert  der 
Sonnenparallaxe  8,80",  so  daß  sich  der  Erdbahndurchmesser  d,  da 
der  Erdradius  6378  km  beträgt,  berechnet  zu: 

^  _  2^.  180^^  _  2990.  10»  km. 
8,80  TT 

Für  die  Lichtgeschwindigkeit  V  folgt  so: 

F=  298300  »'«/sek.  =  2,983  •  10  ^^  ^^U\i, 

Diese  Zahl  ist  hauptsächlich  noch  unsicher  (um  etwa  V2  \)  wegen 
des  Fehlers  in  Bestimmung  der  Sonnenparallaxe. 

2.  Methode  von  Bradley,  Wir  wollen  uns  denken,  daß  ein 
Lichtstrahl  einer  unendlich  entfernten  Lichtquelle  P  durch  zwei 
aufeinander  folgende  Löcher  S^  und  S^,  die  in  der  Achse  eines  Rohres  R 
liegen,  in  das  Auge  eines  Beobachters  gelange.  Wenn  nun  das 
Rohr  R  in  eine  Parallelverschiebung  der  Geschwindigkeit  v  senk- 
recht zur  Rohrachse  versetzt  wird,  während  die  Lichtquelle  P  in 
Ruhe  bleibt,  so  wird  der  Lichtstrahl,  wenn  er  durch  das  erste 
Loch  S^  getreten  ist,  nicht  mehr  genau  das  Loch  Äj  treffen,  wenn 
das  Licht  eine  endliche  Zeit  zum  Durcheilen  des  Rohres  R  ge- 
braucht. Der  Beobachter  sieht  daher  dann  die  Lichtquelle  P  nicht 
mehr.  Um  sie  wieder  zu  erblicken,  muß  er  das  Rohr  R  um  einen 
Winkel  a  gegen  die  ursprüngliche  Richtung  drehen,  so  daß  die 
Visierlinie  nach  P  im  Sinne  der  Bewegung  des  Beobachters  um  den 
Winkel  5  verschoben  erscheint,  und  zwar  muß  sein 

(1)  tgi  =  v:V, 

falls  V  die  Lichtgeschwindigkeit  bezeichnet. 

Diese  Überlegung  ergibt  die  Erklärung  für  die  von  Bradley 
im  Jahre  1727  entdeckte  Aberration  der  Fixsterne,  nach  der  der 
Ort  derselben,  falls  Visierlinie  und  Bewegung  der  Erde  senkrecht 
aufeinander  stehen,  im  Sinne  der  Erdbewegung  um  einen  kleinen 
Winkel  verschoben  ist,  der  sich  nach  neueren  Bestimmungen  zu 
20,5"    ergeben   hat.     Da   die   Bahngeschwindigkeit  v   der  Erde 


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Die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  des  Lichtes.  IQQ 

bekannt  ist,  wenn  man  die  Größe  der  Erdbahn  kennt,  so  ergibt 
sich  aus  der  Gleichung  (1)  die  Lichtgeschwindigkeit  zu 
r=  2,999- 10  i<>^°»/8ek. 

Diese  Methode  leidet  an  derselben  Unsicherheit  wie  die 
Römersche  und  wie  überhaupt  alle  astronomischen  Methoden,  die 
in  der  unsicheren  Kenntnis  der  Sonnenparallaxe  und  damit  der 
Erdbahn  wurzelt. 

Das  Resultat  stimmt  mit  dem  nach  der  Eömerschen  Methode 
gewonnenen  gut  überein,  und  dies  zeigt,  daß  eine  hier  still- 
schweigend getroffene  Annahme  berechtigt  ist:  daß  nämlich  den 
Lichtstrahlen  selbst,  wenn  sie  sich  durch  die  mit  der  Erde  be- 
wegte Luft  hindurch  fortpflanzen,  keine  seitliche  Geschwindigkeits- 
komponente mitgeteilt  wird.  Indes  ist  die  Aberration  in  dieser 
einfachen  Weise  nicht  erschöpfend  zu  erklären.  Nach  der  angestell- 
ten Überlegung  sollte  man  nämlich  erwarten,  daß  die  Aberration, 
wenn  man  nach  einem  Fixstern  mit  einem  mit  Wasser  angefüllten 
Femrohr  visiert,  eine  größere  sein  müßte,  da,  wie  wir  weiter  unten 
sehen  werden,  die  Lichtgeschwindigkeit  im  Wasser  kleiner  ist  als 
in  Luft.  Tatsächlich  ist  aber  die  Aberration  unabhängig  von  dem 
Medium  im  Fernrohr.  Um  dies  zu  erklären,  bedarf  es  einer  genaueren 
Untersuchung  über  den  Einfluß  der  Bewegung  eines  Körpers  auf 
die  in  ihm  stattfindende  Lichtfortpflanzung.  Das  soU  aber  erst  an 
späterer  Stelle  geschehen.  Es  mag  nur  hier  noch  bemerkt  werden, 
daß  durch  die  astronomische  Aberration  die  Lichtgeschwindigkeit 
im  Weltraum,  d.  h.  im  Vakuum,  bestimmt  wird. 

3.  Methode  von  Fizean.  Die  erste  terrestrische  Methode  zur 
Bestimmung  der  Lichtgeschwindigkeit  ist  erfolgreich  von  Fizeau 
im  Jahre  1849  angewandt  worden.  Von  einer  Lichtquelle  P  wird 
durch  eine  Sammellinse  und  eine  schief  gegen  die  Lichtstrahlen 
geneigte  Glasplatte  p  (vgl.  Figur  44)  ein  Bild  in  f  entworfen.  Die 
Strahlen  werden  sodann  nach  dem  Durchtritt  durch  die  Sammel- 
linse Li  parallel  gemacht  und  gelangen  zu  der  sehr  weit  (8,6  km) 
entfernten  Sammellinse  L^.  Es  entsteht  ein  reelles  Bild  am  Orte 
eines  Hohlspiegels  «,  dessen  Krümmungszentrum  im  Mittelpunkt  der 
Linse  L^  liegt.  Dieser  Spiegel  s  reflektiert  daher  die  Strahlen  auf 
demselben  Wege,  auf  welchem  sie  gekommen  sind,  so  daß  auch 
durch  die  reflektierten  Strahlen  ein  reelles  Bild  in  f  entsteht. 
Dieses  wird  durch  das  Okular  o  und  durch  die  schiefe  Glasplatte  p 
hindurch  betrachtet.  Am  Orte  des  reellen  Bildes  /  wird  nun  der 
Rand  eines  Zahnrades  derart  angebracht,  daß  eine  Lücke  desselben 


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HO 


Kapitel  I. 


die  Lichtstrahlen  frei  passieren  läßt,  ein  Zahn  sie  dagegen  ab- 
schirmt. Eotiert  das  Zahnrad  mit  sehr  geringer  Geschwindigkeit, 
so  wird  man  das  Bild  abwechselnd  sehen  und  nicht  sehen.  Rotiert 
das  Rad  schneller,  so  wird  man  infolge  der  Dauer  des  Lichtein- 
drucks das  Bild  ununterbrochen  sehen.  Bei  weiterer  Steigerung 
der  Rotationsgeschwindigkeit  des  Rades  verschwindet  aber  all- 
mählich das  Bild  wieder,  nämlich  dann,  wenn  in  der  Zeit,  welche 
das  Licht  zur  Durcheilung  des  Hin-  und  Rückweges  braucht,  Zähne 
und  Lücken  ihre  Stellung  miteinander  vertauscht  haben.  Bei 
doppelter  Drehgeschwindigkeit  tritt  wieder  maximale  Helligkeit 
ein,   bei    dreifacher  Drehgeschwindigkeit  Dunkelheit,  usf.     Aus 


Fig.  44. 

der  Rotationsgeschwindigkeit  des  Rades,  der  Anzahl  seiner  Zähne, 
und  der  Distanz  zwischen  f  und  s  kann  man  leicht  die  Licht- 
geschwindigkeit berechnen.  Fizeau  wandte  ein  Rad  von  720  Zähnen 
an.  Die  erste  Verdunkelung  trat  bei  12,6  Umdrehungen  pro  Sekunde 
ein.  Da  die  Entfernung  zwischen  L^  und  L^  8,633  km  betrug,  so 
berechnet  sich  daraus  die  Lichtgeschwindigkeit  zu 

r=3,13-10»«c%ek. 
Die  Hauptschwierigkeit  der  Methode  liegt  in  der  Herstellung 
einer  gleichmäßigen  Rotationsgeschwindigkeit  und  der  Messung 
derselben.   —  Durch  verfeinerte  Messungen  erhielt  nach  dieser 
Methode  Cornu  den  Wert 

F=  3,004-  10^^  «°^/8ek., 
Young  und  Forbes  den  Wert: 

F  =  3,014.  10i^«°>/sek. 


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Die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  des  Lichtes.  m 

4.  Methode  Ton  Foucault.  Diese  Methode  erfordert  die  ge- 
ringste Distanz  und  ist  in  mehrfacher  Hinsicht  für  die  Optik  von 
hoher  Wichtigkeit.  Eine  Lichtquelle  P  sendet  durch  eine  schief 
gestellte  Glasplatte  p  (vgl.  Figur  45)  ihre  Strahlen  auf  einen 
rotierenden  Spiegel  m.  Bei  geeigneter  Lage  desselben  reflektiert 
derselbe  die  Strahlen  durch  eine  nahe  befindliche  Linse  L,  so  daß 
ein  reelles  Bild  der  Lichtquelle  P  am  Orte  eines  um  die  große 
Strecke  D  entfernten  Hohlspiegels  s  entsteht,  dessen  Krümmungs- 
zentrum am  Orte  des  Spiegels  m  liegt.  Der  Hohlspiegel  a  reflektiert 
die  Strahlen  auf  gleichem  Wege,  auf  dem  sie  gekommen  sind,  falls 
innerhalb  der  Zeit,  welche  das  Licht  zum  Durcheilen  der  Strecke 
2D  gebraucht  hat,  der  Spiegel  s  seine  Lage  noch  nicht  merklich 
geändert  hat.  Es  würde  dann  durch  die  an  den  Spiegeln  m  und  s 
sowie  an  der  Glasplatte  p  reflektierten  Strahlen  ein  Bild  P'  von  der 
Lichtquelle  P  entworfen  werden. 
Wenn  aber  der  rotierende  Spiegel      -^  a  p'sjp" 

innerhalb  der  Zeit,  welche  das      /^~ — .Vf  ^ 

Licht  zum  Durcheilen  der  Strecke        ^^)^  ^ 

2D  gebraucht,  seine  Lage  um  den  if^^\^ 

Winkel  a  geändert  hat,  so  ist  der  ^^^ 

nach  p  von  m  reflektierte  Strahl  ^\^ 

um  2  a  gegen  die  Richtung  des  ^\^^ 

ursprünglich  einfallenden  Strahles  ^ 

gedreht,    und  es  entsteht  durch  Fig.  46. 

Reflexion  an  p  ein  seitlich  ab- 
gelenktes Bild  P"  der  Lichtquelle  P.    Aus  der  Ablenkung  P'P'\ 
der  Rotationsgeschwindigkeit  des  Spiegels  m,  und  aus  den  Ent- 
fernungen D  und  A  kann  man  offenbar  die  Lichtgeschwindigkeit 
finden. 

Wählt  man  J  =  lm,  Z)  =  4m,  und  macht  der  Spiegel  m 
1000  Umdrehungen  in  der  Sekunde,  so  wird  die  Verschiebung  P'P" 
gleich  0,34  mm.  Foucault  vergrößerte  die  Entfernung  D  von  4  m 
auf  20  m  durch  mehrfache  hin-  und  hergehende  Reflexionen  an  fünf 
etwas  gegeneinander  geneigten  Spiegeln  s. 

Im  Prinzip  ist  diese  Methode  ungünstiger  als  die  Fizeausche, 
da  hier  außer  der  Tourenzahl  noch  die  Messung  der  kleinen  Ver- 
schiebung P'P"  notwendig  ist.  Michelson  hat  aber  durch  Ver- 
größerung der  Entfernung  D  (bis  auf  600  m)  die  Genauigkeit  der 
Methode  erheblich  gesteigert,  indem  er  dadurch  auch  bei  mäßiger 
Tourenzahl  (etwa  200  in  der  Sekunde)  starke  Verschiebungen  P'P'' 


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112  Kapitel  I. 

(bis  zu  13  cm)  erhielt.  Bei  der  Foucaultschen  Anordnung  war 
eine  erhebliche  Vergrößerung  von  D  nicht  möglich,  wenn  nicht 
der  Hohlspiegel  s  ungeheure  Dimensionen  besitzen  sollte.  Denn 
wenn  auch  stets  ein  Punkt  der  Lichtquelle  P  bei  beliebig  großem 
D  und  kleinem  Spiegel  s  zur  Abbildung  gelangt,  so  würde  doch 
ein  etwas  seitlich  gelegener  Punkt  P^  der  Lichtquelle,  dessen  ein- 
fallender Hauptstrahl  von  Pj  nach  der  Mitte  von  m  geht,  nicht 
mehr  zur  Abbildung  kommen,  da  der  Hauptstrahl  nach  dem  Durch- 
gang durch  die  Linse  L  schief  gegen  ihre  Achse  verläuft,  und  daher 
bei  großem  D  einen  großen  Spiegel  s  zur  Reflexion  verlangt.  Die 
Abbildung  eines  einzigen  Punktes  P  einer  Lichtquelle  ergibt  aber 
eine  zu  geringe  Lichtintensität.  Diesen  Übelstand  hat  Michelson 
vermieden,  indem  er  die  Linse  L  nicht  nahe  am  rotierenden  Spiegel 
aufstellte,  sondern  in  Brennweitenabstand.  Dadurch  werden  auch 
die  von  seitlichen  Punkten  der  Lichtquelle  herrührenden  Haupt- 
strahlen nach  ihrem  Durchtritt  durch  L  achsenparallel,  man  kann 
eine  beliebige  Distanz  D  wählen  und  einen  planen  Spiegel  s  senk- 
recht zur  Achse  von  L  zur  Reflexion  verwenden.  Der  Spiegel 
braucht  nur  die  Größe  der  Öffnung  der  Linse  zu  besitzen.  — 
Aus  zahlreichen  Messungen  erhielt  Michelson 

F  =  2,999.  10l<>«n»/sek. 

Auch  Newcomb  erhielt  nach  der  Methode  des  rotierenden 
Spiegels  einen  nahe  damit  übereinstimmenden  Wert. 

Als  Mittelwert  der  von  Cornu,  Michelson,  Newcomb  angestellten 
Messungen  ergibt  sich  ^) 

F=  2,999 -lO^^^^^^^/sek. 

mit  einem  wahrscheinlichen  Fehler  von  höchstens  1  :  1000.  Das 
Resultat  dieser  terrestrischen  Methoden  ist  viel  zuverlässiger  als 
das  der  astronomischen  Methoden,  weil  bei  letzteren  die  Fehler 
bei  der  Bestimmung  der  Sonnenparallaxe  sich  geltend  machen. 

Trotz  dieses  außerordentlich  großen  Wertes  der  Licht- 
geschwindigkeit, welche  900  000  mal  so  groß  als  die  des  Schalles  in 
der  Luft  ist,  braucht  das  Licht  doch  eine  zum  Teil  bedeutende 
Zeit,  um  astronomische  Entfernungen  zu  durchmessen.  Dies  sehen 
wir  z.  B.  bei  der  Römerschen  Methode,  ferner  braucht  das  Sonnen- 
licht 8V4  Minuten,  um  zur  Erde  zu  gelangen,  das  Licht  selbst  der 


1)  A.  Cornu  (Rapp.  d.  Congr.  intern,  ä  Paris,  1900,  II,  S.  246)  hält  die 
Zahl  F=  3,0013  .  10  »o  für  die  wahrscheinlichste. 


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Die  FortpflanzungBgeschwiDdigkeit  des  Lichtes.  X13 

nächsten  Fixsterne  dagegen  viele  Jahre  (z.  B.  von  a  centauri 
3^/4  Jahre,  vom  Sirius  17  Jahre).  Große  Entfernungen  im  Welt- 
räume pflegt  man  hiernach  in  Lichtjahren  auszudrücken. 

5.  Abhängigkeit  der  Llehtgescliwiiidigkeit  vom  Medium 
und  der  Farbe.  Die  Lichtgeschwindigkeit. ist  von  der  Intensität 
der  Lichtquelle  unabhängig.  Dies  ist  durch  sehr  empfindliche 
Interferenzversuche  von  Lippich  und  Ebert  konstatiert.  Dagegen 
ist  die  Lichtgeschwindigkeit  wohl  abhängig  von  dem  Medium, 
in  welchem  sich  das  Licht  fortpflanzt.  Foucault  verglich  mit 
seiner  Methode  die  Lichtgeschwindigkeit  in  Luft  und  in  Wasser, 
indem  er  vor  dem  rotierenden  Spiegel  m  das  Licht  nach  zwei 
seitlich  aufgestellten  Hohlspiegeln  s^s^  reflektieren  ließ,  wobei  vor 
den  einen  s^  eine  2  m  lange,  mit  Wasser  angefüllte  Röhre  ein- 
geschaltet war.  Es  ergab  sich  nun,  daß  das  von  letzterem  Hohl- 
spiegel «2  reflektierte  Bild  bei  Rotation  des  Spiegels  m  eine  stärkere 
Verschiebung  erlitt  als  das  von  s^  reflektierte  Bild,  und  dies  ist 
ein  Beweis,  daß  sich  das  Licht  in  Wasser  langsamer  fort- 
pflanzt als  in  Luft. 

Quantitative  Bestimmungen  über  die  Lichtgeschwindigkeit  im 
Wasser  und  im  Schwefelkohlenstoff  hat  Michelson  ausgeführt;  für 
das  Verhältnis  der  Geschwindigkeiten  in  Luft  und  in  Wasser 
fand  sich  1,33,  in  Luft  und  in  Schwefelkohlenstoff  bei  Anwendung 
weißen  Lichtes  1,77.  Erstere  Zahl  stimmt  genau,  letztere  an- 
nähernd (s.  w.  u.)  mit  dem  beobachteten  Brechungsexponenten. 
Man  nimmt  an  (und  die  Wellentheorie  des  Lichtes  erfordert  es), 
daß  dieses  Resultat  für  alle  Körper  gilt  Demnach  muß  auch  die 
Lichtgeschwindigkeit  in  der  Luft,  entsprechend  ihrem  absoluten 
Brechungsexponenten  no= 1,00029,  etwas  kleiner  sein  als  im  Vacuum. 
Die  oben  mitgeteilte  Zahl  der  Lichtgeschwindigkeit,  die  sich  als 
Mittel  aus  den  terrestrischen  Versuchen  ergibt,  enthält  schon  diese 
Reduktion  auf  das  Vacuum. 

Da  bei  allen  durchsichtigen  Körpern  der  Brechungsexponent 
für  rote  Strahlen  kleiner  ist  als  für  blaue  Strahlen,  so  ist  zu 
erwarten,  daß  für  die  verschiedenen  Farben  die  Lichtgeschwindig- 
keiten in  ein  und  demselben  Körper  umgekehrt  proportional  mit 
der  Änderung  seines  absoluten  Brechungsindex  sein  werden,  falls 
die  Lichtgeschwindigkeit  im  Vacuum  unabhängig  von  der  Farbe 
ist.  Dies  ist  nun  auch  in  der  Tat  direkt  von  Michelson  nach- 
gewiesen, indem  er  beim  Wasser  die  Geschwindigkeit  der  roten 
Strahlen  um  1,4%,  im  Schwefelkohlenstoff  um  2,5%  größer  fand 

Drude,  Lehrbuch  d.  Optik.   2.  Aufl.  8 


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114  Kapitel  L 

als  die  der  blauen  Strahlen.  Dies  stimmt  annähernd  mit  der  Dis- 
persion dieser  Körper. 

Daß  die  Lichtgeschwindigkeit  im  Vacuum  unabhängig  von 
der  Farbe  ist,  folgt  sehr  scharf  aus  dem  Umstände,  daß  bei  Ein- 
tritt oder  Aufhören  der  Verfinsterung  der  Jupitersmonde  dieselben 
nie  farbig  erscheinen;  femer  daraus,  daß  temporäre  Sterne  nicht 
in  einer  bestimmten  Farbenfolge  aufleuchten. 

In  Anbetracht  der  geringen  Dispersion  der  Luft  besteht  in 
ihr  praktisch  kein  Unterschied  der  Fortpflanzungsgeschwindigkeit 
der  verschiedenen  Farben. 

6.  Die  Fortpflanzungsgescliwindigkeit  einer  Wellengruppe. 

Bei  Untersuchung  der  Lichtgeschwindigkeit  in  einem  stark  dis- 
pergierenden  Mittel,  wie  z.  B.  Schwefelkohlenstoff,  ist  indes  noch 
eine  Korrektion  von  Bedeutung,  auf  die  zuerst  Eayleigh  hingewiesen 
hat.  Wie  wir  nämlich  im  nächsten  Kapitel  sehen  werden,  führen 
die  Interferenzerscheinungen  mit  Notwendigkeit  zu  der  Vorstellung, 
daß  das  Licht  in  der  periodischen  Änderung  einer  gewissen  Zu- 
standsgröße  s  im  Äther  oder  im  betreffenden  Körper  bestehe,  die 
in  Anbetracht  der  endlichen  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  in  der 
Form  geschrieben  werden  kann: 

(2)  5  =  ^.5in-^(<  — y). 

Dies  ist  der  Ansatz  für  sogenannte  ebene  Wellen,  welche  sich  nach 
der  X-Achse  mit  der  Geschwindigkeit  V  fortpflanzen.  T  bedeutet 
die  zeitliche  Periode  von  s,  und  von  ihr  [hängt  die  Farbe  des 
Lichtes  ab,  Ä  ist  die  sogenannte  Amplitude,  von  der  die  Lichtstärke 
abhängt.  Zu  unterscheiden  von  der  Fortpflanzungsgeschwindig- 
keit V  der  einzelnen  Welle  ist  die  FortpÖanzungsgeschwindigkeit  U 
eines  Wellenzuges.  Bei  der  Fizeauschen  Methode  z.  B.  wird  durch 
die  Rotation  des  Zahnrades  an  einer  bestimmten  Stelle  g  auf  dem 
Wege  der  Lichtstrahlen  abwechselnd  das  Licht  abgeschnitten  oder 
zugelassen.  Fassen  wir  solch  letzteren  Moment  ins  Auge,  so  wird  g 
trotz  hoher  Rotationsgeschwindigkeit  des  Zahnrades  in  Anbetracht 
der  sehr  kleinen  Periode  T  noch  von  einer  großen  Anzahl  von 
Wellen  getroffen.  Durch  das  Experiment  wird  nun  die  Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeit eines  solchen  Komplexes  von  Wellen  ge- 
messen. —  Wir  können  mathematisch  den  Vorgang  dieses  Experi- 
mentes annähernd  darstellen,  WQun  wir  annehmen,  daß  sich  zwei 
Wellen  gleicher  Amplitude,  aber  von  etwas  verschiedenen  Perioden 


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Die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  des  Lichtes.  115 

7\  und  72,  sowie  verschiedenen  Fortpflanzungsgeschwindigkeiten 
1\  und  Fj  übereinander  lagern.    Man  würde  dann  erhalten 

«  =  ^-{-t(^-»y+-^r:{'-fJ}=  (3) 

wobei  gesetzt  ist: 

Die  Formel  (3)  stellt  nämlich  jetzt  einen  Lichtzustand  der 
Periode  T  mit  periodisch  veränderlicher  Amplitude  dar.  Die 
Periode  To  der  Amplitudenveränderung  würde  sein: 

1  —  1^1 

To  ~  Ti        Ta  *  ^^^ 

To  bestimmt  sich  aus  der  Rotationsgeschwindigkeit  des  Zahnrades 
und  ist  groß  im  Vergleich  mit  7\  oder  7^    Daher  muß  7\  nahezu 
gleich  dem  Werte  von  T2  sein. 
Setzt  man  ferner 

_l-l L  /ß^ 

ToU~  T,V,        T2V2'  W 

80  geht  aus  (3)  hervor,  daß  an  dem  Orte  x  =  /  eine  maximale 
Amplitude  des  Wellenzuges  um  die  Zeit  l :  ü  später  eintritt  als 
am  Orte  x  =  0.  Daher  ist  U  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit 
des  Wellenzuges,  die  direkt  bei  der  Fizeauschen  Methode  ge- 
messen wird. 

Setzt  man  ^2  =  ^1  +  ^'^u  ^2  =  ^1  +  «^^i»  und  entwickelt 
man  bis  auf  Glieder  erster  Ordnung  in  den  kleinen  Werten  dT^ 
und  dV^,  so  erhält  man  aus  (5)  und  (6): 

In  dieser  Formel  sind  für  7\  und  Tj  mit  der  gleichen  Genauig- 
keit T  und  F,  d.  h.  die  Periode  und  Fortpflanzungsgeschwindigkeit 
der  einzelnen  Welle,  einzusetzen. 

Die  Formel  (7)  lehrt,  daß  die  Geschwindigkeit  U  des  Wellen- 
zuges, wie  sie  direkt  beobachtet  wird,  etwas  kleiner  als  die  eigent- 
liche Lichtgeschwindigkeit  V  ist,  da  in  allen  durchsichtigen 
Körpern  V  mit  T  wächst.  Die  Korrektion  ist  aber  für  Luft  in 
Anbetracht  der  Kleinheit  von  dVidT  unmerklich,  dagegen  wohl 
merklich  im  stark  dispergierenden  Schwefelkohlenstoff.    Für  diesen 

8* 


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116  Kapitel  11. 

erreicht  die  Korrektion  den  Wert  7,5  ^/o-  Da  nun,  wie  eine  ein- 
gehende Analyse  zeigt,  auch  die  Methode  des  rotierenden  Spiegels 
den  Wert  U  liefert,  so  ist  verständlich,  weshalb  Michelson  die 
Lichtgeschwindigkeit  in  Luft  1,77  mal  größer  fand  als  in  Schwefel- 
kohlenstoff, obwohl  ein  Brechungsindex  nur  das  Verhältnis  1,64 
liefern  würde.  Vergrößert  man  aber  1,64  um  7,5  %,  so  erhält  man 
in  naher  Übereinstimmung  mit  Michelsons  Beobachtung  den  Wert  1,76. 
Auch  die  Römersche  Methode  liefert  den  Wert  U  der  Gruppen- 
geschwindigkeit, während  die  astronomische  Aberration  direkt  V 
liefert  Hier  bestehen  aber  keine  Unterschiede  in  beiden  Größen, 
da  der  Weltraum  keine  Dispersion,  d.  h.  keine  Abhängigkeit  des  V 
von  der  Farbe  besitzt 


Kapitel  IL 

Interferenz  des  Lichtes. 

1.  Allgemeines.  Unter  Umständen  nimmt  man  wahr,  daß 
die  Übereinanderlagerung  zweier  genau  oder  nahezu  paralleler 
Strahlenbündel  nicht  einen  verstärkten  Lichteffekt  ergeben,  sondern 
sich  in  ihrer  Wirkung  stören  können,  so  daß  Dunkelheit  entsteht 
Solche  Erscheinungen  werden  als  Interferenz  des  Lichtes  be- 
zeichnet 

Es  sind  zwei  Gattungen  von  Interferenzerscheinungen  zu  unter- 
scheiden, je  nachdem  die  Strahlenbündel  nur  regelmäßige  Reflexionen 
oder  Brechungen  erfahren  haben,  oder  je  nachdem  sie  von  ihrer 
geraden  Bahn  durch  sogenannte  Lichtbeugung  abgelenkt  sind. 
Nur  erstere  Interferenzerscheinungen  sollen  in  diesem  Kapitel, 
letztere  dagegen  bei  den  Beugungserscheinungen  besprochen  werden. 
Indes  werden  auch  einige  Interferenzerscheinungen  dieses  Kapitels, 
nämlich  die  unter  3.  und  4.  behandelten,  welches  gerade  die  nahe- 
liegendsten Anordnungen  zur  Erzeugung  von  Interferenzen  sind, 
durch  Beugung  etwas  modifiziert,  während  wir  in  5.,  7.,  8.  und  9. 
reine  Interferenzerscheinungen  kennen  lernen  werden,  d.  h.  solche, 
bei  welchen  gar  keine  Lichtbeugung  vorkommt 

2.  Hypothesen  über  die  Natur  des  Lichtes.  Die  Vorstellungen 


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Interferenz  des  Lichtes.  117 

von  der  Natur  des  Lichtes  und  die  daran  anknüpfenden  mathe- 
matischen Erörterungen  haben  sich  im  Laufe  der  Zeit  mehrfach 
verändert.  Solange  man  noch  nichts  von  der  ünzerstörbarkeit  der 
Energie  wußte,  wurde  jedes  Agens,  welches  ein  gewisses  Vermögen 
zeigte,  sich  fortzubewegen  und  unter  wechselnden  Bedingungen 
fortzubestehen,  als  eine  Substanz  betrachtet  Die  geradlinige  Be- 
wegung des  Lichtes  unterstützte  diese  Auffassung;  denn  das  Licht 
kann  in  seinen  Wegen  zwar  aufgehalten  werden,  geht  aber,  wenn 
kein  Hindernis  entgegensteht,  im  allgemeinen  in  gerader  Linie  weiter. 
Es  lag  nahe,  dieses  Verhalten  als  Folge  der  Trägheit  eines  mate- 
riellen Körpers  aufzufassen.  Daher  stellte  Newton  die  Emissions- 
theorie des  Lichtes  auf,  nach  der  das  Licht  aus  kleinen  mate- 
riellen Teilchen  besteht,  die  mit  sehr  großer  Geschwindigkeit 
von  den  leuchtenden  Körpern  ausgestoßen  werden  und  in  gerader 
Linie  durch  den  Raum  hinfliegen.  Zur  Erklärung  der  Brechung 
mußte  man  annehmen,  daß  die  stärker  brechenden  Körper  eine 
größere  Anziehungskraft  auf  die  Lichtkörperchen  ausüben,  so  daß 
in  dem  Moment,  wo  ein  solches  Teilchen  in  schräger  Richtung 
an  der  Oberfläche  eines  dichteren  Mediums  anlangt,  es  eine  An- 
ziehung erleidet,  welche  der  zur  Oberfläche  senkrechten  Komponente 
seiner  Geschwindigkeit  einen  größeren  Wert  gibt,  und  dadurch 
die  Richtung  seiner  Bahn  dem  Einfallslot  nähert.  Es  müßte  also 
danach  die  Geschwindigkeit  des  Lichtes  im  stärker  brechenden 
Körper  größer  sein  als  in  seiner  Umgebung.  —  Bildet  dieser 
Punkt  schon  eine  Widerlegung  der  Emissionstheorie  —  denn  wir 
haben  oben  S.  113  gesehen,  daß  die  Lichtgeschwindigkeit  im  Wasser 
kleiner  ist  als  in  Luft  — ,  so  häufen  sich  die  Schwierigkeiten  bei  der 
Erklärung  der  Interferenzerscheinungen  vom  Standpunkt  der  Emis- 
sionstheorie noch  ins  Ungeheure.  Gerade  die  Interferenzerscheinungen 
sind  eine,  man  möchte  fast  sagen  direkte  Bestätigung  einer  wesent- 
lich anderen  Hypothese  über  die  Natur  des  Lichtes,  nämlich  der 
von  Huygens  ausgebildeten  Undulationstheorie. 

Nach  dieser  Theorie  werden  dem  Lichte  ähnliche  Eigenschaften 
wie  dem  Schalle  beigelegt:  Es  soll  in  der  periodischen  Änderung 
einer  gewissen  Zustandsgröße  s  des  lichtdurchstrahlten  Körpers 
(oder  leeren  Raumes)  bestehen,  welche  sich  mit  endlicher  Geschwin- 
digkeit fortpflanzt,  so  daß,  wenn  man  die  Änderungen  von  «  auf 
der  Bahn  eines  Lichtstrahles  geometrisch  durch  eine  Strecke  dar- 
stellt, die  Endpunkte  derselben  zu  irgend  einer  Zeit  auf  einer 
wellenförmigen  Kurve  liegen  würden. 


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118  Kapitel  II. 

Worin  diese  Zustandsgröße  s  besteht,  deren  periodische 
Änderung  das  Wesen  des  Lichtes  ausmacht,  können  wir  vorläufig 
ganz  unentschieden  lassen.  Bei  den  sogenannten  mechanischen 
Lichttheorien  wird  der  Raum  mit  einem  feinen  elastischen  Stoffe, 
dem  Äther,  erfüllt  gedacht,  und  s  wird  als  Verrückung  der  Äther- 
teilchen aus  ihrer  Gleichgewichtslage  interpretiert  Eine  solche 
spezielle  Annahme  ist  aber  zunächst  gar  nicht  nötig.  Es  genügt, 
wenn  wir,  um  die  Lichterregung  durch  eine  Quelle  Q  an  einer  be- 
liebigen Stelle  P  des  durchstrahlten  Raumes  analytisch  darzustellen, 
die  periodische  Veränderlichkeit  einer  Zustandsgi-öße  s  am  Orte  P 
einführen  durch  die  Formel: 

(1)  8  =  Äsin(^2jt^  +  6), 

wobei  t  die  Zeit  bedeutet,  während  A,  T  und  6  Konstanten  sind. 
Ä  ist  die  sogenannte  Amplitude,  T  die  Periode  des  Lichtzustandes  «. 
Letztere  variiert  mit  der  Farbe  des  Lichtes,  von  ersterer  hängt  die 
Lichtwirkung  JO  an  der  Stelle  P,  auf  welche  sich  s  bezieht,  also 
z.  B.  die  Beleuchtungsstärke  eines  dort  angebrachten  Schirmes,  ab, 
und  zwar  können  wir  setzen 

(2)  J=Ä\ 

Aus  jeder  Theorie  des  Lichtes  ergibt  sich  nämlich,  daß  die 
Amplitude  Ä  des  von  einer  punktförmigen  Quelle  ausgebreiteten 
Lichtes  umgekehrt  proportional  zu  der  Entfernung  r  von  der 
Quelle  Q  ist  Da  nun  erfahrungsmäßig  die  Beleuchtungsstärke 
umgekehrt  proportional  zu  r^  ist  (vgl.  oben  S.  73),  so  ist  die  Licht- 
wirkung (Intensität)  /durch  das  Quadrat  der  Amplitude  dargestellt 

Wenn  sich  das  Licht  von  dem  Punkte  P  nach  einem  um  r 
entfernten  Punkte  P'  mit  der  Geschwindigkeit  V  fortpflanzt,  so 
braucht  es  zum  Durcheilen  der  Strecke  r  die  Zeit  <'=  r :  F.  Wenn 
also  der  Lichtzustand  in  P  durch  (1)  dargestellt  ist,  so  wäre  er  in  P' 
gegeben  durch 

(3)  8  =  A'  8in  (2jt  ^-^f^'  +  ö) , 

denn  s  ist  zu  einer  um  r/F  späteren  Zeit  allemal  in  demselben 
Schwingungszustand,  z.  B.  Nulllage,  wie  s  im  Punkte  P.     Der 


1)  Diese  LichtwirkuDg  wird  auch  kurz  als  Intensität  des  Lichtes  an 
der  Stelle  P  bezeichnet  Zu  unterscheiden  von  diesem  Begriff  ist  der  oben 
S.  76  definierte  Begriff  der  Intensität  i  der  Lichtquelle  Q, 


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Interferenz  des  Lichtes.  119 

Schwingungszustand,  d.  h.  das  Argument  der  periodischen  Funktion, 
wird  die  Phase  des  Lichtes  genannt. 

Wenn  sich  von  einer  punktförmigen  Lichtquelle  Q  aus  das 
Licht  gleichförmig  nach  allen  Seiten  ausbreiten  kann,  so  gilt  offen- 
bar der  Ansatz  (3)  für  jeden  Punkt  P',  der  die  Entfernung  r  von 
Q  besitzt.  Irgend  eine  um  Q  als  Zentrum  .beschriebene  Kugel- 
fläche enthält  also  nur  Punkte  gleicher  Phase.  Solche  Flächen,  die 
Punkte  gleicher  Phase  verbinden,  heißen  Wellenflächen.  Die 
von  einer  punktförmigen  Lichtquelle  Q  sich  ausbreitenden  Wellen- 
flächen sind  also  konzentrische  Kugelflächen,  die  von  Q  austretenden 
Lichtstrahlen  sind  die  Eadien  dieser  Kugelflächen,  stehen  also 
senkrecht  auf  ihnen.  Je  weiter  man  sich  von  Q  entfernt,  um  so 
ebener  werden  die  Wellenflächen  und  um  so  paralleler  die  Licht- 
strahlen. Ein  Parallelstrahlbündel  hat  also  senkrecht  zu  den 
Strahlen  verlaufende,  einander  parallele,  ebene  Wellenflächen 
(Wellenebenen).  Solche  Wellen  bezeichnet  man  daher  auch  kurz 
als  ebene  Wellen.  Sie  entstehen,  wenn  die  Lichtquelle  Q  un- 
endlich weit  entfernt  ist,  oder  wenn  sich  Q  in  dem  Brennpunkte 
einer  Sammellinse  befindet,  wodurch  die  austretenden  Strahlen 
parallel  gemacht  werden. 

Führt  man  die  Bezeichnung  ein: 

T'V=X,  (4) 

so  wird  (3)  zu 

8  =  Ä  sin  ^2jt  (y  —  x)  +  ^] »  (5) 

d.  h.  bei  bestimmter  Zeit  ist  s  hinsichtlich  r  periodisch  mit  der 
Periode  X.  Diese  Periode  X^  mit  der  sich  also  zu  irgend  einer 
bestimmten  Zeit  alle  möglichen  Phasen  stets  wiederholen,  wird  die 
Wellenlänge  des  Lichtes  genannt. 

Die  Tabelle  auf  S.  120  gibt  die  Wellenlängen  in  Luft  für 
verschiedenes  Licht  und  die  angrenzenden  Gebiete  der  Äther- 
schwingungen an.  Diese  Werte  sind  aus  Interferenz- oder  Beugungs- 
erscheinungen ermittelt. 

Nach  der  Wellentheorie  ergibt  sich,  wie  wir  sehen  werden, 
die  Erklärung  von  Interferenzerscheinungen  in  der  einfachsten 
Weise.  Dagegen  macht  es  bedeutende  Schwierigkeiten,  die  gerad- 
linige Ausbreitung  des  Lichtes  zu  erklären;  gerade  die  Analogie 
mit  dem  Schall  weist  ja  auch  auf  einen  scheinbaren  Widerspruch, 
denn  der  Schall  pflanzt  sich  nicht  geradlinig  fort.  Diese  Schwierig- 
keiten sollen  erst  im  nächsten  Kapitel  näher  behandelt  und  gehoben 


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120  Kapitel  it 

Wellenlängen: 


Lichtart 


X  in  mm 


0,000100 


0,000185 
0,000330 


Äußerstes  ultraviolettes  Licht,  in  Vacuumcamera  photographiert  >) 
Äußerstes  ultraviolettes   Licht,    ohne  Vacuumcamera   photo- 
graphiert   

Blaues  Ende  des  sichtbaren  Lichtes 

Blaue  Wasserstoflflinie 0,000486 

Natriumlinie 0,000589 

Rote  Wasserstofflinie 0,000656 

Rotes  Ende  des  (ausnahmsweise)  sichtbaren  Lichtes    .    .    .    •     i     0,000812 

Längste  bisher  nachgewiesene  WarmeweUen^) |     0,06 

Kürzeste  elektrische  Wellen  ') 6 

werden.  Die  Analogie  mit  dem  Schall  ergibt  auch  noch  andere 
Widersprüche,  die  die  Erklärung  der  sogenannten  Polarisations- 
erscheinungen der  Wellentheorie  zunächst  entgegenstellt  und  die 
lange  Zeit  die  Wellentheorie  trotz  ihrer  einfachen  Erklärung  der 
Interferenz  nicht  zur  allgemeinen  Anerkennung  haben  kommen 
lassen,  bis  daß  man  diese  Widersprüche  dadurch  heben  konnte, 
daß  man  eine  engere  Analogie  mit  den  Schallerscheinungen  fallen 
ließ.  Auf  diesen  Punkt  soll  ebenfalls  erst  später  eingegangen  werden. 
Hier  möge  aber  zunächst  noch  kurz  darauf  hingewiesen  werden, 
wie  nach  der  Wellentheorie  eine  Brechung  zustande  kommt. 

Wenn  eine  ebene  Welle  schief  auf  die  Grenzfläche  eines 
brechenden  Körpers  trifft,  so  muß  die  Wellenebene  zum  Einfalls- 
lot hin  gebrochen  werden,  falls  die  Lichtgeschwindigkeit  im  Körper 
geringer  ist  als  in  seiner  Umgebung,  welche  z.  B.  Luft  sein  möge. 
Denn  wenn  ein  Punkt  Ä  der  einfallenden  Wellenebene  gerade  auf 
der  Grenzfläche  liegt,  so  möge  ein  anderer  Punkt  B  der  Wellen- 
ebene noch  außerhalb  in  der  Luft  liegen.  Wenn  nun  die  Welle 
sich  von  Ä  aus  langsamer  fortpflanzt  als  zunächst  von  B,  so  ist 
klar,  daß  die  Wellenebenen,  welche  ja  diejenigen  Punkte  mit  ein- 
ander verbinden,  nach  denen  sich  das  Licht  in  derselben  Zeit  fort- 
gepflanzt hat,  bei  Eintritt  in  den  brechenden  Körper  geknickt 
werden  müssen,  derart,  daß  die  Normalen  der  Wellenebenen  (die 


1)  V.  Schumann,   Wien.  Ber.   (U)   102,   S.  415,  625;   1893.  —  Eders 
Jahrb.  10,  S.  42,  1896. 

2)  H.  Kubens  u.  E.  Aschkinass,  Wied.  Ann.  65,  S.  241,  1898. 
3)P.  Lebedew,  Wied.  Ann.  5(3,  S.  1,  1895. 


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Interferenz  des  Lichtes.  121 

Lichtstrahlen)  zum  Einfallslot  hin  gebrochen  werden.  Aus  der 
Wellentheorie  ergibt  sich  also  in  Übereinstimmung  mit  der  Er- 
fahrung, daß  die  Lichtgeschwindigkeit  im  Wasser  kleiner  sein 
muß  als  in  Luft.  —  Die  genauere  Bestimmung  der  Lage  der  ge- 
brochenen Wellenebenen  soll  erst  später  bei  Besprechung  des 
Huygensschen  Prinzipes  und  strenger  im  I.  Kapitel  des  11.  Ab- 
schnittes abgeleitet  werden.  Nur  soll  gleich  hier  ein  wichtiges 
Resultat  vorangestellt  werden:  Der  Brechungsexponent  beim 
Übergang  des  Lichtes  von  einem  Medium  A  zu  einem 
Medium  B  ist  gleich  dem  Verhältnis  der  Lichtfortpflan- 
zungsgeschwindigkeiten in  A  und  B, 

Wir  hatten  oben  S.  9  gesehen,  daß  die  Fundamentalsätze  der 
geometrischen  Optik  sich  gemeinsam  in  dem  Prinzip  vom  aus- 
gezeichneten Lichtweg  zusammenfassen  lassen.  Dasselbe  gewinnt 
nach  den  Vorstellungen  der  Wellentheorie  eine  besonders  anschau- 
liche Bedeutung:  Da  der  Brechungsexponent  n  eines  Körpers  gegen 
Luft  umgekehrt  proportional  zur  Lichtgeschwindigkeit  im  Körper 
ist,  so  ist  der  optische  Weg  rd  proportional  der  Zeit,  welche  das 
Licht  zum  Durchlaufen  der  Strecke  /  braucht.  Der  Satz  vom  aus- 
gezeichneten Lichtweg  besagt  also,  daß  das  Licht  zwischen  zwei 
beliebigen  Punkten  P  und  P'  denjenigen  Weg  wählt,  für  den  alle 
unendlich  nahe  benachbarten  Wege  vom  Licht  in  derselben  Zeit 
durchmessen  werden.  Der  (speziellere)  Satz  vom  kürzesten  Licht- 
weg drückt  sich  also  hier  aus  als  Satz  von  der  schnellsten 
Ankunft  des  Lichtes. 

Man  kann  sich  demnach  die  Ausbildung  eines  bestimmten 
Strahlenganges  vom  Standpunkte  der  Wellentheorie  folgender- 
maßen denken:  Von  P  pflanzen  sich  nach  P'  Elementarstörungen 
auf  allen  möglichen  Wegen  fort.  Sie  gelangen  aber  im  allgemeinen 
in  P'  zu  verschiedenen  Zeiten  an,  so  daß  die  Phasen  der  einzelnen 
Elementarstörungen  in  P'  nicht  übereinstimmen  und  daher  keine 
kräftige  Summenwirkung  erzielen.  Eine  solche  wird  aber  sofort 
entstehen,  sowie  für  ein  unendlich  dünnes  Strahlenbündel  die  Fort- 
pflanzungszeit zwischen  P  und  P'  die  gleiche  ist,  so  daß  die 
Elementarstörungen  in  P'  die  gleiche  Phase  besitzen.  Ein  solches 
unendlich  dünnes  Strahlenbündel  bezeichnet  daher  den  tatsächlich 
stattfindenden  Strahlengang,  d.  h.  die  Lichtwirkung  in  P'  wird 
abgeschnitten  durch  Hindernisse,  die  man  in  den  Weg  eines  solchen 
Strahlenbündels  stellt. 

Wenn  auch  diese  Überlegungen  sehr  einleuchtend  sind,  so 


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122  Kapitel  II. 

ist  ihre  Beweiskraft  doch  nicht  so  groß,  daß  man  nicht  die  Funda- 
mentalgesetze der  geometrischen  Optik,  z.  B.  den  Satz  der  gerad- 
linigen Ausbreitung  des  Lichtes,  noch  auf  eine  strengere  analytische 
Basis  stellen  müßte.  Es  muß  vor  allem  die  Frage  gelöst  werden: 
Weshalb  besteht  ein  Unterschied  in  den  Ausbreitungsgesetzen  des 
Lichtes  und  des  Schalles,  obwohl  doch  beide  Wellenbewegungen 
sind?  Diese  Frage  soll  aber  erst  im  nächsten  Kapitel  gelöst  werden. 

Anstatt  daß  man  an  den  Strahlengang  anknüpft,  um  die  Licht- 
wirkungen bei  Anwesenheit  irgend  welcher  brechender  oder  reflek- 
tierender Körper  zu  berechnen,  kann  man  vom  Standpunkte  der 
Wellentheorie  auch  an  die  Deformation  der  Wellenfläche  an- 
knüpfen, welche  durch  den  Körper  herbeigeführt  wird.  Bei  einer 
punktförmigen  Lichtquelle  P  sind  z.  B.  die  Wellenflächen  in  der 
Umgebung  von  P  Kugelflächen.  Soll  eine  homozentrische  Strahlen- 
vereinigung in  P'  durch  Brechung  in  einer  Linse  erreicht  werden, 
so  müssen  die  Wellenflächen  nach  dem  Durchtritt  durch  die  Linse 
konzentrische  Kugelflächen  mit  dem  Zentrum  P'  sein. 

Da  die  Lichtstrahlen  die  Normalen  der  Wellenfläche  sind,  so 
ergibt  sich  der  Malussche  Satz  (vgl.  oben  S.  13)  vom  Standpunkt 
der  Wellentheorie  von  selbst,  sowie  man  berücksichtigt,  daß  irgend 
welche  Eeflexionen  und  Brechungen  nur  den  Effekt  haben,  die 
Wellenflächen  irgendwie  zu  deformieren. 

3.  Der  Fresnelsche  Spiegelversuch.  Vom  Standpunkte  der 
Wellentheorie  erklären  sich  die  Interferenzerscheinungen  des  Lichtes 
sofort  durch  das  Prinzip  der  Superposition  mehrerer  Störungen  des 
Lichtzustandes  s.  Wenn  eine  Lichtquelle  Qi  in  einem  Punkte  P 
die  Lichterregung 

(6)  ^1  =  A,  sin  2n  [^  -  ^j 

hervorbringt,  eine  Lichtquelle  Q^  dagegen  in  demselben  Punkte  P 
die  Lichterregung: 

(7)  s^=-A<^sin2jt{^  —  ^'], 

so  ist  nach  dem  Prinzip  der  Superposition,  das  anwendbar  ist,  falls 
die  von  Q^  bezw.  O2  i^ach  P  gehenden  Lichtstrahlen  nur  eine  geringe 
Neigung  gegeneinander  haben,  ^)  die  resultierende  Lichterregung 

(8)  5  =  ^1  +  «2. 

1)  Daß  diese  Beschränkang  notwendig  ist,  erkennt  man  deutlich  aus 
den  späteren  Entwickelungen,  in  denen  nachgewiesen  wird^  daß  der  Licht' 
zustand  s  eine  gerichtete  Größe  (ein  Vektor)  ist. 


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Interferenz  des  Lichtes.  123 

Man  kann  nun  diese  Snmme  in  die  Form  bringen 

s  =  Asin(^2jt^-d),  (9) 


wenn  man  nämlich  setzt: 


A  C08  6  =  Ax  C08  2jt^  •■{-  A2  cos  2jtj, 
A  sin  6  ^=  Aisin  2jt^j  +  -^2  ^^  ^^?* 


(10) 


Die  Größe -4  bedeutet  die  Amplitude  der  resultierenden  Lichterregung. 

Durch  Quadrieren  und  Addieren  dieser  beiden  Gleichungen  (10) 

erhält  man  die  Intensität  des  resultierenden  Lichtes  im  Punkte  P  zu 

J=A^  =  Ai^  +  A^  +  2A^A2  CCS  2jt  {p-^)  •  (11) 

Die  Größe  2x^^^-  =  A  bedeutet  nach  (6)  und  (7)  die  Phasen- 

diflferenz    der  Einzelerregungen  und  man  kann  den  Inhalt  der 
Formel  (11)  allgemein  in  die   geo- 
metrische Form  kleiden  (vgl.  Fig.  46):  ^^^.^..^-^ 

Die  resultierende  Amplitude  A  ^.^-^-^-'^^^'^'^^^^^^ 

ist  gleich  der  dritten  Seite  eines -^^^  ^^^ 

aus  den  Einzelamplituden^di  und  ^» 

Ai    mit    äem    Einschlußwinkel  ^'^' 

üt—A  konstruierten  Dreiecks,  wobei  J  die  Phasendifferenz 

zwischen  den  beiden  Einzelerregungen  ist 

Aus  diesem  Satze  ergibt  sich,  daß  je  nach  der  Phasen- 
differenz A  Maxima  und  Minima  der  Lichtintensität  zu  erwarten 
sind,  erstere  für  J  =  ö,  ±  2üt,  ±_  4jt  usw.,  letztere  für  ^  =  ±  Jt, 
±  3jt  usw.  Völlige  Dunkelheit  muß  in  den  Minimis  eintreten, 
falls  noch  A^  =  A2  ist 

Bei  dem  Fresnelschen  Spiegelversuch  werden  nun  diese  Ver- 
hältnisse dadurch  realisiert,  daß  von  einer  Lichtquelle  Q  durch 
Reflexion  an  zwei  sehr  schwach  gegeneinander  geneigten  Spiegeln 
S  und  S'  zwei  virtuelle  Lichtquellen  O2  ^^^  Qi  abgeleitet  werden. 
In  dem  von  diesen  beiden  Lichtquellen  gemeinsam  erleuchteten 
Räume  ^)  treten  Interferenzen  auf  Nach  obiger  Rechnung  herrscht 
in  einem  Punkte  P  dann  Dunkelheit,  falls 

ri-r2  =  ±^±^  usw.  (12) 


1)  Dieser  Interferenzraum  wird  wesentlich  kleiner,  wenn  ein  Spiegel  S 
etwas  vorsteht  vor  dem  anderen  Spiegel  S\  Daher  ist  darauf  zu  achten,  daß 
die  Spiegel  mit  ihren  Kanten  genau  aneinander  anschließen. 


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124 


Kapitel  IL 


ist  Beschränken  wir  uns  hinsichtlich  der  Punkte  P  auf  eine  zu 
QyQ^  parallele  Linie  (vgl.  Figur  47)  und  nennen  wir  d  die  Distanz 
zwischen  Q^  und  Q^,  a  den  Abstand  der  Linie  d  von  der  Linie 
der  P,  und  p  den  Abstand  eines  Punktes  P  von  einem,  der  Mitte 
von  Ol  und  Q^  gegenüber  liegenden  Punkte  Po,  so  ist 

n'  =  «'  +  a^+i^)^     r^^  =  a'^  +  {\d^p)\ 
d.  h.  ri2  —  ri^  =  (rj  +  r^  (r^  —  r^  =^  2dp, 

oder,  da  r^  +  r^  sehr  nahe  gleich  2a  ist,  wenn  p  und  d  klein 
gegen  a  sind,  so  folgt: 

r^  —  r2  =  dp  :  a, 
d.  h.  es  tritt  Dunkelheit  ein  an  den  Stellen: 


(13) 


P  =  ± 


2' 


,    a     3X       .    a     5X 
+  --ir,    ±ii'-ö  USW. 


d      2 


d      2 


Auf  einem  in  der  Distanz  a  von  der  Linie  d  gehaltenen  Schirme 
werden  demnach  bei  homogener  Beleuchtung  (einheitlichem  X) 
Interferenzfransen  auftreten,  die  den  konstanten  Abstand  aX :  d  von- 
einander besitzen. 

Bei  Beleuchtung  mit  weißem  Licht  entstehen  auf  dem  Schirme 
farbige  Fransen,  da  die  verschiedenen  im  weißen  Licht  enthaltenen 
Farben  wegen  der  Verschiedenheit  ihrer  Wellenlängen  an  ver- 


Fig.  47. 

schiedenen  Stellen  des  Schirmes  maximale  Helligkeit  bezw.  Dunkel- 
heit erzeugen.  Nur  im  mittleren  Punkte  Po  entsteht  keine  Farbe, 
da  in  ihm  für  alle  Farben  maximale  Lichtstärke  besteht  (r^  —  r2=0). 
Der  Abstand  d  beider  virtueller  Lichtquellen  berechnet  sich 
aus  der  Lage  der  wirklichen  Lichtquelle  Q  zu  den  Spiegeln  und 
der  Neigung  derselben  gegeneinander.  Diese  Neigung  muß  sehr 
gering  sein  (wenige  Bogenminuten),  damit  d  so  klein  wird,  daß 
die  Interferenzfransen  deutlich  voneinander  getrennt  sind.    Da  in 


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Interferenz  des  Lichtes.  125 

(13)  nur  das  Verhältnis  a :  d  vorkommt,  so  braucht  man  nur  den 
Winkel  zu  messen,  unter  dem  von  der  Beobachtungsstelle  Po  aus 
die  beiden  Bilder  Oi  und  O2  erscheinen. 

Anstatt  daß  man  die  Interferenzflgur  auf  einem  Schirme  auf- 
fängt, kann  man  sie  auch  ohne  denselben  mit  Hilfe  einer  Lupe 
betrachten,  oder  auch  mit  dem  Auge  direkt,  wenn  man  dasselbe 
in  den  Gang  der  von  d  und  Q2  ausgehenden  Strahlen  bringt,  und 
auf  einen  Punkt  Pim  Abstand  a  von  den  Lichtquellen  akkommodiert.  0 
Figur  48  zeigt  eine  Anordnung,  mit  deren  Hilfe  man  quantitative 
Messungen,  z.  B.  die  Wellenlängenbestimmung,  ausführen  kann: 


Fig.  48. 


Eine  Zylinderlinse  /  erzeugt  von  einer  Lampe  eine  reelle  Lichtlinie. 
Dieselbe  dient  als  Lichtquelle  Q  und  läßt  Strahlen  auf  die  beiden 
Spiegel  S  und  S'  fallen,  deren  Berührungskante  parallel  zur  Achse 
der  Zylinderlinse  gerichtet  wird.  Senkrecht  zu  den  Spiegeln  ist  noch 


1)  Wenn  man  nämlich  mit  oder  ohne  Lupe  am  einen  Punkt  P  akkommo- 
diert, so  gelangen  die  beiden  interferierenden  Strahlenbündel  mit  derselben 
Phasendifferenz  zum  Bilde  des  Punktes  P  auf  der  Netzhaut ,  wie  sie  in  P 
selbst  besteht ,  da  für  alle  von  P  ausgehenden  Strahlen  ihre  optische  Länge 
bis  zum  Netzhautbilde  dieselbe  ist.  Es  ist  daher  auch  auf  der  Netzhaut  die 
Beleuchtungsstärke  gleich  Null,  wenn  sie  es  auf  einem  in  P  befindlichen 
Schirme  sein  wurde. 


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126  Kapitel  11. 

ein  Schirm  zur  Abhaltung  des  direkt  von  Q  kommenden  Lichtes 
befestigt  Die  Interferenzfransen  werden  mit  der  mit  Fadenkreuz 
versehenen  Lupe  L  beobachtet,  die  Lupe  ist  mit  Hilfe  der  Mikro- 
meterschraube K  verschiebbar. 

Es  ist  die  Frage,  ob  man,  anstatt  durch  Spiegelung  von  einer 
Lichtquelle  zwei  benachbarte  herzustellen,  nicht  Interferenzen 
dadurch  einfacher  erzeugen  kann,  daß  man  dicht  vor  eine  aus- 
gedehntere Lichtquelle  einen  Schirm  mit  zwei  nahe  benachbarten 
Löchern  stellt,  welche  dann  als  Lichtquellen  wirken. 

In  diesem  Falle  erhält  man  aber  keine  Interferenz,  auch  wenn 
man  eine  homogene  Farbe,  z.  B.  eine  durch  Kochsalz  gefärbte 
Alkoholflamme  benutzt  Wenn  nämlich  zwei  Lichtquellen  inter- 
ferieren sollen,  so  müssen  ihre  Phasen  zu  jeder  Zeit  entweder  genau 
übereinstimmen,  oder  mindestens  eine  konstante  Differenz  besitzeu. 
Man  pflegt  solche  Lichtquellen  als  kohärente  zu  bezeichnen. 
Man  erhält  dieselben  stets,  wenn  aus  einer  ursprünglichen  Licht- 
quelle durch  irgend  welche  optische  Anordnungen  zwei  abgeleitet 
werden.  Bei  inkohärenten  Lichtquellen  dagegen,  wie  sie  zwei 
verschiedene  Punkte  einer  Flamme  sind,  ist  zwar  die  Phasen- 
differenz für  eine  große  Anzahl  von  Perioden  konstant,  da  wir 
weiter  unten  sehen  werden,  daß  eine  Lichtquelle  homogener  Farbe 
eine  große  Anzahl  Schwingungen  mit  vollkommen  konstanter 
Periode  ausführt,  indes  treten  doch  Unregelmäßigkeiten  der 
Schwingung  auf  innerhalb  sehr  kurzer  Zeiten,  die  im  Auge  noch 
keine  getrennten  Lichteindrücke  hervorrufen.  Daher  variiert  bei 
inkohärenten  Lichtquellen  ihre  Phasendifferenz  innerhalb  solcher, 
über  viele  Millionen  von  Schwingungen  sich  erstreckender  Zeiten. 
Dies  verhindert  das  Auftreten  von  Interferenzen. 

Wie  schon  oben  (S.  116)  bemerkt  wurde,  ist  bei  diesem  einfachen 
Interferenzversuch  Beugung  des  Lichtes  nicht  ganz  ausgeschlossen. 
Sämtliche  Begrenzungen  der  Spiegel  können  dazu  Veranlassung 
geben,  namentlich  aber  die  Kante,  in  der  sie  sich  berühren.  Um 
diesen  Einfluß  zu  vermeiden,  empfiehlt  sich  eine  erhebliche  Neigung 
des  einfallenden  Lichtes  gegen  die  Spiegel  (45^  zum  Beispiel),  sowie 
Beobachtung  in  größerer  Distanz  von  denselben.  Auch  darf  die 
Neigung  der  Spiegel  gegeneinander  nicht  zu  klein  genommen 
werden.  Man  erreicht  dadurch,  daß  von  dem  Beobachtungs- 
punkte P  die  Randstrahlen,  welche  von  Qj  bezw.  Q2  ii^ch  der 
Berührungskante  der  Spiegel  zielen,  möglichst  weit  entfernt  sind. 

4.  Modifikationen  des  Fresnelschen  Spiegelversnches.    Die 


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Interferenz  des  Lichtes. 


127 


in  3.  angestellten  Betrachtungen  sind  typisch  für  alle  Fälle,  bei 
denen  man  Interferenzen  erzeugt  durch  Herstellung  zweier  kohä- 
renter Lichtquellen  Qi  und  O2  ^^s  einer  einzigen  0.  Diese  Her- 
stellung kann  noch  in  verschiedenen  anderen  Arten  geschehen. 
So  verwendet  Michelson^)  zwei  unter  nahezu  90®  gegeneinander 
geneigte  Spiegel  und  erreicht  dadurch  den  Vorteil,  daß  keine  be- 
sondere Justierung,  wie  sie  die  Benutzung  des  Fresnelschen  Spiegel- 
apparates so  häufig  erschwert,  erforderlich  ist  Martens^)  benutzt 
ein  nahezu  rechtwinkliges  Prisma.  —  Classen^)  verwendet  zwei 
planparallele,  gleichdicke  Glasplatten,  welche  parallel  zueinander 
mit  etwa  45®  Neigung  gegen  das  einfallende  Licht  aufgestellt 
werden,  doch  wird  die  eine  Platte  um  einen  kleinen  Winkel  gedreht 
um  eine  in  der  Einfallsebene  und  Plattenebene  liegende  Achse. 
Diese  Anordnung  empfiehlt  sich 
für  Demonstrationen  mit  Hilfe 
der  Projektion  für  ein  größeres 
Auditorium. 

Besonders  bequem  ist  das 
Fresnelsche  Biprisma  (vgl. 
Figur  49,  das  Biprisma  ist  im 
Querschnitt  gezeichnet  und 
schraffiert  Das  Licht  fällt  von 
links  ein),  bei  dem  durch 
Brechung  aus  einer  der  Pris- 
menkante B  parallelen  Lichtlinie  Q  zwei  kohärente  Lichtlinien  Q^ 
und  Q2  entstehen. 

Stellt  man  ein  solches  Prisma  mit  vertikaler  Kante  B  auf  das 
Tischchen  eines  Spektrometers,  verwendet  man  ein  Kollimatorrohr 
mit  vertikalem  Spalt  zur  Beleuchtung  (unendlich  entfernte  Licht- 
quelle 0),  und  sieht  man  zunächst  mit  dem  Fernrohre  des  Spektro- 
meters durch  das  Biprisma  zum  Spalt,  so  erblickt  man  zwei  ge- 
trennte Spaltbilder.  Der  Winkel  a,  unter  dem  dieselben  erscheinen. 


Fig.  49. 


1)  A.  A.  Michelson,  Amer.  joum.  of  science  (3)  39,  S.  216,  1890.  — 
Ztßchr.  f.  Instrkde.  11,  S.  141,  1891.  —  Joum.  d.  Phys.  (2)  10,  8.  92,  1891.  — 
Hierüber  und  überhaupt  über  andere  Interferenzanordnungen  vgl.  auch  Winkel- 
manns Handbuch  der  Physik,  11.  Aufl.,  Bd.  VI  (Optik),  Kap.  XXX  (Interferenz 
d.  Lichtes),  S.  878— 1031.    Autor  W.  Feussner. 

2)  F.  F.  Martens,  Verhandl.  d.  deutsch,  phys.  Ges.  4,  8.43,  1902. 

3)  J.  Classen,  Kasseler  Naturforsch.  Vers.  —  12  Vorlesungen  über  Natur 
d.  Lichtes,  Leipzig,  1905,  S.  49.    Sammig.  Göschen. 


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128  Kapitel  IL 

wird  an  der  Spektrometerteilung  abgelesen,  wenn  man  nacheinander 
beide  Spaltbilder  mit  dem  Fadenkreuz  des  Fernrohres  durch  Drehen 
desselben  in  Koincidenz  bringt  Dieser  Winkel  a  ist  der  Supple- 
mentwinkel zu  dem  Winkel  ABC  (vgl.  Figur  49),  den  die  beiden 
gebrochenen  Wellenebenen  AB,  BC  nach  dem  Durchgang  durch 
das  Prisma  miteinander  bilden.  —  Nimmt  man  nun  das  Femrohr 
fort,  so  beobachtet  man  mit  einer  auf  einen  Punkt  P  eingestellten 
Lupe  Interferenz,  wenn  nach  (12)  ist  r^  —  r2  =  ±  */2  ^y  %  ^  i^sw. 
Dabei  sind  r^  und  rj  die  Entfernungen  des  Punktes  P  von  den 
Wellenebenen  AB  bezw.  BC.    Aus  der  Figur  folgt 

r^  =  bsin  {ABP),     r2  =  bsin  {CBP), 
daher 

rj  —  ^2  =  2b  cos  —K-  •  9%n  q>. 

Der  Winkel  q>  ist  sehr  klein,  daher  sin  9)  =  ^9)=j?:a.  Femer  ist 
ABC=^  jt  —  a,  und  da,  wenn  wir  bis  auf  erste  Ordnung  in  g)  gehen^ 
b  =  a  zn  setzen  ist,  und  sin  a  gleich  a  ist,  so  folgt  schließlich 

rj  —  r2  =  a  «jt?. 
Der  relative  Fransenabstand  ist  daher  X:  a,  d.  h.  von  a  un- 
abhängig.   Da  a  mit  dem  Fernrohr  beobachtet  ist,  so  bietet  die 


Fig.  50. 


Messung  des  Fransenabstandes  ein  bequemes  Mittel  zur  Be- 
stimmung von  X. 

Ähnlich  wie  das  Fresnelsche  Biprisma  wirken  die  Billet- 
schen  Halblinsen  (vgl.  Figur  50),  welche  von  einer  Quelle  Q 
zwei  reelle  (oder  virtuelle)  Bilder  erzeugen.  Der  Interferenzraum 
ist  in  der  Figur  schraffiert 

5.  NewtoDsche  Ringe  nnd  Farben  dünner  Blättchen.  Alle 
durchsichtigen  Körper  erscheinen  lebhaft  gefärbt,  wenn  man  sie 
in  genügend  dünne  Schichten  bringt.  Am  leichtesten  läßt  sich 
dies  an  Seifenblasen  zeigen,  auch  die  Farben  dünner  Ölschichten 
auf  Wasser,  oder  die  Anlauffarben  beim  Erhitzen  eines  blanken 
Metallstückes  gehören  hierher. 


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Interferenz  des  Lichtes. 


129 


Diese  Erscheinungen  lassen  sich  sofort  erklären,  sowie  man 
sie  als  Interferenz  des  Lichtes  auffaßt,  welches  an  der  Vorder- 
fläche des  Blättchens  reflektiert  wird,  mit  dem  an  der  Hinterfläche 
reflektierten. 

Betrachten  wir  zunächst  homogenes  Licht,  welches  als  Strahl  AB 
(vgl.  Figur  51)  auf  eine  dünne  planparallele  Platte  der  Dicke  d 
schief  (unter  dem  Einfallswinkel  9p)  einfallt  An  der  Vorderfläche 
der  Platte  wird  der  Strahl  zerlegt  in  einen  reflektierten  BC,  und 
in  einen  gebrochenen  BD,  Letzterer  wird  nun  wiederum  an  der 
Hinterfläche  reflektiert  nach  B^  hin,  und  gelangt  als  Strahl  B'C/ 
aus  der  Platte.  Das  Wesentliche  der  Erscheinung  können  wir 
diskutieren,  wenn  wir  auf  die 
Interferenz  der  beiden  Strahlen 
BC  und  B'C'  achten.  Werden 
dieselben  in  einem  Netzpunkte 
vereinigt,  d.  h.  akkommodiert 
man  auf  Unendlich,  so  nimmt 
man  größte  Dunkelheit  wahr, 
wenn  der  Strahl  BC  um  jt, 
oder  3jr,  oder  5^  usw.  in  der 
Phase  verschieden  ist  vom 
Strahl  B'C'. 

Allerdings  sind  für  eine 
vollständige  Berechnung  der 
reflektierten  Gesamtlichtinten- 
sität auch  noch  die  wieder- 
holten Reflexionen  zu  berück- 
sichtigen, welche  D^B' wiederum 
an  der  Vorderfläche,  B'D'  wiederum  an  der  Hinterfläche  usw.  er- 
leidet. Es  soll  dies  aber  erst  später  (II.  Abschnitt,  Kapitel  II, 
§  11)  geschehen.  Man  kann  aber  von  vornherein  erwarten,  daß 
durch  die  Berücksichtigung  der  wiederholt  reflektierten  Strahlen 
das  Resultat  nicht  wesentlich  geändert  wird,  da  die  Lichtstärke 
dieser  Strahlen  viel  geringer  ist  als  die  der  nur  einmal  reflek- 
tierten Strahlen  BC  und  B'C', 

Wenn  man  nun  von  B^  ein  Lot  B^E  auf  BC  fällt,  so  würden 
die  beiden  Strahlen  BC  und  B'C'  keine  Phasendifferenz  gegen- 
einander besitzen,  wenn  die  Phase  in  B'  dieselbe  wäre  wie  in  E. 
Die  Strahlen  würden  dann  beide  mit  derselben  Phase  in  einem 
Netzhautpunkte  vereinigt   werden.     Die  Phasendifferenz  in   den 

Drnde,  Lehrbuch  d.  Optik.   2.  Aufl.  9 


Fig.  51. 


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130  Kapitel  II. 

Punkten  E  und  B'  ist  daher  identisch  mit  der  Phasendifferenz 
der  Strahlen  BG  und  E^(f. 

Die  Phasendifferenz  zwischen  B'  und  E  ist  aber: 

wenn  mit  X'  die  Wellenlänge  des  Lichtes  in  der  Platte,  mit  i  die 
Wellenlänge  in  der  Umgebung  bezeichnet  wird.  Nun  ist,  falls  mit 
X  der  Brechungswinkel  bezeichnet  wird 

BD  =  EfD  =  dicos  X,    BE  =  BE^  '  sin  <p  =  2d  •  ig  X'  «^  <Pf 
ferner  2  :  A'  =  n  (Brechungsindex  der  Platte  gegen  Umgebung). 
So  wird  daher 

^        2n .  2d  {    1  ^      sin  «p\ 

oder,  wenn  man  nach  dem  Brechungsgesetz  sin  <p==  nein x  setzt: 
(14)  A= — j — cosx^ 

Dieser  Ausdruck  ist  aber  noch  durch  ein  wesentliches  Zusatz- 
glied  zu  korrigieren.  (14)  gibt  die  Phasendifferenz  an,  wie  sie  in 
den  beiden  Strahlen  BC  und  BlCf  durch  verschieden  lange  optische 
W«  ge  entstanden  ist.  Es  besteht  aber  noch  ein  anderer  Unter- 
schi d  zwischen  beiden  Strahlen:  BG  hat  eine  Reflexion  erlitten 
bei  Übergang  des  Lichtes  von  Luft  zur  Platte,  BtCf  dagegen  bei 
Üb^'Tgaug  von  Platte  zu  Luft.  Schon  mit  dem  Vorgang  der  Eeflexion 
wird  im  allgemeinen  eine  Phasenänderung  verknüpft  sein;  da  die 
R  fl  xion  der  beiden  Strahlen  BG  und  llcf  nun  aber  unter  ver- 
schi  denen  Umständen  erfolgt,  so  kommt  zu  der  durch  (14)  aus- 
g  drückten  Phasendifferenz  noch  eine  Größe  zf  hinzu,  welche 
lediglich  durch  die  Reflexionen  an  sich,  unabhängig  von  der 
W  glänge  der  Strahlen,  entstanden  ist  Wir  werden  demnach 
schreiben: 

(IT))  J  =  2  jr  •  y-  C05  X  +  ^• 

über  diese  Größe  A  können  wir  eine  bestimmte  Aussage 
machen,  ohne  uns  in  die  Theorie  des  Lichtes  weiter  vertiefen  zu 
müssen.  Nahmen  wir  einmal  den  Fall  an,  daß  die  Dicke  d  der 
Platte  allmählich  zur  Grenze  d  =  0  übergeht.  Nach  (14)  würden 
wir  dann  k  ine  Phasendiffarenz  zwischen  beiden  Strahlen  BG  und 
//(/  erhalt  ^.n,  sie  müßten  also  sich  gegenseitig  verstärken.  Dies 
kann  aber  nicht  eintreten,  weil  eine  Platte  der  Dicke  d  =  0  über- 
haupt nicht  mehr  vorhanden  ist,  die  Homogenität  des  Raumes 


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Interferenz  des  Lichtes.  131 

würde  gar  nicht  mehr  gestört  werden,  (wenn  wir  annehmen,  was 
wir  tun  wollen,  daß  das  Medium  oberhalb  und  unterhalb  der 
Platte  das  gleiche,  z.  B.  Luft,  ist),  und  daher  kann  dann  überhaupt 
kein  reflektiertes  Licht  entstehen.  Denn  dasselbe  ist  immer  nur 
dann  möglich,  wenn  eine  Störung  der  Homogenität  des  Raumes 
vorhanden  ist,  sonst  würde  sich  ja  Licht  nie  ungeschwächt  durch 
einen  homogenen,  durchsichtigen  Raum,  wie  z.  B.  das  Vacuum  ist, 
fortpflanzen  können.  —  Für  d  =  0  muß  also  völlige  Interferenz 
der  beiden  Strahlen  BG  und  E^(f  eintreten,  so  daß  wir  überhaupt 
kein  reflektiertes  Licht  erhalten.  Da  in  diesem  Falle  (d  =  0) 
/i  =  ±jt  sein  muß,  so  ergibt  dies  nach  (15)  für  /f  die  Bedingung: 

^  =  ±jc.  (16) 

Ob  wir  J  =  +  jr,  oder  —  jt,  oder  +  3:7r  u.s.w.  annehmen,  ist  für 
diese  Betrachtungen  ganz  gleichglütig,  da  die  Zufügung  von  2jt  zu 
der  Phase  eines  Strahles  keinerlei  Änderung  in  seinem  Schwingungs- 
zustande und  seiner  Natur  hervorbringt. 

In  Rücksicht  auf  (16)  finden  wir  also  nach  (15)  größts  Dunkel- 
heit für  den  Fall,  daß  ist: 

^co8x=i\  1,  2,  ...  (17) 

Im  durchgehenden  Lichte  muß  die  Platte  ebenfalls  Interferenz- 
wirkung zeigen.  Da  durch  Absorption  kein  Licht  in  der  Platte 
verloren  gehen  soll,  so  muß  das  durchgehende  Licht  die  volle 
Intensität  des  einfallenden  Lichtes  haben,  wenn  das  reflektierte 
Licht  die  Intensität  Null  hat.  Dagegen  muß  das  durchgehende 
Licht  maximale  Schwächung  zeigen,  falls  das  reflektierte  Licht  ein 
Maximum  der  Intensität  zeigt.  Dies  tritt  ein  für  Plattendicken  d, 
welche  gerade  in  der  Mitte  zwischen  den  nach  (17)  folgenden 
Plattendicken  liegen,  dann  sind  nämlich  die  beiden  reflektierten 
Strahlen  PC  und  EfCf  von  gleicher  Phase.  Indes  ist  die  Schwächung 
des  durchgehenden  Lichtes  nie  sehr  stark,  weil  das  reflektierte 
Licht  hinter  der  vollen  Intensität  des  einfallenden  Lichtes  stets 
sehr  zurückbleibt.  Die  quantitativen  Verhältnisse  hierüber  können 
erst  bei  weiterem  Eingehen  auf  die  Theorie  abgeleitet  werden 
(vgl  unten  II.  Abschnitt,  Kapitel  II). 

Wenn  man  an  Stelle  einer  planparallelen  Platte  eine  keil- 
förmige verwendet,  so  muß  dieselbe  im  reflektierten  Licht  von 
schwarzen  Interferenzfransen,  die  parallel  zur  Keilkante  verlaufen, 
durchzogen  erscheinen  und  zwar  liegen  dieselben  an  den  Stellen, 


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132 


Kapitel  IL 


deren  Dicke  d  der  Formel  (17)  entspricht  Damit  die  Orte  der 
Fransen  getrennt  erscheinen,  muß  in  Anbetracht  der  Kleinheit 
von  i!  der  Keilwinkel  sehr  gering  sein.  Indes  könnte  man  solche 
Fransen  nicht  wahrnehmen,  wenn  die  beleuchtende  Lichtquelle 
nicht  eine  gewisse  Ausdehnung  besitzt,  denn  bei  einer  nur  punkt- 
förmig begrenzten  Lichtquelle  würde  überhaupt  nur  von  einer 
einzigen  Stelle  des  Keiles  Licht  in  ein  bestimmt  gelegenes,  auf 
Unendlich  akkommodiertes  Auge  durch  Reflexion  gelangen  können. 
Bei  gewisser  Akkomodierung  des  Auges  sind  aber  bei  einer 
ausgedehnten  Lichtquelle  scharfe  Interferenzfransen  wahrzu- 
nehmen. Um  die  Sichtbarkeit  der  Interferenzfransen  in 
diesem  Falle  beurteilen  zu  können,  ist  an  dem  schon  oben  aus- 
gesprochenen Grundsatze  festzuhalten,  daß  nur  diejenigen  Licht- 
strahlen interferenz- 
Q\  /?'/  //»  fähig  sind,  welche  von 

ein  und  demselben  Punkt 
der  Lichtquelle  aus- 
gehen, da  nur  solche 
Lichtstrahlen  kohärente 
sind. 

Es  ist  nun  klar, 
daß  sich  in  jedem  Punkte 
P,  der  in  dem  vor  der 
Platte  oder  dem  Keil 
befindlichen  Räume  beliebig  gelegen  ist,  zwei  kohärente,  von  einem 
Punkte  Q  der  (im  Endlichen  gelegenen)  Lichtquelle  ausgehende 
Strahlen,  von  denen  der  eine  QB  an  der  Vorderfläche,  der  andere 
QB^  an  der  Hinterfläche  reflektiert  ist,  schneiden  werden.  Diese 
Strahlen  gehen  vom  Punkte  Q  im  allgemeinen  in  etwas  verschie- 
dener Richtung  aus,  sie  werden  aber  auf  einer  Stelle  der  Netzhaut 
vereinigt,  wenn  das  Auge  auf  die  Schnittstelle  P  aftkomodiert. 
Es  kann  also  in  diesem  Falle  eine  Interferenz  dieser  beiden 
Strahlen  wahrgenommen  werden.  —  In  demselben  Punkte  P 
schneiden  sich  aber  auch  noch  beliebig  viele  andere  kohärente 
Strahlenpaare,  die  von  anderen  Punkten  Q',  Q"  usw.  der  Licht- 
quelle ausgehen.  Diese  Strahlen  durchsetzen  aber  im  allgemeinen 
den  Keil  an  verschiedenen  Stellen  und  in  verschiedener  Neigung, 
und  haben  daher  in  P  verschiedene  Phasendifl'erenzen.  Dadurch 
wird  die  Interferenzerscheinung  für  ein  auf  P  akkommodiertes 
Auge  undeutlich,  oder  verschwindet  eventuell  ganz.    Die  Inter- 


Fig.  52. 


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Interferenz  des  Lichtes.  133 

ferenz  wird  nur  dann  mit  größter  Deutlichkeit  wahrgenommen, 
wenn  alle  die  von  den  verschiedenen  Punkten  der  Lichtquelle 
ausgehenden,  sich  in  P  schneidenden  kohärenten  Strahlenpaare  in 
P  dieselbe  Phasendifferenz  besitzen.  Dadurch  bestimmen  sich  die 
Orte  P  der  deutlichsten  Sichtbarkeit  der  Interferenzfigur.  Diese 
Orte  P  bilden  eine  zusammenhängende  Fläche,  die  komplizierte 
Gestalt  und  Lage  besitzt,  wenn  das  einfallende  Licht  beliebig 
schief  gerichtet  ist. 

Bei  nahezu  senkrecht  einfallendem  Licht  ist  aber  die  Lösung 
für  einen  dünnen  Keil  einfach:  dann  treten  die  Interferenzen  bei 
ausgedehnter  Lichtquelle  am  deutlichsten  auf,  wenn  das  Auge  auf 
den  Keil  selbst,  z.  B.  seine  Vorderfläche,  akkommodiert.  In  der  Tat 
akkommodiert  man  auf  einen  Punkt  P  des  Keiles  (vgl.  Figur  52), 
so  sind  ClPC  und  QBDPCf  zwei  kohärente  Strahlen,  die  in  einem 
Netzhautpunkte  vereinigt  werden.  Dieselben  haben  eine  gewisse 
Phasendifferenz,  die  nur  von  der  Dicke  d  des  Glaskeiles  an  der 
Stelle  P  abhängt,  und  die  sich  nach  (15)  und  (16),  da  (p  und  daher 
(bei  geringem  Keilwinkel)  auch  %  "^^^  wenig  von  Null  verschieden 
sein  soll,  schreibt 

J=  2jC  -^r  +  Jt. 

Dieselbe  Phasendifferenz  besitzt  aber  jedes  von  einem  anderen 
Punkte  ^  ö"  usw.  der  Lichtquelle  kommende  kohärente  Strahlen- 
paar, welches  sich  in  P  schneidet,  da  für  alle  Strahlen  der  Ein- 
fallswinkel 9?  und  also  auch  x  genügend  klein  sein  soll,  so  daß 
man  cosx=  i  setzen  kann.*) 

Bei  nahezu  senkrechter  Beleuchtung  durch  eine  aus- 
gedehnte Lichtquelle  liegt  also  die  Interferenzfigur  im 
Keil  selbst,  z.  B.  seiner  Vorderfläche. 2) 

Zur  Beobachtung  der  Interferenzen  bei  wechselnden  Dicken 
einer  dünnen  Schicht  legte  Newton  eine  schwach  gekrümmte  Kon- 
vexlinse auf  eine  ebene  Glasfläche.    Die  dünne,  zwischen  beiden 


1)  Dies  ist  aber  nur  gestattet,  wenn  die  Keildicke  d  nicht  zu  beträchtlich 
ist  Wenn  d  sehr  groß  wird,  z.  B.  viele  Tausende  von  Wellenlängen  beträgt, 
so  ist  doch  für  die  verschiedenen  Strahlenpaare  ihr  wechselndes  x  in  Rücksicht 
zu  ziehen.    Dann  wird  aus  diesem  Grunde  die  Interferenz  undeutlich. 

2)  Ob  man  die  Vorder-  oder  Rückfläche  des  Keiles  ins  Auge  faßt,  ist 
gleichgültig,  da  der  Keil  überhaupt  dünn  sein  muß  (vgl.  vorige  Anmerkung).  — 
Über  ausführlichere  Ausführung  ftlr  allgemeine  Fälle  vgl.  W.  Feussner  in 
Winkelmanns  Hdb.  d.  Physik  II.  Aufl.  Bd.  VI,  Optik,  S.  962  u.  fl*. 


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134  Kapitel  IL 

Gläsern  befindliche  Luftschicht  gibt  dann  Anlaß  zu  konzentrischen 
Interferenzkreisen,  deren  Durchmesser  wie  die  Quadratwurzeln  aus 
den  geraden  Zahlen  zunehmen.  Fig.  53  gibt  eine  Ansicht  der 
Erscheinung  bei  Beleuchtung  mit  weißem  Licht  Bei  homogener 
Beleuchtung  würden  sich  die  Ringe  bis  an  den  Rand  der  Linse 
erstrecken. 

Bei  weißer  Beleuchtung  muß  eine  dünne  Platte  farbig  er- 
scheinen, denn  es  fehlen  im  reflektierten  Licht  alle  diejenigen  Farben, 


Fig.  53. 

deren  Wellenlänge  X  der  Gleichung  (17)  genügt  Wenn  nun  aber 
die  Dicke  d  der  Platte  sehr  beträchtlich  ist,  so  erstrecken  sich  die 
fehlenden  Farben  in  naher  Reihenfolge  gleichmäßig  über  das  ganze 
Spektrum,  die  übrig  bleibenden  Farben  ergeben  daher  ein  von 
Weiß  nicht  zu  unterscheidendes  Gemisch.  Ebenso  ist  die  Färbung 
der  Platte  nicht  intensiv,  wenn  sie  zu  dünn  ist,  weil  dann  alle 
Farben  entweder  stark  oder  schwach  vertreten  sind.  Für  gewisse 
mittlere  Dicken,  die  für  eine  Luftplatte  etwa  zwischen  0,00016  mm 
und  0,0008  mm  liegen,  sind  die  Färbungen  am  intensivsten.  Diese 


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Interferenz  des  Lichtes.  135 

Farben  sind  natürlich  keine  reinen  Spektralfarben,  sondern  sie  ent- 
stehen aus  dem  ganzen  Spektrum  durch  Fehlen  gewisser  Farben- 
bereiche. —  Bei  dem  Newtonschen  Farbenglase  zeigen  die  Ringe 
die  sämtlichen  Farben  dünner  Blättchen  nebeneinander. 

Wenn  man  eine  Platte  gegen  das  einfallende  Licht  schiefer 
neigt,  so  wechselt  dadurch  ihre  Farbe.  Denn  wegen  des  in  (17) 
auftretenden  Faktors  cos  %  muß  ein  schieferer  Einfall  des  Lichtes 
denselben  Effekt  haben,  als  ob  bei  senkrechter  Incidenz  die  Dicke  d 
der  Platte  sich  vermindere. 

Im  durchgehenden  Licht  ist  die  Farbe  einer  Platte  komple- 
mentär zu  der  Farbe  im  reflektierten  Lichte,  weil  beide  Lichtinten- 
sitäten sich  zu  der  einfallenden  Intensität  ergänzen  müssen.  Indes 
ist  die  Färbung  im  durchgehenden  Lichte  nie  so  gesättigt  als  im 
reflektierten  Lichte,  weil  (vgl.  oben  S.  131)  nicht,  wie  im  reflektierten 
Licht,  eine  Farbe  im  durchgehenden  Lichte  völlig  fehlen  kann, 
sondern  sie  kann  nur  geschwächt  erscheinen. 

Die  Farbe,  welche  ein  dünnes  Blättchen  im  reflektierten  Lichte 
zeigt,  ist  ein  sehr  empfindliches  Mittel,  um  seine  Dicke  zu  be- 
stimmen, falls  man  den  Brechungsindex  des  Blättchens  kennt  Man 
bedarf  dazu  nur  der  Kenntnis  der  Dicke  einer  Luftschicht,  welche 
die  gleiche  Interferenzfarbe  zeigt.  Diese  Kenntnis  kann  man  sich 
aus  den  Farben  der  Newtonschen  Ringe  oder,  wie  wir  später  er- 
kennen werden,  durch  kristall-optische  Mittel  verschaffen. 

Eine  weitere  Anwendung  haben  die  hier  besprochenen  Inter- 
ferenzen zur  Bestimmung  der  thermischen  Ausdehnung  der 
Körper  mit  Hilfe  des  Abbe-Fizeauschen  Dilatometers  ge- 
funden. Das  Prinzip  dieses  Apparates*)  ist,  die  geringen  Distanz- 
änderungen, welche  zwischen  den  polierten  Oberflächen  0^  und  0^ 
eines  Körpers  und  einer  Glasplatte  infolge  der  thermischen  Aus- 
dehnung des  Körpers  eintreten,  zu  messen  mit  Hilfe  der  Ver- 
änderung der  Interferenzfigur,  die  man  zwischen  beiden  Flächen  Oj 
und  O2  zustande  kommen  läßt. 

6.  Achromatisiemng  der  Interferenzstreifen.  Damit  ein 
Interferenzstreifen  achromatisch  erscheint,  ist  notwendig,  daß  an 
seinem  Orte  die  Phasendifferenz  A  der  interferierenden  Strahlen 
für  alle  Farben  dieselbe  ist.  Ob  der  Streifen  dann  hell  oder  dunkel 
erscheint,  hängt  von  dem  Werte  von  A  ab.    So  ist  beim  Newton- 


1)  Betreffs  näherer  Beschreibung  Tgl.  Pulfrich,  Ztschr.  f.  Instromenten- 
kunde  1893;  oder  Mttller-Pouillet  (Lummer),  Optik,  S.  924. 


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136  Kapitel  IL 

sehen  Farbenglase  der  zentrale  Fleck  farblos  schwarz  im  reflek- 
tierten Lichte,  weil  für  alle  Farben  die  dort  interferierenden 
Strahlen  die  Phasendifferenz  J  =  jr  besitzen.  Wenn  man  aber 
die  Interferenzfigur  durch  ein  Glasprisma  betrachtet,  so  bleibt 
nicht  mehr  der  zentrale  Fleck  achromatisch,  sondern  die  achro- 
matische Stelle  liegt  dort,  wo  J  gar  nicht  oder  möglichst  wenig 
mit  der  Farbe  variiert,  d.  h.  wo  der  Differentialquotient  ist 

(18)  \i  =  0. 

falls  X  die  Wellenlänge  der  Farbe  in  Luft  ist.i)  Bei  starker  Dis- 
persion des  Glasprismas  kann  der  Ort  der  achromatischen  Stelle 
erheblich  vom  Zentralfleck  abweichen. 

Falls  man  vor  die  eine  Seite  eines  Fresnelschen  Biprismas 
eine  dünne  Platte,  z.  B.  Glimmerblättchen,  vorschiebt,  so  ändert 
sich  ebenfalls  die  Interferenzfigur.  Auch  bei  dieser  Anordnung 
tritt  ein  achromatischer  Streifen  nicht  dort  auf,  wo  J  =  0  ist,  wie 
es  ursprünglich  war  ohne  vorgeschobenes  Blättchen,  sondern  an  der 
Stelle,  die  der  Gleichung  (18)  entspricht.  Es  kommt  hier  in  Be- 
tracht, daß  das  Blättchen  infolge  der  Abhängigkeit  seines  Bre- 
chungsindex von  der  Farbe  (Dispersion)  den  verschiedenen  Farben 
verschiedene  Phasenverzögerungen  erteilt. 

7.  Der  Interferentf alrefraktor.  Interferenzen  geringen  Gang- 
unterschiedes, welche  bei  Anwendung  weißen  Lichtes  sichtbar  sind, 
kann  man  außer  an  sehr  dünnen  Lamellen  auch  an  dicken  Platten 
erzielen,  wenn  man  Differenzwirkungen  an  zwei  Platten  her- 
vorbringt. Die  Jaminsche  Konstruktion  besteht  darin,  daß  zwei 
gleich  dicke  planparallele  Glasplatten  P^  und  P2  (vgl.  Figur  54) 
in  einem  größeren  Abstand  nahezu  parallel  aufgestellt  werden. 
Ein  Lichtstrahl  LA  zerlegt  sich  in  die  Strahlen  ABCDE  und 
AB'CfD'E',  welche  zur  Interferenz  gelangen  können,  wenn  die 
beiden  austretenden  Strahlen  DE  und  Ütf  wieder  in  einem  Punkte 
vereinigt  werden.  Da  diese  beiden  Strahlen  einander  parallel  sind, 
so  muß  also  das  die  Strahlen  DE  bezw.  D'E"  auffangende  Auge 
auf  unendlich  akkommodieren,  oder  sie  müssen  durch  ein  auf  Un- 
endlich eingestelltes  Fernrohr  vereinigt  werden.    Zur  Erzielung 


1)  Strenger  müßte  die  Gleichung  geschrieben  sein  als  ^-^  =  0,  wobei  T 

die  Periode  ist.  Wenn  man  aber  absieht  von  der  geringen  Dispersion  der  Lnft, 
so  ist  dies  mit  (18)  identisch. 


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Interferenz  des  Lichtes. 


137 


möglichster  Lichtstärke  stellt  man  die  Lichtquelle  in  die  Brenn- 
ebene einer  Sammellinse,  so  daß  ein  Bündel  von  Parallelstrahlen 
LA  auf  die  Platte  P^  auffällt  Die  Platten  sind  femer  an  ihren 
Hinterflächen  zweckmäßig  versilbert  Die  Phasendifferenz  zwischen 

den  Strahlen  Cl/  und  AB  ist  nach  (15)  (S.  130)  ^Y^cosXi+^, 

wobei  Xi  den  Brechungswinkel  in  der  Platte  Pj  bedeutet  Die 
Strahlen  D'E'  und  DE  erhalten  nun  außerdem  noch  die  Phasen- 
differenz —  (-^  C0SX2  +  ^),  wobei  der  Brechungswinkel  X2  i^  der 

Platte  P2  ein  wenig  abweicht  vom  Winkel  Xu  da   beide  Platten 

Fl  und  P2   nicht  genau 

einander    parallel     sein 

sollen.     Die  schließliche 

Phasendifferenz  von  If  If 

und  DE  ist  also: 

^='1r  (^*  zi  —  CO«  Z2)» 

und  da  cos  Xi  —  co^  X2 
etwas  mit  der  Neigung 
des  Strahles  LA  variiert, 
so  wird  das  Gesichtsfeld 
bei  E,  If  von  Interferenz- 
fransen durchzogen  sein. 
Der  Hauptvorteil  die- 
ses Interferentialrefrak- 
tors  liegt  darin,  daß  die 
beiden  interferierenden 
Strahlen  AB  und  (fl!  räumlich  ziemlich  weit  voneinander  ge- 
trennt sind,  wenn  recht  dicke  Glasplatten  P^,  F^  verwendet  werden 
und  das  Licht  schief  einfällt  (am  besten  unter  einem  Einfalls- 
winkel von  etwa  50^).  Man  erhält  dadurch  ein  Instrument,  welches 
minimale  Änderungen  des  Brechungsexponenten  messen  läßt.  Wenn 
man  z.  B.  zwei  durch  Glasplatten  verschlossene  Röhren  in  den 
Gang  des  Strahles  AB  bezw.  (fll  einschaltet,  und  man  ändert 
in  der  einen  Röhre  durch  Temperatur-  oder  Druckänderung  den 
Brechungsindex  der  darin  enthaltenen  Luft,  oder  wenn  man  die 
Luft  der  einen  Röhre  durch  ein  anderes  Gas  ersetzt,  so  ver- 
schieben sich  die  Interferenzstreifen  im  Gesichtsfeld.  Man  kann 
die  Differenz  der  Brechungsindizes  in  beiden  Röhren  berechnen, 
wenn  man  die  an  einer  bestimmten  Marke  des  Gesichtsfeldes  vor- 


Fig.  54. 


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138 


Kapitel  IL 


beigegangenen  Interferenzstreifen  zählt,  oder  wenn  man  die 
Phasendifferenz  in  beiden  Strahlen  durch  irgend  eine  messende 
Vorrichtung  so  kompensiert,  daß  wieder  die  ursprüngliche  Lage 
der  Interferenzfransen  entsteht.  Als  ein  solcher  Kompensator 
können  zwei  um  eine  gemeinsame  Achse  drehbare,  gleich  dicke  Glas- 
platten pi,  ^2  dienen,  welche  einen  geringen  Winkel  miteinander 
bilden  (Jaminscher  Kompensator).  Der  Strahl  AB  durchsetzt  nur 
j?i,  der  Strahl  (fif  nur  P2.  Die  Phasendifi'erenz,  welche  beiden 
Strahlen  dadurch  erteilt  wird,  hängt  von  der  Neigung  der  Platte 
Px  gegen  AB  ab.^ 


Fig.  55. 


Fig.  56. 


Bei  der  Jaminschen  Konstruktion  kann  man  die  beiden  inter- 
ferierenden Strahlenbündel  praktisch  um  etwa  nur  2  cm  seitlich 
voneinander  trennen.  Eine  viel  größere  Trennung  erhält  man 
nach  Zehnder,2)  wenn  man  vier  nahezu  parallele  Glasplatten 
verwendet.  Zwei  von  ihnen  können  nach  Mach^)  zweckmäßig 
durch  Metallspiegel  5,  und  S^  ersetzt  werden,  Figur  55  stellt 
schematisch  die  Machsche  Anordnung  dar.  —  Schließlich  hat  Mach 


1)  Betreffs  der  genaueren  Berechnung  hiervon  vgl.  F.  Neumann,  Vor- 
lesungen über  theoretische  Optik,  herausg.  v.  Dorn/ Leipzig  1885,  S.  286  ff. 

2)  Vgl.  L.  Zehnder,  Ztschr.  f.  Instramentenkunde  1891,  S.  275. 

3)  L.  Mach,  Ber.  d.  Wien.  Akad.  Math.-Naturw.  Kl.  101  (11.  A.),  S.  5, 
1892.  —  Ztschr.  f.  Instrumentenkunde  1892,  S.  89. 


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Interferenz  des  Lichtes.  139 

noch  eine  Verbesserung  zur  Erhöhung  der  Lichtstärke  angebracht. 
Sowohl  bei  Figur  54  als  55  sind  die  ins  Auge  bei  E  gelangenden 
Strahlen  von  geringer  Intensität,  weil  sie  einmal  eine  Reflexion 
an  der  Glasoberfläche  erlitten  haben,  womit  stets  eine  bedeutende 
Lichtabschwächung  verbunden  ist.  In  Figur  55  sind  die  Licht- 
strahlen, welche  von  S2  ^^s  durch  P^  hindurch  sich  fortpflanzen, 
viel  intensiver  als  die  von  P^  nach  E  reflektierten  Strahlen. 
Diesem  Übelstande  könnte  man  abhelfen,  wenn  man  die  Reflexions- 
fähigkeit der  Glasoberfläche  erhöhen  könnte.  Es  gelingt  dies 
durch  schwache  Versilberung  oder  Vergoldung  der  Glasoberfläche; 
am  günstigsten  ist  es,  wenn  man  die  Metallschicht  in  solcher 
Dicke  auf  dem  Glase  herstellt,  daß  die  Intensität  des  reflektierten 
Lichtes  gleich  der  des  durchgehenden  Lichtes  ist.  Man  braucht 
nun  aber  bei  der  Anordnung  der  Figur  55  gar  nicht  zwei  Platten 
Pi  und  P2  von  endlicher  Dicke,  um  Interferenzen  zu  erzeugen,  es 
genügt,  wenn  an  ihren  Stellen  durch  eine  sehr  dünne  Metallschicht 
eine  Spaltung  der  Lichtstrahlen  in  reflektierte  und  weitergehende 
hergestellt  wird.  Dies  kann  man  erreichen,  wenn  man  zwei  recht- 
winklige Glasprismen  mit  ihren  schwach  versilberten  Hypote- 
nusenflächen fest  aufeinander  legt.  —  Die  Reflexion  an  den 
Spiegeln  S^  und  S^  kann  man  durch  Totalreflexion  an  unbelegten 
Hypotenusenflächen  rechtwinkliger  Glasprismen  ersetzen.  Schließ- 
lich kann  man  diese  Prismen  mit  den  teilweise  das  Licht  durch- 
lassenden Doppelprismen  zu  einheitlichen  Glaskörpern  vereinigen, 
so  daß  man  die  in  Figur  56  dargestellte  Machsche  Konstruktion 
eines  Interferenzrefraktors  erhält,  bei  der  an  die  einander  gleichen 
Glaskörper  Ky  und  K^  zwei  Glaskörper  K{^  und  K^  mit  Leinöl 
angekittet  sind,  die  Berührungsflächen  Pj,  P^  sind  schwach  ver- 
goldet. An  den  schiefen  Flächen  S^  und  S^  werden  die  Strahlen 
total  reflektiert.  Falls  die  Glaskörper  K^  und  K^  sehr  nahezu 
parallel  gestellt  werden,  so  erblickt  ein  Auge  bei  E  die  Inter- 
ferenzfransen. 

8.  Interferenzen  bei  hohen  Oangunterschleden.  Wenn  man 
ein  Newtonsches  Farbenglas  in  homogener  Beleuchtung  betrachtet, 
wie  sie  z.  B.  eine  mit  Kochsalz  gefärbte  Alkoholflamme  bietet,  so 
erblickt  man  Interferenzringe  über  die  ganze  Ausdehnung  des 
Glases  hin.  Dies  ist  ein  Zeichen  dafür,  daß  auch  noch  nach  einem 
Gangunterschiede  von  mehreren  Hunderten  von  Wellenlängen  die 
Interferenzfähigkeit  des  Lichtes  erhalten  bleibt 

Es  ist  nun  die  Frage  von  großer  Bedeutung,  wie  weit  man 


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140  Kapitel  II. 

diesen  Gangunterschied  steigern  kann,  ohne  daß  die  Interferenz- 
fähigkeit des  Lichtes  aufhört.  Zur  Beantwortung  dieser  Frage 
kann  man  nicht  einfach  so  verfahren,  daß  man  die  beiden  Gläser 
der  Newtonschen  Anordnung  successive  weiter  voneinander  ent- 
fernt, und  mit  dem  Auge  oder  einer  Lupe  auf  die  Oberfläche  0^ 
des  einen  Glases  akkommodiert,  denn  nach  der  Anmerkung  1)  der 
S.  133  würden  die  Interferenzen  bald  undeutlich  werden  wegen 
der  wechselnden  Neigung  der  in  einem  Punkte  der  Oberfläche  0^ 
sich  schneidenden,  kohärenten  Strahlenpaare.  Man  muß  vielmehr 
dafür  sorgen,  daß  alle  kohärenten  Strahlenpaare,  welche  zu  einem 
und  demselben  Punkte  auf  der  Netzhaut  des  Beobachters  vereinigt 
werden,  ein  und  dieselbe  Phasendifferenz  gegeneinander  besitzen. 

Dies  gelingt,  wenn  man  die  Interferenzen  durch  die  Reflexion 
an  zwei  genau  parallelen  Oberflächen  0^  und  O2  zustande  kommen 
läßt,  und  wenn  man  mit  einem  auf  Unendlich  eingestellten  Fern- 
rohr (oder  direkt  mit  dem  auf  Unendlich  akkommodierten  Auge) 
beobachtet.  Alle  zur  Interferenz  gelangenden,  kohärenten  Strahlen- 
paare, welche  in  einem  Netzhautpunkte  vereinigt  werden,  durch- 
laufen dann  den  Zwischenraum  (der  Dicke  d)  zwischen  den  Flächen 
Ol  und  O2  in  derselben  Neigung  gegen  die  gemeinsame  Normale  N 
dieser  beiden  Flächen  und  besitzen  daher  (bei  konstantem  Abstand  (^ 
beider  Flächen  0^  und  O2)  die  gleiche  Phasendifferenz.  Diese 
wechselt  mit  der  Neigung  gegen  die  Normale  N^  die  Interferenz- 
figur besteht  daher  aus  konzentrischen  Kreisen,  deren  Zentrum  in 
der  Richtung  der  Plattennormale  JV  liegt.  0  Die  so  entstehenden 
Interferenzringe  sind  also  die  Kurven  gleicher  Neigung,  im 
Gegensatz  zu  den  Kurven  gleicher  Dicke,  die  man  an  einem 
dünnen  Keiloderdem  Newtonschen  Farbenglase  bei  Akkommodierung 
auf  das  Glas  selbst  wahrnimmt. 

Man  kann  nun  in  der  Tat  bei  planparallelen  Glasplatten  von 
mehreren  Millimeter  Dicke  solche  Kurven  gleicher  Neigung  bei 
homogener  Beleuchtung  wahrnehmen,  d.  h.  Interferenzen  bei  vielen 
Tausenden  von  Wellenlängen  Gangunterschied  beobachten.    Um 


1)  Diese  Erscheinung  verwendet  Lu  mm  er  (vgl.  Müller-Pouillet,  Optik, 
S.  916—924)  zur  Untersuchung  von  Glasplatten  auf  ihre  Planparallelität.  In 
der  Tat  müssen  die  Kurven  gleicher  Neigung  von  der  Kreisform  abweichen, 
sowie  der  Abstand  d  zwischen  beiden  reflektierenden  Oberflächen  Oi  und  O2 
nicht  genau  konstant  ist. 


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Interferenz  des  Lichtes.  14  [ 

den  Gangunterschied  stetig  variieren  zu  können,  hat  MichelsonO 
folgende  Anordnung  als  Interferometer  benutzt: 

Der  Lichtstrahl  QA  fällt  unter  45^  Einfallswinkel  auf  die 
schwach  versilberte  Vorderfläche  einer  planparallelen  Glasplatte 
A  und  wird  dann  gespalten  in  einen  zum  Planspiegel  D  durch- 
gehenden und  in  einen  zum  Planspiegel  C  reflektierten  Strahl. 
Diese  Spiegel  senden  die  beiden  Strahlen  zum  Punkte  A  zurück, 
von  wo  der  erstere  in  das  Femrohr  nach  E  reflektiert,  der  zweite 
nach  E  hindurchgesandt  wird. 

Eine  zweite  planparallele  Glasplatte  B,  welche  die  gleiche  Dicke 
wie  die  Platte  A  besitzt,  macht  den  Gangunterschied  der  beiden, 
in  E  zur  Interferenz  kommenden  Strahlen  gleich  Null,  falls  die 
beiden  Spiegel  D  und  C  symmetrisch  zur  Platte  A  liegen. 

Die  Anordnung  wirkt  nun  offen- 
bar so,  als  ob  Interferenzen  durch  __r_ 
Reflexion  an  den  ebenen  Begren- 
zungen 0^  und  O2  einer  Luftplatte                      <\  ^ 
zustande  kämen.   0^  ist  der  Spiegel  \x 
C,  und  O2  ist  das  Spiegelbild  des  "^ 
Spiegels  D  in  der  Glasplatte  A. 


M 


h> 


Q 


Dieses  Spiegelbild  muß  also  parallel      j^  1 
zu  C  sein,  wenn  die  Interferenz-  1 

kurven  gleicher  Neigung  bei  er- 
heblicher Gangdifferenz  gut  ge- 
sehen werden  sollen.  Um  letztere  ^ 
variieren  zu  können,  ist  der  eine  Fig.  57. 
Spiegel,  z.  B.  (7,  durch  eine  Mikro- 
meterschraube genau  parallel  in  der  Richtung  AB  verschiebbar. 
Mit  diesem  Apparate  konnte  Michelson  bei  Beleuchtung  mit 
Geisslerschen  Röhren  Interferenzen  erhalten  bei  einem  Gangunter- 
schied von  20  cm  Luftstrecke  (bei  Anwendung  der  roten  Kadmium- 
linie), was  etwa  300  000  Wellenlängen  entspricht,  ja  die  grüne 
Quecksilberlinie  lieferte  sogar  noch  Interferenzen  bei  540000  Wellen- 
längen Gangunterschied.  2) 


1)  A.  A.  Michelson,  Amer.  Journ.  of  Science  (3)  34,  S.  427,  1887.  — 
Travaux  et  M^moires  du  Bureau  Internat,  d.  Poids  et  Mesures.  11,  1895, 
8.  1 — 237.  —  In  dieser  zweiten  Arbeit  hat  Michelson  mit  Hilfe  seines  Inter- 
ferenzapparates für  hohe  Gangunterschiede  das  Meter  in  Wellenlängen  ausge- 
wertet. —  Vgl.  auch  Müller-Pouillet  (Lummer)  S.  935. 

2)  A.  Perot  und  Ch.  Fabry  (Ck)mpt.  Rend.  128,  8. 1221,  1899)  erhielten 


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142  Kapitel  IL 

Diese  Versuche  sind  deshalb  so  instruktiv,  weil  sich  aus  der 
Veränderung  der  Sichtbarkeit  der  Interferenzstreifen  mit  wachsen- 
dem Gangunterschied  schärfere  Schlüsse  über  die  Homogenität 
einer  Lichtquelle  ziehen  lassen,  als  mit  dem  Spektrometer. 

Schon  Fizeau  hatte  beobachtet,  daß  bei  Beleuchtung  mit 
Natriumlicht  die  Interferenzen  mit  der  Änderung  der  Dicke  d  der 
Luftschicht  periodisch  verschwanden  und  wieder  auftraten.  Die 
Interferenzen  verschwinden  zum  ersten  Male  bei  der  Dicke  d  = 
0,1445  mm,  sind  bei  d=  0,289  wiederum  am  deutlichsten,  bei  (i= 0,4335 
wiederum  am  undeutlichsten  u.  s.  f.  Man  kann  daraus  schließen, 
daß  die  Natriumlinie  aus  zwei  nahe  benachbarten  Linien  besteht 
Die  Interferenzen  werden  immer  dann  am  undeutlichsten,  falls  die 
Maxima,  welche  die  eine  Natriumlinie  erzeugt,  auf  die  Minima  der 
anderen  Natriumlinie  fällt.  Da  die  mittlere  Wellenlänge  X  der 
gelben  Natriumlinie  0,000  589  mm  beträgt,  so  entsprechen  der  Dicke 
d=0,2S9  mm,  491  Wellenlängen.  Bezeichnet  man  die  Differenz  der 
Wellenlängen  beider  Natriumlinien  mit  Xi  —  ^2,  so  muß  also  sein: 

Ui  —  ^  •  491  =  I  =  0,000294  mm, 

d.  h.  x^  —  ^2  =  0,000  0006  mm. 

In  allgemeinererweise  hat  Michelson*)  das  Problem  in  An- 
griff genommen. 

Nach  Formel  (11)  auf  S.  123  ist  die  Intensität  des  Lichtes, 
das  aus  zwei  gleich  intensiven,  kohärenten  Strahlen  der  Wege- 
differenz 21  (/  ist  die  Dicke  der  Luftplatte)  gebildet  wird,  ge- 
geben durch 

(19)  /=  2A^  (i  +  cos  2jc  j)  , 

Anstatt  der  Wellenlänge  X  des  Lichtes  in  Luft  wollen  wir  den 
reziproken  Wert 

(20)  j  =  m 

einführen,    m  bedeutet  die  Anzahl  von  Wellenlängen,  welche  in 
der  Längeneinheit  enthalten  sind. 


durch  Speisung  der  Geisslerschen  Bohren  mit  einem  Hochspannnngsakkumulator 
Interferenzen  der  grünen  ^- Linie  noch  bei  790000  Wellenlängen  Gangnnterschied. 
1)  Außer  in  den  oben  zitierten  Arbeiten  sind  diese  Entwickelungen  in 
PhU.  Mag.  (5)  31,  S.  338,  1891,  —  84,  S.  280  und  407  (ßayleigh),  1892  ent- 
halten. 


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Interferenz  des  Lichtes.  143 

Wenn  wir  nun  nicht  streng  homogenes  Licht,  d.  h.  Licht  einer 
einzigen  Wellenlänge  X  oder  Wellenzahl  m  haben,  so  möge  mit 
tp  (m)  •  dm  die  Intensität  des  Lichtes  bezeichnet  werden,  deren 
Wellenzahlen  zwischen  m  und  m  +  dm  liegen.  Es  ist  dann  die 
Intensität  /  bei  Interferenz  vermittelst  einer  Luftplatte  der  Dicke  /: 

J=  2  I  tp  {m)   [1  +  cos  4jt  Im]  dm,  (21) 

wobei  die  Integrationsgrenzen  diejenigen  Wellenzahlen  sind,  inner- 
halb deren  tp  (w)  merklich  von  Null  verschieden  ist. 

Nehmen  wir  zunächst  den  Fall  an,  daß  wir  eine  einzige  Spek- 
trallinie von  geringer  Breite  haben,  so  wollen  wir  setzen: 

m  =  m  -\-  X,  m^=^  m  —  a,    W2  =  w  +  a.  (22) 

Dann  wird  (21)  zu 


h 


{x)  [1  +  cos  4jcl  {jn  +  x)]  dx, 


(22') 


oder,  wenn  man  setzt: 

I  ip  (x)  cos  (4jt  Ix) '  dx=C,       I  fp  {x)sin  (4jt  l  x)  *  dx=^  S: 

iJ=P+  C cos  »  —  S  sin  ^.  (23) 

Wenn  die  Dicke  /  der  Luftplatte  sich  nur  wenig  ändert,  so 
ändert  sich  damit  /,  weil  sich  ^  ändert.  Dagegen  können  wir  G 
und  S  bei  geringen  Änderungen  von  /  als  unabhängig  von  /  an- 
sehen, falls  die  Breite  der  Spektrallinie,  d.  h.  die  Größe  a,  sehr 
klein  ist. 

Daher  finden  nach  (23)  Maxima  bezw.  Minima  der  Intensität  / 
statt  bei  den  Werten: 

^^=-|,  (24) 

und  zwar  sind  die  Maxima  gegeben  durch: 

iJMax  =  P+VC^+S\  (25) 

die  Minima  durch: 

\JMin  =  P-VC'  +  S'K  (25') 

Es  sind  demnach  keine  Interferenzen  sichtbar,  wenn  C=S==  0 
ist    Aber  auch  schon  wenn  diese  beiden  Ausdrücke  sehr  kleine 


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144  Kapitel  IL 

Werte  haben,  werden  keine  Interferenzen  wahrnehmbar  sein. 
Die  Sichtbarkeit  der  Interferenzen  wird  zweckmäßig  definiert 
durch 

(26)  F^t'^Ij^- 
Nach  (25)  und  (25')  ist  daher: 

(27)  F^=^?^- 

Diese  Gleichung  enthält  die  Abhängigkeit  der  Sichtbarkeit  der 
Interferenzen  von  der  Wegediflferenz  21  der  beiden  interferirenden 
Strahlenbündel,  falls  /  durch  eine  Mikrometerschraube  beliebig 
verändert  wird. 

Wenn  die  Helligkeit  der  Spektrallinie  symmetrisch  zu  ihrer 
Mitte  verteilt  ist,  so  ist  S=0,    Dann  wird  also  (27)  zu 

Nehmen  wir  z.  B.  den  Fall  an,  daß  tp  (x)  =  comt  =  c  sei. 
Dann  wird 

(28)  P=2ac,    G=-^'4^p^,  y  ^smpia 
^  ^                            '                       47iC         '  4nla 

Die  Interferenzen  verschwinden  also  für  4Za=  1,  2,  3,  .  .  .  . 
Größte  Deutlichkeit  (F=l)  tritt  nur  ein  für  Z=0.  Mit  wachsen- 
dem l  werden  die  Interferenzen,  selbst  für  günstigste  Werte  von  /, 
immer  kleiner,  z.  B.  für  4la=i  ist 

F=2:5:t  =  0,212. 

Ebenso  tritt  ein  periodisches  Verschwinden  und  kontinuierliches 
Abklingen  maximaler  Deutlichkeit  der  Interferenzen  für  das  Ge- 
setz ein: 

Das  kleinste  /,  bei  welchem  die  Interferenzen  verschwinden^ 
ist    gegeben    durch    4l^a=^  + 1,    dann    verschwinden   sie    für 

4l^a=j-\-2,  4/3««=^+ 3  etc.  Man  kann  also  aus  den  Null- 
stellen li,  I2,  h  d^r  Sichtbarkeitskurve  sowohl  die  Breite  a  der 
Spektrallinie,  als  die  Potenz  p,  welche  ihre  Helligkeitsverteilung 
ergibt,  bestimmen. 


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Interferenz  des  lichtes.  I45 

Für  tp{x)=^e-P^*  1) 

ergibt  sich  ein   allmähliches  Abklingen    der  Sichtbarkeitskurve, 
ohne  periodische  Null-  und  Maximalwerte. 

In  ähnlicher  Weise  läßt  sich  auch  bei  mehrfachen  schmalen 
Spektrallinien  die  Sichtbarkeitskurve  Faus  (21)  ableiten.  So  z.  B. 
ergibt  sich  bei  zwei  gleich  intensiven  Linien  ein  periodisches 
Nullwerden  von  F.  Sind  die  beiden  Linien  nicht  gleich  intensiv, 
so  wird  F  nicht  völlig  Null,  sondern  nimmt  periodisch  nur  Minima 
(und  Maxima)  an.  Dies  ist  bei  der  gelben  Natriumdoppellinie 
der  Fall 

Man  ersieht  aus  dem  Vorigen,  in  welcher  Weise  aus  irgend 
einem  angenommenen  Intensitätsgesetz  tp  {m)  die  Sichtbarkeit  F 
der  Interferenzen  abzuleiten  ist  Die  umgekehrte  Aufgabe,  tp  (w) 
aus  V  zu  bestimmen,  ist  viel  schwieriger.  Abgesehen  davon,  daß 
man  durch  den  bloßen  Anblick  der  Interferenzen  die  numerischen 
Werte  von  F  nur  durch  ein  etwas  willkürliches  Verfahren  ableiten 
kann^),  ist  die  Aufgabe  überhaupt  nicht  lösbar,  weil  man,  wie  aus 
(27)  folgt,  nur  C^  +  S^  aus  F  bestimmen  kann,  aber  nicht  C  und 
S  einzeln.^)  Unter  der  Annahme,  daß  die  einzelnen  Spektrallinien 
in  ihrer  Helligkeit  symmetrisch  zu  ihrer  Mitte  sind,  gelingt  aller- 
dings die  Aufgabe,  da  dann  bei  einer  einzigen  Linie  5=0  ist 
und  bei  mehrfachen  Linien  analoge  Vereinfachungen  eintreten.  — 
Michelson  hat  nun  in  der  Tat  für  mehrere  Spektrallinien  die  Sicht- 
barkeitskurven F  aufgenommen^)  und  die  verschiedenartigsten  Ge- 
stalten erhalten.  Er  hat  dann  probiert,  mit  welchem  Intensitäts- 
gesetz tp  (m)  man  sich  den  Beobachtungen  von  F  am  besten  an- 
schließen kann.  Nach  dem  Obigen  muß  man  aber  sagen,  daß  das 
Resultat  für  tp  (m)  kein  zwingendes  ist,  wenn  auch  die  Vertei- 
lung der  Intensität  und  Breite  der  einzelnen  Spektrallinien  durch 
diese  wertvollen  Untersuchungen  Michelsons  mit  einer  gewissen 
Annäherung  jedenfalls  dargestellt  sein  werden,  die  besser  als  eine 


1)  Dieses  Intensitatsgesetz  würde  aus  der  kinetischen  Gastheorie  mit  dem 
MaxweHschen  Gesetz  der  Verteilung  der  Geschwindigkeiten  der  Moleküle  folgen. 

2)  Streng  würde  F  zu  erhalten  sein,  wenn  man  Jj^^  und  J^^^  photo- 
metrisch oder  bolometrisch  mißt. 

3)  Nach  dem  Fourierschen  Theorem  könnte  man  1;;  (m)  vollständig  be- 
rechnen, wenn  man  C  und  S  einzeln  für  alle  Werte  von  /  kennt. 

4)  Wie  Ebert  in  Wied.  Ann.  43,  S.  790,  1891  festgestellt  hat,  fallen  diese 
Sichtbarkeitskurven  unter  verschiedenen  Bedingungen  des  Leuchtens  eventuell 
sehr  verschieden  aus. 

Drade,  Lehrbach  d.  Optik.   8.  Aufl.  10 


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146  Kapitel  II. 

Untersuchung  mit  dem  Spektroskop  oder  einem  Diffraktionsgitter 
ist  Allein  schon  die  Tatsache  ist  von  großem  Interesse,  daß  es 
so  homogene  Lichtlinien  gibt,  daß  sie  noch  Interferenzen  bei 
500  000  Wellenlängen  Gangunterschied  zulassen. 

Einen  wesentlichen  Fortschritt  hinsichtlich  der  Schärfe  der 
Interfereazstreifen  erreichten  Fabry  und  Perot^  bei  ihrem  Inter- 
ferometer  dadurch,  daß  sie  das  Licht  vielfach  hin  und  her  reflek- 
tieren ließen  zwischen  zwei  schwach  versilberten  Glasplatten  von 
verhältnismäßig  großem  und  mikrometrisch  variabelem  Abstand. 
Durch  die  Versilberung  wird  die  Intensität  der  vielfach  reflek- 
tierten Strahlen  verstärkt,  und  es  ergaben  sich,  je  nachdem  man 
in  durchfallendem  oder  reflektiertem  Lichte  beobachtet,  sehr 
scharfe  helle  Linien  auf  dunklem  Grunde  oder  dunkle  Linien  auf 
hellem  Grunde. 2)  Der  Ort  dieser  Linien  hängt  von  der  Dicke  der 
zwischen  beiden  Glasplatten  gebildeten,  schwach  keilförmigen  Luft- 
schicht und  von  ihrer  Wellenlänge  ab,  und  da  die  Linien  sehr 
scharf  sind,  so  kann  man  geringe  Unterschiede  in  den  Wellen- 
längen des  beleuchtenden  Lichtes  durch  Trennung  der  Streifen- 
systeme wahrnehmen,  d.  h.  das  Interferometer  zur  feinsten  Auf- 
lösung von  Spektrallinien  benutzen.  —  In  dem  Interferenzspek- 
troskop von  Lummer  und  Gehrcke^)  wird  nur  [eine  einzige  größere, 
exakt  planparallele  Glasplatte  benutzt,  an  deren  Begrenzungen 
die  Lichtstrahlen  vielfach  reflektiert  werden.  Die  Platte  ist  nicht 
versilbert,  die  Vergrößerung  des  Reflexionskoeffizienten  wird  aber 
hier  durch  sehr  schiefen  Einfall  des  Lichtes  erhalten. 


1)  Neueste  Beschreibung  bei  Ch.  Fabry  und  A.  Perot,  Ann.  Chim. 
Phys.  (7)  22,  8.  564,  1901.  —  Phys.  Ztschr.  3,  S.  5,  1902.  —  Winkelm.  Handb. 
(W.  Feussner)  VI,  S.  1004. 

2)  Die  Formeln  hierfür  vgl.  z.  B.  bei  W.  Feussner,  Winkelm.  Handb. 
VI,  S.  1000  u.  P.  Drude,  Winkelm.  Handb.  VI,  ö.  1255.  —  O.  Lummer 
u.  E.  Gehrcke,  Ann.  d.  Phys.  10,  8.  461,  1903.  —  Die  Formeln  sind  leicht 
abzuleiten  aus  II.  Abschn.  II.  Kap.,  §  11,  Formeln  (74)  und  (75)  dieses  Buches. 

3)  O.  Lummer  und  E.  Gehrcke.  BerL  Ber.  1902,  8.  11.  —  Ann.  d. 
Phys.  10,  8.  457,  1903.  —  Um  Fehler  zu  vermeiden,  die  durch  Abweichungen 
von  der  Planparallelitat  entstehen  (Vortäuschung  bischer  Trabanten  der  8pek- 
trallinien,  sogenannte  „Geister"),  verwendet  Gehrcke  (Verh.  d.  Deutsch,  physik. 
Ges.  7,  8.  236,  1905)  neuerdings  zwei  in  ihren  Ebenen  um  90^  gegeneinander 
verdrehte,  planparallele  Platten  und  hat  dies  kürzlich  auf  die  Untersuchung 
der  Quecksilberlinien  mit  Erfolg  angewandt,  vgl  E.  Gehrcke  u.  O.  v.  Baeyer, 
Berl.  Ber.  1905,  7.  Dez. 


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Interferenz  des  Lichtes.  147 

9.  Stehende  Lichtwellen.  Bei  den  bisher  besprochenen  Inter- 
ferenzerscheinungen haben  die  beiden  zur  Interferenz  gelangenden 
StrahlenbUndel  die  gleiche  Fortpflanzungsrichtung.  Man  kann  nun 
aber  auch  Interferenzen  nachweisen,  bei  denen  die  beiden  Strahlen- 
bUndel sich  entgegenlaufen.  Wenn  man  nämlich  über  den  Wellenzug 


«1  ==  -4  sin  2jt  \-f~j)^ 


welche  Gleichung  ebenen  Wellen  entspricht,  die  sich  nach  der 
«-Richtung  fortpflanzen,  superponiert  den  Wellenzug: 


«2  =  ^  s^in  2j€  (f  +  jj , 


welcher  ebene  Wellen  repräsentiert,  die  sich  nach  der  negativen 
«-Achse  fortpflanzen,  so  erhält  man: 

8  =z  $^-^  82  =  2A  sin  2jt  -^  cos  2jt  y .  (29) 

Dies  stellt  eine  Lichtbewegung  dar,  deren  Amplitude 
2Ä  cos  2jt  zjX  eine  periodische  Funktion  des  Ortes  ist.  Für  xjX  =  V4, 
^lij  ^li  'isw.  verschwindet  die  Amplitude,  man  nennt  diese  Stellen 
Wellenknoten,  für  «/;i  =  o,  %  \  usw.  ist  die  Amplitude  ein 
Maximum;  diese  Stellen  heißen  Wellenbäuche.  Sie  haben  also 
einen  konstanten  Abstand  von  V2  ^  untereinander.  Diese  Art  von 
Welleninterferenz  wird  stehende  Wellen  genannt,  weil  es  ge- 
wisse, im  Räume  feststehende  Stellen  gibt,  an  denen  keine  Erregung 
stattfindet 

Solche  stehende  Lichtwellen  hat  Wiener*)  nachgewiesen,  indem 
er  Licht  senkrecht  auf  einen  guten  Metallspiegel  fallen  ließ.  Das 
reflektierte  Licht  gibt  dann  durch  Interferenz  mit  dem  einfallenden 
Lichte  Anlaß  zur  Bildung  stehender  Wellen.  Um  die  Orte  der 
Knoten  deutlich  getrennt  von  denen  der  Bäuche  nachweisen  zu 
können,  brachte  Wiener  ein  äußerst  dünnes,  auf  Glas  aufliegendes 
ChlorsilbercoUodiumhäutchen,  dessen  Dicke  nur  V30  Lichtwellen- 
länge ==»  20  milliontel  Millimeter  war,  so  vor  die  Spiegelfläche,  daß 
es  mit  derselben  einen  sehr  kleinen  Winkel  bildete,  und  beleuchtete 
nun  mit  elektrischem  Bogenlichte.  Die  empfindliche  Schicht  durch- 
schnitt also  die  Ebenen  der  Bäuche  und  Knoten  in  einem  System 
äquidistanter  Geraden,  die  um  so  größeren  Abstand  voneinander 
hatten,  je  kleiner  der  Winkel  zwichen  Spiegel  und  CoUodiumhaut 


1)  O.  Wiener,  Wied.  Ann.  40,  S,  203,  1890. 

10* 


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148  Kapitel  U. 

war.  Dieselbe  zeigte  nun  in  der  Tat  dieses  System  von  Geraden 
nach  der  photographischen  Entwicklung.  Dies  ist  ein  Beweis 
dafür,  daß  man  einerseits  überhaupt  noch  an  einer  so  dünnen 
Collodiumhaut  photographische  Wirkung  nachweisen  kann,  anderer- 
seits daß  dieselbe  tatsächlich  in  den  Knoten-  und  Bauchebenen 
verschieden  ist  —  Zur  Demonstration  dieser  interessanten  Inter- 
ferenzerscheinung kann  man  auch  zweckmäßig  die.  Fluorescenz- 
wirkung  in  einer  dünnen  Gelatineschicht,  der  Fluorescein  zugesetzt 
ist,  verwenden.^)  Die  Schicht  leuchtet  in  äquidistanten,  grünen 
Streifchen.  —  Von  theoretischer  Bedeutung,  die  wir  später  kennen 
lernen  werden,  ist,  daß  am  Spiegel  selbst  ein  Schwingungs- 
knoten liegt. 

10.  Photographie  in  natflrlichen  Farben.  Das  Auftreten  der 
stehenden  Lichtwellen  hat  Lippmann  dazu  benutzt,  um  farbige 
Photographieen  herzustellen.  Er  wählte  als  lichtempfindliche  Schicht 
eine  durchsichtige  und  kornlose  jod-  und  bromsilberhaltige  Collo- 
diumalbuminschicht,  die  er  auf  Quecksilber  legte,  welches  den 
Spiegel  bildete.  2)  Belichtet  man  die  Platte  durch  ein  Spektrum, 
so  erblickt  man  nach  dem  Entwickeln  und  Fixieren  der  photogra- 
phischen Platte  annähernd  wiederum  die  Spektralfarben.  Die  ein- 
fachste Annahme  ist,  daß  in  der  photographischen  Platte  an  der 
Stelle,  an  welcher  sie  mit  Licht  belichtet  war,  welches  in  der 
photograpischen  Schicht  die  Wellenlänge  X  besitzt,  sehr 
dünne  Silberschichten  in  der  Entfernung  V2  ^  entstanden  sind. 
Betrachtet  man  nun  diese  Stelle  im  reflektierten  weißen  Lichte, 
so  werden  die  Lichtwellen  an  jeder  Silberschicht  in  einer  gewissen 
Stärke  reflektiert.  Diese  Reflexionen  ergeben  aber  übereinstimmende 
Phase  und  daher  maximale  Verstärkung  nur  für  diejenigen  Wellen, 
deren  Wellenlänge  gleich  k,  oder  V2  ^^  oder  V3  ^  usw.  ist  Daher  wird 
eine  z.  B.  grün  belichtete  Stelle  im  reflektierten  weißen  Lichte 
wesentlich  grün  erscheinen.  Das  Licht  der  Wellenlänge  V2  ^  fällt 
dabei  ins  Unsichtbare  Ultraviolette.  Dagegen  erscheint  unter 
Umständen  eine  mit  Ultrarot  belichtete  Stelle  violett,  weil  hier 
der  Wert  V2  ^  zu  den  sichtbaren  Farben  gehört. 

1)  Vgl.  hieraber  das  Nähere  bei  P.  Drude  und  W.  N ernst,  Wied.  Ann. 
45,  S.  460,  1892. 

2)  Näheres  über  diese  Photographie  vgl.  in  Valenta,  Die  Photographie 
in  natürlichen  Farben.  Halle,  1894.  —  Neuhauss,  Die  Farbenphotographie 
nach  Lippmanns  Verfahren.  HaUe,  1898.  —  H.  Lehmann,  Beiträge  z.  Theor. 
u.  Praxis  der  Farben photogr.    Freiburg,  1906. 


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Interferenz  des  Lichtes.  149 

Wenn  man  eine  solche  Photographie  anhaucht,  so  verschieben 
eich  die  Farben  nach  dem  roten  Ende  des  Spektrums  zu,  weil 
dadurch  die  CoUodiumschicht  aufquillt  und  die  reflektierenden 
Schichten  größeren  gegenseitigen  Abstand  gewinnen.  —  Betrachtet 
man  die  Platte  unter  schieferem  Einfallswinkel,  so  verschieben 
sich  die  Farben  dagegen  nach  dem  violetten  Ende  des  Spektrums 
hin.  Dies  hat  denselben  Grund,  wie  das  Verschieben  Newtonscher 
Hinge  bei  schiefem  Anblick  nach  niedrigerer  Ordnung  hin.  Denn, 
wie  Formel  (14)  auf  S.  130  lehrt,  ist  die  Phasendifferenz  J  zweier 
an  zwei  Flächen  der  Distanz  d  reflektierter  Strahlen  proportional 
mit  cos  x^  wobei  x  der  Neigungswinkel  der  Strahlen  zwischen 
beiden  Flächen  gegen  die  Normale  dieser  Flächen  bedeutet  Bei 
schiefer  Incidenz  wird  also  J  kleiner,  bei  den  Newtonschen  Ringen 
ist  dieser  Einfluß  aber  viel  stärker  als  bei  den  Lippmannschen 
Photographieen,  da  bei  ersteren  in  der  die  Interferenz  hervorrufen- 
den Luft  platte  X  ißi*  Änderung  der  Beleuchtungsrichtung  viel 
stärker  variiert  als  in  einer  CoUodiumplatte,  deren  Brechungs- 
index mindestens  etwa  =  1,5  ist. 

Beweisen  die  angeführten  Tatsachen  unzweifelhaft,  daß  die 
Farben  durch  Interferenz  entstehen,  so  ist  ihre  Erklärung  durch 
periodisch  gelagerte  Silberschichten  dennoch  bei  näherer  Prüfung 
wahrscheinlich  nicht  stichhaltig.  Es  hat  nämlich  Schutt  0  die 
Größe  der  gebildeten  Silberkörner  an  solchen  Photographieen 
mikroskopisch  gemessen  und  sie  zu  0,0007  bis  0,0009  mm  Durch- 
messer gefunden,  also  viel  größer  als  die  halbe  belichtende*  Wellen- 
länge. Nach  Schutt  sollen  durch  die  stehenden  Wellen  und  durch 
das  Ausfixieren  der  lichtempfindlichen  Schicht  periodisch  wechselnde 
Schichten  von  verschiedenem  Brechungsindex  (hervorgerufen  durch 
periodisch  wechselnde  Silberablagerung)  entstanden  sein.  Das 
Prinzip  der  Erklärung  der  Farben  wird  dadurch  aber  nicht  ver- 
ändert, es  würde  nämlich  auch  so  die  CoUodiumschicht  eine  mit 
der  Periode  ^b  X  kontinuierlich  sich  ändenide  Reflexionsfähigkeit 
besitzen. 

Nach  dieser  Annahme  kann  man  die  Intensität  irgend  einer 
Farbe  bei  der  Reflexion  berechnen.  Die  genauere  Ausführung 
mag  aber  hier  unterbleiben,  zumal  da  die  Rechnung  dadurch  kom- 
pliziert wird,  daß  man  keineswegs  berechtigt  ist,  die  Anzahl  der 


1)  F.  Schutt,  Wied.  Ann.  57,  S.  533,  1896. 


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150  Kapitel  IL 

Perioden  in  der  photographischen  Schicht  als  recht  groß  anzn- 
nehmend)  Die  besten  Farbenphotographieen  werden  nänüich  er- 
halten, wenn  die  photographische  Schicht  eine  gewisse  Dicke, 
etwa  von  0,001  mm,  nicht  überschreitet.  Diese  Dicke  entspricht 
aber  3—5  halben  Wellenlängen  von  wirksamem  Licht  Aber  auch 
ohne  genauere  Berechnung  kann  man  übersehen,  daß  die  reflek- 
tierten Farben  Mischfarben  und  keine  reinen  Spektralfarben  sind, 
wie  dies  auch  durch  die  Analyse  der  reflektierten  Farben  mit  Hilfe 
des  Spektroskops 2)  bestätigt  wird.  Denn  wenn  auch  diejenige  Farbe^ 
deren  Wellenlänge  gleich  der  belichtenden  Wellenlänge  ist,  be- 
sonders stark  im  reflektierten  Licht  vertreten  sein  muß,  so  können 
doch  benachbarte  Farben,  und  überhaupt  streng  genommen  keine 
einzige  Farbe  vollkommen  fehlen. 

Nach  einem  Versuch  von  Neuhauss^)  ändert  sich  durch  mecha- 
nisches allmähliches  Abreiben  der  photographischen  Schicht  die 
reflektierte  Mischfarbe  in  gewisser  periodischer  Weise.  Dieses 
Verhalten  folgt  theoretisch,  wenn  man  die  geringe  Periodenzahl 
in  der  photographischen  Schicht  berücksichtigt. 

Eine  weitere  Eigentümlichkeit  dieser  Photographieen  besteht 
darin,  daß  sie  im  reflektierten  Lichte  verschiedene  Farben  zeigen 
je  nach  der  Seite,  von  der  man  sie  betrachtet  Abgesehen  davon, 
daß  die  Glasauflage  gewisse  Verschiedenheiten  beider  Seiten  be- 
dingt,^)  ist  es  durchaus  wahrscheinlich,  daß  die  periodischen 
Schwankungen  im  optischen  Charakter  der  photographischen  Schicht 
an  Amplitude  zunehmen  nach  der  Seite  der  Schicht  zu,  welche 
am  Metallspiegel  lag.  Wegen  geringer  Lichtabsorption  müssen  sich 
nämlich  die  stehenden  Wellen  bei  der  Exposition  der  Platte  mög- 
lichst nahe  am  Metallspiegel  am  reinsten  ausbilden. 


1)  Die  bisherigen  BerechnuDgen,  welche  von  Meslin  (Ann.  de  chim.  et 
de  phys.  (6)  27,  S.  369,  1892)  und  von  Lippmann  (Journ.  de  phys.  (3)  3, 
S.  97,  1894)  veröffentlicht  worden  sind,  machen  nicht  nur  diese  unzutreffende 
Voraussetzung,  sondern  sie  leiden  auch  an  dem  Widerspruch,  daß  unter  um- 
ständen nach  diesen  Bechnungen  die  reflektierte  Intensität  größer  als  die  ein- 
fallende sem  könnte. 

2)  Man  vgl.  z.  B.  die  ziterte  Arbeit  von  Schutt. 
3)RNeuhau8s,  Photogr.  Rundsch.  8,  S.  301,  1894.  —  Vgl.  auch  die 

zitierte  Arbeit  von  Schutt,  S.  543. 

4)  Vgl.  hierüber  Wiener,  Wied.  Ann.  69,  S.  488, 


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Interferenz  des  lichtes.  151 

Führt  man  diese  Annahme  in  die  Theorie  ein,  und  berück- 
sichtigt man  schlielUich  noch  eine  geringe  Absorption  des  Lichtes, 
80  nähert  man  sich  mehr  den  wirklichen  Verhältnissen;  es  ergibt 
sich  dann  sowohl  das  Resultat  von  Neuhauss,  als  die  verschiedene 
Farbe  bei  Wechsel  der  reflektierenden  Seite  der  Photographie. 


Kapitel  III. 
Das  Hnygenssche  Prinzip. 

1.  1)88  Hnygenssche  Prinzip   in   seiner  ersten  Fassung. 

Schon  oben  (S.  119)  war  darauf  hingewiesen,  daß  die  Erklärung 
der  geradlinigen  Fortpflanzung  des  Lichtes  vom  Standpunkte  der 
Wellentheorie  Schwierigkeiten  macht.  Um  zu  einer  Erklärung  zu 
gelangen,  hat  Huygens  das  Prinzip  aufgestellt,  daß  jeder  von  einer 
Lichtwelle  getroffene  Punkt  P  als  Ausgangspunkt  von  elementaren 
Lichtwellen  aufgefaßt  werden  könne,  daß  aber  diese  Elementar- 
wellen nur  auf  der  sie  einhüllenden  Fläche  eine  merkliche 
Wirkung  hervorrufen.  Wenn  daher  Q  eine  punktförmige  Licht- 
quelle ist,  deren  Lichtausbreitung  durch  den  ebenen  Schirm  Ä,  52 
mit  der  Öffnung  J,  A^  gehindert  ist,  so  können  wir  die  Wellen- 
fläche, bis  zu  der  die  Lichterregung  nach  Ablauf  einer  gewissen 
Zeit  t  gelangt  ist,  in  folgender  Weise  konstruieren: 

Wir  fassen  alle  Punkte  Ä^  auf  der  Ebene  zwischen  der  Öffnung 
A1A2  als  neue  Erregungspunkte  auf,  die  ihre  Elementarwellen 
auch  in  den  Kaum  hinter  dem  Schirme  fortpflanzen  können.  Diese 
Elementarwellen  sind  Kugelflächen,  die  um  die  Punkte  A  be- 
schrieben sind,  und  zwar  mit  verschieden  großen  Radien,  wenn 
wir  die  Orte  ins  Auge  fassen,  bis  zu  denen  die  Lichtfortpflauzung 
von  Q  aus  immer  dieselbe  Zeit  t  gebraucht  hat.  Da  z.  B.  in  A^ 
die  direkte  Lichterregung  von  Q  aus  früher  angelangt  ist,  als  in 
Jj,  so  ist  die  Elementarwelle  um  A^  entsprechend  dieser  Zeit- 
differenz größer  zu  zeichnen,  als  die  Elementarwelle  um  Jj.    Für 


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152  Kapitel  m. 

alle  Elementarwellen  muß  offenbar  ihr  Radios,  yermehrt  um  die 
Distanz  ihres  Zentrums  von  Q  aus,  ein  und  denselben  Wert  ergeben. 
Auf  die  Weise  erhält  man  aber  als  einhüllende  Fläche  dieser 
Elementarwellen  eine  um  Q  beschriebene  Kugelfläche  (in  Figur  58 
stark  gezeichnet),  welche  durch  die  Punkte  B^B^  begrenzt  ist, 
d.  h.  die  nur  innerhalb  des  von  Q  nach  dem  Rande  des  Schirmes 
5i  Sj  gezogenen  Kegels  liegt.  Innerhalb  dieses  Kegels  pflanzt  sich 
also  von  Q  aus  das  Licht  so  fort,  als  ob  der  Schirm  überhaupt 
nicht  vorhanden  wäre,  außerhalb  des  Kegels  ist  aber  keine  Licht- 
erregung vorhanden. 

Erhält  man  also  nach  diesem  Prinzip  in  der  Tat  die  gerad- 
linige Fortpflanzung  des  Lichtes,  so  stehen  doch  der  Anwendung 


Fig.  58. 

des  Prinzipes  in  dieser  Fassung  schwerwiegende  Bedenken  ent- 
gegen: Zunächst  erkennt  man  aus  Figur  58,  daß  die  Elementar- 
wellen um  die  Punkte  A  auch  in  dem  Itaume  zwischen  Schirm 
und  Lichtquelle  eine  einhüllende  Fläche  (C7,  C^  besitzen.  Es  müßte 
also  auch  nach  rückwärts  stets  Licht  fortgepflanzt  werden,  während 
in  vollständig  homogenem  Räume  solche  Reflexionen  tatsächlich 
nicht  vorkommen.  —  Femer  müßte  die  angeführte  Konstruktion, 
d.  h.  die  geradlinige  Fortpflanzung  des  Lichtes,  stets  gelten,  wie 
klein  auch  die  Öffnung  A^  A^  im  Schirm  gewählt  wird,  während, 
wie  schon  oben  S.  5  hervorgehoben  wurde,  bei  sehr  kleiner 
Öffnung  das  Licht  sich  nicht  mehr  geradlinig  fortpflanzt,  sondern 
die    sogenannte    Lichtbeugung   wahrnehmbar   wird.    Weshalb 


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Das  Haygenssche  Prinzip.  153 

gelten  überhaupt  dieselben  Überlegungen  nicht  auch  für  den  Schall, 
bei  dem  stets  Beugung  eintritt,  oder  wenigstens  der  Schallschatten 
nie  scharf  begrenzt  ist? 

Bevor  wir  die  Verbesserung  des  Huygensschen  Prinzipes  durch 
Fresnel  besprechen,  möge  noch  die  Brechung  und  Reflexion  nach 
Huygens  erklärt  werden.  Wenn  J^  A^  die  ebene  Grenze  zwischen 
zwei  Medien  I  und  II  ist,  in  denen  die  Lichtfortpflanzungsge- 
schwindigkeiten r„  V2  verschieden  sind,  so  möge  eine  Welle, 
deren  Wellenebene  zu  irgend  einer  Zeit  to  die  Lage  A^  B  haben 
möge,  schief  auf  die  Grenzfläche  A^A^  auftreffen.  Wir  fragen, 
welches  ist  die  Wellenfläche  der  LichteiTegung  im  Medium  II  zur 
Zeit  to  +  t?  Wir  fassen  die  Punkte  A  der  Grenze  als  Erreger 
von  Elementarwellen  auf,  die  wiederum  verschiedenen  Radius  be- 
sitzen, da  die  Punkte 

A    zu   verschiedenen  ^ 

Zeiten  von  der  Wellen-  I 

ebene  AB  aus  erregt 
werden.  A^  wird  zur 
Zeit  to  erregt,  die 
Elementarwelle  um  A^ 
muß  also  mit  dem 
Radius  A^  C=  V^t  ge- 
zeichnet werden.  Die 
Lage  des  Punktes  Ai 
sei  so  gewählt,  daß 
er  zur  Zeit  to  +  t  erregt  wird.  Dies  tritt  ein,  wenn  das  von  A^ 
auf  die  Wellenebene  gefällte  Lot  A^B  die  Länge  V^t  besitzt,  da 
sich  in  einem  homogenen  Medium,  z.  B.  in  I,  irgend  ein  Stück 
einer  ebenen  Wellenfläche  nach  der  Huygensschen  Konstruktion 
parallel  mit  sich  in  Richtung  der  Wellennormale  fortpflanzt.  Die 
Elementarwelle  um  A^  hat  nach  dieser  Festsetzung  den  Radius 
Null.  Für  irgend  einen  Punkt  A  zwischen  A^  und  A^  hat  die 
Elementarwelle  einen  Radius,  der  proportional  der  Entfernung 
A^A  allmählich  von  \\t  auf  Null  abnimmt.  Die  einhüllende  Fläche 
der  Elementarwellen  im  Medium  II  ist  daher  die  Tangentialebene 
A^G  an  die  Kugelfläche  um  A^,  Der  Winkel  A^CA^  ist  also  ein 
rechter.  Da  nun  sin  <p  =  BA^  lA^A^^^  V^t:  A^A^j  sin  %  =  CA^ :  A^A^ 
=  V^tiA^A^y  so  ist 

sin  <p       Fl 

~i4zrz  =  t^  =  const, 
stn  X       ^  2 


Flg.  59. 


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154 


Kapitel  III. 


Dies  ist  aber,  da  q>  und  %  gleich  Einfalls-  bezw.  Brechungswinkel 
ist,  die  bekannte  Form  des  Brechungsgesetzes.  Der  Brechungs- 
index n  ist  daher,  wie  oben  S.  121  schon  ausgesprochen,  aber  nicht 
theoretisch  abgeleitet  wurde,  gleich  dem  Verhältnis  der  Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeiten des  Lichtes  in  beiden  Medien. 

Wenn  man  die  von  den  Punkten  A  in  das  Medium  I  fortge- 
pflanzten Elementarwellen  konstruiert,  so  wird  man  sofort  auf  das 
Reflexionsgesetz  geführt 

2.  Terbessemng  des  Hnygensschen  Prlnzipes  dnreli  Fresnel. 

Fresnel  ersetzt  die  willkürliche  Annahme  von  Huygeus,  daß  nur 

auf  der  einhüllenden  Fläche  der 
Elementarwellen  merkliche  Licht- 
erregung stattfinden  solle,  durch  den 
Grundsatz,  daß  die  Elementarwellen 
sich  bei  ihrem  Durchkreuzen  gemäß 
dem  Interferenzprinzip  beeinflussen. 
Es  soll  also  Licht  nicht  auf  der  ein- 
hüllenden Fläche  auftreten,  sondern 
überall  da,  wo  sich  die  Elementar- 
wellen verstärken,  dagegen  da  Dun- 
kelheit, wo  sie  sich  vernichten.  Durch 
dieses  Fresnel-Huygenssche  Prinzip 
ist  nun  in  der  Tat  sowohl  die 
Lichtbeugung,  als  auch  die  gerad- 
linige Fortpflanzung,  sowie  Reflexion 
und  Brechung  abzuleiten. 

Wir  wollen  die  Lichterregung  in  einem  Punkte  P  betrachten, 
der  von  einer  Lichtquelle  Q  erregt  wird,  und  zwar  möge  zunächst 
kein  Schirm  zwischen  P  und  Q  vorhanden  sein.  Wir  können  eine 
um  Q  mit  dem  Radius  a  beschriebene  Kugelfläche  (Figur  60)  als 
Wellenfläche  auffassen,  deren  Flächenelemente  die  Lichterregung 
besitzen  (vgl.  oben  S.  119): 


(1) 


s^^co8  2ni~-^^, 


wobei  Ä  die  Amplitude  des  Lichtes  in  der  Entfernung  a=l  von 
der  Lichtquelle  Q  bedeutet.  Fresnel  t-eilt  nun  die  Kugelfläche  in 
ringförmige  Zonen  ein,  deren  Zentrum  auf  der  Geraden  QP  liegt, 
durch  folgende  Konstruktion:  die  erste  Zone  (Zentralzone)  reiche 
bis  zum  Punkte  i/,,  wobei  die  Entfernung  M^P=^ri  um  V2  ^  grtJßer 


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Das  Huygenssche  Prinrip.  155 

sei  als  die  Entfernung  MoP.  Bezeichnen  wir  letztere  mit  5,  so  ist 
also  MiP  —  rj  =  5  +  V2  ^'  Die  zweite  Zone  liege  zwischen  M^ 
und  Jf2,  wobei  Jf2P  =  r2  =  ri+  %X  sei.  Die  dritte  Zone  liege 
zwischen  M2  und  M^,  wobei  M^P  =  rj  =  r2  +  V2  ^  s^i  ^  s-  f-  I^ 
irgend  einer  Zone,  z.  B.  der  dritten,  möge  nun  ein  ringförmiges 
Element  betrachtet  werden,  welches  zwischen  den  Punkten  M  und 
M"  liege.  Es  mögen  die  Entfernungen  MP=^r^  M'P=^r  +  dr  sein, 
femer  <  MQP  =  w,  -^  if'  OP  =  w  +  rfu.  Dann  ist  die  Größe  dieser 
Elementarzone 

do  =  2jc  a*^  sin  u  du.  (2) 

Da  die  Beziehung  besteht: 

r^  =  a^  +  {a+  b)^  —  2a  {a  +  b)  cos  w, 
SO  folgt  durch  Differentiation: 

2rdr  '=^  2a  {a  +  b)sin  u  du^ 
SO  daß  man  Gleichung  (2)  schreiben  kann: 

do  =  2jt-^rdr  (3) 

Die  Lichterregung  ds\  welche  diese  Elementarzone  im  Punkte  P 
hervorruft,  muß  mit  do  proportional  sein,  ferner  umgekehrt  pro- 
portional sein  zu  r,  da  (vgl.  oben  S.  118)  die  Erregung  durch  eine 
unendlich  wenig  ausgedehnte  Lichtquelle  umgekehrt  proportional 
zur  Entfernung  von  ihr  abnimmt    Aus  (l)  folgt  daher 

^^'  ""  "^  ^*  ^^(f  """r^*^)  ^^'  (^) 

oder  gemäß  (3): 

ds'  =  ^^  V-4Ä-  '''  ^^  (t-^)  ^^-  (4') 

Hierin  ist  k  ein  Proportionalitätsfaktor,  der  nur  noch  von  der 
Neigung  des  Elementes  do  gegen  die  Richtung  r  abhängen  kann. 
Fresnel  nimmt  an,  daß  er  um  so  kleiner  wird,  je  schiefer  r  auf 
do  steht.  —  Wenn  wir  nun  den  Winkel  zwischen  r  und  do  innerhalb 
einer  ganzen  Fresnelschen  Zone,  z.  B.  zwischen  Mn-i  und  Mn,  kon- 
stant annehmen,  was  gestattet  ist,  wenn  a  und  b  groß  gegen  die 
Wellenlänge  X  sind,  so  folgt  nach  (4')  für  die  Wirkung  dieser 
n^^  Zone,  da  k  gleich  einer  Konstante  kn  ist: 

rn 

n  =y^'=^^^;^J  cos2jci^^  —  ^!^^)dr, 


Sn 


(5) 


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156  Kapitel  m. 

Oder      ,„'=^^{«n2,{l-^--l)-«„2^(i.-^»)}. 

Da  nun  r„_j=6  +  !^-=lx,  r„  =  6+  J;i  ist,  so  folgt 

(6)  „=(-1)  ._^«-„2^(y ^j. 

Man  ersieht  hieraus,  daß  die  successiven  Zonen  abwechseln- 
des Vorzeichen  für  /  ergeben.  Bezeichnet  man  den  absoluten  Be- 
trag von  sn  durch  sn,  so  ist  daher  die  ganze  Wirkung  s,  welche 
die  ersten  n  Zonen  in  P  erzeugen,  nach  dem  Interferenzprinzip 
gegeben  durch  die  Reihe: 

Wenn  man  kn  für  alle  Zonen  als  gleich  annehmen  wollte,  so 
würden  die  s^,  ^,  . . .  alle  einander  gleich  sein.  Der  Wert  der 
Reihe  (7)  würde  dann  je  nach  der  Größe  von  n  schwanken.  Nun 
nimmt  aber  kn  und  daher  auch  8n  mit  wachsendem  n  beständig  ab, 
da  r  immer  schiefer  gegen  do  liegt,  je  größer  n  wird.  In  diesem 
Falle  läßt  sich  die  Reihe  (7)  in  folgender  Weise  summieren:  0 
Man  kann  schreiben,  falls  n  ungerade  ist: 

+r-^--*— +5)+?. 

oder  auch 


:* 


(9) 


-9-{(9-«3  +  J)  +  g-«.  +  t)  + 


[8n  —  S                          .     8n  —  lW         8n  —  l      , 
+  ^— ^ Sn^2  H Y~)\ 2 ^  ***• 

Wenn  nun  jedes  8p  größer  als  das  arithmetische  Mittel  der 
beiden  benachbarten  s>  -  /  und  8p  + ;  ist,  so  schließen  wir  aus  (8), 
daß  ist 

'    ^^  8\     ,    8n 

^    <2+   2' 

dagegen  folgt  aus  (9) 

8   ^>  Sj  Q  "T"  8n  9       • 


1)  Diese  Betrachtungen  sind  von  A.  Schuster  (Phil.  Mag.  (5)  31,  8.  85, 
1891)  angesteUt  worden. 


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Das  Huygenssche  Prinzip.  I57 

Diese  beiden  Grenzwerte,  zwischen  die  s  auf  diese  Weise  ein- 
geschlossen ist,  sind  aber  einander  gleich,  wenn,  wie  es  hier  der 
Fall  ist,  jedes  sp  sich  nur  unendlich  wenig  unterscheidet  sowohl 
von  «p-^  als  von  sp-^u    Daher  ist 

^=-2  +  y-  (10) 

In  ähnlicher  Weise  ist  zu  schließen,  wenn  jedes  sp  kleiner 
als  das  arithmetische  Mittel  beider  benachbarter  sp  - 1  und  «p  +  / 
ist  Wenn  man  die  sp  als  successive  Ordinaten  mit  äquidistanten 
Abszissen  aufträgt,  so  bildet  die  Verbindungslinie  ihrer  Endpunkte 
in  diesem  Falle  eine  nach  der  Abszissenachse  konvex  gekrümmte 
Kurve.  —  Im  ersten  Falle  ist  diese  Kurve  konkav  gegen  die 
Abszissenachse.  Man  kann  nun  auch  dieselben  Schlüsse,  d.  h.  die 
Formel  (10),  gewinnen,  wenn  jene  Kurve  der  sp  aus  einer  end- 
lichen Anzahl  konvexer  und  konkaver  Stücke  besteht.  Nur  wenn 
diese  Zahl  unendlich  groß  wäre,  würde  die  Formel  (10)  eventuell 
ungültig  werden  können.  Dieser  Fall  tritt  aber  offenbar  mit  dem 
Faktor  kn  der  Fresnelschen  Zonen  nicht  ein. 

Wenn  n  eine  gerade  Zahl  ist,  so  ergibt  sich  durch  ähnliche 
Schlüsse,  nur  durch  andere  Zusammenfassung  der  Reihe  (7): 

5=2-y.  (10) 

Die  Fresnelschen  Zonen  sind  nun  nach  Fresnel  so  weit  zu 
konstruieren,  bis  daß  der  von  P  ausgehende  Radiusvektor  r  die 
um  Q  beschriebene  Wellenfläche  berührt.  Für  die  letzten  Zonen 
steht  daher  r  senkrecht  auf  ihnen  und  kn,  d.  h.  auch  sn ,  hat  dann 
nach  Fresnel  den  Wert  Null.  Daher  werden  die  Werte  (10)  und 
(10')  identisch,  und  die  Lichterregung  s  in  P  hat  den  Wert: 

f        Sx kxXA      .Q     (t        a  -\-h\ 


sin2jt(^-^^).  (11) 


Man  kann  sie  als  herrührend  ansehen  allein  von  der  Wirkung 
der  Elementarwellen  der  halben  Zentralzone, 

Wenn  man  nun  irgend  einen  Schirm  aufstellt,  so  hängt  seine 
Wirkung  auf  P  wesentlich  davon  ab,  ob  er  die  Zentralzone  und 
die  nächst  benachbarten  freiläßt,  oder  nicht.  Man  sollte  zunächst 
denken,  daß  die  Lichtwirkung  in  P  schon  vollkommen  abgeschnitten 
wäre  durch  einen  kreisförmigen  Schirm,  dessen  Zentrum  in  Mo 
liegt,  und  der  die  halbe  Zentralzone  verdeckt  Das  ist  aber  nicht 
richtig.    Wenn  irgend  ein  kreisförmiger  Schirm  senkrecht  zu  PQ 


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158  Kapitel  in. 

mit  dem  Zentrum  M>  aufgestellt  wird,  so  kann  man  die  Fresnel- 
sche  Zonenkonstruktion  vom  Rande  dieses  Schirmes  aus  beginnen. 
Es  bleibt  dann  in  P  wiederum  die  halbe  Wirkung  der  ersten,  am 
Schirm  gelegenen  Zone  übrig,  d.  h.  es  gilt  Formel  (11),  wobei  b 
jetzt  die  Entfernung  zwischen  P  und  dem  Rande  des  Schirmes 
bezeichnet,  und  k^  sich  auf  die  Randzone  am  Schirm  bezieht  Auf 
der  Zentrale  J£>P  kann  also  in  keinem  Punkte  Dunkelheit 
herrschen.  Diesen  überraschenden  Schluß  bestätigt  nun 
in  der  Tat  auch  die  Beobachtung.  Nur  für  Schirme,  die 
sehr  groß  gegen  die  Wellenlänge  und  nicht  klein  gegen  die  Ent- 
fernung b  sind,  ist  die  Lichtwirkung  in  P  gering,  weil  der  Faktor  kn 
der  Formel  (5)  dann  klein  wird.  Ebenfalls  ist  die  Lichtwirkung 
in  P  gering,  wenn  in  Mo  ein  nicht  genau  kreisförmiger  Schirm  S 
mit  dem  Zentrum  ifc,  der  viele  Wellenlängen  groß  ist,  aufgestellt 
wird.  Um  dieses  einzusehen,  denken  wir  uns  den  Schirm  S  be- 
grenzt durch  unendlich  kleine  Kreisbögen  um  das  Zentrum  Mo  von 
wechselndem  Radius.  Der  Zentriwinkel  des  ersten  Kreisbogens 
sei  dq>i,  die  Entfernung  seines  Randes  vom  Punkte  P  sei  b^,  von 
Q  sei  sie  a^.  Dann  ist  nach  (11)  und  den  vorigen  Bemerkungen 
die  Wirkung  der  ganzen  freien  Öffnung,  die  zwischen  den  beiden 
Radienvektoren  liegt,  welche  von  Mo  nach  den  Endpunkten  dieses 
ersten  Kreisbogens  gezogen  werden,  gegeben  durch: 

Die  Wirkung  der  freien,  durch  zwei  Radien  begrenzten  Öffnung, 
die  sich  an  einen  zweiten  Kreisbogen  des  Zentriwinkels  d(p^  an- 
schließt, ist  in  analoger  Bezeichnung: 

U.S. f.  Alle  diese  Wirkungen  haben  wir  zu  summieren,  wenn  wir 
8  im  Punkte  P  berechnen  wollen  für  den  Fall,  daß  in  Mo  ein 
Schirm  S  von  unregelmäßiger  Gestalt  aufgestellt  ist.  Wenn  der- 
selbe nicht  zu  groß  ist,  so  können  wir  A^^  =  Ai^  =  ^  usw.  setzen, 
ebenfalls  können  wir  im  Nenner  a^  +  fc^,  «2  +  ^  ^s^-  die  Unter- 
schiede der  verschiedenen  a  und  der  verschiedenen  b  vernach- 
lässigen, so  daß  wir  erhalten: 


(11') 


(o  +  b)2n\ 


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Das  HuygeDSSche  Prinzip.  159 

Im  Argumente  der  sin  dürfen  wir  nicht  a^  +  b^  =0^  +  ^2  ^sw. 
setzen,  da  diese  Größen  durch  die  sehr  kleine  Wellenlänge  X 
dividiert  sind.  Wenn  nämlich  der  Durchmesser  des  Schirmes  S 
viele  Wellenlängen  umfaßt  (er  braucht  dahei  trotzdem  nur  wenige 
Millimeter  groß  zu  sein),  so  variiert  auch  a  +  b  um  viele  Wellen- 
längen. Im  Ausdruck  (11')  sind  daher  die  einzelnen  Glieder  bei 
unregelmäßiger  Gestalt  des  Schirmes  in  unregelmäßig  wechselnder 
Weise  positiv  und  negativ,  die  ganze  Summe  wird  im  allgemeinen 
nur  unendlich  klein  sein,  weil  erst  bei  bestimmter  regelmäßiger 
Gestalt  des  Schirmes,  z.  B.  wenn  alle  a  und  b  genau  gleich  sind, 
eine  endliche  Summe  s  entsteht  Im  allgemeinen  ist  daher  s  bei 
unregelmäßiger  Gestalt  eines  Schirmes  bei  M,  unendlich  klein. 
Man  kann  daher  von  einer  geradlinigen  Ausbreitung  des 
Lichtes  sprechen,  indem  durch  genügend  große  Schirme  von 
unregelmäßiger  Gestalt,  die  in  der  Verbindungslinie  QP  liegen, 
Dunkelheit  in  P  herbeigeführt  wird. 

Wenn  zwischen  Q  und  P  ein  Schirm  mit  kreisförmiger  Öffnung, 
deren  Zentrum  M)  ist,  aufgestellt  wird,  so  ist  die  Lichtwirkung 
in  P  je  nach  der  Größe  dieser  Öffnung  sehr  verschieden.  Läßt 
sie  nur  die  halbe  Zentralzone  frei,  so  ist  die  Wirkung  in  P  die- 
selbe, als  ob  überhaupt  kein  Schirm  da  wäre.  (Natürliche  Inten- 
sität.) Ist  die  Öffnung  doppelt  so  groß,  so  daß  die  ganze  Zen- 
tralzone freibleibt,  so  ist  s  in  P  doppelt  so  groß  als  vorhin,  d.  h. 
es  herrscht  in  P  die  vierfache  natürliche  Lichtintensität.  Wird 
die  Öffnung  wiederum  verdoppelt,  so  daß  die  beiden  ersten  Zen- 
tralzonen freibleiben,  so  ist  nach  (7)  /  =  5,  —  «2,  d.  h.  nahezu 
Null,  u.  s.  f.  Auch  diese  Schlüsse  hat  die  Beobachtung  bestätigt 
Anstatt  daß  man  Schirme  und  Öffnungen  wechselnder  Größe 
wählt,  braucht  man  nur  den  Beobachtungspunkt  P  auf  der  Geraden 
QMo  zu  verschieben. 

Gibt  also  die  Fresnelsche  Modifikation  des  Huygensschen 
Prinzipes  nicht  nur  Rechenschaft  von  der  geradlinigen  Ausbreitung 
des  Lichtes,  sondern  präzisiert  sie  dieses  Gesetz  auch  als  gewissen 
Grenzfall,  0  und  behandelt  die  Abweichungen  von  diesem  Gesetz, 
die  sogenannten  Beugungserscheinungen,  in  einer  der  Beobachtung 
entsprechenden  Weise,  so  sind  doch  noch  zwei  Mängel  in  den 


1)  Daß  er  bei  den  Schallerscbeinimgen  so  wenig  erfüUt  ist,  liegt  daran, 
daß  in  Anbetracht  der  hier  auftretenden  großen  Wellenlängen  die  Hinder- 
nisse nicht  groß  gegen  letztere  sind. 


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160  Kapitel  IIL 

Fresnelschen  Betrachtungen  vorhanden.  Nämlich  erstens  müßte 
von  irgend  einer  Wellenfläche  aus  das  Licht  sich  nicht  nur  in 
einem  Sinne,  sondern  auch  allemal  ilickwärts  (nach  der  Lichtquelle 
zu)  wieder  ausbreiten.  Diesen  Übelstand  führte  ja  auch  die 
ursprüngliche  Fassung  des  Huygensschen  Prinzipes  mit  sich  (vgL 
oben  S.  152).  Zweitens  ergibt  sich  auch  durch  die  Fresnelsche 
Berechnung  eine  falsche  Phase  der  Lichterregung  s  in  P.  Denn 
nach  Formel  (1)  S.  154  müßte  bei  direkter  Foitpflanzung  sein: 


A  ^      (t        a^h\ 


während  nach  (11)  (S.  157)  durch  Übermittelung  der  Elementar- 
wellen einer  Wellenfläche  ist: 


.    ^     It        a-\-h\ 


Um  Identität  der  Amplituden  in  beiden  Ausdrücken  für  s  zu 
erzielen,  kann  man  die  Annahme  k^  =  ^jX  machen,  die  Phasen 
sind  aber  in  beiden  Ausdrücken  nicht  in  Übereinstimmung  zu 
bringen.  Diese  Übelstände  fallen  fort,  wenn  man  das  Huygens- 
sche  Prinzip  auf  eine  strengere  analytische  Basis  stellt  Dieselbe 
ist  zuerst  von  Kirchhoff^  gegeben.  Nachstehende,  in  5.  und  6.  ge- 
gebene einfachere  Ableitung  schließt  sich  an  Voigt^)  an. 

3.  Die  BifFerentialglelchung  f&r  die  Llchterregang.    Den 

analytischen  Ausdruck  für  die  Lichterregung  s  in  irgend  einem 
Punkte  P  des  Raumes  haben  wir  angeben  können,  falls  es  sich 
um  Kugelwellen  oder  ebene  Wellen  handelte.  Wenn  irgendwelche 
Hindemisse  für  die  Lichtausbreitung  vorhanden  sind,  so  werden 
die  Wellenflächen  oft  in  komplizierter  Weise  deformiert  Um  dann 
den  analytischen  Ausdruck  für  s  zu  bilden,  muß  man  zunächst 
von  einer  allgemeineren  Grundlage  ausgehen,  nämlich  von  der 
DiflFerentialgleichung,  der  8  genügt 

Jede  Theorie  des  Lichtes,  sowie  überhaupt  jede  Theorie  für 
einen  sich  wellenartig  ausbreitenden  Zustand  führt  nun  zu  der 
Differentialgleichung: 

wobei  t  die  Zeit  bedeutet,  x,  y,  %  die  Koordinaten  eines  recht- 


1)  G.  Kirchhoff,  Ges.  Werke,  oder  VorlesuDgen  über  math.  Optik, 

2)  W.  Voigt,  Kompendium  d.  theoret.  Physik,  II,  8,  776.  Leipzig  1896. 


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Das  Huygenssche  Prinzip.  161 

winkligen  Achsenkreuzes,  V  die  Ausbreitungsgeschwindigkeit  der 
Wellen.  Dieses  Resultat  der  Theorie  möge  hier  vorausgesetzt 
werden,  eine  Ableitung  der  Differentialgleichung  vom  elektro- 
magnetischen Standpunkte  aus  soll  später  (II.  Abschnitt,  Kapitel  I) 
folgen. 

Zunächst  wollen  wir  zeigen,  wie  aus  jener  Differentialgleichung 
die  schon  oben  benutzten  analytischen  Formen  von  s  für  ebene 
Wellen  und  für  Kugelwellen  folgen: 

Legen  wir  für  ebene  Wellen  die  rc-Achse  in  die  Wellen- 
normale (Fortpflanzungsrichtung),  so  kann  s  nur  von  x  und  t  ab- 
hängen, da  in  jeder  Ebene  x  =  const.,  welche  eine  Wellenebene 
ist,  der  Schwingungszustand  für  einen  bestimmten  Wert  von  t  ein 
und  derselbe  sein  soll.    Dann  reduziert  sich  aber  (12)  auf: 

Das  allgemeine  Integral  dieser  Gleichung  ist  aber 

wobei  fi  irgend  eine  Funktion  vom  Argumente  t  —  y  bedeutet, 
/2  irgend  eine  Funktion  vom  Argumente  t  +  y.  In  der  Tat  be- 
zeichnet man  die  ersten  Difl'erentialquotienten  der  Funktionen  /i 
und  f2  nach  ihren  Argumenten  mit  f{  und  /2',  die  zweiten  Diffe- 
rentialquotienten mit  /i"  und  /i",  so  ist 

g^  — /ii-/2»  ji^—h   -r  / 2  » 

di -p/i-r-|7/2»  ^2  —  -r'y2h    -r-yihi 

d.  h.  die  Gleichung  (13)  ist  erfüllt.  Ist  nun  die  Abhängigkeit  des 
s  von  der  Zeit  eine  rein  periodische  (proportional  zu  cos  2j[  j^) 
wie  es  homogenem  Licht  entspricht,  so  muß  nach  (14)  sein 

8=  A^cos  2jt  \ji pji  +  ö^j  +  A2  cos  2jc  (^Y  +  ^+^2)»      (15) 

wobei  Ai  und  A2,  rfj  und  ^2  Konstanten  sind.  Dies  entspricht 
aber  unserem  früheren  Ansatz  für  ebene  Wellen  der  Wellenlänge 
Z  =  VT,  und  zwar  ist  A^  die  Amplitude  eines  Wellenzuges,  der 
sich  nach  der  positiven  a;-Achse  fortpflanzt,  dagegen  A2  die  Ampli- 
tude einer  nach  der  negativen  «-Achse  sich  fortpflanzenden  Welle. 

Drude,  Lehrbuch  d.  Optik.  H 


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162  Kapitel  IIL 

Im  Falle  kugelförmiger  Wellen,  die  sich  vom  Koordinaten- 
anfang  ausbreiten  mögen,  kann  s  nur  von  t  und  der  Entfernung  r 
vom  Koordinatenanfang  abhängen.    Es  ist  also 

05  bs     br bs    X 

bx        br    bx        br     r  ' 

bs bs    br bs    y 

by        br    by        br    r  ' 

bs        bs     br bs     % 

bx        br    bz        br     r  ' 

Denn   da    r^  =  x^  +  y^  +  x^  ist,  so  erhält  man   durch  partielle 
Differentiation: 

r  '  ir  =  X  •  ix,  d.  h.  ä~  =  ~  =  <^05  (rx), 

.ndanalog  *5  =  ?.£-?■ 

Femer  folgt 

b^s         1     ö«    ,    x^    ^(]_    bs\ x^     b^    .    bs/l^ ^\ 

br\r  '  br)  ~  r«  "  br^  "•"  br\r        rV' 


bx^        r     br  ^    r 


analog  ^s_  _y^    ^^^   t^lL—  y^\ 

by'i        r2  *  ör2  "^  br\r         rV' 
ö«2  =  r2"  Ör2  +  br\r         rV ' 

Die  Differentialgleichung  (12)  wird  daher  in  diesem  Falle 

was  auch  in  der  Form  zu  schreiben  ist: 

Diese  Gleichung  ist  von  derselben  Form  wie  (13),  nur  daß  ra  an 
Stelle  des  dortigen  s  tritt,  und  r  an  Stelle  von  x.  Das  Integral 
von  (17)  ist  daher  gemäß  (14): 

(18)  rs  =  f,{t-^)+u{t-^^). 

Hat  man  wiederum  homogenes  Licht  der  Periode  T,  so  folgt: 

(19)  5  =  y  cos  2jt  (^y  —  TT'^  ^0  +  'V^^  ^^(y  +  ■fy+^l)' 

Dies  ist  unser  früherer  Ansatz  für  Kugelwellen.  Ein  Wellenzug 
geht  vom  Koordinatenanfang  fort,  einer  geht  nach  ihm  hin.  Die 
Amplituden,  z.  B.  A^r,  sind  umgekehrt  proportional  zu  r.    Dieses 


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Das  HaygensBcbe  Prinzip.  j^53 

Resultat,  welches  schon  oben  S.  118  bei  der  Festlegung  des  Inten- 
sitätsmaßes benutzt  wurde,  folgt  also  aus  der  Differential- 
gleichung (12). 

Bevor  wir  nun  das  Huygenssche  Prinzip  aus  dieser  Gleichung 
(12)  ableiten,  muß  ein  Hilfssatz  vorangestellt  werden. 

4.  Ein  mathematisclier  Hilfssatz.  Es  bezeichne  dr  ein 
Volumenelement,  und  F  sei  eine  Funktion,  welche  innerhalb  eines, 
von  einer  geschlossenen  Fläche  S  umgrenzten  Baumes  überall  end- 
lich, stetig  und  eindeutig  ist.  Es  soll  betrachtet  werden  das  über 
den  ganzen  innerhalb  /S  liegenden  Baum  zu  erstreckende  Integral: 


pbx  ^^  ="/S  ^^  ^2/  dz. 


Man  kann  die  Integration  partiell  nach  x  ausführen,  d.  h.  man 

bF 
kann  zunächst  eine  Summation  derjenigen  Elemente  ^rfr  des  Inte- 
grals vornehmen,  welche  auf  einer  beliebigen,  zurx-Achse  parallelen 
Geraden  ®  liegen.    Dadurch  erhält  man 


dy 


dzf^dx  =  dy  dz  {—F^  +  F^  —  F^+F^  usw.), 


wobei  die  i<\,  F2  usw.  die  Werte  der  Funktion  F  an  denjenigen 
Stellen  der  Oberfläche  5  bedeuten,  an  welchen  sie  von  der  Ge- 
raden ®  geschnitten  wird.  Der  Allgemeinheit  halber  ist  angenommen, 
daß  diese  Gerade  ®  die  Fläche  S  mehrfach  schneiden  könne; 
jedenfalls  muß  die  Anzahl  der  Schnittstellen  gerade  sein,  weil  S 
eine  geschlossene  Fläche  ist.  Wenn  man  die  Gerade  ®  im  Sinne 
der  wachsenden  x  durchläuft,  so  bezeichnen  F^,  F^  usw.  mit  un- 
geradem Index  die  Werte  von  F  an  den  Eintrittsstellen  des  von 
S  umschlossenen  Baumes,  F2,  F^  usw.  mit  geradem  Index  die  Werte 
von  F  an  den  Austrittsstellen.  Konstruieren  wir  nun  über  der 
Basis  des  sehr  kleinen  Bechtecks  dy  dz  eine  Säule,  deren  Achse 
der  X-Achse  parallel  ist,  so  schneidet  diese  aus  der  Fläche  S 
Stücke  der  Größe  dS^,  dS2  usw.  an  den  vorhin  betrachteten  Ein- 
tritts- resp.  Austrittsstellen  aus,  und  zwar  ist  stets: 

dy  dz  =  -f  c?Ä  •  cos  (jix) , 
falls  {nx)  den  Winkel  bezeichnet,  welchen  die  Normale  der  Fläche  S 
an  der  jeweilig  geschnittenen  Stelle  mit  der  x-Achse  bildet.  Das 
Vorzeichen  ist  so  zu  bestimmen,  daß  die  rechte  Seite  positiv  ist, 
da  die  betrachteten  Flächenstücke  positive  Größen  sind.  Es  soll 
nun   die  positive  Bichtung  von  n  nach  dem  Innern  des 

11  ♦ 


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164  Kapitel  III. 

von  S  umgrenzten  Eaumes  weisen.    Dann  gilt  für  die  Ein- 
trittsstellen: 

dy  dx  =  +  dSi  •  cos  (w^x)  =  +  d'S^  •  cos  (w-jx)  usw., 
für  die  Austrittsstellen  dagegen: 

dy  dz  =^  —  dS2  •  cos  {n^)  =  —  dS^  •  cos  (n^x)  usw. 
Es  ist  daher 


dy 


dz  I  j-  dx  =  —  Fl  cos  (wj^)  •  dS^  —  F2  cos  (n^)  •  rfÄj  —  usw. 


Vollführt  man  nun  noch  eine  Integration  nach  y  und  ^,  um 
das  ganze  betrachtete  Raumintegral  zu  erhalten,  so  heißt  das,  man 
muß  die  Produkte  F  cos  {nx)  dS  über  die  ganze  Oberfläche  von  S 
summieren.    Es  ist  daher: 


(20) 


I  ^  dt  =  —  I  F  cos  {nx)  •  dS, 


wobei  auf  der  rechten  Seite  F  den  Wert  der  Funktion  am  Ober- 
flächenelement dS  bedeutet 

Das  ursprünglich  über  einen  Raum  zu  erstreckende  Integral 
ist  also  durch  diesen  Hilfssatz  in  ein  solches  verwandelt,  welches 
über  die  Oberfläche  des  Raumes  zu  erstrecken  ist.  —  Aus  dem 
Gange  des  Beweises  erkennt  man,  daß  F  innerhalb  des  betrach- 
teten Raumes  eindeutig,  endlich  und  stetig  sein  muß,  weil  sonst 
bei  der  partiellen  Integration  nicht  nur  Oberflächenwerte  Fi^  F^ 
von  F  auftreten  würden,  sondern  auch  Werte,  die  sich  auf  das 
Innere  beziehen. 

5.  Zwei  allgemeine  Formeln.  Es  sei  ü  eine  Funktion,  die 
X,  y,  ;:;  und  r  explizit  enthält,  r  sei  die  Entfernung  vom  Koordi- 
natenanfang, d.  h.  es  ist  r'^=^x'^-\-y'^'\-z^.  Es  bezeichne  nun  ^  eine 

Differentiation  allein  nach  der  explizit  vorkommenden  Variabein 
X,  so  daß  y,  z  und  r  dabei  als  Konstante  angesehen  werden.    Da- 

dU 
gegen  bezeichne  -^^  den  Differentialquotienten  von  U,  der  durch  Fort- 
schreiten um  die  Größe  dx  längs  der  x-Achse  entsteht,  wobei  zu 
berücksichtigen  ist,  daß  sich  damit  auch  r  ändert.    Es  ist  dann: 

,^,.  du       bU  ,    ör    ör        tu   ,    hU        ,    V 

(21)  di==  öx  +  V'öi=  di+  ör  ^^*(^)' 

da  nach  S.  162  ~==:y  =  cos  (rx)  ist.    Es  folgt  daher  auch 


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Das  Huygensscbe  Priozip. 


165 


d 
dx 


(1  UT\      ö  (1  ör\  ,   ö  (1  uj\       f    , 


oder,  da  bei  der  Dififerentiation  ^^ 

W^      1  br 


d_  (lhu\_i^  ^^^  ^ 

dx  \r  dx)        r  '  bx"^ 


die  Größe  r  eine  Konstante  ist: 


Analog  ist: 
dy  \r  öy)~ 


d_  (L^U\^l 
d^\r  öx)        r 


d*2  " 


(22) 


Unter 


dJJ 


^^  soll  der  Differentialquotient  von  TJ  nach  r  verstanden 

werden,  der  dadurch  entsteht,  daß  man  in  der  fest  angenommenen 
Richtung  r  um  dr  fortschreitet.  C7  ändert  sich  dadurch  aus  mehreren 
Gründen:   einmal   ändert   sich   die   in   V  explizit   vorkommende 

Variable  r,  dies  gibt  den  Beitrag  ^^,  andererseits  ändern  sich 

auch  die  in  U  explizit  vorkommenden  Variabein  x,  y,  %  und  zwar, 
wie   eine   einfache   geometrische   Überlegung   ergibt,   um  bezw. 

dr  •  cos  {rx\  dr  •  cos  {ry\  dr  •  cos  {rx).    Es  ist  daher 

dU       bV   .    bU        ,    ^    ,    bU        /    \    I    öZ^/        /    V  /rtoN 

-dr  =  br  +  b'x  '^*  ('■'^)  +   by  '^''  ("^)  +   ö*  '^'  ('"*)  *  (^3) 

\  rr 

Wenn  man  in  dieser  Gleichung  anstatt  ü  den  Wert  ^^  einsetzt, 
so  folgt: 

dr  [br)  =   br^    +  brbx  ^^  ^^^^  +  brby  ^^  ^^^z)  +  örö,  ^^  ^^'^^  '      (24) 

Durch  Addition  der  drei  Gleichungen  (22)  entsteht  daher  mit  Be- 
rücksichtigung von  (23)  und  (24): 

dx  \r  bx )  ~^  dy  \r  by  )  ~^  dx  \r  bxj 
1  (bnr       bW       b^U _  b'^TA        l_dlbU\  _±(är_  ^\ 
r\bx^  '^  by'i   +  0^2  br^J  "^  rdr\br)         r^\  dr  br  )  ' 

Nun  ist  aber 

r  dr\bf)  "f"  r2  br  ~  r^  drV    br  )  ^^^^ 

Multipliziert  man  die  Gleichung  (25)  mit  dem  Volumenelement 
dr  =  dxdydx  und  integriert  über  einen  Kaum,  innerhalb  dessen 

F'bx'  7by'  7bx  ^^^^eutig,  endlich,  stetig  ist,  so  erhält  man  durch 


(25) 


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166  Kapitel  HL 

dreimalige  Anwendung  0  des  Hilfssatzes  (20)  auf  S.  164  und  Be- 
rücksichtigung von  (26): 


(27) 


-  [^^  cos  (nx)  +  ^co8  iny)  +  ^  cos  {rix)]  dS  = 
fl  (bW  ,    bm  ,    bni       b^U\    ,      ,      fl  d  I    bU      jr\. 


Der  Raum,  innerhalb  dessen  integriert  wird,  darf  offenbar  den 
Koordinatenanfang  nicht  enthalten,  da  dort  Vr  unendlich  groß  wird. 
Nun  sind  zwei  Fälle  zu  unterscheiden:  I.  Entweder  wird  der  Inte- 
grationsraum von  einer  Fläche  S  begrenzt,  welche  den  Koordinaten- 
anfang nicht  umschließt,  oder  II.  die  äußere  Begrenzungsfläche  S 
des  Integrationsgebietes  umschließt  den  Koordinatenanfang. 

IL  Fall.  In  diesem  Falle,  den  wir  zunächst  betrachten  wollen, 
schließen  wir  den  Koordinatenanfang  durch  eine  um  ihn  beschrie- 
bene Kugel  K  von  sehr  kleinem  Radius  q  aus  dem  Integrations- 
gebiete aus.  Dasselbe  hat  dann  zwei  Begrenzungsflächen:  Eine 
äußere  Begrenzung  S  und  eine  innere  durch  die  Oberfläche  K  der 
Kugel.  Das  in  (27)  auftretende  Oberflächenintegral  ist  daher  so- 
wohl über  die  äußere  Oberfläche  S,  als  auch  über  die  Kugelfläche  K 
zu  erstrecken.  Letzteres  liefert  aber  keinen  endlichen  Beitrag, 
wenn  q  unendlich  klein  ist,  da  die  Oberfläche  von  K  unendlich 
klein  wie  q'^  wird,  und  auf  der  linken  Seite  von  (27)  r  nur  in  der 
ersten  Potenz  im  Nenner  auftritt.    Wir  können  ferner  setzen: 

(28)  ^^  cos  {nx)  +  -^-  cos  (ny)  +  -^-  cos  {nz)  =  ^  , 

wobei  iüiin  den  Differentialquotienten  bedeutet,  den  man  erhält, 
wenn  man  in  der  Richtung  der  inneren  Normale  n  auf  S  um  ö» 
fortschreitet  und  dabei  r  als  eine  Konstante  behandelt.  So 
wird  daher  die  linke  Seite  von  (27): 


-ß 


und  dieses  Integral  ist  nur  über  die  äußere  Oberfläche  (nicht  auch 
noch  über  die  kleine  Kugelfläche  K)  zu  erstrecken. 


1)  Das  in  jener  Formel  (20)  auftretende  Zeichen  t-  hat  dieselbe  Bedeu- 
tung wie  hier  -r--    Jene  Formel  ist  hier  auch  für  eine  Differentiation  nach  y» 
und  nach  x  anzuwenden. 


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Das  HuygenBsche  Prinzip.  167 

Das  letzte  Glied  der  rechten  Seite  von  (27)  wollen  wir  da- 
durch umgestalten,  daß  wir  schreiben 

dT  =  r'^dg)dr,  (29) 

indem  wir  ein  Volumenelement  uns  herstellen  durch  den  Ausschnitt 
eines  Elementarkegels  des  räumlichen  Öffnungswinkels  dq)  aus 
einer  Kugelschale,  die  zwischen  den  Kadien  r  und  r  +  dr  liegt. 
So  entsteht: 

^  ^        ,  (30) 

r  bezeichnet  die  Werte  von  r  an  dei:  äußeren  Oberfläche  S  des 
Integrationsgebietes.    Wenn  nun  q  unendlich  klein  wird,  so  gibt 

r  1^  für  r  =  (>  nichts  Endliches.    Ferner  ist  für  lim  q  =  0 

d<p'{ü)  _    =4jtUo,  (31) 


/' 


/^ 


wenn  mit  JJo  der  Wert  von   ü  im  Koordinatenanfang  bezeichnet 
wird.    Da  femer  ist 

'r'^dq)  =  —  dSco8  {nr) ,  (32) 

wenn  die  positive  Richtung  von  r  vom  Koordinatenanfang  fort- 
gerichtet ist,  so  ist: 

=  —JdS'C08{nr)^{y), 

wobei  dieses  Integral  über  die  äußere  Oberfläche  S  zu  erstrecken 
ist  —  Es  folgt  daher  schließlich  nach  (30),  (31)  und  (33)  aus  (27): 


I 


In  dieser  Gleichung  kann  die  Raumintegration  über  das  ganze 
Innere,  welches  von  der  Fläche  S  umschlossen  wird,  ausgedehnt 
werden,  da  die  unendlich  kleine  Kugel  A'  deren  Volumen  propor- 


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168  Kapitel  III. 

tional  zu  q^  ist,  für  lim  q  =  0  einen  verschwindenden  Beitrag 
liefert,  weil  r  nur  in  der  ersten  Potenz  im  Nenner  enthalten  ist.  — 
I.  Fall.  Wenn  die  Fläche  S  den  Koordinatenanfang  nicht  um- 
schließt, so  können  wir  alle  Betrachtungen  ungeändert  lassen,  nur 
daß  die  Konstruktion  mit  der  Kugel  K  fortfällt.  Um  das  letzte 
Glied  der  rechten  Seite  von  (27)  zu  integrieren,  wollen  wir  gerade 
wie  vorhin  setzen: 

dz  =  r'^dg)  dr\ 

die  Grenzen  der  Integration  sind  jetzt  aber  nicht  q  und  r,  sondern 
rj  undrj,  nämlich  diejenigen  beiden  Entfernungen  vom  Koordinaten- 
anfang, in  welchen  die  Achse  des  Elementarkegels  vom  Öffnungs- 
winkel d(p  die  Fläche  S  trifft.    Daher  folgt 

Bezeichnet  nun  dS  ein  Flächenelement,  welches  der  Elementar- 
kegel aus  S  ausschneidet,  so  ist  an  der  Eintrittsstelle  des  Elemen- 
tarkegels, da  n  die  innere  Normale  von  S  sein  soll: 

r^'^dtp  =  -\-  dS  '  cos  (nr), 

an  der  Äustrittsstelle  dagegen 

r2^dg)  =  —  dS  '  cos  {nr). 

Man  kann  daher  das  Raumintegral  (30')  als  das  Oberflächenintegral 
schreiben: 

(30')      =-JdS^cos  {nr)(^l^-^)=-JdS^  <^os  (nr)  ^  (^) . 

Folglich  leitet  man  für  diesen  I.  Fall  aus  (27)  ab: 

—   /<— r    — cos  (nr) -^ {  —  ])  dS  = 
(34')  J  r  ön  ^     Ur\rJj 

6.  Strenge  Formulierung  des  HuygenssclienPriiizipes.  Von 

den  Formeln  (34)  und  (34')  machen  wir  folgende  Anwendung:  Es 
sei  s  die  Lichterregung  in  irgend  einem  Punkte,  so  sei  der  Wert 
von  s  im  Koordinatenanfang,  s  genügt  der  Differentialgleichung  (1 2) 
auf  S.  160.    Unter  Z7  wollen  wir  nun  diejenige  Funktion  verstehen, 


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Das  Huygenssche  Prinzip.  I59 

die  aus  s  entsteht,  wenn  man  das  Argument  t  (Zeit)  ersetzt  durch 
t  —  '^lv.    Wir  wollen  dies  formell  ausdrücken  durch: 

U=s{t  —  rlv).    ' 

Es  ist  dann  offenbar  Uo  =  so,  da  für  den  Koordinatenanfang  r=  ö 
ist    Ferner  ist  nach  der  Differentialgleichung  (12): 


da  aber  Z7  eine  Funktion  vom  Argument  t  —  ^jv  ist,  so  ist  auch 
(vgl.  oben  S.  162  Formeln  (17)  und  (18); 

d/2  ^     br'i   • 

Aus  den  beiden  letzten  Gleichungen  folgt  daher 

ÖX2      +     d//2       '       0*2    "~     dr2"  • 

Daher  ergibt  (34)  für  den  Fall,  daß  die  Fläche  S  den 
Koordinatenanfang  umschließt: 

Man  kann  den  Inhalt  dieser  Formel  in  folgender  Weise  inter- 
pretieren: Die  Lichterregung  so  in  einem  beliebigen  Punkte 
Po  (in  den  wir  den  Koordinatenanfang  gelegt  haben)  kann  als  die 
Superposition  von  Erregungen  angesehen  werden,  welche 
von  den  Oberflächenelementen  dS  einer  beliebigen,  den 
Punkt  Po  einschließenden,  geschlossenen  Fläche  S  mit 
der  Geschwindigkeit  V  nach  Po  hin  fortgepflanzt  sind. 
Denn  die  Elemente  des  Oberflächenintegrals  (35)  sind  Funktionen 
vom  Argument  t  —  '/k,  für  eine  Elementarerschütterung  besteht 
also  zu  einer  um  »"/r  späteren  Zeit  in  Po  dieselbe  Phase,  wie  sie 
vorher  auf  dS  bestanden  hat. 

In  dieser  Fassung  von  (35)  erkennen  wir  die  Grundlage  des 
ursprünglichen  Huygensschen  Prinzipes,  aber  der  Schwingungs- 
zustand der  einzelnen  Quellen  dS  ist  ein  viel  komplizierterer,  als 
er  nach  unseren  früheren  Betrachtungen  sein  müßte,  nach  denen 
die  Integrationselemente  einfach  proportional  zu  s  {t  — ^^/f)  waren 
(vgl.  Formel  (4)  auf  S.  155). 

Man  kann  also  nach  der  Formel  (35)   die  Erregung  so  im 


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170  Kapitel  III. 

ÖS 

Punkte  Po  berechnen,  falls  man  die  Erregungen  s  und  ^  auf  einer 

geschlossenen  Fläche  S  kennt  In  gewissen  Fällen  tritt  dies  ein, 
wenn  z.  B.  eine  punktförmige  Lichtquelle  Q  und  nirgends  Schirme 
für  die  Lichtausbreitung  vorhanden  sind,  überhaupt  die  Homogenität 
des  Raumes  nirgends  gestört  ist  In  diesem  Falle  kann  man  aller- 
dings 80  auch  direkt  hinschreiben.  Immerhin  ist  es  für  das  Folgende 
nützlich,  zunächst  auf  diesen  Fall  die  Formel  (35)  anzuwenden. 

Die  geschlossene  Fläche  S  möge  die  Lichtquelle  Q  ausschließen. 
Die  Erregung  in  irgend  einem  Punkte  P  auf  S,  der  die  Ent- 
fernung ri  von  der  Lichtquelle  Q  besitzt,  sei  gegeben  durch: 

(36)  .  =  ^  CO.  2^(1-^). 


Fig.  61. 


Es  ist  dann 


öll  =  ^  ^^^  (^^1)'  ^  ^• 


(37)  ^J^  =  cos  (nr;)  {  -  A  eos  2jt[^  -  j)  +  ^-^ sin  2jt(^  -  ^j} . 

Nun  soll  r^  sehr  groß  gegen  X  sein,  wir  können  daher  das 
erste  Glied  gegen  das  zweite  vernachlässigen  und  erhalten  so: 

Ferner  folgt  aus  (36) 

r  rri  \T  X     ) 

Differenziert  man  diesen  Ausdruck  nach  r,  so  kann  man,  ähn- 
lich wie  in  (37),  wiederum  ein  Glied  fortlassen,  da  auch  r  sehr 
groß  gegen  X  sein  soll.    Es  ergibt  sich  daher: 

8{t-flV) 


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Das  Huygenssche  Prinzip.  m 

Durch  Einsetzen  der  Werte  (38)  und  (39)  in  (35)  folgt: 
So  =  ^  I  —  sin  2jc  (ji  —  ^~X^)  [^^^  M  "~  ^^^  (w^i)]  d'3'      (40) 

In  dieser  Formel  treffen  wir  den  früheren  Fresnelschen  An- 
satz (4)  auf  S.  155  wieder,  aber  mit  folgenden  Verbesserungen: 

1.  Der  Fresnelsche  Faktor  k  ist  hier  direkt  aus  der  Grundlage 
der  Theorie,  nämlich  aus  der  Differentialgleichung  für  s,  bestimmt. 
Nehmen  wir  z.  B.  ein  Element  dS,  welches  im  Punkte  Mo  (vgl. 
Figur  61)  auf  der  Verbindungslinie  QPo  liegt,  so  ist  für  dasselbe 
cos  (nr)  =^  —  cos  {nr^,  da  die  positiven  Richtungen  r  und  r^  gerade 
einander  entgegenlaufen.  Daher  ist  der  Fresnelsche  Strahlungs- 
faktor Ä;: 

,        cos  (nr) 

Steht  dS  senkrecht  auf  QPo,  so  ist  cos  (nr)  =  —  1,  und  abge- 
sehen vom  Vorzeichen,  erhalten  wir  den  Wert,  der  oben  S.  160 
für  den  Strahlungsfaktor  k^  der  Zentralzone  auf  indirektem  Wege 
abgeleitet  ist. 

2.  Für  ein  Element  dS,  welches  bei  Ato  liegt  (vgl.  Figur  61), 
ist  r  und  r^  gleichgerichtet,  d.  h.  cos  {nr)  —  cos  {nr^  =  0,  Sein 
Einfluß  verschwindet  also  in  so,  d.  h.  wir  erhalten  nicht  eine 
Wirkung  der  Elementarwellen  nach  rückwärts,  die  bei  der  Fresnel- 
Huygensschen  Fassung  des  Prinzipes  stets  bestehen  würde.  Wie 
man  sofort  sieht,  ist  dieses  Verschwinden  der  nach  rückwärts  fort- 
gepflanzten Wellen  eine  Folge  davon,  daß  in  (35)  jede  Elementar- 
wirkung als  Differenz  zweier  Größen  auftritt. 

3.  Die  Phase  in  Po  wird  richtig  bestimmt,  wie  sie  die  direkte 
Ausbreitung  des  Lichtes  von  Q  nach  Po  ergibt.  Flächenelemente 
dS  nämlich,  welche  bei  M^  senkrecht  zu  QPo  liegen,  besitzen  in 
(40)  den  Faktor 


sin  2jc  (ji  —  — ;l~)  ' 


es  ist  also,  als  ob  diese  Flächenelemente  um  jt/j  in  der  Phase  be- 
schleunigt schwingen^)  gegenüber  der  direkten  Fortpflanzung  von  Q 

1)  Wenn  man  als  Lichterregung  s  nicht  eine  konvexe  Kugelwelle  an- 
nimmt, sondern  eine  konkave,  die  nach  einem  Punkte  Q  außerhalb  S  hinläuft, 
so  modifizieren  sich  die  Betrachtungen  etwas,  wie  man  leicht  aus  (35)  ableiten 
kann.  (In  Mascart,  Trait^  d'optique,  I,  S.  260,  Paris  1889  ist  dieser  Fall 
berechnet)    Dies  kann  unter   Umständen   für  Interferenzerscheinungen  von 


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172  Kapitel  III. 

nach  dS,  welche  gemäß  (36)  auf  cos  2jt  /^  —  ^-^y^)  führen  würde. 
Integriert  man  über  *S^,  so  ergibt  sich  wiederum  für  den  Punkt 
Po :  +  cos  2jt  f  y  —  ~x^~) »  i^cht?  wi^  b^i  der  Fresnelschen  Rech- 
nung, si7i  2jt  [ii  —  ^-^)  (vgl.  oben  S.  160).  Dieser  Widerspruch  der 

Fresnelschen  Rechnung  ist  also  hier  auch  gehoben. 

Wenn  nun  irgend  welche  Schirme  aufgestellt  sind,  so  wird 
streng  genommen  die  Aufgabe,  so  zu  bestimmen,  außerordentlich 
kompliziert,  da  durch  die  Anwesenheit  der  Schirme  die  Lichterregung 
s  in  einem  beliebigen  Punkte  P  verschieden  ist  von  der  Erregung  s, 
wie  sie  ohne  Schirme  von  den  vorhandenen  Lichtquellen  bewirkt 
würde.  Zur  angenäherten  Lösung  der  Aufgabe  kann  man  aber 
die  Annahme  machen,  daß,  wenn  die  Schirme  nicht  das  Licht 
reflektieren  und  vollkommen  undurchsichtig  sind,  dicht  an  der  von 
den  Lichtquellen  abgewandten  Seite  eines  Schirmes  s  sowohl,  als 

g^  verschwinden,  daß  dagegen  an  den  freien  Stellen,  welche  durch 

keinen  vor  die  Lichtquellen  gestellten  Schirm  geschützt  sind,  die 
Lichterregung  s  den  freien  Wert  s  besitze. 

In  dieser  Weise  wurde  ja  auch  bei  den  oben  angestellten 
Fresnelschen  Überlegungen  verfahren.  Man  kann  sich  dann  von 
der  Gleichung  (40)  aus,  indem  man  die  Fläche  S  möglichst  an  den 
abgewandten  Seiten  der  Schirme  entlang  konstruiert,  sehr  ange- 
nähert Rechenschaft  über  die  Lichterregung  so  in  einem  beliebigen 
Punkte  Po,  geben;  in  (40)  treten  nur  die  ungeschützten  Flächen- 
elemente dS  auf.  Wie  man  speziell  diese  ungeschützte  Fläche  Älegt, 
ist  ganz  gleichgültig,  sie  muß  nur  von  den  Löchern  in  den  Schirmen 
umrandet  sein.  Dieses  Resultat  können  wir  aus  der  Formel  (34')  auf 
S.  168  ableiten.  Dieselbe  ergibt  nämlich  hier,  daß  die  rechte 
Seite  von  (40)  den  Wert  Null  hat,  wenn  die  geschlossene  Fläche  S 
den  Punkt  Po,  für  den  so  berechnet  werden  soll  (und  die  Licht- 
quell Q)  ausschließt.  p]rstrecken  wir  daher  ein  Integral  so  gemäß 
der  Gleichung  (40)  über  eine  ungeschlossene  Fläche  S^  welche  von 
einer  Kurve  C  umrandet  ist.  und  konstruieren  wir  noch  irgend  eine 
andere  Fläche  Ä',  welche  ebenfalls  von  G  umrandet  ist,  so  kann 
S  +  iS'  als  eine  einzige  geschlossene  Fläche  angesehen  werden, 


Wichtigkeit  sein.  Vgl  hierüber  Gouy,  Compt.  Rend.  110,  S.  1251;  111,  S.  33, 
1890.  —  Wied.  Beibl.  14,  S.  969. 


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Das  Huygenssche  Prinzip.  173 

welche  den  Koordinatenanfang  Po  nicht  einschließen  soll  Nach 
(34')  verschwindet  die  Summe  so  +  so  der  beiden  über  S  und  S' 
erstreckten  Integrale.  Es  ist  dabei  aber  n  beständig  als  die  innere 
Normale  der  von  S  +  S'  gebildeten  geschlossenen  Fläche  definiert, 
wenn  also  die  positive  Normale  auf  S  nach  der  Seite  hin  zeigt,  wo 
der  Koordinatenanfang  Po  liegt,  so  zeigt  die  positive  Normale  auf  S' 
von  dieser  Seite  fort  Eechnen  wir  auch  auf  S'  die  positive  Nor- 
male nach  der  Seite,  nach  welcher  Po  zu  liegt,  so  kehrt  sich 
dadurch  das  Vorzeichen  des  Integrals  sj  um.  Wir  haben  daher 
das  Resultat:  so  —  so'  =  0,  d.  h.  so  =  «o',  mit  Worten  ausgedrückt: 
Das  Integral  so,  definiert  durch  die  Gleichung  (40),  hat  für 
alle,  von  einer  Kurve  C  umrandeten,  sonst  beliebig  ge- 
stalteten, ungeschlossenen  Flächen  S  denselben  Wert, 
wenn  dabei  die  positive  Normale  immer  in  demselben 
Sinne  gerechnet  wird  (von  der  Seite  der  Lichtquelle  Q  nach 
der  Seite  von  PJ,  und  wenn  diese  verschiedenen  Flächen  S 
weder  die  Lichtquelle  (?,  noch  den  Punkt  P^»  für  den  so 
berechnet  werden  soll,  einschließen. 

Wie  man  nun  vom  Integral  (40)  aus  die  geradlinige  Ausbreitung 
des  Lichtes  einerseits,  gewisse  Abweichungen  davon  aber  auch  gleich- 
zeitig ableiten  kann,  ist  schon  oben  in  2.  mit  Hilfe  der  Fresnel- 
schen  Zonenkonstruktion  besprochen.  Im  folgenden  Kapitel  sollen 
genauer  die  Abweichungon  von  der  geradlinigen  Ausbreitung  des 
Lichtes,  die  sogenannten  Beugungserscheinungen,  besprochen  werden. 


Kapitel  IT. 

Beugung  des  Lichtes. 

Wie  aus  den  Entwickelungen  des  §  2  des  vorigen  Kapitels 
hervorgeht,  treten  Beugungserscheinungen  (man  nennt  sie  auch 
Diffraktion  des  Lichtes)  immer  auf,  wenn  die  Schirme  oder  freien 
Öffnungen  nicht  sehr  groß  im  Vergleich  zur  Lichtwellenlänge 
sind.  Aber  selbst  in  letzterem  Falle  treten,  wie  wir  sehen  werden, 


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174 


Kapitel  IV. 


unter  Umstanden  Beugungserscheinungen  auf,  z.  B.  am  Rande  des 
geometrischen  Schattens  eines  sehr  großen  Schirmes.  Wenn  wir 
nun  die  Beugungserscheinungen  auf  Grund  der  Gleichung  (40)  ge- 
gemäß den  oben  S.  172  angestellten  Überlegungen  berechnen,  so 
dürfen  wir  nicht  vergessen,  daß  wir  dadurch  nur  eine  angenäherte 
Theorie  erhalten,  da  einerseits  bei  vorhandenen  Schirmen  an  den 
ungeschützten  Stellen  für  s  nicht  genau  der  Wert  gilt,  wie  er  bei 
völlig  ungestörter  Lichtausbreitung  sein  würde,  andererseits  an  den 

geschützten  Stellen  nicht  genau  s  und  ^^  verschwinden.  Die  An- 
näherung wird  um  so  mehr  die  Wahrheit  treffen,  je  größer  die 
Öffnungen  in  den  Schirmen  sind;  und  in  der  Tat  stimmt  in  den 
meisten  Fällen,  wenn  man  z.  B.  nicht  besonders  kleine  Öffnungen 
verwendet,  die  angenäherte  Theorie  gut  mit  der  Erfahrung.  —  In 
§  7  dieses  Kapitels  wird  die  strenge  Theorie  der  Lichtbeugung 
behandelt  werden. 

].  Allgemeine   Behandlung   der  Bengnngserscheinungen. 
Wir  wollen   annehmen,    daß   zwischen   Lichtquelle   Q  und  dem 

Punkte  Po  ein  ebener  Schirmt  vor- 
handen sei,  der  unendlich  ausge- 
dehnt ist  und  der  eine  beliebig 
gestaltete  Öffnung  o  besitzt,  welche 
klein  sei  im  Vergleich  zu  der 
Entfernung  r^  von  der  Lichtquelle 
Q  und  zu  der  Entfernung  r  vom 
Punkte  Po,  für  den  wir  die  Licht- 
erregung So  nach  der  Formel  (40) 
des  vorigen  Kapitels  berechnen 
wollen.  Da  bei  der  Kleinheit 
von  ö  bei  der  Integration  inner- 
halb 0  die  Winkel  (nr)  und 
(wr,)  als  konstant  zu  betrachten 


Fig.  62. 


sind,  und  ebenfalls  die  Größen 
dividiert  sind,  so  folgt  aus  (40): 

Ä      cos  (?ir)  —  cos  (nri) 
'2i  ^~ 


r  und  ri,  sofern  sie  nicht  durch  X 


(1) 


8o  ■ 


.jsin2n(^-'-\''')do. 


Wir  wollen  nun  ein  rechtwinkliges  Koordinatensystem  x,  ?/,  x 
zu  Grunde  legen.  Die  xy-Ebene  liege  im  Schirme  5,  ein  beliebiger 
Punkt  P  der  Öffnung  c  habe  die  Koordinaten  x  und  y.  Die 
Lichtquelle  Q  habe  die  Koordinaten  x^,  yi,  x^  und  zwar  sei  x^ 


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=?.^^1 

1+ 

x^  +  yi 

-2(xxt  +  yyt). 

=Qoy  \ 

1+ 

^±vl: 

-  2{xxo  +  yyo) 

Beugung  des  Lichtes.  I75 

positiv.    Der  Punkt  Po  habe  die  Koordinaten  xo,  yo,  xo,     xo  ist 
negativ.    Dann  ist 

n'  =  (^-^P  +  (2/i-2/)2  +  ^i^  r^  =  ixo  -xy+  {yo  —y)^  +  Xo\    (2) 

Die  Entfernungen  des  Q  und  Po  vom  Koordinatenanfang  seien  (>i 
und  Qo,    Dann  ist 

(>i'  =  ^1'  +  2/1^  +  ^^     Qo^  =  Xo2  +  2^0^  +  ^2.  (3) 

Man  kann  nun  schreiben: 


(4) 


Die  Dimensionen  der  Öffnung  0  sollen  klein  sein  gegen  Qi 
und  Qo,  Außerdem  soll  auch  die  Entfernung  der  Öffnung  0  vom 
Koordinatenanfang  klein  sein  gegen  Qi  und  Qo.  Daher  ist  bei  der 
Integration  über  0  auch  x  und  y  klein  gegen  q.  Entwickelt  man 
nun  die  Ausdrücke  (4)  nach  steigenden  Potenzen  von  ^/^^ ,  ^If,  bezw. 
""/«•o»  %  ^^d  bricht  mit  den  zweiten  Potenzen  ab,  so  entsteht,  da 
(l  +  f)V,  =  1  +  ii^e  —  Vs«^  ist,  falls  e  klein  gegen  1: 

n  -  (>!  ( 1  +  ~,~, -, -2^;^] .  (5) 

^  -P«  (  ^  +  -2^0^ ^ 2^^^^ 1  •  (6) 

Nennen  wir  nun  die  Eichtungskosinus,  welche  die  Richtungen  q^ 
und  Qo  mit  den  Koordinatenachsen  bilden,  «1,  Ä,  7i  bezw.  oo,  ßo,  foy 
wobei  die  positiven  Sichtungen  von  q^  und  Qo  vom  Koordinaten- 
anfang  fortgehen  sollen,  so  ist 

Durch  Addition  von  (5)  und  (6)  erhält  man  daher: 

rx^r^Qv^Qo-x{a,^-ao)-y{ß^-^ßo)^^^^{^-^^^^ 

'^Q\  ^Qo 

Setzt  man  diesen  Wert  in  (1)  ein,  und  schreibt  zur  Abkürzung: 


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176 


Kapitel  IV. 


(9) 


^1  +  r  =  Qi  +  Qo  +  f{x,y)'j^ 

T  IT 

A  cos  (nr)  —  cos  {nrO  .r 

2).  ~r7r  ^    ' 


80  wird  (1)  zu: 

(10)  So  =  A'  (  sin  2jt  -f  j  cos\f{x,y)]d6  —  cos  2jtji  j  sin[f{x,y)]daj' 
Ma.n  kann  daher  so  auffassen  als  entstanden  durch  die  Super- 
position  zweier  Wellen,  deren  Amplituden  proportional  sind  zu: 


(11) 


C=fcos[f(x,y)]da, 
S=fsin[f{x,y)]dC, 


und  welche  eine  Phasendifferenz  von  tij^  gegeneinander  besitzen. 
Nach  dem  Satze  der  S.  123  [vgl.  auch  die  dortige  Formel  (11)]  ist 
daher  die  Lichtintensität  im  Punkte  Po : 

(12)  J=  ^'2(^2  +52). 

Nun  sind  zwei  Fälle  zu  unterscheiden:  nämlich  1.  Lichtquelle 
und  der  betrachtete  Punkt  Po  liegen  im  Endlichen  (Fresnelsche 
Beugungserscheinungen),  2.  Lichtquelle  und  Po  sind  unendlich 
weit  entfernt  (Fraunhofersche  Beugungserscheinungen). 

2.  Fresnelsehe  Bengnngsersehelnungen.  Wir  legen  den 
Koordinatenanfang  auf  die  Verbindungslinie  QPo  (und  in  die  Ebene 
des  Beugungsschirmes).  Dann  ist  q^  und  Qo  gerade  einander  ent- 
gegen gerichtet,  und  daher 

«1  =  —  «0,    Ä  =  —  ßo. 

Es  wird  dann,  wie  ein  Vergleich  von  (8)  und  der  Deflnitions- 
gleichung  (9)  für  f{x,  y)  lehrt: 


(13) 


f^^^  y^^jii  +  v)  f^'  +  ^'  -  ^^«1  +  y^'^'^- 


Diesen  Ausdruck  kann  man  noch  weiter  vereinfachen,  wenn  man 
die  a;-Achse  in  die  Projektion  von  QPo  auf  den  Beugungschirm 
legt.  Es  ist  dann  Ä  =  ö.  Bezeichnet  man  ferner  den  Winkel, 
den  (>!  mit  der  %-Achse  macht,  durch  9,* so  wird  dann: 


1)  Man  verlegt  also  den  Anfangspunkt  der  Zeit. 


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BeaguDg  des  Lichtes.  I77 

^(^'2/)  =  l(^  +  fj  [x'''Cos'^<P  +  y^\  (14) 

Um  den  Gang  der  Untersuchung  nicht  durch  längere  Eechnungen 
unterbrechen  zu  müssen,  schicken  wir  einige  mathematische  Be- 
trachtungen voraus. 

3.  Fresnelsche  Integrale.  Wir  wollen  die  Eigenschaften  der 
als  „Fresnelsche  Integrale"  bezeichneten  Funktionen  geometrisch 
diskutieren^).    Es  sind  dies  die  beiden  Integrale: 


V  V 

g  =   j  cos  ^dv,    fi=  I  sin  -.y  dv. 


(15) 


d§  =  dv  '  cos-g-,    dri=  dv  '  sin~2~'  (16) 


Wir  wollen  g  und  tj  für  jeden  bestimmten  Wert  des  Para- 
meters V  als  die  rechtwinkligen  Koordinaten  eines  Punktes  E  auf- 
fassen. Bei  kontinuierlicher  Änderung  des  v  beschreibt  dann  E 
eine  Kurve.    Die  Gestalt  dieser  Kurve  wollen  wir  bestimmen. 

Die  Kurve  geht  durch  den  Koordinatenanfang,  weil  für  t?  ==  ö 
auch  g  =  ^  =  0  ist.  Wenn  man  v  in  — v  umkehrt,  so  ändert  sich 
das  Integrationselement  nicht,  aber  die  obere  Grenze  des  Integrals, 
und  daher  auch  g  und  tj  wechseln  die  Zeichen.  Daher  ist  der 
Koordinatenanfang  ein  Sjmmetriezentrum  der  Kurve,  denn  zu  jedem 
+  g,  +iy  kann  man  ein  — g,  — ^  finden.  Die  Projektionen  eines 
Bogenelementes  ds  der  Kurve  auf  die  Koordinatenachsen  sind 
nach  (15): 

Daher  folgt 

ds  =  V  rfg2  +  dT]^  =  dv, 
oder,  wenn  wir  die  Bogenlänge  s  vom  Koordinatenanfang  an  zählen: 

s  =  v.  (17) 

Der  Winkel  r,  den  die  Tangente  der  Kurve  in  dem  beliebigen 
Punkte  E  mit  der  g-Achse  einschließt,  ist  gegeben  durch 

'^^  =  |  =  '^-?'d.h-^  =  |«^-  (18) 

Im  Koordinatenanfang  verläuft  also  die  Kurve  parallel  zur  g-Achse, 
für  v  =  i,  d.  h.  nach  der  Bogenlänge  s  =  1,  ist  sie  parallel  zur 

1)  Diesen  Weg  hat  zuerst  A,  Cornu  eingeschlagen  im  Journ.  de  Phys.  3, 
S.  1,  44.  1874. 

Drade,  Lehrbach  d.  Optik.   2.  Aafl.  12 


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178  Kapitel  IV. 

^-Achse,  für  8^  =  2  parallel  zur  |-Achse,  für  «2  =  5  parallel  zur 
^-Achse  u.  s.  f. 

Der  Krümmungsradius  q  in  einem  beliebigen  Punkte  E  der 
Kurve  ist  gegeben  durch  [vgl.  (17)  und  (18)]: 

(19)  ^  dt  nV  718' 

Für  v  =  ö,  d.  h.  im  Koordinatenanfang,  hat  daher  die  Kurve 
einen  Inflexionspunkt,  für  wachsende  v,  d.  h.  für  wachsende  Bogen, 
wird  Q  beständig  kleiner.  Die  Kurve  bildet  daher  eine  sich  nicht 
schneidende  Doppelspirale,  welche  sich  um  die  beiden  asymptotischen 
Punkte  F  und  F\  welche  für  v  =  +  00  und  v  =  —  00  erreicht 
werden,  herumwindet.  Wir  wollen  die  Koordinaten  dieser  Punkte 
berechnen.    Für  F  ist 


(20) 


00  OD 

gjp  =    /  COS  ^  dv^  Vf=  I  ^^  ~!r  ^^' 


Um    diese    bestimmten   Integrale    auszuwerten,    gehen    wir 
aus  von 


(21) 


je        dx  =  M. 

o 

Schreibt  man  y  als  Integrationsvariabele,  so  ist  auch 

00 

je         dy  =  M. 
0 
Das  Produkt  beider  bestimmten  Integrale  liefert: 

(22)  ffe~^'^'^'^dxdy  =  ]^. 

Faßt  man  nun  x  und  y  als  rechtwinklige  Koordinaten  eines 
Punktes  P  auf,  so  ist  x^  +  y^  =  r\  wobei  r  die  Entfernung  des  P 
vom  Koordinatenanfang  ist.  Ferner  kann  man  dx  dy  als  Flächen- 
element do  auffassen  in  der  ocy-Ehene,  Begrenzt  man  aber  ein 
Flächenelement  durch  zwei  im  Abstände  dr  von  einander  liegende 
unendlich  kleine  Kreisbogen,  welche  um  den  Koordinatenanfang 
beschrieben  sind  und  den  Zentriwinkel  dq)  haben,  so  ist  ein  Flächen- 
element do: 

(23)  do  =  rdrdq). 


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Beugung  des  Lichtes.  179 

Man  kann  daher  (22)  schreiben,  da  über  einen  Quadranten 
der  Koordinatenebene  integriert  wird: 


M^  =s  I  dq)  I  e       r  dr. 


(24) 


Nun  ist  aber 
daher  wird 


/. 


e         rdr  =  —  y  e       > 


if^  =  ^,  if=-^y^  (25) 


4   j  ^        2 
Schreibt  man  nun  in  (21)  für  x: 

x^  =  —  i'^ ,  i.\i.x  =  vyz:p.  (26) 

wobei  t  die  imaginäre  Einheit  bedeutet,  so  folgert  man  aus  (21) 
und  (25): 

^      2   dv=  l  y*^,  oder 


0 


1  r-r        ^H-* 


/' 


'^~rft;  =  ^*.  (27) 


Da  nun  ist: 

e      2    =  C08  —A — h  t  sin  —^ ,  (,io; 


•^'  7ri;2  .      .       ;ri;2 


so  folgt  durch  Gleichsetzen  der  reellen  und  imaginären  Bestand- 
teile beider  Seiten  der  Gleichung  (27): 


C08  -2-^^=^2'  J  ^^  '~2~^^^'2' 


(29) 


Gemäß  (20)  hat  also  der  asymptotische  Punkt  F  die  Koordinaten 
§F=r]F=%  Es  ergibt  sich  daher  die  in  Figur  63  gezeichnete 
Gestalt  der  Kurve.  Man  kann  die  Kurve  in  folgender  Weise  kon- 
struieren: Von  0  aus  geht  man  bis  zum  Werte  s=^0,l  auf  der 
Abszissenachse  fort.     An  diesen  Punkt  anschließend  konstruiert 

12* 


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180  Kapitel  IV. 

man  nun  einen  Kreis  mit  dem  Radius  (nach  19)  q  =  — =— .  Das 
Zentrum  des  Kreises  liegt  vom  Punkte  s=  0,1  aus  in  einer  Sichtung, 
die  [nach  (18)]  den  Winkel  T  =  -^-  =  ö,öi^  mit  der  ly-Achse  ein- 
schließt Auf  dem  so  konstruierten  Kreise  trägt  man  den  Bogen 
8  =  0,1  ab.    An  den  Endpunkt  trägt  man  einen  Kreisbogen  mit 

115 

dem  Radius  (>  =  —  ==  ^   q  o  =  •^-    Die  Richtung  nach  seinem  Zen- 


^\ 

OB 

0.7 

Z^,^-— '— --^ 

0.6 

<^ 

\ 

0.5 

XQ) 

«♦ 

\>^ 

■0.* 

to 

J 

1 

o.t 

/ 

0.1 

J:P^ 

^ 

OJ 

Q.% 

QJ 

OJ     as     0.0 

0,T 

fltf 

— > 

y^^ 

/ 

»O 

f.O 

\Lo  F')\\ 

\ 

f 

Fig.  63. 


trum  macht  den  Winkel  t  =  -^=o,04  -  %  mit  der  ??- Achse.    In 

dieser  Weise  fortfahrend,  kann  man  die  ganze  Kurve  konstruieren. 

4.  Beugung  am  geradlinigen  Bande  eines  Schirmes.   Wir 

nehmen  die  Bezeichnungen  des  §  2  wieder  auf.  Die  y-Achse  möge 
parallel  zur  Schirmkante  liegen,  der  Schirm  erstrecke  sich  vom 
Werte  x  =  +  oo  bis  zum  Werte  x^=x  (Schirmrand).  In  Figur  64 
ist  X  positiv,  d.  h.  Po  liegt  außerhalb  des  geometrischen  Schattens 


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Beugcmg  des  Lichtes.  lg| 

des  Schirmes.    Untersuchen  wir  die  Lichtintensität  in  einer  zur 
Schirmkante  senkrechten  Ebene,  welche  durch  die  Lichtquelle  Q 

geht,  so  liegt   QPo  in  der  x^-Ebene.     Es    gilt   daher  dann  die 
Formel  (14),  und  wir  haben  nach  (11)  zu  bilden: 

-  «  -  «  ^3f)^ 
S^^jjdx  dy  sin  [f  (1  + 1)  (^2^,2  9  +  2,2)] . 


QO    OO 


Zunächst  haben  wir  es  zu  rechtfertigen,  daß  wir  hier  über  die 
ganze,  vom  Schirm  frei  gelassene  a^-Ebene  integrieren,  während 
wir  bei  unseren  früheren  Entwickelungen  (vgl.  S.  175)  voraussetzten, 
daß  nur  über  eine  Öffnung 
0  integriert  werden  solle,  * 

deren  sämtliche  Punkte  P 
in  Distanzen  vom  Koordi- 
natenanfang liegen,  welche 
klein  gegen  q^  und  Qo  sein 
sollten.  Ein  derartiges  Inte- 
grationsgebiet ist  nun  in 
der  Tat  allein  für  die  Licht- 
intensität J  im  Punkte 
Po  maßgebend,  da  es  die 
Zentralzonen,  und  zwar 
noch  sehr  viele  derselben, 
umfaßt.  Eine  Integration 
über  anschließende,  weitere  ■ 
Gebiete    fügt    aber    keine  Fig.  64. 

weiteren  Anteile  zu  J  hinzu, 

da  wir  früher  ableiteten,  daß  ein  Schirmrand  keinen  Einfluß 
mehr  auf  die  Lichtintensität  in  einem  Punkte  Po  hat,  wenn  er 
viele  Zonen  weit  entfernt  ist  von  der  direkten  Verbindungslinie  von 
Po  zur  Lichtquelle  Q,  Wir  können  daher  in  (30)  ohne  Änderung 
des  Resultates  die  Integration  über  die  ganze,  vom  Schirm  frei 
gelassene  a:y-Ebene  vornehmen. 
Setzt  man  in  (30): 

lt  +  ^)'^'«'*'9'  =  -F'    Xfc  +  ^)y'=-^'  (31) 


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182  Kapitel  IV. 

SO  entsteht: 


C  = 

COSi 


(32) 


wobei 


S  = YYl T\ '  I  /  ^^  ^**  ^^  f  (^^  +  ^^  » 

008  i 


i/  4-  00 

— ^4i i\**   f  fdvducos^{v^  +  u^, 

9'T  l 1 )     «^  «^ 

^    \Qi         QoJ  —  00—00 

(33)  «'  =  .'..«  g.J/|(i  +  i). 

Löst  man  nun  auf: 

CO«  -ö  (v-*  +  ^v  =  ^^^  ~9~  ßo«  -K -wn  -^  Äin  -^  , 

und  analog  «tn^(v2  +  t*2)^  gQ  h^ann  j^an  die  Integration  nach  u 
sofort  vornehmen  und  erhält  unter  Rücksicht  auf  (29): 


(34) 


>  =  /*•  I    /  sin^dv  +  I 


dv  +  I  cos^dvjj 


(35)  f=  -  ^ 


2  COS  cpf 1 ) 

Nach  (12)  folgt  daher 


(36)  J=2Ä'^^pMjcos'^dv\   +(jsin'^fdv\   V 

Für  Ä  gilt  der  Wert  nach  (9)  auf  S.  176.  Da  nach  der  Bemerkung 
der  vorigen  Seite  nur  diejenigen  Flächenteile  der  rr^-Ebene  bei  der 
Integration  zur  Bestimmung  der  Lichtintensität  J  im  Punkte  Po 
ins  Gewicht  fallen,  welche  in  der  Nähe  des  Koordinatenanfangs- 
punktes liegen,  so  ist  in  -4'  zu  setzen 

r  =  (K) ,  r  =  ()| ,  cos  (nr)  =   —  cos  (nrj)  =  cos  q)  . 
Daher  ist 

(37)  Ä'f=        ^ 


2  {qo  4-  Qi)  ' 


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Beugung  des  Lichtes.  183 

Für  die  beiden  in  (36)  auftretenden  Fresnelschen  Integrale  be- 
nutzen wir  die  geometrische  Darstellung  und  Bezeichnung  des  §  3. 
Wenn  die  Koordinaten  eines  Punktes  E  der  Kurve  der  Figur  63 
dargestellt  sind  durch  die  früheren  Gleichungen  (15),  d.  h.  durch 

g=  i  cos  -»- dVy  r]=  j  sin  -^  dv^ 

O  0 

ferner  die  Koordinaten  eines  anderen  Punktes  E'  der  Kurve,  der 
zum  Parameter  v  gehört,  durch: 

§  =  I  cos  -Tj- dv,  t]  =  I  stn-^  dv, 

O  0 

so  ist  offenbar: 

V  V 

I  cos  ^~-  dv  =  ^  —  g ,    l  sin  ^  dv  =  //  —  ;; . 

V  V 

Die  Summe  der  Quadrate  dieser  beiden  Integrale  ist  also 
gleich  dem  Quadrat  der  Entfernung  zwischen  den  beiden 
Punkten  E  und  E'  der  Kurve  in  Figur  63.  —  Zum  Parameter 
v  =  —  oo  gehört  der  Punkt  E=  F'  in  Figur  63.  Bezeichnet  man 
daher  die  Entfernung  des  Punktes  i^  von  einem  zum  Parameter 
V  gehörenden  Punkte  E'  durch  (—  oc,  v),  so  wird  nach  (36) 
und  (37) 

'=21^)^'^-^^-)''  (38) 

Aus  der  Gestalt  der  Kurve  Figur  63  ergibt  sich  nun  sofort,  daß 
/  Maxima  und  Minima  besitzt  für  positive  Werte  v, 
d.  h.  wenn  Po  außerhalb  des  geometrischen  Schattens  des 
Schirmes  liegt;  innerhalb  desselben  dagegen  wird  die 
Lichtintensität  beständig  kleiner,  wenn  Po  tiefer  in  den 
Schatten  hereinrückt,  denn  dann  ist  v  negativ  und  der  Punkt  £*' 
nähert  sich  beständig  dem  Punkte  F\ 

Für  V  =  +  oo  wird  ( — oo,  +oc)2  =  2,  da  die  Punkte  F 
und  F'  jeder  die  Koordinaten  g  =  ^  =  V2  besitzen.  In  diesem 
Falle  liegt  Po  sehr  weit  außerhalb  des  geometrischen  Schattens 
und  die  Lichtintensität  wird  nach  (38)  gleich  der  natürlichen,  wie 
sie  ohne  Vorhandensein  eines  Schirmes  besteht.  —  Für  v  =  o 
liegt  Po  gerade  am  Rande  des   geometrischen  Schattens.    Dann 


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184  Kapitel  IV. 

ist  ( —  00,0) 2=  V2  ^^^  <üe  Lichtintensität  ist  nach  (38)  gleich  ein 
Viertel  der  natürlichen  Intensität 

Die  strenge  Berechnung  der  Maxima  und  Minima  der  Licht- 
stärke, falls  Po  außerhalb  des  Schattens  liegt,  wollen  wir  hier  nicht 
ausführen.^)  Näherungsweise  ergibt  sich  aus  der  Figur  (63),  daß 
diese  Maxima  und  Minima  an  den  Schnittstellen  der  Linie  FF' 
mit  der  Kurve  liegen.  Da  diese  Linie  von  der  Kurve  annähernd 
rechtwinklig  geschnitten  wird,  so  ist  für  die  Maxima  der  Neigungs- 
winkel r  der  Kurve  gegen  die  g-Achse  gleich  (^/4  +2h)jc,  dagegen 
für  die  Minima:  t  =  ('/4  +  2h)  jt,  wobei  ä  =  0,  1,  2  . .  ist.  Wegen 
der  Gleichung  (18)  auf  S.  177  ist  daher  für  die  Maxima:  v  =  V  \  +  4  h 
für  die  Minima  v  =  V^k  +  ^^-  Um  nun  die  Lage  der  Beugungs- 
fransen zu  bestimmen,  denken  wir  uns  den  Beugungsschirm  so  um 
seine  Kante  gedreht 2),  daß  er  senkrecht  zu  der  kürzesten  Ent- 
fernung a  der  Lichtquelle  Q  von  der  Schirmkante  liegt  (vgl.  Fig.  64). 
Dann  ist  Qi  =  a:  cos  q).  Ferner  ziehen  wir  durch  Po  eine  Parallele 
zur  X-Achse,  und  die  Entfernung  des  Po  vom  geometrischen  Schatten 
des  Schirmes,  gemessen  auf  dieser  Parallelen,  betrage  d.  Dann  ist 
X  :  d  =  a:  a  +  b.  Es  bedeutet  daher  d  den  Abstand  des  Punktes 
Poj  für  den  die  Lichtstärke  berechnet  wird,  vom  geometrischen 
Schatten  in  einer  Ebene,  die  um  die  Größe  b  hinter  dem  Schirme 
liegt.  Führen  wir  nun  in  (33)  an  Stelle  von  x  die  Größe  d  ein  und 
setzen  Qi  =  a,  qo  =  b,  was  gestattet  ist,  da  cos  (p  sich  nur  unmerk- 
bar von  1  unterscheidet,  falls  wir  Po  in  der  Nähe  des  geometrischen 
Schattens  annehmen,  so  wird  nach  (33) 

falls  p  eine  Abkürzung  ist  für 

(40)  p  =  j/Ä*(^. 

1)  Vgl.  hierüber  Fresnel,  Oeuvr.  compl.  I,  S.  322.  —  Über  Reihenent- 
wickelungen der  Fresnelschen  Integrale  vgl.  Vorles.  üb.  theor.  Optik  von 
F.  Neumanu,  herausgeg.  v.  Dorn,  Leipzig,  1885,  S.  62-— 69.  —  Am  vollstän- 
digsten ist  von  Lommel  in  den  Abhandl.  der  bayr.  Akad.  Bd.  15.S.229u.529, 
II.  Cl.  1886  die  Beugung  an  kreisförmig  und  geradlinig  begrenzten  Schirmen 
theoretisch  und  experimentell  behandelt  worden. 

2)  Durch  eine  solche  Drehung  des  Schirmes  und  dementsprechende 
Drehung  der  freien  Fläche,  über  welche  integriert  wird,  tritt  nach  dem  Satze 
der  S.  173  keine  Änderung  im  Resultate  ein. 


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Beugung  des  Lichtes.  Ig5 

Maxima  der  Lichtstärke  finden  daher  statt  für  rf  =  ;?  y^/j  +  4ä, 
d  h.  für 

d^  =p  •  1,225;  d2  =  P'  2,345;  d^=P'  3,082  etc. 


Minima  finden  statt  TixT  d  =  p  yv+^  d.  L  für 

^/  =  j9 .  1,871;  t/2'  =i?  •  2,739;  (//  =;?  •  3,391  etc. 

Die  genauen  Werte  weichen  nur  sehr  wenig  von  diesen  An- 
näherungswerten ab  und  die  Beobachtungen  i)  bestätigen  diese 
Zahlen. 

Die  Lichtintensität  in  diesen  Maximis  und  Minimis  ergibt  sich 
nach  (38)  einfach  durch  geometrische  Ausmessung  der  Abschnitte, 
welche  die  Linie  F'F  in  Figur  63  mit  der  Kurve  bildet.  Man 
erhält  so  für  die  Maxima,  falls  die  freie  Intensität  =  1  ge- 
setzt wird: 

Ji  =  1,34;  J2  =  1,20;  J3  =  1,16; 

für  die  Minima  folgt 

//  =  0,78;  /;=  0,84;  //=  0,87. 

Fresnel  hat  durch  exaktere  Berechnung  seiner  Integrale  nur 
wenig  davon  abweichende  Werte  gefunden. 

5.  Beugung  durch  einen  schmalen  Spalt.  Wir  legen  das- 
selbe Koordinatensystem  und  dieselben  Bezeichnungen  zu  Grunde, 
wie  im  vorigen  Paragraphen,  und  untersuchen  die  Lichtintensität 
in  einer  zu  den  (einander  parallelen)  Spalträndern  senkrechten 
Ebene,  welche  durch  die  Lichtquelle  Q  geht.  Diese  Ebene  ist  die 
a;x-Ebene,  vgl.  Figur  65.  Die  x-Koordinaten  der  Spaltränder  seien 
iTi  und  x^.  Wenn  der  Punkt  Po,  für  den  wir  die  Lichtintensität 
berechnen,  im  geometrischen  Schatten  eines  der  den  Spalt  zu 
beiden  Seiten  begrenzenden  Schirme  liegt,  so  sind  x^  und  x^  ent- 
weder beide  positiv,  oder  beide  negativ.  Wenn  aber  die  Verbin- 
dungslinie QPo  durch  den  freien  Spalt  geht,  so  sind  die  Vorzeichen 
von  Xi  und  X2  einander  entgegengesetzt.  Dieser  Fall  ist  in  Figur  65 
gezeichnet  Wir  wollen  auch  die  dort  gezeichnete  Lage  der  Licht- 
quelle Q  senkrecht  über  der  Mitte  des  Spaltes  festhalten.  Be- 
zeichnet man  die  Spaltbreite  mit  rf,  so  ist: 

Xi  —  X2  =  6,   x^  —  ^126  :  d  =  a  :  a  +  b.  (41) 


1)  Zur  Beobachtung  läßt  man  die  BeuguDgsfransen  entweder  auf  einem 
geeignet  gestellten  Schirme  zustande  kommen,  oder  man  benutzt  eine  Lupe 
mit  Qlasmikrometer,  vgl.  oben  S.  125,  Anm. 


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186 


Kapitel  IV. 


Für  a  und  6  kann  man  annähernd  p,  und  Qo  schreiben,  da  bei 
kleinem  6  die  Neigung  von  Qi  gegen  a  sehr  gering  ist.  "^ 

Führen  wir  wiederum  die  Größe  v  ein  nach  der  Gleichung  (31) 
auf  S.  181  und  nennen  wir  v^  Und  ^2  ^^  Werte  des  Parameters  v, 
welche  den  Integrationsgrenzen  x^  und  x^  entsprechen,  so  wird  die 
Lichtintensität  in  Po  gerade  wie  nach  (38) : 

(42)  -^=,.(,,^,.;f(t>i.  »-'^^ 

wobei  (vi,  v^  die  Entfernung  zwischen  den  zwei  Punkten  der 
Kurve  in  Figur  63  bezeichnet,  welche  den  Parametern  v^  und  V2 
entsprechen.    Es  ist  nun  aber  nach  (41)  und  (31): 


(43) 


Vj 


'^-'Vi{i  +  ih  H^'-ä-.p, 


wobei  p  die  Abkürzung  nach  Gleichung  (40)  bedeutet.  —  Wenn 
wir  nun  die  Lichtverteilung  in  einer  Ebene  untersuchen  wollen, 

welche  um  6  hinter  demBeugnugs- 
schirm  liegt,  so  haben  wir  den 
Ausdruck  (42)  in  seiner  Abhängig- 
keit von  d  zu  diskutieren.  Nach 
(43)  bleibt  die  Differenz  der  Para- 
meter Vj,  V2  konstant,  es  handelt 
sich  also  um  dieFrage :  wie  variiert 
der  Abstand  zwischen  den  zwei 
Punkten  Vj,  t^j  der  Kurve  der 
Figur  63,  zwischen  denen  eine 
konstante  Bogenlänge  s=t\  — «2 
der  Kurve  liegt? 

Nehmen  wir  zunächst  einen 
sehr  schmalen  Spalt,  so  daß  die 
konstante  Bogenlänge  s  etwa  den 
Wert  0,1  besitzt,')  so  ergibt 
jene  Kurve  sofort,  daß  die  Lichtintensität  von  d=0  an  bis  zu  sehr 
großen  Werten  des  r^,  d.  h.  des  d,  konstant  bleibt  und  dann  all- 
mählich abnimmt,  wenn  v^  und  V2  beide  sehr  große  positive  oder 
negative  Werte  haben,  d.  h.  wenn  Po  schon  weit  im  geometrischen 
Schatten  liegt.  Bei  einem  sehr  engen  Spalte  ist  daher  der  geo- 
metrische Schatten  auch  nicht  annähernd  wahrnehmbar,  überhaupt 


3 

a 

/ 

/ 

b 

Pn       d 


Fig.  65. 


1)  Für  a  =  6  =  20  cm  müßte  dazu  d  etwa  30A  betragen. 


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Beugung  des  Lichtes.  Ig7 

gibt  es  nirgends  eine  scharfe  Schattengrenze,  das  Licht  ist  über 
einen  großen  Bereich  nahezu  konstant  verteilt  (Diffusion  des 
Lichtes)^) 

Wenn  die  Spaltbreite  6  beträchtlicher  wird,  aber  immer  noch 
absolut  genommen  sehr  klein  ist,  so  daß  die  konstante  Bogenlänge  s 
etwa  den  Wert  0,5  besitzt,  so  ergibt  die  Kurve  der  Figur  63, 
daß  auch  hier  das  Licht  weit  in  den  geometrischen  Schatten 
hereingreift  und  daß  Maxima  und  Minima  der  Lichtstärke  nur 
für  gleiche  Vorzeichen  von  v^  und  V2  eintreten, 
d.  h.  daß  Beugungsfransen  nur  im  geometrischen 
Schatten  auftreten.  Deutliche  Minima  bestehen 
(vgl.  Figur  66),  wenn  in  den  beiden  Punkten  v,  und  Uj 
der  Kurve  die  Tangenten  einander  parallel  sind,  so 
daß  sich  die  Tangentenwinkel  t^  und  Tj  (vgl.  oben 
S.  177)  um  ein  ganzes  Vielfaches  von  2jt  unterschei- 
den. Da  nun  nach  (18)  auf  S.  177  r  =  njs-v^  ist,  so  ^s-  ««• 
muß  für  die  Orte  der  Beugungsfransen  sein: 

j  (vi^  —  V2^  =  ±  2hJt^  d.  h.  (vi  —  ^2)  (^1  +  ^  =  i  ^^1 
oder  mit  Eücksicht  auf  (43): 

d.6=±hXh,  Ä=l,  2,  3..  (44) 

Diese  Beugungsfransen  sind  also  äquidistant  und  unabhängig  von 
a,  d.  h.  der  Entfernung  der  Lichtquelle  vom  Schirm. 

Wenn  der  Spalt  noch  breiter  wird,  oder  bei  derselben  Spalt- 
breite a  und  h  verkleinert  werden,  so  daß  die  Differenz  v^  —  V2 
wesentlich  größer  wird,  so  können,  wie  die  Kurve  Figur  63  lehrt, 
auch  für  verschiedene  Vorzeichen  von  v^  und  v^,  d.  h.  außerhalb 
des  geometrischen  Schattens,  Beugungsfransen  auftreten;  zu  jedem 
Werte  der  Differenz  v^  —  v^  kann  man  den  Verlauf  des  /  als 
Funktion  von  d  aus  der  Kurve  auch  numerisch  angenähert  richtig 
entnehmen.  Wenn  der  Spalt  sehr  breit  wird,  d.  h.  r^  —  uj  sehr 
groß  ist,  so  nähert  man  sich  dem  im  vorigen  §  4  behandelten  Falle. 

Im  Zentralgebiet  (für  d  =  0)  verschwindet  J  niemals.  Je  nach 
dem  Werte  von  h  bei  bestimmten  a  und  6  kann  aber  J  Maxima 
und  Minima  erhalten.  Da  für  c?  =  0  die  Werte  v^  und  v^  ent- 
gegengesetzt gleich  sind,  so  geht  die  Verbindungslinie  der  Punkte 
vj  und  V2  durch  den  Koordinatenfang  in  Figur  63.    Maxima  und 


1)  Diffusion   des  Lichtes  muß  z.  B.  stets  eintreten,  wie   man  durch  die 
Fresnelsche  Zonenkonstruktion  ableiten  kann,  falls  die  Spaltbreite  rf  <  V2  ^  ist. 


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188  Kapitel  IV. 

Minima  treten  daher  annähernd  für  die  Schnittpunkte  der  Kurve 
mit  der  Linie  FF^  ein,  d.  h.  nach  S.  184 

Maxima  für  v^  =  Y\  +  ^^, 
Minima  für  v^  =  y  "»j^  +  4h, 
oder  nach  (43),  da  t;2  =  —  ^i  ist: 

Maxima  für  g  (^  +  4)  =  'l^  +  ^^^ 

Minima  für  ^  (-  +  jj  =  \  +  ^ä, 

Ä  =  0,  1,  2,  3  . . . 

6.  Bengnng  durch  einen  schmalen  Schirm  ')•  D^i*  Schirm 
habe  die  Breite  rf,  senkrecht  über  seiner  Mitte  liege  im  Abstände  a 
die  Lichtquelle  Q,  Wir  untersuchen  die  Lichtintensität  in  einer, 
durch  Q  gehenden  Ebene  (ir;i;-Ebene),  welche  senkrecht  zu  den 
(einander  parallelen)  Schirmrändern  steht.  —  Wir  gebrauchen  die 
im  Vorigen  angewandten  Bezeichnungen  (vgl.  Figur  65),  x^  und 
X2  seien  die  x-Koordinaten  der  Schirmkanten,  v^  und  v^  die  ihnen 
entsprechenden  Werte  des  Parameters  v\  dieselben  genügen  den 
Gleichungen  (43).  Die  Lichtintensität  J  ist  proportional  zu  der 
Summe  der  Quadrate  der  Integrale  (vgl.  die  Entwickelungen  der 
S.  182): 

4-  X 


M  =jcos  ^^  dv  +  fcos  ^  dv, 

OD  Vf 


N-- 


Das  erste  Glied  in  if  ist  nun  (vgl.  die  analogen  Entwickelungen 
der  S.  183)  gleich  der  ^-Koordinate  der  Strecke,  welche  F'  und 
den  dem  Parameter  v^  entsprechenden  Punkt  E^  der  Kurve  in 
Figur  67  verbindet.  Das  zweite  Glied  in  M  ist  gleich  der  g-Koordinate 
der  Strecke  (Ej/^),  wobei  der  Punkt  E2  dem  Parameter  Vj  ent- 
spricht. Analoge  Bedeutungen  haben  die  beiden  Glieder  von  K 
Nennt  man  die  g-,  bezw.  77-Koordinaten  der  Strecken  {F'  E^  und 
{E2I*'):  gl,  g2,  ^„  rj2,  so  wird  also: 
3P  +  i\r2  =  (g,  +  g^2  +  (^^  ^  ^^2. 

1)  Als  schmaler  Schirm  kann  z.  B.  zweckmäßig  ein  gerade  gespannter 
Draht  verwendet  werden. 


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Beugung  des  Lichtes. 


189 


Wenn  man  an  die  Strecke  {F'E^  anträgt  die  Strecke  {E^F") 
in  gleicher  Richtung  und  Länge,  wie  die  Strecke  {E^F),  so  hat 
die  Strecke  (yp")  die  Koordinaten  gj  +  ?2i  ^i  +  %•  Die  Licht- 
stärke J  im  Punkte  Po  ist  also  proportional  dem  Quadrat  der 
Strecke  {F'F"),  welche  man  durch  geometrische  Addition  der 
beiden  Strecken  (F'E^)  und  (£2^)  erhält,  und  hat  den  Wert: 

Hieraus  ergibt  sich,  daß  der  Zentralstreifen  {d  =  0)  immer 
hell  ist  (obwohl  er  am  tiefsten  im  geometrischen  Schatten  liegt), 
denn  für  ihn  sind  die  Werte  Vj  und  V2  entgegengesetzt  gleich 


Fig.  67. 

die  beiden  Punkte  E^  und  E2  in  Figur  67  liegen  also  symmetrisch 
zum  Koordinatenanfang,  die  Strecken  F'Ei  und  E2F  sind  gleich 
und  gleichgerichtet,  ihre  geometrische  Summe  ist  daher  nie  Null. 
Je  breiter  der  Schirm  ist,  desto  kleiner  wird  die  Lichtstärke  im 
Zentralstreifen. 

Wenn  der  Schirm  genügende  Breite  hat,  so  daß  v^  und  ^2 
ziemlich  groß  sind,  so  liegen  die  Punkte  E^  und  E2  in  der  Nähe 
von  F"  und  F.  Die  Strecken  {I^^E^)  und  (^2^  si^d  dann  annähernd 
einander  gleich,  es  tritt  daher  nahezu  vollständige  Dunkelheit  ein, 
wenn  {F'E^  parallel  und  gleichgerichtet  ist  mit  {FE^,  Da  bei 
großen  vi  und  V2  die  Strecken  {F'E^  und  {FE^  nahezu  senkrecht 
zur  Kurve  der  Figur  67  stehen,  so  sind,  falls  diese  Strecken  gleich- 


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190  Kapitel  IV. 

gerichtet  sind,  die  Tangenten,  welche  in  E^  und  in  ^  an  die 
Kurve  gelegt  werden,  einander  annähernd  parallel,  und  zwar  laufen 
ihre  positiven  Richtungen,  welche  nach  wachsenden  Bögen  a  hin- 
weisen,  einander  entgegen.  Es  ist  also  die  Differenz  der  Tangenten- 
winkel Ti  —  T2  ein  ungerades  •Vielfaches  von  ^,  d.  h.  da  nach  (18) 
r  =  »/j  '  v^  ist,  so  treten  dunkle  Beugungsfransen  auf,  falls 
i  (vi^  —  V2^  =  ±  1,  ±  3,  ±  5  etc. 
Unter  Rücksicht  auf  (43)  wird  dies: 
(47)  2d6  =  ±  ä;16,  Ä  =  1,  3,  5  etc. 

Diese  Beugungsfransen  nehmen  an  Dunkelheit  mit  wachsendem  h 
ab.  Sie  sind  äquidistant  und  von  der  Entfernung  a  der  Lichtquelle 
vom  Schirm  unabhängig.  Die  ganze  Betrachtung  gilt  nur  inner- 
halb   des    geometrischen    Schattens,   d.  h.    solange  d<i^  6  ^— ^ 

ist,  und  auch  dann  nur  mit  einiger  Strenge,  falls  die  beiden  Schirm- 
rändern  entsprechenden  Werte  von  v^  und  v^  hinreichend  groß 
sind,  d.  h.  bei  genügend  breitem  Schirm  in  genügender  Nähe  an 
ihm  in  der  Umgebung  des  Zentralstreifens. 

Rückt  Po  an  den  Rand  des  geometrischen  Schattens,  oder  aus 
ihm  heraus,  so  treten  auch  dann  noch  je  nach  der  Lage  von  Po 
Maxima  und  Minima  der  Lichtstärke  auf,  die  für  jeden  speziellen 
Fall  durch  die  angegebene  Konstruktion  aus  der  Figur  67  erhalten 
werden  können.  Die  hier  auftretenden  Beugungsfransen  gehorchen 
aber  keinem  leicht  übersichtlichen  Gesetze. 

Diese  Beispiele  mögen  genügen,  um  die  Brauchbarkeit  der  von 
Cornu  benutzten  geometrischen  Methode  zu  zeigen  0-  Die  Be- 
obachtungen entsprechen  allen  hier  gezogenen  Folgerungen. 

7.  Strenge  Behandlung  der  Beugung  am  geradlinigen  Bande 
eines  Schirmes.  Wie  schon  im  Eingange  dieses  Kapitels  hervor- 
gehoben wurde  (S.  174),  ist  die  bisherige  Behandlung  der  Beugungs- 
erscheinungen auf  Grund  des  Huygensschen  Prinzipes  nur  eine 
angenähert  richtige.  Es  ist  nun  wichtig,  daß  man  wenigstens  in 
einem  Falle,  nämlich  bei  der  Beugung  durch  den  geradlinigen 
Rand  eines  Schirmes,  das  Problem  nach  Sommerfeld 2)  in  Strenge 
durchführen  kann;  man  kann  einerseits  dadurch  prüfen,  welche 
Fehler  die  angenäherte  Behandlung  der  Beugung  ergibt,  anderer- 

1)  Diese  Methode  ist  noch  auf  kompliziertere  Fälle  angewendet  in  dem 
Lehrbuch  von  Mascart,  Trait^  d'Optique,  Paris  1899,  T.  1,  S.  283. 

2)  A.  Sommerfeld,  Math.  Annalen,  Bd.  47,  S.  317,  1895. 


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Beugung  des  Lichtes.  19  t 

seits  kann  man  dadurch  auch  die  Erscheinungen  bei  sehr  großen 
Beugungswinkeln,  d.  h.  in  sehr  großem  Abstand  von  der  geo- 
metrischen Schattengrenze,  theoretisch  behandeln,  was  bei  der 
bisher  angewandten  Methode,  ohne  gewisseErweiterungen  wenigstens, 
nicht  möglich  wäre. 

Die  strenge  Behandlung  der  Beugungserscheinungen  hat  die 
Differentialgleichung  (12)  der  S.  160  für  die  Lichterregung: 

zu  integrieren  unter  Rücksicht  auf  gewisse  Eandbedingungen,  welche 
an  der  Oberfläche  der  Beugungsschirme  zu  erfüllen  sind.  Die  Form 
dieser  Rand-  oder  Grenzbedingungen  werden  wir  erst  später  im 
IL  Abschnitt,  Kapitel  I,  II  und  IV  ableiten,  hier  wollen  wir  die 
dort  abzuleitenden  Resultate  vorwegnehmen.  —  Zunächst  wollen 
wir  die  Betrachtungen  dadurch  vereinfachen,  daß  wir  annehmen, 
daß  die  Lichtquelle  eine  unendlich  lange  Linie  ist,  welche  parallel 
zur  t/-Achse  liegt.  Ebenfalls  soll  der  Rand  des  ebenen  Beugungs- 
schirmes parallel  zur  t/-Achse  liegen,  wir  wollen  ihn  direkt  als 
^-Achse  wählen,  die  positive  a:-Achse  soll  im  Beugungsschirm  ver- 
laufen, die  positive  «-Achse  sei  von  der  Lichtquelle  abgewandt. 
(Vgl.  Figur  68.)  —  In  diesem  Falle  kann  s  offenbar  nicht  mehr 
von  der  Koordinate  y  abhängen,  die  obige  Differentialgleichung 
vereinfacht  sich  daher  zu 

Den  Schirm  setzen  wir  voraus  als  unendlich  dünn  und  unendlich 
stark  absorbierend.  Es  kann  dann  kein  Lieht  durch  ihn  hindurch 
gehen,  er  reflektiert  aber  vollkommen,  wie  im  II.  Abschnitt  ge- 
zeigt werden  wird;  eine  sehr  dünne,  hochpolierte  Silberschicht 
würde  etwa  unserem  Schirm  entsprechen.  Der  Schirm  entspricht 
also  nicht  dem  Begriff:  „vollkommen  schwarz'V)   sondern  er  ist 

1)  Ein  YoUkommen  schwarzer  Schirm,  der  kein  Licht  durchläßt,  aber  auch 
kein  Licht  reflektiert,  ist  nur  durch  einen  Körper  zu  realisieren,  dessen  Brechungs- 
index nach  seiner  Oberfläche  zu  stetig  in  den  Wert  des  Brechungsindex  der 
Umgebung  übergeht  und  dessen  Absorptionsindex  nach  der  Oberfläche  zu  stetig 
in  den  Wert  Null  übergeht.  Jede  Unstetigkeit  in  den  optischen  Eigenschaften 
eines  Mediums  bewirkt  notwendig  Reflexion  des  Lichtes.  Daher  ist  überhaupt 
kein  ideal  schwarzer  Schirm  als  scharf  begrenzter,  dünner  Körper  denkbar, 
für  den  man  gewisse  Grenzbedingungen  aufstellen  könnte.  —  Über  die  Aus- 
dehnung der  Sommerfei dschen  Behandlung  der  Beugung  auf  einen  vollkommen 
schwarzen  Schirm  vgl.  W.  Voigt,  Compend.  d.  theoret.  Phys.  II,  S.  768. 


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192  Kapitel  IV. 

voUkommeii  blank.    Die  Grenzbedingung  an  einem  solchen  Schirm 

lautet: 

(AQ-)       =  0   ^^^^^  ^^^  einfallende  Licht  senkrecht  zur  Schirmkante 

^    ^     *        '  polarisiert  ist, 

C50^    —  =  0    ^^^^^    ^^^  Licht    parallel    zur  Schirmkante   polari- 

^    ^    ^*        '  siert  ist^. 

Die  Bedeutung  dieser  Bezeichnungen  und  des  Wortes  „Polari- 
sation" soll  erst  im  nächsten  Kapitel  erörtert  werden.    Hier  genügt 

es,  zu  wissen,  daß  die  Diflfe- 
rentialgleichung(48)entweder 
unter  Rücksicht  auf  die  Rand- 
bedingung (49),  oder  (50)  zu 
integrieren  ist.  Die  Randbe- 
dingungen gelten  an  der  Ober- 
fläche des  Schirmes,  d.  h.  für 
;;;  =  0,  x  >  0.  d.  h.  für  g)  =  0, 
bezw.  q)  =2jc,  wenn  manPolar- 
koordinaten  einführt  durch 
die  Gleichungen: 
/  /  /  (^1)  X  =  r  cos  %  z  =  r  sin  g>. 

EiJfaMdfB  Wenn  man  die  Differen- 

^'^^<  tialgleichung   (48)  auf  diese 

Fig.  68.  Polarkoordinaten     transfor- 

miert, so  ergibt  sich 

Eine  Lösung  dieser  Difl'erentialgleichung  und  der  Grenz- 
bedingung (49),  bezw.  (50),  welche  dem  Falle  entspricht,  daß  die 
Lichtquelle  im  Unendlichen  liegt  und  ihre  Strahlen  den  Winkel  g)' 
mit  der  x-Achse  bilden  (vgl.  Figur  68)  ist  nun: 


(53)    s  =  Ä  .^'. 


1)  Wie  später  bei  Besprechung  der  elektromagnetischen  Theorie  erörtert 
werden  wird,  hat  s  in  beiden  Grenzbedingungen  nicht  dieselbe  Bedeutung:  in 

(49)  bedeutet  8  die  der  Schirmkante  parallel  schwingende  elektrische  Kraft,  in 

(50)  die  der  Schirmkante  parallel  schwingende  magnetische  Kraft.   Die  Licht- 


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Beugung  des  Lichtes.  I93 

wobei  ist: 

r  =  -'p  cos  (9)  —  q>'),   /  =  -f^  00s  isp  +  (p) ,  (54) 

ö=^-^«ini(9)  — 9)'),  o=—y-^8in\{(p+ip).  (55) 

In  (53)  gilt  das  obere  oder  untere  Vorzeichen,  je  nachdem  die 
Grenzbedingung  (49)  oder  (50)  erfüllt  werden  soll.  Der  Buchstabe  % 
bedeutet  dabei  die  imaginäre  Einheit,  d.  h.  Y —  1-  ^^^  Lösung 
von  s  tritt  also  zunächst  als  komplexe  Größe  auf.  Um  ihre 
physikalische  Bedeutung  zu  geben,  braucht  man  unter  s  nur  den 
reellen  Teil  der  komplexen  Größe  zu  verstehen.  Wenn  wir  also 
z.  B.  den  Ansatz  machen 

5=(^  +  ^0e^*^^r,  (56) 

so  ist  die  physikalische  Bedeutung  von  s  der  reelle  Teil,  d.  h. 

5  =  ^  cos  2jc^  —  Bsin2jt  7p.  (57) 

Die  Intensität  des  Lichtes  würde  in  diesem  Falle  sein  (vgl.  den 
analogen  Schluß  von  S.  176): 

J=A'^  +  B\  (58) 

Wir  können  dieses  Resultat  aus  (56)  direkt  ableiten,  wenn  wir 
8  mit  seiner  konjugiert  komplexen  Größe  multiplizieren,  d.  h.  mit 
derjenigen  Größe,  welche  sich  nur  durch  das  Vorzeichen  von  i 
von  der  rechten  Seite  von  (56)  unterscheidet,  also  mit  {A  —  Bi) 

c  *  "^^  T.  Dieses  Resultat  mag  auch  für  später  bemerkt  werden. 
Es  lautet  also:  Wenn  die  Lichterregung  5  in  Form  einer 
komplexen  Größe  dargestellt  wird  (wobei  s  selbst  nur  die 
Bedeutung  des  reellen  Teiles  jener  komplexen  Größe  besitzt),  so 
wird  die  Lichtintensität  durch  Multiplikation  mit  der 
konjugiert  komplexen  Größe  erhalten. 

Daß  die  Formeln  (53),  (54),  (55)  wirklich  eine  Lösung  der 
Differentialgleichung  (52)  sind,  erkennt  man  durch  Bildung  der 
Differentialquotienten  nach  r  und  <p,^)  Ferner  wird  durch  das  obere 


inteusität  berechnet  sich  aber  in  beiden  Fällen  in  gleicher  Weise,  wenigstens 
auf  der  von  der  Lichtquelle  abgewendeten  Schirmseite. 

1)  Der  Weg,  auf  welchem  Sommerfeld  in  konsequenter  Weise  zu  dieser 
Losung  geführt  wurde,  kann  hier  nicht  dargestellt  werden,  da  dies  zuviel 
Hilfsmittel  beanspruchen  würde. 

Drude,  Lehrbuch  d.  Optik.   2.  Aufl.  13 


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194  Kapitel  IV. 

Vorzeichen  in  (53)  die  Grenzbedingang  (49)  erfüllt,  da  für  9)  =  0 
und  g)  =  2jt,  7  =  7',  ö  =  ö'  wird.    Ferner  wird  durch  das  untere 

Vorzeichen  in  (53)  die  Grenzbedingung  (50)  erfüllt,  da  ^  =  -  ^— 

ist  für  9)  =  0,  und  da  die  Diflferentialquotienten  nach  g)  von  den 
beiden  Summanden,  die  in  der  Klammer  von  (53)  enthalten  sind, 
entgegengesetzte  Werte  für  9)  =  0  oder  g)=^2jt  annehmen.  Daß 
außerdem  die  Lösung  (53)  tatsächlich  den  angenommenen  ebenen 
Wellen  einer  in  der  vorgeschriebenen  Richtung  liegenden  unendlich 
entfernten  Lichtquelle  Q  entspricht,  werden  wir  bei  näherer  Dis- 
kussion einsehen.  Zunächst  mag  aber  noch  ein  wichtiger  Punkt 
erörtert  werden.  Wenn  wir  einen  beliebigen  Punkt  Po  in  der 
xxrEhene,  für  den  wir  s  berechnen  wollen,  eine  volle  Umkreisung 
um  die  Schirmkante  (bei  festem  Abstände  r  von  ihr)  machen  lassen, 
so  ist  ^  um  2jt  gewachsen.  Es  nimmt  dann  s  nicht  den  ursprüng- 
lichen Wert  wiederum  an,  sondern  einen  anderen,  weil  0  und  a 
wegen  der  Faktoren  sin\{(p^  ^')  bei  Änderung  von  q>  um  2jt 
ihr  Vorzeichen  gewechselt  haben,  s  ist  daher  nicht  eine  eindeutige 
Funktion  des  Ortes.  Der  physikalische  Sinn  erfordert  aber  Ein- 
deutigkeit. Wir  können  dieselbe  nun  sofort  erhalten,  wenn  wir  bei  der 
Veränderung  von  g)  nie  durch  den  Schirm  selbst  hindurchgehen. 
Dies  wollen  wir  festhalten,  indem  g)  nur  zwischen  0  (Schattenseite 
des  Schirmes)  und  2jc  (Lichtseite  des  Schirmes)  variieren  soll. 

Es  sind  nun  drei  Räume  zu  unterscheiden,  in  denen  sich  s 
wesentlich  verschieden  verhält: 

1.  Der  Schattenraum:  0<C9><i9>''    Nach  (55)  sind  a  und  <j' 
negativ.    Für  unendlich  großes  r  wird  daher  s  =  0. 

2.  Der  unbeschattete  Raum  q/ <Cg><i2jt  —  9)'.    Es  ist  0 
positiv,  c  negativ.    Da  nach  Formel  (29)  auf  S.  179 


(59) 


SO  ist  daher  für  unendlich  großes  r: 

Der  reelle  Teil  hiervon  entspricht  ebenen  Wellen  der  Ampli- 
tude A,  deren  Fortpflanzungsrichtung  den  Winkel  g>'  mit  derar-Achse 


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Beugung  des  Lichtes.  195 

macht  Die  Lösung  entspricht  also  tatsächlich  für  sehr  große  r 
dem  einfallenden  Lichte  einer  in  der  Richtung  ip  liegenden,  un- 
endlich entfernten  Lichtquelle  Q, 

3.  Der  Reflexionsraum  2x  —  (p  <,<p<i2jt.    Es  ist  c  und 
c  positiv.    Für  unendlich  großes  r  wird  daher 


i  2j€^ 


8  =  Ä*  6 


.  27ir        f  /n  .  2Tir        ,      ,      /v 


Der  reelle  Teil  hiervon  entspricht  der  Superposition  der  ein- 
fallenden ebenen  Wellen  und  der  nach  dem  Reflexionsgesetz  am 
Schirm  reflektierten  ebenen  Wellen.  Die  reflektierte  Amplitude  ist 
dem  absoluten  Betrage  nach  gleich  der  einfallenden  Amplitude. 

In  anschaulicher  Form  erhalten  wir  die  Lösung  (53),  wenn 
wir  wiederum  die  Kurve  der  Figur  (63)  benutzen.  Denn  nach 
S.  183  ist 


■iV,  (60) 


wobei  g  und  ^  die  Projektionen  der  Strecke  iß^E)  auf  die  g-  und 
7y-Achse  sind,  und  wobei  E  den  dem  Parameter  c  entsprechenden 
Punkt  der  Kurve  bedeutet.  —  Analog  ist 


dv^i—iri ,  (61) 


wobei  i  und  r]    die  Projektionen  der  Strecke  (F'JS')  sind,  und  ^ 
ein  Punkt  vder  Kurve  ist,  welcher  dem  Parameter  d  entspricht. 

Betrachten  wir  zunächst  die  von  der  Lichtquelle  ab- 
gewendete Seite  des  Schirmes,  d.h.  0<i(p<C^,  so  bemerken 
wir,  daß  c  wegen  des  kleinen  Nenners  X  (Wellenlänge)  beständig 
sehr  groß  und  negativ  ist,  falls  man  r  nicht  sehr  klein  wählt. 
Für  einigermaßen  große  r  kann  man  daher  nach  (61)  sehr  an- 
nähernd ^  =  r]'  =  0  setzen,  und  erhält  dann  aus  (53)  und  (60): 

13* 


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196  Kapitel  IV. 

und  nach  dem  Lehrsatze  (58)  für  die  Lichtintensität: 

(62)  /  =  ^.(F'£)2. 

Zu  nahezu  derselben  Formel  würden  wir  aber  auch  nach  der 
früheren  Näherungsrechnung  in  §  4  gelangt  sein.  Wenn  nämlich 
die  Lichtquelle  unendlich  entfernt  ist,  so  würde  die  dortige 
Formel  (38)  ergeben 

(63)  J=f(-oo,vy, 


und  nach  (39):  v  =  dy^- 


Die  Bedeutung  von  d  ist  aus  Figur  64  zu  entnehmen.  Führt 
man  die  Entfernung  r  des  Punktes  Po  von  der  Schirmkante  ein, 
so  ist  d  =  r  «*n  (q>  —  g)'),  wenn  <p  —  q>  der  Beugungswinkel  ist, 
d.  h.  die  Neigung  der  gebeugten  Strahlen  gegen  die  einfallenden 
Strahlen.    Da  in  der  Nähe  der  Schattengrenze  6  =  r  zu  setzen  ist, 

so  folgt  V  =1/  -^  sin  {(p  —  (p)\  denselben  Wert  besitzt  o  nach 

(55)  für  genügend  kleine  Beugungswinkel,  d.  h.  der  Punkt  E  in 
Formel  (62)  entspricht  dem  Parameter  v  in  Formel  (63).  Beide 
Formeln  führen  daher  zu  demselben  Werte  von  J  in  der  Nähe 
der  Schattengrenze.  In  größerem  Abstand  von  ihr  weicht  aller- 
dings die  strengere  Formel  (62)  ab  von  derjenigen,  die  sich  nach 
dem  früheren  Näherungsverfahren  ergeben  würde.  —  Der  früher 
gezogene  Schluß,  daß  nur  außerhalb  des  Schattenraumes  Beugungs- 
fransen auftreten,  gilt  natürlich  ebenso  hier,  nach  der  strengeren 
Betrachtung. 

Auf  der  der  Lichtquelle  zugewendeten  Seite  des 
Schirmes  jr^  gx;  2jr,  nimmt  innerhalb  des  Reflexionsraumes 
(g)>2jr  — g)')  auch  das  Integi'al  (61)  bedeutende  Werte  an. 

Will  man  daher  eine  allgemein  gültige  strenge  Formel  für  die 
Lichtintensität  ableiten,  so  darf  man  das  Integral  (61)  nicht  gegen 
das  Integral  (60)  vernachlässigen.  Dies  ist  sowohl  für  den  Reflexions- 
raum, als  auch  für  die  anderen  Räume  bei  sehr  kleinem  r  oder 
sehr  großen  Beugungswinkeln  <p  —  g)' geboten. 

Man  erhält  diese  strenge  Formel  für  die  Lichtintensität  /, 
indem  man  die  rechte  Seite  von  (53)  mit  ihrem  konjugiert  komplexen 
Ausdrucke  multipliziert.  Durch  Benutzung  der  Bezeichnungen  (60) 
und  (61)  erhält  man  dadurch  folgende  völlig  strenge  Formel: 


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Beugung  des  Lichtes.  I97 

±2«n(r-/).(^r— ^§)}, 

oder 

J=^{{F'E)^  +  {F'E'Y  +  2{rE){rEf)cos{r-r-¥x)l  (64) 

wobei  X  den  Winkel  bezeichnet,  welchen  die  Strecken  {F'E)  und 
{F'  JSf)  miteinander  bilden,  x  ist  positiv  gerechnet,  wenn  die 
Drehung,  welche  auf  dem  kürzesten  Wege  F'E  in  F'Ff  überführt, 
in  demselben  Sinne  erfolgt,  wie  eine  Drehung  der  7j-Achse  zur 
§-Achse.  —  Nach  (54)  ist 

7  — 7'= -4j-«n9P«ng)'.  (65) 

Nach  (64)  ist  /  proportional  zu  dem  Quadrat  der  geometrischen 
Differenz  bezw.  Summe  zweier  Strecken  der  Länge  (i'^'i^  und  (F'E^\ 
welche  den  Winkel  z  +  7  —  /  miteinander  bilden.  Die  geo- 
metrische Differenz  ist  zu  bilden,  falls  das  einfallende  Licht 
senkrecht  zur  Schirmkante  polarisiert  ist,  die  geometrische  Summe, 
falls  es  parallel  zur  Schirmkante  polarisiert  ist. 

Den  Ausdruck  (64)  kann  man  noch  wesentlich  vereinfachen, 
wenn  die  Lichtintensität  /  nicht  in  der  Nähe  des  geometrischen 
Schattens  berechnet  werden  soll,  d.  h.  wenn  nicht  <p  sehr  nahe 
gleich  ip  ist 

Im  Schattenraume  ist  dann  nämlich  c  und  o  sehr  groß 
negativ,  wir  können  daher  nach  den  Betrachtungen,  welche  in  §  3 
an  die  Gestalt  der  Kurve  der  Figur  (63)  angeknüpft  sind,  F'  E 
gleich  dem  Krümmungsradius  q  der  Kurve  im  Punkte  E,  F'E' 
gleich  dem  Krümmungsradius  im  Punkte  E'  setzen,  und  den 
Winkel  Xi  welchen  diese  beiden  Strecken  mit  einander  bilden, 
gleich  dem  Winkel,  welchen  die  in  den  Punkten  E  und  E'  an  die 
Kurve  gelegten  Tangenten  miteinander  einschließen.  Nach  den 
dortigen  Formeln  (18)  und  (19)  der  S.  177,  178  ist  also  zu  setzen: 

F'E=  —  ,     F'E'=^,    ;C=|(ö2~ö'2). 
710^  na   ^    ^        2  ^  ^ 

Unter  Rücksicht  auf  (55)  und  (65)  wird  nun  7  —  7'  +  ;^  =  0, 
daher  nach  (64): 


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198  Kapitel  IV. 

Setzt  man  hierin  die  Werte  (55)  für  o  und  a  ein,  so  gilt  für  das 
obere  Vorzeichen,  d.  h.  falls  das  einfallende  Licht  senkrecht  zur 
Schirmkante  polarisiert  ist: 

^^*)  ^-^^'^  ~  n^     r      {cos<p  —  cos  <p)i ' 

dagegen  fttr  das  untere  Vorzeichen,  d.  h.  wenn  das  einfallende 
Licht  parallel  zur  Schirmkante  polarisiert  ist: 

(^S)  ^'^  •^  —  ^2  -y    ^eos  q>  -  cos  <py   ' 

Diese  Formeln  für  den  Schattenraum  gelten  also  nur,  falls 
^/r  sehr  klein  und  g)  nicht  in  unmittelbare  Nähe  von  g)\  d.  h.  an 
die  Grenze  des  Schattenraumes,  kommt.  Es  geht  aus  den  Formeln 
hervor,  daß  am  Schirm  selbst  (für  g)  =  0)  das  Licht  vollständig 
parallel  zur  Schirmkante  polarisiert  ist,  daß  ferner  für  wachsen- 
de q>  die  Intensität  /  nach  beiden  Formeln  beständig  zunimmt  und 
dabei  stets  die  Intensität  (67)  des  senkrecht  zur  Schirmkante 
polarisierten  Lichtes  kleiner  ist  als  die  Intensität  (68)  des  parallel 
zur  Kante  polarisierten  Lichtes.  Der  Unterschied  zwischen  beiden 
Intensitäten  nimmt  beständig  ab  bei  Annäherung  an  die  Grenze 
des  geometrischen  Schattens. 

Die  Lichtbeugung  am  geradlinigen  Rande  eines  Schirmes  bei 
sehr  großen  Beugungswinkeln  ist  von  Gouy  0,  W.  Wien^)  und  Maey^ 
beobachtet  worden.  Bei  abgerundetem  Rande  des  Schirmes  er- 
gaben sich  Färbungen,  welche  von  der  Natur  des  Schirmes  ab- 
hingen. Die  hier  entwickelte  Theorie  ergibt,  daß  unabhängig  von 
der  Natur  des  Schirmes  die  Farben  größerer  Wellenlänge  im  stark 
gebeugten  Lichte  überwiegen  müßten.  Um  eine  Abhängigkeit  von 
der  Natur  des  Schirmes  zu  ergeben,  müßten  die  Grenzbedingungen 
(49)  und  (50)  die  optischen  Konstanten  des  Schirmes  enthalten. 
Bisher  ist  aber  eine  Integration  der  Differentialgleichung  (48) 
bei  solchen  komplizierteren  Grenzbedingungen  noch  nicht  ge- 
lungen.-*) 


1)  Gouy,  Ann.  d.  Chim.  et  de  Phys.  [6],  8.  S.  145,  1886. 

2)  W.  Wien,  Wied.  Ann.  28,  S.  117,  1886. 

3)  E.  Maey,  Wied.  Ann.  49,  8.  69,  1893. 

4)  Ebenso  wenig  kann  man  die  Polarigation  des  gebeugten  Lichtes  in 
komplizierteren  Fallen  theoretisch  erschöpfend  behandeln.  Literaturzusammen- 
stellung hierüber  vgl.  in  Winkelm.  Hdb.  d.  Phys.  VI  (Optik),  S.  1111—1113 
(Autor  F.  Pockels). 


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Beugung  des  Lichtes.  199 

Außerhalb  des  Schattenraumes  (und  außerhalb  des 
Eeflexionsraumes)  ist  in  genügendem  Abstände  von  der  Grenze  des 
Schattenraumes  und  des  Reflexionsraumes  a  sehr  groß  positiv,  o 
sehr  groß  negativ.  Daher  ist  F'lf  sehr  klein  und  hat  den  Wert 
(abgesehen  vom  Vorzeichen)  1 :  xa\  während  F'E  annähernd  gleich 
vT  ist  Ferner  ist,  da  ^  £'  annähernd  den  Winkel  V4  ^  Ddt  der 
§- Achse  einschließt:  x== — Vi^ — ^k^^'^i  so  daß  wird 

Mit  Vernachlässigung  von  (2^  E')^  erhält  man  daher  aus  (64): 

Bei  veränderlichem  <p  treten  also  Beugungsfransen  auf,  die  aller- 
dings nur  wenig  deutlich  sind.  Die  Fransen  werden  um  so  deut- 
licher, je  näher  ^  an  2m  — <p  heranrückt.  Dann  gilt  aber 
schließlich  die  Formel  (69)  nicht  mehr,  und  dicht  am  XJbergäng 
zum  Eeflexionsraum  muß  das  Resultat  aus  (64)  und  der  Kurve 
der  Figur  (63)  abgelesen  werden,  da  nun  ^  ^  größer  wird. 

Im  Reflexionsraum,  in  genügendem  Abstände  von  seiner 
Grenze  cp  =  2jr  —  cp'  ist  sowohl  ^  JS'  als  F'  £^  annähernd  gleich 
VT,  z  =  0.  Daher  ergibt  sich  aus  (64)  und  (65)  periodisch 
wechselnd  volle  Dunkelheit  oder  die  vierfache  Intensität  des  ein- 

fallenden  Lichtes,  je  nachdem  y  sin  (p  sin  cp'  eine  ganze  Zahl,  oder 

die  Hälfte  einer  ungeraden  Zahl  ist  Wir  stoßen  so  auf  die  oben 
S.  147  studierte  Erscheinung  der  stehenden  Wellen,  die  allemal 
eintritt,  wenn  die  einfallenden  Wellen  sich  über  die  reflektierten 
superponieren.  Hier  ist  nun  aber  der  in  der  Anm.  auf  S.  192  an- 
gedeutete Unterschied  in  der  Bedeutung  von  5  je  nach  dem  Polari- 
sationszustande des  einfallenden  Lichtes  zu  beachten.  Es  soll  davon 
in  einem  späteren  Kapitel  noch  die  Rede  sein. 

Auf  die  Sommerfeldsche  exakte  Lösung  des  Beugungs- 
problems für  eine  vollkommen  reflektierende  Halbebene  hat 
Schwarzschild*)  eine  Methode  gegründet,  um  die  Beugung 
durch  einen  geraden  Spalt  in  einem  unbegrenzt  ebenen,  vollkommen 


1)  K.  Schwarzschild,  Math. Add. 55,  S.  177, 1902.  — Vgl.  auch  Winkel- 
mann, Hdb.  VI,  S.  1106. 


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200  Kapitel  IV. 

reflektierenden  Schirm  durcli  sukzessive  Annäherung  zu  behan- 
deln. Die  Lage  der  Maxima  und  Minima  ändert  sich  nach  der 
strengen  Theorie  nicht  merklich  gegenüber  der  hier  im  §  5  ge- 
gebenen annähernden  Berechnung,  auch  das  Intensitätsgesetz  der 
Maxima  bleibt  (bei  nicht  zu  großen  Beugungswinkeln)  nach  beiden 
Behandlungen  das  gleiche,  das  der  Minima  aber  nicht.  Bei  ein- 
fallendem natürlichen  Licht  muß  das  durch  einen  gegen  die 
Wellenlänge  breiten  Spalt  gebeugte  Licht  auch  unter  beträcht- 
lichen Beugungswinkeln  unpolarisiert  sein,  dagegen  muß  ein- 
fallendes linear  polarisiertes  Licht  zu  elliptisch  polarisiertem 
werden. 

8.  Frauenhofersche  Bengnngserscheiniingen,  Wie  oben 
S.  176  erwähnt  wurde,  bezeichnet  man  als  Frauenhofersche 
Beugungserscheinungen  diejenigen,  bei  denen  Lichtquelle  Q  und  be- 
trachteter Punkt  Po  im  Unendlichen  liegen.  Man  kann  diese  Er- 
scheinungen beobachten,  wenn  eine  punktförmige  Lichtquelle  Q 
in  den  Brennpunkt  einer  Sammellinse  (Kollimatorlinse)  gestellt 
wird,  da  dann  die  austretenden  Strahlen  parallel  sind,  und  wenn 
man  hinter  dem  Beugungsschiim  ein  auf  unendlich  eingestelltes 
Fernrohr  benutzt. 

Wir  gehen  von  den  Entwickelungen  des  §  1  aus,  d.  h.  vom 
Huygensschen  Prinzip.  Die  Behandlung  ist  also  nicht  eine  völlig 
strenge,  wie  im  vorhergehenden  Paragraphen.  Wie  wir  aber  dort 
sahen,  ergibt  das  Huygenssche  Prinzip  bei  nicht  sehr  großen 
Beugungswinkeln  eine  sehr  gute  Annäherung.  Nach  den  Formeln  (8) 
und  (9)  auf  S.  175,  176  ist  für  Qi  =  Qo  =  oo  zu  setzen: 

(70)  /-Cr,  2/)  =  --J  j  X  {a,  +  ao)  +  y  (ft  +  ßo)] , 

und  dabei  bezeichnen  er,,  ft,  cf»,  /9o  die  Richtungskosinus,  welche 
die  Richtungen  vom  Koordinatenanfang  nach  der  Lichtquelle  Q  und 
nach  dem  betrachteten  Punkte  Po  mit  der  x-  und  ?/- Achse  bilden. 
(Vgl.  Fig.  62  auf  S.  174). 

Nach  den  Formeln  (11)  und  (12)  der  S.  176  ist  daher  mit 
Benutzung  der  Abkürzungen: 

(71)  ?p(a,  +  ao)  =  fi,^f{ß,  +  ßo)==v 

die  Lichtintensität  im  Punkte  Poi 

(72)  /=^'2(C^+  ä2), 


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Beugung  des  Lichtes. 


wobei 


C=  I  cos  (jix  +  py)  da,     S  =  I  sin  (ßx  +  vy)  da, 


201 


(73) 


und  die  Integration  über  die  Öffnung  im  Schirm  zu  ei-strecken  ist. 
Die  Konstante  Ä  hat  eine  anschauliche  Bedeutung,  wenn  wir 
die  Lichtintensität  /  einführen,  welche  hinter  dem  Beugungs- 
schirm beobachtet  wird,  falls  wir  das  Fernrohr  in  die  Richtung 
der  einfallenden  Strahlen  bringen.  Dann  ist  nämlich  für  alle 
Stellen  des*  Beugungsschirmes,  die  nicht  unendlich  weit  vom 
Koordinatenanfang  entfernt  liegen,  ^  =  j;  =  o ,  so  daß  die  Be- 
ziehung besteht: 

falls  mit  a  die  Größe  der  ganzen  beugenden  Öffnung  verstanden 
wird.    Daher  folgt  für  eine  beliebige  Richtung  des  Fernrohrs: 


J-^-.i.G'^  +  S^. 


(74) 


9.  Beu^ng  durch  ein  Beehteck.  Wenn  die  Schirmöffnung 
ein  Rechteck  ist,  lassen  sich  die  Integrale  (73)  am  einfachsten 
berechnen.  Legen  wir  den  Koordinatenanfang  in  den  Mittelpunkt 
des  Rechtecks,  die  Koordinatenachsen  parallel  zu  den  Rechteck- 
seiten, und  hat  das  Rechteck  die  Seitenlängen  a  (parallel  zur 
ic-Achse)  und  h  (parallel  zur  t^Achse),  so  wird 

(IV         2  2  ^  ' 


daher  nach  (74),  da  a  =  ab  ist: 


/  =  / 


sin  -2 

(xa 
2 

2 

sin  -.j 

vb 
2 

(75) 


Es  tritt  daher  völlige  Dunkelheit  ein  in  den  Richtungen,  welche 
dadurch  bestimmt  sind,  daß  entweder  im  oder  vb  ein  ganzzahliges 
Vielfaches  von  2jc  ist. 

Wenn  das  Licht  der  Quelle  Q  senkrecht  auf  den  Beugungs- 
schirm fällt,  so  ist  cfi  =  A  =  0.  Die  optische  Achse  des  beobach- 
tenden Femrohrs  sei  parallel  dem  einfallenden  Licht  gerichtet, 
d.  h.  ebenfalls  senkrecht  zum  Beugungsschirm.    Die  Lichtinten- 


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202  Kapitel  IV. 

sität  /  in  der  durch  Oo  und  ßo  bestimmten  Eichtung  wird  dann 
beobachtet  in  einem  Punkte  F  der  Brennebene   des   Fernrohr- 
objektivs,  welcher    die   Koor- 
dinaten: 

(76)      x'  =  fao,y=fßo 

besitzt  in  einem  Koordinaten- 
system X  y  ,  welches  den  Brenn- 
punkt F  des  Objektivs  zum 
Anfang  hat  und  den  Seiten 
des  beugenden  Rechtecks  par- 
allel ist  Es  bedeutet  /  die 
^^'  ^^*  Brennweite   des  Objektivs.  — 

In  (76)  ist  vorausgesetzt,  daß 

Oo  und  ßo  kleine  Größen  sind,  d.  h.  daß  der  Beugungswinkel  nicht 

erheblich  ist 

Nach  (71)  ist  nun: 
(77)  u  =  —     v  =  -^-^- 

Es  tritt  daher  völlige  Dunkelheit  ein  für 

Ha  =  ±  2hjt,  d.  h.x  =±  h^,  Ä  =  1,  2,  3  .  . . 
und  für 

vb  =  ±2hjt,  ±h,  y  =±k^,  k=\,  2,  d  ... 

In  der  Brennebene  des  Objektivs  entsteht  daher  (bei  homogener 
Beleuchtung)  eine  von  schwarzen  Linien  durchzogene  Figur,  wie 
sie  in  beistehender  Zeichnung  angedeutet  ist  Die  Linien  haben 
konstanten  Abstand  voneinander,  nur  in  der  Mitte  der  Beugungsfigur 
ist  dieser  Abstand  der  doppelte.  —  Oben  links  ist  die  beugende 
Öffnung  0  gezeichnet  Die  Beugungsfransen  bilden  daher  Recht- 
ecke, welche  dem  beugenden  Rechteck  ähnlich  sind,  aber  invers 
zu  ihm  liegen. 

Im  Brennpunkt  F  des  Objektivs  erreicht  die  Intensität  /  den 
größten  Wert,  J=f.  Für  /£  =  0  ist  nämlich  der  Grenzwert  des 
Quotienten  8inf^i2:'*^l2=  i.  —  Andere,  aber  kleinere  Maxima 
nimmt  /  annähernd  in  den  Mittelpunkten  der  von  den  Beugungs- 


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BeuguDg  des  Lichtes.  203 

fransen  der  Figur  69  umgrenzten  Eechtecke  an.    Diesen  Mittel- 
punkten entsprechen  die  Werte: 

fm  =  :jt{2h  +  1),  i;fe  =  jr  (2Ä:  +  1),  Ä,  ifc  =  1,  2,  3 

Auf  der  a;'-Aclise  ist  aber  für  die  Mittelpunkte  jener  Rechtecke: 

fia=x{2h  +  1),  j;  =  0,  h=\,  2,  3  . . . 
Daher  sind  die  Maxima  auf  der  a:'- Achse  (oder  i/'-Achse): 

j  -f         4 

während  sie  in  der  Mitte  eines  beliebigen  anderen  Rechtecks,  für 
welches  weder  x  noch  y  verschwindet,  den  Wert  haben: 


(2h  4- 1)2  {2k  4-  1J2  • 


Die  J2  sind  daher  wesentlich  kleiner  als  die  J^,  so  daß  die 
ganze  Beugungsfigur,  roh  betrachtet,  den  Eindruck  eines  nach  der 
Mitte  zu  heller  werdenden  Kreuzes  macht,  dessen  Balken  den 
Seiten  der  Beugungsöffnung  parallel  liegen.  (In  Figur  69  ist  die 
Lichtverteilung  durch  die  Schraffierung  angedeutet.) 

10.  Beugang  durch  ein  schlefwlDkliges  Parallelogramm. 

Diesen  Fall  kann  man  sofort  aus  dem  vorigen  ableiten  auf  Grund 
der  Bemerkung,  daß  nach  (73)  die  Integrale  C  und  S  und  daher 
auch  die  Lichtintensität  J  unj^eändert  bleibt,  wenn  man  die  Koordi- 
naten X,  y  der  beugenden  Öffnung  mit  den  Faktoren  je?,  q  multi- 
pliziert, während  man  gleichzeitig  die  Größen  [i  und  v,  d.  h.  die 
Koordinaten  x,  y  der  Beugungsfigur,  durch  die  gleichen  Faktoren 
JE?,  q  dividiert  Geht  man  von  einem  rechtwinkligen  beugenden 
Parallelogramm  aus,  dessen  Seiten  den  Koordinatenachsen  x  y  nicht 
parallel  sind,  so  erhält  man  durch  jene  Anwendung  zweier  Fak- 
toren JE?,  q  ein  schiefwinkliges  Parallelogramm  als  Beugungsöffiiung, 
während  die  Beugungsfransen  ebenfalls  schiefwinklige  Parallelo- 
gramme einschliessen;  die  Beugungsfransen  verlaufen  senkrecht  zu 
den  Seiten  des  beugenden  Parallelogramms. 

11.  Beugung  durch  einen  Spalt.  Ein  Spalt  läßt  sich  auf- 
fassen als  ein  Rechteck,  dessen  eine  Seite  (6)  sehr  groß  ist  Die 
Beugungsfigur  reduziert  sich  daher  auf  einen  schmalen  Lichtstreifen 


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204 


Kapitel  IV. 


in  der  x-Achse,  der  von  Dunkelflecken  durchschnitten  ist,  entsprechend 
der  Formel: 


(78) 


J=J' 


sin  ,^ 

\^ 
2 


Dabei  ist,  falls  das  Licht  senkrecht  gegen  die  Ebene  des  Spaltes 
einfällt: 


(78') 


27t     . 


falls  g>  den  ßeugungswinkel  (Winkel  der  gebeugten  Strahlen  gegen 
die  einfallenden  Strahlen)  bezeichnet.  Wenn  die  Lichtquelle  Q 
eine  Lichtlinie  ist,  die  zum  Spalt  parallel  ist,  so  wird  auch  die 
Beugungsfigur  ein  breites  Lichtband,  das  von  parallelen  Fransen 

durchschnitten  ist  an  den  Stellen 
fia  =  2hjt,  Bedeutendere  Lichtinten- 
sität findet  sich  nur  zwischen  den 
Grenzen  (ia  =  ±  2^,  —  Die  Lage 
der  dunklen  Fransen  hätte  man  auch 
aus  folgender  Überlegung  direkt 
ableiten  können: 

Um  die  Intensität  für  einen  be- 
liebigen Beugungswinkel  g)  (vgl. 
Figur  70)  zu  finden,  teile  man  den 
Beugungsspalt  ^J9in  derartige  Strei-. 
fen  AA^,  ^1^2»  -^2^3  ^t^.,  daß  die 
Lichtwege  von  A,  Jj,  J2  •  •  •  ^^^^ 
dem  unendlich  fernen  Punkte  Po  um  je  V2  ^  voneinander  ver- 
schieden sind.  Die  Wirkung  je  zweier  benachbarter  Zonen  heben 
sich  dann  auf.  Es  besteht  daher  Dunkelheit,  wenn  AB  in  eine 
gerade  Anzahl  solcher  Zonen  geteilt  werden  kann,  d.  h.  wenn  im 
rechtwinkligen  Dreieck  ACB  die  Kathete  BC  gleich  ä  •  2  ist,  wo 
Ä  =  1,  2,  3  . . .  Da  nun  BC=  a  simp,  falls  a  die  Spaltbreite  ist, 
so  tritt  Dunkelheit  ein  für  die  Beugungswinkel 


Fig.  70. 


(79) 


sin  (jp  =  -h  h  '  —  , 


Dies  ist  aber  (nach  (78')  identisch  mit  der  Bedingung  (la  =  2hx. 
Hieraus  ergibt  sich,  daß  für  a  <  Jl  für  keinen  Beugungswinkel 


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Beugung  des  Lichtes.  205 

Dunkelheit  eintritt,  es  besteht  daher  Diffusion  des  Lichtes  (vgl. 
die  analogen  Betrachtungen  oben  auf  S.  187). 

Fällt  weißes  Licht  ein  und  bezeichnet  man  die  Intensität  f, 
welche  einer  bestimmten  Farbe  oder  Wellenlänge  X  angehört,  mit 
//,  setzt  ferner  zur  Abkürzung  Jt  a  sin  (p  =  a ,  so  ist  für  einen  be- 
stimmten Wert  a  die  ganze  Lichtintensität: 

Wenn  a  nicht  sehr  klein  ist,  z.  B.  falls  a  etwa  bei  3xX  liegt, 
so  ist  in  (79')  sin  ^'li  von  X  viel  stärker  abhängig  als  ^'Ix,  Be- 
trachtet man  «'/z  annähernd  als  konstant,  so  geht  (79')  in  eine  Form 
über,  wie  sie  die  an  einem  dünnen  Blättchen  reflektierte  Licht- 
intensität besitzt  (vgl.  II.  Abschnitt,  Kapitel  II,  §  11).  Annähernd 
treten  also  in  einiger  Distanz  vom  Zentralfelde  Newtons  Farben 
dünner  Blättchen  auf. 

12.  Beliebige  Gestalt  der  Bengungsotfiiiing.  Bei  beliebiger 
unsymmetrischer  Gestalt  der  Beugungsöffnung  sind  beide  Integrale 
C  und  S  von  Null  verschieden.  Die  Nullstellen  der  Intensität  im 
Beugungsbilde  sind  durch  die  beiden,  gleichzeitig  zu  erfüllenden 
Bedingungen  C  =  0,  S=0  charakterisiert.  Im  allgemeinen  sind 
dies  daher  diskrete  Punkte,  nicht,  wie  beim  Rechteck,  zusammen- 
hängende Linien.  Betreffs  der  Durchführung  der  Theorie  für  spe- 
zielle Gestalten  der  Beugungsöffnung  vgl.  man  Schwerd,  Die 
Beugungserscheinungen,  Mannheim  1835. 

13.  Mehrere  gleiehgestaltet«  undgleiehorientierteBeugangs- 
offhungen.  Die  Koordinaten  eines  Punktes  einer  Beugungsöffnung 
in  bezug  auf  einen,  in  jeder  Öffnung  gleich  liegenden  Punkt  A  seien 
mit  g  und  tj  bezeichnet.  Die  Koordinaten  der  Punkte  Ä  in  bezug 
auf  das  beliebige,  im  Beugungsschirm  liegende  Koordinatensystem 
X,  y  seien  x^y^,  X2y2,  x^y^  etc.  Dann  ist  also  für  einen  Punkt 
irgend  einer  Beugungsöffnung,  z.  B.  der  dritten,  zu  setzen 

X  =  X^+  g,    y  =  y.^+  f], 

und  nach  (73)  wird: 


C=:^Jcos  [fi  {xi  +^)^v{yi  +  ri)]  d^dri, 
S=:sjsin\ß  {xi  +^)  +  v(t^i  +  rj)]  d^drj. 


(80) 


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206  Kapitel  IV. 

Die  g  und  tj  variieren  bei  allen  Beugiingsöffnungen  in  den  gleichen 
Grenzen.  Bezeichnet  man  daher  die  Beugungsintegrale  C  und  Sy 
wenn  sie  nur  über  eine  einzige  Beugungsöffnung  erstreckt  werden, 
durch  c  und  s,  d.  h.  setzt  man 

(81)  c  =  I C08(ß^+  vrj) d§dri,  s  =  j  sin (ji§  +  vif) d§ di] , 

und  setzt  man  zur  Abkürzung: 

(82)  c  '='  JS  cos  (jixi  -J-  vyi) ,   s  =JS  sin  (jiqh  +  vyi) , 

so  wird  nach  (80): 

G  =  c  '  c  —  s  '  s ^    S  ==  s'  '  c  -{-  c  -  s, 
daher  nach  (72): 

(83)  /=  ^'2  (c'2  +  /2)    (^2  +  ^2)  . 

Aus  dieser  Formel  ersieht  man,  daß  diejenigen  Stellen  des 
Beugungsbildes,  welche  Dunkelstellen  für  eine  einzige 
Beugungsöffnung  sind,  auch  in  diesem  Falle  bei  mehreren 
gleichliegenden  Beugungsöffnungen  Dunkelstellen  blei- 
ben. Die  Lichtstärke  wird  für  eine  beliebige  Stelle  im  Verhältnis 
c'2  +  /2  vermehrt  im  Vergleich  zu  der  Lichtstärke  bei  einer 
Öffnung.  Dieses  Verhältnis  c^  +  s'^  kann  sehr  verschiedene  Werte 
haben.    Es  läßt  sich  schreiben  in  der  Form: 

c  2  +  «' ^  =  -?  008^  (jixi  +  vyi)  +  2?  cos  (jixi  +  vyi)  cos  (jixk  +  vyk) 

(84)  +  -T sin^  (jiXi  +  vyi)  +  22 sin  Qixi  +  vyi)  sin (ßXk  +  vyk), 
d.  h.         c  2  +  /  2  =  ^  ^  2  -T  cos  [//  {xi  —  Xk)-{'V  (y»  —  yk)\ 

wobei  m  die  Anzahl  der  Öffnungen  bezeichnet.  —  Bei  ganz  un- 
regelmäßiger Anordnung  sehr  vieler  Beugungsöffnungen  kommt 
das  zweite  Glied  der  rechten  Seite  in  (84)  gegen  das  erste  nicht 
in  Betracht,  da  die  einzelnen  Summanden  unter  dem  Zeichen  S 
regellos  zwischen  —  l  und  +  1  schwanken.  Daher  ist  die 
Intensität  im  Beugungsbilde  überall  m  mal  größer,  als 
bei  einer  einzigen  Beugungsöffnung.  Diese  Erscheinung 
kann  man  z.  B.  studieren,  wenn  man  in  ein  Staniolblatt  mit  einer 
Nadel  regellos  verteilte,  gleich  große  Löcher  stößt.    Man  nimmt 


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Beugung  des  Lichtes.  207 

ein  konzentrisches  Ringsystem  wahr,   welches   auch   schon   ein 
einziges  Loch,  nur  in  weniger  intensiver  Weise,  hervorruft. 

Völlig  anders  werden  die  Resultate,  wenn  man  regelmäßig 
verteilte,  oder  nur  wenige  Öffnungen  hat.  Betrachten  wir  z.  B. 
den  Fall  zweier  Öffnungen,  setzen  wir  z.  B. 

so  wird 


+  52  =  4 


2   -I-    Ä  2  — —  4.  /v)o2 


ßd 


COS      ^ 


Die  Beugungsfigur,  welche  eine  einzige  Öffnung  hervorruft, 
ist  also  noch  durchzogen  von  dunkeln  Fransen  der  Gleichung 
^d  =  {2h  +  1)  JT,  d.  h.  von  Fransen,  welche  senkrecht  zur  Ver- 
bindungslinie zweier  korrespondierender  Punkte  der  Beugungs- 
öffnungen stehen  und  nach  (77)  den  konstanten  relativen  Abstand  Xf\  d 
in  der  Brennebene  des  Fernrohr-Objektivs  besitzen. 

14.  Bas  Babinetsche  Theorem.  Bevor  wir  auf  den  Fall  der 
Gitter,  d.  h.  sehr  zahlreicher,  regelmäßig  verteilter  Beugungs- 
öffnungeneingehen, wollen  wir  zwei  komplementäre  Beugungs- 
schirme betrachten.  Wenn  ein  Beugungsschirm  c^  irgend  welche 
Löcher  besitzt,  und  ein  anderer  Schirm  O2  gerade  die  Stellen  be- 
deckt hat,  an  welchen  c^  frei  ist,  während  die  Stellen  in  02  frei 
sind,  welche  in  c^  bedeckt  sind,  so  heißen  c^  und  C2  komplemen- 
täre Beugungsschirme.  Die  Lichtintensität  J^  bei  Anwendung  des 
Schirmes  c^  ist  proportional  zu  C^^  +  ^^2^  wobei  Q,  S^  Integrale 
sind,  welche  über  die  freien  Öffnungen  in  Ci  zu  erstrecken  sind. 
Die  Lichtintensität  J2  bei  Anwendung  des  Schirmes  Ö2  ist  pro- 
portional zu  Cj^  +  82^  wobei  die  Integrale  C2,  Äj  über  die  freien 
Öffnungen  in  Ö2  zu  erstrecken  wären.  Die  Lichtintensität  Jo  bei 
ganz  fehlendem  Beugungsschirme  ist  daher  proportional  zu  {Ci+  C^^ 
+  (^1  +  S^^.  An  einer  Stelle  des  Beobachtungsfeldes,  welche 
einem  von  Null  verschiedenen  Beugungswinkel  entspricht,  ist  aber 
in  letzterem  Falle  /o  =  0,  d.  h.  es  ist  Cj  =  —  Cj,  Äj  =  —  S^. 
Daher  ist  auch  J^=^J2  und  wir  erhalten  den  Satz:  Bei  zwei 
komplementären  Beugungsschirmen  ist  die  Lichtstärke 
an  allen  Stellen  des  Beugungsbildes  die  gleiche,  abge- 
sehen vom  Zentralfleck,  welcher  dem  Beugungswinkel 
Null  entspricht.    Dies  ist  das  Babinetsche  Theorem. 

Wir  machen  eine  Anwendung  dieses  Satzes  auf  die  Beugungs- 


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208  Kapitel  IV. 

figur,  welche  durch  unregelmäßig  verteilte,  gleich  große  kreis- 
förmige Schirme  hervorgebracht  wird.  Die  Beugungsfigur  muß 
dieselbe  sein,  welche  gleich  große,  unregelmäßig  verteilte,  kreis- 
förmige Öffnungen  hervorrufen.  (Vgl.  vorige  S.).  Man  erhält  also 
ein  konzentrisches  Ringsystem.  Die  Erscheinung  läßt  sich  durch 
Lykopodiumsamen  hervorrufen,  den  man  auf  eine  Glasplatte  streut 
Auch  die  Höfe  um  Sonne  und  Mond  erklären  sich  durch  die 
Beugungswirkung  gleich  großer  Wassertröpfchen,  i) 

15.  Bengangsgitter.  Ein  Beugungsgitter  besteht  aus  sehr 
vielen  parallelen  Spalten  in  konstantem  Abstand.  In  der  Bezeich- 
nung des  §  13  können  wir  setzen: 

Xi  =  0,  X2  =  d,  x^  =  2d,  x^=  3d,  etc. 


2/1 


=  2/2  =  2/3  etc.  =  0, 


falls  d  den  Abstand  korrespondierender  Punkte  in  zwei  benach- 
barten Spalten  bedeutet,  die  sogenannte  Gitterkonstante.  Es  ist 
daher  nach  (82): 

c'  =  1  +  cos  fid  +  cos  2fid  +  cos  3(id  +  . . . 
s'  =  sin  fid  +  sin  2fid  +  sin  3fid  -f-  . .  . 

Um  c'2  +  «'2  zu  finden,  kann  man  zweckmäßig  imaginäre 
Größen  benutzen,  indem  man  schreiben  kann,  falls  m  Öffnungen 
vorhanden  sind: 

ifid  2ißid         difid  i{m  —  J)fid 

c'  -f  2ä'  =  1  +  e       +  e       +  e       +..-}-  c 
Diese  Summation  kann  man  sofort  ausführen.    Man  erhält: 

imftd 
/    ,     .  /        e  —  1 

C  +ts  = 


ifid 

e      —  i 


Durch  Multiplikation  beider  Seiten  dieser  Gleichung  mit  ihren 
konjugierten  komplexen  Ausdrücken  folgt: 


/2 i  —  COS  m fid 


.  9  mud 
sm^  — ~- 


+  s^  = 


^-^^^^^^  sin^-^P 


1)  Betreffs  der  BerechnuDg  der  Große  derselben  aas  den  Durchmessern 
der  Ringe  der  Höfe  vgl.  Vorles.  über  theoret  Optik  von  F.  Neumann, 
herausgeg.  von  Dom,  Leipzig  1885,  8.  105. 


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Beugung  des  Lichtes.  209 

80  daß  aus  (83)  und  (78)  folgt: 

Hierin  bedeutet  J{  die  Lichtintensität  für  den  Beugungs- 
winkel 0  Gm  =  0),  wie  sie  bei  einem  Spalt  bestehen  würde.  Aus 
dieser  Formel  geht  hervor,  daß  das  Beugungsbild  eines  Spaltes, 
welches  durch  die  beiden  ersten  Faktoren  dargestellt  ist,  durch- 
zogen ist  von  sehr  eng  aufeinander  folgenden  Dunkelfransen  der 

Gleichung  ^^~  =  hjt.     Diese  Fransen  folgen  um  so  enger  auf 

einander,  je  größer  die  Anzahl  m  der  Spalten  ist.  Zwischen  den 
Fransen  erreicht  die  Lichtstärke  J  Maxima,  welche  aber  höchstens 
gleich  der  an  gleicher  Stelle  des  Beugungsbildes  stattfindenden 
Lichtstärke  bei  einem  Spalt  sind.   Sehr  viel  stärkere  Maxima  treten 

aber  ein,  falls  sin  ~  verschwindet,  d.  h.  für 

yL  =  -j- ,   d.\i.sing)  =  h-^,  (86) 

falls  90  den  Beugungswinkel  bezeichnet  (Das  Licht  soll  senkrecht 
auf  das  Gitter  einfallen.) 

Für  diese  Beugungswinkel  g)  ist  nämlich 

.   <>  mud 
^w   — \r- 

2     ^2 

2 

SO  daß  die  Intensität  m^  mal  so  groß  ist,  als  bei  einem  Spalt  an 
der  betreffenden  Stelle  des  Beugungsfeldes.  Wenn  m  sehr  groß 
ist,  so  sind  diese  Maxima  überhaupt  allein  wahrnehmbar.  0  Es 
fällt  ein  solches  Maximum  nur  dann  aus,  wenn  an  der  gleichen 
Stelle  gerade  eine  Nullstelle  des  Beugungsbildes  eines  Spaltes 
liegen  würde,  d.  d.  falls  gleichzeitig  mit  (86)  die  Relation  bestünde: 

2k7t 


1)  Wenn  die  Gitterkonstante  d<,X  ist,  so  ist  kein  Beugungsmaximum 
wahraehmbar,  da  nach  (86)  sin  y  >  1  würde.  Man  kann  daher  die  Kon- 
stitution durchsichtiger  Körper  auffassen  als  Einlagerungen  undurchsichtiger 
ponderabeler  Teile  im  durchsichtigen  Äther.  Wenn  die  Distanzen  der  pon- 
derabelen  Teile  kleiner  als  die  Lichtwellenlänge  ist,  so  geht  nur  das  unge- 
beugte Licht  hindurch. 

Drude,  Lehrbuch  d.  Optik.   2.  Aufl.  14 


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210  Kapitel  £V. 

Dies  ist  nur  möglich,  wenn  die  Spaltbreite  a  ein  rationales 
(aus  dem  Quotienten  zweier  ganzer  Zahlen  bestehendes)  Verhält- 
nis zu  der  Gitterkonstante  d  hat  Sehr  feine  Gitter  stellt  man 
her  durch  Einritzen  sehr  feiner  Linien  auf  Glas  oder  Metall 
(Eeflexionsgitter)  mit  Hilfe  eines  Diamanten.  Die  Striche, 
welche  der  Diamant  reißt,  wirken  als  undurchsichtige  oder  nicht 
reflektierende  Stellen,  d.  h.  als  Schirme.  Nach  dem  Babinetschen 
Theorem  (vgl.  oben  S.  207)  kann  man  die  Strichbreite  auch  als 
Spaltbreite  a  auffassen.  Dieselbe  ist  dann  sehr  viel  kleiner,  als 
die  Gitterkonstante  (/,  so  daß  jedenfalls  die  ersten  Maxima,  welche 
in  (86)  nur  mäßig  großen  Werten  von  h  entsprechen,  nicht  aus- 
fallen. Diese  Maxima  haben  auch  nahezu  konstante  Intensität,  da 
bei  sehr  geringer  Spaltbreite  a  das  Beugungsbild,  welches  ein 
Spalt  hervorruft,  einen  großen  Teil  des  Beugungsfeldes  mit  nahezu 
gleichmäßiger  Intensität  beleuchtet 

Bei  genügend  großer  Spaltenzahl  m  besteht  daher  das  Beugungs- 
büd  bei  Beleuchtung  durch  eine  feine  Lichtlinie  Q  von  einheit- 
licher (homogener)  Farbe  aus  feinen  hellen  Linien,  welche  bei  den 
Beugungswinkeln  9)0,  9)1,  9)2?  etc.  erscheinen,  die  dem  Gesetz  ge- 
horchen: 

9)0  =  0 ,   sin  9>i  =  d:  T  >  ^w  9^2  =  it  "T »    ^^^  9^3  =  dz  ^  ^'  8-  "^^ 

Bei  Beleuchtung  des  Gitters  mit  einer  weißen  Lichtlinie  Q 
müssen  daher  reine  Spektren  erscheinen,  da  die  verschiedenen  Farben 
bei  verschiedenen  Beugungswinkeln  auftreten.  Diese  Gitter- 
spektren werden  normale  Spektren  (im Gegensatz  zu  den  durch 
Brechung  in  einem  Prisma  entstehenden  Dispersionsspektren)  ge- 
nannt, weü  jede  Farbe  entsprechend  ihrer  Wellenlänge  abgelenkt  ist 
aus  der  Richtung  des  einfallenden  Lichtes,  wenigstens  solange  die 
Beugungswinkel  (p  so  klein  bleiben,  daß  man  sin(p  =  (p  setzen  kann. 
Da  jede  Farbe,  entsprechend  den  verschiedenen  Werten  des  h  in  (86), 
vielfach  auftritt,  so  entstehen  auch  vielfache  Spektren.  Das  dem 
Werte  ä  =  1  entsprechende  Spektrum  heißt  Spektrum  erster 
Ordnung,  dem  Werte  h  =  2  entspricht  das  Spektrum  zweiter 
Ordnung  u.  s.  w.  Am  wenigsten  abgelenkt  erscheint  das  Violett 
des  ersten  Spektrums,  dann  folgen  die  Farben  bis  zum  Rot.  Nach 
einem  dunkeln  Zwischenraum  folgt  das  Violett  des  zweiten 
Spektrums.  Das  Rot  des  zweiten  Spektrums  wird  aber  schon 
überdeckt  vom  blauen  Ende  des  dritten  Spektrums,  da  3}Lo<C2}Lr, 


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BeaguDg  des  Lichtes. 


2U 


falls  Xv  und  Zr  die  Wellenlängen  des  sichtbaren  violetten  und 
roten  Lichtes,  welches  im  weißen  Licht  enthalten  ist,  bezeichnen. 
Diese  Überdeckung  mehrerer  Farben  häuft  sich  nun  immer  mehr, 
wenn  man  zu  größeren  Beugungswinkeln  fortschreitet 

Daß  hier  beim  Gitter  reine  Spektralfarben  auftreten  im  Gegen- 
satz zu  einem  Spalt,  der  annähernd  die  Newtonschen  Interferenz- 
farben ergibt  (vgl.  oben  S.  205),  liegt  daran,  daß  beim  Gitter  die 
Orte  der  Lichtmaxima  scharf  bestimmte  sind,  bei  einem  Spalt 
dagegen  die  Orte  der  Lichtminima,  d.  h.  der  Dunkelstellen. 

Die  Gitter  bilden  das  beste  Hilfsmittel,  um  die  Wellenlänge 
genau  zu  bestimmen,  aus  Gitterkonstante  d  und  Beugungswinkel  (p. 
Die  Bestimmung  wird  um  so  genauer,  je  feiner  das  Gitter  geteilt 
ist,  da  dadurch  die  Beugungswinkel  wachsen.  Rutherford  stellte 
Gitter  auf  Glas  oder  Metall  her, 
bei  denen  bis  700  Linien  auf  ein 
Millimeter  kommen.  Wesentlich 
für  die  Güte  eines  Gitters  ist  vor 
allem  die  Teilmaschine,  welche 
das  Reißerwerk  (den  Diamanten) 
bewegt.  Die  Striche  müssen  genau 
parallel  sein  und  konstanten  Ab- 
stand haben.  Von  Rowland  werden 
jetzt  tadellose  Gitter  hergestellt  mit 
einer  Teilmaschine,  die  bis  zu 
1700  Linien  pro  Millimeter  zu 
reißen  erlaubt.  Figur  7i 

16»  Concavgitter.  Ein  weiterer 
wichtiger  Fortschritt  ist  von  Rowland  dadurch  erzielt  worden,  daß 
das  Gitter  auf  einer  zylindrischen,  gutreflektierendenMetallfläche  her- 
gestellt wurde,  die  Striche  laufen  der  Zylinderachse  parallel  und  be- 
sitzen auf  der  zugehörigen  Sehne  einen  gleich  großen  Abstand.  Diese 
Konkavgitter  erzeugenvon  einer  zur  Zylinderachse  parallelen  leuch- 
tenden Linie  Q  ein  reelles  Bild  P  ohne  Hilfe  von  Linsen^  und  auch 
die  Beugungsmaxima  P^,  P2  ^sw.  der  verschiedenen  Ordnungen  sind 
reelle  Bilder.  Um  die  Lage  derselben  zu  finden,  konstruiere  man 
einen  Kreis,  der  den  Krümmungsradius  r  des  Gitters  als  Durch- 
messer hat  und  das  Gitter  00  berührt  (vgl.  Figur  71).  Wenn 
die  Lichtlinie  auf  diesem  Kreise  in  Q  liegt,  so  entsteht  durch 
Reflexion  das  ungebeugte  reelle  Bild  in  P  ebenfalls  auf  demselben 
Kreise  und  zwar  liegen  P  und  Q  sjrmmetrisch  zu  C,  falls  C  das 

14* 


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212  Kapitel  IV. 

Krttmmungszentmm  des  Gitters  00  ist  Denn  im  Punkte  B  ist 
CB  die  Hohlspiegelnonnale,  daher  ist  Einfallswinkel  QBC  gleich 
Reflexionswinkel  PBC.  Aber  auch  ein  in  einem  beliebigen  anderen 
Punkte  B'  des  Spiegels  reflektierter  Strahl  muß  stets  durch  P 
gehen,  denn  in  B'  ist  CE^  die  Spiegelnormale,  da  C  das  Krümmungs- 
zentrum des  Eonkayspiegels  ist,  und  da  nun  sehr  annähernd 
^  g^'C—  9C  PB'C  ist  (es  wäre  streng  der  Fall,  wenn  B'  auf  dem 
Kreise  selbst  läge,  da  die  Winkel  dann  Peripheriewinkel  über 
gleichen  Kreisbögen  wären),  so  ist  B'P  die  Richtung  des  reflek- 
tierten Strahles.  P  ist  also  der  Ort  des  ungebeugten  Bildest 
welches  der  Spiegel  von  Q  durch  Reflexion  entwirft^ 

Der  Ort  eines  Beugungsbildes  P,  ist  nun  der  Schnitt  zweier 
Strahlen  BP^  und  B'Pj,  welche  gleiche  Winkel  einschließen  mit 
BP  und  B'P.    Man  erkennt  daher,  daß  Px  ebenfalls  auf  dem  durch 

PCQB  gehenden  Kreise  liegt,  da 
die  Winkel  PB'P^  und  PBP^  als 
Peripheriwinkel  über  demselben 
Bogen  streng  einander  gleich  wären, 
wenn  B'  ebenfalls  auf  jenem  Kreise 
läge. 

Wenn  man  in  P^  das  reelle  Beu- 
gungsspektrum auf  einem  Schirme  S 
auffangen  wollte,  so  müßte  der- 
selbe sehr  schief  gegen  die  das  Bild 
hervorrufenden  Strahlen  stehen.  Es 
ist  günstiger,  wenn  der  auffangende  Schirm  senkrecht  zu  ihnen  steht 
Daher  bringt  man  den  Schirm  S  im  Punkte  C  parallel  zum  Gitter 
an.  Die  Lichtquelle  Q  muß  jedenfalls  auf  dem  Kreise  liegen,  der 
CB  als  Durchmesser  hat,  d.  L  9C  CQB  muß  stets  ein  rechter  sein. 
Um  praktisch  geeignete  Lagen  von  Q  zu  finden,  bei  welchen  ein 
Beugungsspektrum  auf  S  entsteht,  sind  das  Gitter  O  und  der 
Schirm  S  auf  einer  Leiste  der  Länge  r  (Krümmungsradius  des 
Gitters)  befestigt,  die  auf  den  rechtwinkligen  Schienen  QM  und 
QX  gleiten  kann,  wie  es  Figur  72  andeutet.    In  Q  befindet  sich 


1)  Dasselbe  würde  folgen  aus  der  zweiten  der  Formeln  (34)  auf  8.  48, 
'  die  bei  der  astigmatischen  Abbildung  durch  Reflexion  abgeleitet  wurde.  Es  ist 
EU  setzen  <aB0-=9,  (7^  =  — r,  daher  QB  =- s  =^  —  r cos <p.  Aus  jener 
Formel  folgt  daher  «i  -=-  — «,  d.  h.  bei  Berücksichtigung  der  dort  positiv  ge- 
rechneten Richtung  «i  muß  der  symmetrisch  zu  C  gelegene  Punkt  P  auf  dem 
Kreise  das  Bild  von  Q  sein. 


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Beugung  des  Lichtes.  213 

die  Lichtquelle.    Durch  Entfernung   des  S  von   Q   erhält   man 
sukzessive  die  Spektren  höherer  Ordnung. 

17.  Brennpunktseigenschaften  ebener  Gitter.  Wenn  der 
gegenseitige  Abstand  d  der  Gitterstriche  nicht  konstant  ist,  so 
sind  die  Beugungswinkel  %  welche  einem  Lichtmaximum,  z.  B. 
dem  ersten,  nach  der  Formel  sing)  =^  X:d  entsprechen,  für  die 
verschiedenen  Partien  des  Gitters  verschiedene.  Bei  einer  geeignet 
gewählten  Variabilität  des  d  können  diese  Richtungen,  welche  dem 
Lichtmaximum  entsprechen,  sich  alle  in  einem  Punkte  F  schneiden. 
Dieser  Punkt  ist  dann  ein  Brennpunkt  des  Gitters,  da  er  dieselben 
Eigenschaften  hat,  wie  der  Brennpunkt  einer  Linse.  0 

18.  Bas  Auf iOsungsvermögen  eines  Gitters«  Die  Fähigkeit 
eines  Gitters,  zwei  benachbarte  Spektrallinien  voneinander  zu 
trennen,  muß  proportional  zu  der  Strichzahl  m  des  Gitters  sein, 
da  wir  oben  gesehen  haben,  daß  das  Beugungsmaximum,  welches 
eine  bestimmte  Wellenlänge  X  hervorbringt,  eine  um  so  schmälere 
Lichtlinie  ist,  je  größer  m  ist.  Nach  Formel  (86)  der  S.  209  liegt 
<ias  Beugungsmaximum  der  Ä-ten  Ordnung  bei  den  Werten 

fi  =  2hjt :  d ,     A,  h.  sin  g)  =  hX  :  d. 

Wenn  n  von  diesem  Werte  aus  wächst  oder  abnimmt,  so 
erhält  man  nach  (85)  eine  erste  Nullstelle  der  Intensität,  wenn 
sich  n  derartig  geändert  hat,  daß  Wjt^/2  um  jt  geändert  ist,  d.  h. 
wenn  die  Änderung  von  n  beträgt: 

d(i  =  2jt :  md. 

Daher  muß  sich  der  Beugungswinkel  9p,  der  mit  11  nach  der 
Gleichung  (78')  S.  204  zusammenhängt,  um 

d<p  =^  X\mdcosip  (87) 

geändert  haben.    Diese  Größe  dg>  mißt  daher  die  halbe  Winkel- 
breite des  Beugungsbildes. 

Für  eine  benachbarte  Spektrallinie  der  Wellenlänge  X -\'  dX 
ist  der  Ort  ihres  Ä-ten  Beugungsmaximums  gegeben  durch 

sin  (q)  +  dq)')  =^  h  {X -]-  dX) :  d, 


1)  Näheres  über  das  Verteilungsgesetz  der  Qitterstriche  vgl.  bei  Cornu, 
Compt.  rend.  80,  8.  645,  1875.  —  Pogg.  Ann.  156,  S.  114,  1875.  —  Soret, 
Arch.  d.  scienc.  phys.  52,  S.  320,  1875.  —  Pogg.  Ann.  156,  S.  99,  1875.  — 
Winkelmanns  Handb.  IL  Aufl.  VI  (Optik)  S.  1081  (Autor  F.  Pockels). 


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214  Kapitel  IV. 

d.  h.  der  Winkel  d(p\  um  den  die  Beugungsmaxima  der  Linie  X 
und  X-^  dX  verschieden  liegen^  ist 

dq)  ^=^h  '  dX  :  d  cos  g). 

Damit  das  Gitter  nun  diese  beiden  Spektrallinien  trennt,  muß 
dieser  Winkel  dg/  größer  sein  als  die  halbe  Breite  des  Beugungs- 
bildes der  einen  Linie,  d.  h.  es  muß  sein: 

(S8)  d(p'>d<p,    h'dX>X:m,  x>^. 

Die  auflösende  Kraft  eines  Gitters  ist  daher  propor- 
tional zur  Gesamtstrichzahl  m  und  der  Ordnung  h  des 
Spektrums,  dagegen  von  der  Gitterkonstante  d  (Strich- 
abstand) unabhängig.  Bei  zu  kleinem  Strichabstand  d  kann  es 
allerdings  eintreten,  daß  die  Trennung  der  Spektrallinien  noch 
besonderer  Okularvergrößerung  bedarf,  durch  eine  solche  läßt 
sich  dann  aber  auch  wirklich  die  Trennung  stets  erreichen,  sobald 
nur  das  nach  (88)  definierte  Auflösungsvermögen  des  Gitters  nicht 
überschritten  ist 

Zur  Trennung  der  Doppellinie  D  des  Natriumlichtes,  für  welche 
dX:  X^=  0,001  ist,  bedarf  man  also 'eines  Gitters  von  mindestens 
500  Strichen,  wenn  man  im  Spektrum  zweiter  Ordnung  beobachtet 

19.  Michelsons  OlasplattenstaffelibO  XJm  das  Auflösungs- 
vermögen zu  steigern,  muß  es  nach  den  obigen  Auseinander- 
setzungen günstig  sein,  die  Ordnungszahl  h  des  Spektrums  möglichst 
hoch  zu  wählen.  Bei  den  bisher  betrachteten  Gitterkonstruktionen 
kann  man  nun  aber  praktisch  etwa  über  die  dritte  Ordnung  (ä=3) 
nicht  hinausgehen,  da  die  Intensität  sonst  zu  gering  wird.  Man 
kann  nun  aber  schon  bei  sehr  kleinen  Beugungswinkeln  eine  be- 
deutende Phasendifferenz  der  interferierenden  Strahlen  erzielen, 
d.  h.  denselben  Effekt  erreichen,  den  Spektra  hoher  Ordnungszahl 
ergeben,  wenn  man  die  interferierenden  Strahlenbündel  Glas  von 
verschiedener  Dicke  durchsetzen  läßt  Gehen  wir  z.  B.  nur  von 
zwei  parallelen  Spalten  aus  und  legen  wir  hinter  den  einen  Spalt 
eine  mehrere  Millimeter  dicke  Glasplatte,  so  gelangen  bei  mini- 
malen Beugungswinkeln  Strahlen  zur  Interferenz,  welche  mehrere 
Tausend  Wellenlängen  Gangunterschied  besitzen.  Dieser  Gedanke 
liegt  den  Michelsonschen  Glasplattenstaffeln  zu  Grunde.  Es  werden 


1)  A.  MicheUon,  Astrophysicfd  Journ.  1898,  S.  37,  Bd.  8. 


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Beugung  des  Lichtes.  215 

fn-Platten  der  Dicke  ö  in  der  aus  Figur. 73  ersichtlichen  Weise 
staffelartig  aufeinander  gelegt,  die  Breite  des  Staffelschrittes  sei  a. 
Das  Licht  falle  von  oben  (in  der  Figur)  senkrecht  auf  die  Platten. 
Für  die  parallelen  Strahlen  ää'  und  CCf,  welche  den  Winkel  90 
mit  dem  einfallenden  Lichte  machen,  ist  ihre  Gangdifferenz,  wenn 
CD  J.  zu  äA'  ist  und  der  Brechungsindex  der  Glasplatten  mit  n 
bezeichnet  wird: 

n  '  B  C  —  AD  =  nö  —  ö  cos  g)  -\-  a  sin  9), 

da  AD  =  DE  —  AE  und  DE  =  ö  cos  9),  AE=a  sin  g)  ist.  Wenn 
diese  Gangdifferenz  ein  ganzzahliges  Vielfaches  einer  Wellenlänge 
ist,  d.  h.  falls  ist 

h  -  X  =  nö  —  6  cos  q) 

-{-asinq),  ^^^ 

so  muß  in  der  Richtung  g) 
maximale  Lichtwirkung  ein- 
treten, da  dann  alle  von  AB 
unter  dem  Winkel  g)  aus- 
tretenden Strahlen  in  ihrer 
Wirkung  unterstützt  wer- 
den durch  die  von  C7i^  aus- 
tretenden parallelen  Strah- 
len. Die  Gleichung  (89) 
gibt  also  die  Richtung  9) 
der   Beugungsmaxima    an.  Fig.  73. 

Bei  einer  nur  geringen 
Änderung   von  X  um  dX   ist   die  Änderung  dg>'  des  Beugungs- 
maximums bedeutend,  denn  aus  (89)  folgt  durch  Differentiation: 

hdX  =  6  '  dn-\-  {ö  sin  q)  -^  a  cos  9)  dg)\ 

d.  h.  wenn  9  klein  gewählt  wird,  so  ist 

,   f        h.dX  —  S.dn  .  ^. 

dg> .  (90) 

Da  bei  kleinem  q  nach  (89)  ä;i  =  (w  —  1)  ö  ist,  so  läßt  sich  (90) 
schreiben: 

rf9,'=i[(n-l)^-rfn];  (90) 

es  ist  daher  dq/  bei  großem  ö :  a  erheblich  groß.     Es   ist   zu 


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216  Kapitel  IV, 

berücksichtigen,  daß  in  dieser  Formel  in  Wirklichkeit  eine  Summe 
und  keine  Differenz  auftritt,  weil  n  mit  wachsendem  X  beim  Glase 
und  überhaupt  allen  durchsichtigen  Körpern  abnimmt 

Ein  Übelstand  dieser  Anordnung  liegt  darin,  daß  die  Beugungs- 
maxima  verschiedener  Ordnung,  welche  demselben  X  entsprechen, 
sehr  nahe  aufeinander  folgen.  Denn  aus  (89)  folgt  für  den  Beugungs- 
winkel g?  +  d(p"  der  Ordnung  ä  +  1  für  die  Wellenlänge  X  die 
Beziehung: 

X'^^iö  sin  <p  -^r  aco8  q))  dg)\ 

d.  h.  bei  kleinem  90: 

(91)  dq>'  =  Xia, 

So  folgt  z.  B.  für  5  mm  dicke  Flintglasplatten,  daß  die  beiden 
Natriumlinien  D^  und  Dj  10  mal  weiter  getrennt  sind  als  zwei 
aneinander  grenzende  Spektra  (der  Ordnung  h  und  /t  +  1)  einer 
der  beiden  Natriumlinien.  Infolgedessen  muß  die  Lichtquelle 
sehr  schmal  begrenzte,  d.  h.  homogene,  Spektrallinien  besitzen, 
wenn  nicht  die  Spektren  verschiedener  Ordnung  übereinander  fallen 
sollen,  d.h.  falls  d(p''>dg)  sein  soll.  So  hat  z.B.  Michelson  ein 
Instrument  mit  20  Platten  der  Dicke  rf  =  18  mm,  a  =  1  mm  kon- 
struiert, welches  eine  Lichtquelle  fordert,  deren  Spektrallinien  Vi  5 
der  Distanz  der  beiden  Natriumlinien  höchstens  als  Breite  haben 
dürfen. 

Um  das  Auflösungsvermögen  der  Glasplattenstaffel  zu 
finden,  müssen  wir  die  Breite  des  Beugungsmaximums  Äter  Ordnung 
berechnen,  d.  h.  diejenigen  Beugungswinkel  {<p  ±_  dg))  berechnen, 
welche  Nullstellen  ergeben,  die  dem  der  Gleichung  (89)  entsprechen- 
den Lichtmaximum  am  nächsten  benachbart  sind.  Um  diese  Null- 
stellen zu  finden,  denken  wir  die  Staffel  der  Plattenzahl  m  in  zwei 
gleiche  Teile  I  und  II  der  Plattenzahl  »»»/^  zerlegt.  Es  tritt 
Dunkelheit  für  diejenigen  Beugungswinkel  q)  +  dq)  ein,  für  welche 
der  Gangunterschied  zweier  Strahlen,  von  denen  der  eine  durch 
den  Teil  I  der  Staffel,  der  andere  durch  einen  homolog  liegenden 
Punkt  des  Teiles  11  der  Staffel  geht,  ein  ungerades  Vielfaches 
von  ^l2X  beträgt.  Gerade  wie  die  rechte  Seite  von  (89)  den  Gang- 
unterschied zweier  Strahlen  angibt,  von  denen  der  eine  eine 
Glasplatte  mehr  durchsetzt  hat  als  der  andere,  so  würde  der  Gang- 
unterschied in  unserem  Falle,  wo  der  eine  Strahl  ^jb  Glasplatten 
mehr  passiert  hat  als  der  andere,  durch  Multiplikation  der  rechten 
Seite  von  (89)  mit  »"/^  zu  erhalten  sein. 


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Beugung  des  Lichtes.  217 

Für  eine  Nullstelle,  welche  dem  Beugungswinkel  g?  ±  rfg?  zu- 
gehört, muß  also  sein: 

Qc  +  i)  X^=^^[n6  —  6  cos  (g)  +  dg))  +  a  sin  {(p  +  dg))]  . 

Damit  dg)  möglichst  klein  sei,  d.  h.  um  die  beiden  Nullstellen  zu 
erhalten,  welche  dem  der  Gleichung  (89)  entsprechenden  Licht- 
maximum am  nächsten  benachbart  sind,  haben  wir,  wie  eine  Ver- 
gleichung  mit  (89)  lehrt,  in  der  letzten  Gleichung  k=^h-  '^jg  zu 
setzen.  Es  ergibt  sich  dann  aus  der  letzten  Gleichung  und  aus  (89): 

+  lX  =  -2{äsing)  +  acosg))dg), 

oder  für  kleine  Winkel  g?: 

rf9  =  ±ii.  (92) 

Dieser  Winkel  dg)  mißt  also  die  halbe  Winkelbreite  des  Beugungs- 
bildes der  Spektrallinie  X.  Damit  eine  Doppellinie  der  Wellen- 
längen X  und  X  +  dX  noch  aufgelöst  werde,  muß  der  der  Gleichung 
(90)  entsprechende  Dispersionswinkel  dg/  größer  sein  als  dg)^  d.  h. 
es  muß  sein 

dx^ 1 


In  —  1 dn\ 


Das  Auflösungsvermögen  hängt  also  nur  von  der  Gesamt- 
dicke mö  der  Staffel  ab,  einerlei,  ob  man  sie  aus  vielen 
Platten  kleiner  Dicke  oder  wenig  Platten  von  größerer 
Dicke  aufbaut.  Nur  zum  Zwecke  einer  weiteren  Trennung  (fg?" 
der  Spektren  verschiedener  Ordnungen  und  zur  Vergrößerung  des 
Dispersionswinkels  dg>  empfiehlt  sich  eine  größere  Plattenzahl, 
damit  a  klein  wird  [vgl.  dazu  die  Formeln  (90)  und  (91)]. 

Für  Flintgläser  hat  —  ^  etwa  den  Wert  100,  wenn  man  X 

in  Millimeter  ausdrückt.  Bei  einer  Plattendicke  6  von  18  mm  und 
Plattenzahl  w  =  20  wird  daher  das  Auflösungsvermögen  nach  (93): 

In  —  1        dn\ 


-«^r-i^ -3=0.46. 10«, 


was  man  nach  (88)  mit  einem  Strichgitter  erst  bei  etwa  einer 
Halbmillion  Strichen  erreichen  könnte. 

Obgleich,  wie  wir  oben  sahen,  die  Beugungsmaxima  verschie- 


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218  Kapitel  IV. 

dener  Ordnung  sehr  nahe  bei  einander  liegen,  so  sind  doch  nur 
wenige,  nämlich  höchstens  zwei,  sichtbar.  Es  ist  nämlich  zu  be- 
rücksichtigen, daß  nach  S.  209  für  die  Lichtintensität  in  der 
Beugungserscheinung  eines  Gitters  die  von  einem  einzelnen  Spalt 
hervorgebrachte  Intensität  als  Faktor  auftritt.  Als  einzelner  Spalt 
wirkt  bei  der  Glasplattenstaffel  der  unbedeckte  Teil  der  Breite  a 
je  einer  Glasplatte,  die  Intensität  ist  daher  nach  S.  204  nur  zwischen 

den  Beugungswinkeln  ^  =  ±-,  welche  den  ersten  Nullstellen  der 

Beugungsfigur  des  Spaltes  entsprechen,  wesentlich  von  Null  ver- 
schieden, d.  h.  auf  einem  Winkelbereich  2X:a,  Da  nach  (91)  die 
Winkeldistanz  zweier  Maxima  aufeinander  folgender  Ordnungen 
den  Wert  X :  a  hat,  so  werden  also  nur  zwei  solcher  Maxima 
sichtbar. 

Damit  eine  solche  Plattenstaffel  gute  Resultate  gibt,  müssen  die 
einzelnen  Platten  genau  gleiche  Dicke  6  überall  besitzen.  Sie  werden 
mit  Hilfe  der  Interferenzkurven  gleicher  Neigung  (vgl.  oben  S.  140, 
Anm.  l)  daraufhin  kontrolliert,  bezw.  durch  Abschleifen  korrigiert 

20.  Bas  Auflösungsvermögen  eines  Prismas.  Im  Anschluß 
an  die  vorangegangenen  Betrachtungen  ist  die  Frage  von  Interesse, 
ob  ein  Gitter  einem  Prisma  an  Auflösungsvermögen  überlegen  ist 
oder  nicht  Das  Trennungsvermögen  eines  Prismas  hängt  nicht  nur 

von  der  Dispersion  des  Prismas 
ab,  sondern  auch   von   seiner 
Breite  (senkrecht  zur  brechenden 
^  ßt    Kante  gerechnet).    Denn  wenn 
diese  Breite  ziemlich  klein  ist, 
so  wird  jede  einzelne  Spektral- 
^  ^'      linie  durch  Beugung  verbreitert 
Der  kombinierte  Einfluß  von 
^»-  '^*-  Dispersion    und    Büschelquer- 

schnitt auf  das  Auflösungsver- 
mögen eines  Prismas  oder  irgend  eines  Prismensystems  ist  nach 
Rayleigh*)  in  folgender  Weise  einfach  abzuleiten:  Wird  durch 
Brechung  im  System  P  (vgl.  Fig.  74)  die  ebene  Wellenfläche  AoBo 
des  einfallenden  Lichtes  der  Wellenlänge  X  in  die  Lage  JjB  gebracht, 
so  sind  die  Lichtwege  (vgl.  oben  S.  9)  von  Ao  bis  A  und  Bo  bis  -Bein- 


:.ü 


1)  L.  Rayleigh,  Phil.   Mag.  (5)  9,   S.   271,   1879.  —  Winkelmanns 
Handbuch,  Optik,  S.  166,  I.  Aufl. 


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Beugung  des  Lichtes.  219 

ander  gleich.  Eine  Welle  von  anderer  Wellenlänge  X  +  dX  wird 
in  der  gleichen  Zeit  in  eine  andere  Lage  a'B^  gebracht  Die  Differenz 
zwischen  den  Lichtwegen  (AoA')  —  (AoA),  d.  h.  die  Strecke  AA\ 
können  wir  setzen 

{AqA')  —  (AoA)  =  A'A  =  dn  '  ei, 
falls  dn  der  Unterschied  des  Brechungsindex  des  Prismas  für  die 
Wellenlängen  X  und  X  +  dX  bedeutet,  i)  und  e^  den  von  den  Rand- 
strahlen im  Prisma  zurückgelegten  Weg.  (Wir  setzen  denselben 
als  gleich  voraus  fftr  die  beiden  verschiedenen  Farben,  was  an- 
nähernd gestattet  ist,  da  AA'  den  kleinen  Faktor  dn  enthält.) 

Ebenso  ist  die  Differenz  zwischen  den  Lichtwegen  (BoB^)  —  (BoB), 
d.  h.  die  Strecke  BÖ': 

{BoB")  —  (BoB)  =  ä'B=dn'€2, 

wobei  cj  den  von  den  anderen  Randstrahlen  des  Büschels  im  Prisma 
zurückgelegten  Weg  bedeutet  —  Nun  ist  der  Winkel  di\  welchen 
die  Wellenebene  A'E^  mit  der  Wellenebene  AB  macht,  d.  h.  die 
Dispersion  des  Prismas,  offenbar 

dt  = ^ r=.dn—^-     , 

falls  b  die  Breite  des  austretenden  Lichtbttschels,  d.  h.  die  Strecke  AB^ 
bedeutet.  Wenn  die  Randstrahlen  AoA  durch  die  Prismenkante 
gehen,  so  ist  cj  =  0,  und  es  ist 

di  =  dn'^,  (94) 

wobei  e  die  Prismendicke  an  der  Basis  bedeutet,  falls  das  Prisma 
auf  Minimum  der  Ablenkung,  d.  h.  symmetrischen  Durchgang  der 
Lichtstrahlen,  eingestellt  ist  und  das  einfallende  Lichtbündel  die 
Prismenöffnung  ganz  ausfüllt  Dieselben  Betrachtungen  gelten  bei 
einem  Prismensatze:  falls  alle  Prismen  auf  Minimum  der  Ablenkung 
eingestellt  sind,  bedeutet  e  die  Summe  der  Prismendicken  an  der  Basis. 
Damit  ein  solcher  Prismensatz  eine  Doppellinie  im  Spektrum 
auflösen  könne,  deren  angularer  Abstand  di  sei,  müssen  die  Beugungs- 
bilder, welche  von  jeder  Spektrallinie  infolge  des  begrenzten 
Büschelquerschnittes  b  entstehen,  genügend  getrennt  sein.  Bei  einem 
Spalt  der  Breite  b  liegt  nach  S.  205,  Formel  (79)  das  erste  Minimum 
im  Beugungsbilde  bei  dem  Beugungswinkel  <p==^  X:  ft.^)  Wenn  also 

1)  Von  der  Dispersion  der  Luft  wird  abgesehen. 

2)  Da  b  sehr  groß  gegen  X  ist,  wird  <p  für  sin  <p  geschrieben. 


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220  Kapitel  IV. 

zwei  Spektrallinien  getrennt  werden  sollen,  muß  ihre  Dispersion 
di  mindestens  größer  sein  als  obiger  Winkel  %  der  die  halbe 
Breite  des  Zentralfeldes  im  Beugungsbild  einer  Spektrallinie  an- 
gibt, d.  h.  es  muß  sein  nach  (94) 

(95)  e>A. 

Das  Auflösungsvermögen  eines  Prismas  hängt  also  nur 
von  seiner  Basisdicke  ab  und  ist  unabhängig  vomPrismen- 
Winkel.  So  ist  z.  B.  zur  Auflösung  der  Hauptdoppellinie  des  Natrium- 
lichtes bei  Flintglas  (n  =  1,650,  dn  =  0,000055,  X  =  0,000589  mm) 
ein  Prisma  von  mindestens  1  cm  Dicke  erforderlich.  —  Damit  aber 
zwei  Linien,  für  welche  dX:  }L  =  2:  li)^  beträgt,  noch  aufgelöst 
werden,  wie  es  bei  der  Michelsonschen  Plattenstaffel  oder  mit  einem 
Gitter  von  einer  Halbmillion  Strichen  möglich  ist  (vgl.  oben  S.  216), 
würde  die  Prismendicke  e=  5  •  10^  cm,  d.  h.  5  m  betragen  müssen, 
was  unmöglich  erreicht  werden  kann.  Es  tritt  auch  zuviel  Licht- 
absorption durch  zu  große  Glasdicken  ein.  —  Die  Gitterkon- 
struktionen können  also  zu  höherer  Auflösungskraft  ge- 
bracht werden  als  Prismensysteme. 

21.  Die  Leistungsgrenze  eines  Femrohrs«  Wenn  ein  Fern- 
rohr auf  einen  Fixstern  gerichtet  wird,  so  entsteht  durch  Beugungs- 
wirkung am  Rande  der  Objektivöffnung  ein  Lichtscheibchen  in  der 
Brennebene  des  Objektivs,  welches  um  so  größer  ist,  je  kleiner 
der  Radius  h  der  Objektivöffnung  ist.  Bei  der  Beugung  durch 
einen  kreisförmigen  Schirm  des  Radius  h  entstehen  konzentrische 
dunkle  Ringe.  Das  erste  Lichtminimum  tritt  ein*)  für  den  Beu- 
gungswinkel sin  (p  =  0,61  j .     Nehmen  wir  an,  daß  ein  zweiter 

Stern  noch  vom  ersten  zu  unterscheiden  wäre,  falls  sein  Zentral- 
bild auf  das  erste  Lichtminimum  des  ersten  Sternes  fällt,  so  ergibt 
sich  als  Grenze  des  Sehwinkels  g?,  unter  dem  zwei  Sterne  dem  un- 
bewaffneten Auge  erscheinen  müssen,  damit  sie  vom  Fernrohr  bei 
geeigneter  Okularvergrößerung  noch  aufgelöst  werden  können: 

^  >  0,61  .  ^'\ 


1)  HiDsichtlich  der  Herleitung  dieser  Zahl  .vgl.  F.  Neumanns  Vor- 
lesungen über  Optik,  herausgeg.  von  Dorn,  S.  89. 

2)  Bei  der  Kleinheit  von  ip  kann   man  <p  an  Stelle  von  sin  tp  schreiben. 


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Beugung  des  Lichtes.  221 

Nimmt  man  X  zu  0,00056  mm  an,  und  dräckt  man  q>  in  Bogen- 
minuten  ans,  so  folgt 

1 17' 
9>>-f^  (96) 

Dabei  ist  h  in  Millimeter  ausgedrückt.  Ein  Fernrohr  von  20  cm 
Objektivdurchmesser  kann  also  noch  zwei  Sterne  der  Winkeldistanz 
g)  =  0,0117'  =  0,7"  auflösen. 

22.  Bie  Leistangsgrenze  des  mensdüichen  Auges.     Die 

vorigen  Überlegungen  können  wir  auch  auf  das  menschliche  Auge 
anwenden  nur  mit  dem  Unterschiede,  daß  die  Wellenlänge  X  des 
Lichtes  im  Glaskörper  des  Auges  entsprechend  dem  Brechungs- 
index 1,4  desselben  im  Verhältnis  1  : 1,4  kleiner  ist,  als  in  Luft. 
Für  h  ist  der  Pupillenradius  einzusetzen.  Nimmt  man  ä  zu  2  mm 
an,  so  ist  der  kleinste  Sehwinkel,  unter  dem  das  Auge  noch  zwei 
leuchtende  Punkte  zu  unterscheiden  vermag 

9  =  0,42'. 
In  Wirklichkeit  liegt  die  Grenze  etwa  bei  9)  =  T. 

23.  Die  Leistungsgrenze  des  Mikroskops.  Beim  Mikroskop 
handelt  es  sich  um  Abbildung  durchleuchteter  Objekte,  nicht 
selbstleuchtenderO  Objekte.  Auf  diesen  prinzipiellen  Unter- 
schied hat  zuerst  Abbe  aufmerksam  gemacht.  Vom  Standpunkte 
der  rein  geometrischen  Optik  aus,  welche  mit  Lichtstrahlen  operiert, 
folgt  die  Ähnlichkeit  von  Objekt  und  Bild  nach  den  im  ersten 
Abschnitt  dieses  Buches  behandelten  Grundsätzen.  Vom  Stand- 
punkt der  physikalischen  Optik  dagegen,  welche  nicht  mit  Licht- 
strahlen als  von  einander  unabhängigen  geometrischen  Richtungen 
operiert,  da  dies  nicht  genau  zulässig  ist,  sondern  welche  an  die 
Deformationen  der  Wellenflächen  anknüpft,  ist  die  Ähnlichkeit 
von  Objekt  und  Bild  durchaus  nicht  selbstverständlich,  sondern 
sogar  streng  genommen  nie  zu  erreichen.  Nehmen  wir  nämlich 
zunächst  parallel  einfallendes  Licht  an,  so  wird  dasselbe  nach  dem 
Durchgang  durch  das  durchleuchtete  Objekt  eine  Beugungsfigur  in 
der  dem  Okular  zugewandten  Brennebene  ^  des  Objektivs  ent- 
stehen lassen.  Es  handelt  sich  nun  darum,  welche  Lichtwirkung 
diese  Beugungsfigur  in  der  der  Objektebene  ?ß  in  bezug  auf  das 
Objektiv  konjugierten  Ebene  ^'  hervorruft.  Dieses  hier  entstehende 
Bild  wird  vom  Okular  betrachtet.    Die  Abbildung  eines  durch- 

1)  Als  selbstleuchtende  Objekte  sind  auch  nahezu  die  Objekte  zu  be- 
trachten, welche  durch  diffus  reflektiertes  Licht  sichtbar  werden. 


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222  Kapitel  IV. 

leuchteten  Objektes  ist  also  nicht  eine  direkte  (primäre), 
sondern  eine  indirekte  (sekundäre),  indem  es  sich  um  die  Licht- 
wirkung eines  vom  Objekt  entworfenen  Beugungsbildes  handelt 
Es  ist  ohne  weiteres  klar,  daß  gleiche  Beugungsbilder  in  der 
Brennebene  ^  auch  gleiche  Bilder  in  der  Pointierungsebene  ?ß'  her- 
vorrufen. Verschiedene  Objekte  werden  nun  im  allgemeinen  immer 
verschiedene  Beugungsbilder  in  ^  hervorrufen.  ^  Wenn  aber  die 
Apertur  des  Mikroskop-Objektivs  sehr  klein  ist,  so  daß  nur  ein 
enges,  nahezu  gleichmäßig  helles  Zentralfeld  des  Beugungs- 
bildes zweier  verschiedener  Objekte  zur  Wirkung  gelangt,  so 
müssen  sie  gleiche  Lichtwirkung  in  der  Ebene  ?ß'  hervorrufen, 
d.  h.,  im  Mikroskop  betrachtet,  gleich  aussehen.  In  diesem  Falle 
sieht  man  nun  im  Mikroskop  nur  ein  gleichmäßig  helles  Gesichts- 
feld, d.  h,  überhaupt  keine  Andeutung  von  Struktur  des  Objektes. 
Soll  diese  wahrgenommen  werden,  so  muß  die  numerische  Aper- 
tur des  Miiroskops  so  groß  sein,  daß  außer  dem  hellen  Zentral- 
feld des  Beugungsbildes  wenigstens  noch  das  nächste  Lichtmaxi- 
mum im  Beugungsbilde  zur  Wirkung  gelangen  kann.  Dann  ist 
die  Lichtverteilung  in  der  Ebene  ^'  nicht  mehr  gleichmäßig,  d.  h. 
es  tritt  in  ihr  ein  gewisses  Bild  zu  Tage,  welches  in  einer  ersten 
rohen  Annäherung  dem  Objekte  ähnlich  ist.  Je  mehr  Lichtmaxima 
des  Beugungsbildes  in  den  Tubus  gelangen,  d.  h.  je  vollständiger 
das  Beugungsbild  des  Objektes  benutzt  wird,  um  so  ähnlicher  wird 
das  Mikroskopbild  dem  Objekte.  Vollständige  Ähnlichkeit  kann 
aber  nur  erreicht  werden,  wenn  alle  vom  Objekt  ausgehenden 
Beugungsrichtungen,  welche  noch  eine  merkliche  Lichtwirkung  in 
der  Brennebene  ff  des  Objektivs  hervorrufen  würden,  vom  Objektiv 
wirklich  aufgenommen,  d.  h.  nicht  abgeblendet  werden.  Hieraus  er- 
gibt sich  die  große  Bedeutung  einer  hohen  numerischen  Apertur  des 
Objektivs.  Je  größer  dieselbe  ist,  um  so  eher  kann  man  noch  bei 
feinen  Strukturen  des  Objektes  eine  annähernd  ähnliche  Abbildung 


1)  Durch  geeignete  Abblendnng  in  der  Ebene  %'  kann  man  von  ver- 
schiedenen Objekten  gleiche  Beugungsbilder  zur  Abbildung  benutzen.  £^  ent- 
steht dann  auch  stets  das  gleiche  Bild  in  der  Ebene  $',  d.  h.  das  Okular  sieht 
gleiche  Bilder,  obwohl  die  Objekte  sehr  verschieden  sind.  Ist  z.  B.  das  Objekt 
ein  Qitter  des  Strichabstandes  d  und  blendet  man  aUe  Beugungsbilder  un- 
gerader Ordnung  ab,  so  macht  das  Objekt  im  Bilde  den  Eindruck,  als  ob  das 
Objekt  doppelt  so  feine  Struktur,  d.  h.  den  Strichabstand  d/B  erhalten  hatte. 
Vgl.  hierüber  MuUer-Pouillet  (Lummer),  Optik,  8.  713.  —  Die  Firma 
C.  Zeiß  konstruiert  Apparate  zum  experimenteUen  Nachweis  dieser  Tatsachen. 


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Beugung  des  Lichtes. 


223 


erzielen;  wirkliche  vollständige  Ähnlichkeit  ist  allerdings  prinzipiell 
überhaupt  nicht  zu  erwarten,  wir  sehen  im  Mikroskop  stets  nur 
das  Detail  eines  Objektes  bis  zu  einem  gewissen  Grade  der 
Feinheit. 

Um  an  einem  Beispiele  diese  Überlegungen  zu  illustrieren, 
wollen  wir  annehmen,  das  Objekt  P  sei  ein  Gitter  des  Strich- 
abstandes d\  es  werde  mit  parallelem,  senkrecht  einfallendem 
Lichte  beleuchtet.  In  der  Beugungsrichtung  8ing>^=^  X:d  findet 
sich  das  dem  Zentralfeld  zunächst  benachbarte  erste  Lichtmaximum. 
Das  reelle  Bild  dieses  Lichtmaximums  in  der  Brennebene  ff  des 
Objektivs  sei  C^  (vgl.  Figur  75),  während  Cq  das  Zentralbild  sei. 


Fig.  75. 

Der  Abstand  beider  Bilder  sei  e.  Diese  beiden  Bilder  Co  und  C^ 
liaben  nun  annähernd  gleiche  Intensität  und  senden  kohärente,  d.  h. 
interferenzfähige  Wellen  aus.  Im  Abstand  x  hinter  der  Brenn- 
ebene ^  entsteht  daher  nach  S.  124  ein  Fransensystem  mit  dem 
Fransenabstande  ct^=^x  X:e,  Wenn  nun  das  Objektiv  aplanatisch 
ist,  d.  h.  der  sinus-Bedingung  genügt  (vgl.  oben  S.  55),  so  ist 

sin  q>  =^  B  '  sin  (p\ 

wobei  €  eine  Konstante  bedeutet.  Setzt  man  nun  sing/  =  6:  x\ 
was  annähernd  gestattet  ist,  da  q>'  stets  klein  ist  (während  g)  groß 
sein  kann),  und  berücksichtigt,  daß  ^n  9  —  A  :  (^  ist,  so  folgt 

;.  e 

a  X  ' 

d.  h.  der  Fransenabstand  d'  ergibt  sich  zu 

rf  =  _  =  erf, 

d.  h.  der  Fransenabstand  ist  proportional  dem  Strichäbstand,  ganz 
unabhängig  von  der  Farbe  des  angewandten  Lichtes.    Die  Struk- 


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224  Kapitel  IV. 

tur  i  des  Mikroskopbildes  ist  also  proportional  der  Struktur  d  des 
Objektes. 

Damit  diese  Struktur  noch  wahrnehmbar  sei,  muß  also  das 
Objektiv  mindestens  noch  einen  Strahl  der  Richtung  <p  auf- 
nehmen, für  den  sin<f>^=X\d  ist.  Bei  Immersionssystemen  ist  für 
X  die  Wellenlänge  des  Lichtes  in  der  Immersionsflüssigkeit  zu 
setzen,  d.  h.  A :  n,  wenn  X  die  Wellenlänge  in  Luft  und  n  den 
Brechungsindex  der  Immersionsflüssigkeit  gegen  Luft  bedeutet.  Da- 
her wird  dann 

»  5tn  g)  =  Jl :  rf  . 

Nun  wird  n  sin  ü^=a  die  numerische  Apertur  des  Mikroskops 
[vgl.  oben  S.  79,  Formel  (80)],  falls  ü  der  Winkel  ist,  den  der 
Randstrahl  des  Objektivs  mit  der  Achse  bildet.  Daher  ist  die 
feinste  Struktur  d,  die  das  Mikroskop  der  numerischen  Apertur  a 
aufzulösen  vermag: 

(97)  d^Xia. 

Diese  Formel  gilt  für  senkrechte  Beleuchtung  des  Objektes.  Durch 
schiefe  Beleuchtung  kann  man  die  Auf lösungskraft  noch  steigern, 
weil,  falls  das  Mittelfeld  des  Beugungsbildes  nicht  im  Zentrum 
liegt,  sondern  seitlich  verschoben  ist,  schon  bei  einem  kleineren 
Winkel  gegen  die  Mikroskopachse  das  erste  Beugungsmaximum 
auftritt.  Am  günstigsten  muß  es  sein,  wenn  das  einfallende  Licht 
und  das  dem  ersten  Maximum  entsprechende  gebeugte  Licht  gleiche 
Winkel  mit  der  Mikroskopachse  machen  und  vom  Objektiv  gerade 
noch  aufgenommen  werden. 

Machen  das  einfallende  Licht  und  das  gebeugte  Licht  gleiche 
Winkel  U  mit  der  Normale  gegen  das  Beugungsgitter,  so  ist  nach 

(71)  S.  200  zu  setzen  n  =  ^.2sinU.  Da  femer  nach  (86)  (S.  209) 

das  erste  Beugungsmaximum  auftritt  bei  l^  =  -j;  ^  so  wird  in 
diesem  Falle 

Die  kleinste  Distanz  d,  welche  das  Mikroskopobjektiv  daher  noch 
aufzulösen  vermag  bei  geeigneter  schiefer  Beleuchtung,  ist 

(98)  '^  =  i. 

wobei  a  die  numerische  Apertur  des  Mikroskopes,  X  die  Wellen- 


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Beagang  des  Lichtes.  225 

länge  des  Lichtes  in  Luft  bedeutet.  Dieses  ist  die  oben  S.  85  an- 
gegebene Formel  für  die  Leistungsgrenze  des  Mikroskops. 

Um  die  Lichtmenge  im  Mikroskop  zu  vergrößern,  beleuchtet 
man  (mit  Hilfe  des  Abbeschen  Kondensor,  vgl.  oben  S.  95)  das 
Objekt  mit  stark  konvergentem  Licht  Die  soeben  angestellten 
Betrachtungen  gelten  dann  für  jede  einzelne  Richtung  der  ein- 
fallenden Lichtstrahlen;  nur  diejenigen  Richtungen  derselben  tragen 
wirklich  zur  Auflösung  des  Objektes  bei,  fttr  welche  außer  dem 
direkten  Bild  mindestens  noch  das  erste  Maximum  des  Beugungs- 
bildes zur  Wirkung  kommt  Die  den  verschiedenen  Richtungen 
des  einfallenden  Lichtes  entsprechenden  Beugungsmaxima  liegen 
an  verschiedenen  Stellen  der  Brennebene  des  Objektivs,  sie  beein- 
flussen sich  gegenseitig  aber  durchaus  nicht,  da  sie  inkohärenten, 
d.  h.  nicht  interferenzfähigen  Strahlen  entsprechen;  denn  die  ver- 
schiedenen Richtungen  des  einfallenden  Lichtes  kommen  von  ver- 
schiedenen Punkten  der  Lichtquelle,  z.  B.  des  hellen  Himmels. 

Wenn  wir  an  Stelle  des  Gitters  nur  einen  Spalt  der  Breite  d 
als  Objekt  hätten,  so  würde  solange  überhaupt  keine  Struktur  zu 
erkennen  sein,  als  das  Beugungsbild  nicht  mindestens  über  das 
erste  Minimum  hinaus  zur  Wirkung  gelangt.  Da  dieses  erste  Minimum  * 
bei  senkrecht  einfallendem  Licht  nach  Formel  (79)  auf  S.  204  bei 

dem  Beugungswinkel  sinq>  =  -j  ^  eintritt,  so  kommt  man  auf  die- 
selben Resultate,  wie  beim  Gitter.  Nur  wird  hier  eine  wirklich 
ähnliche  Abbildung  des  Spaltes,  d.  h.  eine  richtige  Erkennung  der 
Spaltbreite,  noch  durchaus  nicht  erreicht,  wenn  das  Beugungsbild 
nur  bis  etwas  über  das  erste  Minimum  hinaus  zur  Wirkung 
gelangt 

Verzichtet  man  auf  eine  nur  annähernd  ähnliche  Abbildung 
des  Objektes,  sondern  will  man  nur  die  Existenz  eines  kleinen 
undurchsichtigen  Körpers  nachweisen,  so  können  dessen  Dimen- 
sionen ziemlich  weit  unter  die  hier  ermittelte  Leistungsgrenze  d 
des  Mikroskops  heruntergehen;  sowie  nämlich  das  vom  Objekt  ent- 
worfene Beugungsbild  die  gleichmäßige  Lichtverteilung  in  der 
zum  Objekt  gehörenden  Bildebene  merklich  stört,  wird  die  Existenz 
des  Objektes  wahrnehmbar. 2) 


1)  Dort  ist  a  fdt  d  geschrieben. 

2)  Dies  wird  zu  der  Sichtbarmachung  kleinster  Teilchen  benutzt  in  der 
Anordnung  (ültramikroskop)  von  H.  SiedentopfundB.  Zsigmondy  (Ann.  d. 
Phys.  10,  S.  1, 1903),  nach  der  man  sehr  intensives,  durch  eine  Eondensorlinse 

Drude,  Lehrbuch  d.  Optik.    2.  Aufl.  15 


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226  Kapitel  IV. 

Aus  den  angestellten  Betrachtungen  geht  hervor,  daß  die 
Leistungsgrenze  d  um  so  höher  ist,  je  kleiner  die  Wellenlänge  des 
angewandten  Lichtes  ist.  Daher  ist  Mikrophotographie  mit  ultra- 
violettem Lichte  günstig,  vgl.  dazu  oben  S.  98,  Anm.  1.  Auch  tritt 
die  bessere  Wirkung  der  Immersionssysteme  deutlich  hierdurch  zu 
Tage,  da  man  durch  hohe  Brechungsindices  der  Immersionsfltissig- 
keit  die  Wellenlänge  des  Lichtes  bedeutend  verkleinern  kann. 
Dies  ergeben  auch  die  Formeln  (97)  und  (98),  da  die  numerische 
Apertur  a  proportional  zum  Brechungsindex  der  Immersion  wächst. 

24.  Zerstreuung  des  Lichtes  durch  trübe  Medien.  Nach  Lord 
Rayleigh  0  kann  man  den  Effekt  durchsichtiger  Teilchen,  die  klein 
gegen  die  Wellenlänge  des  Lichtes  sind,  annähernd  dadurch  darstellen, 
daß  sie  der  Ausgangspunkt  sekundärer  Wellen  sind,  deren  Ampli- 
tude a  proportional  zur  Amplitude  Ä  des  einfallenden  Lichtes, 
umgekehrt  proportional  zur  Entfernung  r  vom  beugenden  Teil- 
chen  und  proportional  mit  dessen  Volumen  v  sein   muß,   d.  h. 

a=k'Ä'-,    In  der  Tat   muß  ja  a   offenbar   proportional    zur 

Flächenausdehnung  des  Teilchens  und  zu  seiner  Dicke  sein,  so 
-daß  Proportionalität  mit  t;  resultiert.  Da  nun  ajÄ  eine  dimensions- 
lose Zahl  sein  muß,  so  muß  k  von  der  Dimension  des  reziproken 
Quadrats  einer  Länge  sein.  Die  einzige  Länge  außer  r,  von  welcher 
die  Amplitude  des  zerstreuten  Lichtes  noch  abhängen  kann,  ist 
aber  die  Wellenlänge  X,  folglich  erhält  man 

a  =  kA'^,. 

Da  nun  die  Intensität  des  zerstreuten  Lichtes  proportional  zu  a^  ist, 
so  ist  dieselbe  umgekehrt  proportional  zur  4*«°  Potenz  der 
Wellenlänge.  Hierdurch  erklärt  sich  die  blaue  Farbe  der  Emul- 


konzentriertes  Licht  in  einer  zur  Mikroskopachse  senkrechten  Richtung  auf  das 
Präparat'  fallen  läßt  Man  sieht  dann  auf  dunklem  Gesichtsfelde  die  Teil- 
chen vermöge  des  unter  90  ^  gebeugten  Lichtes  leuchten.  Natürlich  erhält 
man  aber  so  keinen  Aufschluß  über  die  Gestalt  der  Teilchen;  auf  ihre 
Größe  kann  man  bis  zu  einem  gewissen  Grade  aus  der  Helligkeit  der 
Beugungsbilder  schließen  (vgl.  weiter  unten  §  24).  Mit  dieser  Methode  kann 
man  z.  B.  sehr  kleine  Teilchen  in  rotem  Glase,  auch  in  kolloidalen  Metall- 
lösungen  nachweisen,  und  zwar  zeigen  sich  dabei  im  allgemeinen  Teilchen 
sehr  verschiedener  Größe. 

1)  Lord  Rayleigh  (J.  W.  Strutt)  Phil.  Mag.  (4)  41.   S.  107,  447,  1871; 
(5)  12,  S.  86,  1881. 


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Beugung  des  Lichtes.  227 

sionen  kleiner  Teilchen,  und  auch  die  des  Himmelslichtes.  Hin- 
sichtlich der  dabei  auftretenden  Polarisationserscheinungen  sei 
auf  die  Originalarbeit  ^)  verwiesen,  ferner  auf  eine  Arbeit  von 
J.  J.  Thomson  2),  der  nachwies,  daß  das  Polarisationsmaximum  des 
gebeugten  Lichtes  in  anderer  Richtung  liegt,  falls  das  Teilchen 
ein  sehr  guter  Leiter  für  Elektrizität  ist  Die  an  kolloidalen 
Metalllösungen  von  Ehrenhaft^)  angestellten  Versuche  entsprechen 
in  der  Tat  den  Thomsonschen  Formeln.  Die  bei  ihnen  auftretende 
Farbe  ist  aber  nicht  blau,  sondern  grünlich,  was  vielleicht  mit 
ihren  besonderen  Dispersionseigenschaften,  d.  h.  Eigenschwingungen, 
zusammenhängen  mag.  Wenn  das  Problem  überhaupt  genügend 
verallgemeinert  wird,  so  muß  streng  genommen  jeder  Lichtdurch- 
gang durch  einen  Körper,  dessen  kleinste  Teilchen  ins  Mitschwingen 
versetzt  werden,  und  wenn  es  auch  nur  seine  Elektronen  sind,  die 
seine  Dispersion  erklären  (vgl.  unten  im  IL  Abschn.,  Kapitel  5),  ähn- 
liche Erscheinungen  auslösen,  wie  die  hier  besprochenen.  Planck^) 
hat  gezeigt,  daß  auch  nach  der  elektromagnetischen  Theorie  die  Er- 
klärung der  Dispersion  durch  elektrische  Schwingungen  innerhalb 
der  Moleküle  mit  Notwendigkeit  auch  für  jedes  scheinbar  homogene, 
mit  Dispersion  behaftete  Medium  auf  eine  Zerstreuung  und  ent- 
sprechende Extinktion  des  Lichtes  führt,  welche  dem  Rayleighschen 
Gesetz  folgt.  Auch  Rayleigh  ^)  wies  darauf  hin,  daß  zur  Erklärung 
des  diffusen  blauen  Himmelslichtes  nicht  notwendig  fremde  suspen- 
dierte Teilchen  anzunehmen  seien,  sondern  daß  man  den  Luft- 
molekülen selbst  die  zerstreuende  Wirkung  zuschreiben  kann. 


1)  HinsichtUch    zusammenfassender    Darstellung   vgl.    Winkelmann, 
Hdb.  d.  Phys.  2.  Aufl.  VI,  S.  1113—1119  (Autor  F.  Pockels). 

2)  J.  J.  Thomson,  Recent  Besearches   in  Elect.   and  Magn.    Oxford, 
1893,  §  369-378. 

3)  F.  Ehrenhaft,   Ann.  d.  Phys.  11,   S.  489,   1903.  —  Wien.  Ber.  114 
(IIa),  S.  1115,  1905. 

4)  M.  Planck,  Berl.  Ber.  1904,  S.  740. 

5)  Lord  Rayleigh,  Phil.  Mag.  (5)  47,  S.  375,  1899. 


15* 


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228 


Ei^itel  V. 


Kapitel  y. 
Polarisation. 

1.  Polarisation  dnrcli  Boppelbrechiing.  Man  nennt  einen 
Lichtstrahl  polarisiert,  wenn  er  sich  nicht  rings  um  seine  Fort- 
pflanzungsrichtung gleichmäßig  verhält  Man  kann  dies  daran  er- 
kennen, daß  eine  Drehung  des  Lichtstrahles  um  die  Sichtung  der 
Fortpflanzung  als  Achse  eine  Änderung  in  den  beobachteten  Licht- 
erscheinungen hervorruft.    Eine  solche  ist  zuerst  vonHuygensO 

beim  Durchgang  des  Lichtes  durch 
Kalkspat  beobachtet  worden.  — 
Polarisation  ist  stets  vorhanden, 
wenn  Doppelbrechung  eintritt.  Die 
Kristalle,  welche  nicht  dem  re- 
gulären System  angehören,  zeigen 
im  allgemeinen  stets  Doppel- 
brechung, d.  h.  ein  einfallender 
Lichtstrahl  wird  im  Kristall  in 
zwei  Strahlen  verschiedener  Rich- 
tung gespalten. 

Besonders  bequem  ist  die 
Erscheinung  am  Kalkspat  (islän- 
dischen Doppelspat)  zu  beobach- 
ten, welcher  dem  hexagonalen 
Kristallsystem  angehört  und  in 
ausgezeichneter  Weise  nach  den 
drei  Flächen  eines  Rhomboeders  spaltet  In  sechs  Ecken  desselben 
stoßen  je  drei  Kanten  zusammen,  welche  einen  stumpfen  und  zwei 
spitze  Winkel  bilden.  Aber  in  zwei  gegenüber  liegenden  Ecken 
A,  Ä  (vgl  Figur  76)  stoßen  drei  gleich  große  stumpfe  Winkel 
zusammen  von  101<*53'.  Ziehen  wir  durch  die  stumpfe  Ecke  A 
eine  Linie,  die  mit  den  drei  in  ihr  zusammenstoßenden  Kanten 
gleiche  Winkel  einschließt,  so  ist  dies  die  Richtung  der  kristallo- 
graphischen  Hauptachse. 2)  Stellen  wir  uns  durch  Spaltung  ein 

1)  Huygens,  Trait^  de  la  lumifere,  Leyden,  1690. 

2)  Die  Hauptachfle  wird,  gerade  z.  B.  wie  das  Einfallslot,  immer  nur  als 
Richtung,  die  man  beliebig  paraUel  mit  sich  verschieben  kann,  definiert,  so  daß 
Hie  keine  bestimmte  einzelne  Linie  ist. 


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Polarisation.  229 

Rhomboeder  von  überall  gleichen  Kantenlängen  her,  so  verbindet 
die  Hauptachse  die  beiden  stumpfen  Ecken  Ä,  Ä.  Auf  diesen  Fall 
bezieht  sich  die  Figur. 

Läßt  man  nun  auf  die  obere  Fläche  des  Ehomboeders  senk- 
recht einen  Lichtstrahl  LL  einfallen,  so  spaltet  er  sich  in  zwei 
Strahlen  gleicher  Intensität  LO  undLE',  welche  als  Parallelstrahlen 
OlJ  und  Ell'  senkrecht  aus  der  unteren  Ehomboederfläche  wieder 
austreten.  Dabei  ist  LO  die  direkte  Fortsetzung  des  einfallenden 
Strahles,  dieser  Strahl  entspricht  also  dem  gewöhnlichen  Verhalten 
isotroper  Körper,  da  keine  Richtungsänderung  bei  normaler  In- 
zidenz  eintritt;  dieser  Strahl  LO  und  seine  Fortsetzung  IlO  wird 
daher  der  ordentliche  oder  ordinäre  Strahl  genannt  Der 
zweite  Strahl  dagegen  LE  und  seine  Fortsetzung  I^'E,  der  ein 
vom  isotropen  (nicht  kristallinischen)  Körper  wesentlich  ab- 
weichendes Verhalten  zeigt,  heißt  außerordentlicher  oder  extra- 
ordinärer Strahl.  Die  Ebene,  welche  durch  beide  Strahlen  geht, 
enthält  auch  die  Richtung  der  kristallographischen  Hauptachse. 
Die  durch  diese  Achse  und  das  Einfallslot  gelegte  Ebene  wird 
Hauptschnitt  genannt.  Der  außerordentliche  Strahl  liegt 
also  im  Hauptschnitt,  er  dreht  sich  daher,  wenn  man  das 
Rhomboeder  um  die  Achse  LL  dreht,  um  den  ordentlichen  Strahl 
herum. 

Die  Intensitäten  des  ordentlichen  und  außerordentlichen 
Strahles  sind  gleich,  blendet  man  aber  einen  dieser  Strahlen, 
z.  B.  den  außerordentlichen,  ab  und  läßt  den  ordentlichen  Strahl 
auf  ein  zweites  Kalkspatrhomboeder  fallen,  so  wird  er  wiederum 
im  allgemeinen  in  zwei  Strahlen  zerlegt,  welche  nun  aber  im 
allgemeinen  verschiedene  Intensität  besitzen-  Diese 
Intensitäten  hängen  von  der  Orientierung  der  beiden  Kalkspat- 
rhomboeder gegeneinander  ab,  nämlich  von  dem  Winkel,  den 
ihre  Hauptschnitte  miteinander  machen.  Ist  derselbe  Null  oder 
180^  so  entsteht  im  zweiten  Rhomboeder  nur  ein  ordinärer 
Strahl  und  gar  kein  extraordinärer;  ist  der  Winkel  der  Haupt- 
schnitte dagegen  90 ^  so  entsteht  nur  ein  extraordinärer  Strahl; 
zwei  gleich  intensive  Strahlen  entstehen,  wenn  die  Hauptschnitte 
einen  Winkel  von  45^  miteinander  bilden.  Die  Erscheinungen 
wechseln  also,  wenn  man  das  zweite  Rhomboeder  festhält  und 
das  erste  dreht,  d.  h.  den  ordinären  Strahl  um  seine  Richtung 
als  Achse  herumdreht  Daher  wird  der  Strahl  polarisiert  ge- 
nannt —  Dieselben  Experimente  kann  man  mit  dem  extraordi- 


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230  Kapitel  V. 

nären  Strahl  anstellen,  d.  h.  auch  er  ist  polarisiert  Da  man  mit 
Hilfe  des  extraordinären  Strahles  dieselben  Lichterscheinungen 
im  zweiten  Rhomboeder  hervorrufen  kann,  wie  mit  Hilfe  des 
ordinären  Strahles,  falls  man  das  erste  Rhomboeder  um  90^  um 
das  Einfallslot  dreht,  so  nennt  man  zweckmäßig  den  ordent- 
lichen und  außerordentlichen  Strahl  senkrecht  zu  ein- 
ander polarisiert. 

Auch  bei  allen  anderen  doppelbrechenden  Kristallen  sind  die 
beiden  Strahlen  senkrecht  zu  einander  polarisiert. 

Will  man  die  Richtungsunterschiede  der  Polarisation  der 
beiden  Strahlen  des  Kalkspats  auf  eine  feste  Ebene  beziehen, 
so  wählt  man  dazu  am  zweckmäßigsten  den  Hauptschnitt.*  Da 
die  vorhin  betrachteten  Lichterscheinungen  bei  zwei  Kalkspat- 
rhomboedern  nur  von  der  absoluten  Größe  des  Winkels  ihrer 
Hauptschnitte  abhängen,  nicht  vom  Vorzeichen  dieses  Winkels, 
so  müssen  die  Eigenschaften  des  ordentlichen  und  außerordent- 
Strahles  symmetrisch  zum  Hauptschnitt  beschaffen  sein. 

Man  nennt  den  Hauptschnitt  die  Polarisationsebene 
des  ordentlichen  Strahles,  eine  Ausdrucksweise,  mit  der  vor- 
läufig weiter  nichts  gesagt  ist,  als  daß  dieser  Strahl  rings  um 
seine  Fortpflanzungsrichtung  herum  sich  nicht  gleichmäßig  ver- 
hält, daß  aber  die  nach  verschiedenen  Richtungen  stattfindenden 
Verschiedenheiten  symmetrisch  zu  seiner  Polarisationsebene,  dem 
Hauptschnitt,  liegen. 

Da,  wie  wir  oben  sahen,  der  außerordentliche  Strahl  recht- 
winklig zum  ordentlichen  polarisiert  ist,  so  muß  man  konsequen- 
ter Weise  die  zum  Hauptschnitt  senkrechte  Ebene  die  Polari- 
sationsebene des  außerordentlichen  Strahles  nennen.  Man  drückt 
diese  Bezeichnung  auch  in  der  Form  aus,  daß  man  sagt:  Der 
ordentliche  Strahl  ist  im  Hauptschnitt,  der  außerordent- 
liche senkrecht  zum  Hauptschnitt  polarisiert 

2.  Das  Nicoische  Prisma.  Um  einheitlich  polarisiertes  Licht 
zu  erhalten,  muß  der  eine  der  beiden  durch  Doppelbrechung  ent- 
stehenden Strahlen  abgeblendet  oder  entfernt  werden.  Zu  dem 
Zweck  gab  Nicol  im  Jahre  1828  folgende  Konstruktion  an:  Man 
stellt  sich  durch  Spaltung  ein  Kalkspatrhomboeder  her,  welches 
reichlich  dreimal  so  lang  als  breit  ist,  schleift  die  Endflächen, 
deren  Neigungswinkel  gegen  die  Seitenkanten  ursprünglich  12^ 


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Polarisation.  231 

beträgt,  so  ab,  daß  dieser  Winkel  {^ABä'  in  Fig.  77)  ßS^  groß 
wird,  und  fuhrt  durch  die  Ecken  AA'  des  Prismas  einen  Schnitt 
so,  daß  er  senkrecht  zu  den  Endflächen  und  der  Ebene,  welche 
die  Längsachse  und  kristallographische  Hauptachse  verbindet, 
steht.  An  diesem  Schnitt  werden  die  beiden  Prismenhälften  mit 
Kanadabalsam  wieder  zusammengekittet  Dieser  Balsam  besitzt 
einen      Brechungsindex, 

der  kleiner  als  der  des  ^  j^» 

ordentlichen,  aber  größer  V  jß^^^\F  I" 

als  der  des  außerordent-       ^       ^  ^""^ 

liehen  Strahles  ist.  Wenn 
nun  ein  Lichtstrahl  LL 
parallel  zur  Längsachse  ^^  ''• 

eintritt,  sowird  der  ordent- 
liche Strahl  Z/O  an  der  Kanadabalsamschicht  total  reflektiert  und 
an  der  geschwärzten  Seitenfläche  BÄ  absorbiert,  während  der 
außerordentliche  Strahl  LE  allein  das  Prisma  durchsetzt  Das 
austretende  Licht  El!'  ist  also  vollständig  senkrecht  zum  Haupt- 
schnitt, d.  h.  parallel  zur  langen  Diagonale  der  Grenzflächen  AB 
oder  ÄB\  polarisiert. 

Der  Öflfhungswinkel  des  in  das  Prisma  eintretenden  Licht- 
kegels, dessen  ordinäre  Strahlen  noch  total  reflektiert  werden,  be- 
trägt etwa  30^.  Übrigens  ist  ein  konvergent  eintretendes  Licht- 
bündel nicht  mehr  streng  einheitlich  polarisiert,  indem  die  Polari- 
sationsebene etwas  mit  der  Neigung  der  Lichtstrahlen  variiert, 
da  die  Polarisationsebene  stets  senkrecht  steht  zum  Hauptschnitt, 
d.  h.  zur  Ebene  durch  Strahl  und  Hauptachse. 

3.  Andere  Herstellimg  polarisierten  lichtes.  Abgesehen 
von  anderen  Konstruktionen  von  sogenannten  Polarisations- 
prismen ^)  kann  man  auch  durch  eine  Turmalinplatte  einerlei 
polarisiertes  Licht  erhalten,  falls  die  Platte  der  Hauptachse  des 
Kristalls  parallel  geschliffen  ist  und  etwa  1 — 2  mm  dick  ist  In 
diesem  Falle  wird  nämlich  der  ordentliche  Strahl  durch  Ab- 
sorption im  Kristall  vernichtet  Ferner  kann  man  polari- 
siertes Licht  durch  Reflexion    an  irgend  einem  durch- 


1)  Man  vgl.  hierüber  W.  Grosse,  Die  gebräuchlichen  Polarisations- 
prismen U.S.W.  Klausthal  1889.  —  Winkelmanns  Handb.  d.  Physik,  Optik, 
2.  Aufl.    S.  1126  u.  ff. 


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232  Kapitel  V. 

sichtigen  Körper  erhalten,  falls  man  den  Reflexionswinkel  q> 
nach  dem  (Brewsterschen)  Gesetz  wählt:  tg  <p  =  n,  wobei  n  der 
Brechungsindex  des  Körpers  ist.  Dieser  Winkel  q>  heißt  der 
Poljarisationswinkel.  Bei  Crownglas  beträgt  dieser  Reflexions- 
(oder  Einfalls-) Winkel  etwa  57^.  Die  Einfallsebene  ist  die 
Polarisationsebene    des    reflektierten   Lichtes,   wie   man 

erkennen  kann,  falls  man  das  re- 
flektierte Licht  durch  ein  Kalkspat- 
bmchsttick  gehen  läßt. 

Läßt  man  das  unter  dem  Po- 
larisationswinkel von  einer  Glas- 
fläche reflektierte  Licht  von  einer 
zweiten  Glasfläche  unter  demselben 
Winkel  reflektieren,  so  hängt  die 
schließliche  Intensität  vom  Nei- 
gungswinkel a  der  beiden  Einfalls- 
ebenen der  zwei  Glasflächen  ab, 
indem  sie  proportional  zu  cos'^a  ist. 
Man  kann  dies  bequem  am  Nörren- 
bergschen  Polarisationsapparate  stu- 
dieren. Der  Lichtstrahl  a  wird 
durch  Reflexion  an  der  Glasplatte 
A  polarisiert  und  gelangt  unter 
senkrechter  Inzidenz  bei  c  zu  einem 
belegten  GlasspiegeL  Derselbe  re- 
flektiert den  Strahl  nach  dem  hin- 
ten geschwärzten  Glasspiegel  S, 
welcher  um  eine  vertikale  Achse 
drehbar  ist.  Auch  S  wird  unter 
dem  Polarisationswinkel  vom  Strahl 
^*s- '®-  hc    getroffen,     der    an    S    schräg 

nach  oben  reflektierte  Strahl  nimmt 
also  wechselnde  Intensitäten  an  bei  Drehung  von  S  um  die 
vertikale  Achse.  Zwischen  A  und  S  ist  eine  drehbare  Glas- 
platte eingeschaltet,  um  bequem  durchsichtige  Objekte  bei  ver- 
schiedener Orientierung  im  polarisierten  Lichte  untersuchen  zu 
können.  Da  die  Intensität  des  Lichtes  aber  schon  nach  ein- 
maliger Reflexion  verhältnismäßig  gering  ist,  so  wendet  man 
praktisch  dies  Mittel,  polarisiertes  Licht  durch  Reflexion  her- 
zustellen, nicht  häufig  an;  an  demselben  Übelstand   zu  kleiner 


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Polarisation.  233 

Intensität   (und    noch    dazu    vorhandener    Färbung)    leidet    die 
Turmalinplatte. 

Auch  bei  schiefem  Durchgang  des  Lichtes  durch  einen  Satz 
paralleler  Glasplatten  tritt  Polarisation  ein,  allerdings  keine 
vollständige.  Dieser  Fall  wird  in  einem  späteren  Kapitel  be- 
handelt werden  (II.  Abschn.  Kap.  II).  —  Daß  durch  Beugung 
Polarisation  hervorgebracht  wird,  ist  schon  oben  S.  199  ange- 
deutet. 

4.  Interferenz  polarisierten  Lielites.  Die  früher  beschrie- 
benen Interferenz-Erscheinungen  lassen  sich  unverändert  mit 
einheitlich  polarisiertem  Licht  anstellen.  Dagegen  in- 
terferieren zwei  rechtwinklig  zu  einander  polarisierte 
Strahlen  niemals.  Man  kann  dies  konstatieren,  wenn  man 
vor  die  beiden  Öffnungen  eines  Doppelspaltes  je  eine  von  zwei 
gleich  dicken  Turmalinplatten  schaltet.  Die  Beugungsfransen, 
welche  durch  die  Anwesenheit  der  zwei  Spalten  entstehen,  sind 
bei  parallel  orientierten  Turmalinplatten  vorhanden,  bei  senk- 
recht gegen  einander  gekreuzten  Platten  verschwinden  sie  dagegen 
vollkommen. 

Fresnel  und  Arago  untersuchten  weiterhin  die  Interferenz- 
fähigkeit zweier  rechtwinklig  zu  einander  polarisierter  Strahlen, 
welche  sie  auf  dieselbe  Polarisationsebene  zurückführten,  in- 
dem sie  dieselbe  durch  einen  Kalkspat  treten  ließen,  dessen 
Hauptschnitt  um  45^  gegen  jede  der  Polarisationsebenen  der 
beiden  Strahlen  geneigt  war.    Sie  fanden  die  Gesetze: 

1.  Zwei  von  einem  natürlichen  (unpolarisierten)  Strahle  her- 
rührende rechtwinklig  polarisierte  Strahlen  interferieren  auch 
dann  nicht,  wenn  sie  auf  dieselbe  Polarisationsrichtung  gebracht 
werden. 

2.  Zwei  von  einem  polarisierten  Strahle  herrührende  recht- 
winklig polarisierte  Strahlen  interferieren,  wenn  sie  auf  dieselbe 
Polarisationsrichtuug  gebracht  werden. 

5«  Die  mathematlsclie  Darstellung  der  Liehterregnng  in 
polarisiertem  Lieht«  Wir  haben  früher  gesehen,  daß  die  Erschei- 
nungen der  Interferenz  zu  der  Wellentheorie  des  Lichtes  führen, 
nach  der  an  einer  bestimmten  Stelle  des  Raumes  die  Lichterregung 
in  der  Form  zu  schreiben  ist: 

s=rA8in(^2jCY  +  ö).  (1) 


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234  Kapitel  V. 

Wir  können  jetzt  noch  nähere  Aussagen  über  die  Eigenschaften 
dieser  Lichterregung  machen.  Dieselbe  muß  nämlich  im  polarisierten 
Lichte  offenbar  eine  gerichtete  Größe,  ein  sogenannter  Vektor 
sein,  wie  z.  B.  eine  Strecke,  eine  Geschwindigkeit,  eine  Kraft u.  s.w. 
Vektoren  sind,  im  Gegensatz  zu  einer  ungerichteten  Größe,  einem 
sogenannten  Skalar,  wie  z.  B.  der  Dichte,  der  Temperatur.  Denn 
sonst  konnten  keine  seitlichen  Verschiedenheiten  vorhanden  sein, 
wie  sie  im  polarisierten  Lichte  auftreten.  Um  diese  darzustellen, 
muß  s  ein  Vektor  sein,  der  jedenfalls  nicht  vollständig  mit  der 
Fortpflanzungsrichtung  des  Lichtes  zusammenfällt,  da  sonst  auch 
keine  seitlichen  Verschiedenheiten  eintreten  könnten.  Wir  wollen 
daher  s  jetzt  kurz  als  Lichtvektor  bezeichnen.  Einen  Vektor 
kann  man  nach  den  drei  rechtwinkligen  Achsen  x,  y,  z  in  drei 
Komponenten  zerlegen,  wir  wollen  die  Komponenten  von  s 
nennen  u,  v,  tv.  Die  allgemeinste  Lichtbewegung,  welche  in  einem 
beliebigen  Punkte  P  bestehen  kann,  wird  daher  dargestellt  durch: 

u^^  Äsin  {2jt  7h  +  p\^  v=^  B  sin  i2jt  -m  +  q]^ 

(2)  I       t  \ 
w  =  C  sinl2jt  m  +  rj. 

Man  erhält  eine  anschauliche  Bedeutung  dieser  Gleichungen, 
wenn  man  vom  Koordinatenanfang  aus  zu  jeder  Zeit  den  resultieren- 
den Lichtvektor  s  nach  Größe  und  Richtung  durch  eine  Strecke  ein- 
trägt. Der  Endpunkt  ®  dieser  Strecke  wird  erhalten,  wenn  man 
w,  V,  w  als  seine  rechtwinkligen  Koordinaten  auffaßt  Dieser  End- 
punkt ®  beschreibt  im  Laufe  der  Zeit  eine  gewisse  Bahn  (wir 
wollen  sie  Erregungsbahn  nennen),  die  aus  den  Gleichungen  (2) 
durch  Elimination  von  t  erhalten  wird.    Man  kann  (2)  schreiben: 

—  =  sin  2jt  m '  cos  p -{- cos  2jt  -m  •  sin  p, 

(3)  -g  =  sin  2jC7n'C0sq-\'C0s2jt-H-'  sin  q, 
-^  =  sin  2  jt  -m'  cosr-f-cos  2jt  m'  stn  r. 

Durch  Multiplikation  dieser  Gleichungen  mit  bezw.  sin  {q  —  r\ 
sin  (r  —  p\  sin  {p  —  q)  und  Addition  erhält  man: 

(4)  ^sin{q-'r)  +  ^  sin  {r—p)  +  '^  sin  {p^q)  =  0, 


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Polarisation,  235 

d.  h.  da  eine  lineare  Gleichung  zwischen  den  u,  v,  w  besteht,  so 
ist  die  Erregungsbahn  stets  eine  ebene  Kurve. 

Die  Gleichungen  ihrer  Projektionen  auf  die  Koordinatenebenen 
erhält  man  durch  Elimination  von<  aus  je  zwei  der  Gleichungen  (3). 
So  folgt  z.  B.  aus  den  beiden  ersten  dieser  Gleichungen: 

Sin  2x  m  {cos  p  sin  q  —  cos  q  sin  ^)  =  -7  stn  q  —  g  sin  p, 

cos  2jt  j,  (cos  p  sin  q  —  cos  q  sin  p)  ^^  —  'a^^^'^B  ^*  P» 

d.  h.  durch  Quadrieren  und  Addieren  dieser  beiden  Gleichungen: 

8in'^(j>  —  q)=-^^  +  ^—-^cos{p  —  q).  (5) 

Dies  ist  aber  die  Gleichung  einer  Ellipse,  deren  Hauptachsen 
in  die  Koordinatenrichtungen  fallen,  wenn  p  —  q  =  xl2  ist.  Im 
allgemeinsten  Falle  ist  daher  die  Erregungsb'ahn  eine 
ebene,  elliptische  Kurve.  Man  hat  dann  sogenanntes  elliptisch 
polarisiertes  Licht  Wenn  die  Bahnellipse  zu  einem  Kreise 
wird,  so  hat  man  zirkular-polarisiertes  Licht  Dies  tritt  z.  B. 
ein,  wenn  m7  =  o  wäre,  und  A  =  B,  p  —  q=^ ±^12,  so  daß  ent- 
weder der  Ansatz: 

u  =  Asin2xji,   v=  Äcos2xj,  (6) 

oder  der  Ansatz: 

u^=  A  sin  2jt-^^    v  =  —  Acos2x-^  (6') 

besteht  Man  unterscheidet  diese  beiden  Ansätze  als  rechts-  und 
links-zirkular  polarisiertes  Licht.  Wenn  nämlich  der  End- 
punkt ®  des  Lichtvektors  im  Sinne  des  Uhrzeigers  rotiert,  falls  man 
dem  Strahl  entgegensieht,  so  hat  man  rechts-zirkular  polarisiertes 
Licht 

Wenn  die  Bahnellipse  zu  einer  geraden  Linie  degeneriert,  so 
hat  man  geradlinig-polarisiertes  Licht  Dies  tritt  z.  B.  ein, 
wenn  w  =  o  wäre,  und  p  —  ^  =  0,  oder  =  Jt  wäre.  Die  Bahnlinie 
wäre  dann  nach  (5): 

3  ±.5  =  ^-  0) 

Die  Intensität  der  Lichterregung  haben  wir  früher  proportional 
dem  Quadrat  A  der  Amplitude  des  Lichtvektors  gesetzt    Diesen 


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236  Kapitel  V. 

Standpunkt  müssen  wir  auch  jetzt  festhalten  und  berücksichtigen, 
daß  das  Quadrat  der  Amplitude  durch  die  Summe  der  Quadrate 
der  Amplituden  der  drei  Komponenten  gegeben  ist  Die  Ldcht- 
intensität  J  ist  also,  bei  Annahme  der  Gleichungen  (2): 

(8)  e/cv.^2  +  ^2+  (72. 

Wir  wollen  jetzt  untersuchen,  wie  die  Erregungsbahn  be- 
schaffen ist  bei  den  in  früheren  Paragraphen  schlechthin  als  polari- 
siertes Licht  bezeichneten  Fällen,  die  bei  Doppelbrechung  und 
Reflexion  unter  dem  Polarisationswinkel  vorliegen.  Das  Haupt- 
charakteristische ist,  daß  zwei  rechtwinklig  zu  einander  polarisierte 
Strahlen  nie  interferieren,  sondern  stets  die  Summe  der  Einzel- 
intensitäten ergeben. 

Superponieren  wir  nun  zu  dem  Strahl  (2),  dessen  Fortpflanzungs- 
richtung die  ;t-Achse  sein  soll,  einen  rechtwinklig  polarisierten 
Strahl  gleicher  Intensität,  dessen  Komponenten  u ,  v ,  w  seien  und 
der  eine  beliebige  Phasenänderung  6  gegen  den  Strahl  (2)  be- 
sitzen kann,  so  müssen  wir  schreiben: 

u  ^=^B  8in(2nj,  -j-  q  +  <J  ] ,  t;'  =  —  A  ^n  f  2  jr  ^  +  _p  -f-  rfj , 
w  =  C sin  (2jt7n  +  r  +61 

Denn  abgesehen  von  der  Phasenänderung  6  muß  die  Gleichung 
dieses  Strahles  in  die  Gleichungen  (2)  übergehen,  wenn  man  das 
Koordinatensystem  um  90^  um  die  «-Achse  drehen  würde. 

Durch  Superposition  beider  Strahlen  (2)  und  (9),  d.  h.  durch 
Bildung  von  u  +  u,  v  +  v\  w  +  w  erhält  man  nach  der  Regel 
oben  auf  S.  123  [dortige  Formel  (11)]  die  Amplitudenquadrate  der 
drei  Komponenten: 

^'2  =  ^2  +  ^2  +  2  AB  COS  {d  +  q  —p\ 
Ef'^  =  A^  +  B'^'-2ABcos(ß+p  —  q\ 

C'2=2C2(l+COÄrf). 

Durch  Addition  dieser  drei  Gleichungen  folgt  unter  Rücksicht 
auf  (8)  für  die  resultierende  Intensität  /: 

f  =  2J+  2C^  cos  6  —  4  AB  sin  6  sin  (q  —  p). 

Da  nun  f  nach  der  Beobachtung  einfach  gleich  der  doppelten 
Intensität  der  Einzelstrahlen  ist,  d.  h  ganz  unabhängig  von  6  be- 
obachtet wird,  so  folgt  C=  o.  d.  h.  der  Lichtvektor  liegt  senkrecht 


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Polarisation.  237 

zur  Fortpflanzungsrichtung  (Transversal-Wellen),  femer  folgt 
sin  {q  --p)  ^^0,  d.  h.  nach  (5)  bezw.  (7)  ist  die  Erregungsbahn 
eine  gerade  Linie. 

Die  durch  Doppelbrechung  (und  Reflexion  unter  dem 
Polarisationswinkel)  entstehenden  Strahlen  sind  also 
geradlinig  polarisierte,  transversale  Wellen. 

Da  wir  S.  230  sahen,  daß  die  Eigenschaften  des  polari- 
sierten Strahles  symmetrisch  in  bezug  auf  seine  Polarisationsebene 
sein  müssen,  so  liegt  der  Lichtvektor  entweder  in  der  Pola- 
risationsebene oder  senkrecht  zu  ihr.  Auf  diese  Frage  wird 
nun  ein  Licht  geworfen  durch  folgende  Versuchsanordnung: 

6.  Stellende  Wellen  durch  schief  einfallendes  polarisiertes 
Lieht.  Als  Wiener  mit  polarisiertem  Licht,  welches  unter  45*>  auf 
den  Spiegel  fiel,  die  Bildung  stehender  Wellen  untersuchte  (vgl.  oben 
S.  147),  erhielt  er  dieselben  dann  sehr  deutlich,  wenn  die  Polari- 
sationsebene mit  der  Einfallsebene  des  Spiegels  zusammenfiel. 
Dagegen  verschwand  die  Bildung  stehender  Wellen  vollkommen, 
wenn  die  Polarisationsebene  des  einfallenden  Lichtes  senkrecht  zur 
Einfallsebene  stand.  Man  muß  daraus  schließen,  daß  der  für 
die  photographische  WirkungO  maßgebende  Lichtvektor 
senkrecht  zur  Polarisationsebene  liegt,  denn  stehende 
Wellen  können  sich  nur  bilden,  wenn  die  Lichtvektoren  der  ein- 
fallenden und  reflektierten  Welle  einander  parallel  sind;  sind  sie 
aber  senkrecht  zu  einander,  so  hört  jede  Andeutung  von  Inter- 
ferenz auf. 

Wir  werden  nun  allerdings  auf  Grund  der  elektromagnetischen 
Lichttheorie  zu  der  Anschauung  gelangen,  daß  die  oben  auf- 
geworfene Frage  keinen  Sinn  hat,  wenn  man  nur  von  der 
Richtung  des  Lichtvektors  schlechthin  spricht.  Denn  es 
treten  in  jener  Theorie  (und  auch  in  jeder  anderen)  stets  zwei  Vek- 
toren notwendig  miteinander  verknüpft  auf,  welche  senkrecht  gegen 
einander  stehen  (elektrische  und  magnetische  Kraft).  Man  kann 
aber  wohl  danach  fragen,  welcher  dieser  beiden  Vektoren  für  eine 
bestimmte  Lichterscheinung  maßgebend  ist,  oder  ob  das  eventuell 
beide  Vektoren  sind.  Wäre  dies  z.  B.  bei  der  photographischen 
(photochemischen)  Wirkung  der  Fall,  so  könnte  man  nach  dem 
Wienerschen  Verfahren  auch  bei  senkrechter  Inzidenz  überhaupt 


1)  Dasselbe  gilt  für  die  Fluoreszenzwirkung  stehender  Wellen.  Vgl.  oben 
S.  148,  Anm.  1. 


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238  Kapitel  V. 

keine  stehenden  Wellen  nachweisen,  da  die  Bäuche  und  Benoten 
für  jeden  der  beiden  Vektoren  gerade  abwechselnd  liegen,  d.  h.  die 
Knoten  des  einen  Vektors  auf  den  Bäuchen  des  anderen  und  umge- 
kehrt Es  folgt  dies  aus  der  später  zu  entwickelnden,  vertieften 
Theorie  des  Lichtes.  Daß  aber  tatsächlich  stehende  Wellen  zu 
beobachten  sind,  zeigt,  daß  für  die  photochemische  und  ebenso 
für  die  Fluoreszenzwirkung  tatsächlich  nur  der  eine  Lichtvektor 
maßgebend  ist,  und  zwar,  wie  aus  dem  erwähnten  Versuche  mit 
polarisiertem  Lichte  hervorgeht,  derjenige,  welcher  senkrecht  zur 
Polarisationsebene  liegt. 

Auch  die  Erscheinungen  in  pleochroitischen  Kristallen,  wie 
z.  B.  im  Turmalin,  knüpfen  am  besten  an  diesen  Lichtvektor  an. 

7.  Lage  des  maßgebenden  Lichtvektors  in  Kristallen.    In 

Kristallen  ist  die  Lichtgeschwindigkeit  von  der  Lage  der  Wellen- 
normale und  der  Polarisationsebene  abhängig.  Ebenso  ist  in  den 
sogenannten  pleochroitischen  Kristallen  (Turmalin  z.  B.)  die  Absorp- 
tion des  Lichtes  von  der  Lage  der  Wellennormale  und  der  Polari- 
sationsebene abhängig.  Es  stellt  sich  nun  heraus  0:  daß  manzur 
einfachsten  Beschreibung  dieser  Erscheinungen  gelangt, 
wenn  man  den  Lichtvektor  als  senkrecht  gegen  die  Polari- 
sationsebene liegend  annimmt.  Dann  ist  nämlich  Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeit und  Absorption  2)  einer  Welle  nur  ab- 
hängig von  der  Lage  des  Lichtvektors  gegen  die  Kristallachsen.  — 
Zur  Erläuterung  diene  folgendes  Beispiel:  Eine  parallel  zur  Haupt- 
achse geschnittene  Turmalinplatte  ändert  ihre  Helligkeit  und  Farbe 
nicht,  wenn  man  die  Platte  um  die  Hauptachse  dreht,  d.  h.  das 
Licht  schief  hindurchgehen  läßt  derart,  daß  die  Hauptachse  senk- 
recht zum  Lichtstrahl  bleibt.  Dagegen  ändert  sich  die  Helligkeit 
der  Platte  bedeutend,  wenn  man  sie  um  die,  zur  Hauptachse  senk- 
rechte Achse  dreht,  welche  in  der  Platte  liegt.  Die  Polarisations- 
ebene des  austretenden  Strahles  liegt  im  ersten  Falle  senkrecht 
zur  Hauptachse,  d.  h.  der  Drehungsachse  der  Platte,  im  zweiten 
Falle  parallel  zur  Drehungsachse  derselben.  Der  senkrecht  zur 
Polarisationsebene  liegende  Vektor  ist  daher  im  ersten  Falle 
beständig  parallel  zur  Hauptachse   des  Turmalins,   im   zweiten 


1)  Dies  ist  weiter   unten  im  II.  Abschnitt,   Kap.  III,   §  7  näher  aus- 
geführt. 

2)  Auch  die  Fluoreszenzerscheinungen   in  Kristallen   führen  auf  diesen 
Schluß  (vgl.  Lommel,  Wied.  Ann.  44,  S.  311). 


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Polarisation.  239 

Falle  ändert  er  aber  seine  Lage  gegen  die  Hauptachse  des  Tur- 
malins. 

Man  kennt  bisher '  noch  keinen  Fall,  für  welchen  ein  Licht- 
vektor allein  maßgebend  i)  wäre,  der  in  der  Polarisationsebene 
liegt.  Insofern  kann  man  daher  kurz  sagen:  Der  Lichtvektor 
liegt  senkrecht  zur  Polarisationsebene. 2) 

8.  Das  natürliche  und  teilweise  polarisierte  Licht.    Daß 

man  durch  Doppelbrechung  aus  einem  natürlichen  Lichtstrahl  zwei 
geradlinig  polarisierte  erhält,  ist  oben  abgeleitet.  Durch  Super- 
position  zweier  geradlinig  polarisierter  Strahlen  gleicher  Fort- 
pflanzungsrichtung, aber  verschiedener  Polarisationsrichtung  und 
verschiedener  Phase  erhält  man,  wie  z.  B.  aus  Gleichung  (5)  her- 
vorgeht, elliptisch  polarisiertes  Licht.  Dasselbe  ist  noch  rein 
transversal,  da  die  Ebene  der  Ellipse  senkrecht  zur  Fortpflanzungs- 
richtung liegt. 

Wie  wir  später  ausführlicher  betrachten  werden,  erhält  man 
bei  Durchgang  eines  geradlinig  polarisierten  Strahles  durch  eine 
doppelbrechende  Kristallplatte  elliptisch  polarisiertes  Licht,  wenn 
man  nicht  die  Wirkung  der  beiden  durch  Doppelbrechung  im 
Kristall  entstehenden  Strahlen  voneinander  trennt.  —  Aber  auch 
den  durch  die  Gleichungen  (2)  dargestellten  allgemeinsten  Fall 
nicht  transversalen,  elliptisch-polarisiertenLichteskann 
man  durchTotalreflexion,  oder  in  absorbierendenKörpern 
realisieren,  wie  weiter  unten  ausgeführt  werden  wird. 

Es  drängt  sich  nun  aber  noch  die  Frage  auf:  Wie  ist  das 
natürliche  Licht  beschaffen?  Da  dasselbe  keine  seitliche  Ver- 
schiedenheit zeigt  und  andererseits  auch  zirkulär  polarisiertes  Licht 
durchaus  nicht  identisch  ist  mit  natürlichem  Licht,  da  ersteres  bei 
Durchgang  durch  eine  doppelbrechende  Kristallplatte  sofort  seit- 
liche Verschiedenheiten  annimmt,  das  natürliche  Licht  aber  nicht 
(wenn  man  nicht  die  beiden  durch  Doppelbrechung  entstandenen 
Strahlen  voneinander  trennt),  so  bleibt  nur  die  Annahme  übrig, 
daß  für  ein  gewisses  Zeitintervall  6t  auch  das  natürliche  Licht 
geradlinig,  oder  elliptisch  polarisiert  ist,  daß  aber  im  Laufe  längerer 


1)  Maßgebend  soll  heißen:  zur  einfachsten  Beschreibung  der  Erscheinungen 
dienend. 

2)  Man  gewinnt  wenigstens  durch  diese  Annahme  eine  einfachere  Dar- 
stellung der  optischen  Erscheinungen,  als  wenn  man  die  (auch  mögliche)  An- 
nahme macht,  daß  der  Lichtvektor  parallel  zur  Polarisationsebene  liegt. 


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240  Kapitel  HL 

Zeit  die  Erregungsbahn  ihre  Lage  und  Gestalt  derartig  wechselt^ 
daß  im  Mittel  der  Lichtstrahl  vollkommen  symmetrisch  rings  um 
seine  Fortpflanzungsrichtung  herum  beschaffen  ist 

Da  Michelson  im  natürlichen  Lichte  noch  Literferenzen  yon 
540  000  il  Gangunterschied  beobachtet  hat  (vgl  oben  S.  141),  so 
muß  also  in  diesem  Falle  das  Licht  mindestens  540  000  Schwing- 
ungen ausfuhren,  bevor  es  seinen  Polarisationszustand  wechseln 
kann.  Da  aber  selbst  1  Million  Schwingungen  in  einer  sehr  kurzen 
Zeit,  nämlich  in  20  .  10"*<>sec.  ausgeführt  werden,  so  könnte  das 
menschliche  Auge  doch  nie,  selbst  für  eine  kurze  Zeit,  eine 
Polarisation  des  natürlichen  Lichtes  wahrnehmen,  auch  wenn  der 
Schwingungszustand  erst  allemal  nach  mehreren  Millionen  Schwin- 
gungen wechseln  sollte.  Denn  für  die  kürzesten  Lichteindrücke,  die 
man  herstellen  kann,  hätte  der  Schwingungszustand  doch  schon 
viele  tausend  mal  gewechselt 

Betrachten  wir  nun  die  beiden  von  Fresnel  und  Arago  aus- 
gesprochenen und  auf  S.  233  angeführten  Interferenzgesetze,  so  ist 
das  zweite  Gesetz,  daß  zwei  rechtwinklig  polarisierte  Strahlen 
interferieren,  wenn  sie  auf  dieselbe  Polarisationsrichtung  gebracht 
werden  und  ursprünglich  aus  einem  polarisierten  Strahle  ent- 
standen sind,  sofort  einleuchtend,  denn  man  geht  dabei  von  einer 
bestimmten  Erregungsbahn  aus  und  läßt  schließlich  wiederum  nur 
einheitlich  polarisiertes  Licht  interferieren.  Derselbe  Fall  muß 
eintreten,  wenn  man  von  einem  natürlichen  Lichtstrahl  zwei  recht- 
winklig polarisierte  ableitet  und  sie  dann  auf  dieselbe  Polari- 
sationsebene bringt,  solange  der  Schwingungszustand  im  natür- 
lichen Licht  nicht  gewechselt  hat,  d.  h.  innerhalb  des  obigen  Zeit- 
intervalls 6t.  Auch  für  ein  anderes  Zeitintervall  öt'  müssen 
Interferenzfransen  aus  dem  natürlichen  Lichte  in  jenem  Falle  zu 
erhalten  sein,  sie  liegen  aber  nicht  an  derselben  Stelle,  an  welcher 
die  Fransen  für  das  erste  Intervall  6t  lagen.  Denn  ein  Wechsel 
der  Erregungsbahn  hat  den  Effekt,  daß  die  beiden  abgeleiteten, 
rechtwinklig  zu  einander  polarisierten  Strahlen  eine  Phasendifferenz 
erhalten.  Daher  entsteht  als  Mittelwert  über  viele  Zeitintervalle 
6t  nur  eine  gleichmäßige  Lichtintensität,  d.  h.  zwei  von  einem 
natürlichen  Lichtstrahl  herrührende  rechtwinklig  polarisierte 
Strahlen  interferieren  nicht,  auch  wenn  sie  auf  dieselbe  Polari- 
sationsrichtung gebracht  werden.  Das  ist  das  erste  der  oben  ge- 
nannten Fresnel-Aragoschen  Gesetze. 

Unter  teilweise  polarisiertem  Licht  versteht  man  solches. 


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Polarisation.  241 

welches  durch  Superposition  von  natürlichem  und  einheitlich  polar 
risiertem  entsteht.  Teilweise  polarisiertes  Licht  besitzt  seitliche 
Verschiedenheiten,  doch  kann  man  nie  aus  ihm  geradlinig  polari- 
siertes Licht  herstellen,  was  sonst  bei  einheitlich  polarisiertem 
Licht  stets  möglich  ist,  wie  im  folgenden  auseinandergesetzt  wird. 

9.  Experimentelle  Untersuehung  elliptisch  polarisierten 
Lichtes.  Um  die  Gestalt  der  Erregungsbahn  von  elliptisch  pola- 
risiertem Lichte  zu  finden,  verwandelt  man  dasselbe  mit  Hilfe  einer 
doppelbrechenden  Kristallplatte  in  geradlinig  polarisiertes  Licht. 
Wie  schon  oben  S.  228  besprochen  wurde,  wird  nämlich  geradlinig 
polarisiertes  Licht  beim  Durchgang  durch  eine  doppelbrechende 
Kristallplatte  in  zwei  senkrecht  zu  einander  polarisierte  Wellen 
zerlegt.  Die  Lage  der  Lichtvektoren  in  beiden  Wellen  wollen  wir 
als  Hauptschwingungsrichtungen  bezeichnen.  Dieselben 
haben  eine  feste  Lage  in  der  Kristallplatte  (und  sind  senkrecht 
zu  einander).  Da  nun  beide  Wellen  im  Kristall  sich  mit  ver- 
schiedenen Geschwindigkeiten  fortpflanzen,  so  erteilt  die  Kristall- 
platte beiden  Wellen  eine  relative  Phasendifferenz,  die  von  der 
Natur  und  Dicke  der  Platte  abhängt.  —  Ein  einfallender  Licht- 
vektor, welcher  schon  in  einer  der  beiden  Hauptschwingungs- 
richtungen der  Kristallplatte  liegt,  wird  nicht  durch  dieselbe  in 
zwei  Wellen  zerlegt. 

Man  kann  nun  auf  zwei  verschiedenen  Wegen  vorgehen:  Ent- 
weder benutzt  man  eine  Kristallplatte  bestimmter  Dicke,  welche 
den  beiden  in  ihr  fortgepflanzten  Wellen  eine  Phasendifferenz  jr/2 
(Gangunterschied  V4  ^)  erteilt  (z.  B.  V4  A-Glimmer-Plättchen,  Se- 
narmonts  Compensator).  Wird  diese  Kristallplatte  so  gedreht, 
daß  ihre  Hauptschwingungsrichtungen  mit  den  Hauptachsen  der 
elliptischen  Erregungsbahn  des  einfallenden  Lichtes  zusammen- 
fallen, so  muß  oflenbar  das  austretende  Licht  geradlinig  polarisiert 
sein  und  zwar  hängt  die  Lage  der  Polarisationsebene  vom  Ver- 
hältnis der  Hauptachsen  der  einfallenden  Erregungs-Ellipse  ab. 
Denn  die  beiden  in  der  Richtung  der  Hauptachsen  dieser  Ellipse 
liegenden  Lichtvektoren  haben  nach  dem  Durchgang  durch  die 
Kristallplatte  die  Phasendifferenz  o  oder  Jt^  und  dann  entsteht 
nach  S.  235  geradlinig-polarisiertes  Licht,  bei  dem  die  Lage  des 
Lichtvektors  aus  der  dortigen  Formel  (7)  folgt.  Betrachtet  man 
daher  das  austretende  Licht  noch  durch  ein  drehbares  Nicol,  so 
tritt  völlige  Dunkelheit  bei  geeigneter  Stellung  desselben  ein.  Zur 
Untersuchung  muß  man  daher  sowohl  die  Kristallplatte  (um  ihre 

Drude,  Lehrbuch  d.  Optik.   2.  Aufl.  16 


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242  Kapitel  V. 

Normale),  als  das  Nicol  so  drehen,  bis  daß  yolle  Dunkelheit  ein- 
tritt. Die  Lage  der  Kristallpl'atte  ergibt  dann  die  Lage  der 
Hauptachsen  der  Erregungsellipse  des  einfallenden  Lichtes,  die 
Lage  des  Nicols  das  Verhältnis  jener  Hauptachsen. 

Oder  man  benutzt  eine  nicht  drehbare  Kristallplatte  veränder- 
licher Dicke  (z.  B.  Quarzkeil),  um  den  beiden  Komponenten  m,  v 
des  einfallenden  Lichtes,  welche  in  den  beiden  Hauptschwingungs- 
richtungen der  Platte  liegen,  eine  derartige  Phasendiflferenz  zu 
erteilen,  daß  sie  nach  dem  Austritt  aus  der  Kristallplatte  gerad- 
linig polarisiertes  Licht  ergeben.  Ob  dieses  eintritt,  wird  wiederum 
mit  einem  drehbaren  Nicol  geprüft.  Die  Lage  desselben  ergibt 
daher  das  Amplitudenverhältnis  der  einfallenden  Komponenten  w,  r, 
während  ihre  ursprüngliche  Phasendifferenz  aus  derjenigen  Dicke 
der  Kristallplatte  zu  berechnen  ist,  welche  das  einfallende  Licht 
in  geradlinig  polarisiertes  verwandelt. 

Um  bequem  auch  die  Phasendifferenz  Null  im  Kristall  her- 
stellen zu  können,  ist  es  praktisch,  zwei  Quarzkeile  verschiedener 
Orientierung  so  zu  kombinieren,  daß  beide  Keile  eine  Phasendifferenz 
von  verschiedenem  Vorzeichen  hervorbringen.  In  Figur  79  ist  z.  B. 
Ä  ein  Quarzkeil,  dessen  kristallographische  Hauptachse  parallel  zur 
Keilkante  liegt,  während  im  Keil  B  die  Hauptachse  senkrecht  zur 

Keilkante  und  parallel  zur  Obei-fläche 

v^,  ^■-   .,  , _-^        liegt  (Babinets  Kompensator).  Beide 

A  [7?"r^7^'^^^:ia'^^  ^  Keile  wirken  mit  der  Differenz  ihrer 
Fig.  79.  Dicken.     Bei  einfallendem   homogenem 

elliptisch  polarisiertem  Lichte  ist  daher 
bei  richtiger  Stellung  des  hinteren  (analysierenden)  Nicols  dieser 
Kompensator  von  schwarzen  Streifen  durchzogen,  die  parallel  zu 
den  Keilkanten  verlaufen.  Diese  Streifen  wandern  über  den  Kom- 
pensator hin,  falls  der  eine  Quarzkeil  gegen  den  anderen  verschoben 
wird.  Hierzu  dient  eine  Mikrometerschraube.  Aus  der  Stellung 
derselben,  falls  z.  B.  ein  Streifen  eine  bestimmte  Lage  haben  soll, 
ergibt  sich  in  einfacher  Weise  die  Phasendifferenz  derjenigen  beiden 
Komponenten  w,  v  des  einfallenden  Lichtes,  welche  parallel  den 
beiden  Hauptachsen  der  beiden  Quarzkeile  schwingen,  wenn  man 
zur  Aichung  des  Instrumentes  geradlinig  polarisiertes  Licht  ein- 
fallen läßt 

Die  Konstruktion  muß  etwas  geändert  werden,  wenn  ein 
größeres,  optisch  homogenes  Feld  von  geradlinig  polarisiertem 
Lichte  geschaffen  werden  soll.  Dann  muß  nämlich  an  Stelle  eines 


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PolarisatioD.  243 

Quarzkeiles  eine  planparallele  Quarzplatte  von  veränderlicher  Dicke 
als  Kompensator  verwendet  werden.  Man  stellt  eine  solche  Platte 
her  durch  zwei  mikrometrisch  übereinander  verschiebbare  Quarz- 
keile A,  Ä  gleicher  Orientierung  mit  entgegengesetzt  liegenden  Keil- 
winkeln. Um  auch  die  Phasendiflferenz  Null  bequem  durch  den 
Kompensator  hervorbringen  zu  können, 
wird  mit  den  Keilen  -4,  Ä  noch  kom- 
biniert eine  planparallele  Quarzplatte 
B,  deren  Hauptachse  senkrecht  liegt 
gegen  die  der  Keile  A,  Ä,  so  daß  die  Fig.  so. 

Differenz  der  Dicke  von  B  und  der  Summe  der  Dicken  der  Keile 
A,    Ä   wirkt.     In   Figur   80   ist   diese    Konstruktion    (Soleil- 


Fig.  81. 

Babinetscher  Kompensator)  skizziert.  In  den  Keilen  A,  A'  liegt 
die  Hauptachse  parallel  zu  den  Keilkanten,  in  der  Platte  B  liegt 
sie  senkrecht  dazu  und  parallel  zur  Oberfläche.  Zweckmäßig  kann 
ein  Keil,  z.  B.  ^',  fest  auf  die  Platte  B  gekittet  werden,  während 
A  mikrometrisch  verschoben  wird.  Bei  geeigneter  Stellung  der 
Mikrometerschraube  und  des  hinteren  analysierenden  Nciols  wird 
das  ganze  Gesichtsfeld  dunkel. 

16» 


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244  Kapitel  V. 

Diese  Eonstraktion  des  Kompensators  ist  besonders  bequem 
anzuwenden,  um  die  Modifikation  zu  erfahren,  welche  geradlinig 
polarisiertes  einfallendes  Licht  durch  Reflexion  oder  Brechung 
erfährt  In  einem  Spektrometer  (Figur  81)  enthalten  das  Kollimator- 
rohr K  und  das  Femrohr  F  Nicoische  Prismen,  deren  Lage  an 
den  Teilkreisen  p,  /  abzulesen  ist  An  dem  Femrohr  ist  der 
Babinet-Soleilsche  Kompensator  G  vorgesteckt;  seine  Haupt- 
schwingungsrichtungen (Hauptachsen)  liegen  parallel  und  senkrecht 
zur  Einfallsebene  des  Lichtes.  S  ist  der  reflektierende  oder 
brechende  Körper.  Nicols  und  Kompensator  sind  dort  eingeschaltet, 
wo  die  Lichtstrahlen  parallel  sind.^) 

1)  Wegen  Benutzung  eines  auf  Unendlich  eingesteUten  Fernrohres  kann 
man  daher  die  einfache  Babinetsche  Konstruktion  nicht  benutzen. 


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n.  Abschnitt 

Optische  Eigenscliafteii  der  Körper. 

Kapitel  I. 

Theorie  des  Lichtes. 

1.  Mechanische  Theorie.  Eine  Theorie  des  Lichtes  will  die 
Differentialgleichung,  welcher  der  Lichtvektor  gehorcht,  und  di^ 
Grenzbedingungen,  welche  beim  Übergang  des  Lichtes  über  die 
Grenze  zweier  verschiedener  Körper  zu  erfüllen  sind,  auf  Grund 
einer  gewissen  Hypothese  mathematisch  ableiten.  Die  Differential- 
gleichung (12)  (S.  160)  des  Lichtvektors  tritt  nun  allemal  bei  Be- 
wegungen in  einem  elastischen  Körper  auf,  und  daher  lag  es  nahe, 
für  eine  Theorie  des  Lichtes  zunächst  die  Anschauungen  der 
Elastizitätstheorie  zu  verwerten.  Nach  dieser  mechanischen 
Auffassung  soll  der  Lichtvektor  die  Verschiebung  der 
Ätherteilchen  aus  ihrer  Gleichgewichtslage  sein,  und  der 
Äther,  d.  h.  der  Raum,  in  welchem  sich  Lichtschwingungen  fort- 
pflanzen können,  wird  als  elastischer  Stoff  von  sehr  geringer  Dichte 
aufgefaßt. 

Nun  liegt  aber  eine  Schwierigkeit  sofort  in  der  Transversalität 
ebener  Lichtwellen.  Im  allgemeinen  pflanzen  sich  in  einem  elasti- 
schen Körper  sowohl  transversale,  als  longitudinale  Schwingungen 
fort,  in  Flüssigkeiten  sogar  letztere  allein,  während  Transversal- 
Schwingungen  allein  nur  in  einem  festen  Körper  auftreten,  dessen 
Teile  nie  Volumenänderungen  erleiden,  der  also  vollkommen  in- 
kompressibel  ist.  —  Die  widerstandslose  Bewegung  der  Weltkörper 
im  leeren  Räume  (dem  freien  Äther)  würde  nun  entschieden  dem 
Äther  den  Zustand  einer  Flüssigkeit  zuschreiben,  nicht  den  eines 


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246  Kapitel  L 

inkompressibelen  festen  Körpers.  —  Indessen  kann  man  vielleicht 
diese  Schwierigkeit  durch  die  Überlegung  überwinden,  daß  sich 
der  Äther  solchen  groben  Kräften  gegenüber,  wie  sie  bei  der 
Massenbewegung  der  Himmelskörper  auftreten,  wie  eine  reibungs- 
lose Flüssigkeit  verhält,  daß  aber  bei  den  so  außerordentlich  schnell 
wechselnden  Kräften,  wie  sie  bei  Lichtschwingungen  vorkommen, 
doch  ein  kleiner  Rest  von  Reibung  im  Äther  derartigen  Einfluß 
gewinnt,  daß  er  sich  Lichtschwingungen  gegenüber  wie  ein  starrer 
Körper  verhält 

Es  tritt  aber  noch  eine  zweite  Schwierigkeit  ein  bei  Auf- 
stellung der  Grenzbedin^ngen  des  Lichtvektors.  Die  Elastizitäts- 
theorie liefert  für  den  Übergang  der  Bewegung  über  die  Grenze 
zweier  elastischer  Körper  6  Grenzbedingungen,  nämlich  die  Gleich- 
heit der  Verschiebungskomponenten  der  Körperteilchen  und  die 
Gleichheit  der  Komponenten  der  elastischen  Druckkräfte  zu  beiden 
Seiten  der  Grenze.  Um  diese  6  Grenzbedingungen  zu  befriedigen, 
müssen  aber  notwendig  außer  transversalen  Wellen  auch  longi- 
tudinale  auftreten.  Es  soll  hier  nicht  genauer  erörtert  werden,  ^) 
wie  die  verschiedenen  mechanischen  Theorien  diese  Klippe  um- 
schiflfen,  es  mag  nur  erwähnt  werden,  daß  die  meisten  Theorien 
nur  4  Grenzbedingungen  beibehalten. 

Um  Übereinstimmung  mit  den  Beobachtungen  über  die  ße- 
schaflfenheit  des  reflektierten  Lichtes  zu  erhalten,  speziell  z.  B.  um 
das  Brewstersche  Gesetz  über  den  Polarisationswinkel  (vgl  oben 
S.  232)  zu  folgern,  muß  man  entweder  annehmen,  daß  die  Dichte 
des  Lichtäthers  in  allen  Körpern  die  gleiche  sei,  oder  die  Elasti- 
zität. Ersteres  ist  der  F.  Neumannsche  Standpunkt,  letzteres  der 
Fresnelsche.  Aus  ersterem  folgt,  daß  die  Verrückung  der  Äther- 
teilchen einer  linear  polarisierten  Welle  in  der  Polarisationsebene 
liegt,  während  sie  nach  Fresnel  senkrecht  zu  dieser  Ebene  steht. 

2.  Elektromagnetische  Theorie.  Die  Grundhypothese,  welche 
vonFaraday  ausgesprochen,  von  Maxwell  mathematisch  ausgebaut 
wurde,  ist,  daß  die  Fortpflanzung  des  Lichtes  in  einem  das 
Licht  nicht  absorbierenden  Medium  identisch  ist  mit  der  Fort- 
pflanzung elektromagnetischer  Wellen  in  einem  Isolator. 
Als  Lichtvektor  kann  die  elektrische  Kraft,  oder  auch  die  mag- 


1)  Genaueres  hierüber  findet  sich  in  der  Darstellong  des  Verf.  in  Winkel- 
manns  Handbuch,  Optik,  2.  Aufl.,  S.  1140—1166. 


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Optische  Eigenschaften  der  Körper.  247 

netische  Kraft  interpretiert  werden,  beide  sind  stets  gleichzeitig 
in  Schwingung  begriffen  und  stehen  in  ebenen  linearpolarisierten 
Wellen  senkrecht  aufeinander.  Durch  diese  Vielseitigkeit  der 
Theorie  wird  die  nicht  spezieller  formulierte  Frage  nach  der  Lage 
des  Lichtvektors  zur  Polarisationsebene  gegenstandslos,  indeß  ist 
es  aus  gewissen  oben  S.  238  angeführten  Gründen  einfacher,  die 
elektrische  Kraft,  welche  senkrecht  zur  Polarisationsebene  liegt, 
als  Lichtvektor  zu  interpretieren.  Man  gelangt  dadurch  zu  den 
Resultaten  der  Fresnelschen  mechanischen  Theorie,  während  die 
Resultate  der  F.  Neumannschen  Theorie  erhalten  werden,  falls  die 
magnetische  Kraft  als  Lichtvektor  interpretiert  wird. 

Der  Vorteil  der  elektromagnetischen  Theorie  liegt  wesentlich 
in  drei  Punkten: 

1.  Die  Transversalität  der  Wellen  folgt  direkt  aus  der  von 
Maxwell  gewonnenen  einfachsten  Darstellung  der  elektromag- 
netischen Vorgänge,  nach  der  es  nur  geschlossene  elektrische 
Ströme  gibt. 

2.  Die  Grenzbedingungen  sind  die  in  "jedem  elektromagneti- 
schen Felde  gültigen.  Man  braucht  nicht,  wie  bei  den  mecha- 
nischen Theorien,  besondere  Annahmen  für  die  Lichtschwingungen 
zu  machen. 

3.  Die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  des  Lichtes  im 
leeren  Räume  (im  freien  Äther)  und  in  manchen  Fällen  auch 
in  ponderabelen  Körpern  läßt  sich  aus  rein  elektromag- 
netischen Experimenten  im  voraus  berechnen.  Dies  ist 
ein  Hauptvorteil  der  Theorie  gegenüber  den  mechanischen 
Theorien,  und  dieser  Punkt  ist  fast  sofort  ausschlaggebend  zur 
Annahme  der  elektromagnetischen  Auffassung  der  Natur  des  Lichtes 
geworden.  In  der  Tat  bedeutet  dies  einen  wesentlichen  Fortschritt 
in  der  Naturkenntnis,  wenn  in  dieser  Weise  zwei,  ursprünglich 
lose  nebeneinander  stehende  Gebiete,  wie  die  Optik  und  die  Elek- 
trizitätslehre, in  meßbar  kontrollierbare,  nahe  Beziehung  zueinander 
treten. 

Im  folgenden  soll  der  elektromagnetische  Standpunkt 
festgehalten  werden.  Es  mag  aber  hervorgehoben  sein,  daß  die 
Darlegungen  der  vorangegangenen  Kapitel  durchaus  unabhängig 
von  dem  besonderen  Standpunkte  der  Theorie  sind,  d.  h.  unab- 
hängig davon,  was  man  unter  dem  Lichtvektor  versteht. 

3.  Die  Definition  der  elektrlsclien  und  der  magnetischen 
Kraft.    Zwei  sehr  lange,  dünne  Magnete  üben  aufeinander  Kraft- 


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248  Kapitel  I. 

Wirkungen   aus,    die   scheinbar   von   ihren  Enden   (Polen)   aus- 
gehen. 

Die  Stärken  zweier  magnetischer  Pole  wi  und  ?ni  werden 
dadurch  definiert,  daß  sie  im  Vacuum  aufeinander  in  der  Entfer- 
nung r  die  nach  mechanischem  Maße  (nach  Länge,  Masse  und  Zeit) 
zu  messende  Kraft 


(1)  K- 


tn .  TWj 


aufeinander  ausüben.  Danach  ist  auch  ein  magnetischer  Ein- 
heitspol (m  =  l)  definiert  als  solcher,  der  auf  einen  gleichen  in 
der  Einheit  der  Entfernung  der  Krafteinheit  ausübt. 

Die  Stärke  §  irgend  eines  magnetischen  Feldes  in 
irgend  einem  Medium  *)  ist  die  Kraft,  welche  auf  einen  magnetischen 
Einheitspol  ausgeübt  wird.  —  Die  nach  drei  rechtwinkligen  Achsen 
X,  y,  %  genommenen  Komponenten  von  §  seien  o,  ft  y. 

Die  magnetischen  Kraftlinien  geben  durch  ihre  Richtung 
die  Richtung  der  resultierenden  Feldstärke  an,  durch  ihre  Dichte 
die  Feldstärke  §  selbst,  indem  im  Vacuum  §  gleich  sein  soll 
der  Anzahl  von  Kraftlinien,  welche  die  Flächeneinheit  senkrecht 
durchschneiden.  Man  gelangt  zu  einer  richtigen  Darstellung  des 
Kraftgesetzes  (1),  wenn  man  von  einem  Pole  der  Stärke  m  eine 
Anzahl  \nm  von  Kraftlinien  austretend  denkt,  welche  sich  ohne 
Unterbrechung  (d.  h.  ohne  freie  Enden)  in  den  Raum  fortsetzen. 
Denn  die  Kraftliniendichte  ist  dann  auf  einer,  um  einen  einzigen 
vorhandenen  Pol  beschriebenen  Kugel  vom  Radius  r  gleich  mir^, 
d.  h.  gleich  der  Feldstärke  §  nach  dem  Gesetz  (1). 

Analoge  Definitionen  gelten  für  das  elektrische  Feld  im 
elektrostatischen  Maßsystem: 

Die  Stärken  zweier  elektrischer  Pole  c  und  e^  werden 
dadurch  definiert,  daß  sie  im  Vacuum  aufeinander  in  der  Entfer- 
nung r  die  nach  mechanischem  Maße  zu  messende  Kraft: 

(2)  jr=?;,^i 

aufeinander  ausüben.  Dadurch  ist  auch  ein  elektrischer  Ein- 
heitspol definiert,  für  welchen  c  =  l  ist. 

Die  Stärke  g  irgend  eines  elektrischen  Feldes  in 
irgend  einem  Medium  ist  die  Kraft,  welche  auf  einen  elektrischen 


1)  Dasselbe  kaun  sowohl  mit  Materie  erfüllt,  als  aach  leer  sein  (Vacaam) 


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Optische  Eigenschaften  der  Korper.  249 

Einheitspol  ausgeübt  wird.  —  Die  nach  den  drei  rechtwinkligen 
Achsen  x,  y,  %  genommenen  Komponenten  von  ^  seien  X,  Y,  Z. 

Die  elektrischen  Kraftlinien  geben  durch  ihre  Richtung 
die  Richtung  der  resultierenden  Feldstärke  ^  an,  die  Anzahl  der 
Kraftlinien,  welche  die  Flächeneinheit  senkrecht  durchschneiden, 
soll  im  Vacuum  gleich  ^  sein.  Aus  einem  Pole  der  Stärke  e 
treten  daher  4jte  Kraftlinien  aus,  weil  das  Gesetz  (2)  gilt 

4.  Definition  des  elektrischen  Stromes  nach  elektrosta- 
tisehem  und  elektromagnetischem  Maße.  Als  elektrischer 
Strom  i  nach  elektrostatischem  Maß,  welcher  durch  irgend 
einen  Querschnitt  q  geht,  wird  definiert  die  Anzahl  elektrostatischer 
Einheiten,  welche  in  der  Zeiteinheit  durch  q  gehen.  Geht  also  im 
Zeitelement  dt  die  Elektrizitätsmenge  de  durch  q,  so  ist  der  Strom: 

»=J-  (3) 

Ist  der  Querschnitt  q  gleich  der  Flächeneinheit,  so  wird  i  gleich 
der  Stromdichte  j.  Die  Komponenten  der  Stromdichte  jz,  jy,  j\ 
werden  erhalten,  wenn  man  q  senkrecht  zur  x-,  y-  oder  «-Achse 
wählt. 

Der  elektrische  Strom  t  nach  elektromagnetischem 
Maße  wird  durch  seine  magnetischen  Wirkungen  definiert  Man 
kann  einen  dauernden  elektrischen  Strom  in  einem  Metalldraht  leicht 
herstellen,  wenn  man  ihn  an  die  Pole  eines  galvanischen  Elementes 
anlegt  Auch  hier  handelt  es  sich  um  die  Verschiebung  bestimmter 
Elektrizitätsmengen  durch  den  Querschnitt  des  Drahtes,  denn  die 
isolierten  Pole  des  Elementes  verhalten  sich  wie  elektrostatisch  ge- 
ladene Körper.  Ein  Magnetpol  erfährt  gewisse  Kraftäußerungen 
in  der  Nähe  des  elektrischen  Stromes.  Die  Stromstärke  t  nach 
elektromagnetischem  Maße  wird  dadurch  definiert,  daß 
bei  einmaliger  Umkreisung  des  Stromes  von  einem 
Magnetpol  der  Stärke  m  =  l  die  Arbeit  2I  =  4jr*'  ausgeübt 
wird.1) 

Nehmen  wir  z.  B.  ein  Rechteck  der  Seitenlängen  dx,  dy  (vgL 
Figur  82),  welches  senkrecht  von  einem  Strome  %=fx'dxdy  durch- 
flössen wird,    jx  ist  die  ^-Komponente  der  Stromdichte  in  elektro- 


1)  Die  Arbeit  Sl  iat  unabhängig  von  dem  besonderen  Wege  des  Magnet- 
poles  und  auch  unabhängig  von  der  Natur  des  den  Strom  umgebenden  Me- 
diums. Vgl.  hierüber  die  Lehrbücher  des  Elektromagnetismus  (z.  B.  die  Physik 
des  Äthers  des  Verf.  S.  77,  83). 


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250  Kapitel  L 

magnetischem  Maße.  Fließt  der  Strom  von  hinten  nach  yom,  so 
daß  die  positiven  Koordinatenrichtungen  die  in  der  Figur 
gezeichneten  Lagen  zu  einander  haben*),  so  wird  nach  der 
sogenannten  Ampereschen  Regel  ein  positiver  Magnetpol  in  der 
Richtung  der  Pfeile  der  Figur  abgelenkt  (Figur  82.)  Die  ganze 
Arbeit  31  beim  Verschieben  eines  Magnetpoles  m=  + 1  von  A  über 
B  nach  C,  D  und  nach  A  zurück  ist  also: 

(4)  ^=a'  dx  +  ß^-dy  —  a-dx  —  ß'dy, 

wenn  a  und  ß  die  Komponenten  der  magnetischen  Kraft,  wie  sie 
längs  AB  und  AD  wirken,  bezeichnet,  während  a  und  ß^  die  längs 
DC  und  BG  wirkenden  Komponenten  sind,  a  unterscheidet  sich 
nur  dadurch  von  «,  daß  es  längs  einer  Linie  wirkt,  deren  «/-Koordi- 
naten um  dy  größer  sind,  als  die  t/-Koordinaten  der  Linie  AB, 
längs  der  a  wirkt.  Bei  genügender  Kleinheit  von  dy  hat  also 
{a  —  a):dy  die  Bedeutung  des  partiellen  Differentialquotienten 
daröy,  so  daß  man  hat: 


^-ß+'iä^^ 


Analog  ist 

SO  daß  aus  (4)  entsteht: 

Da  nun  nach  der  Definition  der  Stromstärke  t    diese  Arbeit 
gleich  4jtt  =  ijtfx'dxdy  sein  soll,  so  entsteht: 

und  analog  würden  zwei  andere  Differentialgleichungen  ab- 
zuleiten sein: 


(5) 


Dieses    sind    die   Maxwellschen   Differentialgleichungen    des 
elektromagnetischen  Feldes.     Damit  sie  mit  diesen  Vorzeichen, 


1)  Diese  relative  Lage  der  KoordinatenrichtaDgen  soU  im  folgenden  stets 
festgehalten  werden. 


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Optische  Eigenschaften  der  Körper.  251 

wie  in  (5),  gültig  sind,  muß  das  Koordinatensystem  entsprechend 
der  Figur  (82)  gewählt  sein.  — Man  kann  in  diesen  Gleichungen  die 
elektromagnetisch  definierte  Stromdichte  /  ersetzen  durch  die 
elektrostatisch  definierte  y,  wenn  man  das  Verhältnis  c  einführt, 
in  welchem  beide  Maßsysteme,  das  elektrostatische  zu  dem  elektro- 
magnetischen, stehen.    Wir  wollen  also  setzen 

i:t^=c,  jx:/x  =  c  ^  ii,s,w,  (6) 

Daher  wird  nach  (5) 

47t  •   öy bß       4n   .   öa öy        4n  ,   bß ha  .  . 

Diese  Gleichungen  sind  unabhängig  von  der  Natur  des  Mediums, 
in  welchem  die  elektromagnetischen  Vorgänge  bestehen  (nach  der 
Anm.  1  der  S.  249),  sie  gelten  daher  in  jedem,  auch  in  einem 
inhomogenen  oder  kristallinischen  Medium. 

Die  Verhältniszahl  c  kann  man  erhalten,  wenn  man  die 
magnetische  Wirkung  beobachtet,  die  durch  die  Entladung  einer 
nach  elektrostatischem  Maß  gemessenen  Menge  e  entsteht  Es 
ergibt  sich  c  gleich  der  Dimension  einer  Geschwindigkeit,  die  den 
Wert  hat 

c=3-  10^^  omlsec. 

5.  Definition  des  magnetischen  Stromes.  Analog  wie  der 
elektrische  Strom  soll  der  magnetische  Strom,  der  durch  irgend 
einen  Querschnitt  q  geht,  definiert  werden  als  das  Quantum  mag- 
netischer Polstärke,  welches  durch  q  in  der  Zeiteinheit  fließt. 
Falls  q  gleich  der  Flächeneinheit  ist,  sprechen  wir  von  der 
Dichte  des  magnetischen  Stromes,  ihre  Komponenten  seien  durch 
sx ,  8y  ,  sx  bezeichnet. 

Die  Formeln  (7)  sind  ein  Ausdruck  dafür,  daß   ein  elektri- 
scher Strom  von  zirkulären 
magnetischen  Kräften  um 
sich  herum   begleitet   ist.   j) 
Andererseits  muß  aber  auch 
ein    magnetischer    Strom 
von  zirkulären  elektrischen     ^       *      ß 
Kräften  um  sich  herum  be- 
gleitet sein.    (Dieser  Vor- 
gang wird  als  Magnet-Induktion  bezeichnet.)      Dies   folgt  not- 
wendig   aus    der   Anwendung    des    Energieprinzipes.      Denken 


-^x- 


Fig.  82. 


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252  Kapitel  I. 

wir  uns  das  Eechteck  ABCD  der  Fig.  82  von  einem  elektri- 
schen Strome  der  Stärke  i  nach  elektrostatischem  Maße  um- 
flossen in  dem  Sinne  der  eingezeichneten  Pfeile,  so  würde  ein 
positiver  Magnetpol  von  hinten  nach  vorn,  d.  h.  im  Sinne  der 
positiven  ;?j-Achse  durch  das  Rechteck  hindurch  getrieben  werden 
und  fortwährend  um  eine  der  Eechteckseiten  herum  kreisen. 
Diese  hierdurch  geleistete  Arbeit  muß  darin  ein  Äquivalent  haben, 
daß  der  Strom  auf  konstanter  Stärke  i  nur  unter  Aufwendung 
eines  gewissen  Energiequantums  gehalten  werden  kann,  während 
er  jene  mechanische  Arbeit  leistet,  m.  a.  W.  durch  die  mecha- 
nische Arbeit  muß  eine  gewisse  elektromotorische 
Gegenkraft  erzeugt  werden,  die  überwunden  werden  muß, 
falls  der  Strom  auf  konstanter  Stärke  i  bleiben  soll.  Für  die 
Arbeit,  welche  entsteht,  wenn  ein  elektrischer  Einheitspol  einmal 
um  das  Rechteck  im  Sinne  der  Pfeile  geführt  wird,  gilt  nun  der 
analoge  Ausdruck  wie  in  (4)  und  (4'),  d.  h.  sie  ist 

Um  den  Strom  i  während  der  Zeit  t  zu  erhalten,  ist  die  Arbeit 
noch  mit  der  Anzahl  der  umgeführten  elektrostatischen  Einheiten, 
d.  h.  mit  i- 1  zu  multiplizieren.  Diese  Arbeit,  d.  h.  31  •  i  •  /,  muß 
nach  dem  Energieprinzip  gleich  der  Arbeit  sein,  welche  ein  Magnet- 
pol der  Stärke  m  ausübt,  der  innerhalb  der  Zeit  t  eine  Recht- 
eckseite einmal  umkreist;  da  diese  Arbeit  nach  S.  249  gleich 
4jtm%  =  4jcmi :  c  ist,  SO  folgt  also 

(9)  ?I .  ^  .  ^  =  4jtmi  :  c,  d.  h.  ?I  =  4jtm  :  et. 

Nun  ist  aber  m  :  t  gleich  der  Stärke  des  magnetischen  Stromes, 
welcher  durch  das  Eechteck  tritt,  und  %  •  dx  dy  ist  gleich  der 
it-Komponente  sx  der  magnetischen  Stromdichte-    Daher  folgt  aus 

(8)  und  (9): 

und  analog  wären  noch  zwei  andere  Gleichungen  für  sx  und 
8y  abzuleiten. 

In  (10)  bezeichnen  X  und  Y  die  elektrischen  Kräfte,  welche 
man  anwenden  muß,  um  den  Strom  konstant  zu  erhalten.  Nennt 
man  aber  -X"  und  Y  die  durch  den  magnetischen  Strom  selbst  durch 
Induktion  hervorgerufenen  (Gegen-)Kräfte,  so  sind  diese  von  gleicher 


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Optische  Eigenschaften  der  Körper.  253 

Größe,  aber  mit  entgegengesetzten  Vorzeichen  behaftet,  so  daß  die 
Gleichungen  entstehen 

Auch  diese  Gleichungen  gelten  ganz  allgemein  in 
jedem  Medium,  d.  h.  auch  in  inhomogener  oder  kristal- 
linischer Umgebung. 

Die  Formeln  (7)  und  (11)  gelten  ganz  allgemein  in  jeder  Um- 
gebung. Wir  können  sie  als  die  Grundgleichungen  der  Max- 
wellschen  Theorie  bezeichnen.  Bei  allen  Erweiterungen  der 
ursprünglichen  Maxwellschen  Theorie  auf  Körper  mit  besonderen 
optischen  Eigenschaften  (Dispersion,  Absorption,  Kristallinität, 
natürliche  und  magnetische  Eotationspolarisation)  bleiben  diese 
Grundgleichungen  dieselben;  nur  die  Gleichungen,  welche  jx  und 
sxU.s.w.  mit  der  elektrischen,  bezw.  magnetischen  Kraft  verbinden, 
haben  für  besondere  Fälle  verschiedene  Formen. 

6.  Das  TaciiQiii  (der  freie  Äther).  Konstante  elektrische 
Ströme  kann  man  nur  in  Leitern,  z.  B.  in  Metallen,  herstellen,  aber 
nicht  in  Isolatoren.  Durch  Ladungswechsel  kann  man  aber  auch 
in  letzteren  Ströme  herstellen  (sogenannte  Verschiebungsströme 
im  Gegensatz  zu  den  Leitungsströmen  der  Leiter),  und  es  ist  der 
Grundpfeiler  der  Maxwellschen  Theorie,  daß  diese  Verschiebungs- 
ströme dieselben  magnetischen  Wirkungen  ausüben,  wie  die  Leitungs- 
ströme. Durch  diesen  Grundsatz  erreicht  Maxwell  den  Vorzug  der 
größten  Einfachheit  seiner  Theorie  gegenüber  anderen  elektrischen 
Theorien.  —  Konstante  magnetische  Ströme  kann  man  überhaupt 
nicht  herstellen,  da  es  keinen  magnetischen  Leiter  gibt. 

Es  handelt  sich  nun  darum,  wie  im  freien  Äther  die  elek- 
trische und  magnetische  Stromdichte  von  der  elektrischen  und 
magnetischen  Kraft  abhängt.  Im  freien  Äther  gibt  es  keine  an 
gewissen  Eaumstellen  konzentrierte  Ladungen  e  oder  m,  aber  es  sind 
Kraftlinien  vorhanden.  Nun  können  wir  nach  dem  auf  S.  248  u.  249 
ausgesprochenen  Satz,  daß  jede  Ladung  e  oder  m  4ne  bezw.  4jtm 
Kraftlinien  aussendet,  sagen,  daß  4jt  multipliziert  mit  der  Strom- 
dichte gleich  der  Änderung  der  Kraftliniendichte  in  der  Zeiteinheit 
sein  muß,  d.  h.  es  ist 


4^Jy  =  -it-, 

ÖJV, 

hM,, 
4xsy=    ^/, 

(12) 


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254  Kapitel  L 

wobei  JVr,  N,,  Xx.  ifr,  Jfy.  Mx  die  Komponenten  der  elektrischen, 
bezw.  magnetischen  Eraftliniendicht«  sind.  —  Im  Vacamn  ist  nun 
aber  nach  der  Definition  der  S.  24S,  249  die  ErafUiniendichte  gleich 
der  elektrischen,  bezw.  magnetischen  Kraft,  so  daß  fttr  das  Vacuum 
(12)  fibergeht  in: 

nr  ^^^'=57'    ^'^•^i'=d7'  ^^•^*=dr' 

Die  Gleichungen  (7)  und  (11)  des  elektromagnetischen  Feldes  nehmen 
daher  für  den  freien  Äther  die  Gestalt  an: 


(14) 


l^—hi^^i  i^_^_^    i^=^__^ 

cd/        öy       öx '  c   0/        öx       öx '     cd/        dx       öy ' 

i^=^___^  1^?_?^_^  1^>:=^_^^ 

c  6t        b*        dy  "*  e  bt        öx        ö^t  '    c  ö/        by         ST  ' 


7.  Isotroper  Isolator.  In  einem  mit  Materie  erfüllten  Baume, 
der  isoliert,  ändern  sich  die  Kraftgesetze  (1)  und  (2).  Bringt  man 
nämlich  die  elektrischen  Pole  e,  e^  aus  dem  leeren  Baume  in  einen 
isolierenden  Körper,  z.  B.  Flüssigkeit,  so  wirken  sie  dort  schwächer 
aufeinander,  als  im  leeren  Baume,  so  daß  man  zu  setzen  hat 

(15J  ^=7  7r 

Die  Konstante  e  des  Isolators  heißt  seine  Dielektrizitäts- 
konstante. Die  Definition  gilt  auch  für  feste  Isolatoren,  nur  kann 
man  in  ihnen  die  Anziehungs-  oder  Abstoßungskräfte  der  elek- 
trischen Pole  nicht  so  bequem  beobachten,  wie  in  Flüssigkeiten,  Es 
gibt  aber  andere  Methoden,  um  auch  für  feste  Körper  ihre  Di- 
elektrizitätskonstante zu  bestimmen,  über  die  aber  auf  die  Lehr- 
bücher über  Elektrizität  verwiesen  sein  möge.  —  Für  alle  Körper 
ist  die  Dielektrizitätskonstante  größer  als  1. 

Analoges  gilt  auch  für  die  Kräfte  zwischen  magnetischen 
Polen,  die  etwas  verändert  erscheinen,  wenn  sie  vom  Vacuum  in 
einen  Körper  gebracht  werden,  so  daß  man  zu  schreiben  hat 

(16)  ir=i'?:'-. 

Die  Konstante  fi  heißt  die  Magnetisierungskonstante  des 
Körpers.    Sie  ist  bald  größer  als  1  (paramagnetische  Körper), 


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Optische  Eigenschaften  der  Körper.  255 

bald  kleiner  als  1  (diamagnetische  Körper);  sie  unterscheidet 
sich  aber  stark  von  1  nur  in  den  paramagnetischen  Metallen  Eisen 
Nickel,  Kobalt,  dagegen  in  Isolatoren  sehr  wenig  von  1.  Auf 
Isolatoren  kommt  es  aber  zunächst  allein  an,  da  es  sich  zunächst 
um  vollkommen  durchsichtige  Körper  handelt,  d.h.  solche,  welche 
die  Energie  der  elektromagnetischen  Wellen  ohne  Absorption,  d.  h. 
ohne  sich  dabei  zu  erwärmen,  fortpflanzen.  In  Isolatoren  ist  der  Unter- 
schied von  (i  gegen  1  so  gering  (meist  nur  wenige  Tausendstel 
Prozent),  daß  wir  im  folgenden  immer  ii=  1  setzen  können.  ^) 
Durch  die  Änderung  des  Kraftgesetzes  (2)  in  (15)  wird  in 
den  Gleichungen  (13)  eine  Änderung  eintreten,  da  bei  denselben 
Ladungen,  d,  h.  auch  denselben  Stromstärken,  die  elektrische  Kraft 
im  Isolator  im  Verhältnis  Hb  schwächer  ist,  als  im  Vacuum.  Daher 
ist  an  Stelle  von  (13)  zu  schreiben: 

4jc^'x  =  ^  "57  »  öte.,        47tsx  =^  5^  >  6tc-  (1*7) 

Für  einen  isotropen  Isolator  gelten  also  vermöge  der  auch  im 
Isolator  gültigen  Gleichungen  (7)  und  (11)  die  Formeln  (für  ^=1): 


£ÖX^by_d^       i.^=^_^       ±^Z^hß_^a 
c  6t        öy       bx^      c  bt        bz       bx^      c  5^       bx       5y ' 

cbt        bx        by  ^     c  bt        5x       bx  ^      c  bt        ?y        da: 


(18) 


Diese  Gleichungen  bestimmen  alle  Eigenschaftten 
des  elektromagnetischen  Feldes  in  einem  Isolator  voll- 
kommen. 

Wenn  man  allgemein  an  den  Gleichungen  (12)  festhält,  d.  h. 
wenn  man  festsetzt,  daß  die  Anzahl  der  von  einer  Ladung  aus- 
gesandten Kraftlinien  unabhängig  von  der  Natur  ihrer  Umgebung 
sein  soll,  so  lehrt  ein  Vergleich  mit  (17),  daß  man  in  dem  Körper 
zu  setzen  hat: 

Mx  =  (ia,    My^=liß,    Mx  =  liY, 


1)  Wir  werden  später  bei  Besprechung  der  optischen  Eigenschaften 
magnetisierter  Körper  genauer  beweisen,  weshalb  für  alle  Körper  die  Annahme 
/« =»  1  bei  Lichtschwingungen  berechtigt  ist.  Es  liegt  dies  nicht  etwa  daran, 
daß  die  Magnetisierung  des  Körpers  bei  so  schneUen  Feldwechseln,  wie  sie  im 
Lichte  bestehen,  nicht  folgen  könnte,  sondern  der  Grund  ist  komplizierter. 


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256  Kapitel  I. 

d.  h.  nur  im  Vacuum  (für  fi  =  i,  [i  =  l)  ist  die  Kraftlinien- 
dichte gleich  der  elektrischen,  bezw.  magnetischen  Kraft. 
Denken  wir  uns  einen  Elementar-Würfel  der  Seitenlängen 
dx^  dy,  dz,  welcher  die  elektrische  Ladung  e  enthält,  so  müssen 
aus  der  ganzen  Oberfläche  des  Würfels  4jte  Kraftlinien  aus- 
strahlen. Wenn  wir  andrerseits  die  ausstrahlenden  Kraftlinien 
berechnen  als  Summe  der  aus  den  Oberflächen  des  Würfels  aus- 
tretenden Kraftlinien,  so  geben  z.  B.  die  beiden  senkrecht  zur 
a:- Achse  liegenden  Flächen  die  Anteile:  —  {Nx\  dy  dz  +  {Nx)2  dy  dz 
wobei  die  Indices  1  und  2  sich  auf  die  beiden  gegenüber  liegenden, 
um  dx  voneinander  entfernten  Seiten  beziehen.  Nun  ist  offenbar 
(nach  der  Definition  des  Differentialquotienten): 

{N.\  =  (N.\  +  ^^  dx, 

so  daß  auf  diese  Weise  die  ganze,  durch  die  Oberfläche  des  Wür- 
fels tretende  Kraftlinienzahl  gefunden  wird  zu 


Setzen  wir  also  dieses  Aggregat  gleich  4jte  und  berücksichtigen 
die  Gleichungen  (19),  so  folgt,  falls  man  e:dxdydz  =  Q  die 
Ladung  der  Volumeneinheit  (Dichte  der  Ladung)  nennt: 

m  .,,_?^'  +  »<f>  +  *2>. 

Nach  ihrer  Herleitung  gilt  diese  Gleichung  auch  in 
isotropen,  inhomogenen  Körpern,  d.  h.  falls  b  mit  x,  y,  z 
variiert.  —  Eine  analoge  Gleichung  kann  man  für  die  magnetische 
Ladungsdichte  aufstellen. 

8.  Die  Grenzbedingnngeii.  Wenn  zwei  verschiedene  Körper 
aneinander  stoßen,  so  sind  gewisse  Bedingungen  für  den  Über- 
gang der  elektrischen  und  magnetischen  Kraft  über  die  Grenze 
der  Körper  zu  erfüllen,  die  man  aus  den  Hauptgleichungen  (18) 
durch  folgende  Bemerkung  gewinnen  kann:  In  Wirklichkeit 
vollzieht  sich  der  Übergang  von  einem  Körper  der  Dielektri- 
zitätskonstante fj  zu  einem  anderen  Körper  der  Dielektrizitäts- 
konstante 62  nicht  plötzlich,  so  daß  nur  eine  Trennungsfläche 
im  mathematischen  Sinne  besteht,  sondern  allmählich,  so  daß  die 
Dielektrizitätskonstante  innerhalb  einer,  allerdings  sehr  dünnen 


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Optische  Eigenschaften  der  Körper.  257 

Übergangsschicht  stetig  vom  Werte  s^  bis  «2  variiert.  Auch 
in  einer  solchen  Übergangsschicht  bestehen  die  Gleichungen  (7), 
(11)  und  (17),  daher  auch  (18),  d.  h.  alle  in  jenen  Gleichungen 
vorkommenden  DiflFerentialquotienten  müssen  endliche  Werte  be- 
halten. Nehmen  wir  nun  z.  B.  an,  die  beiden  Körper  stießen  in 
der    xy-Ebene   aneinander.      Da    in    der   Übergangsschicht   die 

?iV     A  y     Äff      A 

Differentialquotienten  5^ »  jj- 1  jj^  >  5«  endliche  Werte  behalten 
müssen,  so  folgt,  daß,  wenn  die  Dicke  der  Übergangsschicht,  d.  h. 
dz,  unendlich  klein  wird,  auch  die  Differenz  von  r,  X,  ft  a 
an  den  Grenzen  der  Übergangsschicht  unendlich  klein  wird,  mit 
anderen  Worten:  Die  der  Grenzfläche  parallelen  Kompo- 
nenten der  elektrischen  und  magnetischen  Kraft  müssen 
sich  stetig  verhalten  beim  Durchgang  durch  die  (als  ver- 
schwindend dünn  angenommene)  Grenzfläche,  in  Formeln: 

^1  =  ^2,    ^1=^2,    «i  =  öf2,    ß,  =  ß2mv  z  =  0,        (21) 

wobei  durch  untere  Indizes  die  Zugehörigkeit  zu  den  beiden  ver- 
schiedenen Körpern  gekennzeichnet  ist. 

Da  in  den  Hauptgleichungen  (18)  die  Differentialquotienten 

^  und  5^  nicht  vorkommen,  so  gelten  für  Z  und  7  nicht  dieselben 

Schlüsse,  wie  für  X,   Y,  a,  ß.    Indessen    ersieht   man   aus   der 

letzten  der  Gleichungen  (18),  daß  g^,    daher  auch  y,    zu  beiden 

Seiten  der  Übergangsschicht  denselben  Wert  hat,  weil  X  und 
Y  für  alle  Werte  von  x  und  y  zu  beiden  Seiten  der  Übergangs- 
schicht dieselben  Werte  haben.  Daher  geht  auch  7  stetig 
durch  die  Grenze,  wenn  diese  als  eine  Schicht  von  ver- 
schwindender Dicke  aufgefaßt  wird.  Aus  demselben  Grunde 
schließt  man  aus  der  dritten  der  Gleichungen  (18)  auf  Stetig- 
keit des  Produktes  eZ,  d.  h.  auf  ünstetigkeit  von  Z.  Man 
kann  also  zu  den  Grenzbedingungen  (21)  noch  die  Grenzbedingun- 
gen hinzufügen: 

fi  ^1  =  ^2^2,    7i  =  72für^  =  0.  (20 

Von  den  6  Gleichungen  (21)  und  (21')  sind  aber  wegen  des 
Bestehens  der  Hauptgleichungen  (18)  nur  4  von  einander  un- 
abhängig. 

Aus  (19)  in  Verbindung  mit  (21')  ergibt  sich,  daß  die 
Kraftlinien  auch  an  der  Trennungsfläche  zwischen  zwei 

Drude,  Lehrbuch  d.  Optik.   2.  Aufl.  1 7 


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258  Kapitel  I. 

Körpern  keine  freien  Enden  besitzen.  (NB.:  es  ist  in  (21') 
/«  =  1  angenommen,  sonst  würde  ny  stetig  sein!) 

9.  Die  Energie  des  elektromagnettsehen  Feldes.  Wenn  man 
die  Formeln  (18)  mit  den  Faktoren  Xdr,  Ydx^  Zdr,  adr,  ßdt,  ydr 
multipliziert,  wobei  dr  ein  Volumenelement  bedeutet,  und  über 
einen  beliebigen  Bereich  integriert,  so  erhält  man,  falls  man  setzt 

(22)  ®  =  ^(Z2+r2  +  z-0  +  ^(a2  +  ^2  +  y2). 

(23)  'iiJ^ä.  =  j(-\y^--l-)Xdr^... 

Mit  Benutzung  des  Hilfssatzes  S.  164  (Formel  20)  erhält  man 
nun  leicht: 

j^^^^^~ J  y^^^^  (^^)  ^^ ""  j^hf^^' 

wobei  dS  ein  Oberflächenelement  der  Oberfläche  desjenigen  Raumes 
bedeutet,  über  welchen  die  Integration  erstreckt  wird,  und  n  die 
innere  Normale  auf  dS.  Wendet  man  diese  Umformung  an  auf 
die  ersten  drei  Integrale,  welche  auf  der  rechten  Seite  von  (23) 
auftreten,  so  heben  sich  die  Eaumintegrale  gegenseitig  fort.  Es 
folgt  daher: 

^J(SdT  =  ^J[irY-ßZ)cos(nx)+  (aZ^rX)cos{ny) 

(24)  +{ßX  —  aY)cos  (n*) j  dS. 

Ziehen  wir  die  Grenzen  des  Integrationsbereiches  so  weit, 
daß  an  ihnen  die  elektrische  und  magnetische  Kraft  verschwindet, 
so  besagt  Formel  (24),  daß  die  Größe  ®  dieses  Bereiches  sich 
mit  der  Zeit  nicht  ändert.  ®  bedeutet  die  Energie  des 
elektromagnetischen  Feldes  in  der  Volumeneinheit  Man 
kann  diese  Bedeutung  tatsächlich  durch  Berechnung  der  Arbeits- 
leistungen, welche  bei  Verschiebung  von  elektrischen  oder  magne- 
tischen Ladungen  geleistet  werden,  erhalten.  (Vgl.  hierüber  das 
Nähere  in  der  Physik  des  Äthers  vom  Verf.,  S.  127,  272.) 

10.  Die  Lichtstralilen  als  Stromnngslinien  der  Energie. 
Wenn  an  den  Grenzen  des  Integrationsbereiches  X,  Yj  Z,  a,  ft  y 
nicht  verschwinden,  so  kann  man  den  Sinn  der  Formel  (24)  so 
interpretieren,  daß  die  Änderung  der  elektromagnetischen  Energie 


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Durchsichtige  isotrope  Körper.  259 

eines  Raumes  dadurch  herbeigef&hrt  wird,  daß  dieselbe  in  seine 
Begrenzungsfläche  ein-  resp.  ausströmt.  Als  Komponenten  fx^fy^ 
fx  dieses  Energieflusses  können  nach  (24)  angesehen  werden: 

f-  =  i^i7r-ßZ),  fy  =  :^{aZ^rX),  A=^OSX-an        (25) 

Da  hiemach  die  Relationen  bestehen: 

so  steht  die  Bahn  des  Energieflusses  stets  senkrecht  auf  der 
elektrischen  und  magnetischen  Kraft. 

Diese  von  Poynting  herrührende  Theorie  der  Bewegung  der 
Energie  im  elektromagnetischen  Felde  hat  für  die  Lichttheorie  in- 
sofern große  Bedeutung,  als  wir  die  Lichtstrahlen  als  diese 
Strömungslinien  der  Energie  auffassen  müssen.  Denn  nach  S.  5 
haben  wir  einen  Lichtstrahl,  der  von  einer  Lichtquelle  Q  nach 
einem  Punkte  P  geht,  als  den  geometrischen  Ort  derjenigen  Punkte 
definiert,  auf  welchen  irgend  ein  Hindernis,  d.  h.  ein  undurch- 
sichtiger Körper  angebracht  sein  muß,  um  die  Lichtwirkung  in  P 
abzuschneiden.  Nun  kann  offenbar  Energie  von  Q  nach  P  nicht 
fortgepflanzt  werden,  wenn  die  durch  Q  und  P  gehende  Strömungs- 
linie der  Energie  auf  ein  Hindernis  stößt 

Nach  (25)  ist  daher  die  Richtung  des  Lichtstrahles  als  senk- 
recht zur  elektrischen  und  magnetischen  Kraft  bestimmt. 


Kapitel  IL 

Durchsichtige  isotrope  Körper. 

1,  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  des  Lichtes.  Das  Zu- 
standekommen einer  ebenen  elektromagnetischen  Welle  kann  man 
sich  nach  den  Anschauungen  der  elektrischen  Theorie  in  folgender 
Weise  klar  machen:  Denken  wir  uns,  daß  in  einem  gewissen  Zeit- 

17» 


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2^iO  K^>«el  IL 

moment  eine  elektrische  Stromimg  parallel  znr  x-Achse  innerbalb 
einer  dannen  Schicht  erregt  würde,  welche  parallel  mr  ajrEbene 
liegt  Diese  Strömung  ruft  magnetische  Kräfte  am  Bande  der 
Schicht  hervor,  die  parallel  znr  y-Achse  liegen.  Dorch  die  ent- 
stehenden magnetischen  Kraftlinien  werden  elektrische  Kräfte 
induziert  welche  innerhalb  der  Schicht  nach  der  negativen  x-Achse, 
aoBerhalb  der  Schicht  nach  der  positiven  x-Achse  gerichtet  sind. 
Im  Inneren  der  Schicht  verschwindet  daher  die  elektrische 
Strömung,  weü  die  induzierten  Strome  die  ursprünglich  erregten 
Strome  aufheben,  dafür  treten  aber  außerhalb  der  Schicht  elek- 
trische Strome  auf,  welche  nach  der  positiven  x-Achse  laufen.  In 
dieser  Weise  pflanzt  sich  ein  elektrischer  Impuls  als  Welle  nach 
der  positiven  und  negativen  x-Achse  fort 

Um  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  zu  finden,  wollen  wir 
auf  die  Hauptgleichungen  ^iS]  des  vorigen  Kapitels  zurück- 
greifen. 

Differenziert  man  die  ersten  drei  Gleichungen  (IS)  nach  der 
Zeit  t  und  setzt  für  iact,  ißtt^  iyit  die  aus  den  letzten  drei 
Gleichungen  (IS;  folgenden  Werte,  so  entsteht: 

und  analog  zwei  andere  Gleichungen,  Man  kann  diese  Gleichung 
nun  in  der  Form  schreiben: 

Nun  erhält  man  aber  durch  Diffierentiation  der  ersten  drei 
Gleichungen  (18)  bezw.  nach  x,  y,  z  und  Addition: 


Ux  ^  bu  ^  öz)        "• 


bt\dx    "^  dy 

Da  es  sich  im  folgenden  stets  nur  um  periodische  Veränderungen 
der  elektrischen  und  magnetischen  Kräfte  handelt,  bei  denen  der 
Differentialquotient  nach  der  Zeit  t  den  Größen  selbst  proportional 
ist  (wenn  man  noch  die  Phase  */2  hinzufugt),  so  kann  man  aus 
der  letzten  Gleichung  den  Schluß  ziehen,  daß  sein  muß: 

^^2^  —  -4-  —  4-  —  —  0 


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Durchsichtige  isotrope  Körper.  261 

Die  Gleichung  (1)  wird  daher 

c2   Ö/2  —  da;2  "*"  Öy2  +   0^2  ~  -^^  • 

Analoge  Gleichungen  befolgen  F,  Z,  so  daß  das  Gleichungssystem 
entsteht: 

Die  magnetischen  Kraftkomponenten  befolgen  analoge  Glei- 
chungen: 

Nun  haben  wir  schon  früher  S.  161  gesehen,  daß  Differential- 
gleichungen der  Form  (3)  (3')  auf  Wellen  führen,  welche  sich  mit 
der  Geschwindigkeit 

V=^  (4) 

fortpflanzen.  Dies  ist  also  nach  der  elektromagnetischen  Auffassung 
der  Natur  des  Lichtes  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  des  Lichtes, 
wobei  es  ganz  gleichgültig  ist,  ob  man  die  elektrische  Kraft  oder 
die  magnetische  Kraft  als  Lichtvektor  interpretiert  Denn  beide 
sind  untrennbar  miteinander  verbunden  und  pflanzen  sich  mit 
derselben  Geschwindigkeit  fort 

Wenden  wir  zunächst  die  Formel  (4)  für  den  freien  Äther 
(leeren  Raum)  an,  so  folgt,  daß  dort  die  Lichtgeschwindig- 
keit gleich  dem  Verhältnis  c  des  elektrostatischen  zum 
elektromagnetischen  Maßsystem  sein  muß.  Diese  Fol- 
gerung wird  nun  in  der  Tat  glänzend  bestätigt,  denn  oben  8. 112 
gaben  wir  als  Mittel  der  Lichtgeschwindigkeit^)  aus  den  zuver- 
lässigsten Messungen  7=2,999-10^^  cm/sec  an,  welche  Zahl 
durchaus  innerhalb  der  Beobachtungsfehler  mit  der  aus  rein  elektro- 
magnetischen Experimenten  gewonnenen  Zahl  c  =  3  •  10^^  cm^sec 
tibereinstimmt 


1)  Daß  sich  dieselbe  auf  das  Vakuum  bezieht,  ist  oben  S.  113  hervor- 
gehoben. 


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262 


Kapitel  H. 


Dies  ist  der  erste  durchschlagende  Erfolg  der  elektro- 
magnetischen Lichttheorie. 

In  einem  ponderabeln  Körper  muß  nach  (4)  die  Licht- 
geschwindigkeit im  Verhältnis  1 :  )/T  kleiner  sein,  als  im  Vakuum, 
d.  h.  da  der  Brechungsindex  no  des  Körpers  gegen  das  Vakuum 
das  Verhältnis  der  Lichtgeschwindigkeiten  im  Vakuum  und  im 
Körper  bedeutet,  so  muß  sein: 

(5)  %  =  Y6,    W2  =  6, 

d.  h.  das  Quadrat  des  Brechungsindex  ist  gleich  der  Di- 
elektrizitätskonstante. 

Diese  Beziehung  kann  nun  in  aller  Strenge  nicht  erfüllt  sein, 
schon  aus  dem  Grunde,  weil  der  Brechungsindex  no  bei  allen 
Körpern  von  der  Farbe,  d.  h.  der  Periode  der  Oszillationen,  ab- 
hängt, während  die  Dielektrizitätskonstante  e  als  eine,  von  der 
Oszillationsdauer  unabhängige  Konstante  definiert  ist 

Zunächst  ist  aber  bei  Gasen,  bei  denen  die  Abhängigkeit  des 
Brechungsindex  von  der  Farbe  sehr  gering  ist,  die  Eelation  (5) 
recht  gut  erfüllt,  wie  folgende  Tabelle  ergibt,  in  der  die  Di- 
elektrizitätskonstanten einer  Bestimmung  von  Boltzmann^)  ent- 
nommen sind,  während  die  Brechungsindizes  für  Licht  mittlerer 
Farbe  (gelb)  gelten: 


VT 


1,000294 

1,000295 

1,000138 

1,000132 

1,000449 

1,000473 

1,000346 

1,000345 

1,000  503 

1,000497 

Luft     .... 
Wasseritoff  .    . 
Kohlensäure 
Kohlenoxyd 
Stickoxydul 

Auch  bei  den  flüssigen  Kohlenwasserstoffen  stimmt  die  Be- 
ziehung (5)  recht  gut,  z.  B.  bei  Benzol   ist  tio   (gelb)  =  1,482, 

y7=  1,49. 

Dagegen  sind  sowohl  bei  vielen  festen  Körpern,  z.  B.  den 
Gläsern,  als  auch  bei  den  Alkoholen  und  bei  Wasser  eklatante  Ab- 
weichungen vom  Gesetz  (5)  vorhanden:  es  ist  s  immer  viel  größer 
als  w«,  wie  folgende  Tabelle  lehrt: 


1)  L.  Boltzmann,   Wien.   Ber.  09,   S.  795,    1874.  —  Pogg.   Aun.   155, 
S.  407,  1873. 


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Durchsichtige  isotrope  Körper.  263 


Wasser     .    . 

Methylalkohol 

Äthylalkohol 


1,33 
1,34 
1,36 


V^ 


9,0 
5,7 
5,0 


Um  diese  Abweichungen  zu  erklären,  bedarf  die  elektrische 
Theorie  einer  Erweiterung  ihrer  Grundgleichungen.  Dies  soll  im 
Kapitel  V  dieses  Abschnittes  geschehen.  Nach  dieser  Erweiterung 
erscheint  dann  die  hier  als  Konstante  auftretende  Größe  e  von 
der  Oszillationsdauer  abhängig. 

Bevor  wir  aber  hierauf  eingehen,  wollen  wir  untersuchen,  wie 
diejenigen  optischen  Eigenschaften  der  Körper  nach  der  elektrischen 
Theorie  dargestellt  werden,  auf  welche  das  Dispersionsgesetz,  d.  h. 
die  Abhängigkeit  des  no  von  der  Farbe,  keinen  Einfluß  hat  Wir 
wollen  also  im  folgenden  denken,  daß  mit  Licht  von  be- 
stimmter Farbe  operiert  wird,  und  daß  die  im  Kapitel  V 
zu  behandelnde  Erweiterung  schon  gemacht  wäre,  so 
daß  die  in  den  Hauptgleichungen  auftretende  Konstante  e 
übereinstimmt  mit  dem  Quadrat  des  Brechungsindex  no 
für  die  bestimmte  Farbe. 

2.  TransTersalität  ebener  Wellen.  Eine  ebene  elektrische 
Welle  wird  durch  die  Gleichungen  dargestellt: 

A  =  ^x  •  C08 ~rp-  \t y ^ j  , 

-17         A  ^^    /i        mx -\- ny  +  px\  ,^v 

Y=Ay'C08-^\t V^^l  '  (^) 

rj         A              2^    (^       'wa;  -\'ny-{-  px\ 
Z=  Ax'  cos-rp-  \t p;       ^  j  . 

Denn  die  Phase  ist  dieselbe  in  den  Ebenen: 

^wx  +  «1/  +  i?;t  ^  konst.,  (7) 

welches  dann  die  Gleichung  der  Wellenebenen  ist  m,  w,  p  sind 
die  Richtungskosinus  der  Normale  zu  den  Wellenebenen,  wenn 
man  noch  die  Bedingung  vorschreibt: 

W2  +  w2  4-J92==l.  (8) 

Äx^  Ayj  Ax  sind  die  Komponenten  der  Amplitude  A  der  resul- 


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264  Kapitel  IL 

tierenden  elektrischen  Kraft.  Sie  sind  also  proportional  den 
Eichtungskosinus  dieser  Amplitude  A.  Infolge  der  Differential- 
gleichung (2)  auf  S.  260  muß  sein: 

(9)  Ax'm-\'  Ay'n'\'  Ax'V  =  ^  ^ 

welche  Gleichung  ausdrückt,  daß  die  resultierende  Amplitude  A 
senkrecht  auf  der  Wellenebenen-Normale,  d.  h.  der  Fortpflanzungs- 
richtung, steht,  mit  anderen  Worten,  daß  die  Welle  eine 
Transversalwelle  ist  Dieselbe  Folgerung  gilt  fttr  die  magne- 
tische Kraft.  —  Die  Transversalität  ebener  Wellen  folgt  also  aus 
der  Gleichung  (2)  bezw.  (2'),  d.  h.  aus  der  Form  der  Haupt- 
gleichungen der  Theorie. 

3.  Beflexion  und  Brechung  an  der  Grenze  durehsiclitiger 
isotroper  Korper.  Die  Körper  1  und  2  mit  den  Konstanten  i^ 
und  62  mögen  in  einer  Ebene,  der  ajtz-Ebene,  aneinander  grenzen. 
Die  positive  ;t-Achse  gehe  vom  Körper  1  zum  Körper  2  (vergL 
Fig.  83).  Es  mögen  von  ersterem  auf  letzteren  ebene  Wellen 
unter  dem  Einfallswinkel  (p  einfallen,  und  zwar  sei  die  x^c-Ebene 
die  Einfallsebene.  Die  Eichtungskosinus  der  Fortpflanzungsrichtung 
in  der  einfallenden  Welle  sind  dann: 

(10)  m  =  sin  (p,    w  =  o,   p  =  cos  g)  . 

Wir  wollen  die  einfallende  elektrische  Kraft  in  zwei  Kompo- 
nenten zerlegen:  eine  senkrecht  zur  Einfallsebene  liegende  Kom- 
ponente, deren  Amplitude  Es  sei,  und  eine  in  der  Einfallsebene 
liegende  Komponente,  deren  Amplitude  Ep  sei.  Erstere  Komponente 
Uegt  zu  der  y-Achse  parallel,  so  daß  vermöge  (6)  und  (10)  für  die 
«^Komponente  der  einfallenden  elektrischen  Kraft  zu  schreiben  ist: 

(11)  Ye  =  Es'  C08-jr\t ^-p -)] 

wobei  Fl  die  Lichtgeschwindigkeit  im  Körper  (1)  bedeutet.  Nach 
(4)  ist 

(12)  F,  =  c:y7;. 

Die  in  der  Einfallsebene  liegende  Komponente  Ep  der  elek- 
trischen Kraft  liegt  wegen  der  Transversalität  der  Welle  senkrecht 
zum  Lichtstrahl,  d.  h.  die  nach  der  x-  bezw.  »-Achse  genommenen 


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Durchsichtige  isotrope  Körper.  265 

Komponenten  Ax  bezw.  Ax  der  Amplitude  Ep  müssen  die  Werte 
haben: 

-4x  =  J^p  •  CO»  (p ,     ^x  =  —  Ep'  sin  g>j 

wenn,  wie  in  Fig.  (83)  gezeichnet  ist,  der  positive  Sinn  von  Ep 
von  der  Grenze  fort  zeigt 

Die  X-  und  «-Komponente  der  elektrischen  Kraft  der  einfallen- 
den Welle  wird  daher 


^           ^                           271  f.        X  sin  CD  -\-  xeo8  q>\ 
Xe  =  Ep'cosg)  '  co8-jrli ^^ -) , 

ry              r^       .               ^7t  ( ±       X  sin  w  -\'  X  cos  w\ 
Zt  =—Ep'8inq>'C08—^~lt ^ ^j. 


Mit  der  elektrischen  Kraft  der  einfallenden  Welle  ist  nun 
notwendig  verbunden  eine  magnetische  Kraft,  deren  Komponenten 
sich  aus  den  früheren  Hauptgleichungen  (18)  der  S.  255  und  unter 
Eücksicht  auf  (12)  der  Seite  264  berechnen  zu: 

^                  r—          2n  i.       X  sin  w-\'  xcos  <p\ 
06  =  —  Es  *  C08  g)  y f  1  cos -j- It ^r ^j , 

a          ,     E7        r—         ^^  It       xsin(p  +  %■  cos  «p\  ,^  .. 

ft=  +  ^p  '^^cos-^\t "^^ ^j,  (14) 

,     T^        .           ,—          2n  (^       X  sin  w  -{-  x  cos  q>\ 
Ye==  +  Es'  sing)  yTi  cos  -y- \t ^^ ^j . 

Ist  also  Es  =  0,  -Ep  >  0 ,  so  ist  a«  =  7«  =  0 ,  i9«  von  Null  ver- 
schieden, d.  h.  die  in  der  Einfallsebene  liegende  Amplitude  Ep  der 
elektrischen  Kraft  ruft  eine  senk- 
recht zur  Einfallsebene  liegende  Kom- 
ponente ßö  der  magnetischen  Kraft 
hervor.  Umgekehrt  ruft  die  senk- 
recht zur  Einfallsebene  liegende 
Komponente  Es  der  elektrischen  Kraft 
eine  in  der  Einfallsebene  liegende 
magnetische  Kraft  hervor.  Dieses 
Resultat,    daß    die   notwendig   mit-  ^ 

einander    verbundenen    elektrischen  ^ig.  ss. 

und  magnetischen  Kräfte  stets  senk- 
recht aufeinander  stehen,  folgte  schon  aus  der  oben  S.  260  an- 
gestellten Überlegung. 

Wenn  die  einfallende  elektromagnetische  Welle  auf  die  Grenze 
trifft,  so  zerlegt  sie  sich  in  eine  reflektierte  und  eine  gebrochene 


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266  Kapitel  n. 

Welle.    Wir  können  die  elektrischen  Kräfte  in  der  reflektierten 
Welle  analog  wie  in  (11)  und  (13)  darstellen  durch: 

_         _,               /            2n  (.      X  sin  w  -\-  %  cos  q}\ 
Xr  =  Bp'  cos  ip   '  C08  -jT it ^^^—y ^  1 , 

(15)  Yr  =  R8'Cos  Y[i ^y^ -) > 

„              r^       .      t       2n(^      X  sin  (p  -\-  x  cos  q>\ 
Zr=  —  Rp-s%nip  cos-^H ^--y —j , 

in  der  gebrochenen  Welle  durch: 

(16)  y,  =  I?.-co.^(<-^""^+/''^, 

rj               7-1        •                 27t  ( .      X  sin  x  -\-  X  COS  x\ 
Z2  =  —  Dp'StnX'C08-^  [t ^^ ^y 

Hierin  bezeichnen  Bp,  Rs,  Dp,  Da  Amplituden,  9?'  den  Re- 
flexionswinkel (d.  h.  Winkel  zwischen  +  ;i;-Achse  und  Fort- 
schreitungsrichtung  der  reflektierten  Welle),  x  den  Brechungs- 
winkel. 

Die  zugehörigen  magnetischen  Kräfte  sind  entsprechend  (14): 

r>               '    ,/ —           ^^/^       ^  sin  <p   -^  X  cos  w\ 
aT=—  Ra  'C08<p  '  Vfii  'COS-yU ^^p. ^j, 

(17)      ßr=+Rp'yrr,.cos^{t....), 

Yr='+R8'  sin  (p    V^  '  cos  -~(t j . 

T-i                  -,/ —           ^^  /^       ^  sin  r  -\-  X  cos  y\ 
a2  =  —D8'CosX'Ye2  •  cos-^l^t ^-^ ^j, 

(18)  ß2==+Dp'  V^'  cos^-^(t  ....), 

Y2  =  +  Ds'sin  X'  Ve^  -  cos^{t )• 

Wegen  der  Grenzbedingungen  (21)  im  vorigen  Kapitel  (S.  257) 
sollen  nun  für  ^  =  0  gewisse  Beziehungen  zwischen  den  elek- 
trischen, bezw.  magnetischen  Kräften  für  alle  Werte  der  Zeit  und 
der  Koordinaten  a:,  y  bestehen.  Solche  Bedingungen  kann  man  nur 


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Durchsichtige  isotrope  Körper.  267 

erfüllen,  wenn  für  ;?;  =  0  alle  Kräfte  proportional  zu  derselben 
Funktion  von  t^  x,  y  werden,  d.  h.  es  muß  sein: 

?iw_JP g^'^  y  sin  X  /.QN 

Fl    ""    V, vT'  ^^' 

Aus  der  ersten  Gleichung  folgt  sin  tp  =  s^in  (p\  d.  h.  da  die 
Richtung  des  reflektierten  Strahles  nicht  völlig  übereinstimmen  kann 
mit  dem  einfallenden  Strahl: 

cos  (p  ^=^  —  cos  (p    d.  h.  q>  ^=  jc  —  90.  (20) 

Dies  ist  das  Eeflexionsgesetz,  dem  zufolge  der  einfallende 
und  reflektierte  Strahl  symmetrisch  zum  Einfallslot  liegen. 

Die  zweite  Gleichung  (19)  enthält  das  Brechungsgesetz, 
da  man  aus  (19)  folgert: 

sin  (p  :  sin  x=  Vf  \   ^2  =  w,  (21) 

wobei  n  der  Brechungsindex  des  Körpers  2  gegen  den  Körper  1  ist. 

Das  Eeflexions-  und  Brechungsgesetz  folgt  also  aus 
dem  Bestehen  von  Grenzbedingungen  überhaupt,  ganz 
unabhängig  von  der  besonderen  Form  der  Grenzbedin- 
gungen. 

Was  nun  die  letztere  anbelangt,  so  ist  zu  berücksichtigen, 
daß  hier  -y,  =  X  +  Xr  und  analog  für  die  übrigen  Kräfte  zu 
setzen  ist,  da  die  elektrische  Kraft  im  Körper  1  die  Superposition 
der  einfallenden  und  reflektierten  Kraft  ist.  Daher  ergeben  die 
Grenzgleichungen  (21)  der  S.  257  unter  Kücksicht  auf  (20): 

{Ep  —  i?j,)  cos  q>  ^=  Dp  cos  X, 

Ks    -|-    ^8  ^^  ^«   > 

{Es  —  Rs)  Ve^  cos  <p  =  Da  V^  cos  x,  ^^^^ 

{Ep-\'Rp)Y7^  =^DpV^2' 

Hieraus  kann  man  die  reflektierten  und  gebrochenen  Ampli- 
tuden in  ihrer  Abhängigkeit  von  den  einfallenden  Amplituden  be- 
rechnen.   Es  folgt  nämlich: 


\  yci  eos<p/^ 

\y  f2  cos  X  /  Vy  f2  cos  X         / 


(23) 


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268  Kapitel  III. 

(23)  '{cos^-^  yTTj' 

^  fcos  <p  y^\  (cos  (p        Ve,\ 

Ersetzt  man  hierin  das  Verhältnis  Vl^  :  V^u  welches  nach  (4) 
gleich  dem  Brechungsindex  n  vom  Körper  2  gegen  den  Körper  1 
ist,  durch  das  Verhältnis  sin  q):  sin  x^  entsprechend  (21),  so  lassen 
sich  die  Formeln  (23)  in  der  Gestalt  schreiben: 


(24) 


T^   ^  2  sin  X  cos  y     T^   _  ^  2  sin  x  cos  V 

^'        ^*    sin(<p-rx)    '  ^P~^Psin(<p  +  x)<^s{9-X)' 


Dies  sind  die  sogenannten  Fresnelschen  Keflexions- 
formeln,  aus  denen  man  Phase  und  Intensität  des  reflektierten 
und  gebrochenen  Lichtes  vollständig  berechnen  kann  aus  der  Be- 
schaffenheit des  einfallenden  Lichtes. 

Nach  (24)  verschwindet  Ä  nie,  aber  Rp  wird  Null,  falls  ist 

(25)  tg{(p+x)  =  <^,    <P  +  X=^/2. 

d.  h.  wenn  der  reflektierte  Strahl  senkrecht  auf  dem  gebrochenen 
Strahl  steht 

Aus  (25)  folgt,  daß  in  diesem  Falle  sin  %  =  sin  (^/j  —  g>)  =  cos  tp 
ist,  d.  h.  nach  (21)  muß  sein: 

(25')  tg  g>==n. 

Wenn  also  der  Einfallswinkel  g>  diesem  Werte  entspricht,  so 
enthält  die  reflektierte  Welle  gar  keine  elektrische  Amplitude,  die 
in  der  Einfallsebene  liegt,  ganz  unabhängig  davon,  wie  das  ein- 
fallende Licht  beschaffen  ist,  d.  h.  welches  Verhältnis  Ea :  Ep  be- 
steht Also  auch  wenn  natttrliches  Licht  unter  dem  Einfalls- 
winkel 9),  der  (25')  entspricht,  einfallt  enthält  die  reflektierte  Welle 
nur  eine  elektrische  Amplitude,  die  senkrecht  zur  Einfallsebene 
liegt,  d.  h.  sie  ist  linear  polarisiert  Dieser  Einfallswinkel  9 
entspricht  nun  tatsächlich  dem  oben  S.  232  genannten  Brewster- 
schen  Gesetz.  Zugleich  ergibt  sich  jetzt,  da  wir  die  Einfallsebene 
die  Polarisationsebene  genannt  haben  (vgl  oben  S.  232),  daß  in 
einer  linear  polarisierten  Welle  der  Lichtvektor  senk- 


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Durchsichtige  isotrope  Körper.  269 

recht  zur  Polarisationsebene  liegt,  wenn  wir  ihn  mit  der 
elektrischen  Kraft  identifizieren. 

Dagegen  würde  der  Lichtvektor  in  der  Polarisations- 
ebene liegen,  wenn  wir  ihn  mit  der  magnetischen  Kraft 
identifizieren  würden,  da  nach  den  Formeln  (17)  und  der  S.  265 
Rp  die  Bolle  der  senkrecht  zur  Einfallsebene  liegenden  magnetischen 
Amplitude  spielt  Aus  dieser  Annahme,  daß  die  magnetische 
Kraft  der  Lichtvektor  ist,  folgen  die  F.  Neumannschen  Ke- 
flexionsformeln. 

Die  Intensitäten  der  reflektierten  elektrischen  und  magnetischen 
Welle  sind  völlig  gleich;  denn  haben  wir  z.  B.  einfallendes  Licht, 
welches  in  der  Einfallsebene  polarisiert  ist,  so  haben  wir,  um  die 
reflektierte  Intensität  zu  berechnen,  nur  die  erste  der  Gleichungen 
(24)  anzuwenden,  sowohl  wenn  wir  als  Lichtvektor  die  elektrische 
Kraft  auffassen,  als  auch  wenn  wir  ihn  als  magnetische  Kraft  inter- 
pretieren. Denn  nach  (14)  der  S.  265  ist  in  jedem  Falle  E»  die 
Amplitude  des  einfallenden  Lichtes. 

Dagegen  sind  die  Vorzeichen  der  reflektierten  elektrischen  und 
magnetischen  Amplitude  voneinander  verschieden.  Dies  macht 
keinen  Unterschied  für  die  Intensitäten,  da  es  bei  ihnen  nur  auf 
das  Quadrat  der  Amplitude  ankommt,  aber  wohl  für  die  Phasen 
der  Wellen.  Wir  wollen  dies  an  einem  speziellen  Fall  näher 
erörtern. 

4*  Senkrechte  Inzidenz.  Stehende  Wellen.  Die  Formeln  (24) 
werden  zunächst  für  9?  =  0  unbrauchbar,  da  sowohl  9)  als  x  zu  Null 
würden.  Dagegen  erhalten  wir  aus  (23)  direkt,  da  V^  :  Vs,^=n, 
C08  9)  =  C05  X  =  1  ist: 

Rs=—  Es  ^^-^ ,    Bp  =  Ep  ^^—^'  (26) 

Die  erste  dieser  Formeln  besagt,  daß,  falls  w>>  l,  die  re- 
flektierte  elektrische  Amplitude  entgegengesetzt  ge- 
richtet  ist,  wie  die  einfallende  elektrische  Amplitude. 
Dasselbe  besagt  aber  auch  die  zweite  Formel,  denn  für  9?  «=  0 
bedeutet  ein  gleiches  Vorzeichen  von  Bp  und  Ep  tatsächlich  ent- 
gegengesetzte Lage  dieser  Amplituden,  wie  aus  dem  in  Figur  83 
der  S.  265  gezeichneten  positiven  Sinne  von  Fp  und  Ep  hervor- 
geht Die  durch  Interferenz  der  einfallenden  und  reflektierten 
Wellen  erzeugten  stehenden  Wellen  (vgl.  oben  S.  147)  müssen  daher 
an  der  reflektierenden  Fläche  selbst  einen  Schwingungsknoten  be- 


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270  Kapitel  n. 

sitzen,  der  allerdings  nur  dann  eine  vollständige  Nullstelle  sein 
-würde,  falls  Es  ebenso  groß,  wie  Es  ist,  d.  h.  falls  n  =  oo  wäre. 
Für  endliches  n  ist  also  nur  ein  Minimum  am  Spiegel  vorhanden, 
da  die  reflektierte  Amplitude  wenigstens  teilweise  die  Wirkung 
der  einfallenden  aufhebt. 

Für  die  magnetische  Kraft  bedeuten  aber  Ep,  JRp  ^e  senkrecht 
zur  Einfallsebene,  d,  h.  parallel  zur  y-Achse,  liegenden  Amplituden, 
Gleiches  Vorzeichen  dieser  Amplituden  bedeutet  tatsächlich  gleiche 
Richtung,  so  daß  aus  der  zweiten  der  Formeln  (26)  (und  ebenso  aus 
der  ersten  bei  richtiger  Interpretation  der  räumlichen  Amplituden- 
richtung) hervorgeht,  daß  die  reflektierte  magnetische  Ampli- 
tude gleich  gerichtet  mit  der  einfallenden  magnetischen 
Amplitude  ist  Stehende  magnetische  Wellen  haben  also  einen 
Schwingungsbauch  am  Spiegel  selbst,  falls  n  >  1. 

Die  photographische  Methode  Wieners  (vgl  oben  S.  147)  ergab 
an  Glas-  und  Metallspiegeln  *)  einen  Schwingungsknoten  am  Spiegel 
selbst  Dies  spricht  dafür,  daß  die  elektrische  Kraft  der  maß- 
gebende Vektor  für  die  photographische  Wirkung  ist,  was  ja  schon 
noch  bequemer  durch  die  oben  S.  237  besprochene  Methode  der 
stehenden  Wellen  bei  schief  einfallendem,  polarisiertem  Licht  er- 
wiesen war. 

5.  Polarisation  natfirlichen  Lichtes  beim  Durchgang  darek 
einen  Plattensatz.  Nach  den  Formeln  (24)  nimmt  Rsi  Es  be- 
ständig zu,  falls  q>  von  0  bis  «/2  wächst;  dagegen  nimmt  ü^, :  ^  zu- 
nächst ab,  erreicht  beim  Polarisationswinkel  den  Wert  Null  und 
wächst  dann  wieder  bis  zum  Maximum  1,  falls  9  den  Wert  «/j 
erreicht  (streifende  Inzidenz).  Für  alle  Einfallswinkel  ist  aber, 
falls  Es  =  Ep  ist,  Bs>  Bp.    Denn  aus  (24)  folgt: 

/07>  ^P   =  —   3    .    ???J?_±^. 

^^'^  Bs  Es       co8(ip-x) 

Daher  wird  bei  jedem  Einfallswinkel  natürliches  Licht  durch  Re- 
flexion partiell  (bezw.  total)  nach  der  Einfallsebene  polarisiert  Das 
gebrochene  Licht  muß  daher,  weil  kein  Licht  verschwinden  kann, 
stets  partiell  senkrecht  zur  Einfallsebene  polarisiert  sein.  So  er- 
klärt sich  die  polarisierende  Wirkung  eines  Plattensatzes. 


1)  Für  Metallspiegel  gelten  zwar  nicht  die  bisherigen  Formeln;  die 
Schlüsse  sind  aber  ganz  ähnlich:  die  Metalle  sollen  im  IV.  Kapitel  bebandelt 
werden. 


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Durchsichtige  isotrope  Körper.  271 

In  der  Tat  ergibt  auch  direkt  eine  Anwendung  der  beiden 
letzten  Formeln  (24)  an  den  beiden  Grenzen  einer  Glasplatte  für 
den  Durchgang  des  Lichtes  durch  dieselbe: 

W   =  W  ^^^  (^  "■  ^)'  (28) 

p  p 

falls  D's,  D'p  die  aus  der  Platte  austretenden  Amplituden  bedeuten. 
Für  Es  =  Ep  ist  daher  nach  (28)  beständig  Üs  <  ifp,  d.  h.  ein- 
fallendes natürliches  Licht  ist  nach  dem  Austritt  aus  der  Platte 
partiell  senkrecht  zur  Einfallsebene  polarisiert.  Total,  wie  bei  der 
Reflexion,  wird  allerdings  diese  Polarisation  unter  keinem  Einfalls- 
winkel 9P,  sie  wird  um  so  vollständiger,  je  größer  9)  ist  Falls  9? 
gleich  dem  Polarisationswinkel  ist^)  {tgq)  =  n,  ^+x  =  'l2)  ^rd 
nach  (28)  bei  E,=^Ep: 

Bei  n  =  1,5  ist  daher  i/« :  D'p  =  0,85,  das  Verhältnis  der  Inten- 
sitäten ist  L^8^:D'p^  =  {),li.  Beim  Durchgang  durch  5  Platten 
würde  dies  Verhältnis  auf  0,72  ^  =  0,20  gesunken  sein,  also  sich 
von  vollständiger  Polarisation  noch  erheblich  unterscheiden. 

6.  Experimentelle  Prüfung  der  Theorie.  Die  Formeln  (24) 
können  einerseits  durch  Intensitätsvergleichung  des  reflektierten  und 
einfallenden  Lichtes  geprüft  werden,  andererseits  bequemer  durch 
die  Drehung,  welche  die  Polarisationsebene  des  einfallen- 
den Lichtes  durch  Eeflexion  oder  Brechung  erfährt. 
Diese  Drehung  ist  ja  durch  die  Formeln  (27)  oder  (28)  zu  be- 
rechnen. 

Haben  wir  linear  polarisiertes  einfallendes  Licht,  so  nennt 
man  in  dem  Verhältnis  der  Komponenten,  Epi  Es^^  tg  «,  a  das 
Azimuth  der  Polarisationsebene  des  einfallenden  Lichtes. 
Das  reflektierte  und  gebrochene  Licht  ist  ebenfalls  linear  polarisiert, 
das  Azimuth  tp  seiner  Polarisationsebene  bestimmt  sich  aus  (27) 
und  (28).  Es  ist  tg  tp  =  Rp:  Rs,  —  Zur  Beobachtung  kann  man 
zweckmäßig  den  oben  S.  243  abgebildeten  Apparat  (ohne  Babinet- 
schen  Kompensator)  benutzen.    Das  einfallende  Licht  wird  durch 


1)  Für  diesen   erreicht    die    Polarisation    des    durchgehenden   Lichtes 
keineswegs  ein  Maximuni. 


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272  Kapitel  n. 

das  Nicol  p  polarisiert  (Polarisator),  und  dann  das  Nicol  p" 
(Analysator)  auf  DunkjBlheit  eingestellt.  Zu  jedem  a  kann  man 
daher  das  zugehörige  tp  beobachten. 

Nach  beiden  Methoden  hat  sich  eine  sehr  gute  Bestätigung 
der  Reflexionsformeln  ergeben,  nur  in  der  Nähe  des  Polarisations- 
winkels hat  Jamin  bei  strengerer  Prüfung  stets  eine  Abweichung 
von  den  Eeflexionsformeln  erhalten,  indem  das  reflektierte  Licht 
nicht  streng  linear  polarisiert,  sondern  elliptisch  polarisiert  war. 
Es  ist  daher  durch  den  Analysator  allein  (ohne  Kompensator)  nicht 
völlig  auszulöschen.  Diese  Erscheinungen  sollen  im  folgenden 
behandelt  werden. 

7.  Elliptische  Polarisation  des  reflektierten  Lichtes  erklärt 
dnreh  Oberflächen-  oder  Übergangsschichten,  Den  bisherigen 
Entwickelungen,  welche  auf  der  Anwendung  der  Grenzbedingungen 
(21)  der  S.  257  beruhen,  liegt  die  Annahme  zu  Grunde,  daß  der 
Übergang  vom  Körper  1  zum  Körper  2  ein  sprunghafter  sei. 
Streng  genommen  gibt  es  in  der  Natur  keine  Unstetigkeiten,^ 
zwischen  beiden  Körpern  1  und  2  muß  stets  eine  Übergangs- 
schicht vorhanden  sein,  in  der  die  Dielektrizitätskonstante  stetig 
von  6i  zu  fj  variiert;  zwar  wird  diese  Übergangsschicht  sehr  dünn 
sein,  ob  wir  aber  direkt  ihre  Dicke  vernachlässigen  können,  wie 
wir  bisher  getan  haben,  ist  zweifelhaft  bei  so  kurzen  elektro- 
magnetischen Wellen,  wie  sie  die  Lichtwellen  sind.  Außerdem 
wird  diese  natürliche  Übergangsschicht  zwischen  zwei  Körpern 
meist  noch  durch  das  Poliermittel  zu  einer  künstlichen,  dickeren 
Oberflächenschicht  gesteigert. 

Wir  werden  die  tatsächlichen  Verhältnisse  jedenfalls  besser 
treffen,  wenn  wir  Rücksicht  auf  eine  Übergangsschicht  nehmen. 

Doch  können  wir,  um  die  Rechnung  nicht  unnötig  zu  kom- 
plizieren, annehmen,  daß  diese  Übergangsschicht  von  so  geringer 
Dicke  l  sei,  daß  für  alle  Größen,  welche  mit  l  multipliziert  auf- 
treten, nur  diejenigen  Näherungswerte  einzuführen  sind,  welche 
sich  für  /  =  0  ergeben  würden. 

Zunächst  wollen  wir  jetzt  die  Grenzbedingungen  ableiten,  d.  h. 
diejenigen  Beziehungen,  welche  für  die  elektrischen  und  magne- 
tischen Kräfte  an  den  beiden  Grenzen  1  und  2  der  Übergangs- 
schicht bestehen.  Als  Grenzen  derselben  definieren  wir  diejenigen 
Stellen,  an  welchen  die  Dielektrizitätskonstante  die  konstanten 
Werte  s^  bezw.  62  erreicht  hat. 


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Durchsichtige  isotrope  Körper.  273 

Nach  der  Bemerkung  auf  S.  253  bestehen  die  Hauptgleichungen 
(18)  der  S.  255  auch  in  der  Übergangsschicht. 

Multiplizieren  wir  die  vierte  und  fünfte  dieser  Hauptgleichungen 
(18)  mit  einem  Dickenelement  dz  der  Übergangsschicht  und  inte- 
grieren zwischen  den  beiden  Grenzen  1  und  2,  so  entsteht,  da  die 
auftretenden  Größen  nicht  von  y  abhängen,  falls  y  senkrecht  zur 
Einfallsebene  gelegt  wird: 


8 

1 
2  2 


Nun  ist  nach  (21)  der  S.  257  a  und  ft  ferner  nach  (21')  der 
S.  257  auch  eZ  näherungsweise  konstant  innerhalb  der  Übergangs- 
schicht, d.  h.  man  kann  a,  /?,  sZ  vor  das  Integralzeichen  in  obiger^ 
Formeln  setzen  und  dafür  «2»  ß2i  ^2^  (oder  a^,  ßy,  e^Z^  schreiben. 
Man  erhält  so  z.  B.: 

2  2 

Ja-dx=^afdz,   /grf«  =  f2^/T- 

1  1 

Führt  man  die  Abkürzungen  ein: 

222 
J  dz  =  l,    Jedx  =  p,  j^:=g,  (30) 

111 

wobei  /  die  ganze  Dicke  der  Übergangsschicht  bedeutet  und  e 
ihre  Dielektrizitätskonstante  an  der  Stelle,  deren  Dickenelement 
mit  dz  bezeichnet  ist,  so  werden  die  Gleichungen  (29): 

^t  =  x,+  i^^-e,g-,,    r,=  y,-lp.       (31) 

Ebenso  ergeben  die  beiden  ersten  Gleichungen  des  Systemes 
(18)  auf  S.  255,  wenn  man  sie  mit  dz  multipliziert,  integriei-t,  und 
obiges  Näherungsverfahren  benutzt: 

aj_cf2  — ^  j^  — j^-,    ft  =  j?2  +  7ö~.  (32) 

Drude,  Lehrbuch  d.  Optik.   2.  Aufl.  18 


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274  Kapitel  II. 

Diese  Gleichungen  (31),  (32)  treten  als  Grenzbedingungen  an 
Stelle  der  früheren  (21)  der  S.  257. 

Für  die  elektrischen  und  magnetischen  Kräfte  in  den  Körpern 
1  und  2  können  wir  die  früheren  Ansätze  (11),  (13),  (14),  (15),  (16), 
(17),  (18)  dieses  Kapitels  auch  hier  verwenden,  aber  mit  einer  Er- 
weiterung, die  darin  besteht,  daß  die  Kräfte  in  der  reflektierten 
und  gebrochenen  Welle  eine  erst  aus  den  Grenzbedingungen  (31), 

(32)  abzuleitende  Phasendifferenz  gegen  die  Kräfte  in  der  ein- 
fallenden Welle  besitzen.  Ohne  eine  solche  Phasendifferenz  kann 
man  die  Grenzbedingungen  (31),  (32)  nicht  befriedigen. 

Am  einfachsten  lassen  sich  nun  diese  Phasendifferenzen  in 
folgender  Weise  berücksichtigen.  Schreiben  wir  (vgl  Formeln 
(15)  der  S.  266)  z.  B.: 

[27t  / .       X sin  w  -{- X  cos g>\    .     *  1 
~tV V, )  +  ^  J ' 

80  ist  Yr  der  reelle  Teil  der  komplexen  Größe 

[27t  i  ^         X  sin  (p  4-  X  cos  (p\,      rl 

Setzen  wir  nun 

(33)  i?,.e*^  =  Rs, 

80  können  wir  schreiben: 

/o  >i\  ^  f  ,  27ti  X  sin  cp'  -f- » cos  tp  \\ 

(34)  j/  =  gt  JR^  .  ,  1  -y.(^ ^  ^^ ^  jj , 

wobei  das  vorgesetzte  9t  bedeutet,  daß  der  reelle  Teil  der  nach- 
folgenden komplexen  Größe  zu  nehmen  ist.  Diese  in  der  Klammer 
stehende  komplexe  Größe  enthält  die  komplexe  Amplitude  Rs, 
80  daß  wir  also  einen  in  Yr  auftretenden  Phasenzuwachs 
6  dadurch  darstellen  können,  daß  Yt  gleich  dem  reellen 
Teil  einer  Exponentialfunktion  mit  komplexem  Faktor 
(komplexer  Amplitude)  ist.  Analog  werden  wir  auch  die 
übrigen  auftretenden  elektrischen  und  magnetischen  Kräfte 
schreiben. 

Anstatt  daß  man  nur  mit  den  reellen  Teilen  der  komplexen 
Größen  rechnet,  kann  man  auch,  wenn  es  sich  um  Behandlung 


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Durchsichtige  isotrope  Körper. 


275 


linearer  Gleichungen  (auch  linearer  Differentialgleichungen)  han- 
delt, die  elektrischen  und  magnetischen  Kräfte  zunächst  den 
komplexen  Größen  selbst  gleich  setzen,  und  am  Schlüsse  der 
Rechnung  wieder  allein  zu  den  reellen  Teilen  übergehen,  um  die 
physikalische  Bedeutung  zu  gewinnen. 

Wir  wollen  daher  jetzt  für  die  elektrischen  und  magnetischen 
Kräfte  die  früheren  Ansätze  (11),  (13),  (14),  (15),  (16),  (17),  (18) 
verwenden,  ersetzen  aber  die  in  ihnen  auftretenden  reellen  Ampli- 
tuden Es,  Ep,  Rs,  Rp  usw.  durch  komplexe  Amplituden  Es,  Ep,  Rg,  Rp 
usw.  und  die  cos  durch  die  Exponentialgrößen  [vgl.  (34)].  Dann 
ergeben  die  Grenzbedingungen  (31)  und  (32),  da  sie  Tut  z  =  0 
gelten  sollen  und  -X^  =  X  +  AV,  «i  =  a^,  +  or,  usw.  ist: 

(Ep  —  Rp)  cos9>  =  Dp[co5  X  +  »-^(V^j  —  ^^^2  9)], 

Es  +  Rs  =  Ds[i  +  i^cosxVT,^],  (35) 

(E3-Rs)yi;(^*g)  =  Ds[v72c^^z-^(-^vT2;-f)], 

(Ep+Rp)T^=Dp[V72  +  *^«>.xil. 


Aus  diesen  Gleichungen  sind  Rs,  Rp,  Dg,  Dp  in  ihrer  Abhängig- 
keit von  Es,  Ep  zu  berechnen.  Uns  interessiert  hier  wesentlich 
nur  das  reflektierte  Licht.  Ersetzt  man  das  Produkt  Te  durch  ^, 
die  Wellenlänge  der  betreffenden  Lichtsorte  im  Vakuum,  femer 
V2  durch  e :  V^,  so  folgt  aus  (35): 


C08  <p  Y^2  —  C08  X  V^  + 


2n 


Rp 

p  COS  (p  COS  X  —  [l  —  ?  f  2  sin'^  %)  V^i  C2 


cos  <p  y^  +  cos  X  y^  -h 


TU 


f  g)  y^i  —  cos  X  V^  +  * 


2n 


p  cos  ip  cos  X -\-  (^  —  9  £2  sin'^  x)  V^Tfä 

Ra  

Es 

/  COS  <p  cos  X  V^ci  f  2  —  P  -h  '  C2  ^^^  X 


(36) 


COS  <p  Y^i  +  cos  X  V^  + 


2n 


l cos  <p  cos  X  Vci  B2  -\-p  —  Ib2  sin^ x 
18* 


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276  K^itel  II. 

Nun  ist  zu  berücksichtigen,  daß  die  den  Faktor  i  ^njx  ent- 
haltenden Tenne  sehr  kleine  Korrektions-Größen  sind,  da  sie 
proportional  zu  der  Dicke  l  der  Oberflächenschicht  sind.  Ent- 
wickelt man  daher  die  Ausdrücke  (36)  nur  bis  auf  die  erste  Potenz 
des  Verhältnisses  l:  X,  so  entsteht: 

Ep- 
cos  g>V^-'Cos  xVTt  [^x^iJEcosw  V7^  ^^^ X  -  /C2  +  qs2^ sin^  y^  ( 
€08  <p  Ysi  +COS  X  "/ü  1  ^  ^  r    1        62  eos^  9  —  El  eo8^  X        i  ' 

(37)  Es  _ 

Es~ 

<^^^V^-^^xV^L^-1^^^      yj Je2-P  j 

cos  ^Y7i  -\-eos  xV^A  ^  ^eicos^^-BiCos^xf     ' 

Der  in  der  zweiten  dieser  Gleichungen  auftretende  Nenner 
des  Korrektionsgliedes  kann  nie  verschwinden,  d.  h.  es  kann  nie 
sein  Si  cos^g>  =  £3  ^^^X »  denn  wenn  «2  >  ^1  >  so  ist  beständig 
9)  >  X j  daher  cos  ^  <ico8  %.  Dagegen  kann  der  Nenner  des  Kor- 
rektionsgliedes in  der  ersten  der  Gleichungen  (37)  verschwinden, 
falls  nämlich  ist: 

(38)  cos  <p  y^  =  cosx  y^  . 

Diese  Beziehung  ist,  wie  eine  einfache  Umformung  von  (38) 
ergibt,  da  V7^ :  Vsx  =  n  ist,  für  den  sogenannten  Polarisations- 
winkel gp  erfüllt,  der  sich  nach  dem  Brewsterschen  Gesetz  tg^^=n 
bestimmt  Für  diesen  Einfallswinkel  folgt  daher  aus  (37)  (oder 
auch  direkt  aus  (36)): 

Rp .4n  ^^^  ^  irrP  cos^x  —  ^  ^7  -\-  ff  ^2^  9tn^  x 

(cos  (p  Y^2  +C0SX  Y^f 


(39)  ^g^i^cos^yi,^-^-^ 


Die  Ausdrücke  (37)   können  wir    noch   weiter   vereinfachen 
unter  Eücksicht  auf  das  Brechungsgesetz 

(40)  sin  g) :  sin  x=^  n  =  V^  :  V^  . 

Denn  hieraus  folgt 


(41) 


(i  cos^  q)  —  f2  ^^^  X  =  ^1  —  ^2 » 

f2  cos'^  <p  —  fi  cos"^  X=^  - —  ^  (^1  ^^^  9  —  ^2  ^^^  9^)  • 


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Durchsichtige  isotrope  Körper.  277 

Die  Natur  des  reflektierten  Lichtes  bestimmt  sich  nun  voll- 
ständig aus  dem  Verhältnis  RptKs.  Wir  wollen  annehmen,  daß 
das  einfallende  Licht  linear  unter  dem  Azimuth  45^  gegen  die 
Einfallsebene  (vgl.  oben  S.  271)  polarisiert  sei.  Dann  ist  Ep  =  Es, 
und  aus  (37)  folgt  unter  Rücksicht  auf  (40)  und  (41): 

R? cos  (<p  -f  ;:)  /;    ,     .^    s^Yfi  cos  <p  8in^  y  )       , ^. 

Kg""  C08(ip-£)    y^    ^    k    '  S^-Si'  SiSffl^^-  62008^9     ^f'       ^       ^ 

wobei  t]  eine  Abkürzung  ist  für 

V  =P  —  H^i  +  f2)  +  Qhh'  (43) 

Für  den  Polarisationswinkel  tg  ^  ^=  n  nimmt  (42)  den 
Wert  an: 

wie  am  einfachsten  aus  (39)  hervorgeht,  wenn  man  (39)  durch  die 
zweite  der  Gleichungen  (37)  dividiert,  und  nur  bis  auf  erste  Ord- 
nung in  f]:  X  geht 

Um  nun  die  physikalische  Bedeutung  der  Formeln  (42)  und 
(44)  zu  erkennen,  müssen  wir  berücksichtigen,  daß  nach  der  Be- 
zeichnung (33)  bedeutet: 

Kp  =  i?p.e''^^    Rs  =  Ä.e*'^%  (45) 

wobei  Bp  und  Ra  die"  Amplituden  der  parallel  und  senkrecht  zur 
Einfallsebene  liegenden  reflektierten  elektrischen  Kräfte  sind,  dp 
und  6  ihre  Phasenbeschleunigungen  gegen  die  einfallenden  Wellen. 
Es  ist  daher 

wobei  ()  das  relative  Amplitudenverhältnis,  A  die  relative 
Phasendifferenz  beider  Komponenten  bedeutet.  Nach  (44)  folgt 
daher  für  den  Polarisationswinkel  ^,  welcher  der  Gleichung 
tg^^=n  genügt: 

d.  h.  das  reflektierte  Licht  ist  nicht  linear  in  der  Eiafallsebene 
polarisiert,  wie  wir  es  früher  bei  Fehlen  einer  Übergangsschicht 


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278  Kapitel  11. 

abgeleitet  hatten,  sondern  es  ist  elliptisch  polarisiert  Die 
Bahnellipse  liegt  mit  ihren  Hauptachsen  parallel  und  senkrecht 
zur  Einfallsebene  (vgl.  S.  236)  und  hat  das  Achsenverhältnis  q. 
Wir  wollen  dasselbe  den  Elliptizitätskoeffizienten  ^nennen. 
Nach  (43),  (47)  und  (30)  läßt  sich  derselbe  schreiben: 

wobei  das  Integral  über  die  Übergangsschicht  (Oberflächenschicht) 
zwischen  beiden  Körpern  zu  erstrecken  ist 

Nach  (48)  hat  'q  ein  positives  Vorzeichen,  wenn  die  Dielek- 
trizitätskonstante 6  der  Übergangsschicht  beständig  zwischen  den 
Grenzwerten  s^  und  ^2  Ußgt»  und  falls  ^2  >  ^i  ist  Wenn  dagegen 
€  an  gewissen  Stellen  der  Übergangsschicht  größer  als  fi  und  e^ 
ist,  so  ist  'q  negativ,  falls  e^  >  f 2  ist  Die  Verhältnisse  kehren 
sich  um,  falls  62  >  ^1  ist,  d.  h.  falls  der  die  Reflexion  herbei- 
führende Körper  der  schwächer  brechende  ist  Ein  positiver 
EUiptizitätskoeffizient  'q  hat  nach  dem  positiven  Sinne  der  Ampli- 
tude Rp  (vgl.  Fig.  83  auf  S.  265)  zur  Folge,  daß  die  elliptische 
Erregungsbahn  im  reflektierten  Licht  entgegen  dem  Uhrzeiger 
durchlaufen  wird,  wenn  man,  in  der  Einfallsebene  stehend,  dem 
reflektierten  Licht  entgegenblickt,  und  die  einfallende  elektrische 
Kraft  unter  45®  gegen  die  Einfallsebene  von  links  oben  nach 
rechts  unten  geht  Dagegen  beschreibt  bei  dieser  Lage  der  ein- 
fallenden elektrischen  Kraft  die  reflektierte  elektrische  Kraft  die 
Erregungsbahn  im  Sinne  des  Uhrzeigers,  falls  q  negativ  ist 

Auch  für  beliebige  andere  Einfallswinkel  ist  das  reflektierte 
Licht  beständig  elliptisch  polarisiert,  obwohl  das  einfallende  Licht 
linear  polarisiert  ist,  denn  es  ergibt  sich  stets  eine  relative  Phasen- 
differenz J  zwischen  der  p-  und  s-Koraponente,  welche  nach  (42) 
und  (46)  den  Wert  hat: 

(49)  tgA  =  4^7]'-^^         cos^sin^^ 

während  das  Amplitudenverhältnis  q  nicht  merklich  von  dem  nor- 
malen Wert 

(50)  00.(^4-;:) 

(der  sich  bei  Fehlen  einer  Oberflächenschicht  ergibt)  abweicht^ 


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Durchsichtige  isotrope  Körper.  279 

falls  man  nur  bis  auf  erste  Ordnung  in  ?? :  2  geht.    Man  kann  für 
(49)  auch  schreiben  unter  Rücksicht  auf  (47): 

Wegen  des  kleinen  Betrages  von  q  wird  die  relative  Phasen- 
differenz nur  bedeutend  in  der  Nähe  des  Polarisationswinkels,  für 
den  ig  <p=^n  ist 

Diese  theoretischen  Erörterungen  haben  eine  vollständige  ex- 
perimentelle Bestätigung  gefunden.  Zunächst  bemerkt  man,  daß, 
falls  der  Einfallswinkel  nach  dem  Brewsterschen  Gesetz  tg(p=^n 
gewählt  wird,  das  reflektierte  Licht  trotzdem  nicht  vollständig 
linear  polarisiert  ist,  da  es  sich,  mit  einem  analysierenden  Nicol 
betrachtet,  nicht  vollständig  auslöschen  läßt,  allerdings  aber  stets 
sehr  annähernd.  Die  Untersuchung  des  elliptisch  polarisierten, 
reflektierten  Lichtes  mit  einem  Analysator  und  Kompensator  (vgl. 
oben  S.  241)  steht  mit  den  Formeln  (50)  und  (51)  in  gutem 
Einklang. 

Ferner  ergibt  sich,  daß  der  Elliptizitätskoefflzient  q  um  so 
geringer  ist,  je  weniger  die  reflektierende  Fläche  durch  Berührung 
mit  fremden  Stoffen  verunreinigt  ist.  So  ist  z.  B.  q  sehr  gering  an 
frischen  Spaltflächen  von  Kristallen  und  an  Flüssigkeitsoberflächen, 
die  man  durch  Überfließen  der  Flüssigkeit  fortwährend  frisch  er- 
hält. —  Bei  polierten  Spiegeln  ist  q  beträchtlicher.  Auch  die  Vor- 
zeichendifferenzen von  Q  bei  Vertauschung  der  Rolle  der  beiden 
Körper  1  und  2  entsprechen  der  Theorie.  Die  Theorie  wird  auch 
insofern  bestätigt,  als  bei  Reflexion  an  polierten  Körpern  q  im 
allgemeinen  positiv  sich  ergibt  Nur  bei  den  verhältnismäßig 
schwach  brechenden  Körpern  Flussspat  {n  =  1,44)  und  Hyalith 
{n  =  1,42)  ist  bisher  negative  elliptische  Polarisation  beobachtet 
worden.  In  der  Tat  kann  man  je  nach  der  Theorie  am  ehesten 
bei  schwach  brechenden  Körpern  diese  erwarten,  falls  nämlich 
der  Brechungsindex  der  Polierschicht  über  dem  des  Körpers  liegt 

Bei  gut  gereinigten,  polierten  Glasoberflächen  liegt  q  bei  Re- 
flexion in  Luft  etwa  zwischen  den  Werten  ^  =  0,03  (schweres 
Flintglas  vom  Brechungsindex  7i=l,75)  und  ^  =  0,007. 

Für  Flüssigkeiten  steigt  (bei  Reflexion  in  Luft)  q  nicht  über  den 
Wert  0,01.  Wasser  zeigt  einen  negativen  Elliptizitätskoeffizienten, 
der  bei  guter  Reinigung  der  Oberfläche  bis  zum  Werte  0,00035 
herabgedrückt  werden  kann.    Es  gibt  auch  sogenannte  neutrale 


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280  Kapitel  11. 

Flüssigkeiten,  wie  z.B.  Glyzerin,  welche  keine  elliptische Eeflexions- 
polarisation  haben.  Nach  der  hier  gegebenen  theoretischen 
Formel  für  den  Elliptizitätskoeffizienten  ist  nicht  notwendig,  daß 
diese  Flüssigkeiten  überhaupt  keine  Oberflächenschicht  besitzen, 
d.  h.  daß  eine  tatsächliche  Diskontinuität  der  Dielektrizitäts- 
konstanten beim  Übergang  von  Luft  zur  Flüssigkeit  stattfinde. 
Vielmehr  können  Schichten  existieren,  welche  Zwischenwerte  der 
Dielektrizitätskonstanten  besitzen,  falls  nur  zugleich  auch  noch 
Schichten  von  größerer  Dielektrizitätskonstante,  als  dem  Werte 
in  der  Flüssigkeit,  vorhanden  sind. 

Bei  positiven  Elliptizitätskoeffizienten  (für  Reflexion  in  Luft) 
kann  man  eine  untere  Grenze  für  die  Dicke  der  Ober- 
flächenschicht angeben.  Man  erhält  nämlich  offenbar  bei  einem 
bestimmten  positiven  q  den  kleinsten  Wert,  welchen  die  Dicke 
der  Oberflächenschicht  mindestens  besitzen  muß,  falls  man  die 
Dielektrizitätskonstante  derselben  als  konstant  annimmt  und  zwar 
derartig,  daß  der  in  (48)  auftretende  Faktor  ^^-^^Hf-fa^    ^j^ 

Maximum  wird.  Dies  tritt  für  den  Fall  ein,  daß  e  =  Ve[e^  d.  h. 
falls  die  Dielektrizitätskonstante  der  Oberflächenschicht  das  geo- 
metrische Mittel  der  Dielektrizitätskonstanten  der  beiden  anein- 
ander grenzenden  Körper  ist.  Nach  (48)  wird  dann  dieser  untere 
Grenzwert  T  der  Oberflächenschicht 

(52)  I  = Q .  V5±J5  = Q Ustl^ 

falls  n  den  Brechungsindex  vom  Körper  2  gegen  den  Köi-per  1 
(Luft)  bedeutet  So  ergibt  sich  für  Flintglas  bei  n=l,75,  q  = 
0,03  (vgl.  oben  S.  279),  7:  A  =  0,0175.  Es  genügt  also  schon 
die  Annahme  einer  sehr  geringen  Dicke  der  Oberflächen- 
schicht, um  selbst  eine  starke  elliptische  Reflexions- 
polarisation zu  erklären. 

8.  Total-Beflexion*  Betrachten  wir  wiederum  den  Fall,  daß 
das  Licht  in  einem  Körper  1  einfällt  und  an  der  Grenzfläche  eines 
Körpers  2  reflektiert  wird.  Ist  der  Brechungsindex  w  von  2  gegen 
1  kleiner  als  1,  so  ist  der  zum  Einfallswinkel  9?  zugehörige 
Brechungswinkel  x  nicht  mehr  reell,  falls  ist 

(53)  ^n  X  =  — ^  >  1. 


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Durchsichtige  isotrope  Körper.  2S1 

Bei  diesen  Einfallswinkeln  (p  gibt  es  dann  überhaupt  kein 
gebrochenes  Licht,  sondern  das  ganze  einfallende  Licht  wird  re- 
flektiert (Totalreflexion). 

Um  in  diesen  Fällen  die  Natur  des  reflektierten  Lichtes  in 
seiner  Abhängigkeit  von  der  Natur  des  einfallenden  Lichtes  zu 
bestimmen,  müssen  wir  ebenso  wie  in  §  3  dieses  Kapitels  ver- 
fahren. Die  ganzen  dortigen  Entwickelungen  und  Schlußformeln, 
z.  B.  die  Formeln  (23)  und  (24),  lassen  sich  schreiben  unter  Ver- 
meidung des  Brechungswinkels  x»  indem  man  sin  %  nur  als  eine 
Abkürzung  für  sintpxn  auffaßt,  so  daß  in  den  dortigen  Formeln 
(22)  und  (23)  cosx  ersetzt  wird  durch 


cos 


x-Y^-'^l^- 


Diese  Größe  ist,  falls  sin  (p^n^  imaginär;  um  dies  besser  hervor- 
treten zu  lassen,  wollen  wir  unter  Benutzung  der  imaginären  Ein- 
heit y"iry  =  t  schreiben: 


cos 


X »y^4?-l.'^  (54) 


Die  Formeln  (23)  müssen  unter  allen  Umständen  richtig  bleiben^), 
denn  sie  ergeben  sich  aus  den  allgemeinen  Grenzbedingungen  beim 
Übergang  des  Lichtes  über  die  Grenze  zweier  isotroper  Körper, 
welche  ganz  unabhängig  davon  sind,  ob  Totalreflexion  eintritt  oder 
nicht.  Aus  den  Formeln  (23)  erhalten  wir  aber  unter  Benutzung 
der  Formel  (54)  komplexe  Amplituden  des  reflektierten  Lichtes, 
auch  wenn  die  des  einfallenden  reell  sind.  Aus  der  auf  S.  274 
entwickelten  physikalischen  Bedeutung  komplexer  Amplituden  er- 
gibt sich  also,  daß  durch  Totalreflexion  das  reflektierte 


1)  cos  X  muß  negativ-imaginär  sein.  Nach  den  zu  erfüUenden  Gleichungen 
wäre  ein  positiv-  und  ein  negativ-imaginärer  Wert  von  cos  %  möglich. 
Dieser  Fall  wQrde  aber  physikalisch  nur  dadurch  zu  realisieren  sein,  daß 
der  Körper  2  eine  Platte  bildete,  auf  deren  beiden  Seiten  Licht  einfallt 
unter  gleichem  EinfaUswinkel  y,  der  größer  als  der  Grenzwinkel  der  Total- 
reflexion ist  Dies  geht  aus  den  hn  nächsten  §  9  angestellten  Betrachtungen 
hervor. 

2)  Von  Oberflächenschichten  wollen  wir  hier  absehen.  Sie  haben  nur 
einen  sehr  geringen  Einfluß  bei  Totalreflexion,  vgl.  darüber  des  Autors  Arbeit 
in  Wied.  Ann.  43,  S.  146,  1891. 


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282  Kapitel  II. 

Licht  besondere  Phasenänderungen  gegenüber  dem  ein- 
fallenden Lichte  erleidet 

Um  dieselben  berechnen  zu  können,  schreiben  wir  gemäß  (45) 
für  die  in  (23)  auftretenden  reflektierten  Amplituden  die  komplexen 
Größen  B^-  e**,  Ä-e*^',  so  daß  nach  (23)  und  (54)  wird,  da 
yl2  :  VTi  =  n  ist, 

(55)  /    ico8(p,n  1\ p         itfp/    ieo8(p,n  1\ 

Um  die  Intensitäten  des  reflektierten  Lichtes  zu  erhalten,  d.  h^ 
die  Größen  i?«^  und  Rp\  braucht  man  nur  die  Gleichungen  (55) 
mit  ihren  komplex  konjugierten  Gleichungen  zu*  multiplizieren^ 
d.  h.  mit  denjenigen  Gleichungen,  welche  man  aus  (55)  erhält^ 
wenn  man  nur  —  i  an  Stelle  von  i  schreibt*)  Es  ergibt  sich  da- 
durch sofort 

(56)  E8^  =  Rs^,    Ep'^  =  Rp'^, 

d.  h.  die  Intensität  des  reflektierten  Lichtes  ist  völlig  gleich  der 
des  einfallenden  Lichtes  (Totalreflexion),  und  zwar  gilt  dies  für 
beide  Komponenten  («-  und  p-)  einzeln. 

Die  absoluten  Phasendifferenzen  6$  und  öp  wollen  wir  nicht 
diskutieren,  dagegen  hat  die  relative  Phasendifferenz  J  =  rfp— rf» 
Interesse,  da  nach  S.  277  sich  daraus  die  Gestalt  der  Erregungs- 
bahn im  reflektierten  Lichte  ergibt  Durch  Division  der  beiden 
Gleichungen  (55)  ergibt  sich,  falls  wir  E$  =  Ep  setzen  (d.  h.  das 
einfallende  Licht  linear  im  Azimuth  45^  gegen  die  Einfallsebene 
polarisiert  ist),  da  dann  nach  (56)  auch  Fa  =  Bp  ist: 

i  C08  <p  —  V  sin^  w  —  »2  {  ((J^  —  (Jp)   {  cos  w  +  V  sin^  <p  —  n^ 

(57): V   ^  — =^   \  i   , 

^<^<^^  ''*^  —  —y  sin^  (p  —  n^  icos^.n-\-  —  y  sin^ip—n'^ 

Hieraus  folgt: 

iA        i  (da  —  dfi)       **'*'  y  +  *  C08  <p  l/^m^  9 — w2 
sin"^  ip  —  i  cos  <p  1/  sin^ip — w^ 


1)  Jede  Gleichung  zwischen  komplexen  Größen  kann  man  ersetzen  durch 
ihre  konjugiert  komplexe  Gleichung,  da  die  reellen  und  imaginären  Bestand- 
teile beider  Seiten  der  Gleichung  einzeln  einander  gleich  sein  müssen. 


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Durchsichtige  isotrope  Körper.  283 

daher 

2 e  *^        —  ieo8  <p  "Y  8in^(p — n- 

Multipliziert  man  diese  Gleichung  mit  ihrer  konjugiert  kom- 
plexen Gleichung,  so  entsteht,  da  e^  +  e-*^  =  2  eos  A  ist: 

c.^V7^^^5g^  (58) 

Hieraus  ergibt  sich,  daß  die  relative  Phasendiflferenz  A  für 
streifende  Inzidenz  90  =  72-^»  sowie  für  den  Grenzwinkel  der  Total- 
reflexion sin  ^  =  n  verschwindet,  dagegen  für  Zwischenwerte  des 
Einfallswinkels  von  Null  verschieden  ist,  d.  h.  daß  das  reflek- 
tierte Licht  elliptisch  polarisiert  ist,  falls  das  einfallende 
Licht  linear  polarisiert  ist.  Da  aus  (58)  durch  Differentiation  nach 
9  folgt: 

2co8^{dh<p       8in^<pYsin'^9  —  n^' 

so  ist  die  relative  Phasendiflferenz  A  ein  Maximum  fQr  denjenigen 
Einfallswinkel  ^\  welcher  der  Gleichung  genügt: 

5in2  9)'  =  j-p^^.  (59) 

Der  Maximalwert  A'  der  Phasendiflferenz  ist  dann  nach  (58) 
gegeben  durch 

/^1J'  =  ^^^-.  (60) 

Für  Glas  vom  Brechungsindex  1,51,  d.  h.  für  n  =  1 : 1,51  (da 
die  Reflexion  im  Glase,  nicht  in  Luft  erfolgen  soll),  wird  nach  (59) 
q>  =  51^  20',  ferner  nach  (60)  wird  /t  =  45^  36'.  A  nimmt  genau  den 
Wert  45<>  sowohl  für  den  Einfallswinkel 9=  \%^  37'  als  für  90  =  54<>  37' 
an.  Durch  zweimalige  Totalreflexion 
unter  einem  dieser  Einfallswinkel 
erhält  man  also  zirkulär  pola- 
risiertes Licht,  falls  das  einfallende 
Licht  linear  unter  dem  Azimuth  45  ^  Fig.  84. 


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284  Kapitel  II. 

gegen  die  Einfallsebene  polarisiert  ist,  so  daß  E8=Ep  ist,  da  dann  J 
90  ^  beträgt  und  i?«  =  Fp  ist  Eine  solche  zweimalige  Totalreflexion 
kann  man  durch  Anwendung  eines  sogenannten  Fresnelschen 
Parallelepipeds  erreichen,  d.  h,  eines  Glaskörpers  von  der  in  Fig.  81 
gezeichneten  Form.  Falls  das  Licht  senkrecht  gegen  die  Schmal- 
seite des  Glaskörpers  einfällt  und  linear  unter  45*^  gegen  die 
Einfallsebene  polarisiert  ist,  so  ist  das  austretende  Licht  zirkulär 
polarisiert. 

Ebenso  kann  man  durch  dreimalige,  viermalige  usw.  Total- 
reflexion unter  anderen  Einfallswinkeln  Zirkularpolarisation  er- 
halten. Die  hierfür  anzuwendenden  Gläs-Parallelepipeda  haben 
andere  Kantenwinkel,  z.  B.  69^  12',  74^  42'  usw.  bei  Glas  vom 
Brechungsindex  1,51. 

9.  Über  das  bei  der  Totalreflexion  in  das  zweite  Medium 
eindringende  Licht.  Die  bisherigen  Erörterungen  beziehen  sich 
nur  auf  das  reflektierte  Licht.  Jedoch  auch  im  zweiten  Medium 
ist  der  Lichtvektor  von  Null  verschieden,  da  die  Gleichungen  (23) 
auf  S.  267,  268  von  Null  verschiedene  Werte  für  Ds  und  Dp  liefern. 
—  Zwar  nimmt  die  Amplitude  mit  wachsenden  Werten  von  «,  d.*h. 
in  größerer  Tiefe  unter  der  Grenzfläche  schnell  ab,  denn  nach  (16) 
bezw.  (18)  auf  S.  266  sind  die  elektrischen  bezw.  magnetischen 
Kräfte  im  zweiten  Medium  proportional  den  reellen  Teilen  der 
komplexen  Größe: 


(61) 


.271/        X  sin  X  -}-  X  cos  /\ 


welche,  falls  man  x  durch  die  früheren  Gleichungen  (53)  und  (54) 
ersetzt,  in  die  Form  übergeht: 

/ßON  27t    l/sin^lp         T  .^TT  /.        xsin<p\ 

Indes  ist  für  Werte  x^  welche  nicht  unendlich  groß  gegen  die 
Wellenlänge  TV^  =  X^  im  zweiten  Medium  sind,  die  Amplitude 
nicht  streng  Null. 

Hier  tritt  nun  zunächst  ein  scheinbarer  Widerspruch  mit  dem 
Resultate  auf,  daß  die  Intensität,  d.  h.  Energie  des  reflektierten 
Lichtes,  völlig  gleich  sein  soll  der  Energie  des  einfallenden  Lichtes, 
denn  woher  stammt  die  Energie  des  gebrochenen  Lichtes? 


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Dorchsichtige  isotrope  Körper.  285 

Dieser  Widerspruch  löst  sich,  wenn  wir  nach  der  Energie- 
strömung  durch  die  Grenzfläche  hindurch  fragen.  Nach  der  früheren 
Formel  (24)  auf  S.  258  ist  dieselbe,  da  hier  cos  (nx)  =  cos  (ny)  =  0, 
cos  {nz)  =  1  ist: 


c 


^dt  =  dt  f  (ß^X^-a^  Y^  dS.  (63) 


Bildet  man  nun  die  elektrischen  und  magnetischen  Kräfte  als 
die  reellen  Teile  derjenigen  komplexen  Größen,  welche  man  aus 
den  rechten  Seiten  der  Formeln  (16)  und  (18)  auf  S.  266  gewinnt, 

wenn  man  den  Faktor  cos-^if.. .)  ersetzt  durch  e  t^  "'\  so  er- 
kennt man,  daß  wegen  des  Faktors  cos  x,  welcher  nach  (54)  rein 
imaginär  ist,  oj  die  Phasendiflferenz  ^/j  gegenüber  Fj  besitzt,  ebenso 
ß2  die  Phasendifferenz  ^/2  gegen  X^  so  daß  man,  falls  man  schreibt 

1^2  =  0  cos  ( — jS — h  Öj  , 

wobei  a  und  6  nicht  mehr  die  Zeit  enthalten,  die  magnetische 
Kraft  02  in  der  Form  zu  schreiben  ist: 

/  .      /27lt       ,        .\ 

«2=0    '  Sin   i—rp-    +    Ol' 

Bildet  man  nun  nach  (63)  den  Energiefluß  im  Laufe  einer 
Periode  von  t=0  bis  <=T,  so  tritt  das  Integral  auf 

T  T 

I  a2Y2dt=aa    1  sin  f-^    +  öj  •  cos  l^+oj-dt 

O  0 

aa.Tr  .   ,.i2nt     ,     .\-]T 

Ebenso  verschwindet  das  Integral  über  ß2X2du  In  Summa 
tritt  also  im  Laufe  jeder  einzelnen  Schwingungsperiode  keine 
Energie  vom  Medium  1  auf  das  Medium  2  über.  Daher  enthält 
das  reflektierte  Licht  die  ganze  Energie  des  einfallenden  Lichtes. 

Daß  keine  Energie  durch  die  a:^-Ebene  strömt,  ist  nach  der 
Formel  (62)  direkt  plausibel.  Denn  diese  stellt  Wellen  dar,  die 
sich  nach  der  ^r-Achse  fortpflanzen.  In  der  Tat  erhält  man  eine 
Energieströmung  im  Körper  2  nach  der  früheren  Formel  (24)  auf 


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286  Kapitel  11. 

S.  258,  sobald  man  die  Strömungsrichtung  (d.  h.  n)  parallel  zur 
a:-Achse  wählt.  Am  einen  Ende  der  einfallenden  Welle  (bei  nega- 
tiven x)  muß  also  etwas  Energie  auf  das  Medium  2  übergehen, 
welche  durch  die  Wellen  in  ihm  beständig  nach  dem  anderen  Ende 
der  Wellen  im  Medium  1  (bei  positiven  x)  transportiert  wird. 

Diese  Wellen  inkonstanter  Amplitude  besitzen  noch  eine  andere 
Eigentümlichkeit:  sie  sind  nämlich  keine  Transversalwellen. 
Denn  aus  (62)  folgt,  daß  sie  sich  nach  der  aj-Achse  fortpflanzen, 
wenn  es  also  Transversalwellen  wären,  so  müßte  ^2  =  0  sein. 
Dies  ist  aber  nicht  der  Fall.  —  Es  ist  dies  kein  Widerspruch  mit 
den  früher  S.  236  als  Beweis  für  die  Transversalität  der  Licht- 
wellen benutzten  Fresnel-Aragoschen  Versuchen,  denn  sie  be- 
ziehen sich  nur  auf  die  Wellen  konstanter  Amplitude.  Als  Beweis 
dafür,  daß  auch  im  zweiten  Medium  bei  der  Totalreflexion  der 
Lichtvektor  von  Null  verschieden  ist,  wird  der  von  Quincke  her- 
rührende Versuch  angesehen,  daß  man  diese  Wellen  inkonstanter 
Amplitude  wieder  in  gewöhnliche  Wellen  konstanter  Amplitude 
zurückverwandeln  kann,  wenn  man  die  Dicke  des  Mediums  2  nur 
sehr  gering,  d.  h.  von  der  Größenordnung  der  Lichtwellenlänge, 
wählt.  In  der  Tat  kann  ja  an  einer  sehr  dünnen  Lamelle  eines 
Körpers  2,  der  zwischen  zwei  gleichen  Körpern  1  liegt,  keine 
Totalreflexion  mehr  stattfinden,  denn  wenn  wir  schließlich  als 
Grenzfall  die  Dicke  dieser  Lamelle  gleich  Null  setzen,  so  muß  das 
einfallende  Licht  ungestört,  d.  h.  ohne  Reflexion,  weiter  gehen,  da 
überhaupt  die  Homogenität  des  Mediums  nicht  gestört  ist  —  So- 
bald eine  sehr  dünne  Lamelle  des  Mediums  2  durchsichtig  bleibt 
auch  bei  Überschreitung  des  Grenzwinkels  der  Totalreflexion,  muß 
natürlich  das  reflektierte  Licht  an  Intensität  einbüßen.  Theoretisch 
ergeben  sich  alle  Einzelheiten  dieses  Falles,  sowie  man  nur  an 
beiden  Seiten  der  Lamelle  2  die  früher  S.  257  als  allgemeingültig 
aufgestellten  Grenzbedingungen  (21)  benutzt.*) 

Ein  anderes  Mittel,  um  eine  im  Medium  2  bestehende  Licht- 
bewegung im  Falle  der  Totalreflexion  nachzuweisen,  besteht  darin, 
daß  man  auf  die  Grenzfläche  ein  Beugungsgitter  anbringt  2),  oder 
daß  man  nach  W.  Voigt ^)  als  Grenzfläche  eine  unter  stumpfen 

1)  Vgl.  darüber  das  Nähere  in  Winkelmanns  Hdb.  Optik,  2.  Aufl.  S.  1275. 

2)  L.  Ditscheiner,  Wien.  Ber.  (2)  60,  S.  584,  1870.  —  E.  Edser  und 
E.  Senior,  Phü.  Mag.  (6)  4,  S.  346,  1902. 

3)  W.  Voigt,  Gott.  Nachr.  1898,  Heft  3.  —  Wied.  Ann.  67,  8. 185,  1899. 


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Durchsichtige  isotrope  Körper.  287 

Winkel  geknickte  Fläche  benutzt,  so  daß  an  ihren  beiden  Seiten 
noch  Totalreflexion  stattfindet.  Aus  der  Kante  des  Knicks  tritt 
dann  tatsächlich  ein  sehr  feines  Lichtbündel  aus.  Diese  Anord- 
nung Voigts  ist  in  gewisser  Weise  die  überzeugendste,  die  strenge 
Behandlung  dieses  Falles  fällt  aber  natürlich  in  die  Theorie  der 
Beugung.  —  Es  ist  auch  klar,  daß  es  sich  streng  nie  um  Total- 
reflexion handeln  kann,  d.  h.  um  völlige  Umwandlung  der  Energie 
des  einfallenden  in  die  des  reflektierten  Lichtes,  sobald  man  aus 
dem  Medium  2  noch  irgend  Licht  austreten  sieht 

10.  Benntzmig  der  Totalreflexion  zur  Bestimmung  Ton 
Brechnngsexponenten.  Wenn  man  das  Licht  in  dem  stärker 
brechenden  Medium  einfallen  läßt  und  nun  allmählich  den  Ein- 
fallswinkel vergrößert,  so  kennzeichnet  sich  das  Eintreten  der 
Totalreflexion  durch  eine  fast  plötzliche  Verstärkung  des  reflektierten 
und  völliges  Verschwinden  des  gebrochenen  Lichtes.  Es  ist  aber  zu 
bemerken,  daß  die  Intensitätskurve  für  das  reflektierte  und  ge- 
brochene Licht  in  ihrer  Abhängigkeit  vom  Einfallswinkel  90  nicht 
etwa  eine  Diskontinuität  erleidet,  falls  90  den  Grenzwinkel  der 
Totalreflexion  erreicht,  sondern  diese  Kurven  ändern  sich  nur  in 
diesem  Gebiete  so  schnell,  mit  90,  daß  man  praktisch  eine  Diskonti- 
nuität wahrzunehmen  glaubt,  so  daß  man  darauf  scharfe  Bestim- 
mungen des  Brechungsexponenten  gründen  kann.  ^)  So  besteht  z.  B. 
für  Glas  vom  Brechungsindex  w  =  l,51  folgende  Abhängigkeit  der 
reflektierten  Intensität  Rp'^  vom  Einfallswinkel  q>  (es  ist  Ep"^  =  1 
gesetzt,  g  ist  der  Betrag  in  Bogenminuten,  um  welchen  (p  kleiner 
als  der  Grenzwinkel  der  Totalreflexion  ist): 

5   I    0'     2'       4'       8'       15'       30' 
i?p2,     1    0,74   0,64  0,53    0,43     0,25. 

11.  Intensität  der  Newtonsclien  Btnge.  Wir  wollen  die 
Intensitäten  des  reflektierten  und  durchgehenden  Lichtes  berechnen, 
falls  eine  Platte  der  Dielektrizitätskonstante  e^  und  der  Dicke  d 
in  einem  Medium  der  Dielektrizitätskonstante  e^  eingelagert  ist. 


1)  Über  die  zu  dem  Zweck  konstruierten  Totalreflektometer  und  Refrakto- 
meter vgl.  Winkelmanns  Hdb.  Optik,  2.  Aufl,  S.  604  u.  ff.  u.  S.  1267  u.  ff.  — 
In  die  Praxis  ist  diese  Methode  wesentlich  erst  durch  das  von  F.  Kohl- 
rausch (Wied.  Ann.  4,  S.  1,  1876;  —  16,  S.  609,  1882)  konstruierte  Total- 
reflektometer eingeführt  worden. 


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288  Kapitel  II. 

Die  erste  Grenzfläche  der  Platte,  auf  welche  das  einfallende 
Licht  trifft,  sei  die  a;2/-Ebene,  die  zweite  Grenzfläche  sei  die  Ebene 
%  =  d. 

Der  Einfachheit  halber  wollen  wir  senkrechte  Inzidenz  vor- 
aussetzen,  schreiben  also  für  das  einfallende  Licht: 

(64)  X  =  0,     n  =  ^.e^*^'/^(^"-*/0,    Zs  =  0. 

Daß  wir  Xe  =  0  setzen,  ist  keine  Beschränkung  der  Allgemein- 
heit, da  bei  senkrechter  Inzidenz  alle  Resultate,  welche  für  die 
«/-Komponenten  des  Lichtvektors  gelten,  auch  für  die  rc-Kompo- 
nenten  unverändert  gelten. 

Nach  den  Formeln  (14)  der  S.  265  muß  für  die  einfallende 
magnetische  Kraft,  falls  die  elektrische  Kraft  durch  (64)  dargestellt 
wird,  gelten: 

(65)  a.  =-^yi;e*^^/^(^-*/^.),    /9e=0,   ^  =  0  . 

Die  reflektierte  elektrische  und  magnetische  Kraft  im  Medium  1 
wird  dargestellt  durch  (vgL  die  Formeln  (15)  und  (17)  der 
S.  266): 

An  den  beiden  Plattengrenzen  finden  nun  wiederholte  Licht- 
reflexionen und  Brechungen  statt  (vgl.  oben  S.  129).  Wir  brauchen 
dieselben  aber  nicht  einzeln  zu  verfolgen,  sondern  können  gleich 
ihren  Gesamteffekt  in  die  Rechnung  einführen.^)  Derselbe  be-^ 
steht  darin,  daß  sich  in  der  Platte  Wellen  nach  der  positiven 
und  nach  der  negativen  ;r-Achse  fortpflanzen.  Für  erstere  gilt  der 
Ansatz: 

a=-i)'/f~6^'''/^(^-*W,    /9'  =  0,    /=0, 
während  für  letztere  Wellen  gilt: 

a"  =  D"  yr,  e'  '"1^  (^  +  "l'^\    r  =  0,   /'  =  0. 


1)  Auch  der  Ansatz   (66)  soU   der  Gesamteffekt  aller  einzelnen  Wellen* 
Züge  sein,  die  sich  im  Medium  1  nach  der  negativen  x-Achse  fortpflanzeru 


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Durchsichtige  isotrope  Körper.  289 

Der  Gesamteflfekt  aller  durch  die  Platte  hindurch  gegangenen 
Wellen  möge  sein: 

a,  =  -i)y^e»^'/H<-*/0    ^,  =  0,   rä  =  0.         ^    ^ 

An  beiden  Plattengrenzen  («  =  0  und  z  =  d)  haben  wir  nun 
die  Grenzbedingungen  (21)  der  S.  257  anzuwenden,  welche  hier 
die  Form  annehmen: 

Te+Tr=^T  +  T\    ae  +  ar=-a+a'    für«=0,     (70) 
r  +  r'=  Fd,  a  +  a'=ad  für  x  =  d,    (71) 

Die  Grenzbedingungen  (70)  liefern: 

E+R  =  D'  +  D'\    (J57  -  E)  yi[  =  {Ü  -  D")  >/"  fj ,       (70') 

während  die  Grenzbedingungen  (71)  ergeben: 

i/e-v-hZ/'e-Hp^Dc-^,  (i/e-*>— D"e+»p)  yi2=^ß"*^  V^,   (7l') 
falls  p  und  q  Abkürzungen  sind  für: 

271         d  n        d  271         d  n         d  /7i)\ 

Aus  (71')  folgt  sofort: 

(D'e  -V  +  2>'V  +v)  y7^  =  (Z/e  —>  —  D'VH->)  y ^, 
woraus  man  ableitet: 

2>' e  -ip  iY^  -  yVi)  =  D"  e  +»p  (^ f^  +  Y^'i) •  C^^) 

Aus  (70')  ergibt  sich: 

Vermöge  (73)  kann  man  die  letzte  Relation  schreiben: 

R  ^ (e+»>  -  e-^i>)  (f,  -  f,) 

1  g^n  p  .{ei  —  82)      

♦  sin  p  .  (8i  +  f 2)  +  ^  "/ei  cj .  ^os  p 
Drade,  Lehrbach  d.  Optik.    2.  Aufl.  ig 


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290  Kapitel  II. 

Um  die  Intensität  Jr  des  reflektierten  Lichtes  zu  erhalten,  ist 
die  letzte  Gleichung  mit  ihrer  konjugiert  komplexen  Gleichung  zu 
multiplizieren  (vgl.  S.  282).  Man  erhält  so,  falls  Ji  die  Intensität 
des  einfallenden  Lichtes  bezeichnet: 

falls  ^2  •  «1  =  ^^  gesetzt  wird,  so  daß  n  den  Brechungsindex  der 
Platte  2  gegen  das  Medium  1  bedeutet 

Aus  (70')  und  (71')  leitet  man  ferner  leicht  ab 

I^e-iq  ^ ij/jlJl 

"  e'       e«>  iYTi  +  Y72)^-e-<p  (yi;  -  1^)2 

i  sin  p  (ti  +  f  2)  +  2  y^f  1  82»  cos  p 
so  daß  die  Intensität  Jd  des  durchgehenden  Lichtes  wird: 

^^^^  ^^  ^  *^*  sin^pje,  -hl)2^r4e~e~2  ' 

Es  besteht  also  die  Beziehung 

(76)  Jd  +  Jr^Je, 

was  von  vornherein  zu   erwarten  war,  da  die  Platte  kein  Licht 
vernichtet 

Nach  (74)  verschwindet  das  reflektierte  Licht  vollkommen  für 
die  Werte:  ;>  =  0,  jr,  2  jr  u.  s.  w.,  d.  h.  für  die  Plattendicken  rf««=0, 
V2  ^2»  ^2»  %  h  ^'  s.  w.  Dies  steht  im  Einklang  mit  dem  oben  auf 
S.  134  Formel  (17)  abgeleiteten  Resultate.  —  Maximale  Intensität 

tindet  statt  für  sin  p  =  1.    Dann  ist  Jr  =  Jt  (;T^)^ .    [Bei    nor- 
maler Reflexion   an  nur  einer  Grenze  ist  nach  Formel  (26)  auf 

Wenn  die  Medien  1  und  2  Luft  und  Glas  sind,  so  ist  n 
etwa  =  1,5.      Bei    den    Newtonschen  Ringen    sind   die   Medien 


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Durchsichtige  isotrope  Körper.  291 

1  und  2  Glas  und  Luft,  d.  h.  n  =  1  : 1,5.    In  beiden  Fällen  wird 

Formel  (74): 

,.          ^       sin^  p  .  1,56 
Jr  =  Je 


sin^p  .  1,5G  +  9 

Näherungsweise  ist  daher  im  Nenner  von  (74)  der  Term  sin^  p  (l—n^)^ 
gegen  4n'^  zu  vernachlässigen,  so  daß  man  an  einer  Stelle  des  New- 
tonschen  Farbenglases,  an  welcher  die  Dicke  der  Luftschicht  d 
beträgt,  erhält: 

Jr  =  /.  (^-^fsin^  2^  djx,  (77) 

X  bezeichnet  die  Wellenlänge  in  Luft.  Fällt  weißes  Licht 
ein  und  ist  Ji  die  Intensität  des  einfallenden  Lichtes  der  Wellen- 
länge X,  so  wird  die  reflektierte  Intensität,  falls  man  von  der 
Dispersion,  d.  h.  der  Abhängigkeit  des  n  von  X  absieht: 

Jr  =  (^-^f^  Ji  sin^  2^  d\x .  (78) 

Die  Farben  dünner  Blättchen  sind  also  Mischfarben,  welche 
in  der  aus  (78)  ersichtlichen  Weise  aus  den  reinen  Farben  zu- 
sammengesetzt sind. 

12.  Inhomogene  Körper;  krumme  Lichtstrahlen.  Wir  wollen 
noch  kurz  die  optischen  Eigenschaften  eines  inhomogenen  Körpers 
betrachten,  in  welchem  die  Dielektrizitätskonstante  s  eine  Funktion 
des  Ortes  x^  y,  x  ist.  Der  konsequenteste  Weg  ist,  die  Differen- 
tialgleichungen (18)  der  S.  255,  welche  auch  für  inhomogene  Körper 
gelten,  zu  integrieren,  wobei  b  als  Funktion  von  x,  y,  x  gegeben 
sein  muß.  Auf  diesem  Wege  würden  sich  sowohl  die  Bahnen  der 
Lichtstrahlen,  als  auch  die  Intensität  der  im  Innern  eines  inhomo- 
genen Körpers  notwendig  auftretenden  Reflexion  berechnen.  Aber 
selbst  bei  den  einfachsten  Annahmen  für  b  ist  dieser  Weg  kompli- 
ziert und  ist  bisher  nicht  betreten  worden.  Man  hat  sich  vielmehr 
darauf  beschränkt,  die  Gestalt  der  Lichtstrahlen  nach  dem  Snellius- 
schen  Brechungsgesetz  oder  dem  Huygensschen  Prinzip  zu  berech- 
nen, was  ohne  weiteres  gelingt,  wenn  man  sich  das  Medium  aus 
dünnen  homogenen  Schalen  von  verschiedenem  Brechungsindex 
zusammengesetzt  denkt.  Bei  stetiger  Änderung  derselben  muß 
sich  natürlich  der  Lichtstrahl  krümmen.   Von  Heath^)  ist  nun  für 

1)  Heath,  Geom.  Optik,  deutsch  von  Kanthack.    Berlin  1894,  S.  363. 

19* 


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292  Kapitel  IL 

seinen  Krümmungsradius  q  an  einem  Orte  P  das  Gesetz  abgeleitet 
worden: 

1        dlg  n 


(79) 


Q  dv 


wobei  V  die  Richtung  der  stärksten  Änderung  (des  Gefälles)  des 
Brechungsindex  n  bezeichnet. 

Diese  Gleichung  erklärt  die  Erscheinungen  der  Luftspiegelung, 
wie  sie  bei  anormaler  Verteilung  der  Luftdichte  über  der  Erd- 
oberfläche, z.  B.  bei  stark  erhitztem  Sandboden,  beobachtet  werden. 
In  einer  gewissen  Höhe  über  der  Erde  ist  dann  nämlich  der 
Brechungsindex  n  der  Luft  ein  Maximum.  Nach  (79)  muß  dann 
aber  q  =  oo  sein,  d.  h.  der  Lichtstrahl  hat  in  dieser  Höhe  einen 
Inflexionspunkt.  Daher  können  von  einem  Gegenstande  zwei  ver- 
schieden gerichtete  Strahlen  in  das  Auge  eines  Beobachters  ge- 
langen, derselbe  sieht  also  den  Gegenstand  doppelt,  und  zwar  ein- 
mal in  aufrechter,  einmal  in  verkehrter  Lage.*) 

Eine  interessante  Anwendung  der  Theorie  der  gekrümmten 
Lichtstrahlen  ist  von  A.  Schmidt 2)  für  die  Vorstellung  von  der 
Konstitution  der  Sonne  gemacht  worden,  indem  er  zeigt,  daß  ein 
leuchtender  Gasball  von  den  Dimensionen  der  Sonne,  dessen  Dichte 
ohne  Unstetigkeitsgrenze  von  außen  nach  innen  zunimmt, 
einen  Anblick  gleich  dem  der  Sonne  gewähren  muß,  d.  h.  schein- 
bar eine  scharfe  Begrenzungslinie  zeigt.  Ein  Lichtstrahl  nämlich, 
welcher  nach  einem  solchen  Gasball  innerhalb  eines  gewissen 
Distanzwinkels  (p  vom  Zentrum  hinzielt,  wird  nach  dem  Innern 
des  Gasballs  abgelenkt  und  um  sein  Zentrum  vielfach  herum- 
gewunden. Er  wird  daher  zu  Tiefen  geführt,  welche  ein  kontinuier- 
liches Spektrum  aussenden.  Denn  ein  glühendes  Gas  kann  bei 
genügendem  Druck  dies  tun.  Ein  Sehstrahl  aber,  welcher  einen 
größeren  Distanzwinkel  als  (p  vom  Zentrum  des  Gasballs  besitzt, 
muß  sich  wieder  vom  Gasball  entfernen,  ohne  stark  leuchtende 
Schichten  durchsetzt  zu  haben.  Daher  erscheint  die  Sonne  als 
scharf  begrenzte  Scheibe  vom  Sehwinkel  2(p,  obwohl  eine  Un- 
stetigkeitsgrenze der  Dichte  fehlt. 


1)  Nähere  Ausfuhrang  dieser  interessanten  Erscheinungen  und  Zusammen- 
stellung der  Literatur  findet  sich  in  Winkelraann,  Hdb.  d.  Physik,  Optik, 
S.  485—566  (Autoren  Straubel  und  Bemporad). 

2)  A.  Schmidt,    Die  Strahlenbrechung  auf  der  Sonne.    Stuttgart,  1891. 


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Optische  Eigenschaften  durchsichtiger  Kristalle.  293 

Über  die  experimentelle  Darstellung  gekrümmter  Lichtstrahlen 
vgl.  J.  Mac6  de  Lepinay  und  A.  Perot  (Ann.  de  chim.  et  de  phys. 
(6)  27,  p.  94,  1892)  und  0.  Wiener  (Wied.  Ann.  49,  S.  105,  1893). 
Letzterer  hat  gekrümmte  Lichtstrahlen  verwendet  zur  Unter- 
suchung von  Diffusion  und  Wärmeleitung. 


Kapitel  III. 

Optische  Eigenschaften  durchsichtiger  Kristalle. 

1.  Bifferentialgleiehangen    und    Grenzbedingnngen.     Ein 

Kristall  unterscheidet  sich  dadurch  von  einem  isotropen  Körper, 
daß  seine  Eigenschaften  in  verschiedenen  Richtungen  verschieden 
sind.  Die  spezifischen  Eigenschaften  eines  Körpers  sind  nun  in 
der  elektromagnetischen  Theorie  lediglich  durch  seine  Dielektri- 
zitätskonstante definiert,  wenn  wir  an  dem  schon  oben  S.  255  ein- 
genommenen Standpunkte  festhalten,  daß  die  Magnetisierungs- 
konstante aller  Körper  stets  gleich  1  zu  setzen  ist. 

Eevidieren  wir  nun  die  früher  auf  S.  255  und  ff.  gegebene  Ab- 
leitung der  Differentialgleichungen  für  einen  isotropen  Körper,  so 
ergibt  sich,  daß  die  dortigen  Gleichungen  (17)  allein  die  spezifischen 
Eigenschaften  des  Körpers,  d.  h.  seine  Dielektrizitätskonstante, 
enthalten.  Dagegen  sind  die  Gleichungen  (7)  und  (11)  auch  in 
einem  Kristall  gültig,  wie  schon  oben  bemerkt  wurde.  Die  Glei- 
chungen (17)  sind  also  allein  zu  erweitern,  da  in  einem  Kristall 
die  Dielektrizitätskonstante  von  der  Richtung  der  elektrischen 
Kraftlinien  abhängt.  Der  allgemeinste  Ansatz  für  die  Erweiterung 
der  Gleichungen  (17)  auf  S.  255  bestünde  nun  in 

4  :jtjx  =  f«  "äT"  +  %  öi"  +  %  "äf  1 

4  jr  jy  —  f2i  "07  +  «22  -57  +  %  "57  , 

.     ,  dx  ,       öy  ,       öz 

4  ^^x  =  €31   "öT-   +  ^32  "ö^   +  %  -57  , 


(1) 


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294  Kapitel  III. 

da    die    Stromkomponenten   jedenfalls    lineare    Funktionen    der 

^'    ^'     "¥   l>lciben  müssen.    Dieser  Ansatz  (l)  würde  besagen, 

daß  im  allgemeinen  bei  einem  Kristall  die  Richtung  der  Strom- 
linien nicht  zusammenfällt  mit  der  Richtung  der  Kraftlinien,  da 
z.  B.,  falls  X  allein  von  Null  verschieden  ist,  trotzdem  auch/y  undy* 
von  Null  verschieden  sind. 

Die  frühere  Formel  (23)  der  S.  259  für  die  Energieströmung 
ist  dadurch  abzuleiten,  daß  die  allgemein  gültigen  Gleichungen 
(9)  und  (11),  nämlich: 


4:i  .          by        bß 

47t            hY        hZ 

c'^''~hj        ö*'     • 

•  •  T*^""5^""öy' 

bezw.  mit  Xdz ,  , , ,  adz  multizipliert  werden  und  nach  dz  (Volum- 
element) integriert  wird.    Es  ergibt  sich  dadurch 

i^J{j,X+jyY+j,Z)dz 
+  ^f{s.  a  +  syß  +  s,y)dz  =  '^  ^J®  dz  , 

wobei  ®  die  Energie  des  Volumenelementes  dz  bedeutet.  An  dieser 
Formel  halten  wir  auch  in  einem  Kristall  fest,  da  spezifische 
Eigenschaften  des  Mediums  in  der  Formel  nicht  vorkommen.  Für 
die  Änderung  der  elektromagnetischen  Energie  ®  der  Volumen- 
einheit im  Laufe  der  Zeit  besteht  also  die  Beziehung: 

^-§-jx  X  +jy  Y  +  j^Z+ssa  +  syß  +  sxY  ' 

Die  drei  letzten  Terme  dieser  Gleichung  bilden  nun,  da  das 
zweite  Tripel  der  Gleichungen  (17)  der  S.  255  auch  hier  gelten 
soll  (mit  dem  Werte  it/  --=  1),  einen  Differentialquotienten  nach  der 
Zeit.    Es  ist  nämlich: 

s,a  +  syß  +  s,r  =  ^Yt^'''  +  ^'  +  ^')  • 

Folglich  muß  auch  jx  X  +jyY  +jx  Z  ein  Differentialquotient 
nach  der  Zeit  sein.  Damit  dies  aber  nach  dem  Ansatz  (1)  mög- 
lich ist,  müssen  die  Bedingungen  erfüllt  sein: 

(2)  f  21  ■•===  f  12  ?      ^31  ==^  ^13  »      ^23  =^  ^32  » 


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Optische  Eigenschaften  durchsichtiger  Körper.  295 

und  es  wird  dann  der  Teil  @  der  Energie,  der  von  den  elek- 
tnschen  Kräften  abhängt: 

®i  =  ^  (euZ2  +  e^Y^-t  633  Z^  +  2e.^  YZ  ^^^ 

+  2b^,  ZX  +  2b^  XT)  . 

Durch  Transformation  des  Koordinatensystems  läßt  sich  nun 
@i  stets  auf  die  kanonische  Form  bringen: 

®,-^{B,X'^  +  B^y^  +  e,Z^),  (4) 

Für  diese  Wahl  der  Koordinatenachsen  verschwinden  also  die 
«Ajfc,  und  die  Gleichungen  (1)  nehmen  die  vereinfachte  Gestalt  an: 

.   iL  ^        •    ii  ^        • ' ^^  /rn 

•^^  ~  471  bt  '     ^y~~  471  öt  '     -^^  ~"47r  d/  •  W 

Diese  Koordinatenachsen  zeichnen  sich  also  dadurch  aus,  daß 
in  ihren  Eichtungen  die  elektrische  Strömung  in  die  Richtung 
der  elektrischen  Kraft  fällt.  Wir  wollen  diese  Achsen  die  elek- 
trischen Symmetrieachsen  nennen,  da  der  Kristall  in  elek- 
trischer Hinsicht  sich  symmetrisch  verhält  in  bezug  auf  diese  drei 
zueinander  senkrechten  Eichtungen,  oder  auch  in  bezug  auf  die 
drei  zueinander  senkrechten  Ebenen,  welche  durch  diese  3  Achsen 
gelegt  werden  können.  —  Die  e^ ,  f 2 »  ^3  haben  die  Bedeutung  der 
Dielektrizitätskonstanten,  falls  die  elektrischen  Kraftlinien  in  die 
Eichtung  einer  der  drei  elektrischen  Symmetrieachsen  fallen;  wir 
wollen  sie  die  Hauptdielektrizitätskonstanten  nennen. 

Wir  wollen,  wie  schon  oben  bemerkt  ist,  nicht  die  Annahme 
einführen,  daß  der  Kristall  in  verschiedenen  Eichtungen  merkbare 
Verschiedenheiten  seiner  Magnetisierungskonstante  besäße.  Wenn- 
gleich dies  streng  genommen  nicht  der  Fall  ist,  wie  man  aus  den 
Einstellungstendenzen  von  Kristallkugeln  in  starken  magnetischen 
Feldern  wahrnehmen  kann,  so  kann  man  diese  Annahme  für  Licht- 
schwingungen doch  machen,  ohne  in  Widerspruch  mit  der  Er- 
fahrung zu  gelangen,  gerade  wie  schon  bei  der  Behandlung  iso- 
troper Körper  ihre  Magnetisierungskonstante  einfach  gleich  1  ge- 
setzt wurde.  0 

In  den  Differentialgleichungen  (18)  auf  S.  255,  welche  für 


1)  Über   den  theoretischen  Grund,   weshalb  für  Lichtschwingungen  be- 
standig /^  =  1  zu  setzen  ist,  vgl.  die  späteren  Entwicklungen  in  Kapitel  VII. 


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296  Kapitel  III. 

isotrope  Körper  gelten,  sind  daher  nur  diejenigenModifikationen  anzu- 
bringen, welche  durch  die  Verschiedenheit  der  Dielektrizitätskonstante 
nach  der  Richtung  bedingt  werden.  Die  Dielektrizitätskonstante  tritt 
nur  in  den  ersten  drei  Gleichungen  (18)  auf.  Ihr  Inhalt  besagte, 
daß  die  elektrischen  Stromkomponenten  proportional  zu  den  Größen 

^  — ^usw.  seien.  Da  die  Stromkomponenten  im  Kristall  durch  die 

Gleichungen  (1)  bezw.  (5)  gegeben  sind,  so  werden  daher  bei  Zu- 
grundelegung der  elektrischen  Symmetrieachsen  als  Koordinaten- 
achsen die  allgemein  gültigen  Differentialgleichungen  (7)  und  (11)  der 
S.  251  und  252  des  elektromagnetischen  Feldes  in  einem  Kristall: 


(6) 
(7) 


?1  ^=  ^ ^       !?^_^__?>!       fadZ^ö^ ha 

c    öt         by         öx^      c    bt  bx         bx^      e    bt         bx        dx 

c    bt         bx         by  ^      e    bt         bx         bx  ^      e    bt  by         bx 


Für  ein  beliebig  liegendes  Koordinatensystem  würden  die 
Gleichungen  (6)  zu  ersetzen  sein  durch: 

,^^  1  /      bX   ,         bY   .         bZ\        by        bß 

Die  Bedingungen,  welche  an  der  Grenze  zweier  sich  berührender 
Kristalle,  oder  eines  Kristalls  und  eines  isotropen  Mediums  (z.B.  Luft) 
zu  erfüllen  sind,  erhält  man  nach  denselben  Überlegungen,  wie  sie 
in  §  8  des  Kapitels  I  (S.  256)  angestellt  worden  sind;  sie  fordern: 
Stetigkeit  der  der  Grenze  parallelen  elektrischen  und 
magnetischen  Kraft  beim  Übergang  über  die  Grenze. 

2.  LichtTektor  und  Ltchtstrahl.  Schon  bei  Betrachtung  iso- 
troper Medien  (S.  269  ff.)  hatten  wir  gesehen,  daß  man  formal 
verschiedene  Gesetze  für  die  optischen  Erscheinungen  erhält,  je 
nachdem  der  Lichtvektor  mit  der  elektrischen  oder  der  magne- 
tischen Kraft  identifiziert  wird.  Beide  Verfügungen  führen  allerdings 
zu  denselben  beobachtbaren  Resultaten,  wenn  man  von  den  bei 
stehenden  Wellen  wahrnehmbaren  Erscheinungen  absieht  Ähnlich 
verhält  es  sich  hier  in  der  Kristalloptik,  nur  tritt  hier  noch  eine 
neue  Möglichkeit  hinzu,  nämlich  die  elektrische  Strömung  als  Licht- 
vektor zu  wählen.    Seine  Komponenten  sind  dann  proportional  zu 

^1  "57  '    ^2  ^  ?    ^^'bt'    I^^d^rch  erhalten  wir  drei  Theorien  der 
Kristalloptik,  welche  formal  voneinander  verschieden  sind,  sowohl 


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Optische  EigeuBchaften  durchsichtiger  Kristalle.  297 

in  bezüg  auf  die  Lage  des  Lichtvektors  zur  Polarisationsebene,  als 
auch  in  bezug  auf  die  Lage  des  Lichtvektors  zur  Wellennormale 
bei  ebenen  Wellen.  Was  zunächst  die  letztere  anbelangt,  so  er- 
gibt sich  nach  S.  263,  daß  der  Lichtvektor  senkrecht  zu  der 
Wellennormale  bei  ebenen  Wellen  liegt,  d.  h.  daß  ebene  Wellen 
transversale  sind,  wenn  seine  Komponenten,  die  mit  w,  v,  w  be- 
zeichnet werden  mögen,  der  Differentialgleichung  genügen: 

S  +  S  +  s-»-  (« 

Durch  Differentiation  der  Gleichungen  (7)  bezw.  nach  Xj  y^  z 
und  Addition  erhält  man  nun  hier,  gerade  analog  wie  früher  auf  S.  260 : 

s(s  +  |  +  g)-».  W 

d.  h.  es  bestehen  transversale  Wellen,  falls  die  magnetische  Kraft 
als  Lichtvektor  interpretiert  wird. 

Wendet  man  eine  gleiche  Operation  auf  die  drei  Gleichungen 
(6)  an,  so  entsteht: 

d.  h.  man  erhält  ebenfalls  Transversalwellen,  falls  die  elektrische 
Strömung  als  Lichtvektor  interpretiert  wird. 

Dagegen  erhält  man  keine  Transversalwellen,  falls  die  elek- 
trische Kraft  als  Lichtvektor  interpretiert  wird,  da  infolge  der 
letzten  Gleichung  durch  die  Verschiedenheit  der  e i ,  ^2  ^  ^3  die  Un- 
gleichung besteht: 

Die  Polarisationsebene  geht  durch  'die  Richtung  der  Wellen- 
normale und  der  magnetischen  Kraft,  wie  wir  es  schon  oben 
S.  269  bei  isotropen  Medien  konstatierten. 

Die  formalen  Verschiedenheiten  der  drei  möglichen  kristall- 
optischen Theorien  sind  also  folgende: 

1)  Die  magnetische  Kraft  ist  der-Lichtvektor.  Ebene 
Wellen  sind  transversal,  der  Lichtvektor  liegt  in  der  Polarisations- 
ebene. (Mechanische  Theorie  von  F.  Neu  mann,  G.  Kirchhoff, 
W.  Voigt  u.  a.) 


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298  Kapitel  III. 

2)  Die  elektrische  Kraft  ist  der  Lichtvektor.  Ebene 
Wellen  sind  nicht  streng  transversal,  der  Lichtvektor  liegt  nahezu 
senkrecht  zur  Polarisationsebene.  (Mechanische  Theorien  von 
Ketteier,  Boussinesq,  Lord  Bayleigh  u.  a.) 

3)  Die  elektrische  Strömung  ist  derLichtvektor.  Ebene 
Wellen  sind  transversal,  der  Lichtvektor  liegt  senkrecht  zur  Pola- 
risationsebene.   (Mechanische  Theorie  von  Fresnel.) 

Diese  formalen  Verschiedenheiten  der  Theorien  können  zu  be- 
obachtbaren Unterschieden  nicht  fuhren,  falls  man,  wie  es  bei  den 
kristalloptischen  Erscheinungen,  z.  B.  beim  Durchgang  des  Lichtes 
durch  eine  Kristallplatte,  stets  der  Fall  ist,  schließlich  die  Licht- 
effekte doch  nur  in  einem  isotropen  Medium  bei  fortschreitenden 
(nicht  stehenden)  Wellen  beobachtet.  Man  muß  nur  jedes  Problem 
in  voller  Strenge,  d.  h,  mit  Rücksicht  auf  die  Grenzbedingungen, 
lösen. 

Dann  ist  das  zu  behandelnde  System  der  Differentialgleichungen 
und  Grenzbedingungen  ein  bestimmt  gegebenes;  für  die  elek- 
trische Kraft  im  isotropen  Außenmedium  erhält  man  eine  ganz 
bestimmte  Lösung,  unabhängig  davon,  was  als  Lichtvektor  im 
Kristall  interpretiert  ist;  falls  die  magnetische  Kraft  im  isotropen 
Außenmedium  als  Lichtvektor  interpretiert  wird,  an  Stelle  der 
elektrischen  Kraft,  so  erhält  man  gleiche  beobachtbare  Resultate, 
da  nach  den  Grundgleichungen  die  Intensität  der  fortschreitenden 
magnetischen  Welle  stets  gleich  der  Intensität  der  fortschreitenden 
elektrischen  Welle  ist. 

Die  elektromagnetische  Lichttheorie  bietet  also  den  Vor- 
teil, daß  sie  eine  Reihe  formal  verschiedener  Theorien  gleich- 
zeitig umfaßt  und  zeigt,  weshalb  sie  zu  demselben  Endziel  fuhren 
müssen. 

Den  Lichtstrahl  definieren  wir  nach  S.  258  als  Bahn  der  Energie- 
übertragung. Nach  der  auf  S.  295  aufgestellten  Formel  für  die 
elektromagnetische  Energie  im  Kristall  bleibt  auch  hier  die  frühere 
Formel  (23)  der  S.  258  für  den  Energiefluß  bestehen.  Die  Richtungs- 
kosinus des  Lichtstrahls  sind  also  auch  im  Kristall  den  früher 
(S.  259)  Formeln  (25),  definierten  Größen  /i,  fy,  fx  proportional. 

Der  Lichtstrahl  steht  also  senkrecht  auf  der  elek- 
triscl^en  und  magnetischen  Kraft.  Er  fällt  daher  im 
allgemeinen  nicht  mit  der  Wellennormale  ebener  Wellen 
zusammen,  da  diese  nicht  senkrecht  zur  elektrischen  Kraft 
steht,  wegen  der  Ungleichung  (11). 


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Optische  Eigenschaften  durchsichtiger  KristaUe.  299 

3.  Das  Fresnelsche  Gesetz  fßr  die  Lichtgeschwindigkeit. 

Um  die  Lichtgeschwindigkeit  im  Kristall  zu  finden,  stellen  wir  uns 
aus  den  Hauptgleichungen  (6)  und  (7)  solche  Differentialgleichungen 
her,  welche  entweder  nur  die  elektrische  Kraft,  oder  nur  die 
magnetische  Kraft  enthalten.  Ersteres  erreicht  man,  wenn  man 
die  drei  Gleichungen  (6)  nach  t  differenziert  und  für  die  auf  der 

rechten  Seite  auftretenden  Größen  -^,    ^,    ^,  ihre  Werte  aus 

den  Gleichungen  (7)  einsetzt.  Man  erhält  so  aus  der  ersten  der 
Gleichungen  (6): 

Die  rechte  Seite  dieser  Gleichung  kann  man  in  der  mehr 
symmetrischen  Form  schreiben; 

6i  h^X         .y       b  (bX    ,    bY    ,    bZ\  ,,^v 

Analog  erhält  man  aus  den  beiden  anderen  Gleichungen  (6): 

c2    Ö/2    —  ^^         öy\ö:c   "^   öy   "♦"   bx)  '  ,  2>) 

c2   0/2       ■  ^^         öjt  \bx  ~^   by  "^   bx)  ' 

Was  wir  als  Lichtvektor  interpretieren,  bedingt  nach  den 
Auseinandersetzungen  des  vorangegangenen  Paragraphen  nur  for- 
male Verschiedenheiten,  um  Anschluß  an  die  Fresnelsche  Theorie 
zu  gewinnen,  setzen  wir  den  Lichtvektor  proportional  zur  elek- 
trischen Strömung,  indem  wir  als  Komponenten  u,  v,  w  des  Licht- 
vektors bei  ebenen  Wellen  schreiben: 

v^e,y=A3l  003^(1-"""  +  7 +-?^)  ,  (13) 

w  ==  6^  Z=  A^  cos  -f  [t y  )  ' 

Dabei  soll  sein 

Wl^  +  ^^  +  ^^  =  m'^  +  n^  +  p^=\  .  (14) 


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300  Kapitel  UI. 

Es  bedeutet  dann  A  die  Amplitude  des  Lichtvektors,  $K,  31,  %  seine 
Richtungskosinus  gegen  die  Koordinatenachsen  (elektrischen  Sym- 
metrieachsen), tn,  w,  jt?  die  Richtungskosinus  der  Wellennormale,  Fdie 
Lichtgeschwindigkeit,  gemessen  in  Richtung  der  Wellennormale 
(sogenannte  Normalengeschwindigkeit).  Wegen  der  Gleichung  (10) 
besteht  die  Beziehung: 

(15)  9Jlm  +  ?tn  +  ^  =  0, 

welche  die  Transversalität  der  Wellen  ausdrückt. 

Das  Einsetzen  der  Werte  (13)  in  (12)  liefert  (es  ist  C  für 
das  obige  c  geschrieben): 

gw  _  jw  _  fw_  mm  ,  5^  ,  ^\ 

C2  —  e,F2        F2  i  e,     "^  fj   "^   h)' 
^  _  _9?     n^  mm    ,    ??n        ^\ 

C2"~f2F2  K2   \    ft       "T"     S2     ~^'     €3/' 

C^"~£3F2        vA  e,     "^  f2  "^  es/' 

Multipliziert  man  diese  Gleichungen  mit  C^V^  und  setzt  zur 
Abkürzung. 

(16)  C2:£i  =  a^   (72:  £2  =  ^2^   C2:f3  =  c2,J) 
(16')  a2  mm  +  b^dln  +  c^^p  =  0\ 

so  entsteht 

(17)  9n(a2— F2)=mö2,   $R(^^2  _72)  =  ^  ^2^  ^(c^— F2)=p  C?^ 

(17')      d.   h.       SJl  =  G2^^^^,    gfl  =   Ö2  __2.^^^    Sß  =   Ö2  _^^^. 

Durch  Multiplikation  dieser  letzten  drei  Gleichungen  mit  bezw. 
tw,  n,  ;?  und  Addition  entsteht  auf  der  linken  Seite  der  Wert  Null 
wegen  der  Beziehung  (15),  so  daß  man  mit  Fortlassung  des 
Faktors  G'^  erhält: 

m^  n^  y)2 

(18)  «2  ^  y2  +  ^2:1-  yit  +  ^2zrr2  "^  ^  • 

Dies  ist  eine  quadratische  Gleichung  für  F^  als  Funktion  von 
w,  n,jt?;  es  ergeben  sich  also  zu  jeder  bestimmten  Richtung 

1)  Der  Buchstabe  c  kommt  also  im  Buche  in  zwei  verschiedenen  Be- 
deutungen vor.  Im  allgemeinen  bedeutet  c  die  Lichtgeschwindigkeit  im  Vakuum. 
Nur  in  der  Kristalloptik  soll  hierfür  C  geschrieben  werden  und  c  hat  hier  die 
Bedeutung  C :  "yftz  . 


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Optische  Eigenschaften  darchsichtiger  Kristalle.  301 

der  Wellennormale  zwei  verschiedene  Lichtgeschwindig- 
keiten.   Die  Formel  (18)  heißt  das  Fresnelsche  Gesetz. 

Für  w=l,  w  =  |?  =  0  sind  die  beiden  Lichtgeschwindig- 
keiten Fi2=fc2^  V^^=c\  Für  den  Fall,  daß  die  WeUennormale 
in  einer  der  elektrischen  Symmetrieachsen  des  Kristalls  liegt,  sind 
also  zwei  von  den  Größen  a,  b,  0  die  Lichtgeschwindigkeiten. 
Diese  Größen  a,  6,  c  werden  daher  die  Hauptlichtgeschwindig- 
keiten genannt. 

Dasselbe  Geschwindigkeitsgesetz  (18)  ergibt  sich,  falls  man 
die  magnetische  Kraft  oder  die  elektrische  Kraft  als  Licht- 
vektor wählt. 

4.  Die  läge  der  Ltehtschwingungen.  Zu  jeder  Wellennor- 
male gibt  es  zwei  sich  mit  verschiedener  Geschwindigkeit  fort- 
pflanzende Wellen.  Die  Lage  der  charakteristischen  Größen,  z.  B. 
der  elektrischen  Strömung,  ist  in  ihnen  eine  ganz  bestimmte,  und 
zwar  in  beiden  Wellen  eine  verschiedene.  Bezeichnet  man 
nämlich  die  Zugehörigkeit  zu  den  beiden  verschiedenen  Wellen 
durch  Indizes  1  und  2,  so  ergibt  sich  aus  (18')  die  Lage  des  Licht- 
vektors aus: 

(19) 

In  Eichtung  einer  bestimmten  Wellennormale  können  sich  also 
nur  zwei  linear  polarisierte  Wellen  fortpflanzen,  und  zwar  sind 
diese  Wellen  senkrecht  zueinander  polarisiert.  Denn  aus  (19) 
erhält  man: 

2K,aR2  +  %%  +  ^,^2  -  (jf^rrf^.,)  +  u.  s.  w     (20) 

Nun  ist  aber 

(a2—  V)  (ä^^^V^)  ~~  TT^^ V  [ä^  ^^^        «^  — TV  / ' 
SO  daß  die  linke  Seite  von  (20)  proportional  ist  zu 

i^'i^— Tv  ( »2  —  rj2  +  62  — nrv  +  c2  —  v^^ 

W2  n2  p2         ] 


a2  —  IV        62  —  F22        c2  —  V^ij 


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302  Kapitel  IIL 

Da  nun  aber  sowohl  F,  als  Fj  der  Gleichung  (18)  genügt,  so  ist 
dieser  ganze  Ausdruck  Null.  Folglich  liegt  der  Lichtvektor  3Ki, 
%,  %  senkrecht  zum  Vektor  SRj,  %,  ^2- 

DieLichtgeschwindigkeit  ist  eine  eindeutige  Funktion 
der  Schwingungsrichtung.  Denn  das  Fresnelsche  Gesetz  (18) 
kann  man  unter  Eücksicht  auf  (19)  schreiben 

(a2  —   F2)  9^2  +  (^2  _   72)  gfl2  _!_  (^2  —   72)  Sß2  =  0, 

d.  h.  da  9D|2  +  ?t2  +  ^2  =  1  ist: 

(18')  F2  =  a2gji2  +  ^,2  5^2  +  ^2  Sß2. 

5.  Die  Normalenfläche,  um  eine  Anschauung  davon  zu  haben, 
in  welcher  Weise  die  Lichtgeschwindigkeit  mit  der  Richtung  der 
Wellennormale  variiert,  empfiehlt  es  sich,  von  einem  gewissen  An- 
fangspunkt 0  aus  auf  allen  beliebigen  Normalenrichtungen  die 
beiden  Lichtgeschwindigkeiten  als  Radienvektoren  abzutragen. 
Man  erhält  dadurch  eine  zweischalige  Fläche,  die  sogenannte 
Normalenfläche.  In  einer  elektrischen  Symmetrieebene,  z.  B. 
der  y  ;t-Ebene  (w  =  0),  sind  nach  (18)  die  beiden  Wurzeln  für  die 
Geschwindigkeit: 

(21)  Fi2  =  a2,    V2^  =  b^p^  +  c^n^, 

d.  h.  der  Schnitt  der  Normalenfläche  mit  einer  elektrischen  Sym- 
metrieebene besteht  in  einem  Kreise  und  einem  Ovale.  Falls 
a  >  fc  >  c  ist,  erhält  man  daher  die  in  Figur  85  gezeichneten  Schnitte 
der  Wellenfläche  mit  den  Symmetrieebenen.  In  der  x  »-Ebene 
fallen  danach  für  zwei  Richtungen  der  Wellennormale,  die  durch 
Ji  und  ^2  bezeichnet  sind,  die  beiden  Wurzeln  F^  und  F2  not- 
wendig zusammen,  da  beide  Schalen  der  Wellenfläche  zum  Schnitt 
kommen.  Es  läßt  sich  zeigen,  daß  dies  für  keine  anderen 
Richtungen  der  Wellennormale  eintreten  kann.  Die 
quadratische  Gleichung  für  F2  ist  nämlich  nach  (18); 

(22)  ^*  ""  ^^  l^^  ^^^  +  ^^)  +  ^^  ^^^  +  "^^  +  P^  (^^  +  ^^} 

+  m^b^c^  +  n2c2a2+p2a2ft2  =  o. 


Die  Auflösung  dieser  Gleichung  liefert,  falls  man  setzt: 

(23) 
(24) 


(23)        i/=m2(62__c2)^  x=n^{c^~a^),  P  =  p^{a^^b^), 
2r^  =  m^  (fe2  +  c2)  -{-  n2  (c2  +  a^)  +  p^  {a^  +  b^ 


±  V^i/2  +  i\'2  +  p2  _  2MX—  2NP  —  2MP. 


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Optische  EigeDschaften  durchsichtiger  Ejristalle. 


303 


Da  nun  a^b^c,  so  ist  if  und  P  positiv,  N  negativ.    Da  man 
den  Radikanden  schreiben  kann  in  der  Form: 

{M+  N—Py  —  4MN, 

so  besteht  er  ans  zwei  positiven  Gliedern.    Ein  Zusammenfallen 
beider  Wurzeln  für  F^  erfordert  daher  die  beiden  Bedingungen: 

M+N  —  P=0,  MN=0. 

Es  kann  nun  M  nicht  gleich  Null  sein,  weil  dann  N^=^P  sein 


>x^ 


Fig.  85. 

müßte,  was  nicht  möglich  ist,  da  N  negativ  und  P  positiv  ist. 
Folglich  verschwindet  der  Radikand  nur  für 


d.  h. 


N=i),   M=P, 
oder  da  m^  -{-  n^+p^  =  l  ist,  so  ergibt  sich 


m  =  -f- 


a2-c2' 


0 


(25) 


(26) 


Hierdurch  sind  also  die  beiden  Richtungen  der  Wellennormale  be- 
stimmt, für  welche  die  beiden  Lichtgeschwindigkeiten  zusammen- 


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304  Kapitel  111. 

fallen.  Man  nennt  diese  Richtungen  die  optischen  Achsen.  Die 
elektrischen  Symmeteieachsen  a:  und  «,  welche  die  Winkel  zwischen 
den  optischen  Achsen  halbieren,  werden  auch  die  optischen 
Mittellinien  des  Kristalls  genannt. 

Der  Wert  der  beiden  Wellen  gemeinsamen  Lichtgeschwindig- 
keit, falls  die  Wellennormale  in  die  optische  Achse  fällt,  ist  Fi=  V2=b. 
Dies  geht  direkt  aus  der  Zeichnung  in  Figur  85  hervor,  ebenso 
aus  der  Gleichung  (24)  in  Verbindung  mit  (26).  Die  Schwingungs- 
richtung in  diesen  Wellen  ist  daher  nach  (19)  unbestimmt,  da  in  jenen 
Gleichungen  der  unbestimmte  Ausdruck  n:b^ —  72  =  0:0  auftritt 
In  Richtung  der  optischen  Achse  kann  sich  daher  jede  Lichtart  fort- 
pflanzen, d.h.  sowohl  beliebig  polarisiertes,  als  auch  natürliches  Licht. 

Die  Lichtgeschwindigkeit  F  läßt  sich  bequemer  als  nach  (24) 
berechnen,  wenn  man  die  Winkel  gi  und  ^2  einführt,  welche  die 
Wellennormale  mit  den  optischen  Achsen  bildet.  Als  positive 
Richtung  der  einen  optischen  Achse  A^  sei  diejenige  gerechnet, 
welche  spitze  Winkel  mit  der  x-  und  ^j;- Achse  bildet.  Ihre  Richtungs- 
kosinus sind  also  nach  (26): 

(26')  ^i=  +  f/feS'    ^  =  <*'    Pi-  +  y^i^.   ' 

Als  positive  Richtung  der  anderen  optischen  Achse  A2  sei  diejenige 
gerechnet,  welche  einen  spitzen  Winkel  mit  der  ;c-Achse,  aber  einen 
stumpfen  Winkel  mit  der  a:-Aehse  bildet.  Ihre  Richtungskosinus 
sind  daher: 

(26)        ^=-J/^r=r^.    ^2  =  0,   P2=+yä2zr^' 

Die  Kosinus  der  Winkel  ^1,  ^2  zwischen  Wellennormale  und 
den  positiven  Richtungen  der  Achsen  Jj,  A2  sind  daher: 

cos  gi  =  mwi  +  nn^  +  pp^ ,  d.  h. 
cos  g,  =  my  ^^-:::r^  +py  -r^r^. 

cos  g^^-m  y  ^,_^,   +j>y  --,^^,-. 

Infolge  der  Relation  n2=i  —  m^ — p'^  kann  man  nun  leicht  die 
Beziehung  ableiten: 


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Optische  Eigenschaften  durchsichtiger  Kristalle.  305 

m2  (62  +  c2)  +  n2  (c2  +  a2)  +p^  (a^  +  ^2) 

=  a2  +  c2  +  (a2  —  c^)  cos  g^  cos  g<i ,  (28) 

if2  +  J\r2+p2_2JfJ\r— 2iVT— 2ifP=(a2  — c2)2«•n2^J5^nV2• 
Folglicll  wird  nach  (24): 

2  Fi2  =  a2  +  c2+  (a2-c2)  cos  {g,- g^) ,  ,.^. 

2  F22  =  a2  +  c2+  (a2-c2)  cos  {3,  +  g^,  ^^^^ 

6.  Oeometrische  Konstraktton  der  WellenflSche  und  der 
Schwingrangsrichtuug.  Nach  Fresnel  kann  man  die  Lichtge- 
schwindigkeit und  die  Schwingungsrichtung  mit  Hilfe  einer  Fläche 
des  Ovaloids,  in  folgender  Weise  geometrisch  konstruieren:  Der 
Radiusvektor  q  des  Ovaloids  bilde  mit  den  Koordinatenachsen  die 
ßichtungskosinus  ^1,^2»  ^s-  Die  Gleichung  des  Ovaloids  lautet  dann: 
^2  =  ^2^^  2  ^^2^2  2  +  ^21^32,  (30) 

a,  h,  c  sind  die  Hauptachsen  des  Ovaloids.  Um  die  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit einer  Wellenebene  zu  finden,  legen  wir  parallel 
derselben  eine  Ebene  durch  das  Zentrum  des  Ovaloids  und  suchen 
den  größten  und  kleinsten  Radiusvektor  q^  und  q^  des  erhaltenen 
Ovalschnittes.  Diese  sind  gleich  den  beiden  Lichtgeschwindig- 
keiten der  betreffenden  Wellenebene,  die  Richtungen  von  q^  und 
Q2  geben  die  Schwingungsrichtungen  an,  und  zwar  die  Richtung 
von  Qx  für  die  mit  der  Geschwindigkeit  Qi  fortschreitende  Welle. 

Um  diese  Konstruktion  als  richtig  zu  erweisen,  müssen  wir 
berücksichtigen,  daß  ^j,  d^^t  ^3  i^^ch  die  beiden  Bedingungen  be- 
friedigen: 

1  =  ^^24.  ^22  +  ^3^  (31) 

0  =  Tw^i  +  nd^2  +  ;^^3-  (32) 

Letztere  Gleichung  drückt  aus,  daß  der  Ovalschnitt  senkrecht 
zur  Wellennormale  steht,  um  nun  diejenigen  Richtungen  ^j,  1^2»  ^3 
zu  finden,  für  welche  q  ein  Maximum  oder  Minimum  annimmt,  kann 
man  nach  Regeln  der  Differentialrechnung  ^j,  ^2»  ^3  3.1s  voneinander 
unabhängige  Variabele  betrachten,  wenn  man  zu  der  Gleichung 
(30)  noch  die  mit  den  unbestimmten  (Lagrangeschen)  Faktoren 
<jj,  02  multiplizierten  Gleichungen  (31)  und  (32)  addiert  Durch 
Nullsetzen  der  einzelnen  Differentialquotienten  von  q'^  nach  i^j,  ^2» 
^3  erhält  man  dann: 

0  =  2  (a2  +  01)^1  + m<j2, 

()  =  2(62  +  <ji)^2  + WÖ2'  (33) 

O  =  2(c2  +  <j0^3  +  -Pö2. 

Drade,  Lehrbach  d.  Optik.    2  Aafl.  20 


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306  Kapitel  IIL 

Multipliziert  man  diese  Gleichungen  bezw.  mit  ^i,  ^2»  ^3  i^^d 
addiert,  so  ergibt  sich  wegen  (31)  und  (32): 

a2^i2^fc2^2^  +  ^^^3^  =  — ö^i. 

Es  ist  also  nach  (30)  Oi=  —  q\  Setzt  man  diesen  Wert  in  (33) 
ein,  so  kann  man  jene  drei  Gleichungen  in  der  Form  schreiben: 

(34)*i  =  -iö2ir^2»     ^2  =  -iö2^p4y,,    ^3  =  -A(,2-^^. 

Durch  Multiplikation  mit  bezw.  m,  n,  p  und  Addition  folgt 
wegen  (32): 

a2  —  (>2  T-  ^2  _  ^2  T^  C2  _  ^2        "  ' 

d.  h.  Q  befriedigt  tatsächlich  dieselbe  Gleichung,  wie  die  Licht- 
geschwindigkeit V  (vgl.  Formel  (18)  der  S.  300). 

Aus  (34)  folgt  nun,  daß  ^1,  ^2?  ^3  dieselben  Verhältnisse 
untereinander  besitzen,  wie  nach  (19)  SK,  91,  ^,  d.  h.  der  Licht- 
vektor hat  die  Sichtung  des  maximalen,  bezw.  minimalen  Radius- 
vektors des  Ovalschnittes. 

Da  die  Schwingungsrichtung  nach  §  5  unbestimmt  wird  für 
den  Fall,  daß  die  Wellennormale  mit  einer  optischen  Achse  zu- 
sammenfallt, so  kann  in  diesem  Falle  der  Ovalschnitt  kein  Maxi- 
mum oder  Minimum  des  Radiusvektors  besitzen,  d.  h.  das  Ovaloid 
muß  in  einem  Kreise  geschnitten  werden  von  Ebenen, 
welche  normal  zur  optischen  Achse  sind.  Die  Radien  dieser 
beiden  Kreise  sind  einander  gleich,  und  zwar  gleich  b.  Ein  be- 
liebig liegender  Ovalschnitt  einer  Wellenebene,  deren  Normale  K 
sei,  schneidet  die  beiden  Kreisschnitte  des  Ovaloids  in  zwei  Radien- 
vektoren r^  und  r2,  welche  die  gleiche  Länge  b  haben.  Diese  Vek- 
toren r^  und  r2  sind  senkrecht  zu  den  Ebenen,  welche  man  durch 
die  Wellennormale  N  und  je  eine  optische  Achse  Jj,  bezw.  A2  legen 
kann,  da  z.  B.  r^  sowohl  senkrecht  zu  N,  wie  zu  A^  steht.  Diese 
Ebenen  {XA^  bezw.  {NA^  schneiden  daher  den  Ovalschnitt,  den 
die  Wellenebene  mit  dem  Ovaloid  macht,  ebenfalls  in  zwei  gleichen 
Radienvektoren  r\  und  r  2,  da  r\  J.  zu  ^i»  ^'2  J-  zu  r.2  ist,  da  auch 
^1  =  ^2^  so  folgt  aus  der  Symmetrie  des  Ovalschnittes,  daß  auch 
r\  =  r  2  ist  und  daß  die  Hauptachsen  pj  und  Q2  desselben  den 
Winkel  zwischen  r^  und  r2,  r\  und  r2  halbieren.  Die  Schwin- 
gungsrichtungen des  Lichtvektors  (die  mit  Qi  und  Q2  koin- 
zidieren)  liegen  daher  in  den  beiden  Ebenen,  welche  die 


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Optische  Eigenschaften  durchsichtiger  Kristalle.  307 

von  den  Ebenen  {NA^  bezw.  {NA^  gebildeten  Winkel  hal- 
bieren. Dadurch  sind  die  Schwingungsrichtungen  bestimmt,  da  sie 
auch  senkrecht  zur  Wellennormale  N  liegen.  Die  zu  V^  (nach  (29) 
definiert)  zugehörige  Schwingungsrichtung  liegt  in  der  Halbierungs- 
ebene des  Winkels  {A^,  N,  A2),  wobei  A^  und  A2  die  nach  (26'), 
(26")  definierten  positiven  Richtungen  der  optischen  Achsen  bedeuten, 
die  zu  Vi  zugehörige  Schwingung  liegt  senkrecht  gegen  diese 
Ebene,  d.  h.  in  der  Halbierungsebene  des  Winkels  (^4,,  N,  —  A^. 

7.  Einachsige  Kristalle.  Wenn  zwei  der  Hauptlichtgeschwin- 
digkeiten a,  Ä,  c  einander  gleich  sind,  z.  B.  falls  a  =  h  ist,  so  treten 
besondere  Vereinfachungen  ein.  Aus  (26)  auf  S.  303  folgt,  daß 
beide  optischen  Achsen  zusammenfallen,  nämlich  in  die  «-Achse; 
daher  heißen  diese  Kristalle  einachsig.  Aus  (29)  auf  S.  305 
folgt,  da  dann  stets  91  =  92  ist: 

Fl  2  =  a2,     F2  2  =  «2  cos^  9+  c^  8in'^9,  (35) 

wobei  g  den  Winkel  bedeutet,  welchen  die  Wellennormale  mit  der 
optischen  Achse  bildet.  Die  eine  Welle  hat  also  konstante  Ge- 
schwindigkeit, sie  wird  die  ordinäre  Welle  genannt.  Die 
Schwingungsrichtung  der  extraordinären  Welle  liegt  nach  der 
Konstruktion  der  vorigen  Seite  im  Hauptschnitt  des  Kristalls, 
d.  h.  in  der  Ebene,  welche  durch  optische  Achse  und  Wellennormale 
geht,  die  ordinäre  Welle  schwingt  daher  senkrecht  zum  Hauptschnitt. 
Da  der  Hauptschnitt  (vgl.  oben  S.  231)  als  Polarisationsebene  der 
ordinären  Welle  definiert  ist,  so  liegen  also  die  Schwingungen 
senkrecht  zur  Polarisationsebene,  wie  es  der  Fresnelsche  Stand- 
punkt auch  für  isotrope  Medien  ergab.  —  Wenn  der  Winkel  g  der 
Wellennormale  Nmii  der  optischen  Achse  variiert,  aber  iV^in  einem 
bestimmten  Hauptabschnitt  verbleibt,  so  bleibt  daher  die  Schwingungs- 
richtung der  ordinären  Welle  unverändert,  aber  die  der  extra- 
ordinären Welle  variiert.  Daher  ergibt  sich  das  schon  oben  S.  329 
§  7  behauptete  Resultat,  daß  der  Fresnelsche  Standpunkt  den 
Vorzug  der  Einfachheit  insofern  genießt,  als  für  das  Verhalten 
einer  Welle  lediglich  die  Schwingungsrichtung  maßgebend  ist. 
Bleibt  diese  unverändert,  so  bleibt  auch  die  Fortpflanzungsgeschwin- 
digkeit der  Welle  unverändert,  auch  wenn  sich  die  Richtung  der 
Wellennormale  ändert. 

Einachsige  Kristalle  liefern  diejenigen  Kristallsysteme,  welche 
eine  ausgezeichnete  Kristallachse  besitzen,  zu  welcher  zwei  (oder 

20* 


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308  Kapitel  JULI. 

drei)  gleichwertige  Achsen  senkrecht  stehen,  d.  h.  das  tetragonale 
und  hexagonale  System,  Die  optische  Achse  fällt  in  die  ausgezeich- 
nete kristallographische  Achse.  Die  Kristalle  des  regulären  Systems 
unterscheiden  sich  optisch  nicht  von  isotropen  Körpern,  da  nach 
ihrer  kristallographischen  Symmetrie  a  =  b=c  sein  muß. 

Rhombische,  monokline,  trikline  Kristalle  können  zweiachsig 
(in  optischer  Hinsicht)  sein.  Bei  ersteren  fallen  die  kristallogra- 
phischen Symmetrieachsen  notwendig  mit  den  elektrischen  Sym- 
metrieachsen zusammen,  da  ein  Kristall  in  jeder  physikalischen 
Hinsicht  mindestens  die  Symmetrie  besitzt,  welche  auch  der  Kri- 
stallform eigen  ist  Bei  monoklinen  Kristallen  kann  man  aus  der 
Kristallform  nur  auf  die  Lage  der  einen  elektrischen  Symmetrie- 
achse schließen,  da  diese  senkrecht  zu  der  (einzigen)  kristallogra- 
phischen Symmetrieebene  steht,  bei  triklinen  Kristallen  haben  die 
elektrischen  Symmetrieachsen  überhaupt  keine  von  vornherein 
bestimmte  Lage  zur  Kristallform. 

Bei  einachsigen  Kristallen  (a  =  b)  wird  nach  (30)  das  Ovaloid 
zur  Rotationsfläche: 

(36)  ()2  =  o2+  (c*^  — ai)  V. 

Je  nachdem  diese  Fläche  in  Richtung  der  Achse  abgeplattet  oder 
verlängert  ist,  nennt  man  den  Kristall  positiv-,  oder  negativ- 
einachsig. Für  ersteren  Fall  ist  daher  a^c,  für  letzteren  a<c. 
Nach  (35)  ist  bei  positiven  Kristallen  die  ordinäre  Welle  die 
schnellere,  d.  h.  weniger  stark  brechbare,  bei  negativen  Kristallen 
wird  dagegen  die  ordinäre  Welle  stärker  gebrochen,  als  die  extra- 
ordinäre.   Quarz  ist  positiv,  Kalkspath  negativ  einachsig. 

8.  Bestimmung  der  Btchtmig  des  Lichtstrahls  aus  der 
Wellennormale.  Die  Richtungskosinus  des  Lichtstrahls  seien  m,  n,  p 
genannt  Nach  den  auf  S.  29S  angestellten  Überlegungen  und  der 
Formel  (25)  auf  S.  259  ist: 

(37)  m  :  n  :  p  =  yY  —  ßZ  :  aZ  —  y  X  :  ßX  —  aY. 

Nun  ist  aber  nach  den  Formeln  (13)  auf  S.  299  und  der  dortigen 
Bezeichnung  (16) 

(38)  X:  F:Z  =  a22Jl:625n:c2^, 

femer  leitet  man  aus  den  Formeln  (7)  der  S.  296  und  den  Formeln 
(13)  sofort  ab: 

(39)  a:ß:  7  =  6^5R  — c^n^  :  chn^  —  a'^pm  :  aht^  -  b^3l. 


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Optische  Eigenschaften  durchsichtiger  Kristalle  309 

Setzt  man  die  Werte  (38)  und  (39)  in  (37)  ein,  so  erhält  raan 
m  :  n  :  p  =  -  w  (a^  aJi2  +  fc^  $R2  +  ^4  ^2) 


+  2Ka2  {ahn  2Jl  +  ft^n  5R  +  C^p  ?5) 


(40) 


Die  durch  . . .  angedeuteten  Terme  ergeben  sich  aus  dem  hin- 
geschriebenen Terme  durch  zyklische  Vertauschung  der  Buch- 
staben.   . 

Benutzt  man  nun  die  Abkürzung  (16')  der  S.  300,  d.h.  setzt  man: 

a^m  SJl  +  6^  5R  +  c2p  ^  =  G2  ,  (41) 

so  folgt  aus  den  dortigen  Gleichungen  (17) 

Durch  Quadrieren  und  Addieren  dieser  drei  Gleichungen  erhält 
man  daher,  da 

2R2  +  5^2  +  Vß2  =  ^2  4.  ^2  +  ^2  =  1  ^ 

2Jlm  +  $Rn  +  ^/)  =  0  (vgl.  S.  300)  ist: 
a^2K2  +  Mg[i2  +  e*^2=  74+  ^4.  (42) 

Durch  Quadrieren  und  Addieren  der  drei  Gleichungen  (17') 
ergibt  sich 

Setzt  man  nun  für  SMa^  den  aus  (17')  folgenden  Wert  ein 

so  folgt  unter  Benutzung  von  (41)  und  (42)  für  (40): 

ni:  n:p= m{V^+0^)  +  ^(?^  ^y^  :...:...  , 


oder 

Durch  diese  Gleichung  ist  die  Richtung  des  Lichtstrahls  aus- 
gedrückt in  ihrer  Abhängigkeit  von  der  Richtung  der  Wellen- 


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310  Kapitel  m. 

normale,  da  sich  V^  aus  tw,  w,  p  nach  dem  Fresn eischen  Gesetz 
(18)  bestimmt,  und  0^  nach  (43)  auch  durch  w,  n,  p  und  V^  aus- 
gedrückt ist. 

Um  die  Richtungskosinus  m,  n,  p  absolut  zu  bestimmen  (nicht 
nur  ihre  Verhältnisse),  können  wir  setzen: 

wobei  0  ein  Proportionalitätsfaktor  ist,  den  wir  bestimmen  können, 
falls  diese  drei  Gleichungen  quadriert  und  addiert  werden.  Es 
folgt  dann  mit  Rücksicht  auf  (18)  und  (43): 

(46)  l  =  (j2(^4_j.  o*), 

9.  Die  StrahlenflSche.  Wenn  eine  Wellenebene  in  der  Zeit- 
einheit sich  um  die  Strecke  V  parallel  mit  sich  fortgepflanzt  hat, 
so  wird  V  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  der  Wellennormale 
genannt.  Der  Lichtstrahl  liegt  schief  zur  Wellennormale,  und  macht 
mit  ihr  einen  Winkel  f,  der  gegeben  ist  durch 

(47)  cos  g  =  mm  +  nn  +  pp . 

Der  Lichtstrahl  hat  dann  in  der  Zeiteinheit  den  Weg  93  zurück- 
gelegt, wobei  ist: 

(48)  93  C05  g  =  F. 

93  wird  die  Strahlengeschwindigkeit  genannt,  sie  ist  also 
größer  als  die  Normalengeschwindigkeit. 

Durch  Multiplikation  der  drei  Gleichungen  (45)  mit  m,  n,  p 
und  Addition  folgt  cos  ^=  oV\  d.  h.  unter  Rücksicht  auf  (48): 

(49)  (J  =  1:F9S. 

Nach  (46)  folgt  daher: 

(50)  (?4=  ^2  582  _  74^ 

oder  unter  Rücksicht  auf  (48): 

(51)  02=  F2/(7g. 

Setzt  man  den  Wert  0^  nach  (50)  in  die  Gleichungen  (45) 


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Optische  Eigenschaften  durchsichtiger  Kristalle.  311 

ein,  und  berücksichtigt  man  (49),  so  erhält  man  durch  einfache 
Umformung: 

m^     _     mV  nß     n  V  pß^    p  V 


sy2_a2  ^2— a2'       !lß2-_62  F2— 62'       ÜB2  _  ^2  ~    F^— C^ 


(52) 


Multipliziert  man  diese  drei  Gleichungen  mit  bezw.  ma\  nb\ 
pc2  und  addiert  sie,  so  entsteht  unter  Rücksicht  auf  (17'): 

35  (^^,  +  3,S-,  +  ^SJ  =  -  ^  (a^SRm  +  6«Ru  +  c«ßp) . 

Nun  steht  aber  der  Lichtstrahl  senkrecht  zur  elektrischen 
Kraft.  Daher  verschwindet  die  rechte  Seite  der  letzten  Gleichung, 
da  die  Komponenten  der  elektrischen  Kraft  der  Relation  (38)  ge- 
nügen.   Es  entsteht  also  die  Beziehung: 

^'^'  1X2^2  p2c2      __  . 

532__  a2      '      S32  —  ^2  ^   Vß2_  c2  '^  »  V*^*>; 

welche  man  auch  schreiben  kann  in  der  Form: 

17  717  7     *^* 


J._±-i._-J__I_jL~  (53') 

a2  SB2         62  8^2        c2  332 

Addiert  man  zu  (53)  die  Beziehung  m^  +n2  +p2=_i^  go  er- 
gibt sich 

„,2^  n2g2  ^2^2      _ 

5ß2_a2   ^   ^2_^,2     ^  s^2__c2~~  ^^  ^^^    ^ 

Durch  diese  Beziehungen  ist  die  Strahlengeschwindigkeit  SS  als 
Funktion  der  Strahlrichtung  dargestellt.  Trägt  man  33  als  Radius- 
vektor in  der  Richtung  m,  n,  p  von  einem  festen  Punkte  aus  ab, 
so  erhält  man  die  sogenannte  Strahlenfläche.  Dieselbe  ist  eben- 
falls eine  zweischalige  Fläche,  gerade  wie  die  Normalenfläche,  hat 
überhaupt  mit  letzterer  große  Ähnlichkeit,  da  aus  der  Gleichung  (18) 
der  Normalenfläche  durch  Ersetzung  aller  dort  auftretenden  Längen 
durch  ihre  reziproken  Werte  die  Gleichung  (53')  der  Strahlen- 
fläche erhalten  wird.  Die  Symmetrieebenen  schneiden  die  Strahlen- 
fläche je  in  einem  Kreise  und  einer  Ellipse. 

Die  in  §  6  angegebene  geometrische  Konstruktion  ergibt  also 
hier,  daß  man  auszugehen  hat  von  der  Fläche  [vgl.  die  dortige 
Formel  (30)]: 

(>2  02     "T     62     ■•       C2    ' 


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312  Kapitel  ÜI. 

d.  h.  einem  Ellipsoid  mit  den  Hauptachsen  a,  b,  c.  Die  Strahl- 
geschwindigkeit 35  in  einer  bestimmten  Richtung  m,  n,  p  wird  er- 
halten als  die  Hauptachsen  Qi  und  Q2  derjenigen  Ellipse,  in  welcher 
das  Ellipsoid  geschnitten  wird  von  einer  zum  Strahl  senkrechten 
Ebene. 

Auch  hier  müssen  zwei  Richtungen  511,,  ^2  existieren,  für  welche 
die  beiden  Wurzeln  SS^  der  quadratischen  Gleichung  (53')  zusammen- 
fallen. Man  erhält  diese  Richtungen  aus  den  früheren  Formeln 
(26'),  (26")  für  die  optischen  Achsen,  wenn  man  alle  Längen  durch 
ihre  reziproken  Werte  ersetzt.    Dies  gibt: 

■"--l/rl-i-  "=»•  "-l/M*' 

oder 

Diese  beiden  Richtungen  heißen  die  Strahlenachsen. 

Die  Strahlenfläche  kann  man  ansehen  als  diejenige  Fläche, 
bis  auf  welche  sich  eine  von  einem  Punkte  P  ausgehende  Licht- 
erschütterung in  der  Zeiteinheit  fortgepflanzt  hat.  (Sie  wird  aus 
diesem  Grunde  in  der  Literatur  zum  Teil  auch  „Wellenfläche" 
genannt.) 

Wenn  man  die  einzelnen  Punkte  P  einer  Wellenebene  nach 
dem  Huygens sehen  Prinzip  als  Erregungszentren  auffaßt  und 
um  diese  die  Strahlenfläche  konstruiert,  so  würde  die  Enveloppe 
derselben  die  Lage  der  Wellenebene  nach  der  Zeiteinheit  dar- 
stellen (vgl.  oben  S.  156).  Nach  dieser  Konstruktion  ist  also  die 
zu  einem  Strahl  PS  zugehörige  Wellenebene  die  Tangen- 
tialebene, welche  im  Punkte  S  an  die  Strahlenfläche  ge- 
legt werden  kann. 

Dies  ist  nun  in  der  Tat  auch  aus  unsern  Formeln  ableitbar. 
Wenn  man  die  rechtwinkligen  Koordinaten  eines  Punktes  S  der 
Strahlenfläche  mit  x,  ?/,  x  bezeichnet,  so  ist  m5S=a:,  u.  s.  w., 
fß^  =  x^  +  y'^+z^  und  nach  (53"): 

C^^)  ^Z.  «2  "l"   ■^2~H"p  "T    s}^'l  —  cl  1  —  "  • 

Bezeichnet  man  diese  Gleichung  symbolisch  als  F{x,y,x)^=^^  so 
sind  die  Richtungskosinus  der  Normale  der  Tangentialebene  im 


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Optische  Eigenschaften  darchsichtiger  Kristalle.  313 

hF    hF    hF 

Punkte  X,  y,  x  proportional  ™  "g^ » -^ »  ^^  *    ^^^  müssen  also  be- 
weisen, daß  ist: 

}sF  bF   bF 


Es  ist  nun  nach  (55): 

'-2x  M—  -  —""^ ^ ?i— ^ 


bF 


Nach   (52)  ist  nun  a: :  SS^  —  a^  =  wF:  F^  —  a^^    u.  s.  w.,    unter 
Rücksicht  auf  die  Beziehung  (43)  und  (50)  ergibt  sich  also 


bx         ^^\^^2_a^        U*l 


2xV^     a^^V^ 


d.  h.  mit  Rücksicht  auf  (52): 


^=-2mg.  (57) 

Aus  dieser  Gleichung  kann  man  durch  zyklische  Vertauschung 
der  Buchstaben  ^ ,  ^-  ableiten.  Es  ergibt  sich  daher  sofort  die 
Relation  (56),  d.  h.  jene  aus  dem  Huy  gen  sehen  Prinzip  gefundene 
Konstruktion  wird  bestätigt. 

Nach  diesen  Überlegungen  kann  man  die  Strahlrichtung  m,  it,  p 
aus  der  Wellennormalen  w,  n,  p  in  folgender  Weise  ableiten:  Die 
Strahlenfläche  berührt  sämtliche  von  einem  Punkte  P  nach  allen 
Richtungen  in  der  Zeiteinheit  fortgepflanzten  Wellenebenen,  ist 
also  die  Enveloppe  dieser  Wellenebenen.  Wenn  wir  daher  drei 
Wellenebenen  ins  Auge  fassen,  welche  der  Richtung  PN  unendlich 
nahe  benachbart  sind,  so  muß  ihr  Schnittpunkt  unendlich  nahe 
benachbart  sein  dem  Endpunkt  S  des  zur  Normalenrichtung  PN 
zugehörigen  Lichtstrahls  PS,  da  S  gemeinsam  allen  drei  Wellen- 
ebenen angehört.  Die  Richtigkeit  dieser  Konstruktion  möge  nun 
auch  analytisch  bewiesen  werden:  Die  Gleichung  einer  Wellen- 
ebene ist 

mx  -\-mj-\-px=V,  (58) 

Wenn  x,  ?/,  z  auch  einer  unendlich  nahe  benachbarten  Wellenebene 
angehören  soll,  so  gilt  auch  die  Gleichung  (58),  wenn  man  sie  nach 
TW,  w,  p  differenziert.  Diese  Größen  sind  aber  nicht  voneinander 
unabhängig,  da  m'^  +  n'^  +  p'^=\  ist.    Nach  dem  Verfahren  von 


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314  Kapitel  m. 

Lagrange  (vgl.  oben  S.  305)  kann  man  aber  zu  (58)  die 
Identität 

hinzu  addieren,  so  daß  man  erhält: 

(59)  mx  +  ny  +px  +  f{mP-  +  n^  +p^  =  V-\-f. 

f  ist  eine  unbekannte  Konstante.  Da  diese  noch  mit  in  die  Rech- 
nung eingeführt  ist,  so  kann  man  jetzt  in  (59)  m,  n,  p  als  von 
einander  unabhängige  Variabele  ansehen  und  die  Differentialquo- 
tienten von  (59)  einzeln  nach  w,  n,  p  bilden,  so  daß  man  erhält: 

(60)  x  +  2fm^^^,   y  +  2fn  =  ''^,   ^.+2fp=='^. 
Nun  ist  aber  nach  (18)  und  (43): 


(61) 


bm         F2  —  a2      V 


analoge  Ausdrücke  gelten  für  5^,  ^ .    Durch  Multiplikation  der 

drei  Gleichungen  (60)  mit  bezw.  w,  n,  p  und  Addition  entsteht 
auf  der  rechten  Seite  wegen  (18)  und  (61)  der  Wert  Null.  Auf 
der  linken  Seite  aber  steht  wegen  (58):  V+  2f,  so  daß  sich  die 
Konstante  2f  bestimmt  zu  2f=  —  V.  Daher  wird  die  erste 
Gleichung  (60)  in  Rücksicht  auf  (61): 


X  =  w  (f  +  y^-2  •  ^) ,  und  analog: 


Der  Radiusvektor  vom  Koordinatenanfang  nach  dem  Schnittpunkt  a:,y,  x 
der  drei  benachbarten  Wellenebenen  fällt  daher  in  der  Tat  mit  der 
auf  S.  3 1 0  berechneten  Strahlrichtung  zusammen,  da  a; :  ^ : »  =  m :  n :  p. 
Außerdem  ergibt  sich  die  Strahlgeschwindigkeit  Y  ^^  +  2/^  +  *^ 
zu  demselben  Wert,  wie  er  oben  gefunden  wurde  [vgl.  die  For- 
meln (45)  und  (49)]. 

Über   weitere    geometrische   Beziehungen    zwischen    Strahl, 
Wellennormale,  optischen  Achsen  und  Strahlenachsen  vgl.  Winkel- 


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Optische  Eigenschaften  durchsichtiger  Kristalle.  3 15 

mann,  Hdb.  d.  Phys.  Optik,  2.  Aufl.  S.  1192  u.  ff.  —  Pockels, 
Lehrb.  d.  Kristalloptik,  Leipzig  u.  Berlin,  (Teubner)  1906.  p.3lu.ff. 
10.  Sonlsclie  Refraktion.  Zu  jeder  bestimmten  Eichtnng  einer 
Wellennormale  ergeben  sich  im  allgemeinen  zwei  verschiedene 
zugehörige  Strahlenrichtungen  nach  den  Gleichungen  (44),  da  jedem 
bestimmten  w,  n,  p  zwei  verschiedene  Werte  F^  zugehören.  Es 
kann  nun  aber  eintreten,  daß  diese  Gleichungen  die  unbestimmte 
Form  0 : 0  annehmen,  nämlich  wenn  eine  der  Größen  m,  n,  p 
gleich  Null  ist  Nehmen  wir  z.  B.  w  =  0  an,  so  ergibt  sich  nach 
(21)  auf  S.  302  F^^  =  a\  Für  diesen  Fall  würde  nach  (43)  und 
(44)  sein: 

ö4  =  (Fi2  — o2)2:,,j2^ 

O^  Fl  2  —  a2 

^^^  v^n^.  =  ^ '-^ifüT-'  (62) 

Den  Wert  dieses  in  der  Form  0 : 0  erscheinenden  Ausdruckes 
können  wir  leicht  bestimmen,  da  nach  der  F res n eischen  Gleichung 
(18)  (S.  300)  der  Ausdruck  m'^'.V^^  —  a^  einen  endlichen,  angeb- 
baren Wert  hat,  nämlich  es  ist: 

Die  rechte  Seite  dieser  Gleichung  ist  stets  von  Null  verschieden, 
da  für  a>6>>c  und  V^'^=a'^  beide  Tenne  der  rechten  Seite 
beständig  negativ  sind.  Nach  (58)  ist  daher  m  =  0  für  w  =  0, 
d.  h.  der  Strahl  liegt  in  der  i/^^-Ebene,  falls  die  Wellennormale  in 
der  ^«-Ebene  liegt.  —  Ganz  ähnlich  ist  der  Schluß  für  den  Fall 
^  =  0.  Dagegen  erfordert  der  Fall  n  =  0  eine  besondere  Betrach- 
tung. Es  ergibt  sich  dann  nämlich  analog  wie  in  (58)  und  (59) 
für  V=h: 

F2— 62  W2  W2  ,  p2 

n~^— ^2— '    -F2zr62  =  S2::^K2  +  e"2T:rT^2-  (64) 

Hier  kann  nun  die  rechte  Seite  der  letzten  Gleichung  für  F  =  6 
zu  Null  werden,  nämlich  falls  ist: 

Diese  Beziehung  ist  nun  in  der  Tat  erfüllt,  falls  die  Wellennor- 
male in  eine  optische  Achse  fällt  (vgl.  Formel  (25)  auf  S.  303).  In 
diesem  Falle  behält  nach  (64)  11  die  unbestimmte  Form  0  :  0,  d.  h. 
dieser  Wellennormale   gehören   nicht   zwei    einzelne   bestimmte 


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316  Kapitel  ni. 

Strahlen  zu,  sondern  eine  unendliche  Mannigfaltigkeit  von  Strahlen, 
da  n  tatsächlich  unbestimmt  bleibt  Die  zugehörigen  Strahlen 
findet  man  für  diesen  Fall  am  einfachsten  aus  der  Gleichung: 

/«.N  _JÜ^ I ü?  O-    -Jf—  — ft 

\P^)  332  —  a«    '    ^2  __■  ^2  t"  532  _  c2       '' ' 

welche  man  aus  (52)  durch  bezw.  Multiplikation  mit  m,  w,  p  und 
Addition  unter  Rücksicht  auf  (18)  ableitet.  Fällt  die  Wellennor- 
male in  eine  optische  Achse,  so  ist  n  =  0,  dagegen  braucht  n  nicht 
Null  zu  sein  und  Si  ist  daher  dann  von  b  verschieden.  Daher  er- 
gibt sich: 

Ferner  ist  nach  (47)  und  (48),  da  F=6  ist: 

(67)  25  {mm  +  pp)  =  b. 

Eliminiert  man  aus  den  beiden  letzten  Gleichungen  95 ^  so  ergibt  sich: 

(68)  (mwc2  +  pjt>a2)  (mm  +  pp)  =  b'^ . 

Nennt  man  die  Koordinaten  der  Endpunkte  des  Strahles  a-,  y,  z, 
wobei  also  m  =  x:  Yx"^  +  y'^  +  %^  usw.,  so  folgt: 

(69)  ix  mc^  -^xpa^  {xm-^  xp)  =  6^  (^2  +  2/2  +  x^) . 

Dieses  ist  die  Gleichung  eines  durch  den  Koordinatenanfang  gehen- 
den Kegels  zweiten  Grades.  Es  gehören  also  zur  optischen 
Achse  als  Wellennormale  unendlich  viel  Strahlen,  welche 
auf  dem  durch  die  Gleichung  (69)  definierten  Kegel  liegen. 
Derselbe  schneidet  auf  der  Wellenebene 

(70)  xm  -\-  xp  =^  const. 

einen  Kreis  aus,  da  durch  Einsetzen  der  Gleichung  (70)  in  die 
Gleichung  (69)  letztere  übergeht  in: 

{xmc'^  +  xpa^  '  const  =  62  (a;2  _[_  ^2  _)_  ^,.2)  ^ 

d.  h.  in  die  Gleichung  einer  Kugel. 

Nach  dem  auf  S.  312  Erörterten  folgt  daher,  daß  die  Strahlen- 
fläche zwei  zu  den  optischen  Achsen  senkrechte  Tangentialebenen 


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Optische  Eigenschaften  durchsichtiger  Kristalle.  317 

besitzt,  welche  dieselbe  in  einem  Kreise  berühren.  Eine  Erzeugende 
des  Strahlenkegels  fällt  in  die  optische  Achse  selber  und  steht 
daher  auf  der  Ebene  des  Kreises  senkrecht  Der  Öffnungswinkel 
X  des  Strahlenkegels  ergibt  sich  aus  (69)  zu: 

tgX^VW^^^^E^  (71) 

Diese  hier  besprochene  Erscheinung  wird  innere  konische 
Refraktion  genannt  aus  folgendem  Grunde:  Wenn  ein  Lichtstrahl 
auf  eine  Kristallplatte  in  einer  solchen  Richtung  einfällt,  daß  die 
gebrochene  Wellennormale  die  Richtung  einer  optischen  Achse  des 
Kristalls  besitzt,  so  liegen  die  im  Inneren  desselben  verlaufenden 
Lichtstrahlen  auf  einem  Kegelmantel;  die  aus  der  Kristallplatte 
austretenden  Lichtstrahlen  liegen  daher  auf  einem  elliptischen 
Zylinder,  dessen  Achse  dem  einfallenden  Licht  parallel  ist,  falls  die 
Kristallplatte  planparallel  ist.^)  Zur  Beobachtung  eignet  sich  gut 
Aragonit,  weil  bei  ihm  der  Öffnungswinkel  %  des  Strahlenkegels 
relativ  groß  ist  (j^  =  1  ^  52').  *-^)  In  Figur  86  ist  eine  experimentelle 
Anordnung  dargestellt  Man  bedeckt  die  eine  Fläche  der  parallel 
zur  kristallographischen  Basis  geschnittenen  Aragonitplatte  mit 
einem  engen  Diaphragma  0  und  läßt  ein  Parallelstrahlbündel  so 
einfallen.  Bei  geeigneter  Drehung  der  Platte  um  eine  zur  Ebene 
der  optischen  Achsen  senkrechte  Achse»  zeichnet  sich  auf  dem 
Schirme  &S  ein  elliptischer  Ring  ab.  3) 


1)  Denn  die  Richtung  der  Strahlen  im  Außenraum  hängt  nur  von  der 
Lage  der  inneren  Wellenebene  ab,  nicht  von  der  Lage  der  inneren  Strahlen. 
Auf  das  Brechungsgesetz  wird  im  nächsten  Paragraphen  noch  näher  ein- 
gegangen. 

2)  Schwefel  eignet  sich  noch  besser,  weil  es  den  Öffnungswinkel  x  =  7^ 
etwa  besitzt  Nur  macht  die  Bearbeitung  mehr  Schwierigkeiten.  Die  Ver- 
wendung einer  Schwefelkugel  zur  Demonstration  der  konischen  Refraktion 
hat  A.  Schrauf  in  Wied.  Ann.  37,  S.  127,  1889  beschrieben. 

3)  Bei  Anwendung  eines  sehr  feinen  Strahlenbündels  ist  der  helle  Licht- 
ring durch  eine  dunkle  Kreislinie  in  einen  inneren  und  äußeren  hellen  Ring 
getrennt.  Die  Erklärung  dieser  von  Poggendorff  (Pogg.  Ann.  48,  S.  461, 
1839)  zuerst  gemachten  Beobachtung  gab  kürzlich  W.  Voigt  (Physik.  Ztschr.  6, 
S.  673.  818,  1905.  —  Ann.  d.  Phys.  18,  S.  687,  1905)  durch  die  Betrachtung, 
daß  man  ein  wirklich  streng  paralleles  einfallendes  Strahlenbündel  niemals 
herstellen  kann,  und  daß  die  beiden  hellen  Lichtringe  durch  diejenigen 
Wellennormalen  entstehen,  welche  im  Kristall  der  optischen  Achse  sehr  nahe 
benachbart   sind,    während   die   genau  mit  ihr  zusammenfallenden   WeUen- 


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Fig.  86. 


31g  Kapitel  IIL 

An  Stelle  des  Schirmes  kann  man  auch  zur  subjektiven  Be- 
obachtung eine  Lupe  oder  ein  Mikroskop  anwenden,  welches  auf  o 
eingestellt  wird. 

Aus  den  Formeln  (52)  in  Vorbindung  mit  (47)  und  (48)  leiten 
sich  leicht  die  Formeln  ab,  welche  die  Richtung  der  Wellennormale 

in  ihrer  Abhängigkeit  von  der  Rich- 
tung des  Strahles  darstellen.  Es  er- 
geben sich  im  allgemeinen  zu  jedem 
bestimmten  m,  it,  p  zwei  bestimmte 
Systeme  w,  w,  j?.  Nur  wenn  n  =  o 
und  SS^  =  ^2  wird,  d.  h.  wenn  der 
Strahl  in  eine  Strahlenachse  fallt, 
wird  n  unbestimmt,  wie  man  durch  ein  ganz  analoges  Verfahren, 
wie  es  vorhin  angewendet  wurde,  ableitet.  Die  Strahlenfläche 
besitzt  daher  an  den  Austrittsstellen  der  Strahlenachsen 
nicht  zwei  bestimmte  Tangentenebenen,  sondern  einen 
Tangenteneb  enenkegel.  Die  zugehörigen  Wellennormalen  liegen 
auf  einem  Kegel  vom  Öffnungswinkel  V»  wobei  ist 

(72)        .,v'=^^^^-*ir^^- 

Diese  Formel  ergibt  sich  aus  (71)  durch  Ersetzung  aller  dort 
auftretenden  Längen  durch  ihre  reziproken  Werte. 

Diese  Erscheinung  wird  äußere  konische  Refraktion  ge- 
nannt aus  dem  Grunde,  weil  ein  Lichtstrahl,  welcher  im  Inneren 
eines  Kristalls  in  die  Richtung  einer  seiner  Strahlenachsen  fällt, 
beim  Austritt  aus  demselben  einen  Kegel  von  äußeren  Lichtstrahlen 
entstehen  läßt.  Denn  bei  verschiedenen  Lagen  von  Wellenebenen 
im  Inneren  eines  Kristalls  entstehen  durch  Brechung  stets  ver- 


Dormalen  beim  Austritt  aus  dem  Kristall  in  den  Poggendorffschen  dunkeln 
RiDg  fallen,  der  deshalb  dunkel  ist,  weil  nur  unendlich  wenig  Energie  den 
Wellennormalen  von  exakt  vorgeschriebener  Richtung  zugehören  kann.  Die 
wahrgenommenen  Lichtringe  rühren  somit  eigentlich  gar  nicht  von  der 
konischen  Kefraktion  her,  da  sie  aus  Wellennonnalen  hervorgehen,  die  nicht 
genau  parallel  der  optischen  Achse  sind.  —  In  einer  anderen  Arbeit  (Ann. 
d.  Phys.  19,  S.  14,  1906)  betrachtet  Voigt  die  Energieströmung  bei  der 
konischen  Refraktion,  um  daraus  (s.  oben  S.  258,  §  10)  die  Strahlenrichtung 
zu  bestimmen.  Die  unstetige  Änderung  der  Strahlen,  welche  nach  der  rein 
geometrischen  Betrachtung  beim  Hereinrucken  der  Wellennormale  in  die 
optische  Achse  eintritt,  verschwindet  bei  dieser  Betrachtung. 


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Optische  Eigenschaften  durchsichtiger  Kristalle.  319 

schieden  gerichtete  äußere  Strahlen  (vgl.  Anmerkung  auf  voriger 
Seite). 

Figur  87  stellt  eine  experimentelle  Anordnung  zum  Nachweis 
der  äußeren  konischen  Refraktion  dar.  Man  konzentriert  durch 
eine  Linse  1/  einen  Strahlenkegel  auf  dem  engen  Diaphragma  0  einer 
Aragonitplatte.  Auch  auf  der 
Hinterseite  derselben  liegt  ein 
Diaphragma  0.  Hat  die  Verbin- 
dungslinie 00  die  Richtung  einer 
Strahlenachse,  so  zeichnet  sich 
auf  einem  Schirme  SS  ein  Ring 
ab,  der  sich  erweitert,  wenn  SS 
mehr  entfernt  wird.  Von  den  ein- 
fallenden Lichtstrahlen  kommen  dabei  nur  diejenigen  zur  Wirkung, 
welche  Strahlen  der  Richtung  00  hervorrufen.  Die  anderen  werden 
durch  das  Diaphragma  0  abgeblendet.  Die  wirksamen  einfallenden 
Lichtstrahlen  sind  parallel  dem  austretenden  Strahlenkegel. 

Die  Erscheinung  der  konischen  Refraktion  wurden  erst  be- 
obachtet, nachdem  Hamilton  dieselben  als  theoretisch  notwendig 
nachgewiesen  hatte. 

11.  Durchgang  des  Lichtes  durch  Sristallplatten  und 
EristallprismeD.  Für  die  Brechung  des  Lichtes  beim  Übergang 
von  Luft  in  einem  Kristall  gilt  die  gleiche  analytische  Bedingung, 
wie  sie  oben  S.  266  für  die  Brechung  des  Lichtes  durch  einen 
isotropen  Körper  ausgesprochen  wurde.  Ist  die  einfallende  Welle 
proportional  zu 

271  /        mx  -t-  ny  +  px\ 

TT  V         j' 


cos 


dagegen  die  gebrochene  Welle  proportional  zu 

2n  1        nix  +  ny  -\-px\ 
TV  P  /' 


cos 


und  ist  die  Grenzfläche  die  Ebene  «  =  0,  so  erfordert  allein  das 
Bestehen  von  Grenzbedingungen,  unabhängig  von  der  besonderen 
Foim  derselben,  die  Beziehung: 


m in       n         n 


Dies  ist  das  Brechungsgesetz    der  gewöhnlichen  Form,   nämlich 


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320  Kapitel  IIL 

die  gebrochene  Wellennormale   bleibt  in  der  Einfallsebene,   ihr 
Brechungswinkel  (p    steht  mit  dem  Einfallswinkel  (p  in  der  Be- 
ziehung 
(73)  sin  q)  :8in  (p  =  V:  V\ 

wobei  F,  V'  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeiten  in  Luft,  bezw. 
dem  Kristall  sind.  Diese  Beziehung  liefert  hier  nur  im  allgemeinen 
noch  keine  direkte  Konstruktion  der  gebrochenen  Wellennormale, 
da  F'  im  allgemeinen  von  der  Richtung  derselben  abhängt. 

Dagegen  liefert  die  Anwendung  des  Huygens  sehen  Prinzips 
nach  denselben  Grundsätzen,  wie  sie  oben  S.  115  für  isotrope 
Körper  ausgesprochen  sind,  direkt  sowohl  die  Beziehung  (73),  als 
auch  eine  Konstruktion  der  gebrochenen  Wellennormale  und  des 

gebrochenen  Strahles. 
Wenn  nämlich  Ä^B  (vgl. 
Figur  88)  der  Schnitt 
einer  einf allendenWellen- 
ebene  mit  der  Einfalls- 
ebene (Ebene  der  Zeich- 
nung) ist  und  ^  A^  BA2 
=  "12,  BA2=  V  ist,  so 
konstruiere  man  um-^i  die 
Strahlenfläche -T  des  Kri- 
stalls, bis  zu  der  sich 
pj    gg  eine  von  A^  ausgehende 

Lichterregung  nach  Ab- 
lauf der  Zeiteinheit  im  Kristall  fortgepflanzt  hat  (Figur  88).  Durch 
eine  durch  A2  gehende  Grade,  welche  senkrecht  zur  Einfallsebene 
steht,  lege  man  nun  die  beiden  Tangentialebenen  ^2^1  ^^^  ^2^2  ^^ 
die  zweischalige  Strahlenfläche.  Diese  sind  nach  dem  Huygens- 
schen  Prinzip  die  beiden  gebrochenen  Wellenebenen;  die  Richtungen 
von  Ai  nach  den  beiden  Berührungspunkten  Q,  Cj  der  Tangential- 
ebenen mit  der  Strahlenfläche  -T  sind  die  Richtungen  der  beiden 
gebrochenen  Strahlen.  Dieselben  liegen  im  allgemeinen  nicht  in 
der  Einfallsebene. 

Für  senkrechte  Inzidenz  ergibt  sich  daher  überhaupt  keine 
Doppelbrechung  der  Wellennormalen,  aber  wohl  entstehen  zwei 
verschiedene  Strahlen,  die  erhalten  werden  durch  Aussuchung  der 
Berührungspunkte  Q ,  Q  der  beiden  der  Grenzfläche  O  parallelen 
^Tangentialebenen,  welche  an  eine  um  einen  Punkt  A  der  Grenze 


Kryslali 


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Optische  Eigenschaften  durchsichtiger  Kristalle.  32 1 

konstruierte  Strahlenfläche  gelegt  werden  können.  Die  Strahlen- 
richtungen sind  ÄC^  und  ÄC^. 

Beim  Austritt  des  Lichtes  aus  dem  Kristall  in  Luft  treten 
analoge  Verhältnisse  ein.  —  Beim  Durchgang  des  Lichtes  durch 
eine  planparallele  Kristallplatte  tritt  daher  niemals  eine  Doppel- 
brechung der  Wellennormalen  ein,  sondern  nur  der  Lichtstrahlen. 
Um  die  Wirkung  der  Doppelbrechung  an  einer  Kristallplatte 
wahrzunehmen,  muß  man  daher  einen  Punkt  der  vorderen  Grenz- 
fläche anvisieren.  Derselbe  erscheint  doppelt,  da  der  scheinbare 
Ort^vom  Strahlengange  abhängt.  ^  —  Dagegen  bewirkt  die  Ein- 
schaltung einer  Kristallplatte  zwischen  Kollimator  und  Fernrohr 
keinerlei  Bildverschiebung,  da  in  diesem  Falle  nur  die  Wellen- 
normalen maßgebend  sind.  Um  bei  dieser  Beobachtungsweise, 
wie  sie  für  die  Spektraluntersuchungen  üblich  ist,  die  Wirkung  der 
Doppelbrechung  zu  erkennen,  bedarf  es  der  Einschaltung  eines 
Kristallprismas. 

Mit  Hilfe  eines  solchen  kann  man  die  Hauptbrechungs- 
indizes finden,  d.  h.  die  Größen 

n^^V\a,    n2=V:b,     n^=V:c.  (74) 

Haben  wir  z.  B.  ein  Prisma  aus  einem  einachsigen  Kristall  (a  =  b\ 
und  liegt  die  Prismenkante  parallel  zur  optischen  Achse,  so  hat 
für  Wellen,  deren  Normalen  senkrecht  zur  Prismenkante  liegen, 
die  Lichtgeschwindigkeit  V  die  beiden  konstanten  Werte  a  und  c. 
74  und  W3  können  daher  genau  wie  bei  einem  Prisma  aus  isotroper 
Substanz  durch  Minimalablenkung  bequem  gefunden  werden.  Die 
verschiedene  Polarisationsrichtung  beider  austretenden  Strahlen 
läßt  sofort  erkennen,  welcher  Brechungsindex  dem  w^,  welcher 
dem  «3  zugehört. 

Ebenso  findet  man  mit  Hilfe  eines  Prismas  eines  zweiachsigen 
Kristalles,  dessen  Kante  parallel  zu  einer  optischen  Symmetrie- 
achse liegt,  durch  die  Methode  der  Minimalablenkung  sofort  den 
einen  Hauptbrechungsindex.  Um  noch  die  beiden  anderen  zu 
finden,  bedarf  es  noch  der  Beobachtung  der  Ablenkung  der  parallel 
zur  Prismenkante  polarisierten  Welle  bei  mindestens  zwei  ver-' 
schiedenen  Einfallswinkeln. 


1)  Der  scheinbare  Ort  ist  nicht  nur  seitlich,  sondern  auch  in  der  Tiefe 
verschoben.    Vgl.  darüber  Winkelmann,  Hdb.  d.  Phys.  Optik,  2.  Aufl.  S.  1199. 
Drude,  Lehrbuch  d.  Optik.   2.  Aufl.  21 


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322  Kapitel  HI. 

Nach  der  Bedeutung,  welche  die  elektromagnetische  Theorie 
den  Hauptlichtgeschwindigkeiten  a,  b,  c  gibt  (vgl.  Formel  (16) 
auf  S.  300),  ergibt  der  Vergleich  mit  (74)  die  Beziehung: 

(75)  fi  =  V»      «2  =  ^»      f3  =  V» 

wenigstens  wenn  man  C,  die  Lichtgeschwindigkeit  im  Vacuum, 
mit  F,  der  Lichtgeschwindigkeit  in  Luft,  identifiziert.  (Den  hier- 
durch gemachten  Fehler  kann  man  vernachlässigen  in  anbetracht 
der  üngenauigkeit,  mit  welcher  die  Dielektrizitätskonstanten  ber 
stimmt  werden.) 

Die  Beziehung  (75)  kann  nun  schon  aus  dem  Grunde  nicht 
streng  erfüllt  sein,  weil  der  Brechungsexponent  von  der  Farbe, 
d.  h.  der  Schwingungszahl  der  elektrischen  Kraft,  abhängt 
(Dispersion),  dagegen  die  Dielektrizitätskonstante  in  einem  homo- 
genen Isolator  nicht.  Es  ist  naheliegend,  die  Beziehung  (75) 
zu  prüfen  für  die  Annahme,  daß  unter  n^  der  auf  unendlich  lange 
Wellen  extrapolierte  Brechungsindex  Ä  der  Cauchy sehen  Dis- 
persionsformel 

(76)  n  =  Ä  +  ?i 

zu  verstehen  sei.    Annähernd  wird  dann  die  Beziehung  (75)  bei 
rhombischem  Schwefel  bestätigt,  für  welchen  die  Dielektrizitäts- 
konstanten von  Boltzmann,^  die  Brechungsindizes  von  Seh  rauf  2) 
bestimmt  worden  sind.   Es  ergab  sich  [n^  bedeutet  den  Brechungs- 
index für  gelbes  Licht,  Ä  die  Konstante  der  Formel  (76)]: 
Wi2  =  3,80;    ^i2==3^59.    f^  =  3,81 
„./  =  4,16 ;    ^2^  =  3,89 ;     fj  =  3,97 
^32=5,02;     ^3^=4,60;     ^3  =  4,77. 

Die  Dielektrizitätskonstanten  stimmen  also  in  ihrer  Reihen- 
folge mit  der  der  Hauptbrechungsindizes  überein,  aber  sie  sind 
größer  als  die  Werte  A\  Diese  Differenz  ist  bei  anderen 
Kristallen  zum  teil  noch  größer.  Die  Abweichung  von  den  For- 
derungen der  elektromagnetischen  Theorie  besteht  in  gleichem 
Sinne,  wie  bei  isotropen  Körpern  (vgl.  oben  S.  263).  Ihre  Erklärung 
soll  erst  bei  der  Behandlung  der  Dispersionserscheinungen  ge- 
geben werden. 

1)  L.  Boltzmann,  Wien.  Ber.  70  (2),  S.  342,  1874.  —  Pogg.  Ann.  153, 
S.  531,  1874.  — 

2)  A.  Schrauf,  Wien.  Ber.  41,  S.  805,  1860. 


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Optische  Eigenschaften  durchsichtiger  Kristalle.  323 

Es  ergibt  sich  so  das  Resultat,  daß  die  elektromagnetische 
Lichttheorie  formell  in  völligem  Einklang  mit  den  Erscheinungen 
steht,  daß  aber  die  exakten  Werte  der  optischen  Konstanten  nicht 
aus  elektrischen  Messungen  entnommen  werden  können.  Diese 
Konstanten  hängen  in  einer,  vorläufig  nicht  bestimmten  Weise  von 
der  Schwingungsdauer,  d.  h.  Farbe  des  Lichtes,  ab,  und  zwar 
können  nicht  nur  die  Werte  der  Hauptlichtgeschwindigkeiten  a,  b,  c, 
sondern  (bei  monoklinen  und  triklinen  Kristallen)  auch  die  Lagen 
der  optischen  Symmetrieachsen  mit  der  Farbe  variieren. 

12.  Totalreflexion  an  Erlstallplatten.  Die  auf  S.  320  an- 
gegebene Konstruktion  der  gebrochenen  Wellenebenen  wird  un- 
möglich, wenn  die  durch  A2  gehende  Gerade  ®,  welche  senkrecht 
zur  Einfallsebene  steht,  eine  der  beiden  von  der  Strahlenfläche  2 
mit  der  Grenzfläche  O 

ausgeschnittenen  Kur-  ^ 

ven  oder  beide  schnei- 
det. In  solchen  Fällen 

gibt  es   keine  gebro-    .^ -t   \  \r^ z^nfaiu^ene 

ebenen  Wellenebenen, 
sondern  es  tritt  Totalre- 
flexion ein.  Der  Grenz- 
fall, in  welchem  par- 
tielle Reflexion  in  To-  Fig.  89. 
talreflexion  einer  der 

beiden  gebrochenen  Wellen  tibergeht,  tritt  also  ein,  wenn  jene 
Gerade  ®  die  zu  der  betreffenden  Welle  gehörige  Schale  der 
Strahlenfläclie  -2",  d.  h.  den  Ausschnitt  der  Strahlenfläche  mit  der 
Grenzebene  (?,  berührt.  In  diesem  Falle  verläuft,  da  der  Be- 
rührungspunkt T  von  ®  mit  2  in  der  Grenzfläche  O  liegt,  der 
gebrochene  Strahl  parallel  zur  Grenze  (vgl.  Fig.  89).  Für  diese 
Welle  kann  dann  keine  Energie  in  den  Kristall  übertreten,  da 
der  Lichtstrahl  die  Energiebahn  bezeichnet  (vgl.  oben  S.  29S), 
und  daher  keine  Energie  übertritt  durch  eine  dem  Lichtstrahl 
parallele  Ebene.  So  ergibt  sich  also  auch  aus  dieser  Überlegung,  daß 
schon  für  diesen  Grenzfall  die  reflektierte  Welle  die  ganze  Energie 
der  einfallenden  Welle  enthalten  muß,  d.h.  daß  Totalreflexion  eintritt. 

Beleuchtet  man  daher  eine  in  ein  stärker  brechendes  Medium 
eingetauchte  Kristallplatte  mit  diffusem  homogenen  Lichte,  so  er- 
scheinen im  Felde  des  reflektierten  Lichtes  zwei  Kurven,  welche  die 
Gebiete   geringerer  Lichtintensität  von  denen  größerer  trennen. 

21* 


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324  Kapitel  m. 

Läßt  man  das  Licht  streifend  in  die  Kristallplatte  eintreten,  so 
werden  diese  Kurven  noch  schärfer,  da  sie  Helligkeit  und  völlige 
Dunkelheit  abgrenzen,  weil  das  in  der  Kristallplatte  befindliche 
Licht  nur  nach  der  einen  Seite  der  Kurven,  welche  kleineren  Ein- 
fallswinkeln  entspricht,  austreten  kann.    Diese  Kurven  ergeben 

also  die  Grenzwinkel 
9:1,  9^2  der  Totalre- 
flexion. Sie  stehen  im 
allgemeinen  nicht  senk- 
recht zur  Reflexions- 
0  ebene.  Zu  ihrer  Be- 
obachtung sind  beson- 
dere Instrumente  kon- 
struiert worden.  Fig.  90 
stellt  das  von  Abbe 
konstruierte  Kristall- 
refraktometer dar,  bei 
welchem  die  zu  unter- 
suchende Kristallplatte 
auf  die  Flintglashalb- 
kugel  Ä'  vom  Bre- 
chungsindex 1,89  auf- 
gelegt wird,  nur  durch 
einen  Tropfen  einer 
stärker  brechenden 
Flüssigkeit  verbunden. 
K  ist  mit  dem  Azi- 
muthalkreis  H  um  eine 
Vertikale  drehbar,  der 
drehbare  Spiegel  S 
erlaubt,  die  Kristall- 
^^^'  ^'  platte    entweder    von 

unten,  durch  K  hin- 
durch, oder  streifend  zu  beleuchten.  Die  Grenzkurven  der  Total- 
reflexion werden  in  dem,  um  den  Vertikalkreis  V  vermittelst  der 
Handhabe  B  drehbaren  Femrohr  0000  beobachtet.  Dasselbe 
ist  dreimal  gebrochen,  die  Strahlen  in  demselben  werden  durch 
dreimalige  Totalreflexion  in  konstante  horizontale  Richtung  ab- 
gelenkt was  sehr  zur  Bequemlichkeit  der  Beobachtung  dient  Das 
Objektiv  des  Fernrohrs  ist  so   eingerichtet,   daß   es   die  an    der 


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Optische  Eigenschaflen  durchsichtiger  Kristalle.  325 

Kugelfläche  K  erfolgende  Brechung  der  an  der  Kristallplatte  re- 
flektierten Strahlen  kompensiert,  es  bildet  daher  die  Grenzkurven 
vollkommen  scharf  ab. 

Die  Methode  der  Totalreflexion  ist  die  einfachste  zur  Be- 
stimmung der  Hauptbrechungsindizes  einer  Kristallplatte.  Die- 
selben ergeben  sich  einfach  aus  den  Maximal-  bezw.  Minimal- 
werten der  Einfallswinkel  der  beiden  Grenzkurven. 

Nach  den  Figuren  88  und  89  ist  nämlich,  falls  (p  den  Einfalls- 
winkel für  eine  Grenzkurve  bei  einem  beliebigen  Azimuth  d-  der 
Einfallsebene  bezeichnet,  die  Strecke  A^A^^Visinq),  da  BA2=  V 
(Lichtgeschwindigkeit  im  umgebenden  Medium)  sein  soll,  ferner 
ist  A1A2  gleich  dem  Abstand  des  Punktes  A^  von  einer  Tan- 
gente, welche  an  den  Durchschnitt  der  um  A^  konstruierten 
Strahlenfläche  mit  der  Grenzfläche  O  gelegt  wird.  Maximal-  und 
Minimalwerte  des  Grenzwinkels  9,  d.  h.  der  Strecke  A^A^  fallen 
nun  notwendig  zusammen  mit  Maximal-  bezw.  Minimalwerten 
der  Strahllänge  A^  T  (vgl.  Figur  89),  wie  man  durch  Konstruktion 
leicht  beweisen  kann,  und  zwar  fällt  dann  A^A^  mit  dem  Strahl  A^T 
zusammen,  da  die  Tangente  senkrecht  auf  dem  Radiusvektor  A^  T 
stehen  muß,  falls  derselbe  ein  Maximum  oder  Minimum  besitzt. 
Die  Strahllänge  ^jT^hat  nun  in  jedem  beliebigen,  ebenen  Schnitt 
der  Strahlenfläche  das  absolute  Maximum  a,  das  absolute  Minimum  c 
Es  ergibt  sich  nämlich  aus  der  Gleichung  der  Strahlenfläche  (vgl. 
oben  S.  311)  ohne  weiteres,  daß  93  beständig  zwischen  a  und  c 
liegen  muß,  da  sonst  die  drei  Glieder  der  Gleichung  (53)  einerlei 
Vorzeichen  hätten,  d.  h.  nicht  die  Summe  Null  ergeben  könnten. 
Andrerseits  ergibt  sich  aber  auch,  daß  in  jedem  ebenen  Schnitt  O 
der  Strahlenfläche  die  extremen  Werte  9S  =  a,  9S  =  c  erreicht 
werden,  denn  nach  Figur  85  wird  in  der  Durchschnittslinie  von  0 
mit  der  ^/«-Ebene  jedenfalls  ein  Wert  93  =  «  erreicht,  da  in 
der  t/«-Ebene  die  eine  Strahlgeschwindigkeit  den  konstanten  Wert 
95 =a  besitzt,  während  in  der  Durchschnittslinie  von  O  mit  der 
a:y-Ebene  der  Wert  93  =  c  erreicht  werden  muß.  Im  Durch- 
schnitt von  O  mit  der  xx-Eh^xi^  muß  der  Wert  93  =  6  erreicht 
werden,  es  ist  aber,  wie  man  sich  aus  der  letzten  der  Figuren  85 
anschaulich  machen  kann,  zweifelhaft,  ob  h  zu  dem  Minimum  der 
äußeren  Greijzkurve,  oder  zu  dem  Maximum  der  inneren  Grenz- 
kurve gehört.  Man  kann  dies  entscheiden,  falls  man  an  zwei 
verschiedenen,  aber  sonst  beliebig  orientierten  Platten  die 
Maxima  bezw.  Minima  der  Einfallswinkel  der  Grenzkurven  auf- 


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326  Kapitel  III. 

sucht.  1)  Jede  Platte  ergibt  vier  solcher  Werte,  drei  davon  müssen 
beiden  Platten  gemeinsam  sein;  diese  entsprechen  den  Haupt- 
lichtgeschwindigkeiten a,  b,  c.  Dieselben  bestimmen  sich  also  nach 
dem  Schema: 

(77)  A^A2  =  V :  sin  <p  =  a^h^  c ^ 

falls  gp  ein  Maximal-  bezw.  Minimalwert  des  Einfallswinkels  der 
Grenzkurve  (die  bestimmten  Azimuthen  d"  der  Einfallsebene  zuge- 
hören) bedeutet.  Bezeichnet  man  den  Brechungsindex  des  Mediums 
(F)  gegen  Luft  i^Vo)  mit  n^  d.  h.  setzt  Voi  V=n,  so  werden  nach 

(77)  die  Hauptbrechungsindizes  des  Kristalls  gegen  Luft  erhalten 
durch  die  Formel  (da  F  :a  =  ^  u.  s.  w.  ist):  :         1 

(78)  riy,  n2,  n^  =  nsinq). 

Bei  einachsigen  Kristallen  (a  =  b)  ist  für  eine  Grenzkurve  g>  =  konst; 
Dieser  Winkel  ergibt  die  Hauptlichtgeschwindigkeit  a.  Für  die 
andere  Grenzkurve  variiert  der  Einfallswinkel.  Es  ist,  falls  y  den 
Winkel  der  optischen  Achse  gegen  die  Grenzfläche  G  des  Kristalls 
bedeutet,  die  Strahlgeschwindigkeit,  falls  die  Einfallsebene  durch, 
die  optische  Achse  geht: 

Wenn  die  Einfallsebene  senkrecht  zur  optischen  Achse  steht, 
so  ist  932  =  c2.  Für  positiv  einachsige  Kristalle  (a>c)  ist  (79)  der 
Maximalwert  des  83,  d.  h.  (79)  ergibt  den  Minimalwert  des  (p  der 
Grenzkurve,  welche  von  der  Totalreflexion  der  außerordentlichen 
Welle  herrührt.  Der  Maximalwert  des  9)  in  dieser  Grenzkurve 
ergibt  daher  c,  der  Minimalwert  des  gp  erlaubt  y  zu  berechnen^ 
d.  h.  die  Neigung  der  Kristallgrenze  gegen  die  optische  Achse. 

—  Bei  negativ  einachsigen  Kristallen  (a<<?)  ergibt  der  Minimal- 
wert des  93  die  Hauptlichtgeschwindigkeit  c. 

Ebenfalls  kann  man  bei  zweiachsigen  Kristallen  die  Orien- 
tierung der  Grenzfläche  gegen  die  optischen  Symmetrieachsen  aus 

1)  Unter  Berücksichtigang  der  PolariBationsverhältnisse  genügt  schon 
ein  Kristallschnitt,  vgl.  dazu  die  Originalarbeiten  von  C.  Viola,  Bendic 
R.  Acc.  dei  Lincei  (5)  8,  1.  Sem.,  S.  276,  ljB99.  (Referiert  in  Wied.  Beibl.  23, 
S.  641,  1899.)  —  Ztschr.  f.  Krist.  31,  S.  40;  32,  S.  113,  1899;  36,  S.  245, 1902. 

—  Bull.  80C.  min.  25,  S.  88.  147,  1902.  —  A.  Cornu,  BuU.  90c.  min.  25, 
S.  88,  1902;  sowie  die  Zusammenfessung  bei  F.  Po  ekel  s,  Lehrb.  d.  Krist* 
Optik,  S.  133. 


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Optische  Eigenschaften  dorchsichtiger  Kristalle.  327 

Beobachtung  der  Grenzkurven  der  Totalreflexion  finden,  indes 
verbindet  man  hiermit  zur  Erreichung  größerer  Genauigkeit  zweck- 
mäßig noch  andere  Methoden,  z.  B.  die  unten  besprochenen  Inter- 
ferenzerscheinungen im  konvergent  einfallenden,  polarisierten 
Lichte. 

Zu  besonderen  Erscheinungen  in  den  Grenzkurven  der  Total- 
reflexion gibt  die  konische  Refraktion  Anlaß.  Diese  Erscheinungen 
können  beobachtet  werden,  falls  die  Grenzfläche  0  die  Ebene  der 
optischen  Achsen  ist.  Das  Nähere  hierüber  vgl.  bei  W.  Kohl- 
rausch,  Wied.  Ann.  6,  S.  86,  1879.  Liebisch,  physik.  Krist., 
S.  423—425,  Mascart,  Trait^  d'Optique,  T.  2,  p.  102,  1891. 
Pockels,  Lehrb.  d.  Krist  Optik.  S.  121. 

13.  Partielle  Reflexion  an  einer  Kristallplatte.  Um  die 
Amplitudenänderungen  zu  berechnen,  welche  bei  der  partiellen 
Reflexion  an  Kristallplatten  eintreten,  bedarf  es  nur  der  Durch- 
führung der  Hauptgleichungen  (6'),  (7)  auf  S.  296  und  der  dort 
genannten  Grenzbedingungen. 

Da  die  Rechnungen  aber  kompliziert  sind  (vgl.  die  Ausführung 
z.  B.  in  Winkelmanns  Hdb.  Optik,  2.  Aufl.,  S.  1239,  F.  Pockels, 
Lehrb.  d.  Krist.  Optik,  S.  174  u.  ff.  (I.  Teil,  7.  Kapitel),  so  soll 
nur  das  eine  Resultat  hier  genannt  werden,  daß  es  bei  der  Re- 
flexion an  einer  bestimmten  Kristallplatte  einen  Polarisationswinkel 
gibt,  d.  h.  einen  Einfallswinkel,  unter  dem  einfallendes  natürliches 
Licht  nach  der  Reflexion  linear  polarisiert  ist.  Die  Polarisations- 
ebene fällt  aber  im  allgemeinen  nicht  mit  der  Einfallsebene  zu- 
sammen (im  Gegensatz  zum  Verhalten  isotroper  Spiegel). 

14.  Interferenzerscheinongen  von  Kristallplatten  im  senk- 
recht einfallenden,  polarisierten  Lichte.  Es  soll  linear  polari- 
siertes, einfarbiges  Licht  senkrecht  auf 

eine  Kristallplatte  fallen,  und  dann  eine 
zweite  polarisierende  Vorrichtung  durch- 
setzen; dieser  Fall  wird  z.  B.  realisiert, 
wenn  man  die  Kristallplatte  auf  das 
Tischchen  des  S.  232  beschriebenen 
Nörremberg  sehen  Polarisationsappa- 
rates legt.  Den  oberen  Spiegel  des 
Apparates  ersetzt  man  zweckmäßig  durch  ^^'  ^^' 

ein  Nicoisches  Prisma.     Dieses  wird 

der  Analysator  genannt,  die  Schwingungsebene  der  elektrischen 
Kraft  in  demselben  sei  Ä  (vgl.  Figur  91).    Die  Schwingungsebene 


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328  Kapitel  UI. 

des  Polarisators,  welcher  das  zunächst  benutzte  natürliche  Licht 
zu  polarisiertem  macht,  sei  P.  Das  einfallende  polarisierte  Licht, 
dessen  Amplitude  E  sei,  wird  nun  beim  Eintritt  in  eine  doppel- 
brechende Kristallplatte  in  zwei  Wellen  der  Amplitude  E  cos  (p, 
E  sin  q>  zerlegt,  falls  y  der  Winkel  ist,  welchen  P  mit  den 
Schwingungsrichtungen  E^  und  H^  der  beiden  im  Kristall  fort- 
gepflanzten Wellen  W^  und  W2  bildet.  (Es  ist  dabei  abgesehen 
von  der  durch  Reflexion  bewirkten  Schwächung  der  Amplitude. 
Diese  ist  aber  sehr  annähernd  für  beide  Wellen  dieselbe.)    Diese 

beiden  Wellen  werden  nach  dem  Austritt  aus  dem  Kristall  auf 

■  • 

die  gemeinsame  Polarisationsebene  Ä  zurückgeführt,  besitzen  da- 
her nach  dem  Durchtritt  durch  den  Analysator  die  Amplituden 
E  cos  ^  cos  {g)  —  x) »  E  sin  q)  sin  {(p  —  x)-  Beide  Wellen  W^  und  W^ 
haben  nun  eine  Phasendifferenz  6  durch  das  Durchlaufen  der 
Kristallplatte  erlitten,  und  zwar  ist 

falls  d  die  Dicke  der  Kristallplatte  bedeutet,  Fi,  Fj  die  Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeiten beider  Wellen  im  Kristall,  F  die 
Lichtgeschwindigkeit  in  Luft,  X  die  Wellenlänge  des  benutzten 
Lichtes  in  Luft.  Nach  S.  128  ist  daher  die  aus  dem  Analysator 
austretende  Lichtintensität 

J  =  E'^  icos'^  g)  cos'^  (93  —  z)  +  ^^^  ^  ^^^  (9^  "^  X) 

+  2  sin  (p  cos  (p  sin  {(p  —  "^  cos  {(p  —  x)  ^^^  ^/  • 
Ersetzt  man  hierin  cos  6  durch  1 — 2  sin^  \6,    so  wird: 

(81)  J  ^^  E^  {cos^x  —  sin  2q>  sin  2{(p  —  x)  ^^^  i^}  • 

Das  erste  Glied  E'^cos^x  g^t)*  den  Wert  der  Lichtintensität 
an,  wie  sie  ohne  Einschaltung  der  Kristallplatte  aus  dem  Analysator 
austreten  würde.  Diese  Intensität  Jo  soll  die  ursprüngliche  ge- 
nannt werden.    Es  ist  also 

(82)  Jo  =  E'^cos'^X' 

Wir  wollen  zwei  Fälle  genauer  betrachten: 
1)  Parallele  Nicols,  x  =  <^-    Dann  ist 

(83)  Ju  =  Jo{l  —  sin^  2  (p  sifi'^  i  (J) . 


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Optische  Eigenschaften  durchsichtiger  Kristalle.  329 

Bei  Drehung  der  Kristallplatte  wird  in  4  Lagen,  bei  95  =  0 ,  9)  =  "/p , 
(p  =  jty  (p  =  ^'^J2  die  ursprüngliche  Lichtintensität  erreicht,  d.  h. 
allemal  dann,  wenn  eine  der  Schwingungsebenen  im  Kristall  mit 
denen  des  Nicols  zusamiuenfäUt.  In  den  Zwischenlagen  (9?  =  "/^ 
u.  s.  w.)  ist 

j,.  =  /^  (i  —  siii^ iö)  =  Jo cos^ i  rf,  (84) 

d.  h.  es  kann  bei  geeigneten  Werten  rf,  d.  h.  Dicken  derKristall- 
platte,  völlige  Dunkelheit  eintreten. 

2)  Gekreuzte  Nicols,  x  =  ''/^.    Es  ist  /o  =  0,  und 

Jx  =  E^  sin^  2(p  sin'^\6.  (85) 

Die  Platte  erscheint  also  für  jede  Dicke  dunkel,  falls  die 
Schwingungsebenen  des  Kristalls  mit  denen  der  Nicols  zusammen- 
fallen, sonst  nur  dann  dunkel,  falls  6=2hjt  ist.  In  den  Zwischen- 
lagen 93  =  "U  usw.  ist 

Jx  =  E'^  s^n^ö,  (86) 

Man  kann  daher,  falls  nicht  zufällig  6^=2hjt  ist,  durch  Dre- 
hung der  Kristallplatte  die  Polarisations-  (oder  Schwingungs-) 
Richtungen  im  Kristall  finden  als  sogenannte  Auslöschungs- 
richtungen. 

Eine  keilförmige  Kristallplatte  muß  daher  zwischen  gekreuzten 
Nicols,  falls  man  sie  nicht  gerade  in  die  Auslöschungslage  bringt, 
von  schwarzen,  der  Keilkante  parallelen  Streifen  durchzogen  sein, 
welche  an  denjenigen  Stellen  liegen,  deren  Dicke  d  der  Beziehung 
ö  =  ±2hjc  entspricht.  Im  einfallenden  weißen  Lichte  müssen  die 
Streifen  farbig  erscheinen,  da  6  mit  der  Farbe  variieii;. 

Auch  eine  planparallele  Platte  muß,  zwischen  zwei  Nicols  ge- 
bracht, im  allgemeinen  stets  farbig  erscheinen,  wenn  weißes  Licht 
einfällt.  Im  allgemeinen  ist  nun  nicht  nur  die  Amplitude  E  und 
die  Phasendififerenz  rf,  sondern  auch  der  Winkel  <p,  d.  h.  die  Lage 
der  Schwingungsebenen,  von  der  Farbe  (2)  abhängig.  Letztere 
Abhängigkeit  können  wir  aber  meist  vernachlässigen  wegen  des 
geringen  Betrages  der  Dispersion  der  optischen  Achsen.  Zwischen 
gekreuzten  Nicols  ist  also  für  9)  =  ^/^  nach  (86)  bei  weißem  Licht: 

Jx  =  2:  E^  sinHrf, 

wobei  die  ü  über  die  den  einzelnen  Farben  entsprechenden  Werte 
zu  erstrecken  ist.    Es  bedeutet  also: 

^£^2  =  weißes  Licht.  (87) 


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330  Kapitel  III. 

Nach  (80)  hängt  nun  6  wesentlich  durch  den  Nenner  X  von  der 

TT  Y 

Farbe  ab.  Setzen  wir,  was  annähernd  meist  gestattet  ist,  xr  —  r 
als  unabhängig  von  der  Farbe  voraus,  so  wird  also 

wobei 

von  X  nahezu  unabhängig  ist  Bei  Vergleich  der  Formel  (87')  mit  der 
früheren  Formel  (78)  auf  S.  291  erkennt  man,  daß  die  Kristall- 
platte annähernd  die(Newtonsche)Interferenzfarbe  bei  der 
Reflexion  an  einer  dünnen  Lichtplatte  der  Dicke  cT/j  zeigt 
Die  Farben  weichen  aber  merklich  von  den  Newtonschen  Inter- 
ferenzfarben dünner  Blättchen  ab,  sobald  die  Dispersion  im  Kristall 
für  beide  Wellen  stark  verschieden  ist  Denn  dann  ist  i  nicht 
mehr  von  X  unabhängig.  Dies  ist  z.  B.  beim  unterschwefelsauren 
Strontian,  Apophyllit  (von  den  Faröer-Inseln),  Brucit,  Vesuvian 
der  Fall. 

Zwischen  parallelen  Nicols  hat  die  Kristallplatte  stets  die 
komplementäre  Farbe  zu  der  Farbe,  welche  sie  bei  gleichem  g> 
zwischen  gekreuzten  Nicols  zeigt  Denn  nach  (83)  und  (85)  ergibt 
die  Summe  der  Lichtintensitäten  in  beiden  Fällen  beständig  ^iT^, 
was  nach  (87)  weißem  Licht  entspricht 

In  den  Newtonschen  Interferenzfarben  treten  bei  gewissen 
Werten  6  sogenannte  empfindliche  Farben  auf,  welche  stark 
variieren,  falls  6  nur  wenig  schwankt.  Eine  solche  empfindliche 
Farbe  ist  z.  B.  ein  Violett  erster  Ordnung,  welches  eintritt,  falls  6 
für  Licht  mittlerer  Wellenlänge  etwa  den  Weil;  jt  besitzt  Die 
Farbe  schlägt  für  eine  geringe  Vergrößerung  von  6  in  blau,  für 
eine  geringe  Verminderung  in  rot  um.  Man  kann  nun  eine  Kristall- 
platte ^,  welche  diese  empfindliche  Farbe  zeigt,  z.  B.  eine  parallel 
zur  Achse  geschnittene  Quarzplatte  von  geeigneter  Dicke,  dazu  be- 
nutzen, um  Spuren  schwacher  Doppelbrechung  in  einer  Platte  ^' 
zu  erkennen,  da  durch  die  letztere  sofort  die  Farbe  von  ^  ver- 
ändert wird,  falls  man  ^  und  ^',  aufeinander  gelegt,  zwischen 
gekreuzten  Nicols  betrachtet  Noch  empfindlicher  wird  die  Vor- 
richtung, wenn  man  die  Platte  ^  in  der  Richtung  der  Halbierungs- 
linie ihrer  Schwingungsebenen  zerschneidet  und  dann  die  beiden 
Hälften  in  ihrer  Schnittlinie  wieder  vereinigt,  nachdem  man  zuvor 


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Optische  Eigenschaften  durchsichtiger  Kristalle. 


331 


eine  derselben  um  die  Normale  der  Schnittfläche  um  180^  umge- 
klappt hat.  Eine  geringe  Doppelbrechung  in  der  Platte  ^'  bewirkt 
dann  eine  Farbenändening  der  beiden  Hälften  von  5ß  im  entgegen-? 
gesetzten  Sinne.  Diese  Vorrichtung  wird  nach  ihrem  Erfinder  die 
Bravaissche  Doppelplatte  genannt  Man  kann  mit  ihrer 
Hilfe  leicht  z.  B.  nachweisen,  daß  der  Druck  der  Finger  genügt, 
um  in  einem  Glaswürfel  Doppelbrechung  zu  erzeugen.  —  Auch 
die  Auslöschungsrichtungen  in  5ß'  kann  man  mit  Hilfe  einer  auf- 
gelegten Bravais  sehen  Doppelplatte  ^  scharf  bestimmen. 

Die  Anwendung  der  kristalloptischen  Eigenschaften  zur  Kon- 
struktion des  Babinetschen  oder  S^narmontschen  Eompensators 
ist  schon  oben  S.  242  besprochen  worden. 

15.  Interferenzerscheinungen  von  Kristallplatten  in  kon- 
Tergent  einfallendem,  polarisiertem  Lichte.  Betrachten  wir  zu- 
nächst den  Fall,  daß  polari- 
siertes Licht  unter  dem  Ein- 
fallswinkel idieKristallplatte 
durchsetze.  Die  Brechungs- 
winkel seien  r^  und  rj  (vgl. 
Figur  92).  Die  Phasendiffe- 
renz ö  zwischen  beiden  im 
Kristall  fortgepflanzten  Wel- 
len ergibt  sich  aus  der  Figur  zu 


d=^( 


27t/BD    .    DK 


T\  Fo 


Fig.  92. 


wobei  DK  die  Projektion  von 
CD  auf  die  Fortpflanzungs- 
richtung der  Welle  W2  sein  soll.    Nun  ist  BD  =  djcos  r^  BC  = 
^leosri,  DK=  CD  sin  i  =  {BC  sin  r^  —  BD  sin  r^  sin  i,  daher 

* ^^  ^  f /sin  i  sin  Vi         1  \      1  /sin  i  sin  r^ 1  \      1    \ 

Da  nun  nach  dem  Brechungsgesetz  ist 


so  wird 


stn  Ti 


fr       271    ,  fcos  rj 


stn  r  j 


(88) 


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332  Kapitel  III. 

Führt  man  nun  die  Winkel  g^  und  g^  ein,  welche  die  Wellen- 
normale  im  Kristall  mit  den  optischen  Achsen  desselben  bildet,  so 
kann  man  nach  den  Gleichungen  (29)  auf  S.  305  F^  und  Fj  rational 
durch  a^  +  c^  und  a^  —  c^  ausdrücken.  Beschränkt  man  sich  auf 
erste  Ordnung  in  a^  —  c^,  was  bei  der  Kleinheit  der  Doppelbrechung 
bei  den  in  der  Natur  vorkommenden  Mineralien  stets  zulässig  ist, 
so  wird 

j.       n         d       a'^  —  c'^ 
(89)  *=r  •  co^^/aHF^W"^^^^  ^^^2. 


^r/a2  4,c2\3;a 


Hierin  bezeichnen  g^  und  g^  die  Winkel,  welchen  eine,  gleich- 
gültig welche,  der  beiden  gebrochenen  Wellennormalen  mit  den 
optischen  Achsen  einschließt;  r  bedeutet  den  Brechungswinkel  für 
eine  der  gebrochenen  Wellennormalen,  es  ist  also  dicos  r  der  im 
Kristall  zurückgelegte  Weg.  (Wegen  der  Beschränkung  auf  erste 
Ordnung  in  a^  —  c'^  kann  man  BD  =  BC  setzen.) 

Führt  man  die  Hauptbrechungsindizes  n^  und  n^  des  Kristalls 
ein,  und  nennt  n  den  Mittelwert  derselben,  so  ist 

rckfw     Ä  71  d     7^^  —  71  i^     ,  .  27id    ,  v      . 

(90)     0  =  ^;^^.-  -^     sing^  ^«  ^2  =  ^f^^^  (%  —  ^0  sin  g^  stng^. 

Zwischen  Polarisator  und  Analysator  zeigt  die  Kristallplatte 
annähernd  die  durch  (81)  ausgedrückte  Lichtintensität,  wenn  man 
wenigstens  absieht  von  den  an  den  Grenzflächen  des  Kristalls 
durch  die  Brechung  herbeigeführten  Amplitudenänderungen. 

Von  besonderem  Interesse  ist  nun  der  Fall,  wenn  man  im  Ge- 
sichtsfelde gleichzeitig  die  Wirkung  vergleichen  kann,  welche  ver- 
schiedene Einfallswinkel  i  auf  die  Lichtintensität  J  hervorbringen. 
Man  kann  dies  in  dem  in  den  Figg.  93  und  94  dargestellten  Pola- 
risationsapparate erreichen.  Der  Spiegel  A  reflektiert  das  Tageslicht 
in  den  Apparat;  es  wird  durch  die  beiden  Linsen  B  und  D  auf 
die  Öffnung  eines  Diaphragmas  E  konzentriert  und  beim  Passieren 
des  Nicols  C  polarisiert.  E  liegt  in  der  Brennweite  einer  (oder 
mehrerer)  Sammellinse  F,  welche  jeden  von  E  ausgehenden  Strahlen- 
kegel in  ein  Bündel  paralleler  Strahlen  verwandelt,  die  nun  die 
Kristallplatte  G  in  allen  möglichen  Eichtungen  durchdringen;  in 
der  Figur  sind  drei  solcher  Bündel  gezeichnet.  Die  Strahlen  fallen 
auf  eine  Sammellinse  //,  die  in  ihrer  Brennweite,  im  Diaphragma  /, 
jedes  parallele  Bündel  in  einem  Punkte  M  vereinigt    Durch  die 


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Optische  Eigenschaften  durchsichtiger  Kristalle.  333 

Lupe  K  wird  das  in  M  entstehende  Bild  vergrößert;  die  Strahlen 
müssen  aber  noch  den  Analysator  L  passieren.  Wie  aus  der  Figur 
ersichtlich  ist,  wird  die  Mitte  des  Bildes  in  /  gebildet  durch  Strahlen, 
welche  senkrecht  in  die  Kristallplatte  eingetreten  sind,  die  seit- 
lichen Teile  durch  Strahlen,  welche  die  Kristallplatte  in  immer 


Fig.  93.  Fig.  94. 

schrägerer  Richtung  passiert  haben,  je  mehr  der  betrachtete  Punkt 
M  am  Rande  von  /  Uegt.  Wir  übersehen  so  mit  einem  Blick  die 
Interferenzen  von  Strahlen,  die  in  verschiedenen  Richtungen  die 
Kristallplatte  durchlaufen  haben. 

An  den  verschiedenen  Punkten  M  des  Gesichtsfeldes  variiert 
die  Phasendififerenz  6  und  der  Winkel  95,  welchen  die  Schwingungs- 


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334  Kapitel  III. 

ebene  des  Polarisators  mit  einer  Schwingungsrichtung  der  einen 
Welle  im  Kristall  bildet.  Die  Punkte  des  Gresichtsfeldes,  für 
welche  6  konstant  ist,  bilden  eine  gewisse  Kurvenschar,  die 
Kurven  gleichen  Gangunterschiedes  (Isochromaten);  die 
Punkte  des  Gesichtsfeldes,  für  welche  g)  konstant  ist,  bilden  die 
Kurven  gleicher  Polarisationsrichtung  (Isogyren).  Mit 
Hilfe  dieser  beiden  Kurvenscharen  läßt  sich  die  im  Gesichtsfelde 
wahrgenommene  Lichtstärke  am  einfachsten  beschreiben. 

Denkt  man  sich  sämtliche,  die  Kristallplatte  durchsetzende 
Lichtstrahlen  durch  einen  einzigen  Punkt  0  der  ersten  Begrenzungs- 
fläche der  Platte  hindurchgehend,  so  gelangt  nur  ein  Lichtstrahl 
zum  Punkte  M  des  Gesichtsfeldes.  Derselbe  schneidet  die  zweite 
Begrenzungsfläche  der  Platte  in  dem  Punkte  M'  (Spur  des  Punktes 
JM).  Wenn  wir  auf  diese  Weise  jedem  Punkte  M  der  Brennebene 
einen  Punkt  if'  der  Plattengrenze  zuordnen,  so  sind  Figuren, 
deren  Punkte  zugeordnete  sind,  einander  ähnlich.  Wir  werden 
daher  uns  jetzt  immer  auf  die  Punkte  if'  der  zweiten  Kristall- 
grenze beziehen.  Die  Kurven  gleichen  Gangunterschiedes  werden 
nun  ofienbar  nach  Formel  (89),  in  der  dicosr  den  in  der  Kristall- 
platte zurückgelegten  Weg  des  Lichtstrahls  bezeichnet,  erhalten 
durch  den  Schnitt  der  zweiten  Grenzfläche  des  Kristalls  mit  der 
um  den  Punkt  0  konstruierten  Flächenschar: 

(91)  Q  sin  gi  sin  ^2  =  Oonst , 

wobei  Q  den  Radiusvektor  eines  Punktes  P  einer  Fläche  vom 
Punkte  0  aus  bezeichnet,  während  g^  und  ^2  ^i^  Winkel  sind, 
welche  der  Radiusvektor  q  mit  den  optischen 
Achsen  einschließt.  Eine  solche  Fläche  hat 
etwa  die  in  Figur  95  gezeichnete  Gestalt, 
sie  muß  in  der  Richtung  der  optischen 
Achsen  asymptotisch  ins  Unendliche  ver- 
laufen, da  für  91  =  0  oder  g2  =  0  nach  (91) 
Q  =  oc  wird. 

Ist  nun  z.  B.  die  EMstallplatte  senkrecht 

zu   einer  optischen  Mittellinie  geschnitten, 

Fig.  95.  d.  h.  zu  einer  in  der  Ebene  der  optischen 

Achsen  liegenden  optischen  Symmetrieachse, 

so  sind  die  Kurven  gleichen  Gangunterschiedes  lemniskatenartige 

Kurven,  deren  Pole  Ji,  A2  die  optischen  Achsen  sind.    Betrachten 


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Optische  Eigenschaften  durchsichtiger  Kristalle.  335 

wir  die  Platte  zwischen  gekreuzten,  Nicols,  so  gilt  die  Formel  (85). 
Bei  Beleuchtung  mit  homogenem  Licht  zeichnen  sich  die  Kurven 
gleichen  Gangunterschiedes,  für  welche  6=2hjt  ist,  als  schwarze 
lemniskatenartige  Kurven  ab.  Bei  einfallendem  weißen  Licht  er- 
scheinen diese  Kurven  als  solche  gleicher  Farbe  (daher  Isochro- 
maten  genannt),  und  zwar  treten  annähernd  die  Newton  sehen 
Interferenzfarben  auf.  Doch  entstehen  aus  dem  oben  S.  330  ge- 
nannten Grunde  Abweichungen  davon  bei  einigen  Kristallen,^) 
auch  kompliziert  sich  hier  die  ganze  Erscheinung  durch  die 
Dispersion  der  optischen  Achsen,  d.  h.  durch  die  Erscheinung,  daß 
die  Spur  der  optischen  Achsen  im  Interferenzbilde  mit  der  Farbe 


Fig.  96.  Fig.  97. 

variiert 2)  Bei  einigen  Kristallen  (Brookit)  kommt  es  sogar  vor, 
daß  die  Ebene  der  optischen  Achsen  bei  Veränderung  der  Farbe 
in  eine  senkrechte  Lage  umschlägt.  Durch  die  Dispei-sion  der 
optischen  Achsen  kann  die  Form  der  Isochromaten  bei  einfallen- 
dem weißen  Licht  bedeutend  verändert  werden.  Das  ganze  Ge- 
sichtsfeld wird  nun  noch  gemäß  (85)  von  einer  schwarzen  Kurve 
durchzogen,  nämlich  der  sogenannten  Hauptisogyre,  für  welche 
$in2g)  =  0  ist.    Wenn  die  Ebene  der   optischen  Achsen  mit  der 


1)  Besonders  aufTallend  Bind  die  Ringe  in  Apophyllit  von  den  Faröer- 
Inseln  und  aus  Peonah  in  Ostindien.  Die  Ringe  sind  alle  gleich  gefSrbt  und 
zwar  abwechselnd  dunkel  violett  und  schmutzig  gelb.  Diese  Apophyllite 
sind  positiv  doppelbrechend  för  rotes  Licht,  negativ  für  blaues  Licht,  für 
gelb  haben  sie  keine  Doppelbrechung. 

2)  Vgl.  hierüber  das  Nähere  bei  Mascart,  Trait^  d'Optique,  T.  2, 
p.  173—190.  Paris  1891.  —  Im  Seigoettesalz  beträgt  der  Winkel  der  optischen 
Achsen  für  Rot  76o,  für  Violett  aber  öö». 


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336 


Kapitel  m. 


Polarisationsebene  des  Analysators  (oder  Polarisators)  zusammen- 
fällt (sogenannte  erste  Hauptlage),  ist  diese  Hauptisogyre  ein 
schwarzes  Kreuz,  dessen  einer  Balken  durch  die  optischen  Achsen 
geht,  während  der  andere,  dazu  senkrechte,  durch  die  Mitte  des 
Gesichtsfeldes  geht  Denn  für  alle  Punkte  P  dieses  Kreuzes  liegen 
nach  der  auf  S.  306  angegebenen  Konstruktion  die  Polarisations- 
richtungen Hy  und  F2  parallel  und  senkrecht  zur  Verbindungslinie 
AyA^  der  optischen  Achsen.  Man  erhält  daher  das  in  Figur  96 
dargestellte  Interferenzbild. 

In  der  sogenannten  zweiten  Hauptlage  der  Kristallplatte, 
wenn  nämlich  die  Ebene  der  optischen  Achsen  A^,  A^  den  Winkel 
45^  mit  der  Polarisationsebene  des  Analysators  bildet,    sind    die 

Hauptisogyren  hyperbelartige 
Büschel,  welche  durch  die  opti- 
schen Achsen  gehen.  Man  er- 
hält daher  das  in  Figur  97  dar- 
gestellte Bild.  Annähernd  kann 
man  die  Gleichung  der  Haupt- 
isogyre ableiten,  wenn  man  bei 
beliebiger  Lage  des  Punktes  P 
auf  der  Kristallplatte  die  den 
Winkel  ^iP-^j^^^lbierende  Linie 
PB  als  die  eine  Polarisations- 
richtung H  im  Kristall  auf- 
faßtO    (vgl.   Figur    98).     Die 

Koordinatenrichtungen  ar,  y 
mögen    in    die   Polarisations- 
ebenen  des  Analysators   und 
Polarisators  gelegt  sein.    Bezeichnet  man  die  Strecken  PA^  =  \y 
PA2  =  ^2'  ^1^2  =  ^1  so  ist 


Fig.  98. 


d.  h. 

(92) 


BA^  :BA2  =  k-k^    ^A  +  ^^2  =  ^ 


Ferner  folgt  aus  Dreieck  A^BP: 

(93)  sin  aisin^  AyBP  =  BA^ik- 


1)  Nach  der  oben  S.  306  gegebeDen  Regel  ist  dies  nur  annähernd  richtig. 
Die  Aufgabe  ist  strenger  durchgeführt  in  Winkelmanns  Hdb.  d.  Phys. 
Optik,  2.  Aufl.,  S.  1220  u.  flf. 


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Optische  Eigenschaften  durchsichtiger  Kristalle.  337 

Nun  ist  aber  für  die  Hauptisogyre  ^A^BP=  45 ^  da  die  Verbin- 
dungslinie A1A2  der  optischen  Achsen  den  Winkel  45®  mit  den 
Koordinatenrichtungen  bilden  sollen  und  für  die  Hauptisogyre  die 
Linie  PB  mit  der  y- Achse  parallel  laufen  soll.    Es  ist  also  nach 

(92)  und  (93) 

,,-^a__|._^.  (94) 

Ferner  folgt  aus  Dreieck  A^PA2: 

l^  =  li^  +  k^  —  2l^k  cos  (p=^{k  —  ^'^  +  ^hk  ^n^  «, 
d.  h.  nach  (94): 

oder 

Z2(V^+Z,2)_(^2„^2)2,  (95) 

Nennt  man  nun  die  Koordinaten  der  optischen  Achsenpunkte  A^ 
und  A2:  ± p,  so  ist 

und  (95)  wird: 

a^  =  p2.  (96) 

Dies  stellt  aber  eine  gleichseitige  Hyperbel  dar,  welche  durch  die 
beiden  optischen  Achsen  A^  und  A2  geht  und  welche  die  Koordinaten- 
richtungen zu  Asymptoten  hat. 

Diese  die  Interferenzfigur  durchziehenden  schwarzen  Haupt- 
isogyren  sind  sehr  geeignet,  den  scheinbaren  Winkel  der  optischen 
Achsen  zu  messen,  d.  h.  denjenigen  Winkel,  welchen  zwei  aus  der 
Platte  austretende  Wellennormalen  miteinander  bilden,  welche  im 
Innern  derselben  in  den  Richtungen  der  optischen  Achsen  verlaufen 
sind.  Aus  dem  Brechungsgesetz  findet  man  dadurch  den  Winkel 
der  optischen  Achsen  selbst,  wenn  man  die  mittlere  Hauptlicht- 
geschwindigkeit b  im  Kristall  kennt.  Man  ermittelt  den  schein- 
baren Winkel  der  optischen  Achsen,  indem  man  die  Kristallplatte 
um  eine  zur  Ebene  der  optischen  Achsen  senkrechte  Achse  dreht  und 
dadurch  die  Spuren  der  optischen  Achsen  nacheinander  in  die  (durch 
ein  Fadenkreuz  markierte)  Mitte  des  Gesichtsfeldes  bringt.  Der 
Drehungswinkel  wird  an  einem  Teilkreise  abgelesen.  Die  zu 
diesem  Zweck  konstruiertenPolarisationsapparate  heißen  Achsen- 
winkelapparate  oder  Stauroskope. 

Drude,  Lehrbuch  d.  Optik.   2.  Aufl.  22 


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338  Kapitel  IV. 

Bei  einachsigen  Kristallen  hat  eine  Fläche  gleichen  Gaugunter- 
unterschiedes {6=con8t)  die  in  Figur  99  gezeichnete  Gestalt  Bei 
einer  senkrecht  zur  optischen  Achse  geschnittenen  Platte  sind  die 
Isochromaten  konzentrische  Kreise  um  die  optische  Achse,  die  Haupt- 
isogyre  bildet  bei  gekreuzten  Nicols  ein  schwarzes,  rechtwinkliges 
Kreuz.   Man  erhält  daher  das  in  Figur  100  dargestellte  Interferenz- 


Fig.  99.  Fig.  100. 

bild.  Aus  der  Messung  der  ßingdurchmesser  kann  man  die 
Differenz  der  beiden  Hauptbrechungsindizes  des  Kristalls  erhalten. 
Betreffs  der  Unterscheidung  des  Charakters  der  Doppelbrechung 
vermöge  eines  aufgelegten  Gipsblättchens,  dessen  rf=.7r/2  beträgt, 
sowie  über  andere  spezielle  Fälle  vgl.  Liebisch,  phys.  Kristallogr., 
oder  Winkelmann,  Hdb.  d.  Phys.  Optik  oder  Pockels,  Lehrb. 
d.  Kristalloptik. 


Kapitel  lY. 

Absorbierende  Körpen 

1.  Elektromagnetische  Theorie.  Unter  absorbierenden  Kör- 
pern versteht  man  solche,  in  denen  das  Licht  eine  Schwächung  er- 
leidet, die  um  so  bedeutender  ist,  je  länger  der  in  dem  Körper 


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Absorbierende  Körper.  339 

vom  Licht  zurückgelegte  Weg  ist.  Durch  besonders  starke  Licht- 
absorption zeichnen  sich  die  Metalle  aus.  Nach  der  elektromag- 
netischen Theorie  läßt  sich  Absorption  bei  allen  Körpern  erwarten, 
welche  keine  vollkommenen  Isolatoren  sind.  Denn  die  durch 
Leitung  entstehenden  elektrischen  Ströme  erzeugen  Joulesche 
Wärme,  deren  Energie  muß  also  für  die  strahlende  Energie  des 
Lichtes  verloren  gehen. 

Ergänzen  wir  jetzt  zunächst  die  oben  S.  254 ff.  gegebene 
elektromagnetische  Theorie  für  einen  unvollkommenen  (isotropen) 
Isolator,  d.  h.  einen  Körper,  der  außer  einer  Dielektrizitäts- 
konstante 6  auch  noch  eine  elektrische  Leitfähigkeit  0  besitzt. 

Bezeichnet  man  die  Komponenten  der  Stromdichte  wie  früher 
mit  jx,  jyj  jx  (nach  elektrostatischem  Maße),  so  ist  für  unvoll- 
kommene Isolatoren  zu  setzen: 

Die  Strömung  setzt  sich  nämlich  zusammen  aus  den  Ver- 
schiebungsströmen, die  wir  früher  (vgl.  Formeln  (17)  auf  S.  255) 
allein  berücksichtigt  haben,  und  den  Leitungsströmen.  Diese  be- 
dingen in  (1)  die  Zusatzglieder  oX,  0  F,  oZ.  Mißt  man  Stromdichte 
und  elektrische  Kraft  nach  elektrostatischem  Maße,  so  wird  auch 
0  die  absolute  elektrische  Leitfähigkeit  nach  elektrostatischem 
Maße  genannt  Sie  hat  für  Quecksilber  den  Zahlwert  *)  0  «=  9,56  •  10 '  ^ 

Die  Formeln  (1)  enthalten  die  einzige  Erweiterung,  welche 
an  der  bisherigen  Theorie  vollkommener  Isolatoren  anzubringen 
ist.  Für  jeden  Körper  werden  nämlich  die  früheren  Formeln  (7) 
und  (11)  der  S.  251,  253  als  Grundformeln  der  Maxwellschen 
Theorie  festgehalten.  Dies  ergibt,  falls  die  Magnetisierungskon- 
stante fi  gleich  1  gesetzt  wird,  so  daß  4jtsx  =  ^^jht  usw.  ist,  die 
beiden  Systeme: 


(2) 


47tjx öy        hß       47t jy   ha        hy      47ijx ö^ da 

c          hy        ö« '  6            hx        öx '  c          da;        öy ' 

1^  =  ^  —  ^  \hl^hZ  _hX  l^hy^hX_hY            .. 

c  bt         hx        hy  ^  c  ht         hx        ^^  0  ht         hy         hx  '          ^  ^ 

Daß  wir  auch  jetzt  die  Magnetisierungskonstante  (i  der  ab- 
sorbierenden Körper  gleich  1  setzen,  könnte  zunächst  bedenklich 

1)  Dieser  Zahlwert  hat  die  Dimension  einer  reziproken  Zeit.    Als  Zeit- 
einheit ist  dabei  die  sec.  angenommen. 

22* 


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340  Kapitel  IV. 

erscheinen,  da  unter  die  absorbierenden  Körper  auch  die  stark 
magnetischen  Metalle  Eisen,  Nickel,  Kobalt  fallen.  Indes  ergibt 
sich  einerseits  aus  der  Erfahrung,  daß  nach  dem  optischen  Ver- 
halten für  alle  Metalle  die  Magnetisierungskonstante  gleich  1  zu 
setzen  ist  bei  Lichtschwingungen,  ^)  andererseits  fühi-t  auch  die 
Theorie  dazu,  wie  näher  im  Kapitel  VII  ausgeführt  wird. 

Die  Grenzbedingungen  für  den  Übergang  des  Lichtes  über 
die  Grenze  zweier  verschiedener  (absorbierender)  Medien  sind  nach 
den  allgemein  geltenden  Schlüssen,  wie  sie  oben  S.  256  angeführt 
sind,  in  der  bisherigen  Form  enthalten: 

(4)  A\  =  Z2,     y\  =  r^,     cc,  =  a2,    Ä  =  &, 

falls  die  a:^-Ebene  zur  Grenze  parallel  liegt. 

Die  Gleichungen  (1)  bis  (4)  bilden  die  vollständige  Grundlage 
für  die  elektromagnetische  Theorie  isotroper  absorbierender  Medien. 

Zur  Integration  der  Differentialgleichungen  schreiben  wir 
analog  wie  oben  S.  274: 

wobei  hier  nicht  nur  A,  sondern  eventuell  auch  /",  g,  h  komplexe 
Größen  sein  sollen.  Die  eigentliche  Bedeutung  von  A'  ist  der  reelle 
Teil  der  in  (5)  hingeschriebenen  komplexen  Größe.  Wir  können 
aber  auf  diese  physikalische  Bedeutung  von  A"  zum  Schluß  der 
Rechnung  wieder  zurückgreifen,  und  erhalten  für  die  Rechnung 
selbst  eine  bedeutende  Vereinfachung,  wenn  wir  A"  nach  (5)  jener 
komplexen  Größe  direkt  gleichsetzen.  Nach  (5)  ergibt  sich  nämlich: 

hX    _  .27t  Y 
W  —  'f  ^' 

so  daß  unsere  Gleichungen  (1)  übergehen  in 
(6)  .;.  = 5i— -^öT'  «sw. 

Der  ganze  Unterschied  isotroper  durchsichtiger  und  absorbierender 
Medien  liegt  dann  nur  darin,    daß  die  reelle  Konstante  e   der 


1)  In  der  „Physik  des  Äthers",  Stuttgart  1894,  S.  547  ff.  habe  ich  die 
allgemeinereD  Gleichungen  für  beliebige  Magnetisieruogskonstante  entwickelt 
und  dargetan,  daß  sie  nach  dem  optischen  Verhalten  des  Eisens  den  Wert  1 
haben  muß. 


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Absorbierende  Körper.  341 

durchsichtigen  Körper  bei  absorbierenden  durch  eine  komplexe 
Konstante 

e'  =  e—i2cT  (7) 

ersetzt  wird.  Alle  unseren  früheren  Formeln  können  wir  an- 
wenden, sobald  wir  nur  s  durch  e  ersetzen. 

So  ist  z.  B.  (nach  den  Formeln  (3)  der  S.  261): 

:4^=^A'.  (8) 

Dies  liefert  nach  (5): 

i  =  n  +  9'  +  hK  (9) 

Da  6  komplex  ist,  so  können  daher  auch  f,  g,  h  nicht  alle  drei 
reelle  Größen  sein.  Dadurch  prägt  sich  aber  stets  eine  Licht- 
absorption, d.  h.  Schwächung  der  Amplitude,  aus.  Setzen  wir  z.  B. 

f=g  =  0,   h  =  ^"y^    wobei  x  und  V  reell  sein  sollen,  so  wird 

nach  (5) 

wobei 

2  =  r.  V 

gesetzt  ist.  Die  Gleichung  (10)  sagt  aber  aus,  daß  nach  Durch- 
eilen der  Strecke  X  (Wellenlänge)  die  Lichtamplitude  im  Ver- 
hältnisse e  abgenommen  hat.  x  wird  daher  der  Ab- 
sorptionsindex genannt. 

Der  Ansatz  (10)  würde  zu  machen  sein,  falls  Licht  aus  Luft 
senkrecht  in  einen  absorbierenden  Körper  einfällt.  V  ist  die  Ge- 
schwindigkeit des  Lichtes  im  Körper,  X  die  Wellenlänge  in  ihm. 
Nennt  man  das  Verhältnis  c:  V=-^n  den  Brechungsindex  des 
Körpers,  da  es  das  Verhältnis  der  Lichtgeschwindigkeiten  im 
Vacuum  (die  wir  mit  der  in  Luft  identifizieren  können)  und  im 
Körper  bedeutet,  so  ist  nach  (9) 

s'  =  n2  (1  —  x2  —  2ix) , 
d.h.  n2(l  — x2)-=8,    nhc  =  aT.  (11) 

Durch  diese  Relation  würde  also  Brechungs-  und  Absorptions- 
index sich  aus  den  elektrischen  Konstanten  bestimmen.  Wir  werden 


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342  Kapitel  IV. 

zwar  unten  sehen,  daß  die  Relation  (11)  numerisch  nicht  bestätigt 
wird,  indes  ist  hier  zunächst  die  Hauptsache,  daß  ein  komplexer 
Wert  von  b  tatsächlich  Lichtabsorption  bedingt,  und  daß  man 
den  reellen  und  imaginären  Bestandteil  von  e'  ersetzen  kann  nach 
der  Gleichung  (11)  durch  die  physikalisch  anschaulicheren  Begriffe 
der  Brechungs-  und  Absorptionsindex. 

2.  Reflexion  an  Metallen.  Wir  benutzen  die  frühere  Be- 
zeichnungsweise der  S.  265  u.  ff.  Es  soll  linear  polarisiertes  Licht 
einfallen,  dessen  Polarisationsebene  unter  45"  gegen  die  Einfalls- 
ebene geneigt  sei.  Dann  ist  Ep  =  jEi.  Wir  können  vollständig 
jene  Entwicklungen  auch  hier  benutzen,  wenn  wir  nur  die  dortige 
reelle  Konstante  c  ersetzen  durch  einen  komplexen  Wert  e,  q)  be- 
deutet den  Einfallswinkel  des  Lichtes,  x  ist  eine  komplexe  Größe, 
welche  sich  aus  q>  bestimmt  durch: 

(12)  «n  z  =  ^^J  • 

Nach  (27)  auf  S.  270  ergibt  sich  dann  das  Verhältnis  der 
(komplexen)  Amplituden  des  reflektierten  Lichtes  zu: 

(13)  |p  =  p.e^"^  =  -^-°4^-±z|. 
^     ^  Rs        ^  cos  [fp  —  x) 

Es  bedeutet  hier  q  das  Verhältnis  der  reellen  Amplituden  der  /?- 
und  Ä-Komponente  des  reflektierten  Lichtes,  A  die  relative  Phasen- 
differenz beider  Komponenten,  wie  man  sofort  erkennt,  wenn  man 

Rp  =  i?i>-c*^^,  Ils  =  A-e*^*  setzt,  worin  i^,  R,  dp,  ds  reelle 
Größen  sind.    Es  ist  dann 

(14)  Q=^Rp:Es,    /l  =  dp~ös. 

Da  die  rechte  Seite  von  (13)  eine  komplexe  Größe  ist,  so  ist 
auch  J  von  Null  verschieden.  Einfallendes  linear  polarisiertes 
Licht  wird  also  durch  Reflexion  an  einem  Metall  zu 
elliptisch  polarisiertem. 

Nach  (13)  folgt 

1  H-  () .  c      sin  <p  stn  i 

1  Ja        008  w  cos  7 

1  —  Q  .e  ^         ^ 

Ersetzt  man  hierin  x  durch  q)  und  «'  gemäß  (12),  so  entsteht: 

.  1  -H  (>  .e       ^  _jxn  (ftqtp 


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Absorbierende  Körper.  343 

Für  9)  =  0  ergibt  sich  daher  p  .  e*"^  =  —  1 ,    d.  h.  J  =  0 , 

()  =  —  1;  för  9)  =  "12  ergibt  sich  (>  .  e*^  =  +  1 ,  d.  h.  J  =  0 , 
^  =  1.  Die  relative  Phasendififerenz  J  im  reflektierten  Lichte,  d.  h. 
auch  seine  Elliptizität,  verschwindet  daher  für  senkrechte  und  für 
streifende  Inzidenz.  Derjenige  Einfallswinkel  %  für  welchen  die 
relative   Phasendififerenz    J   den    Wert   "12    annimmt,  wird    der 

Haupteinfallswinkel  9  genannt.  Für  ihn  ist  also  6*"^=«, 
daher  nach  (15): 

Multipliziert  man  diese  Gleichung  mit  ihrer  komplex  kon- 
jugierten Gleichung 

1  —  i  ,Q  sin  q) .  tqJp 

worin  b'  den  komplex  konjugierten  Wert  zu  b  bedeutet,  so  ent- 
steht auf  der  linken  Seite  1.  Der  Haupteinfallswinkel  ist  also 
durch  die  Gleichung  bestimmt: 

sin^  ^'tg^^  =  n^(l  +  ^2)2  —  2n^  {1  —  x^)  sin'^  ^  +  sin^  ^  .     (17) 

Für  numerische  Berechnungen  braucht  man  fast  stets  nur  das 
erste  Glied  der  rechten  Seite  zii  berücksichtigen,  da  bei  allen 
Metallen  n^  (2  +  x^)  einen  erheblich  über  1  liegenden  Wert  hat, 
der  zwischen  8  bis  30  liegt.    Mit  dieser  Annäherung  wird  einfach 

sin^  tg^  =  n  V 1  +  x'^  '  (18) 

Man  erhält  diese  Annäherung  direkt  aus  (15),  wenn  man  im 
Nenner  der  rechten  Seite  sin'^q)  neben  s'  vernachlässigt.  Da  nach 
(11)  ist 

y7  =  n  (i  -  ix) ,  (19) 

so  wird  dann  (15)  zu 

l-\'  Q  .e^     sin  <p  ig  y  .«^v 

Schreibt  man 

Q  =  tgy>,  (21) 

so  bedeutet  ^  das  Azimuth  der  Polarisationsebene  des  reflektierten 
Lichtes  gegen  die  Einfallsebene,  falls  es  durch  irgend  ein  Mittel, 


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344  Kapitel  IV. 

Z.B.  einen  Babinetschen  Kompensator  (vgl.  oben  S.  243)  wieder 
linear  polarisiert  gemacht  ist.  Daher  heißt  tp  das  Azimuth  der 
wiederhergestellten  Polarisation. 

Es  läßt  sich  nun  leicht  die  Beziehung  ableiten: 

1  —  Q  e*     cos  2ip  —  t  sin  d  sin  2  \p 

1   ,        iJ  1 4-  cos  J  sin  2w        ' 

1  -\-  Qe  ^ 

so  daß  aus  (20)  ableitbar  ist: 

X  =  sin  A  ig  2\p  , 


(22) 


COS  2  w 

n  =  sin  g>  tg  w  7—; :r^~o.'  1 

^  ^  ^  1  -\-  cos  d  Sin  2\p  ' 

0  /*    ,       9N  '    }       j  q  1  —  cos  d  sin  2\p 

^'        ''  ^  ^    ^     1  -\-  cos  d  stn  2\p 


Nach  diesen  Formeln  lassen  sich  die  optischen  Konstanten 
n  und  X  eines  Metalls  aus  Beobachtung  des  reflektierten  Lichtes 
(V?  und  J)  in  meist  genügender  Annäherung*)  finden. 

Für  den  Haupteinfallswinkel  9)  =  9  nennt  man  ^>  das  Haupt- 
azimuth  t^.    Aus  der  ersten  Formel  (22)  folgt 

(23)  x  =  tg  21p  . 

Um  umgekehrt  J  und  tp  aus  den  optischen  Konstanten  zu 
finden,  setze  man 

(24)  tgP  =  ^i±^\     igQ  =  x. 
•^  sm  <p  tg  (p  ^      ^  ^ 

Dann    ergibt    sich    aus    (20),    da    die    rechte    Seite    den  Wert 
cotg  F  .  e^Q  hat: 

/.25)  tg  A  =  sin  Q  tg  2P  , 

^  cos  2ip  =  cos  Q  sin  2P  . 

Als  Reflexionsvermögen  des  Metalles  bezeichnet  man  das 
Verhältnis  der  reflektierten  Lichtintensität  zu  der  einfallenden 
Lichtintensität  beim  Einfallswinkel  9p  =  0 .    Nach  Formel  (26)  auf 


1)  Strengere  Formeln,  welche  sin'^  (p  nicht  neben  c'  vernachlässigen, 
sind  in  Winkelmann,  Hdb.  d.  Phys.  Optik,  2.  Aufl.,  S.  1298  u.  ff.  und  in 
Wied.  Ann.  35,  S.  520,  1888  vom  Verf.  entwickelt. 


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Absorbierende  Körper.  345 

S.  269  ist  in  diesem  Falle,  da  n  hier  durch  n  {1  —  ix)  zu  ersetzen 
ist  [vgl.  Formel  (19)]: 

Rp       Bp.e^       n{l^ix)^l  . 

Ep~       Ep      ""n{7~t>)-f-i  *  ^^^>' 

Multipliziert  man  diese  Gleichung  mit  ihrer  komplex  kon- 
jugierten, so  erhält  man  den  Wert  des  Reflexionsvermögens  Rzn: 

j,_^P_nHl  +  K^)  +  1^2n  . 

Da  bei  allen  Metallen  2n  klein  im  Vergleich  zu  «2  (;  -|-  ^2) 
ist,  so  ist  R  nahezu  gleich  1,  d.  h.  das  Reflexions  vermögen  sehr 
hoch.  Man  bezeichnet  dieses  starke  Reflexionsvermögen  der  Metalle, 
welches  bei  Silber  z.B.  95%  erreicht,  als  MetallglanzJ)  Der- 
selbe ist  um  so  stärker,  je  größer  der  Absorptionsindex  x  des 
Metalls  ist.  Da  x  mit  der  Farbe  variiert,  so  besitzen  einige 
Metalle,  wie  besonders  Gold  und  Kupfer,  eine  ausgesprochene 
Färbung.  Dieselbe  erscheint  z.  B.  rot,  wenn  das  rote  Licht  stärker 
als  die  anderen  Farben  reflektiert  wird.  Annähernd  ist  daher 
die  Oberflächenfarbe  des  Metalles  komplementär  zu  der  Farbe 
des  durchgehenden  Lichtes.  Um  letzteres  überhaupt  wahrzu- 
nehmen, bedarf  es  allerdings  äußerst  dünner  Metallschichten,  die 
nur  wenige  Tausendstel  Millimeter  dick  sind.  In  so  geringen 
Dicken  erscheinen  aber  tatsächlich  Goldschichten  grün  durch- 
sichtig. 

Läßt  man  das  Licht  zwischen  zwei  Spiegeln  des  gleichen 
Körpers  wiederholt  hin  und  her  reflektieren,  so  wird  ihre  Farbe 
gesättigter,  da  die  am  stärksten  absorbierte  Farbe  durch  die 
wiederholten  Reflexionen  viel  weniger  geschwächt  wird,  als  die 
anderen  Farben.  Dieses  war  auch  das  Mittel,  mit  Hilfe  dessen 
Rubens,  Nichols'^)  und  Aschkinaß^)  Wärmestrahlen  von  der 
größten  bisher  beobachteten  Wellenlänge  isoliert  haben.  Ein 
Auerbrenner  ohne  Glaszylinder  wurde  als  Strahlungsquelle  be- 
nutzt, nach  fünfmaliger  Reflexion  an  Sylvin  ergab  sich  eine  an- 
nähernd homogene  Strahlung  der  Wellenlänge  (in  Luft)  X  =  0,061  mm, 

1)  Daß  dieser  in  der  Tat  nur  durch  das  hohe  Reflexionsvermögen  be- 
wirkt wird,  kann  man  deutlich  daran  erkennen,  daß  auch  eine  Luftblase  unter 
Wasser,  an  der  das  Licht  total  reflektiert  wird,  wie  ein  metallisch  glänzender 
Quecksilbertropfen  aussieht. 

2)  Rubens  und  Nichols,  Wied.  Ann.  60,  S.  418,  1897. 

3)  Rubens  und  Aschkinaß,  Wied.  Ann.  65,  S.  241, 


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346 


Kapitel  IV. 


der  größten  bisher  nachgewiesenen  Wellenlänge  einer  Wärme- 
strahlung. Das  Reflexionsvennögen  des  Sylvins  für  diese  Strahlen  ist 
R=.  0,80,  d.  h.  80%.  Auch  durch  vielfache  Reflexion  an  Steinsalz, 
Flußspat,  Quarz  kann  man  langwellige  Wärmestrahlen  isolieren. 

Von  den  durch  metallische  Reflexion  entstehenden  Oberflächen- 
farben sind  wohl  zu  unterscheiden  die  Farben,  welche  mäßig  ab- 
sorbierende Körper  mit  rauher  Oberfläche  zeigen,  z.  B.  gefärbtes 
Papier,  pulverisiertes  farbiges  Glas  usw.  Diese  Körper  erscheinen 
im  diffus  reflektierten  Lichte  gefärbt,  weil  das  Licht  zum  Teil  erst 
aus  inneren  Teilen  des  Körpers  reflektiert  wird  und  daher  der 
auswählenden  Absorption  des  Körpers  unterliegt.  In  diesen  Fällen 
ist  die  Farbe  im  durchgehenden  und  reflektierten  Licht  die  gleiche, 
nicht  die  komplementäre,  wie  annähernd  bei  den  Metallen. 

3.  Die  optischen  Konstanten  der  Metalle*  Die  optischen  Kon- 
stanten n  und  X  eines  Metalls  kann  man  nach  den  Formeln  (22) 
experimentell  bequem  bestimmen,  wenn  man  die  Schwingungsellipse 
des  reflektierten  Lichtes  bei  einfallendem  linear  polarisierten  Lichte 
mißt,  d.  h.  A  und  tp  bestimmt  nach  der  oben  S.  241  u.  ff.  beschriebenen 
MethodemitBabinetschemKompensatorundanalysierendemNicol.^) 
Man  muß  nur  darauf  achten,  daß  die  Metalloberfläche  möglichst 
rein  sei,  weil  Verunreinigungen  derselben  (Oberflächenschichten) 
stets  den  Haupteinfallswinkel  zu  klein  erscheinen  lassen.  2)  Die 
folgende  Tabelle  enthält  einige  Zahlwerte,  die  ich  durch  Reflexion 
an  möglichst  reinen  Metallflächen  für  gelbes  Licht  erhalten  habe: 


Metalle 

nx 

n 

0,18 

75042' 

tp 

R 

Silber 

3,67 

43035' 

95,30^ 

Gold    .    .   -    . 

1      2,82 

0,37 

72018' 

41039' 

85,1  „ 

Plaün  .... 

4,26 

2,06 

78030' 

32035' 

70,1  „ 

Kupfer     .    .    . 

1      2,62 

0,64 

71035' 

3805r 

73,2  „ 

ötÄhl    .... 

1      3,40 

2,41 

7703' 

27049' 

58,5  „ 

Natrium  .    .    . 

2,61 

0,005 

71019' 

44058' 

99,7  „ 

Quecksilber .    . 

4,96 

1,73 

79034' 

35043' 

78,4,, 

1)  Eine  von  W.  Voigt  (Phys.  Ztschr.  2,  Ö.  303,  1901)  gegebene  sehr 
elegante  photographische  Methode  hat  R.  S.  Minor  (Dissert  Göttingen;  Ann. 
d.  Phys.  10,  S.  581,  1903)  zur  Bestimmung  der  optischen  Konstanten  der 
Metalle  im  Ultraviolett  angewandt  und  dadurch  einen  wichtigen  Beitrag  zur 
Kenntnis  ihrer  Dispersion  geliefert. 

2)  Das  Nähere  hierüber  vgl.  bei  P.  Drude,  Wied.  Ann.  36,  S.  885, 1889,  — 
39,  S.  481,  1890. 


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'Absorbierende  Körper.  347 

Das  Reflexionsvermögen  R  ist  nicht  direkt  beobachtet  worden, 
sondern  nach  (27)  berechnet 

Die  optischen  Konstanten  kann  man  auch  durch  Beobachtungen 
im  durchgehenden  Lichte  feststellen.  Durch  Messung  der  Absorption 
in  einer  dünnen  Schicht  der  Dicke  d  erhält  man,  wie  aus  (10) 
hervorgeht,  einen  Wert  für  x :  2 ,  falls  X  die  Wellenlänge  im 
Metall  bedeutet  Da  nun  X  =  Xoin,  falls  Xo  die  Wellenlänge  in 
Luft  ist,  so  erhält  man  also  nx ,  da  Xo  bekannt  ist  An  den  Grenzen 
der  dünnen  Metallschicht  treten  aber  bedeutende  Schwächungen 
durch  Reflexion  ein.  Um  deren  Wirkung  zu  eliminieren,  vergleicht 
man  zweckmäßig  die  Absorptionen  in  zwei  verschieden  dicken 
Schichten.  Die  Reflexionsverluste  sind  dann  in  beiden  Fällen  nahezu 
dieselben,  so  daß  man  aus  der  Verschiedenheit  der  Absorption 
direkt  auf  nx  schließt  Die  Beobachtungen  leiden  an  der  Schwierig- 
keit, löcherfreie,  gleichmäßig  dicke  Metallschichten  von  wenigen 
Tausendstel  Millimeter  Dicke  herzustellen.  Daher  fällt  nx  bei 
diesen  Durchgangsbeobachtungen  meist  kleiner  aus,  als  nach  der 
Reflexionsmethode,  0  in  einigen  Fällen  2)  (bei  Silber,  welches  man 
verhältnismäßig  einfach  auf  nassem  Wege  auf  Glas  niederschlagen 
kann)  stimmt  aber  das  aus  der  Absorption  berechnete  nx  gut  über- 
ein mit  dem  aus  der  Reflexion  berechneten. 

Der  Brechungsindex  n  kann  analog  wie  bei  durchsichtigen 
Medien  aus  der  Brechung  durch  ein  Metallprisma  gefunden 
werden,^)  nur  bedarf  es  sehr  geringer  Prismenwinkel  (Bruchteile 
einer  Bogenminute),  damit  das  Licht  überhaupt  noch  in  merk- 
licher Intensität  durch  das  Metallprisma  hindurch  geht.  Seitdem 
es  Kundt^)  gelungen  ist,  geeignete  Metallprismen  herzustellen 
(meist  durch  Elektrolyse  auf  platiniertem  Glase),  sind  mehrfach^) 
die  Brechungsindizes  von  Metallen  in  dieser  Weise  bestimmt  worden. 
Die  Herstellung  der  Prismen  sowohl,  als  die  Beobachtungen  sind 
sehr  schwierige,  da  das  Resultat  als  Quotient  zweier  sehr  kleiner 


1)  Bei  W.  Rathenau,  Die  Absorption  des  Lichtes  in  Metallen.  Dissert. 
Berlin  1889. 

2)  Bei  W.  Wernicke,  Pogg.  Ann.  Ergzgbd.  8,  8.  75,  1878.—  Auch  die 
Beobachtungen  von  W.  Wien  (Wied.  Ann.  35,  8.  48, 1888)  ergeben  annähernde 
Bestätigung. 

3)  Betreffs  der  Formeln  vgl.  W.  Voigt,  Wied.  Ann.  24,  S.  144,  1885.— 
P.  Drude,  Wied.  Ann.  42,  S.  666,  1891. 

4)  A.  Kundt,  Wied.  Ann.  34,  8.  469,  1888. 

5;  Vgl.  z.  B.  Du  Bois  u.  Rubens,  Wied.  Ann.  41,  8.  507,  1890. 


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348  Kapitel  IV. 

Größen  erhalten  wird.  Die  Resultate  stimmen  meist  gut  ttberein 
mit  den  aus  den  Reflexionsbeobachtungen  erhaltenen;  z.  B.  wird 
das  auffallende  Resultat  bestätigt,  daß  bei  verschiedenen  Metallen 
w  <  1  ist. 

Diese  kleinen  Brechungsindizes  von  Silber,  Gold,  Kupfer  und 
besonders  Natrium  sind  ja  sehr  auffallend;  sie  besagen,  daß  sich 
in  diesen  Metallen  das  Licht  viel  schneller  fortpflanzt,  als  in 
Luft. 

Vergleichen  wir  diese  optischen  Konstanten  mit  der  Forderung 
(11)  der  elektromagnetischen  Theorie,  so  springt  ein  Widerspruch 
sofort  in  die  Augen:  Es  würde  nämlich,  da  e  =  n^  {1  —  x^  sein 
soll,  bei  allen  Metallen  die  Dielektrizitätskonstante  e  negativ  sein, 
da  x  =  tg  2tp,  und  2tp  bei  allen  Metallen  größer  als  45^,  d.h.x>  l 
ist  Eine  negative  Dielektrizitätskonstante  hat  aber  keinen  Sinn. 
Auch  die  zweite  der  Beziehungen  (11)  :nhc=^aT  wird  nicht  be- 
stätigt, da  z.  B.  bei  Quecksilber  (vgl.  oben  S.  339)  und  gelbem 
Licht  CT  =20  ist,  während  nhc  den  Wert  8,6  hat  Für  Silber 
ist  öT  viel  größer,  als  bei  Quecksilber,  während  trotzdem  nhc  viel 
kleiner  als  bei  Quecksilber  ist 

Wir  treffen  hier  wieder  auf  dieselbe  Tatsache,  die  wir  schon 
oben  konstatiert  haben,  als  wir  die  Brechungsindizes  durchsichtiger 
Körper  mit  den  Dielektrizitätskonstanten  verglichen  haben.  Formal 
stimmt  die  elektromagnetische  Theorie  mit  den  Erscheinungen  gut 
überein,  die  numerischen  Werte  der  optischen  Konstanten  kann 
man  aber  nicht  aus  dem  elektrischen  Verhalten  entnehmen.  Die 
Erweiterung  der  Theorie,  welche  diesen  Widerspruch  hebt,  soll 
im  folgenden  Kapitel  gemacht  werden.  —  Es  ist  aber  sehr  be- 
merkenswert daß  für  genügend  lange  Wellen  der  Widerspruch 
verschwindet  Wenigstens  kann  nach  den  Versuchen  von  Hagen 
und  Rubens*)  das  Reflexionsvermögen  der  Metalle  für  Wellen- 
längen A>(),012  mm  quantitativ  aus  ihrer  elektrischen  Leitfähig- 
keit berechnet  werden.  Die  Forscher  bedienten  sich  dabei  der 
Methode  der  Reststrahlen  (vgl.  oben  S.  345,  §  2).  Für  die  längsten 
Wellen  (;i  =  0,025  mm,  Reststrahlen  von  Flußspat)  maßen  sie 
nicht  das  Reflexionsveimögen  B  der  Metalle,  sondern  bestimmten 
das  Verhältnis  E  ihres  Emissionsvermögens  bei  hoher  Temperatur 
zu  dem  Emissionsvermögen  eines  vollkommen  schwarzen  Körpers 
(Hohlraum  mit  Loch)  von  gleicher  Temperatur.    Nach  dem  Kirch- 


1)  E.  Hagen  u.  H.  Rubens,  Ann.  d.  Phys.  II,  S.  873,  1903. 


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Absorbierende  Körper.  349 

hoff  sehen  Satz  (vgl.  unten  III.  Abschnitt,  II.  Kapitel,  §4)  ist  näm- 
lich E  gleich  dem  Absorptionsvermögen  des  Metalls,  d.  h.  der 
nicht  vom  Metall  reflektierten  Energie.  Es  besteht  daher  die 
Gleichung  -E7=l  — Ä.  Da  nun  für  sehr  lange  Wellen  für  alle 
Metalle  E  sich  asymptotisch  dem  Werte  1  nähert,  so  erhält  man 
eine  größere  Genauigkeit,  wenn  man  B  aus  E  bestimmt,  als  wenn 
man  R  direkt  bestimmt,  denn  die  E  der  einzelnen  Metalle  unter- 
scheiden sich  prozentisch  von  einander  viel  stärker,  als  die  R.  — 
Zur  numerischen  Berechnung  folgt  aus  (11): 

n2  =  |6  +  ^^/J^+'^^T^ ,    n2x2  =  -  ie  +  V^c^^  a^Y^ . 

Nun  ist  für  Quecksilber  (vgl.  oben  S.  339)  0  =  9,56. 10 ^*,  daher 
(jr  =  öl :  3 .  10^0  =  320  für  ;i  =  10  ^  =  0,001  cm.  Diese  Zahl  ist 
sehr  wahrscheinlich  erheblich  größer,  als  die  Dielektrizitätskon- 
stante s  des  Metalls.  Vernachlässigt  man  daher  ^e  und  1  gegen 
öT,  so  wird  n  =  nx=  Vof  und  nach  (27)  folgt  das  Eeflexions- 
vermögen  zu: 

das  Emissionsvermögen  zu: 

Unter  o  ist  die  Leitfähigkeit  des  Metalls  bei  der  gleichen  Tem- 
peratur zu  verstehen,  bei  der  R  bezw.  E  gemessen  werden.  Bei 
den  Messungen  des  Emissionsvermögens  E,  die  bei  höherer  Tem- 
peratur stattfinden,  ist  also  0  erheblich  kleiner  als  bei  den  Mes- 
sungen des  Keflexionsvermögens  R  bei  Zimmertemperatur. 

Die  Formeln  wurden,  abgesehen  vom  Wismut,  bei  allen  Metallen 
für  ;i>12  ii,  d.h.  Jl>  0,012  mm  sehr  gut  quantitativ  bestätigt,  am 
besten  für  die  größten  Wellen  X  =  25,5  fi.  Für  kleinere  Wellen,  z.  B. 
X  =  4fi,  ergaben  zwar  die  Mittelwerte  vieler  Metalle  noch  numerische 
Übereinstimmung  mit  der  Formel  für  R,  aber  die  einzelnen  Metalle 
zeigten  schon  merkliche  Abweichungen.  Für  sichtbares  Licht  da- 
gegen stimmen  die  Formeln  für  /?  bezw.  7?  gar  nicht  mehr  numerisch, 
aus  Gründen,  die  im  folgenden  Kapitel  entwickelt  werden  sollen. 

4.  Absorbierende  Kristalle.  Die  Ausdehnung  des  bisherigen 
Ansatzes  für  isotrope  absorbierende  Körper  auf  Kristalle  geschieht 


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350  Kapitel  IV. 

sehr  einfach,  indem  man  nach  drei  zu  einander  senkrechten 
optischen  Symmetrieachsen  verschiedene  Dielektrizitätskonstanten 
und  verschiedene  Leitfähigkeiten  annimmt.  Legt  man  das  Koordi- 
natensystem in  diese  drei  Symmetrieachsen,  so  erhält  man  das 
frühere  Formelsystem  (12)  der  S.  299,  nur  bedeuten  die  f^,  ^2»  h 
komplexe  Größen,  wenn  man  die  elektrische  Kraft  als  komplexe 
Größe  nach  Formel  (5)  dieses  Kapitels  (S.  340)  zunächst  in  die 
Eechnung  einfahrt  Allerdings  würde  der  Ansatz  insofern  noch 
zu  speziell  sein,  als  die  Symmetrieachsen  für  die  Dielektrizitäts- 
konstante im  allgemeinen  nicht  zusammen  zu  fallen  brauchen  mit 
den  Symmetrieachsen  für  die  Leitfähigkeit;  dies  ist  erst  für  Kristalle, 
die  mindestens  die  Symmetrie  des  rhombischen  Systemes  besitzen, 
notwendig.  Lides  wollen  wir  hier  den  allgemeinsten  Fall  nicht 
diskutieren,^)  da  das  Charakteristische  schon  bei  der  hier  getroffenen 
Vereinfachung  hervortritt 

Zur  Integration  der  früheren  Differentialgleichungen: 

machen  wir  für  die  Komponenten  u,  v,  w  des  Lichtvektors  den 
Ansatz: 

(29)  2j^  ^271 

wobei  m^  +  n^  +  p^  ==  i  sein  soll,  und  M,  N,  n  komplex  sein 
können.  Dieser  Ansatz  entspricht  ebenen  Wellen,  deren  Normale 
die  Richtungskosinus  m,  n,  p  besitzt  V  ist  die  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit der  Wellenebenen,  x  ihr  Absorptionsindex  (vgl. 
oben  S.  341).    Setzt  man 

(30)  iZ-.  =  °>. 

SO  gilt  das  frühere  Fresnelsche  Gesetz  (18)  der  S.  299: 

1)  Dessen  BehandluDg  ist  vom  Verf.  in  Winkelmanns  Hdb.  d.  Phys. 
Optik,  2.  Aufl.,  S.  1283  u.  ff.  angedeutet  und  von  W.  Voigt  in  seinem  Kom- 
pendium d.  theoret.  Physik  2,  S.  719  u.  ff.,  Leipzig,  1896  und  in  Ann.  d, 
Phys.  9,  S.  367,  1902  genauer  ausgeführt,  auch  von  F.  Pocke Is  in  seinem 
Lehrb.  d.  Krist  Optik,  S.  369  u.  fl.  dargestellt. 


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Absorbierende  Korper.  351 

""'     +t:^.+  ^„.-o,  (31) 


dabei  sind  aber  ao^,  ho\  c^  komplexe  Größen.  Diese  Gleichung 
zerfällt  also  in  zwei,  aus  denen  man  F  und  x  gesondert  als  Funk- 
tion der  Richtung  rw,  n,  'p  der  Wellennormale  berechnen  kann. 

Für  die  M,  iV,  /7  ergeben  sich  nach  den  früheren  Relationen 
(15),  (19)  und  (20)  der  S.  300  und  301  die  Beziehungen: 

Mw  +  iV»  +  /5?  =  0  (32) 

3f:iV:J7=-Vg— ,:  ,  /     2'.-^^2,  (33) 

M^  M2  +  N^  N2  +  n^  n<i  =  o.  (34) 

Da  nach  (33)  die  M,  N,  U  komplex  sind,  so  ergeben  sich  für 
jede  Richtung  m,  w,  p  zwei  elliptisch  polarisierte  Wellen.    Denn 

schreibt  man  M=  M-e^^^,  iV=  N-  e^^^,  so  bedeutet  ö^  —  6^  die 
Phasendiflferenz  zwischen  der  Komponente  u  undt?  des  Lichtvektors; 
bei  geradlinig  polarisiertem  Licht  müßte  di  —  Aj  =  0  sein.  Die 
Gleichung  (32)  drückt  aus,  daß  die  Ebene  der  Schwingungbahn 
senkrecht  zur  Wellennormale  steht,  (34)  besagt,  daß  für  beide 
Wellen  die  Schwingungsellipsen  einander  ähnlich  sind,  aber  inverse 
Lage  zu  einander  haben.  ^) 

Die  aus  (31)  abzuleitende  Abhängigkeit  der  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit von  der  Richtung  m,  n,  p  ist  sehr  kompliziert.  Das 
Fresnelsche  Gesetz  wird  also,  trotz  der  scheinbaren  Identität 
mit  der  Formel  (31),  bedeutend  modifiziert  Dagegen  liegen  die 
Verhältnisse  bedeutend  einfacher  bei  schwach  absorbierenden  Kri- 
stallen, wie  sie  z.  B.  bei  Beobachtungen  im  durchgehenden  Lichte  ^) 
stets  vorliegen.  Kann  man  nämlich  x^  gegen  1  vernachlässigen, 
so  ist  a>2  ==  F2  (l  +  2ix),    Setzt  man  daher 

so  wird 

_w2__ w2 w2 /  ,2xV^  —  a^\       ,^^v 

ao^—w^  —  a2  -  r2  — i  (2xV^  —  a^)  ~  ä^  —  vA^  ~^  ^    ««  -  0  /  *    ^^^^ 

1)  Betreffs  des  näheren  Nachweises  hiervon  vgl.  Winkelmanns  Hdb.  d. 
Phys.  Optik,  2.  Aufl.,  S.  1287. 

2)  Im  reflektierten  Lichte  sind  die  Wirkungen  starker  Absorption  gut  zu 
beobachten,  z.  B.  an  Magnesium-  (oder  Baryum-)platincyanür.  Derartige 
Kristalle  besitzen  polarisierten  Metallglanz. 


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352  Kapitel  IV. 

Daher  zerfällt  (31)  in  die  beiden  Gleichungen: 

C^i\  ^'       I        »^^ .        P'      —  0 


(38) 


2x7^  /-  ''''       4--— 4--     ^'— ! 

**      //.2 ir7\2  ^^  ^    ih2 f^?^^    i    ^     (^2 1 


(a2—  1^)2  ^   ^      (52 __  1^7)2  ^   ^       (c2_  K2)2 


Die  Gleichung  (37)  ist  das  gewöhnliche  Fresnelsche  Gesetz. 
Bei  kleiner  Absorption  wird  dasselbe  also  nicht  modi- 
fiziert Die  Gleichung  (38)  stellt  x  als  Funktion  von  m,  n,  p  dar. 
Nach  (33)  sind  bei  kleiner  Absorption  die  M,  iV,  ü  annähernd  reell, 
d.  h.  die  beiden  Wellen  im  Kristall  nur  schwach  elliptisch  pola- 
risiert Bezeichnet  man  mit  2W,  SJl,  ^  die  Richtungskosinus  der 
großen  Achse  der  Schwingungsellipse,  so  ist  nach  (33)  und  (36), 
da  30?  der  reelle  Teil  von  M  ist  usw.: 


m 


(39)  gjt:i«:5ß  =  -,^^:g^j^:-5^,. 

Die  90?,  %  ^  bestimmen  sich  also  gerade  so,  wie  die  Schwin- 
gungsrichtungen in  durchsichtigen  Kristallen. 

Vermöge  (39)  und  der  Beziehung  90?*  +  9?^  4.  5ß2  =  ^  schreibt 
sich  (38): 

(40)  2x  n  =  a  2  9K2  +  ^'2  ^2  +  ^'2  <^2  ^ 

d.  h.  nach  der  auch  hier  gültigen  Relation  (18')  der  S.  302: 

a'2  ^2  _|.  6'2  922  _^  c'2  $2 


(41)  2x  = 


a2    sji)i2  4.  1,2    S)12  4.  c2    «ß2 


Der  Absorptiosindex  x  ist  also  gerade  wie  die  Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeit V  eine  eindeutige  Funktion 
der  Schwingungsrichtung. 

Man  kann  dieses  Gesetz  leicht  verifizieren,  wenn  man  einen 
parallel  zu  den  Symmetrieebenen  geschnittenen  Würfel  eines  ge- 
färbten Kristalls  im  durchgehenden  Lichte  betrachtet  Derselbe 
erscheint  verschieden  gefärbt,  je  nach  der  Richtung  der  Licht- 
strahlen (Trichroismus  bei  rhombischen,  Dichroismus  bei  hexa- 
gonalen  und  tetragonalen  Kristallen).  Man  kann  dies  z.  B.  am 
Turmalin,  Beryll,  Rauchtopas,  Cordierit  und  besonders  am  Pennin 


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Absorbierende  Körper.  353 

wahrnehmen,  bei  dem  die  Farben  blangrün  und  braungelb  vor- 
kommen. Wenn  man  nun  das  durch  einen  solchen  Würfel  hindurch- 
gehende Licht  durch  ein  Nicol  analysiert,  so  hängt  die  Farbe  von 
der  Lage  seiner  Polarisationsebene  ab,  indem  die  extremsten 
Farben  erhalten  werden,  wenn  sie  einer  Symmetrieachse  des 
Kristalls  parallel  ist*)  Von  diesen  sechs  extremsten  Farben, 
die  man  mit  Hilfe  eines  Nicols  an  einem  Würfel  eines  trichroi- 
tischen  Kristalls  wahrnehmen  kann,  sind  nun  stets  zwei  paar- 
weise einander  gleich,  und  zwar  liegen  in  diesen  Fällen  allemal 
die  Schwingungsrichtungen  (im  Fr esn eischen  Sinne)  identisch 
(vgl.  oben  S.  241). 

Die  Formeln  (40)  und  (41)  vereinfachen  sich,  wenn  die  Wellen- 
normale in  der  Nähe  einer  optischen  Achse,  z.  B.  bei  A^,  liegt  Ist 
der  Winkel  g^  zwischen  Wellennormale  N  und  optischer  Achse  A^ 
so  klein,  daß  man  sein  Quadrat  gegen  1  vernachlässigen  kann,  so 
ist  F2  =  b^  zu  setzen.  Nennt  man  ferner  den  Winkel  der  durch 
Ai  und  vZV  gelegten  Ebene  {NA^  mit  der  Ebene  der  optischen  Achsen 
(x^-Ebene)  tp,  so  macht  die  durch  N  und  die  eine  Schwingungs- 
richtung 3J^i,  %,  ^1  gelegte  Schwingungsebene  den  Winkel  v/2 
mit  der  rr^i-Ebene.  Denn  nach  S.  307  halbiert  die  Schwingungsebene 
den  Winkel,  welchen  die  Ebenen  {NA^  und  {NA^  miteinander 
einschließen,  da  aber  N  unmittelbar  bei  der  optischen  Achse  liegen 
soll,  so  können  wir  die  durch  N  und  A2  gelegte  Ebene  {NA^  mit 
der  Ebene  {A^A^  der  optischen  Achsen,  d.  h.  der  aj^-Ebene,  iden- 
tifizieren. Es  muß  also  auch  die  Schwingungsrichtung  SWj,  SRj,  ^1 
den  Winkel  ^tp  einschließen  mit  einer  zur  Wellennormale  N,  d.  h. 
zur  optischen  Achse  -ij,  senkrechten  Richtung  S,  welche  in  der 
XÄ-Ebene  liegt.  Die  Richtungscosinus  von  S  sind  cos  q,  0,  —  sin  q, 
falls  q  den  Winkel  zwischen  der  optischen  Achse  A^  und  der 
;c-Achse  bedeutet,  d.  h.  den  halben  Winkel,  den  beide  optischen 
Achsen  miteinander  einschließen  {q  =  halber  Achsenwinkel).  Daher 
folgt: 

cos  ~  =  9Wj  cos  q  —  5Pj  sin  q  .  (42) 

Da  nun  femer  3Ki,  %,  5ßi  auch  rechtwinklig  zur  Wellennormale 


1)  Man  erhält  beide  Farben  gleichzeitig,  wenn  man  anstatt  eines  Nicols 
einen  gewöhnlichen  Doppelspat  verwendet.  (Dichroskopische  Lupe,  vgl 
MüUer-Pouillet-Lummer,  Optik,  S.  1005.) 

Drude,  Lehrbuch  d.  Optik.   2.  Aufl.  23 


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354  Kapitel  IV. 

Nj  d.  h.  zur  optischen  Achse  A^  steht,  welche  die  Eichtungscosinus 
sin  q,  Oj  cos  q  hat,  SO  ist  auch 

(42')  0  =  9J?i  jwn  g  +  ^1  cos  g  . 

Aus  diesen  beiden  letzten  Gleichungen  ergibt  sich: 

(43)  ^i  =  cosqcosj,    3li  =  8inj,    ^i  =  —  sin  q  cos^  - 

Hieraus  leitet  man  9^2»  9^  ^  ab,  da  es  senkrecht  zu  9Ki,  5Ri,  ^i 
und  zu  w,  n,  p  steht,  in  der  Form: 

(44)  9JI2  =  —  cos  q  sinj  ,     9I2  =  ^^^ >     ^  =  sm  g  sin^  • 
In  der  Nähe  der  optischen  Achse  wird  daher  nach  (40): 

2xi  b'^  =  (a  2  cos*^  q+  c^  sin^  q)  cos'^  %  +  b''^  sin^  ^  , 

(45)  ^  ^  , 

2x2  ^^  =  (ß^  ^^^^  9  +  ^'^  ^^^  9)  ^^^  %  +  b"^  cos^  j  • 

Diese  Formeln  zeigen,  daß  für  irgend  einen  Winkel  ±  tp  der 
Wert  von  xj  derselbe  ist,  wie  der  von  x^  für  einen  Winkel  ^'  = 
j€  ±tp.  —  Für  die  optische  Achse  selbst  werden  jene  Formeln 
unbestimmt,  weil  dort  y?  seine  Bedeutung  verliert.  Nach  früheren 
Entwicklungen  (vgl.  S.  304)  kann  man  die  Schwingungsrichtung 
willkürlich  wählen.  Aus  (40)  folgt  für  eine  in  der  Ebene  der 
optischen  Achsen  polarisierte,  d.  h.  senkrecht  zu  ihr  schwingende 
Welle,  da  dann  SR  =  ^  =  0 ,    m  =  i  ist: 

(46)  2xs  b^  =  b'^, 

dagegen  für  eine  senkrecht  zur  Ebene  der  optischen  Achsen  pola- 
risierte, d.  h.  in  dieser  Ebene  schwingende  Welle,  da  für  sie 
Wl  =  cos  q,    9i  =  0  ,    $  =  —  sin  q  ist: 

(,47)  2xp  b'^  =  a  ^^  cos'^  q  -\-  c"^  sin^  q  . 

Für  Zwischenlagen  der  Polarisationsebene  erhält  man  Zwischen- 
werte für  X,  die  zwischen  Xs  und  xp  liegen.  Die  Absorption 
einer  in  Richtung  einer  optischen  Achse  fortgepflanzten 
Welle  hängt  also  von  ihrer  Polarisationsrichtung  ab.  — 
Durch  Einführung  der  Größen  xs  und  xp  schreibt  sich  (45): 


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Absorbierende  Körper.  355 

Xi  =  x_p  .  cos'^^  +  Xs'^n^^,    X2  =  Xp»sin^%-\-Xa'Cos^j  •       (48) 

Bei  einachsigen  Kristallen  {a  =  b,  a  =  b')  ist,  falls  g  den 
Winkel  der  Wellennormale  gegen  die  optische  Achse  bezeichnet, 
aus  (40)  sofort  abzuleiten  für  die  ordinäre  Welle: 


für  die  extraordinäre  Welle: 

2xe  Ve'^  =  a  ^cos'^g  +  c' ^ sin^g  ,     F« ^  =  a'^cos^ ^  +  c^ $in^ g  , 


(49) 


5«  Interferenzerscheinungen  in  absorbierenden  zweiachsi- 
gen Kristallen.  Es  möge  die  Platte  eines  absorbierenden  Kristalls 
zwischen  Analysator  und  Polarisator  bei  konvergent  einfallendem 
Lichte  gelegt  werden.  Wir  beziehen  uns  auf  die  Bezeichnungs- 
weise der  §§  14  und  15  auf  S.  324  und  331  und  die  dortige  Figur  91. 
Die  nach  einer  Richtung  //j  schwingende  Welle  W^  hat  beim  Ein- 
tritt in  den  Kristall  die  Amplitude  Ecos  tp^  beim  Austritt  daher 

Ecos(p  -e     r  ]  1    , 

wobei  /  den  in  der  Kristallplatte  zurückgelegten  Weg  bezeichnet. 
Es  ist  l=d:cosr^,  falls  rf  die  Dicke  der  Kristallplatte  und  r^  der 
Brechungswinkel  der  Welle  W^  ist  —  Analog  ist  die  Amplitude 
der  Welle  TF^  nach  dem  Austritt  aus  dem  Kristall 

E  sin  (p  e^  T   Tj 

(es  ist  näherungsweise  für  beide  Wellen  der  im  Kristall  zurück- 
gelegte Weg  als  gleich  angenommen).  Nach  dem  Durchtritt  durch 
den  Analysator  sind  daher  die  Amplituden  der  beiden  Wellen: 


E cos  ipcos{g)—x)'e    ^^1 ,     <J,  =  j^.  ^^^., 
E  sin  q)  sin  (9  —  x)  *  «""  ^^^  y     <^2=  rv 


27t^  _rf_ 
'TV2  cos  r 


(50) 


Die  Phasendiflferenz  ö  beider  Wellen  bestimmt  sich  bei  konver- 
gent einfallendem  Licht  durch  die  Formel  (88)  der  S.  331. 

Betrachten  wir  näher  den  Fall  der  gekreuzten  Nicols  (;c  =  ^2)i 
nehmen  wir  ferner  eine  Platte,  welche  senkrecht  zu  einer  optischen 

23* 


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356 


Kapitel  IV. 


Achse  (Jj)  geschnitten  ist,  und  nennen  wir  tp  den  Winkel,  den  die 
Verbindungslinie  MA^  eines  in  der  Nähe  der  optischen  Achse  liegen- 
den Punktes  M  des  Gesichts- 
feldes 0  und  der  Achse  A^  mit 
der  Ebene  A1A2  der  optischen 
Achsen  bildet,  so  macht  (vgL 
Figur  101)  die  Schwingungs- 
richtung Hl  annähernd  den 
Winkel  V^l2  mit  der  Richtung 
Ai  A2 ,  falls  AiM  klein  gegen 
AiA2  ist.  Macht  femer  die 
Schwingungsebene  P  des  Po- 
larisators den  Winkel  a  mit 
der  Ebene  A1A2  der  optischen 
Achsen,  so  ist  in  (50)  zu 
Die  beiden  zur  Interferenz  kommen- 


Fig.  101. 

setzen  9>  =  a  —  V/2 ,  X  =  ^l2  • 
den  Amplituden  werden  daher 


(51) 
wobei 


+  Ecos  {a  —  V'Ij)  sin  {a  —  V/2)  e~^  ^  , 
—  E  sin  {a  —  V/2)  cos  (a  —  V/2)  e~^  ^  , 


a  = 


2nd 

Tb 


ist,  da  in  der  Nähe  der  optischen  Achse  Fj  =  Fj  =  6  ist,  und  r 
nur  klein  sein  soll. 

Daher  ist  die  aus  dem  Analysator  austretende  Lichtintensitat 


/  =  f'Äin2(2a  — v^). 


(52) 


/  -  2x,  ö  +  e-^^2^  _  2e-  (^  +  ^  ^  •  coÄ  rf)  . 


Für  die  optische  Achse  selber  führt  folgende  Betrachtung  zum 
Ziel:  Die  einfallende  Amplitude  E  werde  in  die  Komponenten 
parallel  und  senkrecht  zur  Ebene  A^A2  der  optischen  Achseji  zer- 
legt. Diese  Komponenten  sind  E  cos  a  und  E  sin  a.  Erstere  hat 
nach  dem  Austritt  aus  dem  Kristall  den  Wert 

Ecosa-  e~^  ^  ,    letztere    E  sin  a  e"'^*  ^  . 

1)  Die  verschiedenen  Punkte  des  Gesichtsfeldes  entsprechen  nach  S.  333 
verschiedenen  Neigungen  der  die  Kristallpl&tte  durchsetzenden  Strahlen. 


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Absorbierende  Körper.  357 

Nach  dem  Durchtritt  durch  den  Analysator  ergibt  erstere  Kom- 
ponente die  Amplitude 

Ecos  asin  a  e"^ ^ ,     letztere  —  E  sin  a  cos  ae~  ^^^  . 

Eine  relative  Phasendifferenz  6  haben  diese  beiden  Wellen  nicht, 
da  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  in  Richtung  der  optischen 
Achse  für  beide  Wellen  die  gleiche  ist.  Folglich  ist  die  aus  dem 
Analysator  austretende  Lichtintensität  für  die  optische  Achse: 

f  =  ^sin2a  (e-  ^^-  e"  ^^^)' .  ^         (53) 

Den  ersten  Faktor  in  (52)  gleich  Null  gesetzt,  ergibt  die  Lage 
der  dunkeln  Hauptisogyrev^=-2a.  Während  aber  die  schwarze 
Isogyre  bei  ungefärbten  Kristallen  durch  die  optische 
Achse  selbst  hindurchgeht,  ist  sie  bei  pleochroitischen 
Kristallen  durch  einen  hellen  Achsenpunkt  unterbrochen, 
wenn  nicht  gerade  a  =  0  oder  0  =  ^/2  ist,  d.  h.  wenn  nicht  gerade 
die  Kristallplatte  in  der  ersten  Hauptlage  liegt.   Denn  nach  (53)  ist 

J'  von  Null  verschieden,  falls  sin  2a -^  0  und  Xp  von  x«  ver- 
schieden ist. 

Der  zweite  Faktor  in  (52)  gleich  Null  gesetzt,  ergibt  dunkle 
Ringe  um  die  optische  Achse,  da  der  Wert  dieses  zweiten  Faktors 
von  cosö  abhängt,  und  cosö  mit  wachsender  Entfernung  von  der 
optischen  Achse  periodisch  Maxima  und  Minima  annimmt.  Doch 
werden  diese  Ringe  (bei  homogener  Beleuchtung)  nur  da  vollkommen 
schwarz,  wo  «i  =  xj  ist,  d.  h.  nach  (48)  für  tp  =  ±  ^/2,  denn  dort 
verschwindet  für  co5  rf  =  1  wirklich  der  zweite  Faktor.  Die  ganze 
Erscheinung  der  Ringe  wird  um  so  undeutlicher,  je  stärker  die 
Absorption  sich  bemerklich  macht,  d.  h.  je  dicker  die  Platte  ist. 
Denn  das  von  der  Phasendifferenz  ö  in  (52)  abhängige  Glied  hat 

einen  Faktor,  den  man  nach  (48)  schreiben  kann  e  w  ~^  ^^)  ^• 
Wenn  der  Kristall  nun  überhaupt  zu  den  gefärbten  gehört,  so 
muß  mindestens  einer  von  den  beiden  Absorptionsindizes  Xp  und  x« 
von  Null  verschieden  sein,  d,  h.  bei  genügend  großem  0,  d.  h.  bei 
genügender  Plattendicke  d,  verschwindet  dies  Glied,  d.  h.  der  Ein- 
fluß von  6,  Man  kann  dann  den  zweiten  Faktor  von  /  in  (52) 
schreiben: 

i^=e-^^i^+  e-^^^.  (54) 


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358  Kapitel  IV. 

Diese  Glieder  können,  obgleich  c  groß  ist,  noch  merkbare  Werte 
geben,  da  x^  oder  xj  klein  sein  können  für  gewisse  Stellen  M 
des  Gesichtsfeldes,  falls  von  den  xp  und  xs  eines  klein  ist.  Man 
kann  nun  nachweisen,  daß  -F  für  tp  =  0,  jt  ein  Maximum,  für 
V^  =  ±"12  ein  Minimum  wird.    Denn  es  ist  nach  (48) 

||=fl  «•«  V>  (X,  -  X.)  (e  -  ^'Ci«  -  e-^'^«) , 

daher  sind  Maxima  oder  Minima  vorhanden  bei  tp  =  0,  ^  und 

Xj  =  ^2,  d.  h.  y)  =  ±  ^l2.    Für  tp  =  0,  jr  ist  aber 

(55)  iP  =  e-^'^^+6--^^«^  =  i^i, 
für  tp  =  ±  ni2  ist 

(56)  ^=9.e-(^i'  +  ^*)^  =  ir2. 
Setzt  mm  e-^^^  =  x,     e"^^'^  =  y, 

so  wird  \F^  =  ^4"^  ,  i  J^2  =  V^- 

Da  nun  aber  stets  das  arithmetische  Mittel  größer  als  das  geo- 
metrische ist  (um  so  mehr,  je  mehr  x  und  y,  d.  h.  xp  und  x«  von- 
einander verschieden  sind),  so  entspricht  der  Wert  tp  =  0,  jr  einem 
Maximum,  der  Wert  tp  =  ±  ^^Ig  einem  Minimum  von  F, 

Außer  der  Hauptisogyre  (tp  =  2ä)  durchzieht  also 
stets  noch  ein  senkrecht  zur  Ebene  der  optischen  Achsen 
{tp  =  ±ni^  verlaufendes  schwarzes  Büschel  das  Gesichts- 
feld. Dieses  fällt  mit  der  Hauptisogyre  zusammen  in  der  zweiten 
Hauptlage  der  Kristallplatte  {a  =  ^U). 

Durch  die  Absorption  sind  schon  besondere  Erscheinungen 
wahrnehmbar,  wenn  der  Analysator  oder  Polarisator  fortgelassen 
wird.  Für  ersteren  Fall  treten  aus  der  Kristallplatte  die  beiden  recht- 
winklig zueinander  schwingenden  Amplituden  Ecos  (a  —  itp)  c~  ^  ^ 

und  E  8tn{a  —  i  tp)  6  "  ^^.  Werden  diese  nicht  auf  eine  gemein- 
same Schwingungsrichtung  zurückgeführt,  so  interferieren  sie  nicht, 
und  die  resultierende  Intensität  ergibt  sich  einfach  als  Summe 
der  Intensitäten  beider  einzelnen  Komponenten.    Es  ist  daher 

(57)  J==E'^fcosHa  —  ^tl))e''^^^  +  stn^a  —  itp)e-'^^^\. 


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Absorbierende  Körper.  359 

Für  die  optische  Achse  selbst  ergibt  sich: 

f=^E^{co8''ae-'^^^  +  sin^ae-^'^''^).  (58) 

Untersuchen  wir  folgende  beiden  Hauptfälle 
1)  a  =  0.    Es  wird 

Da  ^  cosintp{c(xs  —  Xp)  {sin^  ^ip  e-^  ^^^  —  cos^  itp  e"  ^^^) 


so  wird  öip^^  ^^^  y^  =  ^y  ^  ^"^^  V  =  ±  ^k- 

Für  v^  =  0,  jr  ist  J=  J^  =  E'^-e'-^^P^, 

für    tp  =  ±7il^iQt  j=j^=  £^-6"^^  +  ^'^^. 

Wenn  daher  xp  <x«  (IL  Typus,  Kordiorit,  Epidot),  so  ist  J^  >/2t 
d.  h.  ein  dunkles  Büschel  liegt  senkrecht  zur  Ebene  der  optischen 
Achsen,  dasselbe  wird  aber  durch  ein  helles  Achsenbild  durch- 
brochen. —  Ist  aber  Xp  >  xa  (I.  Typus,  Andalusit,  Titanit),  so  ist 
J2  >  Jv  Dann  liegt  ein  dunkles  Büschel  in  der  Ebene  der  opti- 
schen Achsen  und  dasselbe  setzt  sich  durch  die  Achse  selbst  hin- 
durch fort. 

2)  «=^1/2:        J=E^[sin'^iy)e-^^^  +  cos'^itpe-'^^^}, 

Für  tp  =  0,  Jt  ist  J=J^  =  E^'e-^^'^, 

für    ti)=±7tl^iQt  J  =  J2  =  E^'e''^^P'^^'^^, 

Wenn  daher  xp<Cx8,  so  ist  J\<iJ2i  d.h.  ein  dunkles  Büschel 
liegt  in  der  Achsenebene  und  setzt  sich  durch  die  Achse  fort.  — 
Ist  aber  xp  >  x«,  so  ist  J^  >  J^^  d.  h.  ein  dunkles  Büschel  liegt 
senkrecht  zur  Ebene  der  optischen  Achsen;  dasselbe  wird  aber 
durch  ein  helles  Achsenbild  durchbrochen. 


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360  Kapitel  IV. 

Wird  sowohl  Analysator  als  Kompensator  fortgelassen,  d.  h. 
betrachten  wir  eine  senkrecht  zu  einer  optischen  Achse  geschnittene 
Platte  eines  zweiachsigen,  pleochroitischen  Kristalls  im  durch- 
gehenden natürlichen  Lichte,  so  erhält  man 

(59)  J  =  E^e"  ^^^^  +  e- ^^2^) , 
für  die  optische  Achse  selbst: 

(60)  /=  ^2(e-^xpO  ^  e-^^*^). 

Denn  wir  können  das  natürliche  Licht  auffassen  als  zwei  nach 
beliebigen  aufeinander  senkrechten  Eichtungen  schwingende  Kom- 
ponenten gleicher  Amplitude,  welche  inkohärent  sind.  In  (60)  be- 
deutet daher  2E'^  die  Intensität  des  einfallenden  Lichtes.  Da  wir 
nun  schon  oben  S.  357  [Formel  (54)]  konstatiert  haben,  daß  der 
Ausdruck  (59)  ein  Minimum  wird  für  tp  =  ±^/2,  so  erblickt 
man  ein  senkrecht  zur  Achsenebene  verlaufendes  dunkles 
Büschel,  welches  durch  ein  helleres  Achsenbild  durch- 
brochen wird.  Diese  im  natürlichen  Licht  auftretenden  Achsen- 
bilder sind  schon  1819  von  Brewster  beobachtet  worden.  Man 
kann  sie  leicht  wahrnehmen  am  Andalusit  und  Epidot.^ 

6.  Interferenzerscheinungeii  in  absorbierenden  einachsigen 
Kristallen.  Die  Kristallplatte  sei  senkrecht  zur  optischen  Achse 
geschnitten. 

1)  Gekreuzte  Nicols.  Die  Schwingungsebene  des  Polari- 
sators mache  den  Winkel  9?  mit  der  Verbindungslinie  AM  der 
optischen  Achse  A  und  einem  Punkte  M  des  Gesichtsfeldes  in  einem 


1)  Der  Inhalt  dieses  und  des  folgenden  Paragraphen  ist  der  Arbeit  von 
W.  Voigt  (Wied.  Ann.  23,  S.  577,  1884)  entnommen.  Betreffs  weiterer  Aus- 
fuhrung der  Eigenschaften  pleochroitischer  Kristalle  und  der  Erklärung  der 
um  die  optischen  Achsen  auftretenden  idiophanen  Binge,  welche  bei  An- 
wendung eines  Polarisators  allein  oder  auch  im  natürlichen  Licht  sichtbar 
werden,  vgl.  die  oben  zitierte  Arbeit  von  W.  Voigt,  Ann.  d.  Phys.  9,  S.  367, 
1902,  deren  Resultate  auch  in  Pockels,  Lehrb.  d.  Krist.  Optik,  S.  389  u.  ff. 
dargestellt  sind  (auch  teilweise  kurz  referiert  in  Winkelmanns  Hdb.  d.  Physik, 
Optik,  2.  Aufl.,  S.  1292).  —  In  einer  neueren  Arbeit  (Ann.  d.  Phys.  20, 
S.  108,  1906)  behandelt  W.  Voigt  die  innere  konische  Refraktion  bei  pleo- 
chroitischen Kristallen  und  gelangt  durch  die  theoretische  Diskussion  zu 
neuen  Erscheinungen,  die  er  zum  Teil  auch  experimentell  bestätigen  konnte. 


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Absorbiereode  Körper.  361 

Polarisationsapparate  für  konvergentes  Licht.  Dann  ist  AM  die 
Schwingiingsrichtung/J  der  außerordentlichen  Welle,  diese  hat  also 

nach  dem  Austritt  aus  dem  Kristall  die  Amplitude  Ecos  q)  e'~^^^' 

nach  dem  Austritt  aus  dem  Analysator  die  Amplitude  Ecos  (psin(pe'~^^ , 
Die  ordentliche  Welle  hat  nach  dem  Austritt  aus  der  Kristallplatte 

die  Amplitude  JSJ^'ng)  e~^^,  aus  dem  Analysator  '-E8inq)cosq>e'~^^  . 
Daher  ist  die  aus  dem  Analysator  austretende  Lichtintelisität: 

^_^2^j^_2xo<,^^-2x.ö_2,,,rf,-(x.  +  x,)ö}         (61) 

In  der  optischen  Achse  ist  xo  =  xe,  rf  =  0,  daher 

/=0.  (62) 

Es  ergeben  sich  Interferenzringe,  die  aber  verschwinden,  wenn 
die  Kristallplatte  genügende  Dicke  hat,  so  daß  die  Absorption  ge- 
nügend zur  Wirkung  kommt.  Das  Gesichtsfeld  ist  vom  dunkeln 
Kreuz  9)  =  0,  tcj^  durchzogen,  dessen  Balken  parallel  den  Schwin- 
gungsrichtungen des  Analysators  und  Kompensators  liegen.  Außer- 
halb dieses  Kreuzes  ist  das  Gesichtsfeld  hell  bei  denjenigen  Kri- 
stallen, für  welche  a  ^  sehr  klein  (vgl.  (49)  auf  S.  355),  aber  c'2 
bedeutend  ist  (I.  Typus,  Magnesiumplatinzyanür),  d.  h.  bei  denen 
die  Absorption  in  Richtung  der  optischen  Achse  klein  ist.  Dagegen 
ist  bei  den  Kristallen  des  II.  Typus  (Turmalin),  bei  denen  a^ 
groß  und  c^  klein  ist,  das  Gesichtsfeld  überall  dunkel. 

2)  Analysator  oder  Polarisator  allein  vorhanden.  Beide 
Fälle  ergeben  dasselbe.  Ist  nur  der  Polarisator  vorhanden,  und 
macht  seine  Schwingungsebene  den  Winkel  g)  mit  der  Richtung  AM, 

so  ist  die  Intensität  der  außerordentlichen  Welle  ^2  ^05^9)  e""^^*^, 

die   der  ordentlichen  E'^  sin^  (p  e~  ^'^''^ .    Daher 

/  =  j^2  {^j^i^  g-  2xoö  _,.  ^^^2^  e^  2x,6^  (63) 

In  der  optischen  Achse  ist  xo  =  ?«« ,  d.  h. 

f  ^^if-2xoC  (64) 

Bei  Kristallen  des  ersten  Typus  (xo  <  x«)  ergibt  sich  daher 
dunkles  Büschel  bei  g)  =  0 ,  jr ,  d.  h.  parallel  zur  Schwingungs- 


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362  Kapitel  V. 

richtung,  also  senkrecht  zur  Polarisationsebene  des  Polarisators. 
Das  dunkle  Büschel  wird  durch  ein  helles  Achsenbild  durch- 
brochen. —  Bei  Kristallen  des  zweiten  Typus  (xo>xe)  ergibt 
sich  ein  dunkles  Büschel  bei  (p  =  ±  ^k ,  d.  h.  es  liegt  parallel  zur 
Polarisationsebene  des  Polarisators.  Das  dunkle  Büschel  geht 
durch  die  Achse  selbst  hindurch. 

3)  Durchgehendes  natürliches  Licht.    Die  Intensität  der 

ordentlichen   Welle   ist   E^-e'^^^,    die    der    senkrecht    dazu 

schwingenden  außerordentlichen  Welle  ist  E^-e^^^*^y  daher 

(65)  J  =  E^  (e-  ^^^^  +  e"^^*^) . 
In  der  optischen  Achse  selber  ist  xo  =  x« ,  d.  h. 

(66)  f=2EU-'^^'^. 

2E^  bedeutet  die  Intensität  des  einfallenden  natürlichen  Lichtes.  — 
In  Kristallen  des  ersten  Typus  erscheint  ein  heller  Achsenfleck 
mit  dunkler  Umgebung,  in  Kristallen  des  zweiten  Typus  ;ein 
dunkler  Achsenfleck  mit  heller  Umgebung. 


Kapitel  Y. 

Die  Dispersion  der  Körper, 

!•  Theoretische  Grundlage.  Man  gelangt  zu  einer  die  be- 
obachteten Erscheinungen  gut  darstellenden  Theorie,  wenn  man 
die  Annahme  einführt,  daß  die  kleinsten  Teile  (Moleküle  oder 
Atome)  eines  Körpers  die  Möglichkeit  zu  Eigenschwingungen  be- 
sitzen. Diese  werden,  je  nachdem  ihre  Periode  näher  oder  femer 
liegt,  zur  Periode  der  von  außen  auftreffenden  Lichtschwingungen 


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Die  Dispersion  der  Körper.  363 

mehr  oder  weniger  stark  angeregt.*)  Solche  durch  eine  Lichtwelle, 
d.  h.  eine  oszillierende  elektrische  Kraft  angeregten  Schwingungen 
sind  ohne  weiteres  verständlich,  wenn  man  die  durch  die  Elektro- 
lyse notwendig  gemachte  Vorstellung  verallgemeinert,  daß  jedes 
Molekül  eines  Körpers  aus  positiv  und  negativ  geladenen  Atomen 
oder  Atomgruppen,  den  sogenannten  Ionen,  bestehi  Diese  Ionen 
sind  im  allgemeinen  nicht  als  identisch  anzunehmen  mit  den  durch 
Elektrolyse  erhaltenen  Ionen  und  daher  werden  sie  zweckmäßig 
durch  ein  anderes  Wort,  z.  B.  Elektronen,  bezeichnet.  Da  aber 
mit  diesem  Wort  in  neuerer  Zeit  eine  ganz  bestimmte  Art  von 
Ionen  bezeichnet  wird,  so  soll  hier  zunächst  noch  das  allgemeinere 
Wort  „Ionen"  gebraucht  werden,  um  als  „Elektronen"  die  be- 
stimmte Art  von  Ionen  zu  charakterisieren,  von  der  weiter  unten 
die  Rede  ist. 

Bei  einem  Leiter  sind  die  Ionen  frei  beweglich,  bei  einem 
Isolator  haben  dieselben  aber  gewisse  Gleichgewichtslagen,  um 
die  sie  schwingen  können.  Die  Summe  der  Ladungen  der  posi- 
tiven und  negativen  Ionen  muß  in  jedem  Volumelement  Null  sein, 
da  an  keiner  Stelle  eines  nicht  von  außen  geladenen  Körpers 
freie  Elektrizität  auftritt. 

Fassen  wir  zunächst  nur  die  positiven  Ladungen  ins  Auge 
und  bezeichnen  mit  e^  die  Ladung  eines  positiven  Ions,  mit  my 
seine  ponderabele  Masse,  mit  §i  die  Verschiebung  desselben  nach 
der  X-Achse  aus  der  Gleichgewichtslage,  so  muß  die  Bewegungs- 


1)  Wie  kürzlich  Lord  Rayleigh  gefunden  hat  (Phil.  Mag.  48,  p.  151, 
1889),  hat  zuerst  Maxwell  im  Cambr.  Calendar  f.  1869  (Math.  Tripos 
Exam.)  von  ähnlichen  Grundlagen  au8  die  Theorie  der  anomalen  Disper- 
sion gegeben.  Seine  Arbeit  ist  aber  nicht  weiter  bekannt  geworden  und 
unabhängig  von  ihm  haben  dann  Seilmeier,  v.  Helmholtz  und  Ket- 
tele r  jene  Vorstellungen  zur  Theorie  der  Dispersion  herangezogen.  — 
Die  molekularen  Eigenschwingungen  kann  man  von  verschiedenen  Stand- 
punkten aus  rechtfertigen,  auch  von  der  mechanischen  Lichttheorie  aus. 
Vom  elektrischen  Standpunkt  kann  man  Eigenschwingungen  durch  zwei 
verschiedene  Betrachtungen  einführen;  die  hier  angestellten  schließen 
sich  der  v.  Helmholtz  sehen  Auffassung  an  und  ihrer  von  Bei  ff  (Theorie 
molekularelektrischer  Vorgänge,  1896)  gegebenen  Darstellung,  welche 
auch  far  andere  Gebiete  eine  interessante  Durchführung  dieser  Vor- 
stellungen enthält.  Diese  Auffassung  hat  den  Vorzug  größerer  Anschau- 
lichkeit vor  der  anderen,  von  Kolaöek  (Wied.  Ann.  32,  S.  224,  1887)  be- 
nutzten. 


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364  Kapitel  V. 

gleichung  dieses  Ions  die  Form  besitzen,   falls  eine  äußere  elek- 
trische Kraft  der  x-Komponente  X  wirkt  0: 

Es  ist  nämlich  e^X  die  gesamte,  von  außen  wirkende  Kraft 
Das  zweite  Glied  der  rechten  Seite  bezeichnet  die  (elastische) 
Kraft,  welche  durch  die  Verschiebung  des  Ions  geweckt  wird  und 
dasselbe  in  die  ursprüngliche  Lage  zurückzuführen  strebt.  Der 
Faktor  cj^  ist  zugesetzt,  um  anzudeuten,  daß  das  Vorzeichen  dieser 
Kraft  vom  Vorzeichen  der  Ladung  unabhängig  ist.  —  Das  dritte 
Glied  der  rechten  Seite  bezeichnet  eine  der  Bewegung  des  Ions 
entgegenstehende  Reibungskraft.  Auch  dieses  Glied  enthält  den 
Faktor  e^^,  weil  es  vom  Vorzeichen  der  Ladung  unabhängig  sein 
muß.  wj,  il^i,  rj  sind  positive  Konstanten.  Die  Bedeutung  von 
d^i  erkennt  man,  falls  man  die  Gleichgewichtslage  der  Ionen  unter 
Wirkung  der  Kraft  X  bestimmt.  Wenn  nämlich  gj  von  der  Zeit  t 
unabhängig  ist,  so  folgt  aus  (1): 

(2)  ^Ǥi  =  ^'Y. 

^1  gibt  also  die  Leichtigkeit  an,  mit  welcher  die  Ionen  aus 
ihrer  ursprünglichen  Lage  zu  verschieben  sind,  d.  h.  sozusagen  ist 
d-^  proportional  zu  dem  reziproken  elastischen  Widerstand  (oder 
dem  Elastizitätskoeffizienten).  —  Für  Leiter  ist  ^^  =  c5c  zu  setzen. 

Eine  ganz  analoge  Gleichung  gilt  für  die  negativ  geladenen 
Ionen: 

(3)  ^h  ö,2  =^2  A  -  -^-  k  -  ^2  e^'  -ö7  • 

Auch  hier  sind  m^,  1^2»  ^2»  positiv,  e^  ist  aber  negativ. 

Die  elektrische  Strömung  nach  der  a:-Achse  besteht  nun  aus 
drei  Bestandteilen.  1)  Der  Strömung,  wie  sie  im  freien  Äther 
(ohne  Vorhandensein  ponderabler  Moleküle)  unter  Einwirkung 
einer  Kraft  A"  besteht.  Die  Stromdichte  (elektrostatisch  gemessen) 
hat  nach  (13)  auf  S.  254  den  Wert: 

1)  AUe  Größen  (cj ,  X)  sollen  in  elektrostatischem  Maße  gemessen  sein. 
Die  Gleichung  (1)  würde  auch  gelten,  wenn  das  Ion  gar  keine  Masse  m^  be- 
sitzt, aber  wenn  die  Selbstinduktion  bei  seiner  Bewegung  zu  berücksichtigen  bt. 


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Die  Dispersion  der  Körper.  365 

2)  Der  Strömung  durch  die  Verschiebung  der  positiven  La- 
dungen. Hat  die  Verschiebung  während  des  Zeitelementes  dt  den 
Wert  dSi  und  bezeichnet  ?i'  die  Anzahl  positiver  Ionen,  welche 
auf  der  Längeneinheit,  ?i"  die  Anzahl  der  Ionen,  welche  auf  der 
Querschnittseinheit  vorhanden  sind,  so  tritt  durch  die  Querschnitts- 
einheit während  dt  die  Ladungsmenge 

€^  SR"  .  rfgj  r  =  e^  %  rf£i , 

wobei  9?i=3l'$R"  die  in  der  Volumeinheit  vorhandene  lonenzahl 
der  Gattung  1  bezeichnet.  In  der  Zeiteinheit  tritt  also  durch  die 
Querschnittseinheit  die  Elektrizitätsmenge: 

Ur\  =  e,%%==e,%^-Il  ,  (5) 

wobei  jI  als  Differentialquotient  nach  der  Zeit  aufzufassen  ist. 

(yx)i  bezeichnet  die  Stromdichte,  welche  durch  die  Bewegung  der 
Ionen  der  Gattung  1  hervorgerufen  wird. 

3)  Der  Strömung  durch  die  Verschiebung  der  negativen  La- 
dungen.   Dieselbe  schreibt  sich  analog 

{j.),  =  e,%^Jf  ,  (6) 

denn  eine  Verschiebung  einer  negativen  Ladung  nach  der  negativen 
X-Achse  ergibt  einen  nach  der  positiven  x-Achse  gerichteten  Strom. 
Die  gesamte  Stromdichte  nach  der  ;i-Achse  ist  also 


j,  =  Ox)o  +  U^\  +.  0'.)2  =  ^  ^  +   A  (6,  %  ^,  +  .2  %  g2)  . 


(7) 


Analog  lauten  die  Stromkomponenten  nach  der  y-  und  ;^-Achse. 

Weil  jedes  abgrenzbare  Volumen  keine  freie  Ladung  hat, 
muß  die  Beziehung  erfüllt  sein: 

f  1  9?i  +  e^%  =  0  .  (8) 

Wir  halten  nun,  wie  immer,  an  den  Grundgleichungen  (7)  und 
(11)  (S.  251,  253)  der  Maxwellschen  Theorie  fest,  und  setzen  die 
Magnetisierungskonstante  /^  =  1 ,  so  daß  4jt  sx  =  ^«/ö^  usw.  wird. 
Wir  haben  dann  in  jenen  Grundgleichungen,  sowie  in  (1),  (3)  und 
(7)  die  theoretische  Grundlage  für  alle  Dispersionserscheinungen. 


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366  Kapitel  V. 

Das  allgemeine  Integral  der  Differentialgleichungen  (1)  und  (3) 
läßt  sich  nun  sofort  hinschreiben,  wenn  man  X  als  periodische 
Funktion  der  Zeit  annimmt.  Es  wird  dann  nämlich  gj  und  ^2  pro- 
portional der  gleichen  periodischen  Funktion  der  Zeit  vermehrt 
um  einen  gewissen  Bestandteil,  der  die  Eigenschwingungen  der 
Ionen,  die  nach  (l)  und  (3)  für  Z=0  stattfinden,  darstellt  Diesen 
Bestandteil  kann  man  aber  bei  Betrachtung  stationärer  Zustände 
ignorieren,  da  er  wegen  der  Reibungswiderstände  r^,  r^,  im  Laufe 
der  Zeit  gedämpft  wird.    Wir  können  daher  setzen 


(9) 


'  1  •  L 


(10)  T=r:2jr, 

wobei  Ä^  und  A^  noch  unbestimmte  Funktionen  des  Ortes  sind, 
die  aber  die  Zeit  nicht  mehr  enthalten,  während  T  die  Periode  der 
von  außen  eindringenden  Kraft,  d,  h.  der  Lichtschwingungen,  ist 
Eigentlich  haben  g^  und  §2  ^^r  ^^  Bedeutung  der  reellen  Teile 
der  in  (9)  hingeschriebenen  komplexen  Größen,  indes  können  wir 
sie  jenen  komplexen  Größen  zunächst  selbst  gleichsetzen,  und  am 
Schluß  der  Rechnung  wieder  zur  physikalischen  Bedeutung,  d.  h. 
zu  den  reellen  Teilen,  übergehen.  Dadurch  werden  die  Rech- 
nungen bedeutend  vereinfacht 

Es  ist  nun  nach  (9): 

Daher  kann  man  (1)  schreiben  als: 

^1  ^M^  "^  T  Vit'        z'  47ieiV  ~  4n^' 

oder  für 

^^^^  ^^—471  '     ^^—  4ne,^ 

folgt 


(13) 


.        1    ^  »i 

i  4-  r  «1  —  d 


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Die  Dispersion  der  Körper.  367 

Analog  ergibt  sich  e^  %^  durch  Vertauschung  des  Index  1  mit  dem 
Index  2.    Wir  haben  daher  nach  (7): 


i  +  — f'^^  +        ^^^ 


(14) 


Vergleicht  man  diese  Formel  mit  der  früheren  Formel  (17)  der 
S.  255yx  =  ^^,  so  erkennt  man,  daß  an  Stelle  der  Dielektri- 
zitätskonstanten 6  die  komplexe,  von  der  Schwingungsperiode 
T=x  '  2jt  abhängige  Größe  tritt: 

'"^^i+i^-^-  (15) 

wobei  zur  Abkürzung  gesetzt  ist 

^,;  =  {^Ä  5Ra  .  (15') 

Die  2  ist  über  die  einzelnen,  schwingungsfähigen  Ionen  zu 
erstrecken.  Man  kann  eventuell  mehr  als  zwei  Gattungen  der- 
selben annehmen.  Dieselben  sind  hier  (bei  den  schnellen  Wechsel- 
zahlen, welche  die  Lichtschwingungen  besitzen  und  in  Isolatoren) 
nicht  identisch  anzunehmen  mit  den  bei  der  Elektrolyse  gefundenen 
lonengattungen. 

Die  in  (15)  auftretenden  Konstanten  können  wir  noch  anschau- 
licher interpretieren.  Für  sehr  langsame  Perioden,^  wie  sie  bei 
langsamen  elektrischen  Schwingungen  (oder  elektrostatischen  Ver- 
suchen) eintreten,  ist,  falls  man  x  =  co  setzt,  nach  (15) 

6  =  €'«  =  1  +  Sd^h  .  (16) 

e  hat  die  Bedeutung  der  bei  solchen  Versuchen  maßgebenden 
Dielektrizitätskonstante,  d-h  kann  nach  Gleichung  (2)  und  (13)  die 
Dielektrizitätskonstante  der  Ä'ten  lonengattung  genannt  werden. 
Die  resultierende  Dielektrizitätskonstante  ist  also  die 
Summe  der  Dielektrizitätskonstanten  des  Äthers  und 
aller  lonengattungen. 

Femer  hängt  die  Konstante  hh  mit  der  Eigenschwingungsdauer 
Th  zusammen,  welche  die  Ä'te  lonengattung  besitzen  würde,  falls 


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368  Kapitel  V. 

ihr  Reibungskoeffizient  an  vernachlässigt  würde.   Für  diesen  Fall 
{X  =0,    ah  =  rh  =  o)  folgt  nämlich  aus  (1) 

(17)  bh  =  Th^,    rh=Th:2jt. 

Nun  haben  wir  oben  S.  341  gesehen,  daß  eine  komplexe  Di- 
elektrizitätskonstante Lichtabsorption  bedingt.  Nennen  wir  n  den 
Brechungsindex,  x  den  Absorptionsindex,  so  ist  nach  den  dortigen 
Entwicklungen  [vgl.  die  dortige  Formel  (11)]  und  der  hier  abge- 
leiteten Formel  (15): 


(18)  ^  =  n^i  -  ^^r  =  i  i-^  -— ^^-^ 


g'  =  n2  (7  — ix)2  =  i  +  2 


Aus  dieser  Formel  kann  man  durch  Trennung  der  reellen  und 
imaginären  Bestandteile  zwei  Relationen  ableiten,  aus  denen  man 
n  und  X  berechnen  kann. 

2.  YerYoUständignng  der  Theorie,  Die  bisherigen  Betrach- 
tungen sind  der  Ausgangspunkt  für  die  Dispersionstheorie  in  der 
einfachsten  Form,  sie  sind  aber  nicht  ganz  streng.  Durch  (rleichung 
(4)  ist  X  definiert  als  die  elektrische  Feldstärke  im  Äther,  wäh- 
rend man  in  Gleichung  (1)  unter  X  die  Kraft  zu  verstehen  hat, 
welche  das  Ion  in  Bewegung  setzt.  Beide  Begriffe  sind  aber  im 
allgemeinen  nicht  identisch,  und  darauf  nehmen  die  Dispersions- 
theorien von  Helmholtz^),  Lorentz^)  undPlanck^)  Rücksicht  — 
Die  Feldstärke  im  Äther  nimmt  ganz  verschiedene  sehr  große 
positive  oder  negative  Werte  an,  wenn  man  sich  einem  Ion  stark 
annähert;  im  Mittel  ist  die  Feldstärke  offenbar  gleich  dem  Werte 
in  einem  symmetrisch  zu  den  Ionen  zwischen  ihnen  liegenden 
Punkte  P,  der  von  allen  Ionen  möglichst  gleich  weit  entfernt  ist 
Unter  X  in  Gleichung  (4)  ist  nun  dieser  Mittelwert  zu  verstehen. 
Dieser  Mittelwert  wird  durch  die  lonenladungen  nicht  beeinflußt,  da 
ihre  Wirkungen  sich  wegen  der  symmetrischen  Lage  von  P  in  P 
aufheben  müssen.  —  Die  erregende  Kraft,  welche  auf  ein  Ion 
wirkt,  ist  nun  die  am  Orte  des  Ions  bestehende  Kraft,  wenn  man 


1)  H.  V.  Helmholtz,  Berl.  Ber.  1892,  S.  1093. 

2)  H.  A.  Lorentz,  La  theorie  electromagn.  de  Maxwell,  Leide,  1892. 

3)  M.  Planck,  Berl  Ber.  1902,  S.  470;  1903,  S.  480;  1904,  S.  740;  1905, 
S.  382. 


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Die  Dispersion  der  Körper.  359 

sich  dort  die  Ladung  des  Ions  fortdenkt.  Denn  das  Ion  kann  sich 
nicht  durch  eine  innere,  von  ihm  selbst  herrührende  Kraft  in 
Bewegung  setzen,  sondern  nur  durch  Kräfte,  die  aus  seiner  Um- 
gebung herrühren.  Denken  wir  uns  nun  zunächst  die  Ionen  in 
ihren  Ruhelfigen,  so  würde  der  Ort  jedes  Ions  ein  symmetrisch 
zu  den  anderen  Ionen  liegender  Punkt  sein,  d.  h.  an  ihm  würden 
die  Wirkungen  der  umgebenden  Ionen  sich  aufheben  und  die 
erregende  Kraft  wäre  in  diesem  Falle  identisch  mit  dem  Mittel- 
werte X  der  Feldstärke  im  Äther.  Wenn  nun  nur  eine  Gattung 
von  Ionen  bestände,  so  würde  auch  für  Ionen,  die  aus  ihrer  Ruhe- 
lage verschoben  sind,  die  erregende  Kraft  identisch  mit  X  bleiben, 
denn  auch  bei  verschobenen  Ionen  liegt  der  Ort  jedes  Ions  sym- 
metrisch zu  den  anderen  Ionen  gleicher  Gattung,  da  wir  voraus- 
setzen, daß  die  Lichtwellenlänge  groß  gegen  den  Ionen- Abstand 
ist,  d.  h.  daß  in  der  näheren  Umgebung  eines  Ions  alle  Ionen 
gleicher  Gattung  sich  um  gleichviel  verschieben.  —  Die  Verhält- 
nisse werden  aber  anders,  wenn  wir  mehrere  Ionen-Gattungen 
haben.  Haben  sich  die  Ionen  e^  um  g^,  die  Ionen  cj  um  §2  ver- 
schoben, so  liegt  der  Ort  eines  Ions  e^  nicht  mehr  symmetrisch  zu 
den  Ionen  €2,  sondern  er  ist  um  die  Strecke  gi  — §2  von  seiner 
Gleichgewichtslage  aus  nach  der  positiven  a:-Achse  relativ  zu  den 
Ionen  der  Gattung  2  verschoben;  diese  müssen  also  eine  elektrische 
Kraft  auf  das  Ion  1  äußern,  welche  proportional  zu  —  «2  9^  (li  —  &) 
ist,  falls  die  Verschiebung  g^  —  §2  genügend  klein  ist  Der  Pro- 
portionalitätsfaktor ergibt  sich  nun  (durch  eine  kompliziertere 
Rechnung  ^)  zu  4^/5,  so  daß  die  das  Ion  e^  erregende  Kraft  X'  sich 
ergibt  zu 

r  =  Z-5e2  5R2(&-g2). 

Nun  nimmt  Planck  nur  eine  Gattung  beweglicher  Ionen  an,  es 
ist  also  §2  =  0  zu  setzen  und  wegen  der  Beziehung  (8)  kann  man 
schreiben 


1)  Vgl.  M.  Planck,  Berl.  Ber.  1902,  S.  484.  Die  dortigen  Ent- 
wicklangen gebrauchen  ein  etwas  anderes  Bild,  welches  aber  im  Grunde  auf 
das  hier  benutzte  zurückgeführt  werden  kann.  Zum  Zweck  möglichst  ele- 
mentarer Veranschanlichung  und  Kürzung  bin  ich  hier  von  den  Ent- 
wicklungen und  dem  Bilde  bei  Planck  abgewichen. 

Drude,  Lehrbuch  d.  Optik.    2.  Aufl.  24 


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370  Kapitel  V. 

Setzt  man  diesen  Wert  X'  in  der  Bewegungsgleichung  (1)  anstatt 
des  dort  gebrauchten  X  ein,  so  entsteht 

d.  h.  an  Stelle  yon  (13)  tritt 


(13-)  ^»^'      ^«      7-4i«.*.  +  i.,-^/ 

wobei  die  a^  und  h^  ihre  Bedeutungen  nach  (12)  behalten  haben. 
An  Stelle  von  (18)  tritt  also: 

e'  =  n2(i  — ix)2  =  i+ ^^'^' 


Wenn  man  in  dieser  Weise  den  Einfluß  mehrerer  beweglicher 
Ionen-Gattungen  einführen  wollte,  so  fallen  die  Formeln  wesentlich 
komplizierter  aus,  besonders  ist  die  Abhängigkeit  des  d  von  t^ 
eine  formal  andere  und  kompliziertere,  als  nach  Formel  (18). 
Planck  führt  diese  Erweiterung  in  seine  Theorie  nicht  ein,  und 
annähernd  kann  man  ja  auch  zur  Darstellung  der  optischen  Eigen- 
schaften mit  nur  einer  beweglichen  lonengattung  im  allgemeinen 
auskommen,  wenn  nämlich  die  benutzten  Schwingungsdauern  nicht 
einer  Eigenschwingungsdauer  der  Ionen  zu  nahe  kommen  und 
einer  bestimmten  Gruppe  von  Eigenschwingungsdauern  (z.  B.  der  im 
Ultravioletten  liegenden)  wesentlich  näher  liegen,  als  den  anderen. 
Dieser  Fall  tritt  oft  ein;  man  kann  dann  annähernd  die  Ionen 
mit  ultravioletten  Eigenschwingungen  als  eine  einzige  bewegliche 
Gattung  mit  einer  gewissen  mittleren  Eigenwellenlänge  zusammen- 
fassen, dagegen  die  Ionen  mit  ultraroten  Eigenschwingungen  als 
unbeweglich  ansehen.  Für  das  ganze  Bereich  des  Spektrums  gilt 
aber  diese  Annäherung  nicht,  und  es  müßte  die  Theorie  dann  für 
mehrere  bewegliche  lonengattungen  durchgeführt  werden. 

Die  Plancksche  Theorie  ist  nun  insofern  noch  von  allen  anderen 
Dispersionstheorien  verschieden,  als  die  Ursache  für  die  dämpfende 
Kraft,  welche  auf  die  Ionen  wirkt,  lediglich  in  ihren  Strahlungs- 
verlusten gesehen  wird.  Wenn  nämlich  ein  Ion  seine  Geschwindig- 
keit verändert,  so  ist  das  gleichbedeutend  mit  einer  Stromstärke- 


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Die  Dispersion  der  Körper.  371 

änderuDg.  Diese  muß  aber  immer  eine  elektromotorische  Kraft 
(Selbstinduktion)  im  Äther  hervorbringen,  welche  eine  Energie- 
ausstrahlung bedeutet.  Bei  Durchführung  dieser  Betrachtung 
ergibt  sich  nach  Planck^)  nach  einigen  Transformationen  die  Be- 
ziehung 


wobei  c  die  Lichtgeschwindigkeit  im  Vakuum  bedeutet,  d.  h. 
(.=  3-10^^  cm :  sec  ist,  und  Th  die  nach  (17)  berechnete  Eigen- 
schwingungsdauer der  Ionen. 

Durch  diese  Annahme  von  Planck  über  die  Ursache  der 
Dämpfung  ergeben  sich  im  allgemeinen  aber  nur  sehr  kleine  Ab- 
sorptionsindizes k,  sodaß  man  bei  merklich  absorbierenden,  z.  B. 
auch  gefärbten  Körpern,  wohl  außer  der  Strahlungsdämpfung  auch 
noch  eine  Reibungsdämpfung  einführen  muß. 

Im  Folgenden  soll  wieder  an  die  Entwicklungen  des  §  1  an- 
geknüpft werden,  da  die  strengere  Theorie  für  mehrere  beweg- 
liche Elektronengattungen  sehr  kompliziert  und  noch  nicht  durch- 
geführt ist.  Das  Wesentliche  ist  auch  durch  Diskussion  der 
angenäherten  Theorie  des  §  1  zu  erhalten.  Nur  bei  einigen 
Punkten  soll  auch  auf  die  strengere  Theorie,  speziell  auf  Formel 
(18')  zurückgegriffen  werden. 

Betreffs  der  genaueren  Durchführung  der  Konsequenzen  dieser 
Theorie  vgl.  die  zitierten  Arbeiten  von  Planck. 

S.  Normale  Dispersion.  Bei  den  durchsichtigen  Körpern  ist 
eine  Absorption  nicht  zu  bemerken.  Man  muß  für  diese  Körper 
annehmen,  daß  die  Beibungskoeffizienten  an  nur  klein  sind,  sodaß 
man  den  Betrag  (^i^ix  vernachlässigen  kann  gegen  1  —  {^^IxY,  Dieses 
ist  offenbar  immer  nur  gestattet,  wenn  die  Periode  T  des  Lichtes 
nicht  nahe  bei  einer  Eigenschwingung  Th  der  Ionen  liegt,  denn 
sonst  würde  ^^/V  =  i  sein  und  es  würde  Absorption  auftreten,  selbst 
wenn  ah  nur  klein  ist.  Die  durchsichtigen  Körper  sind  daher  als 
solche  aufzufassen,  deren  Eigenschwingungsdauern  nicht  mit  den 
Perioden  des  sichtbaren  Lichtes  zusammenfallen,  und  deren  Rei- 
bungskoeffizienten klein  sind.  In  diesem  Falle  wird  bei  Vernach- 


1)  M.  Planck,  Wied.  Ann.  60,  S.  593,  1897. 


24* 


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372  Kapitel  V. 

lässigung  von  o»/t  die  rechte  Seite  von  (18)  reell,  sodaß  x  =  0 
wird  und  der  Brechnngsindex  den  Wert  annimmt: 


(19)  '    -^i_/L*\» 


«^=i+2- 


9h' 


-(tT 


Wenn  die  Eigenschwingungsdauern  sich  viel  von  den  Perioden 
des  Lichtes  unterscheiden,  so  kann  man  für  n^  eine  schnell  kon- 
vergierende Reihenentwicklung  benutzen.  Es  sind  die  Eigen- 
schwingungsdauem  im  Ultravioletten  t»  zu  unterscheiden  von  den 
Eigenschwingungsdauem  im  Ultraroten  rr.  Für  erstere  ist  ti,|t 
ein  kleiner  Bruch,  daher 


(20) 


-(•;) 


=  i+(^f+©Vusw. 


Für  letztere  ist  ^/rr  ein  kleiner  Bruch,  daher: 

(21)        __   /T^\  2  ~         '^'•'     2   -  (-]  ^  ^^^ 

Benutzt  man  diese  Eeihenentwicklungen,  und  fährt  man  an 
Stelle  der  z  die  Perioden  T  selbst  ein  nach  (10)  und  (17),  so  ent- 
steht aus  (19) 

n^  =  l   +   -S/^t;     H rp2 1 rpl f-    •   •  • 

Es  hat  sich  nun  in  der  Tat  eine  vierkonstantige  Dispersions- 
formel: 

(23)  n^^^A'T^  +  A  +  ^  +  ^, 

mit  positiven  Koeffizienten  A\  A,  B,  G  bisher  den  Beobachtungen 
über  die  Abhängigkeit  des  n  von  T  bei  durchsichtigen  Körpern 
meist  sehr  gut  angeschlossen.  Wir  erkennen  in  (23)  die  abge- 
brochenen Reihenentwicklungen  von  (22)  und  verstehen  daher  theo- 
retisch, weshalb  alle  Koeffizienten  A\  A,  B,  C  positiv  sein  müssen. 
Zugleich  ergibt  sich,  daß  das  von  der  Periode  T  freie  Glied  A 


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Die  DispeFBion  der  Körper.  373 

der  Dispersionsformel  die  physikalische  Bedeutung  hat: 

Ä  =  i  +  U&v  '  (24) 

Da  nach  (16)  die  Dielektrizitätskonstante  s  die  Bedeutung  hat 

€  —  1  +  S&h  =  1  +  S&v  +  2&r\ 

so  ergibt  sich 

6  —  Ä  =  i:&r\  (25) 

d.h.  die  Differenz  zwischen  Dielektrizitätskonstante  und 
dem  von  T  freien  Gliede  der  Dispersionsformel  ist  stets 
positiv  und  hat  die  Bedeutung  der  Summe  der  Dielektri- 
zitätskonstanten der  Ionen,  deren  Eigenschwingungen 
im  Ultraroten  liegen.  Hierdurch  werden  also  die  oben  S.  262 
konstatierten  Abweichungen  der  ursprünglichen  Maxwellschen 
Theorie  von  der  Erfahrung  erklärt 

Eine  solche  Differenz  zwischen  s  und  A  muß  also  immer  be- 
stehen, wenn  die  Dispersion  nicht  durch  die  dreikonstantige  Formel 

n2  =  ^+§  +  ^  (26) 

darzustellen  ist;  denn  der  Koeffizient  Ä  in  der  Formel  (23)  rührt 
gerade  von  den  Ionen  her,  welche  Eigenschwingungen  im  Ultra- 
roten besitzen.  Für  diesen  Satz  bildet  das  Verhalten  des  Wassers 
eine  glänzendeBestätigung.  Denn  unter  allen  durchsichtigen  Körpern 
erreicht  der  Koeffizient  A'  der  vierkonstantigen  Dispersionsformel 
den  größten  Betrag  an  Wasser,  und  dies  steht  sowohl  im  Einklang 
damit,  daß  Wasser  am  meisten  von  allen  Körpern  Wärmestrahlen 
absorbiert,  als  damit,  daß  bei  Wasser  die  Differenz  zwischen  e  und 
A  am  größten  ist  —  Unter  der  Annahme,  daß  nur  ein  einziges 
Absorptionsgebiet  im  Ultraroten  liegt,  kann  man  die  Lage  des- 
selben aus  a'  und  e  —  A  berechnen.  Denn  es  ist  dann  (22),  (23) 
und  (25): 

ä'=^,,  B-A  =  »r,  d.h.  7^2  =  ^.  (27) 

Nach  Ketteier  ist  nun  für  Wasser  ^'=  0,0128-  lO^-c^  sec"^^ 
wobei  c=310    ist    Ferner  ist  s  ^  A  =  11.    Hieraus  berechnet 


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374  Kapitel  V. 

sich  die  dem  ultraroten  Absorptionsgebiet  entsprechende  Wellen- 
länge (in  Luft  oder  Vakuum  gemessen)  zu 

2/2=  c2  7V2  —  ^^  10-  8  =  60- 10"  S 

d.h. 

(2S)  Xr  —  7,75 .  10  "  *  cm  =  0,08  mm. 

Diese  Wellenlänge  liegt  in  der  Tat  weit  im  Ultraroten.  Ex- 
perimentelle Untersuchungen  ergaben,  daß  das  Wasser  nicht  nur 
ein  Absorptionsgebiet  im  Ultraroten  hat^,  daß  die  Größenordnung 
der  am  stärksten  absorbierten  Wellenlängen  aber  in  der  Tat  mit 
(28)  übereinstimmt. 2) 

Weitere  quantitative  Bestätigungen  der  Dispersionsformel  (19) 
haben  sich  am  Flintglas,  Flußspat,  Quarz,  Steinsalz,  Sylvin  er- 
geben, indem  man  zur  Untersuchung  auch  sehr  langwellige  Strahlen 
verwendete.^)    Schreibt  man  (19)  in  der  Form 

d.  h.  in  der  Form: 


(29)  n^  =  b^  +  2: 


y^k 


A2  —  A/»"^ 


SO  erkennt  man,  daß  b^  mit  der  Dielektrizitätskonstante  s  iden- 
tisch sein  muß.  Bei  den  genannten  Körpern  konnte  man  nun  n^ 
durch  die  Formel  (29)  in  der  Tat  gut  darstellen,  z.  B.  bei  Quarz 
(ordinärer  Strahl)  durch  die  Konstanten: 

jf,c=     0,0106,    >li2=     0,0106, 

M2=    44,224,      V=    78,22, 

M^  =  713,55,        ^2  =  430,56,      h'^  =  4,58. 

Es  ist  Xh=^Th'C  gesetzt,  und  Einheit  von  Xh  ist  der  tausendste 
Teil  eines  Millimeters  (/i).^)     Diese  7  Kontanten    J/„  Jfj,  i/3,  X^^ 

1)  Vgl.  F.  Pascheo,  Wied.  Ann.  53,  S.  334,  1894. 

2)  Vgl.  Rubens  u.  Aschkinaß,  Wied.  Ann.  65,  S.  252,  1898. 

3)  Vgl.  Rubens  u.  Nichols,  Wied.  Ann.  60,  S.  418,  1897.—  Paschen, 
Wied.  Ann.  54,  S.  672,  1895. 

4)  Wenn  man  Mh  und  Aa^  nach  absolutem  Maß,  d.  h.  in  cm  ausdrQcken 
will,  80  sind  die  hier  gegebenen  Zahlwerte  mit  10-*  zu  multiplizieren,  da 
\  H  =  10-*  cm  ist. 


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Die  DisperBion  der  Körper.  375 

X2,  ^3,  ^^  müssen  nach  (29)  die  Relation  erfüllen: 

Die  rechte  Seite  hat  hier  den  Zahlwert:  3,2;  die  linke  Seite  ist  3,6. 
Diese  Differenz  wird  veranlaßt  durch  Molekülgattungen,  deren 
Eigenperioden  so  weit  im  Ultravioletten  liegen,  daß  man  für  sie 
Tf^  =  0  setzen  kann.  Nennt  man  die  Summe  ihrer  Dielektrizitäts- 
konstanten *o',  so  wird  nach  (29): 

An  Stelle  von  (30)  tritt  daher: 

b^-i-^  :sp,  =  »0 .  (30') 

Die  Dielektrizitätskonstante  des  Quarzes  hat  sich  nun  zu  f  =  4,55 ' 
bis  4,73  ergeben,  was  mit  dem  Wert  b^  sehr  gut  übereinstimmt. 

Flußspat:    i/i  =  0,00612,    V  =  0,00888, 
if2  =  5099,         X2^=  1258, 
b^  =  6,09 ,  €     =  6,7  bis  6,9. 

(Auch  hier  ist  (30)  nicht  genau  erfüllt.) 

Steinsalz:    J[fi  =  0,018,        ;i,2  =  0,0162, 
i/2=8977,         V  =  3149, 
62  =  5,18,  e     =5,81  bis  6,29. 

[(30)  ist  annähernd  erfüllt    »0  =  0,18.] 

Sylvin:    M^  =  0,0150 ,     X^'^  =  0,0234 , 
if2=  10747,      V=4517, 
^,2=4^55^  g    =4,94. 

(Die  Relation  (30)  ist  nicht  erfüllt.    Es  ist  nach  (30')  *o'  =  0,53.) 

Der  Schluß,  daß  die  Differenz  zwischen  e  und  A  nach  For- 
mel (25)  auf  Eigenschwingungen  und  Absorption  im  Ultraroten 
deutet,  läßt  sich  nicht  umkehren,  d.  h.  auch  wenn  die  Dielektrizi- 
tätskonstante 6  und  das  von  der  Periode  freie  Glied  A  der  vier- 
konstantigen  Dispersionsformel  (23)  übereinstimmen,  brauchen 
Eigenschwingungen  und  Absorptionen  im  Ultraroten  nicht 
ganz    ausgeschlossen    zu    sein.     Nach    (25)    wären   nur    die 


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376  Kapitel  V. 

Dielektrizitätskonstanten  ^/  dieser  lonengattongen,  deren  Eigen- 
schwingungen im  Ultraroten  liegen,  sehr  klein.  Trotzdem  kann 
aber  merkliche  Absorption  für  r  =  Tr  eintreten.  Denn  nach  (18) 
tritt  dann  in  s  das  Glied  d-rii-  ^\xr  auf.  Dieser  Term  hat  nach  (12) 
den  Wert —i^TrSlrirr,  wobei  rr  den  in  (1)  definierten  Reibungs- 
widerstand bedeutet.  Der  Wert  dieses  Gliedes  bleibt  also  endlich, 
auch  wenn  *r  sehr  klein  wird.  So  sehen  wir  in  der  Tat  bei  vielen 
Körpern,  z.B.  den  Kohlenwasserstoffen,  daß  die  Differenz  zwischen 
€  und  A  sehr  klein  ist,  und  trotzdem  sind  diese  Körper  fftr  Wärme- 
strahlen nicht  vollständig  absorptionsfrei. 

Aus  der  Dispersionsformel  (22)  oder  (23)  folgt,  daß  n^  bestän- 
dig abnimmt,  wenn  T  wächst  Dies  kann  man  in  der  Tat  bei 
allen  durchsichtigen  Körpern  beobachten,  es  ist  der  normale  Ver- 
lauf, daher  bezeichnet  man  ihn  als  normale  Dispersion. 

4.  Berechnung  der  Elektronenkonstanten  ans  der  Dispersion. 
9  Bezielinng  der  Elektronenzalil  znr  clieniischen  Yalenz.  Aus  (29) 

folgt 

(31)  Mh^^h^hXh'^,    Xh^^jt'^c^ 
aus  (17)  und  (12)  folgt  daher 

(32)  Mh :  Zk^  =  (?a2  yif, :  jtmhc^ . 

Führt  man  die  nach  elektromagnetischem  Maße  gemessene  Elek- 
trizitätsmenge e  ein  durch  die  Beziehung  (vgl.  oben  S.  251) 

(33)  eh  =  chic^ 
so  ergibt  (32): 

(32')  MH:Xk^  =  eh^3lh::^mh. 

Nach  der  Planckschen  Theorie  folgt  aus  (18'): 

daher  haben  nach  dieser  Theorie  die  Größen  Mh  und  Xh  der  Dis- 
persionsformel (29)  die  Bedeutung: 

(31)     ^Ä  =  (T-4wr^p--^^^ '  ^^-^-^rrp-^- 


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Die  Dispersion  der  Körper.  377 

Also  auch  nach  dieser  Theorie  gilt  die  Relation  (32).  Wenn  man 
nun  die  experimentell  gefundenen  Zahlenwerte  für  Mh  und  Xh  ein- 
setzt, so  ergibt  sich  die  linke  Seite  von  (32)  stets  wesentlich 
kleiner  für  die  ultraroten  Eigenschwingungen,  als  für  die  ultra- 
violetten Eigenschwingungen,  z.  B.  ist  für  Flußspat,  wenn  man 
MhiXh^  in  absolutem  Maß  (nach  cm)  ausdrückt,  d.  h.  die  im  Text 
hier  gegebenen  Werte  von  Mh  und  Xh^  mit  10""  ^  multipliziert  (vgl. 
Anm.  4  der  S.  374): 

^4  =  3,23-10S    ^  =  0,778. 10»^ 

Setzt  man  nun  in  Gleichung  (8)  S.  365,  welche  ausdrückt,  daß 
keine  freie  elektrische  Ladung  auftritt,  den  aus  (32)  folgenden 
Wert  für  eh^lh  ein,  so  folgt 

V  *  ^  —  V  *  ^  "^  V  *  ^  ~" 

Daher  muß  beim  Flußspat,  wie  überhaupt  bei  allen  Körpern, 
bei  denen  Quotienten  Mh :  Xh^  von  zweierlei  verschiedener  Größen- 
ordnung gleichzeitig  auftreten,  auch  bei  den  lonengattungen  chinih 
zweierlei  verschiedene  Größenordnung  besitzen.  Da  nun  bei  allen 
Körpern  MviXv^  viel  größer  als  MriXr^  ist,  so  muß  bei  den 
ultravioletten  Eigenschwingungen  (Index  v)  ejm  viel  grö- 
ßer sein,  als  bei  den  ultraroten  Eigenschwingungen  (In- 
dex r). 

Nun  hat  man  in  der  Tat  schon  auf  anderen  Gebieten  Quo- 
tienten e :  m  von  zweierlei  verschiedener  Größenordnung  gefunden, 
nämlich  bei  der  Elektrolyse,  bei  der  die  Ladung  e  an  ponderable 
Masse  geknüpft  ist,  und  bei  den  Kathodenstrahlen,  bei  denen  eine 
negative  Ladung  an  die  Teilchen  der  Kathodenstrahlen  gebunden 
ist.  Für  erstere  ergibt  sich  z.B.  für  Wasserstoff ^  (aus  dem  elek- 
trochemischen Äquivalent)  / :m  =  0,965 •  10^  für  letztere  (aus  der 
magnetischen    Ablenkbarkeit    der    Kathodenstrahlen 2))    e' :  m  = 


1)  Für  diesen  hat  e  :  m  noch  den  größten  Wert,  da  Wasserstoff  das 
kleinste  Atomgewicht  hat. 

2)  Nach  W.  Kaufmann,  Ann.  d.  Phys.  19,  S.  551,  1906.  —  Nach 
anderen  Beobachtern  ist  e  :  m  zum  Teil  etwas  kleiner,  aber  meist  größer  als 
1.10^.  Vgl  dazu  J.  J.  Thomson,  Elektrizitatsdurchgang  in  Gasen.  Deutsch 
von  Marx,  Leipzig,  1905,  S.  117. 


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378  Kapitel  V. 

1,88  •  10 1  Man  nimmt  nun  in  neuerer  Zeit  an,  daß  die  Kathoden- 
strahlen  aus  dem  negativen  Elementarquantum  der  Elektrizität 
ohne  ponderable  Masse  bestehen  (sogenannte  freie  Elektronen), 
und  daß  ihre  Masse  m  nur  eine  scheinbare,  durch  Selbstinduktion 
hervorgerufene  sei.  In  der  Tat  muß  ja  ein  bewegtes  Elektron,  da 
es  einen  elektrischen  Strom  durch  seine  Bewegung  erzeugt,  auch 
ein  magnetisches  Feld  erzeugen,  d.  h.  elektrische  Trägheit  bei  Ge- 
schwindigkeitsänderungen besitzen,  die  man  Selbstinduktion  nennt. 
Diese  freien  Elektronen  findet  man  noch  in  mehreren  anderen  Ge- 
bieten, z.  B,  in  den  photoelektrischen  Effekten,  in  den  /9- Strahlen 
des  Radiums,  beim  Zeemanneffekt,  der  unten  im  Kapitel  VII  be- 
sprochen wird.  In  allen  diesen  Fällen  ergibt  sich  ein  annähernd 
konstantes  Verhältnis  e:m,  während  für  die  mit  ponderabler  Masse 
behafteten  Ionen  e:m  je  nach  dem  Träger,  d.  h.  der  Masse  m,  ver- 
schieden und  stets  viel  kleiner^)  ist  als  bei  den  freien  negativen 
Elektronen. 

Es  liegt  daher  der  Schluß  nahe,  daß  die  ultravioletten 
Eigenschwingungen  den  freien  negativen  Elektronen  (mit 
konstantem  für  sie  charakteristischen  Verhältnis  ^'jm  =  1,88  •  10 ') 
zugehören,  daß  dagegen  die  ultraroten  Eigenschwingun- 
gen hervorgebracht  werden  durch  Schwingungen  des 
ganzen  positiv  geladenen  Moleküls  oder  eines  Teiles  des- 
selben. Diese  Anschauung  kann  man  in  der  Tat  gut  durch- 
führen und  erhält  dabei  gewisse  Bestätigungen  durch  den  chemi- 
schen Aufbau  des  Moleküls. 2) 

Nennen  wir  nämlich  jph  die  Anzahl  Ionen  bzw.  Elektronen  der 
Ä-ten  Gattung,  die  pro  Molekül  vorhanden  sind,  M  das  Molekular- 
gewicht, d  die  Dichte  der  Substanz,  H  die  absolute  Masse  eines 
Atoms  Wasserstoff,  so  ist 

(33)  d==-^^HM, 

daher  nach  (32'): 

(34)  ^'^^/:«^  =  ^¥-aT4- 

Für  die  ultravioletten  Eigenschwingungen  ist  nun  nach  unserer 


1)  Mindestens  ist  es  etwa  2000  mal  kleiner,  da  dieses  VerhältniB   fOr 
Wasserstoff  besteht. 

2)  Hier  soll  nur  der  Ausgangspunkt  mitgeteilt  werden.    Betreffs  weiterer 
Ausfiihrung  vgl.  P.  Drude,  Ann.  d.  Phys.  14,  S.  677,  936,  1904. 


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Die  Dispersion  der  Körper.  379 

Annahme  en  gleich  dem  Elementarquantum  e  der  Elektrizität,  für 
eh  :  H  ist  daher  der  aus  der  Elektrolyse  gewonnene  Wert  e  :  m  = 
0,965-10^  zu  benutzen.  Setzt  man  femer  für  eh'.mh  in  (34)  den 
aus  den  Kathodenstrahlen  gefundenen  Wert  ^/  1,88-10'  ein,  so 
ergibt  sich  nach  (34)  aus  den  ultravioletten  Eigenschwingungen 
die  Zahl  pv  der  pro  Atom  vorhandenen,  bei  den  Lichtschwingungen 
in  Bewegung  gesetzten  Elektronen: 

;,,=  1,73-10       -j-  x;-4. 

Da  nun  z.B.  beim  Flußspat  Jl/=78,  rf==3,18,  ift;  :;it;^  =  0,778- 10 1<> 
ist  (vgl.  oben),  so  folgt  für  ihn  p  =  3,3.  Man  sollte  eine  ganze 
Zahl  für  pv  erwarten,  indes  ist  zu  berücksichtigen,  daß  weder  der 
Wert  Bh  =  nih  aus  den  Kathodenstrahlexperimenten  ganz  sicher 
gestellt  ist,  noch  auch  die  Werte  von  Mv  und  Xv,  welche  aus  der 
Dispersionskurve  des  Flußspats  nur  durch  eine  Art  Extrapolation 
gewonnen  sind,  da  man  nur  mit  Lichtwellenlängen  beobachtet  hat, 
welche  größer  als  die  ultravioletten  Eigenwellenlängen  waren. 
Nimmt  man  z.B.  für  en  :mh  in  (34)  den  Wert  1,53-10"  an,  der 
auch  mit  den  Resultaten  mancher  Beobachter  verträglich  ist  (vgl. 
oben  Anm.  2,  S.  377),  so  würde  p»  =  4  folgen.  Diese  Zahl  ist 
gleich  der  Summe  der  im  Flußspatmolekül  vorhandenen  Valenzen. 
Es  ist  nun  sehr  bemerkenswert,  daß  sich  bei  allen  Substanzen 
für  Pv  Zahlen  ergeben,  welche  von  der  Größenordnung  der  im 
Molekül  vorhandenen  Valenzsumme  sind  und  mit  dieser  bei  homo- 
logen Verbindungen  wachsen  bzw.  abnehmen.  Dies  wird  nun 
verständlich  durch  folgende  Anschauung: 

Ein  einwertiges  Atom  von  elektropositivem  Charakter  be- 
zeichnet ein  solches,  welchem  ein  negatives  Elementarquantum 
durch  ein  anderes  Atom  von  elektronegativem  Charakter  entzogen 
werden  kann,  ein  zweiwertiges  ein  solches,  dem  zwei  Elementar- 
quanta  entzogen  werden  können  usw.  Durch  die  Valenz  wird 
also,  wenigstens  bei  den  elektropositiven  Atomen,  die  Anzahl  der 
verhältnismäßig  lose  an  das  Atom  geketteten  negativen  Elektronen 
bezeichnet;  außerdem  gibt  es  im  Atom  noch  sehr  viele  andere, 
aber  fester  gebundene  Elektronen.*) 


1)  Dies  kann  man  schließen  wegen  der  Kompliziertheit  der  Emissions- 
spektren. —  Der  Einfluß  dieser  Elektronen  ist  auch  gekennzeichnet  durch 
die  Größe  ^^  (30'). 


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380  Kapitel  V. 

Die  Eigenschwiügungsdauer  Th  eines  Elektrons  mu£  nun  um 
so  größer  sein,  je  loser  es  an  das  Atom  gekettet  ist,  und  daher 
muß  die  Valenzzahl  (bei  elektropositiven  Atomen)  gleich  der  Elek- 
tronenzahl sein,  welche  die  größte  (im  Ultravioletten  liegende) 
Eigenschwingungsdauer  haben,  falls  diese  bei  allen  lose  gebun- 
denen Elektronen  im  Atom  die  gleiche  ist  Dies  wird  nun  im 
allgemeinen  nicht  der  Fall  sein,  und  daher  kann  man  im  allge- 
meinen aus  der  Dispersion  auch  nur  einen  gewissen  Grenzwert  ^ 
für  die  Zahl  der  beweglichen  Elektronen  erhalten.  Das  Wasser- 
stoflfmolekül  dagegen  enthält  zwei  Valenzen  von  elektropositivem 
Charakter,  die  wegen  ihrer  Gleichheit  auch  die  gleiche  Eigen- 
schwingungsdauer haben  werden,  und  in  der  Tat  erhält  man  aus 
der  Dispersion  des  Wasserstoffes  ^  mit  der  Annahme  pv  =  2  für 
«//mr  den  Wert  1,5- 10',  d.  h.  jedenfalls  annähernd  den  bei  Ka- 
thodenstrahlen gefundenen  Wert. 

Daß  also  oben  beim  Flußspat  sich  ebenfalls  Übereinstimmung 
zwischen  pv  und  der  Valenzzahl  ergeben  hat,  ist  von  diesem  Stand- 
punkte exakt  jedenfalls  nicht  notwendig,  einmal  wegen  des  kom- 
plizierteren Molekttlbaues,  der  wahrscheinlich  mehrere  ultraviolette 
Eigenperioden  enthält,  andererseits  we^en  der  Anwesenheit  der 
zwei  elektronegativen  Atome  Fluor.  Über  die  Ausdehnung  der 
Eesultate  auf  diese  komplizierteren  Fälle,  sowie  über  die  Ver- 
wertung der  ultraroten  Eigenschwingungen  vom  Standpunkte  der 
hier  gegebenen  Entwicklungen,  speziell  der  Formel  (34),  vgl. 
meine  oben  Anm.  2,  S.  378  zitierte  Arbeit. 

5.  Abhängigkeit  des  Breehungsindex  von  der  Dichte.  Nach 
Formel  (19)  S.  372  folgt 

n2  _  1  =  %J     ^'^'  - 

(35)  !-(?)'' 

d.  h.  es  müßte,  da  die  Ionen  bezw.  Elektronenzahl  9U  propoiüonal 
zur  Dichte  der  Substanz  ist,  n^—1  proportional  zur  Dichte  sein. 
Nach  der  strengeren,  in  §  2  vervollständigten  Theorie  fällt  dies 
Resultat  anders  aus,  denn  aus  Formel  (18')  S.  370  folgt  (bei  un- 
merklicher Absorption): 


1)  Das  Genauere  hierüber  vgl.  in  meinem  oben  Anm.  2  S.  378  zitierten 
Aufsatz. 

2)  Aach  bei  Fortsetzung  der  Dispersion  in  das  Gebiet  der  Beststrahlen 
hinein.    Vgl.  hierüber  J.  Koch,  Ann.  d.  Phys.  17,  S.  668,  1905. 


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Die  Dispersion  der  Körper. 


381 


w'-i  —  1  + 


%»i 


l-ii»l^l-J^2' 


daher 


n^  +  2  S      ..        r,   V 


(35') 


Nun  ist  nach  den  vorliegenden  Beobachtungen  weder  n^  —  i  ge- 
nau proportional  zur  Dichte,  noch  auch  n^  +  2  :  n^  —  1  genau  um- 
gekehrt proportional  zur  Dichte,  indes  ist  letztere  Relation  (35') 
viel  genauer  erfüllt  als  erstere  Relation  (35).  Dies  zeigt  sich  be- 
sonders beim  Wechsel  des  Aggregatzustandes,  wie  folgende  Ta- 
belle lehrt,  die  sich  auf  die  D-Linie  bezieht  {d  bezeichnet  die 
Dichte  der  Substanz): 


Dampf|FlÜ86igkeit|    Piff. 


Wasser 

Schwefelkohlenstoff 

Chloroform 


0,2068 
0,2898 
0,1796 


0,2061 
0,2805 
0,1790 


+0,0007 
+0,0093 
+0,0006 


Die  annähernde  Konstanz  des  Aggregates  (n^—  1  in^  +  2)  •  Vd 
zeigt  jedenfalls  die  Überlegenheit  der  strengeren  Theorie  des  §  2 
gegenüber  dem  einfacheren  Ansatz  des  §  1.  Daß  n^  —  1  :  w^  +  2 
nicht  genau  der  Dichte  proportional  ist,  mag  mindestens  teilweise 
seinen  Grund  darin  haben,  daß  nicht  nur  eine  Gattung  von 
schwingungsfähigen  Elektronen  mit  ultravioletten  Eigenschwin- 
gungen existiert,  sondern  daß  tatsächlich  bei  allen  drei  Substanzen 
auch  schwingungsfähige  Ionen  mit  ultraroten  Eigenschwingungen 
vorhanden  sind.  In  diesen  Fällen  gilt  aber  die  Formel  (35')  streng 
genommen  nicht  mehr,  wenigstens  wenn  man  nicht  den  Brechungs- 
index für  sehr  kleine  Wellenlängen  beobachtet,  so  daß  die  ultra- 
roten Eigenschwingungen  keinen  Einfluß  haben  (vgl.  dazu  die 
Bemerkung  oben  S.  370). 

6.  Anomale  Dispersion«  Normale  Dispersion  des  n^  tiitt 
allemal  ein,  wenn  man  die  Untersuchung  beschränkt  auf  ein  Ge- 
biet von  Schwingungsperioden  7;  welches  nicht  durch  eine  Eigen- 
schwingungsperiode des  Körpers  hindurchgeht    Sowie  aber  das 


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382 


Kapitel  V. 


letztere  eintritt,  muß  der  normale  Verlauf  des  n^  gestört  werden. 
Denn  aus  (19)  folgt,  daß  für  Perioden  T,  welche  kleiner  als  eine 
Eigenperiode  Th  ist,  für  welche  also  1  — (^ä/t)^  den  negativen 
Wert  —  C  hat,  w^  das  große  negative  Glied:  —**':?  enthält, 
während  für  T,  welche  größer  als  Th  sind,  1  —  (^A/r)^  den  positiven 
Wert  ^  annimmt,  daher  n^  das  positive  Glied  +  &h  :  ^  enthält 

Wenn  daher  rbestän- 
dig  wächst,  so  nimmt 
n^im  allgemeinen  ab, 
beim  Hindurchgehen 
durch  ein  Absorp- 
tionsgebiet aber  zu. 
Im  Absorptionsgebiet 
selbst  ist  die  Formel  (19) 
nicht  zu  gebrauchen,  viel- 
mehr ist  dann  n^  und  x 
aus  (18)  mit  Berücksich- 
tigung von  ah  zu  berech- 
nen. Jedenfalls  müssen 
die  Werte  von  n^  kontinuierlich  zusammenhängen.  Man  erhält 
daher  den  in  Figur  (102)  dargestellten  Verlauf  des  w^  und  des 
Absorptionsindex  x.  Letzterer  ist  bei  kleinem  ah  nur  in  unmittel- 
barer Nähe  von  Th  von  Null  verschieden,  aber  dann  auch  um  so 
bedeutender,  je  kleiner  an  ist*    Denn  aus  (18)  folgt  für  T=  Th: 


"*jr 


Fig.  102. 


(36) 


TV        2T% 
2n^x  =  ö = . 


Je  kleiner  also  ah,  d.  h.  n  ist,  um  so  schärfere  und  schmalere 
Absorptionsstreifen  besitzt  der  Körper,  während  bei  großem  ah 
die  Absorption  sich  über  größere  Gebiete  von  Wellenlängen  er- 
streckt, aber  mit  geringerer  Intensität. 

Der  in  Figur  (102)  angedeutete  Gang  der  anomalen  Dis- 
persion wird  nun  in  der  Tat  bei  Körpern  mit  auswählender  starker 
Absorption  (z.B.  Fuchsin)  gut  bestätigt. 0  Die  Gase  und  Metall- 
dämpfe zeichnen  sich  durch  sehr  schmale  und  intensive  Absorptions- 


1)  Vgl.  Ketteier,  theoret.  Optik,  Braunschweig,  1885,  S.  548ff.  — 
Eine  gut«  Bestätigung  der  Theorie  auch  im  Absorptionsgebiete  selbst  hat 
Pflüger  (Wied.  Ann.  65,  S.  173,  1898)  am  Cyanin  erhalten. 


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Die  Dispersion  der  Körper.  3g3 

streifen  aus.  Auch  in  der  Nähe  dieser  schmalen  Absorptionsstreifen 
tritt  anomale  Dispersion  des  n^  auf. 

Experimentell  kann  man  das  Vorhandensein  anomaler  Dis- 
persion am  einfachsten  dadurch  erkennen,  daß  ein  Prisma  des 
betreffenden  Körpers  von  einer  Lichtlinie  ein  Spektrum  entwirft, 
in  welchem  die  Farbenfolge  nicht  die  normale  ist  Die  Erschei- 
nung kann  aber  dadurch  kompliziert  werden,  daß  im  Spektrum  an 
mehreren  Stellen  zwei  Farben  aufeinander  fallen  können.  Daher 
ist  es  übersichtlicher,  wenn  man  die  Kundtsche  Methode  der 
gekreuzten  Prismen  anwendet  indem  ein  durch  ein  Glasprisma 
mit  vertikaler  brechender  Kante  entworfenes  normales,  sehr 
schmales,  horizontales  Spektrum  betrachtet  wird  durch  ein  Prisma 
der  zu  untersuchenden  Substanz  mit  horizontaler  brechender  Kante. 


Bot 
Gelb 

Blau 
Fig.  103. 

Es  entsteht  eine  Lichtlinie,  welche  bei  anormaler  Dispersion  von 
S  aus  Stücken  in  verschiedener  Höhe  besteht,  welche  durch  dunkle 
Stellen,  die  den  Absorptionsgebieten  entsprechen,  voneinander  ge- 
trennt sind. 

Ein  Übelstand  dieser  Prismenmethoden  ist  es,  daß  bei  starker 
Absorption  nur  Prismen  von  sehr  kleinem  brechendem  Winkel 
benutzt  werden  können.  Daher  ist  die  Methode  von  Mach  und 
Arbes*)  günstig,  welche  die  anomale  Dispersion  aus  der  Total- 
reflexion erschließt.  Eine  Fuchsinlösung  wird  in  den  horizontal 
liegenden  Glastrog  G  gefüllt,  und  auf  ihn  das  Flintglasprisma  P 
gesetzt.  Von  der  Lichtlinie  L,  die  in  einer  Vertikalebene  liegt, 
konzentriert  die  Sammellinse  «,  die  Lichtstrahlen  auf  der  Grenz- 
fläche Glas-Fuchsinlösung.  Die  Linse  s^  sammelt  die  reflektierten 
Strahlen  und  entwirft  ein  reelles  Bild  von  L  auf  dem  Schirm  S. 


1)  E.  Mach  und  J.  Arbes,  Wied.  Ann.  27,  S.  436,  1886. 


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384  Kapitel  V. 

Dieses  Bild  wird  aber  vorher  durch  ein  geeignet  gestelltes  Glas- 
prisma in  ein  Spektrum  verbreitert  Dasselbe  zeigt  dann  die  in 
der  Figur  dargestellte  Helligkeitsverteilung,  in  der  die  Kurve 
mnpq  der  Totalreflexion  zu  erkennen  ist  Das  Absetzen  dieser 
Kurve  zwischen  n  und  p  läßt  auf  einen  Blick  die  anomale  Dis- 
persion erkennen.  (Zwischen  n  und  p  liegt  ein  dunkler  Streifen, 
da  fftr  die  dort  liegenden  Farben  der  Brechungsindex  des  Flint- 
glases gleich  dem  der  Fuchsinlösung  ist,  sodaß  Oberhaupt  keine 
Reflexion  eintritt)  Direkt  im  Gebiete  maximaler  Absorption  kann 
man  allerdings  auch  nach  dieser  Methode  den  Brechungsindex 
nicht  immer  bestimmen,  denn  in  diesem  Gebiete  ist  oft  die  partielle 
Reflexion  wegen  der  hohen  Absorption  so  groß  (vgl  Metallreflexion), 
daß  die  partielle  Reflexion  kontinuierlich  in  die  Totalreflexion  über- 
geht, sodaß  keine  scharfe  Grenzkurve  auftritt  Man  kann  dann 
aber  n  und  x  aus  der  partiellen  Reflexion  wie  bei  den  Metallen 
bestimmen. 

Eine  glänzende  Bestätigung  der  hier  dargelegten  Anschauungen 
hat  sich  neuerdings^)  durch  die  Tatsache  ergeben,  daß  Quarz  für 
sehr  langwellige  Strahlen  {X  =  56  fi)  einen  viel  größeren  Brechungs- 
index besitzt  (n  =  2,18)  als  für  sichtbares  Licht  Die  Formel  (29) 
liefert  mit  Annahme  der  auf  S.  374  angegebenen  Konstantenwerte 
des  Quarzes  n  =  2,20.  Wenn  man  daher  die  Strahlen  eines  Auer- 
brenners  durch  ein  Quarzprisma  spektral  zerlegt,  so  findet  man 
jenseits  der  violetten  Seite  des  Spektrums  diese  langwelligen 
Strahlen,  welche  daher  so  in  einfacher  Weise  durch  Abbiendung 
von  den  andern  Strahlen  zu  isolieren  sind. 

Das  Gegenstück  zu  einem  sehr  schmalen  Absorptionsstreifen 
bietet  der  Fall,  daß  in  (18)  oder  in  (15)  nicht  oä,  sondern  h  oder 
TA  zu  vernachlässigen  ist,  daß  wir  uns  also  in  einem  Absorptions- 
gebiete befinden,  in  welchem  keine  Eigenschwingungen  liegen  (die- 
selben würden  vielmehr  erst  bei  viel  kleineren  Schwingungen  ein- 
treten).   Dann  wäre  nach  (18): 

(37)    «'('-*'>'-'  +  2;f^('-t)  +  27^.- 

Die  -T  über  den  Index  v  bezieht  sich  auf  die  im  Ultravioletten 
liegenden  Eigenschwingungen.    Nimmt  man  deren  Perioden  als 


1)  Rubens  u.  Aschkinaß,  Wied.  Ann.  67,  S.  459,  1899. 


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Die  Dispersion  der  Körper.  385 

sehr  klein  gegen  T  an,  so  wird  nach  (37),  falls  man  wiederum  in 
Übereinstimmung  mit  der  Bezeichnung  der  S.  375  -S  d^v  =  d^d  setzt: 

.„.(,_,^=,  +  *'+2^.    2n^=2^^»-     (38) 

Ist  nur  eine  lonengattung  h  vorhanden,  so  ergibt  sich,  daß 
n  mit  abnehmender  Periode  T  von  T  =  oo  an  zunächst  beständig 
abnimmt  und  die  Absorption,  welche  ein  sehr  breites  Gebiet  ein- 
nimmt, ein  Maximum  für  eine  gewisse  Periode  T  erreicht.  Diese 
Formeln  scheinen  bei  manchen  Substanzen  die  Dispersionserschei- 
nungen darzustellen,  die  man  im  Gebiete  der  durch  elektrische 
Vorgänge  erhaltenen  großen  Wellenlängen  von  2  =  oc  bis  zu 
etwa  2  =  1  cm  herab  beobachtet.  ^ 

7.  Die  Dispersion  der  Metalle.  Wenn  wir  Leiter  der  Elek- 
trizität in  den  Kreis  der  Betrachtungen  ziehen,  so  haben  wir  zu 
berücksichtigen,  daß  in  Leitern  Elektrizitätsmengen  unter  dem 
Einfluß  einer  konstanten  elektrischen  Kraft  fortdauernd  ver- 
schoben werden,  ohne  eine  bestimmte  Gleichgewichtslage  anzu- 
nehmen. Die  bei  den  Elektrolyten  benutzte  Vorstellung,  daß  die 
verschobenen  Elektrizitätsmengen  an  bestimmte  Massen  (Ionen) 
geknüpft  sind,  übertragen  wir  insofer^  auf  die  Metalle,  als  auch 
in  ihnen  die  Bewegung  der  Ionen  oder  Elektronen  so  erfolgt,  als 
ob  sie  träge  Masse  m  besäßen.  Dieselbe  kann  aber  auch  schein- 
bare Masse  sein,  indem  die  Trägheit  durch  die  Selbstinduktion 
veranlaßt  wird  (vgl.  oben  S.  371). 

Für  diese  (Leitungs-)  Ionen  muß  man  ihre  Konstante  d-  un- 
endlich groß  setzen,  da  nach  (2)  ^j  proportional  ist  der  Ver- 
schiebung der  Ionen  aus  der  ursprünglichen  Lage  unter  der  Ein- 
wirkung einer  konstanten  elektrischen  Kraft.  Die  Bewegungs- 
gleichung dieser  Ionen  entsteht  daher  aus  der  Gleichung  (1)  der 
S.  364,  wenn  man  dort  ^,  =  oo  setzt,  d.  h.  sie  ist: 

^S  =  «^Y-re^g,  (39) 

oder  wenn  man  nach  (5)  die  von  diesen  Ionen  hervorgerufene 
Strömung  Jx  =  eSÜ^  einführt: 


1)  Dies  habe  ich  näher  in  Wied.  Ann.  64,  S.  131,  1898  ausgeführt. 
Drade,  Lehrbach  d.  Optik.   2.  Aafl.  25 


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386  ,  Kapitel  V. 

Hierin  ist  m  die  (scheinbare  oder  wirkliche)  Masse  eines  Ions,  e 
die  Ladung  desselben,  91  die  Anzahl  der  Ionen  in  der  Volumenein- 
heit.  Aus  (40)  erkennt  man,  daß,  falls  zwei  Leitungs-Ionengattungen 
vorhanden  sind  (eine  positiv  und  eine  negativ  geladene  Gattung), 
deren  Reibungswiderstände  r^  und  r^  sind,  für  konstante  Ströme  die 
Beziehung  besteht 

wobei  0  die  nach  elektrostatischem  Maß  gemessene  spezifische 
elektrische  Leitfähigkeit  des  Körpers  ist  (vgl  S.  339). 

Für  periodische  Änderungen  wird  nach  (40),  da  ^Y=  —  ix  -tt  ist, 


d^ 


r\  .    hX 

'   —  *r   


9i/  ~  ~  *^  ht 


•^^  [V  ~e^H  '^  fi 
oder 

(42)  ^^^-^^^  [^^^^ir\ 

Durch  derartige  Zusatzglieder  ist  die  frühere  Formel  (14)  der 
S.  367  zu  erweitern,  sodaß,  wenn  man  zur  Abkürzung  setzt 

(43)  m  :  e^  s=»  m 

die  resultierende  komplexe  Dielektrizitätskonstante  e   die  Gestalt 
annimmt: 

(44)  '  ^  ^  "^  ?  7^.t*     hH  +  ^  ^  ^  2-^  • 

^     ^  h     l-\-t s-  ktr 

TT'  T 

Nimmt  man  an,  daß  die  Schwingungen  weit  von  den  Eigen- 
schwingungen der  lonengattungen  h  entfernt  seien,  sodaß  oh  zu 
vernachlässigen  ist,  so  entsteht  aus  (44),  da  b  =n^  {i  —  ix)^  ist, 
durch  Trennung  des  Reellen  und  Imaginären: 

(45)    "'('-'■'-'  + 2 -1'^.-^-2,T%- 

1)  Hier  bezeichnet  X  wie  soDst  die  mittlere  Feldstärke  im  Äther  zwischen 
den  Ionen.  Ob  streng  genommen  die  erregende  Kraft  der  Leitungsionen 
auch  noch  modifiziert  wird  durch  die  Verschiebung  der  gebundenen  Elektronen, 
mag  unerörtert  bleiben.  Es  würde  dadurch  das  Dispersionsgesetz  für  die 
Metalle  modifiziert  werden,  der  wesentliche  Inhalt  dieses  Paragraphen  aber 
bestehen  bleiben. 


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Die  Dispersion  der  Körper.  337 


nhc  =  2:tT^ 


'■+(")' 


(46) 


Hieraus  ist  ersichtlich,  daß  bei  Metallen  wohl  x  >  1  sein  kann, 
da  die  rechte  Seite  von  (45)  nicht  nur  wegen  des  zweiten  Termes, 
sondern  besonders  auch  wegen  des  dritten  Teimes,  der  mit  der 
Masse  m  der  Leitungs-Ionen  proportional  ist,  negativ  werden  kann. 
Dies  wird  bei  bestimmten  m  und  r  um  so  eher  eintreten,  je  kleiner 
r,  d.  h.  je  größer  die  spezifische  Leitfähigkeit  ist.  Ferner  ist  durch 
die  Gleichung  (46)  der  zweite  Widerspruch  erklärt,  der  oben  auf 
S.  348  konstatiert  wurde,  daß  nämlich  bei  den  Metallen  nhc  kleiner 
als  öT  ist.  Setzt  man  nämlich  w'  =  0  (oder  r  =  oc),  so  ergibt  (46) 
tatsächlich  [mit  Rücksicht  auf  (41)]  die  von  der  ursprünglichen 
Maxwellschen  Theorie  geforderte  Beziehung 

sobald  aber  ^'1%  nicht  vernachlässigt  wird  gegen  r  (und  gerade  bei 
schnellen  Perioden  [r  klein]  und  großer  Leitfähigkeit  [r  klein]  wird 
dies  nicht  gestattet  sein),  so  ergibt  sich  nach  (46)  n^x  <  oT.  *) 

Noch  allgemeinere  Formeln  als  (45)  und  (46)  könnte  man  durch 
Hinzuziehung  der  in  (38)  gebildeten  Ausdrücke  erhalten,  was  der 
Annahme  entspräche,  daß  außer  den  eigentlichen  Leitungs-Ionen 
noch  leitende  Bestandteile  vorhanden  wären,  welche  aber  unter 
Wirkung  einer  konstanten  elektrischen  Kraft  nur  um  einen  end- 
lichen Betrag  aus  ihrer  ursprünglichen  Lage  verschoben  werden 
(sogenannte  innere  Leitfähigkeit,  wie  man  sie  durch  Leiter,  welche 
in  einem  Isolator  eingebettet  sind,  im  Groben  nachahmen  kann). 
Ob  diese  erweiterte  Annahme  notwendig  ist,  könnte  erst  eine  weit 
vollständigere  Untersuchung  der  Dispersion  der  Metalle  ergeben, 
als  sie  bisher  ermöglicht  worden  ist. 

Die  Formeln  (45)  und  (46)  geben  auch  Aufschluß  darüber,  daß 
nur  bei  so  guten  Leitern,  wie  sie  die  Metalle  sind,  Lichtabsorption 
durch  die  elektrische  Leitfähigkeit  hervorgerufen  wird,  während 
bei  den  besten  elektrolytischen  Leitern  die  Leitfähigkeit  noch  immer 
so  gering  ist,  daß  sie,  wie  es  auch  die  Beobachtung  bestätigt,  sehr 
gut  durchsichtig  sein  können,  z.  ß.  ist  bei  bestleitender  Schwefel- 


1)  Betreffs  weiterer  AasfÜhrung  und  Berechnung  der  Eiektronenanzahl 
vgL  meinen  Aufsatz  in  der  phys.  Zeitsch.  S.  161,  Jan.  1900,  und  in  Ann.  d. 
Phys.  14,  S.  936,  1904. 

25^ 


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388  Kapitel  V. 

säure  oder  Salpetersäure  die  spezifische  elektrische  Leitfähigkeit 
etwa  7  •  10""*  mal  so  groß,  als  beim  Quecksilber.  Da  bei  letz- 
terem (vgl.  oben  S.  339)  ö=  10^*  ist,  so  wäre  also  bei  den  best- 
leitenden  Elektolyten  0  =  7-  10  *\  Nun  ist  aber  für  Licht- 
schwingungen etwa  r=2  •  10""^*,  daher  ist  oT=li  -  10-^ 
=  0,0014.  Nach  Formel  (41)  ist  aber  nhc  stets  kleiner,  jedenfalls 
nie  größer  als  oT.  Daher  ist  x,  d.  h.  die  Lichtabsorption,  sehr 
gering,  wenigstens  die  durch  die  Leitfähigkeit  bedingte. 


Kapitel  Tl. 

Natürlich-aktive  Körper. 

1.  Allgemeine  Grundlage.  Wenn  ein  linear  polarisierter 
Lichtstrahl  senkrecht  auf  eine  planparallele  Glasplatte  fällt,  so  hat 
die  Polarisationsebene  des  austretenden  Strahles  dieselbe  Lage, 
wie  die  des  eintretenden.  In  derselben  Weise  verhalten  sich  im 
allgemeinen  alle  Körper,  auch  Kristallplatten,  welche  senkrecht 
zu  einer  optischen  Achse  geschnitten  sind. 

Indes  gibt  es  eklatante  Ausnahmen  von  dieser  Regel  bei  den 
sogenannten  nattirlich^)-aktiven  Körpern:  So  z.  B.  dreht  eine 
senkrecht  zur  optischen  Achse  geschnittene  Quarzplatte  die  Polari- 
sationsebene sehr  bedeutend,  und  sogar  in  Zuckerlösungen  ist  diese 
Drehung  leicht  nachweisbar.  Letzteres  Resultat  ist  um  so  auf- 
fallender, als  man  eine  Lösung  als  einen  völlig  isotropen  Körper 
anzusehen  geneigt  ist,  während  die  besprochene  Erscheinung  ent- 
schieden gegen  die  Isotropie  des  Körpers  spricht.  Denn  bei  voll- 
kommener Isotropie  könnte  aus  Symmetrierttcksichten  eine  Ab- 


1)  Dieser  Zusatz  dient  zur  UnterscheiduDg  von  den  später  zu  besprechen- 
den magnetisch-aktiven  Körpern. 


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Natürlich-aktive  Körper.  389 

lenkung  der  Polarisationsebene  des  einfallenden  Lichtes  in  irgend 
einem  bestimmten  Sinne  nicht  möglich  sein. 

Diese  Erscheinung  spricht  also  dafür,  daß  die  Zuckerlösung  in 
optischer  Hinsicht  keine  einzige  Symmetrieebene  besitzt,  da  sonst, 
wenn  z.  B.  die  Polarisationsebene  des  einfallenden  Lichtes  mit  ihr 
Zusammenfiele,  keine  Drehung  derselben  stattfinden  könnte.  Der 
Natur  der  Lösung  entspricht  es  aber,  daß  sie  sich  in  allen  Rich- 
tungen gleich  verhält.  Es  läßt  sich  hiemach  die  Gestalt  der 
Differentialgleichungen,  welche  die  optischen  Vorgänge  in  einer 
Zuckerlösung  beschreiben  können,  dahin  charakterisieren,  daß  die- 
selbe ungeändert  bleiben  muß  bei  einer  beliebigen  Drehung  des 
ganzen  Koordinatensystems,  daß  dagegen  die  Gestalt  der  Differen- 
tialgleichungen sich  ändern  muß,  wenn  nur  eine  der  Koordinaten- 
achsen in  die  entgegengesetzte  Richtung  gelegt  wird,  d.  h.  wenn 
z.  B.  X  und  y  unverändert  bleiben,  während  x  mit  —  x  vertauscht 
wird.  Körper,  für  welche  Differentialgleichungen  dieser  Gestalt 
gelten,  heißen  dissymmetrisch-isotrope. 

Dagegen  nennt  man  einen  Kristall,  der,  wie  Quarz,  keine  op- 
tische Symmetrieebene  besitzt,  einen  dissymmetrisch-kristal- 
linischen Körper. 

2.  Isotrope  Körper.  Bei  einer  Lösung  kann  eine  ünsymmetrie 
nur  in  der  Gestaltung  des  Moleküls  selbst  liegen,  nicht  in  der 
gegenseitigen  Anordnung  der  Moleküle,  und  in  der  Tat  haben 
le  Bei  und  van't  Hoff  das  Drehungs vermögen  direkt  mit  der 
chemischen  Konstitutionsformel  in  Verbindung  setzen  können.  — 
Bei  einem  festen  Körper  kann  die  Dissymmetrie  in  der  gegen- 
seitigen Anordnung  der  Moleküle  liegen. 

Eine  Erweiterung  unserer  bisherigen  Theorie  versuchen  wir  in 
den  Gleichu  ngen  (1)  auf  S.  364  des  vorigen  Kapitels  ^\  während  wir 
an  den  sogenannten  Grundgleichungen  der  Maxwellschen  Theorie 
(S.  251  u.  253)  nach  wie  vor  festhalten. 

Die  dissymmetrische  Konstitution  eines  Körpers  ist  nun  nur 
dadurch  zu  erkennen,  daß  man  die  Eigenschaften  an  einer  Stelle 
mit  denen  einer  benachbarten  Stelle  vergleicht;  ein  genau  punkt- 
förmiges Gebilde  kann  keine  dissymmetrische  Eigenschaften  haben, 
diese   können  immer   erst   bei   räumlich   ausgedehnten  Gebilden 


1)  Von  einer  VervoUstandigung  dieser  Gleichungen  entsprechend  der 
Gleichung  (1')  S.  370  woUen  wir  hier  absehen,  da  dies  für  den  vorüegenden 
Zweck  nicht  wesentlich  ist. 


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390  Kapitel  VI. 

hervortreten.  Die  notwendige  Erweiterung  unserer  früheren  An- 
schauungen über  die  lonenbeweglichkeit  muß  also  darin  bestehen, 
daß  wir  die  Verschiebung  g  eines  Ions  nicht  nur  von  der  elek- 
trischen Kraft  X  an  der  Stelle  des  Ions  als  abhängig  betrachten, 
sondern  auch  von  den  elektrischen  Kraftkomponenten  der  unmittel- 
bar benachbarten  Stellen.  Mathematisch  drückt  sich  diese  Idee 
dadurch  aus,  daß  in  der  Gleichung  (1)  der,  S.  364  oder  der  Glei- 
chung (2)  außer  A'  auch  noch  die  Differentialquotienten  von  X,  F, 
Z  nach  den  Koordinaten  vorkommen  müssen.  Berücksichtigt  man 
nun  die  Bedingung  der  Isotropie,  d.h.  daß*  keine  Koordinaten- 
richtung vor  der  anderen  ausgezeichnet  ist,  so  bleibt  als  mögliche 
Erweiterung  von  (2)  im  vorigen  Kapitel  nur: 

zu  welcher  Gleichung  sich  zwei  analoge  zuordnen,  die  man  durch 
zyklische  Vertauschung  der  Buchstaben  aus  (1)  ableiten  kann.    In 

(1)  könnte  wegen  der  Isotropie  auch  noch  das  Glied  ^  auftreten. 

Dieses  muß  aber  deshalb  verschwinden,  weil  sonst 


e 


\bx  "^  öy  "•"  öxl  "^  Öx2  "T"  by2  "T  ^2 


wäre,  d.  h.  es  könnte  eine  Anhäufung  freier  Ladung  entstehen,  da 
die  rechte  Seite  im  allgemeinen,  z.  B.  bei  Lichtschwingungen,  nicht 
verschwindet 

Wir  würden   ein  dissymmetrisch -isotropes  Medium  erhalten, 
wenn  die  Moleküle  einer  Lösung  alle  dieselben  unregelmäßigen 
Tetraeder  sind,  während  die  Tetraeder,  welche  zu  ihnen  spiegel- 
bildlich gleich  sind,  nicht  vorhanden  oder 
mindestens  kleiner  an  Zahl  sind.  —  Eine 
direkte  Versinnlichung  der  Gleichung  (1)  er- 
hält man,  wenn  man  annimmt,  daß  in  jedem 
y^  y^  >,^  Molekül    mehrere    miteinander    gekoppelte 

ydimtenj         loneu   (Elektroueu)  vorhanden  sind,    deren 
Bahnen  unter  dem  Einfluß  der  Molekular- 


Fig.  104.  sti-uktur  nicht  kurze  gerade  Linien,  sondern 

kurze,  in  einem  Sinne  gewundene  Schrauben- 
linien sind.  Die  Achsen  dieser  Schraubenlinien  sind  regellos  im 
Räume  verschieden  gerichtet.  Betrachten  wir  z.  B.  eine  rechts 
gewundene  Schraubenbahn  (vgl.  Figur  104),  deren  Achse  parallel 
zur  ir-Achse  geht.    Die  Komponente  X  treibt  das  geladene  Ion 


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Natürlich-aktive  Körper.  391 

beständig  nach  rechts,  ein  positives  Y  treibt  aber  das  Ion  auf  der 
Oberseite  der  Schraube  nach  links,  ein  auf  der  Unterseite  mit  ihm 
gekoppeltes  Ion  aber  nach  rechts.  Es  resultiert  daher  eine  Wirkung 

nach  rechts,  welche  proportional  zu  —  ^  ist,  da  es  auf  den  Unter- 
schied der  Y  oben  und  unten  ankommi  Ebenfalls  treibt  ein  posi- 
tives Z  das  Ion  auf  der  Vorderseite  der  Schraube  nach  links,  ein 
mit  ihm  gekoppeltes  Ion  auf  der  Hinterseite  nach  rechts.    Der 

resultierende  Effekt  nach  rechts  ist  proportional  zu  4-^.  Es  ent- 
steht daher  der  Ansatz  (1),  wobei  f"  negativ  sein  würde  bei  rechts 
gewundenen  lonenbahnen  und  wenn  das  Koordinatensystem  in  der 
der  Figur  104  entsprechenden  Weise  gewählt  wird. 

Nach  dem  Ansatz  (1)  ist  die  frühere  Gleichung  (1)  der  S.  364 
zu  erweitern  in 


m 


Für  periodische  Veränderlichkeit  mit  der  Zeit  entsteht,  falls  wir 
die  Strömung  {jx)i  =  e^l^  einfuhren: 


(3) 


wobei 


Wir  wollen  im  folgenden  «/r  vernachlässigen,  was  gestattet 
ist,  wenn  die  Lichtschwingungen  nicht  nahe  zusammenfallen  mit 
der  Eigenperiode  einer  lonengattung.  Die  ganze,  von  allen  lonen- 
gattungen  und  vom  Äther  herrührende  Strömung  ist  dann 

wobei 

9h  "Hh 


e  =  i  +  H 


f^S 


(6) 


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392  Kapitel  VI. 

Die  Grundgleichungen  (7)  der  S.  251  werden  daher: 

0)         U{^y+f[^-'i])=u-t 


1   ö 


7^M+/- 


ll  =^  M ^ 

5x  y        öx        öy  * 


An  den  Grundgleichungen  (11)  der  Seite  253  halten  wir,  wie 
stets,  auch  hier  fest.  Beim  Ansatz  dieser  Gleichungen  ist  aber  zu 
berücksichtigen,  daß  hier  die  magnetische  Stromdichte  sx  nicht  wie 
sonst  durch  die  Formeln  4jt  sx  =  ö«/d<  bestimmt  wird,  sondern  es 
kommt  noch  ein  Anteil  hinzu.  Denn  wenn  sich  die  Elektronen 
nach  der  a:-Achse  bewegen,  so  tritt  zugleich  wegen  der  Schrauben- 
gestalt ihrer  Bahn  eine  Rotation  derselben  um  die  rr-Achse  ein, 
d.  h.  es  entsteht  ein  Stromsolenoid,  welches  magnetische  Kraft- 
linien parallel  zur  Achse  erzeugt.  Diese  so  erzeugte  Kraftlinien- 
zahl Nx  muß  offenbar  proportional  zu  e  K  ^Sjbt  sein,  d.  h.  man  kann 
setzen: 

^^  c     ^^^  dt' 

wobei  der  Faktor  ^jc  zugefügt  ist,  weil  e  elektrostatisch  definiert 
ist,  und  die  Kraftlinienanzahl  Kx  von  der  elektromagnetisch  ge- 
messenen Stromstärke  im  Solenoid  in  einfacher  Weise  abhängt. 
Der  Faktor  /  muß  nun  proportional  zu  der  durch  (1)  definierten 
Konstanten  /"'  sein,  denn  beide  werden  lediglich  durch  die  Schrauben- 
struktur der  Elektronenbahnen  bestimmt.  Es  läßt  sich  leicht 
zeigen,  daß  /  =  —  /^  ist. ')  Daher  nehmen  die  Grundgleichungen 
(11)  hier  die  Gestalt  an  (weil  4jr,sx  gleich  der  Änderung  der  ge- 
samten Kraftlinienzahl  ist): 


1)  Dies  folgt  sowohl  bei  Verfolgung  des  hier  gegebenen  speziellen  Bildes 
von  der  Schraubenstruktur  der  Elektronenbahnen  (vgl.  dazu  P.Drude,  Gott. 
Nachr.  1904,  Heft  1.  —  Winkebnanns  Hdb.  d.  Phys.  IL  Aufl.  Optik.  S.  1341), 
als  auch  ohne  spezielles  Bild  aus  der  allgemeinen  Forderung,  daß  die  Glei- 
chungen dem  Energieprinzip  genügen  sollen  (vgl.  dazu  W.  Voigt,  Wied. 
Ann.  69,  S.  307;  1899.  —  Gott.  Nachr,  1903,  S.  155.)  —  Auf  den  Nachweis 
der  Beziehung  zwischen  g'  und  f  ist  hier  verzichtet,  da  sie  für  die  hier  an- 
gestellten Betrachtungen  gleichgültig  ist. 


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Natürlich-aktive  Körper.  393 

In  dem  mit  g   multiplizierten  Glied  kann  nun  für  e  ?l  jf  der 
aus  (3)  folgende  Näherungswert  (es  ist  <^\x  vernachlässigt); 


4n 


('-.y 


eingesetzt  werden,  wenn  man  die  Glieder  vernachlässigt,  welche 
die  Aktivitätskonstanten  f  oder  g  in  höherer,  als  erster  Potenz  ent- 
halten. Dieses  ist  bei  der  Kleinheit  dieser  Konstanten  in  der  Tat 
stets  gestattet.    Dadurch  nimmt  die  Gleichung  (8)  die  Form  an: 

^  öa       _9J3_  ö^  ^  ör  _  ÖZ 
Setzt  man  nun  zur  Abkürzung: 

XJ  ^h  g'h  "^h 

wobei  sich  die  Summe  2  und  der  Index  h  auf  den  allgemeineren 
Fall  bezieht,  daß  mehrere  Elektronen-Gattungen  vorhanden  sind, 
welche  sich  in  Schraubenbahnen  bewegen,  so  werden  die  Glei- 
chungen (8): 

J  da        p  ^  =  ^_  M 
0   ö<     '    c2   W^        bn,        hj  ' 

c  0/  "^  c2  d/2         ö.r         hx  '  ^^^ 

c   ö^     ""  c2    0^2  5^         ö:r 

Als  Grenzbedingungen  beim  Übergang  des  Lichtes  über  die 
Grenze  zweier  verschiedener  Körper  ergibt  sich  nach  denselben 
Überlegungen,  wie  sie  oben  S.  257  angestellt  sind,  Stetigkeit  der 
der  Grenze  parallelen  elektrischen  und  magnetischen  Kraftkompo- 
nenten. 

Wir  haben  damit  eine  vollständige  Theorie  der  Lichterschei- 
nungen in  natürlich  aktiven  Körpern  gewonnen. 

Aus  den  Gleichungen  (7)  folgt,  daß 


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394  Kapitel  VI. 

ist    Aus  den  Gleichungen  (7)  und  (9)  erhält  man  daher  durch 
Elimination  von  «,  ft  /  analog  wie  oben  S.  261: 

^.S(«-v+(f-»)|l'-|fl)-^-^- 

Berücksichtigt  man  nun  die  Beziehung  g  ^  —  f,  d.  h.  ^  =  —  /; 
so  wird: 

(10)  i^^^^(,x^2ff^-f^^äX. 

Gleichungen  derselben  Form  genügen  F,  Z,  a,  ft  7. 
3.  Die  Drehung  der  Polarisationsebene.  Pflanzen  sich  ebene 
Wellen  nach  der  ;:;- Achse  fort,  so  ist  zu  setzen: 


i 


-{t—pz)  --(t—pz) 

(U)  X=Me  ,     Y=Ne  ,     Z=0. 

p  bedeutet  die  reziproke  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  der  Welle. 
Setzt  man  die  Werte  (11)  in  (10)  ein,  so  erhält  man  die  Beziehungen: 

e2V—^2fpN=Mp'^c^, 

sN+  ^2fpM=Np^c^. 


Diesen  Gleichungen  kann  man  durch  zwei  Wertsysteme  genügen, 
nämlich  durch 

(12)  e—p^c^  =  2^,     M=iN, 
und 

(13)  8—p^c^  =  —2^,    M=  —  iN. 

Es  ergibt  sich  also  hier  das  eigentümliche  Resultat,  daß  zwei 
Wellen  mit  verschiedenem  p,  d.  h.  auch  mit  verschiedenen  Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeiten existieren.  Ferner  haben  die  Wellen 
imaginäre  y- Amplituden,  wenn  sie  reelle  x-Amplituden  besitzen. 

Um  die  physikalische  Bedeutung  hiervon  zu  erkennen,  ist  zu 
berücksichtigen,  daß  die  eigentliche  physikalische  Bedeutung  von 
X  und  Y  erhalten  wird,  wenn  auf  der  rechten  Seite  von  (11)  nur 
der  reelle  Teil  genommen  wird.    Es  folgt  daher 

für  iN=  M: 

(14)  X=Mcosj  {t  —  pz),      Y=  Msin^{t—px), 


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Natürlich-aktive  Körper.  395 

für  iN=  —  M: 

X=Mco8j{t—px),  Y=  —  Msin^{t—px).         (15) 

Diese  Gleichungen  stellen  zirkulär  polarisierte  Wellen 
dar,  und  zwar  ist,  da  bei  unserer  oben  S.  250  festgesetzten  Lage 
des  JKoordinatensystems  die  a;- Achse  nach  rechts,  die  y-Achse  nach 
oben  geht,  wenn  man  der  %- Achse  entgegensieht,  die  erste  Welle 
links  zirkulär  polarisiert,  da  sie  eine  dem  Uhrzeiger  entgegen- 
gerichtete Drehung  darstellt;  die  zweite  Welle  ist  rechts-zirkular- 
polarisiert  (Definition  vgl.  oben  S.  237). 

Diese  beiden  Wellen  haben  nun  also  verschiedene  Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeiten F,  und  zwar  ist  nach  (12)  für  die 
erste  Welle: 

für  die  zweite  Welle  nach  (13): 

^"  =  F'  =  +  Ä+7KÄ  +  -  (1^ 

Es  ergibt  sich  hiernach  das  Resultat,  daß  der  Brechungs- 
exponent für  rechts-  und  links-zirkularpolarisiertes  Licht  in  aktiven 
Körpern  etwas  verschieden  sein  muß,  und  daß  ein  natürlicher 
Lichtstrahl  bei  schiefer  Inzidenz  in  zwei  räumlich  getrennte 
Strahlen  zerlegt  wird,  von  denen  der  eine  rechts-,  der  andere 
links-zirkularpolarisiert  ist.  Diese  Folgerungen  der  Theorie  hat  in 
der  Tat  v.  Fleischig  an  Zuckerlösungen  und  anderen  Flüssig- 
keiten experimentell  nachweisen  können. 

Der  Effekt  der  Superposition  zweier  sich  mit  den  Geschwindig- 
keiten V'  und  F"  fortpflanzenden  rechts-  und  links-zirkularpolari- 
sierten  Wellen  ist 

An  einer  bestimmten  Stelle,  d.  h.  för  ein  bestimmtes  x,  besteht 


p^p  (18) 


1)  E.  V.  Fleisch  1,  Wied.  Ann.  24,  S.  127,  1885.  —  Leichter  gelingt  ea, 
die  zirkuläre  Doppelbrechung  für  Quarz  in  Bichtung  der  optischen  Achse  nach- 
zuweisen.   Bei  Quarz  ist  die  Konstante  f  viel  größer  als  in  Flüssigkeiten. 


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396  Kapitel  VI. 

daher  eine  linearpolarisierte  Lichterregung,  da  nach  (18)  X  und  Y 
von  gleicher  Phase  sind.  Die  Lage  der  Polarisationsebene  zur 
ic- Achse  bestimmt  sich  aus 

y  :  X  —  ig  -  — ^ —  ^  > 

d.  h.  diese  Lage  wechselt  mit  x.  Die  Polarisationsebene  dreht  sich 
also  um  die  Fortpflanzungsrichtung  des  Lichtes  gleichmäßig  herum, 
und  zwar  auf  der  Strecke  x  um  den  Winkel: 

(19)  rf=i?:^=-4^_4^2X,, 

falls  Xo  =  Tc  die  Wellenlänge  der  betreffenden  Lichtsorte  im 
Vakuum  bezeichnet.  Da  pc  den  Brechungsindex  n  des  Körpers 
gegen  das  Vakuum  bedeutet,  so  ist 

(19)  (J  =  -_^_  =  ^-(n    -n), 

falls  n"  und  n  den  Brechungsindex  des  Körpers  für  eine  rechts- 
und  eine  links-zirkularpolarisierte  Welle  bedeuten.  Nach  (19)  und 
(19')  gilt  also: 

(19")  4jt  £  =  n    —  n. 

Wenn  also  linear  polarisiertes  Licht  senkrecht  auf  eine  Platte 
der  Dicke  %  eines  aktiven  Körpers  fällt,  so  ist  die  Polarisations- 
ebene nach  dem  Austritt  aus  der  Platte  um  den  Winkel  ö  gedreht. 
Je  nach  dem  Vorzeichen  von  f  kann  der  Drehungswinkel  d  in  ver- 
schiedenem Sinne  stattfinden.  Aus  d  berechnet  sich  n'—n  nach  (19'). 

Um  diese  Drehung  bequem  und  scharf  zu  beobachten,  sind 
besondere  Apparate  konstruiert  worden.  0  Die  sogenannten  Halb- 
schattenapparate beruhen  auf  der  Benutzung  eines  zweifach  ge- 
teilten Gesichtsfeldes,  dessen  Teile  schwach  gegeneinander  ge- 
neigte Polarisationsebenen  besitzen.  Aber  schon  bei  Anwendung 
zweier  einfacher  Nicoischer  Prismen  als  Polarisator  und  Analy- 
sator kann  man  bei  genügend  intensiver,  homogener  Beleuchtung 


1)  Betreffs  der  genaueren  Beschreibung  dieser  Apparate  sei  verwiesen  auf 
Landoltf  Das  optische  Drehungsvermögen  organischer  Substanzen.  Braun- 
schweig, 2.  Aufl.  —  Müller-Pouillet  (Lummer),  Optik,  S.  lieöflEl  —  Die 
Beobachtung  der  Drehung  der  Poiarisationsebene  wird  zur  quantitativen  Zucker- 
bestimmung praktisch  verwertet. 


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Natürlich-aktive  Körper.  397 

die  Lage  der  Polarisationsebene  bei  wiederholten  Ablesungen  auf 
drei  Bogensekunden  genau  bestimmen,  wenn  man  als  Einstellnngs- 
kriterium  den  sogenannten  Landoltschen  Streifen  benutzt  Weil 
nämlich  bei  Anwendung  Nicol scher  Prismen  das  Gesichtsfeld  nie 
genau  homogen  überall  polarisiert  ist,  so  ist  bei  gekreuzten  Nicols 
nicht  das  ganze  Gesichtsfeld  völlig  dunkel,  sondern  es  zieht  sich 
ein  schwarzer,  gekrümmter  Streifen,  auf  den  Landolt  zuerst  auf- 
merksam gemacht  hat,  durch  das  Gesichtsfeld.  Die  Lage  dieses 
Streifens  wechselt  nun  sehr  schnell,  wenn  die  Polarisationsebene 
des  in  den  Analysator  einfallenden  Lichtes  sich  verändert.  ^ 

4.  Kristalle.  Um  zu  einem  Ansatz  für  Kristalle  zu  gelangen, 
muß  man  berücksichtigen,  daß  die  in  den  Gleichungen  (1)  (S.  364) 
der  Dispersionstheorie  auftretenden  Konstanten  ^1,  r^  von  der 
Koordinatenrichtung  abhängen.  Auch  die  in  diesem  Kapitel  an- 
gebrachten Zusatzglieder,  welche  der  optischen  Aktivität  ent- 
sprechen, können  in  einem  Kristall  eine  viel  allgemeinere  Gestalt 
besitzen,  als  sie  im  Ansatz  (1)  der  S.  390  enthalten  ist.^  Jedoch 
wollen  wir  der  Einfachheit  halber  die  Annahme  machen,  daß  hin- 
sichtlich dieser  aktiven  Zusatzglieder  der  Kristall  wie  ein  dis- 
symmetrisch-isotroper Körper  behandelt  werden  soll.  Diese  An- 
nahme ist  zwar  nicht  ganz  streng,  wie  besonders  durch  die  Unter- 
suchungen von  Voigt  und  Pocklington  (vgl.  weiter  unten)  her- 
vorgeht, aus  denen  die  Existenz  mehrerer  Aktivitätskonstanten 
für  Kristalle  notwendig  folgt,  indes  ist  die  Annäherung  im  all- 
gemeinen genügend,  da  die  Koeffizienten  f  der  aktiven  Zusatz- 
glieder bei  allen  tatsächlich  vorliegenden  Körpern  überhaupt  nur 
so  klein  sind,  daß  die  durch  die  Kristallstruktur  bewirkte  Ver- 
änderlichkeit der  f  mit  der  Richtung  (abgesehen  von  einigen  be- 
sonderen Fällen,  vgl.  unten)  zu  vernachlässigen  ist. 

Wählt  man  als  Koordinatenachsen  diejenigen  Richtungen,  welche 
die  optischen  Symmetrieachsen  des  Kristalls  sein  würden,  falls  der- 
selbe keine  optische  Aktivität  besäße,  so  würden  sich  unsere  Glei- 
chungen (10)  erweitem  in^): 


1)  Vgl.  hierüber  F.  Lippich,  Wien.     Ber.    (2)  85,   S.   268,  1892.  — 
Müller-Poaillet  (Lummer),  Optik,  S.  1115. 

2)  Dies  hat  W.  Voigt  (Gott  Nachr.  1904,  S.  155.  —  Ann.  d.  Phys.  18, 
S.  645,  1905)  theoretisch  und  experimenteU  durchgeführt. 

3)  Es  ist  C  für  c  geschrieben. 


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398  Kapitel  VI. 

wobei  ist: 

(22)  ^==-^737^2- 

Hierin  bezeichnen  d-h'Slh,  d-h"  5Ra,  ^ä'"  5Ra  die  drei  verschiedenen 
Dielektrizitätskonstanten  der  ä*««^  lonengattung  nach  den  drei 
Koordinatenrichtungen;  t//,  ta",  ta'"  sind  proportional  zu  den  drei 
Schwingungsdauern  nach  den  drei  Achsen;  in  (22)  bezeichnen  &h,  th 
Mittelwerte  von  d-h\  ^ä",  *a'"  bzw.  ta',  ta",  ta'". 

Setzt  man  zur  Integration  analog  wie  oben  auf  S.  350 

(23)  u=s,X=Me^^^    v  =  s^Y=Ne^^,    w^e^Z^Ue^, 

(24)  ^  =  ^(,«^?^±^±^), 

wobei  man  w,  v,  w  als  Komponenten  des  Lichtvektors  interpretieren 
kann,  so  folgte  aus  (20),  wenn  man  zur  Abkürzung  setzt: 

(25)  C'i:ai  =  a2,     C'^:B^  =  h\     C^:s^=c\ 

wobei  £  ein  Mittelwert  von  e^,  €2»  %  bedeutet,  das  Gesetz  für  die 
Geschwindigkeit  V  als  Funktion  der  Eichtung  m,  n,  p  der  Wellen- 
normale in  der  Form: 

^  m2  (F2  — 62)  (F2  — c2)  +  n2  (T-^-c^)  (F^-a^) 

^^  ^  +  i?2  (F2_a2)  (F2  — 62)  =  ^2. 


1)  Dies  ist  näher  ausgeführt  in  Winkel manns  Hdb.  d.  Phys.  Optik, 
2.  Aufl.,  S.  1345  fr.  —  Die  Normalenfläche  und  Strahlenfläche  aktiver  KristaUe 
ist  näher  diskutiert  von  O.  Weder,  Die  Lichtbewegung  in  zweiachsigen  ak- 
tiven Kristallen,  Dissertation,  Leipzig  1896.  —  Ztschr.  f.  Kristallogr.  1896. 
Vgl.  auch  F.  Pockels,  Lehrb.  d.  Krist.  Optik,  Leipz.  u.  Berlin,  1906,  S.322ff. 


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Natürlich  aktive    Körper.  399 

Durch  Einführung  der  Winkel  g^  und  ^2»  welche  die  Wellen- 
normale mit  den  optischen  Achsen  bildet,  ergibt  sich  analog  wie 
oben  S.  307: 

2  V^  =  a^  +  c^  +  (a^  —  c^  cosg^  coag^ 

2  7^2  ==aM-_c2  +  (a2  — (.2)  cosg^  cosg^  ^    ^ 

_  y"(a2  _  ^2)2  ^-^2  g^  ^^1  g^  +  4^2^ 

Man  erkennt  hieraus,  daß  in  keiner  Richtung,  auch  nicht  für 
die  Richtung  einer  optischen  Achse,  die  beiden  Geschwindigkeiten 
Fj  und  V2  identisch  werden. 

Eine  in  einen  aktiven  Kristall  eindringende  Welle  zerlegt 
sich  also  stets  in  zwei  Wellen  verschiedener  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit. Diese  beiden  Wellen  sind  elliptisch  polarisiert, 
in  beiden  Wellen  ist  die  Erregungsbahn  die  gleiche  Ellipse,  die 
Ellipsen  liegen  aber  invers  zu  einander,  und  werden  in  entgegen- 
gesetztem Rotationssinne  durchlaufen.  Das  Achsenverhältnis  h  der 
Erregungsellipse  bestimmt  sich  aus: 

/;    ■    i.  ^  y  (g^  —  c^y  sin'tgi  9in^Sf2  4-  ^'  ^  (29) 

In  der  Richtung  der  optischen  Achsen  {gx  oder  g^  =  0)  ist  daher 
das  Achsenverhältnis  ä  =  1,  d.  h.  es  findet  dann  Zirkularpolarisation 
statt.  Bei  kleiner  Abweichung  der  Wellennormale  von  der  Rich- 
tung einer  optischen  Achse  ist  aber  die  Erregungsbahn  schon  eine 
sehr  flache  Ellipse,  da  2^7  selbst  bei  stark  aktiven  Kristallen  stets 
sehr  klein  gegen  die  Differenz  a^  —  c^  der  Quadrate  der  beiden 
Haupt-Lichtgeschwindigkeiten  ist. 

Nach  der  hier  gegebenen  angenäherten  Theorie  würde  die 
Zirkularpolarisation  in  Richtung  beider  optischen  Achsen  dieselbe 
sein.  Pocklington^)  hat  aber  im  Rohrzucker  entgegengesetzten 
Drehungssinn  der  Polarisationsebene  längs  der  beiden  optischen 
Achsen  gefunden.  Zur  Erklärung  dieser  Erscheinung  ist  die  An- 
nahme mehrerer  (dreier)  von  der  Richtung  im  Kristall  abhän- 
giger Aktivitätskonstanten  /J,  /i,  fz  notwendig.  Ebenso  gilt  auch 
nach  den  Beobachtungen  von  Voigt  (vgl.  oben  Anm.  2,  S.  397)  die 
Formel  (29)  nicht  völlig  streng  bei  Quarz,  was  ebenfalls  dafür 


1)  H.  C.  PockÜDgton,  Phil.  Mag.  (6)  2,  S.  361;  1901. 


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400  Kapitel  VI. 

spricht,  daß  man  mit  einer  einzigen  Aktivitätskonstante  streng 
genommen  nicht  ausreicht.^) 

Zweiachsige  aktive  Kristalle  sind  in  der  Natur  bisher  nur 
sehr  wenig  aufgefunden  worden;  dagegen  sind  mehrere  Repräsen- 
tanten einachsiger  aktiver  Kristalle  vorhanden,  z.  B.  Quarz.  Der- 
selbe kommt  in  zwei  spiegelbildlich  gleichen  kristallographischen 
Fonnen  vor,  und  daher  gibt  es  auch  sowohl  rechts-  als  links- 
drehenden Quarz.  Die  Drehung  der  Polarisationsebene  durch 
eine  senkrecht  zur  optischen  Achse  geschnittene  Quarzplatte  der 
Dicke  %  bestimmt  sich  gerade  wie  bei  isotropen  Medien  durch 
die  Formel 

(30)  6  =  4 n'^  -j-^  ^  =  £^  (~"  —  ^')  • 

Für  ;c=l  mm  und  gelbes  Licht  (^  =  0,000589  mm)  beträgt 
d  =  21,7^  =  0,12  jr  absolutes  Bogenmaß.    Daraus  berechnet  sich 

(31)  4nl^  =  n    —n  -=-  0,12  •  ^  =  0,000071  • 

Dabei  bezeichnen  n,  n  die  beiden  Brechungsindizes,  welche  der 
Quarz  in  der  Richtung  der  optischen  Achse  infolge  seiner  Aktivität 
haben  muß.    Eine  Doppelbrechung  n   —  n   in  dem  aus  (31)  sich 

ergebenden  Betrage  hat  nun  tatsächlich 
V.  V.  Lang  am  Quarz  in  Richtung 
seiner  optischen  Achse  gefunden.  Zur 
besseren  Demonstration  dieser  Doppel- 
brechung läßt  man  nach  Fresnel 
zweckmäßig  das  Licht  abwechselnd 
durch  rechts  und  linksdrehende  Quarz- 
prismen gehen,  deren  Keilwinkel  ab- 
wechselnd nach  verschiedenen  Seiten 
zu  liegen. 

Betrachtet  man  eine  einige  Milli- 
pjg  JQ5  meter  dicke,  senkrecht  zur  Achse  ge- 

schnittene Quarzplatte  zwischen  ge- 
kreuzten Nicols  bei  einfallendem  weißen  Lichte,  so  erscheint  die 
Platte  farbig.  Die  einfallende  Polarisationsebene  ist  nämlich  nach 
dem  Durchgang  durch  die  Platte  für  die  verschiedenen  Farben 


1)  Über   die  weitere  Verfolguog  der  Theorie  mit  mehreren  Aktivitäts- 
koDstanten  vgl.  W.  Voigt,  Add.  d.  Phys.  18,  S.  645,  1905. 


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Natürlich-aktive  Körper.  401 

verschieden  gedreht,  und  es  müssen  im  Gesichtsfelde  alle  diejenigen 
Farben  ausgelöscht  werden,  deren  Polarisationsebene  senkrecht  zu 
der  des  Analysators  liegt.  Die  Farbe  der  Quarzplatte  wechselt  daher 
auch  bei  Drehung  des  Analysators.  —  Benutzt  man  einfallendes 
konvergentes  Licht,  so  tritt  die  oben  S.  338  f&r  einachsige  Kristalle 
beschriebene  Interferenzflgur  zwischen  gekreuzten  Nicols  erst  in 
einiger  Entfernung  von  der  optischen  Achse  auf.  In  der  Nähe 
derselben  macht  sich  die  Zirkularpolarisation  in  der  Zerstörung 
des  schwarzen  Kreuzes  der  Hauptisogyren  geltend.  Eine  senkrecht 
zur  Achse  geschnittene  Quarzplatte  zeigt  daher  zwischen  ge- 
kreuzten Nicols  bei  konvergenter  Beleuchtung  das  in  Figur  105 
dargestellte  Interferenzbild. 

Spiralige  Interferenzfiguren  treten  auf,  wenn  man  zirkular- 
polarisiertes Licht  einfallen  läßt  Die  Berechnung  dieser  Airy- 
schen  Spiralen  ist  in  den  „Vorlesungen  über  theoretische  Optik" 
von  F.  Neumann,  herausg.  v.  Dorn,  S.  244ff.,  Leipzig  1885, 
gegeben. 

5.  Die  Dispersion  der  Rotationspolarisatioii.  Die  Drehung  6 
der  Polarisationsebene,  welche  eine  Platte  eines  aktiven  isotropen 
Körpers  oder  die  senkrecht  zur  Achse  geschnittene  Platte  eines 
aktiven  Kristalls  bewirkt,  muß  mit  der  Farbe  variieren.  Wir 
erhalten  das  Dispersionsgesetz  aus  den  Formeln  (6)  und  (19),  falls 
wir  die  Dicke  der  Platte  z  =  l  setzen  und  anstatt  der  Wellen- 
länge Xo  im  Vakuum  die  Wellenlänge  X  der  betreffenden  Farbe  in 
Luft  einführen*) 

A^"^   ^_(rhY~'  (32) 

worin  k  eine  Konstante  bedeutet. 

Wenn  die  Eigenschwingungsdauern  der  aktiven  lonenarten^ 
so  viel  kleiner  sind,  als  die  Periode  des  angewandten  Lichtes,  daß 
(rhiry  gegen  1  zu  vernachlässigen  ist,  so  resultiert  die  einfachste 
Form  des  Dispersionsgesetzes 


1)  In  Anbetracht  der  geringen  Dispersion  der  Luft  ist  dies  gestattet. 

2)  Wir  wollen  darunter  alle  diejenigen  lonenarten  verstehen,  die  einer 
Bewegungsgleichung  nach  der  Formel  (2)  genügen,  während  wir  diejenigen  lonen- 
arten inaktiv  nennen  wollen,  für  welche  die  Konstante  f  in  jener  Gleichung  (2) 
den  Wert  Null  hat. 

Drude,  Lehrbach  d.  Optik.   2.  Anfl.  26 


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402  Kapitel  VI. 

(33)  rf  =  ^,- 

Annäherungsweise  genügt  diese  Biotsche  Formel,  doch  ist 
sie  nicht  genau.  Wenn  alle  Eigenperioden  der  aktiven  Ionen  im 
Ultravioletten  liegen,  so  kann  man  (32)  nach  steigenden  Potenzen 
von  {Thiry  entwickeln  und  erhält  dann  die  Form 

(34)  d  =  ^^  +  ^J  +  ^^  +  ... 

Meist  gentigt  nun  schon  in  der  Tat  diese  Formel  mit  Be- 
nutzung der  ersten  beiden  Glieder  (Boltzmannsche Formel),  jedoch 
reicht  sie  für  Quarz,  bei  dem  man  6  über  ein  sehr  großes  Bereich 
von  Wellenlängen  gemessen  hat  (von  A  =  2//  bis  i  =  0,2//),  nicht 
aus.  —  Die  einzelnen  Konstanten  k^,  k^,  k^  können  verschiedene 
Vorzeichen  haben,  da  die  fi!  der  verschiedenen  aktiven  lonen- 
gattungen  nicht  dasselbe  Vorzeichen  zu  haben  brauchen. 

Wenn  auch  Eigenschwingungen  r  im  Ultraroten  bei  den 
aktiven  Ionen  vorhanden  wären,  so  würde  (32)  nach  Potenzen  von 
(t  :  Tr)'^  zu  entwickeln  sein.    Man  erhielte  dann  die  Form: 

(35)  tf  =  r2  +  r'  +  r6  +  --  +^'  +  ^t'^'  + V^'  +  --- 

Wenn  man,  wie  beim  Quarz,  die  Dispersion  über  sehr  große 
Gebiete  von  Farben  darstellen  will,  welche  zum  Teil  den  Eigen- 
perioden ziemlich  nahe  kommen,  so  vermeidet  man  zweckmäßiger 
Potenzentwicklungen  und  schreibt  nach  (32): 

(36)  rf  =  -2;     ** 


A2  — Aa2 


Beim  Quarz  kennt  man  nun  die  Wellenlängen  Zh  der  dem  Lichte 
am  nächsten  benachbarten  Eigenperioden  für  die  ordinäre  Welle, 
sie  betrugen  (vgl  oben  S.  374)  Z^  ^  =  0,0 10627,  X2  2 = 78,22,  ^3  2 = 430,6. 
Einheit  von  h  ist  dabei  ifi  =  0,001  mm.  Wir  schlössen  aber  schon 
oben  nach  der  dortigen  Formel  (30'),  daß  Quarz  noch  Ionen- 
gattungen  haben  wird,  für  welche  ihr  Xh  so  klein  ist,  daß  man 
noch  immer  nicht  mit  den  Wellenlängen  des  benutzten  Lichtes  in 
die  Nähe  dieser  Xh  gelangt  Die  Aktivitätskoeffizienten  k'  dieser 
lonengattungen,  deren  Xh^  gegen  X^  also  in  (36)  zu  vernachlässigen 
ist,  müssen  wir  aber  berücksichtigen,  sodaß  folgende  Dispersions- 
formel für  Quarz  entstehen  würde: 


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Natürlich-aktive  Körper. 


403 


(37) 


Wendet  man  diese  Formel  auf  die  Dispersion  des  Qnarzes  an, 
so  ergibt  sich  aus  den  Beobachtungen,  daß  Ajj  =  ^3  =  0  sind, 
d.  h.  daß  die  lonengattungen,  deren  Eigenschwingungen 
im  Ultraroten  liegen,  inaktiv  sind,  dagegen  ergibt  sich  k^ 
und  k'  von  verschiedenem  Vorzeichen.  Es  spricht  nun  sehr  zu 
Gunsten  der  ganzen  Grundlagen  der  hier  dargelegten  Theorie,  daß 
man  mit  Hilfe  der  Formel 


^        12  — 1,2    "^iia» 


;i2— Ai 


(38) 


welche  nur  zwei  Konstanten  enthält,  da  X^  aus  der  Dispersion  des 
Brechungsindex,  und  nicht  aus  der  Drehung  der  Polarisationsebene 
entnommen  ist,  die  Dispersion  des  6  recht  gut  darstellen  kann,  wie 
folgende  Tabelle  0  lehrt,  in  der  die  Drehung  ä  in  Graden  pro  1  mm 
Dicke  angegeben  ist: 


^=12,200    k'=- 

-5,046. 

^  (in  11) 

6  beob. 

6  ber. 

2,140 

1.60 

1,57 

1,770 

2,28 

2,29 

1,450 

3,43 

3.43 

1.080 

6,18 

6,23 

0.67082 

16,54 

16,56 

0,65631 

17.31 

17,33 

0,589322) 

21,72 

21,70 

0,57905 

22,55 

22,53 

0,67695 

22,72 

22,70 

0,54610 

25,53 

25,51 

0,50861 

29,72 

29,67 

0,49164 

31,97 

31,92 

0,48001 

33,67 

33,60 

0,43586 

41,55 

41,46 

0,40468 

48.93 

48,85 

0,34406 

70,59 

70,61 

0,27467 

121,06 

121,34 

0,21935 

220,72 

220,57 

1]  Die  Beobachtungsdaten  sind  der  Zusammenstellung  bei  Qumlich, 
Wied.  Ann.  64,  S.  349.  1898  entnommen. 
2)  D-Linie. 

26* 


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404  Kapitel  VI. 

Vielleicht  könnten  auch  die  Konstantenwerte  ä,  und  k'  noch 
etwas  beigser  den  Beobachtungen  angepaßt  werden.  Jedenfalls  ist 
es  von  Wichtigkeit,  daß  sich  diese  zweikonstantige  Formel  (38)  den 
Beobachtungen  genügend  anschließt,  dagegen  stellt  die  dreikon- 
stantige  Formel  (37),  wenn  man  darin  ä'  =  0  setzen  würde,  die 
Beobachtungen  nicht  befriedigend  dar.  Wir  müssen  beim  Quarz 
also  noch  lonengattungen  annehmen,  deren  Eigenwellen- 
länge äußerst  klein,  viel  kleiner  als  X^  ist. 

Wie  die  Tabelle  lehrt,  nimmt  6  mit  abnehmendem  X  zu.  Dies 
ist  der  normale  Dispersionsverlauf.  Wie  aber  aus  (38)  hervorgeht, 
würden  Störungen  entstehen  (anomale  Rotationsdispersion), 
wenn  die  Wellenlänge  noch  kleiner  als  X^  wird,  denn  dann  würde 
6  negativ  werden.  Überhaupt  entsteht  anomale  ßotationsdispersion, 
sowie  X  in  die  Nähe  einer  Eigenschwingung  Xh  kommt.  Aber  auch 
wenn  X  viel  größer  als  die  Xh  ist,  kann  ein  Vorzeichenwechsel 
von  (J,  wie  selbst  die  allgemeine  Formel  (36)  lehrt,  stets  eintreten, 
sowie  mindestens  zwei  aktive  lonengattungen  vorhanden  sind, 
welche  verschiedenes  Vorzeichen  ihres  Aktivitätskoeffizienten  kh 
besitzen.  Ebenfalls  können  in  diesen  Fällen  Maxima  und  Minima 
von  ö  bei  Variation  von  X  auftreten. 

Die  Fälle  sogenannter  anomaler  Rotationsdispersion  sind  tat- 
sächlich mehrfach  beobachtet  worden  (vgl.  des  oben  zitierte  Werk 
von  Landolt,  S.  135).  G.  H.  v.  Wyss  (Wied.  Ann.  33,  S.  554, 1888) 
hat  durch  Mischung  rechts-  und  linksdxehenden  Terpentinöls  ano- 
male Rotationsdispersion  erzeugt  Im  allgemeinen  muß  jede 
Substanz  in  gewissen  Schwingungsgebieten  anomale  Rotationsdis- 
persion zeigen,  nur  werden  allerdings  diese  Schwingungsgebiete 
nicht  immer  in  den  Bereich  der  experimentell  herstellbaren  Strah- 
lung fallen. 

6.  Absorbierende  aktive  Korper.  Wenn  die  Wellenlänge  X  in 
der  Nähe  einer  Eigenwellenlänge  Xh  einer  aktiven  lonengattung 
liegt,  so  wird  nach  (36)  die  Rotation  6  der  Polarisationsebene  sehr 
groß.  In  diesem  Falle  muß  aber  Rücksicht  auf  die  oben  S.  371 
vernachlässigten  Reibungskoeffizienten  ah  genommen  werden.  Eben- 
falls müssen  die  ah  berücksichtigt  werden,  falls  der  Körper  breite 
Absorptionsgebiete  zeigt.  In  diesen  Fällen  wird  sowohl  e  als  f 
in  den  Formeln  (10)  komplex,  nämlich 


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Natürlich-aktive  Kdrper.  405 

6=1+2/ r-  —  » 

i   ijdh         Oh 

Die  Größe  ;?  der  Formeln  (11)  ist  daher  ebenfalls  komplex 
anzunehmen.    Schreibt  man  sie  in  der  Form  (vgl  S.  341): 

„_lziiif  (40) 

P  —     7    ' 

so  bedeutet  V  Fortpflanzungsgeschwindigkeit,  x  Absorptionsindex 
der  Wellen.  Da  es  zwei  verschiedene  Werte  p  gibt,  welche 
durch  (16)  und  17)  gegeben  sind,  so  gibt  es  also  auch  zwei  ver- 
schiedene Absorptionsindizes  x  und  x",  welche  fllr  eine  links-  und 
eine  rechts-zirkularpolarisierte  Welle  gelten.  Dies  ist  in  der  Tat 
von  Cotton  (Compt.  rend.  120,  p.  989,  1044.  —  Ann.  de  chim.  et 
de  phys.  [7]  8,  p.  347,  1896)  bei  Lösungto  von  Kupfertartrat  und 
Chromtartrat  in  Kalilauge  beobachtet  worden.  Daß  diese  Lösungen 
auch  anomale  Botationsdispersion  zeigten,  erscheint  nach  dem  Vor- 
hergehenden leicht  verständlich,  da  die  starke  Absorption  anzeigt, 
daß  X  dem  Gtebiet  der  Eigenschwingungen  nahe  liegt 

Nach  (16),  (17)  und  (18)  ist,  wenn  man  die  beiden  Brechungs- 
indizes n ,  n '  für  links-  und  rechts-zirkularpolarisierte  Wellen  ein- 
führt: 

c(j>   —p)=n    —n—%{n   x    —  n  x)  =  ^  =  -^.         (41) 

Ist  ein  scharfer  Absorptionsstreifen  vorhanden,  dem  nach  Früherem 
ein  kleines  ah  entspricht,  so  wird  der  Unterschied  von  x"  und  x 
fftr  den  Absorptionsstreifen  selbst  sehr  bedeutend.  Denn  für 
t2  =  6a  folgt  aus  (42)  und  (44): 

ff  f  A        "     "  '     '  ^^hfh  ^h  /-^x 

n    —  n=0,   nx    —  nx= —  (42) 

Liegt  r  weiter  von  der  Eigenperiode  tä  entfernt,  und  ist  ah  ge- 
nügend klein,  sodaß  man  nur  bis  auf  erste  Ordnung  in  x  oder  ah 
zu  entwickeln  braucht,  so  wird  nach  (41)  und  (42)  das  Dispersions- 
gesetz für  die  Differenz  der  Absorptionskoeffizienten  von  der 
Form: 


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406  Kapitel  YU. 


'f    J'  '      '  0  9    V  ^ 


(43)  n  X    —rix  =X^:S ^yy^^^^- 

Bei  Variation  des  X  können  Vorzeichenwechsel,  ferner  Mazima 
und  Minima  von  nx—nx  eintreten,  sobald  mehrere  lonen- 
arten  mit  verschiedenem  Vorzeichen  ihres  Aktivitätskoeffizientea 
fh.  vorhanden  sind. 

Übrigens  sind  die  Unterschiede  in  der  Absorption  der  rechts- 
und  links-zirkularpolarisierten  Wellen  immer  nur  klein  gegen  die 
Absorptionen  selber. 

Denn  man  leitet  aus  (16)  und  (17),  wenn  man  f-  vernach- 
lässigt, und  falls  nur  ein  Absorptionsstreifen  vorhanden  ist, 
leicht  ab 

wobei  n  das  Mittel  aus  n  und  n    bedeutet 

Es  ist  nun  aber  fh  :  X  stets  eine  kleine  Zahl. 
Femer  ist  zu  bemerken,  daß  nicht  jeder  aktive  Körper, 
welcher  Absorptionsstreifen  besitzt,  die  hier  besprochenen  Er- 
scheinungen zu  zeigen  braucht  Denn  dazu  ist  notwendig,  daß 
dieselben  lonenarten,  welche  die  Absorption  veranlassen,  auch 
aktiv  sind.  Es  ist  aber  wohl  denkbar,  daß  Absorption  und  Akti- 
vität verschiedenen  lonengattungen  ihre  Entstehung  verdanken. 


Kapitel  TU. 

Magnetisch-aktiye  Körper. 

A*  Hypothese  der  Molekularströme. 

!•  AUgemeine  Grundlage.  Bei  sämtlichen  Körpern  be- 
obachtet man  besondere  optische  Eigentümlichkeiten,  wenn  sie  in 
starke  Magnetfelder  gebracht  werden.  Schon  in  rein  magnetischer 
Hinsicht  verhalten  sich  die  verschiedenen  Körper  verschieden,  näm- 


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Magnetisch-aktive  Körper.  407 

ich  hinsichtlich  ihrer  sogenannten  Magnetisierungszahl  fi  (ygl.  oben 
S.  254).  Dieselbe  ist  größer  als  1  bei  paramagnetischen  Kör- 
pern, kleiner  als  1  bei  diamagnetischen  Körpern.  Dies  Ver- 
halten hat  zur  Folge,  daß  ein  Magnetfeld  in  paramagnetischen  Körpern 
eine  größere  Dichte  magnetischer  Kraftlinien  hervorruft,  als  im 
freien  Äther,  in  diamagnetischen  Körpern  dagegen  eine  geringere 
Ki-aftliniendichte,  als  im  freien  Äther.  Zur  Erklärung  dieser  Er- 
scheinung hat  man  sich  nach  Ampfer e  und  Weber  die  Vorstellung 
gebildet,  daß  in  paramagnetischen  Körpern  sogenannte  Molekular- 
ströme vorhanden  sind.  Diese  werden  nach  der  hier  benutzten 
Grundlage  der  Dispersionstheorie  durch  Rotation  derlonenladungen 
hervorgerufen.  Bei  vorhandener  äußerer  magnetischer  Kraft  werden 
diese  Molekularströme  teilweise  oder  ganz  gleich  gerichtet,  sodaß 
die  magnetischen  Kraftlinien,  welche  diese  Ströme  erzeugen,  sich 
gleichsinnig  superponieren  über  die  durch  die  äußere  magnetische 
Kraft  hervorgerufenen  Kraftlinien. 

Diamagnetische  Körper  hingegen  sollen  im  unmagnetischen 
Zustande  keine  Molekularströme  besitzen.  Sowie  aber  diese  Körper 
in  ein  Magnetfeld  gebracht  werden,  so  sollen  durch  Induktion  Mole- 
kularströme erzeugt  werden,  welche  sich  in  unveränderter  Stärke 
erhalten,  so  lange  das  äußere  Magnetfeld  unverändert  bleibt;  man 
muß  sich  vorstellen,  daß  die  lonenladungen  in  reibungslosen 
Bahnen  rotieren  können,  sodaß  die  Erhaltung  dieser  Molekularströme 
keinen  Energieaufwand  erfordert.  Die  Kraftlinien  der  durch  Induk- 
tion hervorgerufenen  Molekularströme  müssen  den  Bjraftlinien  des 
äußeren  Magnetfeldes  entgegen  wirken,  da  die  Induktionsströme 
nach  der  allgemeinen  Lenz  sehen  Regel  immer  in  der  Richtung 
fließen,  daß  sie  die  Veränderung  der  magnetischen  Kraftlinien, 
welche  durch  eine  äußere  magnetische  Kraft  hervorgerufen  wird, 
zu  hemmen  suchen. 

Wenn  wir  die  optischen  Eigenschaften  eines  Körpers  in  einem 
starken,  durch  eine  äußere  magnetische  Kraft  hervorgerufenen 
Magnetfelde  berechnen  wollen,  so  haben  wir  also  stets,  sowohl  bei 
para-  als  bei  diamagnetischen  Körpern,  zu  berücksichtigen,  daß 
gewisse  lonengattungen  in  Rotation  begriffen  sind  und  Molekular- 
ströme bilden.  Wenn  wir  e  die  Ladung  eines  rotierenden  Ions 
einer  lonengattung  1  nennen,  und  T  seine  ümlaufsdauer,  so  ist 
die  Stärke  des  von  ihm  hervorgerufenen  Molekularstroms 

*  =  e:T.  (1) 


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408  Kapitel  VIL 

Wenn  nun  ein  solches,  um  einen  Punkt  ^  rotierendes  Ion  von 
der  elektrischen  Kraft  einer  Lichtwelle  getroffen  wird,  so  muß  es 
seine  Bahn  ändern.  Wenn  die  ümlaufsdauer  T  sehr  klein  ist  gegen 
die  Schwingungsperiode  des  Lichtes,  so  bleibt  die  Bahn  des  Ions 
in  ihrer  Gestalt  und  ümlaufsdauer  unverändert,  das  Ion  rotiert  aber 
jetzt  um  einen  Punkt  ^\  welcher  von  ^  um  eine  Strecke  g  in 
Richtung  der  elektrischen  Kraft  der  Lichtwelle  verschoben  ist  und 
periodisch  wie  die  elektrische  Kraft  der  Lichtwelle  oszilliert.  —  Der- 
selbe Effekt  muß  im  Mittel  eintreten,  wenn  die  Umlaufsdauer  T 
beliebig  groß  ist  und  nicht  in  rationalem  Verhältnis  zur  Licht- 
periode T  steht.  Von  einer  Drehung  der  Bahnebene  durch  die 
magnetische  Kraft  der  Lichtwelle  können  wir  absehen,  da  diese 
stets  viel  kleiner,  als  die  äußere  magnetische  Kraft  ist.  —  Durch 
diese  Verschiebung  des  Molekularstroms  werden  nun  die  magneti- 
schen Ejraftlinien,  welche  er  erzeugt,  mit  verschoben,  sodaß 
dadurch  eine  besondere  Induktionswirkung  entsteht,  welche  wir 
berücksichtigen  müssen,  falls  eine  Lichtwelle  auf  Molekular- 
ströme trifft. 

Wir  können  diese  Induktionswirkung  sofort  berechnen,  wenn  wir 
die  Kraftlinienzahl  kennen,  welche  an  den  Molekularströmen  haftet. 

Diese  ist  nun  leicht  zu  finden.  Die  Bahnen  der  Molekular- 
ströme seien  alle  parallel  einer  Ebene,  welche  senkrecht  zu  einer 
Richtung  R^  der  Richtung  der  äußeren  magnetischen  Kraft,  steht. 
Wir  fassen  zunächst  eine  Linie  der  Länge  /  parallel  der  Richtung  R 
ins  Auge.  Auf  derselben  mögen  /  •  5R'  Molekularströme  (der  lonen- 
gattung  1  liegen,  5R'  bezeichnet  also  die  Anzahl  Molekularströme 
auf  der  Längeneinheit.  Diese  Ströme  kann  man  als  ein  Solenoid 
auffassen,  q  sei  der  Querschnitt  der  Strombahn,  d.  h.  des  Solenoids. 
Die  Kraftlinienzahl  in  diesem  Solenoid  istO 

3f  =  4jc^*  iq  :  c. 

Wenn  nun  auf  der  Flächeneinheit  51"  solcher  Solenoide  vorhanden 
sind,  so  ist  die  Anzahl  magnetischer  Kraftlinien  auf  der  Flächen- 
einheit, welche  diesen  Molekularströmen  anhaftet, 


Mi  =  4jt  —  -^  =  4jt%q  -- 

0  0 


1)  Die  Kraftlinien  eines  Solenoids  sind  4nniq,  falls  n  die  Anzahl  Win- 
dungen pro  Längeneinheit  ist  und  •  die  Stromstärke  nach  elektromagnetischem 
Maß  bedeutet.   Da  hier  •  elektrostatisch  definiert  ist,  so  tritt  c  als  Divisor  auf. 


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MagneÜBch-aktive  Körper.  409 

wobei  yi  die  Anzahl  der  rotierenden  Ionen  der  Gattung  1  in  der 
Yolumeneinheit  bedeutet. 

Die  Komponenten  yonifi  nach  den  Koordinatenrichtungen  sind: 

Ol  =  ^iqmco8{Kx\ß^  =  ^iqmco8  {Ky\  Yx^^i q  SR  cos  {Kz).  (2) 

2.  Herleitung  der  Differentialgleiehnngeii.  Wir  halten  fest 
an  den  Grundgleichungen  (7)  und  (11)  der  Maxwellschen  Theorie 
(vgl.  S.  251,  253): 

TJ-  =  5^-5^^»^-  T'^=T^-^  ^sw.  (3) 

Während  aber  bei  den  bisher  betrachteten  Erweiterungen  der 
Maxwellschen  Theorie  nur  der  Ausdruck  jx  f&r  die  elektrische 
Stromdichte  durch  die  lonenhypothese  modifiziert  wurde,  die  mag- 
netische Stromdichte  «x  dagegen  beständig  gleich  V4^-^W^^  ^*r> 
so  muß  hier,  bei  der  Vorstellung  rotierender  Ionen,  auch  sx  eine 
andere  Form  annehmen.  4jtjx  und  4jt8x  sind  nach  (12)  auf  S.  253 
stets  definiert  durch  die  Änderung  der  elektrischen  bzw.  magne- 
tischen Kraftliniendichte  in  der  Zeiteinheit 

Um  nun  hier  4jt8x  zu  berechnen,  ist  zu  berücksichtigen,  daß 
es  aus  mehreren  Anteilen  zusammengesetzt  ist  Die  Änderung 
des  Kraftlinienverlaufes  im  Äther,  welche  die  Lichtwelle  direkt 
hervorruft,  gibt  den  Anteil  dyäz-^f^lbt  zum  Kraftlinienfluß  durch 
das  Eechteck  dydx.  Hierzu  kommen  nun  aber 
noch  Anteile,  welche  durch  die  von  der  Licht- 
welle bewirkte  Bewegung  der  Rotationsmittel- 
punkte 5ß  der  lonenbahnen  veranlaßt  werden, 
da  die  Kraftlinien  Mi  die  Bewegung  der  ?ß  mit- 
machen. 

Um    diese  Anteile    fttr   sx   zu   berechnen,  ^'  ^^^' 

fassen  wir  ein  Eechteckselement  dydx  senkrecht  zur  a;-Achse  ins 
Auge  und  fragen,  welches  ist  die  Zahl  der  Kraftlinien,  welche 
bei  der  Bewegung  von  5ß,  deren  Komponenten  g,  ly,  £  sind,  die 
4  Seiten  abcd  des  Rechtecks  schneiden. 

Berücksichtigen  wir  zunächst  nur  die  Kraftlinien  oi  parallel 
zur  rc- Achse,  so  tritt  in  der  Zeiteinheit  durch  die  Seite  a  in  das 

Rechteck  ein  die  Kraftlinienzahl  («i-^L<^«,  dagegen  durch  die 
Seite  c  tritt  aus  die  Zahl  («i-^L^«-    Die  unteren  Indizes  a,  c 


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410  Kapitel  VII. 

sollen  bedeuten,  daß  der  Wert  des  Termes  a^-^vlbt  am  Orte  der 
betreffenden  Seite  des  Rechtecks  zu  nehmen  ist    Es  ist  daher 

(«.■a-(«.-a+*ii(«'-s- 

Es  ist  hier  a^  noch  unter  dem  Differentialzeichen  nach  y  stehen 
gelassen,  um  zugleich  den  Fall  der  inhomogenen  Medien,  bei  denen 
«11  Ä,  7i  Funktionen  des  Ortes  sind,  mit  einzubegreifen.  In 
homogenen  Körpern  sind  o^,  ß^,  7,  konstant  Die  Kraftlinien  o^, 
welche  bei  ihrer  Bewegung  die  Seiten  a,  c  schneiden,  bewirken 
also  eine  Vermehrung  der  KrafÜinienzahl,  welche  das  Rechteck 

durchsetzt,  im  Betrage  von: — ^^^^ssl^"^)*  ^.nalog  geben  die 
Kraftlinien  a^,  welche  bei  ihrer  Bewegung  die  Seiten  5,  d  des 
Rechtecks  schneiden,  zum  Kraftfluß  durch  das  Rechteck  den  An- 

teil-rfyrf4(a.g. 

Die  Kraftlinien  Ä,  welche  parallel  zur  y-Achse  laufen,  können 
durch  die  Bewegung  g  von  ^  die  Seiten  des  Rechtecks  abcd 
schneiden,  und  zwar  nur  die  Seiten  a  und  c.  Die  Kraftlinienzahl, 
welche  das  Rechteck  durchsetzt,  ändert  sich  nun  nur  durch,  eine 
Drehung  der  Kraftlinien  ft  um  die  ;c-Achse,  und  zwar  im  positiven 
Sinne,  falls  die  Kraftlinien  ft  sich  von  der  +  ^/-Richtung  etwas  zur 
+  a;-Richtung  drehen.  Den  Effekt  dieser  Drehung  kann  man  da- 
durch berechnen,  daß  man  von  dem  Ausdruck  (ft  •  ^^(ir,  welcher  die 
Kraftlinienzahl  ergibt,  welche  die  Seite  c  in  der  Zeiteinheit 
schneidet,  subtrahiert  den  Ausdruck  [ft  •  ^^  dz,  welcher  die  die 
Seite  a  schneidende  Kraftlinienzahl  darstellt    Da  nun  ist: 

so  folgt  durch  die  Drehung  von  ft  zum  Kraftfluß  durch  das  Recht- 
eck der  Anteil:  +(iydz^(ßi-S\' 

Analog  folgt  durch  die  Drehung  der  Kraftlinien  /i  um  die  y- Achse 
zum  Kraftfluß  durch  das  Rechteck  der  Anteil:  +dydx^(Y^  ^]- 

Durch  Addition  aller  Anteile  zum  Kraftfluß  durch  das  Recht- 
eck wird  daher  dieser  Kraftlinienfluß: 


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MagnetiBch-aktiye  Körper.  4il 

Die  Änderung  der  Eraftlinienzahl  in  der  Zeiteinheit  fdr  ein 
Flächenelement  der  Größe  1,  welches  senkrecht  zur  a;- Achse  liegt, 
ist  daher,  da  bei  konstantem  änßerem  Magnetfeld  ai,  /%,  y^  von  i 
nicht  abhängen: 

Die  Stromdichte  wird,  genau  betrachtet,  durch  die  Rotation 
der  Ionen  in  komplizierter  Weise  modifiziert  Wenn  aber  die 
Botationsdauer  der  Ionen  nicht  in  einem  rationalen  Verhältnis 
zur  Lichtperiode  steht,  so  braucht  man,  um  den  mittleren  Effekt 
zu  finden,  nur  Rücksicht  zu  nehmen  auf  die  Bewegung  |,  ly,  £  des 
Rotationsmittelpunktes  $. 

Die  Stromdichte  y*  schreibt  sich  daher  wie  früher  (vgl  Formel 
(7)  der  S.  365)  in  der  Form: 

Für  die  Bewegung  eines  Punktes  ^,  der  Mittellage  eines  rotieren- 
den Ions  der  Gattung  1,  setzen  wir  dieselbe  Gleichung  an,  wie 
oben  S.  364: 1) 

wenn  ^  um  eine  Gleichgewichtlage  schwingen  kann  (isolierende 
Ionen),  dagegen  verwenden  wir  die  Gleichung  (34)  auf  S.  378: 

wenn  5ß  einer  konstanten  Kraft  X  dauernd  folgt,  d.  h.  wenn  c  ein 
Leitungsion  ist,  wie  es  in  Elektrizitätsleitern,  z.  B.  Metallen  vor- 
kommt   m  bezeichnet  die  ponderabele  Masse  des  Ions. 

Wenn  man  es  mit  periodischen  Änderungen  zu  tun  hat,  bei 

denen  alle  X  und  g  proportional  zu  e  *  7  sind,  erhält  man  aus  (6) : 

^f  /  7  -1-  •  ^^     la^  ^\ ^  ^^  (Q\ 


1)  Von  einer  Vervollständigung  dieser  Gleichung  entsprechend  der 
Gleichung  (l')  S.  370  können  wir  hier  absehen,  da  dies  für  den  vorliegenden 
Zweck  nicht  wesentlich  ist 


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412  Kapitel  VII. 

dagegen  aus  (7): 

Setzt  man  daher,  wie  früher 

so  wird  nach  (5),  falls  e  ein  nicht  leitendes  Ion  ist: 

wenn  dagegen  e  ein  leitendes  Ion  ist: 

In  jedem  Falle  können  wir  setzen 
/^^Q^  •  _±.^^     o-  _  «'  ö^     •        «'  ^^ 

worin  e'  eine  im  allgemeinen  komplexe,  von  x  abhängige  Größe  ist. 
Wir  gewinnen  femer  aus  (1),  (2)  und  (8)  für  ein  isolieren- 
des Ion: 

(14)  7x^  =  i^if^^,,,.'Jicos(KzJX, 
aus  (9)  erhalten  wir  für  ein  leitendes  Ion: 

(15)  r,^^J^-Sj;.j^cosiK.)X. 

In  jedem  Falle  können  wir  setzen 

(16)  y^^  =  veo8{Kx)X. 

wobei  V  eine  im  allgemeinen  komplexe  Größe  bedeutet,  welche 
yon  r  abhängt.  Analog  kann  man  die  Produkte  o^  C,  usw.  schreiben. 
Setzt  man  noch 

(17)  V  cos  {Est)  =  Va  ,    V  cos  {Ky)  =  J'y  ,    V  cos  {K%)  =  v%  , 

so  werden  nach  (13),  (4)  und  (16)  die  Fundamentalgleichungen  (3): 


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Magnetisch-aktiye  Körper.  413 

Sind  mehrere  Molektilgattungen  vorhanden,  so  gelten  die- 
selben Formeln  (18)  und  (19),  aber  die  Konstanten  e  und  v  be- 
stehen aus  Summen: 

e'=  1  +  s        ^*»*        +  4^r  -S  — *--^.  (20) 

^1  V  ^^^^^         .  ?*    .   i^  y  _J?*_  ?*  (21) 

z         z^  z 

Der  Index  h  bezieht  sich  auf  die  isolierenden  (nicht  leitenden) 
Ionen,  der  Index  k  auf  die  leitenden  Ionen.  Th  ist  mit  verschie- 
denem Vorzeichen  einzuführen,  je  nachdem  das  positiv  geladene 
rotierende  Ion  die  Kraftlinien  des  äußeren  magnetischen  Feldes 
verstärkt  (Th  positiv),  oder  schwächt  (Th  negativ).  Bei  einem 
negativ  geladenen  Ion  ist  Th  negativ  zu  nehmen,  wenn  die  Kraft- 
linien des  Molekularstromes  in  gleichem  Sinne,  wie  die  des  äußeren 
Magnetfeldes,  liegen.  Bei  rein  paramagnetischen  Ionen  ist  daher 
Th  positiv  für  die  positiv  geladenen  Ionen,  negativ  für  die  negativ 
geladenen  Ionen.  Bei  rein  diamagnetischen  Ionen  ist  es  gerade 
umgekehrt  Femer  ist  qn  als  abhängig  anzusehen  von  der  Stärke 
des  äußeren  Magnetfeldes,  denn  bei  Magnetisierung,  welche  nicht 
bis  zur  Sättigung  getrieben  ist,  sind  nicht  alle  Molekularströme 
parallel  gerichtet,  was  wir  am  einfachsten  dadurch  ausdrücken, 
daß  dann  qn  kleiner  ist  qh  ist  daher  proportional  zur  Magneti- 
sierung des  Körpers  anzunehmen.  —  Nach  ihrer  Herleitung  (vgl. 
oben  S.  540)  gelten  die  Gleichungen  (18),  (19)  ganz  allgemein,  d.  h. 
auch  in  inhomogenen  Körpern,  bei  denen  s'  und  v  Funktionen 
des  Ortes  sind. 

3.  Die  magnetische  Drehung  der  Polarisationsebene.  Wir 

wollen  den  Fall  annehmen,   daß  die  Lichtstrahlen  parallel  zur 
Magnetisierungsrichtung  liegen  sollen.  Als  solche  wählen  wir  die 


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414  Kapitel  Vn. 

«-Achse.  Es  hängt  dann  Z,  r,  a,  ß  nur  von  x  und  t  ab,  falls  ebene 
Wellen  nach  der  ;c-Achse  sich  fortpflanzen,  ferner  ist  z  =  7  =  0. 
Femer  ist 

daher  werden  die  Fundamentalgleichungen  (18),  (19): 
^    ^  i  ö /^  ,     hY\         hx 

^^^  cd/ 8i'   7dr~JS' 

Differentiiert  man  die  Gleichungen  nach  t  und  setzt  für  ^^,^ 
ihre  Werte  nach  (22),  so  folgt 


c2  0/2  ~'5P""~o  5F5P 


Zur  Integration  setzen  wir  wie  oben  S.  394: 

(25)  x=Me7^^'-P''\  Y  =  Nel^^''P'')  ^ 
Dann  ergibt  (24): 

Diesen  Gleichungen  kann  man  durch  zwei  Wertsysteme  ge- 
nügen, nämlich  durch: 

(26)  ph^(^i  +  ^)^,'^    M=iN, 
und 

(27)  ;>2,2^^_r^_,'^    j„ ^.^^ 

Nach  der  oben  S.  395  gegebenen  Interpretation  der  dortigen  ana- 
logen Gleichungen  (12)  und  (13)  pflanzen  sich  also  eine  rechts- 
und  eine  links-zirkularpolarisierte  Welle  mit  verschiedenen  Ge- 


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Magnetisch-aktive  Körper.  415 

schwindigkeiten   fort    Die   erste   Welle   (26)  ist   links-zirkular- 
polarisiert,  ihr  zugehöriges  p  ist 


'  1+ 


T  •  (28) 

CT 


Das  zugehörige  p  der  rechts-zirkularpolarisierten  Welle  ist 

et 

Durch  Superposition  beider  zirkularpolarisierten  Wellen  er- 
gibt sich,  wenn  wir  zunächst  annehmen,  daß  e  und  v,  d.  h.  auch 
p  und  /'  reell  sind,  linearpolarisiertes  Licht,  dessen  Polarisa- 
tionsebene sich  beim  Fortschreiten  nach  z  gleichmäßig  dreht  um 
den  Winkel 

rf=i£_-£.  (30) 

Wenn  v:  er  klein  gegen  1  ist,  wie  es  im  allgemeinen  stets  der 
Fall  ist,  so  erhält  man  aus  (30): 

^-S^-  (30-) 

Bei  positivem  v  ist  der  Drehungssinn  von  rechts  nach  links, 
d.  h.  dem  Uhrzeiger  entgegen,  wenn  man  der  Fortpflanzung  des 
Lichtes  entgegenblickt.  In  gleichem  Sinne  rotieren  bei  Magneti- 
sierung nach  der  positiven  ;c-Achse  die  positiven,  paramagnetischen 
Ionen.  Wenn  also  v  positiv  ist,  so  erfolgt  eine  Drehung 
der  Polarisationsebene  im  Sinne  der  paramagnetischen 
Molekularströme. 

Da  der  Drehungssinn  nur  von  der  Magnetisierungs- 
richtung abhängt,  so  geht  bei  bestimmter  Magnetisierung  des 
Körpers  die  Drehung  der  Polarisationsebene  weiter,  wenn  die 
Fortpflanzungsrichtung  des  Lichtes  umgekehrt  wird.  Läßt  man 
daher  linearpolarisiertes  Licht  in  einen  magnetisierten  Körper 
einfallen  und  an  der  Hinterfläche  desselben  reflektieren,  so  ist  die 
Polarisationsebene  des  an  der  Vorderfläche  wieder  austretenden 
Lichtes  doppelt  gedreht  gegen  die  ursprüngliche  Lage.  — Bei  einem 
natürlich-aktiven  Körper  wäre  bei  dieser  Anordnung  eine  Drehung 
der  Polarisationsebene  nicht  vorhanden.    Denn  in  einem  natürlich- 


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416  Kapitel  VII. 

aktiven  Körper  ist  der  Sinn  der  Drehung  der  Polarisationsebene, 
wenn  man  immer  der  Fortpflanzungsrichtang  entgegensieht,  stets 
derselbe,  d.  h.  die  Drehung  nach  ihrer  absoluten  Lage  wechselt 
mit  der  Fortschreitungsrichtung  der  Wellen. 

Ob  nun  die  Drehung  d  im  Sinne  der  paramagnetischen 
Molekularströme  erfolgt,  oder  ihnen  entgegen,  ist  aus 
dem  Magnetisierungscharakter  des  Körpers  (para-  oder 
diamagnetisch)  nicht  zu  bestimmen,  denn  das  Vorzeichen  yon 
V  kann  man  aus  der  Magnetisierungszahl  (i  des  Körpers  nicht  be- 
rechnen, sobald  mehr  als  eine  rotierende  lonengattung  vorhanden 
istO  Die  Magnetisierungszahl  (i  ist  nach  (19)  der  S.  254  dadurch 
definiert,  daß  die  gesamte  Kraftliniendichte  Mx  nach  der  ^-Achse 
gleich  iiy  ist  Nach  (2)  ist  nun  bei  Magnetisierung  nach  der 
;i;-Achse;  die  gesamte  Kraftlinienanzahl  der  Flächeneinheit  (die 
sogenannte  Induktion): 

(31)  M^=iiy=y  +  ^-^SiqSSl^r  +  ^^Se^^^ 

Hierdurch  ist  die  Magnetisierungszahl  (i  anschaulich  inter- 
pretiert.   Je  nachdem 

(32)  T-Se3li>0, 

ist  daher  der  Körper  para-  oder  diamagnetisch.  Aus  dem  Vor- 
zeichen dieser  Summe  kann  man  aber  nicht  auf  das  Vorzeichen 
von  V  schließen.  —  Nehmen  wir  z.  B.  den  einfachsten  Fall,  daß 
zwei  nicht  leitende  paramagnetische  lonengattungen  1  und  2  vor- 
handen sind,  es  sei  e^=—H=^^  %=SSl2=SSl,  Ti=— Tj^T, 
q^  =  q^=zq.    Dann  wird  nach  (31): 

Nach  (21)  ist  aber,  wenn  wir  ah  und  hh  vernachlässigen: 


1)  Auf  diesen  Punkt  hat  auch  Eeiff  in  seinem  Buche:  „Theorie  mole- 
kularelektrischer Vorgänge*^  1896  aufmerksam  gemacht  Der  Reif f sehe  Stand* 
punkt  unterscheidet  sich  dadurch  Ton  dem  hier  benutzten,  daß  er  nicht  rotierende 
Ionen,  sondern  drehbare  Molekularmagnete  voraussetzt,  welche  nicht  mit  elek- 
trischer Ladung  behaftet  sind. 


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MagneÜBch-aktiye  Körper.  4^7 

Das  Vorzeichen  von  v  hängt  also  von  der  Differenz  der  beiden 
Dielektrizitätskonstanten  91^1  nnd  f!ld^2  ^l>* 

In  der  Tat  ergeben  auch  die  Beobachtungen,  daß  der  Cha- 
rakter der  Magnetisierbarkeit  nicht  auf  den  Sinn  der  magne- 
tischen Drehung  der  Polarisationsebene  schließen  läßt. 

4.  Die  Dispersion  der  magnetischen  Botationspolarisation. 
Führt  man  die  Wellenlänge  Xo  =  Tc  der  benutzten  Lichtsorte  im 
Vacuum  ein,  so  schreibt  sich  (30'): 

ö ^^x j-^x,  (33) 

wobei  •/?  =  n  den  Brechungsindex  des  (unmagnetisierten)  Körpers 
bezeichnet. 

Wenn  man  zunächst  n  als  konstant  annimmt,  was  in  roher 
Annäherung  gestattet  ist,  so  würde  auch  v  als  konstant  anzusehen 
sein.  Dann  ist  also  6  umgekehrt  proportional  zu  Xo\  analog  wie 
bei  der  natürlichen  Rotationspolarisation.  Als  rohe  Annäherung 
kann  man  dies  wirklich  annehmen. 

Schreibt  man  aber  s  =n^  in  der  Form^  (es  ist  X  die  Wellen- 
länge in  Luft,  anstatt  Xo  eingeführt): 


+ 


(34) 


(35) 


2 1   _L.  -^1  I  -^2  I  ^3 I 

•-&)■  '-(^r  '-©' 

so  wird  nach  (21): 

v=—-^ I ^ I ^— 

wobei  die  -4/,  A^,  A^ , .  Konstanten  sind,  welche  unabhängig  von 
den  Ji,  ^2*  ^3  •  •  •  sind. 

Die  Anzahl  der  Konstanten,  welche  in  die  Dispersionsformel 
der  magnetischen  Rotationspolarisation  eingehen,  hängt  also  von 
der  Konstantenanzahl  ab,  welche  zur  Darstellung  der  Dispersion 
des  Brechungsindex  n  notwendig  sind,  d.  h.  von  der  Anzahl  der 
Eigenschwingungsperioden,  welche  zu  berücksichtigen  sind. 

Innerhalb  des  sichtbaren  Lichtes  kommt  man  in  den  meisten 
Fällen  damit  aus,  daß  man  eine  ultraviolette  Eigenschwingung  X^ 


1)  Vgl.  Formel  (19)  auf  S.  372.    Diese  Form  gilt  nur  im  Bereich  der 
normalen  Dispersion  und  falls  keine  Leitungsionen  zu  berücksichtigen  sind. 
Drude,  Lehrbuch  d.  Optik.  2.  Aufl.  27 


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418 


Kapitel  VH. 


annimmt,  and  außerdem  noch  beliebig  viele  ultraviolette  Eigen- 
schwingungen, deren  JI2,  ^,  usw.  gegen  i  zu  vernachlässigen  ist. 
Dann  wird  die  Dispersionsformel  (34): 

n^  =  i  +  A2  +  A^  +  ..  +x^~-2 


oder 

(36) 


i  +  A^  +  A2+A^  +  ..+ 


a  + 


A2  — Ai2' 


A2— A|2- 

In  diesem  Falle  muß  sich  nach  (35)  die  Dispersionsformel  f&r 


V  schreiben: 

(37)  i 


'•j2zzj:^2+  K  +  ^3'  + 


=  a'  + 


A2  — A|2' 


d.  h.  die  Dispersionsformel  für  die  magnetische  Drehung  6  nach  (33) 
in  der  Form,  falls  2jr2;t=l  gesetzt  wird: 


(38) 


<J=^(f2  +  Ä^J- 


Dies  ist  eine  zweikonstantige  Dispersionsformel,  da  X^  aus  der 
Dispersion  des  n  zu  entnehmen  ist.  Sie  genügt  in  der  Tat  den 
Beobachtungen  gut,^)  wie  folgende  Tabellen  lehren: 

Schwefelkohlenstoff. 
;ii  =  0,212  iM,        2^2  =  0,0450, 
a  =  2,516,  i>  =  0,0433, 

a'  =  —  0,0136,      i»'  =  +  0,1530. 


Spektr.  Linie 

1 

'  n  ber. 

n  beob. 

6  ber. 

6  beob. 

A 

1,6115 

1,6118 

— 

— 

B 

1,6179 

1,6181 

— 

— 

c 

,     1,6210 

1,6214 

0,592 

0,592 

D 

1     1,6307 

1,6308 

0,762 

0,760 

E 

1,6439 

1,6438 

0,999 

1.000 

F 

1,6560 

1,6555 

1,232 

1,234 

G 

1,6805 

1,6800 

1,704 

1.704 

H 

1,7033 

1 

1,7032 

— 

— 

1)  Eine  Zusammenstellung  anderer,  bisher  Torgeschlagener,  einkonstan- 
tiger  Dispersionsformeln  hat  Poincard  gegeben  in  der  Ztschrft.  L'^lairage 
^lectrique  XI,  8.  488,  1897.  Diese  Formeln  stellen  die  Beobachtungen  sämtlich 
nicht  Töllig  befriedigend  dar. 


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Magnetbch-ftktiTe  Körper. 

Kreosot. 


419 


;ii  =  0,1845 /<. 
a  =2,2948, 
a'  =  —  0,1799 


;jJ  =  0,0340, 
6  =  0,0227, 
6' =  +  0,3140. 


Spektr.  Linie 

n  ber. 

n  beob. 

6  ber. 

6  beob. 

B 

1,5319 

1,5319 

0.515 

— 

C 

1,5336 

1,5335 

0,573 

0,573 

D 

1,5386 

1,5383 

0,745 

0,758 

E 

1,5454 

1,5452 

0,990 

1,000 

F 

1,5515 

1,5515 

1,226 

1,241 

0 

1,5636 

1,5639 

1,723 

1,723 

H 

1,5744 

1,5744 

2,206 

— 

Wenn  man,  was  das  einfachste  ist,  die  Vorstellung  zugrunde 
legt,  daß  eine  positiv  geladene  und  eine  negativ  geladene  rotierende 
lon^nart  vorhanden  ist,  so  zeigt  die  Verschiedenheit  des  Vor- 
zeichens von  d  und  h\  daß  diese  Ionen  in  entgegengesetztem  Sinne 
rotieren. 

Die  Dispersionsformeln  (33),  (34)  und  (35)  zeigen,  daß  die 
Drehung  6  sehr  groß  wird,  wenn  X  in  der  Nähe  einer  Eigen- 
wellenlänge Xx  liegt.  Dieses  Resultat  ist  in  der  Tat  kürzlich  von 
Macaluso  und  CorbinoO  am  Natriumdampf  bestätigt  worden. 
Indes  werden  ihre  Beobachtungen  nicht  durch  die  hier  entwickelte 
Theorie  dargestellt.  Wie  nämlich  die  Dispersionsformel  (38)  er- 
gibt, und  wie  auch  eine  strengere  Diskussion  zeigt,  bei  der  die 
Reibungsglieder  a/r  nicht  vernachlässigt  werden,  besitzt  die  Drehung  ö 
nach  der  Theorie  ein  verschiedenes  Vorzeichen  zu  beiden  Seiten 
des  Absorptionsstreifens,  d.  h.  für  X  ^  X^.  Nach  den  Beobachtungen 
ist  aber  das  Vorzeichen  von  6  zu  beiden  Seiten  des  Absorptions- 
streifens dasselbe. 

Dies  zeigt  daher,  daß  für  diesen  Fall,  d,  h.  wohl  über- 
haupt für  alle  Gase  und  Dämpfe  unser  bisheriger  Ansatz 


1)  Macaluso  und  O.  M.  Corbino.  C.  E.  127,  S.  548,  951,  1898.  —  ßend. 
d.  R.  Accad.  d.  Line.  (5)  7,  S.  293,  1898;  8,  S.  38,  116,  1899.  —  N.  Cim.  (4) 
»,  S.  384,  1899.  —  O.  Corbino,  Rend.  d.  R.  Accad.  d.  Line.  10.  S.  187,  1901. 
—  N.  Cim.  (5)  8,  ß.  1, 1902.  — Vgl.  dazu  auch  H.  Becquerel,  C.  R.  127,  8.  647, 
899,  953,  1898. 

27* 


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420  Kapitel  VH. 

die  Erscheinungen  nicht  darstellt.  Zu  diesem  Schluß  fuhrt 
auch  noch  ein  zweiter  Umstand,  der  im  folgenden  Paragraphen 
behandelt  wird. 

5.  Magnetisienmg  senkrecht  zn  den  Lichtstrahlen.    Als 

Magnetisierungsrichtung  wählen  wir  die  ;»j-Achse,  als  die  der 
Lichtstrahlen  die  aj-Achse.  Dann  hängt  alles  nur  von  x  und  i  ab, 
und  es  ist  ra?  =  i^y  =  0,  vx  =  v.  In  der  letzten  der  Gleichungen 
(18)  (S.  413)  würde  allein  der  Koeffizient  v  vorkommen,  nämlich 

in  der  Verbindung — ^  ^  >  doch  dies  Glied  verschwindet,  weil  wegen 

der  ersten  der  Gleichungen  (19)  X=0  ist.  Daher  hat  nach 
dem  bisherigen  Ansatz  die  Magnetisierung  überhaupt 
keinen  Einfluß  auf  das  optische  Verhalten,  wenn  die 
Lichtwellen  sich  senkrecht  zur  Magnetisierungsrichtung 
fortpflanzen.  Andrerseits  ist  aber  ein  solcher  Einfluß  neuer- 
dings bei  Metalldämpfen  nachgewiesen  worden.  Dies  bildet  eine 
zweite  Ursache  dafür,  daß  wir  noch  nach  einer  anderen 
Hypothese  zur  Darstellung  der  optischen  Eigenschaften 
im  Magnetfelde  suchen. 

Man  könnte  ja  den  bisherigen  Ansatz  dadurch  erweitern,  daß 
offenbar  der  magnetisierte  Körper  eine  nicht  isotrope  Struktur  er- 
hält durch  gegenseitige  Anziehung  seiner  Molekularströme  in  der 
Kraftlinienrichtung.  Indes  führt  eine  andere  Hypothese  direkter 
und  vollständiger  zum  Ziel.  Auch  diese  stützt  sich  auf  gewisse 
beobachtete  Eigenschaften  der  Körper  im  Magnetfelde. 

B.  Hypothese  des  Halleffektes. 

1.  Allgemeine  Grundlage.  Wir  lassen  die  Annahme  rotierender 
Ionen  fallen,  benutzen  aber  wie  früher  die  Vorstellung  beweglicher 
Ionen.  Ein  starkes  Magnetfeld  muß  nun  deshalb  besondere,  auf 
die  Ionen  wirkende,  ponderomotorische  Kräfte  ausüben,  weil  die 
bewegten  Ionen  elektrische  Ströme  repräsentieren  und  jedes  Strom- 
stück in  einem  Magnetfelde  eine  Kraft  erfährt,  welche  senkrecht 
steht  auf  dem  Stromstück  und  der  Magnetisierungsrichtung.  Infolge- 
dessen suchen  sich  die  Stromlinien  in  einem  Magnetfelde  seitlich 
zu  verschieben  gegen  ihre  Richtung.  Diese  Erscheinung  ist  als 
Halleffekt  tatsächlich  bei  allen  Metallen,  besonders  bei  Wismut 
und  Antimon,  beobachtet  worden. 


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Magnetisch-aktiye  Körper.  421 

Wenn  ein  Stromstück  der  Länge  dl  und  der  Stromstärke  im 
(nach  elektromagnetischem  Maße)  senkrecht  schneidet  die  Eraft- 
linien  eines  Magnetfeldes  der  Intensität  ^,0  so  ist  die  pondero- 
motorische  Kraft  ft  auf  das  Stromelement: 

R=^imdl^  =  ^dl^,  (39) 

falls  t  die  Stromstärke  nach  elektrostatischem  Maße  ist.  Bei  der 
von  uns  (S.251)  festgesetzten  Lage  des  Coordinatensystems  geht 
Änach  der  X-Achse,  wenn  i  nach  der  y-Achse  und  §  nach  der  «- Achse 
läuft. 

Wenn  nun  ein  Ion  der  Ladung  e  in  der  Zeit  dt  sich  um  dtj 
nach  der  y-Achse  verschiebt,  so  ist  auf  der  Länge  dtj  nach  S.  365 

eine  Stromstärke  t  =  e9l'^  vorhanden,  wobei  91'  die  "Anzahl  der 

Ionen  pro  Längeneinheit  ist.    Daher  ist  nach  (39),  da  dl=df]  ist: 


fi=7^''^4l^- 


Diese  Kraft  wirkt  auf  sämtliche  Ionen,  die  auf  der  Strecke  di] 
liegen.  Ihre  Anzahl  ist  ^'dtj.  Die  auf  ein  Ion  wirkende  Kraft 
nach  der  x- Achse  ist  also: 

Äx  =  -^g§,.  (40) 

Wenn  noch  eine  Magnetisierung  nach  dertz-Achse  bestände,  so  käme 
durch  die  Verschiebung  g  noch  die  Kraft  hinzu: 

Diese  beiden  Tenne  (40)  und  (41)  sind  auf  der  rechten  Seite 
der  Bewegungsgleichungen  (6)  oder  (7)  (S.  411)  der  Ionen  hinzu  zu 
addieren.  Nehmen  wir  nur  isolierende,  keine  Leitungs-Ionen  an, 
wie  es  bei  allen  Körpern  mit  kleiner  elektrischer  Leitfähigkeit 
gestattet  ist,  so  folgt  daher 


1)  Wenn  die  Magnetisieningszahl  ^  des  Raumes  von  1  verschieden  Ist,  so 
ist  an  Stelle  von  ^  die  Kraftliniendichte  (die  Induktion)  einzusetzen. 


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422  Kapitel  VlI. 

und  durch  zyklische  Vertauschung  der  Buchstaben: 


(42) 


2.  Herleitmig  der  Differentialgleichungen.  Die  Funda- 
mentalgleichungen (3)  der  S.  409  bleiben,  wie  immer,  unverändert 
Da  wir  keine  rotierende  Ionen  voraussetzen,  die  Ionen  daher  bei 
ihrer  Bewegung  keine  magnetischen  Kraftlinien  mit  sich  führen, 
so  ist  die  Magnetisierungszahl  /m=1  zu  setzen,  und  es  gilt  die 
frühere  Beziehung  (vgl.  S.  255): 

(43)  4x8^  =  Yt^  ^^^y=??»  ^^^*==|J. 
Ferner  ist,  wie  früher  (S.365): 

4;r;x=-^(Z+4^2:egig), 

(44)  4njy^^^{Y+4jtSeSari), 
4jrjx=^^{Z+4jt2:emQ, 

Die  Gleichungen  (3),  (42),  (43)  und  (44)  enthalten  die  voll- 
ständige Theorie.  0 

Für  periodische  Zustandsänderungen  und  Benutzung  der 
früheren  Abkürzungen 

('^^^  *r  =  '»'  5;^^  =  ^' 

schreibt  sich  (42): 

(46)         eg(l  +  .-J-^4)-7?Ä('?§»-e§.)=|^- 


1)  Die  allgemeinste  Theorie  ist  zu  erhalten  aus  dem  oben  unter  A  be- 
nutzten Ansatz  rotierender  Ionen  in  Verbindung  mit  dem  System  (42).  Letzteres 
System  kann  streng  genommen  überhaupt  nie  fehlen,  sobald  bewegliche  Ionen 
vorhanden  sind  und  ein  äußeres  starkes  Magnetfeld.  Der  Einfachheit  halber 
ist  aber  hier  der  Ansatz  A  völlig  getrennt  vom  Ansatz  B. 


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Magnetisch-aktiye  Körper.  423 

Legt  man  die  ^Achse  in  die  Eichtang  des  Magnetfeldes,  sodaß 
§3.  =  §y  =  0,$«  =  $  wird,  nnd  benutzt  man  die  Abkürzungen: 


i  +  i?-^,=  Ö,      iL^-^^  (47) 


so  wird  nach  (46): 

e>7.Ö  +  ».eg.*=|-r,  (48) 

eg.ö  =*Z. 

Dies  kann  man  nach  §,  17,  g  auflösen  and  erhält: 

4xeg  (©2  _  4>2)  =  ^  (ÖX+  »4H0, 

4 jte  j?  (©2  -  *»)  =  *  (©r  -  »*Z),  (49) 

Daher  wird  nach  (44): 

^^^v  =  Tij- (^  +  2 ö^rr^ij  -  » -57  -^  ö^^iT».  (50) 

Wir  wollen  dies  abkürzen  in: 

4Jtjy=e    ^-tv-^,  (51) 

3.  Lichtstrahlen  parallel  zur  Magnetisierung.  In  diesem 
Falle  hängt  alles  nur  von  z  und  t  ab,  und  die  Gleichungen  (3), 
(43)  und  (51)  ergeben: 

If'^hX   ,     .    öy\  hß      lf„bY        .    bX\        ba 


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424  Kapitel  Vn. 

Eliminiert  man  a  und  ß,  so  folgt: 

/KON  c2    ö^'  d*2         0»  d^2  ' 

Setzt  man  zur  Integration  wie  oben  S.  394  u.  414: 

(54)  Z  =  J»fe^^'-^*\    r=ivJ^'-^^\ 

so  ergibt  sich  aus  (63): 

e"M  =  p'^c'^M  —  ivN,    b"N  =  p'^cm  +  iVilf, 
d.  h.  die  zwei  Wertsysteme: 

n ,  x  entsprechen  der  links-,  w",  x '  der  rechts-zirkularpolarisierten 
Welle.  Aus  der  Bedeutung,  welche  b"  und  v  nach  (50)  und  (51) 
haben,  folgt: 


Ist  T  nicht  nahe  bei  einer  Eigenschwingung,  so  kann  man  in 
6  das  imaginäre  Glied  i,  «/r  vernachlässigen^  es  ist  daher  x  =x'  =  0 
und  es  wird,  da  *  stets  klein  gegen  1,  d.  h.  auch  gegen  6  ist: 

Die  Drehung  d  der  Polarisationsebene  folgt  nach  (19)  (S.  396)  zu: 

(58)  ^  =  ^Äi-^^  -^)  =  ^^l?q::^- 

Setzt  man  das  Mittel  aus  n    und  n  gleich  n,  so  folgt: 


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Magnetuch-aktive  Körper.  425 

Daher  ist  nach  (57): 

Dabei  ist  der  Brechungsindex  n  bis  auf  erste  Ordnung  in  * 
gegeben  durch 

„2  =  i  +  2^-  (61) 

4.  Die  Dispersion  der  magnetischen  Drehung  der  Polari- 
sationsehene.  Durch  Einführung  der  Werte  von  ö  und  *  nach 
(47)  schreiben  sich  die  letzten  Gleichungen 

^—~2i^xr^^^{^_±Y'l'  (62) 


n2  =  2+2 


i-i*  (63) 

t2 


In  erster  Annäherung  ist  daher,  wie  nach  der  Hypothese  A, 
d  umgekehrt  proportional  zu  Xo\ 

Genügt  (vgl.  oben  S.  418)  zur  Darstellung  des  n^  die  zwei- 
konstantige  Dispersionsformel: 

^'  =  «  +  i2^.'  (64) 

(es  ist  anstatt  Xo  die  Wellenlänge  X  in  Luft  geschrieben),  so  muß 
sich  nach  (62)  6  durch  die  zweikonstantige  Dispersionsformel: 

darstellen  lassen,  a  und  h'  müssen  verschiedene  Vorzeichen  be- 
sitzen, wenn  nur  zwei  verschiedene  lonenarten,  eine  positiv-  und 
eine  negativ-geladene,  vorhanden  wären.  Dies  wäre  die  einfachste 
Annahme,  die  man  machen  kann. 

Die  Formel  (65)  stellt  die  Beobachtungen  an  Schwefelkohlen- 
stoff und  Kreosot  in  folgender  Weise  dar: 


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426 


Kapitel  VII. 


Schwefelkohlenstoff. 
X^2  =  0^0450    a  =  +  0,1 167    b' =  +  0,2379. 


Spektr.  Linie     6  ber. 


C 
D 
E 
F 
0 


6  beob. 


0,592 

0,592 

0,760 

0,760 

0,996 

1,000 

1,225 

1,234 

1,704 

1,704 

Kreosot 
i,2  =  0,0340    d 0,070    J'  =  +  0,380. 


Spektr.  Linie  i 

6  ber. 

ö  beob. 

C 

0,573 

0,673 

D             ;^ 

0,744 

0,758 

E           1 

0,987 

1,000 

^         1 

1,222 

1,241 

G            ' 

1,723 

1,723 

Der  Anschluß  der  Theorie  an  die  Beobachtungen  ist  fast 
ebenso  gut,  ein  wenig  schlechter,  als  der  nach  der  Hypothese  der 
Molekularströme  erzielte  Anschluß  (vgl.  oben  S.  418  u.  419). 

Aus  (63)  folgt,  wenn  man  ^/t^  ersetzt  durch  Xk^h 


<»-^2 


m 


Xh^. 


(-*') 


U2\2         A8 


mO- 


Da  nun  nach  (31)  und  (33)  oben  S.  376  Xh^  =^-^,  so  wird, 

falls  für  alle  lonengattungen  m  :  e  den  gleichen  Zahlwert  hat,  so- 
daß  man  diesen  Faktor  vor  das  Summenzeichen  setzen  kann: 


(in 


;.3 


m  ^ 

7. 


m 


Daher  ergibt  (62): 
(62') 


'(-«^ 


7' 


6  =  —  z&- 

^  m 


X^ 
2c 


dn 
dX' 


Es  entsteht  daher  eine  einkonstantige  Dispersions- 
formel,  aus    der  man  e:m  berechnen  kann.    Nach  dieser 


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Magnetisch-aktiye  Körper.  427 

Fonnel,  welche  tatsächlich  den  Gang  der  Dispersion  bei  vielen 
Substanzen  wenigstens  annähernd  darstellt,^  hat  Siertsema^) 
bei  Luft,  Kohlensäure,  Wasserstoff^  Wasser,  Schwefelkohlenstoff, 
Quarz  den  Quotienten  e  :  m  berechnet.  Es  ergeben  sich  für  ihn 
Werte,  die  zwischen  ^\m  =  0,75  .  10^  bis  1,77  .  10^  schwankten, 
also  annähernd  wiederum  das  fttt  freie  Elektronen 
charakteristische  Verhältnis.  Auch  entspricht  bei  diesen 
Substanzen  das  Vorzeichen  der  beobachteten  Drehung  rf  einer 
negativen  Ladung  e'.^)  Nun  kann  zwar  die  Formel  (62')  fttr  diese 
Substanzen  keine  ganz  strenge  sein,  weil,  wie  es  besonders  bei 
Wasser  eintritt,  auch  ultrarote  Eigenschwingungen  Einfluß  auf 
den  Brechungsindex  haben  und  für  diese  ß'/^  einen  viel  kleineren 
Wert  hat,  als  für  ultraviolette  Eigenschwingungen  (vgl.  oben  S.  377). 
Daher  kann  m  :  e  nicht  als  gemeinsamer  Faktor  vor  die  S  in  der 
Formel  für  dn :  dX  gezogen  werden.  Annähernd  ist  dies  aber  um 
so  mehr  gestattet,  bei  je  kleineren  Wellenlängen  die  Drehung  6 
dargestellt  werden  soll.  Daß  daher  die  so  berechneten  Werte  für 
e  :  m  noch  untereinander  schwanken,  ist  leicht  in  dieser  Weise 
zu  erklären,  und  daß  sie  annähernd  mit  dem  aus  Eathodenstrahlen 
erhaltenen  Wert  für  e  :  m  übereinstimmen,  bildet  eine  weitere, 
sehr  interessante  Bestätigung  dafür,  daß  man  die  Dis- 
persionserscheinungen von  der  universellen  Elektronen- 
theorie aus  zahlenmäßig  begründen  kann. 

Das  in  (65)  aufgestellte  Dispersionsgesetz  fügt  sich  diesen 
Betrachtungen  nicht  ein.  Denn  wenn  für  eine  lonengattung 
;Iä  =  0  ist,  so  müßte,  bei  konstantem  e  :  m  für  diese  lonengattung 
auch  das  zugehörige  d-h  =  0  sein.  Daher  müßte  dann  auch  die 
Konstante  a  =  0  sein.  Annähernd  fügt  sich  daher  die  Disper- 
sion des  Kreosot,  für  welches  sich  a  nach  (65)  sehr  klein  ergab 
(a=  — 0,070)  diesen  Betrachtungen,  d.  h.  der  Formel  (62');  bei 
Schwefelkohlenstoff  zeigen  sich  aber  stärkere  Abweichungen,  wie 
folgende  Tabelle  lehrt,  in  welcher  die  Zahlen  der  letzten  Kolonne 
in  willkürlichem  relativem  Maße  geraessen  sind: 


1)  Formal  (ohne  die  physikalische  Bedeutung  des  Faktors  («'/m)  zu  inter- 
pretieren, welches  Siertsema  zuerst  getan  hat),  hat  H.  Becquerel  dieses  Disper- 
sionsgesetz  aufgestellt  (C.  R  125,  S.  679,  1897). 

2)  L.  n.  Siertsema,  Ck>mmun.  Labor.  Leiden.  Nr.  82,  1902.  —  Versag 
V.  d.  Afd.  Naturk.  d.  Kon.  Akad.  v.  Wetensch.  de  Amsterdam.  S.  499,  1902. 

B)  Es  ergibt  sich  nämlich  die  Drehung  in  dem  ob^n  8.  415  besprochenen 
Sinne  positiv,  d.  h.  im  Sinne  der  Magnetfeld  ersetzenden  Ströme. 


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428 


Kapitel  VH. 


Schwefelkohlenstoff. 


Spektr. 

1 
Linie 

d    dx 

X   '  dn 

ö 

7,29 

D 

1             7,48 

E 

7,60 

F 

7.41 

Q 

6,00 

Die  Inkonstanz  der  Zahlen  der  letzten  Kolonne  spricht  also  da- 
für, daß  Formel  (62')  nicht  streng  gültig  ist  In  der  Tat  haben  bei 
Schwefelkohlenstoff  ultrarote  Eigenschwingungen  merklich  Einfluß 
auf  den  Brechungsindex.  Wenn  man  daher  e  :  m  nach  (62') 
bei  Schwefelkohlenstoff  berechnet,  so  muß  das  Resultat  je  nach 
den  benützten  Farben  etwas  schwanken. 

5.  Die  Wellenlänge  liegt  nahe  bei  einer  EigenwellenlSnge. 
Wenn  die  Lichtperiode  nahe  bei  einer  Eigenschwingung  liegt,  so 
darf  der  Reibungsterm  «jr  nicht  vernachlässigt  werden.  Wir  wollen 
annehmen,  daß  T  nahe  benachbart  sei  der  Eigenperiode  TJ  der 
lonengattung  1,  und  setzen  daher  t  =  y6j^  (1 +^)  =  ri  (1 +^), 
wobei  g  klein  gegen  1  sein  solL  In  den  Formeln  (56)  kann  man 
dann,  da  *  klein  ist,  bei  allen  Gliedern  der  JS,  welche  sich  nicht 
auf  die  lonengattung  1  beziehen,  setzen: 


(66) 


sodaß  unter  Benutzung  der  Abkürzungen: 


^+2 


(67) 


m 


=  Ä,   2 


0^9(J 


(i  -  ±J 


=  ^', 


Ti  '     ^;r  c  Ti  ei  ^         ^  '       *     *  ' 


aus  (56)  entsteht,  wenn  man  nur  auf  erste  Ordnung  in  g  entwickelt 
und  g '  g)  vernachlässigt  gegen  g  oder  g>: 


(68)  n  2  (1  —  ixy=Ä  +  a'  + 

(69)  n"2  (1  -  ix"y  =  A'-A'  + 


B 


2g-\-ih'-  <p' 


2g  +  «Ä  -+-  9) 


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Magnetisch-aktiTe  Körper.  429 

Der  imaginäre  Bestandteil  der  rechten  Seite  von  (68)  wird  mög- 
lichst groß,  d.  h.  es  tritt  für  eine  links-zirkularpolarisierte  Welle 
maximale  Absorption  ein,  falls  ist: 

2g  =  +(p,  d.h.  t2=t/2  =  ti2(1  +  ^j),  (70) 

far  eine  rechts-zirkularpolarisierte  Welle  tritt  dagegen  maximale 
Absorption  anf  bei 

2gv=  —  g)^  d.h.  T2=Tr2  =  ri2(l  — 9>).  (71) 

Durch  die  Magnetisierung  parallel  den  Lichtstrahlen 
wird  also  bei  einfallendem  natürlichem  Licht  ein  ur- 
sprünglich vorhandener  schmaler  Absorptionsstreifen 
verdoppelt  In  dem  einen  Streifen  ist  links-zirkular- 
polarisiertes  Licht  stark  absorbiert,  sodaß  das  durch- 
gehende Licht  geschwächt  erscheint  und  rechts-zirkular- 
polarisiert  ist,  in  dem  anderen  Absorptionsstreifen  fehlt 
das  rechts-zirkularpolarisierte  Licht 

Dasselbe  Resultat  würde  sich  auch  nach  der  Hypothese  A  der 
Molekularströme  ergeben. 

Wenn  g  nicht  sehr  klein  und  der  absolute  Betrag  von  2  g 
größer  als  g>  ist,  sodaß  h  neben  2g+g)ZVi  vernachlässigen  ist, 
so  kann  man  in  (68),  69)  oc  und  x"  =  Null  setzen,  vorausgesetzt, 
daß  die  rechten  Seiten  positiv  sind.  Man  erhält  also  in  einiger 
Entfernung  vom  Absorptionsstreifen: 


2g  — <p  ^  ^'\-9 

[Damit  die  rechten  Seiten  stets  positiv  seien,  muß  der  ab- 
solute  Betrag  von  A  den  absoluten  Betrag  von  j—^-  tibertreffen.] 
Nach  Formel  (59)  auf  S.  424  ergibt  sich  die  Drehung  ö  der  Pola- 
risationsebene : 

wobei  (72) 

Hiemach  erscheint  die  Drehung  ö  zu  beiden  Seiten  des  Ab- 
sorptionsgebietes (t  =  Ti)  von  gleichem  Vorzeichen  und  nahezu 


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430  Kapitel  VIL 

symmetrisch  verteilt,  da  6  annähernd  nur  von  g^  abhängt  Das- 
selbe Resultat  ergibt  sich  aus  der  Dispersionsformel  (62).  Wenn 
6  positiv  ist,  so  erfolgt  nach  S.  415  die  Drehung  im  Sinne  der 
(paramagnetischen)  Ampfereschen  Molekularströme.  Da  das  Vor- 
zeichen von  d  durch  den  kleinen  Term  A'  nicht  bestimmt  wird, 
sondern  durch  das  viel  bedeutendere  Glied  ^95:  (^^^  —  952),  und  da 
der  absolute  Betrag  von  2g  größer  als  q>  sein  soll,  da  femer  B 
stets  positiv  ist,  so  hängt  das  Vorzeichen  von  ö  nur  von  q)  ab, 
d.  h.  der  Ladung  e^.  Bei  positivem  e^,  d.  h.  9)>0,  erfolgt  daher  6 
entgegen  den  Molekularströmen,  ferner  ist  r«  >  Tr,  d.  h.  diejenige 
Welle  (l\  deren  Erregungsbahn  im  Sinne  der  Molekularströme 
durchlaufen  wird,  wird  bei  einer  langsameren  Periode  T  maximal 
absorbiert,  als  die  Welle  (r),  deren  Erregungsbahn  entgegen  den 
Molekularströmen  durchlaufen  wird.  —  Bei  negativem  e^  wird  die 
Polarisationsebene  im  Sinne  der  Molekularströme  gedreht  Es  ist 
dann  rz  <  rr,  d.  h.  allgemein  wird  diejenige  Welle,  deren  Er- 
regungsbahn in  demselben  Sinne  durchlaufen  wird,  wie  die  Ro- 
tation 6  der  Polarisationsebene  erfolgt,  bei  einer  kürzeren  Periode 
maximal  absorbiert,  als  die  entgegengesetzt  rotirende  Welle. 

Alle  diese  Folgerungen  werden  nun  in  der  Tat  am  Natrium- 
dampf bestätigt,  wie  weiter  unten  noch  näher  besprochen  werden 
soll.  Für  beide  Absorptionslinien  des  Dampfes  (für  beide  D- 
Linien),  welche  derselbe  im  unmagnetischen  Zustande  zeigt,  ergibt 
sich  das  zugehörige  e  negativ.  Die  beiden  D-Linien  des 
Natriumdampfes  werden  also  durch  negativ-geladene 
Ionen  (Elektronen)  verursacht 

Die  Absorption  an  der  Stelle  g  =  0  kann  gering  sein,  wenn 
g>  groß  gegen  h  ist.    Dann  wird  nach  (68),  (69): 

n'2  =  ^  +  /-:?,   n"^=A-A'  +  ^' 

Die  rechten  Seiten  müssen  positiv  sein,  wenn  diese  Gleichungen 
Sinn  haben  sollen,  d.  h.  der  absolute  Betrag  von  A  muß  größer 
sein,  als  der  von  ^/y.  Die  Drehung  6  der  Polarisationsebene  ist 
dann  proportional  zu 

(73)  rf^!L!^'=5/^_.^'. 

6  ist  daher  groß,  da  9)  klein  ist.  Bei  positivem  e^  erfolgt  ö 
im  Sinne  der  Molekularströme,  d.  h.  in  entgegengesetztem  Simxe, 


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Magnetisch-aktäve  Körper.  431 

wie  in  der  Nachbarschaft  außerhalb  des  Absorptionsgebietes.  Trotz- 
dem brauchen  keine  Nullstellen  für  d  zu  existieren,  denn  an  den 
Stellen  starker,  aber  verschiedener  Absorption  nx  und  n'x"  hat 
es  überhaupt  keinen  Sinn,  von  der  Drehung  6  der  Polarisations- 
ebene zu  sprechen.  —  Daß  die  Drehung  cJ  in  der  Nähe  eines  Ab- 
soi-ptionsstreifens  sehr  groß  wird,  ist  in  der  Tat  von  Macaluso 
und  Corbino  am  Natriumdampf  gefunden  worden.  (Vgl.  oben 
S.  419,  Anm.  1).  Diese  Beobachtungen  entsprechen  auch  der  hier 
gegebenen,  d.  h.  auf  der  Hypothese  des  Halleffektes  aufgebauten 
Theorie.*)  Femer  hat  Schmauß^)  an  Farbstoff-Lösungen  starke 
anomale  (d.  h.  vom  gewöhnlichen  Dispersionsgang  abweichende) 
Drehung  6  gefunden. 

6,  Lichtstralileii  senkrecht  zur  Magnetisierung.  Als  Richtung 
der  Magnetisierung  wählen  wir  die  ;t;- Achse,  als  Richtung  der 
Wellennormale  die  x- Achse.  Dann  hängt  alles  nur  von  x  und  t  ab, 
und  die  Gleichungen  (3),  (43)  und  (51)  ergeben: 

„bX  ,    .    hY      ^ 

^  -¥+*^^  =  ö, 

c   bt       S' 
_  Ibß       bZ       idy_       ÖY 

"~"'     e   bt"^'^'      ebt~       ^' 

Eliminiert  man  ß  und  7,  so  folgt: 


(75) 


Die  beiden  ersten  Gleichungen   ergeben  durch  Elimination 
von  X: 

v'^\  b^Y        „  b^Y 
bt^ 


e'X  +  ivY 

=  0, 

e"b^Y 

^'^J-V 

V  b'^X 

c2  0^2  = 

=  W^+' 

c2  bt^  ' 

e'  b^Z_ 

b^Z 

C2    bt^ 

bx^ 

(."-?) 


'--  =  ^^W^'  (76) 


1)  VgL  dazu  das  N&here  bei  W.  Voigt,  Ann.  d.  Phys.  6,  S.  790, 1901.  — 
8,  S.  872,  1902. 

2)  A.  Schmauß,  Ann.  d.  Phys.  2,  S.  280,  1900.  —  8,  S.  842,  1902.  — 
10,  8.  853,  1903.  —  Seine  Beobachtungen  wurden  von  F.  J.  Bat  es,  (Ann.  d. 
Phys.  12,  S.  1080,  1903)  bestritten,  sind  aber  von  R  W.  Wood  (Phys.  Ztschr. 
6,  S.  416, 1905)  an  gesättigter  Lösung  von  Praseodym-chlorid  bestätigt  worden. 


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432  Kapitel  VII. 

Setzt  man  zur  Integration: 

x-mJ'-'^''\  r_iv.7»-^''>.  z-nA'-'-'^\ 

SO  folgt  aus  (75)  und  (76): 

(77)  e"-^=ph\  e=p^\  M=-'Xn. 

Die  Fortpflanzungsgeschwindigkeiten  von  Z  und  Y  sind  also 
verschieden,  d.  h.  der  Körper  verhält  sich  wie  ein  doppel- 
brechendes Medium.  Für  Z,  d.h.  fttr  eine  senkrecht  zur  Mag- 
netisierung polarisiei-te  Welle,  ergibt  sich  Brechungsindex  und 
Absorptionsindex  aus 

(78)  p^c^  =  n^l-ixy=^s=i+^^, 

für  die  parallel  zur  Magnetisierung  polarisierte  Welle  folgt 


(79)     ^2(i_,^)2=i+2§2zr^, .  ^  ^^le — 

Der  Unterschied  von  n  und  n  ist  im  allgemeinen  sehr  klein, 
da  er,  wenn  6  nicht  sehr  klein  wird,  erst  von  zweiter  Ordnung 
in  *  wird.  Daher  kann  diese  magnetische  Doppelbrechung  erst 
bemerklich  werden  in  der  Nähe  einer  Eigenwellenlänge,  da  dann 
6  sehr  klein  ist. 

7.  Die  Wellenlänge  liegt  nahe  bei  einer  Jligenwellen- 
länge.  Wir  setzen  wie  früher  t  =  r^  {1  +  g)  =  Vh  (l  +  g\  und 
nehmen  g  als  klein  gegen  1  an. 

Dann  ist  in  jedem  Gliede  unter  dem  Summenzeichen,  abge- 
sehen von  dem  sich  auf  die  lonengattung  1  beziehenden  Gliede, 
e  als  reelle  Größe  zu  betrachten,  welche  nicht  sehr  klein  ist 
*2  ist  dann  neben  0^  2u  vernachlässigen. 

Verwendet  man  daher  die  Abkürzungen  (67)  der  S.  428,  so 
wird: 


{2g  +  ih- 


(2y  4- t/02  — 9)2 


[{2!;-i-ih)^-^r^A  +  (2g^ifi)B^ 


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Magnetisch-aktive  Körper.  433 

oder 

Bei  einem  Metalldampf  ist  nun  der  Brechungsindex  stets  sehr 
nahe  gleich  1,  selbst  wenn  g  ziemlich  klein  ist  Daraus  schließt 
man  (vgl  z.  B.  die  Formeln  für  n^  auf  S.  429),  daß  A  nahezu 
gleich  1  und  B  sehr  klein  sein  muß,  so  daß  man  im  zweiten  Gliede 
der  rechten  Seite  von  (80),  welches  den  kleinen  Faktor  B  ent- 
hält, B  gegen  A  vernachlässigen  kann.    Man  erhält  dadurch 

nni-a.^=^+(,^^^,-  (81) 

Der  imaginäre  Bestandteil,  d.  h.  die  Absorption,  wird  daher, 
falls  h  sehr  klein  ist,  möglichst  groß,  wenn  ist: 

4g^—q>^=0,  d.h.  2g  =  ±q).  (82) 

Für  die  parallel  zur  Magnetisierung  polarisierte 
Welle  sind  daher  zwei  Absorptionsstreifen  vorhanden, 
welche  zu  beiden  Seiten  des  in  unmagnetischem  Zu- 
stande vorhandenen  Absorptionsstreifens  liegen. 

Für  die  senkrecht  zur  Magnetisierung  polarisierte  Welle  folgt 
aus  (78): 

nm-ixy  =  A  +  ^-^^^  (83) 

Die  maximale  Absorption  liegt  an  der  Stelle  ^  =  0.  Für  die 
senkrecht  zur  Magnetisierung  polarisierte  Welle  ändert 
sich  also  die  Absorption  nicht  durch  die  Magnetisierung 
Wenn  2g  groß  gegen  h  und  gegen  <p  ist,  so  wird  x  und  x' 
sehr  klein  und  näherungsweise  ist: 

.2  _   .    ,    5       A.^\-hB^2g_        2  _  j  _r  -S 
^     —'^'^  2g  Ä{4g^-ip^)-\-B.2g^    ^    —'^^2g^ 

daher 

B  Aip^ 


i  ^  —  n^  ^=  -^  ' 


n  ^  —  n 


2  g    4g^u^  —  Ag)^^ 

oder  da  4g^  groß  gegen  q>^  sein  soll,  so  ist  annähernd 

d.  h.  positiv  oder  negativ  je  nach  dem  Vorzeichen  von  g,  aber 

Drude,  Lehrbuch  d.  Optik.   3.  Aufl.  28 


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434  Kapitel  VII 

unabhängig  von  der  Magnetisierungsrichtung  und  dem  Vorzeichen 
von  9).  Dieses  Gesetz  der  magnetischen  Doppelbrechung  haben  in 
der  Tat  Voigt  und  Wiechert  am  Natriumdampf  zu  bestätigen 
vermocht  0 

8.  Der  Zeemann-Effekt.  Zeemann^)  hat  beobachtet,  daß 
eine  schmale  Emissionslinie  eines  Metalldampfes,  z.  B.  von  Natrium 
oder  Kadmium,  in  zwei,  bezw.  drei  Linien  (Doublet,  bezw.  Triplet) 
sehr  nahe  benachbarter  Perioden  zerfällt,  wenn  der  Metalldampf 
magnetisiert  wird.  Das  Doublet  tritt  ein  für  die  Emissionsrich- 
tung, die  mit  der  Richtung  der  magnetischen  Kraftlinien  zu- 
sammenfällt, das  Triplet  für  dazu  senkrechte  Emissionsrichtungen. 
Diese  Erscheinungen  werden  durch  die  Differentialgleichungen  (42) 
der  S.  422  sofort  erklärt,  sobald  man  in  ihnen  X=  Y=  Z^'O 
setzt,  d.  h.  annimmt,  daß  die  Ionen  ohne  Einfluß  einer  äußeren 
einfallenden  Kraft  schwingen;  das  Resultat  entspricht  dann  der 
lediglich  durch  innere  Vorgänge  (z.  ß.  Temperatursteigerung)  her- 
vorgebrachten Emission  des  Lichtes.  —  Legt  man  die  «-Achse  in 
die  Richtung  des  Magnetfeldes  ^,  vernachlässigt  man  die  Reibungs- 
glieder r,  schreibt  man  für  e:c  die  nach  elektromagnetischem 
Maße  gemessene  Ladung  e\  so  wird  (42) 


(S5)  ^dr^  +  ^-n  =  —  ^^di 

Die  Schwingungen  g  in  der  Richtung  des  Magnetfeldes  werden 
also  durch  dasselbe  gar  nicht  beeinflußt,  sie  finden  mit  derselben 
Periode  t^  statt,  wie  ohne  Magnetfeld.  Aus  der  letzten  Gleichung 
(S5)  folgt  Tj^  =  w{f :  4jte\  —  Setzt  man 


^t 

^t 

1  = 

-M.e^    , 

T]  = 

■-Ne^    , 

so  ergibt  (85): 

(86) 

{h- 

i 

m      ♦ 
V  m 

1)  über  das  Nähere  dieses  Versuches  vgl.  W.  Voigt,  Wied.  Ann.  67 
S.  360.  1899. 

2)  P.  Zeemann,  Phil,  Mag.  (5),  43,  S.  226,  44,  S.  255,  1897. 


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Magnetisoh-aktive  Körper.  435 

Daher  entsteht  durch  Elimination  von  M  und  N: 

(f.-^)'-M'e)'-  w 

Setzt  man  ferner  x  =  x^  iX  +  9)  (analog  wie  oben  in  §  7),  wobei 
g  klein  gegen  1  ist,  da  der  Einfluß  vom  Magnetfeld  ^  immer  nur 
gering  ist,  so  folgt  aus  (87),  da  man  auf  der  rechten  Seite  wegen 
des  Faktors  ^^  d^n  Näherungswert  r  =  r^  einsetzen  darf: 

29  =  ±Ty^i'  (88) 

Bezeichnet  man  die  Schwingungen,  für  welche  das  obere 
Vorzeichen  gilt,  mit  dem  Index  +,  die  anderen  mit  dem  Index  — , 
so  ergibt  (86): 

itt|.  =  iiV^,    M-  =  —  iN-.  (89) 

Diese  Gleichungen  enthalten  nun  in  der  Tat  das  Zeemann- 
Phänomen.  Blickt  man  nämlich  in  Richtung  der  magnetischen 
Kraftlinien  («-Achse),  so  können  die  Schwingungen  £  kein  Licht 
ergeben,  da  dasselbe  nur  in  Transversalschwingungen  fortgepflanzt 
wird.  Die  Schwingungen  g,  tj  ergeben  aber  zwei  Wellen  mit  von- 
einander verschiedenen  Perioden  r,  und  zwar  ist  nach  (89)  und 
oben  S.  395  die  (+)- Welle  links-,  die  (—)- Welle  rechts-zirkular- 
polarisiert.  Da  sich  nun  ergibt,  daß  die  links-zirkularpolarisierte 
Welle  nach  kleineren  Perioden  t  verschoben  ist,  so  muß  g  für 
das  obere  Vorzeichen  in  (88),  welches  ja  der  (+)-Wellen  entspricht, 
negativ  sein,  d.  h.  auch  e  ist  negativ.  Dies  ist  also  die  Er- 
klärung des  Zeemannschen  Doublets. 

Blickt  man  senkrecht  zur  Eichtung  des  Magnetfeldes  in  Rich- 
tung der  ^Achse,  so  ist  das  senkrecht  zum  Magnetfeld  polari- 
sierte Licht,  welches  von  den  g-Schwingungen  herrührt,  unver- 
ändert, während  das  parallel  zur  Magnetisierung  polarisierte  Licht, 
welches  durch  die  g-Schwingungen  hervorgebracht  wird,  in  zwei 
verschiedenen  Perioden  schwingt.  So  erklärt  sich  daher  das  von 
Zeemann  beobachtete  Triplet 

Aus  der  Messung  der  beiden  Triplets,  in  welche  die  beiden 
Natriumlinien  {D^  und  D<^)  zerfallen,  hat  Zeemann  in  einem 
Magnetfelde  der  Stärke  ^  =  22400  absolute  Einheiten  als  Distanz 
2  g  der  beiden  äußeren  Linien  eines  Triplets  den  Zahlen  wert 
2g  =  2:  17800    erhalten.     Daher   folgt   nach    (88),    falls    man 

28* 


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436  K^itel  VII 

T^=  T^:  2x  =  Xii  2jtc  setzt,  wobei  X^  die  Wellenlänge  des  Na- 
triumlichtes bedeutet,  c  =  3  •  10^<>  die  Lichtgeschwindigkeit: 

^=1,6.101 

Es  ergibt  sich  also  wiederum  die  für  freie  negative 
Elektronen  charakteristische  Zahl  ejm. 

Aus  Beobachtung  einer  Kadmiumlinie  {X  =  0,48  (i)  ergab  sich 
jenes  Verhältnis  zu  2,4  •  101 

Dieses  Zeemann-Phänomen  bildet  daher  eine  sehr 
direkte  und  wichtige  Stütze  für  die  Elektronentheorie. 

Durch  genauere  Untersuchung  mit  Hilfe  der  oben  S.  214  be- 
schriebenen Methode  der  hohen  Interferenzen  hat  Michelson*) 
gefunden,  daß  meist  eine  kompliziertere  magnetische  Zerfällung 
der  Emissionslinien  als  in  Doublets  bezw.  Triplets  eintritt.  Es 
ist  dies  schon  allemal  dann  zu  erwarten,  falls  die  üntersuchungs- 
methode,  wie  bei  dem  Michelsonschen  Apparate,  bis  zu  einer 
solchen  Feinheit  getrieben  wird,  daß  die  Emissionslinien  auch 
außerhalb  des  Magnetfeldes  einen  gewissen  komplizierteren  Bau 
aufweisen,  als  er  in  den  bisherigen  theoretischen  Annahmen  ent- 
halten ist,  z.  B,  wenn  eine  Emissionslinie  zwei  nahe  benachbarte 
Maxima  der  Emission  aufweist. 2)  Außerdem  ist  auch  eine  theo- 
retische Erweiterung  der  Bewegungsgleichung  (46)  der  Ionen  mög- 
lich, wenn  man  nämlich  den  Einfluß  der  Bewegung  benachbarter 
Ionen  berücksichtigen  würde.  Es  würden  dann  in  jener  Gleichung 
noch  zweite  Differentialquotienten  der  elektrischen  Kraft  nach  den 
Koordinaten  auftreten  und  dadurch  würde  eine  kompliziertere  mag- 
netische Zerfällung  der  Absorptions-,  d.  h.  auch  der  Emissions- 
linien  folgen. 3) 


1)  Vgl  Phü.  Mag.  45,  S.  348,  1898.  —  Astrophys.  Jonrn.  7,  8.  131;  8, 
S.  37,  1898.  —  Wied.  Beibl.  1898,  S.  797. 

2)  Über  interessante  Eegelmäßigkeiten  bei  der  magnetischen  Zerlegung 
der  Serienspektren  vgl.  C.  Runge  und  F.  Paschen,  Berl.  Akad.  1902, 
S.  380,  720. 

3)  In  anderer  Weise  erklärt  Voigt  (Wied.  Ann.  68,  S.  352,  1899)  die 
anomiden  Z  e  e  m  an  n  -  Effekte,  nämlich  durch  longitudinale  magnetische  Effekte. 
Indes  fehlt  bisher  die  physikalische  Vorstellbarkeit  hierfür.  —  Zur  Berechnung 
des  Zeemann- Phänomens  benutzt  Voigt  den  Kirschhoffschen  Satz  (vgl.  unten 
im  III.  Abschnitt  dieses  Buches),  daß  die  Emmissionslinien  eines  Gases  bei 
denselben  Perioden  liegen,  wie  seine  Absorptionslinien,  und  berechnet  die  Lage 
der  letzteren  auf  Grund  analoger  Differentialgleichungen,  wie  sie  hier  in  §  2 


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Magnetiscli-aktiye  Körper.  437 

Der  direkte  Nachweis  der  Zeemann -Effekte  erfordert  ein  sehr 
stark  auflösendes  Gitter  oder  Prisma.  Bequemer  ist  daher  eine 
von  W.  König  ^)  beschriebene  Versuchsanordnung,  nach  der  eine 
im  Magnetfelde  befindliche  Natriumflamme  durch  eine  andere, 
außerhalb  des  Magnetfeldes  befindliche  Flamme  betrachtet  wird. 
Blickt  man  senkrecht  zur  Magnetisierung,  so  erscheint  die  erste 
Flamme  hell  und  zwar  polarisiert  Wegen  des  Kirchhoffschen 
Satzes  von  der  Gleichheit  von  Emission  und  Absorption  (vgl. 
weiter  unten  im  III.  Abschnitt,  11.  Kapitel,  §  4)  müssen  nämlich 
nur  diejenigen  Schwingungen  der  magnetisierten  Natriumflamme 
durch  die  unmagnetisierte  Natriumflamme  absorbiert  werden, 
deren  Periode  im  Magnetfeld  dieselbe  ist,  wie  außerhalb  des 
Magnetfeldes.  Vielleicht  ist  auch  in  dieser  Weise  (durch  Absorption 
im  Flammenmantel  bei  nicht  völlig  homogenem  Magnetfeld)  die 
von  Egoroff  und  Georgiewsky^)  beobachtete  Erscheinung  zu 
erklären,  daß  eine  Natriumflamme  im  Magnetfelde  partiell  polari- 
siertes Licht  aussendet  senkrecht  zur  Magnetisierungsrichtung. 
Aber  auch  in  völlig  homogenem  Magnetfelde  wäre  diese  Erschei- 
nung theoretisch  zu  erklären,  da  die  gesamte  Absorption  rix  für 
die  nach  der  Magnetisierungsrichtung  polarisierten  Wellen,  nach 
Formel  (80)  für  alle  möglichen  Werte  von  g  berechnet,  sich  etwas 
verschieden  ergibt  von  der  gesamten  Absorption  nx  der  senkrecht 
zur  Magnetisierung  polarisierten  Wellen,  wie  sie  aus  (83)  für  alle 
möglichen  Werte  von  g  gefunden  wird.^) 

9.  Die  magueto-optischen  Eigenschaften  von  Eisen,  Nickel, 
Kobalt,  Haben  wir  im  vorigen  gesehen,  daß  bei  Metalldämpfen 
die  Vorstellung  der  Molekularströme  nicht  zu  einer  befriedigenden 


hergeleitet  sind;  Voigt  enthält  sich  aber  einer  physikalischen  Deutung  der 
Koeffizienten  dieser  Differentialgleichungen.  Diesen  in  Wied.  Ann.  67,  8.  345, 
1899  gegebenen  Ausgangspunkt  seiner  Theorie  entwickelt  Voigt  weiter  in  Wied. 
Ann.  68,  8.  352;  69,  8.  290,  1899.  —  Ann.  d.  Phys.  1,  8.  376,  389,  1900.  — 
6,  8.  790,  1901.  —  8,  8.  872,  1902. 

1)  W.  König,  Wied.  Ann.  68,  8.  268,  1897. 

2)  Compt.  rend.  127,  S.  748,  949,  1897. 

3)  Voigt  (Wied.  Ann.  69,  8.  290,  1899)  erhält  die  von  Egoroff  und 
Georgiewsky  beobachtete  Erscheinung,  sowie  wechselnde  In tensitäts Verhält- 
nisse beün  Zeemann -Effekt  durch  die  Annahme,  daß  die  Reibungskoef- 
fizienten r  in  den  Ausgangsgleichungen  (42)  der  S.  422  von  der  Stärke  des 
Magnetfeldes  abhängen  sollen  und  zwar  je  nach  der  Richtung  der  Schwingungen 
in  verschiedener  Weise.  —  Für  diese  Annahme  fehlt  allerdings  zunächst  die 
Möglichkeit  einer  einfachen  und  plausibeln  physikalischen  Herleitung. 


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438  Kapitel  VII. 

Darstellung  der  Erscheinungen  führt,  so  muß  man  zur  Erklärung 
der  magneto-optisohen  Eigenschaften  der  stark  magnetisierbaren 
Metalle  an  dieser  Vorstellung  festhalten.  Am  einfachsten  wird 
dies  dadurch  bewiesen,  daß  in  diesen  Metallen  die  magneto-opti- 
schen  Effekte  proportional  zur  Magnetisierung  des  Metalls  sind,^) 
daher  auch  einen  endlichen  Grenzwert  (bei  Magnetisierung  des 
Metalls  bis  zur  Sättigung)  erreichen,  auch  wenn  das  äußere  Mag- 
netfeld weiter  gesteigert  wird.  Die  Benutzung  des  Halleffektes 
würde  dagegen  einen  solchen  Grenzwert  nicht  ergeben,  2)  da  die 
magneto-optischen  Effekte  proportional  zur  magnetischen  Induktion 
im  Körper  sein  müssen,  d.  h.  proportional  zur  Dichte  der  gesamten 
magnetischen  Kraftlinien.  Streng  genommen  kann  nun  allerdings 
der  Halleffekt  auch  bei  vorhandenen  Molekularströmen  nie  ganz 
fehlen,^)  indes  zeigen  die  Erscheinungen,  daß  bei  Eisen,  Nickel, 
Kobalt  der  Einfluß  der  Molekularströme  jedenfalls  bedeutend  den 
Einfluß  des  Halleffektes  überwiegt,  und  daher  wollen  wir  zur  Ein- 
fachheit die  Halleffekt-Glieder  jetzt  gar  nicht  benutzen. 

a)  Durchgehendes  Licht.  Lassen  wir  ebene  Wellen  senk- 
recht durch  eine  dünne  Eisenschicht  fallen,  welche  normal  zu  ihrer 
Fläche  magnetisiert  ist,  so  gelten  die  Formeln  des  §  3,  S.  413.  Be- 
zeichnen wir  mit  n  und  x  Brechungsindex  und  Absorptionsindex 
des  unmagnetisierten  Metalls,  ferner  mit  n  und  x  die  betreffenden 
Größen  für  die  links-zirkularpolarisierte  Welle  im  magnetisierten 
Metall,  mit  n"  und  x"  für  die  rechts-zirkularpolarisierte  Welle,  so 
ist  nach  (28)  und  (29)  auf  S.  415  bei  Entwicklung  bis  auf  erste 
Ordnung  in  v: 

/c  =  n  (l-^x')  =  V7(l-^y, 
w  (1  —  ix)  =  "j/X 


1)  Dies  ist  durch  Versuche  von  Kundt  (Wied.  Ann.  27,  8. 191,  1886)  und 
H.  E.  I.  G.  du  Bois  (Wied.  Ann.  89,  ö.  25,  1890)  bewiesen. 

2)  Dies  sowie  verschiedene  Gestalt  der  Dispersionsgesetze  würde  der  ein- 
zige Unterschied  zwischen  beiden  Theorien  sein,  sonst  wären  sie  formal  iden- 
tisch, falls  man  nach  der  Hallefiekt-Hypothese  nur  bis  auf  erste  Ordnung  in 
den  magneto-optischen  Zusatzgliedem  entwickelt,  was  allemal  gestattet  ist,  da 
bei  Metallen  keine  schmalen  Absorptionslinien  vorkommen. 

3)  Vgl.  die  Anm.  1  auf  S.  422. 


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MagnetUch-aktive  Körper.  439 

Bringt  man  v  in  die  Fonn 

pr=  a  +  bi, 
wobei  a  und  h  reell  sind,  so  wird 

//  /  W    /        I      1     \  ff     rf  ff  W    /  ,v 

n    —  n  '==—  (a  +  wc),    n   x   — n  x  =  — (ax  —  0). 

Die  letzte  Formel  besagt,  daß  rechts-  und  links-zirkularpola- 
risiertes  Licht  in  verschiedener  Weise  absorbiert  wird,  die  erste 
Formel  ergibt,  falls  n'x"  und  nx  nur  wenig  voneinander  ver- 
schieden sind,  so  daß  das  austretende  Licht  näherungsweise  linear- 
polarisiert bleibt,  die  Drehung  6  der  Polarisationsebene  linear- 
polarisierten Lichtest  gemäß  Formel  (19')  auf  S.  396  zu: 

6  =  £^{n'  —  n)  =  2^,xn{a  +  bxy  (90) 

wobei  ZQ=cT=2j€cr  gesetzt  ist. 

Die  Metallschichten  müssen  sehr  dünn  sein  (Bruchteile  von 
^),  damit  sie  überhaupt  noch  durchsichtig  sind.  Trotzdem  werden 
merkliche  Drehungen  6  beobachtet,  z.  B.  bei  ;ij  =  0,332  ^  beträgt 
bei  Eisen,  welches  zur  Sättigung  magnetisiert  ist,  für  rotes  Licht 
(Ao  =  0,00064  mm)  d=4,25^.  Daraus  würde  für  eine  Eisen- 
schicht von  1  cm  Dicke  der  enorme  Betrag  d  =  200  000<^ 
folgen!  Nach  diesen  Beobachtungen  und  der  Formel  (90)  folgt 
daher  bei  rotem  Licht,  wenn  man  als  Längeneinheit  das  Zentimeter 
wählt,  für  Eisen,  das  bis  zur  Sättigung  magnetisiert  ist: 

w  (a  +  bx)  =  0,758  •  10-^ 

Das  Vorzeichen  von  a  -{-  bx  ist  positiv,  da  die  Drehung  d  im 
Sinne  der  paramagnetischen  Molekularströme  erfolgt  (vgl.  S.  415). 

Die  Abhängigkeit  der  Drehung  cJ  von  der.  Periode  r  oder 
Wellenlänge  ^  ergibt  sich  aus  den  Formeln  (20),  (21)  der  S.  413, 
sowie  nach  (90).  Auffallend  ist,  daß  d  mit  abnehmendem  Xq  ab- 
nimmt. 2)    Auf  Grund  der  Formel   (90)  wird  dies  Verhalten  da- 


1)  Man  kann  von  derselben  nur  sprechen,  falls  «'V  und  nV  nur  wenig 
von  einander  verschieden  sind,  so  daß  das  austretende  Licht  näherungsweise 
linearpolarisiert  bleibt. 

2)  Vgl.  darüber  die  Beobachtungen  von  Lob  ach,  Wied.  Ann.  89, 
S.  847,  1880. 


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440  Kapitel  VIL 

durch  wahrscheinlich  gemacht,  das  n  and  nx  tatsächlich  mit  ab- 
nehmendem Xq  stark  abnehmen,  während  aus  (21)  folgt,  daß  a 
und  b  ebenfalls  mit  abnehmendem  Xq  abnehmen,  wenn  nur  eine 
Gattung  Leitungsionen  besondei's  wirksam  ist  für  den  magneto- 
optischen Effekt. 

b)  Keflektiertes  Licht  (Kerrsches  Phänomen).  Um  die 
Eigenschaften  des  an  einem  Magnetspiegel  reflektierten  Lichtes  be- 
rechnen zu  können,  müssen  die  Grenzbedingungen  an  der  Ober- 
fläche des  Spiegels  aufgestellt  werden.  Man  kann  dieselben  aus 
den  Differentialgleichungen  (18)  und  (19)  (S.  413)  herleiten  aus  der 
Überlegung,  daß  die  Oberfläche  des  Spiegels  streng  genommen 
eine  sehr  dünne  inhomogene  Übergangsschicht  ist,  in  welcher 
ebenfalls  (vgl.  S.  413)  noch  jene  Differentialgleichungen  gelten. 

Wenn  die  Oberfläche  zur  (cy-Ebene  genommen  wird,  so  ergibt 
sich  dann  nach  dem  schon  oben  S.  257  angewandten  Schlußyerfahren 
als  Grenzbedingungen: 

Stetigkeit  von: 

(91)       a,ß,X-^-l-^{vyZ-v^Y),    r_i^(„^_„,z). 

Es  ergibt  sich  auf  diesem  Wege^  das  von  Kerr  entdeckte 
Phänomen,  2)  daß  die  Polarisationsebene  linearpolarisiert  einfallen- 
den Lichtes,  wenn  dieselbe  ursprünglich  in  oder  senkrecht  zur 
Einfallsebene  lag,  nach  der  Eeflexion  um  einen  kleinen  Winkel  aus 
ihrer  Lage  herausgedreht  ist  Dies  kann  nur  eine  besondere  Wir- 
kung der  Magnetisierung  sein,  da  ohne  dieselbe  aus  Symmetrie- 
gründen ein  solches  Verhalten  unmöglich  wäre. 

10.  Die  Wirkungen  des  magnetisclien  Feldes  der  Licht- 
strahlen. Im  vorigen  haben  wir  gesehen,  daß  ein  äußeres  kräf- 
tiges Magnetfeld  eine  Änderung  der  optischen  Eigenschaften  eines 


1)  Diesen  Weg  habe  ich  durchgeführt  in  Wied.  Ann.  46,  S.  353,  1802. 
Die  dort  auftretende  magneto-optische  Konstante  b,  die  dort  als  reeU  voraus- 
gesetzt wurde,  ist  als  komplex  anzunehmen,  weil  nach  der  hier  auf  8.  413  ge- 
gebenen Formel  (21)  v  komplex  ist  Dadurch  wird  die  Theorie  in  ihren  Resul- 
taten identisch  mit  der  von  Goldhammer  in  Wied.  Ann.  46,  S.  71,  1892 
gegebenen.  Die  Theorie  stellt  fast  alle,  zum  Teil  recht  komplizierten  Einzel- 
heiten der  Beobachtungen  befriedigend  dar.  Über  den  Einfluß  von  Oberflachen- 
schichten auf  diese  Erscheinungen  vgl.  J.  Michel i,  Dissertation,  Leipzig,  1900; 
Ann.  d.  Phys.  1,  1900. 

2)  Kerr,  Phil.  Mag.  (5)  3,  S.  321,  1877;  5,  S.  161,  187a 


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Magnetisch-aktive  Körper.  44 1 

Körpers  hervorbringt.  Es  ist  nun  die  Frage,  ob  nicht  bei  genauer 
Beobachtung  auch  schon  bei  Fehlen  eines  äußeren  kräftigen  Magnet- 
feldes eine  Wirkung  des  magnetischen  Feldes  der  Lichtstrahlen 
zu  konstatieren  ist. 

Wenn  man  zunächst  nur  die  Halleffekt-Glieder  in  Ansatz  bringt, 
d.h.  etwa  vorhandene  Molekularströme  (rotierende  Ionen) 
nicht  voraussetzt,  so  hat  man  die  Gleichungen  zu  benutzen 
(vgl.  oben  S.  422): 

±^  =  'y-M^^sw,    15^  =  ^/-^,  (92) 

..^  =  |(X  +  4[/|-^|]),  (94) 

falls  ö=H.i£_-^^.  (95) 

Die  Gleichung  (94)  ist  charakteristisch  fttr  unser  Problem.  Diese 
zeigt,  da  ij  und  g  annähernd  proportional  zu  Y  und  Z  sind,  daß 
die  Differentialgleichungen  des  elektromagnetischen  Feldes  nicht 
mehr  linear  in  den  Größen  X,  F,  Z,  a,  ß,  7  bleiben,  was  zur 
Folge  hat,  daß  die  optischen  Eigenschaften  von  der  Inten- 
sität des  Lichtes  abhängen  müßten.  Ein  solches  Verhalten 
ist  nun  bisher  nie  beobachtet  worden,  und  man  kann  auch  leicht 
taxieren,  daß  die  Zusatzglieder  in  (94),  welche  die  Abweichung  von 
der  bisher  benutzten  Gleichung 

darstellen,  einen  zu  kleinen  Effekt  haben  müssen,  als  daß  er  be- 
obachtbar sein  könnte.  Es  handelt  sich  in  (94),  da  die  magnetische 
Kraft  a,  ft  7  in  den  Lichtquellen  gleich  oder  wenigstens  von  der 
Größenordnung  der  elektrischen  Kraft  X,  Y,  Z  ist,  um  Taxierung 

der  Größen-4,  -^,    d.h.    es   handelt   sich  um  das  Ver- 

hältnis  der  Geschwindigkeit  der  Ionen  zu  der  Lichtge- 
schwindigkeit,   Nun  ist  näherungsweise  nach  (94): 


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442  Kapitel  VII. 

dh.  für 

X=  Ä  '  sin  2ji  l-ji  —  y) 
wird 

Nun  ist  aber  die  Eigenschwingungsdauer  T^  des  Ions  nach 
S.  422  in  folgender  Weise  bestimmt:  Es  ist 


v-(S)-*-S." 


/Q7N  Jl=.T$L   ± 

Setzt  man  diesen  Wert  in  (96)  ein,  so  wird  der  größte  Wert,  den 
-^  im  Laufe  der  Zeit  annehmen  kann: 

1  ög  ^       %^       _t_ 
eöt        2nTe'mc'^' 

Setzt  man  nun  hierin  6  =  1  —  To'^lr^,  was  bei  durchsicbtigen  Körpern 
gestattet  ist,  falls  nicht  T  nahezu  gleich  To  ist,  so  folgt: 

^^^}  c  bt~27i   mc    T^—To^   ^* 

eimc  ist  bei  Natriumdampf  gleich  1,6.10'  (vgl.  S.  436).  Diese 
Größenordnung  wollen  wir  hierfür  festhalten.    Femer  ist  beim 

sichtbaren  Licht  etwa  7=  2- 10."  .   Daher  schreibt  sich  (98): 

1   Ög  .  V  -9 

(99)  7b7  =  ^*r^-T72.5-lO      . 

Man  muß  nun  vor  allem  Ä  taxieren  können,  d.  h.  die  Feldstärke 
in  einem  intensiven  Lichtstrahl.  Die  Sonne  sendet  pro  Sekunde 
etwa   124  Kilogrammmeter  Energie  in  ein  Quadratmeter,  d.  h. 

1,22  .  10    absolute   Einheiten  (erg)    in    die  Flächeneinheit  (cm^. 
Nach  der  oben  S.  239  abgeleiteten  Formel  (25)  berechnet  sich  aber^ 

1)  Unabhängig  von  dieser  Poyntingschen  Formel  kann  man  das  Besol. 
tat  (100)  80  ableiten:  Durch  1  cm^  muß  in  der  Zeiteinheit  diejenige  elektro- 
magnetische Energie  hindurchtreten,  welche  enthalten  ist  in  einem  Baume  von 
Fem»,  wo  V  die  Lichtgeschwindigkeit  ist.    In  Luft  (Vaeuum)  ist  F— o  zu 


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Magnetisch-aktive  Körper.  443 

fttr  ebene  Wellen  natürlichen  Lichtes  der  Amplitude  A  der  Energie- 
fluß dE  pro  Zeiteinheit  (1  sec)  und  Flächeneinheit  (l  cm^)  in  Luft 
(oder  Vacuum): 

dEiysi  l  sec  auf  1  cm 2)  =  ^Ä^.  (100) 

Daraus  berechnet  sich,  wenn  man  die  halbe  Energie  der  Sonnen- 
strahlung dem  sichtbaren  Lichte  zuschreibt, *)  für  Sonnenlicht  die 
maximale  elektrische  Feldstärke: 

^  =  1/^^.0,61. 10 *=  1,6 •10"^  =  0,016. 2)  (101) 

Folglich  wird  bei  intensiver  (Sonnen)-Beleuchtung: 

J3  =  8-10-"5^y;,-  (102) 

Dieser  Ausdruck  ist  also  immer  sehr  klein,  falls  nicht  T  un- 
mittelbar dem  To  benachbart  ist.  Aber  selbst  wenn  z.  B.  T:  To  =  60 :  59 
wäre  (Natriumdampf  belichtet  mit  der  Wellenlänge  X  ==  0,0006  mm), 
so  würde  To^:  T^—To'^=ZO  sein,  und  trotzdem  wäre  der  Wert 
von  (102)  sehr  klein. 

Wenn  man  nun  nach  dem  Ansatz  (94)  die  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit ebener  Wellen  berechnet,  so  ist  dieselbe,  wie  leicht 
zu  ersehen  ist,  erst  in  zweiter  Ordnung  von  den  magnetischen 
Zusatzgliedern  abhängig,  d.  h.  es  würde  sich  um  Änderungen  der 
Fortpflanzungsgeschwindigkeit  F  des  Lichtes  im  Betrage  von  10""^^ .  V 
handeln,  wenn  man  die  Intensität  der  Beleuchtung  steigert  bis 
zur  Beleuchtung  mit  Sonnenlicht.  Wir  können  daher  schließen, 
daß  ein  beobachtbarer  magneto-optischer  Effekt  des 
Magnetfeldes  der  Lichtstrahlen  selbst  nicht  besteht.  Es 
könnte  höchstens  der  Fall  in  Frage  kommen,  daß  die  Periode  des 
einfallenden  Lichtes  fast  vollständig  zusammenfällt  mit  einer  Eigen- 
schwingungsperiode (Natriumdampf  belichtet  mit  Natriumlicht).  Die 


setzen.    Ferner  ist  nach  S.  258  die  elektromagnetische  Energie  der  Volumen - 
einheit  Luft  bei  natürlichem  Licht  gleich  Ä^ :  47f,  daher  ist  dE^'C,  A^i  4n. 

1)  In  Wirklichkeit  ist  dies  Verhältnis  sogar  nur  Vs- 

2)  Den  gleichen  Wert  hat  die  maximale  magnetische  Feldstärke.  Diese 
würde  daher  etwa  der  12.  Teil  der  Horizontal-Intensität  des  Erdmagnetismus 
in  Deutschland  sein. 


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444  Kapitel  VIL. 

dann  eintretende  Absorption  wird  aber  eine  genaue  Präfang,  ob 
in  diesem  Falle  der  Brechungsindex  von  der  Intensität  der  Be- 
leuchtung abhängt,  nicht  zulassen. 

Setzen  wir  jetzt  Molekularströme  (rotierende  Ionen) 
voraus,  so  sind  die  Formeln  (3),  (4),  (5)  der  S.  409  u.  ff.  zu  benutzen. 
Wenn  nur  eine  Gattung  rotierender  Ionen  zu  berücksichtigen  wäre, 
so  wäre  nach  S.  416,  Formel  (31),  die  Kraftliniendichte  der  Mole- 
kularströme: 7i  =  (^--l)  y  zu  setzen,  wo  [i  die  Magnetisierungs- 
konstante des  Körpers  ist.  Es  ist  dabei  vorausgesetzt,  daß  die 
Magnetisierung  des  Körpers  momentan  den  schnellen  Wechseln  von 
7  folgen  kann.  Sollte  dies  nicht  der  Fall  sein,  so  müßte  (i  kleiner 
angenommen  werden,  als  es  bei  konstantem  Magnetfeld  beobachtet 
wird.  Daher  werden  z.  B.  die  Formeln  (3)  und  (4)  die  Gestalt  be- 
sitzen: 

Nun  ist  j|  von  derselben  Größenordnung    wie  -  ^  (im  Va- 

cuum  sind  beide  Größen  gleich).  Daher  sind  auch  in  (103)  die 
magneto-optischen  ZusatzgUeder,  selbst  wenn  (a  —  1,  wie  beim  Eisen, 
den  Wert  1000  besitzen  sollte,  sehr  klein,  nämlich  (bei  Eisen) 

von  der  Größenordnung  1000. 10  =10  ,  sodaß  ein  magneto- 
optischer Effekt  durch  das  Magnetfeld  der  Lichtstrahlen 
selbst  nicht  einmal  bei  Eisen  zu  beobachten  sein  wird, 
auch  wenn  die  Magnetisierung  des  Eisens  den  schnellen 
Wechseln  des  Magnetfeldes  der  Lichtwellen  momentan 
und  voll  folgen  könnte.  Dies  erklärt  auch,  weshalb  in  einem 
konstanten  Magnetfeld  die  Wirkung  der  Molekularströme  sich  in 
einer  von  1  verschiedenen  Magnetisierungskonstante  bemerklich 
macht,  während  trotzdem  für  Lichtschwingungen  jeder 
Körper  sich  so  verhält,  als  ob  seine  Magnetisierungskon- 
stante gleich  1  wäre.  Dies  liegt  aber  nicht  etwa  an  einer 
Art  Trägheit  der  Magnetisierung,  denn  unsere  Schlüsse  sind 
unabhängig  davon  gezogen. 


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Bewegte  Körper.  445 

Kapitel  Yin. 

Bewegte  Körper. 

1.  Allgemeine  Grundlage.  Wir  haben  im  vorigen  die  optischen 
Eigenschaften  der  Körper  durch  bewegliche  lonenladungen  erklärt. 
Die  Körper  im  ganzen  waren  dabei  aber  als  ruhend  gedacht. 
Durch  Bewegung  der  ganzen  Körper  entstehen  nun  Modifikationen 
ihrer  optischen  Eigenschaften,  um  eine  Theorie  hierfür  gewinnen 
zu  können,  müssen  wir  eine  Hypothese  darüber  machen,  ob  durch 
die  Bewegung  des  Körpers  nur  die  lonenladungen  desselben  er- 
griffen werden,  oder  ob  auch  der  zwischen  ihnen  lagernde  Äther 
ganz  oder  teilweise  mit  bewegt  wird.  Wir  machen  nun  die 
Hypothese,  daß  der  Äther  stets  vollständig  in  Kühe 
bleibt  Auf  dieser  Grundlage  hat  H.  A.  Lorentz^)  eine  sehr 
vollständige  und  elegante  Theorie  entwickelt,  welche  der  hier  ge- 
gebenen Darstellung  im  wesentlichen  zu  Grunde  liegt.  Die  Vor- 
stellung des  absolut  ruhenden  Äthers  ist  an  sich  schon  die  ein- 
fachste und  natürlichste,  wenn  man  nämlich  unter  dem  Äther 
nicht  eine  Substanz,  sondern  lediglich  den  mit  gewissen  physi- 
kalischen Eigenschaften  ausgestatteten  Kaum  versteht  Anderer- 
seits bietet  die  Erklärung  der  Aberration  unüberwindliche  Schwie- 
rigkeiten, falls  man  den  Äther  nicht  als  ruhend  annimmt  Wie 
Lorentz  gezeigt  hat,  steht  die  Theorie  des  ruhenden  Äthers  im 
wesentlichen  mit  allen  hier  einschlägigen  Beobachtungen  im  Ein- 
klang.   Es  wird  davon  noch  weiter  unten  die  Kede  sein. 

2.  Die  Bifferentialgleleliungen  des  elektromagnetischen 
Feldes  in  Bezng  auf  ein  festes  Koordinatensystem.  Wir  gehen 
aus  von  den  stets  gültigen  Grundgleichungen  (7)  und  (11)  der 
S.  251  bezw.  253  der  Maxwellschen  Theorie: 

Wir  hatten  früher  gesehen  [S.  365,  Formel  (7)],  daß,  falls  nur  eine 
Gattung  von  Ionen  vorhanden  ist,  deren  Ladung  e  beträgt  und 


1)  H.  A.Lorentz,  Versuch  einer  Theorie  der  elektrischen  und  optischen 
Erscheinungen  in  bewegten  Körpern.    Leiden,  1895. 


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446  Kapitel  VUI. 

von  denen  ?l  Ionen  in  der  Volumeinheit  vorhanden  ist,  die  Kompo- 
nenten der  elektrischen  Stromdichte  sich  bestimmen  aus: 

Hierin  bedeutet  g  die  a>Komponente  der  Verschiebung  der  Ionen 
relativ  zu  ihrer  Euhelage  im  Körper.  Wird  demselben  eine  kon- 
stante Geschwindigkeit  v  erteilt,  deren  Komponenten  vx,  %,  vx  sincL 
so  muß  obige  Gleichung  verallgemeinert  werden  in: 

4jtjz  =  ^+4xem^  +  4jte'invx, 
(2)  4jtjy  =  ^-^+4jtem^  +  4xemvy, 

Hier  sind  absichtlich  die  Differentialquotienten  nach  t  in  zwei 
Formen  geschrieben,  als  -^  und  ^.    Ersteres  bedeutet,    daß   die 

Änderung  einer  Größe  an  einer  bestimmten  Stelle  des  Baumes 
im  Laufe  der  Zeit  betrachtet  werden  soll,  letzteres  dagegen,  daß 
die  Änderung  einer  Größe  an  einer  bestimmten  Stelle  des 
Körpers  im  Laufe  der  Zeit  betrachtet  werden  soll.  Hat  der 
Körper  daher  die  Geschwindigkeitskomponenten  v»,  %,  v»,  so  rückt 
nach  dem  Zeitelement  dt  bei  der  Bildung  des  Differentialquotien- 
ten djdt  der  betrachtete  Punkt  um  die  Koordinaten,  vxdt,vydt,vxdt 
fort.  Durch  diese  Ortsveränderung  ändert  sich  aber  die  zu  diffe- 
renzierende Größe  um  ^xdt^,  ^y^^Jv'  ^^5*'  ^*^^^  ®^^^  ^»  y»  * 
auf  ein  festes  Koordinatensystem  beziehen,  so  daß  schließlich  die 
Belation  besteht 

In  den  Gleichungen  (2)  müssen  nun  tatsächlich  die  ^  usw.  auf- 
treten, weil  die  ganze  Geschwindigkeit  der  Ionen  sich  zusammen- 
setzt aus  der  Translation  des  Körpers  {vx)  und  der  relativen  Ge- 
schwindigkeit zum  Körper.  Letztere  wird  aber  durch  dsjcu  aus- 
gedrückt, nicht  durch  ^^Idt. 


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Bewegte  Körper.  447 

Für  die  Komponenten  der  magnetischen  Stromdichte  bleiben 
die  früheren  Gleichungen  (13)  der  S.  254  bestehen: 

4jt8^  =  ^^,     4jt8y=f^,4jt8^^^,  (4) 

da  wir  absehen  wollen  von  der  Einwirkung  eines  äußeren,  kräf- 
tigen Magnetfeldes  und  nach  S.  444  für  alle  Körper  die  Magne- 
tisierungszahl fi  gleich  1  zu  setzen  ist  bei  optischen  Erschei- 
nungen. 

Wenn  der  Körper  keine  Translationsgeschwindigkeit  besitzt, 
d.h.  wenn  vx=vy=vx=0  sind,  so  war  die  Bewegungsgleichung 
eines  Ions  nach  S.  364:^) 

Durch  die  Bewegung  des  Körpers  soll  nun,  wie  wir  annehmen 
wollen,  der  Einfluß  des  Körpers  auf  das  Ion  ungeändert  bleiben. 
Trotzdem  erfährt  aber  obige  Differentialgleichung  eine  Änderung, 
weil  durch  die  Bewegung  des  Körpers  die  Ionen  gemeinsam  be- 
wegt werden  und  bewegte  Ionen  äquivalent  mit  elektrischen 
Strömen  sind,  deren  Komponenten  proportional  zu  et;,,  evy,  evx 
sind;  auf  diese  Ströme  wirkt  die  magnetische  Kraft  a,  /9,  7.  Die 
Bewegungsgleichung  eines  Ions  wird  daher  2)  (vgl.  die  analogen 
Entwickelungen  der  S.  422): 

^S+^e'S  +  ^^^§=^^+7(t^yy-^-Ä.  (5) 

Auch  hier  ist  darauf  zu  achten,  daß  die  ^idt  auftreten,  nicht  die 


1)  Es  soll  hier  wiedemm  von  der  oben  S.  368  angeführten  strengeren 
Ergänzung  dieser  Bewegungsgleichung  wegen  der  Vereinfachung  abgesehen 
werden.    Für  den  vorliegenden  Zweck  ist  das  Ergänzungsglied  unwesentlich. 

2]  Aus  den  auf  S.  443  entwickelten  Gründen  sind  auf  der  rechten  Seite 

von  (4)  die  Glieder  —  -^  usw.  nicht  hingeschrieben.  Diese  geben  viel  zu  kleine 

Effekte.  Bei  der  Erdbewegung  ist  »:c=10— *,  ist  also  von  ganz  anderer 
Größenordnung,  dX^dnjdi :  0.  —  Auch  bei  dem  unten  behandelten  Fi  ze  au  sehen 
Experiment  mit  dem  strömenden  Wasser,  bei  welchem  v :  e  kleinere  Beträge 
besitzt,  kommen  trotzdem  nur  die  von  v  abhängigen  Glieder  allein  zur  Gel- 
tung, da  nur  sie  einen  Einfluß  erster  Ordnung  der  lonengeschwindigkeit  auf 
die  optischen  Eigenschaften  ergeben,  während  dies  die  lonengeschwindigkeiten 
di/di  USW.  nicht  tun  (vgl.  oben  S.  443). 


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448  Kapitel  VIII. 

^Ibt,  da  es  sich  in  (5)  um  die  relative  Bewegung  der  Ionen  zum 
Körper  handelt 

Für  periodische  Zustandsänderungen  von  X  oder  §  kann  man 
setzen 

(6)  5^=7S»    5r2  =  -?2S- 

T  ist  dann  gleich  der  Periode  T'  dividiert  durch  2j€.  Jedoch  ist 
zu  bemerken,  daß  diese  Periode  T'  die  relative  Schwingungs- 
dauer in  bezug  auf  den  bewegten  Körper  ist,  und  nicht  die  ab- 
solute Schwingungsdauer  T  in  bezug  auf  ein  festes  Koordi- 
natensystem. Beide  Schwingungsdauern  T'  und  T  sind  wohl  zu 
unterscheiden,  es  ist  z.  B.  T'  >  T,  falls  der  Körper  sich  in  Rich- 
tung der  Fortpflanzung  des  Lichtes  verschiebt  Betrachten  wir 
ebene  Wellen,  bei  denen  alle  Größen  proportional  zu 


H' 


(O     '  I 


sind,   wobei   sich  a;,  i/,  %  auf  ein  festes   Koordinatensystem   be- 
ziehen, so  ist  T  =  T:2jt  proportional  zur  absoluten  Periode  T, 
Nach  (3)  und  (6)  besteht  nun  die  Relation: 

d.  h.  wenn  die  Geschwindigkeit  v  klein  gegen  a>  ist,  so  gilt 

,v  ^_^         ..PxVx-\-p2ty  +  PiVx_j    ,     Vn 

wobei  unter  m  die  Geschwindigkeit  des  Körpers  in  Richtung  der 
Wellennormale  verstanden  ist. 

Die  Bewegungsgleichung  (5)  ergibt  unter  Benutzung  der  schon 
früher  (S.  366)  eingeführten  Abkürzungen: 

...  rd-       , m& 

In  den  Gleichungen  (2)  hat  e^  die  Bedeutung  der  Ladung, 
welche  in  der  Volumeneinheit  vorhanden  ist 


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Bewegte  Körper.  449 

Setzt  man  hierfür  (vgl.  GL  (20)  S.  256),  (die  Dielektrizitäts- 
konstante 6  des  Äthers  ist  gleich  1  gesetzt), 

^-9i=g  +  |^+|f.  (10) 

so  werden  die  Gleichungen  (2): 

bX,       (bX  ,bY,   bZ\ 


■^  i  -f-ia/T  — ''/t'«  dt 

Sind  mehrere  Molekülgattungen  vorhanden,  so  ist  der  Faktor 
des  letzten  Gliedes  dieser  Gleichung  zu  schreiben,  wenn  man  ia/r 
vernachlässigt,  d.  h.  wenn  der  Körper  nicht  merklich  absorbiert: 

^rfM=^^--'-'-  (12) 

Hierin  bedeutet  n^  das  Quadrat  des  optischen  Brechungs- 
index des  ruhenden  Körpers  für  die  Periode  T'=2jtT\  Die 
Relation  (12)  besteht  auf  Grund  der  Dispersionstheorie  [S.  368, 
Formel  (18)].  —  Ersetzt  man  nun  noch  in  (11)  den  Differential- 
quotienten ^/(ft  in  Rücksicht  auf  (3)  durch  ^jht,  und  setzt  den  so 
erhaltenen  Wert  für  4jtjx  in  (1)  ein,  so  hat  man  eine  Diffe- 
rentialgleichung für  den  bewegten  Körper  unter  Benutzung  eines 
ruhenden  Koordinatensystems.  Dieselbe  wird  erheblich  einfacher, 
wenn  man  nur  Glieder  erster  Ordnung  in  v  berücksichtigt,  was 
durchaus  gestattet  ist,  da  selbst  wenn  man  die  Geschwindigkeit 
der  Erde  im  Weltraum  in  Betracht  zieht,  v  sehr  klein  gegen  die 
Lichtgeschwindigkeit  ist  Man  kann  dann  in  den  mit  v  multipli- 
zierten Gliedern  von  (11),  djcu  ersetzen  durch  ^jht^  femer  kann  man 
den  zweiten  Term  in  (11),  der  mit  vx  multipliziert  ist,  in  homo- 
genen Körpern  vernachlässigen,  da  näherungsweise,  d.  h.  für 
t;=0,  in  homogenen  Körpern  bei  periodischen  Zustandsänderungen 
die  Relation 

bX  .  by  .  bZ      ,, 

^  +  -^  +  ^-^^  (13) 

besteht  (vgl.  oben  S.  260).    Dadurch  wird  (11)  zu: 

.       .  9  bX     ,     /     9  yv     f        ÖX     ,  öX     ,  ÖX  ,^  ,. 

4^Jx  =  n^jf+(n^-f)\v,^  +  Vy^  +  v^^  (14) 

+4('vg--'sf))- 


Drade,  Lehrbuch  d.  Optik.    2.  Aufl.  29 


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450  Kapitel  VIII. 

Nun  ist  aber  nach  (1)  und  (4) 

c   bt        by        hx^     0  jSi       ^       ö» ' 
daher  läßt  sich  4 jtjx in.  der  Form  schreiben: 

-^(vxX+VyY+v^Z)y 

Unter  Eücksicht  auf  (1)  und  (4)  erhält  man  daher  für  einen  be- 
wegten, homogenen,  isotropen  Körper  die  für  ein  festes 
Koordinatensystem  gültigen  Differentialgleichungen: 

by      bx^ 

da       by 

~bx       SJ' 
n^bZ  ,   »2  —  2  |/     öZ   ,        bZ   .        bZ\       b  ,     ^r  ,        rr  ,        ^\ 


fiK'\      1^  =  ^__^      ]_bß^b^_bX      i^^^^  _^ 
^^^^       0    bt         bx        by'     0   bt        bx        5*'     c   ö^        5y         bx' 

Differenziert  man  die  <Jleichungen  (15)  bezw.  nach  x,  t/,  x 
und  addiert  sie,  so  entsteht,  falls  man  zur  Abkürzung  setzt 

bx    *    by    '^  bx 
,,^.  n^bF    ,    n^  —  lf  ^f     bF   ,        bF   ,        bF\ 

—  (i;x^X  +  vtfjr  +  Vx^Z)  }  =  0. 

In  den  mit  vx  usw.  multiplizierten  Gliedern  kann  man  die  Nähe- 
rungswerte benutzen: 

F=0, 

(17)  JZ=^^,    JF=^^,    JZ=^^. 


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Bewegte  Körper.  45  j 

Daher  ergibt  (16): 

^= ^  +  ö^  +  s^  =  -^5-^(*'^  +  ''y^+  ^*^)-      (18) 

Diese  Gleichung  sagt  aus,  daß  in  dem  bewegten  Körper 
die  elektrische  Kraft  sich  nicht  mehr  in  ebenen  Trans- 
versalwellen fortpflanzen  kann,  da  F  von  Null  verschieden 
ist.  Dagegen  kann  sich  die  magnetische  Kraft  in  ebenen 
Tr|ansversalwellen  fortpflanzen,  da  nach  (15')  die  Beziehung 
besteht: 

Man  kann  nun  auch  leicht  die  Differentialgleichungen  (15) 
und  (15')  in  solche  transformieren,  welche  nur  je  eine  der  Größen 
X,  Y,  Z,  a,  /9,  7  enthalten.  Differenziert  man  z.  B.  die  erste  Glei- 
chung (15)  nach  t  und  setzt  für  ^  und  -^  ihre  Werte  nach  (15') 
ein,  so  erhält  man: 

.^        ö  (bX   .    bY    ,    hZ\ 
In  Bücksicht  auf  (18)  wird  dies  zu: 


n^b^X   ,    ^n^  —  lb(     bX   .        bX    .        bX\         .^  ,_. 


C2    bü 


r^ 


Für  die  7,  Z,  a^  ß^  y  bestehen  Differentialgleichungen  von  genau 
derselben  Form. 

3.  Die  Llchtgesehwlndlgkeit  im  bewegten  Körper.    Die 

letzte  Gleichung  erlaubt  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  ebener 
Wellen  im  bewegten  Körper  in  einfacher  Weise  zu  berechnen. 
Setzen  wir 

so  wird  nach  (20): 

0*  ö^  W  0)2  » 


oder 


c^V  w2        w)        a>2'  ^^^^ 

29* 


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452  Kapitel  Vm. 

wobei  vn  die  Trauslationsgeschwiudigkeit  des  Körpers  nach  der 
Kichtung  der  positiven  Wellennormalen  bedeutet.  Für  erste  Ord- 
nung i    Vn  wird  daher 


„._,„^£(--_i..._.), 


d.  h. 

Ersetzt  man  auf  der  rechten  Seite  in  dem  mit  vn  behafteten  Gliede 
CO  durch  seinen  Näherungswert  ^in,  so  wird 

(23)  «'=^  +  ^'''«- 

Diese  Gleichung  besagt,  daß  die  Bewegung  des  Körpers 
denselben  Effekt  auf  die  Lichtgeschwindigkeit  hat,  als 
ob  der  Körper  dem  Äther  einen  gewissen  Bruchteil  (den 

— ^j—  ten    Teil)    seiner    Translationsgeschwindigkeit    er- 
teilte. 

Dieses  Resultat  ist  schon  von  Fresnel  aus  einem  von  Fizeau 
angestellten  Experimente  gezogen  worden,  in  welchem  die  Licht- 
geschwindigkeit in  strömendem  Wasser  gemessen  wurde.  Indes 
ist  diese  Interpretation  der  Gleichung  (23)  doch  nicht  ganz  streng, 
denn  der  Einfluß  der  Bewegung  des  Körpers  steckt  nicht  nur  im 
zweiten  Gliede  der  rechten  Seite  von  (23),  sondern  auch  schon  im 
ersten.  Es  bezeichnet  nämlich  nach  S.  449  n  nicht  den  Brechungs- 
index des  Körpers  für  die  absolute  Periode  T,  sondern  für  die 
relative  Periode  T\    Dabei  ist  nach  (7) 


'(^+?)- 


(24) 


Nennt  man  daher  v  den  Brechungsindex  des  ruhenden  Körpers  für 
die  absolute  Periode  T,  so  ist 


-  =  ''  +  ^-^^=»'+i^ 


wenn  X=cT  die  Wellenlänge  des  Lichtes  im  Vacuum  bedeutet. 
Daher  wird  nach  (23): 


c(         hv     X  t%\    y  n^  —  1 


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Bewegte  Körper.  453 

oder,  da  man  in  den  mit  vn  behafteten  Gliedern  die  Näherungs- 
werte n=v^  a>=^ly  einführen  kann: 

cjv  ist  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  V  des  Lichtes  für  Wellen 
der  absoluten  Periode  T  im  ruhenden  Körper;  der  mit  vn  multi- 
plizierte Term  in  (25)  ergibt  daher  die  Änderung  dieser  Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeit durch  die  Bewegung  des  Körpers.   Diese 

ist  größer,  als  nach  der  Fresnelschen  Annahme,  da ^  bei  nor- 
maler Dispersion  negativ  ist  Die  Differenz  gegenüber  der  Fres- 
nelschen Annahme  ist  indes  so  gering,  daß  sie  noch  innerhalb 
der  Beobachtungsfehler  des  Experimentes  fällt 

Das  Experiment  wurde  zuerst  von  FizeauO  angestellt  und 
später  von  Michelson  und  Morley  2)  wiederholt  Es  strömte  dabei 
das  Wasser  in  zwei  parallelen  Röhren  mit  entgegengesetzter  Ge- 
schwindigkeit, die  Lichtgeschwindigkeit  in  ihnen  wurde  mit  Hilfe 
einer  Interferenzmethode  gegenseitig  verglichen.  Der  Mitführungs- 
Koeffizient,  d.  h.  der  Faktor  des  mit  v«  multiplizierten  Gliedes  in 
dem  Werte  von  co  bestimmte  sich  experimentell  zu  0,434  ±0,02, 
während  die  Formel  (25)  für  Wasser  und  die  Fraunhofersche 
Linie  D  ergibt  0,451.  Der  Fresnelsche  Mitführungs-Koeffizient 
1^2  —  1  :  i;2  ergibt  0,438. 

4.  Die  Differentialgleichungen  und  Grenzbedingnngen  des 
elektromagnetischen  Feldes  in  bezng  auf  ein  bewegliches  Ko- 
ordinatensystem,  welches  mit  dem  bewegten  Körper  fest  ver- 
bunden ist  Nennt  man  x\  y,  %  die  relativen  Koordinaten  eines 
Punktes  in  bezug  auf  den  bewegten  Körper,  so  ist 

(26)  a;  =  a;'  +  üx-<,    y=y  +Vy'ty   %  =  z=^Vx't. 

Die  partielle  Differentiation  nach  x,  y,  %  können  wir  daher,  da 
Vx  j  vy ,  vx  nicht  von  x,  y,  x  abhängen,  ersetzen  durch  partielle  Diffe- 
rentiation nach  X,  y\  x,  d.  h.  wir  können  in  den  Gleichungen  der 
vorigen  Paragraphen  die  Differentialquotienten  nach  x,  y,  x  auch 
auffassen  als  solche,  die  nach  den  relativen  Koordinaten  rc',  y\  x 
zu  nehmen  sind.    Dies  wollen  wir  im  folgenden  tun,  und  unter 

1)  Compt  Rend.  33,  S.  349,  1851.  —  Pogg.  Ann.  Ergbd.  3,  S.  457.  — 
Ann.  d.  chim.  et  de  phys.  (3)  57,  385,  1859, 

2)  Americ.  Joum.  of  Science  (3)  31,  S.  377,  1886. 


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bX 

dX 

hX 

bX 

bX 

■5F  = 

dt 

-Vx 

bx 

'""b^- 

-"'Si- 

454  Kapitel  VlIL 

X,  y,  %  jetzt  einfach  die  relativen  Koordinaten  in  bezng  anf  einen 
Punkt  des  bewegten  Körpers  verstehen.  —  An  Stelle  der  DiflFe- 
rentialqnotienten  ^'^\u  usw.  sind  aber  die  ^di  usw.  einzuffihren,  da 
wir  hier  die  Abhängigkeit  des  Z  nach  der  Zeit  untersuchen  wollen, 
wobei  sich  X  beziehen  soll  auf  einen  relativ  zum  bewegten  Körper 
festen  Punkt  Der  Übergang  wird  durch  die  Relation  (3)  der 
S.  446  vermittelt»  so  daß  z.  B.  entsteht 

(27) 

Setzt  man  dies  in  die  Gleichungen  (2)  ein  und  berücksichtigt 
(9),  (10)  und  (12),  80  wird  (bei  beliebig  viel  lonengattungen): 

j    .       dx        hx        öx         bx 

Die  Gleichungen  (1),  (3),  (4)  und  (28)  ergeben  daher,  wenn 
man  auf  (19)  Bücksicht  nimmt: 

ö  In    ,    vx  Z—v%X\ 

-^1"+  — j — ]• 

n>  dY      n'*  —  1  d  ,  .         b   l      ,  vx  Y  —  vy  Z\ 

b    l       ,     VyX—Vx  Y\ 

(29)  _|(«+^.Z-^^. 

1  da        ^  Iv   t    vx  a  —  vxy\         ^   I rj    ,    vx  ß  —  i>y  a\ 

iii=uV  +  — c — I ""  5^  r  +  — c     ;  • 
c^—Vx\^+  — c"— j  — 5^1^+  — r — j' 

c  dt        öy  l^  "T"  ~c         j  ■"  ^  r   "T  ~e         / 

Diese  Gleichungen  gelten  auch  für  inhomogene  (isotrope 
Körper,  da  die  Näherungsrelation  (13),  welche  für  inhomogene 
Körper  nicht  gilt,  nicht  benutzt  ist,  sondern  alle  herangezogenen 
Gleichungen  auch  für  inhomogene  Körper  gelten.    Wir  gewinnen 


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Bewegte  Körper. 


455 


dajier  aus  (29)  sofort  nach  den  oben  auf  S.  257  angestellten  Über- 
legungen die  Grenzbedingungen  beim  Übergang  über  die  Grenze 
zwischen  zwei  verschiedenen  Körpern  oder  zwischen  einem  Körper 
und  dem  Vacuum  in  der  Form,  falls  die  Grenze  senkrecht  zur 
Ä-Achse  liegt: 


Y  \^y y^ ^* ^    Y+  ^* ^ 


—  vx  y 


,    Vx  Y — Vy  Z       f.    ,     Vx  Z — VxX 

a+ ,  ^+ , 


stetig  an  der  Grenze.  (30) 


Hieraus  und  aus  (29)  ergeben  sich  die  dadurch  mit  bedingten 
Grenzgleichungen: 

n^  Z  -\ —  {vx  ß  —  vyä)j  y  stetig  an  der  Grenze.        (30') 

Da  man  in  (30)  in  den  mit  t?r,  %,  v«  multiziplierten  Gliedern 
die  Näherungswerte  einführen  kann,  wie  sie  für  vx  =  vy  =  v«  =  0 
eintreten,  so  kann  man  die  Grenzbedingungen  auch  in  der  Form 
schreiben: 

Z,  r,  a  =  ^ ,  /S  +  ^  stetig  an  der  Grenze.     (30") 

Für  einen  homogenen  Körper  kann  man  leicht  Differential- 
gleichungen aufstellen,  welche  nur  je  eine  der  Größen  X,  Y,  Z,  a,  /9, 7 
enthalten.  Aus  (27)  folgt  nämlich,  wenn  man  bis  auf  erste  Ordnung 
in  vz,  %  Vx  geht: 

Ö2X       d'^X       ^  d  /     IX    ,        bX   ,         hX\ 
•  "P"  =  ^S2"  ■"  -^  "S  i^*  ö^  +  ^y  ö^  +  ^«  15^ j  ' 

daher  wandelt  sich  (20)  um  in: 

nU^X        2  d  [     ÖX   ,        bZ,        bX\  .^  ,^,. 

Gleichungen  derselben  Form  bestehen  für  r,  Z,  a,  ß,  7.  Die 
früheren  Gleichungen  (18)  und  (19)  gelten  auch  hier,  d.  h.  die  elek- 
trische Kraft  pflanzt  sich  nicht  in  transversalen  Wellen  fort,  aber 
wohl  die  magnetische  Kraft. 

Setzen  wir 


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456  Kapitel  Vm. 

wo  p/2  +  P2^  +  Pz^  =  ^  sein  soll,  so  bedeuten  ft,  P2\pz  die 
Eichtungskosinus  der  Wellennormale,  co'  die  Lichtgeschwindigkeit 
in  bezug  auf  das  bewegte  Koordinatensystem.  —Aus  (31)  folgt  dann 

oder 

w2  /  2  {pi  vx  4-  pi  %  4-  W  ^^)\  ^^  J_ 

0»  \^  "^  w2  <ü'  j        a)'2 ' 

'  __  £_  /^  p/  Pj  -f  P2'  vy  +  Ps'  g*\  ^ 

w  \  n2(tf'  /  * 

Schreibt  man  auf  der  rechten  Seite  für  a>'  den  Näherungs- 
wert a>'  =  c  :  n ,  so  entsteht: 

5.  Die  Bichtong  des  Lichtstrahls,  ermittelt  nach  dem 
Hnygensschen  Prinzip.  Die  Geschwindigkeit  co'  der  Wellen- 
normalen hängt  von  der  Richtung  p/,  |?2',  1^3'  deraelben  ab.  Um  die 
^^P\jP2iPz  zugehörige  Strahlrichtung  Pi,  P2»P3  zu  finden,  können 
wir,  wie  es  oben  S.  314  bei  den  Kristallen  geschehen  ist,  nach 
dem  Huygensschen  Prinzip  den  Schnitt  von  drei  benachbarten 
Wellenebenen  aufsuchen,  d.  h.  wir  differenzieren  die  Gleichung: 

(33)  p;x+p^'y  +  p^  X  +  f{p;^  +  p^^  +  p^^  =  a/  +  f 

[vgl.  oben  S.  314  Formel  (59)]  nach  jt?i',;?2'>  Pz-    Dadurch  ergibt  sich: 

,     rt^  f        bat'  ,     r»^    '        b(o'  10^'        ^^ 

=^  +  2fPi  =^, .   y  +  2fp2  =5^  .    X  +  2fps  =j^  . 

d.  h.  In  Rücksicht  auf  (32): 

(34)  x+2/p\=-g,    y+2fp^ g,    z+2fp^==-^,. 

Durch  Multiplikation  dieser  drei  Gleichungen  mit  bezw.  p{,  p^  p^ 
und  Addition  folgt,  da  Pt'^+p^^+Pz^=i  ist: 

Pi'^+P2y+P,'^  +  2f V^^  +  P^y+P3V.^ 

Nun  ist  aber  nach  (33)  p^x  +  p^'y  +  p^x  =  co\  ±  \l  unter 


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Bewegte  Körper.  457 

Eücksicht  auf  (32)  folgt  2f=  —  %  Daher  ergibt  sich  aus  (34) 
die  Strahlrichtung  aus  der  Proportion: 

oder 

Pi'h''P,=Pi-:;^'P2  -^'P^  -^'  (35) 

Der  Strahl  weicht  also  ab  von  den  Wellennormalen. 
Die  Eelation  (35)  läßt  sich  (abgesehen  von  Gliedern  2.  Ordnung 
in  v)  schreiben  als: 

Pi':P2':Pa'  =  Pi  +  S  =  P2+'^=f3+S-  (35') 

6.  Ersetzung  der  absoluten  Zelt  durch  eine  Art  Ortszeit. 

An  Stelle  der  Variabelen  t^  a;,  y^  x,  worin  t  die  absolute  Zeit,  x,  y,  % 
die  relativen  Koordinaten  gegen  einen  Punkt  des  bewegten  Körpers 
bedeuten,  wollen  wir  rc,  y,  %  und 

als  unabhängige  Variabele  einführen. 

{  kann  man  zweckmäßig  als  eine  Art  Ortszeit  bezeichnen,  weil 
i  vom  Ort  im  Körper,  d.  h.  von  x,  y,  x^  abhängt.  Wenn  diese  un- 
abhängigen Variabelen  eingeführt  werden,  so  sollen  die  partiellen 

Differentialquotienten  nach  x,  y,  x  durch  (^  ,  LA ,  f^)    bezeichnet 

werden,  während  ^  usw.  wie  früher  die  partiellen  Differential- 
quotienten bedeuten,  wenn  x,  y,  %,  t  die  unabhängigen  Variabelen 
sind.    Es  folgt  aus  (36): 

Führt  man  dies  ein  in  (29),  berücksichtigt  nur  Glieder  erster  Ord- 
nung in  V,  und  setzt  zur  Abkürzung: 

I    <^*  ^ — ^y^         '    o  \   ^^^ —  v%X       rf         I   yy^ — t^a?  ^ __    '  (38) 


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458  Kapitel  Vin. 

^j  wieder  ein- 
fach als  ^  bezeichnet: 

fOQ\        c    (W         by         "bx^    0    dt  d*         d« '    c    dT         bx         ty 

^^^^    l_da  ^  öT  _  ö^    L^fl  ^  öZ'  _  ^'    I^  ^  <^-^'  _  ^?I 
c'dl         hx  by  '    0  W        "^         d«'cctt'        "5y"        "5x* 

Die  Grenzbedingungen  lauten  nach  (30)  und  (38),  falls  die 
Grenze  senkrecht  zur  «-Achse  liegt: 

(40)     X,  T,  a\  ^  stetig  beim  Übergang  über  die  Grenze. 

Die  Gleichungen  (39)  und  (40)  haben  nun  dieselbe  Gestalt,  wie 
die  Differentialgleichungen  und  Grenzbedingungen  des  elektro- 
magnetischen Feldes  in  einem  ruhenden  Körper.  Daraus  ist  der 
wichtige  Schluß  zu  ziehen: 

Ist  für  ein  ruhendes  System  ein  Zustand  bekannt,  in 
welchem  Z,  F,  Z^  a,  ß,  y  gewisse  Funktionen  von  x,  y,  %,  t 
und  der  Periode  T  sind,  so  sind  für  das  bewegte  System 
X,    Y,   Z\   a\   ß",   y     dieselben   Funktionen    von   a;,   y,    z 

<  — ^^^^t-M-±_^und  T,  wobei  jetzt  z,  y,  x  die  relativen  Koordi- 
naten in  bezug  auf  einen  Punkt  des  Körpers  und  T  die  relative 
Periode  in  bezug  auf  den  bewegten  Körper  bedeuten.    Nach  (7) 

auf  S.  448  ist  also  im  letzteren  Falle  als  absolute  Periode  t(i  —  ^] 
anzunehmen. 

7.  Die  Unabhängigkeit  des  relativen  Strahlenganges  von 
der  Bewegung.  Der  letzte  Satz  gestattet  sofort,  eine  Anwendung 
auf  den  relativen  Strahlengang  zu  machen.  Es  möge  nämlich  im 
ruhenden  System  der  mit  Licht  erfüllte  Raum  begrenzt  sein  durch 
eine  gewisse  Fläche  S,  so  daß  außerhalb  S  sowohl  Z,  F,  Z,  als 
auch  a,  ß,  y  verschwinden.  Dann  muß  im  bewegten  System  außer- 
halb der  Fläche  S  sowohl  X\  Y,  Z\  als  a ,  /?',  y  verschwinden, 
d.  h.  auch  im  bewegten  System  bildet  die  Fläche  S  die 
Grenze  des  mit  Licht  erfüllten  Raumes.  In  einem  ruhenden 
System  kann  nun  z.B.  S  die  Mantelfläche  eines  zylindrischen  Raumes 
sein  (Lichtbündel),  falls  wenigstens  die  Querschnittsdimensionen 
dieses  Zylinders  viel  größer  als  die  Wellenlänge  des  Lichtes  sind. 
Die  Erzeugenden  dieses  Zylinders  werden  Lichtstrahlen  genannt 


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Bewegte  Körper.  459 

Nach  unserem  Satze  bleibt  die  Begrenzung  der  Lichtbündel,  auch 
wenn  sie  mehrfach  gebrochen  oder  reflektiert  werden,  durch  die 
gemeinsame  Bewegung  des  Ganzen  unverändert,  d.  h.  in  dem  be- 
wegten System  werden  Lichtstrahlen  von  der  relativen 
Schwingungsdauer  Tnach  denselben  Gesetzen  gespiegelt 
und  gebrochen,  wie  Strahlen  von  der  absoluten  Schwin- 
gungsdauer T  im  ruhenden  System. 

Die  Gesetze  für  Linsen  und  Brennspiegel  erleiden  daher  keine 
Modifikation  durch  die  Bewegung.  Ebensowenig  hat  die  Bewegung 
Einfluß  auf  Interferenzerscheinungen.  Denn  diese  zeichnen  sich 
ja  nur  aus  durch  eine  komplizierte  Gestalt  der  den  Lichtraum 
begrenzenden  Fläche  S  und  diese  Gestalt  wird,  wie  oben  gesagt 
wurde,  durch  die  Bewegung  nicht  verändert. 

Die  Unabhängigkeit  des  Strahlenganges  von  der  Bewegung 
gilt  auch  für  Kristalle,  ^  da  auch  für  diese  die  Differentialgleichungen 
und  Grenzbedingungen  in  einer  zu  (39)  und  (40)  analogen  Form 
gewonnen  werden  können,  so  daß  man  sich  sofort  beziehen  kann 
auf  die  Brechungsgesetze  ruhender  Krystalle. 

S.  Die  Erde  als  bewegtes  System.  Die  letzten  Betrachtungen 
sind  besonders  fruchtbar,  wenn  wir  die  Bewegung  der  Erde  durch 
den  Weltraum  betrachten.  Nach  diesen  Betrachtungen  kann  die 
Bewegung  der  Erde  nie^  einen  Einfluß  (in  erster  Ordnung 
nach  v)  auf  die  mit  terrestrischen  Lichtquellen  beobacht- 
baren Erscheinungen  haben,  denn  bei  Anwendung  irdischer 
Lichtquellen  ist  die  von  der  Lichtquelle  entsandte  Periode  allemal 
gleich  der  in  Betracht  kommenden  relativen  Periode,  d.  h.  ganz 
unabhängig  von  der  Bewegung  der  Erde,  daher  kann  auch  der 
Strahlengang  in  keiner  Weise  durch  die  Erdbewegung  modifiziert 
werden.  In  der  Tat  haben  zahlreiche  Versuche  (Eespighi,^) 
Hoeck,^)  Ketteler,^)  Mascart,^  über  Brechung  und  Interferenz 
(teilweise  auch  in  Kristallen)  die  Unabhängigkeit  der  Erscheinungen 
von  der  Orientierung  der  Apparate  in  bezug  auf  die  Bewegungs- 


1)  Ob  dies  auch  für  natürlich-  oder  magDetisch-aktiye  Körper  eintritt, 
mag  hier  unerörtert  bleiben;  dies  bedarf  besonderer  Untersuchung. 

2)  Es  wird  hier  abgesehen  von  natürlich-  oder  magnetisch-aktiven  Körpern 
(vgl.  die  vorige  Anm.). 

3)  Mem.  di  Bologna  (2)  n,  8.  279. 

4)  Astr.  Nachr.  73,  8.  193. 

5)  Astron.  Undulat.  Theorie,  8.  66,  158,  166,  1873. 

6)  Ann.  de  T^cole  norm.  (2),  1.  8.  191,  1872.  —  3,  8.  376,  1874. 


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460  Kapitel  VIII. 

richtung  der  Erde  dargetan.  —  Dagegen  kann  man  einen  Ein- 
fluß der  Erdbewegung  bei  Benutzung  außerterrestrischer  Licht- 
quellen dadurch  erhalten,  daß  dann  die  relative  Periode  von  der 
Erdbewegung  abhängt.  In  der  Tat  erscheinen  die  Spektrallinien 
mancher  Fixsterne  relativ  etwas  verschoben.  Dies  ist  durch  eine 
verschiedene  relative  Bewegung  der  Erde,  bzw.  des  ganzen  Sonnen- 
systems gegen  diese  Fixsterne  zu  erklären  (oder  umgekehrt,  was 
zu  demselben  Resultat  führt).  Denn  bei  den  Brechungs-  oder 
Interferenzgesetzen  handelt  es  sich  um  die  relativen  Perioden,  und 
diese  sind  nach  Formel  (7)  durch  T  (1  +  vn/a»)  gegeben,  falls  T  die 
absolute  Periode  ist  Je  nach  dem  Werte  und  dem  Vorzeichen 
von  vn  variiert  also  IT  und  damit  etwas  der  durch  Refraktion  oder 
Diffraktion  auf  der  bewegten  Erde  gebildete  Ort  der  Spektral- 
linie. Der  Inhalt  dieses  Satzes  wird  das  Dopplersche  Prinzip^ 
genannt 

Da  sich  die  Erde  um  die  Sonne  nahezu  in  einem  Kreise  be- 
wegt, so  ist  für  diesen  Fall  vn=0  zu  setzen.  Daher  ist,  wie  es 
auch  die  Experimente  von  Mascart^)  ergeben,  kein  Einfluß  der 
Erdbewegung  auf  den  durch  Refraktion  oder  Diffraktion  gebildeten 
Ort  der  Fraunhoferschen  Sonnenlinien  zu  beobachten. 3) 


1)  Im  obigen  ist  angenommen,  daß  die  Lichtquelle  A  ruht  und  der  Be- 
obachtungsort B  sich  bewegt  Die  Betrachtungen  gelten  auch  für  den  Fall, 
daß  sich  A  und  B  bewegen,  es  bezeichnet  dann  vn  die  relative  Geschwindig- 
keit von  B  gegen  A,  in  der  Eichtung  der  fortgepflanzten  Lichtstrahlen  ge- 
messen. In  diesem  Falle  ergibt  übrigens  zunächst  die  strenge  Berech- 
nung, daß  das  Verhältnis  der  wirklichen  Periode  T  zu  der  in  B  wahr- 
genommenen relativen  Periode  T  den  Wert  hat:  T:  T' —  (»  —  f<  :  <ü  —  v, 
wobei  if  die  absolute  Geschwindigkeit  von  B,  v  die  von  A  (in  Richtung  der 
Lichtstrahlen)  ist  und  a>  die  Lichtgeschwindigkeit  im  Medium  zwischen  A 
und  B  ist  Nur  wenn  sowohl  v  als  v  klein  gegen  w  sind,  reduziert  sich  diese 
strengere  Formel  auf  die  im  Text  angegebene,  d.  h.  auf  die  gewöhnliche 
Fassung  des  Doppler  sehen  Prinzipes.  Nun  wissen  wir  tatsächlich  nichts 
über  die  absolute  Bewegung  der  Himmelskörper;  daher  könnte  eventuell  die 
Anwendung  der  gewöhnlichen  Formel  des  Doppl ersehen  Prinzipes  zur  Er- 
mittelung der  relativen  Bewegung  der  Himmelskörper  im  Visionsradius  gegen 
die  Erde  zu  Fehlem  fQhren.  Auf  diesen  Punkt  hat  Moessard  (Comp. 
Rend.  114,  8.  1471,  1892)  zuerst  aufinerksam  gemacht. 

2)  Ann.  de  Pöcole  norm.  (2)  1,  S.  166,  190,  1872. 

3)  Wir  sehen  hier  ab  von  der  durch  Rotation  der  Sonne  hervorgeru- 
fenen Verschiebung  der  Linien,  welche  vom  Sonnenrande  uns  zugesandt 
werden.  Bei  den  Versuchen  wurde  mit  dem  Lichte  der  ganzen  Sonnenscheibe 
gearbeitet. 


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Bewegte  Körper.  4g  1 

9.  Die  Aberration  des  Lichtes.  Während,  wie  in  §  7  abge- 
leitet wurde,  der  relative  Strahlengang  durch  die  Erdbewegung 
nicht  beeinflußt  wird,  so  hängt  doch  die  Eichtung  der  Wellen- 
normale,  die  zu  einer  bestimmten  Strahlenrichtung  gehört,  von  der 
Erdbewegung  ab.  Dies  ist  schon  oben  S.  456  bewiesen;  es  ist  aber 
wohl  nützlich,  die  oben  durch  Benutzung  des  Huygensschen 
Prinzipes  gewonnene  Definition  des  Strahles  hier  unabhängig  davon 
direkt  abzuleiten.  Betrachten  wir  z.  B.  den  Fall  ebener  Wellen 
im  ruhenden  System:  alle  Größen  sind  periodische  Funktionen  von 
^  _  Pi^+^^r+Ps*.  jjjj  ruhenden  System  sind  PuP2iPz  ^ö  Rich- 
tungskosinus der  Wellennormale  und  zugleich  des  Strahles.  Wir 
wollen  uns  die  Eichtung  des  Strahles  dadurch  physikalisch  markiert 
denken,  daß  das  Licht  durch  zwei  enge  Öffnungen  fällt,  deren 
Verbindungslinie  die  Eichtungskosinus  PuP2jPz  hat.  —  Wird  nun 
das  ganze  System  mit  der  Geschwindigkeit  vxj  %,  vx  bewegt,  so 
ist  immer  noch  ein  (auf  das  bewegte  System  bezogener,  sogenann- 
ter relativer)  Strahl  mit  den  Eichtungskosinus  Pu  P2,  Vz  möglich, 
derselbe  wird  aber  nach  S.  458  hervorgerufen  durch  Wellen,  welche 
periodische  Funktionen  von 

sind.  Dieser  Ausdruck  entspricht  ebenen  Wellen,  bei  denen  die 
Eichtungskosinus  j?/,  p^^  p^  der  Wellennormale  proportional  sind  zu: 

Diese  Belation  (42)  läßt  also  im  bewegten  System  die  Eichtung 
der  Wellennormale  aus  der  Eichtung  des  Strahles  berechnen  und 
umgekehrt.  Diese  Eelation  ist  identisch  mit  der  oben  S.  457  aus 
dem  Huygensschen  Prinzip  abgeleiteten  Eelation  (35'),  denn  das 
dortige  p^,  p2»  Pz  entspricht  hier  dem  jp^,  p^  Pz  ^^^  annähernd  ist 
c:a>  =  n  zu  setzen. 

Nehmen  wir  daher  auf  der  bewegten  Erde  den  Ort  eines 
Sternes  in  der  Eichtung  jpi,  P2,  p^  wahr  (bezogen  auf  ein  mit  der 
Erde  verbundenes  Koordinatensystem),  so  wird  die  wahre  Eich- 
tung nach  dem  Ort  des  Sternes  davon  abweichen,  denn  diese  ist 
identisch  mit  der  Eichtung  der  Normale  der  vom  Stern  nach  der 


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4>;2  KÄfriud  VUL 

Erde  ge-andt*-n  Lichtwelleo,  i  h.  der  Ort  des  Siemes  berechnet 
»ich  aoB  />,'.  //j',  i>/. 

Wir  woll»in  genaaer  den  Fall  btftracht^n,  daß  der  Visions- 
radioä  des  ^jtemes  und  di*;  Erdbewegung  senJcrecht  aufeinander 
»tifben  mögen.  Setzen  wir  z.  B.  Pi  =^Pt  =  0,  j>j  =  K  r,  =vz  =  u, 
rr  =  r;  dann  wird  nach  ;42,,  wenn  wir  die  Lichtgeschwindig- 
keit (o  in  der  Laft  identiäzieren  mit  c  was  hier  durchaus  gestattet 
L^t  der  Ort  des  Sternes  gegeben  durch 

'43,  Pi'  'Pi  'P^  =r:0:e, 

d.  L  der  Ort  des  Sternes  weicht  um  den  Aberrationswinkel  g  vom 
Hcheinbaren  Ort  ab,  wobei  ig  ^^=^v:eisL  Dieser  Aberrationswinkel 
ändert  sich  auch  nicht,  wenn  wir  den  scheinbaren  Ort  des  Sternes 
in  einem  mit  Wasser  gefüllten  Femrohr  beobachten^*)  da  wir  ab- 
geleitet haben,  daß  der  relative  Strahlengang  in  irgend  einem 
Systeme  brechender  Körper  durch  die  Bewegung  nicht  beeinflußt 
wird.  Direkt  kann  man  dies  Resultat  hier  auch  noch  in  folgender 
Weise  zeigen:  Wenn  cd  merklich  von  c  verschieden  ist,  wie  z.  B. 
bei  Beobachtung  in  Wasser,  so  ist  die  zugiJiörige  Wellennormale 
im  Wasser  nicht  mehr  durch  (43)  gegeben,  sondern  nach  (42)  durch: 

(44)  P\  'P7'Pz  =r:0:— =r:0:cn, 

woraus  sich  ein  Aberrationswinkel  tg^=v:cn  ergibt  Die  zu- 
gehörige Wellennormale  in  Luft  oder  im  Vacuum  macht  aber  einen 
anderen  Winkel  g  mit  der  ;c-Achse,  und  zwar  ist,  da  die  Grenze 
zwischen  Luft  und  Wasser  senkrecht  zur  Strahlrichtung,  i  h.  zur 
«-Achse,  anzunehmen  ist,  nach  dem  Snelliusschen  Brechungsgesetz: 
sin^isin^ =n.  Da  nun  bei  der  Kleinheit  von  £  und  ^  die  sin 
mit  den  tg  zu  identifizieren  sind,  so  folgt  tg^=v:c,  i  h.  es  ergibt 
sich  derselbe  Wert  für  den  Abeirationswinkel,  als  ob  der  Ort 
des  Sternes  direkt  in  Luft  beobachtet  wäre. 

10.  Der  Polarisationsversach  von  Fizeaa.  Während  abge- 
sehen von  der  Aberration  und  der  Änderung  der  Schwingungsdauer 
nach  dem  Doppler  sehen  Prinzipe,  nach  der  entwickelten  Theorie 
ein  Einfluß  der  Erdbewegung  auf  die  auf  der  Erde  zu  beobach- 
tenden optischen  Erscheinungen  nicht  zu  erwarten  ist  und  tat- 


1)  Vgl.  oben  S.  109. 


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Bewegte  Körper.  4g3 

Sächlich  auch  im  allgemeinen  nicht  beobachtet  ist,  glaubte  Fizeau^ 
doch  in  einem  Falle  die  Wirkung  der  Erdbewegung  konstatiert 
zu  haben. 

Beim  schiefen  Durchgange  eines  polarisierten  Lichtbündels 
durch  eine  Glasplatte  ändert  sich  das  Azimuth  der  Polarisation 
(vgl.  oben  S.  271).  Der  benutzte  Apparat  bestand  aus  einem 
polarisierenden  Prisma,  einer  Anzahl  hintereinander  gestellter 
Glassäulen  und  einem  Analysator.  Zur  Zeit  der  Sonnenwende, 
meist  um  die  Mittagstunde,  wurde  durch  geeignet  gestellte  Spiegel 
ein  Bündel  Sonnenstrahlen  durch  den  Apparat  von  Ost  nach, 
West  und  dann  von  West  nach  Ost  geschickt.  Es  sollte  dadurch 
sich  im  Mittel  eine  kleine  Differenz  in  der  Analysatoreinstellung 
ergeben. 

Nach  der  hier  gegebenen  Theorie  kann  eine  solche  Differenz 
nicht  bestehen.  Denn  wenn  in  irgend  einer  Stellung  des  Apparates 
der  Analysator  auf  Dunkelheit  eingestellt  ist,  so  heißt  das,  daß 
die  Lichtbewegung  beschränkt  ist  auf  einen  Kaum,  der  sich  hinter 
den  Analysator  nicht  mehr  fortsetzt  Dieser  Raum  ändert,  wie 
wir  oben  S.  459  erörterten,  durch  die  Bewegung  der  Erde  seine 
Begrenzung  nicht,  falls  der  Strahlengang  relativ  zum  Apparat 
unverändert  gehalten  wird,  auch  wenn  kristallinische  Medien 
zur  Erzeugung  der  Begrenzungsfläche  S  des  Lichtraumes  benutzt 
werden.  Daher  müßte  die  Dunkelstellung  des  Analysators  unab- 
hängig sein  von  der  Orientierung  des  Apparates  gegen  die  Erd- 
bewegung. Es  ist  jedenfalls  wünschenswert,  daß  dieser  Versuch 
Fizeaus  noch  einmal  wiederholt  wird;  vorläufig  können  wir  es 
wohl  noch  als  zweifelhaft  hinstellen,  ob  wirklich  in  diesem  Punkte  ein 
Widerspruch  mit  der  hier  gegebenen  Theorie  und  Erfahrung  besteht 

11.  Der  Interferenzversuch  Hichelsons.  Die  Zeit,  welche 
das  Licht  gebraucht,  um  sich  zwischen  zwei  in  Ruhe  befindlichen 
Punkten  Ä  und  B  fortzupflanzen,  die  den  Abstand  /  besitzen  sollen, 
beträgt  ii  =  llo,  falls  c  die  Lichtgeschwindigkeit  ist  Wir  wollen 
uns  den  Vorgang  im  Vacuum,  oder,  was  hier  gleichbedeutend  ist, 
in  Luft  denken.  Wenn  beide  Punkte  Ä  und  B  eine  gemeinsame 
Geschwindigkeit  v  in  Richtung  der  Lichtstrahlen  besitzen,  so  ändert 
sich  die  Übergangszeit  t{  des  Lichtes  zwischen  A  und  B.  Nämlich 
nach  der  Zeit  i{  muß  das  Licht  nicht  nur  die  Strecke  /  durch- 
laufen haben,  sondern  auch  diejenigen  Strecke,  welche  der  Punkt  B 

1)  Ann.  de  chim.  et  de  phys.  (3)  58,  S.  129,  1860.  —  Pogg.  Ann.  114, 
S.  554,  1861. 


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464  Kapitel  VIII. 

in  der  Zeit  t^  zurückgelegt  hat,  d.  h.  im  ganzen  die  Strecke 
l  +  vt(,  so  daß  die  Relation  besteht: 

(45)  t(c=l  +  vtl. 

Wenn  das  Licht  bei  B  reflektiert  wird,  so  braucht  es,  um 
wieder  nach  Ä  zurückzugelangen,  die  Zeit  /j',  wobei 

(46)  t^c=-l—vt^ 

ist.  Denn  dieser  Fall  unterscheidet  sich  vom  vorigen  nur  dadurch, 
daß  Ä  sich  den  reflektierten  Lichtstrahlen  entgegen  bewegt.  Daher 
ist  die  ganze  Zeit  { ^  in  welcher  das  Licht  zwischen  den  beiden 
Punkten  A  und  B  hin  und  zurückgeht,  nach  (45)  und  (46): 


{=i;^t^=-i^.—^^j^—-^^ 


oder 


(4^)  ''=!(!+ KT). 

falls  wir  bis  auf  2.  Ordnung  in  vj^  entwickeln.  Die  Übergangszeit 
i  wird  also  erst  in  2.  Ordnung  durch  die  gemeinsame  Bewegung 
von  Ä  und  B  beeinflußt,  immerhin  müßte  dieser  Einfluß  durch 
eine  empfindliche  Interferenzmethode  nachweisbar  sein. 

Der  Versuch  wurde  im  Jahre  1881  von  Michelson  ^  ausgeführt, 
indem  er  eine  Art  Interferentialrefraktor  verwendete,  welcher  zwei 
gleich  lange,  horizontale,  zu  einander  senkrechte  Arme  P  und  Q 
besaß  (vgl  Figur  57  auf  S.  141)  Es  kamen  zwei  Lichtbündel  zur 
Interferenz,  von  denen  das  eine  längs  P  hin  und  her  ging,  das 
andere  längs  Q.  Der  ganze  Apparat  konnte  um  eine  vertikale  Achse 
gedreht  werden,  und  es  wurden  ihm  die  beiden  Lagen  gegeben,  in 
denen  einerseits  P,  andererseits  Q  möglichst  in  die  Richtung  der 
Erdbewegung  fiel.  Man  hätte  eine  Verschiebung  der  Interferenz- 
streifen bei  der  Drehung  des  Apparates  von  der  einen  Lage  in 
die  andere  erwarten  sollen. 

Wir  wollen  zunächst  diese  Verschiebung  genauer  berechnen. 
Es  möge  der  Arm  P  in  der  Eichtung  der  Erdbewegung  v  liegen, 
der  Arm  Q  senkrecht  dagegen.  A  sei  der  Kreuzungspunkt  der 
Arme  P  und  Q.   Die  Zeit  ^,  in  welcher  das  Licht  längs  P  hin  und 


1)  Americ.  Joum.  of  Science  (3)  22,  S.  120,  1881. 


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Bewegte  Körper.  465 

zurückgeht,  ist  durch  (47)  gegeben.  Die  Zeit  t'\  in  welcher  das 
Licht  längs  des  Armes  Q  hin  und  zurückgeht,  ist  nun  aber  nicht 
etwa  einfach  durch  r  =  ^Z:(j  gegeben,  falls  auch 
der  Ann  Q  die  Länge  1  hat,  sondern  es  ist  zu  be- 
rücksichtigen, daß  der  Ereuzungspunkt  A  der 
beiden  Arme  P  und  0,  von  denen  das  Licht  aus- 
geht und  nach  dem  es  zur  Zeit  t'  durch  Reflexion 
in  P  zurückkehrt,  verschiedene  Lagen  im  Kaum 
einnimmt  Dieser  Ereuzungspunkt  Ä  hat  sich 
nämlich  um  v(  verschoben  (vgl.  Figur  107).  Wir 
wollen  die  Anfangslage  des  Ereuzungspunktes  Ä 
durch  J|,  die  Endlage  durch  A^  bezeichnen. 
Damit  das  Licht  daher  von  A^  ausgehend  durch 
Eeflexion  am  Ende  des  Armes  Q  zum  Punkte  A^  geworfen 
wird,  muß  der  reflektierende  Spiegel  in  Q  etwas  schief  gegen  die 
Wellennormale  stehen,  das  Licht  hat  den  Weg  28  zu  durchlaufen, 
wobei  ist: 


■"+(f). 


und  {'  =^28\c  bezeichnet  die  Zeit,  welche  das  Licht  zum  Durch- 
eilen des  Armes  Q  hin  und  zurück  gebraucht  Unter  Rücksicht 
auf  (47)  ist  nun  mit  Entwickelung  bis  auf  Glieder  2.  Ordnung 
in  v\ 

SO  daß  entsteht 

i-i' --.'%•  m 

Wenn  diese  Zeitdifferenz  gleich  einer  ganzen  Periode  T  wäre, 
so  würden  die  Interferenzfransen  um  eine  ganze  Fransenbreite  ver- 
schoben sein  gegenüber  ihrer  Lage,  die  ohne  Erdbewegung  vor- 
handen wäre,  d.  h.  für  t;=o.  Drückt  man  daher  die  Verschiebung 
S  der  Interferenzfransen  in  Bruchteilen  von  Streifenbreiten  aus, 
so  folgt  aus  (49): 

wobei  £  der  Aberrationswinkel  ist  Nach  S.  108  beträgt  g=20,5" 
=  20,5 .  :;r :  180 .  60*  =  0,995  .  lO"*  in  Bogenmaß. 

Drude,  Lehrbuch  d.  Optik.    2  Aufl.  30 


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466  Kapitel  VIII. 

Die  Verschiebung  der  Interferenzfransen,  wenn  einmal  P  in 
Richtung  der  Erdbewegung  liegt,  das  andere  Mal  aber  Q  in  dieser 
Richtung,  müßte  das  Doppelte  von  6  betragen. 

Nun  war  aber  keine  Verschiebung  der  Interferenzfransen  zu 
beobachten.  Da  indes  bei  diesem  Versuch  die  Empfindlichkeit  der 
Methode  noch  nicht  genügend  war,  so  wurde  dieselbe  später  von 
Michelson  und  Morley*)  dadurch  gesteigert,  daß  jedes  Licht- 
bündel durch  Spiegel  mehrfach  hin  und  her  reflektiert  wurde.  Da- 
durch wurde  derselbe  Effekt  erzielt,  als  ob  die  Arme  P  und  Q  viel 
länger  gewesen  wären.  Jedes  Lichtbündel  hatte  so  einen  Weg  von 
22  Metern  im  ganzen  zu  durchlaufen  (d.  h.  es  ist  /  =  11  m  zu  setzen). 
Der  Apparat  war  auf  einer  schweren  Steinplatte  montiert,  welche 
auf  Quecksilber  schwamm,  und  konnte  so  leicht  um  eine  vertikale 
Achse  gedreht  werden.  Bei  dieser  Drehung  hätte  man  nach  Formel 
(50)  eine  Verschiebung  der  Interenzfransen  von  2(J  =  0,4  Streifen- 
breite erwarten  sollen,  es  ergaben  sich  aber  Verschiebungen  von 
höchstens  0,02  der  Streifendistanz;  dieselben  dürften  wohl  von  Be- 
obachtungsfehlem herrühren. 

Um  diesen  Widerspruch  zu  erklären,  2)  kann  man  versucht 
sein,  die  Theorie  umzustoßen,  d.  h.  den  Äther  nicht  in  absoluter 
Ruhe  anzunehmen,  sondern  zu  schließen,  daß  der  Äther  an  der 
Erdbewegung  teilnimmt.  Die  Erklärung  der  Aberration  stößt 
dann  aber  auf  unüberwindliche  Schwierigkeiten.  —  Einen  anderen 
Weg  zur  Erklärung  des  negativen  Resultates  beim  Michelson- 
schen  Interferenzversuch  bietet  die  von  Lorentz  und  Fitzgerald 
gemachte  Hypothese,  daß  die  Länge  eines  festen  Körpers 
abhängig  ist  von  der  absoluten  Bewegung  desselben  im 
Räume. 

In  der  Tat,  wenn  der  in  Richtung  der  Erdbewegung  liegende 
Arm  Z  um  /^2  kürzer  ist,  als  der  andere,  so  würde  hierdurch  die 
Zeitdifferenz  t'  —  i\  wie  sie  in  (49)  berechnet  ist,  gerade  kompen- 


1)  Amer.  Joum.  of  Science  (3)  34,  S.  333,  1887.  —  PhiL  Mag.  (5),  24, 
S.  449,  1887. 

2)  Sutherland  (Phil.  Mag.  (5)  46,  S.  23,  1898)  erklärt  das  negative 
Resultat  Michelsons  durch  eine  nicht  genügend  genaue  Justierung  des  Appa- 
rates. Indes  ist  dieser  Einwand  (nach  einer  mir  brieflich  gemachten  Mitteilung 
von  H.  A.  Lorentz)  nicht  stichhaltig,  wenn  man,  wie  es  stets  der  Fall  ist,  mit 
dem  Femrohr  auf  größte  Deutlichkeit  der  Interferenzfransen  einstellt. 


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Bewegte  Körper.  467 

siert  werden,  d.h.  dann  würde,  dem  Versuch  entsprechend,  sich 
keine  Verschiebung  der  Interferenzfransen  ergeben. 

So  befremdend  die  Hypothese  auf  den  ersten  Blick  erscheinen 
mag,  daß  die  Dimensionen  eines  Körpers  von  seiner  absoluten  Be- 
wegung als  abhängig  erscheinen,  so  liegt  sie  doch  schließlich 
gar  nicht  so  fem,  sobald  man  annimmt,  daß  auch  die  zwischen 
den  Molekülen  des  Körpers  wirkenden  sogenannten  Molekular- 
kräfte gerade  so  wie  die  elektrischen  und  magnetischen  Kräfte 
durch  den  Äther  vermittelt  werden,  und  daß  daher  eine  Trans- 
lation im  Äther  die  Molekularkräfte  beeinflussen  kann,  gerade  so, 
wie  die  dargelegte  Theorie  die  Anziehung  oder  Abstoßung  zwischen 
elektrisch  geladenen  Teilchen  als  modifiziert  ergibt  durch  eine 
Translation  der  Teilchen  im  Äther.  Da  «^^a  den  Wert  10"®  be- 
sitzt, so  würde  z.  B.  der  mit  der  Erdbewegung  zusammenfallende 
Durchmesser  der  Erde  nur  um  6,5  cm  verkürzt  werden.  Indes 
ergibt  sich  nun  eine  neue  Schwierigkeit,  weil  nach  der  Lorentz- 
Fitzgeraldschen  Hypothese  eine  Doppelbrechung  des  Lichtes  in- 
folge der  Erdbewegung  eintreten  müßte,  die  nach  Versuchen  von 
Eayleigh^)  und  Brace^)  nicht  vorhanden  ist.  Diese  Schwierigkeit 
hebt  nun  Lorentz^)  neuerdings  durch  die  Annahme  von  Elektronen, 
die  durch  die  Bewegung  deformiert  werden. 

Erhebt  man  die  Unabhängigkeit  der  optischen  Erscheinungen 
von  der  absoluten  Bewegung  bei  relativer  Buhe  von  Lichtquelle, 
Apparat  und  Beobachter  zum  Postulat  (sogenanntes  Prinzip 
der  Eelativität),  so  hat  hierfür  kürzlich  Einstein^)  die  Trans- 
formationsgleichungen von  Ort  und  Zeit  beim  Übergang  vom  ru- 
henden zum  bewegten  System  gegeben.  Wenn  dadurch  natürlich 
auch  nicht  eine  Erklärung  des  negativen  Resultates  der  Ver- 
suche von  Michelson  und  Morley  gegeben  ist,  so  bietet  dieser 
Weg  doch  zur  mathematischen  Behandlung  der  Erscheinungen 
von  relativer  Bewegung  der  Lichtquelle  gegen  Beobachter  und 
Apparat  elegante  Einfachheit,  z.  B.  bei  Berechnung  des  Strah- 
lungsdruckes. Dieser  Weg  ist  also  stets  richtig,  solange  alle 
beobachtbaren  Erscheinungen  durch  gemeinsame  Translation  nicht 
beeinflußt  werden,  und  falls  bei  irgend  einer  Erscheinung  das 


1)  Rayleigh,  Phil.  Mag.  (6)  4,  S.  678,  1902. 

2)  D.  B.  Brace,  PhU.  Mag.  (6)  7,  S.  317,  1904. 

3)  H.  A.  Lorentz,  Verel.  K.  Ak.  van  Wet.  12,  S.  986,  1904. 

4)  A.  Einstein,  Ann.  d.  Phys.  17,  S.  891,  1905. 

30* 


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468  Kapitel  VIII. 

auf  diesem  Wege  gefundene  Eesultat  der  Beobachtung  nicht  ent- 
sprechen sollte,  so  wäre  damit  ein  Fingerzeig  gegeben,  dsß  bei 
dieser  betreflTenden  Erscheinung  doch  die  absolute  Bewegung  im 
Baum  von  Einfluß  ist  Aber  bisher  ist  keine  solche  Erscheinung 
bekannt  geworden.  *) 


1)  W.  Kaufmann  (Berl.  Ber.  1905,  S.  949)  bestreitet  zwar  auf  Gnuid 
der  magnetischen  Ablenkung  schneUer  Kathodenstrablen  die  Gültigkeit  der 
Lorentzschen  Hypothese  deformierbarer  Elektronen  und  daher  auch  die  Gültig- 
keit des  EelativitatsprinzipeS;  indes  ist  dieser  Beweis  bei  der  Kompliziertheit 
der  theoretischen  und  experimentellen  Grundlagen  wohl  noch  nicht  als  ein 
definitiv  entscheidender  anzusehen. 


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m.  Abschnitt 

Die  StTaMung  der  Körper. 

Kapitel  L 

Die  Strahlung  in  energetischer  Deutung. 

1.  Das  EmissionsyerinSgen.  Wir  haben  früher  (S.  72) 
photometrische  Grundsätze  mit  Hilfe  gewisser  Definitionen  abge- 
leitet, deren  Berechtigung  sich  dadurch  erwies,  daß  die  so  be- 
rechneten Beleuchtungsstärken  oder  Helligkeiten  in  Übereinstim- 
mung mit  den  durch  das  Auge  wahrnehmbaren  Tatsachen  standen. 
Wir  können  nun  aber  an  Stelle  dieses  physiologischen,  subjektiven 
Maßes  uns  leicht  ein  physikalisches,  objektives  Maß  für  die  Wir- 
kung einer  Lichtquelle  verschaffen,  indem  wir  die  Wärmeent- 
wickelung beobachten  in  irgend  einem  Körper,  welcher  die  Strahlen 
der  Lichtquelle  absorbiert.  Hierdurch  kommt  nun  allerdings  ein 
neuer  Begriff  in  die  photometrischen  Definitionen  hinein,  welcher 
bei  der  physiologischen  Messung  mit  Hilfe  des  Auges  nicht  ein- 
geführt zu  werden  brauchte,  nämlich  der  Begriff  der  Zeit,  da  die 
Wärme,  welche  in  einem  absorbierenden  Körper  entwickelt  wird, 
proportional  der  Zeit  ist.  Die  Wärme  muss  nach  energetischem 
Grundsatz  entstanden  sein  durch  ein  gewisses  Energiequantum, 
welches  die  Lichtquelle  in  den  absorbierenden  Körper  hineinge- 
sandt hat.  Wir  definieren  demgemäß  als  die  Gesamt-Emis- 
sion  JE'  einer  Lichtquelle  Q  die  von  Q  in  der  Zeiteinheit  durch 
Strahlung  in  die  Umgebung  entsandte  Energie. 

Die  strahlende  Energie  besteht  nun  im  allgemeinen  aus  Schwin- 
gungen sehr  verschiedener  Wellenlängen  X.  Betrachten  wir  das 
Energiequantum,  welches  im  Gebiete  zwischen  den  Wellenlängen 
X  und  X  +  dX  liegt,  so  muß  dasselbe  in  der  Form  Ex  •  dX  zu 


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470  Kapitel  I. 

schreiben  sein.    Den  Faktor  Ex  wollen  wir  die  Emission  für 
die  Wellenlänge  X  nennen. 

Die    Emission   zwischen   den   Wellenlängen   X^  und   X^   ist 
danach 


^jEx'dX, 


(1)  E^^- 
und  die  Gesamtemission 

(2)  E^JEi'dX. 

0 

Die  Emission  eines  Körpers  hängt,  abgesehen  von  seiner 
Natur,  auch  von  der  Größe  und  Gestalt  seiner  Oberfläche  ab. 
Ein  Begriff,  der  von  diesen  Nebenumständen  frei  ist,  ist  das 
Emissionsvermögen  eines  Körpers.  Darunter  wird  die  (nach 
außen  gehende)  Emission  der  Einheit  der  Oberfläche  des  Körpers 
verstanden. 

2.  Die  StraUnngsintensltat  einer  Fläche.  Der  früher  (S.  72) 
ausgesprochene  Grundsatz,  daß  die  Lichtmenge  konstant  bleibt 
für  jeden  Querschnitt  einer  Lichtröhre,  d.  h.  einer  Röhre,  deren 
Seiten  von  Lichtstrahlen  gebildet  werden,  erscheint  vom  energe- 
tischen Standpunkte  notwendig,  da  man  die  Lichtmenge  als 
Energiefluß  in  der  Zeiteinheit  interpretiert  Denn,  wie  wir  oben 
S.  259  ableiteten,  bilden  die  Lichtstrahlen  die  Bahnen  des  Ener- 
gieflusses, d.  h.  durch  die  Seitenflächen  einer  Lichtröhre  tritt  weder 
Energie  ein  noch  aus.  Folglich  muß  der  Energiefluß  durch  jeden 
Querschnitt  einer  Lichtröhre  derselbe  sein,  da  in  jeden  Raumteil 
gleichviel  Energie  ein-  wie  ausströmen  muß,  falls  derselbe  nicht 
eine  Strahlungsquelle  enthält,  oder  die  Energie  der  Strahlung  ab- 
sorbiert. 

Wir  können  daher  den  Energiefluß,  den  ein  kleines  Flächen- 
element ds  innerhalb  eines  Elementarkegels  vom  räumlichen 
Öflftiungswinkel  dQ  durch  Strahlung  entsendet,  in  der  Form 
schreiben  (vgl.  die  frühere  Formel  (69)  der  S.  77): 

(3)  dL  =  idscos(pdQy 

wobei  (p  den  Neigungswinkel  des  Flächenstückes  ds  gegen  die 
Achse  des  Elementarkegels,  d.  h.  gegen  die  betrachtete  Strahlen- 
richtung von  ds,  bezeichnet  i  soll  die  Strahlungsintensität 
der  Fläche  ds  genannt  werden. 


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Die  Strahlung  in  energetischer  Deutong.  47 1 

Wenn  dem  Auge  eine  gekrümmte  strahlende  Fläche  an  allen 
Stellen  gleich  hell  erscheint,  so  muß,  wie  wir  S.  76  ableiteten,  i 
konstant,  d.  h.  unabhängig  von  der  Neigung  q>  sein.  Ob  i  nach 
energetischen  Grundsätzen  konstant  ist,  oder  nicht,  wollen  wir 
später  diskutieren.  Wenn  wir  mal  voraussetzen,  daß  i  konstant 
wäre,  so  berechnet  sich  aus  (3)  der  Energiefluß,  den  ds  innerhalb 
eines  endlichen  Kreiskegels  entsendet,  dessen  Mantelstrahlen  den 
Winkel  U  mit  der  Normale  auf  ds  bilden,  nach  der  auf  S.  77 
abgeleiteten  Formel  (73)  zu: 

L  =  jtid88in^U,  (4) 

Setzen  wir  daher  27=*/2  und  dividieren  durch  ds,  so  erhalten 
wir  das  Emissionsvermögen  e  von  ds  in  der  Form: 

e  =  Jti.  (5) 

Man  kann  auch  hier  t  als  Gesamtstrahlungsintensität  unter- 
scheiden von  ti,  der  Strahlungsintensität  für  eine  Wellenlänge  X. 
Bezeichnet  man  mit  ei  das  Emissionsvermögen  für  die  Wellen- 
länge X,  so  ist  auch 

ei  =  jtix . 

3.  Das  mechanische  Äquivalent  der  Lichteinheit.  Unter 
der  Lichteinheit  versteht  man  die  Energie,  welche  die  Lichtstrahlen 
der  Hefherlampe  (vgl.  oben  S.  75)  in  horizontaler  Richtung  inner- 
halb eines  Kegels  vom  räumlichen  Öffnungswinkel  1  (d.  h.  auf 
1  cm^  in  1  cm  Entfernung)  pro  Sekunde  entsenden.  Die  Gesamt- 
emission dieser  Lampe  innerhalb  dieses  Kegels  fand  Tumlirz^) 
zu  0,1483  Grammkalorieen  pro  Sekunde,  Angström 2)  zu  0,215 
Grammkalorieen  pro  Sekunde.  Da  nun  1  Grammkalorie  gleich 
419-10*  erg,  d.  h.  absolute  mechanische  Arbeitseinheiten,  ist 
(mechanisches  Wärmeäquivalent),  und  da  nach  Angström  nur 
0,9  Proz.3)  der  gesamten  ausgestrahlten  Energie  dem  sichtbaren 
Licht  angehört,  so  ist 

1  Lichteinheit  =  0,215  •  419  •  10*  •  0,009  ==  8,1  •  10^  erg/sec.    (7) 


1)  Wied.  Ann.  38,  S.  650,  1889. 

2)  Wied.  Ann.  67,  8.  648,  1899.  —  Phys.  Ztschr.  8,  1902,  8.  258. 

3)  Tmnlirz  fand  hierför  2,4%,  indem  er  die  Wärmestrahlen  durch  eine 
Wasserschicht  absorbierte  und  so  von  den  Lichtstrahlen  trennte.    Die  hier 


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472  Kapitel  1. 

Diese  Zahl  ist  also  das  mechanisclie  Äquivalent  der  Lichteinheit 
Die  Einheit  der  Beleuchtangsstärke  bildete  die  Meterkerze 
(vgl.  oben  S.  75),  d.  h.  die  Lichtmenge,  welche  die  Hefnerlampe 
in  1  m  Entfernung  auf  die  Flächeneinheit  (1  cm  2)  sendet  Der 
räumliche  Öffnungswinkel  beträgt  in  diesem  Falle  1 :  100  •  100, 
es  ist  daher  nach  (7) 

(8)  1  Meterkerze  8,1- ^- 

Das  Auge  empfängt  daher  bei  der  Beleuchtungsstärke  von 
1  Meterkerze,  d.  h.  wenn  es  sich  in  einem  Abstand  von  1  m  von 
der  Kerze  befindet,  und  falls  die  Pupillenöffnung  3  mm  beträgt, 
etwa  die  Energie  von  0,6  erg  in  der  «ec,  dieser  Energiefluß  könnte 
erst  in  einer  Zeit  von  2V3  Jahren  1  g  Wasser  um  1®  Celsius  er- 
wärmen; hierdurch  gewinnt  man  eine  Vorstellung  von  der  un- 
geheuren Empfindlichkeit  des  Auges.  Wenn  dasselbe  noch  einen 
Stern  6.  Größe  wahrnimmt,  so  reagiert  das  Auge  sogar  noch  auf 
eine  Beleuchtungsstärke  von  etwa  1-10""®  Meterkerzen,  da  ein 
Stern  6.  Größe  etwa  dieselbe  Helligkeit  hat,  wie  die  Hefnerlampe 
in  11  km  Entfernung.    In  diesem  Falle  erhält  das  Auge   (bei 

3  mm  Pupillenöffnung)  also  einen  Energiefluß  von  0,6  •  10~^  er^ 
pro  sec. 

Die  sogenannte  Normalkerze  (Paraffinkerze  von  2  cm  Durch- 
messer, Flammenhöhe  50  mm)  hat  etwa  eine  1,24  mal  stärkere 
Emission  als  die  Hefnerlampe. 

4.  Die  Sonnenstrahlimg.  NachLangley  wird  etwa  V3  der 
Energie  der  Sonnenstrahlung  in  der  Erdatmosphäre  absorbiert,  faUs 
die  Sonne  im  Zenith  steht  Nach  seinen  Messungen  würde  die  Sonne 
pro  Minute  dem  Quadratzentimeter  der  Erde  bei  senkrechter  In- 
zidenz  etwa  3  gr  cal  (genauer  2,84  gr  cal)  zustrahlen  (Solar kon- 
stante), falls  die  Atmosphäre  nicht  absorbierte.  (Angström 
erhält  4  gr  cal  pro  Minute.)   Der  Energiefluß  auf  der  Erdoberfläche 

benutzte  Zahl  bezieht  sich  auf  die  neuere  Arbeit  von  Angström,  der  die 
Strahlen  zunächst  spektroskopisch  trennte,  die  nicht  sichtbaren  Strahlen  ab- 
blendete, und  die  sichtbaren  Strahlen  durch  eine  Linse  auf  einem  Bolometer 
oder  einer  Thermosäule  vereinigte.  Der  hier  beobachtete  Effekt  wurde  nun  ver- 
glichen  mit  der  Wirkung,  welche  die  nicht  spektral  zerlegten  Lampenstrahlen 
in  einer  derartigen  Entfernung  der  Lampe  vom  Bolometer  ergaben,  daß  die 
photometrische  Helligkeit  am  Ort  des  Bolometers  die  gleiche  war,  wie  die  der 
vereinigten  Lichtstrahlen  im  ersten  Falle. 


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Die  Strahlnng  in  energetischer  Deutung.  473 

mit  Rücksicht  auf  die  Absorption  in  der  Atmosphäre  wäre  daher 
nach  Langley  etwa  2  gr  cal  pro  Minute  =  1,3  •  10*  ^jsec.  Die 
oben  S.  442  benutzte  (Pouilletsche)  Zahl  hierfür  ist  etwas  kleiner. 
—  Die  Energie  des  sichtbaren  Lichtes  zwischen  den  Fraunhofer- 
schen  Linien  Ä  und  F2  beträgt  etwa  35%  der  Gesamtstrahlung, 
d.  h.  es  ist  die  sogenannte  Beleuchtungsstärke  B  der  Sonne  (ohne 
Absorption  in  der  Luft)  nach  Langleys  Messungen: 

J9  =  6,9  •  10^^=46300  Meterkerzen.  (9) 

Rechnet  man  als  mittlere  Entfernung  der  Sonne  von  der  Erde 
149  •  10^  m,  so  beträgt  demnach  die  Lichtstärke  der  Sonne  1,02  •  10^' 
Kerzen. 

5.  Der  Wirkungsgrad  einer  Lichtquelle.  Unter  dem  Wirkungs- 
grad g  einer  Lichtquelle  versteht  man  das  Verhältnis  der  Energie 
der  ausgesandten  Lichtstrahlen  zu  der  Energie,  welche  die  Licht- 
quelle zur  Unterhaltung  ihres  Leuchtens  in  der  gleichen  Zeit  ver- 
braucht. 

So  verbraucht  etwa  eine  Öllampe  (Carcel-Lampe)  von  9,4 
Kerzenstärke  pro  Stunde  42  g  Öl,  d.  h.  in  der  sec.  1,16- 10""^  g 
Öl.  Die  Verbrennungswärme  des  Öls  beträgt  9500  cal  pro  g, 
d.h.  39,7-10^^  erg.  Nun  ist  nach  Formel  (7)  die  Lichtemission 
der  Kerzeneinheit  gegeben  für  einen  Öffnungswinkel  1.  Für  volle 
Strahlung  rings  herum,  d.  h.  für  einen  Öffnungswinkel  4jr,  ist 
daher  diese  Zahl  mit  4jt  zu  multiplizieren,  falls  man  annimmt, 
daß  die  Strahlung  nach  allen  Richtungen  die  gleiche  ist.  Daher 
ist  für  die  Öllampe  der  Wirkungsgrad: 

_     9,4.  ai.  10^4^     _     .  ^0-^  =  0,20/0. 

^        1,16.10-2.  39,7.10^0  '  '     /o 

Der  Wirkungsgrad  ist  also  sehr  gering,  d.  h.  nur  0,2  %  der  im 
Öl  enthaltenen  Energie  wird  zur  Beleuchtung  ausgenutzt 

Wesentlich  günstiger  steht  es  mit  der  elektrischen  Beleuchtung. 
Im  elektrischen  Bogenlichte  kann  man  eine  Kerzenstärke  mit  dem 
Effektverbrauch  von  V2  Watt,  d.  h.  5  •  10  ^  ^jsec  erzielen.  Daher 
würde  für  Bogenlicht  sein 

(Bei  Glühlampen  würde  g  etwa  3%  sein.) 


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474  Kapitel  I. 

Danach  muß  es  praktischer  sein,  anstatt  das  Öl  direkt  als 
Lichtquelle  zu  verwenden,  seine  Verbrennungswärme  zum  Treiben 
eines  Motors  zu  benutzen,  welcher  eine  Dynamomaschine  in  Gang 
erhält,  die  einen  elektrischen  Lichtbogen  erzeugt  Im  Diesel-Motor 
kann  70  %  der  Energie  des  Öls  in  mechanische  Energie  umgesetzt 
werden,  durch  die  Dynamomaschine  kann  etwa  90%  davon  in  elek- 
trische Energie  verwandelt  werden,  welche  zur  Speisung  des  Licht- 
bogens zur  Verfügung  steht;  danach  würde  der  Wirkungsgrad  der 
elektrischen  Beleuchtung,  berechnet  auf  den  Ölverbrauch,  sich 
treiben  lassen  auf 

^  =  0,20-0,7.0,9  =  13%. 

Es  ist  hierbei  allerdings  nicht  berücksichtigt,  daß  auch  die 
Kohlen  des  Lichtbogens  abbrennen.  Für  eine  Glühlampe  gewöhn- 
licher Konstruktion,  welche  etwa  3  V2  Watt  pro  Kerze  erfordert, 
würde  ^=  1,8%  sein,  berechnet  auf  den  Verbrauch  an  Heizmaterial 
des  Motors.  Für  eine  Nernstsche  Glühlampe,  welche  1  Watt  pro 
Kerze  erfordert,  0  würde  sich  g  steigern  auf  6,5%. 

6.  Der  Dmck  der  Strahlung.  Es  mögen  ebene  Wellen  senk- 
recht gegen  die  ebene  Grenzfläche  eines  Körpers  fallen.  Die  elek- 
trischen Kräfte  der  Wellen  können  dann  auf  den  Körper  keine 
senkrecht  gegen  ihn  gerichteten  Druckkräfte  ausüben,  da  sie  nur 
tangentiale  Komponenten  haben,  die  magnetischen  Kräfte  werden 
dies  aber  tun,  da  in  dem  Körper  elektrische  Strömungen  statt- 
finden und  jedes  Stromstück  der  Länge  dl  durch  ein  Magnetfeld  $, 
welches  senkrecht  gegen  den  Strom  gerichtet  ist,  eine  senkrecht 
gegen  beide  Richtungen  liegende  Kraft  idl^  :c  erfährt,  falls  i  die 
Stromstärke  nach  elektrostatischem  Maße  bedeutet  (vgl.  oben  S.  421, 
Formel  (39)).  Legen  wir  die  ic-Achse  senkrecht  zur  Grenzfläche 
des  Körpers,  positiv  ins  Innere  des  Körpers  hinein  gerichtet,  so 
wird  ein  Volumenelement  dv  des  KOrpers  wegen  seiner  Strom- 
dichte jx  durch  die  y-Komponente  ß  der  in  ihm  stattfindenden 
magnetischen  Kraft  nach  der  +  «-Achse  getrieben  mit  einer  Kraft 
+  V^  'J'xdv  •  ß,  wegen  seiner  Stromdichte  jy  erfährt  es  durch  die 
a::-Komponente  a  der  magnetischen  Kraft  einen  Antrieb  nach  der 
—  «-Achse:  —  ^jcjydv.a'^).  Dabei  ist  der  Sinn  des  Koordinaten- 
systems wie  stets  (vgl.  oben  S.  251)  gewählt.    Da  nun  nach  den 

1)  Je  nach  der  Beanspruchung  schwankt  der  Energieverbrauch  zwischen 
V2  bis  1,8  Watt. 

2)  Vgl.  dazu  die  analogen  Formeln  (42)  S.  422. 


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Die  Strahlung  in  energetischer  Dentnng.  475 

Grundgleichungen  (7)  S.  251,  falls  die  Kräfte,  wie  hier,  nur  von 
der  ;^-Richtung  abhängen,  die  Beziehungen  bestehen 

SO  wird  die  auf  das  Volumenelement  dv  im  Sinne  der  +  it-Rich- 
tung,  d.  h.  als  Druck,  wirkende  Kraft  dK: 

Schneiden  wir  nun  aus  dem  Körper  einen  Zylinder,  der  das  Ober- 
flächenelement de  des  Körpers  zur  Basis  hat,  und  senkrecht  gegen 
seine  Oberfläche  liegt,  so  wird  auf  diesen  ganzen  Zylinder,  der 
sich  von  « =  0  bis  x  =  a  (Austritt  am  hinteren  Körperende)  er- 
strecken möge,  die  Kraft  dK  ausgeübt: 


■"^--2/(4: +''S*- 


Der  in  Richtung  von  +  x  wirkende  Druck  pro  Flächeneinheit 
ist  also: 

^  =  S  =  ^[(«'  +'»')0  -  («^  +  /?^a]-  (10) 

Nach  dieser  Formel  kann  man  in  jedem  Falle  den  Druck  be- 
rechnen, auch  in  seiner  Abhängigkeit  von  der  Intensität  der  ein- 
fallenden Wellen,  man  muß  dazu  nur  die  Aufgabe  lösen,  aus  der 
Intensität  der  einfallenden  Wellen  die  im  Körper  stattfindenden 
Wellenbewegungen  zu  bestimmen,  was  nach  den  in  Kapitel  II 
und  IV  des  II.  Abschnittes  entwickelten  Formeln  leicht  ge- 
schehen kann. 

Wenn  an  der  Hinterfläche  des  Körpers  keine  merkliche  Wellen- 
Intensität  mehr  besteht,  so  ergibt  (10): 

v-'^iP"'  (11) 

Da  die  Tangential-Komponenten  der  magnetischen  (und  elek- 
trischen) Kraft  stetig  sind  beim  Durchgang  durch  die  Körper- 
oberfläche (vgl.  oben  S.  257),  so  ist 

«0  =  «e  +  «r,      /9o  =  Ä  +  /Sr,  (12) 


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476  Kapitel  I. 

wobei  der  Index  e  sich  auf  die  einfallende,  Index  r  sich  auf  die 
reflektierte  Welle  bezieht,  und  die  Werte  a«,  or^  ße,  ßr  gelten  for 
die  Umgebung  des  Körpers  unmittelbar  an  seiner  Grenze. 

Ist  der  Körper  ein  vollkommener  Spiegel,  wie  er  z.  B.  durch 
ein  Metall  von  sehr  guter  Leitfähigkeit  realisiert  wird,  so  ist  die 
reflektierte  magnetische  Kraft  or  gleich  und  gleich  gerichtet  mit 
der  einfallenden  magnetischen  Kraft  a«  (vgl.  oben  S.  270). 

Wegen  (12)  folgt  dann  ao  =  2a,,  ßo  =  2ße,  so  daß  (11)  ergibt 

(12)  P  =  ^(«-^  +  Ä^. 

Nun  ist  nach  S.  258  die  in  der  Volumeinheit  in  der  einfallen- 
den Welle  enthaltene  magnetische  Energie:  ®m  =  ^(a«2  +  ft2) 

Die  elektrische  Energie  ist  in  fortschreitenden  ebenen  Wellen 
stets  gleich  der  magnetischen  Energie,  wie  sich  aus  der  Lösung 
oben  S.  266  für  ebene  Wellen  sofort  ergibt.  Daher  ist  die  ganze 
(elektrische  und  magnetische)  Energie  der  Volumeinheit  ®  in  der 
einfallenden  Welle  gegeben  durch  @  =  ^  («,2  _|.  ß^i^^ 

Die  reflektierte  Welle  enthält  die  gleiche  Energie,  da  der 
Körper  total  reflektieren  soll.  Daher  ist  die  ganze  in  der  Um- 
gebung des  Körpers  pro  Volumeinheit  vorhandene  Strahlungsenergie 

JE'  =  ^  («,2  +  |9.2),  so  daß  die  Gleichung  (11)  für  den  Strahlungs- 
druck wird: 

(13)  p  =  E. 

Der  Strahlungsdruck,  den  ebene  Wellen  bei  senk- 
rechter Inzidenz  auf  einen  absolut  reflektierenden 
Körper  ausüben,  ist  also  gleich  der  in  der  Volumen- 
einheit seiner  Umgebung  enthaltenen  Energie  der  ein- 
fallenden Wellen. 

Da  nach  §  4  der  Energiefluß  der  Sonnenstrahlung  auf  der 

Erdoberfläche  1,3  •  lO^^^pro  cm^  beträgt,  so  ist  also  dieser  Energie- 
betrag in  3  .  10^^  cm^  durchstrahlter  Luft  enthalten.  Polglich  ist 
die  Energie  in  1  cm  3: 

E  =  1,3  .  10«  _  ,     ..-5 
3  .  IQio  —  ^  •  ^"     • 

Diesen  Druck  üben   also  die  Sonnenstrahlen   auf  ein  Quadrat- 


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Die  Strahlung  in  energetischer  Deutung.  477 

zentiiueter  eines  total  reflektierenden  Körpers  aus.  Der  Druck  ist 
etwa  gleich  dem  Gewicht  von  4-10"*  Milligramm,^  also  so  klein, 
daß  er  experimentell  nur  mit  sehr  feinen  Hilfsmitteln  zu  konsta- 
tieren ist  Durch  subtile  Messungen  mit  dem  Kadiometer  ist  dies 
aber  Lebede  w>)  gelungen:  der  Druck  ergab  sich  übereinstimmend 
mit  der  Theorie  2).  Dieser  Strahlungsdruck  hat  eine  große  theo- 
retische Bedeutung,  wie  wir  im  nächsten  Kapitel  sehen  werden. 

7.  Prerosts  Theorie  des  Wärmeaustausches.  Jeder  Körper 
strahlt,  auch  wenn  er  nicht  leuchtet,  eine  gewisse  Energiemenge 
aus,  die  um  so  größer  wird  und  um  so  mehr  Wellen  kurzer  Periode 
enthält,  je  höher  die  Temperatur  des  Körpers  wird.  Wenn  daher 
zwei  Körper  A  und  B  von  verschiedener  Temperatur  gegenüber- 
gestellt werden,  so  strahlen  beide  Körper  Energie  aus  und  auch 
der  heißere  empfängt  strahlende  Energie  vom  kälteren.  Die 
Temperaturen  beider  Körper  gleichen  sich  dadurch  aus,  daß  der 
heißere  mehr  Energie  ausstrahlt,  als  er  vom  kälteren  empfängt 
und  absorbiert,  während  umgekehrt  der  kältere  mehr  Energie 
empfängt,  als  ausstrahlt  Diese  Auffassung  der  Strahlungserschei- 
nungen hat  zuerst  Prevost  ausgesprochen. 


1)  P. Lebedew,  Ann.  d.  Phys. 6, 8. 433, 1901.  —  Vgl.  femer E. F.  Nichols, 
und  G.  F.  Hüll,  Ann.  d.  Phys.  12,  8.  225,  1903. 

2)  Die  Formel.  (13)  bezieht  sich  auf  einen  voUkommenen  Spiegel.  Hat 
derselbe  das  Beflexionsvermögen  (>  <  1,  so  haben  die  genannten  Physiker 
als  theoretische  Formel  fQr  den  Strahlnngsdrack  nach  dem  Vorgang  von 
Maxwell  benutzt  p  «*  (£  (1  -H  (>)t  wobei  ($  die  pro  Volumeinheit  in  der 
einfallenden  WeUe  enthaltene  Energie  bezeichnet.  Zu  dieser  Formel  führt 
aber  die  hier  abgeleitete  Formel  (11)  nur  mit  einer  gewissen  Annäherung, 
wenn  nämlich  q  von  1  nicht  zu  stark  abweicht  Wäre  (>  =  0,  so  würde  (11) 
p  =  1.  (5  ergeben,  während  die  Maxwellsche  Formel  p  =  @  ergibt  Dagegen 
werden  die  Verhältnisse  anders,  wenn  die  Fläche  selbst  strahlt  Hat  sie  eine 
so  hohe  Temperatur,  daß  sie  ebensoviel  Energie  ausstrahlt,  als  sie  absorbiert, 
so  ist  der  Druck  stets  durch  (}3)  gegeben,  d.  h.  gleich  der  Energie  der  hin- 
und  hergehenden  Strahlung  in  der  Volumeinheit  der  Umgebung.  Dieser 
Druck  ist  dann  ganz  unabhängig  von  der  Beschaffenheit  der  Fläche.  Dies 
wird  weiter  unten  8.  499  bewiesen.  Es  ist  wichtig,  zu  bemerken,  daß  die  hier 
gezogenen  Schlüsse,  speziell  die  Formel  (13),  eine  Folgerung  der  besonderen 
benutzten  Theorie,  nämlich  der  elektromagnetischen  Theorie  sind,  daß 
sie  aber  nicht  aus  allgemeinen  energetischen  Betrachtungen  sich  ergeben.  80 
würde  sich  z.  B.  (vgl  M.  Planck,  Vorl.  üb.  Theor.  d.  Wärmestrablg.  Leipzig 
1906,  8.  58)  aus  der  Newtonschen  Emanationstheorie  der  Strahlungsdruck 
doppelt  so  groß  berechnen,  als  nach  der  elektromagnetischen  Theorie,  obwohl 
auch  die  erstere  Theorie  gegen  die  Grundsätze  der  Energetik  nicht  verstößt. 


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478  Kapitel  L 

Wenn  daher  zur  Bestimmung  der  Emission  eines  Körpers  A 
die  Temperaturerhöhung  in  einem  schwarzen  Körper  B^  welcher 
die  Strahlen  von  A  absorbiert,  gemessen  wird,  so  hängt  das  Resultat 
von  der  Temperaturdifferenz  der  beiden  Körper  A  und  B  ab.  Man 
würde  um  so  genauer  durch  die  Temperaturerhöhung  in  B  die 
volle  Emission  von  A  messen,  je  weniger  Energie  B  selber  aus- 
strahlt Wenn  es  sich  daher  z.  B.  um  die  Energie  der  Lichtstrahlen 
einer  Quelle  A  handelt,  deren  Wärmestrahlen  durch  Absorption 
in  einem  Wassergefäß  vernichtet  werden,  so  kann  man  diese  Leucht- 
energie in  vollem  Betrage  durch  Absorption  in  einem  schwarzen 
Körper  B  messen,  welcher  gleiche  Temperatur  wie  das  Wasser- 
gefäß hat.  Denn  bei  Zimmertemperatur  sendet  B  nicht  Licht- 
strahlen von  merklichem  Energiebetrage  aus,  sondern  nur  Wärme- 
strahlen, und  diese  empfängt  B  in  gleichem  Betrage  vom  Wasser- 
gefäß zurück.  —  Dagegen  ist  die  Gesamtemission  einer  Lichtquelle 
etwas  höher,  als  sie  durch  Absorption  in  einem  schwarzen  Körper  B 
von  Zimmertemperatur  gemessen  wird,  indes  ist  in  Anbetracht 
der  viel  höheren  Temperatur  der  Lichtquelle,  z.  B.  der  Sonne 
oder  einer  Flamme,  diese  Korrektion  zu  vernachlässigen  und  das 
Resultat  der  Messung  ist  praktisch  unabhängig  von  Schwankungen 
der  Temperatur  des  Körpers  Ä  —  Dagegen  ist  die  Temperatur 
von  B  sehr  wohl  zu  berücksichtigen,  wenn  die  Emission  eines 
nicht  sehr  viel  heißeren  Körpers  A  gemessen  werden  soll.  Hiervon 
soll  im  nächsten  Kapitel  noch  mehr  die  Rede  sein. 


Kapitel  IL 


Anwendung  des  zweiten  Hauptsatzes  der  Thennodynamik 
anf  reine  Temperatnrstrahlung, 

1.  Die  beiden  Hauptsätze  der  Thermodynamik.  Der  erste 
Hauptsatz  der  Thermodynamik  ist  das  Energieprinzip,  nach  welchem 
mechanische  Arbeit  nur  durch  Aufwendung  eines  gewissen  Energie- 
quantums zu  gewinnen  ist,  d.  h.  durch  Zustandsveränderungen 
der  die  Arbeitsmaschine  speisenden  Körper.   Obgleich  nach  diesem 


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AnwenduDg  des  zweiten  Hauptsatses  der  Thermodynamik  nsw.        479 

Satze  ein  perpetuum  mobile  anmöglich  ist,  d.  h.  eine  Maschine, 
welche  beliebig  viel  Arbeit  erzeugt,  ohne  daß  dabei  die  sie  speisen- 
den Körper  eine  dauernde  Veränderung  erlitten,  so  wäre  doch 
noch  eine  kostenlos  arbeitende  Maschine  denkbar.  Energie  nämlich 
steht  genug  und  kostenlos  zur  Verfügung,  man  braucht  z.  B.  nur 
an  das  ungeheure  Energiequantum,  welches  als  Wärme  im  Meer- 
wasser enthalten  ist,  zu  denken.  Nach  dem  ersten  Hauptsatze 
wäre  nun  eine  (kostenlos  arbeitende)  Maschine  denkbar,  welche 
dadurch  fortwährend  nutzbare  mechanische  Energie  schafft,  daß 
sie,  in  das  Meerwasser  eingesenkt,  demselben  beständig  Wärme 
entzieht  und  dadurch  Arbeit  leistet.  Man  hat  die  Überzeugung, 
daß  eine  solche  Maschine,  die  in  praktischer  Hinsicht  ebenfalls 
ein  perpetuum  mobile  darstellen  würde,  unmöglich  ist:  bei  allen 
Motoren,  welche,  wie  z.  B.  die  Dampfmaschine,  Wärme  in  Arbeit 
umsetzen,  müssen  mindestens  zwei  Wärmereservoire  verschiedener 
Temperaturen  zu  Gebote  stehen:  die  Kesselfeuerung  und  die  kältere 
Temperatur  der  umgebenden  Luft  oder  des  Wasserdampf konden- 
sators.  Es  kann  nur  allgemein  dann  Wärme  in  Arbeit  verwandelt 
werden,  wenn  ein  gewisses  Quantum  Q  einem  Reservoir  höherer 
Temperatur  entnommen  und  ein  kleineres  Wärmequantum  (^  an 
ein  kälteres  Reservoir  abgeliefert  wird. 

Wir  stellen  daher  als  einen  allgemeinen  Erfahrungssatz 
auf,  daß  man  nie  fortdauernd  auf  Kosten  von  Wärme 
mechanische  Arbeit  erzeugen  kann,  wenn  nur  ein  Wärme- 
reservoir von  überall  gleicher  Temperatur  zur  Verfügung 
steht  Dieser  Gedanke  bildet  den  Inhalt  des  zweiten  Haupt- 
satzes der  Thermodynamik. 

Wir  wollen  hier  zunächst  nur  eine  Folgerung  desselben  be- 
nutzen: Wenn  ein  nach  außen  gegen  Wärme-  und  Arbeits- 
abgabe geschütztes  (nach  außen  abgeschlossenes)  System 
von  Körpern  zu  irgendeiner  Zeit  überall  die  gleiche 
'temperatur  hat,  so  kann,  falls  man  das  System  sich  selbst 
überläßt  und  falls  keine  Yerändemngen  in  der  Natnr  der 
Körper  eintreten,  niemals  eine  Temperaturdifferenz  im 
System  entstehen.  Denn  man  könnte  eine  solche  Temperatur- 
diflferenz  zum  Treiben  einer  Arbeitsmaschine  benutzen.  Wenn  dann 
durch  ihre  Wirkung  sich  die  Temperaturdifferenz  ausgeglichen 
haben  sollte,  so  würde  wieder  von  selbst  eine  solche  im  System 
entstehen.  Dann  könnte  man  wiederum  Arbeit  daraus  gewinnen 
und  so  in  inflnitum,  obgleich  ursprünglich  nur  Wärme  von  überall 


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480  Kapitel  11. 

derselben  Temperatur  zu  Gebote  gestanden  hat.  Dies  würde  gegen 
den  zweiten  Hauptsatz  verstoßen.  —  Es  ist  wichtig,  zu  bemerken, 
daß  man  auf  diesem  Wege  Wärme  von  ursprünglich  einerlei 
Temperatur  nur  dann  fortdauernd  zum  Arbeitsgewinn  benutzen 
könnte,  falls  dabei  die  Natur  der  Körper  des  Systems  un- 
geändert  bleibt.  Denn  wenn  diese  sich  verändern,  z.B.  chemische 
Verbindungen  gebildet  werden,  so  hört  die  Arbeitsfähigkeit  des 
Systems  schließlich  auf.  Durch  Eintreten  chemischer  Veränderungen 
kann  also  wohl  eine  ursprünglich  vorhandene  Temperaturgleich- 
heit gestört  werden;  dies  steht  nicht  im  Widerspruch  mit  dem 
zweiten  Hauptsatz;  wir  können  diese  Erscheinung  ja  auch  an  jedem 
Verbrennungsprozeß  beobachten. 

2.  Temperatarstrahlnng  und  Lumtnlszenz.  Jeder  Körper 
strahlt  Energie  aus,  mindestens  in  der  Form  langwelliger  Wärme- 
strahlen. Nun  sind  zwei  Fälle  zu  unterscheiden:  Entweder  ver- 
ändert sich  der  Körper  seiner  Natur  nach  bei  diesem  Strahlungs- 
vorgange nicht,  er  würde  fortdauernd  in  gleicher  Weise  strahlen, 
falls  man  durch  Zufuhr  von  Wärme  seine  Temperatur  konstant  hält 
Diesen  Vorgang  wollen  wir  als  reine  Temperaturstrahlung 
bezeichnen.  Oder  der  Körper  verändert  sich  bei  der  Strahlung,  es 
würde,  allgemein  gesprochen,  nicht  fortdauernd  dieselbe  Strahlung 
bestehen  bleiben,  auch  wenn  die  Temperatur  konstant  gehalten 
würde.  Diesen  Vorgang  bezeichnet  man  als  JLuminiszenz.  Die 
Ursache  der  Strahlung  liegt  in  diesem  Falle  nicht  in  der  Tempe- 
ratur des  Systemes,  sondern  in  einer  anderen  Energiequelle,  z.  B. 
bezeichnet  man  als  Chemi-Luminiszenz  die  durch  chemische 
Veränderungen  veranlaßte  Strahlung,  wie  sie  z.  B.  beim  Phosphor 
oder  faulenden  Holze  durch  langsame  Oxydation  bewirkt  wird.  Die 
bei  anderen  Körpern  beobachtete  Erscheinung  des  sogenannten  Phos- 
phoreszierens,  d.  h.  des  Nachleuchtens  von  Körpern  nach  der  Be- 
lichtung, wird  als  Photo-Luminiszenz  bezeichnet.  Hier  ist  die 
Energiequelle  der  Strahlung  das  ursprünglich  in  den  Körper 
von  außen  eingestrahlte  Licht,  welches  vielleicht  irgend  welche 
Veränderungen  in  der  Natur,  z.  B.  dem  Molekülbau,  des  Körpers 
bewirkt  hat,  die  nun  bei  der  Phosphoreszenz  wieder  rückgängig 
werden.  Das  Leuchten  von  Geißlerschen  Röhren  im  hochge- 
spannten elektrischen  Strome  nennt  man  Elektro-Luminis- 
zenz  usw. 

Es  ist  nach  dem  in  §  1  Gesagten  klar,  daß  der  zweite  Haupt- 
satz derThermodynamiknurFolgerungenfürreine  Tempe- 


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Anwendung  des  zweiten  Hauptsatzes  der  Thermodynamik  usw.      4SI 

raturstrahlungen  ziehen  läßt  Nach  der  oben  S.  478  ge- 
nannten Vorstellung  des  Wärmeaustausches  folgt  z.  B.,  daß  ein 
einmal  vorhandenes  Temperaturgleichgewicht  in  einem 
nach  außen  abgeschlossenen  System  von  Körpern  durch 
reine  Temperaturstrahlung  derselben  niemals  gestört 
werden  kann;  aber  wohl  könnte  durch  Luminiszenz  der  Körper 
eine  Störung  des  Temperaturgleichgewichts  eintreten. 

Im  folgenden  wird  immer  nur  reine  Temperaturstrahlung 
vorausgesetzt. 

3.  Bas  Emissions-Yermögen  eines  vollkomineii  spiegelnden 
oder  ToUkommen  darclisiclitigen  Körpers  ist  Nall.  Denken  wir 
uns  eine  sehr  große  Platte  eines  beliebigen  Körpers  K  eingeschlossen 
zwischen  zwei  Platten  SS  von  vollkommenen  Spiegeln.  Unter 
solchen  soll  ein  Körper  verstanden  werden,  welcher  die  ganze, 
auf  ihn  von  außen  fallende  Strahlungsenergie  reflektiert.  —  Ur- 
sprünglich sollen  K  und  SS  gleiche  Temperaturen  haben.  Man 
kann  K  und  SS  denken  als  Teile  eines  größeren,  nach  außen 
abgeschlossenen  Körpersystems  von  konstanter  Temperatur.  Wenn 
nun  K  Energie  emittiert,  so  empfängt  K  dieselbe  durch  Reflexion 
an  SS  in  vollem  Betrage  zurück.  K  soll  ein  von  Null  verschiedenes 
Absorptionsvermögen  besitzen.  Unter  dem  Absorptionsver- 
mögen^) a  eines  Körpers  oder  einer  Fläche  soll  verstanden  werden 
das  Verhältnis  der  absorbierten  Energie  zu  der  von  außen  zu- 
gestrahlten Energie.  Wenn  daher  die  Energiemenge  1  zugestrahlt 
wird,  so  wird  die  Energiemenge  a  absorbiert,  die  Energiemenge 
1 — a  reflektiert,  falls  der  Körper  keine  Energie  durchläßt  Diese 
Größe  1  — a  ist  daher  das  Reflexionsvermögen  r=l  —  a, 
falls  der  Körper  so  dick  ist,  daß  keine  Energie  ihn  durchdringt, 
sonst  ist  r<;i  —  a. 

Die  von  den  Spiegeln  SS  nach  K  reflektierte  Energie  wird  nun 
iuÄ"  teilweise  absorbiert,  teilweise'aber  wiederum  nach  SS  reflektiert. 
Diese  Energie  wird  aber  wieder  vollkommen  an  SS  nach  K  zurück- 
reflektiert usw.  Man  erkennt  leicht,  daß  der  Körper  JT  jedenfalls 
im  stationären  Zustande  seine  ganze  ausgesandte  Energie  durch 
wiederholte  Reflexion  an  den  vollkommenen  Spiegeln  SS  in  vollem 


1)  Das  Absorptionsvermögen  a  ist  wohl  zu  unterscheiden  von  dem  oben 
S.  341  eingeführten  Absorptionsindex  x.    Ein  Metall,  z.  B.  Silber,  hat  einen 
sehr  großen  Absorptionsindex  x,  aber  ein  äußerst  kleines  Absorptionsver- 
mögen a,  da  das  Silber  nahezu  alle  einfallende  Energie  reflektiert 
Drnde,  Lehrbach  d.  Optik.   2.  Aafl.  ^\ 


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482  Kapitel  H. 

Betrage  wieder  absorbieren  muß,  da  SS  selber  nichts  von  dieser 
Energie  absorbieren.  Wenn  daher  die  Spiegel  SS  ebenfalls  Energie 
ausstrahlen  würden,  so  würde  die  Temperatur  des  Körpers  Ä"  erhöht 
werden,  da  dann  K  außer  der  von  ihm  selbst  ausgesandten  Energie 
noch  einen  TeiP)  der  von  SS  emittierten  Energie  absorbiert 
Dagegen  die  Temperatur  der  Spiegel  würde  sinken,  da  sie  emittieren, 
aber  nichts  absorbieren.  Da  nun  durch  eine  Temperaturstrahlung 
nach  dem  zweiten  Hauptsatze  nicht  die  ursprünglich  vorhandene 
Temperaturgleichheit  gestört  werden  kann,  so  schließen  wir,  daß 
das  Emissionsvermögen  eines  vollkommenen  Spiegels 
gleichNullist.  —  Wenn  daher  irgend  ein  Körpersystem  von  einer 
nach  außen  vollkommen  spiegelnden  Fläche  umgeben  ist,  so  ist 
es  gegenStrahlungnach  außen  vollkommen  abgeschlossen. 
In  gleicher  Weise  kann  man  schließen,  daß  das  Emissions- 
vermögen eines  vollkommen  durchsichtigen  Körpers  gleich 
Null  ist.  Denn  denken  wir  uns  einen  beliebigen  absorbierenden 
Körper  K  von  einem  durchsichtigen  Körper  umgeben,  und  das 
Ganze  in  eine  nach  außen  und  innen  spiegelnde  Hülle  eingeschlossen, 
so  mußte  sich  der  durchsichtige  Körper  abkühlen,  wenn  er  emit- 
tierte, da  er  nichts  absorbiert 

4.  EirchhofF^  Gesetz  Aber  den  Znsaminenhaiig  der  Emis- 
sion mit  der  Absorption.  Wir  denken  uns  ein  sehr  kleines 
Flächenelement  ds  aus  einer  absorbierenden  Substanz  im  Zentrum 
einer  spiegelnden  Hohlkugel  vom  Radius  1 ,  welche  an  zwei  dia- 
metral gegenüberliegenden  Stellen  zwei  gleiche,  kleine  Öffnungen 
dQ  besitzt  (vgl.  Figur  108). 

da   soll  klein  gegen  dQ   sein.     Die  von  ds   durch  je   eine 
Öflfnung  dQ  ausgestrahlte  Energie  schreiben  wir  nach  Formel  (3) 
auf  S.  471: 
(1)  dL  =  ids  cos  q)  düj 

wobei  q)  den  Neigungswinkel  der  Normale  auf  (^  gegen  den  mittleren, 
durch  dQ  und  ds  gelegten  Strahl  bezeichnet,  i  wird  die  Strahlungs- 
intensität von  ds  in  der  Richtung  q>  genannt  Ob  i  von  q>  abhängt, 
lassen  wir  zunächst  dahingestellt  Alle  Energie,  welche  ds  in 
anderer  Richtung  entsendet,  erhält  es  durch  Reflexion  an  der 
Hohlkugel  zurück  und  absorbiert  diese   Energie    (nach   wieder- 


1)  Nämlich   den   von    SS  nach   dem  Körper  K  hingesandten   Teil  der 
ganzen  Strahlungsmenge. 


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AnwenduDg  des  zweiten  Hauptsatzes  der  Thermodynamik  nsw.       433 

holter  Hin-  und  Herreflexion)  schließlich  vollständig.  Die  Hohlkugel 
sei  nun  rings  umgeben  von 
einem  schwarzen  Körper  Z', 
dessen  äußere  Obei-fläche 
vollkommen  spiegelnd  sei. 
E!  strahlt  daher  nur  nach 
innen.')  Ein  Teil  (rf^)  der 
von  JT  entsandten  Energie 
gelangt  durch  die  beiden 
Öffnungen  dQ.  auf  das  Ele- 
ment da  und  wird  dort  teil- 
weise absorbiert  Von  einem 
Flächenelement  ds  der 
schwarzen  Hülle  ausge- 
sehen, erscheint  das  Flä- 
chenelement ds  unter  dem 
räumlichen  Winkel 


Fig.  108. 


dSi  =  -5  coä  9) , 


(2) 


falls  r  die  Entfernung  von  di  und  dem  Orte  von  ds  bezeichnet 
Die  von  da  nach  da  ausgestrahlte  Energie  ist  also 


dl]  =  %  da  coa  g/  dSf , 


(3) 


falls  /  die  Strahlungsintensität  der  schwarzenFläche  in  der  Neigung  90' 
gegen  die  Normalenrichtung  bedeutet  Die  Gesamtheit  aller  auf 
da  strahlenden  Flächenelemente  da  hat  nun  die  Größe: 


2  da'  =  r^  dQ  :  coa  q>' , 


(4) 


wobei  r  und  q>'  für  die  einzelnen  Flächenelemente  da'  als  konstant 
angenommen  ist.  Daher  schreibt  sich  die  ganze  von  K'  durch  eine 
Öffnung  dQ  auf  das  Flächenstück  da  zugestrahlte  Energie 


oder  nach  (2): 


dE'  =  SdL'  ^i  -r^'dQdSf, 
dJEf  =  t  du  da  coa  q) , 


(5) 
(6) 


1)  Ein  vollkommen  schwarzer  Körper  kann  leuchten,  falls  seine  Tempe- 
ratur genügend  hoch  ist  An  Stelle  der  Bezeichnung  „vollkommen  schwarz" 
wäre  daher  die  Bezeichnung  „vollkommen  absorbierend"  zutreffender. 

31* 


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484  Kapitel  II. 

Ebenso  wird  von  der  anderen,  Seite  dem  ds  die  Energie  zugesandt: 

(7)  d^'  =  %' '  düdscosip, 

wobei  t'  von  t  unterschieden  ist,  falls  nämlich  diese  Größe  von 
dem  Winkel  g/  abhängen  sollte  und  falls  (p  auf  beiden  Seiten  der 
Hülle  verschieden  ist 

Wenn  nun  ursprünglich  Temperaturgleichgewicht  herrscht,  so 
darf  dieses  durch  die  Strahlung  nicht  gestört  werden.  Die  von  ds 
nach  beiden  Seiten  durch  die  beiden  Öffnungen  dSi  emittierte 
Energie  2dL  muß  also  kompensiert  werden  durch  die  absorbierte 
Energie  a  {dBf  +  dl!'\  falls  a  das  Absorptionsvermögen  von  (fe  für 
die  Strahlungsrichtung  (p  bezeichnet  Nach  dem  zweiten  Haupt- 
satze ist  also  nach  (1),  (6)  und  (7): 

(8)  2%  =  a{%  +  %') . 

Diese  Gleichung  muß  unverändert  bleiben,  falls  die  schwarze  Hülle  K' 
ihre  Gestalt  ändert,  wodurch  q/  variiert  Daher  muß  t  =  i'  un- 
abhängig von  q>'  sein,  d.  h.  die  Strahlungsintensität  t  einer 
schwarzen  Fläche  ist  unabhängig  von  der  Richtung  der 
Strahlung.  —  Aus  (8)  folgt  daher 

(9)  i  =  a't. 

Wenn  man  als  Fläche  ds  verschiedene  schwarze  Körper  wählt, 
während  die  Substanz  von  ds  unverändert  bleibt,  so  muß  daher 
nach  (9)  allemal  auch  %  konstant  bleiben,  d.  h.  die  Strahlungs- 
intensität eines  schwarzen  Körpers  hängt  von  seiner 
speziellen  Natur  nicht  ab,  sondern  ist  eine  universelle 
Funktion  der  Temperatur. i)  Die  Beziehung  (9)  kann  man  daher 
so  aussprechen: 

Das  Verhältnis  zwischen  der  Strahlungsintensität 
und  dem  für  gleiche  Strahlneigung  geltenden  Absorp- 
tionsvermögen eines  beliebigen  Körpers  hängt  nur  von 
seiner  Temperatur  ab;  dies  Verhältnis  ist  nämlich  gleich 
der  Strahlungsintensität  eines   schwarzen  Körpers  von 


1)  Diese  Fanktion  kann  noch  durch  den  Brecbungsindex  des  durch- 
strahlten Raumes  beeinflußt  werden.  Davon  soU  weiter  unten  die  Bede  sein. 
Hier  ist  zunächst  dieser  Brechungsindex  =  1  angenommen,  d.  h.  der  durch- 
strahlte Baum  soll  das  Vacuum  sein. 


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Anwendung  des  zweiten  Hauptsatzes  der  Thermodynamik  usw.       435 

gleicher  Temperatur.  Diese  Sätze  rühren  von  Kirchhoff^) 
her.  Die  aufgestellten  Sätze  gelten  nicht  nur  fttr  die  Gesamt- 
strahlungsintensität, sondern  auch  fttr  die  Strahlungsinten- 
sität jeder  beliebigen  Wellenlänge  X  gilt  das  Kirchhoff- 
sche  Gesetz: 

ix='  ax'  ix  .  (9') 

Bringen  wir  nämlich  hinter  einer  Öffnung  dQ,  des  Hohlspiegels 
(S.  483)  ein  dispergierendes,  vollkommen  durchsichtiges  Prisma  an, 
so  können  wir  eine  ganz  bestimmte  Wellenlänge  der  vom  Flächen- 
stück da  nach  außen  gesandten  Strahlen  auf  einen  schwarzen 
Körper  fallen  lassen,  während  alle  anderen  Strahlengattungen  durch 
vollkommene  Spiegel  wieder  durch  das  Prisma  und  die  Öffnung 
dO,  auf  da  zurückgeworfen  werden.  Also  auch  allein  innerhalb  eines 
schmalen  Bereiches  von  Wellenlängen,  die  zwischen  X  und  X  -Y  dX 
liegen,  muß  die  vorige  Betrachtung  gelten,  welche  zur  Gleichung  (9) 
führte. 

Die  Gleichung  (9)  oder  (9')  muß  sogar  für  jede  bestimmte 
Polarisationsrichtung  der  Strahlen  einzeln  gelten.  Denkt 
man  sich  nämlich  hinter  dQ,  ein  Prisma  eines  durchsichtigen, 
doppelbrechenden  Kristalles  aufgestellt,  so  werden  die  Wellen  ver- 
schiedener Polarisationsrichtung  räumlich  getrennt  in  zwei  Wellen- 
züge. Den  einen  Wellenzug  kann  man  nun  wiederum  allein  auf 
einen  schwarzen  Körper  fallen  lassen,  während  der  andere  durch 
Spiegelung  nach  ds  zurückgelangt  Die.  oben  angestellten  Be- 
trachtungen führen  dann  zur  Gleichung  (9'),  welche  also  auch  für 
irgend  eine  beliebige  Polarisationsrichtung  gültig  ist 

5.  Folgerangen  ans  dem  Eirchhoffsehen  Gesetz.  Wenn 
man  einen  schwarzen  Körper  allmählich  erhitzt,  so  sendet  er  von 
einer  gewissen  Temperatur  an,  die  etwa  bei  525  ®  Cels.  liegt,  sicht- 


1)  Siehe  Ostwalds  Klassiker,  Nr.  100.  —  E,  Pringsheim  (Verh.  d. 
deutsch,  phys.  Ges.  8,  S.  81,  1901)  gab  einen  Beweis  des  Kirchhofischen  Ge- 
setzes ohne  die  Annahme,  daß  vollkommen  schwarze  Körper,  vollkommene 
Spiegel  und  vollkommen  durchsichtige  Substanzen  wirklich  existieren.  Eine 
weitere  Ergänzung  des  Beweises  unter  der  Annahme,  daß  in  der  Umgebung 
der  Körper  sowohl  Absorption  als  Zerstreuung  der  Strahlung  stattfinden 
könne,  gab  M.  Planck  (Vorles.  üb.  Theor.  d.  Wärmestrahlung,  Leipzig  1906, 
S.  23  ii^,  —  Über  die  experimentelle  Herstellung  schwarzer  Körper  vgl.  den 
folgenden  §  5. 


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486  Kapitel  II. 

bares  Licht  aus.  Dasselbe  hat  zunächst  große  Wellenlängen  0 
(Kotglut),  bei  weiterer  Temperatursteigerung  treten  auch  kleinere 
Wellenlängen  in  merkbarer  Menge  hinzu  (bei  1000^  beginnt  die 
Gelbglut,  bei  1200 «  die  Weißglut).  Die  Gleichung  (9')  besagt 
nun,  daß  kein  Körper  bei  niedrigerer  Temperatur  zu  leuchten  be- 
ginnen kann,  als  ein  schwarzer  Körper,  sondern  daß  alle  Körper 
bei  gleicher  Temperatur  (etwa  bei  525  <>)  anfangen,  (rot)  zu  leuchten 
(Drapers  Gesetz).2)  Die  Intensität  des  Leuchtens  hängt  aller- 
dings vom  Absorptionsvermögen  ax  des  Körpers  bei  der  betref- 
fenden Temperatur  ab.  Blanke  Metalle  z,  B.,  die  auch  bei 
hoher  Temperatur  ihre  große  Reflexionsfähigkeit  bewahren,  leuchten 
viel  weniger,  als  Euß.  Ein  Eußstreifen  auf  der  Oberfläche  eines 
Metalls  tritt  daher  beim  Glühen  als  heller  Streifen  auf  dunkelem 
Grunde  hervor.  —  Ebenso  leuchtet  ein  durchsichtiger  Glasstab 
bei  Glühtemperatur  sehr  wenig,  weil  sein  Absorptionsvermögen 
sehr  klein  ist.  —  Bildet  man  aus  irgend  einem  Metall  einen  Hohl- 
körper mit  einem  kleinen  Loch,  so  verhält  sich  dieses  wie  ein 
nahezu  idealer  schwarzer  Körper.  Denn  die  in  das  Loch  ge- 
langende Strahlung  wird  an  den  Wänden  des  Hohlkörpers  vielfach 
hin  und  her  reflektiert  und  dadurch  vollkommen  absorbiert,  auch  wenn 
die  Wände  des  Hohlkörpers  nicht  vollkommen  schwarz  sind.  Nur 
ein  kleiner  Teil  der  Strahlung  wird  aus  dem  Loch  wieder  heraus- 
reflektiert. Dieser  Teil  ist  um  so  geringer,  je  kleiner  das  Loch  im 
Vergleich  zur  Oberfläche  des  Hohlkörpers  ist.  3)   Das  Loch  muß  also 


1)  Das  erste  ansgesandte  Licht  wird  bei  subtiler  Beobachtung  nicht  rot, 
sondern  gespenstergrau  gesehen.  Dies  erklärt  sich  dadurch,  daß  die  Netzhaut 
des  menschlichen  Auges  zwei  lichtempfindliche  Organe,  die  Stäbchen  und  Zapfen, 
besitzt.  Erstere  sind  die  lichtempfindlichsten,  sie  sind  aber  farbenblind.  Der 
gelbe  Fleck,  d.  h.  der  Ort  des  deutlichsten  Sehens  der  Netzhaut,  besitzt  nun 
viel  Zapfen,  aber  wenig  Stäbchen.  Daher  findet  der  erste  Lichteindruck  (grau) 
in  peripheren  Netzhautstellen  statt.  Sowie  der  Gegenstand  fixiert  wird,  d.  h. 
sein  optisches  Bild  auf  den  gelben  Fleck  gebracht  wird,  verschwindet  der 
Lichteindruck  wieder.  Daher  erklärt  sich  das  Gespensterartige  der  Erscheinung* 

2)  Jede  Ausnahme  vom  Drap  ersehen  Gesetz,  wie  z.B.  die  Phosphores- 
zenz bei  niedriger  Temperatur,  besagt,  daß  es  sich  um  keine  reine  Temperatur- 
strahlung handelt,  sondern  daß  bei  der  Strahlung,  auch  wenn  die  Temperatur 
konstant  bleibt,  irgend  welche  Energieveränderungen  eintreten. 

3)  Dies  ist  bei  weitem  die  beste  Methode  zur  Herstellung  eines  schwarzen 
Körpers  und  sie  ist  in  neuerer  Zeit  auch  stets  benutzt  zur  experimentellen 
Ermittelung  der  Strahlungsgesetze  eines  schwarzen  Körpers.  Ln  Innern  eines 
aus  beliebigen  Körpern  gebildeten  Hohlraumes,  der  gar  keine  Strahlung  nach 


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Anwendoiig  des  zweiten  Hauptsatzes  der  Thennodynamik  usw.      4g7 

beim  Glühen  sich  hell  abzeichnen  auf  der  äußeren  Fläche  der 
Hohlkugel,  da  diese  nur  geringeres  Absorptionsvermögen  hat. 

Bei  allen  nicht  schwarzen  Körpern  mit  glatter  Oberfläche 
nimmt  das  Reflexionsvermögen  zu,  wenn  der  Einfallswinkel  der 
Strahlung  wächst,  daher  muß  das  Absorptionsvermögen  abnehmen. 
Nach  (9')  ist  daher  bei  allen  nicht  schwarzen  Flächen  die 
Strahlungsintensität  t  für  senkrecht  aus  der  Fläche  aus- 
tretende Strahlung  größer,  als  für  schiefe  Strahlung.  Das 
cos -Gesetz  der  Strahlung  gilt  daher  streng  nur  für 
schwarze  Flächen. 

Bei  schiefer  Inzidenz  hängt,  wie  wir  oben  S.  268  berechneten, 
das  Keflexionsvermögen,  und  daher  das  Absorptionsvermögen  eines 
Körpers  vom  Polarisationszustande  der  einfallenden  Strahlen  ab. 
Daher  sendet  ein  Körper  in  schiefer  Richtung  partiell 
polarisierte  Strahlung  aus,  und  zwar  muß  diejenige  Kom- 
ponente des  Lichtes  stärker  sein,  welche  senkrecht  zu  der  durch 
den  Strahl  und  die  Normale  gehende  Ebene  polarisiert  ist,  weil 
diese  schwächer  reflektiert,  also  (wenn  der  Körper  nicht  voll- 
kommen durchsichtig  ist)  stärker  absorbiert  wird.  —  Bei  Kristallen, 
z.  B.  dem  Turmalin  hängt  auch  bei  senkrechter  Inzidenz  das  Ab- 
sorptionsvermögen vom  Polarisationszustande  des  einfallenden 
Lichtes  ab.  Wenn  daher  diese  Eigenschaft  der  Turmalin  auch 
bei  Glühhitze  behält,  so  muß  eine  glühende  Turmalinplatte  par- 
tiell polarisiertes  Licht  auch  in  der  Richtung  ihrer  Normale 
emittieren.  Diese  Folgerung  hat  Kirchhoff  experimentell  be- 
stätigt. 0    In  der  Glühhitze  ist  allerdings  beim  Turmalin  die  Ab- 

außen  gelangen  läßt,  muß  sich  daher  bei  bestimmter  Temperatur  ein  ganz 
bestimmtes  Strahlungsgleichgewicht  herstellen,  welches  dasselbe  ist,  als  ob  die 
Wände  aus  absolut  schwarzen  Körpern  beständen.  —  Annähernd  kann  man 
einen  schwarzen  Körper  durch  Überziehen  mit  Ruß,  oder,  da  Ruß  für  Wärme- 
strahlen durchlässig  ist,  besser  mit  Platinmoor  herstellen,  femer  sind  Pech 
oder  Obsidian  in  Wasserumgebung  (nicht  in  Luft)  nahezu  schwarze  Körper. 
Nach  der  früher  gegebenen  Theorie  der  Reflexion  des  Lichtes  muß  ein  idealer 
schwarzer  Körper  denselben  Brechungsindex  wie  seine  Umgebung  haben,  damit 
keine  Reflexion  eintritt.  Femer  muß  er  einen  sehr  kleinen  Absorptionsindex 
haben  (weil  sonst  auch  Lichtreflexion  eintreten  würde)  und  daher  sehr  große 
Dicke,  damit  alles  Licht  in  ihm  absorbiert  wird.  Dies  sind  schwierig  zu  er- 
füllende Bedingungen.  Daher  kann  man  bei  weitem  am  besten  durch  einen 
gleich  temperierten  Hohlkörper  mit  engem  Loch  eine  ideale  schwarze  Fläche 
annähemd  darstellen. 

1)  Später  hat  A.  Pflüger  (Ann.  d.  Phys.  7,  8.  806,   1902)  eine  gute 
quantitative  Bestätigung  des  Kirchhoffschen  Ghesetzes  am  Turmalin  erhalten. 


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488  Kapitel  II. 

hängigkeit  der  Absorption  vom  Polarisationszustande  des  Lichtes 
wesentiich  geringer,  als  bei  Zimmertemperatur. 

Eine  wichtige  Anwendung  seines  G^esetzes  machte  Kirchhoff 
selbst  zur  Erklärung  der  ümkehrung  der  Spektrallinien  und  der 
Fr aunho ferschen  Linien  im  Sonnenspektrum.  Wenn  n&mlich 
das  von  einem  weißglühenden  Körper  (z.B.  elektrischem  Bogenlicht) 
ausgehende  Licht  durch  eine  Natriumflamme  von  niedrigerer  Tem- 
peratur hindurchtritt,  so  zeigt  das  Spektrum  eine  dunkle  2>-Linie 
auf  hellerem  Grunde.  Denn  Natriumdampf  hat  bei  genügender  Er- 
hitzung nur  eine  starke  Emission  für  die  i>-Linie,  folglich  muß 
er  auch  Licht  von  nur  dieser  Wellenlänge  stark  absorbieren.  Die 
Natriumflamme  absorbiert  daher  das  vom  Bogenlicht  ausgesandte 
Licht  der  der  D-Linie  entsprechenden  Wellenlänge,  sie  emittiert 
allerdings  auch  die  gleiche  Wellenlänge,  aber,  falls  die  Natrium- 
flamme kühler  ist,  als  das  Bogenlicht,  in  schwächerer  Intensität, 
als  letzteres.  Daher  muß  im  Spektrum  an  der  Stelle  der  D-Linie 
die  Intensität  geringer  sein,  als  an  den  Stellen  anderer  Wellen- 
längen, welche  die  Natriumflamme  ungeschwächt  hindurch  läßt.^) 
Nach  dieser  Auffassung  erklären  sich  die  Fr  aunho  ferschen 
Linien  im  Sonnenspektrum  durch  die  Absorption  des  aus  dem 
heißen  Sonnenkerne  kommenden  Lichtes  durch  kühlere  Metall, 
dämpfe  und  Gase  an  der  Oberfläche  der  Sonna  Indeß  setzt  diese 
Anwendung  des  Kirchhoff  sehen  Gesetzes  voraus,  daß  das  Leuchten 
der  Gase  und  Dämpfe  eine  reine  Temperaturstrahlung  ist  Das 
scheint  nun  nach  Versuchen  von  Pringsheim  meist  nicht  der 
Fall  zu  sein.  Auf  diesen  Punkt  soll  im  §  1  des  Kapitels  III 
näher  eingegangen  werden. 

6.  Die  AbhSngigkeit  der  Strahlungsintensität  vom  Bre- 
chungsindex der  Umgebung.  Wir  wollen  uns  zwei  unendlich 
große  Platten  PP'  zweier  schwarzer  Körper  parallel  gegenüber 
gestellt  denken.  Die  äußeren  Seiten  von  PP'  seien  durch  spiegelnde 
Belegungen  SS>  gegen  Strahlung  nach  außen  und  von  außen  ge- 
schützt. Bisher  haben  wir  nun  immer  vorausgesetzt,  daß  der 
Raum,  in  welchem  die  Strahlung  stattfinden  soll,  absolut  leer  sei, 
oder  mit  einem  homogenen,  vollkommen  durchsichtigen  Körper, 
z.  B.  Luft,  gefüllt  sei.  Wir  wollen  jetzt  diese  Voraussetzung 
fallen  lassen,  und  annehmen,  daß  P  an  den  leeren  Raum,  dagegen 


1)  Weiteres  zur  Demonstration  der  Umkehr  der  Spektrallinien  vgl.  bei 
Müller-Pouillet  (Lummer),  Optik  1897,  8.  333  u,  ff. 


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Anwendung  des  zweiten  Haaptsatzes  der  Thennodynamik  nsw.       4S9 

P  an  einen  vollkommen  durchsichtigen  Körper  vom  Brechungs- 
index n  für  eine  beliebige  Wellenlänge  X  anstoße.  0  Die  Begrenzung 
dieses  Mediums  bilde  die  un- 
endlich große  Ebene  E  (vgl.  P 

Figur  109),  welche  den  Plat- 
ten PF'  parallel  anzunehmen  p/ 
ist,  damit  P  tiberall  im  Va-  Fig.  109. 
cuum  liege. 

Ein  Flächenelement  da  von  P  strahlt  nun  innerhalb  eines 
ringförmigen  Elementarkegels,  dessen  Erzeugende  die  Winkel  q> 
und  q)  +  dg>  mit  der  Normale  auf  äs  bilden,  nach  S.  77  die 
Energiemenge  aus: 

dL  =  2xid8  sin  <p  cos  (p  dg> .  (10) 

Hierin  bezeichnet  i  die  Strahlungsintensität  von  P.  Die  emittierte 
Energie  dL  wird  zum  Teil  an  der  Ebene  E  reflektiert  und  auf  P 
dann  wieder  absorbiert,  ihr  Betrag  sei 

dLr  =  2j€i  ds  sin  q)  cos  ^  dq> '  Ttp ,  (1 1) 

wobei  r^  den  Reflexionsfaktor  an  der  Grenze  E  für  den  Einfalls- 
winkel q)  der  Strahlen  bezeichnet  Der  Eest  der  Energie  dL  —  rfl/r 
gelangt  nach  P'  und  wird  dort  absorbiert. 

Analog  ist  die  von  einem  Flächenelemente  ds  auf  P'  entsandte 
Energie  innerhalb  eines  ringförmigen  Elementarkegels,  dessen  Er- 
zeugende die  Winkel  x  iiad  x  +  ^X  loit  der  Normale  auf  P'  bilden: 

dL'  =  2jtt  ds  sin  X^^  X^Xi 

wobei  %  die  Strahlungsintensität  von  F^  bedeutet.  Durch  Reflexion 
an  E  gelangt  nach  P'  zurück: 

dLr  =  2jti  ds  smx  cosx  dx  '  ^x  , 
die  Energie 

dL"  =  dL'  —  dLr  =  2x%  ds  sinx  cosx  dx  (1  —  r^)  (12) 

gelangt  nach  P  und  wird  dort  absorbiert. 


1)  Damit  P  und  P'  beide  ideal-schwarze  Körper  sind,  dürfen  sie  in  diesem 
Falle  nicht  ans  derselben  Substanz  bestehen,  da  ein  schwarzer  Körper  den 
Brechungsindex  seiner  Umgebung  haben  muß  (vgl.  oben  S.  486,  Anm.  3). 


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490  Ei^itel  U. 

Die  Konstanz  der  Temperatur  von  P  verlangt: 

fdL  =  fdLr  +  fdL'\ 

d.  h.  nach  (10),  (11)  und  (12),  da  die  Strahlungsintensitäten  t,  t  nach 
S.  484  vom  Winkel  9,  bezw.  x  der  Strahlung  unabhängig  sind: 

(13)  i  I  8mg>  cosq)  dq>  {1  —  ^9)  ==^  1  sinx  co^X  ^X  (1  ~  *>)  • 

Nun  ist  zu  berücksichtigen,  daß  r^r  =  1  ist  für  Winkel  x,  deren 
sinx^  ^In  ist,  da  dann  Totalreflexion  an  der  Ebene  E  eintritt 
Das  Integral  auf  der  rechten  Seite  von  (13)  braucht  daher  nur  von 
X  =  0  bis  X  ==  7  erstreckt  zu  werden,  wo  sin  x  =  ^jn  ist;  wir 
wollen  zunächst  n  für  alle  Wellenlängen  als  konstant  annehmen. 
Man  kann  daher  in  (13)  9  und  x  ^^^  ^^  zusammengehöriges  Paar 
eines  Einfalls-  und  eines  Brechungswinkels  auffassen,  die  durch 
das  Brechungsgesetz: 

(14)  sin  (p  :  sin  X  =  ^ 

mit  einander  verbunden  sind,  und  kann  dann  die  Integration  nach 
9)  von  9)  =  0  bis  9)  =  ""l^  erstrecken.    Aus  (14)  folgt  nun 

(15)  sinx  cosx  c^X  ^^  "1  ^^  (p  cosg)  d(p  , 

ferner  ist  nach  den  früher  auf  S.  268  gegebenen  Formeln  (24)  für 
jegliche  Polarisationsrichtung  und  daher  auch  für  natürliches  Licht 
^9  =  rx'  Denn  die  reflektierte  Amplitude  beträgt  nach  jenen  Formeln 
(abgesehen  vom  Vorzeichen,  auf  das  es  hier  nicht  ankommt)  stets 
denselben  Bruchteil  der  einfallenden  Amplitude,  wobei  es  gleich- 
gültig ist,  ob  q>  der  Einfalls-  und  x  der  Brechungswinkel  ist,  oder 
ob  umgekehrt  (p  der  Brechungs-  und  x  der  Einfallswinkel  ist,  d.  h. 
die  Reflexionsfaktoren  sind  dieselben,  falls  das  Licht  von  oben  auf 
die  Ebene  E  unter  dem  Winkel  q)  einfällt,  oder  von  unten  unter 
dem  Winkel  x,  falls  sinq) :  sinx  =  n  ist.  Daher  folgt  aus  (13)  und 
(15),  falls  man  rx  =  r^  setzt: 

>  i'  > 

(16)  i  j  sing)  cosg>  (1  —  ffp)dip  =  -^  j  sin  q>  cos  9)  (1  —  r^)  d(p  . 


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Anwendung  des  zweiten  Hanptoatzes  der  Thermodynamik  usw.       491 

Da  nun  das  auf  beiden  Seiten  auftretende  Integral  nicht  Null  ist, 
so  ergibt  die  Division  mit  demselben  die  Beziehung: 

t:i=^n'^,  (17) 

d.  h.  die  Strahlungsintensitäten  zweier  schwarzer  Flächen 
verhalten  sich  wie  die  Quadrate  der  Brechungsindizes  der 
sie  umgebenden  Medien.^ 

Dieser  Satz  bezieht  sich  zunächst  nur  auf  die  Gesamt- 
strahlung, und  der  Brechungsindei  n  war  für  alle  Wellenlängen 
oder  Schwingungsperioden  T  konstant  gesetzt  Der  Satz  (17) 
gilt  aber  auch  für  die  Teilstrahlungen  einer  bestimmten 
Strahlungssorte  der  Periode  T.  Die  Strahlungsintensität  von 
P  für  Strahlen,  deren  Periode  zwischen  T  und  T+  dT  liegt,  sei 
bezeichnet  durch  it  •  dT.  Analog  sei  die  Strahlungsintensität  von  P' 
für  diese  Strahlengattung:  ir-dT.    Dann  ergibt  die  Formel  (16): 

2  dT  [iT  —  -^)    1  sinq>  cosg>  {l  —  r^)  dq>  -=  0  .  (18) 

0 

Die  2!  ist  über  alle  Perioden  von  T=  0  bis  jr=  oo  zu  erstrecken. 
Man  kann  sich  nun  auch  zwischen  beide  Körper  P  und  P' 
eine  durchsichtige  Lamelle  eingeschaltet  denken,  welche  vorzugs- 
weise gewisse  Wellenlängen  X  hindurch  läßt,  dagegen  andere 
reflektiert.  Stets  muß  die  Gleichung  (18)  bestehen,  je  nach  der  Dicke 
und  Natur  der  Lamelle  ist  aber  r^  eine  verschiedene  Funktion 
von  T,  Damit  nun  (18)  bestehen  kann  für  beliebig  zu  variirendes 
ry,  muß  jedes  einzelne  Glied  der  H  in  (18)  verschwinden,  d.  h.  es 
muß  für  jedes  T  die  Beziehung  bestehen^): 

ifpiiji^sn^ ,  (19) 


1)  Auch  dieser  Satz  rührt  von  Kirchoff  her  (vgl.  Ostwalds  Klassiker 
Nr.  100,  S.  33).  Irrtümlicherweise  wird  der  Satz  oft  Clan sius  zugeschrieben, 
der  ihn  aber  erst  einige  Jahre  nach  der  Publikation  von  Kirchhoff  aus- 
gesprochen hat.  —  Experimenteil  ist  dieser  Satz  annähernd  bestätigt  durch 
Smolochowski  de  Smolan  (Compt.  Rend.  123,  S.  230, 1896,  Wied.  Beibl.  20, 
S.  974,  1896),  welcher  die  Strahlung  in  Luft  und  in  Schwefelkohlenstoff  mit- 
einander verglich. 

2)  Auch  auf  dem  auf  S.  483  eingeschlagenen  Wege  kann  man  das  Gesetz 
(17)  erhalten,  wenn  man  den  Baum  außerhalb  der  Hohlkugel  mit  einem  an- 
deren Medium  erfüllt  denkt,  als  den  Baum  innerhalb  der  Hohlkugel,  nur  ist 


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492  Kapitel  U. 

Für  einen  nicht-schwarzen  Körper  muß  nach  dem  Kirch- 
hoffschen  Gesetz  (9')  das  Verhältnis  der  Strahlungsintensität 
ü  zum  Absorptionsvermögen  ai  proportional  zum  Quadrat  des  Bre- 
chungsindex n  des  umgebenden  Mediums  sein.  Da  man  die  Ver- 
änderung von  ai  mit  n  an  der  Hand  derßeflexionsformeln  berechnen 
kann,  so  ergibt  sich  daraus  die  Abhängigkeit  des  n  von  n.  Jeden- 
falls ist  also  bei  nicht-schwarzenKörpern  die  Strahlungs- 
intensität nicht  streng  proportional  zu  n\ 

7.  Der  Slnussatz  bei  der  optischen  Abbildung  von  Flächen- 
elementen.  Wenn  ein  Flächenelement  ds  durch  ein  symmetrisch 
zu  seiner  Normale  liegendes  Strahlenbttndel  vom  Öffnungswinkel 
u  optisch  abgebildet  wird  in  ein  Flächenelemant  d$\  wobei  der 
Öffnungswinkel  des  Bildstrahlenbündels  den  Wert  u  besitze,  so 
muß  die  ganze  von  ds  innerhalb  des  betrachteten  Strahlenbündels 
ausgestrahlte  Energie  dem  Stück  ds  zugestrahlt  werden  und  um- 
gekehrt muß  da  auf  ds  strahlen,  da  die  Lichtstrahlen  die  Wege 
der  Energieströmung  bezeichnen.  Denken  wir  uns  daher  ds  und  ds' 
als  schwarze  Flächen  gleicher  Temperatur,  welche  auf  ihren  ab- 
gewandten Seiten  spiegelnd  belegt  sind,  so  muß,  da  sich  keine 
Temperaturdifferenz  zwischen  ds  und  ds'  durch  die  Strahlung  aus- 
bilden darf,  die  von  ds  entsandte  Energie  dL  gleich  sein  der  von 
ds'  ihm  zugesandten  und  in  ds  absorbierten  Energie  dL'.  Wenn  nun 
ds  in  einem  Medium  vom  Brechungsindex  n  liegt,  ds'  im  Brechungs- 
index n,  und  falls  mit  «o  die  Strahlungsintensität  einer  schwarzen 
Fläche  im  Vacuum  bezeichnet  wird,  so  ist  die  Strahlungsintensität 
von  ds  nach  (17)  i=n'^.io,  diejenige  von  ds':  t^=n^.io.  Femer 
ist  nach  (4)  S.  472 

dL  =  jc.ds,i, sinhi ,  dL'  =^jt.ds',t, sin^ u  . 

Daher  folgt  aus  dL  =  dL': 

jtdsn^io sin ^u  =  jtds'  n'^io sin^ u  . 
d.  h. 
(20)  dsn^sin^u  =  ds' n'^sin^u  . 

Dies  ist  der  oben  auf  S.  52,  Formel  (46)  abgeleitete  Sinus- 


dle  Rechnung  etwas  komplizierter.  Da  man  bei  jener  Anordnung  dann  durch 
Brechung  oder  Beugung  die  WeUen  der  verschiedenen  Perioden  T  räumlich 
voneinander  trennen  kann,  so  ergibt  sich  dann  nach  den  Schlüssen  der  S.  483 
aus  (17)  sofort  das  Gesetz  (19). 


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Anwendung  des  zweiten  Hauptsatzes  der  Thermodynamik  usw.       493 

satz.  Die  dortige  Ableitung,  welche  rein  geometrisch  verfährt,  ist 
komplizierter  als  die  hier  gegebene,  welche  auf  energetischer 
Grundlage  basiert. 

8.  Die  absolute  Temperatur«  Wie  wir  oben  S.  479  an  der 
Dampfmaschine  erläuterten,  kann  mit  Hülfe  einer  geeigneten  Vor- 
richtung (Maschine)  dadurch  Arbeit  erzeugt  werden,  daß  eine 
gewisse  Wärmemenge  ir,  einem  Eeseryoir  1  entnommen  wird, 
und  eine  andere  (kleinere)  Wärmemenge  IF2  an  ein  Eeservoir  2, 
welches  kälter  als  das  Reservoir  1  ist,  abgegeben  wird.  Die  Maschine 
kann  dabei  in  ihren  Anfangszustand  vollkommen  zurückkehren,  sie 
kann  einen  sogenannten  Kreisprozeß  durchmachen.  Das  Prinzip 
der  Erhaltung  der  Energie  erfordert  dann,  daß  die  erzeugte  Ar- 
beit Ä  gleich  der  Differenz  der  (mechanisch  gemessenen)  Wärme- 
mengen TFj  und  TT2  ist: 

^  =  Wj-Tr2.  (21) 

Nun  denke  man  sich  zwei  Maschinen  M  und  M'  mit  einander 
verglichen,  welche  beide  bei  einem  einmaligen  Kreisprozeß  die 
gleiche  Wärmemenge  TFj  dem  Eeservoir  1  entziehen.  Sie  können 
aber  eventuell  verschiedene  Wärmemengen  W2  und  W^  an  das 
Reservoir  2  abliefern.  Dann  sind  auch  die  von  ihnen  geleisteten 
Arbeiten  Ä  und  ä'  verschieden,  es  ist  nach  (21): 

Die  Maschine  M  soll  nun  so  konstruiert  sein,  daß  man  sie  auch 
in  umgekehrter  Richtung  laufen  lassen  kann,  (sie  soll  einen  um- 
kehrbaren Kreisprozeß  beschreiben),  wobei  sie  die  Wärmemenge 
W2  aufnimmt  vom  Reservoir  2,  die  Menge  TF,  abgibt  an  Reser- 
voir 1,  und  dementsprechend  die  Arbeit  —  Ä  leistet.  Wenn  wir  nun 
einen  Kreisprozeß  der  Maschine  M'  kombinieren  mit  einem  solchen 
umgekehrten  Kreisprozeß  der  Maschine  if,  so  wird  im  ganzen 
die  Arbeit  geleistet: 

ä'  —  A=W2—  W2  .  (22) 

Diesen  Vorgang  können  wir  uns  beliebig  oft  wiederholt  denken. 
Je  nach  dem  Vorzeichen  von  W^ —  W^  wird  dann  dem  Reservoir  2 
dauernd  Wärme  entzogen  oder  zugeführt,  während  dem  Reservoir  1  in 
Summa  weder  Wärme  zugeführt,  noch  entzogen  wird.  Wir  können 
daher  in  diesem  Falle  das  Reservoir  1   als  endlich  voraussetzen 


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494  Kapitel  II. 

und  mit  als  einen  Teil  der  Maschine  betrachten,  welche  Kreis- 
prozesse beschreibt,  und  können  das  Reservoir  2  als  die  Umgebung 
der  Maschine,  z.  B.  als  das  Meerwasser,  dessen  Wärme-Inhalt 
praktisch  als  unendlich  groß  zu  betrachten  ist,  ansehen.  Wenn 
nun  Ä  —  ^>0  wäre,  so  würde  daher  eine  Vorrichtung  konstruiert 
sein,  welche  durch  Benutzung  nur  eines  unendlich  großen  Wärme- 
reservoirs beliebig  viel  Arbeit  schafft.  Dies  ist  nach  dem  zweiten 
Hauptsatz  der  Thermodynamik  (vgl  S.  479)  unmöglich.  Es  kann 
daher  nur  sein^: 

(23)  ^'  — ^<0,    d.h.    A>Ä, 

in  Worten:  von  allen  Maschinen,  welche  eine  bestimmte  Wärme- 
menge TFi  bei  einer  bestimmten  Temperatur  aufnehmen  und  Wärme 
an  ein  kälteres  Reservoir  abliefern,  und  welche  femer  in  einem 
Kreisprozeß  arbeiten,  leistet  diejenige  Maschine  die  größte 
Arbeit,  welche  einen  umkehrbaren  Kreisprozeß  beschreibt. 
Für  eine  solche  Maschine  ist  die  Arbeit  J,  welche  aus  einer  be- 
stimmten aufgenommenen  Wärmemenge  W^  gewonnen  wird,  daher 
eine  ganz  bestimmte,  da  es  ein  endliches  Maximum  ist,  d.  h.  diese 
Arbeit  A  bestimmt  sich  nur  aus  der  aufgenommenen  Wärme  W^  und 
den  Temperaturen  der  beiden  Reservoire,  ist  dagegen  von  den  be- 
sonderen Einrichtungen  der  Maschine  unabhängig.  Offenbar  muß 
A  proportional  sein  zu  PTi,  so  daß  die  Beziehung  besteht: 

(24)  A=^W,f{:c,,  T2), 

wobei  f  eine  universelle  Funktion  der  nach  irgend  einer  Skala, 
z.  B.  nach  Celsius,  gemessenen  Temperaturen  tj,  x<i  der  beiden  Reser- 
voire bezeichnet.    Die  Kombination  von  (21)  und  (24)  liefert  nun 

W^=^W^(S—f{x^,x^,  oder 

(25)  W^'.W^=(p  {t^,t^, 

worin  g?  wiederum  eine  universelle,  d.  h.  von  Spezial-Einrichtungen 
der  Maschine  unabhängige  Funktion  bedeutet. 

Nun  läßt  sich  leicht  zeigen,  daß  diese  Funktion  9  das  Produkt 
zweier  Funktionen  sein  muß,  von  denen  die  eine  nur  von  r^,  die 
andere  nur  von  tj  abhängt.    Betrachten  wir  nämlich  noch  eine 

1)  Daß  im  allgemeinen  das  Gleichheitszeichen  (J.  =  Jl)  nicht  bestehen 
kann,  sieht  man  aus  Betrachtung  vieler  nicht  umkehrbarer  Vorgange,  z.  B.  der 
Reibung.    Sobald  nutzlos  Wärme  erzeugt  wird,  muß  J.'  <  J.  sein. 


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Anwendung  des  zweiten  Hauptsatzes  der  Thermodynamik  usw.       495 

andere  Maschine,  welche  umkehrbar  zwischen  den  Temperaturen 
Tj  und  Tj  arbeitet,  und  die  Wärme  TTj  aufnimmt,  W^  abliefert,  so 
ist  nach  (25): 
(26)  TF2:^3=<p(r2,T3). 

Kombinieren  wir  jetzt  einen  Kreisprozeß  der  ersten  Maschine, 
die  zwischen  t^  und  tj  arbeitet,  mit  einem  Kreisprozeß  der  letzten 
Maschine,  so  wird  die  Wärmemenge  W^  bei  der  Temperatur  r^  auf- 
genommen, PF3  bei  der  Temperatur  tj  abgeliefert,  dagegen  das 
Reservoir  der  Temperatur  tj  kann  außer  Betracht  bleiben,  da  ihm 
ebensoviel  Wärme  W2  von  der  ersteren  Maschine  zugeführt  wird, 
wie  ihm  von  der  letzteren  Maschine  entnommen  wird.    Daher  ist 

TFi:Tr3=9)(Ti,T3).  (27) 

Die  Multiplikation  der  beiden  Gleichungen  (25)  und  (26)  mit- 
einander liefert  aber 

W^:  W^=(p  (ri,  T2)  •  9  (r2,  Tg).  (28) 

Die  Vergleichung  beider  Formeln  (27)  und  (28)  ergibt  daher 

9  (^1,  T3)  =  9?  (rj,  T2)  •  q)  (r2,  x^.  (29) 

Man  kann  in  dieser  Gleichung  x^  als  irgend  einen  Parameter 
ansehen,  auf  dessen  Wert  es  gar  nicht  ankommt  Dann  stellt  die 
rechte  Seite  von  (29)  das  Produkt  zweier  Faktoren  dar,  von  denen 
der  eine  nur  von  tj,  der  andere  nur  von  x^  abhängt.  Wir  wollen 
diese  Faktoren  schreiben  als  *i  und  ^/^,^)  so  daß  nach  (29)  ist: 

9>  (^1,^3)  =  ^1:^3.  (30) 

Es  ist  daher  auch  in  (25)  9?  (r^,  r2)  =  ^1 :  ^2  zu  setzen,  und 
man  erhält: 

W2  —  W2  ^^^^ 

d-i  und  ^2  siiid  Funktionen  der  nach  irgend  einer  Skala  ge- 
messenen Temperaturen  Tj,  T2  der  beiden  Reservoire.   Man  nennt 

1)  Daß  man  als  zweiten  Faktor  ij^z  ^md  nicht  ^  schreibt,  ist  deshalb 
geboten,  weil  dadurch  der  Wert  des  Parameters  T2  aus  der  Gleichung  (29) 
herausfallt,  wie  man  sich  sofort  überzeugt,  wenn  man  g>  (ti,  T2)  ■=  ^1  :  ^  und 
g>  (t2,  T3)  =«  ^  :  ^  schreibt. 


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496  Kapitel  IL 

^1  und  ^2  die  absoluten  Temperaturen  der  KeserToire. 
Dag  VerMltniB  der  absoluten  Temperaturen  irgend  zweier  Eöiper 
bezeichnet  also  das  Verhältnis  der  Wärmemengen,  welche  eine  in 
einem  umkehrbaren  Kreisprozeß  arbeitende  Maschine  diesen  Körpern 
entziehen^  bzw.  zuf&hren  würde,  fcJls  dabei  diese  Körper  als  sehr 
groS  betrachtet  werden  können  (so  daS  sich  ihre  Temperatur  durch 
die  entzogene,  bzw.  zugef&hrte  Wärme  nur  unmerklich  änderte 

Da  hiemach  nur  das  Verhältnis  der  absoluten  Temperaturen 
zweier  Körper  definiert  ist,  so  bedarf  es  noch  zur  Festlegung  der 
Skala  einer  zweiten  Relation.  Diese  liegt  in  folgendem  Satze:  Die 
Differenz  der  absoluten  Temperaturen  schmelzenden  Eises  und  (unter 
Atmosphärendruck)  siedenden  Wassers  soll  100  betragen.  Es  wird 
in  der  Wärmelehre  gezeigt,  daß  sehr  annähernd  die  absolute  Tem- 
peratur erhalten  wird,  wenn  man  die  Zahl  273  zu  der  mit  einem 
Luftthermometer  gemessenen  Temperatur  nach  Celsius  -  Graden 
addiert. 

9.  Die  Entropie.  Wir  betrachten  wieder  eine  Maschine  M^ 
welche  einen  umkehrbaren  Ejreisprozeß  durchmacht  und  dabei 
Wärme  W^  von  der  absoluten  Temperatur  ^^  aufnimmt,  Wärme  TT, 
von  der  Temperatur  #2  abgibt  Eechnet  man  konsequent  eine 
Wärmemenge  positiv,  wenn  sie  von  der  Maschine  abgegeben  wird, 
so  folgt  aus  (31): 

(32)  :^  +  ^=o. 

Wenn  nun  hiermit  eine  ähnliche  Maschine  kombiniert  wird, 
welche  bei  den  Temperaturen  ^3  und  ^4  die  Wärmemengen  TF3,  W^ 
abgibt,  so  müßte  auch  nach  (32)  sein: 

(33)  ^s  +  ^  +  ^  +  ^s^,. 

ir\  #2  trs  tr4 

Wir  können  allgemein  sagen:  Wird  irgend  ein  umkehrbarer 
Kreisprozeß  beschrieben,  bei  dem  bei  einer  beliebigen  absoluten 
Temperatur  d-  die  Wärmemenge  cfTF  an  die  Umgebung  abgeliefert 
wird,  so  muß  sein 

(34,  2t^=/-?-». 

wobei  die  Summe  oder  das  Integral  über  alle  gegebenen  Wärme- 


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AnwenduDg  des  zweiten  Hauptsatzes  der  Thermodynamik  usw.      497 

mengen  zu  erstrecken  ist,  und  d-  immer  die  zugehörigen  absoluten 
Temperaturen  der  Maschine  (oder  der  Umgebung)  0  bezeichnen. 

Wenn  wir  daher  einen  umkehrbaren  Prozeß  zwischen  zwei 
verschiedenen  Zuständen  1  und  2  eines  Körpers  betrachten,  so 
können  wir  nach  (34)  setzen: 

?=-^5,  (35) 


/ 


-T=Si-S,,  (35') 


worin  S  eine  eindeutige  Funktion  des  Zustandes  des  Körpers  be- 
deutet, und  dS  das  Differential  dieser  Funktion.  Denn  dann  er- 
halten wir,  wie  es  nach  (34)  sein  muß,  auf  der  rechten  Seite  von 
(35')  allemal  den  Wert  Null,  sobald  ein  Kreisprozeß  beschrieben 
wird,  bei  welchem  der  Anfangszustand  1  des  Körpers  gleich  seinem 
Endzustande  2  ist.  Diese  Zustandsfunktion  S  wird  die  Entropie 
des  Körpers  oder  Körpersystems  genannt 

Auch  die  Energie  E  ist  eine  Zustandsfunktion  des  Körpers. 
Sie  ist  dadurch  definiert  (nach  dem  ersten  Hauptsatz  der  Thermo- 
dynamik), daß  die  bei  irgend  einer  Veränderung  des  Körpers  nach 
außen  abgegebene  Arbeit  ÖÄ  vermehrt  um  die  nach  außen  ab- 
gegebene Wärmemenge  öW  (nach  mechanischem  Maß)  gleich  der 
Abnahme  —  dE  der  Energie  des  Körpers  ist: 

6Ä  +  6W=  —  dE.  (36) 

10.  Allgemeine  Formeln  der  Thermodynamik.  Als  unab- 
hängige Variabele,  welche  den  Zustand  eines  Körpers  oder  Systems 
bestimmen,  wollen  wir  benutzen  seine  absolute  Temperatur  ^,  so- 
wie eine  (oder  mehrere)  Variabele  x,  deren  Bedeutung  zunächst 
unbestimmt  gelassen  werden  kann.  Die  x  sollen  so  gewählt  sein, 
daß  bei  einer  Temperaturänderung  des  Körpers,  bei  welcher  die 
X  konstant  bleiben,  keine  Arbeit  vom  Körper  geleistet  wird.  Dann 
ist,  wenn  wir  die  Formeln  nur  für  den  Fall  einer  einzigen  Va- 
riabein X  hinschreiben,  zu  setzen: 

ÖA  =  Möx ,    6W  =  Xöx  +  Yöd^.  (37) 


1)  Die  Temperatur  der  Maschine  muß  bei  einem  umkehrbaren  Prozeß 
immer  gleich  der  Temperatur  der  Umgebung  sein,  sowie  ein  Wärmeaustausch 
zwischen  Maschine  und  Umgebung  stattfindet. 

Drade,  Lehrbach  d.  Optik.   2.  Aafl.  32 


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498  Kapitel  H. 

6x,  6&  bezeichnen  irgend  welche  Veränderungen  der  Größen  x 
und  d-,  6A  und  6W  die  dabei  vom  Körper  geleistete  Arbeit  und 
abgegebene  Wärme.  Der  Vorgang  soll  umkehrbar  sein,  d.  h.  die 
Gleichungen  (37)  sollen  für  jedes  Vorzeichen  von  6x  und  d%^  gelten. 
Nach  (35),  (36)  und  (37)  wird  nun: 


(38) 

—  <iS  =  §<Ja;+^<J*,    -rfE  =  (lf+Z)<Ja;+rd*. 

Hieraus  folgt,  da  allgemein 

ist 

dS= 

^'i^  +  u'^^-- 

(39) 

X 

(40) 

M  +  X  = 

JE      „ 

A.U8  diesen  Gleichungei 

i  ergibt  sich  durch  Differentiation 

(41) 

b{Xi»)       ji(i'/#)    b[M+X) 

oder,  wie  man  nach  einiger  Umformung  erhält: 

.,^.  X_       hM    hY_  h^M 

11.  BieAbhftnglgkeit  der  Oesamtstrahlnng  eines  scbwarzen 
Korpers  von  seiner  absoluten  Temperatur.  Wir  denken  uns 
einen  Zylinder  vom  Querschnitt  1  und  der  Länge  x,  dessen  Wände 
aus  irgend  welchen  Körpern  gebildet  sind,  die  nur  nicht  sämtlich 
ideale  Spiegel  sind,  damit  wenigstens  eine  Fläche  mit  einem  von 
Null  verschiedenen  Emissionsvermögen  vorhanden  ist.  Der  Hohl- 
raum soll  nach  außen  nicht  strahlen,  d  h.  durch  vollkommene 
Spiegel  abgeschlossen  sein.  Im  Innern  des  Zylinders  stellt  sich 
bei  einer  bestimmten  Temperatur  ^  der  Zylinderwände  ein  Strah- 
lungsgleichgewicht her,  demzufolge  die  Volumeneinheit  die  Energie 
tp  (ß)  besitzen  möge.  Dieses  Strahlungsgleichgewicht  ist  unab- 
hängig von  der  Natur  der  Wäude  des  Hohlraumes,  d  h.  auch 
dasselbe,  als  ob  die  Wände  aus  vollkommen  schwarzen  Körpern 
bestünden  (vgl.  oben  S.  487  Anm.  2).  Diese  strahlende  Energie 
übt  einen  bestimmten  Druck  auf  die  Zylinderwände  aus.  Der 
Druck  muß  nun  offenbar  an  jeder  Stelle  der  Wand  der  gleiche 
sein,   weil  sonst  der  Hohlraum  unter  Wirkung  seiner  inneren 


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Anwendung  des  zweiten  Hauptsatzes  der  Thermodynamik  usw        499 

Kräfte  in  fortdauernde  Translation  oder  Botation  kommen  würde.  0 
Eine  Stelle  der  Wand  möge  aus  einem  vollkommenen  Spiegel  be- 
stehen. Wir  sahen  oben  S.  476,  daß  ebene  normaleinfallende 
Wellen  einen  Drucke?  auf  eine  vollkommen  spiegelnde  Fläche  aus- 
üben, der  gleich  der  in  der  Volumeinheit  enthaltenen  Energie  ist. 
Wenn  eine  unregelmäßige  Strahlung  nach  allen  Richtungen  vor- 
handen ist,  so  kann  man  sich  die  Strahlenrichtungen  der  einzelnen 
Wellenzüge  nach  drei  zu  einander  senkrechten  Komponenten 
zerlegt  denken,  von  denen  die  eine  senkrecht  auf  einer  Fläche  s 
der  Zylinderwand  stehen  möge.  Nur  diese  Strahlenkomponente 
drückt  auf  s,  die  beiden  anderen  Komponenten  aber  nicht  In- 
folgedessen wird  der  ganze,  auf  s  ausgeübte  Druck,  nicht  tp  (^), 
sondern  nur  V3  V  W  sein.  2) 

Wenn  sich  daher  der  Querschnitt  1  des  Zylinders  um  6z  nach 
außen  verschiebt,  so  wird  die  Arbeit  geleistet 

6Ä  =  ^y){ff)6x.  (43) 

Wenn  femer  die  Temperatur  des  ganzen  Zylinders  um  6&  ge- 
steigert wird,  während  x  konstant  bleibt,  so  wächst  dadurch  die 
Energie  um 

dE  =  ^^6^'X,  (44) 

da  das  Volumen  des  Zylinders  x  ist  Arbeit  wird  nicht  geleistet, 
falls  x  konstant  bleibt 

Ein  Vergleich  der  Formeln  (43)  und  (37),  sowie  (44)  mit  (38) 
lehrt,  da  nach  (38)  für  rfa;  =  0  wird 

daß  hier  zu  setzen  ist: 

M=^itp,     r=-^a:g.  (45) 


1)  Daher  gilt  der  oben  S.  447,  Anm.  2,  behauptete  Satz,  daß  beim 
StrahluDgsgleichgewicht  der  Druck  unabhängig  yon  der  Natur  der  strahlenden 
bezw.  bestrahlten  Fläche  ist. 

2)  Über  präzisere  Herleitung  dieses  Faktors  Vs  vgl-  Boltzmann,  Wied. 
Ann.  22,  S.  291,  1884,  oder  Galitzine,  Wied.  Ann.  47,  S.  488,  1892.  — 
M.  Planck,  Vorles.  über  Theor.  d.  Wännestr.    Leipz.  1906,  S.  56. 

32* 


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500  Kapitel  n. 

Nach  (42)  ergibt  sich  daher,  da  y>  nur  von  &  und  nicht  von 
X  abhängt: 

Diese  Gleichung  kann  man  sofort  nach  &  integrieren  und  erhält: 
(46)  5tp  =  ^^-tp. 

Eine  Integrationskonstante  ist  nicht  hinzuzufügen,  weil  für  ^  =  0 
der  Körper  keinen  Wärmeinhalt  besitzt  und  daher  auch  keine 
Strahlung  entsenden  kann.    Aus  (46)  folgt 


.V,  =  *||,d.h..f  =  ^, 

folglich 

4lgd-  =  lg^  +  ConsL, 

oder 

(47) 

y,(ß.)=C-»*. 

Wenn  nun  in  die  Wand  des  Zylinders  ein  enges  Loch  gemacht 
wird,  so  strahlt  dieses  wie  eine  ideale  schwarze  Fläche  nach 
außen  (vgL  oben  S.  487).  Die  Strahlungsintensität  i  muß  offenbar 
proportional  zur  Energiedichte  tp  (ß-)  im  Innern  des  Zylinders 
sein^.  Es  folgt  also  auch  für  die  Strahlungsintensität  t  einer 
schwarzen  Fläche  das  Gesetz 

(48)     ,  ^=a.^^ 

d.  h.  die  Gesamtstrahlungsintensität  eines  schwarzen 
Körpers  ist  proportional  zur  vierten  Potenz  seiner  abso- 
luten Temperatur. 

Dieses  Gesetz,  welches  Stefan 2)  empirisch  aus  Beobachtungen 
zuerst  erschlossen  hatte  und  Boltzmann  (1.  c.)  theoretisch  (auf 
ähnlichem  Wege  wie  hier)  abgeleitet  hatte,  ist  mehrfach  experi- 
mentell bestätigt  worden,  am   genauesten  durch  Lummer  und 


1)  Es  ergibt  sich,  daß  r;;  =  —  *  ist,  vgl.  M.  Planck,  Vorles.  über  Theor. 

d.  Wännestr.    Leipz.  1906,  S.  23. 

2)  Wien.  Ber.  79  (2),  S.  391,  1879.  Stefan  glaubte,  daß  dies  Strahlungs- 
gesetz für  beliebige  Körper  Geltung  hätte.  Es  gilt  aber  streng  nur  für  voU- 
kommen  schwarze  Korper. 


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Ad  Wendung  des  zweiten  HauptBatses  der  Thermodynamik  nsw.       50 1 

Pringsheim^),  welche  durch  bolometrische  Messung  fanden,  daß 
innerhalb  des  Temperaturintervalls  von  100^  Geis,  bis  1300^  Gels, 
das  Loch  eines  Hohlraums  (ideale  schwarze  Fläche)  das  Stefan- 
Boltzmannsche  Strahlungsgesetz  befolgte.  Es  ist  bei  den  Ver- 
suchen natürlich  auch  auf  die  Temperatur  des  Bolometers  Rücksicht 
zu  nehmen  (vgl.  oben  S.  478).  Die  Zustrahlung  der  kleinen  Fläche  ds 
gegen  die  Fläche  ds  in  der  gegenseitigen  Entfernung  r  beträgt, 
falls  ds  und  ds'  senkrecht  gegen  r  stehen,  nach  der  Definition  der 
Strahlungsintensität  [oben  S.  470  Formel  (3)]: 

dL  =  t--p^' 

Die  Zustrahlung  der  Fläche  ds  gegen  ds  beträgt,  falls  t  die 
Strahlungsintensität  von  ds  bezeichnet: 

,yf         j  dsdd 

dh  =t-jr" 

Falls  daher  *  und  %  das  Gesetz  (48)  befolgen  (d.  h.  falls  ds  und  ds' 
vollkommen  schwarze  Flächen  sind),  so  ist  die  im  ganzen  in  der 
Zeiteinheit  dem  Element  ds  zugeführte  Wärmemenge 

dW=  dL  —  dL'  =  a  ^  {»^  —  *'4),  (49) 

falls  d-'  die  absolute  Temperatur  von  ds'  bezeicjinet. 

Die  Konstante  a  ist  neuerdings  von  F.  Kurlbaum^)  in  abso- 
lutem Maße  durch  bolometrische  Messung  bestimmt  worden;  das 
Prinzip  der  Messung  war  dabei,  daß  das  Bolometer  durch  einen 
elektrischen  Strom  gemessener  Stärke  bei  verhinderter  Zustrahlung 
auf  die  gleiche  Temperaturerhöhung  gebracht  wurde,  wie  durch 
die  Zustrahlung  allein  ohne  Strom.  Die  Zustrahlung  wird  daher 
durch  die  Joulesche  Stromwärme  in  absolutem  Maße  bestimmt 
Es  ergibt  sich,  daß,  wenn  man  mit  et  das  Emissionsvermögen  der 
Flächeneinheit  eines  schwarzen  Körpers  bei  t^  Gels,  bezeichnet, 
d.  h.  die  nach  allen  Richtungen  ausgestrahlte  Energie  in  1  sec,  die 
Differenz  der  Emissionsvermögen  zweier  auf  100  ^  Gels,  und  0  ^  Gels, 
temperierter  schwarzer  Einheitsflächen  beträgt: 

ei  oo-eo  =  0,0731  Watt  =  7,31  .  10«  ^^  -  (50) 


1)  Wied.  Ann.  68,  8.  395,  1897.  —  Ann.  d.  Phy».  3,  8.  159,  1900. 

2)  Wied.  Ann.  65,  8.  746,  1898. 


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502  Kapitel  IL 

Nun  ist  [vgl  oben  S.471  Formel  (5)]  e=xi,  falls  i  die  Strahlungs- 
intensität ist    Daher  folgt 

*ioo  —  ^  =  a  (373^  —  273^)  =  2,33  .  10*, 

cL  1l  es  ergibt  sich  die  Eonstante  a  für  die  Strahlungs- 
intensität einer  schwarzen  Fläche  in  absolutem  cgs- 
Maß  zu 

(51)  a  =  1,69  •  10""*  •  «>«/s6c  cm« 

oder  ausgedrBckt  in  gr.  cal: 

(51')  a  =  0,403  •  10"""  f^'  <^/.6c  cm« 

12.  Die  Sonnentempentiir,  ersehlossen  ans  ihrer  Gesmmt- 
strahlmig.  Wenn  die  Sonne  ein  vollständig  absorbierender  (d.  h. 
schwarzer)  Körper  wäre,  welcher  eine  reine  Temperaturstrahlung 
besäße,  so  könnten  wir  ihre  Temperatur  ^)  aus  der  Solarkonstante 
(S.  472)  und  dem  absoluten  Werte  der  Eonstante  a  im  Strahlungs- 
gesetz berechnen.  Nennt  man  &  die  absolute  Sonnentemperatur, 
^'  die  Temperatur  auf  der  Erde,  so  wäre  nach  (49)  und  (51')  die 
Solarkonstante,  d.  L  die  pro  Minute  der  Flächeneinheit  der  Erde 
zugestrahlte  Energie: 

(52)  dW=  0,403  .  10~"  .  60  ^  (^^  —  d-'^). 

Nun  ist  aber 

^:r2  =  ^.(i/2  9))2, 

wobei  q>  die  scheinbare  Größe  des  Sonnendurchmessers  =  32'  be- 
zeichnet. 

Setzt  man  daher  die  Solarkonstante  (mit  Langley)  dW  = 
3  gr.  cal/Minute,  SO  wird  2)  die  effektive  Sonnentemperatur  *=6500^ 
d.  h.  etwa  6200^  Geis.  Nimmt  man  die  Sonnenkonstante  (mit 
Angström)  zu  4  gr.  cal/Minute  an,  so  würde  die  effektive  Sonnen- 
temperatur etwa  6700**  Gels«  betragen. 


1)  Dieselbe  wird  als  die  effektive  SonneDtemperatnr  bezeichnet.  Ihre 
wirkliche  Temperatur  könnte  höher  sein,  falls  ihr  Absorptionsvermögen  kleiner 
als  1  ist,  dagegen  tiefer,  falls  auch  Luminiszenz,  z.  B.  Ghemi-Luminiszenz,  bei 
der  Sonnenstrahlung  wirkt 

2)  Auf  den  Wert  von  d-'  kommt  es  nicht  an,  da  in  (52)  &'^  zu  vernach- 
lässigen ist  neben  d"*. 


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Anwendung  des  zweiten  Hauptsatzes  der  Thermodynamik  usw.       503 

13.  Die  yer&ndenmg  des  Spektrums  eines  schwarzen 
Körpers  mit  der  Temperatur  (Wiensclies  Yerschiebungsgesetz). 

Unter  dem  Spektrum  eines  schwarzen  Körpers  verstehen  wir  die 
Verteilung  der  von  ihm  ausgesandten  strahlenden  Energie  auf  die 
verschiedenen  Wellenlängen.  Wir  knüpfen  die  Untersuchung  an 
an  das  Strahlungsgleichgewicht  innerhalb  eines  geschlossenen 
Hohlkörpers.  Die  Strahlungsintensität  einer  schwarzen  Fläche 
ergibt  sich  dann,  falls  man  sich  ein  kleines  Loch  in  der  Wand 
des  Hohlkörpers  denkt,  als  proportional  zu  der  im  Hohlkörper 
stattfindenden  Energiedichte.  Nach  diesem  schon  in  §  11  benutzten 
Verfahren  ergibt  sich  auch,  daß  für  das  Strahlungsgleichgewicht 
die  Natur  der  Wände  des  Hohlkörpers  gleichgültig  ist,  wofern  sie 
nur  nicht  ganz  aus  vollkommenen  Spiegeln  bestehen. 

Die  Veränderung  des  Spektrums  eines  schwarzen  Körpers 
mit  seiner  Temperatur  kann  man  nun  nach  einem  von  W.  Wien^ 
erdachten  Verfahren  in  folgender  Weise  bestimmen. 

Wir  denken  uns  einen  Zylinder  vom  Querschnitt  1,  in  welchem 
zwei  Stempel  S  und  S^  ver- 
schiebbar sind,  welche  mit    üt^" 
lichtdichten  Klappen  ver-       ^ 
sehen  sein  sollen.    K  und 
K'   seien    zwei    schwarze 
Körper  der  absoluten  Tem- 
peraturen d-  und  d-  +  öO-. 
Die  Seitenwände  des  Zylin- 
ders, sowie  die  Stempel  S,  5'  sollen  vollkommen  spiegeln.   Eben- 
falls seien  die  Außenseiten  von  JTund  K'  mit  vollkommenen  Spiegeln 
belegt.    Der  Innenraum  des  Zylinders  sei  frei  von  Materie. 

Es  sei  nun  zunächst  S'  geschlossen,  S  offen.  Es  strahlt  dann 
K  in  die  Räume  1  und  2,  K'  in  den  Raum  3.  Die  Dichtigkeit  der 
Energie  in  3  ist  größer  als  in  2,  weil  die  Temperatur  von  K' 
um  öd-  höher  ist,  als  von  K  Es  werde  jetzt  S  geschlossen  und 
gegen  S'  hin  um  6x  vorgeschoben,  bis  die  Energiedichte  in  2  gleich 
der  Energiedichte  in  3  ist.  Wir  wollen  zunächst  berechnen,  wie 
groß  wir  6x  wählen  müssen.     Wenn  man  die  ursprünglich  im 

1)  W.  Wien,  Berl.  Ber.  1893,  Sitzung  vom  9.  Febr.  —  Wied.  Ann.  52, 
S.  132,  1894.  Vgl.  femer  M.  Th lesen,  Verhandl.  d.  Deutsch,  phys.  Ges.  2, 
8.  65,  1900.  —  H.  A.  Lorentz,  Akad.  d.  Wiss.  Amsterdam  1901,  8.  607.  — 
M.  Abraham,  Ann.  d.  Phys.  14,  8.  236,  1904.  —  M.  Planck,  Vorles.  über 
d.  Theor.  d.  Wärmestrahlung.    Leipz.  1906.  8.  68  u.  ff. 


Fig.  110. 


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504  Kapitel  IX. 

Räume  2  voriiandene  strahlende  Energie  mit  @  bezeichnet,  so  ist 
die  ursprüngliche  Energiedichte  dort 

Daher  ist  die  Veränderung  der  Energiedichte  bei  Änderung  von  x\ 


<^'p=-^+®,'^ 


a  —  03    "^       (a — a;)2 

Nun  ist  äS^  gleich  der  Arbeit,  welche  beim  Vorschieben  des 
Stempels  S  zu  leisten  ist.  Nach  S.  499  ist  daher  ^®  =  %  tp  6x. 
Daher  wird  drf\ 

(53)  #=^.(V3^+  „-4^)  =  ,-^.-/3  V'. 
Andererseits  ist  nach  (47)  ^  proportional  zur  vierten  Potenz  von  ^, 
d.  h.  man  erhält 

(54)  dtp  =  4ip^' 

Wenn  daher  die  Energiedichte  im  Räume  2  durch  Verschieben  des 
Stempels  Aumöx  gleich  werden  soll  der  Energiedichte  in  3,  so  er- 
gibt die  Vergleichung  von  (53)  und  (54): 

(55)  ,  V3^  =  f- 

Man  kann  nun  aus  dem  zweiten  Hauptsatze  der  Thermodynamik 
schließen,  daß,  wenn  die  Dichte  der  gesamten  strahlenden  Energie 
in  den  Räumen  2  und  3  dieselbe  ist,  dann  auch  die  Energiever- 
teilung im  Spektrum  in  beiden  Räumen  dieselbe  sein  muß. 

Denn  wenn  dies  nicht  der  Fall  wäre,  so  mußte  es  Strahlen  einer 
bestimmten  Wellenlänge  geben,  welche  in  3  eine  größere  Energie- 
dichte besitzen,  als  in  2.  Wir  können  dann  vor  die  Klappe  von  S' 
eine  dünne  durchsichtige  Lamelle  legen,  welche  die  Strahlen  der 
betrachteten  Wellenlänge  vorzugsweise  hindurchläßt,  die  anderen 
vorzugsweise  reflektiert,  und  dann  die  Klappe  öffnen.  Es  muß  dann 
mehr  Energie  von  3  nach  2  gehen,  als  umgekehrt,  und  die  Dichtig- 
keit der  Energie  wird  in  2  größer  werden,  als  in  3.  Jetzt  schließen 
wir  S',  entfernen  die  Lamelle  und  lassen  den  Stempel  jS'  von  dem 
in  2  herrschenden  Überdrucke  bewegt  werden  und  Arbeit  leisten, 
bis  die  Dichtigkeit  der  Energie  in  beiden  Räumen  wieder  die 


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Anwendung  des  zweiten  Hauptsatzes  der  Thermodynamik  usw.      505 

gleiche  ist.  Die  hierbei  gewonnene  Arbeit  sei  A,  Dann  wird  S' 
wieder  geöffnet  und  in  seine  Anfangslage  zurückgeführt,  was  keine 
Arbeit  erfordert  Dann  gehen  wir  bei  geschlossenem  ä  mit  S  auf 
seine  Anfangslage  zurück^  wobei  wir  die  Arbeit  wieder  gewinnen, 
welche  bei  dem  Verschieben  von  Ä  um  da:  aufgewendet  wurde. 
Wird  schließlich  die  Klappe  von  S  wieder  geöffnet,  so  ist  der 
Anfangszustand  völlig  erreicht,  dem  Körper  K  ist  in  Summa  keine 
Wärme  entzogen  oder  zugeführt,  dagegen  dem  Körper  K'  eine  ge- 
wisse Wärme  entzogen  (bei  der  Strahlung  durch  die  Lamelle, 
welche  auf  die  Klappe  von  S  gesetzt  wurde).  Außerdem  ist  eine 
gewisse  Arbeit  A  gewonnen. 

Nach  dem  zweiten  Hauptsatze  kann  man  aber  nie  Arbeit  A 
durch  einen  Kreisprozeß  gewinnen,  falls  dabei  nur  einem  Wärme- 
reservoir e!  Wärme  entzogen  wird,  so  daß  diese  Wärme  vollständig 
in  Arbeit  verwandelt  wäre.  —  Wir  schließen  daher,  daß  bei 
gleicher  Gesamtdichte  der  Energie  in  den  Bäumen  2 
und  3  auch  die  Energieverteilung  im  Spektrum  die 
gleiche  ist. 

Nun  wird  aber  durch  die  Bewegung  des  Stempels  Sdie  Energie- 
verteilung im  Spektrum  nach  dem  Dopplerschen  Prinzip  ge- 
ändert Sei  ursprünglich  im  Räume  2  die  gesamte  Energiedichte 
gegeben  durch 


=/. 


yp  (ß)  =J  <p  {X,  ff)  dX  ,  (56) 

O 

80  gibt  die  Größe  q>  {X,  &)  •  dX  die  zwischen  den  Wellenlängen  X 
und  X  +  dX  enthaltene  Energiedichte  an. 

Wenn  wir  nun  ebene  Wellen  betrachten,  welche  im  Räume  2 
senkrecht  gegen  die  Stempel  8,  S"  hin  und  her  reflektiert  werden, 
so  wird  ihre  Wellenlänge  durch  die  Bewegung  von  S  geändert. 
Betrachten  wir  zunächst  einen  Strahl,  welcher  von  einem  Punkte  P 
ausgehend  nur  einmal  an  S  reflektiert  wird.  Wenn  im  Punkte  P 
der  einfallende  Strahl  eine  Zustandsänderung  von  der  Periode  T 
hervorruft,  so  ruft  der  an  S  reflektierte  Strahl  eine  Zustandsänderung 
von  anderer  Periode  T'  hervor.  Wenn  nämlich  von  P  eine  Er- 
schütterung zur  Zeit  t  =  0  ausgeht,  so  gelangt  sie  durch  Reflexion 
an  S  nach  P  zurück  zu  einer  Zeit  {  =  2h^:  c,  wobei  c  die  Licht- 
geschwindigkeit im  Räume  2  (im  Vacuum)  ist  und  h^  den  Abstand 
bezeichnet,  den  P  vom  Spiegel  gerade  zu  der  Zeit  t^  besaß,  als 
die  von  P  ausgehende  Erschütterung  auf  S  anlangte. 


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506  Kapitel  H. 

Wenn  zur  Zeit  t=0  der  Abstand  zwischen  P  und  S  den 
Wert  b  hat,  so  muß  offenbar  6  =  fti  +  «i  sein,  wobei  «i  den  vom 
Spiegel  S  in  der  Zeit  ^  zurückgelegten  Weg  bezeichnet  Bewegt 
sich  8  mit  der  Geschwindigkeit  v  gegen  P  hin,  so  ist  «i  =  t?  •  ^ 
und  Ji  =  0 .  ^,  daher  folgt  aus  ^  =  (c  +  v)  /j,  daß  ti  =  b:c  +  v. 
d.  h.  es  folgt: 

Nach  der  Zeit  T  hat  sich  der  Abstand  zwischen  P  und  S  verringert, 
auf  b'=b  —  vT.  Daher  gelangt  eine  von  P  zur  Zeit  t  =  T  aus- 
gehende Erschütterung  nach  P  durch  Keflexion  zurück  zu  der 
Zeit  T  +  r,  wobei  ist: 

/'  =  ^^'   ^  2(6  — t^r) 

Der  reflektierte  Strahl  ruft  daher  in  P  eine  Erschütterung  der 
Periode  T^  hervor,  wobei  ist: 


e  +  v  ö  + 1> 


Ein  zweimal  an  S  reflektierter  Strahl  ruft  die  Periode  T"  hervor, 
wobei  ist: 

^    c-i-v        ^  \c-\-v) 


> 


ein  n-mal  reflektierter  Strahl  ruft  die  Periode  hervor 

(57)  T('.)=7'(l^:)". 

Wir  haben  nun  n  aufzufassen  als  die  Zahl,  welche  angibt, 
wie  oft  die  im  Eaume  2  normal  zu  S,  S'  verlaufenden  Strahlen 
bei  ihrem  Hin-  und  Hergehen  an  S  reflektiert  werden,  während  S 
eine  bestimmte  Wegstrecke  öx  durchläuft  Wenn  der  Abstand 
zwischen  S  und  S'  konstant  den  Wert  a  —  x  besäße,  so  würde 
zu  einer  n-maligen  Reflexion  an  S  die  Zeit  6t  erforderlich  sein, 
wobei  ist: 

(58)  rf^  =  n?i^>. 

Wir  wollen  voraussetzen,  daß  die  Bewegung  6z  so  klein  gegen 
a  —  X  ist,  daß  wir  wirklich  a  —  x  als  konstant  annehmen  können. 


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Anwendung  des  zweiten  Hauptsatzes  der  Thermodynamik  usw.       507 

In  dieser  Zeit  dt  macht  nun  S  den  Weg  cte  =  v  •  6i\  daher  folgt 
aus  (58): 

ox  =  vn  —^ > 

c 

d.  h. 

-  =  w^y-.-  (59) 

Wir  wollen  nun  annehmen,  daß  v  sehr  klein  gegen  c  ist.  Dann 
liefert  (57),  wenn  man  sich  auf  die  niedrigsten  Potenzen  in  t; :  c 
beschränkt: 

d.  h.  mit  Rücksicht  auf  (59): 

Die  Änderung  der  Periode  durch  die  Bewegung  des  Stempels  S 
beträgt  also: 

dT=  T(**)  —  jr=  —  T-  ^ 


a  —  a; 


und  ebenso  ist  die  Änderung  d|  X  der  Wellenlänge  X,  welche  durch 
die  Bewegung  von  S  entsteht: 

*^i^  =  -'iÄ-  (60) 

Bei  positivem  dx  ist  also  6^  X  negativ,  d.  h.  die  Wellenlängen  werden 
verkürzt 

Es  ist  nun  weiter  zu  berücksichtigen,  daß  nur  Vs  des  der 
Wellenlänge  X  zugehörigen  Energieanteils  in  (56)  aufgefaßt  werden 
kann  als  von  Strahlen  herrührend,  welche  senkrecht  gegen  S  ge- 
richtet sind  (vgl  oben  S.  499).  Die  Strahlen,  welche  parallel  mit  S 
verlaufen,  erfahren  durch  die  Bewegung  von./S  keine  Änderung 
ihrer  Wellenlänge.  Wenn  daher  im  Räume  2  zwischen  den  Wellen- 
längen X  und  X  +  dX  ursprünglich  die  Energie  vorhanden  ist: 

dL  =  g){X,&)dX,  (61) 

so  würde  nach  der  Bewegung  des  Stempels,  falls  man  zunächst 
von  der  dadurch  gleichzeitig  bewirkten  Energieverdichtung  (oben 
S.  504)  absieht,   die  zwischen  den  Wellenlängen  X  und  X  +  dX 


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5^1%  K^hel  IL 

liegende  Energie  dÜ  ans  zwei  Drittel  Ton  dL  besteben  mid  «as 
einem  Drittel  des  Anteiles  ^  (2  —  dji  ^)  rfi,  der  nrsprtnglich  z« 
der  Wellenlänge  l—d^X  gehörte,  falls  dj 2  die  in  >0  berechnete,  dsrcfa 
die  Bewegung  des  Stempels  bewirkte  WellenlingenTergrößenmg 
bedeutet    Daher  ist 

dü  =  7,  q>  (2,  d)  +  >',  9>  K^  -  rfi^,  ^::  ^^' 

Nun  kann  man  nach  dem  Taylorschen  Lehrsätze  schreiben: 
9)(2-d,2,/^)  =  9)(2,^)-di2g. 


Daher  wird 

^r'_^  n   A^ 

3      ÖX 


^'  =  9U,^)-¥-^SI, 


oder  (wiederum  nach  dem  Taylorschen  Satze)  falls  man  ^5  6x1 

=  d2  setzt: 

(62)  i^r  =  ^(2  — d2,i^)i2. 

Die  bei  der  Wellenlänge  2  nach  Einschieben  des  Stempels, 
d.  L  von  der  höheren  Temperatur  /^  +  dfr,  liegende  Energie  ist 
also  dieselbe,  wie  die  bei  der  Wellenlänge  2  — d2  liegende  Enei^e 
bei  der  Temperatur  d^.    Nun  ist  aber  nach  (60)  und  (55): 

d.  h.  es  gilt  die  Beziehung: 

(«3)  ?  +  T  =  ^' 

welche  wir  schreiben  können  als  d  (*2)  =  0,  d.  h. 

(64)  *;i  =  const. 

Wenn  man  dalier  zunächst  absieht  von  der  beim  Einschieben 
des  Stempels  bewirkten  Energieverdichtung,  d.  h.  wenn  man  absieht 
von  der  mit  Steigerung  der  Temperatur  bewirkten  Energieverdich- 
tung, so  besteht  für  höhere  Temperatur  *  bei  der  Wellen- 
länge 2  dieselbe  Energiedichte,  als  für  die  tiefere  Tem- 
peratur *'  bei  der  Wellenlänge  2',  falls  2*  =  2'^'  ist 

Berücksichtigt  man  nun  aber  auch  die  Steigerung  der  ganzen 
Energiedichte,  welche  mit  **  proportional  ist,  so  können  wir  den 


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AnwendoDg  des  zweiten  Hauptsatzes  der  Thennodynamik  usw.      509 

soeben  ausgesprochenen  Satz  aufrecht  erhalten,  wenn  wir  die 
Energieyerteilung  anstatt  von  tp  in  dem  Ausdruck  tp :  *4  unter- 
suchen. 

Unser  Satz  besagt  dann,  daß  für  einen  schwarzen  Körper 
bei  einer  beliebigen  Temperatur  *  der  Verlauf  von  %p:»^ 
ein  und  dieselbe  Funktion  des  Argumentes  Xd^  sein  muß. 
Nach  (56)  ist  nun: 

^=/^'^W  (65) 

0 

Es  muß  daher  g>  (A,  *) :  **  eine  Funktion  des  Argumentes  Xd^ 

^=fm.  (66) 


sein 


Wenn  wir  daher  für  irgend  eine  Tempefatur  d-  die  Energie- 
verteilung in  der  Weise  auftragen,  daß  die  Abszissen  die  Größen 
2*  sind,  die  Ordinaten  die  Größen  g>  (;l,*):*^  so  gilt  diese  Zeich- 
nung fftr  jede  Temperatur  *,  d,  h.  man  kann  dann  aus  dieser 
Zeichnung  auch  leicht  für  andere  Temperaturen  die  eigentliche 
Energieverteilung  konstruieren,  bei  der  X  und  g>  die  Abzissen  und 
Ordinaten  sind.  —  Hieraus  folgt  sofort  der  Satz: 

Wenn  bei  der  Temperatur  ^  das  Strahlungsmaximum 
des  schwarzen  Körpers  bei  der  Wellenlänge  Xm  liegt,  so 
liegt  es  bei  der  Temperatur  *'  bei  derjenigen  Wellenlänge 
Xm\  welche  bei  der  Gleichung  genügt: 

JU .  {^  =  2m  •  ^'.  (67) 

Aus  (66)  und  (67)  folgt  ferner,  falls  man  die  Funktion  q), 
welche  der  Wellenlänge  Xm  zugehört,  mit  g)m  bezeichnet: 

q>m  :  ifm  =  ^'  :  »'^  (68) 

d.  h.  die  Strahlungsintensitäten  zweier  verschieden  tem- 
perierter schwarzer  Körper,  welche  sie  bei  denjenigen 
Wellenlängen  besitzen,  bei  welchen  ihre  Strahlungs- 
intensität ein  Maximum  ist,  verhalten  sich  wie  die  fünften 
Potenzen  ihrer  absoluten  Temperaturen. 

14.  Die  Sonnentemperatur,  erschlossen  aus  der  Energie- 
Terteilimg  des  Sonnenspektrums.    Das  Gesetz  (67)  ist  mehrfach 


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510  Kapitel  IL 

experimentell  I)e:stütigt  worden^].  Xach  Lämmer  und  Prings- 
heim^,  ergibt  sich  die  Zahl  i«-^  =  2940,  falls  Einheit  der  Wellen- 
länge 0/)01  mm  ist  Paschen')  hat  nahezu  denselben  Wert  ffir 
Xmd^  gefanden,  etwa  2920.  Da  nun  nach  Langley  die  maxinude 
Energie  der  Sonnenstrahlung  bei  Im  =  0,«>0<)5  mm  liegt,  so  würde 
für  die  Sonnentemperatur  folgen: 

^'  =  5S600  =  55S7<>Cels. 

Dieses  Resultat  stimmt  der  Größenordnung  nach  mit  dem  oben 
auf  S.  502  berechneten.  Es  ist  aber  immer  die  Frage,  ob  die 
Sonne  ein  vollständig  absorbierender  (schwarzer)  Körper  ist,  der 
eine  reine  Temperaturstrahlung  besitzt  FaUs  die  Sonne  ein 
chemiluminiszierender  Körper  ist,  so  könnte  ihre  Temperatur  eine 
ganz  andere  sein. 

15.  Die  yerteilung  der  Energie  im  Spektrum  eines 
schwarzen  KSrpers.  Die  bisherigen  Betrachtungen  ergeben  wohl 
die  Änderung  der  Verteilung  der  Energie  im  Spektrum  eines 
schwarzen  Körpers  mit  der  Temperatur,  sie  sagen  aber  nichts  aus 
über  die  Verteilung  der  Energie  bei  einer  bestimmten  Temperatur. 
Um  dieses  Gesetz  zu  erschließen,  macht  W.  Wien^)  folgende 
Hypothesen: 

Nimmt  man  als  strahlenden  schwarzen  Körper  ein  Gas  an, 
so  gilt,  falls  man  sich  auf  den  Boden  der  kinetischen  Gastheorie 

1)  Vgl.  darüber  F.  Paschen  und  H.  Wanner,  BerL  Ber.  1899,  12.  Jan.  — 
F.  Paschen,  ibid.  ApriJ.  —  O.  Lammer  und  E.  Pringsheim,  VerhdL  d. 
deutsch,  phys.  Ges.  1899,  8.  23,  215.  —  Ann.  d.  Phys.  6,  S.  192,  1901.  —  Ffir 
sehr  tiefe  Temperaturen  ist  die  Strahlung  von  Langley  (Ann.  de  chim.  et  de 
phys.  (6)  9,  p.  433,  1880)  untersucht  worden.  Er  fand  mit  Hilfe  eines  Bolo- 
meters,  das  auf  —  20 o  Gels,  abgekühlt  war,  das  Strahlungsmaximum  einer 
geschwärzten  Kupferplatte  der  Temperatur  —  2^  Gels,  bei  der  Wellenlange  X^ 
=-  0,0122  mm.  Aus  der  Zahl  X^  ,  ^  =  2887  würde  bei  —  2»  Gels,  folgen 
^m  ^  0,0107  mm.  —  Bei  den  Langley  sehen  Versuchen  handelt  es  sich  aller- 
dings nicht  um  die  Strahlung  einer  ideal-schwarzen  Fläche.  Außerdem  wird 
nur  das  relative  Strahlungsmaximum  der  Eupferplatte  von  — 2^  Gels,  gegen 
das  Bolometer  von  —  20«  Gels,  gemessen.  Dieses  relative  Maximum  liegt, 
wie  man  sich  aus  der  Zeichnung  der  Strahlungskurven  sofort  überzeugen  kann, 
bei  einem  etwas  kleineren  X  als  das  absolute  Strahlungsmaximum. 

2)  O.  Lummer  u.  E.  Pringsheim,  Verhandl.  d.  Deutsch,  phys.  Ges. 
1899,  8.  215. 

3)  F.  Paschen,  Ann.  d.  Phys.  6,  8.  657,  1901. 

4)  W.  Wien,  Wied.  Ann.  68,  S.  662,  1896. 


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ADwenduDg  des  zweiten  Hauptsatzes  der  Thermodynamik  usw.       511 

stellt,  das  Maxwellsche  Gesetz  der  Verteilung  der  Geschwindig- 
keiten der  Gasmoleküle,  demzufolge  die  Anzahl  der  Moleküle,  deren 
Geschwindigkeit  zwischen  v  und  v  +  dv  liegt,  proportional  ist  der 
Größe 

v^'e-"^!!^  dv,  (69) 

worin  ß  eine  Konstante  ist,  die  sich  durch  die  mittlere  Geschwin- 
digkeit V  yermittels  der  Gleichung 

v^  =  3/2  j92  (70) 

ausdrücken  läßt  Die  absolute  Temperatur  ^  ist  nach  der  kine- 
tischen Gastheorie  proportional  der  mittleren  lebendigen  Kraft  der 
Gasmoleküle,  d.  h.  es  ist 

d^o^V^co  ß^,  (71) 

Wien  macht  nun  die  Hypothesen: 

1)  Daß  jedes  Molekül  Schwingungen  einer  Wellenlänge  X  aus- 
sendet, die  nur  von  der  Geschwindigkeit  v  des  Moleküls  abhängt 
Es  ist  also  auch  v  eine  Funktion  von  X. 

2)  Die  Intensität  der  Strahlung,  deren  Wellenlängen  zwischen 
Z  und  X  +  dX  liegt,  ist  proportional  der  Anzahl  der  Moleküle,  die 
Schwingungen  dieser  Periode  aussenden,  d,  h.  proportional  zu  dem 
Ausdruck  (69).  Schreibt  man  daher  diese  Strahlungsintensität  in 
der  Form 

q>  {X,  d')  dX, 

so  muß  nach  (69),  (70)  und  (71),  da  v  eine  Funktion  von  X  ist,  sein 

_  tw 

<p{X,d)  =  F{X)^e       *    .  (72) 

Da  nun  nach  (66)  q>id^^  eine  Funktion  des  Argumentes  Xd^  sein 
muß,  so  folgt  F{X)  =  Cx'.X^  und  fiX)=c2:X,  so  daß  das  Strahlungs- 
gesetz entsteht: 

welches  nun  auch  als  allgemein  gültiges  Gesetz  für  jeden  schwarzen 
Körper  hingestellt  wird,  auch  wenn  derselbe  nicht  ein  Gas  ist, 
da  (vgl.  oben  S.  485)  das  Strahlungsgesetz  eines  schwarzen  Körpers 
nicht  von  seiner  speziellen  Natur  abhängt  —  Dieses  Gesetz  wurde 


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512  Kapitel  11. 

dann  auch  von  Planck*)  auf  speziellerer  elektro-magnetischer 
Grundlage  abgeleitet,  indes  hat  er  es  später  2)  auf  Grund  all- 
gemeiner Verknüpfung  der  Thermodynamik  mit  Wahrscheinlich- 
keitsbetrachtungen modifiziert. 

Planck  geht  aus  von  der  Annahme,  daß  Resonatoren  vor- 
handen sind  in  einem  allseitig  durch  vollständig  reflektierende 
Wände  begrenzten,  von  beliebiger  Wärmestrahlung  erfüllten  Va- 
cuum.  Die  Schwingungszahl  der  Resonatoren  (d.  h.  das  Rezi- 
proke ihrer  Eigenschwingungsdauer)  sei  mit  v  bezeichnet  Im 
stationären  Gleichgewicht  hat  dann  ein  Resonator  eine  bestimmte 
Energie  U  und  Entropie  Ä,  die  sich  nur  durch  den  Zustand  des 
Systems  bestimmen,  es  muß  daher  auch  S  eine  Funktion  von  U 
sein.  Durch  thermodynamische  Betrachtungen  leitet  nun  Planck 
zunächst  die  Formel  ab: 

^'^)  du       d' ' 

wobei  *  die  absolute  Temperatur  bedeutet  Durch  Anwendung 
des  Wienschen  Verschiebungsgesetzes  (§  13)  ergibt  sich,  daß  S 
eine  universelle  Funktion  von  U :  v  ist,  d.  h. 

ü\ 


(75)  ^=^{t) 


Um  nun  die  Entropie  eines  Systems  von  iV  Resonatoren  zu  bilden, 
wird  die  Wahi'scheinlichkeit  seines  Zustandes,  d.h.  der  Verteilung 
der  Gesamt-Energie  ün  auf  die  vorhandenen  Resonatoren,  be- 
stimmt Da  nämlich  im  Gleichgewichtsfalle  sowohl  die  Wahr- 
scheinlichkeit, als  die  Entropie  ein  Maximum  sein  muß,  so  ist  die 
Entropie  Sn  eines  physikalischen  Systems  eine  universelle  Funk- 
tion der  Wahrscheinlichkeit  8GB  dieses  Zustandes.  Da  die  Entropie 
eines  Systemes,  das  aus  mehreren  Teilen  besteht,  sich  additiv  zu- 
sammensetzt, dagegen  die  Wahrscheinlichkeit  multiplikativ,  so  folgt 

(76)  SN=k!g^ +  konBt 

wobei  k  eine  universelle  Konstante  ist  Um  nun  ein  quantitatives 
Maß  für  die  Wahrscheinlichkeit  des  Zustandes,  d.  h.  der  Verteilung 


1)  M.  Planck,  Ann.  d.  Phys.  1,  S.  116,  1900. 

2)  Diese  Arbeiten  hat  Planck  in  »einen  „Vorlesungen  über  die  Theorie 
der  Wärmestrahlung*',  Leipzig  1906,  znsammengefaßt.   Speziell  vgl.  dort  S.  157. 


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Anwendung  des  zweiten  Hauptsatzes  der  Thermodynamik  usw.       51 3 

der  Gesamtenergie  Us  auf  die  vorhandenen  Resonatoren,  zu  ge- 
winnen, wird  angenommen,  daß  die  Energie  aus  einer  großen 
Zahl  gleicher  Energieelemente  e  bestehe.  Die  Wahrscheinlichkeit 
des  Zustandes  ist  dann  gleich  der  Anzahl  der  verschiedenen  indi- 
viduellen Zuordnungen,  die  möglich  sind,  um  die  vorhandenen 
Energieelemente  b  auf  die  vorhandenen  Resonatoren  zu  verteilen.  0 
Bei  der  so  gewonnenen  Entropieformel  (76)  ergibt  die  Benutzung 
der  aus  dem  Wienschen  Verschiebungsgesetz  folgenden  Beziehung 
(75)  die  Bedingung: 

£  =  Är,  (77) 

d.  h.  die  Energieelemente  müssen  der  Schwingungszahl  v  pro- 
portional sein;  h  ist  eine  universelle  Konstante,  die  Planck  ele- 
mentares Wirkungsquantüm  nennt.  Vermöge  der  Beziehung 
(74)  ergibt  sich  nun  aus  (76)  eine  Gleichung  für  die  Strahlungs- 
energie im  Hohlraum,  die  also  zugleich  (vgl.  oben  S.  486  Anm.  3) 
das  Strahlungsgesetz  einer  absolut  schwarzen  Fläche  (als  kleines 
Loch  des  Hohlraumes  gedacht)  ist  Führt  man  anstatt  der  Schwin- 
gungszahl V  des  Resonators  seine  Eigenwellenlänge  nach  der  Re- 
lation ein 

X  =  cxv,  (78) 

wobei  (?  =  3.10^^  die  Lichtgeschwindigkeit  im  Vacuum  ist,  so 
ergibt  sich  die  Strahlungsintensität  ii,  welche  zwischen  den  Wellen- 
längen X  und  X-\-dX  liegt,  für  eine  im  Vacuum  2)  liegende  schwarze 
Fläche: 

*^  =  2^-:^— '•  (79) 


.^^V 


1 


Für  genügend  kleine  Werte  ;./>  geht  dieses  Gesetz  in  das 
Wiensche  Gesetz  (73)  über.    Die  ersten  Messungen  von  Paschen*) 


1)  Z.  B.  würde  für  6  =  t/^  die  Wahrscheinlichkeit  ^  proportional  mit 
N  sein,  da  dann  nur  je  ein  Besonator  die  ganze  Energie  enthalten  könnte. 
Mit  kleinerem  e  wächst  S3  erheblich. 

2)  Liegt  die  Fläche  in  Lufl,  so  wird  die  Strahlung  nur  unbedeutend  (im 
Verhältnis  des  Quadrates  des  Brechungsindex  der  Luft),  erhöht  (vgl.  oben 
S.  491). 

3)  Bei  Planck  fehlt  der  Faktor  2,  weil  ix  (dort  als  Ex  bezeichnet,  1.  c. 
S.  157)  sich  auf  gradlinige  Polarisation  bezieht,  während  es  hier  für  natür- 
liches Licht  gelten  soU. 

4)  F.  Paschen,  Wied.  Ann.  60,  S.  662,  1897. 

Drude,  Lehrbuch  d.  Optik.   2.  Aufl.  33 


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514  Kapitel  II. 

schienen  dies  Gesetz  zu  bestätigen,  jedoch  hat  sich  durch  weitere 
Versuche  0  hei  größeren  Werten  Xd-  die  Unzulänglichkeit  des  Wien- 
schen  und  eine  gute  Bestätigung  des  Planckschen  Gesetzes  er- 
geben.2) 

Um  von  der  Formel  (79)  aus  die  gesamte  Strahlungsintensität 
zu  berechnen,  führe  man  nach  (78)  v  ein.    Dann  wird  (79): 

oo  00 

(80)  *-J''<^^=^J-W-' 

oder 

0 

Durch  partielle  Integration  leitet  man  hieraus  ab: 

wobei  a  eine  Abkürzung  ist  für 

(82)  a  =  1  +  ^,  +  Ji  +  . .  =  1,0823. 

Durch  (81)  ist  das  Stefan-Boltzmannsche  Strahlungsgesetz  (48) 
(oben  §  11,  S.  500)  ausgedrückt,  und  zwar  hat  die  Strahlungskon- 
stante a  den  Wert:^ 

/ooN  "       12  a     k* 

(83)  ^  =  -^rT3- 


1)  O.  Lummer  u.  E.  PriDgsheim,  Verhandl.  d.  Deutsch,  phys.  QeB.  2, 
8.  163,  1900.  —  H.  Beckmann,  Dissertat,  Tübmgen  189a  —  H.  Rubens, 
Wied.  Ann.  69,  S.  582,  1899.  —  H.  Rubens  u.  F.  Kurlbaum,  Berl.Ber.  190a 
S.  929.  —  Ann.  d.  Phys.  4,  8.  649,  1901.  —  F.  Paschen,  Ann.  d.  Phys.  4, 
8.  277,  1901. 

2)  Nach  O.  Lummer  u.  R  Pringsheim,  Ann,  d.  Phys.  6,  8.  210,  1901, 
bestehen  noch  geringe  Differenzen  mit  der  Planckschen  Formel,  wahrend 
Paschen  (1.  c.)  gute  Bestätigung  fand. 

3)  Bei  Planck  (Vorlesungen  L  c.)  bezeichnet  a  die  Eonstante  der  Energie- 
dichte, dagegen  hier  die  der  Strahlungsintensität  Wenn  man  daher  die  rechte 
Seite  von  (83)  mit  ^^le  multiplizert  (nach  Anm.  1,  S.  500),  so  erhält  man  die 
Bedeutung  der  Planckschen  Bezeichnung  a. 


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AnwendoDg  des  zweiten  Hauptsatzes  der  Thermodynamik  nsw.      515 

Für  diejenige  Wellenlänge  Xm,  welcher  im  Spektrum  der 
schwarzen  Strahlung  das  Maximum  der  Sti*ahlungsintensität  ii 
entspricht,  ergibt  sich  aus  Gleichung  (79): 


c 


dkl  ~~ 


0. 


X=^}.m 


Die  Ausfahrung  der  Differentiation  liefert,  wenn  man  zur  Abkür- 
zung setzt 

e-'^  +  i^^i. 

Die  Wurzel  dieser  transzendenten  Gleichung  ist 

^=4,9651.  (85) 

mithin  ist  jimd'^=ch:ßk,  also  konstant,  wie  es  das  Wiensche  Ver- 
schiebungsgesetz verlangt  Da  nach  §  14  die  Konstante  Xm  •  ^  den 
Wert  0,294  hat,  falls  Xm  in  cm  gemessen  wird,  so  folgt  also: 

;im-*  =  0,294  =  ^  (86) 

Aus  dieser  Gleichung,  sowie  aus  (83)  mit  Benutzung  des 
Wertes  a=i,69-i0-5  nach  (51)  S.  502  folgen  für  die  beiden  Kon- 
stanten h  und  k  die  Werte: 

h  =  6,548  •  10-27  erg^sec,     k=  1,346  •  lO"-*^  ^iGeU,  grade     (87) 

Der  Fortschritt,  der  durch  die  Plancksche  Theorie  gegenüber 
dem  Wienschen  Gesetz  (73)  erzielt  ist,  liegt  nun  nicht  nur  darin, 
daß  eine  Formel  für  die  Strahlung  eines  schwarzen  Körpers  ge- 
wonnen ist,  welche  sich  den  Beobachtungen  gut  anschließt,  sondern 
die  Plancksche  Theorie  enthält  auch  einen  großen  Fortschritt  all- 
gemeinen physikalischen  Inhaltes,  indem  nämlich  nach  ihr 
aus  der  numerischen  Ermittelung  der  Strahlungskon- 
stanten a  und  Xm'^  der  numerische  Wert  des  elektri- 
schen Elementarquantums  und  die  absolute  Zahl  und 
Masse  der  Gasmolekule  exakt  berechnet  werden  kann. 
Die  physikalische  Bedeutung  der  bei  Planck  auftretenden  Kon- 
stanten h  und  k  ist  nämlich  für  seine  Theorie  besonders  charak- 
teristisch und  von  allgemeinem  großem  Interesse.    Durch  Anwen- 

33* 


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516  Kapitel  H. 

dung  der  Entropieformel  (76)  auf  die  Gastheorie,  für  welche  Planck 
nach  dem  Vorgange  von  Boltzmann  die  Wahrscheinlichkeit  SB 
eines  Zustandes  dadurch  erhält,  daß  er  die  Anzahl  der  möglichen 
Geschwindigkeits-  und  Raumverteilungen  der  Gasmolektile  bei 
gegebenem  Gesamtvolumen  und  Gesamtenergie  berechnet,  kann 
man  die  universelle  Konstante  k  in  Beziehung  zu  der  Gaskon- 
stanten setzen,  da  man  bei  idealen  Gasen  die  Entropie  aus  ihrer 
Zustandsgieichung  leicht  berechnen  kann.  Schreibt  man  die  letztere 
in  der  Form: 

pv=^  Rnd- , 

wobei  p  Druck,  v  Volumen  des  Gases  bei  der  absoluten  Temperatur 
^,  n  die  Anzahl  der  Grammmolektile  oder  Mole  des  Gases,  bezogen 
auf  O2  =  32  bedeutet  (d.  li.  für  n  =  1  ist  die  vorhandene  Masse 
des  Gases  in  Grammen  gleich  seinem  Molekulargewicht),  so  erhält 
Planck  auf  diesem  Wege  die  Beziehung: 

(88)  k  =  R^. 

wobei  N  die  Anzahl  der  wirklich  vorhandenen  absoluten  Gas- 
molekule  ist.  n:  N=  cd  ist  also  das  Verhältnis  der  Molzahl  zur 
Molekülzahl,  oder,  was  dasselbe  ist,  das  Verhältnis  der  Molekül- 
masse zur  Molmasse.  Da  nun  die  absolute  Gaskonstante  E  den 
Zahlwert 

(89)  i?  =  831  •  10^  ergjcels  grad 
hat,  so  wird  nach  dem  Werte  k  von  (87) 

(90)  n:N=(o=-  1,62  •  10~^* , 
d.  h.  auf  ein  Mol  gehen 

1  =  6,175  .  10^^ 

Moleküle,  wobei  immer  das  Sauerstoffmol  O2  =  32  gr  vorausgesetzt 
ist  Daher  ist  z.  B.  die  absolute  Masse  eines  Wasserstoffatoms 
(^^2=  1,008  gr)  gleich  1,63  •  10-^^  g.  Damit  wird  die  Anzahl  der 
bei  0^  Geis,  und  Atmosphärendruck  in  l  cm^  enthaltenen  Moleküle 
eines  idealen  Gases  (Loschmidtsche  Zahl): 

(Q]\  76.13,6.981_    ^2  76.10*9. 


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AnwendoDg  des  zweiten  Hauptsatzes  der  Thermodynamik  usw.       517 

Hiermit  stimmen  die  aus  der  kinetischen  Gastheorie  gewon- 
nenen Zahlen  (ivr=  2  .  10^«  bis  10  .  lO^»)  gut  überein. 

Da  nach  der  Elektrolyse  mit  jedem  einwertigen  Mol  (Gramm- 
molekül) die  Elektrizitätsmenge  9654  nach  absolutem  elektro- 
magnetischem Maße  (d.  h.  96540  Coulomb)  verbunden  ist,  so  ist  die 
elektrische  Ladung  eines  einwertigen  Ions  oder  Elektrons  (das 
elektrische  Elementarquantum)  nach  absolutem  elektromag- 
netischem Maß: 

e'  =  0? .  9654  =  1,56  .  lO-^o^  (92) 

nach  absolutem  elektrostatischem  Maße: 

e  =  c.c'  =  4,69.10-i^  (93) 

Hiermit  stimmen  die  aus  direkteren  elektrischen  Versuchen 
von  Thomson  und  Wilson  erhaltenen  Zahlen  ^  c  =  3^4  .  lO-^o  ^jjg 
e  =  6,7  ,  10-^*^  gut  ttberein.  Da  diese  direkteren  Versuche  größeren 
Versuchsfehlern  unterworfen  sind,  als  die  Messung  der  Strahlungs- 
konstanten a  und  2« .  * ,  so  ist  die  indirekt  aus  den  Strahlungs- 
gesetzen erhaltene  Zahl  (93)  für  das  Elementarquantum  dennoch 
als  sicherer  anzusehen,  als  die  bisher  aus  den  direkteren  elektrischen 
Versuchen  entnommenen  Zahlen. 

Die  Konstante  h  der  Planckschen  Theorie  (das  elementare 
VP'irkungsquantum)  ist  bisher  in  seiner  physikalischen  Bedeutung 
nicht  so  weit  erkannt,  daß  sie  dadurch  in  zahlenmäßige  Beziehung 
zu  anderen  physikalischen  Erscheinungen  gesetzt  werden  konnte. 
Jedenfalls  ist  aber  für  das  Plancksche  Strahlungsgesetz  (79)  sehr 
wichtig,  daß  die  Konstante  h  eine  endliche,  von  Null  verschiedene 
Größe  ist,  d.  h.  daß  die  Strahlungsenergie  für  eine  bestimmte 
Schwingungszahl  auch  aus  einer  Art  von  atomistischen  Energie- 
elementen £2)  zusammengesetzt  ist.  Für  ä  =  0  würde  nämlich 
nach  (79)  die  Strahlungsformel  übergehen  in:^) 

«  =  ^>  (94) 


1)  Vgl.  dazu  J.  J.  Thomson,  ElektrizitätB-Durchgang  in  Gasen;  deutsch 
von  Marx,  Leipzig  1905,  S.  129. 

2)  Nach  (77)  werden  die  Energieelemente  e  um  so  kleiner,  je  kleiner  die 
Schwingnngszahl  v  ist. 

3)  In  diese  Formel  geht  die  Plancksche  Formel  (79)  lUr  genügend  großes 
XB'  auch  unabhängig  vom  Werte  von  h  über. 


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518  Kapitel  IL 

eine  Formel,  die  zuerst  von  Lord  Rayleigh  0  aufgestellt  ist  Diese 
Formel  wird  für  genügend  lange  Wellen  experimentell  bestätigt, 
dagegen  für  kürzere  Wellen  nicht  Dieses  Rayleighsche  Strah- 
lungsgesetz ist  nun  kürzlich  auch  von  Lorentz^)  aus  der  Elek- 
tronentheorie auf  Grund  der  für  Metalle  von  Riecke^)  und  dem 
Verfasser^)  entwickelten  Anschauungen  abgeleitet,  nach  denen  die 
Elektronen  in  einem  Metall  in  unregelmäßiger  Wärmebewegung 
begriffen  sind  und  sowohl  die  elektrische,  als  die  Wärme -Leit- 
fähigkeit bedingen.  Wenn  ein  Elektron  seine  Geschwindigkeit 
ändert,  so  muß  es  nach  der  elektromagnetischen  Theorie  Energie 
ausstrahlen.  Indem  Lorentz  hiernach  das  Emissionsvermögen  eines 
Metalles  berechnet  und  es  dividiert  durch  das  mittels  der  gal- 
vanischen Leitfähigkeit  bestimmte  Absorptionsvermögen,  so  erhält 
er  nach  dem  Kirchhoffschen  Gesetz  (vgl.  Formel  (O*)  S.  485  oben) 
das  Emissionsvermögen  des  schwarzen  Körpers.  Lorentz  gelangt 
dadurch  zur  Formel  (94),  wobei  auch  die  Konstante  K  in  derselben 
Weise,  wie  nach  der  Planckschen  Theorie  mit  der  Gaskonstante 
R  durch  die  Beziehung  (88)  verknüpft  ist  Diese  Art  der  Begrün- 
dung der  Strahlungsgesetze  ist  zwar  auf  das  Gebiet  langer  Wellen 
beschränkt,  sowohl  weil  Lorentz  voraussetzt,  daß  die  Elektronen- 
stöße sehr  schnell  erfolgen  sollen  im  Vergleich  zur  Periode  der 
ausgesandten  Strahlung,  als  auch  weil  nach  den  Versuchen  von 
Hagen  und  Rubens^)  nur  für  lange  Wellen  das  Absorptionsver- 
mögen der  Metalle  lediglich  aus  ihrer  elektrischen  Leitfähigkeit 
berechnet  werden  kann.®)  —  und  daher  auch  ihre  Strahlung')  unter 
Benutzung  des  Strahlungsgesetzes  des  schwarzen  Körpers.  Aber 
dafür  gewährt  dieses  Lorentzsche  Verfahren  einen  höchst  bedeu- 
tungsvollen Einblick  in  den  Mechanismus  der  Elektronenbewegungen 
und  bestätigt  zugleich  die  Planckschen  Anschauungen  von  einer 
anderen  Grundlage  aus. 


1)  Lord  Rayleigh,  Phil.  Mag.  49,  8.  539,  1900. 

2)  H.  A.  Lorentz,  Versl.  Kod.  Akad.  v.  Wet  1902/3,  S.  787.  Proc  Kon. 
Akad.  V.  Wet.  Amsterdam  1903,  S.  666. 

3)  E.  ßiecke,  Wied.  Ann.  66.  S.  353,  1898. 

4)  P.  Drnde,  Ann.  d.  Phys.  1,  8.  566,  1900. 

5)  E.  Hagen  u.  H.  Rubens,  Ann.  d.  Phys.  11,  8.  873,  1903. 

6)  Nach  einer  Formel,  die  entwickelt  ist  vom  Verf.  im  Lehrbuch  d.  Phys. 
d.  Äthers,  1894,  8.  574.  —  Verhand.  d.  Deutsch,  phys.  Gesellsch.  5,  8.  142, 
1903.  —  M.  Planck,  Berl.  Ber.  1903.  8.  278. 

7)  E.  Aschkinaß,  Ann.  d.  Phys.  17,  8.  960,  1905. 


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Anwendung  des  zweiten  Hauptsatzes  der  Thermodynamik  usw.      519 

Lediglich  von  Betrachtungen  der  statistischen  Mechanik  aus 
mit  Benutzung  der  Maxwellschen  elektromagnetischen  Grund- 
gleichungen, aber  ohne  Heranziehung  von  speziellen  Wechsel- 
wirkungen zwischen  Materie  (Kesonatoren,  Elektronen)  und  Äther 
hat  kürzlich  auch  Jeans*)  die  Formel  (94)  gewonnen.  Daß  sich 
auf  diesem  Wege  nur  eine  für  genügend  lange  Wellen  experimentell 
bewährte  Strahlungsformel  ergibt,  deutet  wiederum  darauf  hin, 
daß  bei  diesen  statistischen  Betrachtungen  die  Strahlungsenergie 
(bei  einer  von  Null  verschiedenen  Schwingungszahl  v)  nicht  in 
unendlich  kleine  Teile  zerlegt  gedacht  werden  kann,  sondern  nur 
wie  bei  der  Planckschen  Theorie,  in  endliche  elementare  Quanten 
B=hv.  Die  elektrodynamische  Bedeutung  des  elementaren  Wir- 
kungsquantums h  ist  bisher  nicht  gefunden,  aber  eine  Aufgabe 
von  großem  Interesse.^ 

Das  Strahlungsgesetz  (79),  welches  ein  ganz  universelles  ist, 
gibt  uns  die  Mittel  in  die  Hand,^)  ein  wirklich  absolutes  Maß- 
system für  die  Länge,  Maße,  Zeit  und  Temperatur  aufzustellen, 
welches  nur  auf  universelle  Eigenschaften  des  Vacuums  (Äthers) 
begründet  ist  und  von  keinen  besonderen  Eigenschaften  bestimmt 
gewählter  Materie  abhängt  Wir  finden  nämlich  auch  in  der 
allgemeinen  Gravitation  und  in  der  Lichtgeschwindigkeit  im  Äther 
zwei  universelle  Gesetze.  Ein  solches  absolutes  Maßsystem  wird 
durch  die  Festsetzung  gewonnen,  daß  die  Gravitationskonstante, 
die  Lichtgeschwindigkeit  im  Äther,  und  die  beiden  Konstanten  h 
und  k  des  Strahlungsgesetzes  den  Wert  1  erhalten  sollen.^) 

1)  J.  H.  Jeans,  Phil.  Mag.  10,  8.  91,  1905.  Diesen  Weg  hatte  auch 
schon  Lord  Rayleigh  beschritten  in  Natnre  72,  S.  54.  243,  1905.  —  Vgl. 
anch  die  Darstellung  dieser  und  der  Lorentzschen  Betrachtungen  bei  M.  Planck, 
Vorlesungen  über  Theorie  d.  Wärmestrahlung,  S.  170—179. 

2)  Vgl.  dazu  auch  A.  Einstein,  Ann.  d.  Phys.  17,  S.  132,  1905.  —  20, 
8.  199,  1906. 

3)  M.  Planck,  Vorlesungen  über  Wärmestrahlung,  8.  163. 

4)  Die  numerischen  Werte  dieser  absoluten  Einheiten  sind  bei  Planck, 
1.  c  zu  finden. 


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520  Kapitel  III. 

f 

Kapitel  IIL 

Das  Leuchten  der  Oase  und  Dämpfe. 

1.  Unterscheidnng  der  Lnminiszenz  und  Temperatur- 
Strahlung.  Der  prinzipielle  Unterschied  zwischen  Luminiszenz 
und  Temperaturstrahlung  ist  schon  oben  S.  480  genannt.  Welche 
Kriterien  haben  wir  nun,  um  bei  irgend  einem  leuchtenden  Körper 
zu  entscheiden,  ob  er  luminisziert  oder  eine  reine  Temperatur- 
strahlung besitzt  (ob  er  allaktin  oder  thermaktin  ist)? 

Auf  Luminiszenzerscheinungen  ist  der  Kirchhoffsche  Satz 
der  Proportionalität  zwischen  Emissions-  und  Absorptionsvermögen 
nicht  anwendbar;  trotzdem  wird  auch  bei  Luminiszenzerscheinungen 
die  Emission  scharfer  Spektrallinien  von  auswählender  Absorption 
derselben  Spektrallinien  begleitet  sein,  da  beide  geknüpft  sind  an 
das  Bestehen  von  wenig  gedämpften  Eigenschwingungen  der  Ionen. 

Durch  Messung  der  absoluten  Größe  des  Emissionsvermögens 
oder  der  Strahlungsintensität  kann  man  aber  ein  Kriterium  dafür 
gewinnen,  wann  sicher  Luminiszenz  vorliegt:  Sowie  die  Strahlungs- 
intensität eines  Körpers  größer  ist,  als  die  eines  schwarzen  Körpers 
gleicher  Temperatur  im  gleichen  Wellenlängenintervall,  so  muß 
Luminiszenz  mindestens  neben  der  Temperaturstrahlung  bestehen. 
Durch  dieses  Kriterium  haben  E.  Wiedemann,^)  F.  Paschen^) 
und  E.  Pringsheim^)  gezeigt,  daß  z.B.  das  gelbe  Licht,  welches 
eine  in  einen  Bunsenbrenner  eingeführte  Kochsalzperle  ausstrahlt, 
mindestens  teilweise  der  Chemi-Luminiszenz  (Reduktion  des  Na- 
triums aus  dem  Salz  nach  Pringsheim)  seine  Entstehung  ver- 
dankt. Letzterer  schließt  (nach  Anstellung  weiterer  Versuche) 
allgemein,  daß  bei  allen  Methoden,  welche  man  zur  Erzeugung 
der  Gasspektren  verwendet,  das  Leuchten  eine  Folge  elektrischer*) 
oder  chemischer*)  Vorgänge  ist.    Trotzdem  müssen  alle  Gase  und 

1)  Wied.  Ann.  37,  8.  215,  1889. 

2)  Wied.  Ann.  51,  S.  42,  1894. 

3)  Wied.  Ann.  45,  8.  428,  1892.  —  49,  8   347,  1893. 

4)  Die  niedrige  Temperatur  in  Geis  sie  rächen  Bohren  hat  E.  Wiede- 
mann  (Wied.  Ann.  6,  8.  298,  1879)  konstatiert. 

5)  Pringsheim  (Wied.  Ann.  45,  8.  440)  hat  von  einer  150«  C.  kalten 
Ci^ -Flamme  eine  photographische  Wirkung  erhalten.  Beine  Temperatur- 
Strahlung  hätte  in  diesem  Falle  gar  kein  photographisch  wirksames  Licht  ent- 
senden können.  —  Nebenbei  mag  hier  bemerkt  werden,  daß  die  Wirksamkeit 


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Das  Leachten  der  Gase  und  Dämpfe.  521 

Dämpfe  bei  genügender  Erhitzung  auch  feine  dem  Kirchhoffschen 
Satze  entsprechende  Temperaturstrahlung  entsenden,^)  weil  sonst 
ein  Widerspruch  zum  zweiten  Hauptsatz  der  Thermodynamik  be- 
stehen würde.  Es  ist  allerdings  möglich,  daß  die  Absorption  und 
daher  auch  die  Temperaturstrahlung  bei  Ausschließung  aller  che- 
mischen Prozesse  gering  ist  und  vielleicht  keine  scharfen  Spektral- 
liuien  ergibt,  weil  das  Absorptionsvermögen  eventuell  erst  durch 
chemische  Prozesse  zu  bedeutender  Größe  gebracht  wird.  Es  wäre 
z.  B.  denkbar,  daß  erst  durch  Änderungen  im  Molekülbau  die  lonen- 
eigenschwingungen  möglich  werden,  welche  starke  auswählende 
Absorption  veranlassen. 

2.  Die  Elektronellhypothese.  Nach  elektromagnetischer  Auf- 
fassung werden  durch  die  Schwingungen  der  Elektronen  elektro- 
magnetische Wellen  gleicher  Periode,  d.  h.  Licht  bestimmter  Farbe, 
entsendet  Wir  wollen  prüfen,  ob  diese  Hypothese  ohne  Wider- 
spruch mit  beobachteten  Strahlungserscheinungen  durchführbar 
ist, 2)  und  wollen  die  Konstanten,  welche  für  die  Elektronen- 
bewegungen maßgebend  sind,  numerisch  zu  taxieren  suchen. 

Wir  fassen  einen  stationären  Zustand  ins  Auge,  in  welchem 
die  Elektronen  Schwingungen  konstanter  Amplitude  besitzen, 
wobei  sie  beständig  eine  gewisse  Energiezufuhr  erfahren,  die  not- 
wendig ist,  um  ihre  Amplituden,  die  sich  sonst  wegen  Strahlungs- 
und eventuell  Reibungsverlusten  vermindern  würden,  konstant  zu 
erhalten.  Bei  reiner  Temperaturstrahlung  besteht  diese  Energie- 
zufuhr in  den  gegenseitigen  Stößen  der  Moleküle,  bei  Luminiszenz- 
erscheinungen  ist  sie  in  Form  von  chemischer,  elektrischer  usw. 
Energie  enthalten. 


des  Auer-Brenners  nach  £.  8t.  John  (Wied.  Ann.  56,  S.  433,  1895)  nicht 
auf  Lominiszenz  beruht,  sondern  in  der  Anwendung  eines  feuerbeständigen 
thermaktinen  Qlühkörpers  von  kleiner  Masse,  kleiner  Wärmeleitung,  großer 
Oberfläche  und  großem  Emissionsvermögen  liegt.  —  Nach  H.  Rubens  (Wied. 
Ann.  69,  S.  588,  1899)  ist  aber  der  Au  er  sehe  Qlühkörper  wahrscheinlich 
allaktin  für  große  Wellenlängen.  —  Vgl.  hierzu  jedoch  die  weiteren  Arbeiten 
von  Eubens  in  Ann.  d.  Phys.  18,  S.  725,  1905.  —  Verhandl.  d.  Deutsch,  phys. 
Ges.  1906,  S.  41. 

1)  Nach  Paschen  (Wied.  Ann.  50,  S.  409,  1893)  zeigt  Kohlensäure  und 
Wasserdampf  eine  reine  Temperaturstrahlung.  In  der  Tat  sind  ja  auck  ihre 
Absorptionsvermögen  für  gewisse  WeUenlängenbereiche  bedeutend. 

2)  Vgl.  hierzu  auch  H.  Ebert,  Wied.  Ann.  49,  S.  651,  1893.  — 
F.  Eicharz,  Wied.  Ann.  52,  S.  407,  1894. 


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522  Kapitel  lU. 

Wenn  die  relative  Entfernung  einer  elektrischen  Ladung  c 
(nach  elektrostatischem  Maß)  gegen  eine  gleiche,  entgegengesetzte 
Ladung  (die  man  in  ßuhe  oder  in  Bewegung  annehmen  kann)  eine 
Schwingung  der  Amplitude  /  und  der  Periode  T  ausführt,  so  ist 
nach  Hertz 0  die  in  einer  halben  Periode  entsandte  elektro- 
magnetische Energie: 

(1)  r=g^e2/2, 

wobei  X  die  Wellenlänge  im  Vacuum  {l  =  cT)  bedeutet. 

In  der  Zeiteinheit  wird  daher  von  zwei  entgegengesetzt  ge- 
ladenen Ionen  die  Energiemenge  ausgestrahlt: 

(2)  ^  =  -^^'X8T  =  ^^'"^- 

Nun  hat  E.  Wiedemann^  gemessen,  daß  die  von  einem  g  Natrium 
in  den  beiden  Z>-Linien  pro  Sekunde  entsendete  Energie  beträgt 

(3)  Li  =  3210gr.  cal=  13,45- 10^^  erg. 

Das  Atomgewicht  des  Natriums  ist  23.  Da  nach  der  Planck- 
schen  Theorie  ein  Wasserstoflfatom  1,63. 10 "^^g  wiegt  (vgl.  oben 
S.  516),  so  ist  also  das  Gewicht  eines  Natriumatoms  3,75  •10"'^^  g. 

Natrium  ist  ein  einwertiges  Atom.  An  jede  Valenzstelle 
knüpft  sich  eine  Ladung  e.  Wenn  sich  daher  je  1  Ladung  an 
einer  Schwingung  beteiligt,  so  sind  in  1  g  Natrium 

1  :  3,75  .  10-^'  =  2,66  •  lO" 

solcher  Erregungsquellen  vorhanden.   Es  muß  daher  sein  nach  (2) 

und  (3) 

(4)  ^;r2c^.2,66.10''  =  13,45.10^^ 

Setzt  man  in  diese  Gleichung  die  Werte  ein:  e= 4,69. 10"^^  (nach 
Formel  (93)),  A  =  5,9.10-^  cm,  0=3.10»^  so  folgt 

(5)  /=4,2.10-^^  cm. 


1)  Wied.  Ann.  36,  8.  12,  1889.  —  Dort  tritt  ein  anderer  Zahlenfaktor  auf; 
weil  T  anders  als  hier  definiert  ist 

2)  Wied.  Ann.  87,  8.  213.  1889. 


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Das  Leuchten  der  Oase  und  Dämpfe.  523 

Der  Durchmesser  eines  Moleküls  berechnet  sich  aus  der  kinetischen 
Gastheorie  zu  etwa  (i=2-10""®  cin.O  Da  nach  (5)  /  wesentlich 
kleiner  als  d  ist,  so  kann  also  die  verhältnismäßig  starke  Emission 
des  Natriumdampfes  tatsächlich  quantitativ  erklärt  werden  aus 
einer  Oszillation  der  Elektronen  (Valenzladungen)  innerhalb  des 
Moleküls  (der  molekularen  Wirkungssphäre). 

Oben  S.  436  ist  aus  dem  Zeemann sehen  Phänomen  das  Ver- 
hältnis der  Ladung  e  zur  Masse  m  des  negativen  Elektrons  im 
Natriumdampf  berechnet  zu: 

e:m  =  c-l,6-10'.  (6) 

Wir  haben  früher  (S.  364)  die  Bewegungsgleichung  für  ein 
unter  dem  Einfluß  einer  elektrischen  Kraft  X  schwingendes  Ion 
(Elektron)  in  der  Form  geschrieben  2): 


m 


+  ^^'^  +  ^S  =  eX  (7) 


§  bedeutet  die  Entfernung  des  Ions  aus  der  Euhelage.  Bei  kleinem 
r  ist  die  Periode  'f  der  Eigenschwingung  des  Ions  gegeben  durch 

T'2=^.  .  (8) 

Da  für  Natriumdampf  7^  =  2-10"**  etwa  beträgt,  so  folgt  aus 
(6)  und  aus  e  =  4,69-10-^^ 

^  =  2,9-10"".  (9) 

Um  schließlich  auch  die  Eonstante  r  in  (7)  zu  ermitteln,  kann 
man  das  Resultat  der  S.  368  benutzen,  daß  in  der  Nähe  einer 
Eigenschwingung  der  Brechungsindex  n  und  Absorptionsindex  x 
sich  bestimmt  aus  der  Gleichung: 

n2(l_i.)2=i+  ^_, 

wobei  9i  die  Anzahl  der  Ionen  in  1  cm^  bedeutet,  und  femer  ge- 
setzt ist 


1)  Vgl.  F.  Bicharz,  Wied.  Ann.  52,  S.  395,  1894. 

2)  Hier  bedentet  ^  nicht  mehr  die  absolute  Temperatur. 


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524  Kapitel  III. 

(11)  r  =  r:2^,  a  =  g,5  =  ^. 

Aus  beobachtetem  x  könnte  man  daher  r  gewinnen.  Solche 
Messungen  von  x  liegen  beim  Natriumdampf  nicht  vor  und  würden 
auch  sehr  schwierig  sein,  weil  bei  ihm  die  Absorption  in  der  Nähe 
der  Eigenschwingung  ungemein  schnell  mit  der  Periode  T  variiert. 

Wir  können  aber  in  anderer  Weise  zur  Schätzung  von  r  ge- 
langen: Zunächst  muß  bei  den  scharfen  Absorptionslinien  des 
Natriumdampfes  die  Größe  a/r  sehr  klein  sein.  Für  r^=T':2jc 
folgt  aber 


(12)  f  =  r.el/^— =  r.7,2. 


10-^ 


r  muß  also  jedenfalls  unter  der  Größenordnung  lO^  bleiben.  Auch 
auf  anderem  Wege  können  wir  eine  obere  Grenze  für  r  gewinnen. 
Wenn  die  Ionen,  nachdem  sie  einmal  in  Schwingung  versetzt 
sind,  einem  äußeren  Einfluß  entzogen  werden,  so  führen  sie  ge- 
dämpfte Eigenschwingungen  aus  von  der  Form 

(13)  g=/.e— y^-c^'^^?. 
Nach  (7)  muß  dann  bei  kleinem  r  sein: 

(14)  r  =  £y^  =  r.2,2.io-', 

wobei  T'  aus  (8)  bestimmt  ist  Die  Dämpfungskonstante  y  der 
Eigenschwingungen  muß  nun  sehr  klein  sein,  weil  mit  Natrium- 
licht noch  Interferenzen  bei  200000  X  Gangunterschied  beobachtet 
wurden.  Also  darf  für  ^=200000  T'  g  noch  nicht  sehr  klein  sein. 
Daher  muß  200000  •  y  immer  noch  kleiner  als  1  sein,  d.  h. 

(15)  r<23. 

Im  folgenden  werden  wir  eine  untere  Grenze  für  r  bestimmen. 

Aus  der  Dispersion  der  Gase  und  Dämpfe  kann  man  grade 
wie  bei  Flüssigkeiten  und  festen  Körpern  die  Elektronenzahl  K 
berechnen,  wenn  man  ^jm  als  bekannt  annimmt  (vgl  dazu  oben 
S.  379).  Nimmt  man  für  ^Im  den  bei  Elektronen  gültigen  Wert 
an  nach  Formel  (6),  so  ergibt  sich  die  Zahl  p  der  pro  Molekül 


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Das  Leachten  der  Qase  und  Dämpfe.  525 

schwingenden  Elektronen  bei  allen  beobachteten  Substanzen  der 
Größenordnung  nach  gleich  der  im  Molekül  vorhandenen  Summe 
der  chemischen  Valenzen  und  jedenfalls  mit  ihr  in  Beziehung 
stehend.^)  Die  Messungen  von  Wood^)  am  Natriumdampf  können 
leider  zu  diesem  Zwecke  nicht  numerisch  verwertet  werden,  weil 
die  Dichte  des  Natriumdampfes  bei  den  Versuchen  (oder  Tempe- 
ratur und  Druck)  nicht  beobachtet  ist,  sondern  nur  die  Temperatur. 
3.  Die  Dämpfung  der  Elektronenschwingangen  durch  ihre 
eigene  Strahlung.  Wenn  zur  Zeit  ^  =  0  ein  negativ  geladenes 
Elektron  —  e  von  einem  positiv  geladenen  Ion  +  e  um  die  Strecke  / 
entfeiTit  ist,  während  diese  Entfernung  nach  Ablauf  der  Zeit  f 
sich  um  dl  geändert  hat,  so  ist  die  Änderung  rf®  der  elektro- 
statischen Energie: 

(i(£  =  g.rf/.  (16) 

Nun  hat  sich  nach  (13)  die  Amplitude  der  Elektronenbewegung 
nach  Ablauf  einer  Periode  T'  geändert  um  t//  =  —  7  .  /,  falls  7 
klein  ist.  Nach  (1)  (S.  522)  ist  ferner  die  Energieabnahme  durch 
Strahlung  in  der  Zeit  jT': 

,;®'  =  _^ge2/2.  (17) 

Die  Energieabnahme  e/®  muß  nun  mindestens  gleich  sein  der 
Energieabnahme  dS'  durch  Strahlung.  Aus  (16)  und  (17)  gewinnen 
wir  daher,  falls  c?/  =  —  7/  gesetzt  wird: 

e2  16      ;i4  ^167l*/l\^  /.Qv 

Benutzt  man  den  Wert  (5)  für  /,  so  wird  für  Natriumdampf: 

7>l,9•10-^^  d.h.  nach  (14) 

r>(),85.10-'\  (19) 

Wir  werden  nun  weiter  sehen,  daß  r  sogar  erheblich  über 
der  so  bestimmten  unteren  Grenze  liegen  muß,  und  daß  für  den 


1)  Vgl.  dazu  P.  Drude,  Ann.  d.  Phys.  14,  8.  714,  1904. 

2)  R.  W.  Wood,  Physik.  Ztschr.  5,  S.  751,  1904.  Diese  Versuche  smd 
besonders  interessant,  weil  der  Brechungsindex  ganz  in  der  Nähe  der  Absorptions- 
linie D  bestimmt  ist. 


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526  Kapitel  IIL 

benutzten  Wert  von  /  die  Dämpfung  der  Elektronenschwingungen 
durch  ihre  eigene  Strahlung  ganz  zu  vemachlfissigen  wäre.^ 

Selbst  wenn  flian  l  von  der  Ordnung  des  Molekflldurchmessers 
annehmen  würde,  d.  h.  /  =  2  •  lOr^  setzt,  so  würde  7  =  2- 10~* 
folgen,  während  wahrscheinlich  7  ziemlich  yid  größer  ist 

4.  Die  StraUang  der  Elektronen  bei  infierer  Einstrablog. 

Wenn  eine  äußere  Kraft  X  von  der  Periode  T=^2xt  und  der 
Amplitude  Ä  wirkt,  so  nehmen  die  Ionen  eine  Bewegung  gleicher 
Periode  an,  deren  Amplitude  sich  nach  (7)  mit  Benutzung  der  Ab- 
kürzungen (11)  schreibt: 

(20)  ^ 


4jte 


K1-(t)T+S 


Die  in  der  Zeiteinheit  von  einer  Schicht  der  Dicke  d%  und  der 
Grundfläche  1  ausgestrahlte  Energie  ist  also  nach  Formel  (2)  auf 
(S.  522): 

(21)  dL==-^jc^cmdz  ^^j\^_n\m     ä^y 

wobei  91  die  Anzahl  der  Elektronen  im  cm^  bedeutet. 

Andererseits  strömt  in  die  betrachtete  Schicht  pro  Zeiteinheit 
die  Energie  ^A^  ein  (vgl  S.  443;  es  ist  die  elektrische  Energie 
gleich  der  magnetischen  Energie),  dagegen  strömt  die  Energie 
j^^'^  aus,  falls  A'  die  Amplitude  der  einfallenden  elektrischen 
Kraft  nach  Durchlaufen  der  Schicht  dx  bezeichnet    Es  ist  daher 

o  dx 

A  =4-e  *-, 

Die  in  der  Sfehicht  pro  Zeiteinheit  absorbierte  Energie  beträgt 
daher: 

(22)  d^=^{A^-Ä^  =  ^A'^^4nn7C^. 

1)  Auf  strengerer  Gnmdlage  leitet  Planck  (Vorlesungen  über  Wärme- 
strahlung, S.  100)  die  Dämpfting  eines  elektrischen  Oszillators  unter  Wirkung 
seiner  Eigenstrahlung  ab.  Auch  danach  folgt,  daß  diese  nur  eine  sehr  geringe 
Dämpfung  ergibt 


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Das  Leuchten  der  Gase  nnd  Dämpfe.  527 

Nun  ist  aber  nach  (10)  auf  S.  523  in  der  Nähe  der  Eigen- 
schwingung: 


c-^r+s 


Unter  Berücksichtigung  hiervon  schreibt  sich  das  Verhältnis 
der  ausgestrahlten  zur  absorbierten  Energie: 

dL       271^  9t  471^       n  .^ .. 

Dieses  Verhältnis  wird  also  um  so  größer,  je  kleiner  r  ist 
Für  n— 1  ergibt  sich  bei  ;i  =  5,9. 10-*^  aus  (24): 

dL  _  0,126  ,^-x 

Da  dies  Verhältnis  jedenfalls  kleiner  als  1  sein  muß,  da  sonst 
eine  Umkehrung  der  Natriumlinie  (vgl  oben  S.  488)  unmöglich 
wäre,  so  muß  in  Anbetracht  der  Ungleichung  (15)  r  etwa  den  Wert 
10  bis  20  besitzen. 

5.  Über  Fluoreszenz.  Wenn  beim  Natriumdampf  r  den  Wert  20 
nicht  überschreitet,  so  müßte  eine  merkbare  Lichtstrahlung  durch 
äußere  Einstrahlung  hervorgerufen  werden.  Bei  den  sogenannten 
fluoreszierenden  Körpern  wird  nun  in  der  Tat  durch  Belichtung 
eine  merkliche  Eigenstrahlung  hervorgerufen,  und  nach  neueren 
Versuchen  von  Wood*)  ist  bei  Natriumdampf  Fluoreszenz  beobacht- 
bar. Man  könnte  versucht  sein,  diese  Erscheinung  durch  kleine 
Werte  von  r  zu  erklären.  Der  Charakter  der  Absorption  des 
Körpers  kann  dabei  noch  sehr  wechselnd  sein,  da  derselbe  durch 
die  Größe  a,  d.  h.  das  Produkt  rd-  bestimmt  wird.  Indes  ist  der 
Versuch,  auf  Grund  der  Bewegungsgleichung  (7)  der  Ionen  eine 
Theorie  der  Fluoreszenz  geben  zu  wollen,  von  vornherein  als  aus- 
sichtslos zu  bezeichnen.  Jene  Difierentialgleichung  ergibt  nämlich 
allemal,  daß  im  stationären  Zustande  die  Ionen  Schwingungen 
von  gleicher  Periode  ausführen,  wie  die  einfallende  elektrische 
Kraft  X  Dadurch  wird  aber  gerade  eine  charakteristische  Er- 
scheinung, daß  nämlich  das  Fluoreszenzlicht  fast  stets  eine  andere 
Farbe  als  das  am  stärksten  absorbierte  Licht  besitzt,  nicht  erklärt. 


1)  R.  W.  Wood,  Physik.  Ztechr.  6,  S.  903,  1905.  —  7,  S.  105,  1906. 


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528  Kapitel  III. 

Man  muß  notwendig  die  Fluoreszenz  auffassen  als  eine 
Luminiszenz,  die  durch  besondere  (eventuell  chemische)  Vorgänge 
erregt  wird,  deren  Ursache  in  der  Belichtung  zu  suchen  ist  So 
hat  neuerdings  Voigts  die  Theorie  aufgestellt,  daß  die  Moleküle 
des  fluoreszierenden  Körpers  zwei  verschiedene  Zustände  annehmen 
können,  in  denen  ihre  Elektronen  verschiedene  Eigenperioden  be- 
sitzen* Unter  dem  Einfluß  der  Belichtung  kann  der  eine  in  den 
anderen  Zustand  übergehen.  Wenn  in  demjenigen  der  beiden 
Zustände,  in  denen  die  Elektronen  die  größere  Eigenperiode  haben, 
die  Dämpfung  eine  viel  kleinere  ist,  als  im  anderen  Zustande,  so 
wird  dem  ersten  Zustande  allein  merkliche  Fluoreszenz,  dem 
letzteren  merkliche  Absorption  entsprechen,  und  die  Farbe  des 
Fluoreszenzlichtes  wird  nach  Kot  hin  von  der  des  maximal  ab- 
sorbierten abweichen. 

6.  Die  Yerbreiterung  der  Spektrallinien  nach  demDoppler- 
sehen  Prinzip.  2)  Wenn  die  Elektronen  völlig  ungedämpfte  Eigen- 
schwingungen besäßen,  so  würden  sie  trotzdem  nur  dann  völlig 
scharfe  Spektrallinien  ergeben,  wenn  ihr  Schwingungszentrum  in 
ßuhe  bliebe.  Da  dieses  aber  an  das  Molekül  geknüpft  ist  und 
die  Moleküle  nach  der  kinetischen  Gastheorie  mit  beträchtlichen 
Geschwindigkeiten  im  Räume  hin-  und  herfliegen,  so  müssen  nach 
dem  Doppler  sehen  Prinzip  die  von  den  Ionen  erregten  Schwin- 
gungen etwas  wechselnde  Perioden  haben,  d.  h.  die  Spektrallinien 
können  nicht  völlig  scharf  sein. 

Wenn  ein  Ion,  welches  die  Periode  T  besitzt,  sich  mit  der 
Geschwindigkeit  v  gegen  den  Beobachter  bewegt,  so  erhält  der- 
selbe nach  dem  Dopplerschen  Prinzip  (vgl.  S.  460)  Licht  der 
Periode: 
(26)  T'=r(l±f), 

falls  c  die  Lichtgeschwindigkeit  in  dem  Räume  zwischen  dem  Ion 


1)  W.  Voigt,  Arch.  N^erl.  (2)  6,  Jubelbd.  f.  Bosscha),  8.  352.  —  Die 
Theorie  von  Lommel  (Wied.  Ann.  8,  8. 113,  1878)  hat  G.  C.  8chmidt  (Wied. 
Ann.  58,  8.  117,  1896)  näher  mit  dem  Experiment  verglichen  und  nicht  be- 
stätigt geftinden. 

2)  Diese  Frage  wurde  zuerst  von  Ebert  in  Wied.  Ann.  36,  8.  466,  1889, 
bebandelt.  Nach  seinen  Rechnungen  sollte  sich  die  Interferenzfähigkeit  der 
Spektral linien  zu  niedrig  ergeben^  wenn  man  das  Dopplersche  Prinzip  auf 
die  leuchtenden  QasmolekQle  anwendet.  ~  Durch  vollständigere  Diskussion  hat 
indes  Lord  Rayleigh  (Phil.  Mag.  (5)  27,  8.  298,  1889)  diesen  Widersprach 
im  wesentlichen  gehoben. 


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Das  Leuchten  der  Oase  und  Dämpfe.  52$ 

und  dem  Beobachter  ist  Da  der  Brechungsindex  der  Gase  und  der 
Luft  nicht  merklich  von  1  abweicht,  so  kann  man  c=3  •  lO^^cm/gec. 
setzen.  Wenn  wir  daher  zunächst  annehmen,  daß  alle  Moleküle 
die  gleiche  Geschwindigkeit  v  besitzen,  so  würden  die  entsendeten 

Wellenlängen  in  den  Grenzen  ^  f  1  ±  ^j  liegen.  Die  Breite  dX  der 

Spektrallinie  würde  daher  betragen 

dl  =  X?^,  (27) 

Nach  der  kinetischen  Gastheorie  ^)  ist  nun  der  Mittelwert  des 
Quadrats  der  Geschwindigkeit  der  Moleküle  gegeben  durch 

Mittel  {v^  =  248_,^0i^ ,  (28) 

wobei  M  das  Molekulargewicht  des  Gases,  ^  seine  absolute  Tempe- 
ratur bedeutet    Setzen  wir  daher: 

V  =  YMMel^^)  =  15,8  •  103  l/J,  (29) 

so  würde  z.  B.  für  Wasserstoff  {M=2)  bei  50  <^  Cels.  (^  =  323) 
folgen  V  =  2010  •  10^  cm/gec  =  2010  m/sec.  Die  Breite  einer  Spektral- 
linie müßte  also  nach  (27)  sein:  dX  =  X'  1,34  •  10""*.  —  Nach  (27) 
müssen  die  Spektrallinien  im  roten  Teile  des  Spektrums  mehr 
verbreitert  sein,  als  im  blauen  Teile.  Dies  entspricht  tatsächlich 
der  Erfahrung  2). 

Die  Breite  einer  Spektrallinie  hängt,  wie  wir  früher  auf  S.  144 
sahen,  zusammen  mit  dem  gi'ößten  Gangunterschied,  bei  welchem 
das  Licht  der  Spektrallinie  noch  interferenzfähig  ist.  Wenn  man 
aus  der  Spektrallinie  zwei  Strahlen  bildet,  welche  einen  Weg- 
unterschied von  d  cm  besitzen,  so  können  sie  nach  Formel  (28) 
auf  S.  144  Interferenzenfransen  bilden,  deren  Sichtbarkeit  V  für 
den  Fall,  daß  die  Lichtstärke  in  der  ganzen  Breite  der  Spektral- 
linie dieselbe  ist,  gegeben  wird  durch 

^_sin4:tda  ^ 

47C  da  ^     ^ 


1)  Vgl.  z.  B.  L.  Boltzmann,  Gastheorie  I,  S.  14. 

2)  Vgl.  Winkelmann,  Handb.  d.  Physik.    1.  Aufl.    Optik,  8.424  (Autor 
Kayser). 

Drude,  Lehrbach  d.  Optik.   2.  Aufl.  34 


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530  Kapitel  III. 

Dabei  hängt  nach  den  dortigen  Formeln  (22)  und  (20)  die  Größe  a 
mit  der  Breite  dX^=^}^  —  X^  der  Spektrallinie  in  folgender  Weise 
zusammen: 

Die  Sichtbarkeit  V  der  Interferenzenfransen  ist  nach  der 
dortigen  Gleichung  (26)  definiert.  Nach  Kayleigh  kann  man  nun 
noch  Interferenzen  wahrnehmen,  wenn  das  Verhältnis  JmniJuar 
der  Lichtstärken  an  den  Stellen  größter  Dunkelheit  und  Helligkeit 
den  Wert  0,95  besitzt.  Daraus  würde  V  folgen  zu  0,025.  Setzt 
man  diesen  Wert  in  (30)  ein  und  berücksichtigt  (27)  und  (31),  so 
würde  die  maximale  Wegediflferenz  c?,  bei  welcher  noch  Interferenzen 
zu  erhalten  sind,  folgen  aus 

(32)  0,025  =  "^^"^i^  =  ?^^^, 

wobei  zur  Abkürzung  A~  -  ^=x  gesetzt  ist.   Da  die  rechte  Seite 

von  (32)  klein  ist,  so  ist  die  kleinste  Wurzel  von  x  in  der  Nähe 
von  1  zu  suchen.    Setzt  man  x=  1  —  e,  so  folgt  aus  (32): 


0,025  =  —^'-—r  =  f. 

'  71  {1  —  €) 


Es  ergibt  sich  also 


(33)  -=^.^=0,975-;^. 

Wenn  man  darauf  Rücksicht  nimmt,  daß  nicht  alle  Moleküle 
die  gleiche  Geschwindigkeit  v  besitzen,  so  wird  der  Wert  von  d!i 
noch  größer,  nämlich  annähernd  0 

(34)  x  =  0,345^. 

Wenn  z.  B.  die  Temperatur  des  in  Geißl ersehen  Rohren 
leuchtenden  Wasserstoffs  50  ^  Gels,  beträgt,  so  müßte  die  Interferenz- 
fähigkeit seiner  Spektrallinien  zum  ersten  Male  verschwinden  bei 
dem  Gangunterschied: 


1)  Vgl.  darüber  Lord  Rayleigh,  Phil.  IVIag.  (5)  27,  S.  29S,  1889. 


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Das  Leuchten  der  Gase  nod  Dämpfe.  531 

^  =  51600. 

Bei  Natriumdampf  im  Bunsenbrenner  ist  if  =  2  •  23  =  46  zu 
setzen.  Nehmen  wir  die  Temperatur  zu  1500  ®  Cels.  an,  d.  h.  setzen 
wir  ^  =  1773,  so  würde  nach  (29)  folgen  v  =  98,2 -10^  und  nach  (34) 
rf/;.  =  105000. 

Hier  würde  die  Interferenzfähigkeit  eine  noch  höhere  sein^ 
wenn  die  Temperatur  niedriger  wäre.  In  der  Tat  kann  man  durch 
elektrische  Entladungen  in  einer  mit  Natrium  beschickteu  Vacuum- 
röhre  Licht  voti  höherer  Interferenzfähigkeit  erhalten.  Bei  dieser 
Elektro-Luminiszenz  ist  die  Temperatur  viel  niedriger.  Michel- 
son  schätzt  sie  in  einem  Falle  auf  250^  Cels.  Dann  würde  ^/a  zu 
205000  folgen.  Bei  50  <>  Cels.  wäre  ^/a  =  245000.  Die  große  Inter- 
ferenzfähigkeit der  Quecksilberlinien  erklärt  sich  durch  das  große 
Atomgewicht  (welches  beim  Quecksilber  als  einatomigem  Gase  gleich 
seinem  Molekulargewicht  ist).  Denn  nach  (29)  wird  durch  ein 
großes  M  die  Geschwindigkeit  v  der  Moleküle  gering.  Für  Queck- 
silber folgt  bei  M=  200,  ^  =  273  +  50  =  323,  y  =  2  •  10^  und 
dj^  =  517000. 

Die  in  dieser  Weise  für  die  Interferenzfähigkeit  berechneten 
Zahlen  stimmen  annähernd  überein  mit  den  Beobachtungsresultaten 
von  Michelson.  ^)  Derselbe  konnte  auch  direkt  den  Temperatur- 
einfluß auf  die  Interferenzfähigkeit  mit  Hilfe  einer  mit  Wasser- 
stoff gefüllten  Geißlerschen  Röhre  nachweisen,  welche  durch  ein 
umschließendes  Kupferblech  auf  300^  C.  erhitzt  werden  konnte. 2) 
Ohne  diese  Erhitzung  waren  die  Interferenzfransen  deutlicher,  als 
mit  der  Erhitzung.  Die  Erscheinung  spricht  zugleich  dafür,  daß 
die  Temperatur  in  der  Geißlerschen  Röhre  eine  niedrige  ist, 
d.  h.  daß  das  eingeschlossene  Gas  luminisziert,  und  nicht  infolge 
hoher  Temperatur  leuchtet.  Denn  eine  Erhitzung  der  Röhre  um 
300  ^  Cels.  kann  nach  (29)  nur  dann  auf  die  Molekulargeschwindig- 
keit V  merklichen  Einfluß  haben,  falls  die  Temperatur  *  niedrig 
z.B.  50 ö  Cels.  ist. 

Wenngleich  die  so  erhaltenen  Zahlen  über  die  Interferenz- 
fähigkeit sich  den  Tatsachen  gut  anschließen,  so  erschöpfen  den- 
noch die  hier  angestellten  Betrachtungen  den  Gegenstand  noch 


1)  Phil.  Mag.  (5)  34,  S.  280,  1892. 

2)  Astrophys.  Journ.  2,  S.  251,  189G. 

34* 


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532,  Kapitel  III. 

nicht  völlig.  Denn  einerseits  ist  nach  Ebert*)  der  Abstand  zweier 
Linien  des  Sonnenspektrums,  die  noch  zu  trennen  sind,  kleiner,  als 
sich  aus  dem  Doppler  sehen  trinzipe  ergeben  würde,  andrerseits 
würde  nach  Lord  Rayleigh^)  die  Berücksichtigung  der  Rotation 
der  Moleküle  die  Interferenzfähigkeit  des  von  ihnen  ausgesandten 
Lichtes  viel  mehr  herabsetzen,  als  die  Berücksichtigung  ihrer  trans- 
latorischen Bewegung.  Die  Rotation  der  Moleküle  würde  aller- 
dings nur  bei  mehratomigen  Molekülen  zu  berücksichtigen  sein. 
Die  Erklärung  der  großen  Interferenzfähigkeit  der  Quecksilber- 
linien würde  hiernach  nicht  hinfällig  werden. 

Falls  man  den  leuchtenden  Gasmolekülen  einseitig  gerichtete 
große  Geschwindigkeiten  erteilt,  so  müssen  sich  nach  dem  Doppler- 
schen  Prinzip  ihre  Spektrallinien  verschieben.  Dies  ist  neuerdings 
von  Stark ^)  bei  elektrischer  Entladung  an  den  Kanalstrahlen  be- 
obachtet und  dadurch  ein  wichtiger  Fortschritt  erzielt  worden  zur 
Erkennung  der  Träger  der  bei  Geißlerschen  Röhren  auftretenden 
verschiedenen  Arten  der  Spektren.  Stark  hat  dadurch  auch  interes- 
sante Beziehungen  zu  den  Resultaten  von  Runge  und  Paschen^) 
über  die  Zeemann-Eflfekte  der  Linienserien  erhalten  (vgl.  oben  S.  436). 
Auch  hat  Stark  gewisse  Einflüsse  der  Translation  auf  die  Licht- 
emission senkrecht  zur  Translationsrichtung  erhalten,  z.  B.  wird 
die  Polarisation  dadurch  beeinflußt.^) 

7.  Andere  Ursachen  zur  Yerbreltenmg  der  Spektraliinien. 
Die  Bewegung  der  Moleküle  ist  nicht  die  einzige  Ursache  zur 
Verbreiterung  der  Spektrallinien.  Die  zeitliche  Dämpfung  der 
Elektronenschwingungen  muß  der  Interferenzfähigkeit  eine  Grenze 
setzen  und  daher  die  Spektrallinie  verbreitern,*)  da  Interferenz- 
fähigkeit und  Homogenität  der  Spektrallinie  stets  einander  be- 
dingen. Die  Elektronen  werden  im  Zustande  stationären  Leuchtens 
immer  wieder  zu  Schwingungen  angeregt  durch  Zusammenstöße 
der  Moleküle.    Je  häufiger  dieselben  sind,  um  so  kleiner  muß 

1)  Sitz.-Ber.  d.  phys.  med.  Soz.  Erlangen,  1889.  —  Wied.  Beibl.  1839,  S.  944. 

2)  Phil.  Mag.  (5)  34,  S.  410,  1892. 

3)  J.  Stark,  Phys.  Ztschr.  6,  S.  892,  1905.  —  7,  a  92,  249,  251,  1906.  — 
Ber.  d.  Deutsch,  phys.  Ges.  8,  S.  111,  1906. 

4)  C.  Runge  u.  F.  Paschen,  Berl.  Ber.  1902,  8.  380,  720. 

5)  J.  Stark,  Verh.  d.  Deutsch,  phys.  Ges.  8,  S.  104,  1906. 

6)  Diese  Ansicht  ist  von  Lommel  (Wied.  Ann.  3,  S.  251,  1877)  und 
Jaumann  (Wied.  Ann.  53,  S.  832,  1894;  54,  8.  178,  1895)  ausgesprochen  und 
mathematisch  verfolgt  worden.  —  Vgl.  auch  Garbasso  (Atti  d.  R.  Acad.  d. 
Scienc.  di  Torino,  XXX,  1894). 


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Das  Leuchten  der  Gase  und  Dämpfe.  533 

iv^iederum  die  Interferenzfähigkeit  sein.  Da  nun  die  Zahl  der 
^Zusammenstöße  mit  der  Dichte  des  Gases  größer  wird,  so  muß 
auch  durch  Vergrößerung  der  Dichte  eine  Verbreiterung  der 
Spektrallinien  entstehen,  wie  die  Versuche  tatsächlich  bestätigen.  0 
Durch  alleinige  Vergrößerung  der  Dicke  der  strahlenden  Schicht 
(innerhalb  gewisser  Grenzen)  werden  die  Emissionslinien  dagegen 
nicht  verbreitert,  sondern  nur  heller. 2)  Wenn  allerdings  die  Dicke 
•der  strahlenden  Schicht  so  beträchtlich  wird,  daß  sie  für  alle 
Wellenlängen  merkliche  Absorption  besitzt,  so  muß  sie,  falls  reine 
Temperaturstrahlung  vorliegt,  nach  dem  Kirchhoff  sehen  Gesetz 
«ehr  verbreiterte  Emissionslinien,  d.  h.  schließlich  eine  kontinuier- 
liches Spektrum  entsenden.  3) 

1)  Vgl.  hierüber  Winkelmanns  Handbucli  d.  Physik.  Optik,  1.  Aufl. 
S.  419  u.  ff.,  2.  Aufl.  S.  706  u.  ff.  (Autor  Kayser).  —  Vgl.  femer  Kayser, 
Handbuch  der  Spektroskopie.  Leipzig  1902,  Bd.  II,  Kap.  V.  Die  Verbreiterung 
der  Spektrallinien  durch  gegenseitige  elektrodynamische  Beeinflussung  der 
lonenschwingungen  ist  von  Qa litzin  e  (Wied.  Ann.  56,  8.  78,  1895)  theoretisch 
untersucht  worden.  (Vgl.  auch  hierüber  C.  A.  Mebius,  Wied.  Beibl.  1899, 
S.  419.) 

2)  Vgl.  hierüber  Paschen,  Wied.  Ann.  51,  S.  33,  1894. 

3)  Vgl.  dazu  H.  Wanner,  Wied.  Ann.  68,  S.  143,  1899.  Derselbe  be- 
obachtete eine  merkwürdige  Umkehrung  der  Natriumlinie  bei  einer  durch 
-wiederholte  Spiegelung  erreichten  Dickenvergrößerung  der  Natriumflamme. 


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Sachregister. 


Seite 
Abbes  Kristallrelraktometer  .  .  324 
Abbildungsformeln    ...    16.  20.  23 

—  kollektive  und  dispansive    .    .    26 

—  rechtläufige,  dioptrische  ...    25 

—  rückläufige^  katoptrische      .    .    26 

—  teleskopische  .  .  ,  .  .  .  18.  26 
Aberration,  astronomische    .   108.  461 

— ,  chromatische 62 

— ,  sphärische 51 

Abhängigkeit  der  Länge  von  der 

absoluten  Bewegung  .  .  .  466 
Absolute  Temperatur  T  .  .  .  493 
Absorbierende  Körper      .    .    .       338 

—  Kristalle 349 

Absorptionsindex  x      ....       341 
Achromatische  Linsen      .    .       65.  87 
Achromatisierung  der  Interferenz- 
streifen         135 

Achsen,  optische 304 

Aktive  Körper,  magnetisch  —  .       406 

— ,  natürlich  — 388 

— ,  isotrope  natürlich  —  .  .  .  389 
— ,  kristallinische  „  —  ...  397 
— ,  absorbierende  „  —  ...  404 
Amplitude  des  Lichtes  ...  118 
Anastigmat'Aplanat  ....  87 
Angular- Vergrößerung .  ...  23 
Anomale  Dispersion     ....       381 

—  Methode  der  gekreuzten  Prismen  383 

—  „  „  totalen  Reflexion  383 
Apertur,  numerische     .    .     79.  85.  98 

Aperturblende      68 

Apianatische  Fläche     ....         11 

„  Punkte  der  Kugel        32 


Seit» 

Apochromat 67.  92* 

Astigmatische  Abbildung    ...  44 

Äther,  ruhend 445^ 

Auflösungsvermögen  des  Gitters  213- 

—  des  Prismas 218^ 

—  des  Stufenspektroskops  .    .    .  216^ 
Augenkreis      ........  71 

Austrittspupille 67 

Babinets  Kompensator    ....  242^ 

„        Theorem 207 

Beleuchtungsstärke 73^ 

Beugung 173 

Strenge  Behandlung  der  —  nach 

Sommerfeld  .......  190 

Strenge  Behandlung  der  —  nach 

Schwarzschild lOO* 

Beugungserscheinungen    von 

Fraunhofer    .    .    .     .    •   200—207 

—  von  Fresnel 176—188 

Beugungsgitter 208- 

Bewegte  Körper 445- 

Bild,  optisches  — ,  reell,  virtuell .  15^ 

Bildwinkel 71 

Bildwölbung 62 

Billets  Halblinsen 12a 

Boltzmann-Stefansches  (Jesetz     .  50O 

Bravaissche  Doppelplatte    .    .    .  331 
Brechungsgesetz,  —  Exponent,  — 

Index G 

Brechungsindex  w,  Physikalische 

Bedeutung  des  —     ....  121 

Dichte  und  — 380 


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Sachregister. 


535 


Seite 
Brennebene,  —  Punkt,  —  Weite 

17.  19.  20.  42 

Brennlinie 46 

Brennpunktseigenschaft  des  Git- 
ters        213 

Brennweiten,  Verhältnis  der  —  35 

•Chemische  Valenz  und  Elektro- 

nenzahl 376 

Ohromatische  Aberration    ...  62 

Dämpfung  der  Elektronen  Schwin- 
gungen       525 

Dichroismus 352 

Dielektrizitätskonstante  €  .    .    .  254 
Beziehung  der—  zumBrechungs- 

index 262 

—  der  lonengattungen    .    .    .  367 

Differentialgleichungen  des  elek- 
tromagnetischen Feldes    .    .  255 

— für  ein  festes  Koordinatensystem  445 

—  „  „  bewegliches  .,  ...  453 
Diffraktion  des  Lichtes  ....  173 
Diffusion  „  »  ....  226 
Dispersion  der  Körper  ....  362 
Dispersionsformeln     .    .    .    372—374 

Dispersionsvermögen 63 

Dispersion:  anomale 381 

—  normale 371 

—  der  Metalle 385 

—  der  Rotationspolarisation   .    .  401 

—  der  magnetischen  Botationspo- 

larisation       417,  425 

Dissymmetrisch  isotrope  und  kri- 
stallinische Körper  ....  389 

Doppelbrechung 228 

Dopplers  Prinzip 460 

Drehung  der  Polarisationsebene  394 

Drapers  Gesetz 486 

Eigenschwingungen ,      ultrarote , 

ultraviolette 377 

Einachsige  Kristalle 307 

—  positive  und  negative     .    .    .  308 

Eintrittspupille 60 

Elektromagnetische  Lichttheorie  246 


Seite 

Elektronen 363 

freie  — .  378 

—  hypothese  und  Luminiszenz  .  521 

—  konstanten,    aus    Dispersion 

berechnet 376 

Elementares  Wirkungsquantum  .  513 

Elliptizitätskoeffizient     ....  278 

Emissionstheorie 117 

Emissionsvermögen 469 

Energiefluß 258 

Energie  Verteilung  im   Spektrum 
des  schwarzen  Körpers  nach 

Wien 510 

—  nach  Planck 512 

Entropie 496 

Erregungsbahn 234 

Farbe  des  Lichtes 118 

Farben  dünner  Blättchen   ...  128 

Farbenphotographie 148 

Fermats  Prinzip  der  schnellsten 

Ankunft  des  Lichtes  .    .    13.  121 

Femrohr,  astronomisches    ...  99 

— ,  holländisches 101 

— ,  terrestrisches 103 

— ,  Prismendoppel  —  von   Zeiß  103 

— ,  Vergrößerung 100 

Fizeaus  Polarisationsversuch      .  462 

Fluoreszenz 527 

—  von  Natriumdampf  ....  527 
Fokometer  von  Abbe  ....  44 
Fortpflanzungsgeschwindigkeit 

des  Lichtes  nach  Bradley     .  108 

—  Fizeau 109 

—  Foucault 111 

—  Eömer 107 

Fraunhofersche  Beugungserschei- 
nungen      200—207 

Linien 488 

Fresnel:  Beugungserschein.    176—188 

—  Biprisma 127 

—  Gesetz  für  Lichtgeschwindig- 

keit        299 

—  Reflexionsformeln 268 

—  Spiegelversuch 122 

—  „             Modifikationen  127 

—  Zonenkonstruktion     ....  154 


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536 


Sachregister. 


Seite 
Geradlinige     Ausbreitung      des 

Lichtes 4.  122.  159 

Geradlinig  polarisiertes  Licht  .  235 
Gesamtstrahlung,    Abhängigkeit 

der  —  von  der  Temperatur    498 

Gesichtsfeld 70 

Gitterspektrum 210 

Glasplattenstaffeln  von  Michelson  214 
Grenzbedingungen  ....  257.  293 
Grundgleichungen  der  Maxwell- 

schen  Theorie  ....  251.  253 
Gruppengeschwindigkeit     .    .    .    114 

Halleffekt 420 

Differentialgleu;hungen    .    .    .  422 
Strahlen  parallel  zur  Magneti- 
sierung      423 

Strahlen  senkrecht  zur  Magne- 
tisierung    431 

Hauptazimuth 344 

Hauptbrechungsindizes  ....  321 

Hauptdielektrizitatskonstanten   .  295 

Hauptebenen 20 

Haupteinfalbwinkel 343 

Hauptlagen  von  Kristailplatten  .  336 

Hauptschnitt 229.  307 

Hauptschwingungsrichtungen      .  241 

Hauptsätze  der  Thermodynamik  478 

Hauptstrahlen 60 

Helligkeit  der  BUder      ...    80.  84 

Himmelslicht 227 

Höfe  um  Mond  und  Sonne    .    .  208 

Huygens'  Prinzip     .    .    15L  154.  168 

Jaminscher  Eompensator   .    .    .  138 

Immersionssystem       .    .    .    .91.  224 

Interferentialrefraktor     ....  136 

Interferenz  des  Lichtes  ....  116 

—  bei  hohen  Gangnnterschieden  139 

—  polarisierten  Lichtes      .    .    .  233 
Interferenzerscheinungen  in  ein- 
achsigen absorbierenden  Kri- 
stallen        360 

—  in  zweiachsigen  absorbierenden 

Kristallen 355 

Interferenzfransen,    Sichtbarkeit 

der  — 132.  145 


Seit» 
Interferometer   von    Fabry   und 

Perot 146^ 

Lummer  und  Gehrke    .    .  146- 

Michelson 141 

Invariante,  optische    .    .    .    .    ,  35- 

lonen 363^ 

lonengattungen,  mehrere    .    .    .  368 

Iris 6& 

Isochromaten 334 

Isogyren 334 

Kerrsches  Phänomen      ....  440 

Kirchhoffs  Gesetz 482: 

Folgerungen  aus  —     .    .    .    .  485 

Knotenpunkte 2S 

Kohärente  und  inkohärente  Licht- 
quellen       126 

Kollektivlinse 93 

Kollineare  Verwandtschaft      .    .  1& 

Kolloidale  Metalllösungen  ■    .    .  227 

Komafehler 61 

Kombination     mehrerer    Abbil- 
dungen     27.  42 

Kompensationsokular     ....  94 

Kompensator  von  Babinet      .    .  242" 

Senarmont 241 

Kondensor 95- 

Konische  Refraktion 315^ 

—  äußere  — 3ia 

—  innere  — 317 

Konjugierte  Punkte 16 

-—  Konstruktion  für  —  ...    .  24 

Konkavgitter 211 

Konvergenzverhältnis     ....  23 

Kraft,  elektrische  und  magnetische  248^ 

Kraftliniendichte 24a 

Kreisprozeß 49S 

umkehrbarer  — 494 

Kristalle,  absorbierende      .    .    .  34^ 
Kristallplatten,  Durchgang  von 

Licht  durch  — 31^ 

f  otalreflexion  an  —    ....  323 

Kristallrefraktometer  von  Abbe  324 

Ejrumme  Lichtstrahlen   ....  291 

Kugel,  Brechung  an  der  —    .    .  31 

— ,  Reflexion  an  der  —      ...  35 


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Sachregister. 


537 


Seite 
Lage  der  Schwingangen  im  po- 
larisierten Licht     .    237.  238.  269 
Landoltscher  Streifen     ....  397 
Leistungsgrenze  des  Auges     .    .  221 

Femrohres 220 

Mikroskops  ....       98.  221 

Leitungsströme 253 

Lichteinheit 75.  471 

Lichtgeschwindigkeit      ....  107 

—  gleich  Verhältnis    der  Maß- 
systeme      261 

—  in  Kristallen 299 

—  in  bewegten  Körpern     .    .    .  451 
Lichtin  tensitat 76 

—  des  optischen  Bildes      ...  78 

Lichtmenge 71 

Lichtstärke 72 

Lichtvektor 234.  296 

Lichtweg,  ümkehrbarkeit  ...  7 

— ,  Satz  vom  ausgezeichneten  —  9 

Linsen,  dicke 38 

— ,  dünne 40 

Lippmanns  photographisches  Ver- 
fahren         148 

Luminiszenz,    Temperaturstrah- 

luDg  und  —     .    .    .    .     480.  520 

Lupe 88 

Magnetisch  aktive  Körper  .    .    .  406 

Differentialgleichungen  für   —  409 

Magnetische  Doppelbrechung      .  432 

—  Drehung    der    Polarisations- 
ebene     413 

—  Feld  der  Lichtstrahlen       .    .  440 

—  Strom 251 

Magnetisierungskonstante  fi    .    .  254 

Magnetismus,  Para — ,  Dia—    254.  255 
Magnet-optische    Eigenschaften 

von  Fe,  Niy  Co   .    .    .    ,    .  437 

Malus'  Satz ,    .  13 

Maßsystem,  elektrostatisches  und 

elektromagnetisches    .    .    .  249 
Maxwells    Theorie,     Grundglei- 
chungen     251.  253 

Mechanische  Lichttheorie  .     .    .  245 

Metallprismen  von  Kundt  .    .    .  347 

Metallreflexion 342 


Seite 

Meterkerze 75.  472 

Michelsons       Glasplattenstaffeln 

(Stufenspektroskop)      .    .    .  214 

—  Interferenzversuch     ....  463 

Mikroskop 90 

Augenlinse 93 

Leistungsgrenze 98 

Vergrößerung 96 

Mittellinien,  optische      ....  304 
Molekularströme  von  Ampere  und 

Weber 407 

Natüriich  aktive  Körper     ...  388 

Newtonsche  Ringe      ...    128.  134 

Intensität  der  — 287 

Nikoli*ches  Prisma 230 

Normale  Dispersion    .....  371 

Normalenfläche 302 

Nörrembergs     Polarisationsap- 
parat      232.  327 

Oberflächenschichten 272 

Öflnungsblende  .......  68 

Öffnungswinkel 68 

Okular  von  Huygens 93 

Ramsden 93 

Kompensations  —    ....  94 

Okularkreis 71 

Optische  Achsen,  Mittellinien     .  304 

Optische  Konstanten  der  Metalle  346 

Orthoskopische  Punkte  ....  61 

Ortszeit 457 

Phase  des  Lichtes 119 

Photographische  Systeme    ...  86 

Photometer 74 

Photometrie 71 

Plattensatz,  Polarisation  durch  .  270 

Polarisation 228.  239 

Polarisationsapparat  von  Nörrem- 

berg 232.  327 

Polarisationsebene 230 

Drehung  der 394 

Polarisationsmikroskop   ....  331 

Polarisationswinkel 232 

Polstärke 248 

Poyntings  Satz  vom  Energiefluß  253 


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538 


Sachregister. 


Seite 
Prevosts  Theorie  deeWinneaus- 

tauschs 477 

Prismendoppelfemiohr   ....  103 

ProjektioDswinkel 68 

Papille,  Austritts  — 67 

Eintritts  — 60.  61 

Purkinjesches  PhfiDomen    ...  75 

Beflexionsformeln  nach  Fresnei 

und  Neumann 268 

Reflexionsgesetz 6 

Rcflexionsvermögen  der  Metalle  344 
Relativer  Strahlengang,  von  Be- 
wegung unabhängig     .    .    .  458 

Relativitatsprinzip 467 

Rotationsdispersion,  anomale  .    .  404 

Schiefe  Beleuchtung  des  Mikro- 
skops    224 

Schwingnngsellipse 235 

Sinussatz 50.  55.  492 

Solarkonstante 472 

Sommerfelds  Behandlung  der  Beu- 
gung      190 

Sonnentemperatur  aus  Energie- 
verteilung       509 

Gesamtstrahlung  ....  502 

Spektrum,  sekundäres     ....  63 

Spiegelteleskop 104 

Stefan-Boltemannsches  Gesetz    .  501 

Stehende  Lichtwellen .    .    .    147.  237 

Strahlenachsen 312 

Strahlenfläche 310 

Strahlengang 69 

Strahlengeschwindigkeit.    .    .    .  310 

Strahlung 469 

Strahlungsdruck 475 

Strahlungsintensität 470 

Abhängigkeit  der  —  vom  Bre- 
chungsindex       488 

Ströme, Verschiebungs-,  Leitungs-  253 

Symmetrieachsen,  elektrische     .  295 

Teleobjektiv 87 

Telezentrischer  Strahlengang      .  69 
Temperaturstrahlung  und  Lumi- 

niszenz 480.  520 

Thermodynamik,  Hauptsätze  .    .  478 


Seit» 

Totalreflektometer 287 

Totalreflexion a  280 

—  an  Kristallen 323 

—  Licht  im  zweiten  Medium     .  284 
Trabanten  der  Spektrallinien.    .  146 

Transversalwellen 237 

Trichroismus 352 

Trfibe  Medien 226 

Turmalin 233 

Ultramikroskop 225 

Undulationstheorie 117 

Terbreitemng  der  Spektrallinien 

—  nach  Dopplers  Prinzip  .    .    .  528 

—  andere  Ursachen 532 

Vergrößerung  ....    20.  22.  27.  29 

—  normale 83 

—  des  Fernrohrs 100 

—  der  Lupe 88 

—  des  Mikroskops 83 

Verschiebungsgeseiz  von  Wien  .  503 

Verschiebungsströme 258 

Vollkommen  durchsichtiger  Kör- 
per    482 

—  spiegelnder  — 481 

—  schwarzer  •— 483 

Wärmestrahlen    größter  Wellen- 
länge     345 

Dispersionskonstanten  ftlr  —  .  375 

Rcflexionsvermögen  —    ...  348 

Wellenebene 119 

WeUenfläche 119 

Geometrische  Konstruktion  der 

—  von  Kristallen     ....  305 

Wellenlänge 119.  120 

Wieners  Versuche  ....    147.  237 

Wiens  Verschiebungsgesetz    .    .  503 

Wirkungsgrad  einer  Lichtquelle  473 


Zeemannefiekt 

Umkehr  des  —  .... 
Zerstreuung  des  Lichtes 
Zirkularpolarisiertes  Licht. 
Zirkular  polarisierte  Wellen 
Zonenkonstruktion  von  Fresnei 


434 
437 
226 
235 
395 
154 


Dmok  von  Aagnst  Pries  in  Leipzig. 


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