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Full text of "Lehrbuch der politischen Oekonomie"

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Lehrbuch 


der 


politiſchen Oekonomie 


von 


Dr. Karl Heinrich Nan, 


großb. bad. geh. Ratb und Profeffor au Seitelberg. Gomthur des Fähringer Löwenordens 

mit dem Stern, Mitter Des Preuß. rothen Adlerordens II. Gluffe, Ebrennuglied der Univerſitäten 

Et. Beteröburg und Kaſan. der. Afademie der Wiſſenſchaften in Wicn, correivondirenten Mitglicde 

des ?. Anitituts in Paris, der Akademicen Der Wiſſenſchaften in BRrüſſel und Meftb, ver ſtatiſti⸗ 

{den Commiſſion in Brüffel. der ſtatiſtiſchen Geſellſchaft in Barie. Mitglied Der k. Leopoldiniſch⸗ 

Garoliniihen Alademie der Naturforſcher und der landwirthichaftlichen Bereine in Baient, 
Bürtemberg, Großh. Heilen, Florenz und Galizien ꝛc. 


Erſter Band. 
Voſkswirthſchaftsſehre. 


Siebente Ausgabe. 


Leipzig und Heidelberg. 
C. F. Winter'ſche Verlagshandlung. 
1863. 


ler 
er »- 


ven Walcher. 


Grundfäge 


der 


Volkswirthfchaftslehre 


von 


Dr. Karl Seinrich Nan, 


großh. bad. geh. Rath und Brofefior zu Heidelberg, Comthur des Zähringer Löwenordens 

mit dem Etern, Ritter ded Preuß. rothen Adlerordens II. Glaffe, Ehrenmitglieh der Univerfitäten 

St. Petereburg und Kafan, der f. Alademie der Wiſſenſchaften in Wien, correfpondirendem Mitgliede 

des ?. Inftituts in Paris, der Akademieen der Wiſſenſchaften in Brüffel und Peſth, der ftatiftis 

fen Sommilfion in Brüffel, der ſtatiſtiſchen Geſellſchaft in Paris, Mitglied der t. Leopoldiniſch⸗ 

Garolinifhen Akademie der Raturforiher und der lantwirthichaftlihen Vereine in Baiern, 
Bürtemberg, Großh. Hefien, Florenz und Balizien ꝛc. 


3 


Siebente Ausgabe. 


Leipzig und Heidelberg. 
E. F. Winter’fhe Verlagshandlung. 
1863. 




















Lehrbuch 


der 


politiſchen Oekonomie 


von 


Dr. Karl Heinrich Nan, 


eroßhb. bad. geh. Rath und PBrofeflor au Beitelberg. Comthur des Zähringer Löwenordens 

mit dem Stern, Ritter des Preuß. rothen Adlerordens II. Claſſe, Ehrenmitglied der Univerſitäten 

St. Berereburg und Kaſan, der k. Afademie der Wiſſenſchaften in Wien, curreinondirendem Mitgliede 

des 8. Infrituts in Paris, der Afademicen der Wiſſenſchaften in Brüſſel und Veſth, ver ftatifti: 

ſchen Commiſſion in Brüffel, der ſtatiſtiſchen Geſellſchaft in Paris, Mitglich der k. Leovoldiniſch⸗ 

Caroliniſchen Alademie der Raturforſcher und der landwirthichaftlichen Vereine in Baiern, 
Bürtemberg, Großh. Heſſen, Florenz und Galizien ꝛe. 


Erſter Band. 
Voſkswirthſchaftsſehre. 


Siebente Ausgabe. 


Leipzig und Heidelberg. 
C. F. Winter'ſche Verlagshandlung. 
1863. 


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Grundſätze 


der 


Volkswirthſchaftslehre 


von 


Dr. Karl Heinrich Nan, 


großb. bad. geh. Rath und Profeſſor zu Heidelberg, Comthur des Zahringer Loöwenordens 

mit dem Stern, Bitter des Preuß. roiben Adlerordend II. Glaffe, Ehrenmitglied ver Univerfitäten 

Er. Reteröburg und Kafan, der f. Akademie der Wiſſenſchaften in Wien, correſpondirendem Mitglicde 

des ?. Inftituts in Barie, der Alademieen ver Wiſſenſchaften in Aruffel und Peſth, der ſtatifti⸗ 

(hen Sommiffion tn Brüffel, der ſtatiſtiſchen Geſellſchaft in Paris, Mitglien der k. Leopoldiniſch⸗ 

Garoliniihen Alademie der Naturforider und der landwirthſchaftlichen Bereine in Baiern, 
Bürtemberg, Großh. Heffen, Florenz und Balizien ac. 


x 


@iebente Ausgabe. 


Leipzig und Heidelberg. 
€. F. Winter’fhe Berlagshandlung. 
1863. 


Lehrbuch 


der 


politiſchen Dekonomie 


Dr. Karl Heinrich Nau, 


großb. bad. geb. Rath und Profeſſor au —— Comthur dead ZJäbringer Lowenordens 

mit dem Stern, Bitter des Preuß. rothen Adlerordens II. Elaſſe, Ehrenmitglied Der Untverũtäten 

Et. Vetereburg und Kaſan, dert. Afademie der Wiſſenſchaften in Wien, correinondirentem Bitgliede 

des k. Inſtituts in PRaris. Der Akademieen der Wiſſenſchaften in Brüſſel und Veith, der ſtätiſti⸗ 

{den Commiſſion in Krüſſel, der ſtatiſtiſchen Geſellſchaft in Barıd, Mitglicd Der E. Leopoldiniſch⸗ 

Caroliniſchen Aladenie der Raturforſcher und der landwirtbichaftiihen Vereine in Baiern, 
Würtemberg, Großh. Heften, Aloreng und Galizien zc. 


Erfter Bant. 
Volßswirtäfchaftslenre. 


Siebente Ausgabe. 


Leipzig und Heidelberg. 
C. F. Winter'ſche Verlagshandlung. 
1863. 


” % weny. Va 
Grundfäge u Wa 


der 


Volkswirthſchaftslehre 


von 


Dr. Karl Heinrich Rau, 


großh. bad. geh. Rath und Profeſſor zu Heidelberg, Comthur des HZähringer Loöwenordens 

mit dem Stern, Ritter des Preuß. rothen Adlerordens II. Claſſe Ehrenmitglied der Univerfitäten 

St. Fereraburg und Kaſan, der k. Alademieder Wiſſenſchaften in Bien, correfpondirendem Mitgliede 

des ?. Infituts in Paris, der Alademieen der Wiffenihaften in Brüffel und Beth, der ftatiftis 

fhen Sommiffion tm Brüffel, der fatiftiihen Geſellſchaft in Paris, Mitglied der f. Leopoldiniſch⸗ 

Garolinifchen Atademie der Raturforiher und der lanbwirtbichaftliden Bereine in Baiern, 
Bürtemberg, Großh. Heſſen, Florenz und Galizien zc. 


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@iebente Ausgabe, 


Leipzig und Heidelberg. 
C. F. Winter’fhe Verlagshandlung. 
1863. 


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Den Herren 


Adolf Qnetelet, 


Director der Sternwarte in Brüffel ꝛe. 


und 


Wilhelm Naſſau Senior, 


vormaligem Mafter am Gerichtshofe der Ehancery in London 


in Verehrung und Breundfchaft gewidmet. 


Den Herren 


Adolf Quetelet, 


Director der Sternwarte in Brüffel ıc. 


und 


Wilhelm Naſſau Senior, 


vormaligem Mafter am Gerichtshofe der Ehancery in London 


in Berehrung und Breundfchaft gewidmet. 


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Vorrede zur fünften Ausgabe. 


Bei dieſer neuen Ausgabe des erſten Bandes habe ich zus 
vörderft Einiges zu wiederholen, was in den Borreden zu den 
früheren Ausgaben — der erften 1826, der zweiten 1833, ber 
. dritten 1837, der vierten 1841 — über Beflimmung und Eins 
richtung des Werkes bemerkt worden war. Ich Hatte bei der 
Ausarbeitung deſſelben nicht blos das Beduͤrfniß ded afademi- 
fchen Unterrichtd, fondern auch folche Leſer im Auge, welche fi 
ohne Beihülfe eines Lehrers mit dem Gegenftande befannt zu 
machen wünfchen. Beide Zwede laſſen ſich gewiß einigermaßen 
durch ein und daſſelbe Werf erreichen, wenn es, ohne den Ume 
fang eined gewöhnlichen Lehrbuches beträchtlich zu überfchreiten, 
doch leicht verftändlic, und ausführlicdy genug ift, um den Leſer 
über die Anfangdgründe hinaus, und in die ſchwierigeren Unters 
fuhungen einzuführen. Die Hoffnung, daß ein gedrängter, bes 
flimmter Ausdrud der Lehrfäge auch denfenden Gefchäftsmäns 
nern zufagen werde, feheint nicht unbegründet gewefen zu fein, 
obſchon die gebotene Kürze Feine folche Lebendigkeit und Manch⸗ 
faltigfeit der Darftelung zuließ, wie fie bei minder eng abge⸗ 
ſteckten Gränzen möglidy if. Die Erläuterungen (Noten) hinter 
ben 88. boten ein gutes Mittel dar, viele ftatiftifche, geſchicht— 
liche und gewerbliche Angaben, literarifche Hinweifungen, ver- 
fhiedene Andeutungen und dergl. zufammenzudrängen. Hätten 
diefe Zugaben in den Tert verwebt werben follen, um die Dar: 
ſtellung gefälliger zu machen, fo wäre eine Menge von Verbin» 
dungsfägen einzufchalten geiwefen und der Umfang bed Ganzen 


— - m —— 


viel aräßer geworden, und überbieß wäre dann ber Vortheil 
verloren gegangen, daß man auch die 88. ohne die Noten lefen 
füun, wenn man ten Gedanfengang überbliden will. 

Die däufige Hinweifung auf andere Schriften ſchien mir aus 
mebreren Gründen ratbfam. Bei einzelnen woiffenfchaftlichen 
Saden bielt ich es für billig, diejenigen Gelehrten bemerflich zu 
machen, von denen jene zuerſt ausgeſprochen oder weiter ents 
wickelt, oder auch beftritten worden find, aud) mag ed bem 
Anfinger zur Erleichterung dienen, zu erfahren, wo er ſich wei- 
tere Belehrung verfchaffen könne. Kein Kenner des Faches wird 
Übrigens von den vielen Eitaten auf den Wahn geleitet werden, 
als könne durch ein bloßed Zufammentragen (Compilation), 
ohne Durcharbeitung und neue Geftaltung des Stoffes, ein 
brauchbared Lehrgebäude zu Stande gebracht werden, oder ale 
hätte ich mich bei ftreitigen Meinungen durch die meiften und 
gewichtigſten Autoritäten leiten laſſen. Viele ſolche Hinweis 
fungen find fogar erft in den fpäteren Ausgaben hinzugefügt 
worden. Widerlegungen Anderer wurden fparfam aufgenommen, 
nur bei wichtigen Gegenftänden, oder wo es fonft in Kürze 
gefcehehen Eonnte, denn eine weitläuftige Bolemif, die ohnehin oft 
nur als ein für die Wiffenfchaft unfruchtbares Zwiegefpräd) 
erfeheint, wäre bier nicht an ihrer Stelle gewefen. Wo That- 
fachen angeführt werden, da ift ed zweckmäßig, die Quellen zu 
nennen, damit der Leſer felbft prüfen könne, ob die Angaben 
richtig mitgetheilt und benugt find. Mit dem Wort „vergl.“ 
habe ich anzeigen wollen, daß in einer .genannten Schrift nur 
überhaupt etwas die Sache Betreffendes, nicht gerade eine Bes 
ftätigung meiner Anſicht gefunden wird. Das Zeichen — brauchte 
ſchon Bedmann, um anzudeuten, daß eine Stelle auch in 
einem anderen Buche, ganz oder im Auszuge, anzutreffen ift. 

Auch in der gegenwärtigen Ausgabe wird man, wie id) 
hoffe, fowohl in der Form als in dem Inhalte viele Verbeſſe⸗ 
rungen finden. Die ftatiftifchen Angaben find vervollftändigt 
und bis auf die legten Jahre nacdhgetragen, neue Erfahrungen 
und Forſchungen find berüdfichtigt, es ift der Ausdruck an vielen 


— 1x — 


Stellen deutlicher gefaßt, und es ſind viele Saͤtze und ganze 88. 
umgearbeitet oder neu hinzugefügt, dagegen iſt im Drucke auf 
weitere Raumerfparniß Bedacht genommen worden. Zu den 
Veränderungen in den vorgetragenen Lehren gehört die Unter⸗ 
ſcheidung des Gebrauchs⸗ und Verfehröwerthes, zu deren Aufs 
nahme ich mich wegen meiner Abneigung gegen die Verviel⸗ 
fültigung der SKunftausdrüde lange nicht hatte entfchließen 
fönnen. 

Die franzöfifche Ueberſetzung des erften Bandes durch Prof. 
de Kemmeter au Gent (Trait& d’&conomie nationale, 
Bruxelles, Societe Belge de librairie.e. Haumann et Comp., 
ift 1839 erfchienen (auf dein Umfchlage fteht 1840). Die ſchwe⸗ 
diſche Ueberfegung deſſelben Banded mit einer Vorrede von Prof. 
Bergfalf in Upfal habe ich noch nicht zu Geficht befominen. 

In der neueſten Zeit find verfchiedene Angriffe gegen das 
ganze bisherige Lehrgebäude der politischen Defonomie gerichtet 
worden und man hat verfucht, dem Gründer deflelben, Adam 
Smith, den Lorbeer wieder ftreitig zu machen, den ihm bie 
dankbare Verehrung der Zeitgenoffen feit einem halben Sahrs 
hundert zuerfannt hatte. Solche Meinungen, die von Vielen 
mit Wärme nusgefprochen werden, verdienen in jedem Balle 
forgfältige Beachtung, weil man vermuthen muß, daß fie mit 
gleichzeitigen Erfcheinungen im Volks- und Staatöleben im 
Zufammenhange ftehen und auf irgend ein Bebürfniß der Gegens 
wart hindeuten. 

Eine ganze Reihe von Schriftftellern, den achtungswürdigen 
Sismondi an ber Spige, tadelt ed, daß bie ftaat8öfonomifche 
Schule fich einer gewilfen Engherzigfeit hingebe, fidy nur mit 
ber Erzeugung der materiellen Güter befchäftige und barüber 
dad, was doch unendlich viel mehr gelten müffe, den Zuftand 
der Menfchen, ganz aus dem Auge verliere. Es wird alfo ein 
‚höherer Aufihwung der Wiffenfchaft gefordert, die Falte, berechs 
nende Selbfifucht fol von ihrem Throne geftoßen, bagegen 
ſollen die höheren Güter, die allein dem Leben Würde und Reiz 
geben, in ihre Rechte wieder eingefegt werden. Wie fehr nun 


— x — 


auch die edle Geſinnung zu ehren iſt, aus der dieß Verlangen 
nach einer gänzlichen Umgeftaltung ber öffentlichen Wirthichafts- 
lehre herftammt, fo muß man fi) doch, wie mir fcheint, vor 
einer Vermengung verfchiedenartiger Gebiete hüten. Die Volks⸗ 
wirthſchaftslehre hat die Aufgabe, zu fchildern, welche Wirkungen 
bad Berhalten der Menfchen in Bezug auf Erwerb, Beſitz und 
Gebrauch der Sachgüter im Großen, innerhalb eines ganzen 
Volkes hervorbringt. ine Wiffenfchaft, weldye die volkswirth⸗ 
fchaftlichen Ereigniſſe und Berhältniffe zu ergründen fucht, ift 
unentbehrlih. Sie Fann nicht umhin, bei ihren Schlußfolgen 
die Beweggründe, nad) denen die Menfchen indgemein handeln, 
voraudzufegen, fie muß alfo von ber Annahme audgehen, daß 
Jeder im Verkehre feinen Eigenvortheil verfolge. Die Selbſt⸗ 
liebe wird hiedurch weder gepriefen nody ermuntert, fondern ale 
eine fortdauernde Triebfraft anerkannt, ohne die wohl kein 
einziges volkswirthſchaftliches Geſetz aufgeftellt werben fönnte. 
Wenn man auch die Erhabenheit und Schönheit einer Gefin- 
nung, die aus Liebe für Andere oder für dad Ganze zu jedem 
Opfer bereit ift, vollfommen anerkennt, fo muß man doch zus 
geftehen, daß fie in den wirthfchaftlichen Verhandlungen der Mens 
fhen untereinander nicht zur herrfchenden Regel werben fann, 
und daß, falls dieß dennoch gefchähe, die Lehre vom Preiſe, 
vom Arbeitölohne und dergl. ausgeftrichen werben müßten. 
Jene ebleren Antriebe follen, den Geboten des Chriſtenthums 
und ber Sittenlehre zufolge, die Ausartungen, bie Uebertreibun« 
gen und Mißbräuche entfernefi, welche bei dem rüdfichtslofen 
Walten bed Erwerbseifers eintreten fönnen, nur kann man nicht 
an bie Volkswirthſchaftslehre felbft die Anforderung ftellen, die 
Richtigkeit und Geringfchägung der irdifchen Güter zu lehren, 
fo wenig als man in ber Landwirthichaftslchre die Vorfchrift 
erwarten wird, ben Dürftigen bie Stoppellefe und das Grafen 
im Felde nicht zu wehren. Bei jeder Art der Thätigfeit müffen 
die derfelben eigenthümlichen Grundfäge von den überall eins 
greifenden allgemeinen fittlihen Gefegen unterfchieden werben. - 
Mebrigend kann bie Volkswirthſchaftslehre, ohne ihre Gränzen 


| 


—  XYI — 


zu überſchreiten, auch bie höheren Beziehungen ihres Gegen⸗ 
ſtandes beleuchten, fie muß die Sachgüter ftetd nur als Mittel 
für bie perfönlichen betrachten, und darf die nachtheiligen Wir- 
fungen nicht überfehen, die aus dem ungemäßigten Verfolgen 
ber wirthfchaftlichen Zwede für den Zuftand einzelner Bamilien, 
Volksclaſſen und ganzer Völker entfichen fonnen. Von diefem 
Gefihtspuncte aus verdienen bie übermäßige Zerftüdelung des 
Bodend (wo fie ſich bei forgfältiger Prüfung der Verhältniſſe 
wirklich vorfindet), dad Elend der Yabrifarbeiter, die Roth, 
welche der Verfall eines blühend gewefenen Gewerbes nach fich 
zieht, die Uebermacht des Luxus über die guten haudhälterifchen 
Grundſaͤtze und dgl., gewiflenhaft erforfcht zu werden. Zwifchen 
ber gänzlichen Nichtbeachtung diefer Uebelftände und der Dars 
ftellung berfelben durch dad Vergrößerungsglad einer von Mens 
fchenliebe erwärmten Phantafie ift der befonnene Mittelweg 
unbefangener Forſchung einzufchlagen. Fand Smith nody Feine 
Veranlaſſung, bei dieſen Gegenftänden zu verweilen, fo haben 
manche Neuere die Dinge vielleicht etwas zu ſchwarz gefehen, 
inbeß ift es verdienftlich, auf Lüden in dem bisherigen Gedanken⸗ 
gange aufmerffam zu machen, und das rechte Maaß wird ſich 
fhon finden. Jedoch ift das ganze volföwirthichaftliche Syftem 
darum noch nicht für fehlerhaft zu halten, weil etwa noch vers 
fchiedene weitere Unterfuchungen in daſſelbe einzufchalten find. 
Dies kann fi, in Gemäßheit fpäterer Erfahrungen und Er⸗ 
fcheinungen, noch öfter wiederholen, denn die Volkswirthſchafts⸗ 
lehre ift Fein gefchloffened Gebiet, fie kann vielmehr in die Tiefe 
und im Umfange fortwachfen, wie dad Nahrungswefen ver Völker 
bem Forfcher neue Verwidlungen und Erfolge zeigt. 
Juni 1847. 


Zur fechften Ausgabe, 


Bon biefer neuen Bearbeitung ift das Nämliche zu fagen, 
was bei der 5ten Ausgabe bemerkt worden war. Mehrere 88. 
(45a, 7la, 2022, 277a—c, 800, 382a, 4052) find ganz neu 
abgefaßt, wenige ohne irgend eine Veraͤnderung abgedrudt, 
neue Schriften fowie neue Erfcheinungen in der Wirthfchaft ber 
Bölfer berüdfichtigt, Häufig auch bie Ergebniffe eines fortgefebten 
Nachdenkens eingefchaltet worden. Es moͤge mir geftattet fein, 
hiebei den billigen Wunſch auszufprechen, daß biejenigen Schrift 
fteller, welche eine ober bie andere Stelle beftreiten wollen, 
immer zuvor bie neuefte Ausgabe nachſehen möchten. 

Eine italienifche Weberfegung bes erften und dritten Bandes 
unter bem Titel: Corso di economia politica von bem ſowohl 
fprachs als fachkundigen Prof. Bonticini in Siena, mit einer 
Borrede von Prof. Beni in Piſa, ift 1852 zu Genua erfchies 
nen. Die Uebertragung des zweiten Bandes wurbe in Erwar- 
tung der vierten Ausgabe der Urfchrift noch verfehoben. Ueber 
bie ruffifche Ueberfegung bes erften Banbes ift mir nichts Näheres 
befannt geworben. 

17. Aug. 1855. ° 


— XII — 


Zur fiebenten Ausgabe, 


Im 3. 1860 war ein neuer Abdruck dieſes Bandes nöthig 
geworden, den ich als einen unveränderten bezeichnete, weil ich 
wegen ber neuen Bearbeitung ded 3. Bandes (Finanzwiſſen⸗ 
(haft) nur Drudfehler berichtigen und hie und ba kleine 
Aenderungen oder Zufäge anbringen konnte. Faſt ebenfo ver- 
halt es fich jest, denn die 5. Ausgabe der Volkswirthſchafts⸗ 
politif (2. Abtheilung des 2. Bandes) nahm meine freie Zeit 
fo volftändig in Anſpruch, daß ich für den erften Band fehr 
wenig thun konnte. Nur in 8.282, fodann in den 88.293 ff., 
die vom Papiergelde, und insbefondere von ben Banffcheinen 
handeln, durften Veränderungen und Zufäge nicht unterbleiben, 
um dieſe Säge mit den zum Theile gleichzeitig neu überarbeiteten 
praftifchen Lehren in 8. 247 ff. de 2. Bandes (Abfap II, 
Papiergeld) in Uebereinftimmung zu erhalten und wichtige 
neuere Forſchungen zu berüdfichtigen. Bon biefer Stelle an 
wurden auch im Reſte diefed Bandes hin und wieder Furze 
BVerbeflerungen und Nachtraͤge während des Drudes eingefchaltet, 
foweit es bei den Revifionsbogen ohne Störung für den Satz 
gefchehen konnte. Der bei weitem größte Theil ift alfo uns 
verändert abgebrudt worben. 

Statt einer bei Gelegenheit ber fechften Ausgabe mits 
getheilten Bemerfung über eine ferbifche Bearbeitung kann nun 
eine volftändigere Nachricht gegeben werben. Der frühere 


Profeffor, jebiger Binanzminifter Dr. Kofta Zuficz in Belgrad 
hat einen Auszug aus meinem Lehrbuch in 3 Bänden heraus- 
gegeben, wovon ber erfte (Narodna ekonomi, Volkswirthſchafts⸗ 
lehre) 1851, der zweite (Ekonomi polizia) 1862, ber britte 
(Finanzia) 1853 in Belgrad erfchienen if. Der Haupttitel 
heißt Drschabna ekonomi (AP5KABHA EKOHOMIM). 


12. October 1868. 


K. H. Nau. 


Inhalt. 


Einleitung. 
I. Weſen und Theile der politiſchen Oekonomie, $. 1. 
U. Aeußere Berhältnifle der politiichen Dekonomie, $. 21. 
UI. Geſchichte der politiſchen Oekonomie, F. 28... . . 
Volkswirthſchaftslehre. 
Erftes Buch. Weſen des Volksvermoͤgens. 
. Abſchnitt. Beſtandtheile des Volksvermögens, F. 46. . 


⸗ Schägung des Volksvermoͤgens, $. 55. . 
3. ⸗ Veränderungen im Volksvermögen, F. 68. . 
4. ⸗ Zuſtaͤnde der Volkswirthſchaft, F. 73. 


Zweites Buch. Entſtehung der Vermoͤgenstheile. 
1. Abſchnitt. Bedingungen der Guͤtererzeugung im Allgemeinen. 
82. 


Naturfräfte als Güterquellen, S. 86. 
Die Arbeit als Güterquelle. 
I. Einleitung, 6. 92. 93. . 
I. Zweige der Arbeit, $. 94.. 
UL Bedingungen einer großen herborbeingenden Wirkung 
der Arbeit, $. 110. . 
Fi ab chnitt. Grundftüde ale Güterquellen, g. 119. 
⸗ Das Capital. 
L Einleitung, 8. 121. 
II. Beſtandtheile und Arten des "Eavitales, S. 123. 
Ill. Entftehung des Gapitales, $. 133. . . 
6. Abſchnitt. Zufammenwirfen der Güterquellen, $. 135. 


Drittes Buch. Vertheilung ded Vermögen. 


1. Abf chnitt. Die Vertheilung im Allgemeinen betrachtet, F. 140. 
2. Preis beim Taufche. 
1. AstHeiTung, Beftimmgründe des Preifes, $. 146.. . 
2. Veränderungen der Preiſe und ? Bemeflung 
berfelben, $. 168. 
3. Abfchnitt. Zweige tes Einkommens. 
1. Abtheilung. Der Arbeitslohn. 
1. Hauptftüd. Betimmgründe des Lohnes im Allges 
meinen, $. 187. 
2. ⸗ Groͤße des Lohns in verfchiedenen Zeiten 
und 2ändern, $. 199. . . 
2. Abtheilung, Die Grundrente, $. 206. 
Die Zinsrente, $. 222. . . 
⸗ Der Gewerboverdienſt, 8. 237. 
⸗ Das Volkseinkommen im Ganzen, $. 245. 


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Seite. 
l 


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161 


165 
188 


216 


239 
254 
279 
294 
304 


4. Abſchnitt. Umlauf der Güter. 
1. Abtheilung. Allgemeine Betrachtung bes Süterumfaufe " 
252. . 


2. ⸗ Das Gelb, 8. 251. 
3. Der Grebit. 
l. ‚ Haupifüd Wirfung des Credits im Allgemeinen, 8.278. 
Wirkung des Credits auf den n Seltumlauf, 


&. 282 

L. Sinterlegungsbanten, 8. 283... . 

IL Anweifungen und Wechſel, 8. 286... 
IrI. Abrechnen und Ueberweifen, 8. 292. 
IV. Danthäufer, Leihbanfen, $. 2928. . 

V. Papiergel. 

A. Im Allgemeinen, 8. 293. 
B. Banffcheine insbefondere, $. 304. . 

Anhang. Grundzüge gut Deſchichte und ðe chreibung 

der —E $. 310. 


Viertes Buch. Verzehrung ber Bermögenötbeile. 


1. Abſchnitt. DieBerzehrung im Allgemeinen betrachtet, 8.318. 
2. ⸗ Verwaͤſtniß b der Verzehiung zu Gervorbringung, 
6. 32 


Fünftes Buch. Die Servrbengenbe Gewerbe 


@inleitung, 8. 3 
1. Abſchnitt. Berhältnife der Erdarbeit. 
Abt theilung. Der Bergbau, 8. 350. 
Milde Jagd und Biere, S. 356. 
3 Die Landwirthicha 
1. Hauptfiü. Die Landwirtäfchaft im Allgemeinen be: 
tradhtet, 8. 358. . 
2. ⸗ Einzelne Zweige der dandwirthſchaft 
8. 379. Gartenkraͤuter, Rebbau 
8. 381. Obflbau . . 
8.382. Aderbau . 
8. 3828. Grasland . . 22. 
8. 383. Forſtwirthſchaft 
2. Abſchnitt. DBerhältniffe der Gewerke, 8. 392. 
⸗ Verhaͤltniſſe des bandels. 
Einleitung, 8. 406. .. 
1. Abteilung Der Großhandel. 
I. Der Binnenhandel, 8. 409. . 
U. Der Aus: und Einfuhrhanbel. 
A. Allgemeine Betrachtung deflelben, 8. 412. 
B. Berhältnig zwifchen ber Auer. —X sAl8, 
II. Der Zwifchenhandel, 8. 432.. . 
2. Abtheilung. Zu —X — 8. 435. 
3. Der Hapiechandel, s 437. 
Anhang zu $. 154. . . 


—— — — — — 


Volkswirthſchaftslehre. 


Einleitung. 


I Wefen und Theile der politifhen Oekonomie. 


8. 1. 


Viele Beſtandtheile der den Menſchen umgebenden Sinnen⸗ 
welt, d. i. koͤrperliche Sachen, dienen als Huͤlſomittel für menſch⸗ 
liche Zwecke und werden deshalb zu den Gütern gerechnet, d. h. 
zu den Öegenftänden, auf die ſich das Begehrungsvermoͤgen des 
Menjchen richtet, oder die den Abſichten deſſelben entfprechen, 
Zur Unterfcheidung von andern Arten werden jene finnlichen 
Güter mit dem Namen förperliche, materielle (a) oder 
äußere (db), beiler aber fachliche oder Sachgüter (c) bes 
zeichnet. Ihnen find zunächſt die perfönlichen Güter (d) ent 
gegengefegt, welche in Zujtänden oder Eigenfchaften des Menfchen 
bejtehen und theils ihrer felbft willen (als Zwede), theils ale 
Meittel zur Erlangung anderer Güter begehrt und gejchägt wer⸗ 
den (e). Die Sacygüter find zum Theile für dad Leben oder das 
Wohlbefinden der Menſchen jo nothwendig, daß fie nicht ohne 
wejentlichen Nachtheil entbehrt werden koͤnnen und der Menſch 
folglidy in einer gewiflen Abhängigfeit von ihrem Beſitze und Ges 
brauche fteht (d. h. fie find ihm Bedürfniß), zum heile er- 
weijen fie fid) wenigftend als nüglich oder angenehm und geben 
auch Gelegenheit, fic) den Beiftand anderer Dienjchen zu verjchaffen. 


(“) 3.2. beiv. Jakob, Nationalöfon. $. 31. — Lotz, Staatswirthichaftes 
lehre, 1. 18. Diefe Bezeichnung it minder pafjeno, weil man eigentlich 
den menſchlichen Körper auch zu den materiellen Gütern rechnen müßte. 
der doch fein Sachgut ift. 

(6) Stord (Handb. ver Nationalw. 1.50) nennt ausdrüdlich die koͤrper⸗ 
lihen Guter äußere. — Hermann (Staatswirthich. Unterſ. S. 1.) . 
verfteht unter äußeren Gütern für jeden einzelnen Menſchen diejenigen, 
welche er dur ten Beiſtand ter Außenwelt erhält, wohin alſo aud bie 
inneren Guͤter anderer Menſchen gerechnet werben. 

(2) Braudlidfeiten nah Zaharid, Bierzig Bücher, V, 1. 

Rau, polit. Dekon. I. 7. Ausg. 1 


— 2 — 


(d) Hagen (Bon der Staatslehre, ©. 63), unterſcheidet 1) perſoͤnliche Guͤ⸗ 
ter, und zwar a) rein perſoͤnliche, b) wiſſenſchaſtliche, — 2) dingliche 
Güter. — Bei Platon findet fih eine Unterfheidung göttlicher und 
menschlicher (finnliher) Güter, zu denen Geſundheit, Schönheit, Stärfe 
und Reichthum gezählt werben. 


(e) 3. 3. Geſchicklichkeit in Gewerbsgeſchäften. — Eine dritte Art von 
Gütern, weldhe man gefellihaftliche nennen fann, beruht in tem 
Berhältnig des eingelmen Menſchen gu anderen, deren Gefinnung oder 
Handlungen ihm Vortheil bringen, 3. B. Ruhm, Credit. Hermann 
a. a. D. nennt fie Lebensverhaltnifle. 


$. 2. 


Um Sachguͤter beliebig als Mittel zu gebrauchen, muß man 
fi) diefelben zu ausfchließlicher Verfügung angeeignet haben. 
Die Menge von Sachjgütern, welche fi in einem gewiſſen Zeits 
punete in der Gewalt (a) einer Perſon befinden, bildet das Ver⸗ 
mögen berfelben (6). Die Sorge für dad Vermögen, nämlich 
die Erwerbung, Erhaltung und Anwendung bdeffelben, erfcheint 
als eine det allgemeinften und wichtigften menfchlichen Angelegen- 
heiten, weil in ihm die Mittel zur Erhaltung des Lebens und 
zur Beförderung vieler Zwecke enthalten find. Die fänmtlichen 
Verrihtungen, welche zur Verforgung einer gewiſſen Perfon mit 
Sadhgütern beftimmt find und fich folglich auf die Erlangung 
und Benugung des Bermögend derfelben beziehen, faßt man 
unter dem Namen Wirthſchaft zufammen (c), jede einzelne 
auf diefen Zweck gerichtete Thätigkeit ift eine wirthfchaft- 
liche, öfonomifhe. Die wirthfchaftlichen Thätigfeiten bil⸗ 
ben ein eigenthümliches Gebiet des menfchlichen Wirfend, welches 
fih die Aneignung und Bezwingung ber Außen Natur zum 
Ziele ſetzt und mit den Fortſchritten der Naturfenntniß immer 
größeren Erfolg erringt (d). Der georbnete Inbegriff aller bie- 
fen Gegenftand betreffenden Wahrheiten ift die Wirthſchafts— 
lehre, Defonomie (e). 

(a) Urfprünglih konnte der Menſch nur das zu feinem Vermoͤgen zählen, 
worüber er die phyfiſche Gewalt beſaß; im Staate aber, bei einer wohl« 
geordneten Rechtsordnung, genügt die rechtliche Gewalt ohne Beſitz; 
aber nur die einer Perfon eigenthumlich zuftehende, nicht fchon die übers 
tragene Gewalt, 3. B. eines Berwaltere, begründet den Begriff des 
Dermögen®. 

(5) Sn einem fubjectiven Sinne verſteht man auch unter dem Vermoͤ⸗ 
gen die Gewalt über Sachgüter felbft, wenn 3. B. diefelbe dem Befige 
perfönliher Güter, wie Schönheit, Bildung, ober der Ehre entgegen 


geſetzt wird, vgl. 5.49. Würden Begriff von Vermögen fehlt in den 
meiſten Sprachen em guter Ausdrud. Die Franzofen müflen fich dazu 


— 3 — 


des Wortes Reichthum, richesse, bedienen, welches aber eigentlich 
ein großes Maaß von Vermoͤgen bedeutet, ſowie das engliſche wealth. 
Auch für Sachgut haben fie feine ganz paſſende Bezeihnung, weßhalb 
fie une richesse oder une valeur fagen; englifch commodity. Bei den 
Griechen finden fih ſchon ſehr beftimmte Namen; Sadhgut ift æriuc, 
ein zum Leben dienlihes Werkzeug (Ariftoteles, Politif, I, 3), 
Bermögen xrrjoss. 

(e) Diefes Wort wird in verfchiedenen Beteutungen gebrauht. Außer der 
oben angegebenen engeren giebt e8 noch eine weitere mehr objective, 
nad welcher nicht blos alle Berrihtungen, fondern aud alle vorhane 
denen Mittel, nämlich Bermögenstheile und Einrichtungen, 3. B. Ge: 
bäude, Geräthichaften, welche dazu dienen, die Zwecke eines gewiflen 
Subjects mit Hülfe von Sachgütern zu erreichen, aur Wirtbichaft des⸗ 
felben gerechnet werden, wie man 3. B. von der Wirthichaft und dem 
Defonomen (Verwalter) einer Stiftung, eines Zuchthauſes, eines Ber: 
eins für wiffenichaftliche oder kuͤnſtleriſche Zwede u. dgl. ſpricht. Gin 
weſentlicher Beſtandtheil ift die Beforgung des Gebrauchs der Sachqzuͤ⸗ 
ter für die in einer Familie beifammenlebenden Menſchen, die Haus: 
wirthihaft. — In einer dritten Bedeutung wendet man den Aus⸗ 
drud Wirthſchaft vorzugsweife auf die Gewinnung organifcher Natur: 
erzeugnifle an, Landwirthichaft, Fort: W und manche einzelne Zweige 
beider, Felder-W., Koppel-W., Plenter-W. u. f. f. 

(d) Die menihliche Thätigfeit wird auch noch aus einem anderen Grunde 
gegen tie Natur gerichtet, nämlih um ihren fehädlichen Einflüffen auf 
unferen Körper zu widerſtehen. Rau, Ueber die Kameralwifi. S. 16. 
(Heidelb. 1825). 

(e) Nach dem Griechiſchen Sollte man eigentlich nur die Wirthſchaft Defos 
nomie, die Wirthfchaftslehre aber Delonomif nennen, auch wird 
neuerlih von Uhde (1849) und Roſcher (1854) das Wort Natio- 
nal-Defonomif gebraudt. 


$. 3. 


Betrachtet man den Zweck der Wirthfchaft und die auf feine 
Erreichung gerichtete Thätigfeit in Bezug auf die Art des Zus 
fammenleben® der Menfchen, jo muß man unterfcheiden 

1) die abgefondert neben einander ftehenden einzelnen Men⸗ 
fhen, Bamilien und anderen größeren oder Fleineren Bereine, 
in denen wirtbichaftlicye Gemeinfchaft unter einem einheitlichen 
Witten befteht. Die Regeln, nad) welchen in folchen Kreifen 
des Privatlebend die Befriedigung der Bebürfnifle durch Erwerb, 
Erhaltung und Anwendung fachlicher Güter am vortheilhafteften 
vorgenommen wird, bilden den Inhalt der bürgerlihen 
Wirthſchaftslehre oder PBrivatöfonomie, einer fehr 
ausgedehnten Wiflenfchaft, deren Theile gewoͤhnlich abgefondert, 
ohne Beachtung ihres Zufammengehörens behandelt werden; 

2) die Verbindung der in einem Lande beifammenwohnenden 
Menſchen zu einem Staate. In diefem muß fid) die näms 
liche Abhängigkeit von fachlichen Gütern zeigen, wie bei ben 

1* 


Einzelnen, dad Wohl des Staates ift ebenfalld von dem Bes 
fine eined die Befriedigung der Bebürfniffe fichernden Vermoö⸗ 
gend bedingt, und bie den Sachgütern gewidmete Tchätigkeit 
muß daher eine von ben verfchiedenen Seiten des Staatslebens 
ausmachen. Die Wiffenfhaft von den wirthichaftliden Ans 
gelegenheiten des Staats oder von der Berforgung deſſelben 
vermittelt fachlicher Güter ift die politifche Defonomie, 
öffentlihe Wirthſchaftslehre, Staatswirthſchafts— 
lehre im weiteren Wortverſtande, franzoͤſiſch &conomie poli- 
tique, engliſch political economy (a). 
(a) Whately Hat den Namen Katallaftil (von xarallayn, Tauſch) 
vorgefchlagen Beſſer noch wäre der bei Ariftoteles vorfommente 
Ausdruck Chrematiftif, übrigens fpricht ſchon bdiefer Philofoph von 


einer olxoroula Idiwrixn (Privatwirthichaft), modızıxny, garganınn und 
Baodırn ( Stadt⸗, —* und Reichsewirthſchaft). 


8. 4. 


Um die Aufgaben, welche die politiſche Oekonomie zu löfen 
hat, deutlich zu erfennen, muß man die Zufammenfegung des 
Staates betrachten. Diefer befteht nämlidy 

1) aus einer Anzahl beifammenlebender Dienfchen, welche, 
als Genoſſen der Staatöverbindung und in dieſer Eigenfchaft 
gewiffe Rechte genießend, Staatsbürger heißen; ihre Ge⸗ 
fammtheit, als eine PVielheit gedacht, ift das Volk, die Nas 
tion im flaatöwiflenfchaftlichen Sinne des Worted (a) oder bie 
bürgerliche Geſellſchaft; | 

2) aus einer höheren Gewalt, weldye zur Beförderung ders 
jenigen Zwecke, die in der Beflimmung des Staates liegen, mit 
einem einheitlichen Willen und einer entiprechenden Macht auss 
gerüftet ift, weshalb fie Gefege giebt und biefelben aufrecht ers 
hält. Das mit ihr bekleidete Subject ift da8 Staatsober- 
haupt. Die höhere Gewalt als ſolche, ohne Rüdficht auf die 
Beichaffenheit des Oberhauptes, blos in Bezug auf ihre Be 
fiimmung gedacht, wird Regierung (d) genannt, mit welchem 
Austrude man zugleidy die Ihätigfeit des Oberhauptes und 
feiner oberſten Beamten zur Leitung der öffentlichen Angelegen⸗ 
heiten bezeichnet. 


(c) Wo nod fein Staat beftünde, da gäbe es fein Volk in diefem Sinne, 
fondern nur im Hiftorifchsgenealogifchen, in Beziehung auf Abflammung 


— 5 — 


und Abſonderung, wobei aber keine Degrängung eines wirthichaftlichen 
Sanzen flattfände. Vgl. Dahlmann, Politik, I, 2. 

(5) Neuerli Öfter Staatsregierung, zur Unterfcheidung von den Mes 
gierungsceollegien einzelner Landestheile. 


6. 5. 


Da fowohl die Regierung im Staate ald das Volf Bes 
bürfnifje fachlicher Güter empfindet und wirtbichaftliche Zwecke 
verfolgt, fo muß ſich die politifche Defonomie aud) mit den Wirth» 
fchaftsangelegenheiten beider befchäftigen, die aber weſentlich von 
einander unterfchieden find. Während die Regierung zur Bes 
förderung der Staatszwede eine Einzelwirtäfchaft führt, werden 
dagegen die Bebdürfniffe des Volkes zunächft durdy die wirth- 
fchaftlihe Bemühung aller Mitglieder defielben, alfo durch die 
von einander unabhängigen Wirthichaften der einzelnen Bamilien 
" und Bereine befriedigt. Der Inbegriff diefer wirthichaftlichen 
Thätigfeiten aller einem Staate angehörenden ‘Berfonen wird 
Volkswirthſchaft genannt (a). Diefe ift feine einfache, von 
einem einzelnen Willen gelenfte Wirthfchaft, fondern eine BViels 
heit felbftftändiger Wirthfchaften, die aber im Begriff ale ein 
höheres Ganzes zufammengefaßt werden Fönnen. 


(a) Diefer Ausdrud fommt zuerft vor bei Hufeland, Neue Grundleg. der 
Staatsw. I, 14. — Der von Riedel (NRationalöfon. I, $. 7—10.) 
aufgeftellte Begriff der Volfswirthichaft weicht darin ab, daß er 1) nur 
diejenigen wirthichaftlichen Privatthätigfeiten aufnimmt, welche zugleich 
der Sefammtheit nüglih find, und 2) dagegen auch die mitwirfenden 
Regierungsthätigfeiten mitbegreift. . 


$. 6. 


Jeder Wirthfchaft muß ein zu verwaltendeds Vermögen ents 
fprechen. Wie nun der Gegenftand der bürgerlichen Wirthfchaft 
dad Bermögen einzelner PBerfonen, jo ift der Gegenfland ber 
Volfdwirthfchaft dad Volks⸗- oder Nationalvermögen, 
d. 5. der Inbegriff aller im Vermögen der Staatsbürger befinds 
lichen fachlichen Güter (a). Privat» und Volfövermögen find 
daher nicht einander entgegengefegt, fondern das zweite ift die 
Gefammtheit ded erften innerhalb eined Staated. Dem Bolfs- 
vermögen ftehen diejenigen Güter gegenüber, weldye dem Staate 
im Ganzen angehören, da8 Staatdvermögen. 


(a) Das Boltsvermögen befleht demnach nicht blos aus folden Gütern, 
deren Cigenthum und Gebrauch allen Staatsbürgern gemein find, wie 
etwa die res publicae der Mömer. 





8. 7. 


Wo die Volfdwirthfchaft einige Ausbildung erlangt hat, da 
ftehen die in ihr enthaltenen ‘Brivatwirthfchaften nicht vereinzelt 
nebeneinander, fondern bilden ein Ganzes, welches aus vielen 
in einander greifenden Thätigfeiten zufammengefeßt ift und 
welches man mit einem Organismus vergleihen fünnte (a). 
Diefer Zufammenhang ber Volkswirthſchaft ift auf folgende Weife 
zu erklären: 

1) Der Zwed, nad) den die Menfchen in wirthfchaftlichen 
Angelegenheiten zu handeln pflegen, ift die Erlangung des größ- 
ten Bortheild durch Sachgüter mit der geringften Beſchwerde 
und dem geringften Aufwande von Vermögenstheilen (5). 

2) Die Erfahrung lehrt bald, daß hiebei ein größerer Erfolg 
erreicht wird, wenn die Menfchen ſich in die wirthfchaftlichen 
Verrihtungen theilen und die Brüchte derfelben unter einander 
austaufchen. Jeder leiftet folglid den Andern einen auf den 
Genuß fachlicher Güter ſich beziehenden Vortheil, und empfängt 
von ihnen Ähnliche Gegenteiftungen. 


(a) Rau, Anfihten der Bolfsw. ©. 22. — Rofcher, Grundlagen der 
Nat.: Def. S. 18. — Bei dieler Betrachtung wird das Dafein und bie 
Nothwendigfeit des Privateigenthums vorausgefept. 


(6) Dieß ift nicht allein eine allgemeine Thatfache, fondern der genannte 
Zweck findet fib aud mit Rothwendigfeit in der Stellung des menſch⸗ 
lihen Gefchledts gegen die Einnenwelt begründet. „Die Begierde 
nach Bermögenserwerb (ricchezza) ift in uns eben fo natürlich als die 
Liebe zum Leben ſelbſt. Denn die Natur bat die unvernünftigen Thiere 
mit allem dem verforgt, was zu ihrem Leben erforterlid ift, aber dem 
Menihen, den fie arın, nadt und vielen Bedürfniffen unterworfen 
Ihuf, pflanzte fie jene Begierde nach Sachgütern ein und verlich ihm 
Scharffinn und Kunftgeſchick, diefelben zu erlangen.” Paolo Pa- 
ruta (venezianifcher Politifer, + 1599.) Della perfettione della vita 
politica, S. 259. Nehnlich J. St. Mill, Essays, ©. 144. Der öfter 
ausgeiprochene Borwurf, daB die Bolfswirthichaftslcehre nach obiger 
Darftellung auf Gigennup oder Selbſtſucht (Egoismus) gegrüns 
det werde, entipringt aus einer Verwechslung der fittlih nicht allein 
zuläfligen, fondern felbit gebotenen wirthfchaftlichen Beftrebungen mit 
der einfeitigen Verfolgung berfelben über ihre vernunftmäßigen Graͤn⸗ 
zen hinaus. Die Ausartung des Grwerbseifers durch Selbftiucht liegt 
nicht gerade in dem Maaße der angewenteten Rraft, fondern in ber 
Richtbeahtung der Schranken, welche Menfchen- und Baterlandeliebe, 
Mäßigfeit und verfchietene andere Pflichten dem Verlangen nad Bes 
fig und Genuß der Sadhgüter in den Weg ftellen. Schon in dem 
Yamilienleben treibt die Liebe zu den Angehörigen den Einzelnen an, 
ſich Drandes zu verfagen. — Abweichend 3. B. Knies, Polit. Deko: 
nomie ©. 151. 


— 7 — 


8. 8. 

3) Durch diefe Einrichtung geräth Jeder in eine Abhängig- 
feit von Anderen, die ihn an das gefellige Leben feilelt und ihm 
bie durch fachliche Güter bedingte Erreihung feiner Abfichten um 
Vieles erleichtert. Diefed Band, welches bie menfchlide Ges 
fellichaft zufammen zu halten beiträgt, ift darum fo feft, weil 
ed von Antrieben audgeht, die mit der Perfönlichkeit zufammen- 
hängen und fi, unfehlbar auf die Dauer geltend madıen. 

4) Da man für Arbeiten, welche Anderen feine Bortheile 
gewähren, auch von ihnen feine Vergütung erhält, und Jeder 
darauf bedacht fein muß, ſich mit dem zu befchäftigen, welches 
die reichlichfte und ficherfie Belohnung findet, fo gefchieht es 
von felbft, Laß die Einzelnen, wenn ſie auch nur ihren eigenen 
Vortheil im Auge haben, doch zu einem gemeinnütigen Erfolge 
zufammenwirfen und daß hiedurch die Bedürfniſſe des Volkes 
ihre Befriedigung finden. 

5) Wenn eine Verrichtung oder eine andere Leiftung von 
Mehreren nebeneinander vorgenommen wird, fo bringt das Stres 
ben nach Gewinn einen Wetteifer unter ihnen hervor, ber für 
die Gefammtheit höchft nuͤtzlich wird (a). 

6) Der dem Einzelnen zufallende wirthfchaftliche Vortheil 
fteigt und fällt daher meiften® zugleich mit der Größe feiner 
Zeiftung für Andere. 

7) Ein Verhaͤltniß zwifchen Menſchen, die zu gegenfeitigen 
Leiftungen (fortdauernd oder vorübergehend) ihres Vortheils 
willen übereingefommen find, wird Verkehr genannt. Ders 
jenige Verfehr, in weldyem Sachguͤter vorkommen, 3.8. Tauſch, 
Leihen, Dingen von Arbeitern ꝛc., ift da8 Verbindungsmittel, 
wodurd die Volföwirthfchaft zu einem zuſammenhängenden Gan⸗ 
zen wird (5). 

8) Die Gemeinſchaft beſonderer wirthſchaftlicher Zwecke ver⸗ 
anlaßt Annäherungen und Verbindungen Einzelner, die eine 
übereinftimmende Handlungsweife annehmen und einander unters 
- lügen. Diefe auf einem wirthfchaftlihen Grunde ruhenden 
Gruppen (Genoflenfchaften) bilden einen Theil derjenigen Ber- 
bindungen, deren Gefammtheit man Gefellfchaft zu nennen 
angefangen hat, und gehören, foweit fie in die Gränzen eines 
Staats fallen, der Volkswirthſchaft an (c). 





_— 8 — 


(a) Dieß ift der ſchon von dem alten griehifihen Dichter Hefiodos ges 
f&hilderte wohlthätige Streit (Wettftreit) unter den. Menſchen, ayadı 
foıs. ©. deflen Werke und Tage, V. 10 ff.' 


(3) Bol. %op, Handb. I, 296°9. 


() Stein, Geſchichte der focialen Bewegung in Frankreich I, XXXIX. — 
v. Mohl in Staatswifl. Zeitſchr. 1851. ©. 49. 


$. 9. 


Die Wiflenfchaft, welche die Natur der Volkswirthſchaft ents 
widelt, oder welche zeigt, wie ein Volk durch die wirtbfchaftlichen 
Beftrebungen feiner Mitglieder fortwährend mit Sachgütern vers 
forgt wird, ift die Volkswirthſchafslehre oder Natio— 
nalöfonomie (a) und bildet den erften, theoretifhhen 
Haupttheil der politifhen Dekonomie. Sie fol lehren: 

1) wie in einem ganzen Bolfe die DVermögenstheile zu 
Stande gebracht und herbeigefchafft werden. 

2) wie biefelben von den Erzeugern in andere Hände 
übergehen und ſich unter die verfchiedenen Stände und Mits 
glieder der Gefellfchaft vertheilen, 

3) wie fie für menſchliche Zwecke angewendet und dabei 
früher over fpäter aufgebraucht (verzehrt) werden. 

Diefe Wirkungen bilden fi von felbft, indem die Einzelnen 
ihre wirthfchaftlichen Zwede (8. 7. Nr. 1.) verfolgen, fie werben 
nicht erft durch die Beförderungdmaaßregeln von Seite der Staats⸗ 
gewalt hervorgerufen und fie entftanden, wenn auch in unvoll- 
fommenem Maaße, lange vor aller Einmifchung der Regierung. 
Die Volkswirthſchaftslehre hat daher die Wirthichaftöverhäft- 
niffe der Völker, ganz abgefehen von den darauf einwirkenden 
Gefepen und Einrichtungen des Staates, nad ihrem inneren 
Weſen darzuftellen (b). 

(a) Andere Namen: Theorie des Volksvermögens, Theorie des National 
reichthums, Metaphyſfik der Betriebfamfeit, Guͤterlehre, Bolfsgüter« 


Ihre (Schmitthenner x. Bgl. Steinlein, Volkswirthſchafts⸗ 
Iehre, I, XV. 


(5) Ungefähr wie in der Medichn, der Anatomie und Phyfiologie feine 
Regeln der Therapie und Chirurgie eingemengt werben dürfen. Indeß 
darf jener Eag nicht fo verftanden werden , als folle das Wirthichafte: 
weien von Menfchen außerhalb des Staates dargeftellt werden, und 
als komme es ber Bolfswirthfchaftsichre nicht zu, darüber zu urtheilen, 
ob gewifle volfswirthfchaftliche Erſcheinungen in Beziehung auf bie 
Staatszwede günftig oder unguͤnſtig feien. 


— 9 — 


8. 10. 


Die Erſcheinungen in der Volkswirthſchaft, wie verſchieden 
und wechſelnd ſie auch ſein moͤgen, laſſen ſich doch auf gewiſſe 
Urſachen zurückfuͤhren. Hierdurch ergeben ſich Geſetze, welche 
ausſprechen, daß eine gewiſſe Urſache eine beſtimmte Wirkung 
hervorbringen müſſe oder hervorzubringen ſtrebe (a). Dieſe ein⸗ 
fachen Geſetze können, wie die der Naturwiſſenſchaft, durch 
einen Ausdruck in mathematiſcher Form verdeutlicht werden (5). 
Sehr oft aber treffen mehrere Urſachen, es ſei nun ſich wider—⸗ 
firebend oder unterftügend, zufammen, weßhalb dann die Wirs 
fung feiner einzelnen rein und vollftändig erfcheint; entweder 
wird die fchwächere Urfache von der ftärferen überwältigt, fo 
daß jene nur ein erfolglofed Beftreben wahrnehmen läßt, ober 
es entfteht eine Wirfung zufammengefepter Art, in der man den 
Einfluß mehrerer fich befchränfender Kräfte erkennt. Daher gilt 
jedes volfdwirthfchaftliche Geſetz nur unter der Vorausſetzung, 
daß feine Störung durch andere Urfachen eintrete (c), und zeigt 
ſich in der Wirflichkeit nur als eine Regel, welche Ausnahmen 
zuläßt (d). Je mehr Fälle gleicher Art beobachtet werden, deſto 
mehr fommt die Herrichaft ded auf jene ſich beziehenden Geſetzes 
zum Borjchein, wie dieß 3. B. auch bei den nur im Großen 
zutreffenden Gefegen für die Geburts- und Sterbfälle der Diens 
ſchen flattfindet. Es giebt Bälle, wo fih Faum im Voraus 
erfennen läßt, was geichehen, d. h. welches Geſetz eintreten 
werde, weil ed auf Antriebe und Neigungen der Menſchen ans 
fommt, deren Stärfe äußerlich nicht erfennbar ift. 


(a) 3. 8. daß die weite Berfendung einer Waare, befonders zu Lande, bie 
Koften erhöht, — daß die Capitale fih der einträglichften Anlegung 
zuwenden, — baß eine reiche Ernte den Preis der Früchte erniedrigt. 

(5) Der Gebrauch algebraiicher Formeln ift von Canard angefangen, von 
Lang, Krönde, Er. Buquoy u. A. nadhgeahmt, von Say u. N. 
getadelt worden. Manche Lehrfäge, die fih auf zählbare Dinge be: 
ziehen, Fönnen vermittelt einfacher Formeln anfchaulicher und kürzer 
ausgedrücdt werden, als in der Schriftiprache, während für diefen Be: 
Huf fehr zufammengefegte Formeln minder nüglih find, weil es bei 
ihnen ſchwer wird, die Bedeutung aller Buchſtaben im Gedaͤchtniſſe zu 
behalten. Indeß geben mande Begenflände der volitifchen Defonomie 
auch zu mathematifchen Unterfuhungen Anlaß, die fi ohne arithme⸗ 
tifche Zeichen nicht wohl‘ mittheilen laſſen, 3. B. bei X. Cournot, 
f. $. 45 (q. — Auch Scialoja (Prineipj S. 357) erwartet noch 
großen Nuten aus einer mathematifchen Behandlung volkswirthfchafts 
liher Gegenſtaͤnde. 


—— 10 — 


(e) Mit diefer Darftelung übereinftimmend J. St. Mill, Essays on some 
unsettled questions of polit. eo. 1844. ©. 144. — Gegrüntete Er: 
innerungen gegen das zu weit getriebene Beflteben, die volfswirthichaft: 
lien Lehren zu vereinfachen, woraus nothwendig Einfeitigfeit, Ent: 
fernung von den Ergebniſſen reifer Erfahrung und die Gefahr, zu un: 
praftiihen Regeln verleitet zu werden, entfpringen, bei Malthus, 
Prineiples of polit. econ., introduct. ©. 

(a) 3. B. in dem zweiten und dritten der Sen (a) angegebenen Belege: 

. die Ergreifung des einträglichiten Gewerbes kann durch äußere Um: 
fände, — das Sinken der Fruchtpreife von Speculationgfäufen, Krieges 
gefahr ıc. verhindert werden. 


su. 


Es entfteht hiebei die Frage, wie ſolche voltswirthſchaftliche 
Geſetze möglich ſeien, während doch von den verſchiedenen Vors 
ftellungen, Neigungen und Abfichten der in ihrem Willen freien 
Menfchen, von den verfchiedenen Belchaffenheiten der Länder 
und den wechfelnden Naturereignifien die größte Manchfaltig- 
feit in den volfdwirthichaftlichen Erfcheinungen einzelner Länder 
und Zeiten bewirkt wird. Bei näherer Betrachtung läßt ſich 
das Walten allgemeiner Urfachen erfennen, weldye in der Hand» 
lungsweife der Menfchen eine gewiffe Gleichförmigfeit hervors 
bringen. Sie beruhen: 

1) auf den: Geſetzen der Körperwelt, nad) denen die vers 
ſchiedenen Arten fachlicher Güter entftehen, fic) verändern und 
zerflört werden. Die auf foldye Zwede gerichteten menfchlichen 
Thätigfeiten müflen ſich auf diefe Raturgefege ftügen und daher 
fo lange in gleicher Weife ausgeübt werden, als nicht Forts 
fhritte in der Naturfenntniß oder in der Anwendung derfelben 
gemacht werden (a); 

2) auf dem unwanbelbaren Berhältniffe des Menfchen zu 
den fachlichen Gütern, ald den unentbehrlicyen Hülfsmitteln zur 
Erreichung feiner meiften Zwede. Daher ift die Erlangung, 
Erhaltung und Benugung fachlicher Güter Gegenftand eines 
gleichmäßigen allgemeinen Beftrebend ($. 7. Nr. 1.) und bie 
aus diefem Zwed der ganzen Wirthfchaft fließenden wirthfchafts 
lihen Regeln (5) machen ſich nothiwendig im Großen geltend (c), 
obfhon im Einzelnen die Bebürfniffe und ihre Befriedigungs- 
mittel ſich verfchiedentlich geftalten und auch andere, nament- 
ih höhere, überfinnliche Beweggründe vielfältig ihren Einfluß 
behaupten (d). 


— 1 — 


(0) 8. B. das Aufwachſen nutzbarer Pflanzen mit Hülfe des Nahrungs⸗ 
ſtoffes im Boden und in ber Atmoſphaͤre, die Entflehung von Milch, 
Fleifch und Fett aus der Nahrung der Hausthiere, der Bedarf an Brenn: 
floffen zum Schmelzen des Glaſes und Eifens ıc. 


(65) 3. 3. der Lohnarbeiter verlangt einen Lohn, der feinen Unterhaltsbe- 
darf bedt, der Gewerbemann will feine Unternehmung mit Verluſt bes 
treiben, der Verkäufer fucht den beften Erlös sc. 


(c) Es erhellt hieraus, daß die Gelege der Volfswirthfchaft mit der Wil: 
lensfreiheit der Menfchen wohl vereinbar find und darum, weil man fie 
natürliche nennt, feineswegs blos auf die Nothwendigkeit der willen: 
lofen Natur bezogen werden dürfen. 


(A) Die wirthſchaftlichen Beftrebungen der Menſchen äußern fih zwar in 
verfchiedenen Ländern und Zeiten auf ungleihe Weife, die Grundver⸗ 
bältniffe bleiben jedoch die nämlichen und es giebt deshalb Geſetze, die 
von dem Wechſel jener Umſtaͤnde unabhängig find. 


$. 12. 


Die volfewirthfchaftlichen Lehrfäge müflen immer aus ber 
Erfahrung abgeleitet werden. Dieß kann auf einem doppelten 
Wege gefchehen: 

1) indem man von den ſich gleid) bleibenden Neigungen und 
Abfichten der Menfchen im Allgemeinen ($: 11.) ausgeht, und 
unterfucht, welche Handlungsweife und welche Folgen unter ges 
wiffen Umftänden hieraus zu erwarten find; 

2) indem man ſich an befondere hiftorifche und ftatiftifche 
Thatfachen hält, ihre Urfachen erforfcht und hieraus allgemeine 
Sefege zu bilden fucht (Induction). Viele Sätze find auf 
diefem Wege zuerft aufgefunden worden. Man muß inbeß bei 
der Benugung beffelben fehr vorfichtig zu Werke gehen, um nicht 
voreilig auf falfche Folgerungen zu gerathen (a). Weil nämlid) 
in jedem gegebenen Balle eine eigenthümliche Verknüpfung mand)- 
faltiger Umftände obwaltet, fo kann man mit Sicherheit aus 
einer einzelnen Thatſache noch feine Regel bilden, fondern nur 
aus mehreren mit einander übereinftimmenden Erfahrungen 
gleicher Art, wenn zugleich die Richtigfeit der Thatunftände 
außer Zweifel gefegt ift und biefelben fo vollftändig befannt 
find, daß man den Einfluß der verfchiedenen gleichzeitig einwirs 
fenden Urfachen zu unterfcheiden vermag. Was auf diefe Weife 
bei forgfältiger Unterfuchung ald Geſetz erfcheint, muß dann erſt 
mit jenen allgemeinen Erfahrungsfägen (1) vergfihen und nad) 
ihnen geprüft werben. 


(a) Die politifche Oekonomie bietet viele Beifpiele ſolcher einfeitiger Folge: 
rungen, indem man fi, um gewiſſe Erfcheinungen zu erklären, nur on 


— 10 — 


(e) Mit dieſer Darſtellung uͤbereinſtimmend J. St. Mill, Essays on some 
unsettled questions of polit. eo. 1844. S. 144. — Gegründete Er: 
innerungen gegen das zu weit getriebene Beftreben, die volfswirthichaft: 
lichen Lehren zu vereinfachen, woraus nothwendig @infeitigfeit, Ent: 
fernung von den Grgebuiflen reifes Erfahrung und bie Gefahr, zu un: 
praftifhen Regeln verleitet zu werden, entipringen, bei Malthus, 
Principles of polit. econ., introduct. ©. t. 6. 

() 83. B. in tem zweiten und dritten der oben (a) angegebenen Gelege: 

. die Ergreifung des einträglichfien Gewerbes fann durch Äußere Um: 
fände, — das Sinken der Fruchtpreife von Speculationstäufen, Krieges 
gefahr ıc. verhindert werden. 


8. 11. 


Es entfteht Hiebei Die Frage, wie ſolche volfswirthichaftfiche 
Gefege möglich feien, während doch von den verfchiedenen Vor⸗ 
ftellungen, Neigungen und Abfichten der in ihrem Willen freien 
Menfchen, von den verfchiedenen Belchaffenheiten der Länder 
und den wechfelnden Raturereigniffen die größte Manchfaltig⸗ 
feit in den volfswirthfchaftlichen Erfcheinungen einzelner Länder 
und Zeiten bewirkt wird. Bei näherer Betrachtung läßt füch 
dad Walten allgemeiner Urfachen erkennen, welche in der Hands 
lungsweiſe der Menfchen eine gewifle Gleichförmigfeit hervors 
bringen. Sie beruhen: 

1) auf den: Gefegen der Körperwelt, nad) denen bie vers 
fchiedenen Arten fachlicher Güter entftehen, ſich verändern und 
zerftört werden. Die auf ſolche Zwede gerichteten menfchlichen 
Thätigkeiten müffen fi) auf diefe Naturgefebe ftügen und daher 
fo lange in gleicher Weife ausgeübt werben, als nicht Worte 
fohritte in der Naturfenntniß oder in der Anwendung berfelben 
gemadjt werden (a); 

2) auf dem unmwanbelbaren Berhältniffe des Menfchen zu 
ben fadhlichen Gütern, ald den unentbehrlicdyen Hülfdmitteln zur 
Erreichung feiner meiften Zwede. Daher ift die Erlangung, 
Erhaltung und Benugung fachlicher Güter Gegenftand eines 
gleichmäßigen allgemeinen Beftrebend ($. 7. Nr. 1.) und bie 
aus diefem Zwed der ganzen Wirthfchaft fließenden wirthſchaft⸗ 
lichen Regeln (5) machen fidy nothiwendig im Großen geltend (ec), 
obfhon im Einzelnen die Bebürfniffe und ihre Befriedigungss 
mittel ſich verfchiedentlich geftalten und auch andere, nament- 
lich höhere, überfinnliche Beweggründe vielfältig ihren Einfluß 
behaupten (d). 


— 1 — 


(G) 8. B. das Aufwachſen nutzbarer Pflanzen mit Hülfe des Nahrungs⸗ 
ſtoffes im Boden und in ber Atmofphäre, die Entſtehung von Milch, 
Fleifh und Fett aus der Nahrung der Hausthiere, der Bedarf an Brenn: 
floffen zum Schmelzen des Glaſes und Eifens ıc. 


(6) 3. B. der Lohnarbeiter verlangt einen Lohn, der feinen Unterhaltsbe- 
darf deckt, der Gewerbemann will feine Unternehmung mit Berluf bes 
treiben, der Verfäufer fucht den beften Erlös ıc. 

(0) Es erhellt Hieraus, daß die Geſetze der Volfswirthfchaft mit der Mil: 
lensfreiheit der Menichen wohl vereinbar find und darum, weil man fie 
natürliche nennt, feineswegs blos auf die Nothwendigkeit der willen: 
ofen Natur bezogen werden dürfen. 


(q; Die wirthichaftlichen Beſtrebungen der Menichen äußern fich zwar in 
verfchiedenen Ländern und Zeiten auf ungleiche Weile, die Gruntver: 
hältniffe bleiben jedoch die nämlichen und es giebt deshalb Geſetze, die 
von dem Mechſel jener Umflände unabhängig find. 


8. 12. 


Die volfswirthfchaftlichen Lehrfäge müffen immer aus ber 
Erfahrung abgeleitet werden. Dieß Tann auf einem doppelten 
Wege geichehen: 

1) indem man von den ſich gleid) bleibenden Neigungen und 
Abfichten der Menfchen im Allgemeinen ($: 11.) auögeht, und 
unterfucht, welche Handlungsweife und welche Bolgen unter ges 
wiffen Umftänden hieraus zu erwarten find; 

2) indeın man fi) an befondere hiftorifche und ftatiftifche 
Thatfachen hält, ihre Urfachen erforfcht und hieraus allgemeine 
Geſetze zu bilden fuht (Induction). Viele Säge find auf 
biefem Wege zuerft aufgefunden worden. Man muß inbeß bei 
der Benugung beffelben fehr vorfichtig zu Werke gehen, um nicht 
voreilig auf falfche Folgerungen zu gerathen (a). Weil nämlid) 
in jebem gegebenen Falle eine eigenthümliche Verfnüpfung manch—⸗ 
faltiger Umftände obwaltet, fo fann man mit Sicherheit aus 
einer einzelnen Thatſache noch Feine Regel bilden, fondern nur 
aus mehreren mit einander übereinftimmenden Erfahrungen 
gleicher Art, wenn zugleich die Richtigkeit der Thatumftände 
außer Zweifel gefegt ift und diefelben fo vollftändig befannt 
find, daß man den Einfluß der verfchiedenen glerchzeitig einwir⸗ 
fenden Urfachen zu unterfcheiden vermag. Was auf diefe Weife 
bei forgfältiger Unterfuchung als Gefeß erfcheint, muß dann erft 
mit jenen allgemeinen Erfahrungsfägen (1) vergfichen und nad) 
ihnen geprüft werben. 


(a) Die politifhe Oekonomie bietet viele Beifpiele ſolcher einfeitiger Folge⸗ 
mungen, indem man fh, um gewiſſe Ericheinungen zu erklären, nur an 


— 10 — 


(e) Mit dieſer Darſtellung uͤbereinſiimmend J. St. Mill, Essays on some 
unsettled questions of polit. ec. 1844. S. 144. — Gegruͤndete Er: 
innerungen gegen das zu weit getriebene Beftreben, die volfswirthichaft- 
lihen Lehren zu vereinfachen, woraus nothwendig Einſeitigkeit, Ent⸗ 
fernung von den Grgebuiflen reifer Erfahrung und bie Gefahr, zu un 
praftifhen Negeln verleitet zu werben, entfpringen, bei Malthus, 
Principles of polit. econ., introduct. ©. 1. 

(d) 3. B. in tem zweiten und dritten ber —8 (a) angegebenen Geſetze: 

. die Ergreifung des einträglichiten Gewerbes kann durch aͤußere Um: 
fände, — das Sinken der Fruchtpreiſe von Speculationokaͤufen, Kriegs⸗ 
gefahr ıc. verhindert werden. 


su 


Es entfteht hiebei die Frage, wie folche voltswirthſchaftiche 
Geſetze moͤglich ſeien, waͤhrend doch von den verſchiedenen Vor⸗ 
ſtellungen, Neigungen und Abſichten der in ihrem Willen freien 
Menſchen, von den verſchiedenen Beſchaffenheiten der Länder 
und den wechſelnden Naturereigniſſen die größte Manchfaltig⸗ 
feit in den volföwirthfchaftlichen Erfcheinungen einzelner Länder 
und Zeiten bewirkt wird. Bei näherer Betrachtung läßt ſich 
dad Walten allgemeiner Urſachen erfennen, welche in ber Hands 
lungsweiſe der Menfchen eine gewiſſe Gleichförmigfeit hervor⸗ 
bringen. Sie beruhen: 

1) auf den: Gefegen der Körpermwelt, nad) denen bie vers 
fchiedenen Arten fachlicher Güter entftehen, ſich verändern und 
zerftört werben. Die auf folche Zwecke gerichteten menfchlichen 
Ihätigfeiten müffen ſich auf diefe Naturgefege ftüben und daher 
fo lange in gleicher Weife ausgeübt werden, als nicht Korts 
fhritte in der Naturfenntniß oder in der Anwendung derfelben 
gemacht werden (a); 

2) auf dem unmwandelbaren Berhältniffe des Menfchen zu 
ben ſachlichen Gütern, ald den unentbehrlidhen Hülfdmitteln zur 
Erreihung feiner meiften Zwede. Daher ift die Erlangung, 
Erhaltung und Benugung fachlicher Güter Gegenftand eines 
gleichmäßigen allgemeinen Beftrebend ($. 7. Nr. 1.) und bie 
aus diefem Zwed der ganzen Wirthichaft fließenden wirthfchafts 
lichen Regeln (6) machen ſich nothwendig im Großen geltend (c), 
obſchon im Einzelnen die Bebürfniffe und ihre Befriedigungs— 
mittel ſich verfchiedentlicy geftalten und auch andere, naments 
lich höhere, überfinnliche Beweggründe vielfältig ihren Einfluß 
behaupten (d). 


— 11 — 


(a) 83. B. das Aufwachen nupbarer Pflanzen mit Hülfe des Nahrungs: 
ſtoffes im Boben und in ber Atmofphäre, die Gntſtehung von Milch, 
Fleiſch und Fett aus der Nahrung der Hausthiere, der Bedarf an Brenn- 
floffen zum Schmelzen des Glafes und Eifens ıc. 


(6) 3. B. der Lohnarbeiter verlangt einen Kohn, der feinen Unterhaltsbe⸗ 
darf deckt, der Gewerbemann will feine Unternehmung mit Verluſt bes 
treiben, der Verkäufer fucht den beflen Erlös ıc. 


(c) Es erhellt Hieraus, daß die Geſetze der Volkswirthſchaft mit der Mil: 
lensfreiheit der Menfchen wohl vereinbar find und darum, weil man fie 
natürliche nennt, feineswegs blos auf die Nothwendigkeit der willen: 
lofen Natur bezogen werben bürfen. 


(d) Die wirthichaftlihen Beftrebungen der Menfchen äußern fih zwar in 
verfchiedenen Ländern und Zeiten auf ungleiche Weite, die Gruntver: 
hältniffe bleiben jedoch die nämlihen und es giebt deshalb Geſetze, bie 
von dem Wechfel jener Umſtaͤnde unabhängig find. 


8. 12. 


Die volkswirthfchaftlichen Lehrfäge müffen immer aus ber 
Erfahrung abgeleitet werden. Dieß kann auf einem doppelten 
Wege gefchehen: 

1) indem man von ben ſich glei, bleibenden Neigungen und 
Abfichten der Menfchen im Allgemeinen ($: 11.) ausgeht, und 
unterfucht, welche Handlungsweiſe und welche Folgen unter ges 
wiffen Umftänden hieraus zu erwarten find; 

2) indem man fi) an befondere hiftorifche und ftatiftifche 
Thatfachen hält, ihre Urfachen erforfcht und hieraus allgemeine 
Gefege zu bilden fuht (Induction) Diele Säge find auf 
biefem Wege zuerft aufgefunden worden. Man muß indeß bei 
der Benutzung deſſelben fehr vorfichtig zu Werke gehen, um nicht 
voreilig auf falfche Folgerungen zu gerathen (a). Weil nämlich 
in jedem gegebenen Falle eine eigenthümliche Verfnüpfung manch» 
faltiger Umftände obwaltet, fo fann man mit Sicherheit aus 
einer einzelnen Thatſache noch Feine Regel bilden, fondern nur 
aus mehreren mit einander übereinftimmenden Erfahrungen 
gleicher Art, wenn zugleich die Richtigkeit der Thatumftände 
außer Zweifel gefegt ift und diefelben fo vollftändig befannt 
find, daß man den Einfluß der verfchiedenen gleichzeitig einwirs 
fenden Urfachen zu unterfcheiden vermag. Was auf diefe Weife 
bei forgfältiger Unterfuchung als Gefeg erfcheint, muß dann erfl 
mit jenen allgemeinen Erfahrungsfägen (1) verglichen und nad) 
ihnen geprüft werben. 


(a) Die politifhe Oekonomie bietet viele Beiſpiele folcher einfeitiger Folge⸗ 
rungen, indem man fi, um gewifle Erſcheinungen zu erklären, nur ou 


— 14 — 


letzung ber Rechte verleitet, wenn ſich feine mit der gefeglichen 
Ordnung verträglichen Mittel zur Befriedigung der Beduͤrfniſſe 
darbieten. Die Maaßregeln der Staatögewalt im Gebiete der 
Rechtöpflege und Polizei vermögen daher die innere Sicherheit 
nicht gehörig zu befeitigen, wenn nicht allen Bürgern Gelegen- 
heit gegeben ift, dad Nöthige durch ihre Arbeit zu erlangen. 
Mit der Zunahme ded allgemeinen Wohlftandes wädhft auch 
die Achtung des Eigenthums und ber Rechte überhaupt. 

2) Ein reichliches Vermögen bietet Hülfsmittel dar, um alle 
diejenigen Beitrebungen zu unterflügen, deren Srüchte da8 Leben 
verfhönern und veredeln. Mit dem Wohlftande der Völker 
pflegt die Ausbildung des Geifted, die Erweiterung und Vers 
breitung der Kenntniffe, die Läuterung des Sinned für das 
Schöne Hand in Hand gehen, und e8 befteht, wie die Gefchichte 
bezeugt, zwifchen Reichthum und Bildung eine innige Wechfel 
wirkung. Künfte und Wiffenfchaften finden bei armen Bölfern 
zu wenig Empfänglichfeit und ‘Pflege, und wie fie in reicheren 
Ländern gedeihen, fo zieht ihre Blüthe auch wieder Bortfchritte 
in den Gewerben nach fidy (a). 

3) Fleiß und Sparfamfeit, die maͤchtigſten Mittel, um zum 
Wohlftande zu gelangen, find auch der fittlichen Veredlung ber 
Menſchen günftig und diefe gewinnt, indem jene von der Res 
gierung befördert werben. 


(a) „Die Seichichte kennt auch nicht ein einziges Volk, welches unthätig, 

arm und cultivirt zu gleicher Zeit geweſen wäre; fie fennt fein edles 
Bolf, das nicht im Schooße der Wohlhabenheit lebte, den eigene In⸗ 
duftrie fchuf.” Lueder, Ueber Nationalinduftrie, I, XXVIL — Aus: 
führung dieſer Säge bei Uhde, Nat.⸗Oek. L, 131. 


$. 15. 


4) Dan hat öfterö befürchtet, die Beförderung ded Gewerbfleißes 
möchte den Erwerbseifer zu ſehr verftärfen und eine dem fittlichen 
Eharafter verberbliche Gewinnfucht erregen. Soldye Erjcheinungen 
bleiben freilich nicht ganz aus, allein es ift Dagegen zu beden⸗ 
fen, daß auch die Dürftigfeit nicht felten ein Hinderniß edler 
Geſinnung wird, daß bei ber vielfeitigen Entwidlung der Ges 
felfchaft neue Gefahren für bie Reinheit der Gefinnung nicht 
vermieden werben können, baß aber ſowohl die Bolfdbildungs, 
forge des Staated ald die Kirche dahin ftreben müflen, bie 


Bürger anderen und höheren Angelegenheiten zuzuwenden und 

von der Habfucht abzuziehen (a). 

5) Der Wohlftand der Bürger ſetzt auch die Regierung in 
den Stand, mehr Einkünfte zu beziehen und vermittelft derfelben 
für alle öffentlihen Zwecke nachdruͤcklicher thätig zu fein. 

(a) Die Alten waren mehr darauf bedacht, die Bebürfniffe zu vereinfachen 
und den Hang nach Gütergenuß zu bekämpfen, während man in neuerer 
Zeit es vorzieht, dieſen Hang ale Sporn zum NArbeitsfleige zu benutzen 
und fo feine Befriedigung auf unſchaͤdliche Weife zu erleichtern. Vgl. 
Pecchio, Storia della econ. publ. S. 29%. — Droz Econ. pol. 
©. 282. — Mit ben oben erwähnten Ginwürfen hängt die oft ver 
nommene Anfinge gegen unfer Zeitalter zuſammen, als hege dieſes eine 
unwürdige Vorliebe für die fogen. materiellen Interefien, d. h. Die 
wirthichaftlihen Beftrebungen. Wahr it es, daß dieſe allgemeinere 
Theilnabme finten, als jemals, daß fie mit mehr Ginfidht verfolgt 
werden und reichlichere Fruͤchte bervorbringen, als früher, allein biete 
Früchte finden audy viele wohlthätige Anwendungen, fie haben es mög- 
lih gemacht, die Lage der unterften Schichten der Geſellſchaft zu vers 
beſſern, die Bildungsmittel zu vervielfältigen und überhaupt laßt ſich 
feineswegs beweilen, daß die Selbſtſucht auf Koften befierer Gefühle . 
ugenommen habe. — Iene Vorwürfe find von Yallati (Ueber die 
—* materielle Tendenz der Gegenwart, Tuͤb. 1842) und Dunoyer 
(Journal des Economistes, Nr. 19. Juni 1843) widerlegt worden, 
ſ. auch Baftiat ebd. X, 209 (1845) gegen Lamartine. 


$. 16. 


Die Aufgabe der Regierung in Bezug auf die Verforgung 
mit fachlichen Gütern ift eine doppelte ($. 4.): 

1) Beförderung der wirtbfchaftlichen Zwede des 
Volks. Es liegt weder in den Kräften nody in den Pflichten 
ber Regierung, die Wirthfchaft jedes Staatöbürgersd unter ihre 
Auffiht und Leitung zu nehmen, aber die Volfswirthfchaft im 
Ganzen und in ihren Zweigen (a) bedarf einer Einwirfung von 
Seite der Staatögewalt, damit fie in ſolchen Fällen von Hin- 
berniffen befreit und befördert werde, wo die Bemühungen der 
Einzelnen feinen befriedigenden Erfolg haben, und bamit fie 
ferner auf die wirthfchaftliche Wohlfahrt Aller im Staate hin⸗ 
gelenkt und mit den Zweden befelben in Uebereinftimmung ge, 
bradyt werde (B). 

2) Befriedigung der eigenen Bedürfniffeder Res 
gierung, welde, um für dad Wohl der Gefammtheit nachs 
druͤcklich zu wirken, ſich in den Belig eined Vorraths von mas 
teriellen Mitteln fegen und folglich eine Wirthſchaft führen muß, 
$.5. Diefe Regierungswirthſchaft (Binanzwefen) 


— 16 — 


iſt deßhalb auf das Genaueſte mit der Volkswirthſchaft ver⸗ 
flochten. 


(a) 3. B. der Handel, die Forſtwirthſchaft sc. 

(8) Es leidet keinen Zweifel, daß auch durch freie Bereinigungen der Bürs 
er manche Zwecke erreicht werden können, teren Berfolgung fonft ber 
taatsgewalt obliegt. Der Gemeinfinn bat in Kleinen und größeren 

Verbindungen viel Treffliches geichaffen und die Regierungen mancher 
Mühe überhoben. Seine MBirtungen find darum, weil er in vielen 
Fällen mit dem richtig verflantenen Privatvortheile zufammentrifft, nur 
befto dauernder und ausgebreiteter; indeſſen müflen ſolche Anfalten 
unter der Oberauffiht der Staatsgewalt fliehen. Es kann in allen 
Zweigen der Regierungsthätigfeit vortommen, daß Privaten, die fih auf 
einen höheren Standpunct flellen, aus eigenem Antriebe im Interefle 
der Gefammtheit handeln. Bgl. Hermann, Staatswirthſch. Unter: 
fuhungen, ©. 15. — Rafthofer, Der Lehrer im Walde, I, 7. $. 4. 
„von der Bemeinnügigfeit.“ 


$. 17. 


Der praftifche Theil der politifchen Defonomie oder die 
wirthſchaftliche Staatsflugheitslehre (wirthichaftliche 
Politik) begreift demnady nothwendig zwei Abfchnitte in fich: 

1) die Volkswirthſchafts-Politik, d. i. die Lehre 
von der Volkswirthſchaftspflege oder Wohlſtands— 
forge (a). Die hierher gehörigen Regierungdmaaßregeln waren 
fonft unter den Benennungen Wirthſchafts⸗, Gewerbbz, 
Bevölferungsd>, Armen-Polizei x. in dem weiten Ums 
fange der Polizei zerftreut; neuerlid hat man ſie als ein feft 
verbundened Ganzes, weldyed ſich genau an das Syſtem ber 
Volkswirthſchaftslehre anfchließt, zu betrachten gelernt. Die 
Volkswirthſchaftspolitik wird von vielen Schriftftellern noch forts 
während als Theil der PBolizeiwiffenichaft im weiteren Sinne 
angejehen, aber bei einer genauen Unterfcheidung der verfchiedes 
nen Staatözwede und der auf diefelben gerichteten Regierung: 
thätigfeiten gelangt man zu einer engeren Begränzung der Pos 
lizei, welcher fi fodann die Bolköwirthfchaftöpflege ald ein 
felbftfländiger Regierungdzweig zur Seite ftellt, II, 8. 6a; 

2) die Lehre von der Regierungs wirthſchaft oder bie 
Sinanzwiffenfhaft, die audy im engeren Sinne des Wortd 
Staatswirtbfchaftslehre genannt worden if. 


(a) In Deutfchland werben oft die Volfswirthfchaftslehre und die Volke: 
‚wirthfchaftspolitif zufammengenommen durch die Benennungen Nationals 
wirthſchaftslehre, Nationalötonomie, bezeichnet. Letzterer Ausprud wurde 
ſchon 1774 von dem italienifhen Schrififteller Ortes gebraucht (econo- 
mis nazionale), in Deutfchland führten ihn 1805 gleichzeitig v. Jakoh 


und Graf v. Soden ein, den Franzoſen und Gngländern aber ift er 
unbefannt, auch erfennen beide feine weitere Gintheilung der politiichen 
Delonomie in beflimmte Haupttheile mit befonderen Benennungen an. 
Jener Gebraud des Wortes Nationalökonomie in einem weiteren 
Sinne ift ſchon nicht zu billigen, noch weit mehr aber ſchadet die wirks 
liche Verſchmelzung der beiden unter ihm begriffenen Theile, alſo das 
Durcheinandermengen theoretifcher und praftifcher Lehren. Unpaflend ift 
es, die Berbindung diefer beiten Theile ınit dem Namen Staats: 
wirthſchaftslehre zu belegen, der dem Wortverftante nach dieſe 
Zedentung nicht haben kann. Vg 1. Mau, Ueber die Kameralwiflenid. 

33. — ga mige nennen die Boltswirthfhaftspflege Staatswirth- 
haft 3. B. Pdlig und Bülau. 


$. 18. 


Der Güterverkehr der Menfchen erftredt ſich über die Graͤnzen 
ded einzelnen Staated hinaus und verbindet mehrere Länder, 
jelbft mehrere Erbtheile mit einander. Es läßt ſich daher eine 
große Weltwirthfchaft annehmen, die wenigftend alle gebildeteren - 
Voͤlker der Erde umfchlingt. Diefelbe ift jedody nur ein größeres 
Ganzes, nicht eine Wirthfchaft einer noch höheren Ordnung, 
weil nicht die Völfer oder Staaten im Ganzen, fondern nur die 
Einzelnen in jenem weiteren Berfehre ftehen und diefer nicht fo 
lebhaft ift, daß die Wirthfchaften der Völker fi) innig durch» 
bringen, in vollftändige Wechfelwirfung treten und Ergebniffe 
hervorbringen könnten, die für alle gemeinfchaftlich wären. Daher 
giebt ed neben der bürgerlichen und Staatswirthſchaftslehre kei⸗ 
nen britten Thefl, der aus der Wiflenfchaft von jener Welt⸗ 
wirthfchaft beftände. 


8. 19. 

Es laſſen fi) mehrere Urfachen angeben, aus benen ber 
Verkehr zwifchen den Ländern nicht fo mandhfaltig und fo flarf 
fein fann, wie zwifchen den Familien und anderen wirthſchaft⸗ 
lihen Bereinen in einem Bolfe. 

1) Durch das Beifammenleben der Menfchen in einem Lande 
werden die wirthfchaftlichen Verbindungen fehr erleichtert, bie 
Entfernung dagegen hat größere Koften, Gefahren und Schwies 
rigkeiten des Uebergangs von Sachgütern und Perfonen in an- 
bere Laͤnder zur Folge. 

2) Die Gemeinfchaft der Sprache und der Sitten in einem 
Bolfe (a), ferner die vielen perfönlichen Verbindungen und Be 
rührungen unter den Bürgern eined Staated wirken auf ähns 
lie Weife. 


Rau, polit. Deton. I. 7. Ausg. 2 


— 18 — 


3) Die Gleichfoͤrmigkeit der Gefege, Münzen, Maaße, ferner 
die zahlreichen Straßen und manche andere Staatdeinrichtungen 
gewähren bem inneren Verkehr Schutz und Erleichterung, fowie 
auch die Maaßregeln der Volkswirthſchaftspflege viel bazu bei- 
tragen, ber Volföwirthfchaft inneren Zufammenhang und Ab» 
fonderung gegen außen zu geben. 


(a) Borausgefeht, daß bie Strtesrange auch die Völker im Sinne ber Ab⸗ 
flammung heidet, §. 4 


8. 20. 


Viele Lehrſaͤtze der Volkswirthſchaftslehre gelten ganz im 
Allgemeinen von dem Guͤterverkehre der Menſchen, ohne ſich auf 
die Abgränzung der Staatsgebiete zu beziehen; z. B. die Lehre 
vom Werthe und Preiſe, von den Arten der bürgerlichen Eins 
fünfte, von dem Wefen ded Geldes, des Credits. Diele andere 
Lehren dagegen fegen ganz weſentlich die Rüdficht auf ein bes 
ſonderes (nur nicht gerade auf irgend ein beftimmted) Land 
voraus, 3. B. die Unterfuhungen über die Menge des umlau- 
fenden Geldes, über das Berhältniß zwifchen Eins und Aus⸗ 
fuhr, über da8 Gleichgewicht zwifchen Erzeugung und Berzehs 
rung, die Wirkungen der Volksvermehrung ıc. (a). Die Lage, 
Naturbefchaffenheit, Bevölkerung des Landes, die herrfchenden 
Gewerbe, der Handel mit anderen Bölfern, der gefchichtlicy nach⸗ 
zumeifende Entwidlungsgang und dergl. geben der Volkswirth⸗ 
Schaft in jedem Staate eine Befonderheit, weldye auch von jeder 
Regierung jorgfältig aufgefaßt und bei ihren Befoͤrderungs⸗ 
maaßregeln berüdfidhtigt werden muß. Die Volkswirthſchafts⸗ 
lehre hat die verjchiedenen Geftaltungen dieſer wirthichaftlichen 
Verhältniffe zu unterſuchen; betrachtet fie neben dem inneren 
auch den auswärtigen Verkehr eined Volkes nach feinen Bes 
dingungen und Wirkungen, fo fällt auch auf jene große, durch 
alle Erbtheile fich ziehende Wirthſchaft das nöthige Licht, und 
es bleibt nur noch die hiftorifchsftatiftifche Betrachtung berfelben 
zu wünfchen übrig (b). 


(a) —A der blos geſelligen und der ſtaatsgeſellſchaftlichen Oeko⸗ 
nomie, Schön, Neue Unterſ. ©. Doch würde eine Trennung ber 
—8— aftslchre in zwei fie Theile für die Erkenntniß nicht 
vortheilhaft ſein. 

(6) Rau, Ueber die Kameralwiflenih. ©. 29. Vgl. (v. Cancrin) Welt 
reichthum, Nationalreichthum und — Munchen, 1821. 


I. Aeußere Verhältniffe der politifchen Oekonomie. 


$. 21. 


Die Volkswirthſchaftspflege und die Regierungsmwirthichaft 
find Zweige der Regierungsthätigfeit oder der Staatöverwaltung 
im weiteren Sinne und ftehen neben ben auf andere Staats⸗ 
zwede gerichteten Gebieten jener Thätigfeit, welche theilö, wie 
die Juſtiz, Polizei und Bildungsforge, dad Gemeinwohl im 
Inneren bed Staates pflegen, theild, wie die Staatövertheis 
digung (Militärwefen) und die auswärtigen Verhandlungen, 
das Verhältniß eined Staated gegen dad Ausland ficher 
ftellen follen. Welche Zwede überhaupt die Staatögewalt vers 
folgen, wie weit fie für diefelben wirfen und was fie den Ein- 
zelnen überlafjen ſolle, dieß kann nicht auf gefchichtlichen Wege, 
fondern nur durch philofophifche Betrachtung erfannt werben. 
Man muß auf die Vernunftbeftimmung ded Menfchengefchlechts 
und bed Staatd zurüdgehen und hieraus dad Syſtem ber 
Staatözwede ableiten. Es ergiebt fich auf diefen Wege, daß 
ber Staat die Sicherheit (Beihügung) ber Gefammtheit und 
der Einzelnen gegen innere und Äußere Störungen erhalten, 
bie allfeitige Bildung befördern und auf die VBerforgung 
mit Sadhgütern hinwirken fol. Diefe Entwidlung fällt in 
dad Gebiet ber Staatswiffenfhaft oder Politik und 
zwar in ben philofophifchen oder idealen Theil derfelben, welcher 
die höchften praftifchen Gefege für das ganze Staatöleben auf: 
ftellt und mit der Wiffenfchaft der fittlichen Geſetzgebung für 
dad Privatleben (Sittens und Rechtslehre, Ethik) aus gleicher 
Duelle fließt. 

8. 22. 


Der praftifche Theil der politifchen Oekonomie entfpringt 
demnach aus einer Verbindung ftaatöwiffenfhaftlicher 
Grundfäge mit den Wahrheiten der Volkswirthſchafts— 
[ehre. Jene geben bie Zwecke an die Hand, welche die Regies 
rung fich vorfegen, und die Gränzen, innerhalb deren fie diefelben 
verfolgen fol, dieſe leiten die Auswahl ber beften hiezu dienlichen 
Mittel. Aus diefer doppelten Abſtammung ber wirthichaftlichen 
Politik folgt, daß fie nad) zwei Seiten hin Verwandtſchaften haben 

2° 


— 280 — 


muß. Sie iſt naͤmlich zugleich ein Theil der Staatswiſſenſchaft, 
und insbeſondere der Staatsklugheitslehre (Politik im 
engeren Sinne), welche ſich damit beſchäftigt, wie die allgemeinen 
Vernunftgebote in Bezug auf Verfaſſung und Verwaltung eines 
Staated unter gegebenen Umſtänden des Raumes und der Zeit 
am beften verwirklicht werden Eönnen. Sn der Verbindung mit 
. den anderen Theilen der Staatöverwaltungslehre werden ger 
wöhnlicdy die Grundſaͤtze der Volkswirthſchaftslehre und Finanz⸗ 
verwaltung nicht mit foldyer Ausführlichfeit abgehandelt, ald in 
der politifchen Defonomie (a), dagegen treten bei der Darftellung 
berfelben aus dem Gefichtöpunfte der Staatswiffenfchaft die all- 
gemeinen politifchen Rüdfichten mehr hervor. “Die Volkswirth⸗ 
ſchaftslehre dagegen ift Fein Theil der Staatöwiffenichaft im 
engeren, beftimmten Sinne, weldye die VBervollfommnung der 
Staaten nad) den Geboten der Vernunft zur Aufgabe hat, — 
wohl aber eine ihrer wichtigften Hülfslehren (5). 


(a) Bin ähnliches Verhaͤltniß findet bet mehreren Staateverwaltungsgegen: 
ftänden Statt. Die Staatewiflenfchaft muß das Binzelne der Strategie, 
Tattif, fowie des Feſtungsbaues und der Waffenlehre der Kriegskunſt 
überlaflen, aber aus ihr die allgemeinen Säge über die Herbeifchaffung 
der MBertheidigungsmittel, die verfchiedenen Arten der bewaffneten 
Macht sc. aufnehmen. Ebenſo muß das, was inter Polizeiwiſſenſchaft 
über die Befundheitspflege vorfommt, in der Medicin und Chemie 
begründet und weiter ausgeführt werten, und in berfelben Beziehung 
feht die Bolfsbildungslehre zur Pädagogik. 

(5) Bol. Poͤlitz, Die Staatswiffenichaften, II, 8. (2. Ausg. 1827.) — 
Hagen, Bon der Staatslehre, ©. 352. In dem Kreife der Staates: 
wiflenfhaften im weiteren Sinne, d. h. der fämmtlichen auf das Staate- 
leben fi beziehenden Erfenntniffe, wie verfchieden auch ihr Grund und 
giel fein mag, verdient allerdings auch die Bolkswirthfchaftslehre eine 
Stelle. ECiſelen (Handb. d. Syft. der Staatswifl. 1828.), Schmitt: 
benner (Zwölf Bücher vom Staate, I, 32. 1839.) und Stein (Syfl. 
d. Staatswifl. I. 1852) nehmen fie in das Gebiet der Staatswiflenichaft 
auf, weil diefe nad ihrer Anficht auch das Volfsleben darzuftellen hat. 


$. 23. 


In der politifhen Defonomie werden vielfältig die Lehren 
der bürgerlfihen Wirthfchaftslchre, Hauptfädhlidy der 
Gewerböfunde (Bergbaus, Land» und Korftwirthichaftälchre, 
Technologie und Handelslehre) benugt, weil 

1) viele gewerbliche Unternehmungen und Anftalten, 3. 2. 
bie verfchiedenen Arten des Landbaued, die Mafchinen, bie 
Wechſel und Banken ıc. genau erfannt fein müffen, wenn man 
ihre volfswirthfchaftlichen Wirkungen richtig erflären wil (a). 


— 21. — . 


Der Standpunc der Betrachtung ift allerdings ein ganz ver- 
ſchiedener; die Gewerbskunde lehrt, wie die Zweige des Gewerb⸗ 
fleißes für den Bortheil eines Unternehmers am nüßs 
lichften betrieben werben fönnen, während die Volkswirthſchafts⸗ 
lehre ſie als Glieder eines höheren Ganzen (der Volles 
wirthfchaft) anfieht und die in ihnen wahrzunehinenden Erfchei« 
nungen unter allgemeine Gefege bringt (b). 

2) Der praftifche Theil der politifhen Oekonomie ſtuͤtzt ſich 
ebenfalld vielfältig auf die Gewerböfunde, ſowohl um zur Bes 
förderung des Gewerbeweſens bie beften Maaßregeln zu finden, 
ald um von gewiffen Bewerben Einkünfte für die Regierung zu 
gewinnen. 


(a) Wenn aud jene Gewerbskenntniſſe mehr zur Erforſchung und Aufftel 
lung, als zum Berfländnig volfswirthichaftlicher Lehren erforderlih - 
find, fo tragen fie doch viel dazu bei, diefelben zu veranichaulichen. 

() Nach Mill (Srundfäße, I, 25) wird in der Gewerbskunde der wirth⸗ 
fchaftlihe Zufland der Nationen foweit betrachtet, als er auf naturwiſ⸗ 
fenfchaftliher Kenntniß berubt, in der politifchen Defonomie aber, ſo⸗ 
weit er aus moralifhen oder pfychologifhen Urſachen zu erflären ift. 
Dieß ift jwar ziemlih zutreffend, macht aber den wahren Unterfchieb 
nicht deutlich. " 


$. 24. 


Die Kenntniß der wirflichen Staaten wird aus ber Staas 
tengefhichte für den Lauf der Zeit, aus ber Staaten- 
funde (Statiftif) für einen einzelnen Zeitpunct erlangt. 
Die Gefchichte giebt Selegenheit, den Einfluß wechfelnder Um- 
ftände auf die Geftaltung der Volkswirthſchaft (a) und auch 
wieder den Einfluß der wirthfchaftlichen DVerhältniffe auf bie 
Ereigniffe in dem Staatdleben zu erkennen. Werner bietet fie, 
und indbefondere die für die Staatöverwaltung Iehrreichere neuere 
Staatengeſchichte, eine Bülle der fchäßbarften Erfahrungen dar 
über die günftigen oder nadhtheiligen Folgen der von den Re 
gierungen in Hinfiht auf wirthfchaftliche Angelegenheiten ges 
wählten Handlungsweiſe. Diele Belehrung ift deshalb um fo 
höher anzufchlagen, weil man überhaupt in der Staatöverwals 
tung felten Berfuche anftellen fann, ohne die Wohlfahrt des 
Staated zu gefährden, und fi) daher aus der Betrachtung frü- 
herer Fälle belchren muß. Uebrigens bringt die Gefchichte erft 
dann diefe Vortheile in vollem Maaße, wenn fie den Wirth» 
fhaftsangelegenheiten der Völker und Regierungen die gebüh- 


. —h — 


rende Aufmerffamfeit widmet und wenn biefe Gegenftände von 

den Gefchichtöforfchern mit Sachkenntniß behanbelt werben. Die 

Geſchichte des Gewerbfleißes greift am meiften in bie Volks⸗ 

wirthfchaftslehre ein (5). 

(a) Die geſchichtliche Betrahtung der Wirthfchaftsangelegenheiten im Staate, 
deren Nugen neuerlih von Knies (Die polit. Defon. vom Standpunct 
der geichichtlihen Methode, 1853) ausführlich gefchildert worben ift, 
läßt noch viele Ichrreiche Aufflärungen erwarten. Sie wird die allge: 
meinen volfswirthfchaftlichen Geſetze nicht befeitigen, fondern ihr Wal⸗ 
ten unter ben verfchiedenften Verhaͤltniſſen kenntlich machen. 

() ©. v. Guͤlich, Geſchichtliche Darftellung des Handels, der Gewerbe 
und bes Aderbaues der bedeutendften hanbeltreibenden Staaten unferer 
geit, Jena, 1830—45, V Bde. (fleißig gearbeitet und lehrreih). Gin 
älteres ſehr nuͤßzliches Werk ift: Fiſcher, Geſchichte des teutichen Han: 
dels, I. u. V. Bd. 2. Ausg. 1793. 1797. IL. u. IV. Bd. 1791. 1792 


$. 25. 


Die Statiftik enthält die fämmtlichen Thatfachen, welche 
den Zuftand der Staaten in einem gegebenen Zeitpuncte (ges 
wöhnlic in der Gegenwart) barftelen. Die Vermögendange- 
legenheiten nehmen unter den Gegenftänden der Statiftit eine 
beſonders wichtige Stelle ein, weil fie am leichteften einen Aus⸗ 
drud in Zahfen zulafen, der in jener Wiffenfchaft die Beftimmt:- 
heit und ®enauigfeit fehr befördert (a). Die ftatiftifchen An⸗ 
gaben über Hervorbringung, Bertheilung, Beſitz und Verzehrung 
ber fachlichen Güter in jedem Volke und über dad Finanzweſen 
find für die politifche Defonomie hoͤchſt nüslich, indem fte dienen, 
deren Lehren zu beftätigen, zu ergänzen, oder zu berichtigen oder 
auf befondere Bälle anzııwenden. Viele Ergebniffe der Statiftif 
fordern auch zur Erforfchung ihrer Urfachen auf und führen hies 
duch zu neuen flaatöwirthfchaftlichen Unterfuchungen. Dieß 
gilt befonderd von der Zufammenftellung ftatiftifcher Nachrichten 
über den nämlichen Gegenftand aus mehreren Ländern (vers 
gleihende Statiftif), wobei jedoch große Behutfamfeit 
nöthig ift, um wirklich Gleichartiges, Richtige Verftandened und 
Zuverläffiged neben einander zu ſetzen. Auch das Aneinanber- 
reihen von Angaben, welche die Veränderungen gewiſſer Ums 
ftände in einem und bdemfelben Lande von Jahr zu Jahr nad)- 
weifen, ift fehr fruchtbar. Wiederum gewährt auch die poli⸗ 
tifche Defonomie bei ben ftatiftifchen Korfchungen große Hülfe, 
weil fie die Gefihtöpuncte angiebt, nad) welchen die Thatſachen 


— 28 — 


geſammelt, gepruͤft und geordnet werden muͤſſen. Es iſt daher 
die Verbindung ſtatiſtiſcher und ſtaatswirthſchaftlicher Unter⸗ 
ſuchungen für beide Wiſſenſchaften ſehr fruchtbar (6). 

(a) Das nicht Zaͤhlbare iſt aber darum nicht weniger Gegenſtand der Sta⸗ 


(2) 


tiftit, welche, wenn fie nur auf Zahlen befchränft würde, ihren foflemas 
tiſchen Zufammenhang verlieren müßte. 

Bol. Ancillon, Zur Vermittlung der Ertreme in den Meinungen, 
1, 88. Schubert, Handb. der allgem. Staatskunde von Europa, I, 
9, (1835). — Say (Hanbb. VI, 179—217) beftreitet den Satz, daß 
fi die Nationalöfonomie zum Theile auf die Statiftif flüge und glaubt, 
diefe nehme vielmehr jene zur Grundlage. Dagegen v. Malchus in 
Rau, Archiv I, 323. Das Verhaͤltniß beider Wiſſenſchaften iſt eine 
Wechſelwirkung, vgl. $. 12. — Nugen der Statiftif für die wirtbfchafts 
liche Bolitit, vgl. Monc, Historia statisticae, ©. 24 (Lovan 1828). 
Ueber Welen, Nutzen und Methode der Statiftif fpricht mit der Sichers 
heit des Meifters Quetelet, Lettres sur la theorie des probabilit£s, 
Brux. 1846, ©. 256—365. — Sn diefem Gebiete ift noch Vieles zu 
thun übrig, was beionders durch öftere Bearbeitung der Theorie der 
Statiftif befördert werden wird. Unter den Schriftftellern, welche jene 
beiden Wiſſenſchaften miteinander zu verfnüpfen fuchten, find befonders 
zu nennen: 2%. Krug, Betrachtungen über den Nationalreichthum des 
Preuß. Staats. Berlin, 1805. II Bde. — Ganilh, La thöorie de 
l!’&conomie politique fondee sur les faits rösultans des statistiques de 
la France et de l’Angleterre. Paris 1815. II. 2te Ausg. 1822. — 
Chaptal, De l’industrie francaise, P. 1819. IL — v. Maldhus, 
Statiftit und Staatentunde, 1826. — Bernoulli, Schweizerifches 
Archiv für Statiitif und Nationalöfonomie, 1827—31. V B 
Dupin, Forces productives et commerciales de la France, 1827. II, 
40. — Mac-Culloch, Dictionary of trade, beutfh von Richter: 
Handbuch für Kaufleute, Leipzig, 1834. 35. U und Supplementband, 
1837. — Deſſen Statistical account of the british empire. Lond. 1837. 
II Bd., n. A. 1850. — G. Porter, Progress of the nation in its 
various social and eeonomical relations. 3. Ausg. London 1851. — 
J. &. Hoffmann, Die Bevölkerung des preuß. Staats. Berlin 
1839. — Engel, Jahrbuch der Statiftif und Staatswirthſchaft des 
K. Sachſen. L 1853. — Es giebt auch Bearbeitungen des volkswirth⸗ 
fhaftlihen Teiles der Statifif 3. B. v. Reden, Das K. Hanno: 
ver, 1839 II B. Dei. Das RKaiferreih Rußland, Berl. 1843. Defl. 
Allgem. vergleichende Handels: und Gewerbs⸗Geographie und Statiftik, 
1844. — Schnitzler, De la cröation de la richesse et des interäts 
materiels en France. P. 1842. II B. Deff. Statistique generale de la 
Fr., P. 1846, U. 2. 


eo 


6. 26. 
Die politifche Oekonomie erweift fi in folgenden Bezies 


hungen frucdhtbringend und in das wirkliche Leben eingreifend (a): 


1) Sie zeigt dem Staatsmann die Bahn, weldye die Staaten 


zu Reihthum und Macht Hinführt und auf welcher feine Re- 
gierung zurüdbleiben fann, ohne fi) dem ftrengen Tadel ber 
Nachwelt auszufeben. 


— 24 — 


2) Sie giebt dem Finanzbeamten Belehrung über feinen 
ganzen Wirfungsfreis. 

3) Sie leiftet auch für andere Gebiete der Staatöverwaltung 
nügliche Dienfte, namentlich für die Juftizbeamten, weil bie 
Natur der auf Sachgüter fich beziehenden Berhältniffe unter den 
Menfchen durch fie beleuchtet wird, weil manche Rechtögefeße 
- auf Beweggründen aus dem Gebiete der Volföwirthfchaftslchre 
beruhen oder doch nad) demfelben beurtheilt werden müſſen, und 
weil auch die Entſcheidung von Rechtsſtreitigkeiten häufig die 
nähere Kenntniß wirthfchaftlicher Angelegenheiten vorausſetzt, — 
ferner für den Advocaten aus den nämlichen Urſachen und ſo⸗ 
dann darum, weil viele Brivatangelegenheiten, in denen er Beis 
ftand zu leiften Bat, in dad Adminiſtrativfach einfchlagen (5). 

4) Sie läßt den Gewerbömann die Stelle, die fein Nahrungs» 
zweig im ganzen Gewerbewefen einnimnit ober einnehmen fann, 
erfennen, und beutet ihm an, welche Betriebdarten und Forts 
ſchritte bie gemeinnügigften , fihjerften und einträglichften fein 
werden (c). 

5) Sie giebt jedem denkenden Staatdbürger ſchaͤtzbare Auf- 
ſchtuͤſſe über viele Erfcheinungen des täglichen Lebens, welche 
allgemeine Aufmerkſamkeit und Theilnahme anregen, aber ohne 
Hülfe der Wiffenfchaft nicht gründlich beurtheilt werden fönnen, 
und fie zerftreut hiedurch manche fchädliche Vorurtheile (d). 

6) Sie wirft ein helles Licht auf den Gliederbau, die Grund⸗ 
verhältniffe der bürgerlichen Gefelfchaft und das Spiel der 
Thätigfeiten in ihr. Zwar ift die wirtbfchaftliche Seite derfelben 
nicht die einzige und die Staatswirthſchaftslehre darf deßhalb 
nicht fchon als die vollftändige Theorie der Geſellſchaft ange- 
nommen werden (e), allein fie giebt wenigftend einen fehr bes 
deutenden Beitrag zu berfelben und ift daher jedem Yorfcher 
unentbehrlich, der, etwa auf gefchichtlichem Wege ober von 
einem anderen Standpunct aus, die gefellfchaftlichen WVerhält- 
niffe ergründen will. 


(a) Rau, in beflen Ardiv I, 

(6) Su, Handb. I, 47. ” Hau, Archiv, II, 88. — Rossi in Wo- 
lowski, Revue de lögislation,, VI, 246, 1837, (Beleuchtung verſchie⸗ 
dener Beftimmungen des bürgerlichen Rechts aus volkswirthſchaftlichem 
Gefihtspunct.) 

() Say, Handb. I, 8. 48. — Verſuch, die Volkswirthſchaftslehre ale 
eine Grundlage der Gewerbswiſſenſchaften darzuftellen, in: Schulze, 


. 
— — — — 


—* Weſen und Studium der Wirtbfchafts: oder Cameralwiſſenſchaften. 

ena, 1826. 

(d) 3. B. über Getreidehandel, PBolizeitaren ıc. — Neuere Berfuche, die 
Lehren der Nationalöfonomie in gemeinverftändliher Form zu vers 
preiten durch zwei engliſche Frauen, Marcet und Martineau, 

g. 45. 


(e) Dieß iſt von mehreren Neueren geſchehen, z. B. Scialoja. Auch 
Bianchini will die politiſche Oekonomie zur Wiſſenſchaft von ber 
bürgerlihen Wohlfahrt erweitert wiflen, ſ. 8. 28 (a). Richtig dagegen 
de Augustinis, Istitutioni di econ. sociale, I, 62. — Daher if 
volfswirthfhaftlih und focial genau genommen nicht gleich⸗ 
bedeutend, denn das leßtere umfaßt mehr. Doch wird es heutiges 
Tages oft in jenem Sinne genommen. 

8. 27. 

Die Ergebnifie der öffentlichen Wirthfchaftölehre find auch, 
wenn man bie Angelegenheiten bed Menfchengefchlechted® aus 
einem höheren fittlichen und weltbürgerlichen Gefichtöpuncte übers 
fhaut, beruhigend und erfreulich, $. 14. 15. Sie zeigen, baß 
der MWohlftand nur da feine bleibende Wohnftätte findet, wo 
Gerechtigkeit, gefegliche Orbnung, bürgerliche Freiheit, Sicherheit 
und Bildung Wurzeln gefchlagen haben. Sie geben, was ins; 
befondere das Berhältniß der Staaten zu einander betrifft, bie 
Üeberzeugung, baß ber Wohlftand eined Volkes nicht durch Er- 
oberungen, Erprefiungen oder Schwächung ber Betriebfamfeit 
anderer Völfer, fondern nur durch den eigenen Kunſtfleiß und 
den hierauf gegründeten, freien, beiden Theilen nüglichen Taufchs 
verkehr dauernd gefördert werden fonne. Mean hat aufgehört, 
in der Blüthe anderer Staaten ein Hinderniß ber eigenen Wohl 
fahrt zu erbliden und findet fchon hierin einen Antrieb, den 
völferrechtlichen Beftand und die freundliche Annäherung zwiſchen 
den Staaten zu unterflüßen (a). 


(a) Nebnlihe Bemerkungen giebt auch Scialoja, Principj, ©. 364 und 
fchließt mit folgenden Worten: „Dieſe Wiflenfchaft wird von Taa zu 
Tage größeren Einfluß aewinnen. Sie wird allen Bölfern der Erde 
beweifen, daß der Menfch feines Schidfals eigener Schmied ift, und 
daß nicht Zufall oder Glück fondern Kunſt und Wiflenfchaft die Völker 
groß machen.‘ 


IH. Geſchichte der politifchen Oekonomie. 
8. 28. 
Die Gefchichte der Vorftellungen, die jeded Volk und jedes 
Zeitalter von dem Wefen des Bolfövermögend und den Bedin⸗ 
gungen des Bolfdwohlftandes, fowie von der wirthichaftlichen 


Politik hatte, ftüßt ſich zunächft auf die hierüber verfaßten Schrifs 
ten, fchöpft aber auch aus der Kenntniß der Staatdeinridytungen, 
infoferne dieſe ald Erzeugniffe wirthfchaftlicher Meinungen gelten 
fönnen. (a) Aus diefer Gefchichte ift deutlich zu erfennen, wie 
fchwer es ift, fih von der bürgerlihen Wirthfchaft zu einer 
richtigen Erfenntniß des Wirthfchaftöweiend ganzer Staaten zu 
erheben, und wie fowohl ber Anftoß zum Nachdenken über das 
Ießtere als bie Richtung, welche man bei diefen Unterfuchungen 
einfchlug, meiftend von Außeren Umftänden ausgingen. Weber 
einzelne Abfchnitte der wirthfchaftlichen Politik, insbefondere der 
Finanzwiſſenſchaft, mußten ſich ſchon früh beftimmte Anfichten 
bilden, weil bie Regierungen nicht umhin fonnten, zu handeln; 
die geordnete Erfenntniß der Volkswirthichaft in ihrem Zufams 
menhange entftand dagegen fehr fpät, nicht vor dem 18. Jahrs 
hundert. Die Alten drangen in das Wefen berfelben nicht 
tief ein und viele der wichtigften Gegenftände blieben ihnen 
ganz fremd; daher befchränfte fich die Volkswirthſchaftspflege auf 
wenige einfache Maaßregeln, deren Zweckmaͤßigkeit feicht zu beurs 
tbeilen war; aud) das Finanzweſen berubte nicht auf feften Grund⸗ 
fäben, und zeigte oft nur dad Beftreben, auf den fürzeften Wegen, 
ohne Beachtung der Folgen, Einfünfte für die Staatdcaffe zu 
gewinnen (d). Unter die Urfachen diefer Unbefanntfchaft mit den 
inneren Gefeten des Nahrungswefens gehört die zum Theile 
aus der Sklaverei zu erflärende allgemeine Geringſchaͤtzung ber 
ftoffveredelnden Gewerbe (Gewerfe), und, was indbefondere bie 
Griechen betrifft, die alle Aufmerffamfeit auf ſich ziehenbe 
Regfamfeit des öffentlichen Lebend, wobei die SParteifämpfe im 
Innern und dad Ringen nad) Macht gegen Außen die meiften 
Kräfte in Anſpruch nahmen und feine lebhafte Theilnahme an 
wirthfchaftlichen Angelegenheiten auffommen ließen (c). 


(a) Die Geſchichte der politifhen Oekonomie ift erft in ber neueften Zeit 
ausführlich behandelt worden und es ift Hierin noch viel zu Teiften. 
Blanqui, Histoire de l’&conomie politique en Europe, P. 1837. 
U B. 3. Ausg. 1845. Deutidh von Buß, 1845. U B. — Ville- 
neuve de Bargemont, Histoire de l’&con. polit. P. 1841. II ®. 
— Lodov. Bianchini, Delle scienza del ben vivere sociale e della 
economia degli stati. I. Palermo, 1845. (Dieler erfte Band ift ganz 
von gefchichtlihem Inhalte. Er fchildert die Staatseinrichtungen vom 
Anfang des Mittelalters an, die allgemeinen wiſſenſchaftlichen Rich⸗ 
tungen und die befonderen fchriftftellerifchen Arbeiten im flaatswiflen: 
fhaftlien und flaatswirthfchaftlichen Fache.) 


(5) Indeflen fehlt es in der Staatsverwaltung bes Alterthums, ſoweit fle 
uns befannt geworden ift, nicht an mwohlberechneten, den Ortsverhälts 
niffen angemeffenen Ginrichtungen, obgleich die vielen großen Anftalten, 
bie den Gewerbfleiß der neuern Bölfer unterflügen, jenem Seitalter 
verborgen blieben. Hauptichriften hierüber: Heeren, Ideen über die 
Politik, den Verkehr und den Handel der vornehmften Völfer der alten 
Melt. Dritte Ausg. Göttingen, 1815. III B. — L. Reynier, 
(f 1824), De l’&conomie publique et rurale des Perses et des Phöniciens. 
Gendve et Paris, 1819. (Der Berfaffer handelt unter diefem Titel die 
Staatseinrihtungen und das Gewerbeweien ab.) — De !’Scon. publ. et 
rur. des Arabes et des Juifs. @bend. 1820. — De l’&con. publ. et 
rur des Egyptiens et Carthaginois. @bend. 1823. — De Y’6con. publ. 
et rur. des Grecs. Gbend. 1825. — Boͤckh, Die Stantshaushaltung 
der Athener. Berlin 1817. II. 2. EI. 1850. 


(2) Simonde de Sismondi, Nouveaux principes d’&con. pol. I, 15. — 
Rau, Anfichten der Volkswirthſchaft L Abb. — Lok, Hanbbud der 
Staatswirthih. I, 76. — Say, Handb. VI, 266. — Blanqui, am 
angeführten Ort. — Baumflarf, Bolkswirthichaftliche Erlaͤuterun⸗ 
gen, 1838. I. Abh. — Schägbare Beiträge bei Uhde a. a. O 


8. 29. 


Unter den philofophifchen Schriftftellern der Griechen findet 
fih bei Zenophon (a) und Ariftoteles (db) am meiften 
hieher Gehöriges, während Platon Ausfprüce im Zuſammen⸗ 
bange mit feinem ganzen philofophifchen Syfteme genommen 
werben müflen und deßhalb weniger für die Anfichten feiner Zeit 
beweifen. Die griechifchen Philofophen betrachteten den Güter: 
erwerb eben fowohl als alle Staatdangelegenheiten von ber 
moralifchen Seite. Das Vermögen erfchien ihnen daher nur 
ſchaͤtzenswerth ald Mittel zu einem edlen und wohlthätigen 
Leben, dagegen erklärten fie das unbegränzte, aus Genußfucht 
bervorgehende Streben nach Reichthum für unfittlich, indem das 
wahrhafte Bebürfniß Außerer Güter feine Grängen habe. Deß⸗ 
halb, und weil man bei den Gewerben zugleid den Einfluß 
beachtete, den fie auf geiftige und Zörperliche Bildung ded Men⸗ 
fhen zu haben fchienen (c), aud) auf dad Grunbeigenthum vor- 
züglichen Werth legte (d), wurde ber Landbau für den einzigen 
Rahrungszweig gehalten, weldyer eines freien, feingefitteten 
Mannes würdig fel; an die anderen Gewerbe und Lohnarbeiten 
fnüpfte ſich die Vorftellung von Unanftändigfeit und fehimpflicher 
Abhängigkeit von Anderen; auch der Handel, obſchon als nüß- 
lih anerfannt in Anfehung ber Güter, die er berbeiführt, wurbe 
body den wucherlichen Erwerböfünften beigefellt und das Wefen 
bed Capitals nicht geahnt, während man über bie Natur des 


Geldes richtig dachte (e). So zeigt fidh, daß bei einzelnen hellen 
Blicken in das wirthfchaftliche Gebiet dafjelbe doch nicht in feinem 
Zufammenhange aufgefaßt wurbe. 


(a) Borzüglich das Geſpräch, welches olxovouinög Adyos, oeconomicus, übers 
fhrieben il. Hildebrand, Xenophontis et Aristotelis de Oecon. 
publica doctrinae illustrantur, Marburger Prorectoratsprogramm, 1845. 


(5) Im erften Buche feiner Bolitif. Weber beide Schriften f. insbefondere Rau, 
Anfihten a. a. D. — N. teilt die Erwerbsarten fo ein: 1) Gigene 
Gewinnung der Nahrungsmittel; 2) Erwerb im Berfehre, deflen Regeln 
die Chrematiftif bilden. a) Gewinnung nüßlicher Stoffe für den 
Berfauf, öfonomifhe Chrematiftif, db) unebler Gewinn aus 
dem bloßen Taufche, Metabletif oder Kapelik, 3. B. Geldwucher. 
— Bon der Defonomif des N. foll das erſte Buch nach Ginigen den 
Theophraſt zum Berfafler haben, auch die Aechtheit bes 2ten if 
zweifelhaft. Hildebrand, ©. 7. 

(6) Nur auf die Sklaven wurde biefe Betrachtung nicht angewentet, wie 
man jene überhaupt nur für Mittel, nicht für Weſen, die ihre Beſtim⸗ 
mung in fich tragen, anzufehen geneigt war. 

(d) Stein, in der Zeitfchritt f. die gef. Staatswifl. 1853. ©. 115 ff. 

(e) Aristot. Politic. I, 9. Ethicor. ad Nicom. lid. V. und auf ähnliche 
Meife Paulus L. 1. Pandect. de contrah. emt. (XVIII, 1.). 


8. 30. 

Die Römer (a) gingen in biefem Gegenftande im Allges 
meinen nicht weiter, als ihre Xehrer, die Griechen. Es fonnte 
zwar nicht fehlen, daß vielfeitig gebildete und im Denfen geübte 
Männer, wie namentlih Cicero, einzelne Gegenftände der 
politifhen Defonomie, befonderd die Stammbegriffe und Grund: 
fäge derfelben, öfter berührten und richtig auffaßten (d), aber 
fie ahnten nicht, daß diefelben fich mit anderen, noch unbefanns 
ten Wahrheiten zu einem wiffenfchaftlichen Ganzen verbinden 
laffen, und verfolgten fie nicht. Das häufig ausgeſprochene Rob 
der Sparfamfeit und Genügfamfeit hängt mit einer fubjectiven 
Anficht des Reichthums zufammen, nach welcher diefer ſich Haupt 
fählih nah dem Maaße der Bebürfnifle beftimmen follte (ec), 
indeß läßt ſich deutlich bemerken, daß auch von ber anderen Seite 
ber Reiz und Vortheil des reichlichen Gütergenufles, die gemein- 
nügigen Wirkungen bed Reichthums Einzelner und das Gebot 
ber Staatöflugheit, den Volkswohlſtand zu erhöhen, nicht ganz 
verfannt wurden (d). Das Urtheil über Werth und Nutzen 
ber verjchiedenen Gewerbsclaſſen flimmte mit der Meinung ber 
Griechen ziemlich überein (e), vermochte jedoch nicht, bie für 
unfittlich gehaltenen Erwerbömittel zu verbrängen (f). 


— 29 — 


e) Hermann, Diss. exhibens sententias Romanorum ad oeconomiam 
universam s. nationalem pertinentes. Erlangae, 1823. Die Fi mit 
großem Se zufammengefudten Stellen aus römilhen Schriftftellern 
machen es ſehr deutlich, wie viel diefen unbefannt war. — Die eben: 
falls verdienftliche Abhandlung von N. C. Calkoen (Over eonige staats- 
huishoudkundige gevoelens en stellingen in de geschriften der Ouden 
en vooral in die van Cicero vorkommende), nad des Berf. frühem 
Tode von Prof. den Ter in den Bydragen tot Regtsgeleerdheit en 
Wetgering, VI, 3. St. ©. 413, 1832, befannt gemadt, ftellt Aeuße⸗ 
sungen Cicero's mit den Lehren neuerer Schriftleller zufammen. — 
Ueber die roͤmiſche Staatsverwaltung in flaatsöfonomifcher Beziehung ſ. 
Dureau de la Malle, Economie politique des Romains, P. 1840. Il. 
(verbreitet fih aud über andere Staatseinrichtungen.. — Meber bie 
Gewerke bei den Römern Weinlig, Industria Romanorum digestorum 
ot codicum locis nonnullis explanata Erlang. 1846. Partic. I. und IL 


(5) 3. B. die verfchiedenen Zweige der Gewerbsarbeit, die hohe Wichtigkeit 
der Mrbeit, der Einfluß der Wiflenfchaften auf die Production, das 
Zufammenmwirfen der Denfchen in Verkehre. In hoc naturam debemus 
ducem sequi et communes utilitates in medium afferre, mutatione offcio- 
rum, dando, accipiendo, tum artibus, tum opera, tum facultatibus de- 
vineire hominum inter homines societatem. Cic, ofäc. I, 7. 


(e) Gtellen in Calkoen a. a. O. 8. 1. 


(d) Cic. de rep. III, 12. betrachtet die Erwerbung des Reichthums als 
Forderung der sapientia, die freilich von der justitis unterfchieden wird; 
f. ferner Calkoen, $. 3, 4, 16 


() Die Hauptftelle il Cicero offic. I, 42. Iliberales autem et sordidi 
quaestus mercenariorum . .. ., sordidi etiam putandi, qui mercantur 
a mercatoribus, quod statim vendant, . . . opificesque omnes in sordida 
arte versantur, nec vero quidquam ingenuum potest habere officina.... . 
Mercatura autem, si tenuis est, sordida putanda est, sin magna et co- 
pioss multa undique apportans, .. .. . non est admodum vituperanda, 
stque etiam, si satiata quaestu vel contenta potius, ...... videtur 
jure optimo posse laudari. Omnium autem rerum, quibus aliquid acqui- 
ritur, nihil est agricultura melius, nihil uberius, nihil dulcius, nihil 
homine libero dignius. 

() Hermann an. O. S. 29. 


> 


8. 31. 


Mährend bes Mittelalterd ruhten die Unterfuchungen über 
Wirthfchaftdangelegenheiten (a); erft gegen bad Ende dieſes 
Zeitraums entſtand bie Außere Veranlaffung, welche ihre Wieder: 
erwedung herbeiführte, nachdem bei der neuen Belebung bed 
wiffenfchaftlichen Eifer auch die Staatöwiffenfchaft wieder ‘Pflege 
und Bearbeitung in manchfaltiger Weife gefunden hatte. Die 
Defeftigung der Iandeöherrlichen Gewalt brachte eine Fraftvollere 
MWirkfamfeit in allen Berwaltungszweigen hervor, dieß vers 
größerte aber nothwendig die Staatsausgaben, und in den Schwierig» 
feiten, welche mit der Aufbringung ber erforderlichen Staats 


— 80 — 


einkünfte verfnüpft waren, lag eine Aufforderung, nicht nur mehr 
Drbnung in bad Finanzweien zu bringen, fonbern auch mehr 
Aufmerkſamkeit als biöher auf den Gewerbfleiß der Bürger zu 
verwenden und auf die Erhöhung des Volkswohlſtandes Hinzu: 
wirken. Hiezu fehlte es aber an ficheren leitenden Grundfägen, 
man vermochte fi noch nicht zu einem Ueberblick der ganzen 
Volkswirthſchaft und zur Einficht in den inneren Zufammenhang 
ihrer Theile zu erheben, man hielt fidy daher mehr an einzelne 
Erfcheinungen, fuchte einzelnen auffallenden Uebelftänden zu be⸗ 
gegnen und einzelne Gewerbözweige zu befördern (5). Eine 
Volkswirthſchaftspflege, bie der Volköwirthfchaftslchre voraus⸗ 
ging, konnte nicht frei von Einfeitigfeiten und Mißgriffen fein. 
In den Städten, beſonders in den freien Handeldftädten, hatte 
fih im Mittelalter der meifte Wohlftand, die größte Regiam- 
feit und Kenntniß gewerblicher Angelegenheiten entwidelt, hier 
waren Handwerfe, Fabriken, Handelszweige blühend geworden 
und verfchiedene Hülfsanftalten für den Verkehr entftanden, daher 
war man geneigt, von hier Regeln für die Leitung ded Gewerbes 
wefend aufzunehmen, ohne zu bedenken, daß diefelben für größere 
Zänber nicht ganz pafiend fein fonnten. 


(a) Ueber a omat von Aquino (} 121), der fih an Ariftoteles 
anfhließt, ſ. Schön, neue Unter. ©. 10. — Ueber die Volkswirth⸗ 
ſchaft und öfonomifche Politik im Mittelalter, vorzüglid in Oberitalien, 
enthält lehrreihe Nachrichten L. Cibrario, Della economia politica 
del medio evo, Torino 1839. 


(d) Gin einzelner Lichtpunet im Mittelalter ift bie, neulich von Fr. von 
Naumer (Geichichte der Hohenflauffen) ausführlid geichilderte Ver⸗ 
waltung Friedrichs IL in Neapel zu Anfang des 13. Jahrhunderts. 


$. 32. 


In der Gefchichte der politifchen Defonomie der drei legten 
Jahrhunderte (a) treten drei verfchiedene Grundanfichten hervor, 
welche man. unter dem Namen der drei ſtaatswirthſchaft— 
lihen Syfteme aufführt. Diefelben bilden auch wirklich die 
benfwürbigften und einflußreichften Erfcheinungen in dem Ger 
. banfengange und ftehen unter einander in einer gewiflen Ber: 
bindung als Ausbildungsftufen der Wiffenfchaft, denn in ben 
zwei älteren Syſtemen zeigen ſich Einfeitigfeiten und Irrthümer, 
deren Ausgleichung und Berichtigung dem dritten, neuften vor- 
behalten blieb. Gleichwohl läßt ſich nicht das ganze Schriften 


— 1 — 


thum unter die Reihenfolge dieſer drei Syſteme ordnen, weil nicht 
alle Zeitgenoſſen in die eigenthümlichen Lehren derſelben eingingen- 
Die wirb fehr leicht begreiflich, wenn man bedenkt, wie Vieles 
in dem Zuftande ber bürgerlichen Geſellſchaft noch während 
dieſes Zeitraumd ber Entftehung und Verbreitung des Wohl: 
ſtandes unter den Staatdbürgern im Wege ftand, wie viele 
Berbefierungen folglich zu empfehlen waren, deren NRüglichfeit 
fchon bei einer oberflächlichen, wenn nur unbefangenen Erwägung 
nicht zu verfennen war, 3. B. der Drud der Geudallaften auf 
bie Landleute, dad erftartte felbftfüchtige Zunftwefen, die Privi⸗ 
legien in mandjerlei Bewerben, die ſchlechten Straßen, das 
ſchlechte Muͤnzweſen, die hohen Zölle im Innern der Länder, die 
Willkür in der Erhebung verfchiedener Abgaben, das mangelhafte 
Steuerweien, die Verſchwendung in den Staatsaudgaben, die 
Beruntreuung öffentlicher ©elder und dergl. Es laſſen fih aus⸗ 
gezeichnete Staatömänner nacdhweifen, wie Sully (d) und Ans 
dere (c), deren Strebeziel in der Heilung biefer Gebrechen bes 
ftand und weldjye den verfchiedenen Zweigen des Gewerbfleißes 
gleiche Sorgfalt widmeten, wie denn auch manche Schriftfteller 
fih durch ein richtiged Gefühl von den Abwegen ber früheren 
Spfteme frei erhielten, oder, wenn fie dieß nicht ganz vermodh- 
ten, doch zugleich durch andere wohlbegründete Xehren ſich bleis 
bende Verdienſte erwarben. 


(a) Travers Twiss, View of the progress of politic. econ. in Europe 
since the 16. century. Lond. 1847. 


(4) Marimilian von Bethune, Marquis von Rosny, Herzog von 
Sully (geb. 1560, geit. 1641), leitete von 1598 bis 1610 unter 
Heinrich IV. die franzöflfhe Staatswirthſchaft. Der Hauptgegenflann 
feiner Bemühungen war, die unglaubliche Zerrüttung im Finanzwefen, 
die Zerfplitterung und Beruntreuung der Staatseinkünfte, die Bedruͤckun⸗ 
en der Finanzpachter zu befeitigen. Dieß gelang ihm auf das Volls 
Rändigfe, auch legte er den Grund zu einer Verbeflerung des Staats: 
rechnungsweſens. In der Weberzeugung, daß die Landwirthfchaft bie 
Hauptquelle des Bolfswohlftandes fei, ließ er fi die Emporbringung 
dieſes Gewerbes angelegen fein, was bei der bedrängten Lage der von 
vieljährigen Kriegsleiden niedergebeugten franzöfifchen Landwirihe doppelt 
nöthig war. Auch hierin war fein Beſtreben erfolgreich, er befreite den 
Landbau von manden Laflen, gab dem Getreidehandel Freiheit und 
erhöhte dadurch die Betriebfamkeit im ganzen Lande. Die Getreides 
ausfuhr wurde anfänglidy mit einem befonderen Zoll, Ya 1601 ohne 
denjelben freigegeben. (Das f. Edict hierüber vom 20. Febr. 1601 in 
des Essarts, Dietionnaire universel de Police, IV, 429. Paris 1787). 
Inde Fam Sully, der mit vielen Schwierigfeiten u fämpfen hatte, 
nit dazu, feine Ueberzeugungen vielfeitig zu entwideln und in Auss 


— 32 — 


führung zu bringen, ſowie er auch von manchen JIrrthuͤmern nicht frei 
zu fprechen ift, 3. B. übermäßiger Abneigung gegen ben Luxus, gegen 
die Seidenproduction und theilweife fogar einer Hinneigung zum 
Handels ſyſtem sc. Sein Leben und feine ®rundfäge hat er in fernen 
Memoiren für die Nachwelt aufgezeichnet. - Auszug daraus, nur bie 
Staatsgeichäfte betreffend: Esprit de Sully, Dresde 1768. Bgl. auch 
Kryger über Sully und Golbert, in Schrebers Neum 
Kameralfchriften, VILL, 1, aus dem Schwediſchen überf. — Parrot, 
Verſuch einer allgemeinen Entwidelung der flaatewirthichaftl. Grund⸗ 
fäge und Verordnungen Sully’s. Stuttg. 1779. 46. — Blanqui, 

Hist. 1, 392. Ä 


(c) Gin deutfcher Fürk, Kurfürk Auguft von Sachen (gef. 1586), übers 
traf Sully an vielfacher Wirkjamteit für alle Zweige der Betriebfamteit. 
Polis, Jahrb. d. Geſchichte u. Staatsfunft, 1828. I, 130. — Hasse, 
De cura peculiari, quam Saxonise principes inprimisque Augustus 
Elector rei familiari impenderunt. Lips. 1828. j 


$. 33, 


Das Zeitalter Sully’& hatte nicht genug Empfaͤnglichkeit 
für feine Grundjäge, weil ed nad) einer andern Richtung bins 
geriffen wurde. Die Entdedung des Waſſerweges nach Oſtindien 
hatte den Portugiefen ben überaus einträglichen oftindifchen 
Handel, die Entdedung Amerika's den Spaniern die reichen 
Gold» und Silberbergwerfe von Merico, Peru und Ehili eröffnet. 
Die Holländer traten gegen Ende des fechszehnten Jahrhunderts 
als Nebenbuhler der Portugiejen auf, verbrängten diejelben gänz- 
lid) und erreichten durdy den Colonialhandel einen erftaunlichen 
Grad von Reichthum und Madıt (a). Auch die Engländer 
nahmen, ſeitdem Eliſabeth und Cromwell den Seehanvel zu 
heben begonnen hatten, an diefen Gewinnften Theil. Die edlen 
Metalle ftrömten aus America nad) Europa und erhöhten die 
Preiſe aller Dinge, wodurd die Gewerböunternehmer gewannen 
und zur Erweiterung ihrer Gefchäfte ermuntert wurden. Gold 
und Silber wurden daher ald dad wünjchenswerthefte fachliche 
Gut angefehen, durch defien Belig man unfehlbar reich und mächtig 
werde (5). Der Sinn der Regierungen lenkte fih allgemein 
auf den auswärtigen Handel; auch die meiften Schriftfteller 
theilten die Meinung, daß er dad Hauptmittel fei, um Reich⸗ 
thum zu erlangen. So bildeten fich allmählig die Vorftellungen 
und Regeln aud, die man jegt in ihrem Zufammenhange das 
Handelös (Mercantils) Syſtem nemt. 


(a) Indeß waren die Holländer ſchon porher wohlhabend zufolge des Han⸗ 
dels mit dem noͤrdlichen Curopa, ſ. Lueder, Geſchichte des hollaͤnd. 


— 3 — 
Handels. Nah Luzacs Hollande Rykdom bearbeitet. S. 87. 


(Leipz. 1788). 


(6) Man überſah, daß die damalige Steigerung bes Gewerbfleißes und 
Wohlſtandes hauptjächlich dem gewinnvollen Handel mit Coloniaiwaaren, 
bem regeren Unternehmungsgeifte, den vermehrten Hanbdelsverbindungen 
und dem durch neue Benüfle und Bebürfniffe verftärkten Erwerbseifer 
zuzufchreiben war. 


8. 34. 


Die Grundfäpe des Handelsſyſtems waren im 16. und 
17. Jahrhunderte fehr verbreitet und ihr Urfprung ift zum Theile 
noch älter. Keine einzelne ‘Berfon kann als Urheber dieſes Lehr⸗ 
gebäudes bezeichnet werden, wohl aber läßt ſich Joh. Bapt. 
Colbert, franzöftfcher Binanzminifter unter Ludwig XVI., als 
derjenige Staatömann nennen, ber das Handelsſyſtem zuerft 
beharrlich und volftändig ausführte, weßhalb man baffelbe fpäter- 
bin bisweilen nach ihm benannte (a) und ihn wie ein Vorbild 
betrachtete (d). Die gewaltfamen Eingriffe in den Gang bed 
Gewerbeweiens, wie fie Colbert in feinen Verordnungen vor 
nahm, waren zu jener Zeit überhaupt üblih. Die Unbefannts 
haft mit dem Weſen der Volkswirthſchaft hatte ſich fchon lange 
darin gezeigt, daß man fich nicht fheute, irgend einen für nüß- 
lich erachteten Erfolg mit rüdfichtölofen Zwangsmitteln, z. B. 
Verboten ber Auss oder Einfuhr, zu befördern (c) und bie 
Gewerböunternehmer mancherlei willfürlichen Bejchränfungen zu 
unterwerfen, wodurdy man begreifli) dem Auffchwunge ber 
Erwerbsgeſchaͤfte im Ganzen ſchadete. Hatte der eine Staat in 
folhen ungeftümen Anorbnungen ein übled Beifpiel gegeben, fo 
war ed natürlich, daß andere Regierungen bafjelbe nachahmten 
und gegen ben erften Urheber erwiberten, befonderd wenn ihre 
eigenen Unterthanen von den Maaßregeln vefielben litten. Erft 
durch die fpäteren Yortfchritte der Wiffenfchaft lernte man ben 
Gang der Volfswirthfchaft zu beachten und zu fhonen (d). 


(a) Eolbertismus, Colbert'ſches Syftem. 

(5) Golbert mar geb. 1619, wurde 1661 Contröleur gönsral des finances, 
farb 1683. Wie Sully fand auch er große Verwirrung im Finanz⸗ 
wefen vor, deren Hebung ihm fu gut gelang, daß er das reine Staatd 
einfommen von 89 auf 105 Mill. Liv. erhöhte. Da die Verſchwendung 
eines üppigen Hofes und mehrere Kriege die Staatscafle in hehem Grabe 
in Anſpruch nahmen, fo faßte er, um ihr neue Hülfsquellen zu eröffnen, 
den Gedanken, Fabriken und Handel in Schwung zu feßen und fo den 
allgemeinen Wohlftand zu erhöhen. GErmunterungen und Prämien 
zogen geſchickte Künftler herbei, die Geidenfabriten zu Lyon und Tours, 

Rau, polit. Dekon. 1. 7. Ausg. 3 


(ed 


— 3 — 


deren Grund freilich ſchon von Heinrich IV. gelegt war, die Tuchfabriken 
zu Sedan, Abbeville ıc., die Strumpf⸗ und Tapetenwirkereien, bie 
Spiegelfabrifen und andere mehr hoben ſich auf überrafchende Weife. 
Mit Hülfe der Begünftigungen der inlaͤndiſchen Schifffahrt vermehrte 
fih die Zahl ber Sande sichiffe und die Lchhaftigfeit des Seehandels; 
Handelsverträge beförderten den Abſatz franzoͤfiſcher Waaren in anderen 
Ländern, große Handelsgefellichaften Famen zufolge ertheilter Privilegien 
zu Stande. Doch war Iegtere Wirfung von geringem Nutzen; bie 
weftindifche Handelscompagnie ging fhon 1669, nad 5 Jahren, wieder 
ein. Zu diefen Maaßregein, für die ihm noch jept Frankreich dankbar 
ift, gefellten fi noch andere, 3. B. Gründung der acad&mie francaise, 
1663, der academie des sciences, 1666, Anlegung des Canals von 
Languedoc, 1661 ff. Manches Andere gelang ihm nicht, beſonders bie 
beabfichtigte Aufhebung der innern Zölle und die Berbeflerung des 
Steuerweiens. Zu feinen wichtigſten Unternehmungen gehören 1) bie 
Anordnung ber auf die Beſchuͤtzung des inländiichen Fabrikweſens hins 
zielenden Sränzzölle, hauptſaͤchlich u. bie Berorbnungen von 1664 
und 1667, welche vorzüglich gegen die Holländer gerichtet waren. Die 
beiden Tarife, deren zweiter höhere Zollfäge enthielt, aber in Folge des 
Nymwegifchen Briedens 1678 wieder zurüdgenommen werben mußte, 
waren von Savary entworfen. Das Zolledict von 1664 zählt alle 
unter Ludwig XIV. getroffenen Beförderungsmanßregeln des Gewerbe⸗ 
wefens auf und ſpricht das nunmehrige Vorhaben aus, d’attirer l’abon- 
dance, wozu ber auswärtige Handel dienen folltee — 2) Die vielen 
Verordnungen , vermittelft derer? man die pünftlichfte Beobachtung bes 
bei den verfchiedenen Demerbögieigen damals üblichen Verfahrens er: 
zwingen wollte, eine DMaaßregel, die von Colbert's Nachfolgern noch 
viel weiter getrieben wurde und den @ewerbfleiß nicht wenig beengte. 
Chaptal De l’industrie franc. I, XLII. — Ueber Golbertf. Necker, 
Floge de O., P. 1780. — (de Monthion) Particularits et obser- 
vations sur les ministres des finances de la France les plus c&läbres, 
©. 20. Paris 1812. — Lemontey in ber Berue encyclopedique, 
Sunius 1822. T. XIV. — Blangqui, Hist. I, 410. II, 5. — Bian- 
chini, I, 139. — Clement, Histoire de la vie et de l’administre- 
tion de Colbert, Paris 1846. — Cochut in Berue des deux 
mondes, XV, 462. (1846). . 


Belege bei C. Moreau, Meber Wollhandel und Wollmanufactur in 
Großbritannien, deutſch Berl., 1829. 40. Im J. 1337 Verbot ber 
Mollausfuhr bei Todesftrafe, Verbot der Tucheinfuhr. In Venedig und 
in Spanien unter Karl V. wurden ſolche Handelsverbote und Soll: 
maaßregeln ebenfalls früher getroffen, als in Frankreich, und Golbert 
übte im. a unbe eine Erwiderung aus, wie fie feitbem oft vorge 
ommen ifl. 


(4) Rau Zur Kritit über Lifte nationales Syſtem der politifchen Defon. 


8. 36. 
Der Grundirrthum des Handel ſyſtems (a) liegt in bem 


falſchen Schluffe, daß, wie der einzelne Bürger ſich durch Geld⸗ 
gewinn bereichert, fo auch in einem ganzen Volke die Vermeh⸗ 
rung des Metallgeldes das befte Mittel zur Erhöhung des Wohl 
ſtandes fei. Bon biefer Ueberfchägung bed Metallgelded vermochte 
man fich nicht loszureißen, ob man gleich auch nicht verfennen 


- 


— 55 — ‚ 


konnte, daß daſſelbe für ſich gar Fein menſchliches Bebürfnig bes 
friedige (5). Für Länder, die nicht aus eigenen Bergwerfen 
Gold und Silber erhalten können, bot fich fein anderes bauern- 
bes Mittel zur Erlangung biefer Stoffe dar, als fie im Handel 
vom Auslande herbeizuziehen. Dieß glaubte man bamit bes 
wirken: zu fönnen, daß viele im Lande erzeugte Waaren zu 
andern VBölfern hinausgeführt, aber nur wenige frembe herein- 
gebradht würden, indem man annahm, daß dann ber ganze 
Ueberfhuß der Ausfuhr über die Einfuhr vom Auslande in 
Geld bezahlt werden müfle. Der Unterfchied zwifchen ver Größe 
ber Aus⸗ und Einfuhr wurde Handelsbilanz genannt und 
diefelbe dann ald günftig angefehen, wenn bie Ausfuhr größer 
war ald die Einfuhr. Die ftatiftifche Erforfchung der Handels» 
bilanz jeded Staated ward. zu einer wichtigen Aufgabe, der 
innere Handel aber, da er feine Vermehrung der Geldmenge 
bewirkte, erfchien ald gleichgültig oder doch unbedeutend. 


(a) Meber daſſelbe Adam Smith, Untaf. I, 233—541. — Stord 
Handb. I, 57. III, 260. — Lotz, Hanbb. I, 95. — Geier, Eharaf: 
teriftif des Handels, Würzb. 1825. ©. 123. — Mac:-Eullod, 
Grundfäge der pol. Deton. S. 22. — Schmitthenner, Zwölf 
Bücher vom Staate, 1, 84. 


(6) Die Schriftfteller verfuchten allerlei Wendungen, um dem Widerfpruche 
auszumweichen, ber notöimenig zutfchen diefen beiden Sägen liegt; fle 
nahmen z. B., wie von Bielfeld und Steuart, die Bemerkung zu 
Hülfe, das Geld fei wenigftens Das unzerflörbarfte Gut und daher zur 
Anfammlung von Vermögen am brauchbarftien, Rau, Anſichten ber 
Volkswirthſchaft, S. 146. — Forbonnais und Ferrier betrachten 
das Geld als das Mittel, die Production zu erhalten und zu befördern, 
und legen darum auf feinen Anwuchs großen Werth. 


6. 36. 

Zur Gewinnung einer foviel ald möglich günftigen Handels⸗ 
bilanz erachtete man für dienlich, alle Zweige von Fabrikarbeit 
im eigenen Lande hervorzurufen, damit man nicht bloß feine 
Kunftwaaren einzuführen brauchte, fondern nody große Vorräthe 
berfelben auszuführen hätte; die Ausfuhr von Rohftoffen hielt 
man nicht für fo nüglich, weil fie weniger Geld einbringe. Es 
wurden überhaupt folgende Mittel in Anwendung gebradyt und 
empfohlen: 

1) Man fuchte durch Verbote oder wenigftens durch anfehns 
liche Zölle zu verhindern, daß fremde Kunftwaaren eins und rohe 
inländifche Stoffe.ausgeführt würden. Letztere Maafregel 

3° 


— 36 — 


beabfichtigte theild, daß die Ausländer genoͤthigt würden, ſtatt 
bed rohen Stoffes vielmehr die baraus verfertigte Waare zu 
faufen, theil® aber, daß die inländifchen Fabrikanten die Stoffe 
und Lebensmittel wohlfeil einkaufen könnten. — Die auf Eins 
und Ausfuhr gelegten Zölle machten jene Fünftlichen Einrich⸗ 
tungen an den Zandesgrängen nothwendig, die ſich noch heutige® 
Tages in den meiften Laͤndern erhalten haben, jedoch zum Theile 
auch dazu dienen, eine Staatdeinnahme zu geben. 

2) Dagegen wurde bie Ausfuhr von Fabrikwaaren fowie 
bie Einfuhr roher Stoffe freigegeben oder noch befonderd mit 
-Brämien begünftiget. | 

3) Das Ausführen von Gold und Silber wurde nachdrück⸗ 
lich verboten (a). 

4) Zur Errichtung neuer Gewerbszweige wendete man Bes 
Iohnungen, Borfhüffe und mandherlei andere Ermunterungd- 
mittel an. 

5) Es wurden Hanbdelöverträge mit anderen Staaten ge 
fhlofien, um die Ausfuhr von Landeserzeugniſſen zu befördern. 

6) Große Handelögefellichaften wurden mit ‘Privilegien aus⸗ 
geftattet, um fchmwierige Zweige ded auswärtigen Handel® zu 
unternehmen. 

7) Man ftrebte nach dem Belige von Colonieen in anderen 
Erbdtheilen, die man dann lediglich ald Mittel behandelte, ſowohl 
um den Fabriken des Mutterlanded größeren Abfag zu ver- 
fhaffen, als um zu einem einträglichen Handel mit Colonials 
waaren Gelegenheit zu geben. 

(a) Dies geſchah fhon im alten Rom (Cic. pro Flacco c. 28) und 1393 
An Florenz, Hüllmann, Stäbteweien IV, 99. Die venetianifche 

SHandelspolitif war aufgeflärter, fie verbot fogar den Kaufleuten, aus 

Ländern, auf deren Grzeugniffe man befondern Werth legte, 3. B. aus 

Sranfreih und Ylandern, baares Geld nad) Venedig zu bringen, Dep- 

‘ping, Histoire du commerce entre le Levant et l’Europe. P. 1830. 

— Minerva, Aug: 1830. ©. 233. — In England wurden fhon im 

14. Jahrhundert Anordnungen getroffen, um das Geld im Lande zu 

erhalten und au mehren. Die Handelscorporationen in gewiflen Städten 

mußten darauf achten, daß ein Theil des Brlöfes aus der Wollenauss 
fuhr in fremder Münze oder Barren einging. Fremde Kaufleute, melde 

Waaren einführten, wurden angehalten, ihren Gelderloͤs zum Ankauf 

englifcher Waaren für die Ausfuhr zu verwenden und man ftellte fie 

zur Ueberwachung dieſes Gebots unter die Aufficht angefehener Bürger 

(1440). Pilger, die ins Ausland reifeten, durften nur Wechfel mits 


nehmen und der Ausfteller, wenn er ein Fremder war, mußte ſich vers 
pflihten, englifhe Waaren dafür auszuführen. Edinb. Rev. Nr. 172. 


S. 426. (April 1847). Später fuchte man den nämlichen Zweck durch 
Ginfuhrzölle zu erreichen. 


8. 37. 


Das Handeldfyftem läßt fchon darin die Kindheit der politis 
fchen Defonomie erkennen, daß feine Lehren nicht in methobdifchen 
Zufammenhang gebracht, nicht auf tiefere Forſchungen gegründet, 
fonbern nur oberflächlicy aufgefaßt wurden (a). Man trifft bie 
einzelnen biefem Syſteme angehörenden Säge fchon bei Schrift- 
ftellern bes fechszehnten Jahrhunderts (5), noch häufiger im 
fiebenzehnten und in ber erften Hälfte des achtzehnten Jahr⸗ 
hunderts (c). Unter den italienifchen Schriftftellern, die vom 
fechözehnten Jahrhundert an einzelne Abfchnitte der politifchen 
Defonomie mit Scharflinn bearbeiteten, find mehrere den Handels⸗ 
fofteme ganz ergeben, andere wenigftend einigermaaßen von dem⸗ 
felben befangen (d). Indeß findet ſich keineswegs eine voll 
ftändige Uebereinftimmung in Anfehung der obigen Säge ($. 35. 
36.); manche Schriftfteller neigen fi in Hauptpuncten, 3. B. 
in der Würdigung des inneren Verkehres und der Beftimmung 
des Geldes, ſchon zu richtigeren Vorftellungen und geben fi) 
nur noch durch den allzu hohen Werth, den fie auf die günftige 
Handelsbilanz legen, ald Anhänger des Handelsſyſtems fund (e). 
Nur Wenige erhielten fi) ganz frei von diefem Irrthum (f)- 
In der neueften Zeit hat Sr. Lift durch lebhafte Vorliebe für 
bad Fabrifwefen, welches er nad) feinem volkswirthſchaftlichen 
Wirfungen weit über den Landbau erhebt, und durch eifrige 
Empfehlung der Zolfchugmaaßregeln ſich dem älteren Handels⸗ 
fofteme genähert, ohne indeß die frühere Xehre von der Handels» 
bilanz, welche fpätere Unterfuchungen gänzlidy widerlegt haben, 
wieder aufzunehmen (g). 


(a) Literatur des Handelsinftems bei Steinlein, I, 15. — Ueber bie 
englifchen Schriftfteller des 16. u. 17. Jahrh. bat NRof her Licht vers 
breitet: Zur Geſchichte der engl. Bolfswirthichaftslchre, Leipz. 1851. — 
Nachträge 1851. 

($) Jean Bodin oder Bodinus (f 1590), La r&publique, Liv. Vi. ch. 2. 
Par. 1586 fol. und öfter; lateinifch: De republica, Par. 1586 fol und 
öfter, älteſte Octavausgabe ebd. 1591. 8. (S. 655 der Ausg. v. 1586, 
S. 964 von 1591.) Vgl. Rau, Primae lineae historiae politices, 
Erlang. 1816, ©. 33, Lotz, Handb. der Staatsw. I, 59, Bianchini, 
I, 152. — Baudrillard, J. Bodin et son temps. P. 1853. 


() Th. Mun, Treasure by foreign trade, London, 1664, germuthlid zwifchen 
1635 und 1640 gefchrieben. we % 0.0.0. ©. 


— 88 — 


J. Child, A new discourse of trade. London, 1668. Franzoͤſ. 1753. 
J. F. Melon, Essai politique sur le commerce, Amst. 1735. Neuer: 
lih abgedrudt in Collection des prineipaux 6conomistes, I. Deutſch: 
Sena, 1740. Defien gefammelte Fleine Schriften, Kopenh. 1756. 

C. Klock, De aerario. Norimb. 1651, 2. ed opera Chr. Peller, 
1671 fol. Lib. II. cap. 24. 25. 66—70. 73. 

% 3. Becher, Politifhe Difcurs von den eigentlichen Urfachen bes 
Aufs und Abnehmens der Städte, Ränder und Republifen. Frankf. 1672. 
6te Ausg. 1759. ©. 103 ff. der 3. Ausg. v. 1688. 

W. v. Schröder, Fürftlide Schatz⸗ und Rentkammer, Leipz. 1686 
und öfter, Gap. 29, S. 109 der Ausg. v. 1721. 

Ch. Davenant (} 1714), Political and commercial works, Lond. 
1771. V. B., einzeln erfchienen 1699 ff. 

J. Law (} 1729), Considerations sur le commerce et sur l’argent. 
& la Haye, 1720; das englifche Original ſchon 1705. (2. wird von 
Schön, Neue Unterf. S. 15, als der wahre Repräfentant des Handels: 
fyftems angeieben.) 

MW. % V. ©. (Soh. 9. Horned): Deflerreih über alles, wann 
es nur will, d. i. wohlmennender Füuͤrſchlag, wie mittelfi einer wohl: 
beftellten Landes» Defonomie ıc. Leipz. 1654 u. d., befonders ©. 33 
der Ausg. v. 1707. Kine mobernifirte Ausg. dieſes Buches, welches 
in mehreren Auflagen verbreitet worden und nicht ohne Einfluß auf die 
öfterreichifche Regierung geblieben war, bat den Titel: 3. v. Horned, 
Bemerkungen über die öfterreih. Staatsöfonomie, umgearb. v. B. F. 
Herrmann. 1784. 

3.9 ©. v. Jufti (+ 1770), Staatswirthichaft, Leipzig 1755. 
2. Ausg. 1758. II Bde. I, 195. - 

J. F. de Bielfeld, Institutions politiques. à la Haye, 1760. II®. 
4. u. öfter. I. Ch. 10—14. Deutſch: Lehrbegriff der Staatsfunft, 
3. 9. 1777. DU. Ueber ihn, v. Schröder u. v. Jufti vgl. Rau, 
Anfihten, ©. 146— 148.” 

Sof. v. Sonnenfels (+ 1817), Grundfäge der Polizei⸗, Hand: 
lungs⸗ und Finanzwifſſ. III B. 1765. 8. Ausg. 1819. 1822. 

J. Steuart (} 1780), Inquiry into the principles of political eco- 
nomy, London 1767. II B. 4. Neu abgedruckt in b. Berfafl. Works. 
Lond. 1825. VI B. 8. Deutfh: Unterfuhung der Brundfäge der 
Staatswirthſchaft, a. d. E. Hamb. 1769. 1770. II B. 4. Tübingen, 
1769— 1772, VI B. 8, neue Aufl. ebend. 1786. IV B. — Bal. 


Mehberg, Sämmtl. Schriften. IV, 299, (1829.) 
3.6. 8 


() 


üfch (+ 1800), Abhandlung von dem Geldumlaufe, Hamb. 
1780, II B. 2. Ausg. 1800. 

F. L. A. Ferrier, Du gouvernement considéré dans ses rapports 
avec le commerce. Par. 1805, n. 9. 1821, widerlegt von du Bois- 
Ayme, Examen de quelques questions d'ée. polit. et notamment de 
Youvrage de M. F., P. 1823. f. auch Stord, Hanbb. I, 77. 

de Cazaux, Bases fondamentales de l’&con. polit. d’apr&s la nature 
des choses. P. 1826, f. le Producteur III, 576. 


Die große Anzahl der zum Theile ſehr gehaltreihen, im übrigen Curopa 
5 wenig beadhteten Schriften der italienischen Staatsöfonomen iſt von 

uftodi in folgender Sammlung neu herausgegeben worden: Scrittori 
classici Italiani di Economia politicc, Milano bei Destefanis, 
1803—1804, Parte antica, VII B., Parte moderna XXXXII B. Der 
Softe Band, 1816, enthält die Regie. Veber den Inhalt diefer Samm- 
lung und die einzelnen Verf. f. Müller, Chronologiſche Darftellung 
der italienifchen Klaflifer über Nationalöfonomie, Peſth, 1820. Ans 
ziehend und geiſtreich ſhurgpeeſe Schriftſteller (Graf) GC. Peochio 


— 39 — 


(t 1835), Storia della economia publios in Italia. Lugano, 1829. franzöf. 
v. Gallois, P. 1830. (Ueber den Verf. f. C. Ugoni, Vita e scritti 
di Gius. Pecchio, Parigi, 1836.) — Man ging in Stalien von ber 
privatwirthichaftlihen Betrachtung des Handels aus (Scaruffi, 1579, 
Davanzati, 1688, Turbolo u. 9.), flellte mit befonderer Vorliebe 
Unterfuhungen über das Geldweſen an und gerieth fo auf die Abwege 
des Handelsſyſtems. Demfelben find vollfommen ergeben) 


A. Serra, Trattato delle cause, che possono far abondare li regni 
d’oro e d’argento, dove non sono miniere. Napoli, 1613. — Classici, 
part. I, die ältefle georbnete Entwidelung des Handelsſyſtems, die fich 
jedoch hauptſächlich mit den Urfachen des verfchiebenen Geldreichthums 
der Länder befchäftigt und über die anzuwendenden Maaßregeln nur 
Andeutungen giebt. Galiani, Buftodi und Pechio betrachten 
Serra als den frühften Schrififteller über die polit. Defonomie in 
ganz Europa, und Bianchini fucht zu zeigen, daß derfelbe fein Mer: 
cantilift fei (Scienza del ben vivere soc. I, 156). Diefer Beweis ge: 
lingt jedoch nicht, denn Serra bezieht Alles auf den Zwed, den Geld⸗ 
vorrath eines Landes zu vermehren. r in Anfehung der Geldausfuhr 
weicht er von Anderen ab, indem er fie nicht verboten fehen will. 


G. Belloni, Diss. sopra il commercio. Roma, 1750. — Class. 
P. mod. I. D. v. Shumann: Bom Commercien: und Müngzwefen, 
Leipz. 1752. 


() 3. B. der Neapolitaner A. Genoveſi (+ 1769), Lezioni di com- 


9) 


mercio osia d'economia civile. Bassano, 1769, II. = Classici P. mod. 
T. VII—X. Deutfh: Grund. der bürgerl. Defonomie, überf. v. Witz⸗ 
mann, Leipz. 1776. 11. Diefes Werk enthält manche verdienftvolle 
Unterfuhungen, 3. B. über den Preis der Dinge, erfennt aud die 
Wichtigkeit des Landhaus vollfommen an (I, 139 der d. Ueberf.), geht 
jedoch aud in die Ueberſchätzung der Handelsbilanz u. die daraus ab⸗ 
geleiteten Regeln ein, I, 336, II, 193. 205. Ginige Hinneigung zu 
diefem Syfleme zeigen auch C. A. Broggia (dei tributi und delle 
monete, Nap. 1743. = Ser. el. P. a., IV.) u. 9. — Nod richtiger 
urtheilt Will Betty (+ 1687), über das Geld, doch fleht er in dem⸗ 
felben ein Gut höherer Art, Roſcher, ©. 81. 


Dahin gehören der Spanier Diego Saavedra Faxardo (} 1648) 
in dem Buche: Idea d’un principe Christiano, represendada in cien 
empresas; latein. Ides principisChristiano-Politici 101 symbolis expressa. 
Armstel. 1661. ©. 590 sq. „Potissimae divitiae ao opes terrae fructus 
sunt, neo ditiores in regnis fodinae, quam agricultura. Plus emolu- 
menti acclivia montis Vesuvii latera adferunt, quam Potosus mons cum 
intimis suis visceribus, licet argentiferis‘. a die anonpne Schrift 
Virginias Verger aus dem Anfang bes 17. Jahrh., und Ch. Dave: 
nant, Rofcher, Zur Geld. ıc. ©. 28. 112. — P. Paruta, Della 
perfettione della vita politica. Venet. 1579. fol. ©. 265. — Gifrig für 
die Handelsfreiheit fpricht der tiefvenfende Dudley North, Discourses 
on trade Lond. 1691, n. 9. Edinb. 1846, f. Mac⸗Culloch, Grund⸗ 
fäpe ©. 30, Roſcher ©. 85. — de Bois-Guillebert, Factum 
de la France, 1707, neu herausgegeben von Daire in Economistes 
financiers du XVIIL sidcle, 1843. Auch Child (f. oben) äußerte fchon 
Zweifel gegen einzelne Lehren. 


Lift (+ 1846), Das nationale Syſtem der politifchen Defonomie, 1.3. 
1841 (unvollendet). Der Verſuch, die Grundlagen des Smith’; 
(hen Syſtems zu erfchüttern, Konnte nicht gelingen, inzwiſchen haben 
die praftifchen Lehren des Verf. viele Anhänger gefunden, unb in ge: 


wiſſen Graͤnzen, fowie unter gewiſſen Vorausfeßungen, läßt fih auch 
eine Befhüsung der inländifchen Gewerbe wiſſenſchaftlich heidigen. 
gift Seht dem mationalen das Fosmopolitifhe Syflem ber 
Staatswirthfchaftslchre entgegen ; dieſes fol die Wohlfahrt der ganzen 
menſchlichen Gefellichaft, Tee aber die der einzelnen Staaten zum 
Gegenftande haben. Dieſer Unterfchied ift nicht begründet, denn alle 
Bearbeiter der politifchen Oekonomie haben ihre Borichläge und Rath: 
Schläge auf das Wohl einzelner Staaten gerichtet und wenn fe fich für 
Handelsfreiheit ausſprachen, fo gefchah es aus der legteren Hinfiht. — 
Das mit Talent und Feuer, aber auch mit Leidenihaft und Ginfeitig: 
keit gefchriebene Werk Liſt's Hat mehrere Gegner gefunden, 3. D. 
erüß emann, Liſt's nationales Syſtem ıc. 1842. — Dfiander, 
Entt hung des Publikums sc. Tübing. 1842. — Rau, ſ. $. 34 (d) = 
Archiv, V, 252. 349. 


$. 38. 


Das zweite Spftem der politifchen Defonomie, das phy- 
fiofratifche (a) oder öfonomiftifche entitand in Sranf- 
reich um bie Mitte des achtzehnten Jahrhunderts, veranlaßt von 
bem Anblid des traurigen wirthichaftlichen Zuftandes, welcher 
dort unter der verfchwenderifchen Regierung Ludwigs XV. wahr: 
‚genommen wurde. Der Stifter dieſes Lehrgebäudes, der königliche 
Leibarzt Frangois Quesnay (geb. 1694, geft. 1774), wurde 
buch den Verfall des Landbaued am meiften angeregt und 
wandte fich daher auf den von Sully ($. 32.) betretenen Weg, 
weßhalb er und feine Anhänger diefen Staatsmann als Vorbild 
anfahen. Die Phyftofraten blieben indeß nicht bei ben ftaats- 
wirthfchaftlichen Lehrſaͤtzen ftehen, fondern ftellten überhaupt das 
Ideal einer vollfommenen Staatseinrichtung auf, in weldyer 
Recht, Tugend und Wahrheit herrfchen, Armuth und Willkür 
aber verbannt fein follten. Diefe aud den Gebieten der Wirth: 
ſchafts⸗, Sittens und Rechtölchre zufammengefügten Säge wur: 
den mit lebhafter Phantafte, mit Begeifterung für dad Gute 
und nicht ohne bialeftifche, ja fogar fophiftifche Kunft zu einem 
dem Scheine nad) wohlverbundenen Lehrgebaäude verwebt, welches 
burch diefe fpeculative Form wie durch feine Grundgedanken dem 
Handelsſyſteme gerade entgegengefegt war. 


(a) Phyſiokratie, wörtlich duch Natucherrfchaft zu uͤberſetzen; bie 
„natürlihe Orbnung, Yordre naturel,” gehörte unter die Lofungswörter 
dieſes Syſtems. 


$. 39. 


Die Phyfiofraten gehen von der Wahrheit aus, daß alle 
materiellen Güter durch die Natur hervorgebracht und durch den 


% 


— 4 — 


Menichen der Erbe abgewonnen werden, woraus fie bie Folge 
ableiten, die einzige Beichäftigung, welche die Gütermaffe zu 
vermehren vermöge, fei diefe Gewinnung roher Stoffe durch 
Arbeit an und in ber Erde, — ein Sag, den man zugeben 
müßte, wenn bie Größe ded Vermögens fi) blos nach ber 
Menge von Stoffen beftimmte. Die weitere Verarbeitung ber 
Stoffe und der Umtaufh im Handel fönnen nad) diefer Lehre 
feine neuen Güter erzeugen, fie erhöhen nur den Werth der Stoffe 
um fo viel, ald während und zum Behufe diefer Verrichtungen 
andere Bobenerzeugniffe verzehrt werben, fie find daher wefentlich 
von dem Landbau verfchieden, durch welchen allein ein Ueberſchuß 
von Erzeugniffen über die aufgewendeten Koften, ald Gefchenf der 
Naturkraͤfte, gewonnen wird. Fuͤr diefen Ueberfchuß (die Grund⸗ 
rente) wurde der Kunſtausdruck reiner Ertrag, produit 
net, eingeführt (a). 

(a) Die Phyfiofraten rechnen zu den von dem rohen Ertrage abzu: 

ziehenden Eulturfoflen (reprises de la culture): 

1) den Erfaß der jährlihen Auslagen, avances annuelles, 
welhe flets von Neuem zur Erzielung des Rohertrages aufgewendet 
werden müflen; 

2) die Vergütung für die urfprünglichen oder Dehanbaus- 
lagen, avances primitives, die nämlich für die zum Betriebe der 
Landwirthfchaft erforderliben Binrihtungen, als Beräthe, Me u. dal. 
gemacht werden mußten, und von denen jährlich beträchtliche Zinſen 


erftattet werden müflen. Diele Beftandauslagen Sollen nah Quesnay 
ungefähr fünfmal foviel ale die jährlichen betragen. 


* $. 40. 


Durch die Erftattung der Culturkoſten aus dem rohen Ertrage 
der Landwirthfchaft erhalten die Landwirthe, welche die hervor— 
bringende Elaffe, classe productive, der Gefellfchaft ge- 
nannt werden, ihr Einfommen. An biefe fchließen fich bie 
Orundeigenthümer, classe des proprietaires, wohin aud) 
die Zehntberechtigten und das Staatsoberhaupt gerechnet wers 
den; biefer Claſſe wird ber reine Ertrag von ben Landwirthen 
entrichtet (a). Beiden fteht die unfruchtbare. Elaffe, elasse 
sterile, alle übrigen begreifend, gegenüber, welche zwar man» 
cherlei Ruten für die Gefellfchaft durch ihre Thätigfeit zu Wege 
bringt, nur aber nicht zur Vermehrung des Vermögens beiträgt 
und von volfswirthfchaftlicher Seite blos durdy ihre Erfparungen 
nügen kann. Sie erhält die benöthigten fachlichen Güter von 


— 42 — 


den erſteren Claſſen zur Bezahlung der Dienſte, die ſie ihr 
leiſtet (D). 


(a) 


(8) 


Sn dem reinen Ertrage liegt indeß nach der Meinung ber Phyflofraten 
noch der Erſatz einer dritten Art von Koften, der fogenannten Grunds 
auslagen, avances foncidres, welche zum Behufe der Urbarmachung 
und der Bodenverbefferungen (Meliorationen) gemacht worden find und 
deren Wirkung fortdauernd if. Die Grundeigenthümer und ihre Ahnen 
haben das DVerdienft, diefe Auslagen unternommen zu haben und fie 
noch ſtets zu vermehren, und daher erfcheint ber reine Ertrag nicht ganz 
als ein Belgent ber Natur. Meberhaupt ſucht das phyſiokratiſche Syſtem 
die Grundeigenthümer fehr zu begünftigen, fle werden als _die Bürger 
im vorzüglihen Sinne, als die Beichirmer der andern Stände dar⸗ 
geftellt, weshalb fie auch bei der landftändifchen Berfaflung allein Ber: 
treter werden follen. Offenbar waren es nicht diefe Säge, fondern bie 
naturrechtlichen, wegen deren man bie Phyflofraten befchuldigte, mit 
juim Ausbruche der frangöfifhen Revolution, obgleich ohne es zu wollen, 
eigetragen zu haben. „L’ötat ne reside essentiellement que dans le 
souverain, 'ıqui en est le chef, dans les propristaires du produit net, 
< dans les entrepreneurs de culture.“ De l’Esprit des économistes, 

eite 22. 

Die Bertheilung der Producte ſuchte Quesnay durch eine fingirte 
Derehmung zu verbeutlidhen, fein tableau &conomique.. Wenn 3. 2. 
in einem Lande für 5000 Mill. Liv. rohe Stoffe gewonnen werben, fo 
mögen davon beiläufig erhalten: 

1) die Landwirthe 


a) für die Jahresauslagen -. » » » 2 2. ..2000 Mil. 
b) für Berzinfung und allmäligen Erſatz der Beftand- 
auslagen. . 1000 5 
3000 Mill. 
2) Die Grundherrn als Reinertrag . . . 200 „ 


Summe 5000 Mill. 

Nun geben die Landwirthe fowohl als die Grundeigner für 1000M. 2. 

rohe Producte an die fterile Elaffe gegen allerlei Dienfte ab. Es wer: 

den alfo verzehrt: 

1) von den Landwirtben ff . - > 2 2000 Me. 

2) von den Brundeigentbümern . - © » >: 2 2.1000, „ 
3) von der fterilen @lafie 

a) an Nahrungsmilteln . - -» > 2 22200 1000, „ 

db) an rohen Stoffen zur Verarbeitung . . -. . 1000, „ 

Summe wieder 5000M.£. 


$. 41. 


Aus diefen Vorderſaͤtzen wurden hauptſaͤchlich nachſtehende 


praftifche Regeln abgeleitet: 


1) Die Landwirthfchaft verdient Die vorzügliche Begünfti- 


gung der Regierung; beſonders ift darauf zu fehen, baß bie 
probuctiven Auslagen nicht vermindert, fondern vielmehr ers 
weitert werben. | 


2) Alle die Freiheit’ der Bodenbenugung hemmenden Laſten 


müffen zu Gunften ber Landwirthe entfernt werden, man muß 


Tr 


— 43 — 


ferner den Abſatz ihrer Erzeugniſſe ſowohl im In⸗ als im Aus⸗ 

lande befoͤrdern, um ihre Einnahme zu vergroͤßern. 

3) Handel und Gewerbe muͤſſen ebenfalls von allen Bes 
fehränfungen befreit fein, weil bie auf beide zu verwendenden 
Ausgaben unprobuctiv find und die freie Goncurrenz bie gute 
Folge hat, daß die Gefellfchaft ihre Bebürfniffe durch jene Aus- 
gaben jo wohlfeil als möglic, befriedigen fann. (Laissez faire 
et laissez passer!) 

4) Da alle Staatdabgaben nur aus dem Ueberfchuffe ber 
Erzeugung über die Koften beftritten werben Fönnen und biefer 
Reinertrag ſich urfprünglih nur in den Händen der Grund⸗ 
eigenthümer befindet, ſo fallen benfelben im Grunde auch alle 
jene Abgaben zur Laft, denn die anderen Claſſen werden doch nur 
durch das, was fie für ihre Dienfte von den Grundeigegthümern 
einnehmen, in den Stand gefebt, Steuern und andere Abgaben 
an den Staat zu. bezahlen. Daher ift ed am bequemften, ftatt 
aller anderen Abgaben nur eine einzige, nämlich eine Grunb- 
fteuer, einzuführen, welche dasjenige auf dem Fürzeften Wege 
und mit ben geringften Erhebungsfoften von den Grundeigen- 
thümern nimmt, was fie doch, nur unter mancherlei Formen, 
mittelbar zu tragen haben (a). 

(0) Verſuch, diefe einzige Srundfleuer, das berühmte impöt unique, in 
Baden einzuführen, 1771—1801, v. Drais, Baden unter Karl 
Friedrich, I, 315. Der Verſuch mißlang, aber auch fein Gelingen Hätte 
wenig bewielen, da er nur in Dörfern angeftellt wurde, in welchen 
wenig andere Ginfünfte als aus der Landwirthichaft vorzufommen 
pflegen. Die Unausführbarkeit der vierten Megel ift fo einleuchtend, 
daß fie von mehreren Phyſiokraten felbft zugegeben wird, aber fle er: 


Hören biefelbe nur aus Außeren Umfländen, ohne die Irrigfeit der 
oberften Saͤtze zuzugeſtehen. 


g. 42. 


Das phyſiokratiſche Syſtem (a), ungeachtet ſeiner Einſeitig⸗ 
keit und der Unhaltbarkeit ſeines Hauptſatzes, hatte doch das 
Verdienſtliche, ein Beiſpiel tieferer Forſchung über volfswirth- 
ſchaftliche Gegenſtaͤnde zu geben, neue Begriffe und Kunſtaus⸗ 
druͤcke aufzuſtellen, die Wichtigkeit des Landbaues hervorzuheben, 
der Freiheit in Gewerbsſachen das Wort zu reden, den Glauben 
an die große Bedeutung der Handelsbilanz zu bekaͤmpfen, und 
uͤberhaupt den Widerſtreit gegen das Handelsſyſtem zu beginnen, 


— 44 — 


wodurch es eine richtigere Anſicht vorbereitete. Außer Frank⸗ 
reich (6) fand daſſelbe hauptſaͤchlich in Deutſchland eifrige An- 
haͤnger (c), während es von anderen Gelehrten lebhaft beſtritten 
wurde (d). Mehrere italienische Schriftfteller fprachen, theils 
vor, theild nad) Ques nay, einzelne phyfiofrarifche Lehrfäge 
aud (e). Die neueren Phyſiokraten fuchen die Lehren ihrer 
Schule mit den durch Smith in die Wiffenfchaft eingeführten 
Wahrheiten in Einklang zu bringen (f). 


(a) 


(6) 


(e) 


©. die Literatur bei Steinlein, I, 34. — Bol. Schmifthenner, 
Zwölf Bücher, I, 95. — Blanqui, Hist. II, 88. — Bianchini, 
I, 208. — Kellner, Zur Gefchichte des Phnflofratismus. Göttingen 
1847. — Daire in Journ. des Econ. XVII, 349. XVIIL, 113. 


Duesnay fprach feine Anfichten zuerft in Diderot’s Encyclopaͤdie, 
Art. fermier und grain aus. Hauptfchriften defielben find: Tableau 
€conomique.‘ Versailles, 1758. — Maximes generales du gouvernement 
$conomique. Ebd. 1758. (Beide Schriften ſtehen auch im 1. Bande 
von Dupont’s Phyfiokratie). 

V. de Riquetti, Marquis de Mirabeau (ber Vater), L’ami des 
hommes ou trait6 de la population. Avignon, 1756. IH. Deutſch, 
Hamburg - 1759. 1I. — Theorie de l’impöt. P. 1760. — Philosophie 
rurale, Amst. 1763. Auszug: M’s. Landwirthichaftsphilof., a. d. Fr. 
von Wihmann, 1797. 98. U. 

Mercier de la Rivière, L’ordre naturel et essentiel des socistes 
politiques. Paris, 1767. 4. 

(N. Baudeau) De l’origine et des progrès d’une science nouvelle 
Lond. et P. 1768. Deutih, Karlsr. 1770. 

A. R. J. Turgot (} 1781), Recherches sur la nature et l’origine 
des richesses. Par. 1774. Deutih von Maupillon, Lemgo, 1775. — 
Neue Ausg. unter dem Titel Röflexions sur la formation et la distribution 
des richesses. Par. 1784, auch im 5. Bande der Oeuvres complettes, 
Par. 1808 bi8 1811. VIII Bde., neue Ausgabe von Daire und Dussard 
als III. und IV. Bd. der PBarifer Collection des principaux &conomistes. 
Turgot handelte aud als Finanzminifter im Sinne des phyfiofratifchen 
Enftems, über welches er fi zwar in manchen PBuncten erhob, ohne 
ſich jedoch von den Grundgedanken Iosreißen zu fönnen. Gr erkannte 
3. B. die Natur der Bapitalrente, fuchte aber dennoch zu zeigen, daß 
fie für den Staat nicht disponibel fei. Seine Reflexions find das befte 
phyſiokratiſche Werk. 

G. F. le Trosne, De l’ordre social. Par. 1777. Deutfh v. Wich⸗ 
mann: Lehrbegriff der Staatsordnung. Leipz. 1780. 

Physiocratie ou constitution naturelle du gouvernement le plus avan- 
tageux au genre humain. Becueil publi6 par S. P. Du Pont. Yver- 
don, 1768-69, VI Bd., vom 2. Bande an unter dem Haupttitel: 
Discussions et d&veloppements sur quelques-unes des notions d’&conomie 
politique. Die drei legten Bände betreffen nur den Getreidehandel. 

B. de ®ournay, einer der einflußreichften Phnfiofraten, der bes 
fonders die Handelsfreiheit eifrig verfocht, trat nicht als Schriftfteller auf. 
(Karl Frieder. Markgraf v. Baden, + 1811) Abrög6 des prin- 
eipes de !’&con. pol. Carlar. 1772. Abgedruckt bei Will, f. unten. 
Deutfh von Saß. Deffau, 1783. 

3. A. Schlettwein, Les moyens d’arröter la misöre publique. 
Carlar. 1772. Deutih, 1772. — Die wichtigſte Angelegenheit für das 


(4) 


(0 


— A — 


anze Publikum oder sc. Karlsruhe, 1772. 73. II. neue A. 1776. — 
Brundfefe der Staaten. Gießen, 1779. — Archiv für den Menfchen 
und Furger. Leipz. 1780 -84. VII. B. — Neues Archiv. 1785— 88. 
IV. Bd. 

Sf. Iſelin, Verſuch über die geſellſchaftl. Ordnung. Baſel, 1772. — 
Traͤume eines Menſchenfreundes. Baſel, 1776. II. B. n. A. 1784. — 
Ephemeriden der Menſchheit. 1782 ff. VI. B. 

I. Maupillon, Sammlung von Auffäßen über Gegenftände aus 
der Stantefunft. Leipz. 1776. IL. — Phnfiokratifche Briefe an Herrn 


Dohm. Braunfhw. 1780. 


3.8.8. Springer, Defonom. u. cameral. Tabellen. Frkf. 1772. — 
Ueber das phyfiofrat. Syflem. Nürnb. 1781. 


F. A. de Forbonnais, Prinfipes et observations &conomiques. Amst. 
1767. Deutih v. Neugebauer, Wien, 1767. . 

G. B. de Mably, Doutes proposes aux philosophes &conomistes. 
Par. 1768. 

(J. Pinto) Trait6 de la circulation et du credit. Amsterd. 1771. 
Deutih: Sammlung von Auffägen ıc. von K. N. v. Struenfee). 
Liegniß, 1776. ©. 145. 

C. W. Dohm, Kurze Borftellung des phyſiokratiſchen Syſtems. 
Caſſel, 1778. 

(on Pfeiffer) ot oder umftändl. Unterf. d. fogen. 
pbyfiofrat. Syſtems. Frankf. 1780. 

G. A. Will, Verſuch über die Phyfiofratie. Nürnb. 1782. 

Mehrere andere find angeführt bei Rütiger, Anfangsgrünbe ber 
allgem. Stantslehre. Halle, 1795. S. 144—46. 


S. A. Bandini (} 1760), Discorso economico, geichrieben 1723, ge: 
drudt erfl 1775. = Serittori el. P. mod. I. Bandini wird ald Vor: 
läufer der Phyfiofraten angefehen, da er zur Verbeſſerung der Sumpf: 
egend (Marernma) von Stena größere Freiheit des Landbaues und Ber: 
ehrs, insbefondere freie Getreideausfuhr, Bereinfachung der Geſetze, 
der Verwaltung und des Steuerweiens, namentlidh eine einzige Grund⸗ 
abgabe vorſchlaͤgt. Auszug bei Müller, Darftellung der ital. Claſſiker, 
©. 66. — Pecchio, Storia, ©. 70. 

C. Beccaria (} 1793), Elementi di economis publica, gefchrieben 
1769—71 als Borlefungen auf der Cattedra di scienze camerali in 
Mailand, zuerfi gedrudt in der Sammlung der Scrittori cl. P. mod. 
T. XI. XU. (Nur einige phyflofrat. Vorftellungen in der Bergleihung 
des Landbaues mit den andern Gewerben, 3. B. 1. $. 14 ff.) 

G. Filangieri, (} 1788), Della legislazione. Nap. 178085, 
VII. Bd. Deutfh, Ansbach, 1788—91. Das 2te Bud, — Seritt. cl. 
P. mod. T. XXXII. (Fuͤr Befreiung der Landwirthfchaft und des Hans 
dels und einzige Grundſteuer). 


G. Garnier, Abrégé sl&mentaire des principes de l’&conomie polit. 
Paris 1796. 

le Prince D. de @. (Gallizin), De l’esprit des economistes ou 
les &conomistes justifits d’avoir posé par leurs principes les bases de 
la r&volution francaise. Brunsvik, 1799. Deutfh, Duisburg, 1798. 

Dutens, Philosophie de l’&conomie politique ou nourvelle exposition 
de cette science. Par. 1835. II. B. 

H. Jouffroy, Catechisme d’econ. polit. Leips. & Paris, 1844. 

Th. 9. 9. Schmalz (F 1831), Encyklopädie der Kameralwiſſen⸗ 
fhaften, 1796. n. 9. 1819. — Handb. der Staatswirthſchaft, Berlin, 
1808. — Staatswirthſchaftslehre in Briefen an einen deutfchen Erb⸗ 
pringen. Berl. 1848. LI. 


— 46 — 


2. Krug, Abriß d. Staatéoͤkon. Berlin, 1807. (Enthaͤlt nur wirth⸗ 
ſchaftliche Kotitit mit einigen phyflofratifchen Anſichten). 


8. 43. 


Das dritte ftaatöwirthichaftliche Lehrgebäude wurde von bem 
großen fchottifchen Gelehrten Adam Smith (geb. 1723, geft. 
1790) aufgeftellt (a) und wird gewöhnlich nad) demfelben bes 
nannt; man gab ihm audy bisweilen ben unbeflimmten Namen 
Induſtrieſyſtem. Smith erhob ſich in derrichtigen Auffaffung 
ber volfswirthfchaftlichen Erfcheinungen und in ber Erforfchung 
ihrer Urfachen über die Einfeitigfeit der beiden früheren Syſteme, 
indem er fowohl den Landbau als bie Gewerke (Fabrication) 
und ben Handel ald Mittel zur Bereicherung der Völfer dar⸗ 
ftellte, doch fand er in der Lehre der Phyſiokraten mehr nügliche 
Vorarbeiten al8 im Handeldfyftem, und nahm daher mehr von 
_ jenen in fein Lehrgebäude auf (5). Viele einzelne Säge deſſelben 
waren ſchon von früheren Schriftftellern erfannt und ausgefprochen 
worden (c), doch bleibt Smith unftreitig dad große Verdienſt, 
fie in Zufammenhang gebracht, dad Weſen der Volkswirthſchaft 
tiefer als feine Vorgänger ergründet und vollftändiger erklärt, 
und hieburch den Regeln der wirthfchaftlichen Politik eine feftere 
Unterlage gegeben zu haben. 


(a) Ad. Smith, Inquiry into the nature and causes of the wealth of 
nation. Lond. 1776. II B. 4, neue Ausg. von Buchanan, 1814. 
IV B., mehrere neuere von, Mac-Culloch, 4. A, 1851 in 1 Bd., 
Nachdruck, Bafel, 1801. IV. — Deutih von Schiller (Joh. Fr.), 
Leipz. 1777, 78. IIB., der dritte Bd. von Wichmann, 2. 1792. — 
Beſſere Ueberfegung von Garve, fortgefeßt von Dörrien, Breslau, 
1793— 96. IV. 3te X. 1810. III. (Nach diefer Ausgabe wird Smith 
in gegenwärtigem Lehrbuche citirt). Neueſte Ueberf. v. M. Stirner, 
Die Nationalöfonomen d. Franz. u. Gngl., Bd. V—VILU, 1846, 47. — 
Sranzöflfche beſte Neberfegung von Garnier, Par. 1802. V B., 2te 
Ausdg., 1822. VI.B., — von Blanqui, 1842, neuefte Ausg. v. dem: 
felben ale V.u. VI. Bd. der Collection des principaux 6conomistes. — 
Dieß Meifterwerk laͤßt doch in der Außeren Anordnung Manches zu 
wuͤnſchen übrig, was dazu beigetragen haben mag, daß daſſelbe da 
nicht ſchnell in Europa verbreitet hat. 

(5) Betrachtet man die volfewirthichaftliche Grundlage jedes diefer Syfteme, 
nämlich die Borftellung von der ntflehungsart des Volfswohlftandes, 
fo fann man fie fo bezeichnen : 

1) —8 der Handelsbilanz oder des Geldzufluſſes durch Waaren⸗ 
ausfuhr; 

2) Syſtem des von der Landwirthſchaft herruͤhrenden Reinertrages; 

3) Syſtem der Guͤtererzeugung durch Arbeit, in bei Landwirthſchaft, 
ber Babrication und dem Handel. 

(0) Sicher gehört zunähft A. Smith’s Freund, der fchottifche Geſchicht⸗ 
fchreiber und Philoſohh David Hume (F 1776). Seine beiden 


— 47 — 


Schriften: Essays moral and political, Edinb. 1743 u. ö., und Po- 
litical discourses, 1752 u. d. find auch enthalten in ber größeren 
Sammlung: Essays and treatises on several subjects. Lond. 1753. 
IVB. u. d. Die politifhen u. öfonomifchen Aufläge hieraus: D. H. 
polittiche „pertuche, aus dem Engl. (v. Kraus), Königeb. 1800. 

A. — Ferner Steuart, ! $- 37 (c) und mehrere ältere 
enalifihe Särifineie f. Rof her, D. — Auch mehrere Ita: 
liener müflen als Borläufer Smith’s angefehen werden, der fie jedoch, 
Galiani ausgenommen, vermuthlih nicht gekannt hat. Beſonders 
nennenswerth find: 

F. Galiani (} 1787), Della moneta. Napoli, 1750. n. 9. 1780. 

= Seritt. el. P. mod. IIL IV. (So gründlid,, daß man glaubt, der 
i wrg⸗ Jüngling habe den Beiſtand älterer Freunde benugt). 

F. Pagnini Saggio sopra il giusto pregio delle cose. 1751. 
== Seritt. el. P. mod. II. 

C. Beccaria, f. $. 42 (e). 

Giammaria Ortes, Dell’ economia naziomle. Venez. 1774. = 
Seritt. cl. P. mod. T. XXL (Hödft originell; blieb bis zum Abdruck 
in ber angeführten Sammlung faſt ganz unbefannt). — Riflessioni 
sulla populazione. 1794. = Seritt. cl. T. XXIV. (Sft hierin Vor: 
läufer von Malthus). 

P. Conte Verri (} 1797), Meditazioni sulla economis politica. 
Mil. 1771. = Seritt. cl. P. mod. XV. Franzoͤſiſch: Reflexions sur 
l'é0. pol. Laus. 1771. Econ. politique. Paris, 1808. Deutfch von 
Schmid, Mannh. 1785. (Borzüglid). 

Dal. Hassa, Cuinam nostri aevi populo debeamus primas oecono- 
mise publicae et statisticae notiones? Lips. 1828. 4. (Schildert die Ber: 
bienfle der Italiener und Deutfchen). — Pecchio, a. Storia. 


g. 44. 


Die Hauptgedanfen des Smith'ſchen Syſtems find 
folgende: 

1) Die Sachgüter werden durch die menſchliche Arbeit mit 
Hülfe der Grundſtücke und des Capitals hervorgebracht, und 
ber Werth der Güter beſtimmt ſich durch die Menge ver auf fie 
gewenbeten Arbeit (a). 

2) Richt blos die auf Gewinnung roher Stoffe von ber Erbe 
gerichtete Arbeit, fondern auch die Thätigfeiten der Stoffvereblung 
(Gewerfsarbeit, Yabrifation) und bes Handels bewirken bie 
Vermehrung des Bermögens, find alfo probuctiv. 

8) Die wichtigften Mittel, welche bie probuctive Wirkung - 
ber Arbeit verftärfen, find die zmedmäßige Theilung der Arbeiten 
und ber Gebrauch des Capitales. 

4) Iene drei Claſſen von Gewerben (f. 2.) verdienen in 
gleihem Maaße von der Regierung unterflügt zu werben. 

5) Das freie Mitwerben (Concurrenz) ſtellt von felbft bie 
angemefienften Preiſe der Dinge ber, bewirkt die Ausgleichung 


— 48 — 


des Bebürfniffes mit ben Borräthen, verfehafft den Theilnehmern 
an ber Production ihre gebührenden Antheile als Grundrente, 
Gapitalgewinn und Arbeitslohn und leiftet überhaupt in ber 
Volkswirthſchaft nüßliche Dienfte. 

6) die Regierung foll nur infofern auf die wirthfchaftlichen 
Angelegenheiten bed Volkes einwirken, als fie die Hinderniffe, 
die der Entwidelung des Gewerbfleißed im Wege ſtehen, zu 
entfernen ſucht, fonft aber die Freiheit in Gewerbsangelegenheiten 
walten laffen, namentlich auch im ausmärtigen Hanbel. 

7) In Beziehung auf ihre eigenen Einnahmen fol die Res 
gierung nicht an dem Betriebe von Gewerben Theil nehmen, 
fondern ihren Bedarf auf die am wenigften flörende Weife 
durch Befleuerung von dem reinen Einfommen ber Bürger 
aufbringen. 


(a) Smith hat allerdings die Mitwirkung des Bodens und bes Gapitales 
anerfannt und gehörig berüdfichtiget (1. Baumftarf, Staatswiflenfch. 
Verſuche, ©. 509), aber es ift auch nicht zu verfennen, daß er bie 
Arbeit als die Urquelle des Vermögens vorzüglich herauehebt und die 
ganze Bintheilung feines Werkes auf fie gr bet. Das Capital wird 
von ihm als ein Mittel angefehen Arbeit zu befchäftigen und zu fördern, 
und er nimmt an, daß die Bapitalgewinnfte aus dem Brzeugniffe der 
Arbeit abgegeben werten (I, 76.). er Ausdrud: „Product der Arbeit 
und des Bodens” kommt Häufig im Smith' ſchen Werke vor, aud 
wird bei Gelegenheit der Landrente von dem natürliden Pro— 
duste des Bodens gefprochen (I, 77... Man flieht, daß er in ber 
Hochſchaͤtzung der Arbeit den Phyfiofraten entgegen tritt, in Anfehung 
der Wichtigfeit der natürlichen Productionskräfte aber mit ihnen gegen 
die Mercantiliften ftreitet. 


$. 45. 


Wenn gleich manche einzelne Säge dieſes Syſtems, wie fie 
Smith aufftellte, einer genaueren Beftimmung, andere einer 
Berichtigung bedurften (a), auch dad Ganze noch fuftematifcher 
dargeftellt werden mußte, fo find doch die Grundgedanken fo fehr 
aus der Natur der Sadye gefchöpft, daß die Unterfuchungen 
neuerer Forſcher nur eine allmählige innere Fortbildung herbeiführs 
ten, ohne ein anderes Syftem aufzuftellen. Daher wird auch bie 
heutige politifche Delfonomie, obſchon fie fich keineswegs mehr 
auf den Inhalt der von Smith felbft ausgefprochenen Lehren 
befihränft, doch noch als das Syſtem deſſelben betrachtet (d). 
Das neunzehnte Jahrhundert brachte eine Fülle von Er; 
fcheinungen und Erfahrungen im wirthfchaftlichen Gebiete hervor, 


— 49 —- 


aus denen ſowohl neue Lehrſaͤtze für die Erkenntniß ber Volks⸗ 
wirthſchaft gewonnen, als neue Aufgaben fuͤr die Wirthſchafts⸗ 
politik abgeleitet werden konnten. Dieſe Bereicherung und jene 
Bervollfommnung ber Wiffenfchaft, durch die Bemühungen beut- 
her (c), engliſcher (d), franzöftfcher (e), italienijcher (f) und 
anderer (g) Gelehrten bewirkt, hat die Folge gehabt, daß bie 
Wichtigkeit jener Wiffenfchaft immer allgemeiner anerfannt wird 
und ihr Einfluß auf die Verwaltung ber wirflichen Staaten an 
Stärfe und Ausbreitung fortdauernd zunimmt. Die abgefon- 
berte Bearbeitung der Volkswirthſchaftslehre, welche durch Tren- 
nung von den praftifchen L2ehren viel an Zufammenhang, Klar: 
heit und fpftematifcher Orbnung gewann, wurde vorzüglich in 
Deutfchland mit gutem Erfolge vorgenommen. 


(c) Ueber die Gegner Smith's in England, 3. B. Pownal, Grau: 
furd, Samilton, ray, f. Sartorıus, Handb. der Staats: 
wirthfchaft, Vorrede, S. XV, und Stord, Hanbb., I, 77. Am wid: 
tigen it Eari of Lauderdale ( 1839), Inquiry into the nature 
and origin of public wealth. Edinb. 1804. Deutih durch v. Schön 
(abgekürzt) Berlin, 1808. 

(5) Literatur bei Steinlein, Volkswirthſchaftslehre, I, 106 ff. 

(2) 1) Umarbeitungen des Smith’fhen Werfes. 

G. Sartorius (+ 1828), Handbuch der Staatswirthichaft. Berl. 
1796. Neue Ausgabe: Bon ten Glementen des Nationalreihthums 
und von ber Staatswirthichaft. Bötting. 1806. (Trug nebft Lueder 
am meiften zur Verbreitung des Syſtems in Deutichland bei). 

N. F. Lueder (71819), Ueber Nationalinduftrie und Staatswirth⸗ 
ſchaft, nach A. nr bearbeitet. Berlin 1800—4. IL B. — Die 
Nationalinduftrie und ihre Wirkungen. Braunfchw. 1808. (Muszug). 

Chr. 3. Kraus (+ 1807), Staatswirthfchaft, herausg. von HB. 
v. Auerwald, Königsb. 1808-11. V. 2ter Abdrud 1837. (Nur die 
4 erfien Bände gehören hierher, der Ste enthält wirthſchaftliche Politik 
Ne eigenen Ant ten bes Bin: 
2) Bearbeituugen der Wifjenfhaft mit mehr eigenthüm: 

lihden Forſchungen. 

‚9. v. Jakob (+ 1827), Grundſaͤtze der Nativnalölonomie. Halle, 

1806. 3. 9. 1825. 

Ehr. v. Schlöger, Anfangsgründe der Staatswirthichaft. Riga, 
1805. 7. 1.8. 

3. Graf von Soden (+ 1831), Die Nationalöfonomie. Leipzig, 
1805—23. IX B. Bd. 1-UI. enthalten die Nationalöfon., 3. IV. 
den Auszug aus den brei erſten, Bd. V. die Finan FAN An Br. VI. 
die Bolfswirthichaftspflege („Stantönationahwicthihaftele re“ bei dem 
Berf.), die brei Ichten gehören nicht zur politifchen Defonomie. Graf 
Soden und Jakob haben um die wiflenichaftlihe Geſtaltung der 
Bolfswirtbfchaftslcehre großes Verdienſt ($. 15 (a)), doc führten fie 
die Ausicheidung ber praftifchen Saͤtze aus berfelben nicht ganz durch. 
e. A J Wert if reich an lehrreichen Ausführungen einzelner Ges 
gen e. 

&. Hufeland (+ 1817), Neue Srundlegung d. Staatswirthſchafts⸗ 
kunſt. Gießen, 1807—13. U B. (Unvollendet). 

Rau, polit. Dekon. I. 7. Ausg. 4 


9 


J. F. €. Lotz (+ 1838), Reviſion der Grundbegriffe der Rationals 
wirthfchaftslehre. Coburg, 1811—14, IV. — Handbud der Staats: 
wierhichaftstche. &rlangen, 1821. 22. IIL 2. Ausg. 1837. (Vorzüglich). 

3. P. Harl (} 1843), Handbuch d. Staatswirthfchaft und Finanz. 


Grlang,, 1811. 
— Be er, Lehrbuch der volit. Defonomie. Bresl. 1843. 1. 
A. v. Leipziger, Geiſt der Nationalöfonomie und Staats: 


wirthichet, "Berl. 1813. IL 
H. Storch (} 1835), Cours d’&conomie politique. St. P&tersb. 1815. 
v1 B. — Paris, 1823. IV 3. (avec des notes explicatives et critiques 
par M. Say). — Deutih: Handbud der Nationalwirthichaftslehre, mit 
Zufägen von Rau. Hamburg, 1819, 20. III B. Die Zufäge auch 
befonders abgebrudt, ebd. 1820. 
G. &t. v. Buquoy, Theorie der Nationalwirthfchaft. Leipz 1816. 
4. — ee 3 Nachträge, 1816—18. 4. 
Gifelen, Brundzüge ber Staatswirtäfchaft. Berl. 1818. 
— Se Lehre von der Vollswirmſchafi Halle, 1843. 
4 Ehrenthal) Die Staatswirthſchaft nach Ratıregefegen. 2p3. 1819. 
A. F. Lueder, DieNationalöfon. od. VBolkswirthfchaftst. Jena, 1820. 
K. Arnd, Dieneuere Güterlehre. Weimar, 1821. — Die materiellen 
Grundlagen und fttlichen Forderungen der europäifchen Eultur. Stuttg. 
1835. — Die naturgemäße Volkswirthſchaft. Han. 1845. 2te A. 1851. 


3.9. Dberndorfer, Syſtem ber Nationalöfon. Landsh. 1822. 


8. H. 2. Pölig (7 1838), Volkswirthſchaft, Staatswirthichaft und 
Finanzwiſſenſchaft — und Polizeiwiſſenſchaft. Leipz. 1823. Zweite A. 
1827. EAuch als zweiter Band von: Die Staatswiffenfchaften im Lichte 
unferer Zeit). 

v. Seutter, Die Staatewirthfchaft. Ulm, 1823. IH. 

®. 8%. Krauf e, Berfuch eines Syflems der Rationals und Staats⸗ 
otepemie. _keipg. 1830. UI. 

Br. 3. nes (t 1850), Grundriß der hiſtor. u. polit. 
Wiſſenſchaften. Gießen, 1830. I. ©. 104. 214. 287. — Zwölf Bücher 
vom Staate, I, 324. 1840. . 

R. ie Handb. d. Volkswirthſchaftslehre. Münd., 1831. I. 

K. F. ent, Das Beduͤrfniß der Volkswirthſchaft. I. Bd. Die 
allg. 5 e der Volkswirthſchaftolehre. IT B. Die Grundfähe d 
Boltemithfän öpflege. Stuttg. 1831. 

S Zabaris (+ 1843). Staatswirthſchaftslehre. Heidelb. 1832. 
I., “de der 5. B. der 40 Bücher vom Staate. — In der n. Musg. 
biefes Werkes ift die Staatswirthichaftslchre der 7. Bd. 1843. 

K. v. Rotted (} 1840), Dekonomifhe Bolitif. Stuttg. 1835. 

J. Schön (} 1839), Neue Unterfudhun ng der Rationalöfonomie und 
ber g ürligen Bolkswirthfchaftsorbnung, ent 

@. B. Bons, Die Staatsöfonomie. akt Phyſit der Ge⸗ 
ſellfchaft. Berlin, 1836. 

4. Fr. Riedel, Mationalötonomie oder Bolkswirthichaft. Berlin 
18381841. III. 

v. Prittwitz, Die Kunft reich zu werden, oder gemeinfaßliche 
Darfieflung der Bolkswirthichaft. Mannheim, 1840. 2te Ausg. — Die 
Be tomithihafisichre. gemeinfaßlich dargeftellt. 1846. 

q Sarılı Vorleſungen über Rationalöfonomie. Augsb. 1843. 

C. Ch. Schütz, Grundſaͤtze ber Nationalökonomie. Stuttg. 
1823. „(Di Volkswirthſchaftspolitik ift mit eingeflochten). 

W. Roſcher, Grundriß zu Vorlefungen über die Staatswirthich. 
nad gefchichtlicher Methode. Goͤtt. 1843. — Syſtem der Volkswirth⸗ 
haft. I. Grundlagen der Nationalökonomie. 185% II. 1859. 


(@) 


51 — 


H. Giſenhart, Poſitives Syſtem der Bolkswirtbichaft, oder öfon. 
Socialtheorie. Reipzig 1844. (Mit vorzügliher Hinneigung zu Lift). 

3. Futler (+ 1853), Grundlehren der Volkswirthſchaft. Wien, 
1845. II 

Br. Hildebrand, Die Nationalöfonomie in Gegenwart und Zu⸗ 
£unft. * 1848. 

E. W. Uhde, Die Grundzüge der Nationalökonomie, J. 1849. 

L. Stein, Syſtem der Staatswiflenichaft. I. 1852. 

K. Knies, Die polit. Defonomie vom Standpunct der gefhichtlichen 
Methode. 1853. 

3) Sammlung vermifhter Auffäge und Zeitſchriften. 

v. Struenfee, Abhandlungen über wichtige Gegenflände d. Stants- 
wirthſchaft. Berlin 1800. II. 

®. Sartorius, Abhandlungen, die Glemente des Nationalreich⸗ 
thums und die Staatswirthfchaft Betreff. Bött. 1806. 

CEhr. F. Kraus, Aufſätze über ſtaatswirthſchaftliche Gegenftände. 
Konigsb. 1808. 11 8. 

K. Murhard, Ideen über wichtige Ge ae aus dem Gebiete 
der Nationalöfon. und Staatswirthſchaft. Wött. 

Rau, Anfidten der Volkswirthſchaft. —* 1821. 

G. Sulzer, Ideen über Bolkerglüd. Züri 1828 

B. Saufmann, Unterfuchungen im Gebiete der lit. Oekonomie. 
1. Abth. Sonn, 1829. 2. Abth. 16 H. 1830. 

8. W. Hermann, Staatswirthfchaftliche Unterfuchungen, 1832, 
Gringich 

Zachariä, Abhandlungen aus dem Gebiete der Staates: 
wirtbfchaftölche Seibel 1835 

E. Baumfarf, f. unten a 

I. F. Knapp, Bierzehn Abhandlungen aan Gegenflände der Na: 
tionalöfon. u. Staatswirthſchaft. Darmſt. 

NRopdhertus:Iageyow, Zur Grtenntß unferer flaatswirthichaftl. 
Zuftände. I. NReubrandenb. 1842. 

8. H. Rau, Archiv der politifcen Defonomie, feit 1835, V Bde. 
Rau u. Hanf fen, Archiv ıc., Neue Wolge, 1843—53, X Bde. 

4) Zur Geſchichte der neuern Bolfewirtbihaft und 
Wirthfhaftspelitifk. 

(R. v. Boffe), Essai sur l’histoire de l’&conomie politigge. Paris 
et Lond. 1818. II Bde. — Deſſen Darftellung des ſtaatswirthſchaft⸗ 
lichen Zuflandes in den deutſchen Bundesftaaten auf feinen geſchichtl. 
®rundlagen. Braunſchw. 1820. 

®. v. Guͤlich, Geſchichtliche Darftellung des Handels, der Gewerbe 
und bes Aderbaus der bedeutendften handeltreibenden Staaten unferer 
Zeit, Jena 1830—1845. V B. 


Rob. Malthus (} 1834), An essay on the principle of population. 
Lond. 1806. U. 5. A. 1831. Deutih von Hegewiſch. Altona 
1807. Il. — Principles of political economy. Lond. 1820. Franz. 
von Constancio. Paris, 1821. II. — Definitions in political eco- 
nomy. Lond. 1827. 

Dav. Ricardo (t 1823), Principies of political economy and 
tszation. London 1819. 2. A. 1821. Franz. von Constancio, 
avec des notes explicatives et critiques par M. Say, 1819. Neue 
Ausg. v. Fonteyraud, XIIL Bd. der Oollection. II. Deutſch: (nicht 
F überfept) v. Schmid. Weimar, 1821. Beſſere Meberfegung von 

Baumftark: Grundgefege der Bolfswirthichaft und Befleuerung. 
. 1838. Der dieſer Weberf. beigefügte 2te Band hat den Neben: 
Me vBoilkewirthfchafiliche Erlaͤuterungen, vorzuͤglich uͤber D. Ric. Spy: 


4* 


(e) 


— 32 — 


ſtem. 1838. — Ric. ſtellte in dieſem tiefgedachten, aber minder gut 
geordneten Werke viele eigenthuͤmliche Saͤtze auf, welche in Großbritannien 
zahlreihe Anhänger fanden. 

J. Mill, Elements of political economy. Lond. 1821. 3te N. Franz. 
von Parisot, Par. 1823. Deutih von Jakob. Halle, 1824. (Guter 
Abriß des Ricardo’fchen Syftems). 

M’ (Mac) Culloch, A discourse on the rise, progress, peculiar 
objects and importance of pol. ec. Lond. 1825. 2. 9. . Franz. von 
Prevost. Gendve et Paris, 1825. — Principles of political economy. 
Edind, 1825. N. 9. 1849. Deutih von G. M. v. Weber. Stuttg. 
1831. tanz. v. Blanche, 1858. II. (Gehört ebenfalls zur Schule 


von Ricardo). 


RB. Torrens, An essay on the production of wealth. Loud. 1821. 

Thomas Smith, An attempt to define some of the first principles 
of political economy. Lond. 1821. 

R. Whately, Introductory lectures on political economy. Lond. 
1831. (Nur einleitend). 

Th. Chalmers, On political economy. Glasg. 1832. 

Harriet Martineau, Illustrations of polit. ec. Lond. 1832. 34. 
XXV Bändchen, die erften 1833 fchon zum Iten Mal aufgelegt; |. Rau, 
Archiv, I, 265. 

Poulett Scrope, Principles of political economy. Lond. 1833. 

Mistress Marcet (} 1858), Hopkin’s Notions of political economy. 
Lond. 1833. Franz. v Carol. Cherbuliez, 1834. — Üonversations 
on political economy. 7. Ausg. Lond.” 1839. 

W. N. Senior, Outline of the science of the political economy. Lond. 
1836, ein Abdrud aus der Encyclopaedia metropolitana. 4. n. 9. 1850. 
8. (Borzügli)). — Meberfegt mit Zugaben Senior’s in: Principes 
fondamentaux de l’6con. pol... .. par le Comte J. Arrivabene. 
Paris 1836. 

J. 8. Eisdell, A treatise on the industry of nations or the prin- 
ciples of national economy and taxation. Lond. 1839. II. 

W. Ellis, Outlines of social economy, L. 1850. D. v. ®iller, 
1852. — Progressive lessons in soc. science, 1850. 

J. Stuart Mill, Essays of some unsettled questions of polit. ec. 
L. 1844. — Principles of polit. ec. 3. A. 1852, d. von Soetbeer, 
II B. 1851 52. Franz. von Dussard u. Courcelle-Seneuil, 
II 3. 1852. . 


N. F. Canard, Principes d’econ. politique. Paris 1801. Deutich, 
Ulm, 1806. — Neu überfeßt von Bölk: Grundf. der polit. Defon. 
Augsb. 1824. 

J. B. Say (geb. 1767, + 1832), Traite d’&con. polit. P. 1802, 5. ed. 
1826. III. B. 6. Ausg. von Hor. Say, als IX. Bd. d. Collection. 
Deutfih von Jakob: Abhandl. über die Nat.⸗Oek. Halle, 1807. II, 
und von Morſtadt: Darftellung der Nationalöton. Heibelb, 1818. 
II, n. 9. 1830. 31. III. — Cours complet d’&con. polit. pratique. 
P. 1828. 29. VI. 3. Ausg. v. Hor. Say, 1852. II B., als X. und 
XI. Bd. der Collection, deutfh von I. v. TH. (Theobald): Vollſt. 
Handb. der pract. Nationalöfon. Stuttg. 1828—30. VI. Abgefürzte 
Ueberf. von F. A. Ruͤder, fortgel. von Sporfdill, 1828—31. 
VIBde. (Bal. Poͤlitz Jahrb d. Geſchichte u. Staatskunft, April 1829). 
Neue Ueber, v. M. Stirner, Die Nationalöfonomen der Franz. u. 
Engl. 1845. I—IU. — SKatehismus der Nationalöfon., deutich von 
v Fapnenb erg, 1816; nad der 3. Ausg. überf. Stuttg 1827. — 
Mölanges et correspondance d’&conomie politique, rm par Oomte. 


P. 1833 Say hat durch feine mufterhaft Flare, anziehende Darftellung 


— 53 — 


das Studium der pol. Oekonomie mehr als irgend Jemand befördert, 


V) 


zugleich die Wiſſenſchaft bedeutend vervollkommnet. 

. C. L Simonde de Sismondi (} 1842), De la richesse com- 
moreiaie ou principes de l’öcon. pol. appliques & la legislation du com- 
merce. Gen&ve, 1803. IIB. — Nourveaux principes d’&con. polit. Par. 
1818. II ®. 2. Ausg. 1822. — KEtudes sur l’&con. polit. 1837. II. 
(Borzüglid). 

Ch. Ganilh (} 1837), Des systömes d’&con. pol. Par. 1809. II B. 
2te A. 1821. IT DB. Deutih: Unterfuhungen über die Syſteme der 
pol. Def. Berlin, 1811. IL. — Theorie de l’&con. polit. ©. $. 21 
Mote (a). — Dictionnaire analitique de l’econ. politique. P. 1826. 

Louis Say (der ältere Bruder), Considerations sur l’industrie et 
sur la lögislation. Paris 1822. — Traitö &l&mentaire de la richesse in- 
dividuelle et de la richesse publique. Par. 1827. — Etudes sur la 
richesse des nations. P. 1836. 

Destutt de Tracy, Trait& d’&con. pol. P. 1823. 

A. de Carrion-Nisas, Principes d’&con. pol. Par. 1824. (Theil 
der bibliotheque de 19me sidcle). 

P. H. Suzanne, Principes de l’&conomie politique. 1826. Deutfch, 
Mainz 1827. 

A. Blanqui (t 1854), Precis &lementaire d’&con. polit. Par. 1826. 
Deutih, von Heldmann: Grundriß der Staatewirthichaft, 1828. — 
Cours d’&conomie industrielle. Par. 1837. — Cours . . Par. 1838. — 
(Borlefungen, in jedem Jahre über andere Abfchnitte gehalten). 

J. Droz (+ 1850), Eeonomie polit. Par. 1829, neuefle Ausg. von 
Mich. Chevalier, 1854. (Sehr gut), Deut. von Keller, 1830, 
und.von Bergf, 1830. 

R. Guyard, De la richesse ou essais de Ploutonomie. P. 1829. II. 

Rossi (+ 1848), Cours d’&con. polit. II B. P. 1838. — IIL und 
IV. 8. 1851 und 1854. 

A. Cournot, Recherches sur les principes mathömatigues de la 
theorie des richenses. Par. 1838. 

Mary Meynieu, Elömens d’&con. pol. P. 1838. (In Gefprächform, 
elementariich). 

de Pinheiro-Ferreira, Pröcis d’un cours d’econ. pol. P. 1840. 
(Kurzer Abriß). 

Ios. Garnier, kEl&mens d’&con. polit. P. 1843. n. 9. 1847. 

M. Chevalier, Cours d’&con. polit. 1842—50. III B. 

Fr. Bastiat (} 1850), Harmonies &conomiques, P. 1850. 

Th. Fix (} 1846), Revue mensuelle d’econ. polit. 1834—36. V. 

Journal des Economistes. Paris, feit 1842, jährlich II Bände in 
12 Heften. 

Dictionnaire de l’&con. polit., publi6 sous la difection de Coquelin 
et Guillaumin, P. 1851. 53. IT B. (ſehr gebaltreih, von einer 
Anzahl franzöflicher Gelehrten ausgearbeitet). 

Collection des principaux $conomistes. Paris, 184048. XV Bbe. 
(enthält ältere Schriftfieleer, Bauban, Boisguillebert, Law, 
Melon, Dutot, — Säriften mehrerer Phyſtokraten, — Oeuvres 
de Targot, in II Bon. — 9. Smith, Malthus, Ricardo, 
Say, Hume, Neder u. N.). 


G. Palmieri (} 1794), Riflessioni sulla publica felicitä, relativamente 
al Regno di Napoli — Della ricchezza nazionale. — Scritt. cl. P. mod. 
T. XXxVU. XxXXVIU. 

Fr. Mengotti, ID Colbertismo osia della libertä di commercio de’ 
prodotti della terra. Fir. 1791. = Ser. cl. P. mod. T. XXXVI. Deutſch 
von Utzſchneider. Winden, 1794. 


(9 


Melch. Gioja (} 1829), Nuovo prospetto delle sciense economiche. 
Milano, 1815—17. VID. 4. Dieß große Werk folte den ganzen in 
ber Literatur der politiſchen Oekonomie niebergelegten Gedankenvorrath 
aufnehmen und verarbeiten. GEs wird zufolge der vielen Tabellen und 
Scematifirungen häufig troden und unbefriedigend, enthält jedoch viele 
eingeftreute Gedanken von großem Werthe. 

C. Bosselini, Nuorvo essame delle sorgenti della privata e pubblica 
riechezza. Mod. 1817. II. 

F. Fuoco, Saggi economici. Pisa, 1825. 

M. Agazzini, La scienca dell’ econom. politica. Mil. 1827. Fran⸗ 
zoͤfiſch ſchon 1822. 

Scuderi, Principj di civilo econ. Nap. 1829. III. 

De Augustinis, Institutioni di economia sociale. Nap. 1837. I. 
(Fortſ. erfhien nit). 

Scialoja, Principj della economia sociale. Nap. 1840. Franz. von 
Devillers, P. 1844. — Trattato elementare di econ. sociale. 1850. 

Bianchini, Della seienza del ben vivere. Nep. 1845. I. 

Meneghini, Elementi di econ. civile. Tor. 1851. 

-Boccardo, Trattato teorico-pratico di economia politie. II B. 
Torino 1853. 

Trinchera, Corso di econ. polit. I. Tor. 1854. 


Graf Fr. Starbef gab 1820 und 1821 zwei polnifche Werfe über 
Nationaldfonomie und Bolkswirtbichaftspflege Heraus. Umarbeitung 
derfelben: Thöorie des richesses sociales. Paris, 1829. II. 

A. Butowski, Verſuch über den Volkswohlſtand, U B. St. Peters- 
burg 1847, in ruflifcher Sprache. 

Th. Cooper (Prof. in Süd-Earolina), Lectures of the elements of 
political economy. Columbia 1826. 

H. C. Carey, Principles of politic. economy, Philadelphia, Bd. I. 
u. II. 1839, Bb. III. u IV. 1840. 

Opdyke, A treatise on pol. econ. New-York 1851. 

Peshine Smith (Mordamericaner), Manuel d’öcon. pol., trad. par 
C. Bagnet, 1854. 

Alvaro Flores Estrada, Cours $cleotique d’&conomie politique, 
trad. sur les mscr. originaux par L. Galibert. Paris, 1833. LIl. 

Eus. Maria del Valle, Corso de eoonomia politica. Madrid, 1842. 

Colmeiro, Tratado elementer de econom. polit. Madrid 1845. 

A. Sandelin, Repertoire general de l'é0on. politique ancienne et 
moderne. La Haye, 184649. VI. (Auszüge aus den vorzüglicheren 
Schriften, nah der Buchftabenfolge der Gegenflände geordnet). 


6. 458. 
Die allgemeinen Grundzüge der Volkswirthſchaft, welche 


überall und zu allen Zeiten in den wirklichen Staaten zum Vor⸗ 


fchein famen, find Sondereigentbum, — wirthfchaftliche Selbſt⸗ 


ftänbdigfeit der Bamilie, — WMitwerben der Einzelnen, welche 
mit freier Wahl fich gewiflen Erwerbszweigen widmen. Mit 
dieſem Zuftande ift aud die Möglichkeit gewiſſer Mißbräuche 


und volfswirthfchaftlicher Gebrechen verbunden, als Verſchwen⸗ 


dung, Härte der Reichen, Drud gegen die unbegüterten Arbeiter, 


— 55 — 


Verarmung Einzelner, Verluſte durch übermäßiged Mitwerben 
u. dergl. Der Anblick ſolcher Uebelſtaͤnde hat oft zu Vor⸗ 
ſchlaͤgen einer Umgeſtaltung ber Volkswirthſchaft geführt. Das 
Verlangen einer ſolchen iſt zu verſchiedenen Zeiten aus religioͤſen 
Antrieben oder aus der Begeiſterung fuͤr Ideale der philoſophi⸗ 
ſchen Sittenlehre hervorgegangen (a). In der neueſten Zeit iſt 
jenes Verlangen vorzüglich von dem Anblick der ungünſtigen 
Lage vieler Lohnarbeiter angeregt worden. Der heutige Auf— 
ſchwung der Gewerbe, die ſtaunenswerthen Fortſchritte des Kunſt⸗ 
fleißes, die große Ausdehnung und Vermehrung ber Fabrik—⸗ 
unternehmungen ſind unverkennbar mit mancher Bedraͤngniß 
und Noth unter den unbegüterten Arbeitern verbunden und dieß 
muß den menfchenfreundlichen Beobachter mit Bedauern und 
Beforgniß erfüllen. Der Eindrud folcher Erfcheinungen hat 
befondere häufig zu einer Abneigung gegen die Macht des be- 
weglichen Vermögens (Gapitald) und gegen ben großen Abftand 
zwifchen Reichen und Dürftigen geführt und mancherlei Ber: 
befferungsentwürfe veranlaßt, die bald mehr, bald weniger gegen 
die bisherigen Einrichtungen anfämpfen, deren Unausführbarfeit 
oder Unzwedmäßigfeit jedoch dem unbefangenen Beurtheiler 
bald deutlich wurde (6). Die von den Schriftſtellern aufge- 
ftellten Anfichten und Borfchläge diefer Art find ſchwer in ge 
wiffe Abtheilungen zu orbnnen, weil ſie unter fich jehr von ein- 
ander abweichen (c), doc, werden gewöhnlich zwei Hauptgruppen 
unterfchieben : 

1) Die Socialiften ftreben darnad), bie biäherige Ders 
einzelung der Menſchen durch Vereine (Affociationen) aufs 
zuheben, deren Mitglieder mehr oder weniger von ihrer Selbfts 
ftändigfeit aufgeben, dafür aber an den Früchten bed Zufammen- 
wirfend Antheil genießen würden (d); je weiter ſich die auf der 
Vereinigung beruhende Gemeinschaft über alle wirthfchaftlichen 
Angelegenheiten erſtreckt, deſto mehr nähert fich der Socialidinus 
dem zweiten Syſteme. 

2) Die Communiſten (e) empfehlen volle Gemeinſchaft 
des Vermögens und Erwerbes, wobei nach Einigen Jedem 
gleicher Gütergenuß geſichert und gleiche Arbeitslaſt aufer⸗ 
legt (f), nad) Anderen Allen vollkommene Freiheit des Arbeitens 
und Genießend eingeräumt werden follte (9). 


— 56 — 
Obgleich nun Feine dieſer neuen Lehren ein befriedigende® 


Ergebniß hatte, fo find fle doch ald Zeichen vorhandener Ges 
brechen und Mißſtimmungen bemerfenswerth und die Wiflens 
Schaft hat aus ihnen die Verpflichtung aufgenommen, mehr, ald 
es früher gefchehen war, auf die wirthfchaftliche Wohlfahrt der 
verfchiedenen Volksclaſſen, namentlich der unbegüterten Lohn⸗ 
arbeiter, zu achten. 


(«) 


(8) 


(2) 


Das Berlangen nad Bütergemeinfchaft ift zu verfchiebenen Zeiten, be: 
fonders in Perioden großer Erſchuͤtierung und Aufregung ber Arbeiter: 
clafien zum Borfchein gelommen. Schon Platon dachte an fle fo wie 
Plotinus (t 270 n. Ehr.), der die Ideen des erfleren zu verwirf: 
lichen ſuchte. Die jüdifhen Eſſener lebten in einer Gütergemeinſchaft. 
Der Dualismus der orientalifhen Philofophie, als die Lehre vom 
Kampfe des böfen mit dem guten Principe, führte oft zu dem Beſtre⸗ 
ben, die Sinnlichkeit zu unterdrüden und in höchfter Genuͤgſamkeit ein: 
zeln oder in Geiellfchaft zu leben, wie manche fchwärmerifche Secten 
(Manihäer, — Batarener im 13. Jahrh. u. A.). Auch die Wieder: 
täufer und die Genfer Kibertiner verwarfen das Privateigentfum. Frank 
in Seances et travaux de l’acad. des sc. moral. et polit. XIV, 187. — 
Reybaud in Revue des 2 mondes, XXXI, 5 (1842). — Hundes: 
bagen in Theolog. Studien und Kritifen, 1845, 3. u. 4. Heft. — 
Roſcher, Syſtem der Volkswirtbfchaft I, 124. — Die Utopia des 
Canzlers Morus (+ 1535) eröffnete die Reihe der bichterifch ausges 
malten Staatsideale des 16 und 17. Jahrhunderts, die von den Urs 
hebern der neueren Berbeflerungsplane wieder hochgeichäßt wurden, 
Mohl in der flaatswifl. Zeitfchrift, 1845, I, 24. 

Zaharid, Abhandl. S. 88. — Blanqui, Hist. de !’Econ. polit. 
II, 303. — Reybaud, kEtudes sur les reformateurs contemporains 
ou socialistes modernes. P. 1840. — D. Bierteljahrsfchrift Nr. XI, 
1846, ©. 1—42. — Stein, Der Sorialismus und Communismus 
bes neueren Frankreichs, Leipz. 1842. Nachtrag 1849. Derf., Geſchichte 
der focialen Bewegung in Frankreich, II B. 1850. — Shüg, Grund: 
fäbe ©. 44. — Roſcher in ber Zeitfchrift für Gefchichtswiflenfchaft, 
III. 418. 540. IV, 10. 1845. — Passy in Journ. des Econ. XI, 84. 
auch Compte rendu de l'ac. VIII, 5. — De Cavour in Bibl. unirv. 
de Gendve, 1846, I. — Biedermann, Borlefungen über Socialis: 
mus, 1847. — Grieb, Populäre Geſellſchaftsoͤkon. 1848. — Hilde: 
brand, Nation.sDel. I. 


Der frangöf. Schriftfieler B. 3. Proudhon, ber alle anderen neue: 
ren Secten befämpft und fein feRes Syſtem aufftellt, ift deßhalb Feiner 
Gruppe zugurehnen. Zu feiner älteften Behauptung: la propriets c’est 
le vol fam fyäterhin die Aufftellung der Anarchie ale des Ideals für 
bie Befellfchaft, und der Plan einer unausführbaren Volksbank. Qu’est-ce 
que la propriete? P. 1848. Syst&me des contradiotions &conomiques, 
113. 1846, deutih v. Jordan, 1848. Organisation du credit, 1847. 
Confessions d’un r&volutionnaire, 1849. Idse göndr. de la r&volut. au 
19. sitcle, 1851. La revolution sociale, 1852. 
gie gehören Hauptfählich 1) der fogen. Inpuftrialismus ober 
t. Simonismus, gegründet dur Heinr. v. St. Simon (} 1825). 
Diefer wollte nicht vö ige Gemeinfchaft, aber die Austheilung der Ar: 
beiten und ber Erzeugniſſe duch die hoͤchſte Gewalt nach den Fähig- 
feiten eines Jeden, alfo eine hoͤchſt centralifirte Leitung aller voltsmoirt- 


— 57 — 


ſchaftlichen Angelegenheiten, wobei die Erblichkeit des Vermoͤgens auf: 
hoͤrte, und eine Art von Prieſterherrſchaft nach einer neuen Religion, 
ſ. beſonders feine Schrift Du systöme industriel. Paris, 1821 und 
Doctrine de St. Simon. II, 146. P. 1830. ine folche, den Staat in 
eine einzelne Familie umwandelnde Binrihtung würde die Selbfifländig- 
feit des Privatleben vernichten, cinen der mächtigfien Antriebe zum 
Kraftgebraude lähmen.und eine Hödhft gefährliche Allgewalt in die Hände 
der Regierung legen. — 2) Die Lehre von Karl Kourier (} 1837) 
und der fogen. &cole soeistaire. F. beabfichtigte gefellfchaftliche Vereine 
(Phalangen, von 1800-2000 Menſchen, im Phalanstöre beifammen- 
wohnend), in denen Gewerbe auf gemeinfame Rechnung betrieben wür⸗ 
den und die Mitglieder einen verhältnigmäßigen Antdeil am Ertrage 
erhielten, die Arbeiter aber durch Abwechslung in den Beichäftigungen 
und erheiterndes Zufammenwirfen Mehrerer ohne Zwang angefeuert 
würden; Fourier, Trait6 de l’assoeiation domestique agricole. Par. 
1822. II Bde. Le nouveau monde industriel et socistaire, 1829. — 
Considörant, Destinde sociale; exposition &l&mentaire complöte de 
la theorie socistaire. P. 1836. 38. IT B. — Drdinaire in Rau, 
Archiv, II, 203. — Roſcher, Syſtem d. Bolfswirtbichaft, I, 90. — 
3) Der Borihlag von 8. Blanc, Fabrikunternehmungen in die Hände 
der darin beſchaͤftigten Arbeiter zu geben und ihnen das nöthige Gapital 
durch den Staat zu liefern, f. def. Organisation du travail, 4. A. 1845. 
Weil, der Staat und die Induſtrie, 1843. Aehnlich die Abfichten ber 
fog. chriftlichen Sorialiften in England, Economist, Nr. 414 ©. 980. 
Die Berfuche, Unternehmungen auf gemeinfhaftliche Rechnung der Ars 
beiter zu Stande zu bringen, find übrigens mit dem Fortbeitehen der 
volfswirthfchaftlihen Ordnung wohl vereinbar. — Das focialiflifche 
Lchrgebäude von Marlo (Unterfuhungen über die Organifation der 
Arbeit, 1848—54, III B.) ift noch nicht ganz beendet. 


(e) Rapp aus Würtemberg ‚gründete 1805 in Nordamerica eine auf Güter⸗ 
gemeinichaft beruhende jebertafung deren Sitz feit 1825 zu cos 
nomy im Staate Obio if. Dieß DBeilpiel fand dort Nachahmung, f. 
Zulius, Reife, I, 194. Auh R. Dwen empfahl das Suflem ber 
„Gooperation“ u. Gemeinſchaft, f. Rey, Lettres sur le systöme de la 
cooperation mutuelle et de la communauts de tous les biens d’apräs 
le plan de M. Owen, P. 1828. — Der Gommunismus will die 
Gleichheit durch Aufhebung des Privateinentbums bewirken und dieſe 
gänzliche Umgeftaltung der bürgerlichen Geſellſchaft bald vermittelt eines 
gewaltfamen Umflurzes (wie Babeuf, bingerichtet 1796), bald auf 
dem langfameren Wege der allgemein werdenden Ueberzeugung zu Stande 
bringen, wie Gabet, befien Voyage en Icarie (1840) mit den oben: 
genannten Staatsromanen verglichen werden Tann. 


(f) Die fog. Bleichheitscommuniften, wie Babeuf, Gabet, Weitling. 
(9) Die Sog. Breiheitscommuniften, wie Dezamy. 


Volkswirthſchaftslehre. 


Erſtes Buch. 
Weſen des Volksvermögens. 


Erſter Abſchnitt. 
Beſtandtheile des Volksvermögens. 
5. 46. 


Wie alles Vermögen nur Gewalt über Sachgüter iſt (8. 1.), 
ſo begreift auch das Volksvermoͤgen nur dieſe in ſich, und die 
wirthſchaftlichen Thätigfeiten find zunaͤchſt nur auf den Beſitz 
und Gebrauch derfelben gerichtet (a). Diefe Güter, als finnliche 
Begenftände, in denen der Menſch Mittel zu feinen Zwecken findet, 
unterfcheiden ſich weſentlich von den perfönlidhen Gütern, 
die mit dem Menfchen felbft unzertrennlidy verbunden find und 
fih in ihrer Entftehung, Uebertragung, Dauer und Zerflörung 
ganz anderd verhalten. Wollte man, dem Sprachgebrauche zus 
wider, den Begriff ded Vermoͤgens und ber Wirthichaft fo fehr 
erweitern, daß beide ſich aud auf die perfönlichen Güter ers 
ftredten (5), fo würde dad Eigenthümliche der Wirthfchafte- 
angelegenheiten verfchwinden und die politifche Oekonomie ſich 
zur Wiffenfchaft aller Güter für den Staat, d. h. zur Staats, 
wiffenfchaft ausdehnen (c). Indeß hat jene Wiſſenſchaft ſich 
dennoch auch mit den perfönlichen Gütern zu befchäftigen, 

1) weil diefelben die Hervorbringung und Erwerbung von 
Sadjgütern fo fehr unterftügen, daß der Wohlftand ber Völfer 
wie der Einzelnen von bem Beiftande fittlicher und geiftiger 
Kräfte bedingt wird; 


— 59 
2) weil alle wirthfchaftlichen Verrichtungen zulegt darauf bins 


zielen, den Zuftand der Menfchen zu verbeffern, und weil daher 
dad Bernögen nicht für fih allein, fondern nach feine Be 
ziehung auf die menfchliche Geſellſchaft, d. h. in feiner Ans 
wendung zur Erzeugung perfönlicher Güter, zu würdigen ift. 


(8) 


(e) 


Stord hat auf die verfönlichen Güter die bei den fachlichen gangbaren 
Denennungen, Begriffe und Gintheilungen mit gutem Erfolge ange: 
wendet, f. deſſ. Handb. der Nationalwirtbfh. IL. — Verſuche, beide 
Arten von Gütern in der wiflenfchaftlichen Behandlung zufammenzufaflen, 
von Arnd und Gioja ($. 45. Notedu. f); auch Bülau, Handb. 
d. Staatsw. 2.; eben dahin neigen fih Hufeland, n. Grundlegung, 
I, ©. 34. Bolig, Staatswifl. IL 6. 18, u. Hasse, Cuinam nostri 
aevi populo etc. ©. 12. — Es if bemerfenswerth, daß auch diejenigen, 
welche den Begriff des Vermögens über die Sachgüter hinaus erweitern 
wollen, doch in den fpäteren Abfchnitten der Wiflenfchaft fih nur an 
jene Guͤter halten. 


Es Tat fi deßhalb feineemeges behaupten, daß die Staatsöfonomie 
durch Ausichließung der perfönlichen Süter in eine fehlerhafte Binfeitig- 
feit gerathe, denn durch diefe Beichränfung gewinnt fic ein abgerundetes 
eigenthümliches Gebiet und erlangt erft die volle Gruͤndlichkeit und 
Fruchtbarkeit. Die perfönlichen Güter erfordern zwar eine Pflege durch 
den Staat, aber dieſe Thätigkeit, die man Staatserziehung, Gulturs 
olitif, Bolksbildungsforge nennen kann, ift von der Sorge für ben 
olkswohlſtand verfchieden und verdient in dem Eyſteme der Staats⸗ 
verwaltung eine eigene Stelle. „Man bat es oft den Staatsöfonomen 
ſchwer vorgeworfen, daß fie ihre Aufmerkfamfeit blos auf die fachlichen 
Guͤter (wealth) richten und alle Beachtung der Gluͤckſeligkeit und Tugend 
verabfäumen. — Niemand tadelt einen Schriftfleller über die Taktik, 
daß er feine Aufmerkſamkeit blos auf Eriegeriiche Angelegenheiten richtet, 
eben fo wenig fchließt man aus dieſer Handlungsweile, daß er einen 
Immerwährenden Krieg empfchlt. Allerdings würde ein Schriftfteller, 
der, nachdem er gezeigt hat, daß ein gewiſſes Verfahren Sachgüter 
erzeugt, daſſelbe blos darum zur Nachahmung empfiehlt, den großen 

hler begehen, Wohlfahrt (happiness) und den Beſitz von fachlishem 
ermögen (wealth) für einerlei zu halten. Aber fein Irrthum liegt 
nicht darin, daB er feine Aufmerkfamkeit Auf das fahlihe Vermögen 
befchränft, fondern in der Verwechslung von Wohlfahrt und Bermögens- 
beit.” Senior, Outl. ©. 139. 


$. 46a. 
Auch die perfönlihen Dienfte, d. h. Arbeiten, wos 


durch der Menfh unmittelbar dem Menfchen einen Bortheil 


— 0 — 


(ein verſoönliches Gut) zu Wege bringt, 3. B. Unterricht, Pflege, 
Berhüsung, ſind feine Theile des Bermögend. Mehrere neuere 
Schriiiſteller haben dieienigen Dienſte in das Bermögen gerechnet, 
welche gegen eine Vergütung in Sachgütern geleiſtet werben 
und daher gleich dieſen ſelbſt einen Preis Tauſchwerth) haben, 
+ B. die bezahlten Thätigkeiten des Arztes, Lehrers, Künfs 
lers ıc. (a). Wenn alles dasjenige für einen Theil des Ver⸗ 
mögend gehalten werten iollte, was einen Preis bat und in 
ten wirkhichaftlichen Verkehr fommt, jo müßte tieß von fämmt- 
lien Lohnarbeiten, nicht blod von ten perſönlichen Dienften 
gelten. Ferner find dieſe zwar wie tie ſachlichen Güter Mittel 
zur Beirietigung menichlidher Bedürfniſſe, und Lienen dazu, 
Bermögen zu erwerben, untericheiten ſich aber wieter von jenen 
Gütern zu ſehr, um mit Nugen für die Wifjenichaft mit ihnen 
im Begriff von Bermögen zujammengefaßt werten zu fönnen, 
was ichon daraus erhellt, daß fie wie alle Thärigfeiten nur in 
einer Folge von Zeitmementen zur Erickeinung fommen, aljo 
nicht "gleichzeitig vorhanten find und nicht in einem Borrathe 
bejeffen werben fönnen, taß ferner ihr Erfolg meiſtens eine ents 
jprechente Mitwirfung deſſen erfordert, für weldyen ter Dienſt 
geleiftet wird (5). Die Fähigkeit eines Menichen, gewiſſe Dienfte 
zu feiften, ift von ter wirflidhen Berrichtung derſelben zu unter» 
fcheiten und bildet ein perſoͤnliches Gut, welches, jeiner unges 
wiflen Dauer wegen, nicht einmal nad) einem Preiſe geſchätzt 
werten fann. Die fäuflihen Dienfte felbft fint eine Berwen- 
tungsart der Sachgüter, wie der unmittelbare Gebraudy der⸗ 
felben, aber hieraus folgt nicht, daß fie ihnen als Bermögend- 
theife gleichgeftellt werten müßten. Weter ein Einzelner nody 
ein Bolf ift durch eine gewiſſe Menge möglicher oter bereite 
begonnener Arbeiten jelbft ſchon reich, jontern nur wenn er vers 
mittelft derjelben Sachgüter erworben ober erzeugt bat (c). Indeß 
haben die Dienfte für tie Volkswirthſchaft aus zwei Urfachen 
Wichtigkeit, jowohl wegen ihrer Wirkungen, ald weil fie denen, 
bie fie leiften, einen Antheil an dem jährlidhen Erzeugniß von 
Sachgütern verjchaffen (d). 
(s) Für tie Sinrehnung der Dienfe in das Bermögen: Say, Handb. I, 
133. — Storch, Zur Kritif des Begriffs v. ationalreichtbum. St. 


VSeiersb 1827. — Steinlein, I, 220. — Hermann, Unter. 
©. 5. 6. (Bält die Dienfe zwar für Theile des Reiifums, aber nicht 


P2 


des Vermögens, weil er den Begriff des letzteren auf äußere Suter von 
einiger Dauer beichränft). — Baumſtark, Kameralifl. Encyklop., 
©. 547. — Roſcher, Syflem der Volkaw. I, 4. — Dagegen u. a. 
Kaufmann, Unterf., das ganze 1. Heft der 2. Abth. 


(2) 3. >: Aufmerkfamfeit des Hörers, Fleiß des Schülers, Folgſamkeit des 

tanfen. 

(ce) ine Sängerin, die im Schiffbruch ihre Habe verliert, ift nicht mehr 
reich, aber fie kann es wieder werben und mag in biefer Wahrfchein: 
lichkeit einfweilen Credit haben. 

(d) Es bängt von ber Definition des Vermögens ab, ob die Dienfle zu 
bemfelben gehören oder nicht, wie dieß auch bei dem im vorigen $. ab: 
gehandelten Gegenſtande der Fall if. — Storch a. a. D. 1Apt fi 
hauptfählid dadurch beflimmen, daß die Dienfte dem Gingelnen ein 
Einfommen gewähren, welches von freiwillig gefuchter und bezahlter 
Arbeit herrührt. Aber dieß Ginfommen beiieht doch nur in einem 
Theile der erzeugten fachlichen Güter. 


8. 47. 

Es giebt fachliche Güter, welche fi) außerhalb des Ber 
mögend befinden und daher fein Begenftand ber wirthfchaftlichen 
Sorgfalt find (a). Manche Güter und darunter feldft fehr nüß- 
liche, wie das Licht und die Wärme der Sonne, dad Weltmeer 
u. dgl., geftatten ihrer Natur nach Feine ausfchließliche Ins 
habung und Berfügung (8. 2.), doc Fönnen fie wenigftene 
mittelbar auf dad Vermögen Einfluß haben, indem fie bie Nuͤtz⸗ 
lichfeit einzelner Beftandtheile defielben erhöhen (5). Andere 
Güter, weldye ihrer Wefenheit nad eine Aneignung zulaffen 
würden, find darum noch herrenlo8 geblieben, weit fle in Bülle 
von der Natur hervorgebracht werden und fein Beweggrund vors 
handen if, von einem überflüffigen Vorrath Beſitz zu ergreifen, 
3 B. Waffer in vielen Gegenden, felbft Holz bie und da. 
Solche Güter find daher noch preislos und man wendet feine 
Mühe an, fie zu erhalten und zu fehonen, weßhalb fie von den 
Einzelnen nicht als Bermögenstheile angefehen werben, obſchon 
fie, wenn fie einem Bolfe im Ganzen zugehören, für ben wirths - 
ſchaftlichen Zuftand deffelben keineswegs gleichgültig find. Daher 
ift die fpätere ausfchließliche Befipergreifung, die fie in das Vers 
mögen einzelner Bürger bringt, Feine wahre Bereicherung des 
Volkes. ES können aber nur Naturs, nicht Kunfterzeugniffe - 
von bdiefer Art fein, weil leßtere ſtets Koften verurfachen, bie 
man nicht unnüg aufzuwenden geneigt ift (c). 


(a) Sole Büter werden von Say (Handb. I, 99.) natürliche, im 
Gegenfape der focialen, von Hermann (Unteaf. ©. 3.) freie, 


62 —- 


zur Unterfheidung von ben wirthfhaftliden genannt. — Nidht: 
erwerblihe Büter nah Zacha riaͤ, Staatsw. 2. ©. 51. 
(6) Ländereien werden 3. B. wegen ihrer Lage am Meere oder unter einem 


günftigen Himmelsflriche höher geichäßt. 

(e) Güter diefer beiten Arten werben nit für einen Gegenwerth in Sach⸗ 
ütern erfauft. Daher flellen die zahlreichen ESchriftfieller des Aus⸗ 
andes, welche den Begriff und Ausdruck Bermögen nicht kennen, 
bie Vertauſchbarkeit als das Kennzeichen derjenigen Dinge auf, bie den 
Gegenftand der politifhen Defonomie ausmachen; vgl. F. 64. Diefe 
Gigenfchaft einer Sache wird indeß nicht nothiwendig buch vorausge⸗ 
gangene Arkeit und Koftenaufmand bedingt, denn auch ein blos durch 

aturfräfte entflandenes But, 3. B. ein noch in ber Erde liegendes 
gofit kann Gegenfland eines Taufches werden, wenn es in fo geringer 

enge vorhanden if, daß man e6 ber Mühe werth hält, ſich daſſelbe 
anzueignen. 


$. 48. 


Das Bolfdvermögen umfaßt fämmtliche in der Gewalt 
ber Staatsbürger (a) befindliche fachliche Güter. Es unter 
fcheidet ſich dadurch von dem Staatsvermögen, welches im 
Beſitze der Regierung ift und von ihr zum Beften bed ganzen 
Staates benugt wird, $. 6 und III, 8.4. Beide Begriffe wur 
den in früherer Zeit häufig mit einander vermengt, man fchrieb 
der Staatögewalt eine Art von Obereigenthum über dad Ver⸗ 
mögen ber Bürger zu und diefe Verwirrung fand der Ver⸗ 
breitung richtiger Vorftelungen von der Bolföwirthfchaft fehr im 
Wege. Es ift jedoch geftattet, das Volfd- und Staatövermögen 
in einem Lande im Begriffe zufammenzufaffen. Die Summe 
beider, dad Staatsvermögen im weiteren Sinne, bezeichnet 
ben ganzen Antheil des einzelnen Staates an ber auf ber Erbe 
überhaupt vorhandenen Gütermaffe (b). 


(a) Es verficht fih, daß hierunter auch das Vermögen der Gemeinden und 
verichiedener anderer moralifcher Perſonen begriffen iſt, die dem Staats: 
verbande angehören. 


(6) Binige nennen dieß Ganze Bollsvermögen, z. B. Schent, L 15. 


8. 49. 

Das Vermögen bezieht ſich zwar lediglich auf fachliche Güter 
($. 46), allein die Gewalt über diefelben kann verfchiedener Art 
fein; fie muß nicht nothwendig in ber förperlichen Inhabung 
oder in dem vollen Eigenthume beftehen, weil audy andere Rechte 
ihrem Beſitzer die Macht geben, fachliche Güter für feine Zwede 
zu gebrauchen, nur nicht in jeder beliebigen Weife, fondern in 
gewiffen Gränzen (a). Dahin gehören 5. B. Rechte ber Be 


— 6 — 


nutzung einer fremden Sache, Rechte, die ſich leicht in Sach⸗ 
güter umſetzen laſſen (d. h. verkaͤuflich find), oder ſolche, die 
ſchon für ſich allein eine fortdauernde Einnahme von Sachgütern 
bewirken, wie Zehntrechte, endlich Forderungen an andere Per⸗ 
ſonen, wenn ſie nur unbeſtritten ſind, auf beſtimmte 
Gütermengen gehen und wenn auf das Eingehen von dem 
Schuldner ſich er zu rechnen iſt (6). Daher ſetzt ſich dad Ver⸗ 
mögen einer Perſon im ſubjectiven Sinne ($. 2 (6)) aus ben 
Eigentbumsredhten und aus den anderen Rechten ber erwähnten 
Art zufammen. Unterfuht man von biefem Gefichtöpuncte 
aus dad Vermögen eined ganzen Volkes, fo ergiebt fi, daß 
bie zu dem ‘Privatvernögen ber Volksmitglieder gehörenden 
Rechte nur dann einen eigenen Beftandtheil des Volksvermoͤgens 
bilden, wenn bie ihnen entfprechenden Berbindlichfeiten ſich auf 
Seite des Auslandes befinden. Müffen aber Borderungen an 
Fremde dem Volksvermoͤgen zugezählt werden, fo ift es aud 
nothwendig, die Schuldigfeiten ded Inlanded an dad Ausland 
in Abzug zu bringen und bei diefem Abgleiche zeigt fi) natür- 
(ih die Schuld mancher Volker größer ald ihr Guthaben (ec). 
Soldye Rechte, welche ein Mitglied des Volkes gegen andere 
geltend macht, find für das Volfdvermögen im Ganzen genoms 
men gleichgültig und geben nur der Vertheilung deſſelben unter 
bie Einzelnen eine andere Geſtaltung, ald die, auf welche aus 
dem bloßen Eigenthum gefchloffen werden müßte (d). 


(a) Infofern ift e6 allerdings richtig, daß das Vermoͤgen auch unförperliche 
Dinge in fih begreift, aber nur wegen ber verfhiebenen Formen der 
Berfügungsgewalt, während doch immer allein die fachlichen Guͤter den 
Gegenſtand bilden, auf den bie Deerügung gerichtet if. Daher kann 
aus das Vermögen einer ohne auswärtige Verbindungen lebenden An: 
zahl von Menfchen oder der ganzen Menſchheit nicht größer fein als 
die Menge aller Sachgüter, welche von jenen zufanmengenommen be: 
berrfcht werden. 

() So wenig ale die bloße Arbeitsfähigkeit, if das Recht, ein gewiſſes 
@ewerbe zu treiben, ſchon ein Bermögenstheil, weil der wirkliche Erwerb 
daraus von der Handlungsmweife des Gewerbsmannes und von Äußeren 
Umftänden abhängt; anders bei verfäuflichen und in befchränfter Zahl 
befteßenden Gewerbsrechten und Privilegien, ſ. (co). Cine Kundicaft 
iR fein Bermögenstheil, weil man über fie nicht verfügen kann, denn 
fie beruht auf der Gunſt und dem Bertrauen Anderer. Was man 
öfter als Verkauf einer Kundſchaft betracptet Hat (Hermann, Noſcher), 
dieß ift nur etwa Abtretung eines Plages, der Geräthichaften, Em: 
pfehlung bei den Kunden u. bgl. 


(c) In den nordamericanifchen Freiftanten follen von den Schuldbriefen der 
Union, der einzelnen Staaten und Städte, von ten Nctien der Gifen- 


4 


bahn⸗ und anderen Gefellfchaften 184 Mill. Doll. oder ts des ganzen 
Betrages in den Händen Yremder fein (1853). 

(d) Die in das Privatvermögen fallenden Rechte der Bürger gegeneinander 
lafien Ah in 2 Claſſen teilen. Bei der einen flieht dem Ber ti 
ein Schuldner oder irgendwie Verpflichteter gegenüber, deſſen Schuld 
oder Belaflung fidh gegen das Recht des Erſteren aufbebt. Bi der 
zweiten Claſſe ift fein einzelner Berpflichteter vorhanden, das Mecht 
giebt nur einen Borzug in der Benugung eines Erwerbözweiges, z. B. 
Grfindungsprivilegien, verkäuflihe Gewerbsbefugniſſe (Realgerechti 
feiten); es müflen jedoch audy bier immer andere Bürger einen —** 
leiden, wie die Erſchwerung des reifens eines gewiflen Gewerbes, 
die Derthenerung der Bewerbserzeugniffe und dgl. Paris wird jede 
der 72 Maͤklerſtellen auf ungefähr 1 Mil. Sr. gefchägt. Selbſt eine 
Firma kann ein anfehnlicher DBermögenstheil fein, 3. B. die von J. 
M. Karina. Vgl. Beruouilli, Schweiz. Archiv, V, 55 und Her⸗ 
mann, Untef. ©. 6. 


$. 50. 

Die inländifchen Beſtandtheile des Volksvermoͤgens können 
auf doppelte Weife eingetheilt werben: 

1) Nach ihrer Entftehung und ihrem Verhaͤltniß zur Erbe 
fest man die Theile der Erboberfläche, d. h. die Grundſtücke, 
ben einzelnen von ber Erde getrennten und dadurch beweglich 
gewordenen und zu beliebiger Verfügung tauglidhen Erzeug⸗ 
niffen entgegen (a). Die Grundftüde find in Hinficht ihrer 
Ausdehnung ein ziemlich unveränderlicher Vermoͤgenstheil und 
ihre Oefammtheit innerhalb eined Staatögebieted, dad Land, 
bildet deßhalb eine natürliche Ausftattung ded Volkes für alle 
Zeiten, nur daß die Grundftüde in ihrer Beichaffenheit durch 
Ratureinflüffe oder Kunft umgewandelt werben fönnen (db). Die 
Abgränzungen derſelben auf der Erde entfliehen nur zufällig 
durch Befignahme, während jedes bewegliche Erzeugniß feine 
räumliche Begränzung an fidy trägt. 

2) Nach ihrer Beſtimmung für gewifle Zwecke. Diefe find 
zwar von hoͤchſt verfchiedener Art, zerfallen jedoch zunächft in 
zwei Abtheilungen; 

a) ein Theil der Güter dient unmittelbar dazu, irgend 
einen Vortheil (Augen oder Vergnügen) für die Perfonen her⸗ 
vorzubringen und kann beghalb mit dem Namen Genußmittel 
bezeichnet‘ werben ; 

b) ein anderer Theil wird nur ald Mittel benupt, neue 
Sachgüter in das Bermögen zu bringen, fei ed durch eigene 
Erzeugung, fei ed durch den Verkehr. Diefe blos mittelbar 
nüglichen Dinge find Erwerbsmittel. 


Manche Güter lafien fich beliebig zu der einen ober anberen 


Verwendung gebrauchen (e), bei manchen treffen auch beide 
Zwede gleichzeitig zufammen (d). Genußmittel, weldye von dem 
Eigenthümer an Andere gegen Vergütung zum Gebrauche übers 
laffen werden, find für jenen Erwerbömittel, ohne ihre erſt⸗ 
genannte Eigenſchaft zu verlieren (e). Es giebt aber viele 
Erwerbömittel, die nur dieſes find. 
(a) Sie können aber die Beweglichkeit wieder verlieren, indem fie fünftlich 
mit Grundflüden verbunden werden. Dabei tritt ferner der Unterfchieb 
ein, daß fie theils den Grundſtücken aͤnzlich einverleibt werden und 
von ihnen nicht weiter zu unterſcheiden ſind, wie die aufgebrachten Erden 
und Düngefoffe, theils wenigſtens nur die Nutzbarkeit der Grundſtücke 
erhöhen, wie Stüßmauern, Shleußen, Brunnen, theils aber ale bes 


fondgre unbeweglich gewordene Güter einen eigenthümlichen Nutzen ges 
währen, wie Gebaͤude. 


(d 


ur 


Eine Ausnahme macht hoͤchſtens das Abfpülen oder Abreißen des Landes 
durch das Wafler, was aber in der Regel unbedeutend il. Der Dollart 
verfhlang 1277 gegen 4D. Meilen mit 50,000 Einwohnern. — Sonſt 
werden bie Brunpflüde häufig buch Naturkräfte verfchledhtert, 3. B. 
fumpfig gemadt, in Behirgen mit Gletſchern oder Steingeröll überbedt, 
dagegen andere vermittelt der Kunft verbefiert. 


() 3.8. ein Reitpferd von einem müfligen Reichen oder einem Landwirthe. 


(d) 3. B. die Nahrungsmittel der Gewerbsarbeiter, — ein Wald, ber zus 
gleich Luftgarten und Jagdgehege if. 


(6) Bermiethete Bücher, Kleider, Reitpferde, — Theatergeraͤthſchaften, — 
Badeanflalten. 


8. 5l. 


Berbindet man biefe zwei verfchiedenen Gintheilungen ber 
Sadgüter mit einander, fo ergiebt fid, Folgendes. Die Grund» 
ftüde dienen größtentheild als Ermwerbömittel, insbeſondere für 
den Sands und Bergbau (a). Die von der Erbe getrennten 
Erzeugnifie dagegen vertheilen fi) mit geringerer Ungleichheit 
unter die beiden genannten Verwendungszwecke. Man unter 
fcheidet demnach 

1) die beweglichen (ober wenigftend beweglich geweſenen) 
Genußmittel, wie Kleidung, Nahrung, Wohnung ꝛc. Eine 
in irgend einer Beziehung zufammengefaßte Menge folcher Güter 
wird Gebrauchsvorrath genannt. 

2) Ein irgendwie zufammengehörender Vorrat von beivegs 
lichen Erwerbömitteln (5) heißt ein Capital (Erwerbſtamm, 
werbender Gütervorrath). Die Erlangung neuer Bers 
mögenstheile ift in den meiften Fällen durch das Vorhandenfein 


und den Beiftand älterer bedingt, daher muß ein Theil des 
Rau, polit. Defon. I. 7. Ausg. 5 


— 66 — 


Vermoͤgens der unmittelbaren Verwendung zu perſoͤnlichen Gütern 
entzogen unb zur Unterftügung des Crwerbes gebraucht werben. 
Das Capital als folched leiftet einen mittelbaren Nutzen und 
hieran find feine Beftandtheile leicht zu erkennen, wenn fie gleich 
bisweilen auch unmittelbar ald Genußmittel wirken, $. 50. 
Während dieſe überhaupt fogleich jegt den Menſchen perjönliche 
Vortheile geben, hilft dagegen das Capital andere Sachgüter 
zu erlangen, welche fpäter jenen Dienft leiften koͤnnen. 


(a) Nur ein Eleiner Theil jedes Landes ift zu Luftgärten, öffentlichen Plätzen, 
Lands und Woaflerfiraßen ıc. verwendet oder mit Wohnungen überbaut. 


(d) 8.9. von rohen Stoffen, aus denen, oder von Werkzeugen, mit benen 
ein gewiſſes Gut verfertigt wird, — der Viehſtand des Landwirthes ıc. 


(e) Binige Neuere haben den Begriff von Capital fomweit ausgedehnt, daß 
er auch ten Gebrauchsvorrath einihließt, wie Say, Handb. I, 220 
capitaux produotifs d’agröments ou d’utilite), Mac⸗Culloch, ©. 72, 

teinlein (Nähre und Zehrcapitel) I, 338 vgl. 346, Hermann 
Unterf. S. 60. (Erwerb: und Nupeapital, welches, wie Gebäude ıc. un: 
mittelbar Bortheil giebt), Roſcher, Syflem der Volksw. I, 67. (Bro: 
duetiv⸗ und Gebraudscapital, welches leßtere zur Hervorbringung von 
perfönlichen Dienſten oder nüglichen Verh (tmiffen verwendet wird). 


8. 52. 

Nicht jeded einzelne Gut ift feiner Befchaffenheit nach zu. 
diefen beiden Anwendungen (6. 51.) brauchbar, der Verkehr 
macht ed aber möglich, ſtatt eined einzelnen Vermoͤgenstheils 
einen andern zu erlangen, ber die gewuͤnſchte Benugungsart ge: 
ftattet, 3. B. vermittelt deö Taufched. Geſammelte Bütermaflen, 
welche noch feiner von beiden Beflimmungen gewidmet worden 
find, gehören weder zu den Genußmitteln noch zum Gapitale 
und folten als unbeftimmte Borräthe aufgeführt werben, 
doch pflegt man fie indgemein zu dem Gapitale zu rechnen (a). 


(a) Gütervorräthe, die ale Capital dienen follen, jedoch in einem gewiflen 
Beitpuncte noch feine Anwendung gefunden haben, werden tobte Ba: 
pitale genannt. 


8. 58. 


Im Sinne der Bolföwirthichaftsichre gehören nur diejenigen 
beweglichen Güter zu dem Capitale, welde ald Hülfmittel 
gebraucht werden, um dem Bolfövermögen einen Zuwachs zu 
verfchaffen, F. 51. Anders geftaltet fich der Begriff des Capi⸗ 
taled aus dem Etandpuncte der Privatwirtbfchaft, welche ſich 
nur die Verforgung einer Bamilie mit Sachgütern zum Ziele 


— 61 — 


ſetzt, ohne die Wirkung dieſes Erfolges auf die ganze Volks 
wirthfchaft zu beachten oder auch nur zu kennen. Den Einzel 
nen fichen mandjerlei Wege des Erwerbes offen, und darunter 
auch folche, bei denen das Volksvermoͤgen nidyt vergrößert wird, 
indem ſchon vorhandene Beftandtheile deſſelben von einem Eigen» 
thümer auf den andern übergehen. In Beziehung auf eine 

Privatwirthichaft, welche man anderen ähnlichen bürgerlichen 

Wirthichaften gegenüber betrachtet, erfcheint alſo alles dasjenige 

bewegliche Vermögen als werbend oderald Bapital, weldes 

überhaupt von dem Kigenthümer nicht blos für einen perföns 
lien Genuß, fondern zun Erwerbe anderer Güter benupt 

wird (a). 

() 9. Smith, II, 122. — Stord, I, 140. — Da neue Güterzuflüfie 
überhaupt auf zwei Wegen erreichbar find, durch eigene Erzeugung und 
durch Grwerbung aus fremdem Bermögen ($. 69), Al fönnen die ale 
Mittel Hierzu dienlichen Erzeugniſſe, deren Inbegriff überhaupt Ga; 
pital heißt, in verfchlebenen Singen betrachtet werden. 

1) Für die Privatwirtbichaft find diejenigen Erzeugniſſe Capital, 
welche die eigene Hervorbringung von Bütern oder die Erlangung 
derfelben von anderen Menſchen unterflügen, 

2) in der Bolkswirthfchaft diejenigen, welche eine inländifche Güter: 
eeusung oder eine Sinnahme von anderen Bölfern zu 

ege bringen ; 

3) würde man die Wirtbichaft der Menjchheit auf der Erde als ein 
Ganzes anfehen, fo konnte der Begriff des Gapitales nur auf 
den Beifland zur Gütererzeugung überhaupt befchränft werden. 

Der privat: und der volfswirtbfchaftliche Begriff von Capital find 

demnach gleichmäßig in dem Weſen beider Wirthichaften begründet und 
die, doppelte Bedeutung deffelben Auspruds, wie unbequem immer für 
die erſte Erlernung der Wiflenfchaft, ift nicht zu umgehen. 


$. 54. 


In der Privawirthſchaftslehre und im Sprachgebrauche bes 
gemeinen Lebens rechnet man deßhalb zum Bapitale nicht allein 
1) das wahre volföwirthfchaftlihe Capital, fonden auch 

2) folche Genußmittel, die der Eigenthümer ald Mittel ges 
braucht, fi) eine Einnahme zu verfchaffen, $. 50. 

3) Auch die zum Ausleihen beftimmten Geldfummen und 
die aud ben Darleihen entfichenden verzinslichen Forderungen, 
welche für die Gläubiger die Stelle der hingelichenen Güter 
menge einnehmen, werden indgemein Gapitale genannt. Die 
ind Ausland verliehenen Summen fönnen zwar als Theile des 
Bolfscapitald angejehen werden, da fie eine Zinfeneinnahme in 
bad Bolfsvermögen bringen ($. 51. 53), verwandeln fich jedoch, 

5* 


— 6 — 


fobald die Anlegung erfolgt if, in Forderungen, 6. 49. Ins 
ländifche Horberungen haben auf die Größe des Volkscapitals 
feinen Bezug. Die dargeliehenen Sunmen felbft werden von 
ben Schuldnern bald auf Bapitale, bald auf Genußmittel ver 
wendet. — Unter Bapitaliften pflegt man nur jene Zins⸗ 
gläubiger zu verftehen. 


Zweiter Abſchnitt. 
Schätzung des Volksvermögens. 


$. 55. 


Die Größe des Vermoͤgens kann in ber wirthfchaftlichen 
Betrachtung nicht nach der bloßen Maſſe der in ihm enthaltenen 
Stoffe bemefien werben, fondern fie hängt von der Menge von 
Vortheilen ab, welche die Beftanbtheile ded Bermögend ben 
Menfchen gewähren oder von dem Einfluffe, den fle auf den - 
Zuftand berfelben Außern. Die Volkswirthſchaftslehre muß daher 
jedem einzelnen fachlichen Gute in Beziehung auf feine Taug- 
lichfeit zur Beförderung derjenigen Zwede, für die es beftimmt 
ift, feine Stelle anweifen. Die Beurtheilung des Grades biefer 
Tauglichkeit if die Schägung. Die Lehre von ber SCchäßung 
des Vermoͤgens im privat» und volfdwirthfchaftlichen Geſichts⸗ 
puncte berührt fo viele Abfchnitte der Staatswirthichaftslchre 
und ift felbft für die bürgerlichen Wirthfchaftsangelegenheiten fo 
wichtig, daß fie eine forgfältige Entwicklung erfordert, bie aber 
in ber Unbeflimmtheit des Sprachgebrauchd eine befonbere 
Schwierigfeit findet. 

8. 56. 

Nach der Gewohnheit im täglichen Leben wird in ber 
Schägung der Güter zunaͤchſt ver Preis derſelben beachtet, d. h. 
die Menge anderer Güter, weldye man bei- einem Taufche für eine 
gewiffe Sache erlangen kann. Im Taufche werden zwei Quan⸗ 
titäten von Sachgütern gegen einander bingegeben und angenom⸗ 
men, alfo einander infofern gleichgefeht, woraus man leicht auf 
die Meinung geführt wird, fie feien einander auch ihrem Weſen 
nach glei. Der Preis entfteht durdy eine Uebereinfunft und 


— 0 — 


ſeine Groͤße wird hiebei nach Zahl und Maaß genau bezeichnet, 
ſo daß er hoͤchſt leicht zu erkennen iſt. Ein gewiſſes Gut erhaͤlt 
dann einen Preis, d. h. es wird preisfähig, wenn es übers 
tragbar iſt, wenn mehrere Menſchen nach ſeinem Beſitze ſtreben 
und denſelben nicht ohne ein Opfer erlangen koͤnnen, indem 
der ganze Vorrath ſchon in das Eigenthum Einzelner getreten 
iſt (a). Ueber dad Weſen eines Gutes und die Dienſte, die 
es den Menſchen leiſtet, giebt der Preis deſſelben keinen Auf⸗ 
ſchluß, weil er nur anzeigt, mit welchem Aufwande anderer 
Güter jenes zu erlangen iſt oder wieviel von letzteren dafuͤr 
eingetaufcht werden koͤnnen. Mit dem Preiſe werben, bisweilen 
die Koften eines Sachgutes verwechfelt, d. i. Die Menge anderer 
Güter, die Jemand aufwenden muß, um ſich jenes zu verfchaffen. 
Der Einzelne kann dieß fowohl durch eigene Hervorbringung 
als durch Erwerbung im Tauſche bewirken, daher laflen fich bie 
Erzeugungds und die Anfhaffungsfoften unterfcheiben, 
in welchen letzteren der für dad Gut hingegebene Preis nebfl 
ben Berfendungdfoften u. vergl. enthalten if (6). Bei einem 
Taufhe kann man ben ſchon gemachten Koflenaufmand bes 
BVerfäuferd mit dem bedungenen Preiſe vergleichen, um zu be 
urtheilen, ob der Tauſch für jenen vortheilhaft fei oder nicht, 
Auch die Koften eined Gutes genügen nicht für Die Schäßung 
befielben und es bleibt fogar zweifelhaft, ob man Bortheil dabei 
hat, wenn man jenen Aufwand für die Erlangung des Gutes 
vornimmt. Der Preis der Sachen kommt in den meiften Fällen 
dem Koftenbetrage nahe. 


(a) Man bat daher oft behauptet, der Preis febe einen gewiflen Grad von 
Seltenheit voraus (3. B. Walras in Seances et travaux de l’acad. 
XVI, 15. 1849), allein es iſt nur erforderlich, daß der Begehrende fi 
niht mehr unentgeltlih mit dem gewünfcten Gute verforgen kann. 
Richtiger bezeichnet Scialoja als Bedingung des Preifes eine gewiſſe 
Schwierigkeit der Crwerbung, Prineipj, ©. 26. 

(5) Im gemeinen Leben werden die Zeitwörter Foften und gelten (einen 
gewiſſen Preis haben) für gleihbedeutend gebraudt, was jedoch da, wo 
die ebenerwähnten Rebenausgaben vorkommen, nicht volltommen richtig ifl. 


8. 57. 

Eine tiefer begründete und in alle Wirthfchaftsangelegenheiten 
mehr eingreifende Schäßung wird gewonnen, wenn man die Faͤhig⸗ 
feit der Güter, menſchliche Zwecke zu befördern, d. h. ihre Nuͤtz⸗ 
lichkeit (a), genauer erforfcht. Jedes Sachgut hat Nüslichkeit, 


— 0 — 


werden aber in Hinſicht auf dieſelbe mehrere Guͤter mit einander 
verglichen, ſo zeigen ſich verſchiedene Abſtufungen. Der im 
menſchlichen Urtheil anerkannte Grad von Nuͤtzlichkeit eines 
Sachgutes iſt der Werth deſſelben (6). Dieſer druͤckt alſo 
das Maaß des Einfluſſes aus, den ein Gut auf den Zuſtand 
des Beſitzers auszuüben vermag, ober die Staͤrke der Anziehung, 
welche jede Sache für dad Begehren ber Menfchen Außert. 
Unterfuht man jedoch näher, wie die Sachgüter den menſch⸗ 
lichen Zweden zu Hülfe fommen, fo ergeben ſich verfchiebene 
Arten ded Werthed. Auf diefem Wege ift man fchon früh zu 
ber Unterjcheidung eines Gebrauchs- und Taufchwerthes 
geleitet worden (c), weldye zwar nicht ganz genügt, aber doch 
zu einer volftändigeren Darftelung ben Weg bahnte. Der 
Werth der Erwerbömittel muß anders beurtheilt werden, als der 
ber Genußmittel, audy macht es einen erheblichen Unterfchieb, 
ob man bei der Werthfchägung eined Gutes eine vereinzelt 
ftehente, ober eine im Berfehre begriffene Wirthfchaft voraus⸗ 
fett. Hieraus entipringt die nachftehende Eintheilung (d). 


(a) Dieß Wort wirb in ber Bolkswirtäfchaftslehre in einem weiteren Sinne 
ra fo daß es auch die Annehmlichkeit, Schönheit ıc. in fid 

ießt. 

(5) ‚Wenn der Werth nicht den Grad, fondern die Rützlich keit felbft 
bedeuten follte, fo wäre einer von beiden Ausdruͤcken überflüflig. Doch 
ift Telbft der gewöhnliche Gebraud der Wörter Werth und Würde 
dagegen. Es laäßt ih demnach von dem Werthe einer Sade allein, 
ohne Bergleihung anderer Güter oder mehrerer individueller Schaͤtzun⸗ 

. gen, nicht fprehen. Wenn man im gemeinen Sprachgebrauche einer 
Sache ſchlechthin Werth zufchreibt, ohne fie mit einer einzelnen anderen 
zu vergleichen, fo ift hierunter ein gegen viele andere oder die meiften 
anderen Güter hoher Werth zu verfehen. 


(c) Die Unterfheidung eines Gebrauchs- und Taufchwerthes iſt fhon von 
Nriftoteles (Politicor. I, 9) deutlich ausgefprohen worden. Adam 
Smith hat diefen Unterfchied aufgenouimen, ohne aber ven Gebrauchs⸗ 
werth weiter zu verfolgen und zu benugen. Unterf. I, 43. — Mehrere 
neuere Schriftftefler haben fich mit der genaueren Beftimmung der Be: 

tiffe von Werth und Preis befchäftigt und beide Norgfactig au unter: 
cheiden gefuht. Graf Soden, IV, 22. — Hufeland, R. Grund⸗ 
fegung, I, 118. — 2o$, Reviflon, I, $. 3 und Handb. I, 20. — 
Storch, I, 27, und: Ueber die Natur des Nationaleintommens, 
S.XXXIV. — Rau, Zuf. 16 zu Storch und in der Schrift: Malthus 
und Say über die Urſachen der jetigen Handelsſtockung, ©. 259 (Ham⸗ 
burg 1821). — Ricardo, Princ. Cap. 1. u. 20. — Torrens, Prod. 
ot w., &.7. — Louis Say, Consider., S. 47. Deſſ. Etudes, &.45. — 


W. Kosegarten, De valoris et pretii vi et momentis in oecon. ' 


politica. Bonnse, 1838. — Baumftarf, Volksw. Erläut. S. 297. — 
Rossi, Cours I, 48. — Riedel, I, 8. 30. — Thomas, Die 
Theorie des Verkehrs. 1. Abtheil. Berlin 1841. ©. 11. — Mill, 


I, 451. — Friedlaͤnder, Theorie bes Werths, Dorpat, 1852. 4. 
(zugleih Geſchichte diefer Lehre). — Berfuh, die Stammbegriffe der 

olkswirthſchaftslehre feftzuftellen, von &. Say in der Schrift: Pour- 
quoi l’&c. pol. est-elle une science si peu generalement étudiée? 
P. 1837. — Mehrere Neuere nennen den Gebrauchswerth Nuͤtz lich⸗ 
feit und behalten das Worth Werth lediglih zur Bezeichnung bes 
Zaufchwerthes oder Preiſes, 3. B. Torrens, On the product. of 
wealth, ©. 8. Mac⸗Culloch, Grund. S. A, auch Storch, Natur 
des Nationaleint., ©. XXXVI. Es ift hiebei zu beachten, daß im 
franzöfifhen und englifchen Spracdhgebraude valeur, value nicht genau 
dem deutfchen Worte Werth entfprechen, denn jene Ausbrüde, von 
valor, valere abflammend, gehen mehr auf die äußere Anerkennung, das 
Gelten, alio auf den Preis im Verkehr, während Werth mehr 
auf die einem Gute anhaftenden nüglichen Gigenfchaften bezogen wird. 
Unter Valeur fchlehthin wird der Taufchwerth verftanden. 

(4) Bol. Hufeland, 1,124. — Baumſtark, Volksw. Erläut. ©. 312.— 
Schmitthenner, Zwölf B. I, 336. — Kudler, B.:®. I, 55. — 
Thomas a.a.D. zerlegt den Werth in drei Begriffe, nämlidh: 1) die 
Hochſchäzung von Dingen ihrer Beichaffenheit willen, 3. DB. wegen 
ihrer Schönheit, Würde; 2) die von ber Gemüthéſtimmung eines 
Subjects beftimmte Schäbung, Werth; 3) die Schäbung eines Gutes 
wegen der urfachlihen Berbindung mit einem anderen, Nüplichfeit. 
Zu bdiefen drei Schäßungen rechnet der Berfaffer ferner 4) die Koften, 
5) den Preis. Jene drei find jedodh nur ale einzelne Urſachen und 
Arten des Werthes anaulehen. — Sm täglihen Leben werden die Arten 
des Werthes nicht unterfchieden, weßhalb man denfelben bald dem Breife 
entgegenfebt, bald beide Ausdruͤcke verwechſelt. 


$. 58. 


Es giebt zwei Hauptarten des Werthes: 

1) Der Grab von Tauglichkeit eined Gutes, feinem Befiger 
bei ber eigenen Anwendung für einen, in der Beflimmung bed 
Gutes liegenden, nicht erft durch den Verkehr vermittelten Zweck 
einen Bortheil zu gewähren, ift der Gebrauchswerth ober 
Werth im engeren Sinne (a). Diefer ift ald die Grund» 
lage jeder Schägung anzufehen und verdient bei jedem Sad): 
gute vor Allem und hauptfädylich beachtet zu werben, wenn er 
auch nicht nothwendig für jeden Befiger eined Gutes vorhanden 
it (d). Er bleibt fi, wenn man ihn einmal erfannt hat, fo 
lange gleih, als nicht in den Abfichten der Menfchen oder in 
ber Brauchbarfeit eined Mitteld für dieſelben ein Wechfel eins 
tritt. Wendet man den Begriff von Gebrauchswerth auf bie 
beiden Gattungen von Gütern an ($. 50. Nr. 2), fo ergiebt 
fi) Folgendes: 

a) Der Werth eines Genußmittel® liegt in der Faͤhig⸗ 
feit deſſelben, perfönliche Güter, d. h. Nutzen oder Vergnügen 
bervorzubringen, .er ift alfo ein unmittelbarer. Gebrauchs⸗ 


— 72 — 


werth, den man auch Genußwerth nennen kann, z. B. der 
Nahrungsmittel, der Arzneien, der Werke der bildenden Kunſt ıc. 
(c). Man darf fid) denfelben nicht überhaupt als etwas Will 
fürliches, der Laune und dem Spiel der Einbildungsfraft Ans 
gehörended denken, denn meiftend beruht er auf feften Zwecken 
ber Menfchen und gewiflen Eigenfchaften unferer Sachgüter (d). 
b) Der Werth derjenigen Erwerbömittel, die der Bes 
figer dazu benugt, um andere Güter von anerfanntem Gebrauchs⸗ 
werthe für feinen Bedarf hervorzubringen, richtet fi) nach ber 
Stärfe des Beiſtandes, den ſie hiezu leiften, d. h. nad) ber mit 
ihrer Hülfe entftehenden Werthmenge, nad) Abzug bed etwa 
nöthigen FKoftenaufwandes (e). Bortgefegte Beobachtungen in 
dem Betriebe der Gütererzeugung haben viele Erfahrungsfäge 
zur Bemeflung dieſes Erzeugungswerthe® geliefert, vor⸗ 
zäglid) im Gebiete der Landwirthfchaft (f). 
(a) Diefe eigene Anwendung (Gebrauch) ſetzt fortdauernden Beſitz des Gutes 


voraus. 


(6) Nur das Geld ale Werkzeug des Verkehrs ift ohne allen Gebrauchs⸗ 
werth. — Viele Waaren eines Raufmanne, viele Bücher eines Buchs 
haͤndlers haben für diefen felbft Eeinen Gebrauchswerth. 

(e) Benupungswertb nah Hufeland, Verbrauchswerth nah Baumſtark, 
Genußwertö nah Schmitthenner. 

(d) — Value dwells not in particular will; 

It holds its estimate and dignity 
As well wherein "tie precious of itself,. 
As in the prizer. 
Shakspeare, Troil. and Cross. II, 2. 

(e) 3. 8. Unterhaltungsfoflen eines Thieres, einer Mafchine ıc. 

(f) 3. 3. Milcergiebigfeit einer Kuh, — Nährkraft eines Eentnere Heu 
für Melkthiere oder Maftvich, — Düngefraft eines Gentners Stall: 
mit, — Grtragsfähigfeit eines Morgens Acker oder Wald bei einer 
geiffen Bodenart und anderen gegebenen Umftänden, — 2eiftung einer 

reſchmaſchine sc. Die landivirtäf aftlichen Schriftfteller führen gewoͤhn⸗ 
lih bei folden Ausmittlungen den Erzeugungswerth der nerfhiebenen 
Gegenftände auf 1 Raums oder Gewichtstheil Roggen zurüd, Blod, 
Retultate der Berfuche über Erzeugung und Gewinnung des Düngers, 
1823. 4. unb fpätere Echriften dei. — Angaben über den Werth der 
verfchiedenen Yutterarten, auf Heu zurüdgeführt (Heuwerth), bei v. 
Weckherlin, Landw. Thierproduction, I, 178. 


8. 59. 
Der Genußwerth eined Gutes insbefondere wird von folgen» 
ben Umftänden beflimmt: 


a) von ber Stelle, die ber naͤchſte Gebrauchszweck deſſelben 
in der Gefammtheit menfchlicher Zwecke einnimmt. Diefe ftehen 


“ 


— 123 — 


in einer Rangfolge, welche theils auf der ſinnlichen Natur des 
Menſchen, theils auf moraliſchen Gruͤnden beruht und ſich in 
fein Zahlenverhaͤltniß bringen läßt. Die Befriedigungsmittel ber 
bringendften Bebürfniffe haben aus biefer Urſache den hoͤchſten 
Werth (a). Haben zwei Güter einerlei Beftimmung , fo kann 
dem einen darum ein höherer Werth zukommen, weil es zugleich 
auch noch andere Zwecke beförbert; 

b) von dem Verhältniß des einzelnen Gutes zu anderen, 
weiche zu bem nämlichen Zwecke anwendbar find. Fehlt es an 
folchen anderen Mitteln, fo ift daß einzige vorhandene in Bes 
ziehung auf biefen Zwed (relativ) unentbehrlich (d), und 
fein Werth richtet ſich ganz nad) der Wichtigkeit deffelben; find 
aber jene vorhanden, fo ift der Werth eines jeden einzelnen 
gegen bie anderen davon abhängig, in welchem Grabe es 
zur Crreihung feiner Beſtimmung geſchickt ift, 3. B. von der 
Stärke, Dauer, Sicherheit ıc. feiner Wirfung. Dieſes Werths 
verhältniß mehrerer Mittel gegen einander ift in folchen Faͤllen, 
wo es blos auf förperlichen Eigenfchaften beruht, leicht auszu⸗ 
mitteln (ce). Die Auffindung eines befferen Mitteld vermindert 
den Werth, des bisherigen beften keineswegs, hat aber die Folge, 
daß nun das neu entbedte einen höheren Werth erlangt (d). 
(a) Dan vergleihe 3.3. den Werth eines Maskenanzuges und eines Hems 

des, einer Pendeluhr und eines Bettes. — Aus diefer Urfache werden 

die aufeinander folgenden Werthserhoͤhungen durch fortgefepte Bervoll; 
fommnung einer Art von Gütern, 3. B. von der hölzernen Bank bie 
um zierlichſten und Eoftbarften Sopha, infofern immer geringer, als 

* neue Berbeflerung einen Fleineren Zuwachs der Bortheile für das 

menfchliche Leben zu Wege bringt. — Friedländer, ©. 47 nimmt 

3 Abfltufungen an, 1) Mittel zur Erhaltung des Lebens, 2) Bildunges 


mittel, 3) Mittel zu einem naturgemäßen Sinnesgenug, und flellt weitere 
Unterfudungen über den Gebrauchswerth an. 


(5) Unbedingt (abfolut) unentbehrlih if ein But, wenn es für einen zum 
menſchlichen Leben nothiwendigen Zwed das einzige Mittel bildet. 


(2) 3. B. der Werth mehrerer Nahrungsmittel, Holzarten, Zeuche zur 
Kleidung und Beleuhtungsfloffe gegeneinander. 100 Raumtheile 
Pauo Pe ungefähr fo viel werth, ale 133 Theile Roggen oder 
1 e. 


(d) Der Waid iR zum Blaufärben, die Talglichter und Oellampen find 
ur Beleudtung noch eben fo nüplih, als vor der Anwendung des 
digo und der Gasbeleuchtung, aber jene Stoffe werben nun von 
andern Mitteln an Werth übertroffen. Iſt das beflere Mittel in hin⸗ 
reichenter Menge zu haben, fo kommt leicht das ältere ganz außer Ge⸗ 
braudy und die übrigen Vorräthe verlieren allen Preis. 


— 74 — 


8. 60. 


2) Der Grad der Tauglichkeit einer Sache, ihren Beſttzer zum 
Erwerbe anderer Güter im Verkehre behülflich zu fein, läßt ſich 
Verkehrs werth nennen (a). Diefer ift zwar nicht unab⸗ 
bängig vom Gebrauchswerthe, ſetzt benfelben vielmehr voraus, 
fteht aber auch unter dem Einfluffe veränderlicher, äußerer Um⸗ 
fände, die fih im Verkehre und geben. Der Berkehröwerth 
beruht auf offenbaren Thatfachen, nämlidy den vertragsmäßig 
beftimmten PBreifen der Güter und Leiftungen, er kann deßhalb 
leicht ermittelt und in Zahlen ausgedrüdt werden, 8.56. Seine 
Erforſchung ift bei manchen Gegenfländen zu einer ausgebildeten 
Kunft geworden (Taration, Werthabfhäsung). Der 
Verfehröwerth bezieht fi zwar immer auf befondere Zeiten und 
Dertlichfeiten, in denen gewifle Preife beftehen, indeß ift doch 
ber einzelne Preis allzu zufällig, um für eine Schägung benugt 
zu werben, die zu einem allgemeineren Gebrauch beſtimmt if. 
Man muß alfo den Verkehrswerth entweder auf Mittelpreife 
eined vergangenen Zeitraums, oder auf die nad) den bisherigen 
Preifen für die nähere Zukunft zu bildenden Vermuthungen 
flügen. Auch der Verkehrswerth Fann auf doppelte Weiſe bes 
flimmt werben. _ 

a) Wird das zu fehägende But ald Verfaufögegenftand, d. 5. 
al8 Mittel zur Erlangung eined Gegenwerths (Aequivalentd) 
im Taufche betrachtet, fo ergiebt fich fein Verkehrswerth aus 
dem dafür zu erwartenden Preife nach Abzug der etwa nöthigen 
Fracht⸗ und anderen Verkaufskoſten. Der Verkehrswerth verdient 
in biefem Falle ausfchließlich den Namen Taufhwerth. Er 
fann bei allen überhaupt preisfähigen Gütern, alfo auch bei 
Genußmitteln, erforfcht werben, weil ed bem Beftger freifteht, fie 
zu veräußern und hiedurch in Ermwerbömittel umzuwandeln (5). 

b) Viele Güter dienen dazu, andere verfäufliche Sachguͤter 
oder perfönliche Leiftungen zu Stande zu bringen, bie dann 
eine Einnahme geben. Der Verkehrswerth hängt in biefem 
Galle theild davon ab, in welchem Grade ein ſolches Erwerbd- 
mittel die Erzeugung eines verkäuflichen Gegenſtandes unterftüßt 
(8.58 Nr.15), theils von den Preiſen dieſes Gegenſtandes (c). 
So richtet fi) 3. B. der Verkehrswerth eined Morgens Acker⸗ 


.’ 


— 15 — . 


land von gegebener Befchaffenheit nicht blos nach feinem muth⸗ 

maßlidyen mittleren Ertrage und den abzuziehenden Koften ber 

Bewirthfchaftung, fondern auch nach dem Preife der gewonnenen 

Rohftoffe (d). IR ein Erwerbömittel Duelle regelmäßig wieder⸗ 

fehrender Einnahmen, fo hat man aus der Erfahrung auszus 

mitteln, wie vielfach der jährliche Foftenfreie Ertrag genommen 
werden muß, um ben Verkehrswerth jenes dauernden Gutes zu 

finden (e). 

(a) Erwerbswerth nah Baumſtark. 

() Smith und viele Andere verfiehen unter dem Preife nur denjenigen 
Zaufchwerth, welcher in Geld gegeben wird; ebenfo noh Mill, IL, 453. 
Allein der Kauf gegen Geld iſt nur ale eine Art des Taufches (freilich 
die Häufigfte) anzufeben. Warum jollte man bei Völkern, die ben Ge⸗ 
brauch des Geldes noch nicht fennen, die aber viel taufchen, nicht eben 
fo gut von Preifen der vertaufchten Dinge fpreben? Der Begriff des 
Preifes ift folglich fo allgemein zu faſſen, daß jedes Taufchäquivalent, 
es fei Geld oder etwas Anderes, unter ihn gebracht werden fann. 
Nah Friedländer a. a. D. wäre der Tauſchwerth nur der vers 
glichene Gebrauchswerth, und erf im Preiſe Eämen die Koſten als mits 
wirfend Hinzu. 

() 3. 3. Werth eines vermietheten Haufes, Gartens, Bettes u. dgl., — 
einer Gewichtsmenge Muͤnzſilber (mit Rupferbeimifhung),, Bifenerz, 
Runfelrüben zur Zuders oder Milcherzeugung für den Verkauf ıc. 

(d) Auf diefen Verkehrswerth paßt daher der Ausdruck Taufchwerth nicht 
fo gut. Wenn 1 Gentner Heu 5 . Kleifh und Fett zu 12 fr. ers 
zeugt (v. Wedherlin, Landw. Thierproduction, II, 337), fo ik 
(abgefehen von den anderen Koſten der Maftung und dem Miſte) fein 
Verkehrswerth ı fl.; fein Taufchwertb im alle des Berfaufs kann 
Zeven abweichen, obgleich ex in der Hegel ſich jenem zu nähern firebt. 

eim Heu laflen fi mehrere Werthe nad den verfchiedenen Verwen⸗ 
dungen angeben, indem 3. B. der Centner bei Kühen gegen 441/. Pfd. 
Milch giebt (ebd. IL, 364) und, das Pd. zu IY/akr., 1 1. 6%, fr. ab: 
wirft. — SH der mittelbare Verkehrswerth im obigen Falle b) größer 
als der beim Verkaufe beſtehende, fo iſt es vortheilhaft, das Gut nicht 
zu verfaufen. So verwendet man die Mil befier zum Ausbuttern, 
wenn ihr Preis zu niedrig Heht. — Der Productionswertt Schmitt: 
henner's, fowie der Schaffwertb Baumſtark's umfaflen fowohl 
diefe Art des Verkehrswerthes, als den oben ($. 59. 1. b.) erklärten 
Erzeugungswerth. 

(e) Dan bedient fi hiezu insgemein des üblichen Zinsfußes, fo daß man 
3. 2. ein Grundflüd, welches über die Koften jährlid 20 fl. einbringt, 
zu dem 25fachen Werth oder 500 fl. anfchlägt. 


8. 61. 


Eine weitere, nicht weniger im Weſen der Sache gegründete 
und zur Erklärung der vollöwirthichaftlichen Erfcheinungen noths 
wendige Unterfdjeivung bei dem Gebrauchswerthe entfleht aus 
der Rüdficht auf den Umfang ber Werthfchägung, und zwar 


. — 16 — 


fann dieſe fowohl bei den zu fchägenden Gegenſtaͤnden als bei 
den fchägenden Perfonen (8. 62) betrachtet werben. In ber 
erfigenannten Hinficht ergiebt ſich Folgendes: 

1) Es giebt einen Werth ganzer Gattungen und Arten 
von Gütern, 3. B. bed Waizend, des Kupfers, des Sohl⸗ 
leders ıc. (a), ben man erfennt, wenn man ben Grab ber 
Rüplichkeit diefer Sachen für bie Menfchen im Allgemeinen 
erwägt. Diefer abftracte oder Gattungswerth ift es 
hauptfächlich, auf den fich die obigen Erklärungen ($. 57. 58.) 
beziehen: (b). | 

2) Der Gebrauchswerth einer einzelnen (concreten) Quan⸗ 
tität eined Sachgutes, oder eined einzelnen Stüded, 3.3. eines 
beftimmten Scheffel® Getreide, eines beftimmten Pferdes ıc. für 
eine gewiffe Berfon (concreter Werth) fait fehr oft nicht 
mit dem Gattungswerthe diefed Gegenftande® zufammen, fondern 
bleibt weit unter bemfelben ober verfchwindet ganz. Er fteht 
nämlich zugleich unter dem Einfluß äußerer Umftände, und zwar 
der Größe des Bedarfed und des ſchon im Befige der Perſon 
befindlichen Borrathed von demfelben Gute. Bür bie meiften 
Zwede hat man nur eine beftimmte Menge von Gütern einer 
gewiflen Art nöthig und ein größerer Vorrath erfcheint ale 
überflüffig, weil ed an einer Beranlaffung fehlt, von feiner 
Nüslichkeit wirklich Gebrauch zu machen. Der Gebrauchswerth 
eines ſolchen überflüfligen Theiles des Beſitzes für den Befiger 
ift als ruhend anzufehen und dieſe Vorräthe werben nur nad) 
ihrem Berfehröwerthe als Erwerbömittel oder ald Mittel, Ans 
deren Wohlthaten zu erweifen, in Anfchlag gebracht. Wer nicht 
als Hanbeltreibender auf den Wiederverfauf Bedacht nimmt, 
wird von jedem Gute nur foviel mit einer Aufopferung erfaufen, 
als er felbft zu verwenden gedenkt (c). Deßhalb Hat oft eine 
Sache von dem hödften Battungswerth für viele Perfonen 
feinen oder nur einen geringen concreten Werth. Bis zur 
Graͤnze des Bedarfed dagegen iſt diefer dem Gattungswerthe 
gleich, und eine Vermehrung des letzteren innerhalb jener Gränze 
ift alfo eine Vergrößerung des Vermögen. 


(a) Die zu einerlei Art von Gütern gehörenden Sorten haben ungleichen 
Gattungswerth. — Uebrigens verficht es fih, daß man auch zur Bes 
flimmung des Battungswerthes gewiſſe Duantitäten zu Grunde legen 
muß, 3. B. 1 Eubiffuß Leuchtgas, 1 Pfd. Brennöl ıc. 


— 1 — 


(4) Riedel, Nationalöf. I, I. 52, hat die Unterfcheidung diefer beiden 
Arten des Werthes aufgenommen und den Gattungswerth mit dem 
Namen abfiracter Werth bezeichnet. 

() Wer 3. B. auf 1 Jahr 30 Gentner Roggen nöthig bat und deren 70 
befigt, wird bei den entbehrlichen 40 nur darauf achten, was fie ihm im 
Tausche eintragen können. Wenn fich der Befiger entfchlöffe, auch einen 
Theil der nöthigen 30 Gentner ohne Rüdficht auf ihren Werth zu vers 
faufen, fo geſchaͤhe dieß nur in der Vorausſetzung, den Bedart leicht 
und um niedrigeren Preis wieder ergänzen zu können. — Das zweite 
Gremplar des geichästeften Buches, Kupferfliche sc. iR für den Gigen⸗ 
thümer faſt ohne concreten Werth. — Wer fi mit dem Bedarfe ver 
forgt hat, kauft nicht mehr von berfelben Sache, wenn fie auch noch fo 
wohlfeil ifl, ee müßte fle denn wieder verfaufen oder länger aufbewahren 
wollen und Eönnen. — 6 laflen fich Hiebei noch abRufungen denen, 
indem man 3. DB. gerne über den Bedarf hinaus einigen Vorrath zur 
Behaglichkeit oder aus Borficht in Bereitichaft hält, deſſen concreter 
W aber ſchon kleiner iſt. 


6. 614. 

Waͤhrend der Gattungswerth bloß im Allgemeinen die Be⸗ 
ziehung eines Gutes zu den menſchlichen Zwecken ausſpricht, 
giebt der concrete Werth einen Antrieb fuͤr den Willen, weil er 
jedem Einzelnen zeigt, was zur Verbeſſerung feines wirthſchaft⸗ 
lichen Zuſtandes dient. Das allgemeine Streben der Menſchen 
geht dahin, die groͤßte Menge von concretem Werthe in ihrem 
Vermögen zu haben, und darauf werben die Einkäufe ſowie 
bie Verkäufe gerichtet. Bei der Schäpung der Genußmittel ift 
der concrete Werth ganz entjcheidend. Bedarf man auch von 
manchen Gütern nicht gerade einer beflimmten Menge, wie bei 
manchen 2urusgegenfländen, fo pflegt wenigftend ber concrete 
Werth eines einzelnen Stüded oder Quantums befto Heiner zu 
werden, je höher ber ganze Vorrath eines Eigenthümers fteigt. 
Der Zwei, neued Vermögen im Allgemeinen zu erwerben, ift 
zwar für die meiften Menfchen unbefchränkt, Doch zeigt ſich auch 
in den Enwerbömitteln nicht felten eine Gränze, jenfeitö welcher 
der concrete Werth abnimmt, theild wegen ber größeren Schwies 
rigfeit der Verwaltung und Benugung, theild weil zwifchen den 
verjchiedenen Erwerbömitteln ein Ebenmaaß ftattfinden muß (a). 
Uebrigens kann ein gegebened Sachgut bei gleichem Gattungs⸗ 
werthe nicht bloß für mehrere !Berfonen, fondern in verfchiedenen 
Zeiten auch für eine und bdiefelbe Perfon ungleichen concreten 
Werth haben, wenn in dem Umfang bed Bebarfes und ber 
Vorräthe Veränderungen eintreten. 


(a) 3. 3. zu einem Landgute von 100 Morgen gehört nur eine gewifle 
Zahl von Pferden, Pflügen u. dgl. 


— RR — 


8. 62. 


Die einzelnen Menſchen koönnen in dem Urtheile über ben 
Gebrauchswerth eines Sachgutes von einander abweichen, ins 
dem bald ihre nädhften Zwecke verfchieden find, bald auch die 
Tauglichkeit der Mittel zu denfelben nicht für Alle dieſelbe ift. 
Keigungen, Gewohnheiten, Bebürfniffe, Berufszweige, natürliche 
und fünftlid erworbene Faͤhigkeiten ıc. haben auf bie inbivi- 
duelle Werthichägung Einfluß, welche, ald in der Berfönlichkeit 
liegend, für Andere unerforfchlich ift, fo meit fie fich nicht in 
ben Preifen fund giebt, für weldye Jemand ein Gut kauft ober 
verkauft (a). Mehrere Menichen, die in irgend einer Hinficht 
(Beihäftigung, Stand, Körperbefchaffenheit) einander gleich 
ftehen, ftimmen häufig aud in der Werthichäbung einzelner 
Güter überein (5), und bei den nöthigen Dingen ift fogar 
ein gleichförmiges Urtheil aller Mitglieder eines Volkes mög- 
ih (c), während zwifchen mehreren Völkern noch Berfchieben- 
heiten aus förperlidhen ober geiftigen Urfachen beftehen fön- 
nen (d). Will man den Gattungswerth eined Gutes nad) einem 
aus der Volföwirthichaftslchre genommenen Geſichtspuncte ers 
meffen, wie dieß auch in manchen Faͤllen von der Regierung 
gefchehen muß, fo bat man von der Geſammtheit der Bebürfs . 
niffe eined vernunftmäßigen Lebens auf einer gewiflen Bildungs» 
ftufe und nad) den Eigenthümlichkeiten eines Volkes auszugehen 
und die Nüglichkeit jedes Gutes nach feinem Verhältniß zu 
diefem Syſteme ſittlich zuläffiger Zwecke zu unterfuchen (e). 


(a) Der Werth der Borliebe oder Affectionswerth ifl eine bes 

ſondere Art des individuellen, beruhend nicht auf einem eigentlichen 
Nugen, fondern auf, einem Gefühle, welches aus dem Gemüthe ents 
fpringt. Er zeig ch auch bei wirklichen Tauſchfaͤllen oͤfters als 
Affections⸗(kiebhaber⸗)Preis. IR der Gegenſtand einer ſolchen 
Vorliebe nur einmal vorhanden, z. B. das Gemaͤlde einer uns theuren 
Berfon, fo fällt der Sattungswerth mit dem concreten zuſammen; denn 
auf diefen Fall if die Unterfcheidung beider gar nicht anwendbar. 
Anders Dagegen 3. B. bei einem in vielen Gremplaren vorhandenen 
Abbilde einer Berlon in Steindrud. 

(5) Werth einer alten Münze für Numismatiker, eines Neteorſteins für den 
Mineralogen. 

(0) Man bat deßhalb einen allgemeinen, befonberen und in divi— 
duellen Werth unterfchieden. 

(d) Zeitungen werden in England und anderen Ländern von Guropa, 
Chocolade wird in Italien, Roggen in Deutfchland, Mais in Italien 
höher geſchaͤtzt als anderswo, Bele, Defen, Glasfenſter in beißen 


— 79 — 
Laͤndern weniger oder gr nicht. — Ueber die Natur des gemeinen 
Werthes |. Zach ariaͤ, ©. 128. 
(e) Nach ſolchen Erwägungen wird man 3. 3. ben Feldbau vor der Kunſt⸗ 


gärtnerei, die Gifenfadrication vor der Bijouterie, die Leinweberei vor 
dem Spigenflöppeln sc. zu begünftigen haben. " 


8. 63. 

In frühen Zeiten, ald jede Familie durch ihre eigene Thätig- 
feit alle ihre Bebürfniffe befriedigte, wurde jede Art von 
Gütern nad ihrem Gebrauchswerthe und jedes einzelne Stüd 
nach feinem concreten Werthe für den Befiger oder Erwerber 
geihäsgt (a). Dasjenige Vermögen erſchien ald groß, weldes 
in feinen Beftandtheilen eine beträchtliche Menge von concretem 
Gebrauchswerthe enthielt, jo daß es den Bedürfnifien und Wuͤn⸗ 
ſchen des Befigers eine ziemlich vollſtaͤndige Befriedigung bars 
bot. Später, als die Erwerböthätigfeiten vielfacher und Fünf 
licher wurben, der Verkehr mehr Lebhaftigfeit erhielt und zu 
feiner Erleichterung ein Gut als allgemeiner Stelivertreter aller 
anderen (Geld) gebraucht wurde, zog ber Verfehröwerth, ind« 
befondere der in Geld ausgedruͤckte, immer größere Aufmerkſam⸗ 
eit auf fih. Man gewöhnte fi daran, jedes Gut nad) ber 
Geldmenge anzufchlagen, die für daſſelbe im Verkaufe wahr- 
fcheinlich zu erhalten fein werde, und fah in diefem Gelbpreife 
eined Gegenſtandes den vollgültigen Erſatz und Gegenwerth 
befielben. Hierin wurde man durch die Wahrnehmung beftärft, 
baß bei einem auögebildeten Gewerbfleiß und regen Verkehre 
bie meiften Güter beliebig einzufaufen find, wenn man ihren 
Geldpreid anbietet. Es wurde allgemein üblid), dad Ber 
mögen der Menfchen nad) den Geldpreifen feiner Beftanbtheile zu 
bemeſſen (d) und man wurde fogar zu der Meinung geführt, 
diejenigen Sadyen, die im gewöhnlichen Leben feinen oder nur 
einen niedrigen Preid haben, feien aud) von ganz geringem 
Werthe. 


(a) Diefe urfprüingliche Schägung der Dinge nennt Beccaria nicht ganz 
pafiend abfoluten Werth im Gegenfage des fpäter hinzugetretenen 
relativen oder Taufchwerthes, Elementi di econ. publ. in den Scritt. 
elass. XIX, 339. 

(3) Cournot, Rech. ©. 3, flüßt ten Begriff von Bermögen, richesses, 
gänzlich auf den Tauſchwerth, weil diefer allein berechnet und bewiefen 
werden fönne, während bei der Schaͤtzung der Nüplichkeit das Wahre 
und Irrige nicht erweislich fei. Wenn man einen Theil eines Vorrathes 
zerſtoͤt, um den Weberreft defto vortheilhafter zu verkaufen, wie es 


— 80 — 


z. B. von Buchhaͤndlern mit Cremplaren von Buͤchern und von den 
Hollaͤndern mit Gewürzen geſchehen iſt, fo wird dieß von jenem Schrift: 
ftellee ©. 7 une vöritable cr&ation de richesse dans le sens commer- 
eial du mot genannt. 6 ift aber nur Gewinn am Preiſe auf Koften 
der Käufer und mit Berminberung der vorhandenen Menge von Ge⸗ 
brauchswerth. 


8. 64. 


Es laͤßt ſich zeigen, daß ſchon fuͤr die privatwirthſchaftliche 
Schaͤtzung der Sachgüter der Preis und der von demſelben be⸗ 
flimmte Verkehrswerth keineswegs zureicht, und daß der Ein- 
zelne, um für feinen wahren wirthfchaftlichen Bortheil zu forgen, 
immer auf den Gebrauchswerth zurüdgehen muß, wie dieß auch 
der Erfahrung zufolge allgemein geſchieht (a). 

1) Der Verkehrswerth eined Gutes weift nur auf die bamit 
zu erlangende oder die dafür aufzuwendende Dienge eined ans 
beren hin, und bieß würde wenig helfen, wenn man nicht den 
Gebrauchswerth beider kennte. Man Fauft oder verkauft ein 
But, je nachdem man deſſen concreten Gebrauchswerth größer 
oder kleiner findet als den Preis deſſelben (6). 

2) Die Preife und Verkehrswerthe pflegen in Gelbfummen 
ausgedrüdt zu werden. Eine ſolche hat aber keinen Gebrauchs», 
fondern nur einen Verkehrswerth und empfängt denfelben von 
den Dingen, die man für fle anfchaffen will. Hierin waltet 
offenbar die größte Verſchiedenheit, daher läßt ſich fein allges 
meiner Werth einer Gelbfunme angeben, vielmehr kann biefe 
nur nach den Bebürfnifien und Vermögensumftänden jedes eins 
zelnen Befigerd gefchägt werben, indem dieſer fie zur Enverbung 
derjenigen Gegenftände verwenden wird, die für ihn gerade den 
höchften concreten Werth haben (c). Weber je mehr Geldfummen 
einer gewiſſen Größe Jemand zu verfügen hat, d. h. je bes 
güterter er ift, deſto mehr Teichtentbehrliche und geringfügige 
Dinge vermag er ſich neben den werthvollen zu verfchaffen. 
Betrachtet man alſo den Werth einer foldhen Summe nicht ges 
rade in einem ginzelnen Zeitpunc, fondern für die Wirthfchaft 
einer Perſon im Ganzen, fo ergiebt fi, daß jene einen befto 
niedrigeren concreten Werth hat, einen je Fleineren Theil der 
ganzen „verfügbaren Guͤtermaſſe fie ausmacht; fie ift für den 
Reichen wenig, für den Dürftigen viel werth. 


.—. 81 — 


3) Manche Güter find auch da, wo ſchon lebhafter Verkehr 
befteht, nicht preisfähig (8. 56), weil es noch herrenlofe Vor⸗ 
räthe giebt, die man unentgeldlih an ſich bringen fann (d), 
oder weil aus irgend einer Äußeren Urfache feine Veräußerung 
vorfommt (e). Im erften Kalle ift gar Fein Verkehrswerth vor- 
handen und man muß ſich allein an den Gebrauchswerth halten, 
im zweiten alle giebt es wenigftend feinen Tauſchwerth folcher 
Güter, wenn auch vieleicht einen Miethwerth (f). 

4) Der gegenwärtige Preis eined Gutes ift dann fein hin- 
reichender Stellvertreter befielben für den Befiger, wenn die 
Wiedererlangung fchwierig ober zweifelhaft erfcheint (9). 


(a) Hiermit flimmt auch Torrens überein, Production of wealth, ©. 10. 
11: „Rur ein Iömmanfender und ungenauer Sprachgebrauch fonnte zu 
dem Satze geführt haben, daß der Taufchwerth (Preis) das Wefen bes 
Bermögens ausmaht. Wenn wir fagen, ein nützlicher @egenftand habe 
Tauſchwerth, fo ift das ein bildlicher Ausdrud, der genau genommen 
feine diefen Dingen anhängende Gigenfhaft, fein Merkmal derſelben 
ausfpricht, fondern nur bedeutet, daß Menichen vorhanden find, welche 
Bermögen und Willen haben, andere nüßliche Dinge für fie zu ge 
ben” ıc. — Rossi, Cours I, 65. 

(4) Schon Condil lac hatte behauptet, zwei Dinge von einerlei Preis 
fönnten in ihrem Werthe fehr verfhieden fein. Wenn Say (Hanbb. 
I, 164. II, 154) dieß beftreitet und den Preis als den von vielen 

"Menihen anerkannten Werth anficht, fo bezicht fih das nur auf den 
Tauſchwerth, nicht auf den Gebrauchswerth, den Condillac offenbar 

im Sinne gehabt hatte. Say fagt (Mnmerfungen zu Ricardo, I, 
89): „Wenn gpai Dinge einerlei Markipreis haben, fo beweift dieß, 
dag nach der Meinung der Menfhen an diefem Orte und zu dieſer 
Zeit aus der Verzehrung beider Sachen gleiher Brad von Bortheil 
(satisfaction) zu genießen iR." Dieß wäre nur richtig, wenn die Mens 
ſchen für jede Sad deſto mehr zu geben pflegten, h mehr Nutzen fie 

in ihr finden allein dieß thut man nur, wenn man nicht wohlfeiler 
faufen fann und man if frob, das allernüßlichfte But recht wohlfeil 

* erwerben. 

er Landmann, dein man für ein Erzeugniß 100 fl. bietet, wird viel: 
leicht überlegen, wie viel Geraͤthe, Kleidung, Baumaterial dafür zu 
erlangen find, der Handwerfer in einem ähnlichen Kalle, wie viel rohe 

St verfhiedener Art; der Reihe denkt vielleicht bei jener Summe 
an irgend ein zierliches Geraͤth oder Kleidungsftüd, welches er leicht 
miſſen Eönnte. 

(d) Wafler, Eis und Schnee erlangen in folden Zeiten und Orten einen 
Preis, mo man auf ihre Herbeilhaffung oder Aufbewahrung einige 
Mühe wenden muß. (Schnee wird in Neapel und Eicilien allerwärts 
und täglich verkauft, in Städten das Pfund ungefähr für 1 Grano.) 
Grfteres iR aber auch da, wo es feinen Preis bat, weil es überall ums 
font zu erlangen if, von dem größten Werthe. Das Bermögen des 
Gingzelnen kann alfo Güter von betr Stiche Werthe in fi begreifen, 
die nicht preisfähig find, 3.3. Holz in einem ſchwachbevoͤlkerten walds 
reihen Sande. Die im gemeinen Leben übliche Bezeichnung des Ver: 
mögene nad den Preifen feiner Beflandtheile würde in einem foldhen 
Falle den Bermögensfland des Binzelnen fehr unvolllommen angeben, 


Rau, yolit. Defon. I. 7. Ausg. 6 


— 82 — 


und bei der Beſtimmung des Vollsvermoͤgens muͤßten dieſe preisloſen 
Guüͤter fo gut als die anderen berüdfichtigt werben. 

(e) 3. B. die res saorae und religiosae der Römer, — bie unveräußers 
lihen Grunbbefigungen der Spartaner nach Lykurg's Geſetzen. Auch 
die Landftraßen haben feinen Preis, weil fie nie veräußert werben. 
Dei der Schäßung des gefammten Bermögens im Staate fann man fie 
nur nach ihren Koften in Anfchlag bringen. Aber wie weit bleiben dieſe 
hinter dem Nugen zurüd, den die Straßen für die Geſellſchaft haben ! 

(f) Sind Srundftüde unveräußerlih, fo läßt ſich wenigſtens ein Werth: 
anfchlag aus dem reinen Grtrage bilden. 

(9) Lohnarbeiter befinden fih darum in einer viel vortheilhafteren Lage, 

wenn fie fo viel Land befigen, um die nöthigften Lebensmittel felbfl 

Bag zu fönnen und von der Bertheuerung berfelben unabhängig 

zu fein. 


— 


8. 65. 


Geht man von der privatwirthſchaftlichen zur volkswirth⸗ 
ſchaftlichen Schatzung der Vermoͤgenstheile über, fo iſt zu be- 
benfen, daß in der Wirthfchaft eined Volkes die meiften Bebürf- 
niffe durch inländifche Erzeugniſſe befriedigt werden und ber 
Austauſch mit anderen Ländern buch Ein= und Ausfuhr nur 
einen Fleinen Theil der ganzen erzeugten und verzehrten Güter- 
maſſe umfaßt (a). Man kann die Volkswirthſchaft als größten- 
theil® in ſich abgefchloffen anfehen. Der Preis und Verkehrs⸗ 
werth der Güter fommt bei der Bemeſſung des Volfdvermögend 
nur bei den aus⸗ und eingehenden Erzeugniffen in Betracht, 
bei allen anderen entfcheidet der concrete Gebrauchöwerth, nad) 
welchem fich der Gütergenuß, fomit zum Theil dad Wohlbefin- 
ben und die Zufriedenheit eined Volkes richtet. Der Preis der- 
jenigen Güter, die nicht in den auswärtigen Berfehr gelangen, 
wird von inländifhen Käufern an inländifche Verkäufer ent- 
tichtet, fein Höherer ober niedriger Stand nügt nur ber einen 
und fchadet der anderen biefer beiden Claſſen, ift aber für das 
Ganze gleichgültig (d). Um alfo die Größe des Volksvermoͤ⸗ 
gend zu erfennen, muß man feine Beftanbtheile, foweit fie für 
das inländifche Beduͤrfniß dienen, nady ihrem concreten volfd- 
wirthichaftlichen Gebrauchswerthe in Anfchlag bringen, den aus⸗ 
zuführenden Theil aber nach den ausländifchen Berfaufspreifen, 
nad) Abzug der Verfendungsfoften. In einem ſchwachbevoͤlkerten 
Lande fönnen Maſſen von Holz, Erz u. dergl. zur Zeit nod) 
ohne concreten volfdwirthfchaftlihen und ohne Verkehrswerth 
fein. Indeß dürfte man in diefem Falle bei Gütern, die ſich nicht 
wiedererzeugen, wie die Minerallötper, auch die künftige Befries 


— 883 — 


digung ber Bebürfniffe und deren wahrſcheinliche Erweiterung 
bei zunehmender Volksmenge nicht unbeachtet laſſen, weßhalb 
in Hinſicht auf fpätere Zeiten auch ein volkswirthſchaftlicher 
Werth eined gegenwärtig noch überflüffigen Vorrathes anzu 
erfenen fein kann. 


(a) Aus dem von Moreau de Jonnds (Le commerce au dix-neuriöme 
siöcle, I, 114 ff. Paris 1825) aufgeftellten Berechnungen folgt, daß 
die jährliche Berzehrung fremder Producte in Nordamerica 9,9 Broc., 
in Sranfreih 6, in Großbritannien 5,8 Proc. der ganzen Gonfumtior 
ift; die Kt beträgt in diefen 3 Staaten 10,8 — 6,% — 9,8 (9) 
Procente des jährlichen Guͤtererzeugniſſes. Es verficht fi, daß man 
—* Angaben nicht als genau, nur als annähernd richtig betrachten 
da 


(6) Abgefehen davon, daß der eine Preis für die Erzeuger ermunternder 
fein mag als der andere. 
$. 66. 


> Die Unzulänglickeit des Verkehrswerths und Preiſed zur 
Beranfchlagung bed Volksvermoͤgens wirb durch nachfolgende 
Saͤtze in noch helleres Licht geſetzt: 

1) Der Preis der Dinge wird hauptſaͤchlich von den Koſten 
ber Hervorbringung und Herbeiſchaffung beſtimmt. Die Ent- 
ftehungeart eines Gutes hat aber mit der Nüglichkeit beffelben 
feinen Zufammenhang, das Foftbarere ift nicht immer das ſchaͤtz⸗ 
barere, daher deutet eine gegebene Summe von Preis oder Ber: 
tehröwerth feine beftimmte Maſſe von Gebrauchswerth an, viels 
mehr kann fie fih auf Gegenſtaͤnde von hoͤchſt verfchledenem 
Werthe beziehen. Wenn ein werthvolles, ja unentbehrliches 
Out in einem Lande ganz preislos ift (8. 64. 3), fo bildet 
ed gerade wegen feiner Hülle einen fehr erwünfchten Beſtand⸗ 
theil des Bolfövermögend. Diele der zur Wohlfahrt eines 
Volkes am meiften beitragenden Güter, 5. B. Mehl, Kochſalz, 
Steinfohlen, Eifenwaaren, können mit geringerem Koftenaufs 
wande hervorgebracht werben und haben deßhalb einen viel 
niedrigeren Preis als andere, leicht entbehrlihe Sachen, bie 
man nur darum zu faufen vermag, weil die wichtigeren Güter 
wenig koſten. Diefer Umftand erleichtert die Befriedigung ber 
- Bebürfniffe, während er das nach Preifen angefchlagene Bers 
mögen geringer erfcheinen läßt. 

2) Es tragen ſich häufig Preisveränderungen zu, aus benen 
man keinesweges auf entfprechende Aenderungen im Volksver⸗ 
mögen fchließen bürfte (a). Beifpiele hiervon find folgende: 

6* 


fi 
— —— 84 u. 


a) Eine gewiffe Gütermaffe kann fpäterhin, wenn man fie 
mit geringeren Koften zu erzeugen lernt, niedriger im Preiſe 
fteben, ohne darum ein Eleinerer Theil des Volksvermoͤgens zu 
werben (b). 

b) Wenn eine Mißernte den Preid des Getreidevorrathes 
fleigert, jo fann bie verminderte Größe beffelben noch dieſelbe 
oder eine höhere Preisfumme ausmachen, ald in früheren 
Jahren. 

c) Die Zunahme ded beweglichen Vermögens erhöht den 
Preis des unbeweglichen auch bei gleichem volfswirthfchaftlichen 
Werthe deſſelben (c). 

d) Auch in dem, zum Maaße der Preiſe gewählten Gute 
fönnen ſowohl von Zeit zu Zeit, ald von Land zu Land, Vers 
ſchiedenheiten Statt finden, durch welche der Preisanfchlag des 
ganzen Volksvermoͤgens ohne Aenderung in deſſen Größe erhöht 
oder erniedrigt wird, $. 174. 


(a) Für das Verhaͤltniß der Bolksclaffen unter einander find allerdings 
Preisveränderungen, felbft ohne vorgegangene Renderungen in der Menge 
und den Koften der Guͤter, fehr erheblih, es finden Gewinnſte und 
Verlufte Statt, die fih aber im Ganzen ausgleichen. 

(5) Bei der britifhen Ausfuhr von Baumwollengarn iſt von 1820 — 1849 
nach dem ſog. declarirten Werthe das Pfund von 29, auf 10,7% Bence 
oder auf 36 Proc., der Yard ungefärbtes Baummwollenzeug von 11,5 
auf 2,85 P. oder auf 24,7 Proc. gelunfen, wozu bie Bortfchritte der 
Kunft viel beigetragen haben. Bei den im Lande gebliebenen Baum: 
wollenwaaren Bat biefe Koftenverminderung ohne Zweifel ebenfalls ſtatt⸗ 
gefunden und bier fam fie den Käufern zu Gute. 

(c) Say, der ungeachtet ber Wichtigkeit feiner aufgeftellten Begriffe von 
Gebrauchswerth, den er Nüplichkeit, und von Preis, den er Valeur 
nennt, doch wie die meiften Schriftfteller jenen Werth zu ſehr aus den 
Augen verliert, wird durch obige Säge auf „eine ber ſchwierigſten 
ragen der Nativnalöfonomie* geführt: Da der Reichthum in dem 
Werthe der Dinge, die man befißt, befteht, wie kann eine Nation um 
fo reicher fein, je niedriger diefe Dinge im Preife ftehen? Handb. II, 
256. Gr fucht fie zu löfen, indem er bemerkt, daß unſer Vermögen 
eigentlich in den Productivfonde, d. h der Induſtrie, den Gapitalen 
und Grundſtücken befteht, und daß dieſe um fo werthvoller find, je 
mehr Producte man mit ihrer Hülfe erzeugen fann. Die ganze Schwies 
rigkeit fällt nach obiger Darſtellung hinweg, denn es iſt einleuchtenp, 
daß ein wohlfeiler gewordenes Gut für die Voltswirthichaft nichts an 
feinem Gebrauchswerthe verloren hat. Say nähert fid dieſer Anficht, 
indem er hinzuſetzt: „es ift ein Bortheil für den Menſchen, wenn er 
feine Genüffe vervielfältigen und die Opfer, mittelft denen er ſich die: 
felben verfchafft, vermindern fann.* — Proudhon (PBhilofophie der 
Staatsoͤt. I, 34) macht der politifhen Defonomie einen Vorwurf aus 
dem Widerſpruche, daß eine Vermehrung der „Werthe* durch Pro: 
duction den Preis der Grzeugniffe erniedrige, was aber nit einmal 

- immer gefchieht. 


— 85 — 


8. 67. 


Obgleich die bloßen Geldpreiſe der Guͤter zu einer volks⸗ 
wirthſchaftlichen Schaͤtzung derſelben nicht zureichen, vielmehr 
auf den Gebrauchswerth und ſeine ſcharfe Unterſcheidung vom 
Preiſe ein vorzuͤgliches Gewicht gelegt werden muß (a), ſo ver⸗ 
dienen doch auch bie Preiſe eine forgfältige Erforſchung, weil 
ſich nach ihnen die Antheile der Einzelnen und der verſchiedenen 
Volksclaſſen an den vorhandenen Guͤtern richten und der ganze 
Verkehr ſich in ihnen bewegt. Daher nimmt die Lehre vom 
Preiſe der Tauſchguͤter und der anderen bezahlten Leiſtungen in 
der Volkswirthſchaftslehre eine wichtige Stelle ein (6). Yür 
ftatiftifchen Gebrauch ift man ebenfalld genöthiget, fich vorzügs 
li) an die Preisangaben zu halten, muß fie aber dadurch bes 
zeichnender für den DBermögenszuftand eined Volkes zu machen 
fuchen, daß man zugleich ausmittelt, 

1) in welchem Preife gegen dad gewählte Maaß (Geld) die 
werthvollſten Arten von Gütern ftehen, woraus dann abzuneh⸗ 
men ift, weldyen Umfang von Nuten und Genuß eine gewiffe 
Preisfumme zu gewähren im Stande if; 

2) in welchen Duantitäten bie nüglichften Güter in dem 
Volksvermoͤgen enthalten find (c). 

Auch darf man nicht Preife eines einzelnen Zeitpunctes, 
fondern nur Durchfchnitte eined Zeitraumes zu runde legen. 


(a) Ricardo a. a. D. ſucht zu zeigen, daß der Reihthum fi nicht nach 
dem von ihm fo genannten Werthe richte, fondern nach der Menge 
nothwendiger, nügliher und angenehmer Dinge; unter Werth (value) 
verfteht er aber die Koſten und den durch dieſelben beflimmten Preis. 
(Senior a. a. D. ©. 131 tadelt mit Recht diefe unnöthige und 
verwirrende Sprachverdrehung, „such (innovations) for instance, as tho 
substitution of the word value for cos“ durch Ricardo.) Say 
(Anmerf. zu diefer Stelle, II, 77 der franz. Ueberf.) behauptet dagegen 
„der Reichthum fei nichts Anderes ale der Marktpreis der Dinge, die 
man befißt“, giebt aber zu, daß dieler veränterlih und relativ fe. — 
Gin Ungenannter im Quarterly Review (Ian. 1831) reg: dem Reich: 
thum (wealth), der aus einer Preismenge beftehe, die Nationalwohl- 
fahrt (happiness) entgegen, die fih nad) der Nüglichkeit (utility_im 
Gegenſatze von value) beftimme und in der behaglichen, durch Befrie⸗ 
digung der wichtigeren Bebürfnifie begründeten Lebensweile der Mehrs 
zahl von Menfchen äußere. Bemerkenswerth if die Aeußerung, daß 
die Erzeugniſſe der Landwirthichaft die der anderen Gewerbe an Nuͤtz⸗ 
lichfeit übertreffen, die ihnen, obfchon gleich im Preife, doch Feineswegs 
an Werth glei feien, though equal in price, by no means equal in 
worth, wo dieß Wort ganz in obigem Sinn, verfchieden von value, 
gebraudt wird. Die Sahgüter überhaupt Werthe zu nennen, if ein 


S 


— 86 —— 


Ballicismus, den der größere Reichthum der deutſchen Sprache uns 
nöthig macht. | 

(5) Darum datf aber do der Taufchwerth nicht ale Seele oder Mittel: 
punet der Bolswirtbichaft angefehen werden. Wie die ganze Büter- 
vertheilung im Verkehre nur das Mittelglied zwiſchen Grzeugung und 
Verbrauch, fo ift der Preis nur die Bedingung und Regel des Ueber: 
gangs der Guͤter und Leiftungen an andere Perfonen, die Hauptſache 
aber ift das an biefelben gelangende Maaß von Genuß der Sachgüter. — 
Entgegengefehter Meinung find 3.3. Arnd, Die naturgemäße V.⸗W. 
©. 16. 477. — Cousin in Compte rendu de l’ac. des sc. mor. et 
pol. X, 441. 1846. 

(e) Bei einem ganzen Volke iſt es nur in geringem Grade möglich, das 
Vermögen bei gleicher Preismenge aus ſolchen Gütern zuſammenzu⸗ 
fegen, die die größte concrete Werthmenge darbieten, vergl. 6. 614; 
es muß 3. DB. Das beftehbende Verhaͤltniß zwiſchen Grundflüden und 
Gapitalen als ziemlich unabänderlich angeiehen werben. 


Dritter Abſchnitt. 
Veränderungen im Volksvermögen. 


8. 68. 


Das Bermögen eined Bolfes läßt viele Veränderungen in 
feinen Beftanbdtheilen wahrnehmen, namentlidy fowohl Abgang 
als Zugang berfelben. Die häufigen und regelmäßig ſich wies 
berbolenden Arten ded Austrittd von einzelnen Sachguͤtern aus 
dem Bolfsvermögen (a) find dad Hingeben an dad Ausland 
und die Zerftörung ihres Gebrauchswerthes (d). Diefe Werths⸗ 
zerfiörung wird Verzehrung, Confumtion genannt. Gie 
befteht nicht etwa in einer Vernichtung ded Stoffes, welche 
undenkbar wäre, fondern nur in einer ſolchen Beränderung, 
3. B. Umgeftaltung, wobei feine bisherige Tauglichkeit verloren 
geht. ES laſſen fich bei der Verzehrung mehrere Berfchieden- 
beiten bemerfen. 

1) Sie erfolgt plöglidy oder allmälig. Im lebten Falle heißt 
fie Abnüsßung (ec). 

2) If fie eine Folge des Gebrauches der Güter für 
menfchlicye Zwecke, fo wirb fie Berbraucd, genannt. Dan fann 
die meiften Güter nicht gebrauchen, ohne baß fie dabei mehr 
oder weniger verbraudyt würben (d), wobei fe aber immer ihrer 
Beftimmung gemäß irgend einen Bortheil gewähren. Dagegen 


werben auch Güter öfterd von den Naturfräften zerftört, ohne 
einen Bortheil für die Menfchen zu bewirken, $. 319. 

3) Dad Bermögen wird entweder ohne Erfag um bie zer- 
ftörte Werthmenge vermindert, oder die Verzehrung ift zugleich 
Urfache der Zerftörung eined neuen Werthed anderer Art, ber 
bald größer, bald Fleiner ift, ald ber zerftörte, und bald an ben 
nämlichen Stoffen haftet, wie jener, bald an anderen (e). 


(a) Alfo abgefehen vom Diebſtahl, Verlieren ıc. 

(5) Wenn ein Bermögenstheil nur feinen Verkehrswerth verlöre, fo bliebe 
noch der Gebrauchswerth übrig. Auch wird nur die Serflörung des 
Gaitungswerthes Conſumtion genannt, nicht ſchon das Erlöfchen des 
conereten Werthes eines Gutes, weil diefer durch geänderte Verhaͤltniſſe 
im Befige leicht wieder auflebt. 

(c) In derfelben laſſen fi bei manchen Gütern gewifle aufeinanderfolgende - 
Abftufungen unterfcheiten, 3. B. 1) erflörung der bloßen Neuheit 
durch anfangenden Gebraud, 3. B. eines Buches oder Kleidungsftüdes, 
hierauf 2) Verringerung des gefälligen Ausfehens, fodann 3) Abnahme 
der Haltbarkeit sc. 

(4) 88 giebt nur wenige Ausnahmen, 3. B. Ebelfteine, — mande bloß 
vum Anſchauen beflimmte Dinge, — ferner Ländereien, da fle bei dem 

nbaue zwar in geringem Grade an ihrer Guͤte verlieren (erfchöpft, 

verunreinigt werden sc.), aber feine weitere Verſchlechterung erleiden, 
wofern nicht außerordentliche Zufälle eintreten, F. 50 (8). — Baus 
und Bildwerke von feften Steinarten find überaus dauerhaft. Das 
Amphitheater zu Pola aus iftrifhem Marmor bat in 2000 Sahren an 
den Kanten der Steine nur zwei Linien Dide verloren. Burger, 
Reiſe durch Oberitalien, I, 7. 

(e) Gine bloße Bervollfommnung eines Gutes, woburd die bisherige Taug- 
lichkeit echöht wird, } B. das Walken, Rauben und Scheeren bes 
Tuhes, das Umfchmelzen, Reinigen und Berarbeiten des Gifens ift 
feine Berzehrung, wohl aber wird Brennfloff, Karbfloff, Dünger, Vieh: 
futter, Betreide zum Branntweinbrennen ıc. confumirt, weil biebei eine 
ganz andere Art von Gütern entfleht. 


8. 69. 


Wie die Verminderung bed Bolfsvermögend, fo fann auch 
bie Vermehrung deſſelben auf doppeltem Wege entftehen; theils 
werben Bermögenstheile im auswärtigen Verfehre erworben, 
theild treten neue Werthmengen zum erftenmal in menfchliche 
Gewalt und werden von Mitgliebern des Volkes in Empfang 
genommen. Eine folche Vergrößerung bes Volksvermoͤgens vers 
mittel eines am Stoffe haftenden Gebrauchswerthes, welcher 
vorher noch gar nicht im Vermögen der Menfchen war, heißt 
Hervorbringung, Gütererzeugung, Production (a). 
Auch fie ift entweder dad Werk der menfchlichen Thätigfeit, 
oder erfolgt ohne Zuthun des Menfchen durch natürliche Kräfte, 


— 88 — 


doch erfordert die Aneignung des neuen Erzeugniſſes immer 
einige menſchliche Arbeit. Die Werthserhoͤhung, inſoferne fie 
aus einer Förperlichen Veränderung hervorgeht, kann, wie bie 
Berzehrung, nur auf Umgeftaltungen, Berbindungen und Tren⸗ 
nung der auf der Erde vorhandenen Stoffe beruhen, beren 
Menge im Ganzen, wenn man die Atmofphäre mit einrechnet, 
unabänderlidy if. 

Für den Einzelnen fann die Erwerbung ber Güter von 
Anderen (b) eben fo ergiebig fein, als die Production, ein Bolt 
aber fichert nur durch legtere die Befriedigung feiner Bebürfnifle, 
und aud) dasjenige, was vom Audlande erlangt werben fol, 
iR am leichteſten vermittelfi des Eintaufches gegen eigene Er- 
zeugnifie zu erhalten (c). 


(s) Gine Erzeugung neuer Güter, bei der mehr ſchon vorhandene verzehrt 
würden, als das Product vergüten fann, wäre nad obiger Begriffes 
beftimmung feine wahre Production, weil fie feine ‚Dermehrung des 
Vermoͤgens bewirkt, wenn fie auch techniſch betrachtet zu der nämlichen 
Gattung von Berrichtungen gehören mag, wie die wirklich probuctiven. 
Hermann (Untef., S. 22) unterfheidet eine technifche und wirths 
fhaftliche Broduction, wie früher Graf Soden (Nationalöfon. 1, 148.) 
eine oͤbonomiſtiſche, unöfonomiftifche und antiöfonomififche Production 
angenommen hatte. Bine Bermehrung von Berfehrewertb ohne Zus 
nahme des Gebrauchswerthes wäre bei den im Lande bleibenden Guͤtern 
fein Zuwachs für das Volk, weil fie nur einen Theil der Einwohner 
auf Koflen der anderen bereicherte. 

(5) Grwerben heißt in weiterem Berflande foviel als in das Cigenthum 
empfangen ; im engeren Sinne, mie ihn die Wirthſchaftslehre gewöhn- 
lid braudt, kommt noch das Merkmal hinzu, daß die Erlangung der 
neuen Bermögenstheile durch irgend ein Opfer von Arbeit, Hingabe 
anderer Güter sc. erfauft werden muß. Go fleht das Erworbene dem 
Grerbten, Geſchenkten sc. entgegen. 

(e) Andere Wege des volfswirtbi@aftlichen Erwerbes vom NAuslande find 
ber Binfenbezug von ausgeliehenen Gapitalen oder Arbeiten für fremde 
—— z. B. Hollandsgaͤnger in Weſtfalen, Spebitionss u. Com⸗ 
miſſionsgeſchaͤfte und Waarentransport für Ausländer u. dgl. 


8. 70. 


Die in einem gegebenen Zeitpuncdte in dem Vermögen einer 
Perfon enthaltenen Güter bilden den Bermögensftamm 
derfelben, welcher theils werbend ift, theild aus Genuß: 
mitteln befteht. Ihm werden die im Laufe eined gewifien 
Zeitabfchnittes eintretenden Zufluͤſſe entgegengefeßt, bei denen 
man mehrere Begriffe zu unterjcheiden hat. 

1) Die fämmtlichen neu in den Befig einer Berfon gelangen 
den Werthmengen nennt man im weiteren Sinne des Wortes 


Einnahmen, obgleich urfprünglich hierunter nur bie von ans 
deren Menſchen empfangenen, nicht die durch eigene Erzeugung 
gewonnenen Güter verftanden wurben; fo werden auch zu ben 
Ausgaben nicht bloß die hingegebenen, fondern zugleich bie 
vom Eigenthümer felbft verzehrten Güter gezählt. 

2) Diejenigen Einnahmen, welche aus einer gewiffen &rs 
werböquelle, 3. B. einem Zweige von Arbeit oder einem wers 
benden Bermögenstheile herrühren, werben in Beziehung auf 
diefe Duelle und ohne Rüdficht auf die Perfonen, denen fie zus 
fallen, unter ber Benennung Ertrag (a), und zwar roher 
oder BruttosErtrag, zufammengefaßt, um dieſe Geſammt⸗ 
heit von Einnahmen von bemjenigen Theile zu unterfcheiben, 
ber nach Abzug gewifier Ausgaben übrig bleibt, $. 71. 

3) Während der Ertrag ald die Wirkung einer äußeren Urs 
fache von Güterzuflüffen gedacht wird, ift dagegen bei dem Bes 
griff von Einkommen (Einkünften) die Beziehung auf 
eine PBerfon, die es empfängt, ganz wefentlih. Daſſelbe bes 
fteht nämlich aus denjenigen Einnahmen, bie einer regelmäßigen 
Wiederholung fähig find und von dem Empfänger für feinen 
eigenen Bortheil verwendet werben fönnen, ohne daß der Ver: 
mögendftamm darunter litte, ober Andere darauf einen Anſpruch 
machen Eönnten. Die Einkünfte find für den Empfänger neue 
Bermögendtheile und werden dem im Anfange eined Zeitraums, 
z. B. eines Jahres, ſchon vorhandenen Stamme entgegengefeßt. 
Der Ertrag einer Erwerböquelle fann mehreren Berfonen Ein⸗ 
fommen geben. 

4) Es giebt Einnahmen, die weber zu dem Einfommen, 
noch auch nur zu dem Ertrage gerechnet werden dürfen und 
welche daher die fortdauernde Befriedigung der Bebürfniffe nicht 
fiher zu ftellen vermögen (5). Dahin gehören: 

a) Einnahmen aus einem einfadhen Wecfel in den Be⸗ 
ftandtheilen des Vermögensſtammes. Sie wieder 
holen ſich nicht und verbefiern den Bermögendzuftand nur ins 
foferne, ald fie zu einem einmaligen Gewinne Anlaß geben, 
3. B. Ankauf eined Grundftüdd mit einem Gapitale, Borgen 
eined Capitales, wobei ein negatived Bermögen (eine Schuld) 
entfteht (c), Abtragen einer Schuld, Eingehen einer ausge— 
liehenen Summe. | 


_— 90 — 


b) Die Guͤtermenge, aus ber ein gewiſſer roher Ertrag bes 
fieht, kann mehrmals in verfchiedener Form dem Eigenthümer 
Einnahmen geben, welche mit gleichartigen Ausgaben in Ders 
bindung ftehen (d). Da biefe aufeinanderfolgenden Einnahmen 
nur einem einzigen Ertrage angehören, fo pflegt man nur bie 
unter ihnen enthaltene Geldeinnahme zu beachten, die ald Wir- 
fung eined Geldaufwandes erfcheint. 

c) Einnahmen, in denen zwar eine Bereicherung liegt, bie 
aber zufällig find, wie Erbfchaften, Geſchenke ıc., und auf bie 


daher nicht öfter oder fortwährend zu rechnen ift. 


(a) 3. 8. eines Landgutes, einer Fabrik, eines perſoͤnlichen Dienftes, eines 
einzelnen Handelsgeſchaͤftes. Es iſt hiebei geſtattet, je nach dem Zwecke 
der Erforſchung ein groͤßeres Ganzes, oder einen Theil eines ſolchen 
abgeſondert in Betracht zu ziehen; z. B. Ertrag eines einzelnen Ackers 
in einem Landgute, einer einzelnen Sandeleunternehmung. 

(8) Es iR für jede Sonderwirtbichaft nothwendig, klar zu erfennen, welcher 
Theil der Einnahmen als Ginfommen gelten fönne und dem Empfänger 
zur Verfuͤgung ſtehe. 

(e) Das geborgte Bapital kann zwar zu einer Quelle von Einkuͤnften ges 
macht werben durch zweckmaͤßige Anwendung, dieß ift aber Feine Folge 
des bloßen Borgens. 

(d) 3.3. ein Fabrikherr nimmt 1) eine Quantität neu verfertigter Waaren 
ein, verkauft fie 2) gegen eine Geldeinnahme, und verfhafft fih 3) mit 
biefer wieder die Güter, die er zu gebrauchen Willens if. 


g. 71. 


5) Der rohe Ertrag muß meiftend mit einer Aufopferımg 
von Sachguͤtern erfauft werben, bie entweder noch vorher als 
Auslagen aufzumenden, oder nachher aus dem Ertrage hinweg⸗ 
zunehmen find. Diefer Aufwand ift ein Mittel, um den Ertrag 
zu Wege zu bringen, es find Koften, die vor Allem aus dem 
Ertrage beftritten werden müflen, damit der Stamm unvermin- 
dert bleibe. Was nad Abzug bdiefer Koften übrig bleibt, ift 
der reine ober Netto-Ertrag, den man beliebig verwenden 
fann, ohne daß die Kortdauer ded Ertrages darımter litte. 

6) Eine ähnliche Betrachtung läßt ſich auch auf das Ein- 
fommen anwenden. Wie der gefammte Ertrag, fo wirb aud) 
das ganze Einfommen einer Berfon mit der Benennung rohes 
oder Bruttos@infommen belegt. Zwar find von bemfelben 
feinem Begriffe nach ($. 70. 3) fchon die Antheile Anderer 
audgefchieden, allein bei dem mit Hülfe von Arbeit erworbenen 
Einfommen ift der Unterhalt bed Empfänger®, und zwar ber 

* Unterhalt in einer für den Erwerb erforderlichen Weife (a) als 


ein Koſtenaufwand anzufehen, nach beffen Abzug erſt das reine, 
zu ganz beliebiger Verwendung verfügbare Einfommen übrig 
bleibt. Das reine Einkommen fällt in der Regel mit bem 
Reinertrage einer einzelnen Erwerbögelegenheit zuſammen, doch 
fann fi ein einzelner Reinertrag unter Mehrere vertheilen (b) 
und eine Perſon in ihrem reinen Einfommen Antbeile vom 
Reinertrage verfchiedener Quellen vereinigen. 

(a) 3. B. an einem beftimmten Orte, nad der Sitte eines gewiffen Stans 


des u. f. w. 
(3) 3. 3. bei einer Actiengefellfchaft. 


6. 71a. 


Trägt man biefe Unterfcheidungen auf die Wirthfchaft eines 
ganzen Volkes über, fo ergiebt ſich Folgendes: 1) Die innere 
Gütererzeugung und ber auswärtige Verkehr liefern jährlich eine 
Maffe neuer Güter oder wenigftend eine neu hinzugefommene 
Werthmenge, bie man das rohe Bolfseinfommen zu nennen 
pflegt. Beſſer ift die Bezeichnung Rohertrag des Volkes, 
weil diefer Zufluß keinesweges ganz dad Weien des Einkoms 
mend an fi) trägt; denn ed müflen davon die Hingabe an das 
Ausland (Ausfuhr) und mancherlei Verzehrungen zum Behufe 
ber Erzeugung beftritten werden, welche nicht zu menfchlichem 
Genuſſe dienen, 3. B. verbrauchte Stoffe. 2) Nur ein Theil 
jened rohen Ertrages gelangt als rohes Volkseinkommen 
an Mitglieder des Volkes und bietet denſelben Mittel für die 
perſoͤnlichen Zwecke ber Bürger dar. 3) Was hievon übrig 
bleibt, nachdem der nöthige Unterhalt der mit der Erzielung 
jenes Rohertrags befchäftigten Arbeiter binweggenommen worden 
ift, bildet dad zu mancherlei Zweden beliebig verwendbare reine 
Volkseinkommen ($. 245), welches zugleich der reine 
Ertrag ber volfswirthfchaftlichen Ermwerbögefchäfte if. 


8. 72. 


Der am Ende eined angenommenen Zeitraumes von dem 
Einfommen noch übrige (nicht verzehrte oder ausgegebene) Theil 
ft der Wirthfchaftsüberfhuß (Wirthſchaftsbilanz). 
Um feinen Betrag ift dad Bermögen beim Anfang des folgen: 
den Zeitabfchnittes (Jahres) größer, ald es beim Beginn bes 
abgelaufenen war. Der Ueberſchuß der ganzen Volkswirthſchaft 


febt fi) aus den Wirthfchaftsüberfchüffen aller Einzelnen zus 
fammen. Obgleich diefe Größe für die Beurtheilung ber Ver⸗ 
mögendangelegenheiten eined Volkes fehr wichtig ift, fo darf fie 
doch nicht ald das einzige Kennzeichen des günftigen Zuftandes 
ber Bolköwirthichaft angeiehen werden. Denn da bad Bers 
mögen dann feine Beftimmung erreicht, wenn ed Vortheile für 
das menfchliche Leben giebt, fo ift neben der Vermehrung bes 
Bermögendftammesd auch der geichehene Gebrauch und Berbraudy 
von Gütern für menfchliche Zwecke und der Umfang bed hier 
durch bewirkten Gütergenufles in Betracht zu ziehen. 


Bierter Abſchnitt. 


Buflände der Volkswirthfchaft. 
8. 73. 


Wie die Bebürfniffe fachlicher Güter ſich ſtets erneuern, fo 
muß audy jede Wirthfchaft auf Fortdauer in einem wenigftend 
leihen Zuftande gerichtet werben, d. 5. fie muß nachhaltig 
fein (a). Dieſem Grundfage widerftreitet e8, bloß von bem 
Bermögensftamme zu zehren, wodurch endlich deſſen gänzliche 
Zerftörung herbeigeführt werden müßte. Die Größe des Capi⸗ 
tal8 darf auf Feine Weife vermindert werden, benn fonft würde 
auch das zum Theil von ihm bedingte Einfommen abnehmen, 
und von dem Gebrauchsvorrathe darf nicht mehr weggenommen 
werden, ald man alljährlich wieder ergänzen kann, wenn nicht 
eine fortfchreitende Schmälerung des Guͤtergenuſſes erfolgen fol. 


(a) Schon der Einzelne forgt über die Dauer feines Lebens hinaus für den 
Bermögenszuftand der Seinigen ; ein Bolf muß vollends als unſterblich 
angenommen werden. ° 


$. 74, 

Hieraus folgt, daß die günftige oder ungünftige Beichaffenheit 
jeder Wirthfchaft, d. i. der Grad, in welchem fie die Befriedigung 
ber Bebürfniffe fihert und noch weiteren Gütergenuß geftattet, 
zunähft aus dem in ihr flattfindenden Einfommen in Bergleidy 
mit dem Umfange der Bebürfniffe zu beurtheilen ift (a). Selbft 
ein großer Vorrath nicht werbender Güter würde ohne ben 


Beiftand reichlicher Einkünfte den Eigenthuͤmer nicht dauernd 
und volftändig mit Allem, was er begehrt, verforgen, wenn es 
nicht möglidy wäre, jene Güter in werbende umzufegen (5). 
Die wirthfchaftliche Klugheit räth baher, den Gebrauchövorrath 
nicht über ein gewiſſes Verhältniß zu den Einfünften hinaus 
zu vergrößern. 


(a) Gbenfo L. Say, Etudes, &. 10. — Nur it dabei ein wichtiger Unters 
fchied zu bemerken. Der Einzelne kann fih durch Arbeit oder durch 
einen werbenden Bermögensfland Binnahmen verichaffen, oder aud 
durch die Verbindung beider Mittel. Offenbar ift bei gleicher Größe 
des gefammten Ginfommens ber Arbeiter in einer minder vortheilhaften 
Lage als derjenige, deſſen Ginfommen auf Vermögenshefig beruht, alfo 
An gefichert iR. Dieb findet aber feine Anwendung auf ein gans 

zes Dolt. 

(6) Rah Kaufmann (Unter. I, 160) fol es beim Begriffe des Reich: 
thums ac. nicht auf das Einkommen, fondern nur auf die Bröße des 
Vermögens ankommen. Diefe Beſtimmung if von der hier aufgeftellten 
aus dem obigen Grunde nicht wefentlich verichieden. Wollte der Reiche, 
flatt fein Vermögen werbend anzulegen, lieber vom Stamme zehren, ſo 
brauchte er, um lebenslänglich auszureichen, einen noch größern Borrath 
als bei jener Anwendung. 


8. 75. 


Bei den Einzelnen fann man unterfcheiben: 

1) allgemein menfchliche Beduͤrfniſſe, die auf die Erhaltung 
des Lebens und der Geſundheit abzielen, 

2) folche, die den Mitgliedern eines befonderen Volkes ges 
meinfchaftlid find (a), 

3) folchye, die dem Stande entfprechen, ben Iemanb in ber 
Gefelfchaft einnimmt, 

4) individuelle, die aus eigenthümlichen perfönlichen Umflän- 
den, Erziehung, Gewohnheit, Denkungsart, Körperbeichaffen- 
heit ıc., ferner Zahl, Alter und Förperlihem Zuftand ber Fa⸗ 
milienglieder, entfpringen und daher bei den einzelnen Menfchen 
höchſt verfchieden find. Da diefe Bebürfniffe mit Ausnahme des 
Bamilienverhältniffes ebenfo wie der individuelle Werth ($. 62) 
nicht Außerlich erfennbar find und als zufällig gelten müflen, 
. jo pflegt man fie nicht in Betracht zu ziehen, wenn bie Bers 
mögendumftände eines Menjchen in allgemeiner Beziehung, volks⸗ 
wirthichaftlich oder von der Regieruug beurtheilt werben, 3. 8. 
bei der Bemeffung der Befolbungen. 


(a) 3. B. größere Bebürfniffe in Fälteren Ländern oder bei gebildeteren 
Volkern. Es macht einen großen Unterfchied, ob man die einfache 


— 34 — 


Lehensweiſe eines wenig entwickelten Volkes nach den geringen Bedüͤrf⸗ 
niſſen deſſelben, oder nach dem Maaßſtabe eines gebildeteren, an vieler⸗ 
lei Genuͤffe gewoͤhnten Bolkes beurtheilt. 


8. 76. 


Derjenige hat fein Ausfommen, welcher durch feine fort⸗ 
dauernden Einkünfte in den Stand gejegt wird, feine und feiner 
Familie weientliche Beduͤrfniſſe zu befriedigen. Das Auslommen 
bezeichnet alfo das Gleichgewicht zwifchen den Bebürfniffen und 
dem Cinfommen. Ueberſteigt dieſes den Bedarf, fo entſtehen 
folgende Zuftänbe: 

1) Wohlſtand (aisance, wealth), wenn man fich noch über 
bie volfsthümlichen, flandesmäßigen und Familien⸗Beduͤrfniſſe 
hinaus Gütergenuß verfchaffen,, oder flatt befien etwas über 
fparen kann; 

2) Reihthum (a), wenn das Einfommen nicht bloß be⸗ 
trächtlich über den Bedarf hinausgeht, fondern auch unabhängig 
vom Leben und der Thätigfeit des einzelnen Empfängers aus 
einem werbenden DBermögen herruͤhrt (b); 

3) Ueberfluß, bei einem fo großen Einfommen, daß man 
baffelbe nicht ganz für Rutzen und wahres Vergnügen zu vers 
wenden weiß und feine Aufforderung zur Sparfamfeit findet. 
Der Meberfluß, der befonderd zur reichlichen Unterftügung andes 
rer Menjchen benugt werden fönnte, wirb nur zu oft gemiß- 
braucht zu Ausgaben ohne vernünftige Zwede, d. h. zur Ber; 
ſchwendung (c). 

(a) Diefer Ausprud wird allein unter den in beiden $$. aufgeführten auch 


in objectivem Sinne gebraucht, um ein großes, den bezeichneten Zufland 
begründendes Bermögen anzudeuten. Vgl. 6. 6 (a). 


(5) Staatödiener und Künftler 8 auch bei einem verhältnißmäßig a 
großen Binfommen durch daftelbe allein noch nicht reich. Vgl. $. 74 (o). 

(e) Bei den gebildeten Bölkern find darırm feltener die Zeichen des Ueber: 
fluffes Ginzelner zu fehen, weil diejenigen, welche für ihren Stand bes 
traͤchtlich reich find, die Lebensweife und die Bebürfniffe eines höheren 
Standes anzunehmen pflegen und weil die Kunft, die Genüffe zur vers 
— hoch genug ſteigt, um auch ein ſehr großes Ginkommen er⸗ 
höpfen zu koͤnnen. 


$. 77. 


Andere Zuftände ungünftiger Art treten ein, wenn das Ein» 
fommen binter dein Umfange ber Bebürfniffe zurücbleibt. 


— 95 — 


1) Dürftigkeit findet Statt, ſobald nicht mehr alle, fon 
bern nur noch die dringendften Bebürfnifie ihre Befriedigung 
finden können. Einige Entbehrung ift von ber Dürftigfeit um« 
zertrennlich, und da unter den oben ($. 75) aufgeführten Bes 
bürfniffen die ftandeömäßigen noch am leichteſten unbefrichigt 
bleiben können, fo beziehen fich die Entbehrungen des Dürftigen 
bauptfächlidh auf diefe (a). 

2) Armuth if die Unfähigkeit, aus eigenen Mitteln auch 
nur den nothwendigen Lebensunterhalt zu. beftreiten. Diefer 
Zuftand ift mit der Abhängigkeit von fremder Unterflügung ver- 
bunden, weil fonft die Gefundheit und felbft das Xeben gefähr- 
det fein würden. 

3) Fehlt ed dem Armen an biefer Hülfe von anderen Mens 
fhen, fo treten Mangel und Elend ein. 


(a) So lange nod ein Bermögensflamm vorhanden ifl, fann der Dürftigkeit 
durch Bufeßen deſſelben vorgebeugt werden. — Rad den Grllärungen 
von De G6örando (De Is bienfaisance publigue. I, 5) if pauvretö daß, 
was hier Dürftigfeit genannt wird, Armuth iſt indigence. — Pinheiro- 
Ferrera (Precis, € 180) nimmt folgende Afufung € an: a ödioerith 
(Auslommen), — göne, — pauvrete, — demuement, 


6. 78. 


Wenbet man die vorftehenden Begriffe auf ein ganzes Volt 
an, fo muß zuvörberfi bad rohe und reine Einkommen eines 
gegebenen Volkes im Berhältnig der Menfchenmenge betrachtet 
werben, unter welche es ſich vertheilt. Aber wenn man aud) 
beide Größen durch die Volkszahl getheilt und fo den durch⸗ 
fgnittlichen Antheil eined Kopfes ausgemittelt Bat, fo ift es 
doch Außerft fchwierig, aus viefer Angabe fo, wie es bei Eins 
zelnen gefhieht (8. 75 — 77), auf den Vermoͤgenszuſtand bes 
Vollkes zu fchließen, ſelbſt abgefehen von dem Umſtande, daß 
foldye Zahlenfäge nur in Anfehung des Verkehrswerthes, nicht 
über den Gebrauchdwerth zu erhalten find. Gin Bolf kann 
richt in dem Sinne reich oder arm fein, daß ed aus lauter 
reichen oder armen Mitgliedern beftünde, es zeigt vielmehr bei 
feinen verjchiedenen Mitgliedern alle jene Vermögendzuflände 
zugleich, auch richtet fi) dad uͤbliche Maag der Bebürfniffe in 
einem Bolfe zum Theil nah dem Einfommen, fo baß mit 
biefem zugleich die herrfchende Lebensweiſe ſich verändert und 
der auf einen Kopf kommende mittlere Bedarf größer ober 


geringer wird. Nur vorübergehend, bis alle Folgen ber Ber- 
Anderung eingetreten find, und fo lange noch die Gewohnheiten 
aus befieren Zeiten fortbauern, könnte eine beträchtliche und 
plögliche Abnahme des Einfommend Merkmale einer herrichen- 
den Dürftigfeit und Empfindungen von Bebrängniß hervor- 
bringen. Dagegen fann allerdings das Gefammteinfommen 
größer fein, ald die Summe der Bebürfniffe, nur ift es ſchwer, 
biefe mit Rüdficht auf die Gewohnheiten der verfchiebenen Volko⸗ 
clafien zu berechnen. 


$. 79. 


Leichter läßt fich eine Vorſtellung von dem Vermoͤgenszu⸗ 
ftande eined Volkes bilden, wenn man baflelbe mit anderen 
vergleicht. Hierbei ann man ſich alle miteinander verglichenen 
Völker als auf gleicher Bildungsftufe flehend, oder in ähnlichem 
Entwidelungsgange begriffen denken, ihre Bebürfnifie als gleich 
groß ganz außer Acht laſſen und ſich Lediglich an den Durch⸗ 
fchnittöbetrag ded Einkommens ($. 71a) halten. Ein Bolf if 
demnach reicher als ein anderes, wenn auf jeden Kopf jährlich 
eine größere Gütermafje fommt. Nach diefer Beflimmung giebt 
ed reichere und aͤrmere Voͤlker, während fonft feines, für ſich 
allein betrachtet, reich oder arm genannt werden kann. 


8. 80. 


Ob ein Volk gegen andere gehalten reicher oder aͤrmer iſt, 
dieß macht ſich in verſchiedenen Kennzeichen bemerklich. Dahin 
gehoͤren unter anderen: 

1) die Lebensweiſe der arbeitenden Claſſe, naͤmlich die Menge 
des Guͤtergenuſſes, welchen dieſelbe vermoͤge ihres Lohnes ſich 
verſchaffen kann (a); 

2) große, koſtbare Unternehmungen der Staatsbürger, be⸗ 
ſonders wenn viele Einzelne an ihnen beträchtlichen Antheil 
haben (b); 

3) großer Aufwand ber Regierung für bie öffentlichen Zwecke, 
wenn berfelbe ohne Zeichen von Drud und Berarmung ber 
* Bürger aufgebracht wird; 

4) beträchtliche Darleihen der Bürger ins Ausland (c). 


— 97 — 


Noch leichter und ſicherer kann man in einem und demſelben 
Lande auf die Zu⸗ oder Abnahme des Volkseinkommens aus 
verſchiedenen Erſcheinungen ſchließen; z. B. aus den Veraͤnde⸗ 
rungen in der Anzahl der Armen, in der Sterblichkeit, im Um⸗ 
fange der Guͤtererzeugung, der Aus⸗ und Einfuhr, der Feuer⸗ 
verficherungen, im Ertrage der Aufwandsſteuern u. dergl. (d). 


(a) Zunehmender Verbrauch der nicht unentbehrlichen Lebensmittel, 3. B. 
Fleifh, Colonialwaaren, im Vergleid mit der Volfsvermehrung ; aud) 
diefe felbft ift in der Regel ein günfliges Zeihen. — Pan hat den 
Grad der Sterblichkeit als ein ſolches Kennzeichen zu benußen vorges 
ſchlagen, in der Borausjegung, daß geringe Mortalität einen günftigen. 
Dermögenszufand der unteren Bolfsclafien beweife. Franc. d’Iver- 
nois, in Biblioth. univ. März 1831, Sept. 1835. Doch müßten 
hierbei das Klima, die Beichäftigungen (Landwirthichaft oder Yabrifen), 
die Beichaffenheit der Wohnungen, die Zahl von Geburten, der hert⸗ 
chende Krankheitscharacter u. dergl. berüdfichtigt werden, ſ. $. 201. 
Vgl. Quetelet in Rev. enc. Aug. 1830. 

(6) 3. B. viele Actiengefellihaften für Handelszweige, Canalbau, Urbar: 
madhung u. dgl., die bisweilen in Bngland —* haͤufig und zum Theil 
unüberlegt gefiftet worden find. Nur im Laufe des Jahres 1824 und 
in den erften Wonaten 1825 entflanden dafelbft 276 Gefellichaften mit 
einem Gapitale von 174 Mill. Pfd. St., darunter 81 für Ganäle, 
Werften und Gifenbahnen mit 40 Mill. Pf. — Als die britiſche Res 
gierung im Mai 1829 3 Mill. Pf. St. borgen wollte, wurden 165 Dill. 
ın einem Tage angeboten. — In Paris entſtanden 1835—37 610 Actien: 
gefellichaften mit 562 Mil. Br. Capital. In Belgien bildeten fi 
von 1833 —1838 40 anonyme Gefellichaften mit wenigfiens 300 Mill. Fr. 

apital. 

(ce) Storch hat diefes Kennzeichen ausichließend berüdfichtigt und die Voͤl⸗ 
fer in borgende (arme), leihende (reihe) und unabhängige, 
die zwifchen beiden in der Mitte fliehen, eingetheilt. I, 145. 

(d) Zur Erläuterung dienen die von G. Borter ($. 25 (d)) gefchilderten 
Fortſchritte des britifchen Reiche ; die Gijenerzgeugung flieg 1802—1848 
von 170000 auf 2 Mill. Tonnen, die Sifenausfuhr von 37000 auf 
701000 T., die Tonnenzahl der eingelaufenen Schiffe von 1801—49 
von 1702000 auf 6920000, die Summe der Yeuerverficherungen von 
232 auf 756 Mill. 2. St. ıc. 


8. 81. 


In welchem Grade das Einkommen ded Volkes zu dem 
wirthichaftlichen Wohle deſſelben beiträgt, dieß hängt nicht allein 
von feiner Größe ab, fondern aud) 

1) von der Art feiner Vertheilung. Das Vermögen erreicht 
feine Beftimmung beffer, wenn es Bielen einen mäßigen Genuß 
gewährt, ald wenn es ſich bei Wenigen in beträchtlichen Maſſen 
anhäuft. Ein Volk Eönnte ein größeres Einkommen haben als 


ein anderes, aber body in einem ungünfligeren Zuftande fein, 
Rau, polit. Delon. L 7. Ausg. 7 


. — ↄs — 


wenn eine kleine Zahl von Menſchen in hohem, an Ueberfluß 
graͤnzendem Reichthume lebte, waͤhrend die Mehrzahl nicht ein⸗ 
mal ihr voͤlliges Ausfommen hätte (a); 

2) von der Quelle, aus der ed fließt. Nur wenn es durch 
die eigene Arbeit des Volkes gewonnen wird, wirft es von jeber 
Seite vortheilhaft und nur dann ruht ed auf einer ficheren 
Grundlage, $. 14. 27 (b). 

Wird der Zuftand, in welchem ein Volk ein reichliches, 
wohlvertheilted und aus der eigenen Arbeit der Bürger herwors 
gehendes Einfommen bezieht, Wohlftand genannt, fo bezeich- 
net diefer die blühenpfte, den Zwecken des Staated ($. 20) 
am meiften entfprechende Beichaffenheit der Volkswirthſchaft (c). 
Bei gleihem Maaße des Reichthums ($. 79) hat bemnad) 
basjenige Volk mehr Wohlftand, welches weniger Arme und 
Dürftige zählt. 

(s) Unvortheilhafte Vertheilung in Öropbritanien. Nach den Statistical 


Dlustrations, 3. Ausg. ©. 36, hätte I Mill. Familien nur ein 1 Sahree: 
A von 22 2, St., eine Amweite Mill. nur 33—50 2. 
() D ex größte Theil des Volkseinkommens fließt in jedem Yall aus diefer 
- Quelle, ein Heinerer könnte aber aus Gntrichtungen unterworfener 
Staaten oder aus dem Grtrage auswärtiger Beſitzungen beftehen. 
(e), Bol. Rau, Zufag 39 zu Stord. — te, Ueber Weſen und 
—* der Wirthichaftswiffenfchaften, S. 80. 


Zweites Buch. 
Entftehung der Vermögenstheile. 


Erfter Abfchnitt. 
Bedingungen der Gütererzengung im Allgemeinen. 
$. 82. 

Zum Dafein eines fachlichen Gutes von einem gewiflen Werthe 
ift eine auß ere (objective) und eine in dem Denten der Men- 
fchen liegende innere (fubjective) Bedingung erforderlich; es 
muß nämlich nicht allein ein Förperlicher Gegenftand in. einer 
gewiſſen Befchaffenheit, von weldyer feine Anwendbarkeit für 
menfchliche Zwecke abhängt, vorhanden fein, fondern auch biefe 
Nüglichfeit durch das Urtheil des Verftanded anerfannt werben. 
$. 57. Erf dieſes Urtheil erhebt die Dinge zu Gütern, wenn 
fie auch fchon lange vorher in ihrer beſtimmten Befchaffenheit 
da waren (a). In dad Vermögen treten die Sachgüter erfl, 
wenn Jemand fich biefelben aneignet. 


(a) Stord, I, 72. — Lotz, Handb. I, 155. — Bisweilen wird eine 
Sache erft bei der Entflehung eines nenen Zweckes als ein But erfannt; 
je mehr Bebürfniffe der Menfh hat, deſto mehr Güter Iernt er ale 
Mittel fennen. Blutegel, — Tabak, — Leuchtgas, — lithographiicher 
Stein, — Lichtbilder, — Chloroform ıc. 


$. 83. 
Der Menſch kann daher auf doppelte Weife zur Entftehung 
von Vermoͤgenstheilen beitragen: 
1) indem er darauf hinwirkt, daß mehr foldye Eörperliche 
Dinge, denen dad Urtheil der Menfchen fchon einen beftimmten 
7% 


Werth beilegt (a), in dad Vermögen gelangen, — Production, 
$. 69. Durdy diefe werden bald Sachgüter, welche ſchon auf der 
Erde vorhanden waren, in menfchliche Gewalt gebracht, 3. B. 
im Bifchfang, bald wird die Entftehung eines neuen oder höheren 
Werthes in den Stoffen bewirkt, 3. B. im Landbau; 

2) indem er die Eigenfchaften ver förperlichen Dinge ers 
forfcht, fie mit menfchlichen Zweden in Verbindung fest und 
dadurch neue Arten oder höhere Grade der Nüglichkeit in ihnen 
entdeckt, weßhalb ihnen ein höherer Werth zugefchrieben wir. 
Diefe die menjchlichen Kenntniſſe vervollfommnende Thätigfeit (5) 
fommt in ihrer Wirkung mit der ‘Production überein ($. 69), 
und ed ift fchon hieraus erfichtlich, wie fehr die Fortfchritte der 
geiftigen Bildung, namentlich der Naturwifienfchaften, ven wirths 
ſchaftlichen Zweden förderlich fein müflen (c). 

(a) Diefe Borausfegung darf nie außer Acht gelaflen werden. Nicht darum 
entfleht ein neues Gut, weil überhaupt eine mit Koften verfnäpfte 

Sinwirkung auf die koͤrperliche Beichaffenheit eines Stoffes vorging, 


jondern nur dann, wenn bie Ginwirfung fo eingerichtet wurde, daß 
eine Sache von einer fhon anerkannten Tauglichkeit zu Stande kam. 


() Zahariä’s ideeller objectiver Erwerb, St. W. 8. ©. 3. — Nüp- 
lihfeitsproduction nah Riedel, I, $. 79. 


(c) 3. B. neuentdedte Nüplichkeit des Kautſchuk, der Gutta percha, des 
Anthracits, des bituminoͤſen Kalks zur Gasbeleuchtung, des Leberthrans, 
des Asphalts, des Jods und der jodhaltigen Salzquellen ꝛc. 


g. 84. 


Der erſte von dieſen beiden Wegen, dem Vermoͤgen neue 
Theile zuzufuͤhren, iſt der ergiebigere, der regelmaͤßigere und der⸗ 
jenige, welcher die meiſten Kraͤfte beſchaͤftigt. Der zweite für 
fich allein hat weder eine ſo große Wirkung, als jener, noch iſt 
fein meiſtens zufälliger Erfolg im Voraus zu beſtimmen, auch 
fruchtet er, ohne den erſten, ſchon darum weniger, weil in dem⸗ 
ſelben Maaße, wie die vorhandenen Dinge hoͤher geſchaͤtzt wer⸗ 
den, auch die hiedurch veranlaßte Conſumtion derſelben wieder 
eine groͤßere Verminderung des Vermoͤgens nach ſich zieht; zudem 
nimmt, je weiter Naturkenntniß und Gewerbskunſt ausgebildet 
find, die Gelegenheit zu neuen Entdeckungen und Anwendungen 
jener Art immer mehr ab. Daher muß auf die förperlidye 
Hervorbringung der Güter ($. 83, 1) in der Bolföwirths 
ſchaftslehre die meifte Aufmerkfamfeit gewendet werben. 


— 101 — 


$. 85. 


Zu den nädhften Bedingungen ber körperlichen Güter- 
erzeugung (den fogenannten Güterquellen, sources de la 
production, (a)) gehören 

1) Kräfte, d. 5. Urfachen von Veränderungen in der Körs 
perwelt, und zwar fowohl Naturfräfte, ald menſchliche 
Kraft (8), deren Anwendung für den genannten Zwed bie 
hervorbringende, probuctive Arbeit bildet; diefe wirkt 
jedoch meiftens in Verbindung mit den natürlichen Kräften; 

2) [hon vorhandene Bermögenstheile, weldye zur 
Hervorbringung neuer Güter als Hülfsmittel gebraucht werden, 
ob fie gleich für ſich allein, ohne die Thaͤtigkeit jener Kräfte, 
wirkungslos fein würden und daher wie bloße Werkzeuge oder 
Stoffe betrachtet werben müſſen. Dahin find zu rechnen bie‘ 
Grundftüde und die Capitale. 

(a) Say bediente fi fpäterhin bes Ausdrucks fonds productifs und theilte 


diefe fo ein: - 
I. fonds industriels (Arbeit), 
II. instrumens d’industrie, und zwar 
1. non appropries, Meer, Atmofphäre ıc., 
2. appropri6s, 
a) naturels (Grundflüde), 
b) capitaux. 

Die Mitwirfung aller diefer fonds zur Erzeugung neuer Güter nennt 

Say Broductivpienfte, eine ann. ie nur im uneigent- 

lihen Sinne zu nehmen ift und bie wichtige Berfchiedenheit der güters 

jeugenden Kräfte von dem todten Hülfsmitteln nicht deutlich erfennen läßt. 
5) Nicht allein der menſchliche Geiſt iſt Hier zu nennen, der zwar jeden 

Kraftgebrauch zur Arbeit leitet und deflen Schöpferfraft ganz vorzüglich 

in der Production mächtig ift, der aber doch ohne die Thätigfeit der 

Gliedmaßen nicht zureichen würde. Dagegen Lotz, Handb. I, 145. — 

Durch Ad. Smith veranlaßt, aber weiter gehend als diefer (6. 44 (a)), 

bat neuerlih Mac-Gulloch, &rundfäge, ©. 47 ff., wie früher Lode 

und Galiani, die Arbeit des Menfchen als die einzige Productiones 

quelle angelchen. Diefe Meinung ift von fpäteren Forſchern berichtiget 

und die Mitwirkung der Ratur in ihrer ganzen Wichtigfeit anerfannt 

worden, f. 3. B. Stord, I, 80, Lotz, I, 147, v. Jakob, Nation. 

Dekon. 6. 49 der 3. Ausg. Pol. auh Zachariä, S.W.L. ©. 27.— 

Viele Rationalöfongmen zählen nur 3 Güterquellen, indem fie bie 

Naturkräfte mit den Grundftüden in der Betrachtung zufammenfaflen 

und beide in ihrer Berbindung als „Natur“ aufführen.‘ Diefe Kräfte 

äußern ſich gte⸗ auch vielfaͤltig in den Capitalen, und die Grundſtücke 

haben ebenſo gut wie dieſe auf eine eigene Stelle in der Reihe der 

Erforderniſſe zur Production Anſpruch. 


— 11 — 


Zweiter Abidhnitt, 


Uaturkräfte als Güterquellen. 
. §. 86. | 

Die natürlichen Kräfte üben auf die Entftehung ver fach» 
lihen Güter einen fo mächtigen Einfluß, daß ınan, wie das 
Beifpiel der Phyſiokraten zeigt, leicht verleitet werben Eann, 
neben jenen alle übrigen Güterquellen außer Acht zu laffen. 
Ohne bie freiwilligen Gefchenfe der Natur würde dad Menfchen- 
gefchlecht in feinem Kindesalter ſich nicht erhalten haben, und 
auch die fpäter Hinzugetretenen Künfte ftüben fi immer auf den 
Beiftand der Raturfräfte (a). Um die Art, wie biefe wirken, 
näher zu beleuchten, find die nutzbaren Erzeugniffe nach ben 
Bedingungen ihrer Entftehung in mehrere Abtheilungen zu 
bringen, und zwar zunächft die rohen und verarbeiteten, fodann 
bei jenen wieder die organifchen und unorganifchen Stoffe zu 
unterfcheiden. 

I. Organifhe Wefen (Thiere, Pflanzen) bilden fih aus 
duch das Walten der fchon in dem Keime wirkenden Lebens⸗ 
fraft und durch Aneignung (Afftmilirung) der von außen auf 
genommenen nährenden Stoffe. Zur fortwährenden Befriedigung 
menſchlicher Bebürfniffe ift erforderlich, daß ſolche Körper in 
gleihem Maaße mit dem Verbrauche regelmäßig von Neuem 
erzeugt werben, was öfterd ganz ohne menſchliches Zuthun ges 
ſchieht. Zu ihrer Entwidelung find nothwendig 

1) organifche Lebenskräfte. Diefe folgen in jeder Art von 
Pflanzen und Thieren eigenen, unveränberlichen Gefepen, fo 
daß die Fortpflanzung, das Wachsthum, die Abnahme und ber 
Untergang jeder Art von belebten Wefen überall und immer 
gleiche Erfcheinungen darbieten würden, wenn nicht äußere Ein: 
flüffe mancherlei Unterfchiede hervorbrächten;; 

2) Kräfte, welche in den Außeren Umgebungen ber organi 
fhen Körper wirken und in dem einzelnen Erbtheilen, Rändern 
und Gegenden in ungleichem Grave thätig find, weßhalb das 
Gedeihen nugbarer Thiere und Pflanzen an den verfchiebenen 
Puncten der Erbe bald mehr, bald weniger begünftigt if. Doc) 
vermag die Kunft diefe Einflüffe zum Theil zu beherrfchen. 


— 103 — 


(a) Rau, Programm: De vi naturse in rempublicam. Heidelb. 1831. 4°. 
— Gteinlein, Volksw. 2%. I, 239. — Revue encyel. Juli 1831 
nah Cuvier. — v. Prittwig, Andeutungen über die Graͤnzen ber 
Eivilifation, ©. 5. 


8. 87. 

Die reichlihe Erzeugung von nupbaren Pflanzen, 
welche zur Ernährung von Menfchen und Thieren und mandjen 
anderen Zweden dienen, iſt eine Hauptbedingung des Wohl 
ftandes der Bölfer. Die Außeren natürlichen Umftände, von 
benen dieſelbe abhängt, zeigen fich 

a) in bem Boden, der den Gewächfen einen Theil des ers 
forderlichen Nahrungsftoffes mittheilt und das Gedeihen vers 
felben nad) Maaßgabe feiner Beftandtheile an organifchen und 
unorganifhen Stoffen, feiner hohen oder niedrigen, geneigten 
oder ebenen Lage u. dergl. mehr oder weniger befördert (a); 

b) in der Atmofphäre, deren oͤrtlich verfchiedene Beſchaffen⸗ 
heiten und Erfcheinungen das Klima (5) bilden. Diefes greift 
in mandjfaltiger Hinfiht in das Staatdleben, befonders in bie 
Volkswirthſchaft ein. Die wichtigften Beftandtheile des Klimas 
find die Wärme ber Luft und ihre Feuchtigkeit fammt 
ihren wäflerigen Rieberfchlägen (c). 

Die aus diefen Urfachen herrührende Verfchiedenheit in ber 
Fruchtbarkeit der Länder hat auf die ganze Erzeugung und 
Verzehrung von Sachguͤtern bei "einem Volke großen Einfluß. 
Fe mehr nügliche organifche Stoffe dem Boden abgewonnen 
werden, befto mehr Menfchen können auf gleichem Raume auch 
ohne auswärtigen Verkehr ihren Unterhalt finden, defto niedriger 
find die Koften und alſo die Preiſe jener Stoffe, defto leichter 
ift es, dad Ausfommen zu finden, und defto mehr Arbeit könnte 
folglich auf Erhöhung, Verfeinerung und Vervielfältigung des 
Gütergenufied oder auch auf die ‘Pflege und Bermehrung der 
perfönlichen Güter (8. 46) verwendet werben (d). 


(s) Die Iandwirthihaftlide Bodenkunde (Agronomie) enthält hierüber 
die näheren Nachweiſungen. 

(5) Montesquieu, Esprit des lois L. XIV. — Zahariä, 40 Buͤcher 
vom Staate, I, 384. — Ch. V. de Bonstetten, L‘’homme du midi 
et [homme du nord ou influence du climat. Gendve, 1824. —*X 
v. Gleich, 1825. — Ancillon, Zur Bermitilung ber Ertreme, 

1. Abtb. Becquerel, Des olimata, pP. 1853. — Man —e 
das Klima ganzer Länder oder Gegenden und das hievon bisweilen 
ſehr abweichende Ortsklima, wie 3. DB. der norböftliche Abhang nad 


— 14 — 


er Ramont um 0,5% Grad Eälter, der fübweftlihe um 0,5 Brad wärmer 
ift als die ganze Landichaft. 


(c) Die Timatifche Wärme wird hauptfählich von der Lage eines Ortes 
zwiſchen dem Nequator und den Polen (geographiſche Breite) 
und von ter Höhe über dem Meere beftlimmt; doch wirft auch ber 
Schuß durd vorliegende Gebirge, die Erdbebedung mit Wald, Sumpf 
oder Wafler u. dgl. bedeutend ein. Die mittlere Sahreswärme nimmt 
im mittleren Curopa mit ungefähr 6— 700 Fuß Erhöhung über dem 
Meere oder 30 Meilen weiterer Entfernung vom Aequator um 1 Grad R. 
ab. Se nörblicher ein Land liegt, deſto mehr ift die Fruchtbarkeit auf 
die niebrigften Theile deſſelben beichränft, wie denn 3. DB. die Graͤnze 
bes ewigen Schnees bei Duito unter dem Nequator gegen 15000, in 
den Alpen 8200—9000, in Island 2800, am NRortcap nur 2200 Fuß 
hoch ift. - Es giebt daher fowohl in verfchiedenen Höhenflufen als in 
verfchiedenen geogr. Breitert mehrere Zonen der Gewaͤchſe und Grade 
der Fruchtbarkeit. In der Schweiz iſt die obere Graͤnze der Mebe 

_ 1700 Fuß, — des häufigen Betreidebaus 2800 Fuß, des Zwetſchgen⸗ 
baums 3300-3500, des Birnbaums 3600, — der Buche und bes Kirſch⸗ 
baums 3600 — 4800, — des Waizens 4000— 4400, — der Kartoffel 
4400—5000, — ber Gerfte 4600—5600, — der Tanne 5000, — der 
Arve und Lärche 6000—7000 %. Kaftbofer, Beiträge 3. Beurthei: 
lung d. Bortheile der Golonifation eines Theile d. Alpenweiden. Leip⸗ 
ig 1827. — Franſcini, Statiftil d. Schweiz S. 19. — Sendt⸗ 
ner, Die Vegetationsverhältnifie Süpbaierns 1854.— Nach den ſächfiſchen 
Anfchlägen trägt der dortige Acer 2r Glafle bis zu 500 Fuß Höhe 
143 Meben, bei 800 %. 132, bei 1600 F. 112 Mepen. 

Aften ift bei gleicher Breite kälter ald Europa, America noch Eälter: 
der Aderbau reicht in Lappland bis zum 681/, Grad nörbl. Breite, bei 
Tobolsk His zum 60., in Banada nur bie zum 50. Breitengrade. Die 
Linien der gleihen Wärme (Humboldt's ifothermifhe Linien) 
weichen daher von den Parallelkreifen bedeutend ab. — Man leitet die 
größere Wärme von Buropa aus dem vom Aequator gegen Nordoften 
ziehenden Strome von warmem Wafler (Golffttom) und den über die 
afrikaniſche Sandmwüfte flreihenden Sübwinden ab. Gehler, Phyſikal. 
Mörterb. N. Ausg. XI. 1. Art. Temperatur. 

Die geographifche Verbreitung der Gewaͤchſe wird größtentheils von 
ber Temperatur bedingt, aber nicht bloß von ber Jahreswärme, fondern 
auh vom Marimum der Hite und Kälte, von der Wärme ber verfchies 
denen Jahreszeiten und dem Wechſel der Wärme in Furzen Zwiſchen⸗ 
räumen. Im Innern großer Länder if der Unterfchieb der Sommer: 
und Winterwärme größer, als an den Küften. Die Fünftlich gebauten 
Gewählte erſtrecken ſich nur fo weit, als die Landwirthe ihren Anbau 
noch für vorthbeilhaft halten, de Candolle, Art. G6ographie des 
plantes im Dictionn. des sciences natur., XVIIL, 356. A. de Candolle, 
Bibl. univ. Gendve, 1836. April, Mai. Der Bau des Zuckerrohrs er: 
fordert mindeftens 180, des Kaffeebaums wenigftens 140 Jahreswärme. 
Guter Wein wird nur da erzeugt, wo bie mittlere Wärme des Jahres 
8° R. beträgt, die des Winters über 0 fleigt und die des Sommers 
15 — 169 erreicht; 3. B. Neuftadt a. d. Hardt (baier. Rheinpfalz): 
Winter + 1,%, Fruͤhling 8,%, Sommer 15,%, Herbfi 8,5, Durch⸗ 
ſchnitt 8,4. Man bat neuerlich verfuht, den Bedarf der verfchiedenen 
Gewäaͤchſe an täglicher Wärme vom Frühjahr bis zur Ernte zu berech⸗ 
nen, 3. B Waizen in 140 Tagen zu ungefähr 129 RB. gegen 17000 R. 
Man darf aber nur die Tage einrechnen, an benen die Wärme über 
einige Grade (3. B. 2 oder 3) hinaufgeht. Bouffingault, Die 
Sandw. in ihren Bez, 3. Chemie ıc., II, 435 der d. Ueberf. — A. de 


() 


— 105 — 


Candolle, in Bibl. univ., Sc. phys. VII, 1. 1848. — De Gaspa- 
rin, Cours d’agric. II, 328. Die 21000 Q.⸗Meilen aroße baumleere 
Steppenflähe des füdlihen Rußlands ik in dieſem Zuſtande haupt: 
fählidh wegen des flarfen Temperaturwechſels, da die hoͤchſte Hike und 
Kälte im Jahre wohl um 60° R. von einander abftehen, ferner wegen 
der Trockenheit, der Stürme und Wirbelwinde; vgl. Kohl, Reifen in 
Süd-Rußl., II, 61. de Tegoborski, Etudes sur les forces pro- 
ductives de la Russie, I, 33. 1852. 


Man kann in Euroya folgende Regionen unterſcheiden: 


1) von mehr als 100 R. mittl. Wärme, wo es in den tiefſten Ge 
enden felten friert und fchneit, alfo in der Regel nur regnet (Zone 

Dee Regens, durd die Iſotherme des veränderlichen Niederfchlags aus 
der Atmofphäre begrängt, von Roon, Grundzüge der Erdkunde, 
I, 97), wo Drangen:, Citronen⸗ und Delbäume gedeihen und die 
D.:Meile 6000 und mehr Menihen ernähren kann. Hierher gehören 
Bordeaux 10,8 — Breit 11,4 — Marfeille 11,2 — Montpellier 12,15 — 
Rom 12,8 — Athen, Nizza 12, — Liffabon 13 — Palermo 13,4: Gr.; 

2) von 3—9° m. ®., wo überall Wintergetreide gebeiht, an mwär- 
meren Stellen Obſt, Tabak ıc., an ben wärmften auch die Mebe, und 
für 3—4000 Menfchen auf ber Q.:Meile Nahrungsmittel erzielt werden 
(nämlih auf den Kopf der Einwohner gegen 8 preuß. Scheflel oder 
3 bad. Malter Getreide, auf den preuß. Morgen 6 Scheffel über bie 
Ausfaat oder auf den bad. 3 Malter Ertrag gerechnet, dazu nody die 
Hälfte Land für andere Früchte, und an Wieſe und Wald foviel als 
Ader angenommen und diefe Bodenbenußungen auf ®/s der Oberfläche 
angeichlagen). In dieſe Abtheilung fallen 3. B. Drontheim 3,88 — 
Abo 3,8 — Stodholm 4 — Ghriftiania 4,97 — Mitau 4,85 — 
Danzig 4,9% — Königsberg 5,19 — Lemberg 5,9 — Bern 5,9 — 
Breslau 6,3 — Edinburg 6,9 — Mancheſter 6,% — Berlin, Goͤt⸗ 
tingen, Sürih 7,8 — Genf 7,4% — Frankfurt a. M., Prag 7,8 — 
Stuttgart 7,7% — London 7.88 — Karleruhe 8,® — Brüflel, Baris 
8,R — Wien 8,9 Gr.; 

3) den Falten Theil, in welchem nit mehr überall Sommergetreide 
reift und durch Viehzucht und Kifcherei kaum 1—200 Menfchen auf ber 
D.:Meile Unterhalt erwerben. Beilpiele geben Island, Tornea, — 0,1 — 
Kafan, + 1,57 — St. Petersburg 2 — Moslau 2,5 Er. 

Acht Zonen in Rußland: 1) Bisflima, 2) 3. des Mennthiermoofes, . 
3) des Waldes und ber Viehzucht, 4) des Sommergetreibes, 5) bes 
Roggens und Leine, 6) des Waizens und Obſtes, 7) des Weine und 
Mais, 8) des Delbaums, des Zuckerrohrs und der Seidenzucht, v. 
Gancrin in den Dorpater Jahrb. IV, 1. (1834.) = Nourv. Ann. des 
Voyages, 1835. — de Tegoborski, I, 22. — So werden aud in 
den nordamericanifchen Preiftaaten die Gegenden des Zuckerrohrs, — 
des Baummollen- und Reisbaues, — des Waizenbaues, — und der 
vorherrfchenden Viehzucht unterfchieden. 

Für Franfreih hat A. Doung die Gränzen des Weins, Maiss und 
Delbaues angegeben (Meilen durch Frankreich und einen Theil von 
Stalien, II, 21, deutſch Berl. 1794), welche ziemlih genau mit der 
Hauptrihtung der Nordgränze Frankreichs am Canal parallel laufen. — 
Künf Flimatifche Bezirfe von Frankreich, f. Martins in Bibl. univ. 
Nr. 103, S. 138. Nr. 104, ©. 347, de Gasparin, Cours II, 328. 


Se höher die Wärme einer Gegend Reigt, befto mehr Regen bebarf 
diefe zur Fruchtbarkeit wegen ber fchnelleren Berbünftung. Gleiche 
Negenmenge kann in einem Fälteren Lande übermäßig, in einem wär- 
meren nüßlich, in einem heißen unzureichend fein, und viele Landſtriche 


(4) 


—— 106 — 


in heißen Ländern find wegen ber Trodenheit unfrudtbar. Es muß 
indeß biebei auch die Bertheilung des Regens auf bie verfchiedenen 
Sabreszeiten beachtet werden. Bei T—8 Er. m. W. mögen 20—25 Zoll 
Regenhöhe im Jahre das geftige Berhältniß fein, bei 10—12 Brad 
m. ®. ungefäßt 30 . Biele ebene Gegenden in Deutichland, 
Brankreih, Ungarn, Schweben sc. haben nur 14—25 Par. Zoll Regens 
höhe (Würzburg und Upfala 14, Prag und Sagan 15, Brüffel, Paris, 
Marfeille, Stockholm 17, Berlin 19, Orford, Goblenz 20, Manns 
heim 21, Edinburg, Harlem, London, Stuttgart 23, Heidelberg 24, 
Karloruhe, md 25), — manche Gebirge und Seegegenden, wie 
Weſt⸗England, auch Oberitalien 30—45 (Liverpool 32, Mailand, Cher⸗ 
bourg 36, Bern, Bergamo 43, Genua 44), Riv Janeiro 55 3., — 
Dftindien 70 und mehr. Weftindien 80 — 90 3. Biele Angaben in 
Schler, Phyſ. Wört. N. Ausg. VII. 1834. — Verſuch, viele Ber: 
fhiedenheiten im natürlichen u gefelligen Zuftande der Länder aus dem 
in der Luft fchwebenden Waferdampfe und mittelbar aus der Menge 
der fließenden Bewäfler abzuleiten, bei Gob bi, Ueber die Abhängigf. 
d. phyſ. Bopulationsfräfte von den einf. Grundfloffen. Leipz. 1842. 4. — 
Da bie Fruchtbarkeit einzelner Jahrgänge größtentheils von einer güns 
fligen Gombination der Wärme und Yeuchtigfeit bedingt wird, fo läßt 
HF erwarten, doß man zwifchen den SJahrestemperaturen und Regen⸗ 
hoͤhen einerfeits, den Grnteerträgniffen und Fruchtpreiſen andererfeite 
einen Zufammenhang auffinden könne. In Bezug auf die Ernten ift 
bies verfucht worden in Corso di Agricoltura. Firenze, 1803, V. 185. 
Die Breife hängen freilich zum Theile von Eoncurrenzverhältnifien ab 
und koͤnnen ſich daber nicht ganz nach natürlichen Breigniflen richten, 
doch zeigt fih 3. B. in den folgenden Sabren des Decenniums von 
1800 —1809 genau die umgekehrte Fortſchreitung der Durlacher Spelz⸗ 
preife und der Karlsruher Sabreswärme: 


1805 das Malter 13 fl. 24 fr. m. Wärme 7,1 Er. 


1803 ⸗ ⸗ 1l=: 18s s 3 7,57 s 
1804 ⸗ ⸗ 9: 54: =: s 8,8 5 
1800 ⸗ ⸗ gs 3l: 5 ⸗ 8,60 ⸗ 
1807 ⸗ ⸗ 8: 38: 5 ⸗ 8,9 ⸗ 
1801 ⸗ ⸗ Ss Ts: s: ⸗ g9, is ⸗ 


Kaͤltere Länder ſtehen in vielfacher Hinſicht gegen wärmere zuruͤck: 
1) Der Bodenertrag iſt an Menge und Guͤte geringer, 


a) weil manche Pflanzen, bie ein größeres Waͤrmebeduͤrfniß haben, 
ger nicht mehr forttommen oder wenigſtens bie Erzeugniſſe mindere 

üte erreichen, 3. B. die Trauben nicht fo zuderreich werden. 1 preuß. 
Morgen giebt in Carolina 15 Gentner Reis, in Weftindien 5 Etr. 
Kaffee oder 11 Etr. Zuder, Moreau de Jonds, Le commerce du 
19. Siöcle I, 11. — 1 Morgen mit Pifang (Musa paradisiaca) bes 
pflanzt, nahrt in Merico auf dem beften Boden 23 Menſchen und vers 
urfacht wenige Arbeit (v. Humboldt); 


db) weil die Ernten fhwächer ausfallen. 1 preuß. Morgen (0,7 bad. MR.) 
trägt in Deutichland und Frankreich beiläufig 6— 7 Gentner Waizen, 
in dem bewäflerten Lande bei Valencia bis zu 29 Gentnern (Jaubert 
de Paſſa), auf der Hocdebene von Mexico (guiigen 4200 und 
10000 Fuß über dem Meere) im Durdfchnitt 27 Bentner, bei Quere⸗ 
taro und Cholula aber gegen 43 Gentner (38 fache auelanl). Der 
Mais bringt in Deutichland die Ausſaat 80— 100fah, in Braftlien 
120— 130 fältig, in Merico 3 — 800 fach. Defteres Erfrieren des Be: 
treides in Schweden und Norwegen, Berfchneien vor der Reife; 


— 11 — 


0) weil der Boden nicht fo vielfach benußt werden kann. Schon in 
Süd⸗ und Mittels Deutfchland können Stoppelfrüchte nach der Getreide 
ernte gebaut werden, im fuͤdlichen Curopa reifen viele Feldfrüchte ſchon 
im Brübling und machen anderen Plap. 

2) Da die Zeit des Pflanzenwuchſes Fürzer if, fo muß man mehr 
Winterfutter vorräthig haben und Fann nicht fo viel Vieh halten. Nach 
Schübler erfolgt die Sntwidelung der Blüthen bei jedem Grade 
nörblider Breite in Europa um ungefähr drei Tage fpäter, Berg⸗ 
haus, Ann. Febr. 1831, ©. 629. — Auf ben fleiermärkifchen Alpen 
nimmt man nur 19 Wochen Weidezeit jährlich an. 

3) Die Arbeit if} unter übrigens gleichen Umftänden koſtbarer, weil 
Kleidung, Wohnung und Feuerung mehr Aufwand erfordern und viele 
Beichäftigungen durch die Falte Jahreszeit lange unterbrochen werben ; 
fhon in Eſthland dauert die Feldarbeit nur 5 Monate. — Nach der 
ſaächſ. Geſchaͤftsanweiſung zur Abfchägung d. Grundeigenthums (30. März 
1838, $. 31) Foftet 1 Ochſengeſpann in den böchften Gegenden 4,8%, 
in ben niedrigftien 3,9 Metzen Roggen, weil bier nur 159, dort 200 
Arbeitstage täbrlic angenommen werden. 

4) E& muß ein größerer Theil des Bodens ber Holzgewinnung ges 
widmet werben. - 


8. 88. 


Die Wirthfchaftsverhältniffe der Völker find jedoch nicht fo 
ungleih, als es die verſchiedene Fruchtbarkeit der Ränder ver: 
muthen laflen ſollte. Dieß läßt fich fo erflären: | 

1) Auch die günftigfte natürliche Befchaffenheit eines Landes 
giebt nicht fchon von felbft, fondern erft dann, wenn ſich menfch- 
liche Arbeit zu ihr gefellt und fie benust, ein reichliches Volks⸗ 
einfommen. Diele der fchönften Länder der Erde werden nur 
von wenigen und bürftigen Menfchen bewohnt, weil fehlerhafte 
Staatseinrichtungen ober Trägheit und Rohheit des Volkes vie 
zwedmäßige Benugung bed fruchtbaren Bodens verhindern (a). 

2) Fleiß und Geſchicklichkeit Fönnen auch in einem von ber 
Natur wenig begünftigten Lande den Bobdenertrag bedeutend er⸗ 
höhen (5) und den Bewohnern durch die Betreibung von Ges 
werben, deren Erzeugnifie fie in anderen Gegenden abfegen, neue 
Hülfsquellen eröffnen; auch zeigt die Erfahrung, daß mit ben 
Schwierigkeiten, welche die Befriedigung der Bebürfniffe findet, 
die Kraft, Ausdauer, Erfindſamkeit und Genügfamfeit der Mens» 
fhen zunehmen (c). Es giebt Gegenden, in denen die Erwerbs» 
wege der Bewohner mit dem Boden faft feinen Zufammenhang 
haben; nur if eine ſolche Art der Ernährung nothwendig der 
Gefahr von Unterbrechungen ftärfer ausgefegt, als eine auf ben 
Erzeugniffen des eigenen Landes beruhende, 8. 395. 


— 108 — 


(a) Berfall der Länter unter türfifcher Herrſchaft, in Vergleich mit ihrer 
früheren Blütbe. In Berfien verfandet das Land mehr und mehr, und 
die Wüfte dringt weiter vor, weil man die Quellen vernadhläffiget. — 
Beichwerden in neu angebauten Laͤndern wegen der ungebändigten Ge⸗ 
wäfler, der ſchaͤdlichen Thiere und vergl. Sismondi, De la rich. 
comm. I, 20—28. — In den heißen Ländern findet auch die Fabrik⸗ 
arbeit manche Schwierigkeiten, weßhalb dort nicht alle Beihäftigungen 
mit gleidem Erfolge getrieben werden koͤnnen und fo hat die Natur 
feldft den- minder warmen Ländern wieder einigen Bortheil zugewendet. 
Metalle roften leichter, das Holzwerk wirft ſich; der trodne Staub in 
Aegypten bringt die Mäderwerfe ins Stoden und die Fäden reißen beim 
Weben fehr häufig, Mengin, Histoire de l’Egypte sous le gouvern. 
de Mohammed Ali, 1823, und Stord, II, 166. — In dem warmen 
Dep. Aude in Südfranfreih wird ter mittlere Ertrag des Waizens 
(16 Hektol. p. Heft.) und bes Mais (20—24 H.) nicht höher ange- 
geben ale in ter Rheingegend. 

") 3. B. Anwendung fünftlider Wärme in Treibebeeten, Schuß gegen 
die Kälte, Auswahl mittägliher Abhänge sc. Die Hitze eines brennen 
den Steinfohlenflöpes bei Zwidau mwurbe 1837 zu bdiefem Zwecke be- 
nugt und die Zucht erotifher Gewaͤchſe möglih gemacht, |. Geit⸗ 
ner, Belchreib. der Treibgärtnerei auf den Brbbränden bei Planig. 
Leipzig 1839. 

(ce) Belege geben die den Waflersgefahren ausgefehten Länder, wie bie 
Niederlande, und die Hochgebirge, in denen die @ewäfler weit fchwerer 
zu beberrfchen find, die Sandfraßen nur mit großen Anftrengungen 
angelegt und erhalten werden, die Lawinen und Erbfälle dem Leben 
und dem nußbaren Boden Gefahr drohen. Je mehr dagegen das 
Klima für den Menſchen getban bat, deſto näher Liegt die Verſuchung 
zum Leichtſinn, zur Sorglofigfeit. In den Bolarländern ſetzt freilich 
die Kälte und mühlame Friſtung des Lebens der Ausbildung des Men- 
fhen enge Schranfen, dagegen ift auch die den Unterhalt überaus ers 
leihternde Fülle der Natur 3. B. auf den Eandwichinfeln, 

Where all partake the earth without dispute, 
And bread itself is gather’d as a fruit, 
Byro 
der Entwidlung vieler menfhlihen Anlagen nicht vortheilhaft. 


$. 89. 


I. Die nugbaren unorganifchen Stoffe (vgl. $. 86), wie 
die Erze, gediegenen Metalle, Salze, Steinfohlen, Baufteine 
u. dgl. werden faft alle fehon gebildet in der Erdrinde anges 
troffen, daher ift bier der fortbauernde Einfluß der Naturfräfte 
viel fchwächer, als bei Pflanzen und Thieren (a), dagegen wird 
aber zur Gewinnung folcher Körper aus der Erde häufig von 
dem Beiftande natürlicher Kräfte Gebrauch gemacht. 

II. Die meiften Raturgebilde, fie feien organiſch oder uns 
organifch, bebürfen einer weiteren Veränderung durch die Kunft, 
um für menſchliche Zwede völlig brauchbar zu werben, und bie 
bei leiften wieder Naturfräfte Außerft wichtige Dienſte. Die 


— 109 — 


Thätigfeit des Menfchen ift oft nur darauf gerichtet, Stoffe in 
folcye Berührung mit einander zu bringen, daß bie natürlichen 
Kräfte eine beabfichtigte Wirfung in ihnen verurfachen Fönnen. 
Bei einigen diefer Kräfte kann die menfchliche Kunft mit aller 
Freiheit fchalten, während andere, 3. B. die der Bäche und 
Flüffe, an beftimmte Dertlichfeiten gebunden find, $. 120. 


(a) Gr zeigt fi) 3. B. in der natürlichen Entſtehung des Salpeters, Sals 
mials, Schwefels, im Kryftallifiten des Kochſalzes aus Salzſeen ıc. 


g. 90. 


Bei diefer Umgeftaltung oder Werarbeitung ($. 89. IIL) 
werben zwei Claſſen natürlicher Kräfte zu Hülfe genommen: 

1) hemifche, zufolge welcher die Stoffe fich verbinden, 
verändern und von einander trennen; als Beifpiele dienen die 
auflöfende Kraft des Waflerd (a), dad Austrodnen durch den 
Wind, die Fähigkeit der Wärme, Stoffe zu verflüchtigen (d), zu 
fchmelzen (ec), zu härten (d), oder andere nügliche Wirkungen 
hervorzubringen (e), die bleichende Wirkung des Sonnenlichts (f) 
und des Chlor (g), die Zerfegung von Stoffen unter Mitwir⸗ 
fung der Atmofphäre (A), mancherlei chemifche Anziehungen und 
Scheidungen (i) u. dgl. 

2) mechaniſche, weldye eine Bewegung der Körper hervor 
bringen und dadurch zu einer Umgeftaltung oder zu einer Vers 
fegung der Stoffe an eine andere Stelle behülflih find (k). 
Kräfte diefer Art liegen in der Musfelftärfe der Thiere, in dem 
Winde, dem eingefchlofienen Wafjerdampfe (l), dem Stoße und 
Drud des Waſſers (m), dem Luftdrude (n), der Schwere (0), 
der Elafticität (p), der Dehnkraft der bei einer Berbrennung 
entfichenden Gaſe (g), der Electricität (r) u. dgl. Solche Kräfte 
werden nach und nad an die Stelle der menfchlichen gefept, 
die fie öfters an Stärke weit übertreffen (8). 


(a) Serben, — Färben, Druden, — Tuͤnchen, Malen, — Bierbrauen, — 
Bereitung vieler Speijen und Heilmittel, — Gewinnung verfchiedener 
Salze, 3. B. des Kochfalzee durch Sinkwerke und Bohrlöcer. 

(4) Trodnen der Zeuche, des Zuders, Kochſalzes, Getreides sc. durch Ofen⸗ 
wärme, — Salzfſieden, — Defillation, — Austreiben des Duedfilbers 
nah dem Amalgamiren, — Kalfbiennen, — Leuchtgas. 

(e) Schmelzen und Gießen der Metalle, — Glas, Glaſur des Töpferge: 
fhirre, — Berzinnen, — Talg: und Wachslichter. 

(d) Brennen der Ziegel und Irdenwaaren. 


— 112 — 


Technol. Encykl. III, 669. — Severin, in Abhandl. d. k. techn. 
Deput. f. Gew., I, 123. 326. Neuerlih hat man e8 in Gornwallie 
durch forgfältigese Zufammenhalten der Wärme bes Keflele im 3. 1827 
auf 67 Mill. 1832 auf 91, 1835 fogar auf 125 Mill. Pf. gebracht. 
Athenaeum, Nov. 1839. ©. 822 (nah Thom. Lean). 


8. 91. 


Sowohl die chemifchen al8 die mechanifchen Raturfräfte 
würden, ſich felbft überlafien, in den meiften Fällen feine Werth: 
erhoͤhung bervorbringen, die mechanifchen faft nie (a). Erft 
dann, wenn fie von den Menfchen verfammelt und auf einen 
beſtimmten Zweck bingeleitet werden, erweifen fie ſich wirkſam 
zur Vermehrung der Gütermenge. Ihre Mitwirkung liefert eine 
große Mafie von Gebrauchswerth mit ziemlidy geringen Koften, 
alfo mit einem anfehnlidyen Gewinn, der fid) wegen des nieb- 
tigen Preiſes der Erzeugnifje nicht gerade im Verkehrswerthe 
zeigt, aber gerade deßhalb einen deſto größeren volkswirthſchaft⸗ 
lichen Bortheil bildet. Ihre geſchickte Benugung ift eine ber 
Daupturfachen des größeren Wohlftandes gebildeter Völfer, und 
die fortichreitende Kenntniß der Ratur ſowohl als der Huͤlfs⸗ 
mittel zur vortheilhaften Hervorbringung von Bewegungen (Ma- 
ſchinenlehre) hat aus dieſem Grunde einen hoͤchſt wichtigen 
Einfluß auf das Einfommen jedes Volkes (b). 


(a) Man könnte hoͤchſtens an das Abfchütteln der Baumfruͤchte durch den 
Wind, das Fortipülen und Abfegen nüglicher Daterien durch Gewäfler 
u. dgl. erinnern. — Treibholz, an die Küften von Island gefpült; — 
ver Dichilum (Hydaspes) und mehrere americanifhe Ströme, mie ber 
Miſſiſippi, führen ebenfalls mächtige Baumflämme mit fid. 

(4) „Es ift die verbeflerte Dampfmalchine, welche die Schlachten von 
Europa durchfocht und während Des legten furchtbaren Kampfes Die 
politifche Größe unjeres Landes aufrecht hielt. E& if die naͤmliche 
große Kraft, welche uns in den Stand fegt, unfere Staatefchuld zu 
verzinfen und den ſchweren Wettkampf gegen die Geſchicklichkeit und 
das Gapital aller anderen Länder zu befichen.” Stuart, History of 
the Steam engine, 1824. 


— 113 — 


Dritter Abſchuitt. 
Die Arbeit als Güterquelle. 


I. Einleitung. 


$. 92. 93. 


Es fann faft fein Sachgut in den Gebrauch für menfchliche 
Zwede gelangen, ohne daß fi an ihn in irgend einem Grade 
Arbeit äußert, wäre ed auch nur dad Ergreifen und Sammeln 
der fchon in ihrem rohen Zuftande anwendbaren Naturerzeugs 
nifje (a), und ſehr viele Güter würden ohne Hülfe der Arbeit 
gar nicht entflehen (6). Diefe gehört deßhalb offenbar unter 
die mächtigften Bedingungen der Gütererzeugung, und da fie am 
volftändigften unter der Herrfchaft des menſchlichen Willen 
fteht, fo muß ſich jchon deßhalb die Wirthfchaftslchre am meiften 
mit ihr befchäftigen. Die Mehrzahl der Menfchen ift genöthigt 
durch Arbeit ihren Unterhalt zu erwerben und dieſer fort 
währende Kraftgebraudy befördert zugleich die Ausbildung aller 
körperlichen und geiftigen Anlagen ded Menſchen, 8. 20 — (c). 
Wie die Größe des jährlichen Einkommens eined Volfed haupts 
fächlih) von der hervorbringenden Arbeit beffelben abhängt, fo 
ift audy der vorhandene Stamm von beweglichen Vermögen bie 
aufgefparte Frucht früherer Arbeiten. Indeß darf ber Arbeiter 
nicht allein als Träger einer gütererzeugenden Kraft betrachtet 
werben, weil er zugleih Glied des Volkes ift und auf Theils 
nahme an dem Genuſſe ded Erzeugten Anſpruch hat. 


(a) Es giebt zwifchen der feichten Aneignung der Früchte wildwachlender 
Pflanzen und der kuͤnſtlichen Berarbeitung von Stoffen fehr viele Ab- 
flufungen für das Verhaͤltniß zwilchen der Arbeit und den Naturfräften. 
Bei der von Schenf (Bebürfniß ıc. I, 74) geichilderten Gntflehung 
nuplicer Naturproducte ohne Arbeit muß immer noch die größere oder 
geringere Mühe des Gewinnens, 3. B. des‘ Holzfaͤllens, hinzukommen. 

(4) Cicero, De officiis, 1I. cap. 3, 4. führt biefen Gedanken aus. Es 
ift hieraus leicht zu erfiären, wie man, befonders dem phyRofratiichen. 
Grundirrthume gegenüber, die Arbeit für die einzige Quelle der Güter 
halten fonnte, x 85. (d). — Hiezu kommt, daß der Preis der Dinge, 
infoferne er von den Koften beflimmt wird, fi vorzüglich nach der an: 
gewendeten Arbeit richtet. 

(e) Die Arbeit ift nicht nur nothwendig für unfer Ausfommen und eine 
Pflicht gegen die Geſellſchaft, ſondern fie kann und foll auch unſre 
Rau, polit. Dekon. I. 7. Ausg. 8 


— 114 — 


Freude, unſer Troſt fein, alle unſere beſſeren Kräfte üben und ſtärken. 

Beichäftigung, die nie ermattet ꝛc. Schiller (Ideale). — Freilich 

fann dies von gedanfenlofer Handarbeit weniger erwartet werden, ale 

von folcher, die auch den Geiſt beträchtlich in Anfprucd, nimmt. Den 

Zaigaans aber bezeichnet mit Recht ein alter Speuch als aller Laſter 
nfang. 


IL. Zweige der Arbeit. 


8. 94. Ä 

Beachtet man den Zweck, weldyen der Arbeiter bei feiner 
fortdauernden Befchäftigung im Auge hat, fo iſt dieß entweder 
bloß der Erwerb von Sachgütern, oder ein höheres, in ber 
Idee eined gewiflen Berufes liegendes Ziel, bei welchem ber 
Erwerb zwar ebenfalls beabfichtigt, aber nicht zur Hauptfache 
gemacht werden darf. Befchäftigungen für den Zweck bed Er- 
werbes heißen überhaupt Gewerbe. Unterfucht man dagegen 
bie volkswirthſchaftlichen Wirkungen der Arbeiten, fo ergiebt 
fi fogleih, daß nicht afle Arten derfelben beitragen, eine Ver⸗ 
mehrung der Gütermenge zu bewirken; manche Zweige berfelben, 
wie nüglich fie auch in anderer Beziehung für die Geſellſchaft 
fein mögen, find doch ohne allen Einfluß auf den Stand bed 
Bolfövermögend und werden deßhalb nicht zu ben hervor; 
bringenbden, volldwirthfchaftlid werbenden oder produc- 
tiven Beichäftigungen gerechnet. Es läßt fich aber erft dann 
beurtheilen, welche Arbeiten produetiv oder unptobuctiv find, 
wenn man, bie verfchiedenen Zweige der Arbeit nach ihrer eigen- 
thümlichen Wirkung abgetheilt und überblidt Bat. 


6. 95. 

Zunähft find zu unterfcheiden (a): 

A) Wirtbfhaßklihe Arbeiten, weldhe auf bie Be- 
friedigung der Behürfniffe durch fachliche Güter gerichtet find, 
alfo die menfchlichen Zwede nur mittelbar befördern; hierzu dient: 

1. Bermehrung ber Wertimenge ber im Vermögen ber 

Menichen befindlichen Sachgüter, 

I Beforgung ihres Uebergangs in andere Hänbe, 

- II. Erhaltung derfelben und Erleichterung ihres Gebrauches. 


B) Arbeiten, welche unmittelbar Bortheile für die Menfchen 
(perfönlihe Guͤter, $. 46.) hervorbringen. Geſchieht dieß für 
andere Berfonen, fo ind ſolche Berrichtungen perfönlidhe Dienfte 
(8. 46 a.), die entweder aud freiem Antriebe, oder nady Webers 
einfunft und gegen Bergütung geleiftet werden. Diefe Dienfte 
find von einer überaus großen Mandhfaltigleit, deren Zer⸗ 
gliederung aber hier nicht erforderlich it. Man kann fie in Rüds 
ficht auf ihre Beranlaflung in Privat- und Staatsbienfte, in Bezug 
auf ihre Zwecke und die dazu nöthigen Fähigkeiten des Dienfts 
leitenden in höhere und niedere einteilen; die letzteren gehören 
zu ben Gewerben, $. 94. 

(a) Rau, Weber die Kameralwiflenihaft, S. 54 ff. 


$. 96. 


A. 3. Diejenigen Beſchaͤftigungen, welche unmittelbar dazu 
beftimmt find, eine werthoollere Gütermenge in menfchliche Gewalt 
zu bringen, beflehen theild im Aufjuchen eines höheren Werthes 
fhon vorhandener Dinge ($. 83. 84), theils in einer koͤrper⸗ 
lichen Einwirfung auf den Stoff Ber &üter, welche die Werth⸗ 
menge berfelben zu vermehren dient. Die Verrichtungen biefer 
zweiten Art können deßhalb Stoffarbeiten genannt werben. 
Sie beginnen mit einer Arbeit an der Erde und werden bei 
jedem einzelnen Gute fo weit geführt, bis daſſelbe für feine 
Befimmung volllommen tauglich) geworden if. Die Mehrzahl 
ber Arbeiter in jedem Lande ift mit Stoffarbeiten befchäftigt (a) 
und muß e8 fein, um die Gefelfchaft mit allen benöthigten 
Sachen zu verforgen. 


(a) In Preußen 1852 an 82 Proc. der männlichen Ginw. über 14 Jahre, 
m Sachſen 1849 83/3 Proc., in Belgien 1846 gegen 77 Br. 


g. 97. 


Die dur die Stoffarbeiten zu bewirkenden Beränderungen 
koͤnnen wieder von doppelter Art fein (a): 

1) Trennung der Stoffe von ihrer natürlidyen Umgebung, 
in der fie entftanden oder ſich doch vor dem Beginne der menſch⸗ 
lichen Thätigfeit befanden. Vermoͤge diefer Trennung don ihrem 
Entftehungsorte auf der Erde werden bie Ericheinungen und 
Beränderungen unterbrochen, denen ſonſt nach natürlichen Ge⸗ 

8° 


— 116 — 


jegen die Stoffe unterworfen gewefen wären (6), biefe gelangen 

ganz in menſchliche Gewalt und ed wird nun eine weitere bes 

liebige Einwirkung auf fie möglid. Für den Inbegriff der bie 
ber gehörenden Befchäftigungen hat man die Ausprüde Erbbau 

(9. Zufti), Urproduction (v. Soden), Bobdeninduftrie 

(v. Jakob) gebraucht, fie Fönnen paflender Erdarbeit ober 

Stoffgewinnung genannt werden. Sie begreifen unter ſich 
a) die Gewinnung ber ohne menſchliches Zuthun entftans 

denen natürlichen Erzeugnifle (c), und zwar 

a) von Mineralien, deren Gewinnung dann, wenn jene 

Körper mit befonderen Kunftmitteln von ihrer Lagerftätte 
abgetrennt werden müflen, Bergbau heißt; 

4) von organifchen Körpern, alfo von wilden Gewächfen 

und Thieren oder Theilen berfelben ; 

b) die Gewinnung von fünftlic gezogenen ‘Pflanzen und 
Thieren oder einzelnen Theilen verfelben, alfo nad voraus 
gegangener Einwirkung auf deren Erzeugung; Landbau oder 
Pflanzenbau und Thierzudt, welche man mit dem Namen 
Landwirthſchaft zufammenfaßt (d). 

(a) FSuͤr eine fyitematifche Darftellung der Stoffarbeiten oder ber Technik 
find mehrere Bintheilungen moͤglich. Die hier vorgetragene fchließt 
fih an die gangbaren Begriffe von Landwirthfchaft und Gewerken an. 
Bine andere Agliedrige Abtheilung giebt A. Kölle, Syſtem d. Technik. 
Berl. 1822. 

(5) Die Bäume z. 3. würden auf der Wurzel, die Früchte an den Zweigen 
oder nach ihrem Abfalle verfaulen, die Thiere umkommen. 

(c) Industries extractives nach Dunoyer, Journ. des Econ. III, (1842), 
Decupation nah Anderen, 3. B. Roſcher, Syflem der Volkswirth⸗ 
ſchaft I, 56. 
Die Landwirtbichaft Defonomie zu nennen, ift ein Mißverfländniß, 
welches vielleicht durch die Ältere Bezeichnung oeconomia ruralis vers 
anlaßt wurde, wobei man der Kürze wegen oft das Beiwort ruralis 
wegließ. Agricultur oder Aderbau für Landwirthſchaft zu fagen 
ift eine unrichtige Uebertragung aus den anderen Sprachen, die feinen 
fo guten Ausdruck befigen. 


(d 


u 


8. 98. 

2) Umänderung der toben Stoffe, um aus ihnen durch Ver⸗ 
bindung, Trennung und Bormveränderung Güter von höherem 
Gebrauchswerthe zu bereiten. Viele rohe, d. 5. noch in ihrer 
natürlichen Befchaffenheit befindliche Materien find obne eine 
foldye Umänderung gar nicht brauchbar und erhalten blos durch 
die Möglichkeit derfelben einen Werth (a), andere erlangen 


— 117 —- 


wenigftend eine weit höhere Rüglichkeit aus biefer Zurichtung. 

Die unter diefen Begriff fallenden Befchäftigungen können Ges 

werfe, die ganze Gattung bderfelben kann Gewerksarbeit 

genannt werden (5). Andere Benenmingen find technifche 

Production (v. Soden), ManufactursInduftrie 

(v. Jacob), Babrication (c). ES gehören hieher bie 

Handwerfe, Babrifen und verfchiedene PVerrichtungen, welche 

man im gemeinen eben zu feiner biefer Abtheilungen rechne, 

3. B. Baufunft, Kochfunft. 

(a) 83. 3. Erze, Stoffe zur Glasbereitung. 

() Rau, Ueber die Ram. W. ©. 58. — Bei Darjes, Erfle Gründe 
der Rameralwiflenichaften, Jena 1756, ©. 27 werden in den zur Stadt: 
wirthſchaft gehörenden Gewerben die Gewerke den Fabriken und Manu: 
facturen entgegengefegt; jene follen fi mit Ausfcheidungen befhäftigen, 
z. DB. Bierbrauen, Zuderfieden sc. — Gewerk ift mit Handwerk ver: 
wandt, weldes aber noch das Merkmal des. Betriebes im Kleinen, durch 
Menſchenhand, enthält und daber nicht fo aut zur Bezeichnung der 


ganzen Battung geeignet if. Das Bebürfniß eines bequemen Kunft: 
ausdruds für Diefen Begriff ift unverfennbar. 


(e) Der neuerlich öfters gebrauchte Name Induftrie hat eigentlich eine 
viel ausgedehntere Bedeutung und bezeichnet feinen einzelnen Gewerbs⸗ 
zweig. Auh Gewerbe iſt feine paflende Benennung biefer Glafle, 
sun Shne Zweifel find Landwirthſchaft, Bergbau, Hantel ıc. ebenfalls 

ewerbe. 


$. 99. 


A. II. Die Arbeiten, weldye den UÜebergang der Güter an 
andere Menſchen befördern, ohne eine ihren Werth erhöhende 
Veränderung an ihnen vorzunehmen ($. 95.), oder die Ars 
beiten der Güterübertragung, Verfehrsarbeiten (a) 
zerfallen bei näherer Betrachtung ihrer Wirkungsart in zwei 
Gruppen: | 

1) Handelsgeſchäfte, welde die Beforgung des Taus 
ſches fachlicher Güter zum Zwede haben. Alle wirthfchaftenden 
Perſonen find häufig zum Taufche genöthiget, bald um die Mittel 
zur Befriedigung ihrer Bedürfniffe von anderen zu erlangen, 
bald um ihre überflüffigen Erzeugniffe abzufegen, aber biefer 
Taufchverfehr wird nicht ſchon Handel genannt, fondern erft 
dann, wenn er ald eine befondere Beichäftigung, d. i. als ein 
eigened Gewerbe getrieben wird (5). Der Gewinn, ben bie 
Handelnden beabfichtigen, ift der Ueberfchuß des bei dem Ber- 
Faufe vor Gütern erhaltenen Gegenwerthed (des Erlöfe®) 
über den Einfaufspreis und bie übrigen Koften des Taufch- 


— 18 — 


geſchaͤfts. Alle Arten von fachlichen Gütern, Grundſtücke, Ca⸗ 
pitale, Genußmittel, felbft Urkunden, welche Forderungen aus⸗ 
brüden, Fönnen Begenftände bed Handels fein. Manche bem 
Zwed des Handels dienende Verrichtungen, 3. B. das Kortichaffen 
zu Land und zu Waſſer, fcheiden ſich wieder als befondere Ges 
werbe aus und bilden Hülfdgefchäfte des Handels. 


(a) Arbeiten ber Bertheilung nah Riedel, Rationaldf. I, $. 202. 


(d Mur hard nennt jenen allgemeinen Tauſchverkehr Sanbel im weites 
en Sinne; Theorie und Politik des Handels, I, $. 4. — Dunoyer 
findet das Wefen des Handels in der Berfegung ber Dinge in andere 
Räume und zieht den Namen industrie voituriere vor, a. a. D., 
wie aug Scialoja den Ausdrnd industria translocatrice gebraudt, 

rint, 3. 


8. 100. 


2) Beforgung einer folchen Webertragung ber Güter, bei 
welcher biefelben nicht, wie beim Taufche, gegen baldige Erftat- 
tung des Gegenwerthes erworben werden, fondern vielmehr der 
Eine die Vermögenstheile eined Andern eine Zeit lang benugt 
und für ben geftatteten Gebrauch eine Vergütung entrichtet; 
Leib» und Miethgefhäfte Diefe erfordern mehr ober 
weniger Arbeit, je nachdem die Güter in Fleineren oder größeren 
Maflen und auf fürzere oder längere Zeit übertragen werben; 
biöweilen ift der Bezug von Einkünften eines auögelichenen 
ober vermietheten Vermögens faft ohne alle Arbeit möglih. Zu 
jenen Gewerben find zu zählen: 

a) dad Darleihen, Ausleihen von Gütern, die man 
bald aufzehrt oder wieder ausgiebt, gegen Zins und gewöhnlich 
gegen die Verpflichtung, eine gleidy große Menge von Gütern 
gleicher Art zurüd zu geben; 

b) dad Bermiethen und Berpachten von Begenfländen, 
die eine lange Dauer haben (a), gegen einen Mieths ober 
Pachtzins. 


(a) Zimmergeraͤthe, Betten, Kleider, Schmuckſachen, Bücher, Muſikalien, 
muſikaliſche Inſtrumente, Pferde, Waffen ıc. 


$. 101. 


A. UI. Eine andere Art von Berrichtungen ift bazu bes 
flimmt, den Gebrauch gewifler Güter für deren Beſitzer zu er» 
leichtern und ihre dabei vorgehende Berfchlechterung zu verhindern 


—— 119 — 


oder ſogleich wieder aufzuheben. Es liegt in der Ratur mancher 
Gegenftände, daß fie ohne eine foldye Hülfsthätigfeit nicht fort 
während benugt werben Eönnen (a), die zwar dem Eigenthümer 
Mühe und Zeit erfpart, aber nicht in das Gebiet der perſoͤn⸗ 
lichen Dienfte gehört, weil der aus ihr entipringende Vortheil 
immer durch fachliche Güter vermittelt wird. 


(a) 3. B. Reinigen der Bohnungen, Geraͤthe, Kleidungeftüde, Yütterun 
und Wartung von Thieren, Ausbefierung Eleiner Beſchaͤdigungen, auf 
ziehen von Uhren sc. Solche Arbeiten find großentheild dem @efinde 
übertragen. &8 mifchen ſich in diefelben auch Gewerksverrichtungen, 
die aber jedesmal nur eine unbedeutende Werthserhoͤhung enthalten und 
blos wegen ihrer vielfachen Wiederholung einige Erheblichkeit erlangen. 


§. 102. 


Welche von dieſen verſchiedenen Arten der Arbeit ($.95— 100.) 
volfswirthichaftlich hervorbringend (productiv) und welche das 
gegen unproductiv feien, dieß ift eine Brage, in beren Beants 
wortung die Meinungen von einander abweichen (a). Die Phy⸗ 
fiofraten hielten nur die Erdarbeit für hervorbringend, Smith 
erklärte dagegen, ed komme auch der Gewerfdarbeit und dem 
Handel diefe Eigenfchaft zu, und zwar dem legteren darum, 
weil die Verſendungs⸗ und die anderen Handelskoſten ben Taufch- 
werth der Waaren vergrößern (b). Daß nicht bloß die Stoff 
gewinnung, fondern audy die Gewerksarbeit probuctiv fei, folgt 
unwibderfprechlich aus der Unterfcheidung des Stoffes der fady 
lihen Güter von ihrem Werthe (c); bie bervorbringende Eigen- 
fchaft des Handels ift aber bisher noch ftreitig geblieben. 

(a) Geſchichte diefer Lehre bei Roſcher, Syſtem d. V.⸗W. I, 92. 

(5) Unterfuhungen II, 141. — Diefer Grund beweiſt nit, was er be 
weiſen foll, denn er bezieht fi nur auf die feinem Zweifel untermworfene 
Erhöhung des Koftenfages und Preifes ber Güter, nicht aber auf den 
Gebrauchswerth bderfelben, und nur in ber Vermehrung des lepteren 
liegt das Kennzeichen der Production. 


(d Nah den Preifen der Kunſtwaaren und der rohen Stoffe werden letztere 
duch die Verarbeitung vervielfältigt bei Seiden:, Baumwollens und 
Mollenzeuhen 2—3fach, bei groben Bifengußgwaaren 2—Afadh, bei Hufs 
eifen 21/amal, Holzlägen 14, Meflerflingen 35, Stahlnadeln 17—70,- 
Federmeſſerklingen 657, Stahlichnallen 886, flählernen Säbelgriffen 972, 
Uhrfedern 500,000fah. Babbage, Ueber Mafchinens und Fabrikweſen, 
S. 160. — Volz, Sewerbsfalender für 1833, ©. 111. 


$. 103. 


Die beiden Außeren Bedingungen des Gebrauches gewiſſer 
Güter find, daß man über biefelben eine Verfügungsgewalt 


1 


— 120 — 


babe und fie in der Nähe befite. Beides gewährt ter Handel, 
inden er Taufche zu Stande bringt, hiezu nöthigenfalls bie 
Güter an einen anderen Ort verfeßt (a) und hiedurch ben- 
jenigen Perſonen nügt, die etwas abſetzen oder erwerben wols 
len (5). MWeberflüflige Vorräthe, die für den Befiger keinen 
concreten Werth haben, oder Dinge, denen er überhaupt einen 
geringeren Werth beilegt, werden in die Hände Anderer über: 
geführt, die in ihnen einen höheren Gattungs⸗ oder doch einen 
größeren concreten Werth finden (c). Das Beftreben ded Hans 
deinden geht dahin, jeden Ueberfluß und jedes Bebürfniß zu 
erfpähen und beide mit einander auszugleichen. Der aus dein 
Taufche entftehende Werthüberfchuß ($. 99.) vergütet nicht allein 
bie Handelskoſten und giebt einen Handeldgewinn, fondern ver: 
Schafft audy den Zehrern und Erzeugern noch einen Taufchges 
winn, deſſen Urſache in einer, den individuellen Wirthſchaſts⸗ 
umftänden und der concreten Werthfchägung beffer entſprechenden 
Bertheilung der Sachgüter liegt (d). Diefe werden aber in 
ihrer Befchaffenheit nicht verändert und erhalten im Allgemeinen 
feinen höheren Gebrauchswerth. Ueberblidt man das Volks—⸗ 
vermögen ald Ganzes, der Gefammtheit der Bebürfniffe gegen» 
über, fo kann man dem inländifchen Handel für fidy allein be- 
trachtet Feine hervorbringende Eigenfchaft zufchreiben, weil man 
bei jener Schäbung des jededmaligen Volksvermoͤgens ſchon 
bie etwa noch bevorftehende Vertheilung vorausfegt, wie man 
auch dad Einfommen eined Einzelnen unter der Annahme be- 
urtheilt, daß daſſelbe durch den Umtaufch in diejenigen Güter 
umgefegt werde, welche zur Befriedigung der Bebürfniffe ers 
forberlich find (e). Der Handel mit dem Auslande vermehrt 
das Volfövermögen durch den volfswirthfchaftliden Tauſchge—⸗ 
winn (f), bdiefer Erfolg darf aber ebenfall8 Feiner Production 
zugefchrieben werben, fondern gehört zu den Einnahmen aus 
fremdem PBermögen ($. 69. 1), wobei allerdingd wegen ber 
Berfchiedenheit der Werthfchäkung in der Regel bie beiden 
taufchenden Voͤlker zugleich gewinnen. 
(a) Say gründet die Productivität des Handels nicht auf den Tauſch, 
fondern auf den Transport der Güter, der ihren Werth erhöhbe, da die 
räumlihe Stelle, an der fie fidy befinden, eine ihrer „Modiflcationen“, 


ihrer Art zu fein, ausmace. Handb. IL, 151, ähnlih Droz, Econ. 
pol. ©. 30. — Es fann jedoch auch ohne Verfendung durch Austauſch 


(8) 


(ed) 
(d) 


(e) 


— 121 -— 


an Ort und Stelle ein nüpliher Handel fattfinden. Die Lage 
(situation) einer Sache iſt von ihrer nügfihen Befhaffenheit, die 
den Gattungswertb bedingt, welentlich verfchieden, fle bezieht fih nur 
auf die Benutzung durch gewiſſe Berfonen und verliert ihr Bortheil: 
baftes, wenn die Befigverhältniffe derfelben fi) ändern; zudem wird 
der Transport unnoͤthig, wenn der Gonfument fi zu der Waare be: 
giebt. Man kann daher die Wirfungen des Handels denen der Gewerke 
nicht gleich feßen. 


Die Unterfuchungen über die Productivität des Handels find nur info: 
ferne von wiflenichaftlichem Sntereffe, als fie zur Anwendung der volle: 
wirthichaftlichen Stammbegriffe Gelegenheit geben ; fonft wird man ebens 
fowohl die weientliche Berichiedenheit des Handels von den Stoffarbei: 
ten, als die große Nüslichfeit deffeiben in der Bolfswirthfchaft immer 
anerfennen müflen, wie man auch in jener Hinflcht urtbeilen möge, 
und die Entfcheidung hierüber ift davon abhängig, wie man bie Be: 
griffe von Werth und Production faßt. 


Beccaria erklärt daher den Handel als den Umtaufch des nicht oder 
doch weniger Nüglichen gegen das Nuͤtzlichere. 


Diele Bereicherung des Binzelnen durch eine beflere Bertheilung zeigt 
fih in mandherlei Fällen fehr deutlich, 3. B. bei der Zufammenlegung 
der Ländereien, — bei einer Bertheilung von Dienflfleidvern unter bie 
Soldaten eines Regiments nach Größe und Wuchs eines Jeden u. dal. 


Mehrere, auch nicht phyflofratiihe Schriftfteller fprechen dem Handel 
die hervorbringende Wirkung ab, 3. B. Los, Handbuch I, 180, ber 
ihn zu den perfönlichen Dienflleiftungen zählt. Verri verweifet die 
Kaufleute als Bermittler in eine dritte, zwiſchen den Producens 
ten und Eonfumenten flehende Glaffe, Meditazioni $. XXIV. — 
Viele Andere nehmen die Broductivität des Handels in Schuß, 3.3. neben 
Say und Droz (f. oben Note (c)), Malthus, Principles, ©. 442. 
(wegen der Sewinnfle der Taufchenden), M’Eullodh, Grundfäge 

. 119. (wegen ber im Transporte und ker Dertbeitung in Eleinere 
Duantitäten liegenden Bermehrung der Brauchbarkeit), Schön, Neue 
Unterf. ©. 59, f. auch Geier, Charafterifif des Handels, ©. 38. ff. 
und die daſelbſt angeführten Stellen. — Riedel erklärt den Handel 
für bhervorbringend, weil ein But mehr werth fei, wenn es durch Ueber: 
tragung an einen andern Drt, in einen andern Zeitraum, oder in das 
Recht einer andern Berfon „ein wirkſameres Befriedigungsmittel für die 
im Bolfsbedarfe begriffenen Bebürfniffe geworden if“, Nationalöf. I, 
$ 205. In $. 215 wird vom Derf. zugegeben, daß der beiberfeitige 

aufhgewinn fi nur in dem Werthe für beide taufchende Perſonen 
äußert. Nah v. Prittwitz (Volksw. 6. 205) ift der Handel pro⸗ 
ductiv, weil er nüßlih if, nah Scialoja (Prince. 42) und Kudler 
(Bolfsw. II, 173) wegen der von ihm bewirkten Wertherhöhung, wobei 
der letztere Schriftfieller die durch den H. bewirkte Bedingung des 
Gütergebrachs mit dem Worte Zugänglichkeit bezeihnet, — nad 
Roſcher, (Syftem I, 94) in Folge der weiteren Faſſung des Begriffe 
Production. — Man hat öfters den Handel darum mit den Stoff: 
arbeiten verglichen, weil Diefe ebenfalls bisweilen nur eine Raumberiehung 
bewirten. So bemerfte M’Eullod (Grundf.): „die Arbeit des Berg⸗ 
manns verfchafft der Materie Brauchbarfeit dadurch, daß er fie aus den 
Gingeweiden der Erde auf ihre Oberfläche bringt; aber die Arbeit des 
Kaufmanns oder Fuhrmanns, der dieſe Kohlen von da, wo fle ge 
graben wurden, in die Stadt oder an den Plag bringt, wo fie ver- 
braucht werden, giebt ihnen einen weiteren und vielleicht weit beträcht: 
liheren Werth.“ Achnlid Hermann, Unterſuch. ©. 22. Hierbei 


— 122 — 


iſt aber zu bemerken: 1) Der Bergmann trennt die Steinkohlen von 
der Erde und bringt fie in menfchlihe Gewalt; 2) feine Wirkung iſt 
dauernd und von allgemeinem Ruben, der Fuhrmann bringt fie nur 
gewiſſen Menſchen zu. — Neuerlich bat ſich Mac⸗Culloch anders 
geäußert: „Düne ich felbft mit irgend einer Art von Production zu 
efaflen, leiften die Kaufleute den Producenten ben größten Dienfl.“ 
Meber H. u. Handelsfreiheit, deutich von Gambihler, Rürmb. 1834. 
S. 2. Statistical account of the British Empire II, 140: The in- 
fluence of commerce upon national wealth is only indireet Hiermit 
flimmt Gifelen überein, Volksw. $. 53, und Mill I, 47, ter bie 
SHandelsleute und ihre Gehülfen als die vertheilende Claſſe aufführt. 


(f) Ueber die Wirkungen bes H. im Allgem. f. Art. Handel in der Allgem. 
fl. der Wiffenfh. von Erſch und Gruber (von Rau), und 
8. Murbard, Theorie und Politik des Handels I, 73. 


$. 104. 


Anders ftellt fich jedoch die Sache dar, wenn man ben 
Handel in feinem Berhältniß zu den Stoffarbeiten betrachtet. 
Der Kortgang derfelben iſt von dem Abfage der Erzeugniffe 
bedingt, der Abfap beruht auf dem Zaufche und nimmt zu, 
wenn bie Taufchgeichäfte fi) vermehren. Diefe find demnach 
eben fowohl zur Erzeugung ald zur Berzehrung der Güter 
förderlih (a) und bewirken den Zufammenhang beider. ine 
befondere Claſſe der Handelnden kann bie Taufchgefchäfte mit 
weit größerem Erfolge, fo wie mit geringeren Koften beforgen, 
ald wenn die Erzeuger und Berzehrer von Gütern fie ganz 
übernehmen müßten. Viele PBroductiondzweige werden erſt dann 
hervorgerufen, wenn der Handel den Erzeugern die Ausficht auf 
vortheilhaften Berfauf darbietet und fie mit neuen Genüffen 
befannt macht. Ferner wird den Stoffarbeiten ihr auf bie 
Production gewenbeted Capital früher erftattet, wenn der Han⸗ 
delnde ihnen ihre Erzeugniffe abnimmt und bezahlt, folglich 
fönnen jene ſchon darum in gleicher Zeit mehr produciren, ale 
wenn fie den Verkauf an bie Berzehrer felbft abwarten müßten 
und ihre Auslagen fpäter vergütet erhielten. 

(a) Diele wird befördert, indem bie wohlfeilfte Befriedigung der Bedürfnifie 
möglich gemacht wird. 


$. 105. 

Der Handel erfcheint daher al8 ein unentbehrliches, die Aus⸗ 
behnung und Bortdauer der Stoffarbeiten bebingendes Huͤlfs⸗ 
geichäft derſelben; er ſteht mit ihnen in der genaueften Verbindung 
und ift vermöge berfelben mittelbar hervorbringend. 


— 123 — 


Hieraus folgt: 1) Nicht jeder Handelszweig kann als hervor⸗ 
bringend anerkannt werden, ſondern nur ein ſolcher, der neuen 
Erzeugniſſen der Erd» und Gewerksarbeit Abſatz verſchafft und 
dadurch die Hervorbringung neuer Güter erleichtert. Es muß 
demnach der Handel mit älteren, bereits im Gebrauche ges 
weienen Sachen (a), 3. B. Gemälden, Büchern, Geräthen, — 
ferner mit Wechfeln, Schulbbriefen, mit Grundftüden und dergl., 
von dem Kreife ber productiven Beichäftigungen ausgeſchloſſen 
werden. 2) Die Nüslichkeit ded Handels für die Bolfswirth- 
(haft ift viel weniger aud den Gewinnften, die er den Kauf⸗ 
leuten abwirft, ald aus feinem Einfluffe auf die Production 
und Confumtion zu beurtheilen. 3) Die Koften ber producs 
tiven Handelszweige find zu den Erzeugungsfoften der Güter zu 
zählen, weil biefe ohne jenen Aufwand nicht fortwährend in 
ber Ausdehnung, die der Handel möglich macht, entftehen 
fönnten. Die Hanbeldfoften werben von ben Käufern ber 
Waaren in dem Preife mit erftattet, und es leidet feinen Zwei⸗ 
fel, daß der Werth derjenigen Güter, welche fortbauernd erzeugt 
und verkauft werden, mwenigftend fo groß fei, als biefer Preis. 
4) Unterbrechungen in den productiven Zweigen ded Handels 
müffen bald eine nadytheilige Lähmung der Stoffarbeiten nach 
ſich ziehen. 

(a) Es müßte denn ber Einkauf folder DegenRände für die Stoffarbeiten 


nügli fein, 3. 3. beim Lumpenhandel, — oder die Leichtigkeit des 
Miederverkaufens die Anfchaffung neuer Erzeugniſſe befördern. 


$. 106. 


Die abgefonderte Beichäftigung mit dem Ausleihen und 
Bermiethen von Gütern ($. 100.) bat zur Hervorbringung 
felten eine nähere Beziehung. Wie nüglic) es auch iſt, daß bie 
Befiger von Grundftüden und Capital, wenn fie diefelben nicht 
felbft zur Erzeugung neuer Güter. anwenden wollen, fie den 
Unternehmern productiver Arbeit überlafien, fo geichieht dieß 
boch gewöhnlich in größeren Maflen und auf längere Zeiten, 
fo daß diefer Uebergang der Güter in andere Hände mit fehr 
geringer Mühe bewirkt werden kann. In ſolchen Yällen, wo 
beträchtliche Zeit und Bemuͤhung auf diefed Ausleihen verwendet 
wird, pflegt e8 bei Guͤtern oder Geldfummen zu geichehen, dig 


— 124 — 


unmittelbar zum Genuſſe beſtimmt find, es befördert daher dann 
nur bie Verzehrung. 

: Die Gebrauchs- und Erhaltungsdgefhäfte ($. 101.) 
haben ebenfalld feinen unmittelbaren Zufammenhang mit ber 
Production und nüsen zunädft durch Beförderung des Güter: 
genuffes und Verminderung ded Verbrauches, die jedoch auf das 
Volkövermögen gleiche Wirkung äußert, wie die Hervorbringung. 
Auch Finnen Verfonen, welde ſich ſolchen Verrichtungen wid» 
men, mittelbar der Production nügen, indem fie ben Erzeugern 
mancherlei Arbeiten abnehmen, bie biefelben fonft von hervors 
bringenden Thätigfeiten abgezogen haben würden. 


$. 107. 

Die perfönlihen Dienfte ($. 95. B) erzeugen zwar 
nicht ſelbſt Sachguͤter (a), aber dennoch ift ihnen mit Unrecht 
aller urfachlihe Zufammenhang mit der Hervorbringung abges 
fprochen worden. Eine Dienge von Arbeiten, weldye darauf 
gerichtet find, die Sicherheit, die Gefundheit, die Einſicht (2), 
Geſchicklichkeit, felbft die fittlihe Bildung der Menfchen zu bes 
fördern, ed mag dieß auf Beranftaltung des Staated oder eins 
zelner Mitglieder der Geſellſchaft gefchehen, hat auf den Erfolg 
ſaͤmmtlicher wirthfchaftlicher Gefchäfte, indbefondere auf die Pros 
duction mächtigen Einfluß. Dieß ift eine nüglicye Nebenwirkung 
ſolcher Beichäftigungen, die fehon wegen ihres naͤchſten Zweckes 
von dem höchften Werthe für die Gefellfchaft find. 


(a) Es ift daher keineswegs widerfinnig, den Erzieher der Jugend in eine 
andere Claſſe von Arbeitern zu rechnen, als den Biehzüchter. 


(6) Borurtheile, Aberglauben und Unmwiffenheit verhindern die Benügung 
vieler Runftmittel, die zur Hervorbringung neuer ®üter oder zur Er⸗ 
haltung des Bermögens mitwirken, Bligableiter, Thierärzte ıc. — Die 
von Davy erfundene Sicerheitslampe erhält nicht allein das Leben 
vieler Bergleute, fondern bat auch bie vollfländigere Benutzung der 
Steinkohlenlager geftattet, Porter, Progress of the nation, S. 274. 


$. 108. 


Die hervorbringende Wirkung der Dienfle kann nicht genau 
im Einzelnen dargethan werben, es läßt fich weder angeben, 
welche Gütermenge ihnen die Entftehung verdanft, noch auch 
nur beflimmen, bei welchen Gefchäften und in welchen Källen 
diefe Wirfung aufhört. Der Grund hievon liegt in dem Um⸗ 


— 128s — 


ſtande, daß zwar die Dienſte, indem fie zunäͤchſt eine gewiſſe 
Wirfung auf die Perfonen äußern, ber Gütererzeugung eine 
Beförderung oder Erleichterung darbieten, daß es aber immer 
noh von den Neigungen und Entfchließungen der Menſchen 
und mancherlei äußeren Umftänden abhängt, .weldyer Erfolg 
hievon in ber ‘Production fihtbar wird (a). Bei manchen nüp- 
lichen oder angenehmen Dienften läßt ſich feine productive Wirs 
fung entdeden (6). Wenn ed aber audy zweifelhaft bleibt, in 
welchem Grade der zunächft aus dem reinen Einkommen des 
Volkes beftrittene Unterhalt der perfönlichen Dienfte ſich wieder 
productiv erweifet, fo ift diefe Ungewißheit wenigften® bei allen 
denjenigen Dienften unnachtheilig, welche wichtigeren perfön- 
lichen Gütern gewidmet find, und zur Ausbildung bed menſch⸗ 
lihen Weſens beitragen (c). 


(a) Der Arzt erhält 3. B. das Leben eines geſchickten Gewerbsmannes, aber 
diefer kann träge werden oder außer Thatigfeit kommen ꝛc. 


(6) 8. 3. bei vielen bloß auf Zeitvertreib abzielenden Beſchaͤftigungen, 
Gauklern ıc. 


(c) Bol. Sismondi, Nouveaux prince. d’&con. pol. I, 141. — Storch 
(Ueber die Natur des Nationaleink. S. 27—87.) erflärt jede Arbeit 
für productiv, die freiwillig geſucht und fo bezahlt wird, daß fle fort: 
eſetzt werden fann, — woferne fie dem Ganzen nicht nachiheilig if. 
Gbenfo Hermann, Untef. ©. 37, Roſcher, Syflem d. V. W. 
I, 99. — NAusführli hat Gioja, Nuovo prospetto I, 246 ff., bie 
productive Wirkung der Dienfte nachgewiefen. — Bücher, Gemälde ıc. 
find Sachguͤter, daher iR die Tätigkeit des Schriftſtellers, Malers, 
Buchdruckers ıc. unmittelbar hervorbringend. 


$. 109. 


Zufolge der bisherigen Erörterungen if die den Begriffen 
nad) vollfommen begründete Unterfcheidung der probuctiven und 
unprobductiven Arbeiten fchwer fo durchzuführen, daß eine bes 
fimmte Gränzlinie beider Gattungen durch die Gefammtheit 
menfchlicher Beichäftigungen gezogen würde. Rur die Stoffs 
arbeiten finb allgemein und unmittelbar productiv; an biefe 
fchließen ſfich als unverfennbar mittelbar productiv die meiften 
Handeldzweige, dann aber, im Gebiete ber perfönlichen Dienfte; 
find mit undeutlichem Uebergange die mittelbar und vie nicht 
hervorbringenden Thätigfeiten vermifcht (a). 

(a) v. Jacob, Nationalöf. $. 126. 


— 126 — 


II. Bedingungen einer großen bervorbringenden 
Wirkung der Arbeit. 


$. 110. 


Die Arbeit ift ein freier Gebrauch der Kräfte, fie fleht folg⸗ 
lich unter dem Einfluffe des Denfensd, Empfindens und Wollens 
der Menſchen, und es koͤnnen ſowohl in den Triebfedern, welche 
zum Arbeiten beflimmen, ald in der Art und Weife, wie die 
Arbeit eingerichtet if, und in dem Erfolge derſelben große Ber 
fchiebenheiten fattfinden. Dieß gilt auch namentlidy von ber 
hersorbringenden Arbeit, deren Wirkungen in einem Volke bald 
größer, bald geringer find, 1) zufolge folcher Urfachen, die in 
der Arbeit felbft liegen ($. 111 ff.) und zwar theils in ihrer 
Menge, theild in ihrer Befchaffenheit, 2) zufolge äußerer Um⸗ 
flände, wohin ber Beiftand anderer Güterquellen, insbeſondere 
des Capitals, und der Abfag zu rechnen find (a). 

(a) Bol. Fulda, Grundſaͤtze der Kameralwifienfchaften. S. 110 ff. 


8. 111. 


Bei gleicher Volksmenge (a) kann die Zahl der pro> 
dbuctiven Arbeiter ungleich fein und hieraus eine Ber 
ſchiedenheit des Gütererzeugniffes entfpringen. _ Unter übrigens 
gleicdyen Umftänden, insbeſondere bei gleicher Kunft in den Stoff- 
arbeiten, wird um fo weniger hervorgebracht, je mehr Menfchen 
gar nicht arbeiten aber nur mis ſolchen Dienſten befchäftigt find, 
welche die Erzeugung der Sachgüter nicht befördern. Dieß hängt 
von dem Verhaͤltniß zwifchen den verjchiedenen Ständen ber 
Geſellſchaft und von der Bertheilung des Grundeigenthums .ab. 
Iſt dieſes in großen Maflen im Befige Weniger, jo kann leicht 
ber Ertrag ‚bed Bodens zum Unterhalt vieler müßigen ober 
nicht productiv beichäftigten Menfchen verwendet werden, wos 
durch das gefammte Erzeugniß und ber Gütergenuß ber Gefell- 
fchaft nothwendig gering. bleibt (6). Wenn indefien bie Kunft 
im Betriebe der Stoffarbeiten zunimmt, fo wirb es moͤglich, 
dag ohne Schmälerung des Volkseinkommens eine beträchtliche 
Anzahl von Menfchen fih nüplichen perfönlichen Dienſten wib- 
met, woburdh nicht allein bie perfönlichen Güter eifrig gepflegt 


— 127 — 


werben, fondern aud eine günftige Ruͤckwirkung auf die Er⸗ 

zeugung der Sachgüͤter erfolgt, $. 107. 108. — (0). 

(a) Auf ı Million kommen gegen 667000 arbeitsfähige Menfchen, bie, 
wenn man junge Leute von 12—17 Jahren und alte von 54-60 Jahren 


nur als Halbe Arbeiter rechnet, 600000 volle Arbeitskräfte ausmachen. 
Dupin, Foroes prod., I, 19. 
(6) Große Zahl von Hausgenoffen der reihen Grundherren im BWittelalter 


md noch et in Rußland. — Biele unbeichäftigte, zur Seelſorge keines⸗ 
wege erforderliche Geiſtliche im ſuͤdlichen Guropa. 


(e) Je wohlhabender Bei gleicher Bildung eine Gegend, deflo mehr Herzte, 
Lehrer, Künftler ıc. wird fie unter gleicher Einwohnerzahl Haben. In 
Preußen kam 1849 ein Arzt auf 2787 Ginw. (1822 ei auf 2928), 
aber in der Provinz Brandenburg Ihon auf 1827 (Einfluß der Haupts 
fladt), in Sadhfen auf 2155, Mheinland 2583, Wehlfalen 2630, 
Schiefien 3010, Bommern 3471, Breußen 4848, Poſen ef auf 
5200 Ginw. Amtl. Tab. II, 614. 1851. 1842 lebte ein Arzt auf 
1650 Menfchen in der Lombardei, auf 2650 in Deſterr. u. Euns, auf 
730 in Böhmen, 9440 in Deflerr. o. Enns, 11170 in Steiermark, 
30490 in Galizien. 


8. 112. 


Bon vorzüglich maͤchtigem Einfluß auf die Größe des Arbeits, 
erzeugniffes ift der Hleiß des Arbeiter. Derfelde hängt, außer 
der Verfchiedenheit ded Charafters, des Temperamented, der Ges 
wohnheiten ıc. fowohl bei Einzelnen als bei ganzen Völfen (a), 
größtentheild von den Beweggründen ab, die auf den Arbeiter 
wirfen, und ift deßhalb um fo größer: 1) je mehr derſelbe Aus» 
fiht hat, vermittelft der Arbeit feinen Zuftand zu verbeffern, 
indbefondere fein Einfommen zu: vergrößern. Dephalb findet 
man a) ben größten Yleiß bei denen, deren Eimfommen genau 
von ihrer Reifung abhängt, wie bei den Arbeitern auf eigene 
Rechnung und auf Stüdlohn oder Verding (5); b): etwas ges 
tingeren bei ſolchen Arbeitern, bie nad) ber Zeit, z. B. tage 
ober wochenweife bezahlt werden; 0) noch fehwächeren bei ben 
Srohnarbeitern (c), vollends bei. unfreien Menfchen, weil beide 
leptere von einer: größeren Anfrengung feinen Vortheil zu ers 
warten haben (d); 2) je mehr der Arbeiter Berürfnifie hat, bie 
ihn zur. IThätigkeit anfpornen. Der Sütergenuß, welchen ber 
Arbeitslohn hoffen läßt, muß den Hang zum Müßiggehen über 
winden. Diefer if bei rohen Bölfern oder rohen Menſchen, Die 
mit wenigen Genüſſen befannt find, oft fo maͤchtig, daß er ben 
tm ‚Lohne liegenden Reiz zur Arbeitſamkeit beſiegt, ſobald mr 


— 123 — 


bie dringendſten Beduͤrfniſſe befriedigt find. Bei fortſchreitender 

gefelliger Bildung fällt dieß Hinderniß der Production hinweg (e). 

(a) Die germanifchen Bölfer zeichnen fi durch ausdauernden Fleiß aus, 
auch die Slaven find fleißiger als die romanifchen-Böller und bie 
Gelten. Maͤßigkeit, verkändige Ueberlegung, Sinn für häusliche Ord⸗ 
nung und andere Gigenfchaften find daher auch in Bezug auf die Güter: 
erzeugung wichtig. 

(5) Diele Art, den Arbeiter zu lohnen, wird in der neueflen Zeit immer 
Fred und man zählt die @inführung des Stüdlohne unter die Urs 
achen des blühenden Yabrifweiens in Großbritanien, Mac-Culloch, 
Stat. acc. LI, 43. 

(c) Nach bekannten landwirthſchaftlichen Erfahrungen find 4 Frohnarbeiter 
3 bezahlten gleichzufegen. Vgl. v. Flotow, Anleit. 3. Fertigung ber 

Grtragsanfchläge 1, 80. 

(d) &6 verfieht fih, daß bei Sklaven die Art, fie zu behandeln, einen 
roßen Unterjchied macht, und daß fie bie zu dem Gıfer guter freier 
Dienfboten gebracht werden können. Schon Columella, De re 
rustioa I, 8, giebt Ratbichläge diefer Art. Jam illud saepe facio, ut 
quasi cum peritioribus de aliquibus operibus novis deliberem ... . 
Tum etiam libentius eos id opus aggredi video, de quo secum delibe- 
ratum et consilio ipsorum susceptum putant. — @rläuternde Angaben 
hiezu bei Rofcher, Syitem d. 3. W. I, 110. 

(e) Trägheit der Türken, der Bewohner heißer Länder im Allgemeinen. — 
In —* kam (nach van den Bosch, Nederlandsche Bezittingen in 
Azie etc. Haag, 1818) der Kaffeebau in Verfall, weil vie Eng⸗ 
länder 1811 nady der Croberung ben Stang, eine beftimmte Duantität 
Kaffee für geringen Preis zu liefern, aufhoben und weil die @ingebor- 
nen nur für ihre dringendſten Bedürfniffe zu arbeiten geneigt find. 
Daſſelbe zeigt fich neuerlich auf den britifhen SInfeln in Wefindien. — 
Bol. Crumpe, Preisfchrift über die beften Mittel, dem Volke Arbeit 
und Berbienft zu geben, überfebt v. Widmann, ©. 12. 24. (Reipz. 
1796.) 


$. 113. 

In Bezug auf die Faͤhigkeit des Arbeiters, mit gutem Er⸗ 
folge zu wirken, fann man mehrere Abftufungen unterfcheiben: 

1) Fertigkeit ift die Faͤhigkeit, gewifle Verrichtungen fchnell 
und. zugleich. doch gut zu vollziehen, Sie wird durch Hebung 
erworben, jedoch durch Naturanlage mehr. oder weniger begün- 
ftigt, auch beruht fie nicht ganz allein auf förperlicher Gewoͤh⸗ 
nung, denn auch die einfachfte Berrichtung erfordert einige Mit 
wirkung ded Verſtandes. 

2) Die Geſchicklichkeit ift überhaupt das Vermögen, in 
einem Arbeitözweige die größte Wirkung bervorzubringen,, die 
fih bald in der Güte, bald in der Menge ber Erzeugnifie, 
bald in der Erfparung an Zeit und Koften und dergl. Außert. 
Die Bertigfeit ift ein Beſtandtheil der Geſchicklichkeit, die aber 


— 19 — 


mehr in ſich begreift und fehr von geiftigen Bedingungen, na⸗ 
mentlich SKenntniffen, Erfahrungen, Nachdenken und Scharfſinn 
abhängt, auch, wenn fie einen hohen Grad erreichen fol, ans 
geborene Anlagen vorausfegt. Der Befig gejchidter Arbeiter 
in allen Gewerbszweigen ift eine der wichtigften Urfachen des 
Wohlſtandes. Die Gefchidlichkeit pflanzt fich leicht durch 
Unterweifung und Nacheiferung der jüngeren Arbeiter fort, 
dagegen gehört mehr Anftrengung dazu, fie beim Mangel 
von Vorbildern zu erringen; doch zeigen viele Beifpiele, daß 
biefe Schwierigkeit die Hortfchritte der Gewerbskunſt nidyt aufs 
zuhalten vermag, wenn es ben Arbeitern an Eifer und Gelegen⸗ 
heit nicht gebridyt (a). 

3) Gefchidlichkeit und Fleiß in Verbindung miteinander 
bilden den Kunftfleiß oder die Induſtrie G), eine Fähig« 
feit, die, wenn es an Capital nicht fehlt, nothwendig große 
Wirfungen hervorbringen muß. 

4) Verſchieden hiervon ift die Betriebfamfeit, welche in 
ber Fähigkeit befteht, Ermwerbögefchäfte mit dem größten Gewinn 
für den Unternehmer zu betreiben und daher nicht bloß ben 
Kunftfleiß, fondern auch die finnreiche Benugung aller fparenden 
oder die Einnahmen erhöhenden Mittel zu Hülfe ruft (c). 


(a) Die Einführung neuer Gewerbe gelingt am leichteften, wenn man ge: 
ſchickte Arbeiter herbeiziehen Tann. andrifche Tuchmacher brachten 
(im 14ten Iahıhundert) die engliſchen Wollengewerke empor. Taube, 
Geſchichte der engländ. Handelihaft, S. 19. (Leipz. 1776.) — Hüll: 
mann, Städteweien des Mittelaltere, I, 239. (Bonn, 1826.) — 
Franzoͤſiſche Proteftanten bewirkten nach der Aufhebung des Edicts von 
Nantes die Binführung oder Berbefferung mehrerer Gewerbe in Deutfch- 
land; mehrere Borzellanfabrifen kamen durdy die Arbeiter, Die man aus 
Meißen und naher aus Wien herbeizog, zu Stande. — Die Araber 
braten in Spanien manche Gewerbe in Aufnahme und ihre Ber: 
treibung wurde für den Wohlftand des Landes fehr verderblih. — Die 
englifchen Mafchinenfpinner find weit befler bezahlt als die franzöfifchen 
oder deutfchen, leiften aber foviel mehr, daß die Koflen im Berhältniß 
zu dem Producte doch nicht höher fommen. Mohl, Ueber die würtemb. 
Sewerbsinduftrie, S. 325. (Stuttg. 1828) — Deutiche Bergleute in 
anderen Ländern. Der volfsthümliche Charakter hat auf Geſchicklichkeit 
und Benehmen der Gewerbsarbeiter Einfluß. 


(2) Das Wort Induftrie wird oft in einem unbeflimmten, unwiſſenſchaft⸗ 
lihen Sinne gebraudt, fo daß es foviel als Arbeit bedeutet. — Der 
Geſchickte ohne Fleiß würde fo wenig ausrichten als der Fleißige, wenn 
er ungeſchickt wäre. 


(c) Dan ficht nicht felten Männer von ausgezeichneten Anlagen in Gewerbs⸗ 
unternehmungen zu ®runde gehen, weil es ihnen bei allem Kunftfleiß 
an der Gabe fehlt, die nöthigen wirthichaftlichen Brvägungen anzu: 
Rau, polit. Defon. I. 7. Ausg. 9 


fielen, zu überlegen, was am meiften einbringt, wie man den Betrieb 
am wohlfeilften einrichtet u. dgl. Dieß Schielfal hat manche Urheber 
von wichtigen technifchen Erfindungen getroffen. 


8. 114. 

Eine vorzüglich wirffame Urſache eines erhöhten Erfolges 
ber Arbeit ift die Arbeitstheilung. Sie befteht darin, daß 
Jeder fi) nur auf wenige gleichartige Verrichtungen, oder auch 
nur auf eine einzige bejchränft und durch den Ertrag dieſes 
ausfchließlich betriebenen Arbeitszweiges beſtimmt wird, auf die 
eigne Hervorbringung aller anderen Güter, deren er noch bes 
darf, zu verzichten. In manchen Fällen kann das ausfchlieplich 
betriebene Geſchaͤft ſchon für ſich allein ein nuͤtzliches Erzeugniß 
zu Stande bringen und daher felbftftändig beſtehen (a), in an- 
deren Faͤllen müffen mehrere Menfchen zufammenwirfen, um eine 
gewifle Art von Gütern zu erzeugen (6). Die Beobachtung, 
dag auf dieſe Weife die Arbeit mehr ausrichten Fönne, liegt 
fehr nahe und mußte, in Verbindung mit der Verfchiedenheit in 
den Neigungen und Anlagen der Menfchen, fhon früh zur 
Arbeitötheilung führen (c). 


(a) 3. B. ein Abfchreiber, Porträtmaler, Zahnarzt, ein Mäfler für eine 
einzelne Waarengattung, Blumengärtner, Holzfchniger für eine Art von 
Bilderwerfen ıc. , 

(6) Wie in den meiften Babrifen, wo mehrere Berrihtungen in einander 
greifen. In diefen Fällen fest die Theilung eine Verbindung (Aſſocia⸗ 
tion, Combination) Mehrerer voraus. 


() Smith, Unter. I, 13 ff. — Ueber die Priorität diefes Gedankens 
Storch, IN,5. — Schmitthenner, Zwölf 3. I, 399. 


8. 115. 


Nicht blos in den Stoffarbeiten, fondern in der Pflege der 
Wiffenihaften und Künfte, im Staatsdienſte und überhaupt in 
allen menfchlichen Befchäftigungen (a) wird durch dieſe Theilung 
die Wirffamkeit der Arbeit erhöht, wofür fi) folgende Gründe 
angeben laffen: 1) Die Gefchidlichfeit wird. wegen ber unaus- 
gefegten Gewöhnung in hohem Grade gefteigert, ed nehmen felbft 
Theile des menfchlichen Körpers eine Beichaffenheit an, welche 
zu einer Art von Verrichtungen förderlich ift, während fie viel 
leicht bei anderen fogar hindert (d). 2) Die fortbauernde Rich- 
tung des Verſtandes auf ein einzelnes Gefchäft macht ed mög- 
ih, daß alle Mittel ausgefonnen werden, weldye die Arbeit 


— 1311 — 


abfürzen, ihren Erfolg verftärfen ober Unfälle verhüten; daher 
trägt die Arbeitötheilung auch bei, die Erfindung arbeitfparen- 
der Mafchinen zu veranlaflen (ce). 3) Es wird der Zeitverluft 
verhütet, der mit dem öfteren Uebergange von einer Bejchäftis 
gung zur andern verbunden zu fein pflegt. 4) In vielen Fällen 
fann man eine viel größere Leiftung mit gleicher Mühe wie 
eine Fleinere, oder doch mit geringer Vermehrung der Bejchwerbe 
und Arbeitsdauer zu Stande bringen und fo mehreren andern 
Menſchen die nämliche Bemühung erfparen (d). 5) Man wird 
in den Stand gefegt, für die leichteren Verrichtungen minder 
gefhidte und daher wohlfeilere Gehülfen anzuftellen, 3. B. 
Weiber und Kinder, und die Eoftbareren Arbeiter bloß für bie 
fhwierigften Verrichtungen zu benugen (e). Hieraus erklärt 
fih die erftaunliche Wirkung der Arbeitötheilung in mandjen 
Gewerbözweigen, bie zu ihrer Anwendung befonderd günftige 
©elegenheit darbieten, was vornehmlich) da der Fall ift, wo 
große Fertigkeit gefordert wird (f). 


(a) Selbft die Diebe und Betrüger verlegen fi) vorzugsweife auf einzelne 
Zweige ſolcher Verbrechen, Vidocq, Les voleurs, P. 1837. — Thiele, 
Die Pabifchen Bauner, I, 87. 


(6) Manche Gewerbe ſchaͤrfen einzelne Sinne; anftrengende Arbeiten machen 
den Arm musculöfer, die Oberhaut dider und die Finger felbft unges 
Ienfer. Mustelkraft der Holzhauer, Laftträger, Schmiede x. Man hat 
genaue Beobahtungen hierüber angeftellt, die felbit für den Eriminal- 
beamten Werth haben, um bie Beichhäftigung, die Jemand getrieben 
bat, aus ihren körperlichen Spuren zu erfennen. Tardieu in Annales 
d’hygiöne publ. XLII, 388 (1849.) — Feines Sefühl in den Fingern 
der Wollhändler, — Augenmanp, Sicherheit in den Bewegungen. — 
Auf der Wippe kann ein Nenſch täglihd 10000, zur Noth 14000 Na: 
deln die Köpfe aufieben. ®atterer, Techn. agagin, 1, 285. (1790). 
— Ein fertiger Feilenhauer thut in der Minute 200 Hiebe. (v. Rees 
und — — — Sn Gouda (Niederlande) formt ein Arbeiter 
täglih 10000 koͤlniſche Pfeifen. — Gin geichidter Kammmacher ver: 
fertigt 60—70 Kämme von folder Feinheit, daß 40-48 Zähne auf 
den Zoll kommen, v. Kees, ILL, 130. — Die in den Nähnadelfabrifen 
mit dem Ginfchlagen der Oehre beihäftigten Kinder find fo flinf, daß 
fie dur das feinfte Haar ein Loch fchlagen und ein anderes Haar durch⸗ 
ziehen können. Der ganze Arbeitslohn für 1000 Nadeln ift 67%, Eent. 
(18/4 fr.) Dictionn. technol. I. Art. Aiguille. — @in Glasmacher blaͤſt 
täglih 8—900 Flafchen, das Hundert für 26 Sous (36 fr.) (Moreau 
de Jonnès.) — Lütticher Ziegelftreiher; wenn ihrer 8 fih in die 
Hand arbeiten, bringt jeder 6000 Stüd täglich zu Stande. — Bei 
Berchtesgaden bringen 4 Knaben wöchentlich 2000 Eleine runde Schach: 
teln fertig; 1 Mann macht mwöcentlih 70—80 Einfäge von länglichen 
Schachteln zu 8 Stüd und zu 3 fr. 


() A. Smith a. a. D. erzählt, wie die Dampfmaſchine durch einen 
Knaben, der der langweiligen Beforgung der Bentile überhoben fein 


9* 


(d) 


(e) 


(02 


Nr 


— 12 — 


wollte, vervollkommnet worden iſt. Dieß ſcheint bei der Dampfmaſchine 
von Newcomen Statt gefunden zu haben, und Brighton wird ale 
derjenige genannt, der die Lenkung der Ventile mittelft einer vom Wag⸗ 
baum herabgehenden Stange angebradht bat, Severin in den Ab: 
hanblungen d. K. techn. Deput. 7 Gewerbe, I, 21. (Berlin, 1826.) — 
Diefem Beilpiele kann ein ähnliches an die Seite gefeßt werden: Gin 
armer Knabe, mit der Beforgung einer zur Beleuchtung dienenden Gas: 
flamıne beauftragt, mußte bdiefelbe oft wieder anzünden, wenn fie der 
Luftzug bei Deffnung einer nahen Thüre verlöfchte. Er gerieth dadurch 
auf die Erfindung, einen Spiraldraht über der Flamme anzubringen, 
welcher glühend wird und bdiefelbe wieder entzündet, wenn fie verliicht. 
Dingler, Polytehn. Journ. XII, 532. — Die ermübende Beſchaͤf⸗ 
tigung des Berechnens vieler ähnlichen Aufgaben, 3. B. des Flächen: 
inhaltes der gemeflenen Brundftüde, Bat verfhiedenen Rechnungs: 
mafchinen bie Entflehung gegeben. — Hicher würde aud der Pflug des 
Brangs zu zählen fein, wenn man ihn für eine erhebliche Verbeſſerung 
halten dürfte. Doc find die wichtigſten technifchen Erfindungen nicht 
von Handarbeitern gemacht worden. 

Diefer Umftand verbindet fih Häufig mit dem in Nr. 3 angeführten, 
z. B. bei der Delprefle, die nach Gioja, (N. Prosp. I, 109.) für 
4000 Yamilien arbeiten fann, wenn Jemand fih ganz mit ihr be: 
fhäftigt. Ein Hirte wartet fo leicht eine größere Heerde (bis zu einer 
gewiffen Graͤnze) als eine Fleinere. Bei vielen chemifchen Gewerken 
richtet fih Die Arbeit wenig nach ber verarbeiteten Quantität. Die 
Theilung der Beichäftigungen bewirkt zugleich neben der Arbeitserſpa⸗ 
zung einen viel geringeren Gapitalaufwand ; fo wird 3. B. Brod und 
Bier wohlfeiler in Gemeinde⸗ oder Privat: Bädereien und Brauereien 
erzeugt als in den einzelnen Haushaltungen. 


Babbage, Ueber Mafhinens und Fabrikweſen, deutſch v. Friede⸗ 
berg, 1833, S. 171. — Diefe Anordnung zeigt fi in vielen menſch⸗ 
lihen Beichäftigungen höchſt wirffam, indem fie es möglich macht, 
Menfchen von ausgezeichneten Fähigkeiten einen Wirfungsfreis anzu⸗ 
weifen, in dem fle am meiften leiften fönnen. 

Dies kann dur viele Beifpiele erläutert werden. Ad. Smith nennt 
als ſolche 1) das Nagelichmieten. Geſchickte Schmiede können, ihm 
zufolge, täglih 2300, ſolche, die nur bisweilen Nägel verfertigen, 
800—1000, folche Schmiede aber, die das Verfertigen der Nägel nie 
betrieben haben, nur 2—300 fertig bringen. — Die Verfertigung ber 
Schuhmadernägel geht am gefchwindeften, von ihnen fann ein ge: 
ſchickter Arbeiter täglih 3000 Stüd verfertigen, 3. B. zu Schönau im 
Odenwalde; 2) die Stednatelfabrication; 10 Arbeiter follen täglich 
48000 Stüd, alfo jeder 4800 verfertigen fönnen, während ein Arbeiter 
für fih allein, ohne alle Theilung, nur etwa 20 Stüd zu Stande 
brächte. — Smith Hat nicht bedacht, daß in diefem Yalle doch die 
verichiedenen Verrichtungen nicht immer nur mit einem einzigen Drabte, 
fondern mit vielen gualeich vorgenommen werden, und baß auf biefe 
Weiſe die tägliche eiſtung noch ziemlich groß ſein kann. Rau zu 
Storch, III, 276. — Vergl. L. Say, Considor. 30., ff., wo auch 
egen die obige Angabe der Leiſtung der 10 Menſchen in der Fabrik 
Smeifel erhoben werden, und Schön, N. Unter. S. 56 — Die ver 
zinnten blechernen Löffel gehen durch etwa 30 Hände, und es giebt eine 
Eorte, von welcher 12 Stück für 20 Er. verkauft werden, v. Rees, 
Darftell. des Fabriks- u. Gewerbsw., III, 699. (Wien, 1824, 2te 9.) 
In Schönach (bad. Schwarzwald) wird das Dugend für 16—22 fr. 
verkauft und zwei Menſchen bringen täglid 6—8 Dutzend fertig. — 
In Sonneberg wurden 1000 Schiefergrifel für 40 fr. bie zu 1 fl. ver, 


— 133 —— 


fauft. und 360 Kindertrompetchen (ungemalt) für 1 fl. 30 kr., woraus 
auf die Schnelligkeit der Berfertigung zu fchließen iſt. — Aud die Zier- 
lichfeit und Wohlfeilheit der Berchtesgadener und Grödener Holzſchnitz⸗ 
arbeiten rührt von der weitgetriebenen Arbeitstheilung ber, v. Kees, 
III, 141. — Rad Say (Hanbb. I, 256.) werden von 30 Menſchen 
täglih 15500 Spielkarten verfertiget. 


$. 116. 


Durch die Arbeitstheilung entfteht erft bie oben ($. 7. 8.) 
betrachtete organifche Verbindung ber menſchlichen Tchätigfeiten, 
wobei biefelben einander wechfelfeitig bedingen und Jeder zur 
Befriedigung feiner Bebürfniffe der Anderen bedarf (a). Es 
fondern fi vermöge berfelben verfchiebene Stände der Befell- 
Ihaft und in jedem berfelben wieder mancherlei Arbeitözweige 
von einander, häusliche Verrichtungen werben zu felbfiftändigen 
Gewerben und diefe fpalten ſich wieder im Verlaufe der Zeit in 
mehrere (d). Diefe Einrichtung ift daher der größte und folgen- 
reichfte Sortfchritt, den ein Volk in feiner Entwidlung machen 
fann. Doc, giebt e8 für diefe Zertheilung und die davon hers 
rührende Bervielfältigung des Arbeitsertraged eine in der Natur 
ber verfchiedenen Befichäftigungen liegende ®ränze, indem jede 
von diefen aus einer beflimmten Zahl einfacher Verrichtungen 
befteht und hoͤchſtens ebenfo viele Arbeiter fi in die Hände 
arbeiten fönnen, ohne einander zu hindern (c). Auch kann nur 
bann eine ‘Berfon mit einer einzelnen Verrichtung ausſchließlich 
befchäftigt werden, wenn biefe fich ohne Unterbrechung fortfegen 
läßt (d) und wenn es für daß große hiedurch entſtehende Er» 
zeugniß nicht an Abfag fehlt (e). | 
(a) Der Taufh Hat feine hohe Nüsplichkeit für die Volkswirthſchaft Haupt: 


ſaͤchlich als die Bedingung, unter der allein die Arbeitstheilung fi 
erhalten Fann. 


(6) Es liegt ſchon im Weſen der Arbeitstheilung, daß bie vereinzelten Be: 
Ihäftigungen nach einem gewiflen Plane ineinander greifen müflen, um 
ihren vollen Nugen zu leiften. Wie in einer großen Fabrik die Ber: 
richtungen der Arbeiter von einem Vorſteher fo geleitet und berechnet 
werben müflen, daß fie fih in richtigen Verhältniſſen unterflügen und 
ein großes Geſammterzeugniß liefern, wie in einer zahlreihen Yamilie - 
eine ähnliche Bertheilung der Geichäite mit Bortheil angeordnet wird, 
fo können audy mehrere von einander unabhängige Menichen ſich wechſel⸗ 
feitig beiftehen. Solche Verbindungen find nicht blos auf die getheilten 
Arbeiten beichränft, fie können eben fo gut bei gleichartigen Thatigfeiten 
vorfommen, die durch mwohlüberlegtes Zufammenwirfen einen größeren 
Erfolg verurfahen. So bilden ſich von felbft temporäre @efellichaften 
von Holzhauern in den Waldungen, Holzflößern, Schnittern, und 


— 134 — 


manche andere Zwecke würden durch aͤhnliche Vereinigungen am beſten 
erreicht werden. Auf dieſe Verbindung der Arbeiten hat Gioja 
beſonders aufmerkſam gemacht, Steinlein, I, 317. 


(c) Hiebei iſt auch der für jede Verrichtung erforderliche Zeitaufwand Kin 
berüdfichtigen. Wenn ein gewifles Gewerbe in ſechs Arbeiten zerfällt, 
von denen die eine dreimal foviel Zeit erfordert, eine andere zweimal 
foviel als die übrigen, fo müflen zu einem guten Betriebe neun oder 
achtzehn Arbeiter ıc. angeftellt werden. 


(d) Aus diefer Urfache laſſen die landwirthſchaftlichen Arbeiten Feine fo weit 
Kur Theilung zu, als die Gewerke, zumal auf Eleinen Landgütern. 
aer, Rationelle Landwirtbfch. I, 111. 


(e) Daher geht die Theilung in ſtark bevölferten Ländern und großen Städten 
am wmeiteften. Befondere Läden für Gegenflände, die zur Trauer ge: 
ören. Befondere Hundes und PferdesHaldbandmader, Tintenfagmacher, 
acknadelmacher u. dgl. in Birmingham, Kohl, Keifen in England 

und Wales, I, 13 (1844). 


8. 117. 


Eine ſehr weit getriebene Arbeitötheilung hat zu manchen 
Beforgniffen für den Zuftand der Arbeiter Anlaß gegeben (a), 
wobei man theild die Abhängigkeit des nur an eine einzelne 
Verrichtung gewöhnten Arbeiterd von feinem Lohnherrn, theils 
bie nachtheilige Wirkung auf feine geiftigen Anlagen und feine 
förperliche Ausbildung geltend machte. Diefe Beforgnifle zeigen 
fich meiſtens als unbegründet oder übertrieben und werben wenig⸗ 
ftend im Ganzen durch die großen Vortheile diefer Einrichtung über: 
wogen. Die Gejchidlichkeit der Arbeiter ift nicht leicht fo höchft 
einfeitig wie man ed ſich vorgeftellt hat. Doch giebt es manche 
Beichäftigungen, welde durch ununterbrochene Hortfegung ber 
Gefundheit nachtheilig werben, 3. B. Schleifen von Nadeln und 
anderen egenftänden, Bergolden, Wollfchlagen; auch können 
manche „Arbeiten allerdingd wegen ihrer Einförmigfeit faft ge- 
dankenlos getrieben werden, fo daß fie den Menfchen ftumpf und 
zu anderen Verrichtungen unbraudhbar machen. Dieß tritt be- 
fonderd dann ein, wenn bie Arbeiter fchon im Kindesalter zu 
einem folchen Gefchäfte angehalten werden, wodurch fie die Faͤhig— 
feit zu anderen Erwerberbözweigen verlieren. Dagegen koͤnnen 
Geſchaͤfte diefer Art auch am leichteften den Menfchen abge: 
nommen und mit Hülfe anderer Kräfte ausgeführt werben (d). 


(a) 3. B. Luden, Handbuch der Staatsweisheit, I, 6. 85. 


(6) Bertheidigung der Arbeitstheilung gegen obige Vorwürfe bei Say, 
Handbuch I, 278. (gegen Lemontey) und Bernoully, Schweiz. 
Ardiv, U, 51. 


— 135 ° — 


8. 118. 


Die Einführung und Erweiterung ber Arbeitstheilung erfordert 
in den meiften Fällen ein größeres Capital in den Händen ber 
einzelnen Unternehmer, wenn nämlid 1) in einem gewifien Ges 
werbe bie vorkommenden Berrichtungen vollfommener als biöher 
vertheilt werden follen und hiezu die Anftellung einer größeren 
Arbeiterzahl erforderlich ift, was dann auch die Anfchaffung 
mehrerer Mafchinen, Werkzeuge, Materialien 2c. nöthig macht, 
oder wenn 2) eine bisherige Hülfsverrichtung fich zu einem 
felbftftändigen Gewerbe audfcheidet, deſſen Beginn nicht ohne 
einen neuen Capitalaufwand von Seite bed Unternehmers mög” 
lich ift (a). Indeß erfparen hierbei auch wieder diejenigen Ge⸗ 
werböleute, weldye das Erzeugniß ded neuen Gewerbes bisher 
felbft fertigen laſſen mußten, ihre hiezu verwendeten Capitale 
und fönnen biefelben ganz ihrem Hauptgefchäfte widmen ober 
anderweitig anlegen. Wenn. diejenigen, welche zu einer folchen 
neuen Theilung der Gefchäfte Gelegenheit und Neigung haben, 
unbegütert find und nicht von den Eapitaliften unterftügt werben, 
jo kann hierdurch die Einführung der vortheilhafteften Art des 
Gewerböbetriebed verhindert werben (b), (c). 

(0) 3. B. die abgefonderte Verfertigung ber verfchiedenen Beflandtheile 
einer Taſchenuhr. So werben neuerlich bie einzelnen inneren Theile 

(fournitures), 3. B. Räder, Federn, Spinbeln, Ketten — ferner rohe 

zufammengefepte Gehwerke (&bauches, mouvemens), Zifferblätter, Zeiger, 

meſſingene Schlüffel, ſtaͤhlerne Schlüffelröhren, ®ehäufe, von verfchiedes 
nen Unternehmern gefertigt, was mit Hülfe von manderlei Mafchinen 
weit wohlfeilee und befler gefchieht. ale zuwor, v. Kees, Darftell., 

UI, 735 ff. — v. Kees u. Blumenbach, Syftem. Darft. II, 542. — 

Bei der Uhrmacherei im Schwarzwalde giebt es auch befondere Gehaͤus⸗ 

mader, Scilddreher, Schildmaler, Kettenmaher, Glockengießer. — 


Bereitung von Beizen und Pigmenten zum Kattundrud in eigenen 
Fabriken, abgefonderte Bereitung des Chlorkalfes für Bleicher und dgl. 


(5) Das Zufammenmwirken mehrerer Unternehmer kann die Befchränftheit des 
Capitals eines jeden einzelnen unfhäblid machen. In England kann 
. DB. der Bierbrauer das Malz von dem Walzer kaufen und der Tuch⸗ 
ereiter Fauft das Tuch von dem Weber. 

(c) Die in $. 110, 2) erwähnten äußeren Umftände, von denen das Arbeits⸗ 
erzeugniß zum Theile abhängt, nämlih das Bapital, und zwar vors 
züglic bie Raſchinen und der Abſatz werden in $. 1284., 122 und 

a. erklärt. 


-— 136 — 


Bierter Abſchuitt. 
Grundflüke als Güterqnellen. 


$. 119. 


Die gütererzeugenden Kräfte bebürfen Förperlicher, ſchon in 
menfchlicher Gewalt befindlicher Hülfsmittel (8. 85, 2), zu denen 
vor Allem der von einem Bolfe in Befig genommene Theil der 
Oberfläche, dad Land gehört, defien einzelne Abfchnitte Grund⸗ 
ftüde heißen. Wie ſehr durch eine Menge gut bejchaffener 
Grundftüde die Hervorbringung unterftüßt und folglich ber 
Wohlſtand des Volkes befördert wird, dieß ergiebt fich leicht, 
wenn man näher erforfcht, was bie Grundftüde für die producs 
tiven Sräfte leiften (a). 

1) Viele Naturfräfte Außern fi) nur in oder auf dem Erb- 
boden. 

a) Die Gewinnung organifcher Körper ($. 86. 87.) erfordert 
Zändereien, deren Bodenmiſchung und andere Eigenfchaften in 
Verbindung mit dem Klima, dem Pflanzenbau und ber Thier- 
zucht guten Erfolg verfpredhen. Weite Flächen von guten 
Baulande haben daher für die Volfswirthfchaft Hohen Werth, 
während Flugſand, Yeldgrund und fleile Abhänge, Falte Berg- 
rüden, unbezwingliche Sümpfe, unfruchtbarer Heideboben ıc. bie 
Iandwirthfchaftliche Benutzung unergiebig machen (b). 

b) Auch andere Naturfräfte (c), vorzüglich bie Triebfraft 
des Waſſers und Windes (d), find an gewiffe Grundftüde ge- 
bunden. Fließende Gewäfler mit binlänglihem Gefälle und 
einer günftig befchaffenen Umgebung gewähren zur Betreibung 
son mandherlei Gewerben eine große Erleichterung (e), fchiffbare 
Gewaͤſſer aber äußern auf den Verkehr eines Volkes mächtigen 
Einfluß. Während Meeresfüften und gute Häfen den auswär- 
tigen Hanbel befördern, find große Fluͤſſe mit leichter Schifffahrt 
Belebungsmittel des Austaufches innerhalb des Landes (f). 

2) Auch die Arbeit hat Grundftüde nöthig, auf welchen fie 
vorgenommen wird und ihre Hülfsmittel und Erzeugniffe auf: 
geftelt werben (9). 


(«) 


(2) 


(e) 


(4) 


— 137 — 


Lehrreiche Betrachtungen über den Einfluß, den die Beſchaffenheit der 
Länder auf die Richtung des Gewerbfleißes übt, in Mendelsfohn, 
Das germanifhe Europa. Berlin, 1836. Ueber die Abhängigkeit der 
Huandelsrihtungen und der Wohnfige von der Naturform der Länder: 
Kohl, Der Berfehr u. die Anfledlungen der Menfchen. Dresd. 1841. — 
Ueber den Einfluß der Oberflähenform und des mineralifchen Baues: 
Gotta, Deutſchlands Boden, vorzüglich I, 581. 1853. 


Bei vielen Angaben über die Menge bes unbenupten Bodens in ver: 
fhiedenen Ländern bleibt es ungewiß, inwiefern das öde Land eines 
Anbaues fähig fei. Höhere Gebirge enthalten verhältnigmäßig das 
meifte nicht baufähige Land. In Frankreich betragen die öden Weide: 
pläße und Heiden 14 Proc. der ganzen Fläche, aber mit foldyer Ber: 
fhiedengeit der einzelnen Gegenten, baß man in den brei Pyrenäen: 
Depart. 43 Proc., in den beiden Nipen-Depart. und Morbihan 42, 
Eorfica 39, Gironde 33 Proc., dagegen im Dep. Nord und Somme 
nur 1,3 Proc., Aisne 1,5, Marne 2 Proc. findet. Nach neueren An: 
aben nimmt der Heideboden im Ganzen 10,7 PBroc., im Dep. Landes 
gar 78 Proc. ein. Das Dep. Oberalyen hat 45 Broe. ödes Ge: 
birgeland, Schnitzler, Statist. I, 149. (1846). — In der Schweiz 
nimmt Franſcini 64 Proc. als baufähig an. — In Scandinavien 
liegt gegen */s der ganzen Oberfläche über 2000 Fuß hoch, in Schweden 
allein nur !/s. Im den nörbdlichften Ländern von Schweden nehmen 
Ader und Wiefe nur 0,7? Proc., in Malmö-Län dagegen 56 Proc. ein. 
(Forſell). — Das öde Land in Baiern beträgt 4,? Proc. (Landw. 
Gentralblatt, 1837, ©. 593.) — In Schottland find 73 Proc. unge: 
baut, in den Grafſchaften Inverneß, Bertb, Roß und Sutherland 
80 Proc., auf den Hebriden Und Orcaden 94 Proc., Mac-Culloch, 
Stat. Acc. I, 538. Irland hat 36 Proc. Ödes Berg: und Moorland, 
Munſter allein 48 Proc. (ebd. 542.), doch Hält man neuerlih nur 
11,8 Proc. der Flaͤche von ganz Irland für unverbeflerbar. Auch 
England hat viel Moor: und Heideboden. — Im europäifchen Rußland 
beträgt das unbenugte Land fammt den Baupläßen 34 Proc. der ganzen 
Fläche, in der Provinz Wiatka nur 0,6, Niſchnei-NRowgorod 2,6 Proc., 
dagegen Aftrachan 96, Finnland 74, Archangel 62 Proc. Tego- 
borsky, I, 80. Der böhft frudtbare Humusboden (Tſchornaſem) in 
Südrußland nimmt 17259 D. M. oder 18 Proc. des ganzen Landes 
ein. Erdmann, Soum. f. prakt. Chemie, XL, 277. de Tego- 
borsky, I, 42. — In Flahländern können 4, der Oberfläche ale 
Garten⸗, Nder: und Grasland benutzt werden, 3. B. in Oftflandern 84, 
Mefflandern und preuß. Sachſen 83 Proc. 


Manche Biere follen der eigenthümlichen Befchaffenheit des Waflers an 
gewiflen Orten ihre Güte verdanken. — Die Schönheit der Lyoner 
Seidenzeuche wird zum Theile (ob mit Recht?) dem Wafler der Saone 
zugefchrieben. — In China beförtert der trodene Nordwind (Packfung) 
die Schönheit und Haltbarkeit der Farben auf den Seidenzeuden, Be- 
vue encycel. Juin 1830, ©. 670, nad Dobell. 


Holland würde feine vielen Säge:, Del: und Getreidemühlen nicht 
haben fönnen, wenn nicht die Ebenheit des Landes und die Nähe des 
eeres die Wirkung hätten, daß man im größten Theil der Zeit auf 
binreihenden Wind rehnen fann. So erhalten Blachländer einigen 
Erſatz dafür, dag fie weniger Bäche und ftarkfallende Ylüffe haben. 
Deutihland hat in feinen vielen Berg- und Hügelgegenden eine Zülle 
von Waflerfräften, wegen deren man weniger Dampfmafginen noͤthig 
hat. Die kunſtvollſte Benutzung des fließenden Waſſers zeigen Berg: 
werfsgegenden, 3. B. der Harz. Das ehemalige Herzogtum Berg 


bat nah Egen auf 24 Stunden Länge der fließenden Gewaͤſſer 600 
Triebwerke mit etwa 4000 Pferbefräften. 


Die Größe und Richtung der fchiffbaren Bewäfler hat nicht blos für 
den Verkehr, fondern auch für die Anfleblungen, Wanderungen, fogar 
für die Staatenbildung Wichtigkeit. Der Befig eines ganzen Strom: 
gebietes ift von großen Vortheilen für das Volk, da die den oberen 
Lauf eines Stromes einf&ließenden Gebirge hauptfächlich den Reichthum 
mineralifher Stoffe enthalten, die mittleren Gegenden aber und ber 
untere Lauf fammt der Küfte für Landbau und Handel günftiger find, 
und die Verbindung dieſer verfchiedenen Höhenflufen eine Mandhfaltig- 
keit von Erzeugniſſen der Natur und Kunft zur Folge zu haben pflegt. 
Ein großes Stromgebiet in einem Staate giebt der Volkswirthſchaft 
innigen Zufammenbang, aud der Befitz mehrerer gene Stromgebiete 
it vorteilhaft, befonders wenn fie fo niedrige Waflerfcheiden Daben, 
daß fie leicht durch Canaͤle verbunden werden fönnen, und wenn fie 
fih nad verfchiedenen Meeren fenfen, 3.38. in Rußland und Frankreich ; 
vol. (v. Zylander) Die Erbbeziehung der Staaten. Münd. 1821. — 
Frankreich hat 139 ſchiffbate Flüſſe und 1620 geogr. Meilen größere 
Ströme, nebft 1500 Meilen Kuͤſte. — Die tiefen PMeerbufen geben 
Europa eine große Erleichterung des Verkehrs. 


(0) Berkftätten, Arbeitspläge für Seiler, Zimmerleute, Steinhauer, Köhler ıc., 
Trodenpläge, Bleichen. 


U 


uf 


$. 120. 


Viele Grundftüde find auch darum als eine Güterquelle an⸗ 
zufehen, weil fid in ihnen fchon mandherlei nugbare Stoffe vor; 
finden, die nur einer Abtrennung bedürfen (a). Es find dieſes 
größtentheild Mineralkörper, die bei den früheren Veränderungen 
ber Erdrinde in derſelben abgelagert worden find. Diefe Vor⸗ 
räthe werben daher durch das Herausnehmen (Gewinnung) von 
einem Jahrhundert zum andern weiter vermindert, fie find bie 
und da ſchon erfchöpft worden, und es ift beghalb eine noch 
vorhandene Fuͤlle folcher Stoffe innerhalb eined Landes ein 
fehr günftiger Umftand (5). Gebirge find hierin reicher als 
bie Ebenen und vergüten fo ihre geringere Tauglichkeit zum 
Landbau. Die werthvolften Mineralkörper find die zu ben 
nöthigften Dingen verwendbaren Metalle, vorzüglidy Eifen, fer- 
ner Kochjalz und Brennftoffe, die nicht allein den Lebensunter⸗ 
halt und den Betrieb vieler Gewerke erleichtern, ſondern auch, 
indem fie Waldungen entbehrlich machen, eine Erweiterung bed 
Feldbaues und dadurch die Erzielung einer größeren Dienge 
von Nahrungsmitteln geftatten (ec). 


(a) 86 gehören hieher unter andern die Mineralwafler, — bie Quellen von 
Steinöl u. dgl. 

(5) Die geognoftiihe Beichaffenheit eines Landes hat in mehreren Be: 
ziehungen für die Volkswirthſchaft große Bedeutung. 


— 189 — 


(e) In der Nähe der Steinkohlengruben ſiedeln fich leicht verſchiedene Ge⸗ 
werde an, welche die Kohlen benugen. Schon Franklin ſagt: 
„Steinfohlen und Ganäle haben England zu dem gemadht, was e6 
iſt.“ Bin befonders günfliges Zufammentreffen ift es, daß an manchen 
Stellen in Großbritanien die Bifenberge und Steinfohlen übereinander 
liegen und bisweilen noch dazu der für das Ausfchmelzen nöthige Kalf. — 
In Großbritanien nehmen die Koblenlager 0, in Belgien !/ss bes 
Landes, in Preußen Yo, in Branfreih 1 Proc. ein, in den nord: 
americanifchen Freiftaaten nady neueren Angaben gegen A Proc. Das — 
Kohlenfeld von Durham u. Northumberland ſoll gegen 36 geogr. Q. M. 
groß fein und 6000 Mill. Tonnen (zu 2031 deutſchen Zollpfunden) 
enthalten, welche auf 1727 Jahre bei der gegenwärtigen Ausnugung 
zureihen. Im füblichen Theile von Wales ıf eine Koblenflädhe von 
etwa 56 geogr. Q. M. bei einer Mächtigkeit der Koblenflöge von 100 Fuß, 
fo dag die D. M. 679 Mil. Tonnen in fi fchließt und dieß Lager 
allein anglanb 2000 Sabre verforgen könnte (Balewell, Taylor.) 
Das Koblenfeld im Gebiete des Elyde in Schottland hat 84 Ylöpe 
übereinander von 200 Fuß Mächtigkeit auf 72 geogr. D. M. Fläche. 
Die britifhe Kohlengewinnung wurde 1854 auf 64%; Mill. Tonnen 
angefchlagen, wovon 1855 4'764000 T. ins Ausland gingen. Es 
wurden alfo an 60 Mill. T. oder gegen 1200 Mill. Etr. im Lande 
verbraudt. Das Erzeugnig mag an der Grube zu 15 Mill. 2. St., 
am Berbrauchsorte zu 28 Mill. geist t werden. Wenn nun 12 Etr. 
Steinfohlen einer preuß. Klafter Nadelholz gleichgeieht werden oder ber 
daraus zu gewinnenden !/; Ki. Kohlen, und der Holzertrag auf dem 
Morgen 3/5 Kl. beträgt, fo wären, um eben foviel Brennftoff an Holz 
5 gewinnen, 7754 D M. Wald nöthig, melde 1%/5 mal die ganze 

berfläche des Brit. Reihe in Europa einnehmen würden! — In 
Preußen wurden 1856 über 441/, Mill. Tonnen (zu 3% Etr.) Stein: 
kohlen ap. monnen. — In Frankreich wird das Erzeugniß für 1846 auf 
89/5 Mill. Ctr. angenommen. — DOefterreih gewann 1847 gegen 
14,7 Mill. Etr. Steins und Braunfohlen, könnte deren aber weit mehr 
aus den vorhandenen Lagerftätten beziehen. — In Belgien war ber 
Ertrag ber a im Durchſchn. 184650 106%, Mill. Str. 
— 45). MiN. Fr. Nordamerica if fehr reih an foflilen Brennftoffen, 
von denen neuerlich gegen 152 Mill. Etr. jährlich gefördert werden, 
— aud Spanien in Afturien. 


Fünfter Abſchnitt. 
Das Enpital. 


I. Einleitung. 


8. 121. 
Soll die Arbeit viel hervorbringen und von ber Mitwirkung 
ber Naturfräfte Vortheil ziehen, fo ift dazu ber Beiftand des 
Capitaled (a) erforberlih, g. 51—54. Diefes ift zwar für 


fi) allein nur ein todtes Hülfsmittel, wird aber in Berbindung 
mit jenen Kräften ein ſehr wirkſames Beförderungsmittel ber 
Gütererzeugung. Ohne Capital würde ber fruchtbarfte Boden, 
das günftigfte Klima, die größte Gefchidlichfeit und Beharrlich⸗ 
feit der Arbeiter nur wenig zu Stande bringen. Berbefferungen 
im Betriebe ber Stoffarbeiten, 3. B. weitere Theilung ber Bes 
Ihäftigungen, Einführung neuer Mafchinen ıc., find ebenfo wie 
eine weitere Ausdehnung jener Arbeiten durdy ein zureichenbes 
Capital bedingt ($. 118), und jede Vergrößerung des Geſammt⸗ 
Eapitaled eined Volkes (ded Nationalcapitalesd) zieht 
daher eine Vermehrung des Volkseinkommens nad) fih. Die 
Macht des Capitales zeigt ſich wie bei ganzen Bölfern, fo aud) 
in der Rage der einzelnen Gewerbsleute. 


(«) A. Smith, U, 1. ff. — Say, Handb. I, 164. — v. Schlözer, 
Anfangsgründe der Staatew. I, 16. — Stord, I, 131. — Her: 
mann, Untef. ©. 43. — Mehrere Schriftfieller rechnen die Grund: 
ftüdle zu den Gapitalien. Dieß feßt eine weitere Ausbehnung des Be⸗ 
griffs vom Capital voraus, als es der Sprachgebrauch geftattet, auch 
müßte man dann doch ſogleich wieder die beweglichen (eigentlichen) Ca⸗ 
pitale von denen, welche Theile der Erdflaͤche find (den Grundſtuͤcken), 
unterfcheiden, denn beide verhalten fih in vielen Beziehungen ganz 


verschieden. 


8. 122. 


Das Capital muß bei feiner Anwendung für einen Zweig 
ber Hervorbringung zum Theil verzehrt oder ausgegeben werben. 
Die neu entfiehenden Güter vergüten bei gutem Betriebe und 
Erfolge des Gewerbes diefe Aufopferung volftändig und fogar 
noch mit Gewinn. Indeß ift das verzehrte und auögegebene 
Capital fo lange für den, der ed anwendete, gebunden und zu 
jeder anderen Benutzungsweiſe unbrauchbar, bis ed durch das 
neue Gütererzeugniß wieder erfeßt worden ifl. Diefes dient 
zum Theil für den eigenen Gebrauch des Gapitalbefigerd, zum 
Theil läßt es ſich vermittelft des Tauſches in andere Güter 
umfeßen, welche wieder bei einer neuen Production ald Capital 
benugt werden Ffönnen. Das Vertauſchen eines Gutes gegen 
andere, die den Abfichten des Verkäufers entfprechen, d. h. einen 
höheren concreten Werth für ihn Haben, oder der Abſatz ift 
folglih das Mittel, das aufgewendete Gapital zu beliebigem 
Gebrauche wieder herzuftellen. Ohne Abfa würde das Capital, 
wie groß es audy fein möchte, gelähmt und erfchöpft werben. 


— u — 


Je fchneller der Abſatz erfolgt, deſto rafcher können bie hervor 
bringenden VBerrichtungen betrieben werben, und die Größe des 
in einem gewiflen Zeittaume zu erwartenden Abfages beftimnit 
zugleich die mögliche Ausdehnung der Production, fo wie bie 
Gelegenheit, Kunſtmittel anzuwenden, die nur bei einem gewiflen 
Umfange des Gefchäftes Vortheil bringen. 


1I. Beftandtbeile und Arten des Eapitale®. 


8. 123. 

Um fowohl die Unentbehrlicykeit und Nüslichfeit ded Capi⸗ 
tales, als die Art des Beiftandes, den es zur Vermehrung des 
Vermögend leiftet, deutlicher zu erkennen, muß man zunächft bie 
Stoffarbeiten und den Handel abgefondert betrachten und das 
Eapitalbepürfniß beider zergliedern. 

Die Stoffarbeiten bezweden eine Förperliche Veränderung 
in dem ®ebiete der Sacdhgüter, durch welche eine größere Werths 
menge enifteht. Hiezu wird erfordert: 

I. ein Stoff, in dem die Veränderung vorgeht; 

I. eine Urſache der Veränderung, d. h. eine Kraft, deren 
Erfcheinen und Fortdauern großentheild von einer Anwendung 
gewiffer Sachguͤter bedingt wird; 

IH. eine Einwirfung der Kraft auf den Stoff, welche eben- 
falls durch fachliche Hülfsmittel befördert werden muß. 

Hieraus ergeben ſich drei Elaffen von apitaltheilen. Die 
große Verſchiedenheit zwifchen den einzelnen Zweigen ber Stoff- 
arbeiten und die Mandhfaltigkeit der in jedem derſelben vorkom⸗ 
menden Zwecke und Mittel macht eine Durchführung biefer Ein- 
tbeilung ſchwierig, doch lafjen fich für ben volfswirthfchaftlichen 
Meberblid gewiffe Hauptgruppen anordnen, wenn auch zwiſchen 
ihnen manche Uebergänge und Mittelgliever beftehen mögen. 


6. 123a. 

I. Sachguͤter, an denen fid) die Arbeit und die NRaturfräfte 
äußern, und aus denen ſich das neue Erzengniß bildet, können 
Berwandlungsftoffe genannt werden (a). Sie find zu 
jeder körperlichen ‘Production nothwendig, nur nicht immer als 


— 142 — 


Gapitale, indem fie fi in manchen Fällen gar nicht in menſch⸗ 
lihem Vermögen befinden, fondern aus herrenlofen Maſſen ges 
zogen werden, in anderen Fällen aber in dem Erbboben ent 
halten find und baher Beftandtheile der Grunpftüde bilden, wie 
bei der Mineralgewinnung (db). Dagegen ift in der Landwirth⸗ 
haft (c) und ganz vorzüglich in den Gewerken ein aus Ber 
wandlungsftoffen beftehender Capitalvorrath unentbehrlih und 
bie Größe des neuen Gütererzeugnifies, räumlich bemeffen, richtet 
fi) nad) der Menge verwendeter Stoffe diefer Art, außer info- 
fern man durch Verhütung von Berluften etwas an bem Be- 
barfe erfparen fann. Die Verwandlungsftoffe find entweder in 
ihren natürlichen Zuftande (rob), oder fhon durch Kunft ver- 
ändert (verarbeitet) (d). 


(0) Mutitres promidres nah Storch, 1,153. — Berwandlungsgegenflände 
nah Sr. Buguoy, Natıonalm. ©. 6. 269. 


(a) Seefiſche, Zugvögel als Gegenſtand der Jagd, — die Waldbäume und 
Weidepflangen ziehen ihre Nahrung ohne Düngung aus der Luft und 
dem Moden, 

(r) GSaatkorn, Düngemittel, Butter des Nutzviehes, auch das zum Schlachten 
deſtimmte Wieh ſelbſt. 


(4) Deſthalb IN ee unrichtig, die Verwandlungéſtoffe überhaupt Rohſtoffe 
6 nennen, wie es neuerlich oͤfters geſchieht. — Nach der erforderlichen 
Nenge kann man wieder Haupt⸗ und Nebenſtoffe unterſcheiden. 


§. 124. 


Ul. Mittel, um Kräfte hervorzurufen und zu un— 
terhalten, von denen bie in ben Stoffen beabfichtigten Wir- 
fungen audgehen. 

1) Bei den natürlihen Kräften ift 

a) für bie Arbeitsthiere Nahrung, Arznei u. dgl. erforderlich, 

b) für viele andere Kräfte ein Verbraudy von Stoffen, bie, 
ohne in das neue Erzeugniß felbft einzugehen, boch die Ent- 
ſtehung deſſelben befördern. Die in der größten Menge nöthigen 
Dinge diefer Art find die pflanzlichen und mineralifchen Brenn- 
ftoffe, welche in allen denjenigen Fällen zu dem Capitale zu 
rechnen find, wo bie aus ihnen ſich entwidelnde Wärme zur 
Erzeugung gewiffer Sachgüter unmittelbar oder mittelbar, 3. 2. 
durch Heizung von Dampfmafchinen, beiträgt. Außerdem können 
viele andere fowohl rohe, als verarbeitete Stoffe hieher gezählt 
werben, mit denen bald eine Beränderung in ber chemifchen 


— 1443 — 


Befchaffenheit und ben phyſiſchen Eigenfchaften, bald eine Um⸗ 
geftaltung durch eine Bewegung verurfacht wird (a). Mag es 
auch bisweilen wegen der Unvollfommenheit unferer Natur: 
fenntniffe noch zweifelhaft fein, ob ein Körper in diefe Abthei⸗ 
lung, ober zu den Verwandlungsftoffen gehöre, fo beweift dieß 
doc, nichts gegen die Richtigfeit des Unterfchiedes felbft (d). 

Die zu diefen Zweden dienlichen Sachgüter, die Hülfs— 
ftoffe (c), können öfterd durch andere wohlfeilere erfegt und 
ed kann dadurch viel an den Koften erjpart werden, wozu ſich 
bei den Berwandlungsftoffen feltener Gelegenheit barbietet. 


(a) Bgl. $. 90. — Chemiſch wirkend find 3. B. Stoffe zum Bleihen ber 
Zeude, zum Reinigen bes Leuchtgafes, Bährungsmittel, Schwefelfäure 
zum Reinigen des Dels, Mittel zum Gerinnen einer Fluͤſſigkeit, Beizen 
des Saatkorns zur Zerftörung de6 Brandes, Kalk zum Gnthaaren 
ber Kelle, Kochſalz zum Tödten der Infecten im Boden, QDuedfilber 
zum Herausziehen des Goldes aus Erzen, Kohle zum Entfärben bes 
Zuderfaftes m. — durch phyſifche Gigenfchaften wirfenn: Schlichte 
zum Steifen der Kette auf dem Webftupl, Bett zum Geſchmeidigmachen 
der Wolle, Schmieren bei Mafchinen; Schießpulver erzeugt eine be- 
wegende Kraft ıc. 


(6) 6Es ift 3. B. die Wirkung mancher Düngemittel noch ftxeitig. 
(ce) Materiaux nah Storch a. a. D. 


6. 125. 


2) Die menfhliche Arbeit erfordert ebenfalls bie Bes 
nugung ſchon vorhandener Sadjgüter zu Unterhaltsmitteln, die 
theild für Nahrung, Yeuerung, Beleuchtung ıc. ſchnell verzehrt, 
theild als Kleidung, Zimmergeräthe ıc. langſamer abgenüßt 
werden, theild ald Wohnung fehr lange dauern. Die Bebürf- 
niſſe des Arbeiterd erheifchen unausgefegt diefe Anwendung von 
Sacjgütern, und dem Sklaven müſſen biefelben nothwendig 
von dem Eigenthümer bargereicht werden, wie bem Alrbeitd- 
thiere, es ift alfo Hiezu ein Capital nothwendig, welches befto 
größer fein muß, je langfamer die Arbeit ein Erzeugniß licfert 
und dadurch die Auslagen vergütet. Daffelbe gilt für einen 
Theil des Unterhaltsbedarfes von ben durch einen Lohnherrn 
in Koft, Wohnung ıc. genommenen freien Arbeitern. Anders ift 
es bei bezahlten Arbeitern, weiche häufig aus eigenem Bermögen 
eine Zeit lang ihren Unterhalt beftreiten und erft nachher im 
Lohne den Erfag dafür empfangen. Könnte dieß erſt dann ges 
ſchehen, nachdem das Arbeitöerzeugniß ſchon verfauft und bezahlt 


— 14 — 


iſt, ſo hätte der Lohnherr gar Fein Capital auf Lohn zu vete 
wenden nöthig, weil er diefen aus dem Ertrag nähme. Dieß 
if felten der Fall, weil der Arbeiter nicht leicht fo lange warten 
fann, aber es ift bemerfenswerth, daß fich für ben Lohnvorſchuß 
nicht ebenfo wie für die anderen Theile des Capitalaufwandes 
ein in der Ratur jedes Productionszweiges liegendes (technifches) 
Maaß angeben läßt, weil e& darauf anlommt, wie viel Bers 
mögen ber Arbeiter in der Hand bat und nach welchen Zwiſchen⸗ 
zeiten er gelohnt werben muß. Hat er fi einmal längere Zeit 
zu erhalten vermocht, fo fest ihn dann die flärfere Lohneinnahme 
in den Stand, daffelbe zu wiederholen. Der Lohn ift demnady 
ein Sinfommen des Arbeiters, welches meiftend aus dem Capi⸗ 
tale des Lohnherrn vorgeichoflen wird, fei es in Geld oder in 
den Genußmitteln felbft (a). Diejer Theil des Bapitaled hat 
ferner dao @igentbümliche, daß er neben feiner hervorbringenden 
Wirkung zugleich Mitglieder des Volkes unmittelbar erhält und 
ibnen Götergenuß verfchafft, S. 71. a. Wenn ber Arbeiter von 
feinem Lohnherrn beherbergt wird, fo begreift defien Lohncapital 
auch Theile von lange bauerndem Gebrauche, wie Wohngemädher, 
Wetten ıc. (Bd). 


(m) Wine abweichende, nicht in Kürze zu erflärende Anficht, nach welcher 
der Lohn nicht zum Gapitalaufwande im engeren Sinne gehöre, intem 
er aus dem fertigen Producte bezahlt werde, ift entwidelt bei Rod⸗ 
bertus⸗Fagetzow, Zur Grfenntnig unferer ſtaatswirthſchaftl. Zus 
fände I, 14 ff. Indeß räumt der Verf. ein, daß der Unternehmer 
einen in Geld beftehenden Fond zur einftweiligen Bezahlung der Ar: 
beiteer haben müfle, und daß bdiefer Fond zum Gapitale im weiteren 
Sinne gehöre. Bol. auh Schön, N. Untef. S. 65. 

(5) Diejenigen Schriftfteller, welche den Begriff der Production auch auf 
bie berföntichen Güter ausdehnen, müflen aud die Genußmittel zum 
Gapital rechnen, $. 51 (e). | 


$. 125. 

II. Werfzeuglihe Hülfgmittel find folche Theile des 
Capitales, weldye die Wirkung der Kräfte auf die Stoffe fort- 
dauernd unterflügen (a). Dieß kann auf bie mandhfaltigfte 
Weife gefchehen, wie es bie Verfchiedenheit der Kräfte und ber 
beabfichtigten Wirkungen mit fidy bringt, Doch fommen jene Hülfs« 
mittel unter einander darin überein, daß fie als Begleiter der 
Kräfte mit diefen in Verbindung bleiben und durch fortdauerns 
ben Gebrauch, nicht wie die Verwandlungss und Hülföftoffe 


— 15 — 


durch ihre Verzehrung nügen, weßhalb ihre Abnuͤtzung nur als 
ein unvermeidliches Uebel, nicht ald eine Urfache in der Wirk 
ſamkeit anzufehen if. Dahn gehören: 

a) Bauwerfe, ald Ställe, Scheunen, Vorrathsräume, 
Werfftätten, Grubengebäude zum Bergbau, Schleußen zur Bes 
wäfferung, Brunnen, Keller; 

b) Arbeitöthiere; 

e) Gewerbögeräthe, und zwar 

a) Geräthe unbeftimmter Art, zu vielerlei Ber- 
richtungen und technifchen Zweden brauchbar, 3. B. 
Tifche, Behälter, Geftelle, Gefäße, Säde ıc. 

P) Chemifhe Vorrichtungen, zur Veränderung in 
ber Mifchung der Stoffe dienend, 3. B. Oefen, Heerbe, 
Keſſel, Deftilirgeräthe, Schmelgtiegel, Gährgefäße u.bgl. 

y) Hülfsmittel zu medhanifchen Verrichtungen, 

wohin man rechnet: 

aa) Werkzeuge, einfache Mittel zur Unterſtuͤtzung 

der menſchlichen Kraftaͤußerung, alſo mit dem Ar⸗ 

beiter unmittelbar in Beruͤhrung ſtehend. Ohne 

ihren Beiſtand würde der Menſch auf feine Glied⸗ 

maßen befchränft fein, mit denen er überaus wenig 
auszurichten vermöchte (6); 3. B. Mefler, Bohrer, 

Hammer, Säge, Beil, Grabfcheit, Drefchflegel, 

Sichel ıc. Die Erfindung der Werkzeuge war ber 

erfte große Schritt, den die .menfchliche Gefellichaft 

auf der Bahn wirthfchaftlicher Verbeſſerungen that. 

bb) Maſchinen, welche ebenfalld durch Bewegung 
wirfen, aber zufammengefegt find, fo daß die bes 

wegende Kraft fich erft durch verfchiedene Mittels 

glieder (Mafchinentheile) fortpflanzt, ehe fie bie 
beabfichtigte Wirkung an dem Stoff hervorbringt, 

weßhalb diefe Wirfung und die Aeußerung der 

Kraft einander ganz unähnlidy fein können (ec). 

Die Mafchinen, fo wie auch die chemifchen Vor⸗ 

richtungen find bald mit den Werfgebäuben feft 
verbunden, bald beweglich in denfelben aufgeftellt. 

(a) Eine ausführliche Erflärung der nachfolgenden Abtheilungen hat Riedel 

gegeben, Nat. Def. I, $. 376 ff. 
Rau, polit. Del. I. 7. Ausg. “ 10 


— — 146 — 


(5) Gerade die mendliche Manchfaltigkeit von Verrichtungen, zu denen die 

. mienjſchlichen Gliedmaßen gebraucht werten koönnen, bringt es mit ſich, 
tag dieſelben zu ten meiſten Zwecken für ſich allein unzureichend find. 
Das Thier betarf Feiner Werkzeuge, iR aber auch nur zu einer geringen 
Zahl von Berrichtungen fühig. Bergl. v. Autenrieth, Ueber den 
Menfhen. Tübingen 1825. ©. 1 PR — Biele Werkzeuge find an bie 
Stelle ter Gliedmaßen getreten, deren Wirkung fie erhärten, z. B. 
die Zange verrichtet den Dienſt der Zähne oder der haltenden Finger 
befier, ter Hammer ift eine härtere und unempfinbliche Fauſt, die Schau- 
fel eine größere fladhe Hand ꝛc. — Auch die Mittel zum Grlegen und 
Fangen der Thiere, 3. B. Nee, gehören hieher. 

(ce) Die Mafchine macht es möglih, daß eine Naturfraft, bie blos eine 
einfahe Bewegung hervorbringt, die Stelle eines geihidten Menichen 
vertritt, weßhalb kunftvolle Mafchinen an die Automaten erinnern und 
automatifche genannt werben können, 3. B. die Epinn:, Web:, 
Stickmaſchinen, Wirkttühle u. dgl. Dagegen kann das Werkzeug blos 
von dem Menfchen unmittelbar angewendet werden, man vergleiche 3. B. 
die Handfäge mit der Sägemühle, oder das ehemals üblih geweſene 
Stampfen des Getreides aus der Hand mit bem Mahlen. ie Be 
wegung des oberen Muͤhlſteines und das Schütteln am Beutel haben 
mit tem fließen des Baches nicht die mindefte Aehnlichkeit, bei dem 
Stampfen aber muß die Bewegung des Armes genau ber der Stamvf- 
feule entiprechen, wie dieß überhaupt bei den Werkzeugen der Fall if. 


$. 126. 


Die Majchinen find eines der wirkſamſten Mittel, ben Ers 
folg der Arbeit zu verftärfen, 8. 110 (a), und leiften noch mehr, 
ale die Arbeitstheilung. Ihre volföwirthichaftlichen Vortheile 
zeigen fich darin, baß 1) bie menfchliche Arbeit eine weit grös 
fere Menge von Erzeugnifien hervorbringt, hauptfächlich wegen 
der Benugung natürlicher Kräfte (8. 90. 91), weßhalb auch die 
Koften und Preiſe der Kunftiwaaren niedriger werden und der 
Guͤtergenuß des Volkes zunimmt (b); 2) daß das Erzeugniß 
bei manchen Arbeitözweigen auch vollfommener und werth- 
voller ift, ald es fonft durch Menfchenhände und Werkzeuge 
werden fonnte (@); 3) daß ungefunde oder doch fehr befchwers 
liche Arbeiten den Menfchen abgenoınmen werden (d). Muß 
eine Maſchine wieder durch Menfchen bewegt werben, fo ift dieſe 
Arbeit allerdings oft anftrengend, aber doch nicht gerade ber 
Geſundheit ſchaͤdlich (e); 4) daß in vielen Fällen ſchon einfache, 
funftlofe Arbeit zureicht, die Mafchinen zu bedienen und dadurch 
Güter zu erzeugen, welche fonft große Gefchidtlichkeiterforberten ( f), 
fo daß nun Menſchen von höheren Fähigkeiten ſich anderen ge- 
meinnügigen Befchäftigungen widmen können. Inzwiſchen wers 
ben auch wiederum bie Mafchinen erft durch einen beträchtlichen 


— 147 — 


Grab von Kunft möglich; fie find eine Frucht ber fortichreiten: 
den Bildung in Verbindung mit der Bermehrung ded Gapitals. 


(a) Kunth, Ueber Nupen oder Schaden der Mafchinen. Berl. 1824. — 


(b) 


Babbage, a. Schrift ($. 115. (e)). — (Broughbam) Die Re 
fultate des Mafchinenweiens, deutſch Lübel, 1833, und v. Rieken, 
Leipzig, 1833. — A. de Gasparin, Considerations sur les machi- 
nes. Par. 1835. — lire, Das Fabrikweſen, beutih v. Diegmann. 
Leipzig, 1835. 

Es giebt Fein größeres Beifpiel von den gemeinnüßigen Wirkungen des 
Maſchinenweſens als die Batımmwollenverarbeitung. ie ein: 
flußreichften Srfindungen der Gngländer in derfelben find 1) Die Krem⸗ 
pelmafchine, zwifchen 1760 und 1774 allmählig von Mehreren zu 
Stande gebradt; 2) die Jenny, eine von Highs erfundene, von 
Hargraves 1767 verbeflerte Spinnmaſchine, jebt hauptfählih für 
Schaafwolle im Gebrauch; 3) die Spinnmafchine (Throstle, Drof: 
felmafchine) fammt der Stredbant von Rih. Arkwright 1796 (je: 
doch nach neueren Unterfuhungen auch urfprünglih von Highs er 
fonnen) ; 4) die aus beiden hervorgehende zufammengefegte Spinn⸗ 
mafchine (Mule -jenny) von &rompton, 1775; 5) die Webmafchine 
(Power-loom), flatt des gewöhnlihen Webſtuhls, nad dem erften Ge⸗ 
danfen Vaucanſon's (1747) von vielen Mechanikern verfuht, am 
gelungenftien von Cartwright 1784 hergeftellt und feit 1805 Häufig 
verbreitet. Hieran fchließt dd eine Menge anderer Mafchinen, die 
zum Theile, wie die zum Borfpinnen dienende Spindelbanf (Flyro- 
ving, bane & broches), und die fog. felbfiwirfende Spinnmafdine 
(Selfacting mule oder Selfactor) von Roberts, 1825, von bewunderns⸗ 
würdiger Künftllichkeit find. Die Spinnmafdinen leiſten 100: (Ber: 
nouilli), 120s (Moreau de Jonnds), bis 150mal (Kees und 
Blumenbach). nad neueren Angaben fogar 266mal ſoviel als Hand⸗ 
fpinnräder bei gleicher Arbeit. ine Handipinnerin foll mit einem Ge⸗ 
hülfen wöcentlih nur %s Pfund feines Garn liefern koͤnnen (doch ver: 
muthlich mit Cinrechnung des Karbätichens). Bin Mann mit zwei an- 
Inüpfenden Kindern fann zwei Beinfpinnmafchinen zu 3—400 Spindeln 
verfehen. Auf jeder Spindel der Feinfpinnmafchine können jährlich 
gegen 80 Pfund Garn Nr. 12— 16, gegen 26 Pfund Nr. 40, gegen 
9 Pfund Nr. 100 gefponnen werden. Im Durchſchnitt darf man etwa 
25 Pfund jährlich annehmen. Im Jahre 1850 waren in Großbritanien 
ungefäht 21 Mil. Spinteln. Ein englifcher Weder mit einem ı Hiäfeigen 
Kinde bringt auf 4 Mafchinen-Webftüglen wöchentlih 22 Stück Baum: 
wollenzeuch zu 24 Dards (zu 3 Buß) zu Stante, ein Handweber nur 
48 9. = 72 EI. und Großbritanien het egen 109000 Mafchinenftühle. 
Eine Folge hievon ift die große Wohlfeilheit, die ungeheure Production 
und Conſumtion von Baumwollenwaaren. 1776 bezahlte man für das 
Pfund Garn von der Zeinheitsnummer 40 an 14 Schill. Spinnerlohn, 
jest !/s Schill. In Großbritanien war von roher Baumwolle; 


bie Ginfuhr der Berbraud 
im 3. 1765 3'500 000 Bf. 
D. 17N1—80 5.635 000 ⸗ 


“ 


1781—90 18-200 000 
1790— 1800 32000 000 =: 1820—29 i. D. 178 Mill. Pf. 
1801—10 70000 000 = 1834 302 
1811—20 105°000 000 = 1838 460 
1842—44 617018 165 =» 1842-44 i. D. 636 
im 3. 1857 969.318 896 = 1957 196 


10° 


uva 
uuu u 


— 143 — 


Das jährliche Erzeugniß ber Verarbeitung wird für 1852 auf 611/. Mill. 
2. St. geſchätzt, wovon aber 16%; Mill. für den Rohſtoff abgehen. 
1°200 000 Menſchen find mit diefem Gewerbszweige und den Hülfsarbei- 
ten befchäftigt. Die Ausfuhr an Garn, Geweben und a. Baumwollen: 
waaren war ı. 3. 1849 —52 nach dem angegebenen Preife (declared value) 
28-827 0008. St., 1857 39 Mill. £&. St., 1842—44 erſt 23'644. 000 8. St. 
Die rafche Benölkerungszunahme der englifchen Fabrik- und Handels: 
ftädte zeigt diefen Auffchwung ebenfalls deutlich, 3. 2. 


1770. | ı8o1. | 1831. | 1841. | 1551. 


TG — — 
Mancdefler . . . . .| 41 000) 84 000) 182 000) 240 000] 316 000 
Liverpool . . . . .| 34 000] 79 700) 189 000) 286 000 376 000 


Braffch.Sancafter 1760 297 400| 672 700 1 336 800] 1'667 000)2°031 000 
Glasgow .. .... 77300] 202 000 279 000) 329 000 


Vol. Porter Progress of the nation, ©. 176 (1851). — Baines, 
Geh. der Baumwollenmanuf. in Großbr. Deutfh v. Bernoulli, 
Stuttg. 1836. — Kleinfhrodb in Rau, Archiv II, 335. — Mac- 
Culloch, Stat. acc. II, 61. — Dael, Die Baummolle und deren 
Verarbeitung. Mainz, 1846. — Karmarſch, Handbuch der mechan. 
Technol. IL, 1100. — Amtlicher Bericht über die Induſtr. Ausſtell. zu 
London, II, 1. 

Die Kattundrudmafhine mit Meffingwalzen kann in der Minute 
24 —30 Ellen mit 3 Farben bedruden, alfo täglich gegen 11 000 G., 
und die Walzen werden mit Hülfe anderer Mafchinen viel leichter gra- 
virt ald aus der Hand. Der Handdrud liefert nur etwa 330 Ellen 
einmal bedrudt. Neuerlich drudt man 5 Karben zugleihd. — Gin Mann 
und zwei Knaben an Neuflize's Tuchfcheermafchine mit fchrauben: 
förmigen Scheerblättern fcheeren in 12 Stunden 1200 Ellen, was fonft 
40 Tuchfcheerer mit der Handfcheere verrichteten. — Bauer und Koͤ⸗ 
nigs Druckmaſchine bedrudt in einer Stunde 1100-1200 Bogen auf 
beiden Seiten, während fonft nur 200—250 auf einer Seite durch die 

ewöhnliche Preſſe gedruckt werden fönnen. Applegath's cylindriiche 
aſchine Liefert in der Stunde 5000 Abdrücke. — Der Banpflufl lie: 
fert 12 bis 20 und mehr Bänder zugleih. — Gontss Kupferſtech⸗ 
mafchine fchneidet die Luftftrihe auf einer Lantfchaft von 3 Fuß Höhe 
und 26 Zoll Breite in 3—4 Tagen ein, wozu aus freier Hand 8 Mos 
nate erforderlich wären. Polytech. Journal, XII, 7. — Berfertigung 
von Faßdauben durch Säge: und Hobelmafdhinen, wobei 70 Proc. der 
Arbeit und 30 Proc. des Golzes erfpart werden, von David, f. Her: 
mann, bie Induftrieausft. zu Paris im I. 1839, S. 240. — Bei 
A und Comp. in Lightpool werden durch ein Waflerrad von 
40 Pferdefräften 5 Mafchinen bewegt, mit denen wöhentlid 19 Mil. 
Stednadeln verfertigt werden. Dingler, Pol. I. LXV, 399. — 
Cine Maſchine zum Nagelfchmieden aus Faltem Gifen Liefert täglich 
50 000 und mehr Nägel und wird von 1 Arbeiter bedient. — Mafchinen 
um Schriftfeßen find von Doung und Delcambre (Dingler, 
Bol. J. LXXXV, 420), von Rofenberg, (Xearbook of facts, 1843, 
©. 93.) und dem Böhmen Tfchulif erfunden worden. Die zweite 
ſoll ſtuͤndlich 10 800 Lettern feßen, die dritte noch mehr leiften. Die neue 
Mafchine von Benjowsky ſetzt 5—6000 Leitern in der Stunde, Year- 
book offacts, 1854, ©. 108. — Die Dreſchmaſchinen erfeßen pie 4 —bfache 
Arbeiterzahl. — Die amerieanifhe Nähmafchine arbeitet ſchnell und gut. 
(e) Man fann auf dem Spinnrad keinen fo gleichförmigen und- feinen Baden 
zu Stande bringen als auf der Mafchine (ein Pfund Baumwollen⸗ 


— 149 — 


faden von Nr. 600 iſt 62 deutſche Meiten lang), mit der Nadel eine 
fo fhönen Strümpfe ftriden, als auf dem Wirfftuhle, a die Schöpf: 
mafchine fein beliebig langes und fo gleiches Papier machen u. dgl. — 
Reichenbach's Theilmafchine fehlt in der Entfernung der Theilftriche 
nur N/asooo Zoll. — Die Säemafchine füet langfamer, aber gleichförmiger 
als die Hand und erfpart an Ausſaat. 

(d) Die Teigfnetmafhine von Lembert erfeht die höchſt anftrengende Arbeit 
des Handfnetens, die Flackmaſchinen machen das wegen tes Staubes 
fhädlihe Schlagen ber Wolle entbehrlih, Tas Rauhen des Tuches ohne 
Rauhtrommel ift wegen der Näfle ungelund ıc. Wie befchwerlich war 
das Getreidemahlen, Waflerheben aus Dergmerten, Walken, Hämmern, 
Schleifen, Sägen sc. aus ber Hand! Mafchinen erfparen das Laſt⸗ 
tragen und Rudern x. Villerme&, Tabl. de l’&tat des ouvr. II, 
242. 295. — Die auf dem Harze erfundene „Fahrkunſt“ in den Berg: 
werfen, gewöhnlich von einer Dampfmaſchine bewegt, eripart die Zeit 
und Anfltrengung des Hinab: und Hinauffteigens bei tiefen Schachten. 
Man Hat fie neuerlich häufig in Fabriken angewendet, felbft im Lon⸗ 
doner Hauptpoftamt. Man hat berechnet, daß fie fih ſchon im erften 
Jahre bezahlt maht. Dingler, B. Journ. CXXXI, 21. 

(e) 3. B. das Drehen eines Rades, einer Kurbel, Berrihtungen, die 
wenigftend nicht fchlimmer find, als vielerlei Arbeiten der gewöhnlichen 
Handwerfe. Bol. Mohl, Würtemb. Gewerbeind., ©. 200. 215. — 
Bernoulli, Schweiz. Archiv. IL 1. Abth. — Say, Handb. I, 238. 

(f) Hierin findet eine große DBerfchiedenheit Statt. Die Wartung der 
meiften Mafchinen N leiht, manche aber, 3. B. die Spinnmafchinen, 
erfordern vorgügliche Sorgfalt. Der Jacquardſtuhl, der den Kunft: 
weber entbehrli macht, hat der Seidenweberei einen mächtigen Auf: 
fhwung gegeben; Joſ. Jacquard, geb. 1752, + 1834, f. Grognier, 
Notice sur J. Lyon, 1836. 


8. 127. 


Der Handel, da er feine Veränderungen an den Stoffen 
bewirkt, hat ' 

1) feine Berwandlungsftuffe nöthig, flatt derfelben aber 
Borräthe von Gütern, welche zum Zaufche bereit liegen (a) 
und auf deren .Berfauf nad) vorgängigem Einfaufe ſich bie 
Hanvelsthätigfeit bezieht. Ein Theil der Erzeugniffe muß im» 
mer für den Zweck des Handels vorräthig gehalten werben, 
weil der Tauſch nicht zu jeder Zeit und nicht immer fogleich 
nach beendigter Hervorbringung vollzogen werben kann (6). Aue 
dieſen Waarenvorräthen erhalten die menfchlichen Bebürfniffe 
unmittelbar ihre Befriedigung. Die Dinge befinden fich jedoch 
nur vorübergehend und bisweilen ganz furze Zeit in biefer Ab- 
tbeilung, welche fi) aus den Berwandlungsftoffen ftetd wieder 
ergänzt. Sieht man auf die künftige Beftimmung bdiefer Vor: 
räthe, fo werben biefelben theild als Genußmittel, theils als 
Gapitale von einer ber früher erklärten Arten in den Gebrauch 


—— 150 — 


gezogen; aus ihnen und aus den Berwandlungsftoffen geht 
folglich dad Erzeugniß neuer Güter hervor, weldyes ſich in vers 
fchiedene Verwendungen zerftreut (c). 

2) Er braucht Unterhaltömittel der in ihm bejchäftigten Ars 
beiter und verfchiedene Hülfsftoffe (A). 

3) Zur Aufbewahrung, zur Waarenverfendung und zum 
Berfaufe find mancherlei Geraͤthe (e) erforderlich, fowie Baumwerfe, 
als Waarenhäufer, Straßen, Canäle, Eifenbahnen, Häfen ıc. 


(a) Storh’s Ouvrage fait (fertige Waaren) I, 154. 

(5) Manche Dinge werden 3. B. nur in einer gewiflen Jahreszeit, oder 
wie der Wein, nicht einmal alljährlich in der erwünſchten Menge und 
Güte erzeugt, andere kommen nur von Zeit zu Zeit in Gebrauch, wie 
Belzwerfe, Zeuche zu Trauerkleidern. Vgl. Nebenius, Der öffent: 
liche Credit, L, 19. (2te A. 1829). 

(e) 3. B. Butter der Buhrpferde, Brennmaterial der Dampfichiffe. 

(d) Behälter, Fuhrwerke, Maaße und Gewichte. 

(e) Auh in den Stoffarbeiten werden viele Güter vorräthig gehalten, 

3. B. Baumwolle in einer Spinnfabrif, Kohlen in einem Hüttenwerf, 

allein diefe Güter dürfen fogleich ihrer Beflimmung gemäß in die eben 

erflätten Arten des Gapitald als Verwandlungs⸗, Huülfsfloffe, Unter⸗ 
baltsmittel sc. eingereibt werten, wenn gleich die wirkliche Anwentung 
noch verſchoben ift. 


— 


8. 128. 


Sowohl der eigentliche Handel, als der unmittelbar zwiſchen 
Erzeugern und Zehrern gepflogene Tauſchverkehr (8. 99.) und 
überhaupt jeder Verkehr mit Sachgütern bedarf des Geldes 
($. 62), naͤmlich einer Sache, welche von allen Menſchen gern 
angenommen wird, um wieder im Verkehr hingegeben zu wers 
den, folglich als allgemeiner Gegenwert (Wequivalent) von 
Gütern und Leiftungen dienen fann. Eoweit nicht ein bloßes 
Zeichen (Papiergeld), fondern ein Gut von beſtimmtem Werthe 
und Koftenbetrage (3. B. Metallgeld) ald Geld gebraucht wird, 
bildet der Geldvorrath eine felbftftändige Gütermafle und einen 
befondern Theil des Volfövermögend. Wie jeder Einzelne, der 
taufchen oder andere Gefchäfte der Güterübertragung vornehmen, 
3. B. leihen, miethen, Lohn bezahlen will, einen Theil. feinee 
Vermögens in ber Form bed Geldes vorräthig haben muß, fo 
ift auch einem ganzen Volke eine gewiffe Geldmenge nöthig, bie 
zur Erleichterung ded Verkehrs ald Werkzeug dient und bie 
darum zum Bapitale gerechnet werben darf, weil dieſer Ver⸗ 


— 11. — 


kehr mit der Hervorbringung neuer Güter in dem engften urs 

fahlihen Zufammenhange fteht (a). 

(a) Unter den Geldgeichäften befinden fich viele. die auf bie Erzeugung 
neuer ®üter gar feinen Bezug haben, 3. B. die Bezahlung unpro- 
tuetiver Dienfte. Genau betrachtet dürfte man nur den Theil des 
Geldes ale Capital anfehen, der zu den die Hervorbringung mittelbar 
oder unmittelbar förbernden Ausgaben gebraucht wird. Jedes Geldſtück 
dient aber bald zu der einen, bald zu ter andern Beftimmung. Wr 
enger befchränft Say bie Gapitalelgenfchaft des Geldes, Hantb. U 
270., vgl. Rau in Bölig, Jahrb. 1829. IV. Heft. 


$. 129. 


Das Bapital eined Volkes begreift demnach 

A) folche Beftandtheile, die unmittelbar für einzelne Zweige 
der Verrichtungen erforderlich find, nämlich 1) Verwandlungs- 
ftoffe, 2) Hülfsftoffe, 3) Unterhaltsmittel für die Arbeiter, 
4) werfzeugliche Hülfsmittel, 5) Waaren oder Zaufchvorräthe; 

B) das allgemeine Erleichterungsmittel jedes Verkehres, das 
Gelb. 

Alle diefe Theile, nur die Vorräthe ausgenommen, find mehr 
oder weniger einer Verzehrung unterworfen. Die Berwandlungs- 
und Hülföftoffe nebft den meiften Unterhaltömitteln werben 
fchnelfer und in demfelben Maaße verbraucht, ald ſich neue Güter 
bilden, die übrigen Theile erleiden wenigſtens eine Abnügung, 
von der auch dad zum Gelde gebrauchte Material nicht frei bleibt. 
Das Eapital und die Genußmittel kommen in biefer Hinſicht 
mit einander überein und ihr Unterfchied Liegt nur in dem Um- 
ftande, daß diefe bei ihrer Verzehrung feinen Erfag in fachlichen 
Gütern gewähren, während die Verminderung des apitaled 
durch neue gleichzeitig entftehende ſachliche Güter wenigſtens 
vergütet, wo nicht überwogen wird. Die Beftandtheile bes 
Gapitald Fönnen auch bei gleichbleibender Größe defjelben im 
Ganzen wechfeln, fowohl zufolge einer Eonfumtion und Pro⸗ 
duction, als durch Vertauſchung, 8. 122. 


$. 130. 


Durch die Anwendung eines Capitaled fann auch anderen 
Güterquellen ein höherer Werth und insbefondere eine flärfere 
productive Fähigfeit gegeben werden. Die fo entftandenen Eigen, 
ſchaften einer anderen Güterquelle dürfen nicht mehr zu den 


— 152 — 


Arten des Capitales gerechnet werden, wenn die auf ſte gewen⸗ 
deten Güter aufgehört haben als abgeſonderte Vermoͤgenstheile 
vorhanden zu ſein. So kann 1) mit einem Koſtenaufwande ein 
Arbeiter höhere Geſchicklichkeit erlangen, durch Unterricht, 
Reifen c. Man hat die auf ſolche Weife gefteigerte Fähigfeit 
der Arbeiter ald perfönlihes Kapital aufgeführt (a), weil 
fie die Stelle ded hiezu aufgeopferten Gapitales einnimmt. Allein 
die Eigenfchaften der Menfchen, wie wichtig fie immer als Ur⸗ 
ſachen der Güterentftehung fein mögen, gehören ald perfönliche 
Güter nicht in das Vermögen, alfo auch nicht in dad Capital 
($. 46); ed ift unangemeflen, den Menfchen, zu deffen Wohl: 
fahrt überhaupt die fachlichen Güter beftimmt find, in irgend 
einer Beziehung unter die Sachen zu zählen. 2) &8 fönnen 
auh Grundftüde mit Hülfe eines Capitalaufwandes ergiebiger ° 
gemacht werden; Grundverbefferungen (Melidratios 
nen). Diefe find offenbar ein Zweig der Production, aber 
wofern fie nicht ein von dem Boden zu unterfcheidendes Baus 
werk, fondern nur eine beſſere Beichaffenheit des erfteren bewirfen, 
wie 3. B. die Entwäflerung, dad Aufführen von Erde, bad 
Ebenen, die Bewäflerungseinrichtungen u. dgl., fo ift fein Ca⸗ 
pital mehr vorhanden, und es ift den Grundftüden eine Werth⸗ 
menge augewachſen, während jenes ſich vermindert hat (5). 


(a) Smith, U, 11. — Simonde, Rich. comm., I, 45. — Say, 
Handb. 1, ir: "Ein eriwachfener Drei) I ein aufgefammeltes Ga 
pital.“ — MM’ Cuiſoch. Grundſaͤtze, „Jedes Individiuum, 


welches ſeine Reife erreicht hat, kann Br Nafcıie betrachtet werden, 

welche 20 Sabre emfiger Aurmerkfamfeit und ein anfehnliches Gapital 

an Bauausgaben gefoitet hat.“ — Richtig vagegen Hermann, Unterf. 

— Der Nusdrud perfönlides Capital wäre nur in 

einem —E Sinne zuläffig, der einer ſtrengen Wiſſenſchaft nicht 
angemeſſen iſt. 

(6) Rau zu Storch, Zuß 40. — Dagegen Smith, U, 11. — Stord, 

I, 147. — -Miedel, ‚$. 3799. — Roſcher, ‚Syftem, I, 65. 


$. 131. 


Das Bapital wird in Rüdficht feined Verhaltens gegen den, 
ber ed anwendet, in ſtehendes und umlaufende (a) ges 
theilt. Zu jenem rechnet man diejenigen Güter, welche im 
fortdauernden Gebrauche bei der Arbeit fich förberlich erweifen, 
wie bie Gewerbögebäude und Geräthe und die dauernden Unter: 
haltömittel, 3. ®. Wohnungen, Haudgeräthe ıc. ber Arbeiter; 


— 1538 — 


dem umlaufenden Capitale gehören dagegen diejenigen an, 

welche erft dann hervorbringend wirfen und eine Einnahme zu 

Wege bringen, wenn ber Eigenthümer aufhört fie zu befigen, 

indem er fie entweder weggiebt, oder felbft verzehrt; dieß Merk⸗ 

mal findet ſich bei dar anderen vorhin aufgezählten Beftand- 
theilen des Bapitaled (5). Die Verwandlungsftoffe, nachdem 
fie die bezwedte Veränderung erlitten haben, und die fertigen 

Waaren pflegen durch Tauſch in andere Hände zu gelangen, 

ebenfo das Geld; die Hülfsftoffe und diejenigen Unterhaltsmittel, 

welche nicht ohne Verbrauch zu benugen find, wie Nahrung, 

Heizftoff, werben bei der Arbeit verzehrt, auf ſie paßt daher bie 

übliche Benennung umlaufend weniger (ce). Das Geld gehört 

zwar den angegebenen Begriffe nach ebenfalls zu dem umlaus 
fenden Eapitale, weil ed erft Vortheil bringt, wenn man es 
audgiebt, unterjcheidet ſich aber auch wieder wefentlid von den 
anderen Beftandtheilen befielben, indem es ſtets im Umlaufe 
unter den Menfchen bleibt. Betrachtet man alfo die Wirthfchaft 
eined ganzen Volkes, fo fann man das Geld deſſelben ale ein 
unter den Mitgliedern umberlaufendes, in feiner Art ganz eigen» 
thümliches Werkzeug des Verfehres betrachten, und es finden fi) 

in ihm die Merkmale beider Arten des Capitales vereinigt (d). 

(a) Miß Martineau fchlägt dafür den Ausdrud reproducibles Ga- 
pital vor, 1L, 51. (Hill and valley.) 

(6) Das ftehende Capital iſt zwar meiltens von längerer Dauer, während 
die Berzehrung des umlaufenden fchneller erfolgt; die Werkzeuge des 
Schreinere 3. B. nuͤtzen fih langfamer ab, als die Nahrungsmittel 
feiner Arbeiter, die Holzſtuͤcke sc. verbraucht werben, doch liegt das 
Unterfcheidungsmertmal beider Arten des Gapitales nicht blos in dieſer 
ungleihen Dauer, wie Ricardo glaubt (der deßhalb dieſe ganze 
Gintheilung mißbilligt, Grundgef. ©. 17). Die Veredlung mander 
verarbeiteter Stoffe dauert lange, 3. B. der Häute in der Lohgerberei, 
und es findet nicht einmal immer eine wahre Verzehrung derfelben Statt 
($. 68. (d) ), aud die fertigen Waaren werben, fo lange fie im 


Gapitale des Kaufmanns find, nicht confumirt, während manche Ges 
räthe, 3. B, die Mehlbeutel von kurzer Dauer find. 


(e) Sie kann nur fo verfianden werden, daß der Unternehmer ftatt der Gas 
pitaltheile, die aus feinem Befiße treten, andere Güter erwirbt, daß 
alfo ein Weggehen und Ankommen Statt findet. 


(«) Smith, I, 6. 10. 


$. 132. 


Die Unterfeheidung diefer beiden Arten des Capitales muß 
bei ber Koftenberechnung zu Grunde gelegt werben, die in einem 


— 14 — 

mit Hülfe bed Capitales unternommenen Gefchäfte, abgefehen 
won einem Gewinne, fehon zur bloßen Schadloshaltung ange- 
ſtellt wird. Das umlaufende Bapital muß nämlich durch das 
neue Erzeugniß, zu deffen Hervorbringung es gaͤnzlich aufge- 
wendet worben ift, auch wieder ganz eyfeßt werden, von dem 
ſtehenden Eapitale braucht nur bie während der Erzeugung einer 
gewiflen Gütermenge vorgegangene Abnügung vergütet zu wer: 
den, um ben Eigenthümer zu entfchädigen (a). 

Das Größenverhältniß beider Arten ift in den einzelnen 
Zweigen der hervorbringenven. Befchäftigungen jehr verfchieden. 
Manche einfache Gewerke bebürfen im Verhältniß zum umlau- 
fenden nur eines fehr Fleinen ftehenden Capitales, die Fiſcherei, 
der Handel, die Zandwirthichaft fchon eines viel größeren, bie 
funftreichen Gewerfe und der Bergbau eines fehr großen. Der 
Einzelne, der Capitale benußt, fucht von felbft die beiden Claſſen 
berfelben in ein ſolches Verhaͤltniß zu feßen, wie ed nad) dem 
Weſen jeder probuctiven Beichäftigung am vortheilbafteften ift. 
Auch in der ganzen Volkswirthſchaft Fommt viel darauf an, daß 
zwijchen beiden Arten des Capitales und den verfchiedenen Bes 
ftandtheilen beffelben ein richtiges Verhältniß obmalte. Bei den 
Fortfchritten der Zunft und der Eapitalanhäufung pflegen die 
ftehenden Gapitale ftärfer ald die umlaufenden vermehrt zu wer: 
den, hauptfächlich diejenigen, weldye die Wirkfamfeit der Arbeit 
befördern, und ber alte Reichtum eines Volkes giebt ſich beut- 
ih in der Menge feiner ftehenden Bapitale, ald Gebäude, Ma- 
ſchinen, Straßen, Brüden und bergl. fund. In der Kindheit 
der Volkswirthſchaft ift das ſtehende Capital auffallend Flein. 
(a) Es feien 3. B. auf jedes von zwei Bewerben A und B in einem 


Jahre 28000 fl. Eapital angewendet, abez in ımgleichem Berhältniß, 
naͤmlich: 





A B 
ftehendes Gapital . . . . . 10000 fl. 18.000 fl. 
umlaufentee . . 2 2. .18000 fl. 10.000 il. 

sufammen 28000 fl. 28 000 fi. 
Die Me tes ftebenden Gapitales betrage 10 Procente, fo 
fommt zu erftatten (ohne Zins und Gewinn) “ 
B 
das ganze umlaufende Eapital 18 000 fl. 10.000 fi. 
Abnügung des fiehenten . . . 1000 fl. 1 800 fl. 


zuſammen 19000 fl. 11800 fl. 
Es wird folglich obgleich in beiden Fällen das ganze angewendete 
Kapital von gleicher" @xöße ift, das Erzeugniß von A 19000 fl., das 


— 15 — 


von B aber 11000 fl. einbringen müflen, damit die Gapitale vollfums 
men wieder erfeßt werden. an fieht hieraus, daß die Ginführung 
größerer ſtehender Gapitale, zumal wenn fie fehr dauerhaft find, die 

often der Erzeugniſſe wenig (etwa um 10 Proc. jener Bapitale) er: 
höht, während eine Erſparung an den umlaufenden Gapitalen fie weit 
beträchtliher (um 100 Proc. der legteren) erniedrigt. 


I. Entftebung der Gapitale. 


$. 133. 


Ein Capital entfteht, indem neue Güter hervorgebradt, 
jodann von der BVerzehrung für bloßen perfönlihen Vortheil 
übergefjpart und auf hervorbringende Arbeit anger . 
wendet werden (a). Auf diefe Weife erfolgt regelmäßig bie 
Vermehrung der Capitale. Achtet man näher auf die Art der 
neu übergefparten Gütervorräthe, jo ift ihre Yähigfeit, das 
Rationalcapital zu vergrößern, ſogleich außer Zweifel, wenn fie 
1) unmittelbar felbft tauglich find die Hervorbringung zu unter 
fügen, wie die Lebensmittel für Arbeiter, Berwandlungsftoffe 
und dergl.; 2) wenn fie aber aus andern Gütern, namentlidy 
aus Geldfummen beftehen, in welcher Form die meiften Erſpar⸗ 
nifje gemacht werden, fo fönnen fie an und für ſich nicht ale 
neue volkswirthſchaſtliche Capitale angefehen werden, und ber 
Befiger muß fie erft gegen andere Güter umfegen, um fie ber 
vorbringend zu machen (5). Da jedoch die regelmäßigen Gelb» 
einfünfte, von denen man einen Theil zurüdlegen kann, immer 
zulegt von einer neuerzeugten oder aus dem Auslande herbeis 
geführten Gütermaffe herfiammen ($. 251), fo läßt ſich anneh⸗ 
men, baß jeder angefammelten Geldfumme irgend eine folche 
neu hinzugefommene Quantität von Waaren entfpreche, an deren 
Stelle dad Geld getreten ift, und daß auch wieder irgend eine 
andere, als Gapital verwenbbare Menge von Stoffen, Werts 
zeugen ıc. mit jener Geldfumme erfauft werben Fann. 


(a) Blieben die angehäuften Borräthe ungebraucht liegen, fo wären fie, 
genau betrachtet, gar Fein Gapital und trügen zur Bermehrung des 
ermögens nicht bei ($. 52). Vgl. Lauderdale, Ueber National: 
wohlftand, S. 51. 52. — Wo indeflen nur vollkommene Sicherheit der 
Rechte beſteht, da finden die Menfchen im Allgemeinen Binreichende 
Beweggründe, ihre Erſparniſſe nicht ungenügt liegen zu laffen. 


— 156 — 


(5) Die erfparten Geldſtuͤcke ſelbſt find in den meiften Fällen fchon früher 
im Volksvermoͤgen geweſen. 


8. 134. 


Die jedesmalige Größe des Capitales eines Volkes iſt eine 
Wirkung des Kunſtfleißes und der Sparſamkeit der einzelnen 
Buͤrger, ſowie der Feſtigkeit und Gerechtigkeit der Regierung; 
man kann fie groͤßtentheils als eine Folge der geiſtigen und 
moraliſchen Kraͤfte in einem Staate anſehen, ſofern nicht be⸗ 
ſondere Stoͤrungen obgewaltet haben. Die Zahl der ſparſamen 
Menſchen pflegt im Verhaͤltniß zu der Menge von ſchlechten 
Wirthen ſo groß zu ſein, daß das ganze Capital eines Volkes 
gewoͤhnlich nicht blos unvermindert bleibt, ſondern auch fort⸗ 
waͤhrend anwaͤchſt, obgleich in der Regel nur langſam. Der 
herrſchende Grad von Vorſicht und Selbſtbeherrſchung oder von 
Leichtſinn und Genußſucht in einem Volke oder einzelnen Staͤn⸗ 
den deſſelben ſowie die Gefchiclichfeit und ber Erfolg, womit 
die hervorbringenden Arbeiten betrieben werden, können bie Zus 
nahme des Capitales bejchleunigen oder verzögern (a), befondere 
Ereigniffe aber, wie unglüdliche Kriege, bürgerliche Unruhen, 
Waſſersnoth und dergl., können felbft eine Berringerung des 
Gapitaled verurfachen (d). Eine Vermehrung deſſelben durch 
fortgefeßte® Ueberfparen wäre erft dann unnüß, wenn fich weder 
zu einer productiven Anwendung im Lande, nody zum Ausleihen 
oder Anlegen in anderen Rändern Gelegenheit zeigte. Auf eines 
von beiden Mitteln wird man aber immer rechnen können; es 
ift deßhalb Fein Stilftand des Capitalanwachſes zu beforgen, 
nur daß berfelbe allmälig, bei der Abnahme des Zinsfußes und 
Gewinnes langfamer wird (ec). 
fa) Betrachtungen über die Stärke des Antriebes zum Sparen bei St. 

Mill, L 191. 

(8) Die Ueberfhwenmungen in Schlefien im Auguft 1854 verurfachten einen 

Schaden von mehr als 8 Mill. Thlr. 


(e) Die Schwierigkeit, für ein Kapital im Lande gute Anwendung zu finden, 
ift oft nur eine Folge fehlerhafter Staatseinrihtungen oder befchränkter 
Kenntnig. In Deutfchland war bisher eine Menge von einträglichen 
Unternehmungen, die in den Nachbarländern längft die beften Krüchte 
getragen Haben, noch nicht verſucht worden. In den legten Jahren, 
namentlich feitbem die Handelsfreiheit im größten Theile von Deutſch⸗ 
land einen lebhafteren Cifer für große Unternehmungen entzündet bat, 
ift in dieſer Hinfiht fchon vieles ausgeführt und vorbereitet worden. 
Die Vervollkommnung ber Gewerbstunft und die Vermehrung der 


— 157 — 


menſchlichen Bebürfniffe eröffnen fortdauernd ein weiteres Feld für die 
Benugung neuer gefammelter Capitale. — Dagegen Lauderdale, 
a. a. D. S. 53 ff. Bol. Lok, Handb. der Staatsw. I, 207 ff. 


Sechster Abſchnitt. 
Zuſammenwirken der Güterquellen. 


$. 135. 


Die bisher betrachteten Güterquellen üben nur dann ihren 
Einfluß auf die Hervorbringung, wenn fie miteinander in Ver⸗ 
bindung gefeßt werben. Die Naturfräfte, die ſich fowohl in den 
Grundftüden, ald in den Theilen ded Eapitaled, nämlich den 
Stoffen und Werfgeräthen, äußern, leiften ohne den Beiftand 
der Arbeit wenig Nuͤtzliches. Die Arbeit ift wieder von der Hülfe 
bed Eapitaled abhängig, fie kann die Gründftüde nicht entbehren 
und wird von den Naturfräften unterflüßt. Bei diefer wechfel- 
feitigen Abhängigfeit der Güterquellen von einander ift es von 
Wichtigkeit, daß fie in einem richtigen Verhaͤltniß der Größe zu 
einander ftehen. Wäre die eine von ihnen im Vergleich mit 
den übrigen fehr ausgedehnt, fo hätte diefes für den Augenblid 
geringen Augen. Zwar lenken fi) von felbft die Beftrebungen 
der Menfchen darauf bin, ein ſolches Mißverhaͤltniß zu heben; 
Arbeiter wandern aus und ein, Eapitale werden vom Auslande 
herbeigeholt oder hinausgefendet, neued Bauland wird dem Meere, 
ben Felſen ıc. abgewonnen ıc., aber diefe Ausgleichung erfolgt nur 
allmälig und ed kann daher die herrfchende Richtung ber pro- 
buctiven Gefchäfte lange von einem ſolchen eigenthümlichen Vers 
hältniß zwifchen den Güterquellen beftimmt werden (a). 


(*) Wenn die Menge von Grunpdftüden im Bergleihe mit dem Capitale 
und der Arbeiterzgahl zu Fein iſt, fo verlegt man ſich vorzüglich auf 
folche Beichäftigungen, die, wie @ewerfe und Handel, wenig Raum auf 
der Erdoberflaͤche erfordern. 


$. 136. 

Derjenige, welcher feines Gewinnes willen die üterquellen 
miteinander in eine folche Verbindung fest, daß fle eine hervors 
bringende Wirkung äußern, ift der Unternehmer eines Pro— 
ductionszweiges oder eined hervorbringenden Ge— 
werbes, der Gewerbömann (a). Häufig befigen die 


— 158 — 


Grundeigenthuͤmer kein ſolches Capital, wie es zur vortheilhaften 

Benutzung ihrer Grundſtücke erfordert wird, auch gebricht es nicht 

felten ſowohl ihnen als den Capitaliſten an ber Fahigkeit oder 

Neigung zur Betreibung productiver Arbeit. Iſt nun ſchon aus 

dieſer Urſache ein beſonderer Unternehmer nothwendig, dem jene 

beiden ihre Vermoͤgenstheile zur productiven Anwendung uͤber⸗ 
laſſen, ſo wird dieſes Beduͤrfniß noch viel dringender durch den 

Umftand, daß die Beichäftigung mehrerer Arbeiter, die für einerlei 

Zweck zufammenvwirfen follen, von Einem audgehen muß, ber 

ihre Berrichtungen leitet und fie mit Capital verforgt. Der 

Unternehmer ift es alfo, welcher die DVermittelung zwifchen den 

Eigenthümern ber einzelnen Güterquellen, d. i. den Grund» und 

Eapitaleignern und den Arbeitern, vornimmt (b). - 

(a) Der Name Gewerbsmann ift der gangbarfie und macht audy andere 
Austrüde 3. V. Induftrieller (industriel) überflüffte. Das Wort 
Unternehmer wird im gemeinen 2eben am häufigften von neuen und 
roßen Arten der Gewerbsgeſchaͤfte — z. B. Theater, Bauten, 


erſicherungen. Die Landwirthe, Handwerker, Fabrik- und Handels⸗ 
herren find aber gleichfalls Unternehmer. 


(6) 86 ändert im Begriffe des Unternehmers nichts, daß derſelbe in der 
Wirklichkeit oft zugleich Bigenthümer des Eapitales und auch des Grund: 
ftüdes ift, wie 3. B. die felbfiwirthfchaftenden Grundeigenthümer. — 
Die Naturfräfle werden hier nicht befonders erwähnt, weil fie fein be: 
fonderer Bermögenstheil find und der Unternehmer duch die Grund: 
ftüde und Gapitale in den Stand geſetzt wird, jene zu benußen. 


Ä 8. 137. 

Zu einer Unternehmung (a) gehört Bolgendes: 1) dad Zus 
fammenbringen der erforderlichen Güterquellen, woza, wenn biefe 
überhaupt vorhanden find, ein hinreichended Capital aus eiges 
nem oder fremden Vermögen in der Hand des Unternehmere 
bie Hauptbebingung iſt, indem mit ihm die Grundſtücke und 
Arbeitskräfte erworben werden fünnen. Die Größe bed erfors 
derlichen Capitales macht in manchen Yällen die Bereinigung 
mehrerer Theilnehmer für eine einzige Unternehmung nothwendig. 
2) Die Leitung ded Gefchäfted, eine Arbeit, und zwar eine 
fhwierige, meil fie nicht allein Bekanntſchaft mit den zu ver 
anftaltenden einzelnen Berrichtungen, ſondern auch höhere geiftige 
und moralifche Eigenfchaften, 3. B. vielerlei gründliche Kennt⸗ 
niffe, Erfahrungen, Combinationsvermoͤgen, um die einzelnen 
Berrichtungen und Kunftmittel auf die vortheilhaftefte Weife in 


— 19 — 


Zuſammenhang zu ſetzen, ferner Beſonnenheit, Feſtigkeit des 
Willens, Ordnungsliebe ꝛc. in Anſpruch nimmt. Die Thaͤtig— 
keit der einzelnen Gehuͤlfen, die an der Ausfuͤhrung Theil 
nehmen, iſt nur auf eine beſondere Seite des ganzen Geſchaͤftes 
gerichtet und es iſt die Aufgabe deſſen, der die Unternehmung 
leitet, ſtes dad Ganze zu überbliden und Alles in gutem Zus 
fammenhange zu erhalten. 3) In den meiften Faͤllen auch die 
Uebernahme der Gefahr, daß das Unternehmen mißlingt oder 
doch nicht nady Erwartung gelingt und daß folglich dad ange 
wendete Vermögen ganz oder theilweife verloren geht. Nur fehr 
wenige Unternehmunnen find frei von allen ſolchen Gefahren, 
die aus mandherlei Zufällen herrühren (5). 


(a) Man verfteht unter einer folchen überhaupt eine in fi zufammen: 
haͤngende, als ein abgefondertes Ganzes gedachte Anwendung von Ga- 
pital und Arbeit für den Zwed des Gewinnes, vgl. die, Grffiung von 
Ertrag, $. 70. Es giebt Unternehmungen von Stoffarbeiten, Han: 
dels- und Dienftgefchäften, — productive und unproductive, — eines 
Menfchen oder einer Gefellihaft, — ſolche, die aus einem einzelnen, 
nur einmaligen Erlös gebenden Geichäfte beftehen, 3. B. eine Handels⸗ 
jpeculation, fo daß jeder Kaufmann eine Menge von Unternehmungen 
neben » und nacheinander veranftaltet, und foldhe, die ihrer Mefenbeit 
nad, 3. B. wegen des großen ſtehenden Gapitales, längere Fortbe⸗ 
treibung erfordern, wie ein Bergwerk. 

(d) Hieraus wird der Unterfchied zwiſchen den Unternehmern und ihren 
Lohnarbeitern deutlih. Allerdings giebt ed Unternehmungen, bie mit 
fo geringem Capital betrieben werden, daß fie nahe an bloße Lohn⸗ 
arbeit gränzen und daher einen Uebergang zwiichen beiden Arten von 
Thaͤtigkeit bilden, aber dies ift der feltnere Ball, in den meiften tritt 
der Unterfchied defto ftärker hervor. 


8. 138. 

Der Bortheil der Hervorbringung für die ganze Gefellfchaft 
ift der Ueberſchuß der neuerzeugten über die verzehrte Werth: 
menge. Die Eigenthümer von Grundflüden und Eapitalen werden 
aber nur dann ihre Vermögenstheile zur Production verwenden 
oder verwenden laffen, die Arbeiter und Unternehmer nur dann 
ihre Ihätigfeit äußern, wenn fie daraus einen wirthfchaftlichen 
Bortheil erlangen, d. h. wenn ihnen ein Theil der neu hervors 
gebrachten Güter zufällt. Sie fprechen deßhalb nicht blos eine 
Schadloshaltung für ihre Ausgaben oder Verlufte, fondern noch 
ein weiteres Einfommen an. Die Ausficht auf diefe Theilnahme 
an dem Erzeugniß bedingt alfo die Mitwirkung der genannten 
Bolföclaffen zur Gütererzeugung (a). 


— 162 — 


(a) Wo z. B. ein Land unter fremde Sieger vertheilt wurde, iſt das große 
Grundeigenthum und die Duͤrftigkeit der landbauenden Claſſe leicht 
erklaͤrlich. Irland — England nach der Ankunft der Normannen, — 
die Tuͤrkei nach dem Ginbringen der Osmanen. — In Frankreich werden 
gegen 5 Mill. Grundeigenthümer angenommen (Brincard in Journ. 
des Econ. 2. Ser. V, 173 rechnet fogar 7,7 Mill.).. Der preuß. Staat 
hatte 1849 1790869 und 1852 1965462 ländliche Befißungen, alfo 
eine auf je 9,1 und 8,5 @inwohner, genau genommen aber etwas 
weniger, weil Beſitzungen eines Gigenthümers in mehreren Feldmarken 
mehrfach gezählt find. Die Zahl der britifhen Grundeigenthümer ift 
nicht genau befannt. Beeke und M’Eullocd nahmen 200000 für 
England, d'Israeli 1850 250000 für die 3 Reiche an. Die erſt⸗ 
genannte Zahl muß zu body fein, weil nur 223000 Landwirthe (oc- 
cupiers) in England und Wales vorhanden find, nah Porter 236000, 
ol: 6. 368 (ec). H. Schulze, Nationalöf. Bilder aus dem engl. 

olfsleben, 1853, ©. 91. — Die Volkszählung von 1851 giebt für 
Großbritanien nur 35 303 Gigenthümer, wahrfcheinlich etwas zu gering. 
Economift, 19. Auguft 1854. — Das europäifhe Rußland ohne Polen 
und Finnland bat 109318 Grundeigenthümer, auf deren jeden 0,2 OMei- 
Ien fommen. T — — I, 34 — —* ee 
rungen in der Vertheilung des Grundeigenthums in ran ich e⸗ 
let, Das Volk, S. 49 ſdeutſch Mannheim 1846). 


g. 141. 


Die Vertheilung des rohen Volkseinkommens ift als Mittels 
glied zwiſchen der Hervorbringung und DVerzehrung ber Gegen- 
ftand einer befonderen Betrachtung (a), denn 1) fie fteht mit ber 
Hervorbringung in genauem Zufanmmenhange, indem a) das 
Maaß der Vertheilung von dem Grade der Mitwirkung eines 
Jeden zu jener theilweife beftimmt wird, 3. B. bie Gapitalrente 
von der Menge der zu Hülfe genommenen Gapitale, b) die Art 
der Bertheilung auch wieder auf den Umfang ber fünftigen Pros 
duction Einfluß hat, denn dieſe kann da am größten werben, 
wo ber größte Theil des Volkseinkommens in die Hände folcher 
Berfonen gelangt, welche Gefchidlichfeit, Neigung und Gelegen⸗ 
heit haben, ed hervorbringend anzuwenden; 2) fie beftimmt aud) 
die Art des Verbrauches, das Berhältniß der proburtiven 
und ber nichtprobuctiven Verzehrung und den Umfang bes 
Gütergenufled der verfchiedenen Bolköclaffen. 


(a) Bei Lotz (Hanbb. I, 305) wird die Bertheilung in dem der Conſum⸗ 
tion gewidmeten Abſchnitte abgehandelt. — Ueber den heutigen Stand 
diejer Lehre f. Rich. Jones, An essay on the distribution of wealth 
and on the sources of taxation. Lond. 1831, Vorrede. 2. unveränderte 
Ausg. 1844. 


— 165 — 


g. 142. 


Die Volksclafſen können in Beziehung auf die Urſache, aus 
welcher fie von bem Volkseinkommen ihre Antheile erhalten, fo 
abgetheilt werben: 

1) Orundeigner; 

2) Eigenthümer bed wahren volföwirthichaftlichen Bapitales 
und ber gegen eine Vergütung verliehenen Genußmittel ($. 54); 
— Capitaliſten im weiteren Sinne. | 

3) Unternehmer von hervorbringenden und von Dienfts 
gewerben, 

4) Xohnarbeiter in beiden Arten von Beichäftigungen ; 

5) Perfonen, die ohne eine Leiftung von ihrer Seite erhalten 
werden, wie Arme, Sträflinge, oder die ſich widerrechtlicher 
Weiſe ernähren, Diebe, Betrüger ıc. 


8. 143. 


Bei einer nicht mehr ganz einfachen und unentwidelten Volks⸗ 
wirthfchaft wird nur ein Heiner Theil aller neu erzeugten Güter 
fogleih von Denjenigen verbraucht, welde fie hervorgebracht 
haben. Die meiften Erzeugniffe gelangen erft durch den Ver⸗ 
Fehr (8. 8.) zu Denen, deren Bebürfniffe fie befriedigen follem. 
Der Berfehr ift e8, welcher den Mitgliedern jener verfchiebenen 
Bolfsclafien ihr Einkommen in irgend einer Art von Gütern 
zuführt und auch jedem Einzelnen die Erlangung irgend eines 
beftimmten Gutes von anderen Menfchen durdy den Tauſch leicht 
macht. Um daher zu erfennen, wie die Vertheilung des jähr- 
lihen Erzeugnifles vor fi) geht, muß man zuvor bie Bebins 
gungen des Güterverfehrs erforjcht haben (a). 


(a) Unkörperliche Gegenſtaͤnde koͤnnen hiebei als Gegenwerthe ſachlicher 
Güter in Betracht kommen, z. B. die Arbeit. Aber derjenige Verkehr, 
bei welchem die gegenfeitigen Leiſtungen gar nicht in fachlichen Guͤtern 
beftehen, kann hier feine Brroäinung finden, fo wie aud in ihm fein 
genaues Beachten eines Maaßes vorfommt, weil hier die Beweggründe 
des Gigennuges wegfallen; 3. B. Austauſch von Dienften 


8. 144. 


Das Maaß, nach welchem im Verkehre Leiftungen irgend 
einer Art in Vermoͤgenstheilen vergütet werben, ift der Preis, 
8. 56. Die Einnahmen der Einzelnen beſtehen größtentheils 
. 11* 


— 154 — 


aus dem erhaltenen Preiſe ihrer für Andere gefchehenen Leiſtun⸗ 
gen, weßhalb zur Einficht in den Güterverkehr die Unterfuchung 
der Urfachen erforderlich ift, von welchen bie Preiſe beftimmt 
werden. Hieraus wird ed beutlich, daß die Lehre von der Ver⸗ 
theilung des Einkommens ſich auf die natürlichen Geſetze des 
Preifes und auf den von dieſen beftimmten Berfehröwerth 
($. 60) ftüßt (a). 


(a) Darum wird aber doch die im 1. Bud enthaltene Beleuchtung des 
Gebrauchswerthes keinesweges überflüffig, denn man muß überall auf 
diefen zurüdgehen, um die Erfcheinungen des Verkehrs nach ihrem Cin⸗ 
fluß auf den wirthſchaftlichen Zuftand der Menfchen zu würdigen. 


$. 145. 


Insgemein verfteht man unter dem Breife nur den Gegen: 
werth, der bei der Vertauſchung eines fachlichen Gutes in anderen 
Gütern für dafjelbe gegeben wird. Diefer Tauſchpreis ber 
Güter ift oben ($. 56 ff.) in feinem Berhältnig zu dem Werthe 
betrachtet worden. Indeß haben auch andere Leiflungen einen 
Preis, da fie vertragsmäßig mit beftimmten Duantitäten yon 
Bermögendtheilen vergolten werden, und biefer Preis regelt das 
Einfommen derjenigen Menfchen, welche fortwährend ſolche Leis 
ungen für Andere vornehmen, $. 139. Dahin gehört 1) der 
Preis der für einen Anderen verrichteten Arbeit, der Lohn; 
2) der Preis der Bodenbenutzung, alfo die dem Grundeigen⸗ 
thümer vom Pachter entrichtete (ausbedungene) Grunb- 
rente; 3) der Preis der Capitalbenugung, die Kapitals 
tente, bie der DBermiether oder Darleiher vom Miethenden 
oder Borgenden empfängt. 


— 165 — 


Zweiter Abſchnitt. 
Preis beim Tauſche. 


Erfte Abtbeilung. 
Beſtimmgründe des Preiſes. 


8. 146. 


In jedem Tauſche werden beſtimmte Mengen zweier Guͤter 
gegeneinander hingegeben und inſofern einander gleichgeſetzt, wie 
verſchieden ſie auch ſonſt dem Werthe und den Koſten nach fein 
mögen (a). Die gegebene und empfangene Menge des einen 
Gutes bildet hiebei wechfelfeitig ben Preis des anderen (b), und 
ed mußte daher in der Kindheit der Volkswirthfchaft der Preis - 
jedes einzelnen Gutes bald gegen dieſes, bald gegen jenes andere 
Gut verabredet werden, wie ed gerade zufällig die Vertauſchun⸗ 
gen mit ſich brachten, $. 60 (5). Es gereicht aber zur größten 
Bequemlichkeit, wenn man die Breife aller Güter in Quantitäten 
einer und berfelben Sache ausdrückt, die hiedurch zum allge- 
meinen Preismaaße wird. Das übliche Umlaufsmittel oder 
das Geld ($. 127) dient zugleich als Preismaaß, nad) deſſen 
Einführung fat nur noch Taufche gegen Geld vorfommen und 
alle Preife in Geldmengen ausbebungen werden, — Geld— 
preife, was die Auffaffung und Ueberficht der Preisverhältniffe 
ſehr erleichtert. 

(a) ine fchäßbare Monographie der Lehre vom Preife in Hermann, 
Staatsw. Unterf. 4. Abfchn. S. 66—144. Ueber die Befchichte dieſer 
Lehre Roſcher, Syſtem ber BW., I, 168. — Diejer Abichnitt der 
Bolfswirthichaftslehre kann aus ben Erfahrungen im täglichen eben 
fortdauernde Bereicherung empfangen. Die Güte jeder Preistheorie 
läßt fih darnach prüfen, ob fie alle Erfcheinungen im Berfehr zu er: 


flären vermag, und ob fie für jede die einfachfle, natürlichfte Erklärung 
darbietet. 

(5) Wird 1 Etr. Roggen für 6 Ellen Leinwand gegeben, fo find biefe ber 
Preis des erfteren, man fann aber audy umgekehrt fagen, der Preis der 
Elle Leinwand ift /6 Etr. Roggen, es kommt aljo nur darauf an, 
welche von beiten Qualitäten als Einheit angenommen wird. Dieß 
pflegt bei ter zu gefchehen, auf die man vorzugsweile achtet, weil man 
fie einzutaufchen ober abzuſetzen beabfidhtigt. 


— 166 — 


6. 146 a. 


Der Preis eined Gutes wird in jedem einzelnen Falle durch 
die Webereinfunft der beiden Betheiligten (Käufer und Verkäufer) 
feftgefeßt. Jeder von beiden fucht einen Bortheil bei biefem 
Taufchgefchäfte und giebt zu bdemfelben unter gewiflen Bes 
dingungen feine Einwilligung; er wird aber auch gewoͤhnlich 
von Außeren, nicht in feiner Gewalt liegenden Umftänden in 
feinen Entfchließungen befchränft und wenn er den Tauſch nicht 
ganz unterlaffen will, genöthiget, fi) mit einem gewiflen Grabe 
des beabfichtigten Wortheild zu begnügen, weßhalb hier unge⸗ 
achtet der Freiheit im Einzelnen doch wenigftend eine bedingte 
Nothwendigkeit ftatifindet. Die brei Umftände, von welchen 
die Größe des Preiſes abhängt, lafien fich fo überbliden: 

A. Beftimmgründe der einzelnen Taufchenden: 

1) der Werth ber zu vertaufchenden Güter, 6. 147, 

2) die Koften berfelben, $. 148. 

B. Geftaltung ganzer Gruppen von Kauf- und Berfaufluftigen: 

3) das Mitwerben ober die Concurrenz, $. 152. 


8. 147. 


1) Der Werth, den wir einem ©egenftande beilegen, bes 
ftimmt die größte Aufopferung, zu der wir und feiner Erlan- 
gung willen nöthigenfalls entfchließen (a), und zwar bei den zu 
eigenem Gebrauche beftimmten Dingen der Gebrauchswerth (5), 
bei den anderen der Verkehrswerth. Niemand wird, wenn er 
frei und mit Ueberlegung handelt, eine Uebereinfunft fchließen, 
bei der er verliert, d. h. bei welcher die eingetaufchte Werths 
menge Fleiner ift als bie hingegebene, ed wäre denn aus andes 
ren, nicht wirtbfchaftlichen Gründen, oder in ber Hoffnung, 
künftig beflo größere Gewinnfte zu machen. Sieht man von 
folchen Fällen ab, fo fann man als erſtes Geſetz annehmen, 
daß ber Preis eined Gegenftandes den Werth befielben für den 
Käufer niht überfteigen fönne, $. 64.1) (c). Hieraus ers 
Hären fi nachftehende Erfahrungen: a) Wenn mehrere Mens 
fhen eine Sache einzutaufchen begehrten, fo wird berjenige am 
meiften für fie geben wollen, für ben fie den größten individuellen 
Werth hat, und der ber aufzumendenden Geldſumme den geringften 
Werth beilegt, was eine Folge der größeren Wohlhabenheit if (d), 


— 197 — 


wie dieß bei den Berfteigerungen deutlich zu fehen if. b) Die 
werthvollſten Güter können unter Umftänden, bie ihre Erlans 
gung erfchweren, die allerhöchften Preiſe erhalten, was ſich 3.2. 
in den Preiſen der Lebensmittel in einer belagerten Stadt, in 
einer Wüfte oder zur Zeit einer Hungersnoth zeigt (e). c) Ie 
geringer der Werth eined Gutes oder je entbehrlicher daſſelbe 
ift, deſto flärfer vermindert fich bei der Erhöhung des Preiſes 
die Zahl der Kaufluftigen, indem dann alle diejenigen auf den 
Ankauf verzichten, für welche daflelbe nicht fo viel Werth hat, 
als der geforderte Preis beträgt. Manche leicht entbehrliche 
und doc) Eoftbare Güter werden nur von Reichen gefauft und 
verlieren bidweilen den Abfag gänzlih. d) Wenn mehrere 
Dinge, die nicht beliebig vermehrbar find und bei denen deß⸗ 
halb Feine Koften in Betracht kommen, zu einerlei Gebrauch 
dienen, fo richten ſich die Preiſe ungefähr nach) dem Verhaͤltniß 
ihred Werthed (f). Dieß gilt namentlid von den nußbaren 
Ländereien (9). e) Der Verkäufer hofft von demjenigen einen 
höheren Preis zu erlangen, ber das begehrte Gut ſehr nöthig 
hat oder überhaupt hoch fchätt (A). 
(a) Der Käufer giebt jedoch diefen Höchften Betrag nur’ dann, wenn er bas 
Gut um einen niedrigeren nicht erwerben kann. In den meiften Fällen 
ift hiezu Gelegenheit, daher fann zwar aus einem hohen Preife auf 


eine hohe Werthſchätzung geſchloſſen werten, aber nicht umgefehrt. Wer 
taufchte nicht auch das Unentbehrliche gerne wohlfeil ein? 


(5) Nämlich der Sattungswerth in der Graͤnze bes concreten. 


(0) Manche fcheinbare Ausnahmen von diefer Regel fallen hinweg, wenn 
man den Werth richtig verfieht, denn derſelbe muß nicht gerade auf 
einem materiellen Nugen, er kann auch auf Liebhaberei, Luft am Prunfe, 
felbR auf Irrthum oder unfittliher Neigung (3. B. beraufchende Mittel) 
u. dgl. beruhen; Seltenheiten, Niterthümer u. dgl. Daß Diamanten 
in der That einen hohen Werth haben, zeigt Rossi, Cours, I, 67. 


.(d) $. 64. 2) Wenn 3. 3. der A ein Gut 1tysmal fo hoch ſchaͤtzt als 
der B und 3mal K viel Ginfünfte bat als diefer, fo baß ihm eine 
gewifle Geldfumme nur fo viel werth ift, als dem B !/s berfelben, fo 
wird er geneigt fein, 4'j/smal fo viel für die Sache zu bezahlen, als B. 
Nur bei gleihen Bermögensumftänden mehrerer Kauflufligen druͤckt 
fih in dem höchften Breife, den jeder aufwenden will, feine Werth⸗ 
Ihäßung aus. 


(e) Sage von einem Reichen, der auf einer Reife durch die Sahara einem 
dürftigen Begleiter die Hälfte vom Waflervorrathe des lepteren um uns _ 
geheuren Preis abfaufte, worauf dann beide umfamen. 


Berhält fih der Werth zweier Güter m und n wie 2 zu 3, fo wird 
fein Käufer n theuerer bezahlen ale um %s des Werthes m, und fein 
Verkaͤufer daflelbe wohlfeiler hingeben. 


(f 


Nat 


(HJ) Wenn ein Ader doppelt fo hoch verfauft wird, als ein anderer, fo fann 
man ſchließen, daß er beiläufig den doppelten Reinertrag geben müfle. 
Doc ift kein genaues Zufammentreffen der Preis: und Werthverhältnifie 
zu erwarten, da bie Concurrenz manche Abweichungen verurfachen kann, 
da Borurtheile, Gewohnheiten sc. die Anerfennung des Werthes oder 
deſſen Berüdfihtigung im @ebrauche verhindern fönnen, auch oft ein 
But noch eine andere Eigenthümliche Verwendungsart zuläßt. So 
richtet ſich der Preis der Holzarten, obgleich er ziemlich unabhängig von 
den Productionskoſten ift, nicht ganz nach der Brennkraft, weil 3. 3. 
Gichenholz ale Bauholz geſucht it; Torf wird auch bei großer Wohls 
feilheit nicht fogleih in allgemeinen Gebrauch gefeßt, weil er einen 
Geruch hat und mehr Nfchenraum erfordert sc. 


(A) Daher die befannte Klugheitsregel, die höhere Werthſchaͤtzung nicht Taut 
werden zu laflen, bis man gefauft hat, und wo möglich auf das Ans 
bieten des Verkäufers zu warten. 


$. 148. 


2) Die Koften der Hervorbringung und Herbeis> 
fhaffung haben bei Sachen, welche regelmäßig erzeugt wers 
den und beliebig zu erlangen find, einen ftarfen Einfluß auf 
die Größe des Preifes. Der Berfäufer (a) ift gegen jeden 
Verluſt gefichert, wenn er nur fo viel für dad Gut empfängt, 
als er für daffelbe aufwendete oder nöthigenfall® zu beffen Wies 
dererlangung aufzuwenden braucht. Er nimmt deßhalb bei einem 
den eigenen Bebarf überfteigenden Vorrathe eines Gutes, der 
für ihn nur einen Verkehrswerth hat ($. 61), hauptſaͤchlich 
Nüdfiht auf die angemwendeten Koften (db). Bei Dingen, beren 
wiederholte Hervorbringung und Bertaufchung Zwed einer Ges 
werböunternehmung ift, die alfo der Unternehmer gar nicht auf 
feine eigenen Gebrauchszwecke zu beziehen pflegt, wird von dem⸗ 
felben nur erwogen, wie viel fie ihm Eoften. Der Berfäufer 
fucht einen Preis zu erlangen, der die Koften erſetzt und noch 
überfteigt, er feheut dagegen den Berluft, den er erleiden würde, 
wenn die Koften nicht vollftändig vergütet würden. Es ift daher 
ein zweites Geſetz, daß die Verfäufer abgeneigt find, bie 
Güter unter einem die Koften ihrer Anfchaffung nicht dedenden 
Preife hinzugeben. 

(a) Anftatt bei einer und derfelben Sache den Gefldhtspunct des Verkäufers 


und Käufers zu trennen, fann man auch für einerlei Perfon die Be: 
trachtung der Hinzugebenden und zu erwerbenden Sache unterſcheiden. 


(5) Wenn 3. B. der Landwirth nur feinen eigenen Bedarf an Lebensmit: 
teln baut, und vdiefelben nicht anderswo zu Ffaufen weiß, fo wird er 
nur durch einen fehr hohen Preis zum Berfaufe eines Theils feiner 


— 169 — 


Borräthe bewogen werben fünnen. Erzeugt er aber mehr, als er ſelbſt 
braucht, fo ift ihm der Ueberfhuß leicht feil, und fo geſchieht es, daß 
Düter von hohem Werthe mit geringem Gegenwerthe eingetaufcht wers 
ten fönnen. 


6. 149. 


Für den Käufer kommen bie Koften bed zu erwerbenden 
Gutes neben dem Werthe deffelben aus folgendem Grunde in 
Berüdfichtigung: Jeder ift feines Vortheils willen eifrig bedacht, 
fi) die begehrten Gegenftände mit der geringften möglichen Aufs 
opferung zu verfchaffen. Er wird einen geforderten Preis nicht 
bezahlen, wenn er eine ©elegenheit flieht, auf einem anderen 
Wege denfelben Gegenftand mit Fleinerem Aufwande zu erlangen. 
Diefe Gelegenheit vermag er zu beurtheilen, wenn er die Koften 
fennt, für welche er felbft oder ein Dritter die Sache erzeugen 
oder herbeifchaffen fönnte(a). Demnach fann (drittes Geſetz) 
ber Preis hoͤchſtens nur fo groß fein, ald der Koftenbetrag, für 
welchen der Käufer dad Gut auf andere Weife erhalten Fönnte. 
Diefe Graͤnze ded Preifes findet indeſſen in vielen Fällen keine 
Anwendung, nämlich a) wenn fid) für die einzutaufchende Sache 
fein beflimmter_ Koftenbetrag angeben läßt, 3. B. Kunftwerfe, 
Naturfeltenheiten; b) wenn man jene Koften nicht fennt, wie 
dieß bei Erzeugniffen fremder Länder und bei Fünftlichen Ges 
werföwaaren öfters der Fall ift; c) wenn die Hervorbringung 
der Sache nur unter befonderen Bedingungen möglich ift, fo 
daß weder der Kaufluftige noch andere Verfonen fie zu erzeugen 
im Stande find (8. 160); d) wenn ber Käufer darum die Sache 
über den Koften bezahlt, weil er fie in befonderer Güte oder 
dody gerade nad) feinem Wunfche, oder zu bequemer Zeit, auf 
die leichtefte Weile ıc. erhält. 

(a) Diefe Hinfiht auf andere Berfäufer ift der Keim des Mitwerbens. Ber: 
möge ber Arbeitstheilung kann übrigens die Hervorbringung der meiflen 


Güter nur von einer gewiflen Claſſe von Gewerbsleuten mit den ge: 
tingften Koften bewirkt werden. 


8. 150. 


Die Koften eines Gutes bleiben auch für den Berfäufer 
gänzlich außer Betrachtung, a) wenn dad Gut gar nicht bes 
liebig hervorzubringen ift, fo daß das eine Stüd, wofern man 
ed hingiebt, nicht leicht. durch ein anderes von gleicher Bes 


| 


— 170 — 


fchaffenheit erfeßt werden kann. In folchen Fällen fann man 
fi) nur durch den concreten Werth beftimmen laffen, bei welchem 
in der individuellen Schägung der Einzelnen weit weniger Ueber: 
einftimmung. befteht, als in den Koften (a). Inzwifchen bezieht 
fi bei weitem der größte Theil aller Tauſchverhandlungen auf 
ſolche Güter, welche regelmäßig hervorgebracht werden (5); 
b) wenn das Gut in Verbindung mit einem anderen entſteht 
und dieſes ſchon die Koften vergütet (c). 


(a) Die Berfdiedenheit in den Urtheilen der Menſchen über ben Werth ber 
Güter erleichtert fehr das Webereinfommen zwiichen den Tauichluftigen. 

(5) Die bisher dargeftellten Beitimmgründe des Preiſes ergeben folgende 
Bedingungen für deflen Größe: Wenn für einen der beiden Taufchenden 
die binzugebende Sache a, die bafüir zu erwerbende b Heißt, fo muß 
1) der Werth von b größer fein, als der Werth von a ($. 147), 2) die 
Koften von a dürfen nicht größer fein, als der Werth von b ($- 148) ; 
in gewiffen Fällen auch 3) die Koften von a Fleiner, als die Koſten 
von b ($. 149). — Bür den anderen Taufchenden müflen, wenn eine 
Uebereinfunft fattfinden fol, gerade die entgegengefegten Bedingungen 
obwalten, welche man findet, indem man in biefen drei Sägen b ftatt 
a feßt und umgekehrt. Wenn aber nun, mie es gewoͤhnlich ee 
das eine von beiden Gütern a bloß nach feinem Werthe in Anfchlag 
fommt, weil es eine Geldfumme if, und wenn ber DBerfäufer bes 
anderen Gutes b, weldes nun allein die Waare if, nicht auf beflen 
Werth, fondern nur auf die für daſſelbe angemwendeten Koflen achtet, 
fo bleiben überhaupt noch folgende Bedingungen: 1) der Werth von b 
(Waare) für den Käufer muß größer fein, als der Werth von a (Preis 
in Geld), 2) die Koſten von db für den Berfäufer dürfen nicht größer 
fein, ale der Werth von a für ihn. Geſetzt, der Werth von a für 
den Käufer fei 100 fl., und die Koften von b für den Berfäufer bes 
tragen 70 fl., fo muß der Preis, d. h. die Quantität von a, welche 
für d gegeben wird, fich zwiſchen 70 und 100 fl. halten, beide Größen 
ericheinen folglich als Gränzen des Preifes. Je weiter diefe Graͤnzen 
von einander entfernt find, ein deſto größerer Spielraum ift für den 
Preis vorhanden. Sind die obigen Bedingungen nicht mit einander 
eh fo unterbleibt der Tauſch, oder er wird wenigſtens nicht oft 
wiederholt. 


(e) Dieß gilt 3. B. von den Kälbern, weil man fchon ber Mildnugun 
willen die Kühe tragen laſſen muß. Der Preis der Kälber richtet ke 
daher hauptſächlich nah dem Berfehrewerthe ihres Fleiſchgewichtes. 
Dal. F. 165 (a) über Nebenerzeugniffe. 


$. 151. 


Aus den bisherigen Erörterungen ift die Trage, worin ber 
Gewinn beim Taufche beftehe, leicht zu beantworten. Der 
Tauſch bringt in der Regel den beiden Taufchenden einen Vor- 
theil (8. 147), der daher rührt, daß die beiden vertaufchten 
Duantitäten nicht gleich hoch gefchäßt werben (a). a) Wenn 
ber Käufer die gekaufte Sache zu feinem eigenen Gebrauche 


— 11 — 


beftimmt, fo liegt fein Gewinn aus dem Taufche in dem Unters 
jhiede zwischen dem (concreten) Gebrauchöwerthe des einges 
taufchten Gutes und der dafür gemachten Aufopferung, biefe 
aber bemißt fid) entweder nad) dem Werthe. der bingegebenen 
Sadje, wenn biejelbe in einem nicht beliebig. erfeßbaren Gute 
oder in Geld befteht — ober nach den Koften berfelben, wenn 
fie dafür leicht wieder herbeigefchafft werden fann. ft der Preis 
einer eingetaufchten Sache niedriger al® bie Koften, mit denen 
man fie felbft erzeugt oder anderömwo bezogen haben würde, fo 
bildet der Unterfchied zwiſchen dieſer größeren und der wirklich) 
gemachten geringeren Aufopferung einen Gewinn des Käufers, - 
den man den Gewinn auß den Kofen nennen fann, der 
aber nur ein Theil des gefammten Taufchgewinnes ift (5). b) Sol 
die Waare wieder verfauft werden, fo muß man ben Einfauf 
und Berfauf zufammenfaflen und den Gewinn beider Gefchäfte 
aus der Vergleihung des Verfaufspreifes mit dem Einkaufs⸗ 
preife und den anderen Koften abnehmen. 


(a) Dieß erklärt fi leicht aus der Berfchiedenheit der individuellen abftracten 
und concreten Wertbichäßungen; wer aber einen Taufch nur aus einem 
einzelnen Standpuncte betradhtet, geräth leicht auf die Meinung, es 
babe nur der Eine gewonnen, der Andere verloren. 

(6) Grwirbt Iemand eine Sache, die ihm 180 fl. werth ift, für 100 |l., 
fo ift fein Gewinn aus dem Taufche überhaupt 80 fl. Würde er nun 
bei eigener Hervorbringung oder einer anderen Grwerbsart der Sache 
136 fl. aufwenden müfen, fo find die durch den Taufch erfparten 36 fl. 
der Gewinn aus den Koften, der Unterfchied zwifchen 180 fl. und dem 
höheren Koftenfage von 136 fl. ift der zweite Beſtandtheil des gefammten 
Gerinnes. Dielen Theil des Gewinnes würde man auch machen fön 
nen, wenn man die Sache felbft erzeugte oder anderwärts erfaufte, er 
entipringt nicht bloß aus dem befonderen Rauffalle, man bringt ihn 
daher gewöhnlih nicht in Anfchlag, wie er denn auch meiftens nicht 
wohl in Zahlen ausgedrüdt werden fann. — Wäre der Werth nur 
130 fl., fo könnte von dem Aufwande von 136 fl. nicht die Rede fein, 
weil Niemand mehr ausgeben mag, als ter zu erwerbende Werth bes 
trägt, dann fände alfo nur noch ein Taufchgewinn von 30. fl. Statt. — 
Abweichend ift die Anfiht von Lo, nad welder der Gewinn aus den 
Werthen und der aus den Koften der beiden Güter ganz von einander 
verfchieden fein, aber ftets zufammentreffen follen. Handb. I, 306. — 
Hermann (Staatsw. Unterf. ©. 69.) erinnert gegen obige Darftels 
lung, daß die Vergleichung der Güter in Geld nur dem Taufchwerthe 
angehöre. Da man indeß vom Werthe einer Geldfumme ſprechen kann, 
jo iſt es ohne Zweifel auch geftattet, den Gebrauchswerth einer Sache, 
wenigſtens beifpielsweife, in Geld auszudrüden. 


$. 15la. 
Die Werthſchaͤtzung eined Gutes und der daraus hervors 
gehende Wunſch, baffelbe zu erlangen, fann fi) nur dann in 


— 112 — 


dem Anbieten eines entfprechenden Preiſes wirffam zeigen, wenn 
der Kaufluftige zugleich die erforderlichen Mittel zum Ankaufe, 
d. 5. eine hiezu verwenbbare, nicht für andere wichtigere 
Zwede in Anfpruc genommene Geldfumme befißt (a). Ebenfo 
wird der Berfäufer bisweilen durch die Befchränftheit feines 
Capitals oder überhaupt durch ungünftige Vermögensumftände 
genöthigt, in einen Preis zu willigen, bei dem er an den Ko⸗ 
ften Schaden leidet. Die wirthfchaftliche Lage eines Menſchen 
im Allgemeinen oder in einem einzelnen Augenblide hat baher 
auf die Preije, die er zu geben oder anzunehmen beichließt, 
einen erheblichen Einfluß und vermag bie bisher ($. 147—151) 
betrachtete obere und untere Gränze des Preiſes abzuändern. 
(a) Die fog. KRauffraft, das Kaufvermögen. 


$. 152. 


3) Das Mitwerben, d. h. dad wetteifernde Beftreben 
Mehrerer, die in Bezug auf ein gewiffes Gut gleiche Abficht 
des Einfaufes oder Verkaufes verfolgen, 8. 146. Wenn meh: 
rere Menſchen ein Gut erwerben wollen und der Borrath nicht 
für Alle zureicht, fo kann der eine vor anderen fich nur ba- 
durch den Vorzug verfchaffen, daß er ſich entichließt, einen 
höheren Preis zu bezahlen. Ebenſo wird bei dem Wetteifer 
mehrerer VBerfäufer, ihre Waare abzufegen, und bei einem vers 
hältnigmäßig ſchwaͤcheren Begehren der Kaufluftigen derjenige, 
der vor anderen verfaufen will, in einen niebrigeren ‘Preis 
willigen müflen. Das Mitwerben der Kaufluftigen, welches 
man die Nachfrage oder den Begehr nennt, nuͤtzt den Ver⸗ 
fäufern, indem ed den Preis zu erhöhen ftrebt; dagegen wirft 
das Mitwerben der Berfaufluftigen, dad Angebot, zum Vor⸗ 
theile der Käufer auf eine Erniedrigung des Breifes hin. 
Das beiderfeitige Mitwerben ftellt alfo den Preis für mehrere 
Zaufchfälle zugleich innerhalb der für ſämmtliche Concurrenten 
beftehenden Gränzen, d. h. des Werthed und SKoftenbetrageß, 
feft, und drängt ihn bald der oberen, bald der unteren Gränze 
zu. Es giebt jedoch Fälle, in denen nur auf der einen Seite 
ein Mitwwerben ftattfindet und dagegen der einzige vorhandene 
Käufer oder Verkäufer fehr günftige Bedingungen erlangen kann. 


—— 173 — 


8. 153. 

Im Mitwerben flehen ſich nicht bloß die beiden Gruppen 
ber Käufer und Verkäufer mit wiberftreitenden Abfichten gegen- 
über, fondern jeder Einzelne in einer diefer Gruppen verfolgt 
auch feinen Vortheil gegen feine Concurrenten. Die Zwecke eined 
Jeden find von doppelter Art: 1) er will im Wetteifer mit feinen 
Mitwerbern einen Einkauf oder Verkauf zu Stande bringen, 
2) er will aber zugleich denen, mit welchen er den Tauſch eins 
geht, nicht mehr bewilligen, als hiezu nöthig iſt. Diefe beiden 
Abſichten beſchränken ſich wechjelfeitig und es gehört genaue 
Beachtung der obwaltenden Umftände dazu, um den Tauſch 
unter den günftigften Bedingungen, bie fich gerade erreichen 
lafien, abzujchließen. 


$. 154. 


Der Preis der meiften Güter wird durch dad jedeömalige 
Berhältniß zwifchen dem Mitwerben der Kauf» und Verlaufs 
luftigen beflimmt. Die Wirkfamfeit des beiderfeitigen Mitwer- 
bens hängt von zwei Umftänden ab, nämlid) 

1) von ber verhältnigmäßigen Größe veffelben, d. b. dem 
Verhältniß, in. welchem die begehrte und die angebotene Menge 
von Gütern einer gewiffen Art zu einander ftehen (a). a) Als 
wirffamer Begehr ift diejenige Gütermenge anzufehen, welche 
bie Kaufluftigen nad) irgend einer Kundgebung ihrer Abficht zu 
erwerben fuchen und für die fie einen, ungefähr die Koften er: 
fegenden Preis .zu bezahlen vermögen. b) Das wirkjame An⸗ 
gebot ift die zum Verkaufe beftimmte und für verfäuflicdy erflärte 
Menge (db); 

2) von ber Stärke (Intenfität) bed Beſtrebens ober 
von der Größe der Leiftungen, die der eine oder andere Theil 
zur Erreihung feiner Abſichten höchftend zu machen entjchloffen 
ift (c). a) Die Stärke des Begehrs beftimmt fich theild nad) 
dem Werthe, den die Kauflufligen auf dad Gut legen ($. 147), 
theild nad) ihren Vermögendsumftänden (8. 151la), theils nad) 
der Meinung, bie fie über das Fünftige Angebot hegen (d): 
b) das flärfere oder fchwächere Verlangen der Berfäufer, ihre 
Waare abzufegen, läßt fich als die augenblidfiche concrete Werth⸗ 
ſchätzung des dafür einzunehmenden Geldes anfehen. Je Eleiner 


— 114 — 


das Capital des Erzeugerd ift, deſto mehr liegt ihm am bal- 
digen Berfaufe (e). 

Diefe Stärke des Mitwerbens ift gewöhnlich unter den ein- 
zelnen Kaufs und Berfaufluftigen verfchieden und wenn bie 
Umftände ſich für eine der beiden Gruppen ungünftig geftalten, 
fo daß die Kaufluftigen ein Steigen oder bie Verkäufer ein 
Sinken des Preifed vorausfehen, fo pflegt ein Theil von ihnen 
zurüdzutreten, fo daß nur noch diejenigen bei ihrem Vorſatze 
beharren, die ein ftärfered Verlangen haben. Wenn z. 2. 
1000 Sceffel einer Frucht bei einem Preiſe von 2 fl. begehrt 
find, fo finft der Begehr bei einem geforderten Preife von 21/2 
und 3 fl. vielleicht auf 850 und 700 Scheffel herab. Ein 
gewifler Begehr findet demnady nicht unbedingt, fondern nur 
unter der Borausfegung eined gewiffen Preifes Statt (f). 


(a) Es fommt nämlidh nicht auf die Größe beider an fi, fondern darauf 
an, wie fie fi zu einander verhalten. Gin Begehr von 1000 Gentnern 
und ein Angebot von 900 können den nämlidhen Preis .verurfachen, als 
wenn beide zugleich doppelt oder dreifach wären. 


(d) Nur das an den Tag gelegte Begehren oder Angebot wirft auf den 
Preis, nicht ſchon angehäufte Borräthe, die noch nicht feil geboten 
find oder der bloße Vorſatz zu kaufen, wenn er noch nicht Außerlich 
fihtbar geworden if, doch koͤnnte das Dafein von Vorräthen ein fünf: 
tiges ftärferes Angebot vermuthen Taffen und ein vorhandenes Beduͤrf⸗ 
ni auf eine Zunahme des Begehrs fchließen laſſen. — Die Anzahl 
der Kauf: “und Berfauflufigen wirft ebenfalls nicht für fih allein, 
fondern bloß infoferne man daraus auf die Größe der angebotenen 
oder begehrten Quantität fchließt. 

(ce) Diefer Umftand ift oft nicht äußerlich erfennbar, bevor er fih in ben 
zu Stande gefommenen Taufchen wirklich zeigt. Hiermit hängt bie 
Berner Werthſchaͤtzung einer Geldſumme duch Wohlhabendere zu: 
ammen, $. 64. 2. 

(d) Rossi, Cours, I, 83. 

(e) Man fieht alfo, daß im Nngebote wie im Begehr der concrete 
Werth die Haupttriebfeder bildet. — Der Breis des Getreides kann 
nah einer guten Ernte ſchon darum fehr niedrig werden, weil viele 
Landwirthe gedrängt find, ſchnell abzufegen. — Canard, Bol. Def. 
$. 13., drüdt die Wirkung des Mitwerbens fo aus: Es fei L der Un- 
terfchied zwifchen dem höchhen Preife, den die Verkäufer verlangen, unb 
dem niedrigften, den die Verkäufer anbieten. Der wirkliche Preis ift 
um x höher ald das Minimum, fo daß die Käufer die Waare um 
L—x herabhandeln. Nun fei B das Bebürfniß, N die Eoncurrenz der 
Käufer, b, n daflelbe für die Verkäufer, fo ift 
BN __. 

BN-+bn 

bier iſt befonders die unbefriedigende Grfläarung des max. und min. 

auffallend. — Eine andere, gevmetrifche Darftellung ber Wirkungsart 
des Mitwerbens iſt im Anhange zu dieſem Bande mitgetheilt. 


x:L—x=BN:bn, und x = 


— 175 — 


(f) Bei Leicht entbehrlihden Gegenftänden kann aud ein ziemlich häufiger 
Begehr den Preis nicht fehr erhöhen, weil, fowie berfelbe fleigt, ein 
Theil ter Kaufluftigen ihn für den Werth, den fie der Sache beilegen, 
zu Hoch findet und zurüd tritt, $. 147. c). 


$. 155. 


Sind Angebot und Begehr ungefähr gleich groß, fo bleibt 
der bisherige ‘Preis unverändert, war aber ein fuldyer noch nicht 
vorhanden, fo wird dad Gut um einen mittleren ‘Preis verkauft, 
der beiden Glaffen vortheilhaft if. Waͤchſt der Begehr über 
das Angebot, fo muß ein Theil der Kauffuftigen ſich zurüdzichen 
und ber ‘Preis foweit fleigen, daß nur nody ein dem Angebote 
gleicher Begehr übrig bleibt. Je langfamer diefe Abnahme bes 
Begehrs erfolgt, d. h. je größer die Kaufluft und die Mittel der 
Begehrenden find, befto weiter wird ber Preis erhöht. Ebenfo 
geht derfelbe herab, wenn dad Angebot den Begehr überfteigt. 
In beiden Fällen wird alfo durd das Ausgleichen zwifchen bies 
fen beiden Größen der Preis beftimmt (a). Alle Umftänbe, 
welche auf Angebot und Begehr, und zwar auf Umfang und 
Stärfe beider, Einfluß haben, wirfen auch auf die Preife, und 
nicht bloß jede wirklich eingetretene Aenderung, ſondern fchon 
die bloße Wahrfcheinlichfeit einer ſolchen kann einen Wechfel in 
den Preifen nach fidy ziehen. Diefe find daher bei einem Theile 
ber Güter fehr häufigen Schwanfungen unterworfen, und es ift 
unmöglich, den Fünftigen Stand berfelben mit Sicherheit voraus⸗ 
zufehen (6). Der Begehr eines Gutes beruht auf dem Ber: 
langen fehr vieler Menfchen, daffelbe zu befigen, und dem Ver⸗ 
mögen, es zu Faufen, er hat in den Neigungen, Bebürfniffen, 
Gewohnheiten Bieler feinen Grund, kann alfo von Einzelnen 
ſchwer beherrſcht oder auch nur gelenft werden (c); bei dem An— 
gebote ift e& anders, weil ſchon eine geringe Anzahl von wohls 
habenden Erzeugern daſſelbe beträchtlich vermehren, oder, wenn 
fie ein Gewerbe aufgiebt, vermindern fann. Die verfäuflichen 
Guͤter find in Hinficht auf die Veränderlichkeit ded Begehres und 
Angebotes jehr verfchieden, indem beide bei manchen Dingen, 
3. B. Salz, Holz, ſich weit mehr gleichbleiben, ald bei anderen, 
3. 3. Staatdfchuldbriefen, Getreide. 


(a) Diele, im Anhange weiter entwidelte Darflellung der Vorgänge im Mit 
werben wurde ſchon in der 4. Ausgabe 1841 Binzugefügt, Eine ähn: 
liche Erklärung hat fpäter auch St. Mill gegeben, Grundfäge, I, 466. 


— 1726 — 


(8) Der Preis jeder Art von Gütern hängt von einer eigenthuͤmlichen Ber: 
bindung mehrerer Umftände ab. Bon Seite bes Angebotes Werben 
die ausgedehnteften ‚Breigveränberungen durch den Wechſel guter und 
fhlechter Ernten, von Seite des Begehres durch den Uebergang aus 
dem Kriege in den Frieden und umgekehrt bewirkt. Schon die ent: 
fernte Vermuthung eines ſolchen Breignifles bat Cinfluß, wie z. B. die 
Preife des Getreides und Weines fi ändern, wenn im Sommer die 
Witterung eine andere Beichaffenheit annimmt, welche die Hoffnungen 
auf die naͤchſte Ernte verflärkt oder ſchwaͤcht. Beſonders wichtig End 
tie ‚Deränderungen in der räumlichen Ausdehnung bes Begehrs und 
Angebotes, 3. DB. der beabfihtigte Anfauf zur Ausfuhr oter das Hins 
ukommen feilgebotener Borräihe vom Auslande. — Biel Material 
iezu enthält Th. Tooke, Thoughts and details on the high and low 
prices of the last thirty years. London, 1823. II B. Neue Bearbei- 
tung: A history of prices and the state of circulation from 1793 to 
1837. 1838. II, u. 4 Bde. Fortfeßungen, deutich von Aſher, Dresd. 
1858, 59. IT B. — vgl. Hermann in Münchner gel. Anz. 1840, 
Nr. 97 ff. — Steigen verichiedener Arzneiftoffe durch die Cholera (Blut: 
egel in Baris fehefah) — des Eifens durch die vielen Eifenbahnunter: 
nehmungen. — In guten Weinjahren Faufen die Weinbauenden mehr 
Flache und Hanf ein, um ihre Vorräthe von Waͤſche zu ergänzen. — 
Eine Theuerung des Yutters drückt anfangs den Preis des Fleiſches 
Fk weil weniger Vieh beibehalten und aufgezogen werden fann, 
eigert ihn aber eben hiedurch fpäterhin. 

(e) Die Furdt vor Mangel bewirkt oft ein plögliches Anfchwellen des Be: 


ehrs. — Bei Dingen, die nur in fleiner Menge zu Markt fommen, 
ann fehon ein einziger Käufer auf den Preis wirken. 
8. 156. 


"Der durch das Mitwerben feftgefegte, in vielen Taufchfällen 
gleichförmige Preis wird Marktpreis (a) (laufender, wirk— 
licher, Tauſchpreis, Prix courant) genannt. Er wird im ges 
meinen Leben als der vollgültige Stellvertreter ded Gutes an- 
gefehen, dem er zufommt, weil man fic) diefes in der Regel ſehr 
leicht verichaffen kann, wenn man jenen bingiebt. Man hat 
ihm den fogen. natürlihen (Smith, Say), nothwen— 
digen (Simonde, Storch), angemeffenen (%o$), oder 
Koftenpreis (v. Jakob, v. Schlözer, Fulda, Kubdler) 
entgegengefegt, welcher jedoch, genau betrachtet, nur der Koften- 
betrag (d), alfo noch nicht felbft ein Preis, fondern nur einer 
der _Beftimmgrimbe deſſelben iſt. Wenn der Preis wirklich mit 
dem Koftenbetrage zuſammentrifft, fo ift dieß zugleich eine Folge 
des Mitwerbens, alfo findet auch dann ein Marktpreis Statt (ec). 
Da nur folde Dinge einen Marftpreid haben fönnen, welche 
regelmäßig hervorgebracht und häufig vertaufcht werben, fo kann 
man ihm den vereinzelten Preis ſolcher Güter entgegen- 
fegen, welche fo felten in ben Berfehr treten, daß ihre Preife 


— 1 — 


bei verſchiedenen Tauſchfäͤllen weit von einander abweichen 
koͤnnen (d). 
(c) Markt Heißt hier bildlich das Aufeinanderwirken von Begehr und Ans 


gebot in großen Maſſen. eo feht dem Koftenpreife den Tauſch⸗ 
preis entgegen, Handb. I, 44. 


(3) Say bediente fih fpäterhin des Ausprudes „urfprünglider 
Preis“, prix originaire, weil es der fei, den die Waare bei ihrem 
erften Erfcheinen in der Welt gefoftet babe. Handb. I, 251. 


(c) Smith jelbft (I, 86) nennt eigentlich denjenigen Berfaufspreis den 
natürlihen, der mit dem Betrage der Koften aulammenfällt, wobei er 
— end einzuraͤumen ſcheint, daß die Koſten nicht ſchon ein Preis 

nd; er bemerkt ©. 87, der Marktpreis koͤnne bald über, bald unter 

dem natürlihen, bald ihm gleich fein. — Man dürfte immerhin einen 

mit den Koften zufammentreffenden Preis einen natürlichen ober 

fofenmäßigen nennen, wenn man nur zugefteht, daß derſelbe das 

durch nicht aufhört, Marktpreis zu fein. Ä 
(d) Rau. Zul. 16 zu Storch, UI, 250. 


6. 157. 

Es ift.ein ebenfowohl aus der Erfahrung fich ergebendes, 
ald aus allgemeinen Gründen abzuleitendes Geſetz, daß zufolge 
der auf den gleichförmigen wirthichaftlichen Abfichten beruhenden 
Handlungsweife der Menſchen die Preiſe den Koſten ber Her 
vorbringung_ und Herbeiſchaffung nahe zu kommen  fireben. 
„Der natürliche Preis,“ fagt Smith, „if gleichfam der Mit 
telpunct, gegen weldyen fi) die wandelbaren Marktpreife aller 
Waaren beftändig hinneigen. Zufälle verfchiedener Art Fönnen 
diefe leteren eine Zeit lang von jenem Mittelpuncte entfernt 
halten, — fie über ihn erheben oder unter ihn erniedrigen. Sie 
mögen aber durch noch fo große Hinderniffe abgehalten werden, 
fi) in dieſem Ruhepuncte feſtzuſetzen, jo Außern fie doch ein 
beitändiged Streben, ſich demfelben zu nähern“ (a). Diefe 
Richtung in den Veränderungen der ‘PBreife findet Statt, ob- 
gleich fie von den Perfonen, weldye einen ſolchen Erfolg hervor⸗ 
bringen, gewöhnlidy nicht beabfichtigt wird. 

(a) Unterſuch. I, 90. 


$. 158. 

Die Urſachen dieſes Geſetzes find folgende: 1) Wenn ber 
Preis unter die Koften finkt, fo hat der Verkäufer, der die Waare 
zu Marfte bringt, einen Verluſt (a), vor dem er fid, Fünftig 
zu hüten fucht, indem er eine foldye Sadye gar nicht mehr ober 

Rau, polit. Delon. I. 7. Ausg. 12 


— 18 — 


nur in geringerer Menge feilbietet. Daher muß bald bad Ans 
gebot abnehmen, bis dadurch der Preis wieder in die Höhe ges 
trieben wird (6). 2) Je mehr der Preis über bie Koften fleigt, 
befto größere Gewinnfte fallen den Verkäufern zu. Dieſe wer- 
den hiedurch erinuntert, größere Vorräthe anzubieten, und andere 
Perfonen finden einen Antrieb, ein ſolches But ebenfalls herbei- 
zufchaffen, um an dem Gewinnfte Theil zu nehmen (c). Diefer 
Zudrang zieht eine Vergrößerung bed Angebots nad) fich, welche 
nothwendig wieder die Preiſe erniebriget (d). In beiden Bällen 
iſt es alſo dad Angebot, welches, den Beränderungen des Be 
gehres folgend, die !Breife dem Koftenfate näher bringt. Je 
leichter und fchneller da® Angebot abgeändert werben kann, befto 
volftändiger tritt jene Wirkung ein. Hierbei ift: jedoch zu bes 
rüdfichtigen, daß der Umfang des Begehrs ſich auf einen ges 
wiffen Preis bezieht ($. 154) und bei einem höheren oder nie» 
brigeren Betrage deſſelben Feiner oder größer wird. Es find 
3. B. von einer Waare 11000 CEtr. zu 2 fl., 8500 Etr. zu 
3 fl., 6000 Ctr. zu 4 fl. begehrt. Vermögen die Verkäufer 
10000 Etr. für 3 fl. zu liefern, fo if ein Ueberfchuß bes An⸗ 
gebote® vorhanden und ber Preis geht herab, bis etwa bei 
einem Preiſe von 2!/2 fl. die Verkäufer gerade die dem Begehre 
entfprechende Menge von vielleicht 10 000 Centnern zu Markte 
bringen können und ein Beharrungszuftand eintritt (e). Die 
Schwankungen im Mitwerben bringen bisweilen für die Erzeu- 
ger und Kaufleute Verluſte zu Wege, wenn ber einzelne Ver⸗ 
fäufer von den Unternehmungen ber anderen und dem ganzen 
. Umfange des ſich vorbereitenden Angebotes feine Kenntnig hat, 
der Markt überfüllt wird und ein Theil des Vorrathes mit 
Schaden verfauft werben muß. Dieß gefchieht bei dein Abfage 
in entfernte Gegenden am leichteften, doch bleibt es auch bei 
dem inneren Verkehre nicht ganz aus (f). Die großen Bortheife 
bes Mitwerbend für die ganze bürgerliche Geſellſchaft müffen 
alfo nicht felten mit Aufopferungen Einzelner erfauft werden. 
Gelingt es, 3. B. durch größere Vorficht der Erzeuger, eine 
ſolche Einbuße am Capitale zu verhüten, ohne das Mitwerben 
jelöft zu hemmen, fo ift dieß offenbar fehr erwuͤnſcht. 


() In diefem Kalle beruht freilich der Taufchgewinn ($. 151) nur darauf, 
daß ber baldige Abſatz einer ſchwachbegehrten ober zu häufig angebotenen 


— us — 


Waare immer ein kleineres Uebel iſt, als das laͤngere Liegenlaſſen, 
wobei das Capital wirkungslos bleibt. 


Je größere Borräthe eines Gutes ba find, deſto Länger kann es dauern, 
bis der Preis fich wieder hebt. — Uebrigens erhellt aus biefen Sägen, 
dag der Koftenfak nicht ſowohl bei einzelnen Taufchfällen, als bei der 
Mehrzahl derfelben, für die Fortdauer, bie unterfe Graͤnze (Minimum) 
des reifen bildet ($. 148). — 86 giebt Fälle, in denen die Ber: 
ringerung bes Angebotes den gefunfenen Preis nicht wieder erhöhen 
fann, weil der Begehr und die concrete Werthſchaͤtzung der Käufer ab- 
genommen hat. Dann bleibt auch die Production beichränft und nur 
diejenigen Erzeuger werben die Waare ferner anbieten, die fie wohlfell 
genug hervorbringen können. Bgl. Hermann a. a. DO. ©. 82. 


(e) Das Beftreben der Menſchen, das Angebot in Gemaͤßheit des jedes; 

..  maligen Begehres zu vergrößern oder zu verkleinern, zeigt fi im täg- 
lihen Leben mächtig und allgemein. Grweitert fih der Begehr 3. 2. 
durch plögliches Zulammentrefien vieler Menſchen an einem Orte, fo 
fieht man, wie die Berfäufer alles aufbieten, um größere Maflen von 
Zebenss und mancherlei Genußmitteln herbeizuſchaffen, es werden mehr 
Arbeiter beihäftigt, mehr Capitale zu Hülfe genommen sc. — Vgl. Mill, 
l&mens, . 

(d) Es wäre denn, daß eine größere begeikte Dienge eines Gutes nur 
mit vermehrten Koſten egeust und zu Markte gebracht werden Fönnte, 
Hermann, ©. 81. — Bei KRunftwaaren trifft oft das Umgekehrte ein, 
Grniedrigung der Koften bei einer größeren hervorgebrachten Menge. 


(e) Daher find bei einem Teicht beiveglichen Mitwerben auf die Dauer 
Werth und Koften entjcheidend. 


0) Auf diefe ei ſtuͤtzen ſich die neuerlich öfter ausgefprodenen Anklagen 
gegen das Mitwerben und die Vorfchläge, daſſelbe zu beſeitigen, bie 
jedoch verfehlt find, weil die mächtigen Wirkungen der Concurrenz durch 
fein anderes Mittel zu erjeßen wären. 


— 


(d 


$. 159, 


Wenn die Vergrößerung ober Verkleinerung ded Angebotes 
nad) Maaßgabe des jedesmaligen Begehres mit Schwierigfeiten 
verbunden ift, jo können fich die Preife Fürzere ober längere 
Zeit über oder unter den Koften halten. Diefe Schwierigfeiten 
verdienen eine forgfältige Unterfuhung, weil fle die Wirkung 
eines für die ganze politifche Dekonomie fehr wichtigen Geſetzes 
($. 157) beſchraͤnken. In vielen Yällen find fte nicht erheblich, 
fo daß das Zufammentreffen des Preiſes mit den Koften fi 
nach jeder Aenderung bed Begehred bis auf einen geringen 
Unterfchied bald wieder herſtellt, aber häufig Außern fie fi 
fortdauernd oder längere Zeit hindurch (a). Solche Hinberniffe 
bes _freien Mitwerbens im Angebote, die eine Claſſe von Er⸗ 
zeugern oder ſogar einen einzelnen unter benfelben bauernb bes 


günftigen, werben Monopole im weiteren Sinne genannt (b). 
- 12 % 


40 — 


(a) Die Hinderniffe, welche der leichten Beweglichkeit des Angebotes im 
Wege fliehen, wie die Reibung der Bewegung in der Körperwelt, find 
bisher feineswegs überfehen worden, aber man hat fi Ku FAR nicht 
häufig und bedeutend genug gedacht. Ricardo 3. DB. fchreibt den 

eränderungen im Mitwerben nur fo ee Wirkungen auf 
den Preis zu, daß biefeiben feine befondere Aufmerffamkeit verdienen 
follen; er nimmt deßhalb durdgängig an, daß die Breife den Koften 
gleih flehen, wephalb wen Tauſchwerth bei ihm fo viel be- 
utet als Koſtenbetrag, natuͤrlicher Preis. Ueberſ. von Baumſtark, 
. 66. 70. 


(6) Monopol im engeren und eigentlichen Einne iſt ein von ber Regierung 
verliehenes Borzugsreht für den Verkauf einer Waare. 


$. 160. 


Die Hinderniffe einer leichten Bewegung des Angeboted 
fönnen in natürlichen Umftänden oder in menſchlichen 
Berhältnifien ihren Grund haben. 

1) Ratürlidde Hinderniffe (a). “ 

a) Es giebt mandye Güter, deren Hervorbringung man nur 
in gewiffen Dertlichfeiten betreiben kann. Dieß gilt vorzüglich) 
von Mineralftoffen (8. 120), ferner von Gewächfen und Shieren, 
die nur in einem befonderen Klima, auf eigentbümlichen Stand⸗ 
orten ıc. gebeihen, $. 87. 119. Der Preis folcher Dinge kann 
die Koften anfehnlidy überfteigen, wenn die erzeugte Menge 
hinter dem Begehre zurüdbleibt (6). | 

b) In anderen Fällen wird ein Erzeugniß an ber einen 
Stelle wenigſtens befjer oder mit geringeren Koſten hervorgebracht, 
als anderswo, fo daß einzelne Erzeuger vor anderen in Vor⸗ 
theil ftehen und einen Gewinn erhalten. 

c) Bei manden Gütern findet zwar die Hervorbringung 
feine ſolchen Schwierigkeiten, aber es ſteht doch die Größe des 
Erzeugniffes nicht ganz in menfchlicher Gewalt. Dieß zeigt fid) 
bei vielen Zweigen der Erbarbeit, am auffallenpften bei dem 
Anbau der Nährpflanzen (c). Die Getreidepreife wechjeln, wie 
bie Ernten, fie fönnen, wenn biefe eine Reihe von Jahren bins 
durch reichlich oder fhlecht find, unter die Koften finfen oder 
eine Zeit lang über venfelben ftehen, $. 182 ff. 


(a) Unterfcheidung von vier Fällen natürliher Monopole bei Senior, 
Outlines, ©. 171, ſ. auh Hermann, ©. 154. 

(2) Gute Weinlagen, Minerals Wafler. — Die Preife mander Erzeug: 
niffe eines wärmeren Klimas, namentlih. der Golonialwaaren, find 
dennoch nicht höher, als die Koften, weil es eine hinreichende Menge 


— 181 — 


von Ländereien in dieſen Erdſtrichen giebt, die unter eimander in Mits 
werben ſtehen. 

(ce) Auch der Wallfiihfang ift von un Teichem Ertra e, die Seiden⸗ und 
Bienenzucht giebt jährlich nicht gleiche Fruͤchte, et bei der Schaaf: 
wolle hat man von Jahr zu Jahr Fleine Berfchiedenheiten bes Cenrese⸗ 
bei gleicher Zahl von Schaafen wahrgenommen. 


8. 161. 


2) Zu den menfhlihen Berhältniffen, welche bie 
Beränderung des Angebotes erfchweren, gehören außer manchen 
Staatdeinrichtungen, 3. B. Erfindungsprivilegien, Nachdrucks⸗ 
verboten u. dgl., nachftehende Umftände: 

a) Auf Seite der Arbeit: Die Menfchen, welche an eine 
Beichäftigung gewöhnt find und in ihr Gefchidlichfeit erworben 
haben, können nicht leicht zu einem andern Gefchäfte übergehen, 
befonderd wenn fie in Jahren vorgerüdt und die Verrichtungen 
verfchiedenartig find. Namentlich find Landleute fo wenig ges 
eignet, Gewerke zu ergreifen, ald Handwerker und Babrifarbeiter 
fi) gern zum Landbau hinwenden. Yür Fünftlidye Verrichtun⸗ 
gen fehlt es häufig an ber erforderlichen Zahl von Arbeitern 
($. 113), und ed muß wenigftend einige Zeit vergehen, 6id fie 
herangebildet worden find. Gewerbögeheimniffe, die in den 
Gewerken noch biöweilen vorfommen, doch wegen der vollfomms- 
neren wiflenfchaftlichen Beleuchtung der Gewerfsarbeiten (Tech⸗ 
nologie) feltener als früherhin, halten dad Mitwerben des An- 
geboted ganz zurüd und fönnen den Befibern große Gewinnſte 
fihern (a). 

b) Auf Seite ded Capitales: Zu manchen Unternehmuns 
gen ift ein fo großes Kapital erforberlih, daß nicht viele Mens 
chen im Stande find, ſolches aufzumenden und die damit vers 
bundene Gefahr zu übernehmen. Bel denjenigen Gewerben, bie 
fhon mit geringem Capitale betrieben werben koͤnnen, iſt deß⸗ 
halb das Mitwerben ded Angebote ausgedehnter. Hat ber 
Unternehmer bereitd ein anfehnliches Capital in fein Gefchäft 
verwendet, fo erſchwert ihm dieſes den Uebergang zu einem ans 
bern, zumal dann, wenn er foftbare Gebäude und Geräthe bes 
figt, die bei einer andern Unternehmung nicht gebraucht werden 
fönnen (db). Indeß hat diefer Umftand auf andere Menfchen, 
bie ein einträgliche® Gewerbe erft neu ergreifen, feinen Bezug, 
wofern es überhaupt an Capitalien nicht gebricht. 


0) Bei vielen Zweigen ber Hervorbringung gehören Vorbe⸗ 
reitungen und eine gewifle Zeit dazu, daß bad Gewerbe von 
einem Unternehmer neu ergriffen oder das ſchon betriebene ers 
weitert werbe. Erſcheint nun ein gewifler großer Begehr als 
vorübergehend, fo trägt man Bedenken, jene Beranftaltungen 
zu treffen, bie leicht vergeblich fein koͤnnten, wenn ber Begehr 
wieber abnimmt. Daher bildet die Regellofigkeit und Beränber- 
lichkeit des letzteren ebenfalld ein Hinberniß ber Ausgleichung, 
welches bei vielen Waaren obmaltet. 


(a) Smith, I, 94. — Beifpiele geben die Siehelfen zum Drahtziehen, — 
Tabaksbeizen einzelner Fabriken, — Kunftgriffe im Färben, — Frauen⸗ 
hofer's optifhe Blätr, — Schönbein’s Schießbaumwolle. Bei 
Modeartikeln Hält mar die neueften Mufter geheim, um wenigſtens einige 
Zeit lan gerin ere Concurrenz zu Fi Im Landbau hat man bei 
ber Größe des Erzeugniffes von Stoffen gleicher Art nicht Leicht Nutzen, 
wenn man ein Kunflmittel geheim Hält. 


(6) Das ſtehende Capital im Bergbaue ginge beim Aufgeben deſſelben faſt 
ganz verloren. In folden Faͤllen feßen bie Unternehmer ein Bewerbe 
In bei unvollftändigem Erſatze der Koften noch einige Zeit fort, wo: 
feen nur noch einige Ausfiht auf Aenderung übrig bleibt. Das ums 
laufende Gapital laͤßt fich Leichter in eine andere Anwendung über: 
tragen. — Gin ähnliches Verhältnis tritt au dann ein, wenn in 
einem Gewerbe ein Theil der Unternehmer viel Capital auf ältere uns 
vollkommene Mafchinen sc. gewendet hat und nun nicht fogleich biefelben 
mit befferen vertaufchen kann. 


$. 162. 


Der Preis kann leichter eine Zeit lang über, ald unter 
dem Betrage der Koften ftehen. Dieß hat folgende Urfachen: 
1) Im lebteren Sale hat der Unternehmer einen Berluft, den 
er nicht lange ertragen kann. Der Antrieb, demſelben audzus 
weichen, ift ftärker ald das Beftreben, an ben Gewinnften eines 
einträglichen Gewerbes Theil zu nehmen. 2) &8 ift leichter, 
eine nicht mehr lohnende Unternehmung zu befchränfen oder aufs 
zugeben, ald eine beftimmte andere zu beginnen, weil dabei mandhe 
ber angeführten Umftände ($. 160. 161) hemmend in ben Weg 
treten koͤnnen, und ſchon die Neuheit des Gewerbes mancherlei 
Schwierigkeiten und Berlufte mit fi bringt. 


$. 163. | 
Es bedarf noch einer befonderen Unterfuchung, wie ed auf 
die Preife wirft, wenn bei ungeändertem Mitwerben ver Koften- 
beitrag zu- ober abnimmt (6). Wan ift gewöhnlich, der Meis 


nung, ber Preis müffe fo fange gleich bleiben, als fi im Ans 
gebote und Begehre nichts geändert‘ habe; aber bei näherer Er 
wägung zeigt fi, daß oft ſchon darum andere Preiſe bewilligt 
werden, weil man im Weigerungdfalle eine Veraͤnderung im 
Mitwerben für unausbleiblich anfteht. 1) Wenn eine Waare, 
die den Verkäufern mehr koſtet als bisher, noch ben naͤmlichen 
Preis behielte, fo müßten jene die ganze Koftenerhöhung aus 
ihrem Gewinne beftreiten, und da fie bieß in ber Regel nicht 
können, fo wäre eine Abnahme des Angeboted zu erwarten, bie 
den Preis bald in die Höhe treiben würde: baher entfchließen 
ſich gewöhnlich die Käufer, lieber fogleich mehr zu geben (b). 
Ob es den Berfäufern gelingt, den Preis um die ganze Koften- 
erhöhung, oder nur um einen Theil derfelben zu fleigern, dieß hängt 
von ben befonderen Umftänden ab. &) Iſt die Waare für Viele 
fehr werthvoll und die Koftenvermehrung mäßig, fo kann es ge 
fchehen, daß alle Käufer, um bie Befriedigung ihrer Bebürfniffe 
fiher zu ftellen, einen ben jetigen Koſten entfprechenven Preis 
bewilligen. b) Entichließt ſich nur ein Theil der Käufer hiezu, 
und beftehen die Verkäufer auf dem vollen Erfage der erhöhten 
Koften, fo wird der Preis um biefelben binaufgehen, aber eine 
fleinere Quantität der Waare hervorgebracht und abgeſetzt wer⸗ 
den. c) Die Berkänfer laſſen ſich bisweilen einen unvollftän- 
digen Erſatz gefallen, 3. B. wenn fie biöher reichlichen Gewinn 
machten, ober wenn fie ungern zu einer andern Beichäftigung 
übergehen. Ebenfo wirkt es, wenn ein Theil von ihnen bie 
Waare wohlfeiler liefern kann als die übrigen (c). In ſolchen 
Fällen kann, wenn die Käufer nicht die ganze Koftenvermehrung 
vergüten wollen, der Preis auf einen mittleren Stand zwifchen 
feinem bisherigen Betrage und den jebigen Koften kommen. 
d) Beharren die Käufer dabei, nicht mehr zu bezahlen, und bie 
Verkäufer mehr zu fordern, fo muß bie Hervorbringung odet 
Herbeifhaffung der Waare ganz aufhören. 2) Eine Abnahme 
ber Koften läßt bald ein erweiterte® Angebot erwarten falls 
feine befonderen Hinbernifie im Wege ftehen, und hiedurch wird 
der Preis herabgedrüdt. Daher kommen die durch bie ort 
fhritte der Gewerböfunft veranlaßten Erfparungen an den Er 
zeugungsfoften fowie die Erleichterung der Waarenverfendung in 
- der Regel nach Furzer Zwifchenzeit ben Käufern zu ftatten (d). 


—— 184 —. 


(a) Ricardo, Grundgel. von Baumftarf, ©. 375. 427. 

(5) Wenn einer der in diefem $. betrachteten Bälle eintritt, fo wiſſen ge⸗ 
wöhnlih die Verkäufer alle Umflände fo gut zu beurtheilen, daß He 
fogleich ihre Preisforderung fo einrichten, wie der Preis ſich font ohne 
hin nothwendig flellen würbe. 


(c) Man ficht, daß Hierbei manderlei Triebfedern und Umftände einwirken, 
und dieß macht es ſchwer, den Erfolg genau voraus zu beflimmen, was . 
für die Auſwandoſteuern fehr wichtig 

d) In Frankreich ſank ungeadhtet des Bin ollee von 5 Franken ber 
Gentner Natrum, welches aus dem Seejalz bereitet wird, von 100 auf 
9 Franken. Viele andere Güter fielen durch das inländifche Mitwerben 
in ähnlichen Berhälniffen. COhaptal, De lindustrie francaise, IL, 
64. 70. 434. — Say, Sur la balance des consommations avec les 
produotions, in Revue encyolop. Juli 1824. 


$. 164. 


Bisweilen ift ein Theil der Verkäufer eined Gutes zufolge 
natürlicher Vortheile, 3. B. wegen größerer Nähe des Marfts 
ortes, wohlfeileren Einfaufd von Stoffen, größerer Geſchicklich⸗ 
feit und dergl., im Stande, die Waare mit geringeren Koften 
zum Verkaufe zu bringen, ald bie anderen. Hiebei find folgende 
Fälle möglid. 1) Wenn diejenigen Verkäufer, welche die ge⸗ 
ringften Koften aufzuwenden brauchen, jede beliebige Menge der 
Waare herbeifchaffen Fönnen, fo werben fie allein Abfab haben 
und dad Mitwerben unter ihnen flrebt dahin, den Preis auf 
den Betrag ihrer Koften zu fielen. Wenn eine Waare von 
mehreren Puncten aus verfendet wird, wie 3. B. Eolonialwaa- 
ten von verfchiedenen Seehäfen in’® Innere der Länder gehen, 
fo richtet fi, aus jener Urſache das Abſatzgebiet jedes Verſen⸗ 
dungsortes nach den Frachtkoſten und diefe Gebiete gränzen nad) 
Maaßgabe der Güte der Straßen, der Wafferverbindung ıc. an 
“ einander (a). 2) Vermögen iene Verfäufer nur eine befchränfte 
Menge von Waaren barzubieten, fo beftimmt ſich der ‘Preis 
durch die Größe des Begehred. a) Iſt nur ein folcher Vorrath 
begehrt, wie ihn die wohlfeiler producirenden Berfäufer liefern 
können, fo find nur diefe im Stande, dieß Gewerbe fortzufeßen 
und ed kommt ein geringerer Vorrat) zu Markte. b) Wenn 
dagegen ber Begehr über dad Angebot biefed Theiled der Ers 
zeuger hinausgeht, fo muß der Preis fo weit fleigen, baß er 
auch ten höheren Koftenfab anderer DBerfäufer vergütet, wos 
durch dann jene wohlfeiler erzeugenden einen Gewinn erhalten. 
Die nämliche Wirkung auf den Preis tritt ein, wenn biefelben 


— 185 — 


Erzeuger eine Eleinere Menge der Waare mit verhältnigmäßig 
geringeren Koften herbeifchaffen können, ald eine größere, wenn 
fie 3. B. 100000 Eentner zu 4 fl., aber 150000 Cn. nicht 
unter 5 und 200000 @tr. nur zu 6 fl. zu Marfte bringen 
fönnen, wobei es ebenfalld von der Werthihägung und ben 
Mitteln der Käufer abhängt, welcher Vorrath Abſatz und Koften- 
vergütung findet. 


(a) Die Abjapgebiete von Havre, Rotterdam und Genua für Golonials 
waaren gramgen in ber Schweiz aneinander, in Mähren beruͤhrten ſich 
bisher die Gebiete von Trieft und Hamburg, die Graͤnzen find aber 
wechſelnd, weil weder die Frachtkoſten noch die Preiſe ın jenen See 
ftädten immer gleich bleiben. Cifenbahnen erweitern den Abſatzbezirk, 
weßhalb Hamburg jetzt fchon bis Wien verfendet. 


8. 169. 


Die Koften, welche der Verkäufer eines Gutes in Anfchlag 
bringt, begreifen den ganzen Aufwand von anderen Gütern, 
den er machen mußte, um das beftimmte Gut zu Marfte zu 
bringen (a). Es gehören dahin ebenfomwohl feine Ausgaben für 
die Mitwirfung anderer ‘Berfonen, als feine eigene Verzehrung. 
Diefer Koftenberehnung aus dem Standpuncte ded einzelnen 
Gewerböunternehmers fteht nicht im Wege, daß ein Theil jener 
Ausgaben, wie die entrichtete Grund- und Gapitalrente, für bie 
Empfänger reines Einfommen ift, und folglicy nicht der ganze 
Koftenaufwand ded Berfäuferd aus nothwendigen Verzehrungen 
befteht (5). Diefe aufgewendeten Güter werden vom Berfäufer 
gewöhnlich nach ihrem Preife in Anfchlag gebracht, und bieß 
ift bei Dingen, die um einen Marktpreis regelmäßig wieder zu 
erlangen find, dein Standpuncte des Einzelnen vollfommen ans 
gemeflen. Wird jedoch ein Theil diefer verwendeten Güter von 
dem Verkäufer felbft und mit geringeren Koften erzeugt, als 
für die er fie kaufen könnte, 3. B. das zur Vichmäflung oder 
MWollproduction erforderliche Yutter oder der Dünger, fo werden 
hiebei nur bie“ eigenen SHervorbringungdfoften in Anrechnung 
gebracht. j 


(a) Nur die nothwendigen Koften fönnen auf ben Preis wirfen, nicht ein 
aus Unfunde oder durch Zufall gemachter unnöthig großer Aufwand. — 
Um die Koften vollfländig zu erfennen, muß man auch Gefahren von 
Verluſten, Schaten aus unverfauften Reſtern sc. mit einrechnen, ja 
ſelbſt perfönlihe Unannehmlichkeiten, weil diefe dem Unternehmer An- 
ſpruch auf höhere Bergütung feiner Mühe geben. — Wenn ein Haupts 


erzeugniß die Koften vergütet, fo Tommen dieſe bei ben Rebenerzeugniß 
nit in Betracht ($. 150); allein wenn biefes regelmäßig einen gewiflen 
Abjag und Preis gefunden bat, fo pflegt badurd der Preis bes Haupt 
erzeugnifiee erniedrigt u werden, wie 3. B. bei Stallkühen der Milch⸗ 
erlös die Yütterung, Wartung ıc. nit poͤg erſetzt und ſowohl das 
Kalb ale der Mift berechnet werden muß. Der letztere iſt da wohl⸗ 
feil, wo viele Pferde zu nichtlandwirthichaftlihem Gebrauche gehalten 
werden müflen und die Landwirthe der Umgegend fchon genug Dünger 
haben, Das Stroh kommt feiner mehrfachen Verwendungen wegen. 
ei der Berehnung bes Bodenertrages gewöhnlich mit in Anfchlag und 
bringt ?/a oder mehr des Getreideerlöjes ein. Nah Blod if 1 Er. 
Stroh !/s Etr. Roggen werth, in Belgien gilt e&.%a bes gleichen 
Moggengewichtes. Bei den Lumpen fommen feine ——— 
vor, ihr Preis muß aber die Mühe und ben Aufwand für das Sam⸗ 
mein vergüten und fle koͤnnen bei ſtarkem Begehr anſehnlich fleigen, 
wie 1854. 


(5) Der volkswirthichaftliche Koftenbetrag, der bei der Berechnung bes reinen 
Volkseinkommens erforicht werden muß, ift daher von den Bier erklärten 
Koften des Verkäufers weſentlich verfchieben, F. 247. 


$. 166. 


Der von dem Verkäufer zu berechnende Koftenfag begreift 
folgende Theile: 1) Lohn der von ihm gebrauchten Arbeiter, 
2) Rente des benugten Capitales und 3) der gebrauchten Grund» 
flüde (a); 4) mittlerer Gewerböverdienft, den er felbft beziehen 
muß, um dadurch zur Forſetzung des beflimmten Gewerbes be- 
wogen zu werden (5); 5) Preis der zum Behufe der Unterneh⸗ 
mung verzehrten Güter, den erbeim Einfaufe derſelben erftattet (c). 
Der im “Preife diefer Gegenftände enthaltene Koftenbetrag loͤſt 
ſich wieder in die nämlichen fünf Beftandtheile auf u. f. f. Der 
BVerfäufer fann außer dem ©ewerböverdienfte noch andere von 
biefen Beftandtheilen für fi erhalten, wenn er 3. B. felbft 
mitarbeitet oder Eigenthümer des Capitaled ober Grundſtuͤckes 
if. Er muß in einem ſolchen Yale die ihm gebührende Ver⸗ 
gütung fo berechnen, wie fie fein würde, wenn er für Andere 
arbeitete und fein Capital oder Grundſtuͤck Anderen überließe. 
Doc, fteht es ihm frei, fi) mit einer unter dem gewöhnlichen 
Betrage bleibenden Vergütung zu begnügen, und dieß gefchieht 
nicht felten in der Abficht, um bei ungünftigem Mitwerben das 
Gewerbe noch fortſetzen zu koͤnnen. 


(a) Nur wenige Verrichtungen find fo einfach, daß fie Fein Capital erfordern 
und alfo in den Koften feine Bapitalrente vorlommt; 3. B. Sammeln 
von Beeren, Kräutern, Wurzeln ıc. Sn den frühften Berioden der 
Geſellſchaft, ehe noch Capital angefammelt war, fand dieß Berhältniß 
freilich allgemein Statt, und in folden Zeiten fiel dem Berkäufer auch 


() 


(e) 


— 18597 0 — 


noch feine Ausgabe für Grundrente zur Lafl, wie diefelbe 3. 3. Bei 
ber Seefifcherei nicht vorfommt; aber es gab damals auch nur wenige 
Broduetionszweige. — Inwiefern die Grundrente unter bie Koſten ge 
bört, ſ. $. 216. 
Diejenigen, welche den Gewerbsverdienſt mit ber Gapitalcente in Ver⸗ 
bindung bringen, rechnen nur brei Beſtandtheile der Koſten auf, 3. 2. 
Smith, I, 85. — Micardo, (Prine. Cap. 1.) ımb J. Mill, 
(Elemens, 92. 99.) fehen blos den Arbeitslohn als Koftenbetrag am 
weil fie das Gapital als angehäufte Frucht einer früheren Arbeit, un 
den Preis deffelben gleichfalls als Lohn anſehen; die Grundrente wird 
von ihnen aus einer andern Urſache ausgeſchloſſen, f. unten (F. 2168 (a). 
Aber felbt wenn man den Betrag des angemwendeten Gapitales aan 
auf den Lohn der zu deſſen Erzeugung vorgenommenen Arbeit zurü 
füßren fönnte, fo bildete doch immer noch der Preis der geflatteten 
Gapitalbenugung, oder die Gapitalrente, einen befonderen Beftandtheil 
der Koften. — Nah Rodbertus-Jagetzow (Zur Erkenntniß x. 
LI, 7.) beftehen alle Koſten nur ‚aus der aufgewendeten Arbeit, denn 
nur der Menſch Habe Koften, nicht die Natur, welche das Material 
hergebe. Diefe Anficht fönnte nur gelten, wenn man auf den Urbeginn 
der Wirthſchaft zurüdgeht und das Verhältnig des Menſchengeſchlechts 
zur Natur berüdfihtigt, wobei freilih ar ift, daß jenes nichts als 
feine Arbeit mitbringt. Wie aber unter der heutigen Gütervertheilung 
die Stellung des Unternehmers if, liegen ihm offenbar jene oben ans 
gegebenen verfchiedenen Ausgaben ob. — Torrens ftellt eine fcheinbar 
entgegengefehte Behauptung auf, daß nämlich ber natürliche Breis ich 
aanzlih nad) dem angewendeten Bapitale richte (Production of wealth, 
©. 24.) Dieß wibderftreitet aber der obigen Beftimmung des Koftens 
ſatzes nicht, weil alle Beftanbtheile beflelben Ausgaben find, die der 
Unternehmer mit feinem Gapitale beftreitet. Derfelbe (©. 51) läugnet, 
daß der Profit unter die Koſten gehöre, er fei vielmehr ein neu ents 
flandenes Bermögen, ein Ueberfhuß. Diefe Meinung widerlegt ſich 
von felbft durch genaue Zeraliederung der Zinsrente und des Bewerber 
gewinnes, und durch die Bemerkung, daß die übliche Zinsrente ents 
weder wirflih ausgegeben, oder, wenn das Gapital dem Unternehmer 
eigen ift, von ihm aufgeopfert wird. 
Bei verfhiedenen Sorten einer Waare kann es gefchehen, daß eine fei⸗ 
nere gerade fo viel weniger Rohſtoff erfordert, ale fle mehr Arbeit und 
Gapitaltente koſtet. Das wohlfeilſte Baumwollengarn fällt in bie 
Nr. 60—80, gröberes ift Foftbarer, weil es mehr Stor enthält, feineres, 
weil mehr Arbeit. So ift e& auch mit den venezianifchen Goldketten, 
von denen ein Braccio (2,1? bad. Fuß) gilt: 

von Nr. O (feinfle) 60 Franken 

⸗ 21 40 


⸗⸗2u.3 20 ⸗Minimum.) 
⸗ 24 21 ⸗ 
» = 24 (groͤbſte 60⸗ 
3 Mol, Würtemb. Gewb. Ind. ©. 288. — Babbage, a. D. 
6. 167. 


Steigt der Preis eines Gutes über bie Koften, fo fommt 


der Ueberſchuß zunächft dem Unternehmer zu flatten, welcher in 
biefem Balle einen den gewöhnlichen mittleren Sag überfteigenden 
Gewerböverdienft bezieht, 8. 158. 2). Dauert aber ein folder 


— 18 — 


Stand des Preifes fort, fo koͤmen bie Berhältniffe des Mit 
werbens ben Unternehmer nöthigen, einen ‚Theil dieſes Gewinn⸗ 
überfchuffes an andere Perfonen, welche zu der Hervorbringung 
und Herbeifchaffung der Waare mitwirken, in&befondere an bie 
Arbeiter und Grundeigner, ald Erhöhung des Lohnes und ber 
Grundrente, abzugeben. 


Zweite Abtheilung. 
Beränderungen der Preife und Bemeffung derſelben. 


$. 168. 


Ein Gegenfland ift Foftbar, wenn er im Vergleiche mit 
anberen Gütern beträchtliche Hervorbringungd- und Herbeiſchaf⸗ 
fungsfoften verurfacht. Die Koftbarfeit eines Gutes, d. h. 
die Eigenfhaft‘, ein gewifies großes Maaß von Koften zu er- 
“ fordern, ift nach Zeiten und Gegenden verfchieben, und wirb in 
der Beurtheilung bed Einzelnen fowohl von der Erwerbung bes 
Gutes im Taufche, al8 von der eigenen Erzeugung verflanden (a). 
Werden dagegen mehrere Preiſe einer und derſelben Sache mit« 
einander verglichen, fo entfliehen die Begriffe von theuer und 
wohlfeil. Ein Gut ift tbeuer oder wohlfeil, je nachdem fein 
Preis höher oder niedriger ift, als in vielen anderen Tauſch⸗ 
fällen, dieß fegt alfo voraus, daß in verfchiedenen Drten oder 
Zeiten die Preife eines Gutes von einander abweichen (b). 
Zwifchen dein Zuftande bed Theuers oder Wohlfeilfeind (der 
Theurung und Wohlfeilheit) Tiegt der mittlere, dem durch⸗ 
Ichnittlichen Koſtenſatze entfprechende Preis, welcher zugleich der 
gewöhnliche ift (c). Wird eine Waare a gegen eine andere b 
theuer, fo liegt hierin nothwendig, daß leptere gegen a wohl- 
feil geworden ift, daher finden Theurung und Wohlfeil- 
heit immer nur bei einzelnen Arten oder Gattungen von Guͤ⸗ 
tern im Vergleich mit anderen, oder, nad) der Einführung eines 
allgemeinen Preismaaßes (Geld) im Vergleich mit diefem ftatt. 
Was man Theurung und Wohlfeilheit aller Güter gegen Metall: 
geld nennt, iſt genau betrachtet nichts als MWohlfeilheit oder 


Theurung ber letzteren. Werben beide Bezeichnungen fchlechts 
bin, ohne Benennung einer Gattung von Gütern gebraucht, fo 
bezieht man fie auf den Preis der gewöhnlichen Rahrungs- 
mittel (d). 


(s) Der hohe Preis des Diamanten hängt mit feiner Koftbarkeit zufammen, 
denn bei der Seltenheit größerer Stüde fordert das Auffuchen großen 
Koftenaufwand, auch, das Schleifen if koſtſpielig. 

() Stord, I, 305. 


(c) Nah Lop beziehen fi beide Begriffe auf das Verhältnig zwifchen den 
Marktpreiſen und den Koften; theuer if die Sache, deren Preis über 
dem Koftenfage flieht. Hanpdb. I, 55. — Da nun bie Koften den ges 
wöhnlichen mittleren Preis beflimmen, fo werden beide Erflärungen in 
den meiften Fällen zufammentreffen. Aber der Spracdhgebraud nimmt 
bei jenen Ausdrüden auf die Koſten, teren Größe man oft gar nicht 
fennt, feine Ruͤckſicht. Jedermann nennt den Zuder wohlfeil, wenn 
der Gentner 25 fi., theuer wenn er 60 fl. gilt, die Koften feien welde 
fie wollen. Selbſt bei Dingen, die weit über ihrem Koftenfage vers 
faufti werden, wie ber Wein von ausgezeichneten Lagen, fpridt man 
unbedenflidy und allgemein von wohlfeil und theuer. 


(d) Die Ausdrüde theuer und koſtbar werden häufig mit einander vers 
wechſelt und in der Ermangelung eines anderen Wortes wird auch das 
Gegentheil von koſtbar wohlfeil genannt. 


$..169. 


Eine Sache kann theuer oder wohlfeil werben, d. h. einen 
ungewöhnlich hohen oder niedrigen Preis erhalten 1) durch zus 
fällige Aenderungen im Angebote oder Begehre bei einerlei 
Hervorbringungdfoften, 2) zufolge einer Veränderung in biefen 
Koften. 
rung und Wohlfeilheit genannt (a). Ungeachtet der Entbehrs 
lichkeit diefer nicht einmal ganz bezeichnenden Ausprüde ift doch 
bie Unterfcheidung jener beiden Urfacyen der Theurung und Wohl 
feilheit erheblich, weil eine folche ‘Preidveränderung eines Gutes, 
bie aus einer Aenderung der Koften hervorgeht, gewöhnlich weit 
dauernder ift, al8 eine folche, die von den häufigen und manch⸗ 
faltigen Schwankungen der Eoncurrenzverhältniffe bewirkt wird. 
Wird der erhöhte oder erniebrigte Preis einer Sadje zum ges 
wöhnlichen, jo kann man dann nur noch bei der Vergleichung 
mit ben !Breifen anderer Zeiten bie Sache theuer oder wohlfeil 
nennen. 

() Stord I, 806, 


$. 170. 


Derjenige Preis eined Gutes, welcher mit ben Koften zus 
fammentrifft und in der Mehrzahl der Faͤlle wirklich ſtattfindet 
($. 157), muß auch als der nüglichfte angelehen werden, 
weil er die Hervorbringung und Berzehrung gleichmäßig begüns 
fliget und dem Vortheile aller Betheiligten entſpricht. Er ges 
währt nämlich 1) den Erzeugern und Berfäufern vollftändige 
Erſtattung aller Ausgaben und Verzehrungen und ſetzt fie da⸗ 
durch in den Stand, ihr Gewerbe fortdauernd zu betreiben (a); 
2) er giebt zugleich den Käufern Gelegenheit, fi) nügliche und 
angenehme Gegenſtaͤnde mit einer fo geringen Aufopferung an- 
derer Güter zu verſchaffen, ald ed auf die Dauer möglich ift (d). 
(a) Borausgefeht, daß in dieſem Koftenfape auch der Unternehmer feinen 

mittleren Gewerbsgewinn findet, 9. 139. 

(5) Der Wunſch aller Verkäufer, daß ihre Waaren einen bie Koften über: 
Reigenden Preis erhalten möchten, Bat in volfswirthichaftlicger Hinficht 
fein Gewicht, weil ihm das Berlangen der Käufer nad Wohlfeilheit 
gegenüberfteht und der Vortheil aller Claſſen zugleich beherzigt werden 
muß, auch die DBeftrebungen der Gewerbsunternehmer ſich häufig wider: 
ftreiten, wie 3. B. die Landwirthe einen hohen, die Tuchfabricanten aber 
einen niedrigen Preis der Wolle wünſchen und zu bewirken fuchen. — 
Steht der Preis einer Waare über den Koften, fo giebt dieß leicht 
einen Antrieb, diefelbe häufiger hervorzubringen und neue Gapitale auf 
das Gewerbe zu wenden. Gin folcher Preis vergütet ferner die Ber: 
Iufte, weldye etwa ein zu niedriger Preis den Aufern zugefügt bat. 
Tooke, Thoughts and details, III, 105 ff. Hier wird unter anderem 
gezeigt, daß die Zahl der dem Parlamente jährlich vorgelegten Gemein- 
heitstheilungsplane (inolosure-bille) zus und abnahm, je nachdem die 
Getreidepreiſe (hauptſaͤchlich des vorigen Jahres) höher oder niedriger 
flanden, f. aud Porter, Progress, ©. 148. Indeß laſſen fih auch 
Bälle nachweifen, wo gerade die Wohlfeilheit einer Waare ſich nuͤtzlich 
wieſen und Fortſchritte in der Gewerbskunſt hervorgerufen hat. Por- 

er, ©. . 


8. 171. 


Unterfucht man bie volföwirthfchaftfichen Wirkungen, welche 
eine Berminderung ber Koften eined gewiſſen Gutes hervors 
bringt, fe ift | 

1) in Bezug auf die inländifchen Käufer der Bortheil un⸗ 
zweifelhaft, denn die vermöge bed Mitwerbens ($. 163. 2) in 
ber Regel eintretende Preiserniedriguug bewirft, daß gleiche 
Werthmenge mit einem geringeren Aufiwande anderer Güter ein- 
getaufcht und fomit ein größerer Gütergenuß erlangt werben 
fann. Sind ed indbefondere Dinge von hohem -Werthe und 


— 191° — 


allgemeinem Gebrauche, ſo liegt in jener Veraͤnderung eine Er⸗ 
hoͤhung des Volkswohlſtandes. Der niedrige Koſtenbetrag und 
Preis der Lebensmittel kann auch durch Berringering des Lohne 
andere Erzeugniffe wohlfeiler machen, in beren Koften ber les 
tere eine erhebliche Stelle einnimmt, und ſich hieburch doppelt 
wohlthätig ermweifen. Der Bortheil der Käufer ift fehr verbreis 
tet, weil jeder Staatsbürger Käufer vieler Güter ift und bei 
jeder Waare weit mehr Käufer ald Verkäufer vorhanden find. 
2) Aud die Verkäufer haben Nuten, da die Wohlfeilheit 
ben Abjag erweitert und eine flarfe Zunahme deſſelben zu weis 
teren Koftenerfparungen Beranlaffung giebt, die wenigftens eine 
Zeit lang Gewinn verfprechen; 3. DB. die Ausgabe für Zinfen 
vermindert fi) wegen des fchnelleren Erſatzes des umlaufenden 
und ber vollftändigeren Benupung bed fiehenden Capitales, — 
es werden neue Mafchinen zu Hülfe genommen ıc. Nur daraus 
fann vorübergehend ein Verluft entfiehen, daß früher aufgewen⸗ 
dete höhere Koften nicht mehr vollftändig erfeßt werden, 3. 2. bei 
Borräthen, die vor der Koftenerniedrigung angefchafft waren. 


8. 172. 

3) Es muß indeß auch der Einfluß der Koflenerniebrigung 
auf die Lage ber übrigen bei der Hervorbringung bes 
theiligten Perſonen beleuchtet werben. 

a) Liegt die Urſache in einem geringeren Verbrauche bei der 
Herworbringung, alfo in techniſchen Umftänden, fo ift dieß 
gemeinnüglid), nur den Fall ausgenommen, wenn Arbeit erfpart 
wird und Arbeiter ihre Rahrung verlieren, was jedoch gemein- 
niglich nur vorübergehend geſchieht. 

b) Bermindern fi) die Ausgaben bes Unternehmers darum, 
weil die Renten für Grunpflüde und Gapitale.($. 139) und 
ber Lohn der Arbeiter abnehmen, fo tritt eine -andere Bertheis 
lung bed Volkseinkommens ein, bei der die Käufer auf Koften 
einzelner Claſſen gewinnen. Auch ſchon vor den näheren Unters 
juchungen über den Arbeitslohn ($. 187 ff.) ift es einleuchtend, 
daß eine Wohlfeilheit der Waaren, die durch Entbehrungen ber 
Arbeiter bewirkt würde, im Ganzen genommen feine günftige 
Erfcheinung fein Fönnte, weil die Arbeiter nicht blos als Pros 
burctionsmittel betrachtet werben bürfen (8. 129), fonbern bie 


— 1 — 


zahlreichſte Volksclaſſe bilden, der ein Antheil am allgemeinen 

Wohlſtande gebuͤhrt (a). Ein Sinken der Grund⸗ und Capital⸗ 

zente iſt den Empfängern derſelben ebenfalls empfindlich, doch 

in geringerem Grade, weil ihnen noch ein Erwerb durch Arbeit 

freiſteht. 

(c) Dieß iſt neuerlich auch von Hermann bemerkt worden, Muͤnch. gel. 
Anz. 1847 Rr. 191 ff. 


$. 178. 


Entfernt fi der Preis eines Gutes in kurzer Zeit betraͤcht⸗ 
lih von dem Koftenbetrage, fo pflegt dieß auf den Verkehr ſtoͤ⸗ 
renden Einfluß zu haben. 1) Große Wohlfeilheit verurfacht 
ben Berkäufern einen Berluft, der fie zum Einfchränfen ober 
fogar zum Aufgeben ihres Gewerbes zwingt. Bei diefer Ver⸗ 
minderung des Gapitaled werben einige Zeit lang Arbeiter außer 
Thätigfeit geſetzt. Es ift nicht wahrfcheinlich, daß die Käufer, 
denen die Wohlfeilheit zu Gute kommt, fo viel Capital erübri« 
gen, ald die Berfäufer einbüßen. Auch der Uebergang von 
einem Gefchäfte zu dem andern ift oft mit einem Opfer vers 
bunden, $. 161 (a). 2) Starke Bertheurung ift den Käufern 
beſchwerlich, nöthigt fie zu Einfchränfungen in dem gewohnten 
Gütergenuffe und legtihnen fogar bei fehr werthvollen Dingen, 
bie ſchon bisher eine bedeutende Ausgabe verurfadhten, eine 
ſchwere Entbehrung auf (5). Tritt nun hieburdy eine Verrin⸗ 
gerung des Abfages ein, fo ift diefe auch für die Verkäufer 
nachtheilig und ſchwaͤcht die Production (ec). 

(a) Die nämlihe Wirkung zeigt fi dann, wenn bei einer Zunahme der 

Koften der Preis ftehen bleibt oder nicht verbhältnißmäßig fleigt, $. 163. 

Die Preisveränderungen einzelner Waaren erfireden fih gewöhnlid 


weder Schnell noch vollffändig auf die Preife anderer Güter, zu deren 
Hervorbringung jene gebraucht werben. 


(5) Dean hat von London und Paris nahgewieſen, daß die Zahl der Sterb⸗ 
fälle mit den Fruchtpreiſen der einzelnen Jahre ſteigt und fällt, 
Dyaniöre, in M&m. de l’institut nation. Sc. mor. et pol. I, 543. Aus 
den Angaben für England ift vie nicht x erfehen, nach der Tafel bei 
Mac-Culloch, Stat. L, 414, ſ. auh Bernoulli, Populationiftif, 
U, 365. — In Frankreich war die Zahl der Geftorbenen auf 10 000 Le: 
bende, 1845 212, — 1846 234, — 1847 241, und die ruchtpreife 
fliegen in gleicher Folge Moreau de Jonnts in Söances et tra- 
vaux, XVII, 33, vergl. Dupin, ebd. ©. 36. — Die Zufammenftel- 

fung der Sterbfälle und der Preiſe des Getreides ſowie der Kartoffeln 

für Belgien (nad den Zahlen im Annuaire de l’obserrat. de Brux. 1854) 

und Sachen (Statift. Mittheil. — Bevölf. II, 60 und Taf. XII) 

zeigt ebenfalls die Sterblichkeit der theuren Jahre nicht regelmäßig und 


— 193 — 


beträchtlich größer, weil mandherlei andere Urfachen mit einwirken. Doc 
in den beigifhen Städten war zwifhen 1835 und 1852 die Zahl 
der Sterbfälle in den 5 theuerften Jahren (mit Ausfchluß der Cholera: 
jahre 1848—49) im D. 31861, in den 5 wohlfeilften 28379. 


(c) Wenn das vertheuerte Gut nicht wohl zu entbehren iſt, fo verfagt man 
fi lieber irgend ein anderes minder wichtiges, und dann wird defien 
Abſatz vermindert. 


8. 174. | 

Im gemeinen Leben fegt man unbebenflidy voraus, daß die 
Veränderungen in den ‘Breifen der verjchiedenen Waaren fich 
genau and dem jedesmaligen Geldpreiſe der legteren erfennen 
laffen, weil man dad Geld für einen genauen Maapftab ans 
ſieht, 8.146. Dieß würde e8 fein, wenn fein Preis gegen alle 
übrigen Güter unveränderlidy wäre; treten aber in dieſem Ders 
änderungen ein, fo find die Geldpreife nicht mehr vollfommen 
geeignet, den Wechfel in den Preifen der einzelnen verfäuflichen 
Dinge anzuzeigen. Betrachtet man in biefer Hinficht den ges 
wöhnlichften Stoff des Geldes, nämlih Gold und Silber, 
fo zeigt die Erfahrung Bolgended: Die Preife derfelben gegen 
alle anderen Güter erleiden Feine häufigen Veränderungen, indem 
a) die Koften ihrer Gewinnung, welche hauptfächlid) von ber 
Reichhaltigkeit der Lagerftätten, ihrer Lage ıc. beftimmt werben, 
feinem oftmaligen und plöglichen Wechſel audgefegt find, auch 
b) dad Angebot den Schwankungen des Begehres in einzelnen 
Ländern leicht nachſolgen kann, weil die edlen Metalle bei der 
Niedrigkeit ihrer Verſendungskoſten (a) ſchnell und häufig aus 
einem Lande in dad andere, ja aus einem Erdtheile in den 
anderen gehen. Dagegen Eönnen ſich in längeren Zeiträumen 
fowohl in der Ergiebigkeit der Bergwerke, als in dem Verhaͤlt⸗ 
niſſe des Begehres zum Angebote erhebliche Aenderungen zus 
tragen, deren Graͤnzen fid) nicht vorausfehen laſſen (5), fo wie 
auch der Preis der Müngmetalle in den verfchiedenen Ländern 
nicht ganz derſelbe fein Kann. 


(a) Ein Aufwand von 1 fl. Frachtkoſten für den Gentner (für ungefähr 
24 Meilen) vertbeuert das Gold ungefähr um !/ıeo Procent, Silber 
Y/ys Proc., Duedfilber 5/5 Proc, Baumwolle, Zinn 1—2 Bror., 
Rohzucker 6—8, ae 10—12, Waizen 25—33, Kochſalz 66, 
Pa um 150 Proc. des üblichen Preifes, letztern an der Grube 
gerechnet. 


(6) Es können die lang fortgebauten Dergwerfe erfchöpft oder dagegen 
neue veichere aufgefunden werden. Der Begehr nimmt zu, wenn man 
Rau, yollt. Dekon. I. 7. Ausg. 13 


— 14 — 


mehr Metallgeld braucht, h; B. wegen häufiger Binlöfung des Papier: 
geldes, oder wenn andere Berarbeitungen der edlen Metalle allgemeiner 
werben. 


8. 175. 


Eine Veränderung in den Preifen der Müngmetalle ift dann 
anzunehmen, wenn bie legteren gegen alle oder doch gegen bie 
meiften anderen Güter zugleich und gleichviel im SPreife ges 
ftiegen ober gefallen find; wenn dagegen nur die eine ober andere 
Gattung von Waaren im Preife gegen Münzmetalle fteigt ober 
fallt, fo beweift diefes, daß die Veränderung bei biefen Waaren 
vorgegangen if. Die Entfcheidung, ob das Eine ober das 
Andere erfolgt fei, ift jedoch nicht leicht, denn die Preiſe ber 
einzelnen Waaren find vielen Beränderungen auögefegt, die zum 
Theil erweislich aus befonderen Umftänden, namentlich im Mit: 
werben ober in den Koften herrühren und daher nicht mit den 
Aenderungen in der Menge der Münzmetalle zufanmenhängen. 
Man muß folglid den Einfluß jener Urfachen zu befeitigen 
fuchen und ſolche PVerfehrögegenftände auswählen, bei denen 
befondere Urfachen der erwähnten Art am wenigften einwirken. 
Ferner ift es nöthig, wenn ‘Breife verfchiedener Dinge gegen 
Geld aus verfchiedenen Zeiten oder Rändern miteinander vers 
glichen werden follen, vor allem die Münzfummen in Gewichts⸗ 
mengen von Gold und Silber audzudrüden, weil ver Metall, 
gehalt der Münzflüde fi) von Zeit zu Zeit geändert hat und 
von Land zu Land andere Münzforten vorfommen (a). Auf 
diefe Weife erfennt man, daß die Preiſe der edlen Metalle wirfs 
lich bedeutenden Veränderungen audgefegt find, weßhalb biefe 
Stoffe feinen ganz vollfommenen Maaßftab der Preiſe bilden. 


(a) Bernoulli (Schweizer. Ai, II, 44) zeigt, daß bie oft ange 
ftaunte Wohlfeilheit früherer Jahrhunderte größteniheild auf dem das 
maligen größeren Gehalte der Münzen beruht. — Es wäre eine eben fo 
verdienftliche als fchmwierige Arbeit, Münztabellen für jeden Staat nad 
der Zeitfolge aller eingetretenen Münzveränderungen zu entiwerfen. Yür 
Frankreich findet man Materialien hiezu in der Borrede von Paſtoret 
zu den Ordonnances des rois de la France, Bd. XV, für Italien im 
Pr und 14. Sahrh. bei Cibrario, Della econ. polit. del medio evo. 

. 545. 


$. 176. 


Die größte befannte Veränderung in den Preifen der Münz- 
metalle ging im 16. Jahrhundert vor, ald die großen Maflen 


— 195 — 


Goldes und Silbers aus den americaniſchen Bergwerken nach 
Europa zu ſtroͤmen anfingen, auch überhaupt der Verkehr ſich 
ſehr belebte (4). Man hat angenommen, daß dieſelben ſeit dieſer 
Zeit auf den dritten, vierten oder ſogar den ſechſten Theil des 
Preiſes geſunken ſeien, den fie im Alterthume und im Mittels 
alter gehabt haben (6). Es laͤßt fich indeß Feine foldhe Zahl ale 
allgemein geltend und ficher angeben, 1) weil die Preiderniedris 
gung dieſer Metalle nicht in allen Ländern von Europa in gleichem 
Grabe eintreten Fonnte (c), 2) weil ed einen Unterfchied macht, 
welche Zeiträume vor und nach dem Anfang der ftärfften Gold» 
und SilbersEinfuhr man zur Vergleihung wählt (d). — 3) weil 
ed an zahlreichen, fortlaufenden und genauen Nachrichten über 
die Preiſe verfchiedener Waaren in früheren Jahrhunderten fehlt. 
Man fennt größtentheild nur ©etreidepreife, bei denen es zweifel- 
haft ift, ob ihre Veränderungen nicht von ben vermehrten Koften 
des Anbaued bei dem ftärferen Begehre und von ber ungleichen 
Fruchtbarkeit ganzer Perioden herrührt (e). Außer jener Haupts 
veränderung find mehrere andere minder beträchtliche vermuthet 
worden. Die Münzmetalle fcheinen im 14. und 15. (f), ſo⸗ 
dann wieder im 18. Jahrhundert gegen ihren Stand im 16. 
und 17. (g) und endlidy nad) ihrem etwas niedrigeren Preiſe 
im Anfang des 19. Jahrhundertd abermald im dritten Jahrs 
zehend deſſelben wieder eine Bertheuerung erlitten zu haben (Ah). 


(a) Ueber die Preife des Silbers in den legten 4 Jahrhunderten f. Smith 
I, 288 ff. — Sorgfältige Unterſuchungen über die Geldpreiſe im Alter: 
tbume bei Sarnier, franz. Ueber. von Smith, V, 64-81. — 
Böckh, Staatshaush. der Athener, I, 123. — Helferich, Bon den 
period. Schwanfungen im Werthe der edlen Metalle. Nürnb. 1843. — 
Roſcher, Syflem der B. W. I, 238. 

(6) ®arnier und Say berechneten anfangs, daß das Bold auf !/s, das 
Silber auf */s feines früheren Preiſes gefunfen fei, fpäterhin feßten 
fie diefe Veränderung beim Silber aut le. Nah Garnier galt 
1 Pfd. Silber in älterer Zeit 6000 Pfd. Waizen, feit dem 16. Jahr: 
huntert nur 1000 Pfd.; Say, Handb. IL, 12 ff. Toofe und New: 
march (Geh. d. Preife II, 428) nehmen von 1570—1640 nur ein 
Sinfen auf %/s an. — Der mittlere Preis eines Ctr. Waizen war nad 
Garnier und Say: 

I. Alte und mittlere Zeit. 
in Athen zur Zeit des Demoftbenes 58 
in Rom unter Gäfar . . . .-. 52 
unter Karl dem Großen . . . . 46 
in Sranfreih unter Karl VIL. (1450) 42 
in Branfreih im Jahre 1514. . . 64 
Durcdhfdnitt. . . » 32 kr. 
13* 


Dunn? 


(e) 


() 3 


(e) 


— 1% — 


II. Neuere Zeit. 
Im Jahre 1536 . . .. . 140 kr. 
1610 


s 


10 22 2.028 - 
1i7868 6787 
1820 27310 « 


Durdihnitt . . . . 29 — fl. 19 Er. 


Sn Anfehung der Preiſe aus dem Alterthume weichen neuere Unter: 
fuchungen von den Angaben Garnier’s bedeutend ab. Die 5 Drady: 
men, welche der Medimnos damals galt, betragen, wenn man die Ältere 
Drachme zu Grunde legt, nah Böckh (Staatshaushalt der Athener, 
I, 15.) 2 fl. 4 fe., nad Zetronne (f. Wurm, De ponderum, num- 
morum .. . rationib. apud Roman. et Graec. Stuttg. 1820) 2 fl. 108r., 
und der Medimnos war nah Ideler — 1%/ıs des preuß. Scheffele, 
den man zu 92 Pfund Waizen anfegt (S 0,'6 bad. Malt.). Daher 
war der Preis eines Centners Waizen 


zu Sokrates Zeiten 85 kr. — tif. 25 kr. 

zu Demoſthenes Zeiten 146 fr. = 2 fl. 26 kr. 
Auch der römische Preis (1 modius zu 3 sestertii) ift viel Höher und 
madht, da der modius 0,157 pr. Scheff., der sestertius 5,73 fr. betrug 
Wurm, a. a. DO), gegen 117 &. — 1 fl. 57 fr. auf den Gentner. 


Sn Stalien fcheint im 16. Sahrhundert gar feine DBertheurung der 
Maaren gegen Metallgeld ftattgefunden zu haben, weil diefes Land ſchon 
vor —F Beit in Folge feines ausgedehnten Handels metallreicher war, 
als jedes andere, und die Abnahme des Berfehres nach der Beränderung 
des Handelszuges wenig Gelegenheit darbot, von den americanifchen 
Metallzuflüfien etwas an fi) zu ziehen. Carli, Del valore e della 
proporzione de’ metalli monetati con i generi in Italia, in den Ser. 
class. P. mod. T. XIIL — Pecchio, Storia, ©. i12. 


. B. 0b man dic 2te Hälfte des 15. und des 16. Jahrhunderts ver⸗ 
gleicht, oder mehrere Jahrhunderte vor⸗ und nachher. 


Say räth, Geldſummen, die aus früherer Zeit bekannt find, nad den 
damaligen Getreidepreifen in Getreide und dann nah den heutigen 
Preifen deflelben wieder in jeßigem Gelde auszubrüden. Dieß giebt 
jedoch Feine genaue Vorſtellung von der Lage, in der ſich der Beſitzer 
einer folchen Geldſumme in einer früheren Zeit befand, zumal da unters 
befien auch die Preife der meiften Güter untereinander ſich verändert 
haben. Vgl. Rau, Zuf. zu Stordh, Nr. 73. — Lotz, Handb. I, 
406. Biele Ausmittlungen diefer Art bei Cibrario, Della econ. pol. 
©. —* — Ergebniſſe verſchiedener Berechnungen aus ben Getreide: 
preifen: 


1) In Paris galt der setier Waizen 

in dem Zeitraume zwifchen 1202 und 1532 7,6% Franten, 

in ber Periode von 1535—1785 . . . 21,9 Franken, alfo nicht 
vol treimal foviel. Kraus, Vermiſchte Schriften I, Taf. IV. 


2) Die von Ad. Smith nad Fleetwood mitgetheilten Nachrichten 
geben folgende Durchſchnitte für den Quarter Waizen (5,2% preuß. Sch.) 
in heutigem Gelbe: 

in 72 Jahren zwifchen 1202 und 1560 275/, Schill. 

149-1516 . . : .2.2..2.7.10 ⸗ 

in 12 Jahren zwiſchen 1561 und 1601 47 ⸗ 

von 1595—1764 . . 2 222.45 ⸗ 
erhoͤht, gegen die früheren Jahrhunderte nur um 61 


[Te 7 \ u VÂÄνM 
W 


ET 1 


, alfo 4' 
PR aſach 


— 197 — 


3) Brüffeler Waizenpreife, Quetelet, Recherehes stat. sur le royaumo 
des Baye-Bas, 1829 (in Sols de Brab. zu 2, 5 fr. für 1 rasidre — 0,° 
pr. Sch.): 

1500-49 12,8 1600-99 70 
1550—99 39 1700—99 63 
alfo in der 2. Hälfte des 15. Jahrh. Ifach. 

4) Preis des Seftario Waizen (0,1% dettet in Piemont und 
Savoyen in heutigem Gelde nach Cibrario, S. 

zwiſchen 12891397 4,7 Lire 
⸗ 1825—1835 g, 1 2 
alfo 73 Proc. höher, und ber frühere Preis, das Heftol. zu 10,7? Fran: 
fen, war ſchon ein anſehnlich hoher. 

5) Nah den von de Montvéran (Bulletin de la societs franc. 
de statistique, Sept. 1830) gefammelten Nachrichten verhalten fih die 
waneppreiſe in Frankreich von 1307—1560 zu den neueren wie 1 


zu 2,76, 
6) Nach von Groß (D. ‚Siertetjahrefärift Nr. 50, ©. 186) Faufte 
man in Königsberg mit I Mark S 
1448—1534 55,'5 8 Sa. Roggen 
1568— 1655 19,35. ⸗ 
ober ungefähr '/a ber früheren Menge. 

Shudburg’s Tabelle bei Kraus a. a. D. Taf. 1 beweiſt, daß 
zwölf verfchiedene Waaren von 1550—1795 71/s mal theurer geworden 
find, aber es find dieß meiftens ſolche Lebensmittel, deren fortwährende 
Preiserhöhung befannt ift, fo daß man daraus feinen Schluß auf die 
Geltung des Silbers machen fann, $. 185. — Wenn, wie Hel- 
ferich a. a. O. Kir zeigen ſucht, der americanifche Metallzuflug im 
16. Jahrhundert Feiner war, als man gewöhnlid annimmt, fo kommt 
die —R zum Theil auf Rechnung anderer gleichzein er Ur⸗ 
ſachen, des lebhafteren Verkehrs, der ftärkeren Nachfrage nach Waaren 
und dergleichen. 


(f) ©. die Zahlen aus Smith's Werke in der vorigen Rote. 
(9) Dod nicht aller Orten, 3. B. nicht in Baiern, Hermann, ©. 123. 
(1) Belege dafür: 


Münden, Danzig, 
der Scheffel Roggen; der engl. Quarter Waizen: 
1800-09 14,9 fl. 1800-09 60 Sch. 
1810—19 17,8 ; 1810—19 55,9 ⸗ 
1820—28 8,5 ⸗ 1820—31 35,1 ⸗ 
Belgien, Heidelberg, 
das Heftoliter Waizen: das bad. Malter Spelj: 
1801— 10 17,8 Kr. 1800—09 4,8 fl, 
1811—20 23,67 ⸗ 1810—20 5,8% ; 
1821—30 16,10 ⸗ 1821— 30 3, ‚“ ⸗ 


Das Sinlken der Getreidepreiſe in dieſer Zeit darf jedoch nicht ganz 
aus jener Urfache abgeleitet werben, weil bei dem Getreide noch bes 
fondere Umftände mitwirkten, 3. B. der Friede, der vermehrte Anbau 
und die fruchtbaren Jahre. 

Ueber die Zweifel di gen die Annahme diefer Veränderungen in ben 
neueren Bold: und Silberpreifen ſ. $. 277a. 


8. 177. 


Die Unvollfommenbeiten, welche fich beim Gebrauche bes 
Metallgeldes zum Preismaaße zeigen, find zwar in dem gewöhn- 


— 198 — 


lichen Verkehre wenig fühlbar, erſchweren aber nicht nur bie 
deutliche Erkenntniß der Preisverhältniffe anderer Zeiten und 
Länder, fondern erweifen ſich auch nachtheilig in folchen Fällen, 
wo ed darauf anfonımt, Leiflungen auf lange Zeit hinaus fo 
feftzufeßen, daß fie für den Empfänger wie für den Leiſtenden 
gleich groß find (a). Deßhalb hat man ſich viel mit der Auf 
fuhung eined Gegenftandes befchäftiget, welcher von jenen 
Mängeln frei wäre und als ein vollfommener Maapftab des 
Preifes, oder wie man ſich auszubrüden pflegte, des Tauſch⸗ 
werthes, angefehen werden fünnte Fuͤr die in einem folchen 
Maaße ausgebrüdten Preife der Güter brauchte man die Ber 
nennung Sachs oder Real⸗Preiſe, im Gegenfage der Nenn» 
oder Nominal⸗Preiſe, worunter die durch Geldſummen bes 
zeichneten verftanden wurden. Man fonnte jebody nicht die 
Abficht hegen, dad Metallgeld zu verdrängen, fondern man wollte 
nur die bei demfelben vorfommenden Ungenauigfeiten mit Hülfe 
des anderen Maaßſtabes berichtigen. | 


(a) 3. B. bei immerwährenden Abgaben, die an der Stelle der bisherigen 
bäuerlihen Laſten auf die Ländereien gelegt werben oder die nach dem 
Verkaufe von Stantsländereien auf denſelben haftend bleiben follen, — 
bei Staatsanleihen u. dergl. 


8. 178. 

Dieß Suchen nach einem vollfommenen Preismaaße iſt vers 
geblih. Es giebt nämlic, feinen im Verkehre ftehenden Gegen- 
ftand, deſſen Preid gegen die Gefammtheit der Abrigen Güter 
nicht felbft wieder manchen Veränderungen unterläge, weil fich 
fein Gut findet, bei dem fowohl der Koftenbetrag als das beider⸗ 
feitige Mitwerben unveränderlih find; nur find die Güter in 
der Häufigkeit, der Größe und der Gränze ſolcher Preisver⸗ 
änderungen fehr von einander verfchieden.” Noch viel weniger giebt 
ed einen Gegenftand, von welchem eine gewiſſe Quantität den 
Eigenthümer zu allen Zeiten in die Lage fegte, eine gleiche Menge 
aller anderen Güter einzutaufchen, weil diefe aus Urfachen, die 
ihnen eigenthümlich find, theild im Preiſe finfen, theild fteigen. 
Wenn nun demnad Fein Gut fi fo ausfchließend zum Preis: 
maaße eignet, daß die in demfelben audgedrüdten Preife anderer 
Güter genau die auf Seite der legteren erfolgenden Veränderungen 
anzeigten, fo ift doch das eine Gut zu einem foldyen Gebrauche 
noch eher tauglicdy ald dad andere. 


l 


— 19 — 


$. 179. 


Smith erklärte die Arbeit für den wahren Maapftab des 
Taufchwerthes (Preiſes) der Güter. „Der Menſch ift reich oder 
arm," bemerkte er, „nad Berhältniß der Quantität von Arbeit, 
welche ihm zu Gebote fteht, oder welche zu erfaufen er die Mittel 
in Händen bat. Der Werth jeder Waare ift alfo für denjenigen, 
welcher fie nicht felbft zu verbrauchen, fondern gegen andere 
Waaren audzutaufchen gebenft, der Quantität Arbeit gleich, 
über welche er vermittelft derfelben zu gebieten hat, ober die er 
dadurch erfaufen fann." — „An allen Orten und zu allen Zeiten 
ift eine gleiche Quantität Arbeit für den arbeitenden Mann felbft 
‚immer von gleihem Werthe. Iſt feine Geſundheit, feine Stärfe 
und feine Geiftesmunterfeit die gewöhnliche, und hat er auch den 
gewöhnlichen Brad von Beiftesfraft und Gefchidlichkeit, fo wird 
er zu derfelben Arbeit immer ungefähr denſelben Aufwand von 
Kräften, diefelben Aufopferungen feiner Zeit, feiner Bequemlich- 
feit und feined Vermögens nöthig haben.” — „Das Verhältniß 
aller anderen Waaren gegen einander wird dann am ficherften 
gefhägt, wenn man ihr Berhältniß gegen die für jede zu er- 
faufende Arbeit ausfindig gemadyt hat (a).” Wegen ber großen 
Verſchiedenartigkeit der Arbeit rieth Smith, ſich hiebei der ges 
meinen, FTunftlofen Handarbeit zu bedienen. Seine Anficht 
wurde auch von Anderen angenommen (b). 

(a) Unterf. I, 45. 49. 56. 


(0) 3.38. Malthus, Princ. Ch. I, Sect. 6. — v. Safob, National 
öfon., ©. 114. — Kupdler, Boltsw. I, 85. — Man würde demnad 
die Gelbpreife der Dinge in der Menge von Tagen gemeiner Hand: 
arbeit ausdrüden, die man mit jenen Geldſummen belohnen kann. — 
Dagegen Sartorius, Abhandl. I, 16-33. — Bol. Los, Hand: 
buch I, 45. 


$. 180. 


Wäre aud) die Beichwerbe, welche die Arbeit dem Arbeiter 
verurfacht, eine und diefelbe, was nicht einmal der Fall ift, fo 
hätte dieß doc) auf den bier in Betracht kommenden Gegens 
ftand feinen Einfluß, da nah Smith's Vorſchlage blos ber 
jedeömalige Lohn der Arbeit zum Maaßftabe genommen wird (a), 
ber Lohn aber ohne allen Zweifel ſowohl in verfchiedenen Zeiten, 
als an verjchiedenen Orten fehr ungleih if. Indeß knuͤpft fi 


— 200 — 


hieran eine andere Betrachtung. Je nachdem nämlich wegen dieſer 
Verſchiedenheit des Lohnes ein gewiſſes Gut mehr ober weniger 
Tagerverfe gemeiner Hanbarbeit erfauft, wirb der arbeitenden 
Claſſe defien Erwerbung ſchwerer ober leichter. Da nun ber 
voirthfchaftliche Zuftand dieſer Elaffe für die Beurtheilung bes 
Wohlſtandes eines Volkes von großer Wichtigkeit if, fo erſcheint 
ein folder Ausdruck ber Preife in Arbeitstagen fehr lehrreich, 
nur nicht in dem Sinne jener Schriftfteller (8). 


() Benn man ;. B. nad Jakob's Beifpiele die Preife ber Lebensmittel 
auf diefe Weile ausbrüdt und angiebt, 100 Gtr. Lchensmittel Haben 
in Berlin und Sondon den Tauſchwerth von 300 Arbeitstagen, in 
Moskau von 240, auf den Societätsinfeln von 120 Tagen, fo werden 
allerdings die Preife der Lebensmittel durch Duantitäten von Arbeit 
bezeichnet, es ift aber offenbar, daß diefe Quantitäten darum ungleich 
find, weil der Arbeiter für feine Anfvengung, Befchwerde ıc. nicht 
überall und immer gleiche Vergütung erhält. iſt nicht genug, aus 
jenen Aahfen zu Iernen, über weldhe Mafie von Anftrengung des Ar- 
eiters ein Befiger von 100 Gentnern Lebensmitteln gebieten Fann, wenn 
diefe Kraftäußerung wiederum einen fo ungleihförmigen Preis gegen 
andere Güter Hat. — Vgl. dagegen von Jakob, 118 ff. 

(&) Als Beifpiel folgt Hier die Angabe, wie viel Tage gemeiner Lohnarbeit 
an verfchiedenen Orten ungefähr erforderlich waren, um dem Arbeiter 
folgende Unterhaftsmittel zu verfhaffen, A in Mandyefer 181020, 
B in $Hannover zu Anfang des 18. Jahrh., C ebendaf. 1827, D in 
der Mark Brandenburg 1820-33, E in Grap 1826-45, F in ber 
bad. Pfalz um 1850, G in Belgrad 1852, H in Sidney Auftralien 
1849, I in News Dorf um die naͤmliche Zeit, K Ober: Canada nac 
M’Eullod, Handb. I, 381. . 

— — — — — — 
lalsJe/pJe]r [eJa]lı]x 





















1Gtr. Nintil Ba 36 jaı m] 3 14 | 6 

1 = Wagen | 5,5 |- zeit 112 13 Jia | 69 2 

1. Bogen | | 6518,71 5018,01 9,5,— | 12) 1,5 

12 Butter a2 00 69 a 88 — 00 Io 2 

Yu = Bude 2a ana02 r - eier) 
| | 


Nah Arthur Doung’s Aufpiömungen (1787—90) fonnte_ ber 
franzoͤfiſche Arbeiter 1 Gentner Brod in 10% Tagen, 1 Gtr. Fleiſch 
in 36,9 C., der engliſche Brod in 10,4 T., Wleilh in 25, X. ver- 
dienen. In China verdient der Tagelögner nad Timkomwsti (Meife, 
I, 359) 1 Ctr. Rindfleifch in etwa 34, Hirfengraupen in 14, Meiss 
graupen in 16, Butter in 85 Tagen. 


$. 181. 

Während Smith ($. 179) die für jede Waare zu erfaus 
fende Menge von Arbeit als den beften Maaßſtab bed Preiſes 
anfah, Tegte dagegen Ricardo (a) großes Gewicht auf bie 
Menge von Arbeit, welche zu Hervorbringung eines jeden 


— 201 — 


Gutes erforderlih if. Aus ihr, je nachdem fie gleich geblieben 
oder anderd geworben ift, fol man erfennen, auf welcher Seite 
die Urfache liegt, warum jet nicht mehr diefelbe Quantität des 
einen Gutes für dad andere gegeben und empfangen wird. Der 
in dem Arbeitdaufwande ausgedrüdte Preis foll ber wahre 
Realpreid (Realwerth nach Ricardo) fein (5). Es giebt je 
doch, wie von Ricardo felbft anerkannt worden ift, fein Gut 
von gleichbleibenden Koften, vielmehr bringen Mafchinen und 
andere arbeitfparende Einrichtungen große Beränberungen her- 
vor, man fann ferner nicht zugeben, daß bie Koften blos aus 
Arbeit beftünden (8. 166), endlich würde man, da die Preiſe 
fi) bald mehr, bald weniger von den Koften entfernen, bei der 
Ausmittlung eined folchen Sachpreifed nicht einmal dad Ber: 
hältniß der wirklichen Preife zu erfennen vermögen. Wäre die 
Audmittlung des Arbeitöbedarfd zur Erzeugung der Waaren 
von technifcher Seite nicht fo fehwierig, fo würde fie wenigftend 
dazu fehr dienlih fein, um den Stand der Gewerböfunft in 
jedem Zeitalter zu bezeichnen. 


(a) Ueberf. v. Baumſtark. ©. ı ff. — Ebenſo M'Culloch, ©. 170. — 
Dagegen auh Hermann, ©. 131. 


(2) „Der Werth (value) einer Waare, oder bie Menge irgenb eines anderen 
Butes, für welches fie vertaufcht werden wird, h ngt von der verhaͤltniß⸗ 
mäßigen (relative) Menge von Arbeit ab, die zu ihrer Hervorbringung 
nöthig if." „Wenn es irgend eine Sade gäbe, zu deren Hervor: 
bringung zu allen Zeiten die nämliche Menge Arbeit erforderlich wäre, 
fo würde fie einen unveränberlichen Werth haben und ein vorzüglich 
guter Maaßſtab (standard) fein, um bie Veränderungen im Werthe ans 
derer Dinge zu bemeſſen.“ Diefen durch die Hervorbringungsfoften be: 
fimmten Werth (Taufchwerth) betrachtet Ricardo als den „urfprüng- 
lihen und natürlichen Preis,” von welchem die Marktpreife in Yolge 
zufälliger Urfachen temporär abweichen können, ©. 66. Nur ſolche Dinge, 
die durch den Menfchen nicht beliebig vermehrt werden können, werden 
ausgenommen, weil bei ihnen die Seltenheit den Taufchwerth beftimme. 


$. 182. 


Das Getreide ift fchon von Smith al8 ein für längere 
Perioden dem Gelde weit vorzuziehendes Preismaaß erklärt 
worden, und in der That hat es in biefer Hinficht Vorzüge. 
Sowohl beßhalb, ald wegen ber Folgen, die der jebeömalige 
Getreidepreis für die minberbegüterten Einwohner eined Landes, 
für die Landwirthe und felbft für die Finanzverwaltung hat, 
verdient diefer Gegenſtand eine nähere Beleuchtung. 


I Beränderungen des Betreidepreifes im Korts 
gange der Zeit (a). 

1) Die Ungleichheit der Ernten bringt von Jahr zu Jahr 
eine große Berfchiedenheit im Preiſe hervor. Während das 
jährlihe Erzeugniß an Mehlfrüchten unter dem Einfluffe ber 
Jahreswitterung ftarfen Beränderungen audgefegt ift, bleibt ſich 
der Begehr weit mehr gleich, denn wegen bed hohen Werthes 
bed Getreided bricht man ſich auch in fchledhteren Jahren an 
dem gewohnten Bedarfe nur ungern ab, in reichen Jahren aber 
erweitert fi) der Verbrauch nicht im Verhaͤltniß zum Ernte 
ertrage. Zwar nährt man fi) volftändiger und wählt zugleich 
feinered Mehl zur Verzehrung, aber dennoch hat der Nahrungs 
bedarf eine ziemlich nahe Graͤnze. Die Landwirthe fuchen in 
ungünftigen Jahren noch ihren gewöhnlichen Bebarf zu behalten 
und bie verfäuflihe Menge nimmt folglich ftärfer ab als der 
ganze Ertrag des Getreidebaues. Deßhalb fleigt und fällt 
der Oetreidepreid mehr, ald man aus dem Ernteergebniß ers 
warten follte, er geht 3.B., wenn eine Ernte um 1/4 reicher oder 
aͤrmer war, ald gewöhnlih, um weit mehr als !/ı über oder 
unter ben mittleren Preis, und ber Landwirth zieht alfo in 
reihen Getreidejahren eine geringere Geldeinnahme von dem 
Berkaufe feiner Erzeugniffe, ald in mittleren und fchledhten, obs 
glei der ganze Koftenaufwand in den legteren, wenigftend in 
Hinfiht des Erntes, Fuhr⸗ und Dreſchlohns, etwas Heiner if. 
Es ift jedoch unmöglich, für das jedesmal obwaltende Verhaͤltniß 
zwifchen dem Ernteertrage und dem Preife eine allgemeine Regel 
in Zahlen aufzuftellen, weil es hiebei noch auf mandherlei Neben⸗ 
umflände, 3. B. die Größe ber vorigen Ernte, die Aus- und 
Einfuhr, den bisherigen Preis ıc., ankommt (ce). Gewöhnlich 
folgen gute, mittlere‘ und fchledhte Jahre in bunter Miſchung 
aufeinander, fo daß die Jahrespreife bald fteigen, bald finfen, 
doch giebt es auch Beifpiele einer mehrmaligen Wiederholung 
teicher oder fpärlicher Ernten (d). 

2) Was die Preife der einzelnen Sahreszeiten betrifft, 
jo wird gewöhnlich als Regel angenommen, daß die Preife im 
Herbfte und Winter, wo die meiften Vorräthe nad) dem Aus⸗ 
brufche zu Markte kommen, am niedrigften, dagegen im Fruͤh⸗ 
ling, wo das Angebot fchwächer ift, am höchften ftehen, deßhalb 


208 — 


bedient man fich in folchen Gefchäften, wo man aus Billig« 
feitögründen niedrigere Preisfäge anwenden will, oft der Mars 
tinipreife (11. November) , oder befjer eined Durchſchnittes der 
Preife in den Wintermonaten. Im Frühlinge und Sommer 
verurfachen auch Zinfen und Aufbewahrung einen größeren 
Koftenbetrag. Indeß trifft jene Regel nur dann annähernd zu, 
wenn bie Ernten nicht fehr ungleidy find. In Behljahren gehen 
bie Preife gegen die Ernte zu und nad) ihr immer mehr in bie 
Höhe, bis fie im Winter oder Frühling ihren höchften Stand 
erreichen. Eine gute Ernte dagegen erniebrigt ſchon einige Monate 
vor ihrem Eintreten den Preid und hält ihn niedrig, bis etwa 
die Ausficht auf die nächfte Ernte ungünftig wird. Es kommt 
alfo Hauptfächlid darauf an, wie zwei aufeinander folgende 
Ernten fih in der Ergiebigkeit zueinander verhalten. Auch 
fönnen große Abwechölungen in der Nachfrage und dem ftärfes 
ven ober fchwächeren Bebürfniffe der Landwirthe, ihr Getreide 
bald zu verkaufen, mandherlei Verfchiedenheiten nad, ſich ziehen, 
weßhalb es Fein feſtes Geſetz für die Preife der Jahreszeiten 
giebt (e). 


(a) Damit man bie Getreidepreife für wiffenfchaftliche oder praftifche Zwecke 
benugen koͤnne, müflen fie forgfältig ermittelt fein. Die Aufzeihnungen 
in den Marftregiftern genügen nur dann, wenn der mittlere Preis 
jedes Markttages mit Rüdficht auf die für jeden einzelnen Preis ver- 
fauften Quantitäten befimmt worden ift, fo daß ber Mittelpreis, mit 
der ganzen verfauften Menge vervielfacht, gerade die ganze wirklich be: 
ahlte Summe giebt. Werner muß man den Unterſchied alter und neuer 

ucht und alle Kaufbedingungen, 3. B. die Zahlungstermine, beachten. 
Dad. Zehntablöfungsgeich, 15. November 1833, $. 32. Bollzugs: 
verordnung vom 17. März 1834 (muſterhaft). — Kommen in einem 
kürzeren, 3. B. 12, 20 sc. jährigen Zeitraume große Abweichungen der 
einzelnen Sahrespreile vor, fo iſt es für den praftifchen Gebrauch rath: 
fan, die hödften und niedrigften Preife aus der Rechnung mwegzulaflen. 
Dieß Ausftreichen der Ertreme macht den Durchſchnitt niedriger, weil 
die Preife der theuren Jahre mehr von dem mittleren Betrage abweichen, 
als die der wohlfeilen, wie denn 3. B. in den Münchner Preiſen von 
1750—1800 der niedrigfe um 47 Proc. unter dem 20jährigen Durdy- 
fchnitte fleht, der hoͤchſte aber (1772) um 147 Proc. darüber. Die 
Wirkung diefes Auslaffens der höchften und niedrigften Preife läßt ſich 
jo erläutern: 
Berlin, 50jähriger Roggenpreis von 1774-1833 48,5 Ser. 
-  20jähriger Mittelpreis von 1794—1813 59,3 ⸗ 
derfelbe, nad Auslaſſung der 2 hoͤchſten 
und 2 niedriaflen. . . > 2 20. ⸗ 
Köln, 60jaäͤhriger Roggenpreis von 1760-1820 48 ⸗ 
13jaͤhriger 1816—28 . . 2. 2.20. 
derfelbe, nach Ausfcheidung des hoͤchſten 
und niedrigſften. 00. 


(2) 


(e) 


&. Sammlungen von ©etreidepreifen bei Unger, Bon ber Ordnun 
der Fruchtpreiſe, Bött. 1752. I. — Frohn, ‚Ueber Bultur, Hand 
u. Breife des Getr. in Baiern. Münden, 1799. Fol. — Kraus, 
Auffäge über ſtaatswirthſch. Gegenftänte. Königeb. 1808. L — Rubds 
hart, Zuſtand des Könige. Baiern, I. Beil. S. 90. (1825). — 
Will. Jacob, Report on the trade in foreign oorn. 1826, die An: 
hänge. — v. Bülich, Geſchichtl. Darftell.. Tabellen, IL, 22. V, 161. 
— Beitr e zur Statiflif d. preuß. Rheinlande, 1829. ©. 92. — 
Engel, Jahrbuch f. Statiftif u. Staatswirthihaft des K. Sachſen, 
I, 484. 1853. — Seuffert, Statiflif d. Getreidehand. in Baiern. 1857. 
Wenn ein Landiwirth gewöhnlich 54 Procent feines &etreideerzeugnifles 
verkaufen Fann, und eine fchlechte Ernte ihm nur 3/4 des Mittelertrages 
giebt, fo bleiben bei gleichem Bedarf für die Wirthichaft nur 29 Proc. 
einer gewöhnlihen Ernte zum Verbrauch übrig, alfo nicht viel über 
die Hälfte defien, was fonft auf den Marft fommt. 

Die zweite gute oder fchlechte Ernte erhöht oder erniedrigt den Breis 
weit mehr als die erfte, ein Mißjahr nach einem fehr reichen bewirkt 
ein ſchwaͤcheres Steigen, als nad einem mittleren ıc. Werner wird der 
mittlere — immer von der vorjährigen und dießjaͤhrigen Ernte 
zugleich beflimmt, indem dieſe erft im Juli und Auguft erfolgt, und 
ın ten erften Monaten des Jahres nicht einmal vorauszufehen ift, wie 
die Ernte ausfallen wird. Dan würde daher befier nah Erntejahren 
rechnen. Auch die fehr ungleihe Nahrhaftigfeit der Brodfrüchte in 
verfchiedenen Jahrgängen, ein gewöhnlich überfehener Umſtand, hat Ein: 
ug, Nebenius in Berhandl. der bad. zweiten Kammer von 1833, 
XIII, 1834. Nicht allein das Gewicht eines gewiffen Raummanßes und 
der Mehlertrag find von Sahr ge Jahr verſchieden, fondern auch bie 
Zufammenfegung des Mebles. ah Millon (Annales d’hygiöne publ. 
XLI, 451) hatte der Waizen von 1847 18%/,, der von 1848 nur 
14 Proc. Wafler. — Die berühmte, von d'Ave nant bekannt gemachte 
Regel King's ift deßhalb nur beifpielsweife zur Grläuterung zu ges 
brauchen. ie ift folgende: 


Menn an der Ernte fo fol der Preis über den 
fehlt mittleren Sag fteigen 
Wit) um 3/10 
2/0 8/10 
Io um das 18/0fache 
io =. 20 ⸗ 


10 : All, : 

Tooke, Thoughtse and detafls, III, 90. Es ift ner, die Größe 
ber Ernten in einem Lande genau zu erforfchen, weßhalb nur ungefähre 
Angaben zu erhalten find. Zum Beilpiele mag der Ertrag bes Waizen⸗ 
baues in Yranfreich dienen, nad Cordier, Mömoire sur l’agriculture 
de la Flandre francaise. Paris, 1823. 











Ernte. Mittelpreis. Ganzer Geldertrag. 
Hectoliter. Franken. Franken. 
1817 48 157 127 42,9 2046196 326 
1818 52°879 782 27,37 1442031 655 
1819 63'945 878 18,4 1170762 402 
1820 44526 586 20,1 895428 644 
Durchſchn. | 52'377 593 27,05 1388-604 757 


Nah Schnigler (Creation de la rich. I, 34) iſt der Ertrag eines 
Heftars Waizen in guten Jahren, wie 1826, 1832 u. 1833 13,43 Hectos 
liter, in mittleren wie 183u, 10,53, in fchledhten wie 1816, 1817 9,1%; 


(4) 


(e) 


— 205 — 


das Verhaͤltniß dieſer Zahlen iſt wie 127 : 100: 87, während bie 
Preiſe weit mehr von einander abweichen. — Der Ausfall des Sion en⸗ 
ertrages von 1846 gegen eine Durchfchnittsernte war im preuß pen 
Staat 1/a, in Sachſen gegen 22 Proc., bei den Kartoffeln aber fehlten 
1846 in Preußen 47, in Sachſen 24 Proc. 
So waren z. B. 1692—1699 und 1765—1776 zwei Reihen fchlechter 
Getreidejahre mit hohen Preifen, dagegen fanden von 1730—1764 
nur zwei fchlechte Jahre Statt. Bon 1775—1793 traten 6, von 
1793—1812 dagegen 11 fchlechte Jahre ein. In Belgien hatten von 
1841—50 die meiften Provinzen 6 und mehr gute und fehr gute und 
feine fchlechte Waizen:, auch nur eine jchlechte Noggenernte, dagegen 
begann 1845 die Kartoffelfrankheit. Es leidet demnach feinen Zweifel, 
dag die von der Befchaffenheit der Ernten berrührende Erhöhung oder 
Erniedrigung des Preifes über oder unter den mittleren Stand in ein- 
zelnen Fällen fogar 10, ia 20 Jahre fortdauern Fönne, wie der hohe 
Preis von 1692—1714 und von 1793-1812, der niedrige von 
1729—1751 und in ben Jahren 1818—31 deigen. Tooke, On the 
high and low prices, III, 139. In Deutſchland haben der dreißig: 
jährige, der flebenjährige und der franzöftfche Mevolutionskrieg die Preile - 
anhaltend gehoben. In England konnten der Infellage willen die 
Kriege diefe Wirkung nicht haben. Die vier guten Jahre von 1832—35 
drüdten den Waizenpreis von 66%; Schill. (Durchſchnitt vor 1831) 
bis auf 39%/5 Schill. (1835) herab, wie er feit 1790 nicht mehr ges 
ftanden hatte. 
Kleinere Landwirthe find früher mit dem Ausprefchen fertig als große, 
Wohlhabende können mit dem Berfaufe mehr zögern. — Das Preis: 
verhältniß der einzelnen Monate kann dargeftellt werden 1) nach den 
Durdfchnittspreifen jedes Monates in einem längeren Zeitraum, 2) nad 
der Beobachtung der Rangfolge der Monate in den einzelnen Jahren. 
Dieß iR zwedmäßiger für praftifhen Gebrauch. Ber 1) ann der 
niedrigfte Monatspreis in theuren Jahren noch fo hoch fein, daß bie: 
durch der Durchſchnitt größer wird, als J dem 2ten Verfahren. 
Beifpiele zu 1). Die zwölf Monate find mit römifchen Zahlen 
bezeichnet, und nach dem Auffteigen vom niedrigften zum höchften Preife 
eorbnnet, die beigefeßten deutſchen Zahlen drüden das Berhältniß der 
ucchfchnittöpreife der einzelnen Monate aus (und zwar bei Münden 
den Preis des Scheffels, bei Heidelberg den des Malters in Kreuzer). 
Hamburg 1791—1822, Roggen: min. V (489) — X (498) — IV 
(500) — VI (502) — XI (502) — I (507) — IX (509) — 
LI (510) — XII (513) — IUI (517) — VII (517) — VIII (528). 
Münden 1747—97, Roggen: min. VI (473) — VIII (480) — VII 
(481) — ILI(491) — IV(492) — X (497) — V(499) — 1(506) 
II (507) — IX (509) — XII (517) — XI (518). 
Heidelberg 1811—30. Hier find die Preife von Martini bie Weih: 
nachten mit M. bezeichnet. 
Roggen: min. VIIL (421) — IX (458) — IL (467) — V (471) 
— 1(472) — UI(475) — VII(476) — IV(480) — X(483) 
— VI (IT) — M. (501). 
Spelg; min, VIII (264) — IX(269) — I.11(280) — X (281) 
— M.(285) — (289) — V(298) — IV (301) — VIL(310) 


— VL (319). 

Gerſte: min. VIII (335) — IX (386) — VIl (396) — 1(402) 
— I1.X(408) — UI(417) — M. (423) — V (425) — IV(435) 
— VI (454). 


Zu 2) In Hannover fiel in 50 Sakeen der höchfle Preis 9mal in 
den Januar, Smal in den November und December, Gmal in den October, 


— 206 — 


Smal in den Februar, Mat, Juni, September, nür imal in den Juli; 
der niedrigſte Preis war iomal im Januar, Imal im Desember, Smal 
im Auguft, October, November, 7mal im März, .... 2mal im Mai, 
Imal im April. 


In London war 1793—1847 in 54 Jahren der hoͤchſte Preis Smal 
im Auguft, Tmal im Deeember, 6mal im Mai und Juli, der niebrigfte 
2mal im December, 10mal im "Januar, 6mal im November. 


In Berlin war in 23, von 1694 an ausgewählten Jahren, die 
einen ftarten Wechfel zeigten, das max. 17mal in den 3 Wintermonaten, 
nur Imal im April und Mai, das min. 12mal in den Wintermonaten, 
Imal im Mai, Juni und Juli. — Unger a. a. O. ©. 2—24. — 
Frohn, a. a. O. S. 16. — Klebe, Grunbfäße ber Gemeinheits⸗ 
theulung, I, 58. — Jacob, a a. O. S. 242. — Tooke, a. Schrif: 
ten. — Dieterici in Statif. Hittheil, 1853. Mr. 


$. 182a. 


3) Ungeachtet der Schwankungen in ben Preiſen einzelner 
Jahre zeigen doch Durchſchnitte längerer Zeitabfchnitte eine ge: 
wiſſe Gleihförmigfeit, deren Urſachen nicht ſchwer aufzufinden 
find. a) Die Entftehung der Früchte erfolgt unter einer fehr 
mächtigen Mitwirkung natürlicher Kräfte, deren Thätigfeit in 
jedem Lande fich gleich bleibt und fo eingreifende Verbefferungen, 
wie fle in anderen Productionszweigen öfter vorfommen, nicht 
zuläßt, weßhalb in den Koften der Hervorbringung Feine großen 
Beränderungen Statt finden. b) Der hohe Werth des Getrei- 
bes macht wenigftend von Seite der inländifchen Käufer den 
Begehr im Ganzen ziemlich gleichbleibend, nur daß berfelbe 
almälig mit der Bolfsmenge anwädhft; auch kann c) einer 
Zunahme des Begehre mit der Zeit dur Ausdehnung und 
fleißigeren Betrieb des Anbaues entfprochen werden (a). 

4) Gleichwohl darf man bie in den bdurchfchnittlichen Geld⸗ 
preifen der Brüchte fichtbaren Ungleichheiten‘ nicht ganz den Ber: 
änderungen im :Breife der Münzmetalle zufchreiben. Sie können 
naͤmlich auch herrühren a) von der allındligen Zunahıne ber 
Koften, wenn beim Anwachſe der Volksmenge ein größerer Vor⸗ 
tath von Lebensmitteln geivonnen werden muß, woraus noth- 
wendig auch eine langfame Preiserhöhung entfteht. Verbeſſe⸗ 
tungen im Betriebe der Landwirthſchaft und in den Hülfsmit- 
teln zur Waarenverfendung wirfen jener Urſache mehr oder 
weniger entgegen (5); b) von der Ausdehnung bed Verkehrs, 
bie bald Zufuhren aus anderen Rändern, bald Abfag nach diefen 
herbeiführt und hiedurch die Preife anders ſtellt, als fie ſich blos 


. 


— 0 — 


nach den inneren Wirthſchaftsverhaͤltniſſen eines Landes feſiſetzen 
würden; c) von Störungen durdy den Krieg; d) von einer länger 
anhaltenden Yruchtbarfeit oder Unergiebigkeit In diefen Hin- 
firhten finden in jedem Rande eigenthümliche Verhältniffe Statt. 


(e) 


(2) 


eng e Durchſchnitte zeigen noch beträchtliche Abweichungen ; 
bei den nchner Roggenpreifen (1 bair. Scheffel — 4 —* PH 
— 1,% dad. Malt.) 
1750-59 5 * fl. 1790—99 10,4 J. 
1760 —69 7 1800—09 14,9 
1770—179 11,16 1810—19 17,75 
1780—89 7,8 1820—28 8,5 


Zwanzigjährige Durchſchnitte find fchon gleichförmiger, 3. B. die Lünes 
burg’fhen Roggenpreife (1 Himten = 0,8% pr. Sch. — 0,? bad. Malt.). 
1600—19 17,% &r. 1660—79 18,% Gr. 
1620— 39 26,9 ⸗ 1680 —99 22,% - 
1640—59 17,78 1700—19 23,10 - 
Bei fünfzig und hundertjährigen Durchſchnitten würden die Abweichungen 
noch geringer fein, wenn fie blos von den Ernten herrührten. 


3. B. Braunfchweiger Roggenpreife: 
1500—1550 3,3 Mer. 
1551 —1600 11,® — XVI. Jahrh. 7,* 
1601—1650 15,9 
1651 —1700 17,° 
1701—1750 22,5 
1751—1800 27,5 


Brüfleler Preife (Quetelet, Rech. statist. sur le roy. des Payabas, 
1829) 1 Rasidre (0,91 Heftol.) galt in brab. Sole (zu 9 fr. Gent) 


” 


ww 





XVII. ss 16,5 
XVII. s 25. 


us sv u 








Waizen. | Roggen. Waizen. Roggen. 
1500 — 1549 12,3 9,8 1700—1749 57,8 39,8 
1550—1599! 39 27% 1750-1799) 68,9 46,? 
1600-1649 68, 47.8 | 1800—1829| 105 66 
1650—1699 71,3 53 


Moggenpreis in München: 
in 50 Jahren von 1637—1687 4,3 
1688—1737 7,13 
1738—1787 8,8 
in 30 Jahren von 1788—1819 14,15 : 
Hermann, Untef. ©. 123. — on nelgpreite in Seilbronn, das dortige 
Malter = 2,% pr. Scheff. = 1,%% bad. Malter 
wohlfeile Periode oe 9, fl. 
höhere Preife 1787—1818 5,9 - 
wohlfeile Sabre 1818—36 g, Ss . 
abermal. Erhoͤhung 1837—43 5, “, 
Rau im Archiv, NR. F. IV, 248. 


$. 183. 
II. Dertlihe Verfhiedenheit in dem Getreides 


preife. Diefer beſtimmt fich überall nach den höchften Koften 


der Hervorbringung und Beifuhr, die man zur Verforgung eines 
gewiffen Marktes aufzumenden genötbigt if. Er iſt daher 
1) da am niedrigften, wo man ben Bebarf bei ſchwacher Bes 
völferung auf fruchtbarem Boden mit geringen Koften gewinnt, 
befonder6 da, wo man noch Borräthe zur Abfuhr in andere 
Gegenden übrig bat; 2) am hoͤchſten, wo der DBebarf der 
Cinwohner nur vermittelft eines Eoftbaren Anbaues oder ber 
Zufuhr aus entfernten Gegenden zu erlangen ift, was theils 
von hoher Bevoͤlkerung, theild von geringer Sruchtbarfeit hers 
rühren fan. 3) Der Getreidepreis ſteht da auf einer mitt⸗ 
(eren Höhe, wo ber Bedarf der Einwohner durch die ins 
ländifhe Hervorbringung mit mäßigen Koften gerade gebedt 
wird (a). 

DI. Breife der einzelnen Fruchtgattungen. Das 
Berhältniß, in welchem diefe zu einander nach Maaßgabe ihres 
Gebrauchswerthes, d. h. der Nahrhaftigkeit, ftehen, kommt 
mit dem Berhältniß der Anbaufoften ungefähr überein, weil bie 
nahrhaftere Frucht gewöhnlich auch den Boden mehr ausfaugt 
und mehr Pflege in Anfpruh nimmt. Doc finden in ben 
Preifen erhebliche Abweichungen von dem Werthöverhältniß 
Statt, wozu unter Anderm bie beflere Abfapgelegenheit im 
Auslande, die gewohnte Vorliebe für die eine oder bie andere 
Frucht und die Verfchiebenheit des für jede derfelben erforderlichen 
Bodens beiträgt (db). 


(a) Rau, zu Storch, Zuf. 78. Die Statiſtik Hat erſt in der neueſten 
Zeit angefangen, fich mit diefem Gegenftande zu befchäftigen. 
In Frankreich war der 10jährige Durchfchnittspreis von 1 SHeltoliter 
Daizen (nach Arnould, Hist. gén. des fin. de la France, 1806, 
. 86:) 


20,7 Fr. im Durchſchnitt des ganzen Landes, 

30,71 = auf der Süpfeite der Alpen, wo Del, Wein, Süb: 
rügte größeren Ertrag geben und Getreide eingeführt 
wird, 

28,9% = in dem Alpen: und Gevennengegenben, 

23,5 = in der Pyrenaͤengegend, 

20,% = in der norbweftlichen Spike Köretagne), 

16,897 =: am Ganale, wo flarfer Getreidebau und leichte Abfuhr 
ur See, 

15,01 = in den frudtbaren Gegenden von Lothringen und 
Champagne. 

Neuerli find die Unterfchiede geringer. Im 3. 1838-48 war ber 
höchfte Preis 23 Fr. in dem ſuͤdoͤſtlichen Theile, der niebrigfte 18,1 in 
der norftöftlichen Gegend, in Nordweſt 18,8, Durchſchnitt 19,8 Fr. 


(2) 


Im preußifchen Staate war: Moggenpreis Bevölkerung auf 
1816—37 1D.M. 1837. 
Preußen . © > 2 20200. 323,8 Sgr. 1827 
—3 Poſen..34,2 =: 2180 
Shlfen . - 2 22.22.38 ⸗ 3612 
Brandenburg und Pommern . 38,4 : 2093 
Sadin -. . . 2 22.2.6403 =: 3396 
Meifalen . » . 2202... 41,8 : 3600 
Rheinprovin . . . .... 494 ⸗ 5.078 


Banzer Staat. . . . . . 40 2 776 
Der Preis ift bier nah Weglaffung der zwei theuerflen und wohl: 
feilften Jahre angeſetzt. 
In Baden galt das Malter Spelzkern 1818—32: 
unter 9 g in der Gegend vom Nedar bis an den Main, ferner 
in Oberſchwaben, nörblid vom Bodenfee (min. Wert: 
heim, 7a. 36. — — 8f.24 kr. — Heidel⸗ 


22 


erg, 8 fl. 43 kr. — Stockach, 8 fl. 48 kr.). 

9— 10 fl. in der Rheinebene zwiſchen Nedar und Murg und an 
benachbarten öftliheren Buncten, am Bodenſee, auf 
den Höhen der Baar (Billingen ıc.) 

10— 11 fl. im Landestheil von der Murg fübwärts bis jenfeits 
der Kinzig (Lahr), im nörblihen Schwarzwald, im 
Rheinthal eliden bes Sees. 

11— 12 fl. in der füdweftlihen Ede des Landes gegen Bafel (Brei: 
burg, Müllheim sc.) 

Die Preife nehmen alfo von Bafel aus (12 fl. 16 fr.) theils rhein⸗ 
aufwärts gegen Dften, theild abwärts gegen Norden und fotann norb- 
öftlich regelmäßig ab. 


Meuere Mittelpreife des Waizens: Bollcentner. 
England, 1816—53, Quarter . . | 55,19 Schill. 7,7 f. 
Sranfreih, 1816—50, Heftoliter . | 19,8 Er. 6,% - 
Belgien, 1816—50, Hektoliter . . | 19,4 Kr. 5,89 ; 
Sadfen, 1832—54, Scheffl . . | 4,6% Thlr. 5,108 . 
Baden, 1818—50, Malte . . . | 14,81 fl. 5,8 - 
Preußen, 1816—53, Scheffel. . . | 2,9 Thlr. | 4 - 


Der Roggen galt 


in Breußen ISI6E—5 . 2... .| 1,4 Er 3» - 
in Sachſen 1833—54, Sceffel . . | 3,35 Thlr. 3,% : 
in Baden 1818—50, Malte . .| 7,5. | 3,5 


In dem Getreide ift zwar der Stickſtoff am meiften Allen aber auch 
das Stärfmehl nicht ohne Nährkraft, und hierüber fehlen noch Unter: 
fuchungen, weßhalb das Nahrhaftigkeitsverhältniß nicht genau befannt ift, 
auch ift der Werth z. B. zum Brotbaden ein anderer als zum Bierbrauen. 
Wird ein Scheffel, Malter ıc. Roggen glei 109 gefegt, fo ilt: 


| Baigen. | Gerſte. | Hafer. 


Der Werth der andern Früchte nad 
Blood... 


ihre Ausfaugung nad v. Thünen . 130 15 50 
Mittelpreis In Timber 1648—1747 . 127 11 43,0 
in Neuß, 17855—1835 . ..-... 136 16 50 
in Berlin, 1766—1852 . . . . . 140 19 59 
im preuß. Staat, 1816—5l . . - 143 75,* 53,? 
in Münden 1747-6 . . . . . 147 83,6 58 


Rau, polit. Del. I. 7. Ausg. 14 


— 210 — 


| Baizen. | Gerfte. | Hafer. 





in Heidelberg, 1780—89 u. 1800—09 137 82 45 

in Sachſen, 1823—54 ..... 140,17 | 76,89 48,65 

in Brüffel im 16. Sahh. . . . . 126,7 80 50 
im 17. — 22. 1385| 82,8 | 51,9 
im 18. ⸗ ren 147 86,7 55,? 

Belgien, 1801—50 ⸗ rn 155 

in Warfchau, 1815—24 rn 156 IT "56,9 


Der höhere Stand tes Waizens gegen Roggen kann aus bem zu: 
nehmenden Berbrauche und der größeren Beliebtheit des Waizens, 3. D. 
wegen der Weiße des Mehls, erklärt werden, weßhalb berielbe in Eng⸗ 
land und Franfreih die Hauptbrotfrucht if. Wenn eine Getreideart 
auf einem Markte nur in geringer Menge und dabei gewöhnlich nur 
in vorzüglicher Güte, oder dagegen in fchlechter Befchaffenheit erfcheint, 
fo kann ihr Preis fehr von dem mittleren abweichen. Bei der Ber: 
leihung darf man eigentlib nur da den Preis des Roggens zu Grunde 
egen, wo berfelbe die Hauptfrucht für Verbrauch und Handel if. Sept 
man den Waizen — 100, fo erhält man 


Roggen. Gerſte. Hafer. 
Großbritanien, 1823.- 32 . 61 56 38 
Dan ig, 1770-1831 . . . 58 51 30 
DBrüflel, 18. Jahrh. . . 68 59 37 
Im fübwerlichen Deutſchland tritt an die Stelle des Waizens ber 
ihm im Werthe und Preife ziemlich gleichkommende enthülfete (geichälte) 
Spelz, Spentern Kern.) Der ungeſchaͤlte Spelz (Dinfel)- giebt gegen 
42 Proc. Raumtheile Kern, dem Gewichte nach ungefähr 70 Proc. 
Sept man ben Kern zu 100, fo ift der Preis des gleihen Raummaaßes 
Spelz zwiſchen 36 und 45, in Würtemb. D. von 1833—45: 42,3, 
im D. aller badiihen Märkte von 1833—50 40,7, wobei der Roggen 
zu 68,4, die Gerfte zu 59,*%, der Hafer zu 35,9 fand. Zum Roggen 
verhält fih der Spelz dem Preiſe nah in Würtemberg wie 62,1, in 
Heilbronn , insbefondere wie 63,47, in Heidelberg wie 65, in Ueber: 
lingen wie 58, in Umftadt wie 64 zu 100. — Dem Gewichte nad) 
Iaflen fih die Mehlfrüchte ungefähr fo gegen einander fegen: wird ber 
Gentner Roggen zu 100 angenommen, fo gilt der Gentner Waizen 
gegen 126, Gerſte 85, Hafer 82, Spelz 104—108. 


$. 184. 


Die in vorftehenden $$. erflärte Regelmäßigfeit in den mitt- 
leren Preiſen des Getreides fteht mit der MWichtigfeit beffelben 
als des allgemeinften Nahrmitteld in Verbindung. Der Preis 
befielben wirft auch auf die Preife anderer Nährftoffe ein, denn 
wenn jenes theuer ift, werben dieſe ftärfer begehrt und erleiden 
ebenfall8 eine Preiserhöhung. Dagegen wirft audy der höhere 
oder niedrigere Preis bdiefer anderen Nahrungsmittel in Folge 
ihrer fpärlichen oder reichlichen Erzeugung wieder auf den Ge⸗ 
treideprei® zurüd. Hauptfächlich ift dieß bei der Kartoffel der 


— 21l — 


Fall, die in einem großen Theile von Europa für die minder⸗ 
begüterte Volksclaſſe fhon den Mehlfrüchten an Unentbehrlicy 
feit gleichfteht und deren Ertrag neuerlih anhaltend geringer 
ift ald vorher (a). Der Arbeitslohn, da er den nöthigften 
Unterhalt ficher ftelen muß, richtet fich einigermaßen nad) den 
Durchſchnittspreiſen des Getreided, und diefe ftehen mit ben 
Preifen vieler anderen Güter nothwendig in genauem Zufam- 
menhang. Daher ift zwar nicht der jedesmalige wirkliche, wohl 
aber der Durchfchnittspreid des Getreides gut zu einem Aus: 
brude der Preidverhältniffe anderer Güter und zur Feſtſetzung 
von Leiftungen für lange Zeit brauchbar (5). 


(a) Die Kartoffeln flanden dem Raummaaße nad gegen Roggen im preuß. 
Staate 1816—51 wie 32,%, in Sadfen 1838—52 wie 33,%, in Baden 
1833—50 wie 30,7 zu 100. Bal. 6. 192. 


(6) Sollte 3. B. eine Summe von 300 Thalern in Getreide ausgedrüdt 
werden, und wollte man fih der fchlefiihen PBreife von 1816—37, nach 
Ausihliegung der zwei höchften und ber zwei niebrigften, bedienen, 
fo wäre der Roggen zu 38 Eat. anzunehmen und jene Summe be: 
trüge 238,4 Scheffel Roggen. enn jedoch Jemand alljährlich dieſes 
Betreidequantum felbft entrichten follte, fo würde dieß, wegen der von 
Jahr zu Iahr wechlelnden Breife, eine höchſt ungleiche Laſt fein; die 
Gntrihtung müßte alſo nad den Durchſchnitten der vorhergehenden 
Jahre jederzeit in Geld gefchehen. 

Thaer dat fi bei lantwirthfchaftlichen Berechnungen eines Maaß⸗ 
ftabes bedient, welcher zugleich auf Arbeit und @etreidepreife gegründet 
it; er nimmt nämlid an, daß der Taglohn für gemgine Handarbeit 
ungefähr dem reife von Yo Scheffel oder etwa 91, Pfund Roggen 
gleihfomme. Dieß würde nad dem preuß. Durchſchnittspreiſe von 
1816—51 4,95 Sgr. — 17,27 fr. ausmachen, ift aber zu niedrig. 
Daher find Andere der Meinung, der Taglühner könne nicht beftehen, 
wenn er nicht wöchentlih 1 preuß. Scheffel, alfo täglih "s Scheffel 
oder 14 Pfund verdiene; Klebe, Grundi. der Gemeinheitstheil. 
I, 80. Def. Anleit, 3. Berfert. d. Grundanſchl., 1828. ©. 125. 
Dieß giebt für den Heidelberger Roggenpreis von 1818—50 27%3 fr. 
und entfpricht dem damaligen Yeldtaglohn. 14 Pf. Roggen find gegen 
10 Pf. Walzen oder Kern, weldhe in Baden, im D. 30 fr. galten. 
Auh Maltbus bemerkt, daß 1 Pe Waizen der mittlere Taglohn 
eines guten Arbeiters in guten Zeiten ſei, und daß beide Gegenſtaͤnde, 
Getreide und Arbeit mit einander verbunden, ein weit befleres Preis: 
maaß geben, als einer allein, wenn man nämlid aus ihnen die Mitte 
nimmt, Principles, ©. 128 f. — 1 Ped kommt 1, vr. Scheffel 
jiemlid, nahe und ift %/32 des Quarters. Daß in England lange Zeit 
der Preis von 1 Bel Waizen als Aequivalent des Taglohnes anges 
ſehen wurde, beflätigt‘ Sinclair, Grundgefebe des Ackerbaus, 
S. 103 der deutichen Weberfeßung. In Frankreich wurde ſchon um 
die Mitte des vorigen Jahrh. der Baron zu 9—10 Pf. Waizen 
geſchätzt. — Nah einem andern Borfchlage follen, um Geldfummen in 
einem zuverläffigen Maaße auszutrüden, nicht blos die Preiſe des 
Getreides, ſondern aud anderer wichtiger Verbrauchsgegenflände 3. B. 
Leder, Metallmaaren, Zuder sc. und zwar im Verhältniß der zu dem 


14* 


An 


212 ° — 


Rebensunterhalte erforderlichen Duantitäten, zu Grunde gelegt werben, 
Lowe, England nad f. gegenw. Zuftande, d. v. Jakob, 1823, 
©. 400. ehnlich Hermann’s NAnfiht vom Sahmwerthe des 
Geldes, Unterſ. S. 98. 110. 117. 135. W. Betty empfahl den 
täglichen Nährbedarf_ eines Menihen, Roſcher, Syſtem, I, 225. — 
Die Eontractpreife für den täglichen Bedarf eines Invaliden zu Chelfea 
an Brod, Butter, Käfe, Fleiſch, Salz u. Grüße waren 1800 8 PBence, 
1805—07 11 P., 1813 und 14 13%, P., 1818 10 P., 1822—32 
8% Bence (25'/2 fr.). Marshall, Digest of all the accounts etc. 
U, 181. . 





8. 185. 


Nach der vorftehenden Unterfuchung über die Art und Weiſe, 
wie man die in ben Preifen verfchiedener Dinge vorgehenden 
Beränderungen erfennen und bemefien könne, bleibt noch übrig, 
die Regeln aufzufuchen, nad denen die Preiſe verfchiebener 
Claſſen von Sachguͤtern ſich im Berlaufe längerer Zeiträume. 
zu verhalten pflegen. Fortdauernde Erhöhungen und Erniedris 
gungen finden ihren Grund größtentheild in dem Umfang des 
Begehrs und den Koften der Erzeugung und Herbeifchaffung. 
In dieſer Hinficht find folgende Abtheilungen der Güter zu 
unterjcheiden: 

1) Rohe Pflanzen» und Thierftoffe, und zwar a) folche 
bie ohne Zuthun der Kunft entftehen und von der menfchlichen 
Zhätigfeit nur ergriffen oder gefammelt werden, fönnen bei ber 
Abnahme des natürlichen Vorrathes und der Ausdehnung dee 
Begehrs ftarf vertheuert werden, 3. B. wilde Thiere, Fluß⸗ 
und Seefifche, Wallfiſchbarden (a), Fifchthran, Wafhfchwämme, 
Schildkroͤtenſchale; b) folche, welche durdy Bau und Zucht regel- 
mäßig hervorgebracht werben, wie Getreide, Holz, Fleiſch, Wolle, 
Häute und bergl., werben bei der Zunahme der Volksmenge 
und. ded Wohlftandes in der Regel theurer, weil ihre Gewins- 
nung und Herbeifchaffung bei einem größeren Bedarfe fchwieriger 
und foftbarer wird, während ein Eleiner Borrath mit geringerem 
Aufwande von Kunft und defto ftärferer Wirkfamfeit der Natur⸗ 
kräfte gewonnen werden fann (b). Die Colonialwaaren find 
dagegen in neuerer Zeit gefunfen, weil ihr Anbau bei größerer 
Sorgfalt ergiebiger geworben ift und die Verfendung weniger 
foftet (c). 

2) Mineralifhe Stoffe, bei denen die Quantität des 
Erzeugniffes von der Ergiebigkeit der Fundorte abhängt, haben 


— 218 — 


feine regelmäßige Veränderung ihres Preiſes. Die Erſchoͤpfung 

der bisherigen Lagerftätten, die Vertheurung des Holzes, die 

größere Nachfrage, die man nicht ohne größeren Koftenaufwand 

zu befriedigen vermag 2c., Fönnen eine Erhöhung, die Fort⸗ 

. fehritte der Bergbau» und Hüttenfunde dagegen, bie befleren 

Ttandportmittel oder die Auffindung neuer Lager Fönnen eine 

Erniedrigung ded Preifed nad fich ziehen (d). 

(a) Diefe fliegen in-Hamburg von 1818—48 auf das 2,5%fache. 

(d) Stord, I, 317. — Ricardo, v. Baumſtark, ©. 72. — Rofder, 
Syſtem d. B.W., I, 227. — Nah den Angaben bei v. Gülich, 


Tab. V, 158 war der Preis von 12, wenn ber von 1784-90 zu 
100 gelegt wird, in England 


bei Tale © ©... 108 | bei Repefamen . . . 143 
: Xher . ». ... 114 | = Dlvnöl .°. . 157 
: kt . ..:...41855 





Holz und thierifche Stoffe werden am meiften vertheuert, wie Fleiſch, 
Geflügel, Wildpret, Belle sc. bei der Verminderung bes Wildftandes u. dgl. 
nah Shudburg find von 1550 bis 1798 geftiegen: Schaafe ım 
Berhältnig 100 zu 882, Odfen 890, Pferde 904, Schweine 1960, 
Kühe 2000. - 


In einem ſchwach bevölkerten Lande ift Vieh auf der Weide in einem 
Theile des Jahres fehr Leicht zu ernähren. Die Stallfütterung macht 
dagegen größere Koften und die Mäftung wird nur da gene it, wo 
das zur Erzeugung des Fleiſches verwendete Futter ebenfoviel einbringt, 
alg bei einer anderen Benugung. Daher muß in einem gutangebauten 
Lande und bei anfehnliher Bevölferung ein gewifles, mit den Natur: 
gefegen der Thierzucht zufammenhängendes Berhältniß zwifchen den 
Preiſen des Fleifches und der Futterfofe beſtehen. Dan nimmt an, 
daß das Gefammtfutter des Maſtviehes, in Heuwerth ausgebrüdt, un: 
gefähr 5 Proc. feines Gewichts Fleiſch- und Beitzung me erzeuge; 
31/ Pfd. Heu find beiläufig einem Pfund Roggen gleich, alfo bringen 
100 Pd. R. gegen 17% Fin Zleifh und Fett hervor. Hiezu fommt 
aber noch der Dünger, fowie dagegen Koſten ter Wartung sc. zu bes 
rüdficgtigen find. Da nun auch jene Zahlen feineswegs in allen Faͤllen 
genau zutreffen, fo kann der Bleifchpreis nur beiläufig jenem Berhält: 
niß entiprehen. Auch das Berhältniß der Nahrhaftigkeit muß obigen 
Zahlen annähernd entiprehen. Nah dem GStidftoffgehalt werden 
16 De. Einpfleiſch gleich 100 Pfd. Waizen geſetzt, Knapp, Nahrungs⸗ 
mittel, S. 9. 

Im Spital St. Thomas zu Southwark (London) bezahlte man für 
den Stein (8 Pfb.) gute Rindfleiſch 

1701—10 1,8 Sch. 1794—1803 3,1 Sch. 
1744—53 1,73 ⸗ 1804—23 4,7 = 
1764—73 2,3 : 1824—33° 3,97 : 

Porter, Progr. of the nat. II, 112. NR. 9. ©. 589. Die Be: 
rehnungen von Eibrario zeigen, daß die Preife des Biches gegen 
Getreide gehalten in Oberitalien im 13. und 14. Jahrb. von 
den heutigen nicht jehr abweichen. Das Getreidequantum, womit man 
damals einen Ochſen eintaufchen Eonnte, gilt heutiges Tages 82 fl., 
eine Kub 30 fl., ein Huhn 25%, kr., 1 fo, Ochſenfleiſch 5,% Fr, 
1Pfd. Schweine und Hammelfleifh 9 Er. 


— 214 — 


Im preuß. Staate Faufte man im D. 1819—32, nad Abzug ber 
4 Grtreme, mit 100 Pfd. Roggen 20,1 Pfd. Rindfleifh ; die einzelnen 
Provinzen zeigten aber große Verfchiedenheiten: Weftfalen 345/,, Schle: 
fin 26,?, Rheinland 23,7, Bofen 19,5, Preußen 18,1, Brandenb. 
Pomm 17,7, Sachſen 16,7 Pfd. Dieß hängt zum Theil mit der ver: 
fchiedenen Ausdehnung der Rindvichzucht zufammen, denn es fam 1 Stüd 
Nindvieh in Sachen erft auf 3,6 Ginwohner, in Weflfalen auf 2,5, in 
Preußen und Bofen auf 2, im ganzen Staate auf 2,98 Ginw. Im 
Könige. Sachſen galt 1834—52 der Eentner Roggen 22 Pfd. Rind» 
fleifh, in Baden 1835—50 24,6 Pfd., in Heilbrönn in den 2 Halb 
jahrhunderten von 1744—1843 23,86 und 23,49 Pfb., wobei max. 
26,1 Pfd. in dem Jahrzehend 1764—73, min. 20,5 Pfd. 1824—33. 

Es iſt eine örtliche Abweichung von dem allgemeinen Gange, daß 

. fh in der Mark Brandenburg eine Zeit lang ber Preis bes Getreides 
mehr ale der des Kleiiches "gehoben hat. Das Pfund Rindfleiſch galt 
1686 9 Pfenn., 1740 und 50 1!/ Gr., von 1760—99 fortwährend 
1a ©r., fo daß alfo mit 100 Pfund Roggen im I. 1686 20 Pf. 
Yleiih erfauft werden Ffonnten, 1740 und 1760 25 Nfd., 1750 271/a, 
1770 238/,, 1780 und 90 26°, 1799 fogar 371’ Pfd. Gr. Pode⸗ 
wils, Wirthichaftserfahr., II, 15. In England kaufen 100 Pfund 
Maizen ungefähr 21 Pfd. Rindfleifch, in Nuftralien (nah Dutton) 
25,1, in Belgrad fogar 39 Pfund. 

(c) Merfwürdig ift, ungeachtet der großen Zunahme des Verbrauchs, bie 
Preiserniedrigung der rohen Baumwolle. In England galt die weit: 
indifche 1847 nur 25 Broc. des Preifes von 1782. Der Hamburger 
Preis der Georgia-:Baummolle von 1848 ift nur 27 Proc. des Preiſes 
von 1818. Dieß beweift, daB es in den zum Baummwollenbau hinrei- 
chend warmen Ländern taugliche Grundftüde in Menge gegeben und 
daß man mancherlei Berbeflerungen im Anbaue fennen gelernt hat. — 
Der Hamburger Preis von 1848 iſt gegen den Preis von 818 nur 
19 Proc. bei Cochenille, 28 Proc. Cassia lignea, 35 Domingo:Kuffee, 
41—42 braunem Rohzuder, 45 oflind. Reis, 50 Carolina-Reis und 
Muscatnüflen, 54 Indigo, 57 — 59 Bortorico- und Virginia :Tabaf, 
60 Peccothee, aber 90 Proc. bei american. Häuten. — Entwurf zu 
einem Solltarif für das vereinte Deutfchland, Frankf. 1848 ©. 88. — 
Tabellen bei Tooke, History, im 2. und 3. Bande. 


(d) Stord, I, 386. — Steinfohlen find in Hamburg von 1818 bis 1848 
auf 56 Proc. gefallen, Schwefel auf 67, Zinn auf 85, Kupfer behielt 
in England von 1782—1847 ziemlich gleichen Preis. 


$. 186. 


3) Bei den Gewerkswaaren wirken zwei Urſachen ein- 
ander entgegen. Während die Vertheurung der rohen Stoffe 
ben Preis zu erhöhen ftrebt, find die Kortfchritte der Kunft in 
dem Betriebe der Gewerksarbeiten Urfache einer Koftenverringe- 
rung, und bald ift die eine, bald die andere diefer Wirkungen 
mächtiger. Daher pflegen ſolche Waaren, bei deren Verfertigung 
arbeitfparende Mafchinen , beffere Werkzeuge, ftärfere Arbeits- 
theilung oder vortheilhaftere Arten des Verfahrens in Gebraud) 
fommen, wohlfeiler zu werben. Sehr viele Gewerkserzeugniſſe 
gehören in dieſe Abtheilung, und es zeigt fich hierbei auf das 


— 215 — 


Deutlichfte, welchen großen Einfluß Wiffenfchaft und Kunft auf 
die Erhöhung ded Gütergenuffes haben (a). Andere Waaren, 
bei deren Hervorbringung feine erheblichen Erfparungen moͤglich 
find , behalten entweder einerlei ‘Preis oder fteigen fogar. Dieß 
ift der Fall bei Gütern, die ohne viele Kunſt hauptfächlich 
von Menfchenhänden verfertigt werden, und bei ſolchen, deren 
roher Stoff feine große und foftbare Veränderung erleidet, fo 
daß in ihrem Koftenbetrage der Preis des rohen Stoffes ben 
größten Theil ausmacht, 3. B. Glad und andere chemifche 
Producte (b). 


(a) Storch, I, 398. — Eine Folge hievon ift, daß ein Land, welches 
rohe Stoffe ausführt und dagegen Gewerkswaaren vom Auslante ein: 
taufcht, für gleihe Menge jener eine immer größere Duantität von 
diefen erhalten muß, Stord, III, 20. Im Durchſchnitt machen bie 
verbrauchten Berwandlungsftoffe 1/s—!/s von dem ganzen KRoftenbetrage 
und Preife der Gewerkswaaren aus; dieß Verhaͤltniß ift aber bei den 
einzelnen Waarengattungen fehr verfchieden, 3.3. beim Papiere nur %%, 
beim Tabak, Brote, Glaſe gegen I/a, bei Ichgahrem Leder ungefähr 7/ro, 
beim Baummwollengarn gegen %s, bei Baummollengeweben, g. 55, bei 
gedruckten Zeuchen gegen 27 Proc., bei Wollentuch 50, bei Seiden: 
waaren 60 Proc. Jede Beränderung im Preife der Rohſtoffe vermag 
diefes Verhaͤltniß anders zu geftalten. Belege hiezu geben bie in $. 24 
genannten Schriften von Krug und Chaptal, ferner Briavoinne, 
Ind. en Belg. 11. 3. u. Tafeln z. Statifl. d. oͤſterrr Mon. 1846. — 
Heutige — der Uhren, der künſtlichen Zeuche und dergl. 

In Frankreich ſanken von 1826—49 die feinſten Baumwollengewebe 
(Gaze) auf 12 Proc., andere auf 23 — 37 Proc., Wollentuch auf 74, 
Merinos auf 42, gemuſterte Shawls auf 29 Proc. des früheren Preiſes, 
in Hamburg flanden 1848 feine Katlune zu 18, Mittelforten zu 24, 
Baummwollenfammt zu 30—33 des Preifes von 1818. Baummollen: 
arn von Nr. 150 ift in Franfreid von 1819—1834 von 18 auf 9 Fr. 
ür das Kil. gefunfen, Nr. 30 von I Er. 30 Gent. auf $ Fr. 15 Cent., 
was nicht allein von dem veränderten Preiſe des Rohſtoffs berrührt, 
da der Spinnerlohn von 1 Pr. 80 Cent. auf 80 Gent. herabging. 
Enquöte commere. III, 195. 488. — Diefes Sinken des Preiſes muß 
aber eine Gränze finden, wenn feine weitere Bervolllommnungen eines . 
Gewerbes mehr möglih find, welhe noch wirkſam genug wären, um 
ter Preiserhöhung des Etoffes das Gegengewicht halten zu können. 


(d) Waaren biefer Art fauft man am beften in folchen Ländern, tie ſchwach 
bevölkert find, wo die rohen Stoffe einen niedrigen Preis haben und 
auch der Lohn nicht hoch iſt. Holzichnigwaaren z. B. werben größten: 
theild aus Gebirgsgegenden bezogen, wo Holg mwohlfeil ift und die 
genügfamen Arbeiter mit Färglihem Lohne zufrieden find, wie Berchtes: 
gaden, das Grödner Thal in Tyrol, die Gegend von Sonnenberg im 
meiningenfchen Unterlande (vol. F. 115.) — In OÖftindien wird bie 
Baumwolle zwar nit fo wohlfeil gefponnen, als in England, wegen 
der Spinnmafhinen, aber Zeuche webt man dort wohljeiler, weil ber 
Zaglohn nur Y7— !/g des engliülhen if. Bernoulli, Ueber ben 
Aufſchwung der Baumwollenfabrication, ©. 22 (Bafel 1825). — Bei 
29. chemiſchen Producten, die aus Chabrol, Rech. statist. sur la 


— 216 — 


ville de Paris bei Hermann, Unterf. S 137 berechnet find, beträgt 
im Durchſchnitt der Arbeitelo nur 7,3 Proc. bes Berfaufspreifes, bei 
einigen nur 1— 2 Proc. — ergleicht man bie englifchen — 2 — 
Preiſe verſchiedener Waaren von 1696 mit den heutigen, fo IA 

folgende Unterſcheidung aufſtellen, den Preis von 1696 zu 100 geſetzt: 


1) Wohlfeil gewordene Rohſtoffe: 1826 1831 
Gifen und Stahl galten > 2.2.83 Proc. 56 Broc. 
GSteinfohlen.. . . 41 : 45 : 
2) Mohlfeil gewordene Gewerkswaaren: 
Mollenwaaren . . 8: 87 ⸗ 
Kupfer: und Neffingwansen 2. 73 5 83 > 
Leinenwaaren . . .. 74 : 62 = 
Baummwollenwaaren -. -. » 2: 2... 49 3 89 5 
3) Dertheuerte Waaren: 
las ..ö387 2 364 ⸗ 
Schreibe . nenn. 278⸗ 308 = 
Butter und Räfe nenn. 20 ⸗ 282 ⸗ 
Leder . . ee 280 =: 249 ⸗ 
Te ! 16861800 
Seidenwaaren . . 458 >: 12 ⸗ 


Eiſen⸗ und Stahlwaaren .. 196 
en). aus dem Berhältniß des Boll; zum declarirten reife, f 
$. 429 (e) 





Dritter Abſchnitt. 


Bweige des Einkommens. 


Erfte Abtheilung. 
Der Arbeitslohn. 


Erftes Hauptflüd. 
Beitimmgründe des Lohnes im Allgemeinen. 


§. 187. 

Die Vergütung, die der Arbeiter ald folcher erhält, ift ber 
Lohn, $. 139 (a). Diefer tritt am deutlichften hervor, wenn 
er dem Arbeiter von einem Anderen, dem Lohnherrn, welcher 
meiften® ein Gewerböunternehmer ift, vertragemäßig gegeben wird. 


. 


— 217 — 


Nimmt ein Unternehmer neben der Leitung eines Gewerbed aud) 
an den zur Ausführung deſſelben erforderlichen Befchäften wie 
ein Zohnarbeiter Theil (db), fo erfpart er an der Ausgabe für 
Lohnarbeit und fein Lohn ift in dem Ueberſchuſſe mitenthalten, 
der ihm von dem Erlöfe als fein eigener Antheil verbleibt. 
Der von dem Lohnherrn entrichtete, der bedungene Xohn 
ift der Preid der Arbeit und hängt von denfelben Umftänden 
ab, welche den Preis der Güter beim Tauſche beftimmen ($. 145), 
nähmlich von dem Werthe, den Koften und dem Mitwerben. 
Diefe Beftimmgründe regeln nicht blod den Kohn in den hers 
vorbringenden Gewerben, fondern auch bei den perfönlichen 
Dienften, und aud ihnen müflen ſich die BVerfchiedenheiten ab⸗ 
leiten laffen, welche in der Größe des Lohnes einzelner Zeiten, 
Länder und Arbeitözmweige ftattfinden. In welcher Art von 
Gütern aber auch der Xohn entrichtet werden mag, fo ift feine Größe 
immer darnach zu beurtheilen, welche Menge von concretem Ges 
brauchöwerth, d. 5. welches Maaß von Gütergenuß er bem 
Zohnarbeiter zu verfchaffen vermag (c).- 


(a) Die Lehre vom NArbeitslohne hat darum ein befonderes und höheres 
Intereffe, weil fie die Bedingungen der Wohlfahrt für die zahlreichfte 
Boklsclaffe entwidelt, die gewöhnlich auf das geringfle Einfommen be: 

- fchränft ift, und weil Srrtbümer hierüber viele Nachtheile hervorrufen, 
3. B. die Arbeiter mit Groll gegen andere Volksclaſſen erfüllen und 
zu einer —A — Handlungsweiſe verleiten koͤnnen. Die Kenntniß 
der volkswirthſchaftlichen Geſetze zerſtoͤr manchen angenehmen Wahn 
und manche Hoffnung, iſt aber dennoch im Ganzen wohlthaͤtig. — Ad. 
Smith, 1. 3. 10. Gay. — Will. N. Senior, Three lectures on 
the rate of wages. 2. Edit. Oxf. 1830. — Deff. Outline, S. 187 ff. — 
H. C. Carey, Essay on the rate of wages. Philadelph. 1835. — 
F. Schmidt, Unterfuhungen über Bevölferung, Nrbeitslohn und 
PRauperismus, 1836. S. 172—318. — Villerm&, Tableau de l'état 
physique et moral des ouvriers, II, 1, (1840). — Dupuynode, Des 
lois du travail et des classes ouvritres. Par. 1845. — von Thünen, 
Beftimmgründe des Arbeitslohns und Unternehmergewinns, 1848 und 
in beflen Der ifolirte Staat, II, 36 ff. Helferih über v. Thü— 
nen's Lehre in Staatewifl. Zeitfchrift, 1852, S. 393. — St. Mill, 
I, 341. — H. Say in Dictionn. de l’&con. pol. UI, 570. - C. Mor- 
rison, An essay on the relations between labour and capital. Lon- 
don 1854. — Biel Lebhrreiches in Enquôte sur la condition des classes 
ouvridres et sur le travail des enfants (in Belgien.) Brux. 1848. 
UI B. — Agriculture. Recensement gen. Brux. 1850. ©. CC. — 
Industrie, 1851. ©. XX. 

(2) Dieß tritt bei dem Kleinbetriebe von Gewerben ein, 3. B. bei der Be 
wirthſchaftung Meiner Landgüter, wo der Landwirth felbft mit pflügt, 
jäet und erntet, ferner bei vielen Handwerfen. Gin Schuhmacher, der 
nur 3—4 Gehülfen hat, wird vielleicht faum einen ganzen Tag in der 
Woche, alfo Y/e der Zeit, mit dem Ginfaufe des Lebers, dem Anmeflen, 


— 218 — 


Gincaffiren, dem Rechnungsweien, ber Bertheilung der Geſchaͤfte u. bat 
zu thun haben, in den übrigen S/s der Zeit wird er wie ein @efelle 
mitarbeiten. Dieß ift bei funftreichen Gefchäften, wie des Uhrmachers, 
Snfleumentenmaders sc. befonders auffallend. Vgl. Lotz, Handb. 1,485. 


(e) Aus dem bloßen Geltlohne, ohne Rüdfiht auf die Geldpreife der 
Lebensmittel, -Läßt fid) die Lage der Arbeiter nicht bemeflen, $S. 180. In 
Boflon (N.:Anm.) war der Taglohn 1836 11 D., 1845 1 D., aber 
der Arbeiter Eonnte fich einen beflimmten Vorrath verfchiedener Nahrungs⸗ 
mittel im erften Jahre durch 35/3, im zweiten durch 231/4 Tagesarbeiten 
verichaffen, alfo war feine um 20 Proc. geringere Gelteinnahme 51 Proc. 
mehr werth. Hunt, Merch. mag. XXXI, 178. Der englifche Feld⸗ 
arbeiter fonnte 1770 mit feinem Wochenlohn (7'1/ Sch.) 58 Pfd. Brot 
oder 25 Pfd. Pleifch oder 141 Bid. Butter kaufen, 1850 — 51 mit 
dem Lohn von 9 Sch. 7 P. 76 Pfd. Brot oder 21 Pfd. Fleiſch oder 
Y/a Pd. Butter, er war alfo gu einer minder nahrhaften Koft genö: 
thigt, Caird, Engl. agric. ©. 474. — Bisweilen befteht der Lohn 
aus verfchiedenen Theilen, 3. B. Geld, Koft und Wohnung, Kleidungs: 
ftüden, oder Holz, Benugung von Grundflüden u. dgl. 


.$. 188. 

Der Werth, der eine Arbeit für den Lohnherrn hat, be- 
ſtimmt fi 

1) nach den Zweden, für welche fie benugt wird. Manche 
Arbeiten werden nad) ihren Gebrauchswerthe gefchäßt, wenn fie 
dem Lohnherrn einen Bortheil ohne Hülfe des Verkehrs gewaͤh⸗ 
ten, wohin ſowohl die Beihülfe zu dem Erwerbe deffelben aus 
eigener Hervorbringung, als mandherlei Verrichtungen zur Er⸗ 
haltung und zum Gebrauche der Sachgüter und die zahlreichen 
perfönlichen Dienfte gehören, die jedody gewöhnlidh um einen 
weit unter ihrem Werthe ftehenden Preis zu erlangen find (a). 
Der Verfehröwerth kommt in Betracht bei Arbeiten, die zu einer 
Gewerbsunternehmung dienen. Se einträglicher ein Gewerbe ift, 
d. h. je mehr von dem Ertrage bdeffelben nad) Beftreitung der 
anderen fchon feſtſtehenden Koften ald Antheil ded Unternehmers 
und ber Arbeiter in den Händen bed erften zurücdbleibt, deſto 
mehr Lohn kann den Arbeitern bewilligt werden. Dieß hängt 
haupfächlich von den Preifen ber Gewerbserzeugniffe im Vers 
gleich mit den übrigen Ausgaben ab (db). Durch eine anfchn- 
liche Lohnausgabe wird aber fein Gewerböverbienft vermindert, 
und wenn dieſer faum noch eine hinreichende Ermunterung zur 
Hortfegung ded Gewerbes gewährte, fo hätte der Lohn feine 
höchfte Graͤnze erreiht. Das Mitwerben begünftigt übrigens 
bie Lohnarbeiter nicht oft in folchem Grade, daß fie einen dieſer 
Obergränge ſich nühernden Lohn durchſetzen Fönnen. 


— 219 — 


2) In einerlei Gewerbe ift die Xeiftung ber Arbeiter je nad) 
bem Fleiß, der Geſchicklichkeit, Stärke 1. derſelben fehr vers 
fhieden (c). 


(a) Doch giebt e8 Ausnahmen, 3. B. bei Arbeiten zur Rettung bes Ber: 
mögen® aus Feuers: oder Waflersnoth u. dgl. 


(5) Durch v. Thünen, Ifol. St. II, 174, ift der merfwürdige Verſuch 
gemacht worden, ein Geſetz für die aus dem Erfolg der Arbeit beflimmte 
Größe des Lohne zu entwideln; der Lohn foll.dem Mehrerzeugniß des 
legten, in einem großen Betriebe noch angeftellten Arbeiter gleich: 
fommen. Es findet aber nicht allein in den einzelnen Gewerben, 
auh in den Ginrichtungen und Berhältniffen der einzelnen Unter: 
nehmer in jedem Gewerbe eine folche DBerichietenheit der Umftände 
flatt, daß fich eine gleichförmige Groͤße des Lohne auf diefe Weife nicht 
leicht feſtſetzen läßt. 


(e) Solche Berichiedenheiten zeigen fih auch von Gegend zu Gegend. Eng⸗ 
lifche Arbeiter leiften mehr als franzoͤſiſche und viel mehr als irländı- 
Ihe, teren Lohn dagegen auch viel niedriger if. Die Ausfagen von 
verfhiedenen Fabrikherren (auch bei Senior, Ooutl. ©. 191) beftätigen 
es, daß man mit gleicher Anzahl engliicher Arbeiter wohl das Doppelte 
ausrichtet, wie mit franzöflichen, die deßhalb, in Hinfiht auf das, mas 
fie verrichten, befler als jene bezahlt find, F. 113. „Ein fchottiicher 
Taglöhner zu 1 Schill. ift wohlfeiler als ein irländifcher zu 1/s Schill.“ 
Evidence in respect to the occupat. of land in Ireland, II, 135. 
Berliner Arbeiter leiften beim Holzfägen im Verhältniß 8 zu 5 mehr 
als udermärkifche (Hoffmann). — Dem geſchickteren und fleißigeren 
Arbeiter fann man ſchon darum mehr Lohn geben, weil er mit gleichem 
fiebenden Gapitale mehr ausrichtet. 1829 bezahlte man in Manchefter 
für das Pfund Baumwollengarn von Nr. 200 4,8% Schill. Spinners 
lohn, 1831—33 nur 2,01— 2,7 Schill., aber da bei letzterem Satze der 
Spinner mit 648 Spulen zugleich arbeitete, bei erflerem nur mit 312, 
fo erhielt er bei jenem doch mehr Lohn im Ganzen für gleiche Arbeites 
dauer, nämlich 648mal 25/18 oder 1566 Schill. ftatt 312mal 41/2 oder 
1274 Schill. Uree, Das Fabrifwef. ©. 286. 


$. 189. 


Der Lohn wird entweder für eine gewifle Arbeitzeit (Tag, 
Woche x.) ausbedungen (Zeitlohn), oder für eine gewifle 
Leiftung (Stüdlohn). In Bezug auf den Bortheil der bei 
dem Lohne zunächft betheiligten beiden Claſſen läßt ſich der⸗ 
felbe auf doppelte Weife betrachten: 

1) in Berhältniß zu der von dem Arbeiter verwendeten Zeit. 
Der wirtbfchaftliche Zuftand deſſelben hängt vorzüglich von der 
Größe feines ganzen Lohneinkommens ab, welches ſich wie- 
der nach der Größe der für eine gewifle Arbeitszeit gegebenen 
Vergütung (a) und nad) der Bortdauer oder Unterbrechung ber 
Beichäftigung richtet; 


—— 220 — 


2) in Berhältniß zu dem Aufmwande, den der Lohnherr für 
eine gewiffe Arbeitöwirfung machen muß, Zohnausgabe (b). 
Der Lohnherr firebt darnach, die werthvollſte Arbeitsleiftung 
($. 188) mit der geringften Ausgabe zu erlangen. If Stüd- 
lohn verabredet, fo bringt ed dem Lohnherrn feinen Nachtheil, 
wenn ber Arbeiter durch gefteigerten Fleiß fein Löhneinfommen 
zu vergrößern im Stande ift. 

(a) Rate.of labour, Lohnfag, Lohnverdienſt, nah Senior. 

(8) Price of labour, Arbeitsp reis, nah Senior. 


$. 190. 


Die Koften, weldye dem Arbeiter im Lohne erftattet werden 
müffen, beftehen bei einfachen Berrichtungen nur aus dem Un⸗ 
terhaltöbedarfe, bei Fünftlicheren aber fommt noch der zur Er- 
langung der erforderlichen Gefchidlichfeit vorgenommene Güter: 
aufwand Hinzu. 

Der Unterhaltungsbedarf bezicht fich nicht blos auf bie 
Dauer der Arbeit, fondern auch auf die Jahre der Kindheit 
und Jugend, in welchen der fünftige Arbeiter noch nichts er- 
werben kann, daher muß das Lohneinfommen der arbeitenden 
Mitglieder zu dem Unterhalte ihrer Bamilien binreichen (a). 
Wäre dieß nicht der Fall, fo würde die arbeitende Claſſe fich 
vermindern und ed würde an Arbeitern zu fehlen anfangen, bis 
das verringerte Angebot von Arbeit den Lohn wieder in bie 
Höhe brachte. Dieß durch die Erfahrung beftätigte volföwirth- 
ſchaftliche Gefeh gilt jedoch nur von der gemeinen Xohnarbeit, 
welche ftets die fpärlichfte Vergütung erhält, und von ber mitts 
leren Zahl von Mitgliedern einer Familie (6). In den Fünft: 
licheren Arbeitögweigen reicht öfterd nach der dabei herfömms 
lichen Xebensweife der Lohn blos für einen einzelnen Arbeiter 
aus, und dennoch bleibt vermöge des Zudranges aus den uns 
teren Claſſen die Zahl der Arbeiter unvermindert (c). 

(a) Auf eine Familie fommen im Durchſchnitt A!/s Köpfe. Bei Taglöhnern 
nimmt man an, daß der Verdienft ber Frau ungefähr ein Drittheil von 
dem bes Mannes fei, theils weil ter weibliche 8a (oh geringer, theils 
weil fie öfter abgehalten iſt, Lohn zu verdienen. Der Lohn des Mannes 
muß alfo 3/4 des amilienbedarfes einbringen, wobei aber nur uner: 
wachſene Kinder zu rechnen find, weil die älteren ſelbſt mitarbeiten. 


Bei Verrichtungen, die etwas mehr Geſchicklichkeit erfordern und daher 
eine reichlichere Cinnahme zu Wege bringen, fällt der befondyre Erwerb 


— 21 — 


ber Frauen ganz weg, oder flieht wenigftens noch mehr hinter dem bes 
Hausvaters zurüd. — Yür Norddeutihland berechnete Klebe (Gemein: 
heitstheil, I, 85.) den Unterhalt einer Taglöhnerfamilie auf ungefähr 
160 rthlr. oder 275 fl. Nach neueren Grforfhungen (Dieterict, 
Statift. Mittheil. 1852, S. 270) wird er für eine Haushaltung von 
5 Köpfen fo angefchlagen: Provinz Bofen 78,3 Thlr., Weitfalen 88,86, 
Schlefien 93,3, Preußen 98,%, Sachſen 105,5, Brandenburg 108,53, 
Pommern 126,°, Nheinland 140,6 Thlr., Durchſchnitt 105 Thlr. oder 
egen 55,3 Gentner Roggen. Verdient der Hausvater täglich 7'/s Sgr., 
o ift dieß 3a des Bedarfes. Aehnliche Ausmittlungen geben für eine 
Familie von Feldarbeitern im Kreife Bone (Hartflein, Topogr. des 
Kr. B. 1850 ©. 217) 204 Thlr. — ungefähr 100 Etr. R., im Rhone: 
thal in Sranfreih 638 Fr. = 4558 Pfd. Waizen — 5560 Pfd. Roggen, 
wozu der Mann 60,8, die Frau 15,8, die 3 Kinder 23,% Proc. liefern, 
(de Gasparin, Cours d’agric. III, 49 ff.), für eine belgifche Familie 
von 6 Köpfen 730—742 Fr. = 5680—5 760 Pfd. Waizen, Enqu. III, 
62. 376. — In Sachſen (Geihäftsanweif. f. die Abſ R 3. Grund: 
fteuer, 1838.) muß ein Taglöhner 1!/a Mepe, eine. Frau 1 Metze Roggen: 
werth täglich verdienen, um auszufommen, alfo resp. 15 und 10 Pfd., 
nah Kleemann der Mann 14—16,8 Pfd., die Frau 9,3—11,? Bid. 
Nimmt man für den Mann 300, für die Frau 150 Arbeitstage an, fo 
ift der DVerdienft einer Familie 6000 Bid. Roggen. Im Peg. Ber. 
Düffeldorf erwirbt der Feldtagloͤhner und feine Frau in vorflehender Zahl 
von Arbeitstagen 6580 Pfd. Roggen, in Steiermarf nur 3810 Pfd. — 
In Frankreich muß nah de Morogues, wenn eine Familie von Lands 
arbeitern 620 Fr. — 292 fl. bedarf, der Mann täglich 1'/, Fr., die Frau 
(200 Tage jührl.) Ya Fr., die 3 Kinder müflen (250 Tage) 38 Et. ver: 
dienen, de Villeneuve, Econ. pol, chret. ©. 145. Brüfl. Ausg. 
Alfo erwirbt der Manır 60,5, die Frau 24,2, die Kinder 15,3 Broc. 
Jene Summe beträgt gegen A870 Pfd. Waizen jährlid. — Yrüherer 
Mittelfag für britifche Bandarbeiter (Senior, Preface to the foreign 
communications relative to the support and maintenance of the poor, 
1834, S. LXXXVIU): Berdienft des Mannes, jährl. 27,8 2. St. 
(täglih 1,83 Sch.), von Frau und 4 Kindern an 14 2. St., zufam- 
men 41,8 8. ©. oder 502 fl., 4 7170 Pfd. Waizen. In der Hälfte 
der erforfchten 890 Gemeinden wird angegeben, daß biefer Lohn den 
Arbeiter in den Stand ſetze, Bleifch zu effen. — Das Hausgefinde lebt 
etwas befler, als die Taglohner, entbehrt aber dafür die Unabhängigfeit 
und das Leben in der eigenen Familie. Aus dem Dep. Nordküften 
wird berichtet: La classe des journaliers est generalement fort pauvre. 
Elle se compose ordinairement de pères et de m£res de famille, qui 
pour ne pas se separer preferent vivre dans la misere plutät que de 
chercher un meilleur sort dans des places fixes de domestiques à 
Vannée. _Agricult. franc. Cotes du Nord, 1844, ©. 109. Dieß ift 
überhaupt fehr häufig. Daher fommt ein Ackerknecht ungefähr fo hoch 
oder höher zu fliehen, als ein Zaglöhner, obgleich jener für feine Fa⸗ 
milie zu forgen bat. Die Koften eined Knechtes werden von Block 
auf 50—82 Thlr. (im D. 66 Thlr. — 46 Etr. R.), von Kleemann 
in der Techn. Inftruction für die Def. Comm. in Pommern (Berlin 
1842) auf 46,4 Sch. = 3887 Pfd. R. angeichlagen. In Steiermark 
fommt ein Knecht auf 88 fl. des 20 fl. F. oder 35% Mepen R. 
(2846 Bfd.), Hlubed, Landw. des H. Steierm. ©. 61 — Hoff: 
mann, in den Röalin then Ann. XXIII, 285. — Rau, Ueber die 
Landwirthſchaft der Rheinpfalz, 1830, ©. 18. — 2. Rau, Studien 
über fübd. Landw. ©. 116. — Biele Angaben bei v. Lengerke, 


(8) 


— 22 — 


Landw. Statift. d. deutfchen Bundesftaaten, LI. (1840.) Vgl. Stord, 
I, 189. — Lotz, Handb. I, 456. — Ricardo, ©. 76 (I, 134. 
freie Ueberſ.). — Schmidt, Unterfuhungen, ©. 392. — Für eine 
Familie von Gewerfsarbeitern find nah de Morogues 760 Fr. — 
348 fl. unerläßlih. In Mühlhaufen iſt der Geldbebarf einer Arbeitss 
familie zu 960, in Gebweiler zu 887 Fr. berechnet, in Rouen, wenn 
das Pfd. (Waizens) Brot nicht uber 3 Sous (41/s fr.) gilt, zu 912 Ar. ; 
hiebei würde alfo der Yamilienbedarf, auf Brot reducirt, aus 6080 Pfd. 
oder etwa 9500 Pfd. Roggen befteben. In Markirch (Ste-Marie-aux- 
mines) fann eine Familie von 4 Perfonen mit 520 Fr. noch ohne Al⸗ 
mofen ausfommen. Biele Nachrichten bei Villerme, a. a.D. 3.82. 
II, 25, ferner de G&rando, De la bienfaisance, I. 29. — 12th. An. 
report of the poor law commissioners, 1845, ©. 123. — @ine irläns 
diſche Taglöhnerfamilie von 4—5 Köpfen lebt von 50 Pfb. Kartoffeln 
täglich, ohne Salz. — Eine fächl. Weberfamilie, ohne Erwerb ber 
Kinder, Eonnte 1832 mit 60% rihlr. (109 fl.), nothbürftig beftehen, 
wobei fie aber die Kartoffeln ſelbſt baut; der Durchfchnittsverdienft ifl 
jedoh 78 rthlr. (140 fl.), und wenn die Rinder fpulen fünnen, höher. 
Berg. auch $. 184. — Familien, in denen die Kinder frühzeitig etwas 
verdienen, find in befieren Umfländen, als es durchſchnittliche Regel 
if. In Mancheſter empfangen in den Spinnereien bie Kinder von 
9—10 3. ungefähr wöchentlih 2,8 Scill., von 10—12 3. 3,5 Schill., 
von 12—14 3. 5,75 Scill., von 14—16 9. 7,6 Schill. First Report 
of the poor law commissioners, 1835, S. 204. In Frankreich ver: 
dienen die Kinder bis zum 17. oder 18. Jahre beim Spinnen Yı—/ı Br. 
täglich und bei jedem Jahre, um welches fie Alter find, gewöhnlich 
1 Sous (5 Cent.) täglid mehr, — beim Weben und Druden nur 
Y—!a Ir. In Belgien nimmt man für Kinder unter 12 Jahren 
30—40, für 12—16jährige 50— 75 Bent. Lohn an, während erwachiene 
Männer 2,%, Weiber 1,38 Fr. verdienen,’ Enqu. I, V. III, 476. — 
Die Lage der in den Yabrifen arbeitenden Kinder ıfl, wenn man fie 
aud vielleicht zu hart geichildert hat, doc jedenfalls gefährdet und 
öfters fehr beflagenswerth. — Pan hat in dem Lebenslaufe eines 
Arbeiters Fünf Abfchnitte unterichieden: 1) Er lebt bei feinen Aeltern 
und fein Erwerb ift noch unzureichend, 2) er kann fich erhalten und 
noch überfparen; 3) er Heiratbes und hat Mühe, feine Kinder zu er: 
nähren ; 4) dieſe find felbft arbeitsfähig und er fteht fich wieder gut; 
5) feine Kräfte nehmen ab und mit ihnen feine Ginnahme. Villerm6, 
Tabl. II, 387, nady de Gasparin. 


Eine Ausnahme träte dann ein, wenn der Etaat oder die Gemeinde 
einen Theil der Unterhaltsfoften auf fih nahme, 3. B. durch Theils 
nahme tes Arbeiter an den Nugungen des Gemeindevermögend, oder 
bei der Unterſtützung, die unchelihen Müttern gegeben wird, oder bei 
dem feit 1834 abgeichafften fehlerhaften Syfteme der Lohnzufchüfle, 
allowances, in England, II, 6. 341. 


(e) 3. 3. bei vielen Anfangsftellen im Staatsdienfle, bei Handelsdienern, 


Offizieren sc. 
8. 191. 


Der Bedarf einer Familie in einer gegebenen Lage befteht 


aus vielen Theilen, die nicht in gleihem Maaße nothwendig 
find, er ift alfo Eeine fcharf beftimmte und feſtſtehende Größe. 
Indeß giebt e8 einen gewiflen Betrag des Aufwandes für Nah⸗ 


— 23 — 


rung (a), Kleidung, Obdach, Heizftoff x., ber zur Erhaltung 

ber Arbeiter und ihrer Angehörigen in Gefundheit und Kräft 

unentbehrlich ift, jo daß, wenn ber Lohn ihn nicht erreicht, die 

Arbeiterzahl in Kurzem durch Elend, Chelofigfeit und Auswan- 

derungen verringert werben müßte, vgl. $. 184. Diefe Unter 

gränze ift in warmen Ländern etwad niedriger als in Falten, 
wo die Beichügung vor ber rauhen Witterung mehr foftet und 
auch auf die Nahrung mehr verwendet werden muß (5). Ges 
wöhnlid fteht der Lohn über diefem unterften Sage, und wenn 
er einmal durd das Mitwerben auf eine ſolche Höhe gebracht 
worden ift,. fo gewöhnen ſich die Arbeiter bald an einen reich⸗ 
licheren Gütergenuß. Das Beifpiel der höheren Stände, bie 
Verfeinerung des Geſchmacks, die Veredlung der Sitten und 
überhaupt die Verbreitung der Bildung in den unteren Stäns 
ben erweitern nach und nach die Anfprüche der arbeitenden Claſſe, 
die folglich neben den natürlichen auch manche Fünftliche Beduͤrf⸗ 
niffe annimmt. Obgleich e8 nun urfprünglich eine Folge des 
reichlichen Kohns war, daß ſich die Arbeiter eined Landes eine 
behaglichere Lebensweiſe verichaffen fonnten, fo wirkt diefe doch 
wieder durch ihre Dauer ald Beftimmgrund ded Lohne, 
indem fie die Arbeiter antreibt, einer Erniedrigung deflelben eifrig 

zu wibderfireben. Die Mittel zu dieſem Widerftande, 3. B. 

fpated Verheirathen, Uebergang zu einem anderen Gefchäfte, 

Drtöveränderung x., find jedody unter ungünftigen Umftänden 

nicht mächtig genug, weßhalb nicht felten die Arbeiter mit ber 

Zeit dahin gebracht werben, ſich Entbehrungen gefallen zu laſſen, 

die fpäterhin durch Gewöhnung ihr WBeinliched verlieren (ec). 

Dephalb find die Anforderungen der Arbeiter auf ein gewiſſes 

Maaß von Gütergenuß von Land zu Land, je nad) der wirth- 

Ihaftlichen und geiftigen Entwidlung, ſehr verfchieden (d). 

(a) Man Hat fid) neuerlich bemüht, den Nahrungsbedarf für Perfonen eines 
ewiflen Alters, Körperbaues ıc., als etwas rein, Phyſiſches, zu erfor: 
hen. Bon den vier Beflanttheilen der organiichen Körper fommt bier 
ter Stickſtoff (N) als der foftbarfte und feltenfte vorzüglid in Betracht, 
fodann der Kohblenftoff (CO. Nah de Gasparin braucht ein Er: 
wachſener täglich en 1%/ Loth (25 Orammen) N (Cours d’agricult, 
V, 390), nah Mulder reichen 6,* Loth (100 Gr.) Protein (eiweiß- 
artige Stoffe) hin, in denen ungefähr 1 Zoth N enthalten if. Man 
fann als Mittelfag 1°/. Loth annehmen, die (ten N-Gehalt der Kömer 


u 2% Broe. gerechnet) in 2 Pfd. Waizen oder Roggen enthalten find, 
I daß der Jahresbedarf 730 Pfd. wäre. Hierin ift auch ber ungefähre 


— 224 — 


Kohlenftoffbedarf zum Ausathmen (an 14 Loth) vorhanden. Der bas 


diſche Soldat erhalt in 17/3 Pfd. Brot und 5 Loth Fleiſch ungefähr 


(6) 


1,53 Loth N, der franzöflfche 12,8, der englifche Gifenbahnarbeiter 1,8, 
aber der irländifche Taglöhner bei 12,7 Pfd. Kartoffeln und 1 Pfd. 
Milch nur 1,4% Loth N, Gasparin, V, 395. Indeß kann man auch 
mit geringerer N-Dienge geſund bleiben, wie die belgifchen Bergleute mit 
14,9% Srammen N (Gasparin in Dingler, Pol. 3. CXVI, 394.) 
und der Stiftoffgehalt ift auch nicht genau enticheidend. Da Weiber 
und Kinder weniger Nahrung nöthig haben als Männer, fo ift ber 
mittlere Bedarf eines Kopfs nah Basparin gegen %/s (0,% Proc.) 
von dem eines Mannes, der einer Familie von 5 Köpfen etwas über 
das Zfahe. Vgl. Mulder, Die Ernährung in ihrem Zufammenhang 
mit dem Volksgeiſt, d. von Molefhott, 1847. — Moleſchott, 
Phyfiologie der Nahrungsmittel, 1850. — Starke Anfirengung erfordert 
Fleiſchnahrung, die freilih Dielen nicht zu Theil wird. — Die Ber 
füftigung des Gefindes bei begüterten Landwirthen giebt Beifpiele voll 
ftändiger nabrhafter Koft. Graf Podewils — 1,6 ff. 
brauchte jaͤhrlich für einen Knecht 105/46 pr. Scheff. Roggen, %ı Scheff. 
Gerfte zu Bier, eben fo viel Erbien, Ya Scheff. apaigen, 12 Schefl. 
Kartoffeln und 78 Pfd. Fleiſch, nebſt 4 Pf. Schmalz. Die macht 
1655 Pfd. Roggen. Kuppe’ 6 Anfäpevon 10 Scheff. Roggen, 41/ Scheff. 
Gerfte zu Bier und Grüße, ! / Scheff. Waizenmehl, 12 Scheff. Kars 
toffeln und 160 Pfd. Wleifch betragen 2952 Pfd. Roggen, Block's 
Annahme von 12 Scheff. Roggen, 3% Scheff. Waizen, 4 Scheff. Gerfte, 
14 Metzen Erbſen, 7 So Kartoffeln, 60 a, Fleiſch, 40 Bir. 
Butter und 1/a Tonne Bier giebt 2300 Pfd. Roggen. Kleemann 
rechnet für eine beflere und geringere Beköftigung 2552 und 1888 Pfd. 
Roggen (Encykl. landw. Verh. S. 151). Aus Möllinger’s Rech⸗ 
nungen (Pfebdersheim bei Worms) berechnet fich der Tagesbebarf au 
57,8 Loth Roggen, 12,8 Loth Waizen, 21/5 Loth Butter, 21,9 Lot 
Fleifh und gegen 1 Pfd. Kartoffeln, zufammen 2171 Pfd. Roggen 
jährlih. In der baier. Rheinpfalz ſchlaͤgt man bie Gefindefoft auf 
110—120.fl. an, (2. Rau, Studien ©. 116) = 26 Etr. Roggen, 
um Bonn auf 60— 70 Thle. (Hartftein, ©. 225) — 32 Etr. M. 
Die Mitte diefer Angaben ift 231/5 Etr. — 27 pr. Sch. Roggen. Es 
find hiebei nah Bloc 100 Pfd. Roggen = 80 Waizen — 89 Erb⸗ 
fen = 110 Gerfte = 600 Kartoffeln — 25 Rindfleiſch — 10 Butter 
angenommen, aber Salz, Gemüfe, Milh, Holz sc. nicht eingerechnet. 


Sufeland, 1, 171. — Man braucht mehr warme Speifen ꝛc. Es ift 


* bekannt, daß die nördlicheren Völker mehr eſſen, Storch, I, 152. 190. 


Rau, Zuf. 47, und dieß erklärt fih nah Liebig aus der erwär: 
menden Kraft der Speifen dur die Umwandlung des Kohlenftoffs in 
Kohlenfäure in den Lungen. Humboldt bemerkt, daß der Arbeiter 
im fälteren Theil von Merifo 1/5 mehr brauche als im warmen. — 
Die Menfchen in Fälteren Gegenden find wegen ihrer größeren Beduͤrf⸗ 
niffe zu einem größeren Fleiße genoͤthigt, der ihnen aud aus Eörpers 
lichen Urladen leichter wird, als den Bewohnern heißer Landftriche, 
$. 88. Nr. 2. | 


(c) Ein reichlicherer Gütergenuß , he Zeit Hindurh gehabt, wird leicht 


(4) 


um Bebürfniffe. Hieraus erklärt ih, warum der Lohn, wenn er durch 
äußere Umflände ungewöhnlich erhöht worden ift, aud nach dem Auf: 
hören derfelben ſchwer wieder ganz auf den alten Stand finft. 


Die Nahrung macht im Bedarfe und Cinkommen einen ungleigen Theil 
aus, und je mehr Procente fie beträgt, deſto Armlicher ift der ganze 
Zuftand einer Familie. Nah den erwähnten Ausmittlungen für den 
preuß. Staat koſtet die Nahrung bei gemeiner Handarbeit im Durchs 


— 225 — 


Schnitt 51, in Weſtfalen 48, Brandenburg und Rheinland 52, Schle⸗ 
fin 53 Proc.; Kreis Bonn (Hartftein) 57, bei den Gewerfsarbeitern 
in Nühlhauſen 63,5, in Brüffel 68, bei den belgifchen Bergleuten (um 
Mone, Enqu.) 70, bei den franz. Feldarbeitern 70 Pr. Morogues), 
74 (nah de Gerando) oder 74,9 (Gas parin), in Gent 76 Proc. 
(Enquäte), bei den Seidenwebern in Nimes 68—74 Proc. Mac 
Eullod (u Smith, 472) nimmt Y—?/s an. 


6. 191a. 


Die Unterhaltstoften find nicht bei allen Elaffen von Arbei- 
tern in einem Lande biefelben, weil bei verfchiebenen Berrich- 
tungen theil8 der phyſiſche Bedarf zur Erhaltung der vollen 
Arbeitsfähigkeit (a), theild das ſtandesmaͤßige Bebürfniß in 
Gemäßheit der Stelle, die der Arbeiter in der Gefellfchaft nach 
den hergebrachten Borftellungen behaupten muß (5), ziemlid) 
ungleich find. Diefe Abftufung, die von der gemeinften, kunſt⸗ 
lofeften Lohnarbeit bis zu den hoͤchſten Dienften geht und fi 
gewöhnlich in den entfprechenden Sägen des Lohnes ausdrüdt, 
darf nicht als etwas Zufälligeö angefehen werden, fondern hängt 
mit dem Wefen der Berrichtungen, ihrer Schwierigfeit, Künft- 
lichfeit, den dazu erforderlichen Anlagen, Geichidlichfeiten und 
Eigenfchaften jeder Art zufammen. Dies ift ſchon aus der Fort: 
dauer ber Lohnverfchiedenheit in den manchfaltigen Beſchaͤfti⸗ 
gungen abzunehmen, $. 197. 


(a) Drefcher und Erntearbeiter haben nmährendere Koft nötbi ‚ Berfonen, 
welche mehr mit dem Kopfe arbeiten, fönnen derbe Nahrungsmittel 
weniger vertragen. 


(6) Wer mit gebildeten und wohlhabenden Menfchen zu thun hat, muß fi 
befier Heiden ıc. 


$. 192. 


Da gleicher Unterhaltsbedarf ſich je nah den Preiſen der 
Lebensmittel in einer verfchiedenen Geldfumme ausdrüdt, 
jo entfteht hieraus eine Verfchiedenheit im Gelbbetrage bed Lohnes. 
Dieß zeigt fih 1) im BVergleihe mehrerer Dertlichfeiten. 
In fruchtbaren und fchmwachbevölferten Gegenden, wo Nahrung, 
Heisftoff und dergl. wohlfeil ift, kann fich ber Arbeiter bei 
geringem Gelblohne wohl befinden (a). In der Stadt Foften 
Wohnung, Holz, Abgaben ıc. mehr, ald auf dein Lande (0). 
2) Im Bergleihe verfchiedener Zeitpunkte. Steigen bie 


Preiſe der Lebensmittel, fo muß fich ohne eine verhältnigmäßige 
. Ban, polit. Delon. I. 7. Ausg. 15 


ü — 226 — 

Erhöhung des Lohnfahes bie Lage der Arbeiter verfchlimmern. 
Was die Wirkung diefer Veränderung auf den Lohn betrifft, jo 
ift folgende Unterfcheidung zu machen: a) Das bei der Zunahme 
des Wohlftandes und der Bevölkerung langfam eintretende, aber 
dauernde Steigen im Preife roher Stoffe ($. 185) zieht bei 
gleihem Stande des Mitwerbend eine Erhöhung des Lohne 
nach ſich, wie dieß die gewöhnliche Bolge einer anhaltenden 
Koftenvermehrung ift ($. 163), die Arbeiter halten aber hieraus 
feinen Bortheil, weil der Lohnfag nur der Größe der nothwen⸗ 
digen Ausgaben folgt. Werben dagegen die Lebensmittel anhal« 
tend wohlfeil, fo geht aus der nämlicyen Urfache allmälig ber 
Lohn herab, fo daß dann dem Lohnheren die niedrigeren Unters 
haltskoſten zu ftatten kommen; doch bewirkt leicht ber ftärfere 
Begehr der wohlfeileren Arbeit, daß der Lohn nicht vollftändig 
finft und die Arbeiter alfo beffer leben al8d zuvor (c). Auch 
zeigt die Erfahrung, daß im Allgemeinen der Lohnſatz ſich nur 
langfam verändert. b) Eine vorübergehende Vertheurung der 
Lebensmittel, 3. B. aus einer fchlechten Ernte, fann nicht ſo⸗ 
gleich den Kohn fleigern, weil die Lohnherren lebhaft widerftres 
ben und das Angebot der Arbeiter nicht fo bald abnimmt. Die 
arbeitende Claffe muß folglih in folhen Jahren von ihren 
Ausgaben etwas zu erfparen fuchen, indem fie entbehrliche Ge- 
nüffe aufgiebt und ſich mit fchlechteren Xchensmitteln behifft. 
Se höher bisher ihr Lohn war, befto eher fann fie ſich etwas 
abbrechen, ohne fogleicdy in Noth verfegt zu werden (d). Selbft 
eine bedeutende Theurung, die aus einer Mißernte herrührt, bes 
wirkt Feine verhältnißmäßige Lohnerhöhung, denn in folchen Zeitz 
puncten pflegt der Begehr von Arbeitern geringer zu fein, ins 
dem manche verfchyiebliche Unternehmungen unterbleiben, dagegen 
bieten fi mehr Berfonen als fonft zur Befchäftigung gegen 
Lohn an. Ohnehin ift ed bei einem verminderten Getreidevor- 
rath eines Landes unmöglich, daß die Arbeiter noch fo viel vers 
zehren, al8d zuvor, und wie man auch immer ihnen zu ©efallen 
ben Lohn vergrößern möchte, fo würbe doch der Begehr bie 
Lebensmittel noch immer weiter vertheuern, bis fie endlich ger 
zwungen wären, ihren Verbrauch einzufchränfen (e). 


(a) Der wohlfeile Lebensunterhalt in heißen Ländern rührt zum Theil auch 
von biefem Umſtande Her, vgl. 8. 191. — Der oberitalienifche Arbeiter 


(2) 


(e) 


— 27 — 


begnügt fi Häufig mit einem Klumpen Polenta aus Maismehl den 
ganzen Tag. Nach Rumford’s Angaben (Kl. Schriften, I, 315. — 

urger, Ueber den Mais, ©. 359.) fcheint 1 Pfund Mais einen 
Mann täglih zu ernähren. — In Küftengegenden gewähren auch bie 
Fiſche ein fehr wohlfeiles Nahrungsmittel. 


Häufig bewirkt die erfchwerte Zulaffung flädtifcher Arbeiter, daß der 
Unterfchied des Stadt: und Landlohnes noch mehr beträgt. Landbe⸗ 
wohner find genügfamer, gewinnen die Nahrungsmittel wohlfeiler ac. 


Diefe Wirkung muß 3. 3. die Mreigegebene Zufuhr von fremden Ge: 
treide oder die Anwendung einer wohlfeileren Art von Naͤhrſtoffen haben. 
Es verdient hiebei unterfucht zu werden, wie die Ginführung der Kar: 
toffeln gewirkt haben möge. 1) Ein Kartoffelfeld bringt dem Bolumen 
(Malter⸗, Scheffelzahl sc.) nach ungefähr 10, dem Gewichte nach 11mal 
foviel hervor, als ein Roggenfeld gleicher Guͤte, blos die Knollen und 
Körner gerechnet, nah Slock auf dem beften Boden reſp. 12: und 
14mal foviel. 2) Wie fi die Nahrhaftigfeit beider Stoffe verhalte, ift 
noch nicht ausgemadt. 100 Pd. Roggenkörner werden bald 312 Pfd. 
Kartoffeln gleichgeleßt (Loudon), bald 348 Pfd. (v. Thünen), 348 
(Petri), 433 (Dombasle), 440 (v. Wedherlin, 500 (Beit), 
526 (Thaer), 540 (Basparin), 551 (Bouffingault), oder gar 
600 Pfd. (Blod, Kleemann). Die Bergleihung der ſchottiſchen 
und irländifchen Genährungsart (Rau zu Stord, II, 352.) läßt auf 
das Berbältnig 100 zu 575 fchließen. Abweichungen in diefen Angaben 
laſſen fi Schon aus der Verfchiedenheit der Rartofelforten und aus der 
ungleihen Berwendungsart, für menſchliche und thierifche Nahrung, 
um Branntweinbrennen ıc. erklären, ſowie es auch noch ungewiß iR 
ın welchem Werthsverhältniß das pflanzliche Eiweiß und das Stärfmehl 
zu einander ſtehen, da beide zur Grnäkrung nüglich, aber von verſchie⸗ 
dener Wirfungsart find. Nimmt man 500 an, fo folgt, da 1 Scheffel, 
Malter ꝛc. Kartoffeln (gehäuft gemeflen) 15 Procent mehr wiegt, 
als daffelbe Maag Roggen, daß die Nahrhaftigkeit gleicher Raumtheile 
Kartoffeln und Roggen fid ungefähr verhalte wie 100 zu 430 und daß 
alfo ein Morgen Kartoffelland mehr als doppelt (2,2—-2,9) foviel Nährs 
ſtoff erzeugt, als ein Roggenfeld. 3) Der Preis der Kartoffeln ift 
meiften® gegen !/a des Roggenpreifes, F. 184. Berüdfichtigt man, daß 
das Getreide noh Mahl: und Badlohn Eoftet, fo flimmt dann das 
Preis: und Werthverhältnig ziemlih überein. Die Ernährung mit 
Kartoffeln kann im Vergleich mit dem Brote etwas wohlfeiler fein, 
weil jene weit mehr Waſſer enthalten, weßhalb man, um gefättiget zu 
werden, nicht foviel genießt, als nad dem Berhältniß des geringeren 
Stidftoffgehaltes (gegen 0, Proc.) gefchehen müßte; doc können die 
Preife beider Nahrungsmittel fih nicht weit von dem Werthverhältniß 
entfernen. Bol. Kreißig, Der Kartoffelbau im Großen, 2te Ausg. 
©. 49. — Klebe, Mnleit. S. 220. 21. — Schmalz, Anleit. zum 
Bonitiren u. laflific. des Bodens, ©. 178. — Knapp, Die Nahe 
rungsmittel, S. 70. 4) Die Kartoffeln haben demnach die Ernährung 
einer größeren Menichenmenge ermöglicht und die Bertheurung des Ge⸗ 
treideö bei der Zunahme der Ginwohnerzahl verhindert. 5) Bin Kar: 
toffelfeld erfordert zwar mehr Arbeit, als ein @etreidefeld, aber nicht 
foviel mehr, ald es Nahrung liefert, zumal wenn die Behadung duch 
Pferdehade und Häufelpflug gefchieht. 6) Daher if eine ſtatke Volkes 
vermehrung ohne gleihe Zunahme des Begehrs und dadurd eine Er⸗ 
niedrigung des Lohnes verurfacht worden. 7) &8 ift nachtheilig, wenn 
Kartoffeln die Hauptnahrung der Xohnarbeiter ausmachen, a) weil fie 
u wenig Stickſtoff enthalten, db) weil ihr Ernteertrag mehr zuruͤck⸗ 
plagen fann, als der des Getreides, c) weil fie koſtbar zu verführen und 
15* 


— 22838 — 


ſchwer aufzubewahren find, d) weil fie ben Lohn auf bie unterfte 
Gränze herabbrüden Fönnen. Bol. Mac⸗Culloch zu A. Smith, 
©. 467. 


(d) Eine Ausnahme macht die Lage der Taglöhner, welde bei dem Lohn: 
heren auch beföftiget werden. — Da die Nahrung einer Arbeiterfamilie 
die Hälfte ihrer Ausgaben oder mehr beträgt ($. 190), fo muß eine 
Bertheurung des Betreides ıc. um !/s die Ausgabe dafür um! / er⸗ 
höhen oder eine gleihgroße Entbehrung verurfahen. Koftete die Er: 
nährung fogar 3/s, To betrüge bei jener Bertheurung die nöthige Ein: 
fhräntung 94, was ſchon höchſt empfindli wäre. „In Irland ift die 
Kartoffeleente eine Angelegenheit um Leben und Tod. Mißraͤth biefe 
Ernte, fo tritt vollftändige Hungersnoth ein. Zum Getreide kann man 
die Zuflucht nicht nehmen, denn diefes können nur die Wohlhabenden 
bezahlen.“ Ausfage eines von ber Parlaments :Commilflon vernom⸗ 
menen irländifchen Sachfundigen, f. Bom Aderbaue und vom Zuftande 
der den Ackerbau treibenden Claſſen in Srland u. Großbritanien, I, 170, 
(Wien, 1840). Der Winter 1846—47 beftätigte tiefe Behauptung auf 
die traurigfte Weile. Bgl. Villermö Tableau, II, 16 ff. — In Bels 
gien ift der Lohn der Weldarbeiter von 1835—46 ziemlich gleich ge: 

lieben, ber Getreidepreis aber geftiegen, fo daß ber Arbeiter mit feinem 
Taglohn 1830—35 9,76 Pfd. 1835—40 8,76 Rfd., 1840—46 nur 
8,° Pfd. Walzen kaufen fonnte. 


(e) Bol. Ricarbo’s Bemerkungen über die in ihrer Allgemeinheit un- 
richtige Behauptung Buſcch anan's, daß der Lohn ſich gar nicht nach 
dem ‘Preife der Lebensmittel richte, Brundgef. &. 222. (I, 368.) — 
Ganilh, Systömes, I, 249. — Gioja, N. Prosp. III, 228., urtheilt 
wie Buhanan. — In der Grafichaft Kent berechnete man die Aus⸗ 
gaben einer Taglöhnerfamilie für Koft, Licht und Seife 1835 auf 9, 
1838 auf 12 bis 12 Sch. 7 P. wödrentlih. Der Lohn hätte alfo auch 
um 33 Proc. fleigen müffen. „ine folche Erhöhung des Lohnes im 
Feldbau iſt unerhört. Der Nrbeiter fchränft fich bei höheren Preifen 
fogleih in feinen entbehrlichften Genüflen ein, unter denen Thee und 
Auder zuerſt von feinem Tifche verfchwinden.“ Lord Clinton in 
12th Ann. rep. of the poor law commiss. ©. 130. 


$. 193. 


Auch die Menge von Zwifchenzeiten, in benen ber 
Arbeiter nichts verdienen fann, hat auf die Koften ber Arbeit 
Einfluß, denn da derfelbe während jener Zeit von dem Ertrage 
ber Arbeitözeit zehren muß, fo fallt auf jeden Abfchnitt der letz⸗ 
teren ein größerer Theil des ganzen Unterhaltes. Treten Unter⸗ 
bredyungen regelmäßig ein, oder läßt fi, wenigftens ein mitt- 
leres Verhaͤltniß zwifchen der Arbeits- und Yeierzeit angeben, 
fo kann aud) der Koftenbetrag der erften hiernach berechnet wer- ' 
ben und ber Lohn pflegt ſich dem gemäß zu ftellen. Dahin 
gehören 1) die üblichen Feiertage. Man Fönnte glauben, bie 
Verminderung berfelben müffe den Zuftand der Arbeiter ver- 
Ihlimmern, weil dadurd das Angebot von Arbeit anwächft 


— 229 — 


und jene folglidy bei längerer Thaͤtigkeit doch im Ganzen nicht 
mehr einnehmen. Allein dagegen iſt dieß zu erwägen: Es 
wird bei jener Veränderung bad ganze Arbeitserzeugniß ver: 
größert, die Unternehmer können mehr abfegen und mehr Arbeiter 
befchäftigen, jo daß nicht blod das Angebot, fondern audy ber 
Begehr von Arbeit vergrößert wird und die Belohnung des 
Arbeiterd im VBerhältniß zu der längeren Arbeitöpauer im Jahre 
anwähft (a). 2) Die in der Natur mancher Verrichtungen 
gegründeten Unterbredjungen (db), vorausgefegt, daß mam nicht 
während ihrer Dauer andere einträgliche Befchäftigungen ergreifen 
fann. Regelloſe Unterbrechungen, für welche die Arbeiter keinen 
Erfag in Anſpruch nehmen können, find für fie ein fehr großes Uebel. - 
Dagegen fann ber 2ohn der Neben- und Zwifchengefchäfte fehr 
niedrig fein, wenn ber Arbeiter auch ohne fie ſchon feinen Unters 
halt findet und aus ihnen nur einen Zufchuß erwartet (d). 


(a) DBgl. Hufeland, I, 180. — Sismondi, Nour. pr. I, 354. — 
Die Sonns und Feiertage find zur Erholung des Arbeiter wohlthätig. 
Die Decadi der republicanifchen Zeitrechnung gaben ihm zu wenig Ruhe 
und verlegten die Gewohnheiten deflelben. Daher der Ausfpruch: IIs 
ont beau faire (die Einführung des republicanifchen Calenders), ils ont & 
faire & deux ennemis, qui ne c&deront pas; la barbe et la chemise 
blanche. M&m. de Constant, I, 132. Wo aber, wie in Oftindien, 
fat die Hälfte des Jahres aus Feiertagen beftcht, da ift Schon wegen 
der geringeren Arbeitsleiftung das Lohneinkommen niedriger als anderswo. 
Sn einer Gegend des ehemaligen bairifchen Unterdonaufreifes (Mieder: 
baiern) bat man 204 Feiertage gezählt, mit Binfhluß von 20 Kirch⸗ 
weihen und ebenfoviel Nagfirhweihen benachbarter Dörfer, 15 Hoch⸗ 
zeiten, 12 Scheibenfchießen und dergl., auch fängt der Feierabend ſchon 
— Uhr Nachmittags an. Bairiſche Ständeverhandl. 1837. 2. K. 

eil. V, 147. 


(6) 3.8. Geichäfte, bei denen man auf Beftellung warten muß (Rranfen- 
wärter, Srembdenführer, Bedienung in Badeorten sc.), oder fhon wegen 
der Anftrengung nicht ununterbrodhen arbeiten Tann, mie das Sol 
fpalten. Die gochöfen und Slashütten ftehen oft eine Zeit lang ftill. 
Schneider haben zwilhen Johannis und Michaelis wenig zu thun 
u. f. w. Bol. Smith, I, 161. — Binem Laftträger giebt man in 
London nicht unter 1 Schill. (36 Fr.) für die Stunde. — Wenn man 
bem Arbeiter auf längere Zeit Beichäftigung giebt, fo begnügt er ſich 
mit geringerem Lohne. 


(c) Hirten, Sciffleute, Zimmerleute, Maurer, Tüncher (Anftreicher) haben 
im Froſt, die im Walde arbeitenden Holzbauer im Sommer weniger 
Beſchaͤftigung Bür jene ift die ungleiche Dauer der Kroftzeit ſehr nach: 
theilig, weil fle ſich Feine fichere Rechnung machen fönnen. Die Bauern 
in Bengalen fiken am vBebftußle, fo lange die Ueberſchwemmungen des 
Ganges die Feldarbeiten unterbrechen. . 


(d) Die kommt befonders bei den periodifchen Unterbrechungen ber Feld⸗ 
arbeiten vor, weßhalb Flahsfpinnen und dergl. fehr niedrig bezahlt 


— 230 — 


wird. Bel. Storh, I, 197. — Beim Steohflehten verdient eine 
Perfon im Schwarzwald 4—20 fr. täglich nad der Feinheit des Ge⸗ 
flechtes. — Daß man vom Nähen, Stricken, Spinnen und dergl. nicht 
leben Tann, erklärt fi hauptiächlih aus dem Mitwerben vieler Pers 
fonen, die in ihren Familien jedenfalls erhalten werben müßten. Das 
Jahreseinkommen einer Arbeiterin in Paris, bei 11. Br. taͤglich, iſt 
375 Fr., ber Bedarf nicht viel unter 500 Br. Vée in Journ. des 
Econ. X, 250. 


8. 194. 


Die Koften, welche zur Erwerbung ber für einen beionderen 
Zweig der Arbeit nothwendigen Gefhidlichfeit aufgewenbet 
werben müflen (8. 189), laflen noch weniger eine genaue Aus⸗ 
mittlung zu, als der Unterhaltöbedarf, 1) weil ihre Größe unter 
dem Einfluffe verfchiedener Umftände fehr ungleic fein kann (=), 
2) weil man wegen ber Ungewißheit der Lebensdauer nidyt 
weiß, weldyer Theil jenes Aufwandes jährlich oder täglich im 
Lohne erftattet werden müßte (5). Gleichwohl muß unter übris 
gens gleichen Umftänden eine Arbeit, welche Foftbarer zu erlers 
nen ift als eine andere, auch höher belohnt werden, denn fonft 
würde Niemand geneigt fein, fi) um die Erlangung ber erfors 
derlichen Yähigfeit zu bemühen, und ed würde deßhalb das 
Angebot an guten Arbeitern ſich fo lange verringern, bis dann 
wieder eine Steigerung ded Lohnes erfolgte (c). 


(a) Wenn 3. B. die Acltern am Orte wohnen, fo ift die Vorbereitung der 
Kinder viel weniger Eoftbar. » 


(d) Man fann zwar nad den Grfahrungen über die Lebensdauer der vers 
fchiedenen Alter diefen Erſatz genau berechnen, es ift aber höchft unges 
wiß, ob in jedem einzelnen Kalle die allgemeine Regel wirklich —*8 
und die Menſchen pflegen überhaupt hierauf wenig Nüdficht zu nehmen. 
Bol. v. Schlözer, Staatswirthich. I, 118. — Die mittlere Lebens⸗ 
dauer.ift bei einem 16jährigen Menfchen gegen 39, bei einem 20jähri- 
gen 36, bei einem 25jährigen 33 weitere Jahre. Je nachdem nun ber 

rbeitsverbienft in einem oder dem anderen Alter anfängt, müßten in 
33 - 39 Jahren die Vorbereitungsfoften fammt Zinfen eritattet werden ; 
rechnet man 3. B. 36 nrbeitejahre und 1000 fl. Roften der Vorberei: 
tung, fo müßte dafür der Arbeiter bei einem Zinsfuße von 4 Procent 
jährlih 52%/8 fl., bei einem Zinsfuße von 5 Proc. aber an 60 fl. oder 
täglich 12 fr. einnehmen. 


(e) In kurzer Zeit kann fich diefe aiefung nicht eigen, weil die einmal 
vorhandenen Arbeiter bei ungünfligem Mitwerben doch ſchwer in ein 
anderes Gefchäft übertreten ; aber es wird wenigftens ber Zudrang junger 
Leute geringer. — Senior (Outline ©. 215) bemerkt richtig, daß die 
Koften der Erziehung nad) dem Stande der Eltern als eine Familien⸗ 
ausgabe angefehen werden, bie man in Bezug auf die zu wählende 
Berufsart nicht in Anfchlag bringt. 


4 


— 231 — 


$. 195. 


Bei dem Mitwerben, welches zunähft den jedesmaligen 
Stand des Lohnes beflimmt ($. 187), fommt dad Angebot 
und der Begehr von Arbeit in Betracht. Jenes hängt von 
der vorhandenen Menge unbegüterter arbeitöfähiger Menfchen 
ab, welche gegen Lohn befchäftigt zu werden verlangen, und 
fteht mit der Volksmenge eined Lande in Zufammenhang. 
Dabei tritt aber noch der eigenthümliche Umftand ein, daß bei 
vermindertem Begehr das Angebot von Arbeit nicht fogleich 
verringert werden fann, vielmehr der unbegüterte Lohnarbeiter 
auch fehr ungünftige Bedingungen annehmen muß, um nur leben 
zu fönnen. Da nun zugleich eine Vermehrung des Angebotes 
nur allmälig erfolgt, fo erhellt, daß der Lohn mehr und anhals 
tender ald der ‘Preis der Waaren von dem Mitwerben beftimmt 
wird. Der Begehr, wenigftend in den hervorbringenden Ges 
werben (a), richtet fich nad) der den Unternehmern ſich barbie- 
tenden Gelegenheit, Arbeit auf einträgliche Weife anzumenben 
und nach dem hiezu verfügbaren Capital (5). Es ift dieß ein 
Theil des Volkscapitales, namentlicdy des umlaufenden, der bei 
dem Anwachſe des legeren ebenfall® zunimmt, wenn er fchon 
nicht immer die gleiche Quote defielben ausmacht. Andere Theile 
bed Capitalaufwandes, 3. B. für Gebäude und Geräthe ıc., 
wirken nur ein» für allemal beider Anfchaffung ſolcher Gegen⸗ 
fände auf den Lohn (c), und arbeitfparende Mafchinen koͤnnen 
fogar augenblidlidy denfelben erniedrigen, bis der durch fie ge⸗ 
machte Gewinn wieder den Begehr nad) Arbeit erweitert. Das 
Berhältnig der Lohnausgabe zu den anderen Theilen des Capital: 
aufmandes ift in den verfchiedenen Gewerbszweigen fehr uns 
glei (d) und bleibt nicht einmal in einem und demfelben Ge⸗ 
werbe unverändert, weil die von einem Unternehmer befchäftigte 
Zahl der Arbeiter gerade zu feinem Borrathe von Stoffen, Ma; 
fhinen, Werkzeugen x. paflen mnß (e). If die Volksmenge 
gegen jenen Theil des Capitales jehr groß, fo fann aus dem⸗ 
felben vielleicht nur ein Theil der Arbeiter beichäftigt, in jedem 
Galle aber nur ein fehr niedriger Lohn gegeben werden, ber 
faum noch den nöthigen Unterhalt gewährt; im entgegengefegten 
Galle muß berfelbe fo weit ſteigen, das den Unternehmern und 


— 232 — 


“ Eapitaliften ein Heinerd Einkommen übrig bleibt. Hieraus 
ergiebt ſich, wie mwohlthätig die Anfammlung von Eapitalen 
auf die Lage der Arbeiter wirft. 


(«) 
() 


(e) 


(@) 


Dienfte werden aus dem Einkommen berjenigen PBerfonen beftritten, die 
fie beftellen. Hermann, Unter. ©. 281. 


Uebereinftimmend St. Mill, I, 341. Morrison, Essay ©. 15. — 
Wenn der Unternehmer den Lohn, wie die anderen Ausgaben, vorſchießt 
($. 125), fo muß allerdings der Käufer des fertigen Erzeugniſſes das 
aufgewendete Bapital wieder erfeßen, daher find die neu in einem Bolfe 
hervorgebrachten Guͤter oder das rohe Volkseinkommen die Duelle, aus 
welcher dieſe Erflattung des vorgeichoflenen Lohnes fließt, und jener 
Borfhuß würde nicht geichehen, wenn man nicht feines Erſatzes ficher 
wäre. Auch wäre das Bapital des Unternehmers bald erfchöpft, wenn 
es ſich nicht durch den Abſatz ſtets wieder ergänzte, 6. 122. Der Abſatz 
hängt von der Kaufluft und dem Ginfommen der Abnehmer ab, alfo 
auch die Erhaltung und Vergrößerung bes Bapitales. Indeß wirft der 
Begehr einer Waare nur mittelbar auf den Lohn, infofern er bie Unters 
nehmer beflimmt und befähigt, ein gewifles Capital zur Beihäftigung 
von Arbeiten anzuwenden. Bisweilen werden jene auch durch einen 
ftarfen Begehr nicht zur Erweiterung eines Gewerbes bewogen (3. 2. 
wegen des ausländifhen Mitwerbens), oft laſſen fie aus Unfenntnig 
des wahren Begehrs mehr oder weniger erzeugen, als fie abfeßen koͤnnen. 
Es muß immer erft ein Capital in den Händen bes Unternehmers vor⸗ 
handen fein, welches, nachdem ein gewifles Grzeugniß beendiget und 
verfauft worden ift, von Neuem verwendbar wird. enn der Unter: 
nehmer nad) erhaltener Bezahlung das Capital in das Ausland fendete, 
jo hörte ber Degebt von Mrbeit auf. Die Anfiht von Hermann 
(a. a. D.), nach welcher „alle wahre Nachfrage nur von denen aus: 
gehen kann, welche neue Taufchwerthe entgegen zu bieten haben“ (d. 5. 
von den Abnehmern der Waaren), ift daher nicht weſentlich verichieden, 
fondern nimmt nur fogleidh die entferntere mittelbare Urfache flatt der 
näheren an. Nicht die obige Darftellung kann den Hochmuth der Unters 
nehmer gegen ihre Arbeiter gefteigert haben, ſondern die Macht, bie 
unvermeidlich der Gapitalbefißer uber den türftigen Arbeiter ausübt, 
befonders wenn jener von harter Selbftfucht geleitet wird, dieſer das 
Mitwerben gegen fich hat. Abweichend Hermann, Unter. S. 280. — . 
Dagegen auh Schmidt, Unter. ©. 187. 


Gapitale, die im Auslande angelegt, Theile des Ginfommens, die dort 
verzehrt werden, wirken gar nicht auf den Lohn. In den folgenden 68. 
ift, wo der Kürze willen nur vom Gapitale überhaupt geiprochen wird, 
immer der die Arbeiter unterhaltende Gapitaltheil zu verflehen. 


Ein Capital erhält defto mehr Arbeiter in Thätigfeit, je fchneller es 
umgeleßt wird. 1000 fl., die nach einem Jahre erflattet werben, bes 
Ihäftigen (zu %s fl. täglih) 5 Menfchen, dauert aber der Umlauf nur 
4 Monate, fo können 15 Arbeiter aa an werden. — Beifpiele: 
Im Elfaß (Dep. Ober: und Niederrhein) follen die Baumwollengewerke 
100 Mil. Er. ſtehendes und 120 Mill. umlaufendes (roulant) Capital 
befhäftigen, Roman, in Enquöte commerce. III, 349. Die Arbeiters 
zahl ift 105—110000, und mit Rüdficht auf die mittleren Sohnlepe 
und Glaflen derfelben kann man die ganze Lohnausgabe auf 38 Mill. 
annehmen. — Kattundruderei im Dep. der Seinenündung (Rouen und 
Umgegend), Barbet, ebend. III, 225: Gebäude 8 Mill., Mobiliar 
3 Mill., Summe bes ftehenden Capitales 11%, Mill., umlaufendes 
13 Mill. Fr.; Lohn gegen 5% Mil. Fr. — Belgien, 1838, Baum⸗ 


— 233 — 


wollenverarbeitung: Stehendes Capital 22610000 Fr., umlaufendes 
18 Mil., Lohn 15 Mill. (28000 Arbeiter), ganzes Erzeugniß 
41'840000 Fr.; vermuthlich alfo dee 2/smaliger Umlauf jährlihd. — 
Mollenverarbeitung : Stehend 20 Mill., umlaufend 10 Mill. Fr., Kohn: 
ausgabe jährlih 6 Mill. (15—17000 Arbeiter), ganzes Grzeugniß 
27 Mil. Briaroinne, Ind. en Belg. II, 377. 393. Bgl. aud 
Schmidt, aa. O. ©. 193. 


(e) Geſetzt ein Unternehmer hat in feinem Bewerbe 40000 fl. ftehendes und 
24000 fl. umlaufendes Gapital, woraus 20000 fl. Lohn für 100 Ar: 
beiter bezahlt werden. Wenn ber Lohn eines Arbeiterd von 200 auf 
160 fl. fintt, fo könnten zwar mit den 20000 fl. Lohn oder etwa dem 
halben Gapitalaufwand (bei 2Zmaligem Umfag) 125 Menſchen jährlich 
erhalten werden, allein dazu wäre ein größerer Aufwand für Gebäude, 
Mafchinen und Stoffe erforderlih. Wären für jeden weiteren Arbeiter 
500 fl. Capital erforderlih, fo fann man mit dem bei den 100 Arbei⸗ 
tern eriparten Gapital von 2000 fl., fo lange feine Vergrößerung bes 
gelammten Capitals erfolgt, nur 8 Arbeiter mehr beichäftigen. Die 

obnausgabe ift jeßt 27 Procent des Gapitales, während fie vorher 
31%/ Proc. war. 


$. 196. 


Ein reichlicher Lohn macht es jedem Arbeiter möglich, ent⸗ 
weber befier zu leben, ald bisher, oder ſich zu verehelichen und 
eine neue Bamilie zu gründen. Die Annehmlichfeiten des häus- 
lichen Lebens find fo anziehend, daß die Mehrzahl der Arbeiter 
durch einen hohen Lohn bewogen wird, fich früher als fonft zu 
verheirathen (a). Diefer Umftand und die Einwanberungen von 
anderen Laͤndern pflegen in einem foldyen Yale in nicht langer 
Zeit eine beträchtliche Vermehrung ber. Volksmenge zu bewirken, 
welche dann das Angebot von Arbeitern erweitert (5). Wenn 
nun das Gapital langfamer anwächft, jo muß unfehlbar ber 
Lohn von feinem hohen Stande herabgehen. In der Regel find 
auch wirklich die Gelegenheiten zur Anfammlung neuer Bapitale 
nicht fo günftig und die Beweggründe zum Sparen nicht fo 
mächtig, daß das gefammte Capital eines fo ſchnellen Anwachſes 
fähig wäre, ald die Volklsmenge (c). Deßhalb ift gewoͤhnlich 
das Angebot von gemeiner Handarbeit im Verhältniß zum Bes 
gehre fo groß, daß der Lohn nur den nöthigen Unterhalt oder 
wenig mehr gewährt, und die weitere Bolfövermehrung wird 
durch das Zurüdbleiben ded Bapitald gehemmt. Findet in be: 
fonderen Ballen eine fchnellere Vermehrung des Eapitales Statt, 
fo Außert fie fih dann in ber Steigerung bed Lohnes. Der 
Kohn jener gewöhnlichen Handarbeit läßt eine auffallende Stetig⸗ 
feit wahrnehmen (d). 


(«) 


(8) 


— 234 — 


Die Anzahl derjenigen, welche einen reichlicheren Genuß bes Bermögens 
für ihre Perfon vorziehen, wird deſto größer fein, je mehr Luxus unter 
allen Ständen der Geſellſchaft verbreitet iſt. — Die gute Lage der 
Lohnarbeiter in England in den letzten Jahren hat oglei⸗ eine Zu⸗ 
nahme der Ehen und Geburten nad ſich gezogen, bie eine flärfere 
Volfsvermehrung erwarten laflen. Die neuen Chen waren 1847—49 
im Durdfchnitt 138000, aber 1852 158000, der Ueberfchuß der Ge⸗ 
burten über die Geſtorbenen in jenem Beitabfchnitt 160000, 1852 aber 
216000. 

Da die Zahl der Weiber zwilhen 18 und 45 Jahren, alfo in dem 
fruchtbaren Alter, 18—20 Procent der Bollsmenge beträgt und kaum 
auf jedes dritte Sahr eine Geburt kommen fann (in Preußen nur 9b), 
fo koͤnnten die Geburten im günfligften Falle jährlich höchſtens 5 oder 
6 Procent betragen. Die Erfahrung zeigt nicht leicht mehr als 1 Ge: 
burt auf 22 Lebende oder ungefähr 4'/s auf 100, und wo die Zahl der 
Gebornen fih dieſer Graͤnze nähert, da pflegt auch die Sterblichkeit 
größer zu fein. Um die Stärfe des Zuwachſes zu finden, muß man 
von den Bebornen die Geftorbenen abziehen, deren Anzahl in ganzen 
Ländern meiſtens zwifchen 1/so und !/o der Volksmenge beträgt und 
nur unter befonders glücklichen Verhältniflen auf */so oder noch weniger 
finft. Die Sterblichkeit unter den freien Einwohnern auf dem Bor: 
gebirge der guten Hoffnung foU nah Eolebroofe (Rer. encyclop. 
Mars 1824, ©. 703) gerade !/so fein, bei mehr als !/es Geburten, 
u dort die Menſchenmenge zwifchen 1798 und 1822 von 61947 
auf 120000 geftiegen it. Auf den canarifchen Infeln 2 Proc. Sterb⸗ 
lichkeit bei 3,4 Bor. Geburten, Coleman Mac Gregor, Die 
canar. Infeln, 1831, S. 59. Andere Beifpiele F b 


eb. Geſt. 
Baden, 1835—4 . . 2. 2 2 20. lauf 24,7 Lauf 33 
s» Sehe ma. . . . 2 200 22,7 28,9 
= Ober beinkreis min. . . . . 28,3 38,8 
Baiern, 184185. 2 222. 30 37,4 
Belgien, 18411—50 . . . 2 220. 33 44 
England, 184AI—51. . . 2 2 2 2. 30,8 44,8 
Frankreich, 1816—36 . '. . 2 2 0. 32, 39 
s 1: 1 ET 35,4 42,5 
Hamover, 1824—43 . . 2 2 2 02. 30 43,% 
Defterreih ohne Ungam, Siebenbürgen und 
Milit.:Gränze, 183943 . . 25,? 32,% 
⸗ Galizien. 2 20. 22,2 30, 
⸗ Oeſterr. ob der Enns. . . . 33 42, 


Preußen, 182846. . 
Sadien, 1834—50 . . . 2 2 2200 24,8 3,3 
Nehmen wir nun %/so vder 2 Proc. als die geringfte Sterblichkeit, Die 
bei 5—6 Proc. Geburten beftehen kann, fo ergiebt ſich, daß ber jähr: 
lihe innere Zuwachs, ohne die Einwanderungen, im günftigften alle 3, 
allerhöchftene 4 Procent betragen fönnte, wobei fih aljo die Volks⸗ 
menge in refp. 23 oder 1725 Sahren verdoppeln würde Ricardo 
geht ebenfalls von ber Borausiegung aus, daß eine Berbopplung der 
olfemenge in 25 Jahren mo ie ſei. Die _Grfahrungen zeigen jedoch 
nirgends eine fo fchnelle Zunahme, ale wo Ginwanderungen im Spiele 
find, und man darf einen jährlihen Zuwachs von 11a PBroc., wobei 
die Derdopplung in 46 Jahren erfolgen würde, ſchon für einen be⸗ 
trächtlichen anfehen. Daß in den nordamericanifchen Freiſtaaten zwi⸗ 
ſchen 1784 und 1809, alfo wirklih in 25 Jahren, eine Berbopplun 
Statt fand, und von 1800—25 nochmals, und daß von 1780—18 
die Volksmenge fich auf das Y/sfache gehoben hat, ift den hoͤchſt guͤn⸗ 


25,46 33," 


— 235 — 


Rigen Berhältniffen diefes Landes und der flarfen Cinwanderung zuzu: 
ſchreiben. In Irland geſchah die Berbopplung von 1788—1821, alfo 
in 33 Jahren, dagegen fol in Frankreich in 74 Jahren die Volfsmenge 
nur um '9 zugenommen haben, und Mob eau vermuthete aus [päteren 
Erfahrungen eine Verbopplung in nicht ganz britthalb Jahrhunderten. 
(Unterfuhungen und Betrachtungen über die Bevölkerung von Frank⸗ 
reih, überf. von Ewald. ©. 282. Botha, 1780.) Die heutige Sta 
tiſtik liefert ſchätzbare Nachrichten über diefen Gegenfland, aus denen 
hier einige zur Grläuterung beigefügt find. 88 ift der mittlere 
Jahreszuwachs in Procenten. 

Baden, 1819—25 12 Proc. Niederlande, 

1 


25—30 1, 829—51 1,57 Proc. 
35—45 0,9 Nordamerica, 
46—50 Abn.*) 1790—1800 2, 
Baiern, 1819—28 1,% 1800—50 2,89°*) 
34—46 0,9 Defterreid, 
insbef. d. Pfalz 0,76 max. 1842—46 1,117 


U.⸗Franken 0,% min. insbef. De. unt. Enns 1,3 


Belgien, Galizien 0,9 
1830—50 0,7 Lombard 0,8% 
insbef. Brabant 1,33 max. Tirol 0,48 
Namur 1,8 Steiermarf 0,4 
O.⸗Fland. 0,% Böhmen 0,9 
Me = 0,% min. De. ob d. F. —0,%*) 
Dänemark, Ganzes Reich 
1830—40 0,% 1846—50— 0, *) 
40—50 0,% Preuß. Staat, 
Frankreich, 1825—52 1, 0 
1821—31 0,9 1840—49 0,% 
31—41 0,5 insbef. Brandenburg 1,51 
41—51 0,%4 Bommern 1,9 
Großbritannien, Boten 1,04 
1841—51 0,8 Sachſen 0,% 
insbef. England 1,18 Rheinland 0,9 
Schottland 0,8” Breußen 0,8 
Irland —2,%* Scleften 0,7% 
England und Wales, Weſtfalen 0,8 
1801—51 1,9 Sachſen, 1834—49 1,% 
insbefondere insbe. Städte 1,8 
London, 3 Grafſch. 1,80 Land 0, 
6 mit Weber 1,8 Schweden, 
7 mit Bergbau und 1840—50 1,0% 
Mineralgewerten 1,4 Schweiz, 183750 0,8 
18 landb. Grafſch. 1,8 insbef. Bern 0,89 
3 nördl. Grafſch. 0, Aargau 0,8 
Hannover, Maadt 0,63 
1833—43 0,8 Zürich 0,8 
insbef. Aurich 0,97 4 Urcant. 0,% 
Dsnabrüd—0,% *) &t. Gallen 0,% 
Großh. Heffen, Graubuͤndt. 0,4% 
181546 0,8 Teffin 0,8 
Kurheſſen, Toscana, 
1818—37 1,2 1820—51 1,% 
37—49 0,5! Würtemberg, 
Holſtein, 1827—37 0,8% 
1804— 0,9 1843—52 0,8% 


30 
*) Abnahme. °”) ohne Texas und die Staaten am ſtillen Meere. 


— 236 — 


Diefe Zahlen find fo berechnet worden, daß aus der Volksmenge des 
erfien und des letzten Jahres der Durchfchnitt gezogen und der Zuwachs 


in Brocenten diefer mittleren Bolfmenge ausgebrüdt wird. Beſtimmt 


man ihn, wie es oft gefhieht, in PBrocenten der anfänglichen Volks⸗ 
jehl, fo kommt er größer heraus. Dieß fahren ie ber Natur der 

ache weniger angemefien und beſonders dann fehlerhaft, wenn man 
den Zuwachs in mehreren Fällen bei ungleich langen Zeiträumen aus: 
mitteln will. Fuͤr die 50 Jahre 1801— 51 findet man 3.3. den engl. 
Volkszuwachs bei diefer Berehnungsart — 2,0% Procent, ber Durch⸗ 
ſchnitt der ebenfo berechneten 5 Sahrzehende giebt aber nur 1,5 Proc. 
Bei längeren Perioden ift die mühlamere Berechnung nad der An: 
nahme einer geometrifchen Reihe am genaueften, Rau in Poͤlitz Jahr: 
bücern, 1831, I, 1. Rau, Archiv, III, 139. — Aus obigen Zahlen 
erhellt fowohl die große Beripievendeit der Zunahme von. Land zu 
Land, als auch die langſamere Vermehrung in der neueften Seit, wäh: 
rend fogleih nach der Herftellung des Friedens von 1815 an der An- 
wachs —*8* erfolgte, fo daß die europaͤiſche Volksmenge nie in 
gleicher Zeit fo flark vermehrt worden if. Die Zuwachszahl eines 
Staates ift eine der wichtigften flatiftifchen Thatſachen, deren Folgen 
ebenfo wie ihre Urfachen viele Aufforderung zum Nachdenken darbieten. 
Diel Material bei Bikes, Die Bewegung der Bevölkerung, 1833. — 
Bernoulli, Bopulationiftif, 1840, Nachtrag 1843. 


Für den Anwachs des Gapitales läßt fi zwar Feine Obergränge ans 
geben, weil derfelbe nicht durch Naturverhältniffe bedingt wird, doch if 


er aus folgenden Gründen gewöhnlich ziemlidy langfam: 1) Die größes 


ren apitaliften und Grundeigenthümer haben größtentheils feinen Ans 
trieb zum Sparen und ziehen es vor, durch beträchtlichen Aufwand ihr 
Ginfommen zu genießen. 2) Die großen Unternehmer können am meiften 

jurüdlegen, indeß |baben fie aud bedeutende Verluſte zu ertragen, — 
zudem werden viele Sewinnfte in unproductiven Gewerben, 3. B. dem 
Handel mit Staatspapieren, gemacht, wo im Ganzen feine Mehrung 
des Sapitales möglih ift. 3) Die Fleineren Unternehmer und Gapita= 
liften Haben in der Regel mehr Neigung als Gelegenheit, viel Capital 
zu erübrigen. 4) Bon ben Lohnarbeitern gilt daflelbe in noch höherem 
Grade. — Wenn daher die ftatiftiihen Thatfachen oft feinen fchnelleren 
Zuwachs der Volksmenge, ale um !/s—1 Procent ar in mandıen 
Ländern aber einen noch langſameren nachweilen, fo barf man ver: 
muthen, bie Vermehrung der Menfchen gehe mit der des Gapitales in 
gleihem Schritte und werde durch fie befchränft, woraus dann noth⸗ 
wendig folgt, daß in der Regel die Goncurrenzverhältnifie den Arbeitern 
ungünftig Feien. Diefelben Umftände, welche die durch eine lange Zeit 
angewachlene Bolfsmenge plöglich wieder vermindern, wie Kriege, Miß- 
jahre, Erdbeben, oder welche fortwährend die Ehen und Anfledelungen 
erfchweren, wie fehlerhafte Staatseinrichtungen, treffen auch gleichmäßig 
das Capital mit, nur bei Seuchen ift dieß nicht der Fall. Starke Volke: 
vermehrung läßt dann auf beträchtlichen Capitalanwuchs fchließen, wenn 
zugleich die Lage der Arbeiter nicht fchlimmer geworden if; bewirkt 
aber jene, daß die Arbeiter fi mit geringeren Lohne und ſpaͤrlicherem 
Unterhalte begnügen, wie dieß von Irland befannt ift, fo if fie nach⸗ 
teilig, und es wäre überhaupt irrig, die Wohlfahrt der Länder nach 
der Stärke der Volksvermehrung beurteilen zu wollen. — Borter 
(Progress &. 600) glaubt, daß das bewegliche Vermögen (personal 
property) im britifchen Reiche in dem Zeitraume 1814—45 von 1200 
auf 2200 Mi. 2. St. angewachſen fei, alfo jährlih um 32 Mill., 
und 1841—45 fogar jährlich um 50 Mill. Hierunter find ohne Zweifel 
auch Benußmittel inbegriffen. Morrifon (Essay, ©. 317 ff.) nimmt 


— 2371 — 
einen jährlihen Capitalzuwachs von 50 Mi. an und vermuthet, daß 
die &ewerbsleute */5 ihres Cinkommens überfraren, was ſehr viel wäre! 


(d) Als Urfachen hievon können genannt werben: der gleichförmige mittlere 
Unterhaltsbedarf ($. 191), — die Scheu, dem Arbeiter meniger als 
diefen Betrag zu bieten und bie Abneigung des Arbeitere, ſich für 
weniger dingen zu laflen, — die Beſorgniß, daß wenn man einmal 
mehr Lohn gäbe, dieß leicht zur Regel werden möchte ıc. 


8. 197. 


Das in einem Lande ftattfindende allgemeine Verhältniß bed 
Angebotes zu dem Begehre zeigt fich nicht gleichförmig in allen 
einzelnen Arbeitözweigen, vielmehr treten bei benjelben häufig 
befondere Umftände ein, die eine Abweichung verurfadhen. Das 
bin find zu rechnen: I) Umftände, die in dem Weſen der Be⸗ 
fhäftigungen liegen; a) befondere zu einer Verrichtung erforder- 
liche Eigenfchaften, welche da® Angebot einengen, und zwar 
bald Naturanlagen, bald erworbene Gefchidlichfeiten, bald mo⸗ 
ralifche Eigenfchaften, bald mehrere diefer Bedingungen zugleich. 
Die Schwierigkeit und Wichtigkeit eines Geſchäftes würde für 
ſich allein den Lohn nicht hoch ftellen, wenn nicht deßhalb die 
Anzahl der dazu fähigen Perfonen Elein wäre (a); b) die Ge⸗ 
fahr oder Befchwerde, die mit einer Verrichtung verbunden iſt 
und viele Arbeiter von bderfelben abhält (Bd); c) andere Bor» 
theile neben dem bezahlten Lohne, welche die Lage des Arbei- 
terd günftiger machen, 3. B. größere Sicherheit des Unterhaltes 
für die Dauer, höhere Achtung, Amtsgewalt und dergl., weßhalb 
manche Beichäftigungen verhältnigmäßig niedrig bezahlt werben, 
ohne Daß doch der Zudrang von Arbeitern abnähme (c). 2) Bor: 
übergehende Urfachen einer Veränderung im Mitwerben,, nas 
mentlid) a) Zus oder Abnahme des Begehrs durch wechſelnde 
Einträglichfeit und größeren oder geringeren Abfa in einem 
Gewerbe; b) zufällige Umftände, die das Angebot vermindern 
oder vermehren (d). 


(a) Reichlicher Lohn der höheren Dienfte, die eine Bereinigung feltener 
Bigenfchaften vorausfepen,, 3. B. ausgezeichneter Staatsmänner,, Feld: 
herren, Advocaten, Sänger ıc. — Weinbergsarbeiter werben höher bes 
zahlt als Keldarbeiter. — Niedriger Lohn der Weber, wegen der Reich: 
tigfeit diefes Geſchäftes. Bei den Handwebern Fam neuerlich noch bie 
durh die Mafchinenftühle entflandene Abnahme des Begehrs Hinzu. 
Manche Weberfamilien in Großbritanien verdienen wöcentlih nur 
4—5 Schill. Handloom weavers. Report of the commissioners. 1841 
(von Senior) = Rau und Hanffen, Arhiv, VI, 275. 


( 


(e) 


(@) 


— 233 — 


Dreſcher und Schnitter erhalten der groͤßeren Anſtrengung wegen größe: 
ten Lohn, als gemeine Feldarbeiter. — Scharfrichter, Banalfeger, Dach: 
decker, Locomotivführer werden gut bezahlt. — Arbeiter beim Wafler: 
bau sc. — Manche ziemlich bef werliche oder widrige Arbeiten werden 
jedoh nur mittelmäßig gelohnt, weil fte leicht zu erlernen find und 
deßhalb das Angebot bei ihnen groß ift. Auch der Reiz einer gefahr: 
vollen und abenteuerlichen LXebensweife kann das Angebot größer und 
folglich den Lohn niedriger maden. Smith, I, 172—175. — Mac: 


- @ullod, Grundſ. ©. 283. — St. Mill, I, 390. — Rofder, 


Eyſtem, I, 298. 

Bei den nachſtehenden Beifpielen find unverkennbar die Wirkungen zu: 
fälliger Umflände und wahrer Bigenthümlichkeiten der verfchiedenen Ge: 
werbe mit eingnder vermifht. Durchſchnitts-Wochenlohn nad) Angaben 
ber Handelstammer in Manchefter 1832, First annual report of the poor 
law commissioners, ©. 202: Sanblanger beim Mauern 12 Schill., 
Handweber T—15, Umgraben des Landes 10—15, Laftträger 14—15, 
Schuhmader 15—16, Mafchinenweber 13—165/s, Tüncher, Schneider 18, 
Faͤrber 15—20, Bflaflerer 19—21, Maurer 18—22, Blechſchmiede 
22—24, Zimmerleute 24, Spinner 20—25, Mafchinenarbeiter 26—30, 
Eifengießer, Zurichter am Maſchinenwebſtuhl (dressers) 28—30 Schill. 
Die Ertreme find Afl. 12 fr. und 18 fl., in Lille 31/, fl. u. 22 fl. 24 kr. 
(Villerm6, I, 91). In &yon erhielt 1827 ein Baummollenweber 7, 
ein Tuchweber oder Schneider 9%, Maurer 14, Seidenmweber 18%,5, 
Seidenfärber 24 Br. Wochenlohn. Dingler, B-I. XXV, 540. — 
London, 1812— 36: Schriftjeger für Morgenzeitungen 48 Schill. woͤchent⸗ 
lih, für Abendblaͤtter 43!/3 Schill., für Bücher 36 Schill., Zimmer: 
leute 31,8 Schill. Porter, ©. 444. — Belgien, Taglohn 1846: 
Arbeiter in den Glashütten 2,58 Fr., Buchdruder 2,1, Steinfohlen- 
bergleute 2,07, Mafchinenarbeiter 2,04, Hüttenleute 2,91, Goldſchmiede ıc. 
1,9%, Steinbrecher 1,6%, ifenfchmelzer 1,59%, Zuckerſieder 1,35, Zimmer: 
gefellen 1,37, Schreiner 1,9%, Schuhmacher 0,%, Schneider 0,9, Nähe: 
rinnen sc. 0,7%, Weber 0,8%, Spigenflöpplerinnen 0,8 Fr., Durchſchnitt 
nad Abzug der Blachsverarbeitung: Männer 1,5%, Weiber 0,%, junge 
Leute 0,5 und 0,55 Fr. Hiebei find aber die Handlanger mit einge: 
rechnet. — In Brabant erhielt 1848 ein Schriftgieger —5, ein Ar: 
beiter an ber Druderprefie und ein Schriftfeßer 3— 3t/., ein Graveur 
von Drudwalzen 3—4, ein Baumwollenfpinner 21/,—3, ein Schreiner 
2—2'/s $r., aber die Handlanger in vielen Gewerben empfingen nur 
1—4/3 Fr. (Enqu.) 

Eine dauernde Wirkung bringen ſolche Staatseinrichtungen hervor, welche 
das Ergreifen eines Geſchaͤftes von gewiflen Bedingungen abhängig 
madıen. Unterftügungen für das Erlernen eines Geichäftes, 3. B. er 
pendien für Studirende, vermehren das Angebot in einem Berufsziweige. 


8. 198. 
Aus diefen Urfachen muß, abgefehen von den vorübergehen- 


ben Schwanfungen des Lohne, in ben verfchiedenen Beſchaͤfti⸗ 
gungen eine anhaltende Abftufung ber Lohnſaͤtze Statt finden, 
von der leichteften und allgemeinften Handarbeit an bi zu ben- 
jenigen Berrichtungen, die nur von Wenigen vollbradyt werden 
fönnen. Soweit die Ergreifung einer gewiſſen Arbeit von ber 
Mahl der Arbeiter abhängt, zeigt ſich allerdings ein Beftreben, 


— 239 — 


den Lohn mit dem Koſtenbetrage jeder Art von Verrichtungen 
ins Gleichgewicht zu bringen, indem die verhaͤltnißmaͤßig zu ge⸗ 
ring gelohnte Arbeit von mehreren Menſchen aufgegeben oder 
wenigſtens ſeltener neu ergriffen, die reichlich bezahlte aber deſto 
eifriger vorgezogen wird; inzwiſchen ſteht dieſer Ausgleichung 
die Macht der Gewohnheit, die Seltenheit der erforderlichen 
Faͤhigkeiten und manche andere Schwierigkeit des Ueberganges 
(8. 161) im Wege, weßhalb die Lohnſaͤtze bei verſchiedenen Ars 
beiten keinesweges durchgängig den mit ben letzteren verbunde⸗ 
nen Koften entfprechen (a). Arbeiter in vorgerüdten Jahren 
oder mit ganz einfeitiger Gefchidlichfeit koͤnnen bei geringem 
Begehr dahin gebracht werden, ſich ınit dem Färglichften Lohne 
zu begnügen. Arbeiterinnen erhalten in ber Regel geringeren 
Lohn ald Männer (d), und überhaupt Hat dad Mitwerben auf 
ben jededmaligen Stand des Lohnes einen fehr mächtigen Ein- 
fluß (e). _ 

(s) Rau, Zuf. 58 zu Stord, III, 308. 


(6) Durdfchnittsverhältnig bei den belgifchen Weldarbeitern 100 : 65, bei 
den Gewerfen 100 : 57. — Urfachen find: 1) die geringere Körperkraft, 
2) der ſtarke Zudrang zu folchen Gefchäften, in denen weibliche Ge⸗ 
hülfen leicht bel äjtigt werden fünnen, 3) die größere Benügfamfeit im 

Unterhalt, 4) das Mitwerben von weiblichen Familienmitg iedern, bie 
im Haufe das Noͤthigſte erhalten und daher den Lohn als Zufchuß an: 
fehen ($. 193). Bgl. St. Mill, 1, 408. — Das neuerlid fichtbare 
Beftreben, mehr und mehr weiblihe Sehülfen anzunehmen, muß ben 
Unterſchied im Lohne beider Gefchlechter vermindern und ledigen Frauens⸗ 
verfonen das Fortkommen erleihten. In Großbritanien ift in den 
Baummollengewerfen das Berhältniß der Arbeiter zu den Arbeiterinnen 
wie 100 zu 129, in America ift der Mebrbetrag der leßteren noch größer. 
Belg. Enquöte, III, 356. 

(e) Der Taglohn bei manden Berrichtungen ift im Winter niedriger als 
im Sommer. Zwar lebt der Arbeiter im Winter foftbarer, aber feine 
Thätigfeit hat geringeren Werth, weil fle wenigere Stunden des Tages 
einnimmt, der Begehr ift daher Feiner, ohnehin flehen manche Sefchäfte 
ganz fill und das Mitwerben drüdt folglih den Lohn herab. 


Zweites Hauptftüd. 
Größe des Lohnes in verſchiedenen Zeiten und Ländern. 


8. 199. 


Ein buch flarten Begehr bewirkter hoher Lohn enthält in 
fich felbft die Urfache feiner Erniebrigung, indem er zu einer 


Vermehrung der Arbeiterzahl anreizt, $. 196. Nur da kann 

der Arbeiter anhaltend reichlich gelohnt werben, wo das Capital 

ſich ebenfo jchnell vermehrt als die Arbeiterzahl (a). Ein forts 
dauernd hoher Stand des Arbeitslohnes zeigt alfo eine blühende 

Lage der Volkswirthſchaft an, wobei die Gewerbe große Gewinnfte 

geben und das Bolfövermögen ſich rafch vergrößert, wie bieß 

häufig in neuen Anfteblungen ber Ball ift oder auch in foldyen 

Ländern, bie, aus dem Schlummer envachend, raſch in der Ent⸗ 

widlung ihrer geſelligen Verhaͤltniſſe fortfchreiten. Niedrige 

Bevölferung ift nicht an und für fich, fondern nur dann, wenn 

ber Begehr von Arbeit dad Angebot überfteigt, Urfache eines 

beträchtlichen Lohnes. Wölfer, deren Gewerbe ſchon länger aus⸗ 
gebildet find, pflegen fich langfamer zu bereichern, das Capital 
vermag nicht mehr fo leicht im Wachsthum vorauszueilen und 
der Lohn fteht folglicdy gewöhnlich niebriger. Doch zeigen eins 
zelne Perioden eine Ausnahme, wenn 3. B, Hinberniffe ber 
Gütererzeugung hinmweggeräumt oder fehr wirkffame Erfindungen 
gemacht werden; auch darf man da, wo bie 2ohnarbeiter mit 
der Zunahme der allgemeinen Bildung mehr Beduͤrfniſſe an- 
nehmen und nur wiberftrebend auf bie Befriedigung berfelben 
verzichten, wo ferner durch die fortichreitende Kunft im Gewerbs⸗ 
betriebe die Capitalvermehrung befördert wird und Regierungs⸗ 
maaßregeln die Production befördern, einen Anwachs bed Lohnes 
wie des Wohlſtandes vermuthen (d), auch abgefehen von ber: 
jenigen Erhöhung des Lohnes, die nur aus der Vertheurung 
ber Lebensmittel entfteht, 8. 192. Am niedrigften muß fich der 

Lohn da ftellen, wo der Wohlftand im Abnehmen if, weil dann 

die Menfchenmenge im Verhaͤltniß zu den Erwerbögelegenheiten 

zu groß erfcheint (ec). Verſchiedenheiten im Lohne mehrerer 

Länder und Gegenden werden durch Auss und Einwanderungen 

vermindert (d). 

(a) Borübergehend Fönnte eine flarfe Verringerung der Arbeiterzahl, 3. B. 
nah Seuchen oder fchweren Kriegen, den Lohn fleigern. In einer eins 
zelnen Gegend kann bie Örtliche Bermehrung des Begehrs, 3. B. wegen 
eines Feſtungs-, Cifenbahn:, Ganalbaues ıc. bie nämliche Wirkung 


äußern. Dagegen drüuͤckt eine ſchnelle Cinführung arbeitſparender Ma⸗ 
ſchinen bisweilen den Lohn eine Zeit lang herab. 


(6) Marſchall Vauban ſchaͤtzte 1698 den Lohn eines Webers in Frankreich 


auf 12 Sous, eines Weldarbeiterd auf 9 S. und den Sahresverdienft 
auf 108 und 90 Fr. Hiervon nahm das Salz 8 2. 16 ©., das Ge⸗ 


- 


— u 7 — 


treide ‚für 4 Menihen 60 Liv. hinweg (10 Setiers ober bad. Malter 
Mengforn, etwa 2100 Pfd.). Faſt Yo der Einwohner bettelte und die 
Hälfte war ebenfalld nahe daran, zu verarmen. A. Doung flug 
1787 den Feldtaglohn auf 19 Sous an, was damals — He Br. Brot 
war. Dieß giebt mit %s Bufchlag für den Erwerb der Frau bei 
280 Arbeitstagen 330 Fr. Villerm&, Tableau II, 2. 25. Wie in 
Frankreich, fo ift aud in Deutichland die Xebensweife des gemeinen 
Mannes unverkennbar befler geworden. Es wäre verbienfllich, hierüber 
befondere giaauine Forſchungen anzuftelln. Das Bud von Bra: 
nier de Baffagnac, Beihichte der arbeitenden und der bürgerlichen 
Glafien, deutih Braunfhw. 1839, enthält in diefer Hinkht wenig. — 
Mac Aulay (History of England, I, 408, Taudnig) zeigt, daß in 
England der Lohn jeßt doppelt fo hoch ift ale 1685, wäbrend bie 
Zchensmittel mit Ausnahme des Bieres nicht doppelt fo viel gelten. 
Die Zahl der Armen war zu jener Zeit größer (1; nah King und 
Davenant), die Sterblikeit in London 1 auf 23 Einw. — In 
Tranfreih, wo nah Bauban der Yeldarbeiter nit 3mal — 
Fleiſch eſſen konnte, ſoll es jetzt meiſtens 2mal wöchentlich geſchehen, 
die Koſt iſt überhaupt viel beſſer geworden. Bouchardat, Moni- 
teur 1852, Nr. 18. 


(c) Ad. Smith führte die nordamericanifchen Breiftaaten ale Beifpiel des 


erften Falles, ghine für den zweiten, Oſtindien für den dritten Fall an, 
Unter. I, 109 f. In Nordamerica fand der Lohn bis 1818 überaus 
hoch, von diefem Zeitpuncte an begann er zu finfen, weil der Abfag 
roher Stoffe nicht mehr die vorigen beträchtlichen Gewinnſte gab. Vgl. 
Stord, I 306, und Zufa 51. Der mittlere Lohn eines Ackerknechts 
war um 1833 9 Dollars monatlich (22%, fl.) mit Koft und Wohnung. 
In Maflahufets wurden 11—18 Dollars in den 6 Sommermonaten. 
10-12 in den 6 anderen angegeben, in Newyork 7/5 — 103/10 Doll. 
monatlih. Gemeine Taglöhner erhielten in diefem Staate täglich 
84 Cents, wobei die Bamilien 2mal täglich Fleiſch aßen, neben Thee 
und Kaffee, Zimmerleute 11/s—1's Doll., Dachdecker Iy—1!a Doll. | 
Diefe Handwerker hatten 1783 — 1790 nur 621/;— 75 Cents täylich. 
Das Getreide war aber feitdem nicht theurer geworden, der Quarter 
Waizen galt (1824—33) 5 Doll. 2 Gt., alfo der Gentner 2 fl. 43 kr., 
das Pfd. Rindfleiſch 6 Et. = 9 fr., Senior a. Preface. ©. XC. — 
Carey, rate of w. ©. 26. — Neuerlich werden 50—80 Cents täglich 
ohne Belöftigung (1 fl. 13 fr. — 1 fl. 56 fr.) oder gegen 10 Doll. 
monatlich neben der Koft gegeben, Fleiſchmann, Der norbamerican. 
Zandwirth, 2. A. 1852 ©. 311. — In Buenos:Ayres erhält noch jebt 
ein gemeiner Handwerker und Taglöhner täglich 1 Biafter (2 fl. 28 fr.). — 
Sn Ban:Diemens:tand fol ein Feldarbeiter fogar 8-10 Schill. täglich 
erhalten, wofür er fih 21—25 engl. Pfd. Brot oder 8 Pfd. Fleiſch 
verschaffen könnte. — Der in Geld überaus hohe Lohn in Auftralien 
und Californien ift auch nad) den Preifen der Lebensmittel fehr groß. 
"In ©. Brancisco erhielten noch zu Ende 1854 gemeine Taglöhner 3, die 
meiften Handwerksgeſellen 5, Shiffegimmerteute 8, Hutmacher 10 Doll. 
täglih. — Auch bei den Hier folgenden mittleren Sägen des Taglohns 
für Weltarbeiter darf man die ungleichen Preiſe der Lebensmittel nicht 
unbeadhtet laſſen, $. 187 (d). 

Dfpreußen, Baliin . . . gegen 14 kr. (Hofmann). 

Böhmen... 2 22200. 17 

Münden (Scleisheim) . . . . 20 

Gatenberg, Hildesheim . . 18—22!/ = (Hann. Feflgabe 1852), 

Medindtug . . . ... 18-21 ⸗ (v. Lengerde). 

MWürtemb. u. bair. Oberfranten 20—24 ⸗ 


Rau, polit. Dekon. I. 7. Ausg. 16 


wa 


— 242 — 
Magdeburg, Sachſen, Schleſien 22" fe. (Gaspari). 


Niederheflen .. s (Hildebrandt). 

Provinz Sulta . . 2 2.2. 231/3 ⸗ ⸗ 

Stimmt 2 02 23/ ⸗ 

Bad. und hair. Rheinpfalz 24-30 ⸗ 
(Weinbergsarbeiter 36 &.) 

Sofein . . 2 2.22.2126 s (Dittmann). 

Gleve . 2» 2 2 2 2. Mi s (Jacobi). 

Dberheften (Kurf.). -. . . ». BU ⸗ ° 

Mark Brandenburg . . . . 238 s (Koffmann). 

Weimar 222... 91 ⸗ 

Tirol nn 30-36 ⸗3 

—2 1830-46 . . . . 300 s (Amtl. Stat.). 

Mecklenburg238 s (9. Thünen). 

Kreis Bonn een. 28—35 : Somm.(Hartflein). 

Bad Schwarzwal . . 80-42 5 

Joren een. dia = (Serrifori). 

Reg. Bde. Düfleltorf - . . . 31% = (v. Biebahn). 

Lombardei > 2 2 22.33 ⸗ 

Frankreich, Durchſchnit 35 —42 = 

Canton Ticino . . » 2 .36 = (Arrivabene). 

Canton Bern und Wallis . 41—49 =: 


Ober⸗Elſaß (Ober-Rhein) . 42—50 


In der neueften Zeit if der Lohn meiſtens höher geworden. 
In Nordengland if (1850—51) der Wochenlohn der Feldarbeiter 
11'/s Sc., in Süpdengland 8, Sch. (6,5 und 4,% fl.), Duschichnitt 
9a Sc., mar. 14 Sch. in Weſt-⸗York, min. 7 Sch. in einigen Land⸗ 
baugegenden, Caird, Eugl. agric. ©. 512. — Nach den bei ber eng- 
liſchen Commiſſton zur Unterfuhung des Armenwejens eingegangenen 
Nachrichten, die zum Theil noch einer Kritik bebürfen, verdienten Felo- 
arbeiter in Frankreich und zwar Havre, Sommer 54, Winter 42 kr., 
Bretagne 30 u. 31 Er., Bordeaur 491/2, Marfeille 4554, Bayonne 36, 
Piemont, ©. 30—36, W. 18—22'/8, Patras (Griechenland) ©. 431,2, 
W. 33, Bremen, ©. 36, W. 27, Öftende, ©. 36, W. 31%, Schwe: 
ben 21—24, Dänemarf 18—34 fr. Um Havre, Bordeaur und die 
Loire-Mündung fann der Arbeiter felten Fleiſch eſſen, in beiden legten 
Gegenden jedod dann, wenn Frau und Kinder guten Berdienft haben, 
um Marfeille wöchentlih 1mal Rindfleifch, in Bretagne öfters Schweine: 
fleifh, in Würtemberg und Baiern 2mal woͤchentlich Fleiſch, in Däne- 
marf gute vegetabilifhe Nahrung, in Sachſen fpärlihe Koft, in Pie⸗ 
mont ärmlihe, in Südjchweden Kartoffeln und Fiſche, in Norwegen 
nurefen und Haferbrod. Senior a. Preface, auh bei Schmidt, 

nter). ©. 292. 


In Schweden (Forſell, Statift. v. Schw. ©. 101) war 1816—26, 
wenn man für diefe Beriobe den Burs der Banknoten zu 112 Schill. 
für 1 Thlr. Hamb. Beo. annimmt, der mittlere Lohn 26%, fr. — 
15,3 Pd. Getreide, die Tonne halb Roggen, halb Gerſte galt 7 Thlr. 
15 Schill. = 8 fl. 21 fr., alfo beträgt der som jährlih mit Zuſchlag 
von %g für den Verdienſt der Frau 5737 Pfd. Betreide für die Familie. 
In der nördlichen Hälfte des Landes, von Yalun an, fteht der Geldlohn 
—* in Oeſterſund⸗ (im Innern) und Pitea⸗Laͤn ſteigt er bis 32 Sch., 
uͤdlich, zwiſchen Gotenburg und Linkoͤping, finft er bis 17 Schill. Sept 
man die 6 nördlichen und die 18 füdlichen Laͤne einander gegenüber, 
. fo ergiebt fih Folgendes: 


(2) 


— mu — 





Südl. Theil, oͤrdl. Theil. 


Mittlerer Lohnfah -. -. . . . | 19, Schill., 26 Schill. 
Breis der Tonne Getreite . . 7,9 Thle. 8,8% Thlr. 
alfo täglicher Verdienſt in Getreide 14,* Pfd. 16, Bir. 
Einwohner auf 1 geogr. D.Meile | 83—2670 32—340 
Ader, Wieſe und Beide maden 

Procente der Oberflähe . . . 9—60 1—8 


In Piteg (nördlihfes Län) if der Lohn in Getreide ausgedrüdt 
20,5 Pfd. (max.). in Derebroo 12 Pfd. (min.). 

Wird der Tagloͤhner beiöfigt, fo ift der Weldlohn neben ber Koſt 
T/a—10%/, fr. in Hübdesheim, 9—16 fr. Bretagne (Dep. Norpküften), 
10% Er. Lombardei (Burger), 12—16 fr. in vielen Segenden bes 
ſuͤdweſtl. Deuſchlands, 14 fr. Bonn, 14—20, durchſchn. 17 Er. in Belgien 
(1846, amtl. Gtat.), 16%/—20 fr. Bern, Wallis, 15 fr. Oberbaiern, 
18—30 fr. bad. Schwarzwald. Im Vergleich mit dem Lohne der nicht 
beföftigten Arbeiter wird gemöhnli die Koſt zu niedrig angeichlagen. 

Die Quote des Dreſchlohns ift fehr verfchieden, was nit blos von 
dem allgemeinen Lohnſatze, fondern aud von dem Yleiße der Drefcher 
abhängen mag, 3.3. Yo in Oftpreußen, Lüneburg, Ya—!/ıa in Sachſen 
und ber — i / in Schleswig und Holſtein, /310 in der 
Mark Brandenburg, */ıs in Medienburg (v. Thünen), Ya! im 
Mord-Departement. 

Schwach bevölterte Länder, 3. B. Gebirgegegenden, haben meiftens 
niedrigen Lohn, weil bajelbft wenig Betriebfamfeit berricht und Bapitale 
eher hinweg⸗ ale von anderen @egenden hinzugeführt werben. Das 
naͤchſte und belanntefle Beifpiel eines eringen Lohnes bot Irland bar, 
Der mittlere Taglohn in der Landwirthichaft kann zu 8 Pence oder 24 Er. 
angenommen werden, oft wurden im Winter und felbfl im Sommer 
nur 6 3. gegeben, während 12 (1 Schill.) zum lntexhalte nöthig 
waren. Wo man die Koft gab, war der Lohn gewöhnlih nur um 
2 B. niedriger, auch befland jene faſt ganz aus Kartoffeln. Das 
Schlimmſte if, daß es an fortdguernder — f te. In Zeiten, 
wo wenig zu verdienen war, arbeitete Mancher um 2 P. und die Koſt, 
oder ſelbſt blos um diefe; Evidence. Occupaf. of land in Ireland. 1845. 
—*8 bat fich dieß wegen der ſtarken Auswanderung (exodua) 
verbeſſert. 


Chineſen kommen in großer Zahl nach Californien und Weſtindien. In 
Cuba fängt man an, durch fie die Sklaven zu erſetzen: Sie erhalten 
den Unterhalt und jährlih 48 Doll. Geldlohn. — Die vielen irländi- 
fhen Arbeiter in England fehmälern den Lohn der Bingebornen. — 
Außer den dauernden Meberfiedlungen in ein anderes Land kommen hier 
aud die leichter ausführbaren häufigen periobifchen Wanderungen ber 
Arbeiter in Betracht. Sie dienen, bie Derfchiedenheiten des Lohnes 
auszugleihen und den Bewohnern der ärmeren Gegenden einigen Bor: 


theil von dem Reichthume benachbarter Landftriche zuzuwenden. Bielg 


Ebenen gewähren den Bewohnern naher Gebirge Berdienft in der Ernte: 

it. So wandem würtemberger und odenwälder Schnitter und Mäher 
Norte in das Rheinthal, galizifche in die polniſche Ebene, weftfälifche 
Arbeiter ziehen im Sommer nad) Hollgnd, Savoyarden fuhen in Wallis 
und Frankreich Erwerb, die Bewohner der Apenninen in ter Campagna 
di Roma, Salzburger (namentlid Sphweinfchneider aus Lungau und 
Krautfhneider aus Wattiee, nad oprer ‚ Zixgler, Borarlberger, 
Graubuͤndner in den ebenen Gegenden Süd⸗Deutſchlands ıc. Aus dem 
Canton Ticino gehen jährlihd 30— 12 000 Perfonen auswärts, meiſtens 

16% 


— Wi — 


Nah der Lombardel, und zwar Tendet jede Gegend "des Cantons andere 
Glaffen von Arbeitsleuten hinaus, Maurer, Steinhauer (1840 bis Heidel: 
‚berg gefommen), Glaſer ꝛc. Franſcini, Der Canton Teifin, ©. 155, 
ſ. auch von Ulmenftein in Rau, Archiv. I, 223. — Rofcer, 
Syſtem, I, 321. 


$. 200. 


Ein hoher Geldlohn könnte ohne allen Vortheil für die ars 
beitende Claſſe fein, wenn nämlich die Preiſe der nöthigen Lebens⸗ 
mittel in gleichem Verhältnifie gefliegen wären (a). Hoher Lohn 
in dem Sinne, daß ber Arbeiter fich ein reichliches Maaß von 
Guͤtergenuß verichaffen kann, ift nicht allein ein Zeichen 
günftiger Vermögensverhältniffe (8. 199), fondern bringt aud) 
wieder vortheilhafte Wirkungen hervor. Die unterfte Claſſe 
der Lohnarbeiter, bie einen großen Theil der Einwohner jedes 
Landes in fich begreift, lebt immer am fpärlichften und ift der 
Gefahr des Verarmens am meiften ausgefegt. Eine Verbeſſe⸗ 
tung ihrer wirthfchaftlichen Lage ift daher für die Wohlfahrt 
ber bürgerlichen Gejellfchaft von vorzüglichem Nugen, weil fie 
den Sachgütern die beite Verwendung zur Befriedigung wich- 
tiger menſchlicher Bedürfnifle giebt und hierdurch der Beftimmung 
der Volkswirthſchaft entjpricht. Die Zunahme des Lohneinfoms 
mend vermag am beften die große Bermögensungleichheit zwijchen 
ben verjchiedenen Ständen zu verringern und Die Xohnarbeiter 
dem Zuftande näher zu bringen, in weldem fid) die Grund 
und Gapitalbefiger und Gewerbsleute befinden. Hierdurch wird 
zugleid) die Anhänglicyfeit der Arbeiter an den Staat erhöht, 
in dem fie fich der Früchte ihres Fleißes erfreuen (6). 

(a) Vgl. $. 192. — Bei den Fortihritten tes Wohlſtandes und der Be: 
völferung werden zwar viele Nahrungsmittel, Breunholz ıc. gewöhnlich 
theurer, allein Kleidung und manche andere Gegenflände wohlfeiler, auch 


wird durch Die geringeren Brachtfoften die Berforgung mit vielen Gegen⸗ 
ftänden erleichtert. 


(6) 3. 9. v. Thünen (Ifol. Staat, Il, 154. 202.) ftellt eine mathe⸗ 
matifche Regel für den naturgemäßen Arbeitslohn auf. Wenn a ben 
nothwendigen Unterhaltsbedarg des Arbeiters, p das Arbeitsproduct, 
a + y den Lohn bedeutet, fo iſt 
s:a ty=a+ty:p 
a + y= Yap. 

Hier ift aber p in einem befonderen Sinne genommen, es zeigt dens 
jenigen Ueberſchuß des Mohertrages über die Ausgaben an, welcher 
lediglich den Kohn und Capitalzins in fich begreift, jene Regel bezicht 
ſich daher auf die Antheile der Arbeiter und Eapitaliften. 


—UB — 


8. 201. 

Die guten Folgen eined hohen Lohnes find vorzüglich nach⸗ 
ftehende: 1) Er feßt die Arbeiterfamilien in den Stand, eine 
der Gefundheit zuträgliche. Lebensweiſe zu führen, wodurch die 
Lebensdauer im Allgemeinen verlängert wird, — ein für das 
Gluͤck der Familien und zugleich für bie Wirkſamkeit der Arbeits- 
fräfte Höchft wichtiger Umftant (a). . Hiezu trägt vorzüglich bie 
befiere Ernährung und Verpflegung ber Kinder bei, deren Sterb⸗ 
lichfeit bei den Dürftigen viel ftärfer zu fein pflegt, al8 bei ben . 
Wohlhabenden (5). Weberhaupt zeigt die Erfahrung, daß bie 
Sterblichfeit mit der Dürftigfeit abnimmt (c). Es muß zum 
Theil aus dem heutigen reichlicheren Lohne und ber günftigeren 
Lage der arbeitenden Stände erflärt werben, daß die Lebensdauer, 
wie ed fcheint, im Alterthume fürzer war, als in neuerer Zeit, 
und daß fie in der jüngften Zeit noch zunimmt (d). 2) Die 
Arbeiter fönnen ſich auf eine höhere Stufe ber Bildung empors 
heben, indbefondere ift es möglich, die Kinder beffer zu erziehen 
und zu unterrichten, wodurch der Staat ein einfichtönolleres, 
funftfleißigered und gefitteteres Gefchlecht von Bürgern gewinnt. 
3) Es fann ein Nothpfennig zurüdgelegt werben, vermöge deſſen 
Unfälle ih der Familie leichter überftanden werben, ohne daß 
fogleih Armuth eintritt; auch werben die Erfparniffe in den 
Händen berjenigen, welche ihren Werth am beften zu fchägen 
wiffen, häufig zum Ankaufe von Grundftüden.oder zur Betrei- 
bung eined Gewerbes auf eigene Rechnung oder zu einer ans 
beren einträglihen Anlegung verwendet, und ein ſolches, wenn 
auch Fleined werbended Vermögen macht, daß die Eigenthümer 
beffelben die rechtliche Ordnung im Staate weit höher fchägen, 
als ganz Unbegüterte. 


(a) Weil nun in einer gegebenen Einwohnerzahl mehr arbeitsfähige und 
gefunde Menſchen enthalten find. Größere Lebensdauer und geringere 
Sterblichkeit find wohlthätiger, als ſchneller Zuwachs. 

(2) Die iſt die Urfache vieler Leiden, Befchwerden und wirthichaftlichen 
Berlufte, Stord, I, 217. — Im erften (reichften) Stadtbezirke von 
Paris find die Geborenen !/5 der Lebenden, im zwölften 20, und den⸗ 
noch findet man im leßtern Bezirke nicht mehr Kinder unter 5 Jahren, was 
die größere Sterblichkeit der Kinder armer Aeltern beweifl. Bei der 
Bergleihung mehrerer Berioten darf man den Einfluß der Blattern⸗ 
impfung nicht überfehen. " 

(ce) Nah Billerme if die Eterblichkeit 1/55 in dem erften Stadtbezirk 
von Paris, welcher die meiften Reichen hat, Yo im zwölften Bezirk in 
welchem die Meiften Armen wohnen, / in ten reicheren Departements, 


@ 


— 246 — 


6 folge: ‚sten 
h der Berlu de6 größeren Lohnes fhneil. 
Bode ner Samy be Sunshine De Belthnenge Lnıfam tet 
(im Durtchſchnitt von 8 Gantonen Yı Proc. Bernoulli, ürchiv, 


10-20 20—60 
in Nordameria . © 2 22 2.202340 246 376 
in England . . . 22... . 212 205 445 
in den Niederlanden . . 2 2... ,. 238 183 488 


eine 8 haltmiſe zeigt‘ die Stistiötet ve —* hen Sehen 
nliche Ber! ine v iedenen Lebens⸗ 
alter unter 100 en find z. B. 
































Summe 

von | von| von | von | vom | über 

0—1 4555-10 0—10 |10—15| 60 
Belgien, 1841-50 . . | 187] 1583] as | 390 | 28 | 266 
Wentlandern 2... 20153145 | A | 31 | 207 
Limburg. ° 2. 0. [150] 136) 50 | 346 | 26 | 300 
Preuß. Staat, 1849. . | 224 15 54 | 429 | 19 | 189 
Brov. Weifalem, =. . | 208 1381 50 | 391 |°23 | 226 
Reg. Bez. Oppeln, =. . 243) 164| 66 | 473 | 23 | 162 
England, 1840. : 215] 189) 56 | 460 | 27 | 220 


:  Baummollenbezirk | 

(Sanc. u. Gheih.) | 239 

#  Aderbauende Gegen · | 

den “0.0. | 208] 150) 61 14 28 | 254 

Waadt, n. Muret . . 189 158 — | 347 22 314 

Bel. Bernoulli, Popul. IL, 402. — Auf die Verſchiedenheiten in 

der Sterblichkeit Haben auch andere Urfachen Einfluß, namentlich bie 

Beſchaffenheit der Wohnungen in Hinfiht auf die Geſundheit, worüber 

in England zahlreiche und belchrende Grfahrungen gelammelt find, f. U, 
g2 for ing: 


255| 65 559 27 | 135 


03 (d). First report of the commissioners into the 
state of towns and populous distriets (Health of towns) 1843. 
IL 8. Rußland find im Durdihnitt 526 unter 1000 Gterbes 


fällen von 0—15 Jahren, mit der Verſchiedenheit, daß in Pleskom, 
Kurland, Sittauen nur 316, in den Gouvern. ©t. Betersburg, ERb: 
land, Finnland 358, dagegen in Kiew 619, Verm 648, Tobolst und 
Tomef 656, Bifine) Ron jorod 691 von jenem Alter ſterben. Her: 
mann leitet die größere Sterblichkeit der Kinder in manden Begen- 
ven Rußlands von ben Norboftwinden ab; Möm. de l’ac. de St. Pit. 
VIme serie I, 121. 

Aemilius Macer in L.68. Pand. ad. Leg. Falvidiam giebt die mitt: 
lert Lebensdauer fo an: bei 0—20 Jahren noch 30 Jahre weiter, — 
bei 20—25 I. no 28 3., — bei 25—30 9. no 25 I, — bei 
30—35 3. no 22 3., — bei 3540 3. noch 203., — bei 40-45 3. 





— 4 — 


noch 18 J., bei 45—50 3. noch 13 3., — bei 50-55 I. no 
9%, — bei 55—60 3. noh 7 J., wobei bie kurze Lebensdauer 5 
Menfchen von 45 und mehr Jahren auffällt. Bel. Shlädzer, Staats 
anz. IX. 482, X, 288. — In Paris flarb im 14. Jahrhundert jährlich 
rn, im 17. Jahrhundert / 23 —! / 20, im Durchſchnitt vom Sahre 
1819—23 aber go. Rev. encycl. Avr. 1824 und Journ. des deb., 
10. Döo. 1824. — Bgl. Dietioan. des so. mödio., Art. Longerits 
XXIX, 40 ff. Tobler, Ueber die Beweg. d. Bevoͤlk. ıc. St. Ballen, 
1836. — Die Zunahme der wahrfcheinlichen Lebensdauer in Eng: 
land ergiebt fih aus den von Finlaifon berechneten Sahlen, Mac- 
Culloch, Stat aco., I, 419. = In Gef war die mittlere Lebens: 
dauer (die Durchſchnittszahl der von allen Berforbenen durchlebten 
Jahre) eines Neugeborenen im 16. Jahrh. 18, J., im 17. Jahrh. 
23,2 J., im 18. Jahrh. anfange 32,% J., dann 33,58 J., fpäter 
38,8 Jahre (jebt wird fie zu 39,1 angegeben). Bernoulli, Schweiz. 
Archiv, II, 77. In Frankreich ftarben nah Benoifton de Chateau⸗ 
neuf von 100 Geborenen. 

um 1775—8 um 1826. 
in den erflen 10 Sabreen . . . 2 2 2. 49,9 38,3 
bis zu 50 Jahren . . . . 2 2 200. 14,3 65 
bis zu 60 Jahren. 82 11 - 
M'’Eullodh zu Smith, ©. 465. — Die mittlere Lebensdauer be⸗ 
rechnet fih in Großbritanien (aus der Tabelle bei M'Culloch) auf 
34,%, in Schweden auf 32,%, im preußifchen Staate 27,3, in Appenzell 
Außer⸗RPRhoden 24 3., in Frankreich vor der Revolution 28, jekt 34 
(nah Demonferranb fogat 38) 3., in Baiern (rnach Gebhard) 30,5, 
in Belgien auf 31,5, im K. Hannover auf 37 Jahre. Indeß find alle 
diefe Ausmittlungen nicht völlig genau, weil fle nicht aus einer gleich⸗ 
bleibenden, fondern einer fleigenden Volksmenge abgeleitet find und 
nicht die gleichzeitig in verfchiedenem Alter Verſtorbenen, fondern die 
Todesfälle der in einerlei Jahr Gebornen die eigentlihe Grundlage 
geben jollten.' Ä 


6. 201 a. 


Es iſt bisweilen die Befuͤrchtung ausgeſprochen worden, 
daß bei hohem Lohne die Arbeiter einen Theil ihrer Zeit im 
Müuͤßiggange hinbringen möchten, weil fie dann auch ohne ans 
haltenden Fleiß ihren Unterhalt verdienen koͤnnen, allein eine 
folhe Handlungdweife fest einen Grad von Rohheit und Traͤg⸗ 
heit voraus, der bei zunehmender Bildung mehr und mehr ver 
brängt wird. Der Arbeiter nimmt bei der Berfeinerung ber 
Sitten und bei der Erweiterung feines Gedankenkreiſes allmälig 
mehr künſtliche Bebürfniffe an, wozu der Anblid ber Lebens⸗ 
weife in den höheren Ständen beiträgt, und er wirb hiedurch 
angetrieben, mehr zu erwerben. Nur ein plögliches ſtarkes 
Steigen des Lohnes ohne Zuthun der Arbeiter fönnte vorüber: 
gehend jene nadıtheilige Wirkung haben, die bei einer langs 
fameren Zunahme nicht zu beforgen ift, und bie Erfahrung ber 


gewerbfleißigften Länder beweift es, daß hoher Kohn und großer 
Fleiß ſehr wohl vereinbar find. 


’ 8. 202. 

Die Urfachen, von denen die Lohnarbeiter eine Verbeflerung 
ihrer Lage erwarten fönnen, liegen theild in ihrer eigenen Ge⸗ 
walt, theild außerhalb ihres Einfluffes. Zu den legteren gehören 
bie günftigen Gewerböverhältniffe eined Landes, ber durch die 
Anwendung von Kunftmitteln, 3. B. Mafchinen, gefteigerte 
Erfolg der bervorbringenden Gewerbe, bie Neigung der Grund: 
eigener, Gapitaliften und Unternehmer zum Ueberfparen und zur 
Anlegung bed Erfparten im Lande, die menfchenfreundliche Ges 
finnung der Lohnherren, die auch ohne größere Ausgaben viel 
Wohlthaͤtiges bewirken können (a), endlich die Maaßregeln ber 
Regierung, ber Gemeinden und ber gemeinnügigen Vereine in 
Beziehung auf Unterricht, Sittlichfeit, Geſundheit ꝛc. Unter 
den Urfachen der erften Art find nadjftehende von dem ficherften 
und größten Erfolge: 1) Das Beftreben der Arbeiter, fidy dies 
jenigen Eigenfchaften in immer höherem Grabe zu erwerben, 
durch welche ihre gewerblichen Leiftungen verftärft werden und 
welche ihnen eine reichlichere Belohnung verfchaffen Eönnen, 
$. 188 2). Dahin gehören Fleiß, Gefchidlichkeit, Kenntniſſe 
und Redlichkeit. 2) Sparfame Lebendweife, die ihnen die Er- 
übrigung eines Fleinen Gapitaled oder mwenigftend eines Hülfes 
vorrathed ($. 201 Nr. 3) möglih macht (5). 3) Verhütung 
eined zu rafchen Zuwachſes ver Arbeiterzahl, insbefondere Ver⸗ 
meidung ber leichtfinnig und zu frühzeitig geſchloſſenen Ehen, 
noch che der Erwerb gefichert und einiged Vermoͤgen erfpart 
worden ift, $. 196. Je mehr Borficht in diefer Hinficht herr⸗ 
fhend wird, je mehr. der Arbeiter auf einen forgenfreien Zus 
ftand, auf die befiere Erziehung feiner Kinder ıc. Werth zu 
legen lernt, je mehr er hierin die in den höheren Ständen bes 
ftehenden Grundjäge ſich zu eigen macht, deſte höher wird ber 
Xohn fleigen. Das Herbeiftrömen von Arbeitern aus anderen 
Ländern Fönnte jene Frucht der zunehmenden Bildung und 
Mohlhabenheit verringern, wenn -biefe in einem einzelnen 
Lande raſchere Fortfchritte machen als in den übrigen, $. 199 (d). 
4) Vereine zur Unterftügung der Mitglieder in Krankheiten, in 


— 4 — 


hohem Alter und ogl., ferner zur wohlfeileren Anſchaffung 
von Lebensmitteln im Großen. 5) Ausmwanderungen, bie ben 
Lohn erhöhen koͤnnen, aber nur foweit, daß die Eapitale noch 
nicht ind Ausland getrieben werden und nur fo lange, als bie 
Anzahl der Lohnarbeiter nicht wieder auf die frühere Höhe ans 
gewachſen if. 
(4) The claims of labour, an essay on the duties of the employers to the 
employed. Lond. 18544. Westminster Review, Wr. UI, San. 1852. 
S. 61. — Beförderung des Eriparens, mwohlfeile Abgabe von Nahrungs: 


mitteln, Ueberlaffung Fleiner Stüde von Ader= oder Gartenland, Ber: 
miethen gefunder Wohnungen um mäßige Vreiſe u. dergl. 


(8) Dagegen Züge von dem Leichtfinn der Taglöhner im Ganton Ticino bei 
Arrivabene, De l’ötat des travailleurs dans la comm. de Virs- 
Magadino,, 1840. — Trunffucht vieler Zabrifarbeiter! 


6. 202. 


Andere in neuerer Zeit vorgefchlagene, zum Theil auch fchon 
verfuchte Mittel, durch welche die Arbeiter die Vergrößerung 
ihres Einkommens beabfichtigen koͤnnten, find theild ganz vers 
werflid, theild nur von zweifelhafter oder doch fehr befchränfter 
Nüglichkeit (a). 1) Die verabredete Einftelung der Arbeit von 
Seite der Arbeiter follte die Unternehmer zwingen, höheren Lohn 
oder fonft günftigere Bedingungen zu bewilligen. Allein dieſe 
Abſicht ift in vielen Fällen nicht erreicht, vielmehr ift durch dieß 
Berfahren den Gewerben fehr gefchadet worden, denn die Unters 
nehmer Eönnen bei gegebenen Preifen der Erzeugniffe und einer 
gegebenen Betriebsart in der Regel nicht beftchen, wenn fie 
höheren Lohn geben follen (d). 2) Man hat fid) beftrebt, das 
bisherige Verhältniß zwifchen Unternehmern und 2ohnarbeitern 
umzugeftalten. Hiezu gehört ſchon a) die Zuficherung eines 
Antheild am Reinertrag eined Gewerbes für die Arbeiter neben 
dem bedungenen Xohne. Diefelben werden hiedurch allerdings 
eifriger und mehr für den guten Erfolg des Gewerbes beforgt 
werden, body muß erft die Erfahrung zeigen, unter welchen Bes 
dingungen eine ſolche Einrichtung zwedmäßig ift und ob insbes 
fondere nicht ber Unternehmer dadurch gehindert wird, ganz nad) 
eigenem Ermefien zu verfahren (ec). b) Eine Betheiligung ber 
Arbeiter an einem Gewerbe durch Einlegung eined Fleinen Capi⸗ 
taled würde die Unabhängigkeit eined einzelnen Unternehmers 
gefährden (d). c) Auch die Betreibung von Gewerben burch 


— 250 — 


Arbeitergefellichaften, die an Stelle ver Unternehmer treten und 
fi) daher auch in den Gewerböverbienft theilen, ift mit Schwie⸗ 
rigkeiten verbunden, weil bie Zeitung eines Geſchaͤftes durch 

Mehrere nicht fo gut zu gelingen pflegt, das erforderliche Ca⸗ 
pital mühfam zufammenzubringen ift, Berlufte von den Mit- 
gliedern nicht ertragen werben Fönnen und bergl. Die neuer 
lichen Verſuche ſolcher Vereinigungen find noch nicht günftig 
ausgefallen, doch koͤnnen biefelben vielleicht bei manchen Ges 
werben, bei verfländiger Einrichtung und einem gewiſſen Grabe 


von Reblichfeit und Gemeingeift beffer gelingen (e). 

(a) NAusführlih hierüber Morisson, Essay, Gap. 10—13. 

(5) Die englifhen Fabrik oder Handiwerksgehülfen treten oft in Vereine 
(trades unions), um den Unternehmern beflere Bedingungen abzundthigen 
oder eine Herabſetzung des Lohnes zu vereiteln. Das Hauptmittel hiezu 
ift allgemeine Einftellung der Arbeit (strike), welche aber die Erſpar⸗ 
niſſe der Arbeiter verfchlingt und doch oft nichte ausrichtet. Der lange 
Stillſtand war oft fo verderblih für den Abſatz, daß es noch weniger 
in ber Macht der Yabrikherren fand, die Forderungen der Arbeiter zu 
befriedigen, ale zuvor. Mehrere arbeitfparende Mafchinen find gerade 
bei folchen Zwiſtigkeiten durch das Beftzeben der Unternehmer, ſich von 
ben Arbeitern unabhängig zu erhalten, erfunden worden, 3. B. die 
Mafchine zum Bernieten der Dampffeffel, als bie Reffelichmiede in der 
Fabrik von Fairbairn fih auflehntn, Dingler, Bol. J. LXXV, 
413. Die Bewaltthätigkeiten, mit denen man oft: andere Arbeiter von 
der Fortſetzung ihrer Verrichtungen anguhalten fuht, machen das Gin: 
fchreiten der Staatsgewalt nöthig. Die unter den Arbeitern verbreitete 
Borftellung, daß die Lohnherren nur aus Gewinnſucht den Lohn niedrig 
hielten, ifl irrig, vielmehr können diefe die Concurrenzverhältnifle nicht 
beherrſchen. Die Arbeiter müflen einfehen lernen, daß ihr Bortheil 
mit dem der Lohnherren innig verbunden if. Noch neuerlich bat ber 
strike der verbündeten Arbeiter in den Mafchinenfabrifen zu Oldham, 
Birmingham se. 1851, der in 15 Moden 450000 2. St. Foflete, bie 
Widerfpenftigfeit der Kohlenbergleute zu Wigan (1853) und ber Fabrik: 
arbeiter zu Prefton 67 Moden lang, im Mai 1854 aufgegeben) nichts 
erreicht. Das Beifpiel fand auch in anderen Ländern Rahahmung, es 
erfolgte 3. B. 1845 ein ſolches Auflehnen (franz. gröve) der Zimmer: 
leute in Paris, 1845 und 1846 der Arbeiter in den Kohlenbergwerfen 
von St. Etienne. Martineau, Illusträtions, VII, Bd., vgl. Mau, 
Archiv. J. 282. — Dief. The tendence of srikes and sticks to produce 
low wages, Durh. 1834. — Edinb. Rev. 1834, CXX, 341, — Mohl 
in Rau, Archiv, IL, 178. — Faucher in Journ. de Econ. XXXI, 
113 (1852). 


(0) Berühmt ift die Anordnung diefer Art durch Leclaire, Unternehmer 
von Tündyerarbeiten in Paris, L. Blanc, Organ. du travail, ©. 263. 
3.5. v. Thünen ſicherte 1848 jeder Arhbeiterfamilie a Proc. bes 
jährlichen Mehrertrages über eine angenommene Summe des Grtrages 
feiner Landwirthſchaft nach Abzug gewiſſer Koften zu. Die Antheile 
der Arbeiter werden in die Sparcaffe gelegt, bis der Arbeiter 60 Jahre 
alt it. Sfolirtee Staat, IL, 279. — Auch wenn hiedurch die beliebige 
Entlaffung der Arbeiter nicht erfchtwert wird, fo ift doch ſchon die offene 
Rechnungsablegung unangenehm. 


— 31 — 


(d) Bei Artienunternehmungen fällt dieſer Nachtheil hinweg. 

(e) Bei manden einfachen @ewerben, die mit geringem flebenden Gapitale 
zu betreiben find, fommen ſchon feit längerer Zeit Arbeitergefellichaften 
vor. Bei anderen Bewerben aber giebt der Bells des erforderlichen 
Gapitale, die höhere gewerbliche Bildung und Einfiht des Unterneh: 
mers und die Ginheit in den Gntichliegungen und Abſichten deſſelben 
der bisherigen Art bes Betriebes große Vorzüge. Bei den Arbeiter 
gefellfchaften bilden ferner die Ent diung und eigennüßige oder un⸗ 
zwedmäßige Handlungsweiſe der gewählten Vorſteher und der Mitglieder, 
die Beränderungen in bem Abfage und folglich in der zu beichäftigenden 
Zahl von Arbeitern sc. mächtige Hindernifje eines dauernden Griolgen. 
Diefe von den Socialiften ($. 45 a.) lebhaft empfohlene Binrichtung 
jept bei den Arbeitern ein höheres Maaß von geifligen und fittlichen 
Gigenihaften voraus, als fich gegenwärtig vorfindet. Doc bleibt es 
möglih, daß diefe ‚Borbebingungen allmälig zum PVorfchein kommen. 
In Großbritanien find zuerft Hülfsvereine, dann auch foldye cooperative 
societies gegründet worden, welche die Arbeiter von einem Unternehmer 
unabhängig machen’follten. Dieß gelang in wenigen Fällen, eher bie 
Verforgung mit Unterhaltsmitteln durch Anlauf ım Großen, Speife 
anftalten und dergl. Auch in Frankreich hatten die 1848 entflandenen 
Geſellſchaften, weldhe von der Regierung mit einem Borfhuß von 
3 Mill. Sr. unterügt wurden, geringen Fortgang und löften fid 
meiftens bald wieder auf. Kür foldhe „Nflociationen” mehrere Aus: 
fagen (Lud low, St. Mill sc.) in Repert on investments for the 
savings of the middle and working classes, 1850, und St. Mill, 
HU, 241. 729 der d. Ueberf. — Ueber fe Faltati in Staatswifl. 
Zeitfchr. 1851 ©. 729 (nah Cochut). — Reybaud in Journ. des 
Econ. XXX, 209 (actenmäßige Nachrichten über bie franzöfiichen 
Arbeitervereine). — Huber, Ueber cooperative Arbeiter : Aflociationen 
in Gngland, Berlin 1852. — Edind. Rev. Ar. 189, ©. 1. — Mor- 
rison,a.a.Dd.©. 111. 


$. 203. 


Es bebarf einer Unterfuchung, wie bie Erhöhung des Loh⸗ 
ned auf die Preife der Waaren wirkt, wobei der Preis ber 
Zandederzeugniffe gegeneinander und ber Preis derſelben 
gegen Geld und ausländifche Waaren unterfchieden werben 
fann. 

Was das Erfte betrifft, fo glaubte Ricardo (a), dab 
Preisverhälmiß der in einem Lande erzeugten Güter gegen- 
einander werde durch die Erhöhung des Arbeitslohnes in ber 
Regel gar nicht verändert; denn ba zur Hervorbringung aller 
Güter Arbeit gehöre, fo trete die Urfache der Vertheurung bei 
allen zugleich ein und werde eben deßhalb unmerklich, weßhalb 
mit jedem einzelnen Gute noch fo viel andere gekauft werben 
fönnen, ald bei dem niedrigeren Stande des Lohned. Diefe 
Regel ift jedoch nur unter gewiſſen Beichränfungen richtig. Die 


— 82 — 


Lohnerhoͤhung koͤnnte naͤmlich kein Gut in demſelben Verhaͤltniß 
vertheuern, wie der Lohn zugenommen hat, weil die Koſten 
nicht allein aus Lohn beſtehen. Wenn z. B. eine Waare 50 fl. 
Arbeitslohn, 10 fl. Orundrente, 30 fl. Gewersverbienft und 
Gapitalrente und 10 fl. Ausgabe für auslaͤndiſche Zuthaten 
koftete, zufammen 100 fl., fo würde ein Steigen bed Lohnes 
um !/s den Koftenfat der Waare nur um 10 fl., d. i. um !/ıo 
des Preiſes vermehren. Die Eapitaltente wird ba, wo ber 
Arbeitslohn durchgängig fleigt, eher abnehmen als fich vers 
mehren, alfo ift eine Verringerung in biefem Beftandtheile des 
Koftenbetraged zu erwarten, 8. 202. Deßhalb koͤnnen wegen 
ber verfchiedenen Entftehungsart der Güter die Veränderungen 
ihrer Koften nicht gleichförmig gefchehen. Solche Gegenſtaͤnde, 
welche durch einfache Handarbeit zu Stande fommen, werden 
bei der Erhöhung des Lohnes am meiften vertheuert (d), die⸗ 
jenigen aber am wenigften, deren Hervorbringung hauptſaͤchlich 
dur Raturfräfte mit Huͤlfe eines beträchtlichen Capitales ge- 
fhieht, $. 136. Es kann mithin das Preisverhältniß zwifchen 
den verfchiedenen Gütern nicht daſſelbe bleiben. 


(a) 1. Gap. 2. Abſchn. der 2. Aufl. — M'Culloch, Brundf. ©. 231. — 
Die Lehrſaͤtze Ricardo's und feiner Schule über diefen PBunct find 
ſchwer verftandlich, weil der Ausdruck „hoher und niedriger Arbeitslohn“ 
im doppelten Sinne genommen wird. Ricardo verfcht unter dem 
Nealwerthe des toi die Menge von Arbeit, welche dazu verwendet 
werden muß, ben Arbeitern ihren Antheil an dem Erzeugniß zu ver: 
Schaffen. Der Lohn wird niedriger, wenn er ſtatt 25 nur 22 Broc. 
des ganzen Probuctes beträgt, mag er auch, zufolge einer flärferen 
Productivität ber Arbeit und der Gapitale, aus der doppelten Menge 
von Gütern beſtehen, Grundgeſ. ©. 36 (I, 57 fr. Ueb.). Diele unge: 

woͤhnliche Bedeutung jener Ausdrüde hat manche Mißverftändnifle vers 
anlaßt, Senior, Outline, ©. 188. Der Lohn fleigt in Ricardo's 
Sinne, wenn die Berforgung der Arbeiter mit Lebensmitteln mehr Ar: 
beit erfordert und daher die Preife der letzteren höher werben. Diefe 
Deränberung muß fih, wo das Metallgeld nicht im Inlande erzeugt 
wird und alfo nicht von den einheimifchen Koften der Arbeit abhängt, 
auch in einem höheren ®elbpreife des Lohnes ausdrüden, ©. 23 (L, 41), 
und es muß fich zeigen, daß der Geldpreis der Erzeugnifle ungeachtet 
der Lohnerhöhung derfelbe Bleibt, indem dieſe Aenterung durch die Er: 
niedrigung des Drofites (einfchließlich des Zinfes) ausgeglichen wird, 
©. 31 (L 50 fr.). Diefe Anfiht fpriht fih auh in MEullchh’s 
Auslagen vor der Parlamentscommiffton in Betreff der Mafchinenaus- 
fuhr (1825) aus. Nachdem Bradbury erflärt Hatte, ver Lohn fei 
in Frankreich nur halb fo hoch ale in England, und wenn der Spinner 
dort 3, Hier 6 P. für das Pfund erhalte, fo könne die franzöſiſche 
Fabrik das Pfund um 3 Pence wohlfeiler verkaufen, — fo bemerkte 
M' Culloch, eine reale Gehöbung des Lohnes (a real rise of wages) 
fönne den Preis der Waaren nicht merklich fleigern und der niedrigere 


— 253 — 


Lohn in Frankreich gebe den Franzoſen auf dem fremden Markte keinen 
Vorzug, ſondern erhoͤhe nur den Gewerbsgewinn, ſ. die Auszuͤge bei 
Senior, ©. 189. M'Culloch ſetzt den Realwerth des Lohnes wie 
Ricardo in die Größe des Antheils am Producte, und unterfcheibet 
ihn nur in Hinficht auf die Veränderlichkeit im Preife des Geldes von 
tem Geldwerthfe, Grundſ. S. 237. — Daß Ricardo zugleih am: 
nimmt, der Geldpreis der Güter koͤnne eben fo wenig zunehmen, als 
ge Preie berfelben unter einander, beruht auf einem anderen Grunde, 
..$. 269. 


(d) Es feien 3. 3. die Koften zweier Güter A und B folgende: 
: A B 


1) Arbeitslohn . . ». . 2. 45f. 66 f. 
2) Eapitaleente . . oo 2. 18 5 12 =: 
3) Grundente -. . . 2... 6 = 5 ⸗ 
4) Sewerbsverdient . . . .». 18: 105 
5) Verbrauchte ausländifhe Stoffe 13 = 7 : 
100 fl. 100 fl. 


Wenn nun 1) um %/s fleigt, 2) fih um 1/, vermindert, fo foftet A 113, 
B aber 120%3 fl., B ift aljo gegen A um 7% fl.. oder 6%, Procent 
theurer geworden. Diefe Ausnahme hat Ricardo ſelbſt anerfannt 
und erläutert, namentlich für Bälle, wo das Berhältniß des umlaufen 
ten zum ftehenden Gapitale verjchieden if. Gr zeigt, daß bei einer 
Lohnerhöhung duch die Anwendung von Maſchinen eher eine Preis: 
erniedrigung, und zwar fowohl des xelativen als des abjoluten Preifes 
vorgehen kann, ©. 34 (I, 53). 


$. 204. 


Auch abgejehen von diefem Umftande würde Ricardo's 
Regel voraudfegen, daß 1) der Lohn fämmtlicdyer Zweige ber 
Arbeit in gleichem Verhältnifje zunchme, was jedody nicht leicht 
gefchieht, weil dad Mitwerben bei denfelben auf längere Zeit 
erhebliche Verfehiedenheiten zu Wege bringt; 2) daß Zinsrente 
und Bewerbögewinn in allen Arten der Gewerbe im leichs 
gewicht ftehen, alfo überall zugleich abnehmen oder unverändert 
bleiben; 3) daß fich Feine anderen Umftände einmifchen, aus 
denen häufig eine Abweichung der Preife von ven Koften her 
vorgehet, $. 160. 161. Indeß muß man einräumen, daß das 
Steigen bed Lohnes die Preiſe der Güter untereinander nicht 
um den ganzen Betrag diefer Erhöhung des Lohnes vertheuern 
und nicht beträchtlich von einander entfernen kann. 


$. 205. 
Der Preis der Landeserzeugniſſe gegen Geld und auslaͤndiſche 
Waaren ($. 202) würde, woferne feine anderen Urfachen ent 
gegen wirkten, allerding& um foviel erhöht werben, als bie Lohn⸗ 


— 254 — 


Ausgabe des Unternehmers bei jeder Waare angewachſen iſt. 
Dieß würde den Ausländern den Ankauf der inlaͤndiſchen Pro⸗ 
ducte erſchweren und fo den Abſatß berfelben verringem. Mit 
ber Ausfuhr müßte auch bie Einfuhr fremder Baaren abnehmen 
ober gänzlich aufhören, und die Unterbredhung bed auswärtigen 
Verkehrs würde die Folge haben, daß die Güterquellen auf eine 
weniger vortheilhafte Art angewendet würden, bag alfo die Her⸗ 
vorbringung fowohl ald der Gütergenuß fich verminderten. Die 
Beforgniß folcher Folgen iſt jedoch unbegründet. Bei den Hort - 
fohritten ded Wohlſtandes und der Gewerböfunft fehlt ed nicht 
an Erfindungen, welche eine Erfparung an ber zur Hervorbrin- 
gung erforderlichen Arbeit bewirken, fo daß ungeachtet der für 
die arbeitende Claſſe hoͤchſt wohlthätigen Erhöhung bed Lohnes 
doch die Preife yieler Güter nicht blos nicht größer, fondern ſelbſt 
niedriger werden. Es muß in jedem Lande immer Güter geben, 
bie mit fo geringen Koften erzeugt werben fönnen, daß fie zum 
Berfaufe ind Ausland geeignet find, nur werben es in verſchie⸗ 
denen Zeiten nicht immer biefelben Gegenftänbe fein. (a). 

(a) Bel. Smith I, 135. 


Zweite Abtheilung. 
Die Örundrante. 


$. 206, 


Die Benugung von Grundftüden zu einer Art des Erwerbes 
giebt bei günftiger Befchaffenheit derfelben einen Ertrag, ber bie 
angewendeten Koften beträdytlicy überfteigt (a). Wird Land ans 
gebaut, welches noch herrenlos oder Gemeingut ift, fo fällt der 
Meberfchuß des Ertrages als eine Frucht der im Boden wirken⸗ 
den oder früher wirkfam geweſenen Naturfräfte (8. 121) denjenigen 
zu, ber die Benugung vornimmt. ‚Sobald aber bei der Zunahme 
der Volfdmenge und der Entftehung fefter Wohnftge Grundftüde 
in dad Eigenthum Einzelner übergegangen find (5), wird jener 
Bortheil audfchließend von dem Eigenthümer bezogen, mag nun 
biefer die Grundftüde felbft zur Betreibung.eined Gewerbed anwen⸗ 
den, oder fie einem Anderen gegen eine jährliche Abgabe überlaflen 


_— 1355 — 


(verpadten). Hiedurch erhält die Bodenbenutzung einen 
Preis. Dieß findet befonderd dann häufig Statt, wenn bie 
Erzeugnifle des Bodens nicht blos für die Bebürfnifie des Ans 
bauers, fondern aud zum Verkaufe gebraucht werden, fo daß 
fie regelmäßig in den Berfehr kommen, was bei der anfangenden 
Arbeitötheilung, wenn nur noch ein Theil der Menfchen fich mit 
ber Gewinnung roher Stoffe abgiebt, in jedem Lande ziemlid) 
bald erfolgt. Ein foldye Anwendung von Grundſtücken ale 
Ermwerbömittel und Duelle einer fortdauernden @innahme kommt 
nicht allein bei dem Lands (Pflanzens) und Bergbau, ſondern 
auch bei anderen Zweigen der Hervorbringung ($. 120.) und 
felbft bei perfönlichen Dienſten vor (e). 


(c) Weideland Tann ohne alle Arbeir, Waldgrund mit fehr geringer eimen 
folgen Ertrag geben, daß auch bei aller Berfchiedenheit der Meinungen 
über den Werth der Dinge das Dajein eines ſolchen Werthsüberjchuffes 
außer Zweifel ft. 

(5) Ob die von Eäfar (De bello Gallioo, IV. c. 1. VL co. 22) geſchil⸗ 
berte und aud von Tacitus (German. c. 26.) angedeutete jährliche 
neue Vertheilung des Baulandes zu jener Zeit wirklich habe beftchen 
können, iſt ſtreitig, Diejelbe wird aber durch Spuren ähnlicher Cimich⸗ 
tungen, felbft noch in unjerer Zeit, eher glaublid. Auf dem Hundes 
rüd, in den KRreifen Merzig, Ottweiler und Saarlouis fommt es in 
vielen Gemeinden vor, daß jährlih ein Theil der Flur durch das Loos 
vertheilt wird, aber nicht gleichheitlid, ſondern nad beflimmten Berech⸗ 
tigungsverhältniffen; Schwerz in Mögl. Ann., XXVI, 29. (1831), 
Gleiches beftand noch zu Anfang bes jepigen Sahrhunderts im Yürften- 
thbum Lowicz, ferner bei den nogaiſchen Tataren und in Peru bei ber 
Ankunft der Europäer, wo nur der Kleinere Theil des Landes für Kirche 
und Yürften occupirt war, der größere jährlich neu vertheilt wurde. 
Jones, Distribut of wealth, ©. 7 nah Mobertjon. Java if 
nad dem alten Herfommen (Hadhat) dad Land Gemeindegut (nad 
Temminf, Coup. d’oeil gön. sur les possessions Nöerlandaises dans 
l’Inde, (1846), ebenfo in Hußland, wo jeder Kopf der männlichen Cin⸗ 
wohner gleichen Aniprucd hat und das Land in der Gemeinde von Zeit 
zu Zeit neu nad den Yeuerftellen (Tieglo) vertheilt wird, von Hart; 

aujen, Studien über die inneren Zuftände Rußlanıs, 1847, I, 124. 

egoborsky, Etudes sur les forces product. de la Russie I, 329. — 
Achnliches in Böhmen, Landau, Die Territorien, 1854, ©. 69. — 
Auch in der abgelegenen waldigen Berggegend Morvan im fr. Dep. 
Nievre gab es bis 1789 Gemeinden ohne abgelheiltes Sondereigen> 
thum, Dupin in Söances et trav. de l’aoad. des sc. mor. et pol. 
Janv. 1853. Daher nehmen neuere Yorfcher an, daß das Sondereigen- 
thum erft -aus der Zerfplitterung des Bemeinlandes entflanden fei. — 
Bol. Anton, Geld. der deutſchen Landw., I, 68. — v. Löw, Bei 
der deutſchen Reiche: und Terzitorialverfafl., ©. 7. — Beynier, De 
Y’&conomie publ. et rur. des Üeltes. des Germains etc. ©. 382. — 
Schön, N. Untef. ©. 207. — Rofcher in Rau und Hanffen, 
Archiv. NR. F. IU, 165. — v. Maurer, Binleitung zur Geſchichte 
der Mark Berfaflung, 1854, ©. 93. — Gegen bie Annahme einer 
meinfhaft in Deutichland Landau, a. a. D. ©. 64. 


— 2136 — 


(e) Bleich⸗, Troden:, Arbeits⸗, Aufbewahrungspi B. für Holz, — 
Hofräume,, — Wafferkräfte, — Baupläge, ahnen. — Belufti: 
gungepläße u. dergl. Der See Frefphond bei Bofton, 200 Ar. groß, 
Free einen anfehnlihen Reinertrag, weil aus ihm fehr reines, durch⸗ 
Rhtigee Eis gewonnen wird, wel es man weit verfendet, bis nad 

ndien. 


6. 207. 


Das Einkommen, welches dem Eigenthümer von Grunbflüden 
als ſolchem zufließt, auch wenn er die Benugung nicht felbft 
vornimmt, ift die Grund⸗, Lands ober Boden-Rente, Jand- 
rent, fermage, loyer des terres (a). Wo bie Beitanbtheile 
bes vollen Eigenthumsrechts unter mehrere Perfonen vertheilt find, 
fo daß der Befiter ded Grundſtücks nur ein beichränftes, oder 
ein fogenannted Nutzeigenthum, oder nur ein erbliched Nutz⸗ 
nießungsredht bat und einem Guts⸗, Zehntheren ꝛc. einen Theil 
bes Reinertragd abgeben muß, da ift die Orundrente des 
Beſitzers von ber Gefällrente anderer Berechtigter zu unters 
ſcheiden und beide zufammen bilden die volle Grundrente. In 
ben folgenden Lehrfägen ift immer die volle ungetheilte Grund⸗ 
rente voraudgejegt worden. Diefe erfcheint dann ald ein leicht 
kenntliches, ausgeſchiedenes Einfommen, wenn ber Eigenthümer 
die Benugung feines Landes einem Anderen gegen eine verab- 
redete Entrichtung überläßt, welche man die ausbedungene 
oder Bachtrente nennen kann. Wenn aber der Eigenthümer 
feine Grundſtuͤcke als Unternehmer eined Gewerbes felbft benugt, 
fo ift die Grundrente in dem Ueberſchuſſe enthalten, der nach Bes 
ftreitung aller Betrieböfoften in feinen Händen zurücdbleibt. Diefe 
natürlihe, empfundene, übrigbleibende Grund- 
tente (5b) iſt bei den fünftlicheren Benugungen ded Bodens mit 
dem Zind ded von dem Eigenthümer angewendeten Capitales 
und mit dem Gewerböverbienft deſſelben vermifcht und muß erft 
in Gedanken von diefen anderen Antheilen gefchieden werben, 
$. 208. Sie wird geihäßt a) nad) dein Gebrauchöwerthe ber 
Erzeugniffe, wenn diefe blos für die eigene Wirthichaft des 
Grunbeignerd gebaut werben (c), b) nad dem Berfehröwerthe 
und Preiſe derfelben, wenn der Anbau des Bodens zum Theile 
des Abſatzes willen unternommen wird. 


(a) Die Lehre von der Grundrente iR neuerlich am ausführlichften bearbeitet 
worden von Jones, a. a. O., im ganzen 1. Bande. Sehr Iehrreich 


— 267 — 


iſt das tief durchdachte Buch: J. H. v. Thünen, Der iſolirte Staat. 
Hamburg, 1826. 2. A. Roſtock, 1842. — J. ©. Hofmann, Ueber 
die wahre Natur und Beflimmung der Renten aus Boden: und Gapitals 
Eigentyum. Berlin 1837. — Neuere Unterfuhungen bei Carey, The 
past, the present and the future. Philadelphia 1848, und von verſchie⸗ 
denen Schriftftellern im Journal des Eeonomistes, 3. 1851—53, nament- 
lid Bastiat, Fontenay, Cherbulies. — Passy in Dictionn. de 
l’&con. pol. II, 509. — Diefer Gegenfland hat fchon wegen der auf 
die Grundrente gelegten Steuer, der ergiebigften unter allen, eine große 
praftifche Wichtigkeit. 


(6) Die natürliche Grundrente if von Barifot in der franzöfifchen Ueber 
feßung von I. Mill's Werk (S. 15. 16.) durch ten Ausdrud loyer 
des terres von ber bebungenen, fermage, unterfchieden worden. 


(e) ine Bergleihung des Ertrages mit den Koften nach dem Gebrauchs⸗ 

werthe ift leicht, weil die Landwirthfchaft gerade ſolche Stoffe liefert, 
wie fie zum Unterhalte der Arbeiter bei eintacher Lebensweife erfordert 
werden, weil alfo beide zu vergleichende Sütermengen gleichartig find; 
man wird 3. B. gewahr, 9 eine gewiſſe Strecke Landes mehr Ge⸗ 
treide, Fleiſch, Holz, Haͤute, Wolle, Oel und dergl. giebt, als die mit 
dem Anbau beſchaͤftigten Arbeiter verzehren. Bgl. Sismondi, Nour. 
pr. L, 281. 


$. 208. 


Die Grundrente muß von anderen Einkünften, mit denen fie 
in Berbindung ftehen kann, forgfältig unterfchieden werden. Eine 
Unternehmung, bei weldyer ein Grundftüd als Hülfdmittel mit: 
wirft, liefert 1) einen gewiſſen Rohertrag, ber ſich bei ver 
häufigften Art der Bodenbenugung, der Erdarbeit, nad) der Dienge 
und den Preifen der Erzeugnifie ded Bodens, alfo nach dem 
Erlöfe bemißt. 2) Hiervon werden die zur Erzielung ded Roh⸗ 
ertrages nöthigen Verzehrungen und Ausgaben abgezogen, unter 
denen ſich auch der Gewerböverdienft ded Unternehmers, nadı 
dem üblichen mittleren Sage befinden muß. 3) “Der übrig» 
bleibende reine Ertrag befteht bei dem felbft wirthichaftenden 
Grundeigenthümer in manchen Yällen ganz oder faft ganz 
aud Grundrente (a), in anderen aber fhließt er zugleidy die 
Rente des angewendeten Gapitaled (5) und einen reinen Ge⸗ 
werbögewinn in fi) (ec). Nachſtehende Erwägungen dienen bazu, 
die genannten drei Beftandtheile des reinen Ertrages herauszu⸗ 
finden. a) Der im Reinertrage enthaltene Capitalzins ift in 
jedem Lande nad) dem gewöhnlichen Sage leicht anzufchlagen. 
b) Es fann angenommen werden, baß die ausbedungene Grund⸗ 
rente, wie fie fich in Folge des Mitwerbend vertragsmäßig fefts 
ftellt, der natürlichen ungefähr gleich fei, weßhalb man fich ber 

Rau, polit. Dekon. 1. 7. Ausg. 17 


— 233 — 


Pachtzinſe bei jener Zerlegung Bed Reinertrage® bebienen kann. 
.c) Da die Grundrente ihrem Begriffe nad) lediglich aus dem 
Eigenthume entfpringt, ohne eine befondere Mitwirkung des Eigen⸗ 
thuͤmers zu erfordern, ſo darf eine von diefem burdy vorzügliche 
Betriebfamfeit zu Wege gebrachte Steigerung des Reinertrages, 
bie nicht an die bleibende Beſchaffenheit des Grundftüdes ge- 
-Mmüpft, alfo nur vorübergehend ift, nicht als Grundrente ange: 
fehen werden, vielmehr gehört zu dieſer nur der Theil des Rein⸗ 
ertraged, welcher aus der in einer gewiflen Gegend gewöhnlichen 
Behandlungsweile ded Bodens entfpringt und folglid jedem 
Eigenthümer zu Theil werben kann. 
(a) Bei verpachteten Grundſtuͤcken findet Eeine natürliche Rente Statt. 
(6) Der Gapitalzins if für den Unternehmer als ſolchen zwar ein Theil 
des Koftenaufiwandes, für den Capitaliſten aber offenbar reines Gin: 
fommen, und da bier unterfucht wird, welche Perſonen überhaupt an 


. dem Ueberfchufle einer Bodenbenugung Theil haben, fo muß in dieſer 
Hinfiht der Zins zu dem reinen Ertrage gezählt werben. 


(e) Bei Waldungen fommt feine Verpachtung, alfo nur eine natürlide 
Grundrente vor. Die Bewirtbihaftung eines Waldes erfordert jo wenig 
Capital und elle des Unternehmers, daß man ben Meinertrag 
ohne merklichen Fehler völlig als Grundrente anfehen fann, zumal 
wenn das Hol; auf dem Stamme- verfauft wird. o verhält es ſich 
auch mit Wielen, wenn ber Gigenthümer das Repende Gras verkauft 
und bergl. Die Benugang mander Grundſtücke beſteht nur in einem 
oft wiederholten Vermiethen auf Eurze Zeit, im Ganzen oder theilweiie, 
3. D. bei einem Bleichplatze, und geht fo zur Berpacdhtung über. 


8. 209, 


Werden mit einem Grundftüde zugleid) Gebäude oder auch 
bewegliche Geräthe und Vieh vermiethet, jo begreift die ganze 
Vergütung neben der Grundrente auch den Miethzind diefer 
Gegenftände in fih. Man fann in foldyen Fällen die ganze 
entrichtete Oütermenge durch den Ausdruck Pachtzins von ber 
bloßen Grundrente unterjcheiden (a). Wird aber bei Grund⸗ 
verbefferungen (Meliorationen) nur die nugbare Beichaffenheit 
des Grundftüdes erhöht, jo ift die hieraus entjpringende Ders 
mebrung des Ertrages ein unzertrennlicher und nicht mehr zu 
unterfcheidender Beftandtheil der Grundrente, wenn fie gleich die 
Wirkung eined angewendeten Capitales bildet, $. 5l. 129 (d). 


(a) Ricardo, Grundgel. S. 40. 170. (I, 63. 285 fr.). 


(6) Das Capital iR dann als folches nicht mehr vorhanden, und eine ab» 
gelonderte Benutzung bdeffelben nicht möglich, während bei Gebäuden 
das Gegentheil Hattfinset. Ricardo will unter der Grundrente aux 


— Hu — 


d ütung für die Be un der urfp ihen und u 
BR virflanden wi n unb ſchlie a erfetben die — 
für die bereits in einem Grundſtuͤck vorhandenen nutzbaren Gegenſtaͤnde, 


. B. haubareg Holz, Steinkohlen 5. aus (vgl. $. 121). Bei dief 
Derengerung eis — eigentlich u rundrente von 
Bergwerten, Steinbrüden, Thongsuben ıc. denkbar. Dagegen Smith, 
I, Zn und Sau 2 Ricardo, I, 66. Auch räumt Ricardo wer 
nigftens ein, daß dasjenige, was bei Meliorationen noch neben der 
eigentlichen Grundrente gegeben wird, genau mit biefes verbunden if 
und bdenfelben Geſeten unterliegt, ©. 279 (IL, 47). — Die Brunds 


ente muß ihrem Begriffe na nicht gerade jährlich von gleicher Groͤße 
fein, wie fie denn 3. DB. bei Waldungen veränderlich fein und bei einem 
erichöpften Torflager ftark abnehmen kann. 


$. 210. 


Die Orundrente läßt fi von zwei Seiten betrachten. Fuͤr 
ben einzelnen Landwirth, der entweder Pachtrente bezahlen, 
ober mit einem Aufwande von Capital die Grundftüde an fich 
bringen und auf ben Zins verzichten muß, ben er durch Aus⸗ 
leihen beziehen Fönnte, ift bie beftehende Grundrente ein Theil 
der Erzeugungsfoften, der nur leichter ald andere Beftanptheile 
derfelben durch Außere Umftände verändert wird. Wenn man 
aber bie Hervorbringung toher Stoffe im Allgemeinen aus 
dem Standpuncte der gefammten Volkswirthſchaft betrachtet, fo 
it fowohl die Grundrente ald die Gapitaltente von denjenigen 
Ausgaben, weldye ſich auf eine der Hervorbringung willen noth⸗ 
wendige Verzehrung beziehen ($. 164), zu unterfcheiden. Beide 
find zwar unvermeidliche Ausgaben des Unternehmers, aber nicht 
Erfag einer Eonfumtion, fondern Entrichtungen an Andere für 
die geftattete Benupung ihrer Güterquellen, alfo bilden fie in 
der ganzen Volkswirthſchaft ein reined Einfommen. 


6. 211. 

Die meiften Grundflüde eine® Landes werben zur Erbarbeit 
benugt, aus ber deßhalb ber größte Theil der Grundrente fließt. 
Daher find die Urfachen, welche dem Grunbeigenthümer einen 
gewiflen Antheil an dem Reinertrage einer Unternehmung vers 
ſchaffen, vorzüglid bei ber Erbarbeit zu erforfchen, ıporaus dann 
auch auf die Berhältniffe bei anderen Verwendungen bed Bodens 
gefchloflen werben kann. Die Orunbrente, welche von Land zu 
Sand, ja von Ort zu Ort fehr ungleich fein, und bisweilen 


eine anſehnliche Höhe ersihm kann, rührt von einem Meber 
17° 


— 20 — 

ſchuſſe des Erlöfes über die Koften her (8. 210), und ift folglich 
eine Ausnahme der ‚Regel, daß die Preife der Dinge den Koften 
nahe kommen. Wo die Mitwirkung des Bodens zu einem Ge- 
werbözweige und folglich der Koftenaufwand bei verfchiedenen 
Grunpftüden ungleich ift, da Fann bei einerlei Preis der Er; 
zeugniffe der Reinertrag der Unternehmung nicht von berfelben 
Größe fein. Dagegen findet bei foldyen Bewerben, die mit Hülfe 
eined Gapitaled überall ausgeübt werden fönnen, wie die Ge⸗ 
werfe, eine fo große Koftenverfchiedenheit nicht Statt, und wenn 
au in der einen Gegend die Preife der Arbeit und der Roh⸗ 
ftoffe niedriger find, al8 anderöwo, fo ift doc) zwifchen mehreren 
Unternehmern, die fi ſaͤmmtlich in gleich vortheilhaften Um⸗ 
ſtaͤnden befinden, dad Mitwerben gewöhnlich mächtig genug, um 
die Preife dem Koftenfage nahe zu bringen. Da der Beiftand, 
den Grunpftüde von einer gewifien Befchaffenheit zur Her- 
vorbringung leiften, fi nur an beſtimmten Stellen und in einem 
befchräntten Maaße äußert, fo liegt ed in der Natur der Sache, 
daß da, wo aus der Benugung von Grundftüden ein größerer 
Meberfhuß entfpringt, derſelbe größtentheild dem Grundeigen- 
thümer als Grundrente zufließt (a). Die Verſchiedenheit in den 
Koften bei mehreren Grundftäden fann von folgenden Urfachen 
herrühren: 1) Befchaffenheit der Grundſtücke, 2) Lage berfelben, 
3) Betrag ded Lohne, 4) Betriebsart. 


(a) Daher betrachtet Senior, Outline, ©. 172, die Grundrente als bie 
Folge einer Art von Monopol. 


8. 212. 


1) Die Befhaffenheit der Grundftüde hat auf ven Er- 
trag berfelben ftarfen Einfluß. Beachtet mar insbefondere den 
Landbau, fo wird auf fruchtbarem Lande ein größerer Rohertrag 
mit verhältnigmäßig geringeren Koften gewonnen, fo daß ein 
Centner, Scheffel ꝛc. wohlfeiler zu ftehen fommt als auf minder 
fruchtbarem Boden (a). Dedt der Preis die Koften der Erzeu- 
gung auf dem Iegteren, fo wirft der Anbau des befferen Landes 
einen Reinertrag (8.164), alfo eine Grundrente ab (5), und dieſe 
Wirkung ber verſchiedenen Güte der Grundftüde zeigt ſich in 
gleicher Weife, wenn die ergiebigeren Ländereien erft fpäter in 
Anbau kommen, woferne nur dad Erzeugniß nicht fo groß ift 


! 


— 261 — 


daß ed den Preis erniedrigt (c). Neben ben eigentlichen Ges 
winnungsfoften fommen aud die mit der Bodenbenußung vers 
fnüpften Verluſte und Gefahren, 3. B. von Ueberſchwemmungen, 
fowie die Koften der dagegen angewendeten Scyugmittel in Ber 
tracht. Die ungleiche Ergiebigkeit rührt theild von natürlichen 
Umftänden her, wohin vorzüglich die Zufammenfegung ber oberen 
Erdſchicht (Krume) aus mineralifhen Stoffen und organifchen 
Reſten (d), die Tiefe derfelben, die Beichaffenheit des Unter: 
grundes, die Trodenheit oder Feuchtigkeit, die ebene oder abhäns 
gige Lage, das örtliche Klima (e) und dergl. gehören, — theils 
von ber angewendeten Kunft, z. B. Trodenlegung, Entfernung 
von Gefträuchen und Steinen, Ausfülung von Vertiefungen, 
Anlegung von Waflergräben, Stügmauern und vergl. ($. 209.), 
und die fo entflandene höhere Ertragsfähigfeit wirft ebenfo auf 
bie Örundrente, wie die ungleiche Raturbefchaffenheit. Aeußert fich 
die Güte des Landes nicht in ber größeren Menge, fonbern in 
ber merthvolleren Art oder Beichaffenheit der Erzeugnifle, fo 
müffen biefe wenigftend einen folchen Preis erlangen, ver die 
Berwendung der Grundftüde zu ihrer Hervorbringung belohnt. 


(a) Die if ein allgemein angenommener Erfahrungsſatz. „Mit der Abs 
nahme des Bruttoertrages von einer beftimmten Flaͤche fleigen die Be⸗ 
ſtellungskoſten im Verhaͤltniß zum Bruttoertrage,“ Blod, Beiträge 
zur Landgüter- Schägungskunde, S. 30 (1840). Bahlenbelege finden 
fih in den zahlreihen Schriften über Iandwirthichaftliche Abſchaͤtzungen. 

Beifpiele: 

1) Nah v. Thünen (Der ifolirte Staat, ©. 33) verſchwindet die 
Zandrente. d. h. der Srlös deckt gerade die Koften, wenn ber preuß. 
Scheffel Roggen gilt 0,17 . 0,90 „ 0,855 „ 1,58 „ 2,068 Thlr. 
und die Ausfaat ... 10. 8. 6. 5. 41/5 fältig 
geerntet wird. Den Thaler Gold (1/5 Friedrichſsd'or) zu 1 fl. 55 fr. 
gelebt, käme bienacd der Bentner Roggen von dem beften Lande auf 
0,% fl., von dem ſchlechteſten auf 4,° fl. zu iehen. 2) Blod (a.a.D. 
©. 34) fept in den Bobdenclaflen Isa, VIa und Xb in Roggenwerth 
auf I pr. Morgen ben Rohertrag auf 10 — 4 und 1/s Scheff., den 
Reinertrag auf 4—5, 1,1%-1,5*, und 0,10,15 Scheff. oder 40—50, 
28—38, und 20—30 Proc. des rohen. 3) Nah v. Flotow (Ueber 
die Abſchaͤtzung der Srundflüde, S. 50) wird der Bentner Roggen auf 
Boden der erfien Claſſe für 1 fl. 30 fr., der vierten und fünften @lafle 
für 2 fl. 8 ie, — der zehnten Glaffe für 2 fl. 50 Fr. erzeugt. 
4) KRleemann (Enofl. S. 363) nimmt an, daß der Meinertrag von 
38 bis auf 8 Proc. des rohen berabfinfe, während diefer je nach der 
Bodengüte von 15 bis auf 5 Scheffel Roggenwerth in preuß. Maaßen 
herabgeht. 

Schon innerhalb eines Fleineren Landes zeigen ſich erhebliche Ders 
fhiedenheiten im Rohertrage. In den 41 einzelnen Arrondiſſements 
von Belgien ift nach der amtlihen Statiſtik der mittlere Ertrag des 


(2) 


(J 


(@) 


— 23162 — 


Heltard Waizen 10--21,6, ded Roggens 13,224, der Kartoffeln 
136—260 Heftol. (1 Hektol. vom Heltar = —— Sihefi r. Mg.). 
In den engl. Grafſchaften ſoll det Waizenertrag des 16 (Durham) 
Bis 33 Buſch. (Derby) fein, Caird, S. 480. Dieß macht auf den 
preuß. Morg. 6%Ys—13%, Schef. In Frankreich wird der Walzen: 
ertrag der einzelnen Rrrondiffements zwifchen 22,31 Heftol. (X. Lille im 
Nord⸗Dep.) ımd 7,% (A. Gourdon, Dep. Lot) angegeben, alſo zwiſchen 
10,3 und 3 preuß. Scheff. pr. M. (Statist. agrio, vermuthlich zu niedrig.) 


Die von Ricardo amsgebildete Lehre von der Grundrente ſtutzt ſich 
ganz auf diefe verfchiedene Ergiebigkeit der Grundſtuͤcke. Diele Anficht 
wurde zuerſt ausgeſprochen von Anderson, An ikquiry into the nature 
of the cornlaws. Edinb, 1777 (R’Eullodh au Smith, ©. 453), 
fodann von Malthus, Inquiry into the nature and progress of rent. 
Lond. 1815, nnd gleichzeitig von Käw. West, An essay on the ap- 
plication of capital to land. Oxford, 1815. — Nah Ricardo (Prin- 
ciples, Gap. 2) ift diefelbe befonders von. MilT (Elömens, S. 15— 31) 
md M’Eullod (Brundfäge, S. 211 ff.) eifrig verfolgt, von Anderen 
jedoch befämpft worden, 3. B. de Sismondi, Nour. princ. I, 275. — 
Quarterlv Review, Oct. 1827. LXXU, 304. — Jones, a. a. D. — 
Banfield, Four leotares, ©. 49, vol. $. 207 (a). — Barey, 
ſ. (). — Baſtiat, |. $. 215 (6), Wirth (1856) u. a. 


Ricardo nimmt zwar an, das fruchtbarere "Land werde zuerfi anges 
baut und das minder ergiebige fpäter flufenweife hinzugezogen, allein 
diefe Reihenfolge iſt nicht die einzige mögliche. Garen (The past etc. 
©. 9 ff. und Journ. des Econ. IL, 128 der 2. Serie) Sucht darıuthun, 
daß das humusreiche Niederungsland in Thälern und Ebenen ſchwierig 
su entwäflern War, und man deßhalb anfangs das weniger fruchtbare 
aber trodnere Land an den Anhöhen gebaut hat und erft bei vers 
mehrtein Capital und flärferer Bevölterung an bie Teddenlegung jener 
niedrigeren Flaͤchen ging, die nun fogleih eine höhere Rente trugen 
ale die Höher gelegen. Dieb wird an zahlreichen Beiſpielen aus 
Nordamerica nachgewieſen, während man auch fehr viele Beiſpiele des 
wıngefehrten Ganges aufzeigen Tann. Die von Garen angeführten 
Thatfachen beweifen nichts gegen den obigen Hauptgebaufen, weil in 
ſolchen Faͤllen die Entfiehung der Rente aus ber Bodenverichiedenheit 
ebenfalls einleuchtend if. 


Deutiche Landwirthe Haben in neuerer Zeit Berehmungen über die Aus: 
faugung des Bodens durch die Ernten und über den Erfag durch Duͤn⸗ 
ung ⁊c. angeftellt. Die hierauf ſich beziehenden Erfahrungsſaͤte und 
Berechnungen hat man mit dem Namen Statil des Landbaues 
bezeichnet. Ungeachtet der Verdienſte, welche ſich nah A. Thaer's 
Anregung v. Wulffen, v. Thänen und v. Vogt in biefem Ge: 
genftanbe erworben haben, muß man doch zugeftehen, daß die bisherige 

tatik, da fie lediglich auf die Ab- umd Zunahme des Vorraths von 
Humus (Moder) gegründet war, dem neueften Stände der Kenntniſſe 
über die Cinwirküng des Bodens auf die Gewaͤchſe nicht mehr ent: 
fpriht und daher einer Umarbeitung bedarf, welche den Einfluß ber 
mineralifhen Bodenbeftandfheile nah Sprengel’s und Liebig's 
Forfchungen zu berüdfichtigen hat. Doch bleibt gewiß, daß innerhalb 
gewifier Graͤnzen die Fruchtbarkeit vorzüglich von dem Borrathe an 
orgariifchen Reften, an Ralf, Kali, Bhosphorfäure und anderen Etoffen 
bedingt wird, Daneben ift auch das Verhältniß veiihen Humus, Thon 
und Sand fhon der MWafleranziehung willen von Wichtigkeit, weil weder 


der hoͤchſte noch der ntebriafte, fondern ein gewifler mittlerer Grad der⸗ 


felben der günftigfte if. Zoudon -(Encyklop. der Landw. 1,438) giebt 


— 263 — 


- eine Reihenfolge von 6 Bodenarten, deren Werth und Preis genau 
in bderfelben Abſtufung ſteht, wie bie Waflereinfaugung, die mit der 
waflerhaltenden Kraft zufammenhängt. Merkwuͤrdig ift, daß newerlich 
die Landwirthe den Werth des fandigen Bodens im Verhaͤltniß zu dem 
thonigen betraͤchtlich höher ſchaͤtzen als früher, weil fe jenen beffer zu 
benugen gelernt haben. Belege 3. B. bei Porter, Progress, ©. 154. 
Die neuefte Bearbeitung der Statif haben &. 2. Hlubef 1841 und 
v. Bulffen 1847 (v. Lengerfe, Annal. X, 93) geliefert. 


(e) Die erwähnte fähfiihe Geſchäftsanweiſung giebt in der Vorausſetzung, 
bag das Klima Tolcher Orte, die in Beiner großen Entfernung von eins 
ander ſtehen, vorzüglich nad) Der Höhe über dem Meere verſchieden iR, 
Ertragsfäge für die Stufen von 500—24100 Fuß, 3. 2. 

in der erſten Bobendafle in der elften Bobenclafle 
um — — 
Hoͤhe roh rein roh rein 
500° 170 Metz. 88 M. — 51,8 Proc. 12,2 M. 55M —42 Proc. 
800‘ 159 18 49 12,? 4,9 39,5 

160° — — — 12 4, 34 

24000 — — — Au, 2,2 26 

Eine Mepe auf den ſächfiſchen Acker ift ſoviel als 0,9 Meben (16 im 

Sceffel) auf den preuß. M. oder 0,3 Sefter (10 im Walter) auf den 

badifhen Morgen. 


$. 213. 


2) Au die Lage hat auf die Koften der Bobenerzeugnifie 
Einfluß, und zwar fowohl bie Lage der einzelnen Ländereien 
gegen bie Wirthfchaftögebäude (a), als die Entfernung berfelden 
vom Marftorte (5). Da man von einem Brundftüde nicht eine 
beliebig große, ſondern nur eine gewiſſe, durch Klima, Boden 
und Ratur jedes Gewaͤchſes bedingte Menge von Rohftoffen 
erzielen kann (c), fo macht ein großer Begehr von Bodenerzeugs 
niffen den Anbau einer Menge weit umberliegender Laͤndereien 
notbavendig, und ber Preid muß fo body fleigen, daß er nody 
die Bau⸗ und Krachtfoften von den entfernteften Grundftüden 
vergütet, die zur Verforgung de Marktes zu Hüffe genommen 
werden müflen (d). Dieß hat dann die Folge, daß bie näher 
liegenden Grundftüde, bei denen weniger ſolche Koften vorkom⸗ 
men, einen Gewinn abmwerfen, ber den Eigenthümern als Rente 
zufält. Wären and) alle Kändereien von gleicher Ergiebigkeit, 
fo würde doch fchon aus der bloßen Verfchiedenheit der Lage 
eine Rente entfpringen, fo wie auch blos der Rage willen Grund: 
ftüde, die zu Fabrikanlagen oder Wohngebäuden gefucht werden, 
einen hohen Preis und eine hohe Rente erhalten fünnen. 


(a) v. Thünen, S. 58 und Blod, Mittheil. III, 380. Binige Koften 
der Bewirtbichaftung, 3. B. die Wartung des Biches, find von ber 


— 264 — 


Entfernung der Grundftuͤcke ganz unabhängig, Ernte⸗ und Düngerfuhren 

, werden dagegen am meiften von ihr bedingt. Nach der ſaͤchſ. Geſchaͤfts⸗ 
anmweifung werden bei 250 Ruthen (3555 bad. Yußen) Gntiernung 
die Koften 10 Proc., bei 500 R. 20 Proc.’ höher angenommen. — In 
Rußland wie in Ungarn findet man hie und da große Dörfer mit fehr 
weiten Keldmarfungen, wobei die Felder bisweilen 1%/s bis 2 Meilen 
entiernt find, Tegoborski, Etudes, I, 336 


(6) Nah v. Thünen ©. 13 find bie Verfendungskoften von 24 Centnern 
.X 


199, . 
Setreide x Meilen weit — —— Thlr., alſo z. B. bei 10 Meilen 


10,2 Thlr. oder 1 fl. 7 kr. auf den Centner. Die Fracht auf Land⸗ 
fragen beträgt in Deutfchland gegen 3 fr. auf den Gentner und bie 
Meile, in Rußland 2,° kr. (1 Kopek für 10 Werfle und 1 Bub), 
Tegoborski, IL, 372. 


() 8. B. in Deutihland vom preuß. Morgen nit wohl über 16 Scheffel 
(13,8 Gtr. Waizen oder 12,° Gtr. Roggen). 


(d) Stord, I, 242. 


$. 214. 


Es laſſen ſich mehrere Umftände angeben, welche den Ein- 
fluß der Lage auf die Grundrente verftärfen. a) Das Beifammen- 
wohnen einer großen Menfchenmenge auf engem Raume, fo daß 
man aus beträcdhtlicher Entfernung Lebensmittel beiführen muß. 
Orundftüde in der Nähe großer Städte tragen daher eine ans 
ſehnliche Rente (a), dagegen fiele dieſe Beranlaffung der Rente 
beinahe ganz binweg, wenn alle Bewohner eined Landes in 
zerftreuten Anſiedelungen wohnten (db). b) Schlechte und koſt⸗ 
bare Sortichaffungsmittel eines Landes. Gute Lanpftraßen, bes 
fonderd aber Eifenbahnen und Waflerftraßen verringern den Bor- 
zug ber näher am Marktorte liegenden Ländereien, deren Rente 
daher durd die Herftellung folcher befierer Verbindungen er⸗ 
niedrigt wird, wenn nicht auch eine Zunahme des Begehrd eins 
tritt, die den. Preid der Rohftoffe in gleichem Stande erhält, 
oder andere einträglichere Benüpungen der nahen Grundſtuͤcke 
eingeführt werden fönnen, wobei dann der Nutzen den Eigen- 
thümern ber entlegeneren Grundftüde zufällt (c). c) Zerftreuts 
liegen berjenigen Ländereien, weldye eine gewiſſe Art von Ers 
zeugniflen liefern. d) Die in dem Wefen einer Art von Gütern 
liegende Koftbarfeit oder Schwierigkeit ded Fortſchaffens. Die 
Erzeugung von Blumen, Gemüfe, Obfl, vorzüglidy aber von 
Milch ꝛc. wirft in der Nähe volkreiher Städte eine große Rente 
ab. Schlachtvieh, Schaafwolle ıc. geftatten in Hinficht ihres 
Preifes einen weiten Transport, audy Getreide wenigftend einen 


- 


— 26 — 


weiteren als Heu, Stroh und Holz, weßhalb man fich in ber 

Nähe eined großen Marktorted am Tiebften auf die Broduction 

ſolcher Gegenftände verlegt, bei denen man das Mitwerben ent 

fernter Gegenden nicht zu .beftehen hat (d). 

(a) Nah fehr großen Städten müflen die Lebensmittel fehr weit herbeiges 
bracht werden, weßhalb fie dort ohne Waflerftraßen unerfhwinglich koſt⸗ 
bar würden. Als Paris erft 714000 Sinw. hatte, nahm feine Ber: 
scehrung an Waizen 107640 Heftaren Ader, an Haber 23033 Heft., an 
Kartoffeln 1779, an Gerſte 1948, an Heu 8203, an Wein, Branntweig 
und Eſſia 60608 Heft. Land in Anſpruch, aufammen 209693 Heft. 
oder 38 D. Meilen. Das Großherzogthum Heſſen hatte 1828 ungefähr 
gleihe @inwohnerzahl (718000), feine Aderflähe von 1589000 befl. 
Moraen war aber faft die doppelte jener 209693 Hektaren, welche nur 
838772 heſſ. M. ausmachten, wobei freili das zur Ernährung von 
Thieren verwendete Land nicht eingerechnet war. Vgl. Recherches sta- 
tistiques sur la ville de Paris. 1823. Gap. 6. 

(5) In ganz ſchwach bevoͤlkerten Gegenden tft auch das fruchtbare Land 
weit von den Anfledlungen noch rentelos, 3. B. in den americanifchen 
Prairien, die doch einen humusreichen und leicht urbar zu machenden 
Boden haben. ' 

(e) Durd die Dampfichifffahrt und die befieren Straßen ifl der Transport 
fo ſehr erleichtert worden, daß nun das beflere Land in Irland und 
Schottland mit dem fchlehteren in England concurrirt, und letzteres 
nicht mehr gebaut werden fann. GEs Tommt jeßt Getreide von ber Weſt⸗ 
füfte Irlands nach Liverpool, was fonft nicht der Ball war. R. Peel, 
Unterhaus, 19. März 1830. 

(A) Bei gleicher Bodenbeihaffenheit würde man In der Nähe einer großen 
Stadt viel Wald beibehalten müflen und die Bodenbenugung würde 
fih ganz nad der Gntfernung von jenem Abfaborte richten. Diefer 
Gedanke ift in v. Thünen’s a. Buche weiter verfolgt worden; f. auch 

Noſcher im Archiv, N. F. IIL, 195. 


$. 2144. 


3) Die Ausgabe für Arbeitslohn ($. 211) pflegt in 
Ländern und Gegenden, die ihr Bodenerzeugniß an entfernte 
Märkte verfenden müflen, ſchon wegen der wohlfeilen Nahrungs⸗ 
mittel niedriger zu fein, und hiedurch wird wenigftens ber in 
den Frachtkoſten liegende Rachtheil einigermaßen gemildert. Iſt 
aber der geringere Arbeitslohn die Folge hoher Benöfferung, fo 
fann er ebenfo wie bie größere Bruchtbarfeit die Urfache einer 
Koftenerfparung und deßhalb einer gewiffen Orundrente werben, 
oder doch dem Einfluß anderer, auf Erniedrigung berfelben hins 
wirkenden Umſtaͤnde wiberftreben. 


| 8. 215. 


4) Auch die Art, wie die Bodenbenugung betrieben 
wird, hat auf die Größe der Erzeugungsfoften Einfluß, $. 211. 


— 266 — 


Der Reinertrag laͤßt ſich durch geſchickte Einrichtung des Ber 
triebes, z. B. durch Auswahl der beſten Fruchtfolge fuͤr eine 
gegebene Dertlichkeit oder beſſere Behandlung der Düngemittel, 
auch bei einerfei Größe des Capitales erhöhen, aber noch mehr 
Erfolg haben ſolche Kunftmittel, die mit Hülfe eines größeren 
Capitaled angewendet werben, z. B. öftere und forgfältigere Be 
arbeitung, tiefere Aufloderung des Bodens, Entwäflerung, voll- 
kommenere Adergeräthe, ftärfere Düngung, mineralifche Dinge 
mittel, Abfchaffung der Brache und vergl. (a), baher find bei 
ber Bewirthfchaftung mit dem allerffeinften Eapitale die Koften, 
3. B. eines Centners Getreide, keineswegs am niebrigften. Bei 
einerlet Preis der Bobenproducte müflen die funflmäßiger ges 
bauten Ländereien fchon befhalb einen Reinertrag gewähren, 
wenn auch die unvollfommen bewirthichafteten nur die Koften 
vergüten (d). Man hat befürdtet, daß folche Betriebsverbeſſe⸗ 
rungen die Grundrente mindern möchten, weil dann ber ganze 
Bedarf eined Landes ſchon von ben fruchtbarften und gut ange- 
bauten Flächen mit geringeren Koften gewonnen werbe und das 
unergiebigere Land unbenukt bleibe, mithin ber Preis der Boben- 
erzeugniſſe finfen müfle (c). Dieß könnte allerdings gefchehen, 
allein die Erfahrung Iehrt, daß es gewöhnlich nicht eintritt, und 
dieß ift auch leicht zu erklären, weil foldye Verbeflerungen bes 
Anbaued viel Bapital, Arbeit und Eifer erfordern, folgkich in 
einem ganzen Lande nur allmälig Eingang finden und daher 
ber Volksmenge Zeit laflen, fidy ebenfalld zu vermehren, fo baß 
ber Begehr mit dem Angebote gleichen Schritt hält (d), ferner 
weil jene Kunftmittel häufiger auf ben befleren Grundſtuͤcken 
vorgenommen werben, wo fie einträglicher find, unb fo ber 
Unterfchied in der Rente noch fogar vergrößert wird. 


(a) Belonders auffallend ift dieß bei der duch Rärkeren Futterbau und 
Viehſtand vergrößerten Düngung, die den Bodenertrag beträchtlich ver: 
größert, während bie Bearbeitung fo wie vie Ausfaat bei einem gut 
geblingten Felde nicht mehr als bei einem erfchöpften koſten. Daber 
erechnet von Erud (Dekonomie der Landwirthſch., überf. von Berg, 

Leipz. 1823. ©. 83 f.) unter gewifien Borausiehungen für 1 preuß. 
Morgen Balgenland bei verichiebener Stärke ber Düngung ben Koſtenſatz 
eines Scheffels auf 8,95 — 8,8 — 7,2 — 7,2 — 7,% Ginheiten (+), 
wenn die Ausfaat 6 — 8 — 10 — 12 — 16fach geerntet wird. Das 
Zeihen + bedeutet in von Erud’s Werk (nad Pi haer) den Durch⸗ 
ſchnittspreis von 1/ pr. Scheffel Roggen, ſ. oben $. 179. Das Fuder 
Mift koftet ungefähr 1%/. bis 1% Scheffel Roggen (Blod, Mittheis 
lungen, I, 227), jedes mehr aufgewendete Fuder bringt aber ungefähr 


2 Scheſſel Winter: und Sommer⸗Getreide hervor (Shmulz Veranu⸗ 
fhlagung ländlicher Grundftüde, S. 46), wozu noch das Stroh fommt. 
Hebereinfiimmend Jones, Distrib. of wealth. ©. 196 ff. 

(6) Bodenvrerbeſſerungen (Melivrationen, $. 130) fowie die Urbannagumd 
find von dauernder Wirkung, während bie Vervollflommnung des Be 
triebes wieder aufhören Tann. Wine ſolche beſſere Bewirthſchaftung 
bringt jedoch erſt dann eine Remtendermehtung hervor, wenn fie nidt 
nur von einzelnen Landwirthen angewendet wird, fondern in eine 
Gegend Herrihend geworben iſt, 6. 208. — Carey (a.a.D.) glaubt, 
daß vie ſpaͤter angelegten Gapitale immer arößeren Erfolg hervorbrin⸗ 

en, weil man anfänglich die mangelbafteflen Kunftmittel angewendet 
—* und daß die Grundrente blos aus den Urbarmachungs⸗ und Ver⸗ 
beſſerungstoſten entfiche, welche in jener nicht einmal vollſtaͤndig ver⸗ 
zinßt werden. Allein nur die Beſchaffenheit der Grundſtuͤcke entſcheidet, 
nicht der Aufwand, mit dem ſie hervorgebracht worden iſt, 3. 213. — 
Auch Baſtiat (Journ. des Econ. Nov. 1852, S. 289) war in dieſer 
Lehre ein Gegner von Ricardo, dem er vorwarf, daß nad feiner 
Anficht die zunehmende Theurung der Lebensmittel die Reichen immer 
mehr in Bortheil ſetzen und die Arbeiter bebrüden würde. 

() Ricardo, Grundgeſ. ©. 55 (I, 97). Dagegen Jones, ©. 211. 

(d) Ricardo feibft giebt wenigfiens zu, daß das zufolge ſolcher Verbeſſe⸗ 
rungen unberugt gelaffene fchledhtere Land fpaterhin bei geftiegener 
Bollsmenge wieder in Anbau genommen werde. — Man kann ber 
Wirkung tandwirtbfchaftlicher Verbefierungen mehrere Faͤlle umterfcheiden : 
1) es wem bei einerlei Menge des Erzeugniffes nur die Koften ver» 
mindert, z. B. durch Mähemafhinen, Die pebaden u. dal.; 2) es wird 
das —— des Bodend vermehrt, waͤhrend der Centner, Scheffel ıc. 
noch gleichviel Foftet; 3) es trifft eine Bergeößerung des Bobenertrages 

mit einer Koftertverringerung zufammen, 3. B. durch Reihenfaat und 

Maſchinenbehackung. Im legten Falle ift am leichteften eine Preisernie: 

drigung der Grzeugniſſe ga erwarten, don der die Grundrente eine Zeit 

lang verringert werden kann. Ausführlich hierüber St. Mill, II, 182. 


6. 215a. 


Wenn man, um dem amwachfenden Begehr von Unterhalts⸗ 
mitteln zu genügen, immer mehr Gapitale auf die Erdarbeit 
verwendet, fo muß ed einen Punct geben, über welchen hinaus 
die neu angelegten Bapitale weniger ergiebig werden und alfo 
die Erzeugungsfoften eines ferneren Ertragszuwachſes größer 
ausfallen (a). Der Preis der Rohftoffe muß dann allgemein 
fo hoch fteigen, daß er die höheren Koften bezabkt, wobei dann 
der mit dem.fchon früher angewendeten Bapitale erzielte Theil 
bed ganzen Products ſchon deßhalb einen Reinertrag giebt (B). 
Die Gränze, bei welcher die Ergiebigkeit weiterer Bapitalanlagen 
abnimmt, laͤßt fi) nicht im Allgemeinen bezeichnen und hängt 
unter Anderem von der Beftiminung ab, die man dem Bapitale 
giebt, ob es nämtidy mehr Arbeit für den Landbau unterhalten, 
oder andere Erhöhungsmittel des Ertraged gewähren foll (c); 


268 — 


auch iſt in wenig Laͤndern die Einficht der Lanbwirthe und bas 
ihnen zu Gebote ſtehende DBermögen fo groß, daß man jene 
Gränze ſchon ald allgemein erreicht und bie ferneren Verwen⸗ 
dungen von Capital ald minder belohnend anfehen Fönnte (d). 
Doc ſteht ber Sag feft, daß auf einer gewiſſen Stufe des An- 
baus die Anlegung neuer Gapitale auf ſchon angebaute Grund⸗ 
ftüde diefelbe Wirfung haben müfle, wie der Anbau fchlechterer 
Zänbereien. Hiermit fieht auch die Erfahrung in Verbindung, 
bag eine ſchwunghaft betriebene Wirthfchaft erft bei einem ges 
wiſſen nicht zu niedrigen ‘Preife des Getreides ꝛc. belohnend ift. 


(a) Ricardo, ©. 45 (I, 73), fowie Torrens, ©. 113, J. Mill, 
Elömens, ©. 16, M'Culloch, Brundf. S. 218, nehmen an, daß 
die zuerſt angewendeten Bapitale bie wirffamften fein. Es giebt aber 
einen Zuſtand des Feldbaues, bei dem es vortheilhafter ift, ein gegebe⸗ 
nes Gapital auf einen, als auf zwei Morgen Landes zu verwenden. 
Dagegen ift es auch gewiß, daß, wenn man z. B. mit einem flehenden und 
umlaufenden Gapitale von 50 fl. auf dem Morgen 7 Gentner einer ge 
wiflen Frucht bauen kann, ein dreifacdhes Gapital feine 21 Gentner zu 
erzielen vermag. Man mwürbe fih gar nicht zum Anbaue fchlechterer 
Grundftüde entihließen, wenn von ben befferen mit gleichem Koflen- 
betrage jede verlangte Quantität zu erhalten wäre. Bol. Torrens, 
©. 118. — Bin gutes Beifpiel zur Erläuterung dieſes Satzes giebt 
die tiefere Bearbeitung bes Ackerlandes. Nah von Thünen’s Er⸗ 
fahrungen aus Ajährigen Durchfchnitten if das Berhältniß der Boden; 


erträge 
bei 4 Zoll Pflugtiefe 100 
6 129 
8 151 
10 165 


Die 2 lebten Zofle tragen alfo nur 14, die 2 vorleßten 22, die 2 britts 
legten 29 Proc. mebr und jene koſten beträchtlich mehr ale dieſe. Amtl. 
Bericht über die 6. Verf. der d. Landw. ©. 289. 


(5) Hat Jemand mit 1000 fl. Koften einen Ertrag von 500 Gtr. erhalten 
und gilt der tr. gerade 2 fl., To bleibt Fein Gewinn übrig, nur 
werden in dem Koftenfage die Zinfen des Capitales erflattet. Wenn 
nun weitere 1000 fl. blos 400 Gtr. erzeugen, fo kommt jeder diefer 
400 CEtr. auf 2% fl. zu ſtehen. Der Landwirth wird dieſe zweite 
Summe von 1000 fl. nicht eher aufwenden, bis ber Breis des Centners 
wirklich 2%/8 fl. erreicht, denn fonft hätte er Verluſt. Wäre 3. B. der 
Preis nur 2%, fl., fo würden erzielt werden: 

1) mit 1000 fl. Aufivand 500 Etr., Ginnahme 1125 fl. 
2) mit 2000 fl. Aufwand 900 Etr., Ginnahme 2025 fl., 


e8 würden folglich für die zweiten 1000 fl. nur 900 fl. mehr einge: 
nommen. Werden aber bei einem Preiſe von 2%. fl. 2000 fl. aufge: 
wendet, fo ift der Erlös von 900 Etr. 2250 fl., es findet alſo ein 
Ueberihuß von 250 fl. Statt, weldher zu der natürlihen Grundrente 
gehört oder fie erft bildet, wenn bisher noch feine Statt fand. Freilich 
rechnet der Landwirth felten fo ſcharf und er kann es nicht einmal, weil 
diefe Ertragsverhältniffe noch gar nicht gehörig erforfcht find, auch bie 
Sahresernten fehr ungleich ausfallen. 


— 219 — 


(0) unterſcheidung des Hülfscapitales (Mafchinen, Dünger, Mergel, Waſſer⸗ 
gräben x) und der Vermehrung der Arbeiter (additional labour) bei 
ones, ©. 217. - 


(d) Die Größe des in der Landwirthfchaft mitwirfenden Gapitales if ein 
fehr erheblicher Umſtand, den die Statiſtik bisher noch nicht gehörig 
beleuchtet bat. Dieſes Capital ift theils flehendes, nämlich Gebaͤude, 
Geräthe, Werkzeuge, Mafchinen, Vieh, theils umlaufendee. Da ınan 
nicht ein ganzee Jahr auf die Binnahmen zu warten hat, fo ift diejes 
umlaufende Gapital, welches man zum Beginne der Bewirthſchaftung 
in ber Hand haben muß, Eleiner als die Ausgabe eines Jahres; doch 
fommt es hiebei auf die Jahreszeit ‚des Antritts und auf die Art der 
Einnahmen an. Die Anfchläge des landwirthſchaftlichen Gapitales weis 
hen fehr von einander ab und find auch nicht nach gleichen Voraus: 
feßungen gebildet. 

Lullin de Chateauvieux (Bibl univ. de Gendve, X, 245) 
rechnet für Frankreich vom arpent de Paris (1,3 preuß. M.) 24,7 Fr 
ſtehendes Capital, 19 Fr. umlaufendes bei groͤßeren und mittleren 
Guͤtern, zuſammen 43,7 Fr. (16, fl. auf den preuß. M.). — Nach 
Cha pa! (De lindustr. franc. I, 222) ift das ſtehende Gapital mit 
sen Bebäuden im Ganzen 7581 Mill., ohne biefelben 4581 Dill. Fr., 

alfo auf den Arpent 58 und 35.%r. — Depart. Nordküſten, bei Ichr 

mangelhafter Roppelwirthichajt, auf größeren und Eleineren Gütern für 
den Hektar Gebäude 99—167 Fr., Vieh, Geraͤthe 60—112 Fr., Iahress 
auslagen 47—83 %r.,. zufammen 206—362 Fr. == 24,9-43,8 fl, auf 
den pr. M. Agric. franc. Dep. Cötes du Nord, 1844, ©. 84. — Beis 
fpiel aus dem Norddep. nah Cordier (Agric. de la Flandre franc. 
©. 479. 485.) vom preuß. M. 40,8 fl. bei 11!/ı R. Pachtzins. — 

Bei den Anfchlägen von de Gasparin, Cours de l’agricult., I, 384 

(1845) muß, da der Verf. nur !ız des Vieh: und Geräthe:Eapitals 

(cheptel) eingerechnet bat, der ganze Betrag derfelben ftatt jenes Theils 

aufgenommen werden, wodurd fi) folgende Zahlen ergeben: 

auf 1 pr. M. 

Suͤdfrankreich, Fruchtfolge mit Krappbau 56—59 fl. 

Morddepartement, mit vielen behadten Handels: . 

gewaͤchſen. 57 fl. 

Nordfrankreich, mit Brach 16 fl. 

In England wird das ganze ſtehende und umlaufende Capital der 
7—Hfahen Grundrente gleih geihägt. Sinclair, Grundgef. des 
Adeb. S. 28. Das Capital des Pachters (Geraͤthe, Vieh und Aus⸗ 
gaben eines Jahres) iſt 6—8 L. St. vom Nere — 37—60 fl. vom 
pr. M. (ebd. ©. 81 u. Anh. ©. 72—76) oder T—10 2. St., Dars 
Rei. d. Landw. Großbritaniens, d. von Schweiger, I, 72. Die 
ausführliche Berechnung von Low (Practical agricult. ©. 745 ff.) giebt 
6,77 2. St. vom Acre oder 51,8 fl. vom pr. M. — Thaer (Dögl. 
Ann. V, 641) hält mindeſtens 25 fl. auf den M. für nothwendig. 
Deutfche Landwirthe jegen das Capital (wovon */s fleheud) mindeftens 
‚auf das Afache, hödiftens auf das 5—Sfache des Pachtzinjes, durchſchnitt⸗ 
ch auf das 5—6fache, Goöriz, Landw. Betriebelehre, ILL, 82. 1854. 
In (de Lichtervelde) M&moire sur les fonds ruraux du Dép. de 
l’Escaut, Gand, 1815, ©. 64 iſt für ein flandrifches Gut von 51 Ge⸗ 
meth — 881/ pr. M. der Gapitalaufwand des Pachters bie zur Ernte 
auf 14512 Fr. oder 165 fl. auf den pr. M. berechnet. 

Der befanntefte Theil des Capitales befteht im Viehſtande. Während 
zur guten Düngung von 4—5 pr. M, ein Stüd Großvieh nöthig ift, 
trifft man bisweilen ein ſolches erſt auf die doppelte Zahl von Morgen 
des Aderlandes in ganzen Ländern, woraus dann ein geringerer Boden; 


— 1 — 


ertrag folgt, vgl. 11, $ 170. — Bleibt das Gapital unter dem zu 
dem beften Betriebe erforderlichen Beine in fo muß die Rente Heiner 
jein, und es erklärt ſich hieraus die &r ahrung, daß ein Pachter defto 
mehr | ne entchten kann, je mehr er ital befitzt, Sinclair, 
a. a. . 


$. 216. 


Der jebesmalige Mittelpreis der Bobenerzeugnifle, foweit 
fih bei der wechfelnden Fruchtbarkeit der Sabre auf ihn eine 
Rechnung gründen läßt, richtet fi) immer nad, den hoͤchſten 
Koften, die noch unter den unvortheilhafteften Umftänden zur 
Befriedigung des Begehrs aufgewendet werben müflen (a), und 
die Rente jedes Grunpftüdes iſt der Unterſchied zwifchen ven 
auf ihm. wirklich angewendeten und jenen hödhften Koſten. Es 
laffen fi Ländereien nachweifen, welche Seine oder faft feine 
Grundrente tragen, weil bei ihnen Entlegenheit und jchlechte 
Beichaffenheit des Bodens zufammentreffen. Sole Flaͤchen 
können nicht verpachtet, fondern blos von dem Eigenthümer 
benugt werden, der fie, wenn auf ihnen noch Abgaben ruhten, 
fogar nicht ohne Einbuße anbauen könnte, was übrigend vor 
übergehend, bei ungewöhnlich niedrigen Sruchtpreifen, auch nicht 
felten gefchieht, weil den Landleuten der Uebergang zu anderen 
Ermwerbsarten zu ſchwer und die Emährung durch eigene Erzie⸗ 
lung der Nahrungsmittel zu fchägber ift, auch bei einem Land⸗ 
gute, weldyes aus Theilen von ungleicher Ergiebigkeit befteht, 
die Koften und der Reinertrag öfters nur im Ganzen, nicht für 
jedes einzelne Grundſtück, berechnet werden. Die unbankbarften 
noch benugten Ränbdereien bleiben meiftend ganz oder abwechſelnd 
ala Weide liegen, weil fie bei diefer Anwendung nad eher 
einen Beinen Ueberſchuß geben Fönnen (db). 

(a) Uebereinftimmend von Thünen, Der ifolirte Staat, S. 182. — Nes 


benius, Der öffentl. Credit, 2. A. 1, 27. — Hermann, Staatew. 
Anterf. ©. 167. 


(6) In jedem Gebirgélande trifft man ſolche Strecken an, welche wegen ber 
felfigen oder fleinigen Beſchaffenheit, Beichtheit der Krume, Steilheit, 
hoher Falter Lage, Gntlegenheit von den Wohnungen ıc. die Anbaus 
toften nicht belohnen, zum Aheil nicht einmal eines Weidezinſes werth 
geagptet werden und meifens Gemeindegut geblieben find. Der mittlere 

einertrag des Morgens Weide if in Dem wüztemb. Amte Ochringen 
auf 7 fr., im Amte Welzheim auf 19 kr., Horb _und Bradenhem 
11 Er. x. gefhägt, wobei ohne Zweifel ſowohi heſſere als ſchlechtere, 
noͤllig renteloſe Stüde vorfommen. Man wird viele — — auf⸗ 
Anden können, in denen, wie z. DB. in dem Dorfe Willgartswieſe bei 


Sa — 


fi 
Sandau, ber Morgen Ader 4. Claſſe auf 52 fr., fleinige Allmende auf 
1% fr. Meinertrag fataftrirt it. — Im Begierungebaist Aachen it der 
WNeinertrag des Morgens Heideboden zu 11/3 Sr. (5t/s—101/a fr.) 
ermittelt. — Sobald bie Preife ber Bodenerzeugnifie höher firigen, 
fieht man die beſſeren Weidepläge dem Pfluge unterwerfen. Indeß trifft 
man aud Streden von Ylugfand, Moorboven u. dgl., die eine, gang 
oder beinahe rentelofe Mderclafie bilden. Mach der jähf. Schägunger 
anweifung giebt das befle Aderland 5Ymal foviel Reinertrag als das 
f&hlechtefte und Hödfe, von dem nur 11a Wege pr. Ader — 0,0% pr. 
Scheff. y. Morg. angenommen find. Ricardo hält es für nothwen⸗ 
dig, daß e6 folde Wrundküde gebe, die gar feine Wente tragen und” 
doch nod benugt werben, tweil man, wenn die ſchlechte ſten noch benupten 
Stüde eine Grundrente abwürfen, dann eine noch undankbarere Boden- 
art zu Hülfe nehmen fönnte. Allein es ift denkbar, daß eine ſolche in 
einem Lande ganz fehlt oder von fehr geringem Werthe iR und deßhalb 
erft bei einem Hohen Preife benugt wird. Cbenſo fönnten die tenter 
lofen Zändereien-fo weit entfernt fein, daß die Sradtfoflen von ihnen 
hehe fommen würden, als der Ankauf von näheren Grundflüden, die 
don eine Rente geben. 


$. 2163. 


Ein zunehmender Begehr von Bodenerzeugnifien zieht nicht 
nothwendig aud eine fortbauernde Erhöhung des Preiſes ders 
felden und der Grundrente nach fi, denn es kommt erft darauf 
an, auf welde Weife man im Stande if, das Angebot zu vers 
größern (a). Geſchieht dieß durch Verbeflerung der Verſendungs⸗ 
mittel oder der Ländereien ober bes landwirthfchaftlichen Bes 
triebes, durch Urbarmahung von frudhtbarem Boden ($. 212 (c)) 
oder andere ähnlich wirkende Mittel (d) ohne verhaͤlmißmaͤßig 
höhere Koften ($. 215), fo wird fowohl der Preis der rohen 
Stoffe, als die Rente gleich bleiben, außer infofern diefe Fort⸗ 
fehritte das Verhaͤltniß zwifchen den Koften ber befferen und 
ſchlechteren Grundftüde abändern. Iſt aber die Zunahme des 
Begehres beträhtlih und anhaltend, dagegen die Gelegenheit 
zur Anwendung ber genannten Mittel befchränkt, fo muß der 
Preis fowie bie Rente fo lange fleigen, bis der vergrößerte Bes 
darf auf forbarere Weife durd Anbau unergiebigerer oder ent⸗ 
legenerer Grundftüde ober durch Anwendung größerer Eapitale 
(8. 2158), oder duch Zufuhr vom Yuslande (c) dauernd bes 
feiebigt wird. . In dem Koftenbetrag, mit welchem auf die eine 
ober andere Weiſe das Angebot bis auf die Höhe des Ber 
gehres vergrößert werben kann, enthält demnach der jedesmalige 
Durchſchnittspreis der Rohftoffe umd die Orunbrente der beflezen 
und näheren Ländereien ihre Graͤnze. 


— 272 — 


! 

(“) Ad. Smith leitete die Entſtehung fowohl als die Erhöhung der Grund⸗ 
rente lediglih daraus ab, daß die Nachfrage nad rohen Stoffen mit 
der Volksmenge zugleid, zumimmt, und daß fie, wie au has Angebot 
vergrößert wird, doch immer über daſſelbe hinaus währt, Unterſ. L, 235. 
Bei tiefer Anfiht läßt fih nicht erkennen, inwiefern es möglich fei, der 

. vermehrten Nachfrage mit dem Angebote nachzufolgen, und wie body die 
Grundrente fleigen könne, und gerade dieß wird durch die neuere in 
$. 212 erwähnte Theorie der Grundrente aufgehellt. Ricardo's 
Hauptfäge find diefe: 

1) Der Preis der Bodenerzeugnifle muß genau mit dem Koftenbetrage 
übereintreffen, welchen die Gewinnung derfelben a) von den fchlechteften, 
noch wirklich angebauten Ländereien, oder b) mit den zuleßt angelegten, 
am wenigften ergiebigen Gapitalen verurſacht ($. 215 a.) - 

2) Die Srundrinte, welche bie befieren Ländereien und bie früher 
angelegten Bapitale geben, wird alfo genau durch ben Unterſchied der 
bei ihnen aufzumendenden Koften gegen die größeren Koſten der minder 
ergiebigen ‚Bulturart beflimmt, wie dieß A. Smith in Anfehung der 

mineraliſchen Stoffe bereit6 behauptet Hatte. 

3) Die fchlechteften irgendwo noch in Anbau genommenen Grund⸗ 
Rüde, oder die zulept angelegten Gapitale, deren Koften den Preis be- 
fimmen, tragen feine Rente. 

4) Landwirthfchaftlihe Verbefferungen erhöhen die Rente nicht, weil 
fe die Derfchiedenheit im Ertrage des beſten oder ſchlechteſten Landes 
.. „bändern. iefer letzte Sag if der Erfahrung ganz entgegen, 

. 215. . 


(6 Ein anderes Mittel zu gleichem Zweck iſt die Verbeſſerung der Mahl: 
einrichtungen. . In Deutfchland iſt diefelbe alt und ſchon feit 1616 
von Seb. Müller) befchrieben, in Frankreich wurde das öftere Auf: 
62 der Kleie als mouture é0onomique erſt nach 1760 bekannt. Die 
Folge war, daß während ſonſt der Nahrungsbedarſ eines Menſchen 
jährlih auf A—5 Parif. sötiers (zu 2,8 pr. Scheff.) Waizen (alſo 
960 — 1200 Pd.) gelegt wurbe, iept 2 söt. zureichen, weil man 75 ftatt 
der früheren 30—34 Brocent Mehl erhält, Bedmann, Beitr. zur 
Geſch. d. Erfind. IL, 54. Dingler, Pol. Ioum. I, 48. 


(0) Dieß kann, nad Manfgabe der Lage eines Landes, fchon dann gefchehen, 
wenn auch nod viel Sandftreden, Belsabhänge sc. unbenupt bleiben, 
weil ihr Anbau mehr foften würde als die Zufuhr vom Auslande. 


$. 217. 


Die drei zuerft genannten Urſachen der Koftenverfchiedenheit 
bei der Benugung von Grundftüden (Ss. 211) find von dem 
Berhalten des einzelnen Unternehmer ganz unabhängig und 
werden von Jedem empfunden, ber die Gsundftüde befigt und 
gebraucht ($. 208); eine gewifle Betriebsart (5. 215) hat dies 
jelde Wirkung, wenn fte in -einer Gegend zur Regel geworben 
ift. Mit derenigen Grundrente, die dem Eigenthümer bei eiges 
ner Benusung feines Landes nach dem üblichen Verfahren zus 
fallt (der natürlidhen Grundrente) trifft im der Regel auch 
die BPachtrente ungefähr überein (a). Während der Eigen, 


— 1213 — 


thümer, da, wo der Preis der Bodenerzeugniſſe niedrig ift, ober 
wo feine Befigung ihrer Natur nad) eine koſtbare Bewirthfchaf- 
tung erfordert, gegen die Ungunft dieſer Verhältniffe wenig aus- 
richten Tann (db), genießt er unter den entgegengejegten Um⸗ 
ftänden ben Bortheil eines anfehnlichen Reinertraged in einer 
entjprechenden ausbedungenen Rente. Dieß ift eine Bolge von der 
gewöhnlichen Geftaltung des Mitwerbens ($. 211), indem das 
Angebot von Orundftüden einer gewiſſen günftigen Beſchaffen⸗ 
heit und Lage eine natürlihe Graͤnze hat, zugleid aber der Bes 
gehr wegen der Annehmlichfeit und Sicherheit des landwirth⸗ 
Ichaftlichen Gewerbes, wegen ber Menge von Menjchen, bie 
ohne Orundeigenthum find, und wegen ber fortwährenden Zus 
nahme des Capitals bei gleichbleibender Menge der Grundftüde, 
das Angebot zu erreichen pflegt und nicht felten uͤberſteigt. Deß⸗ 
halb bleibt in diefem Balle dem Pachter, woferne er nicht bes 
fondere Betriebfamfeit entwidelt, nur der mittlere mäßige Ge 
werböverdienft übrig. Dieſer ift befonderd da von geringem Bes 
trage, wo Grundftüde in kleinen Abtheilungen verpachtet werben, 
und wo zugleidy in der landbauenden Claſſe eine fchnelle Zur 
nahme der Bevölkerung Statt findet (ec). 


(a) Freilich nur bei der Verpachtung auf Furze Zeit. Bei immerwährenden 
Örundgefällen kann in fpäteren Jahrhunderten die flatt eines Pachts 
ginfes ausbedungene Gntrichtung fo weit hinter dem Reinertrage zurüds 
leiben, 7 aud der erbliche Nutznießer einen Antheil an der Grund⸗ 
ente aus feinem Rechte auf das Grundſtück bezieht, $. 207. 378. 


" (b) Ausgenommen, wo bedeutende Grundverbefierungen möglich find. 


(6) Wo das Segentheil Statt zu finden. fheint, wie in den von Log, 
Handb. I, 497 ff. angeführten Erfahrungen, da find vermuthlich unter 
Koften keine apitalzinfen und kein Gewerboverdienſt eingerechnet. 
Selbft die Berbeflerungen im landwirthichaftlichen Betriebe fommen, 
wenn fie häufig vorgenommen werden, bald den Brundeignern zu Statten, 
$. 215 (6). Die Pachtzinſe in Schottland find im jepigen Sahrhundert 
wegen der verbeflerten Pflüge, der Dreichmafchinen,, der befieren Ber: 
theilung der Arbeit und des angemefleneren Fruchtwechſels geftiegen. 
Sinclaira. a. O. © 56. Wo Badtlufige mit zureichendem Eas 
pitafe ausgerüftet find, da befinden fie fi in einer weit befieren Stel⸗ 
lung, als ta, wo eine zahlreiche Claſſe von Landleuten, ohne Vermögen, 
ohne andere armerbögelegendeit, wenigen reichen Grundeignern gegenüber; 
fieht und fi diejenigen Bedingungen der Bopenüberlaffung gefallen 
lafien muß, welche diefe vorfchreiben. 


$. 218. 


Wenn ein Bolf die Ernährung durch Jagd, Fiſcherei oder 


wandernde Viehheerden nicht mehr zureichend findet und daher 
Rau, polit. Del. I. 7. Ausg. 18 


— 274 — 


zum Landbau uͤbergeht, ſo erreichen die allgemeinſten Nahrungs⸗ 
mittel, wie Getreide, wegen des ſtarken Begehres zuerſt einen 
ſolchen Preis, der von einem Theil der Grundſtücke eine Rente 
einbringt; bei weiteren Fortſchritten der Bevoͤlkerung und des 
Wohlſtandes werben fpäter auch manche andere Stoffe, 3. B. 
Gemüfe, Delfaamen, Geſpinnſt⸗ und Würzpflanzen ꝛc. fo Häufig 
begehrt und hervorgebracht, daß fie eine Rente tragen. Die 
Rente des für verfchiedene Gewaͤchſe angewendeten Bodens hängt 
von den Bedingungen ihrer Erzeugung und Berfendung ab. 
Daher laffen ſich folgende Regeln aufftellen. 1) Solche Gewächfe, 
die auf allem Aderlande eben fo gut ald Getreide gebaut und 
eben fo leicht fortgefchafft werden können, werfen keine andere Rente 
ab, als das Getreideland, weil im entgegengejebten Falle das 
Angebot und der Preis ſich bald. verändern und dadurch das 
Gleichgewicht wieder hergeftellt werden würde (a). 2) Stoffe, 
deren Erzeugung eine befondere Befchaffenheit des Landes vor⸗ 
ausfept, Fönnen eine größere Rente geben, wenn foldyes Rand 
in geringer Menge für den Begehr vorhanden if, und ihr Preis 
fönnte foweit fleigen, daß es fich verlohnte, Aderland zu ihrer 
Gewinnung befonderd zuzurichten (6). 3) Ebenfo kann audy in 
der Nähe ded Marktes der Anbau von fchwer zu verfendenden 
Gewaͤchſen eine flärfere Rente gewähren, als der Getreidebau, 
$. 214 d). 4) Grundftüde, welche zu einer nicht landwirth⸗ 
Ichaftlichen Benugung vorzüglich tauglich find, 3. B. zum Berge 
bau, koͤnnen fehr hohe Renten abwerfen, weil hier das Mit- 
werben. feine natürliche Graͤnze findet (c). 5) Stoffe, die auch 
auf einem zum Aderbau nicht mehr geeigneten Boden gewonnen 
werben fönnen, geben geringen Reinertrag (d). 6) Die Rente 
des Aderlandes felbft zeigt in jedem Lande große Verfchieden- 
heiten, denn der Landwirth hat in der Bewirthichaftung deſſelben 
einen fo weiten Spielraum, daß er auch von fehr entlegenen 
und unergiebigen Stüden noch einigen Bortheil zu ziehen vers 
mag, während er unter den entgegengefegten Umftänden eine 
ſchwunghafte Betriebsart wählt, die ihm eine hohe Rente ver- 
ſpricht (e). 
(ea) Nur infofern it Smith’s Sag riätig, daß die Rente des Getreide: 
landes die der übrigen Ländereien beftimme. — Befämpfung ber von 


Ricardo zu Grund gelegten Annahme, daß die Bobdenrente fich blos 
nad) den. verfhiedenen Koften des Getreidebaues richte, in Bix letters 


& 


[0] 


[C) 


@ 


— 115 — 


to 8.8. Peel... by a political economist (Banfield), Lond. 1843, 
und Banfield, Four lectures ©. 50. 

Nicht blos die guten Weinlagen, die Smith felbft von jener Regel 
ausnahm, und das Mebland überhaupt, das mit einem anſehnlichen 
Gapitale eingerichtet werben muß, gehören Hieher; aud mande andere 
Gewaͤchſe erfortern befondere Bodenart und Lage. Gute Wielen J. B. 
tragen wegen ber Gelegenheit zur Bewäflerung gewöhnlich mehr als 
Aderland, Gartenland wegen der Bodenbeihaffenheit und Nähe ıc. 
Aud) die Schönheit der Lage iſt biweilen die Mrfahe einer betracht⸗ 
lichen Rente, wie 3. B. auf der Güdfeite der Krimm, an der Küfte 
des fhwarzen Meeres. Kohl, Reifen in Gübrußland, I, 317. 




















Zur Teläuterung — naqhſtehende Verhaältnißzahlen. Sept man den 
NReinertrag des Morgens Ader zu 100, fo trägt der Morgen 

IsJe [op — ejulı 
Rad 22. (aislısilageliesiana] —ınalıselaro 
Garten 202 258246 ‚2681293185 162,176) — 
Wiefe 136,149) 92'200 149/113/105| 72/233 
Weide 15| 37) 31| 44 301122) 25) 15| 16 
Bald 2 —| 39 76 28 25 40) 61 38 

| a 








A ift die Steuerabſchaͤzung im Nedarkreife von MWürtemberg, wo ber 
Morgen Ader 5 fl. 18 fr. rein trägt, B ber frühere bad. Murg- und 
Bfnzkreis, C Niederöfterreih (Linden, Grundfteuerverf. d. öͤſterreich. 
Mon. Beil. 39), D die franzoſiſche Steuerihägung, der Meinertrag des 
Heltar Ader zu 26, Fr., E die JurasYemter im Ganton Bern, den 
Morgen der ji 149 Br. (Bernoulli, Schweiz. Archiv, II, 70), 
F ter preuß. Meg.:Beg. Düfeldorf (v. Biebahn, Etatif. u. Topogr. 
des RB. Düf. ©. 152), @ Baiern (Bierl über Baierns landw. 
Zuft., 1,Tab. V, 1844), H Gteiermarf (Hlubef, Die Landw. des 9. 
&t. ©. 108. 1846), 1 Toscana (v. Raumer, Stalien, IL, 70) 
In Belgien Reht im Durdfgnitt das Wiefenland zu 131, der Wald 
zu Al gegen Mder, Houschling, Stat. ©. 77. Das Berhältnig 
diefer Benugungsarten unter einander kann nicht in allen Zeiten und 
Gegenden daflelde fein; in einem warmen Klima 3. ®. wird der Werth 
der Wäflernirfen gegen die Aeder fleigen, der des Reblandes abnehmen. 
Der obige hohe Ertrag der Weiden im Meg.:Wer. Düfleldorf rührt von 
den ettiweiden am Mhein Her, welche den Werth von Wiefen haben. 
Rach Abzug von 4 Kreifen geben die übrigen einen @rirag von 27 für 
das Weibeland. — Schon Cato, De re rustien, Gap. 1. giebt biefe 
Neihenfolge des Bodenertrages: Nebland — Wäflergarten — Beiden 
gebüfd (salietum) — Delgarten — Wiefe — Ader — Wald, und 
war zuerfi silva eaedus (Schlagwald? vergl. Walther, Manuale 
Georgie.©. 295. 1822), dann arbustum (Baumftücd?), endlich Maftwald. 
Im Königreih Hannover follen nach der Abfchägung 60,4 Procent bes 
Ader: und. Gartenlandes die Ausfaat mur 2—Afadı tragen, 35,° Proc. 
5—8 Kömer, 4,5 Proc. 9—12 R. Markard, Zur Beurtheil. des 
Nationalwohlf. im 8. H. Tab. IH. 





$. 219. 
Der Verkehrswerth und mittlere Preis der Grundftüde bes 


ſtimmt ſich nad) der Grundrente und bem üblichen Zinsfuße. 


18° 


— 56 — 


Mer nämlicdy eine Summe auf eine einträgliche Weife anlegen 
will, der fann unter anderen zwifchen dem Ausleihen gegen Zins 
und dem Anfaufe von Ländereien wählen, und er wird dasjenige 
Mittel vorziehen, welches ihm größere Einnahme verfpricht. 
Wäre z. B. der übliche Zindfuß !/ıs oder 62/5 Procent, der 
Preis von Grundftüden aber das 20fache der Grunbrente, fo 
baß die Anfaufsfumme nur 5 Procent einbrächte, fo wäre es 
nüglicher, Darleihen zu machen, ed würden mehr Capitale hiezu 
al8 zum Anfaufe von Ländereien verwendet werden, der ‘Preis 
der letzteren müßte wegen geringer Nachfrage finfen, der Zinsfuß 
aber wegen des häufigen Angebotes ebenfalld herabgehen, bie 
beide Anlegungen des Vermögens ohngefähr gleich vortheilhaft 
würden. Daffelbe würde auf die entgegengefegte Weife dann 
eintreten, wenn bie Grunbdftüde fo wohlfeil wären, daß man 
mit einerlei Geldſumme mehr Grundrente ald Zins erwerben 
fönnte. Ein Sinfen des Zindfußes bewirkt deßhalb, baß ber 
Preis der Ländereien fteigt und umgekehrt, bis die Grundrente 
ein beiläufig eben folcher Theil von der Kaufſumme wird, als 
der Zind von dem audgelichenen Capitale (a). Doc ift fein 
genaued Uebereinflimmen zu erwarten, indem 1) Grunbeigens 
thum wegen der größeren Sicherheit ftärfer" begehrt und im Ber- 
hältniffe zum Zinsfuß etwas höher bezahlt wird, 2) einzelne 
Grundftüde von Feldarbeitern, die Land zur Gewinnung ihres 
Bedarfs an Nahrungsmitteln und al8 Gelegenheit zur Beichäfr 
tigung hochſchaͤtzen, lebhaft begehrt zu werben pflegt, aud) 
3) bei den einzelnen Kauffällen häufig befondere Umftände, 3. 2. 
perfönlihe Verhaͤltniſſe der Käufer und Verkäufer den Preis er 
höhen oder erniedrigen (b). 


(a) Diefen Satz kann man fo ausprüden: 


z:0=r:p, 


wobei z den üblichen Sins des Gapitales c, r die Grundrente, p den 
Preis des Grundftüdes bezeichnet. 


(6) In England drüdt man häufig den Preis des Landes fo aus, daß man 
angiebt, eine wievieljährige Rente er in fich enthält, 3. B. 4 Proc. ift 
25 years purchase. In Belgien betrug die Grundrente 1830 und 35 
2,% Broc., 1840 2,65, 1846 2,8 Proc. des Mittelpreifes, und zwar 
in Zuremburg, wo bie Güter über 5 Hektar über %/, der Flaͤche ein: 
nehmen, am meiften, nämlich 4,3% Broc., im Hennegau, wo nur 10 Proc, 
ber Oberfläche Guͤter jener Größe find, das min. von 2,50 Bror, 


8. 220. 


Die Rente fowohl von jeder befonderen Benugungsart bes 
Bodens ald von der ganzen Oberfläche ift in jedem Lande, ja 
felbft in jedem Fleineren Landſtriche nothwendig fehr ungleich. 
Da, wo gewiſſe Bodenerzeugnifle den höchften “Preis haben, 
fann auch die höchfte Rente der zu ihrer Gewinnung dienenden 
Ländereien ftattfinden, ber Durdhfchnittöbetrag ber Grundrente 
eined ganzen Bezirkes ift aber in dem Maaße niedriger, in wel« 
hem auch Grundftüde von geringerer Güte, entfernter Lage ıc. 
vorhanden find (a). Im Ganzen genommen muß die Grund- 
tente mit der Volksmenge und dem Wohlftande eined Landes 
zunehmen, wenn die anwachſende Nachfrage nad) Bodenerzeug- 
niffen es nöthig macht, einen Theil ded Bedarfes mit immer 
größeren SKoften zu erzeugen ober aus weiterer Berne herbeizu- 
führen (5), alein die obengenannten DBerbefferungen in ber 
Erzeugungd- und Berfendungsart ($. 216 a.) unterbrechen bie 
fortfchreitende ‘Preiserhöhung der Bodenerzeugniffe nicht felten 
und bewirken nur, daß die Rente der unergiebigeren und ent⸗ 
legeneren Rändereien dem Ertrage ber befferen und näheren wenis 
ger nadjfteht als bisher (c). Die Veränderungen in den ‘Preifen 
ber Rohftoffe zufolge ber Abwechfelung guter, mittlerer und 
fchledhter Ernten und ber verfchiebenen Ausdehnung bed Begehre 
bringen Schwankungen der natürlihen und felbft der aus⸗ 
bedungenen Rente hervor. 


(a) In ſchwach bevölferten, noch nicht wohlhabenden Känbern, wo nur bie 
beften Ländereien angebaut werden, entipringt die Rente faft nur aus 
der Lage derielben und kann, weil unter ſolchen Umfländen die Forts 
fhaffungsmittel noch unvolllommen zu fein pflegen, je nach der Ents 
fernung vom Markte fehr ungleich fein. — In England madıte 1770 
die Entfernung von London großen Unterfchied, die Rente war in 
Berkſhire 19%/8, in Gumberland, defien Straßen Young als abfcheus 
lich (execrable) befchreibt, nur Pi Schill. Im Jahre 1815 fand man 
bei der amtlichen Erforſchung in Middlefer eine mittlere Rente des Acre 
von 34 Schill. (max. wegen Londons), in Leiceſter 27 Sch. (wo gar 
fein unproductives Land), in Worceſter 26, in Lancaſter 25 Schill. 
(%s der Oberfläche Gehoͤlz oder öde), in Weſtmoreland 9 Sch. 1 P. 
(min. %/; von jener Beichaffenheit). In Wales max. 19 Sch. Anglefen, 
min. 4%, Sch. Merioneth. Yearbook of. gen. inform. 1843, &. 193. — 
Caird (Engl. agric. ©. 480) giebt für das mittlere und weftliche 
Gngland 315/48, für das öftlihe und die Südküſte 23%/; Sch., max. 
Leiceſter 42, min. Durham 17 Sch. (zugleich geringfie Fruchtbarkeit). — 
In Belgien war 1846 der Durchfchnittspreis des Heft. Ader, Wiele und 
Wald im Hennegau 3688 Fr. (max.), in Luremburg 785 Fr. (min.), 


— 273 — 


im Durchſchnitt 2664 Fr. Hier verhält fi) das min. zum max. mie 
1 zu 4,7. Dieß find jedoch Durchſchnitte ganzer Bezirke. Im Ein: 
zelnen trifft man fchon in geringen Entfernungen fo große Berfchieten- 
heiten an, daß in einer einzelnen Gemeindemarkung die beſten Grund⸗ 
ftüde 3. B. 10mal foviel einbringen fönnen als die fchlechteften. Sm 
den wurtembergifhen Amts s Bezirken ift der Reinertrag des Ackerlandes 
24 fr. — 5.31 fr. (1 : 17,39%), des Reblandes 2 fl. — 12 fl. 28 fr. 
(1: 6,9), des Waldes 36 kr. — 1 fl. 40 fr. (1 : 2,7. > 

(5) Daber ſteht aud die gleichzeitige Grundrente mehrerer Gegenden oft in 
dem nämlichen Berhältnig wie die Bevölferung, doch jeigen die ftatifis _- 
fhen Zahlen Feine fehle Regel, weil aud die Bodenbeichaffenheit,, die 
Preife im Auslande ıc. mit einwirken. Beifpiele, wobei A die mittlere 
Rente vom Morgen des benupten Landes, B tie gleichzeitige Bevölfes 
rung auf der D-Meile anzeigt: 


E———— ————_ I 1 nn sed 
Rheinpreußen, 1829.| A | B | @ürtemberg.| A | B 


— — — — —ñ — — — — —e — — — — ——— 


Neg.:Bez. Trier . . . |28Sgr.|3010|) Donaukreis . |3,% fl. 3300 
ss Goblenz . .1|35 = 13860] Sartfreiis . . |3,% = |3600 
: =: Aachen . . 153 s 14760| Schwarzwaldfreis4 | |- |4800 
⸗ ⸗Koͤln.. . 166 = 15460) Nedarkreis . . |5,3 = |7200 
:e = BDüfltof .|72 = |7280 


(e) Der Bobdenertrag iſt in neuerer Seit in vielen Gegenden fehr vergrößert 
worden. In der Heidelberger Gegend 3. B. wird feit ungefähr einem 
halben Sahrhundert vom Morgen gegen !/ mehr Getreide geerntet. 
Sn England foll 1770 der Durdichnittsertrag 23, 1830 26/5 Buſh. 
Waizen geweſen und die Rente von 131/ı auf 26, Schill vom Acre 
eftiegen fein; in Lincoln wuchs fie 3fah, in Gumberland 31/4, in 
Northampton 42/ fach. Caird, Engl. agric. ©. 4 \ 


8. 221. 

Die Grundrente, ald Folge der Koftenverfchiedenheit, iſt in 
ber Natur der Erdarbeit gegründet, und mit jedem nur bie 
unterfte Gränze überfteigenden Preife der Bodenerzeugnifle ift ein 
gewiſſes Maaß der Landrente nothwendig verbunden, welches 
den Grundeignern die Mittel zu einer unproductiven Berzehrung 
darbietet. Man kann von einer hohen Grundrente nicht bie 
guten volfewirthfchaftlichen Bolgen erwarten, die den hohen Lohn 
begleiten ($. 199), denn fie fegt einen anfehnlichen Preis ber 
Rohſtoffe voraus, der den Zehrern den Anfauf erfchwert, aud) 
gelangt beim Steigen der Örundrente nicht die ganze Mehraus- 
gabe der Käufer jener Stoffe an die Brundeigner, weil ein Theil 
von ihr zur Beitreitung der Baus und Brachtfoften bei ben 
minder dankbaren Grunditüden aufgeht. Indeß reichen folgende 
Betrachtungen bin, um dad Dafein und felbft eine anfehnliche 
Höhe der Orundrente nicht als eine fchädliche Gütervertheilung 
erfcheinen zu laffen: 1) Da eine flarfe Bevölkerung die Lebens⸗ 


— 2793 — 


mittel unvermeiblich vertheuert, jo ift es noch für nüglich zu 
erachten, daß ihr Preis wenigftend für einen Theil der Laͤnde⸗ 
teien einen reinen Ueberfhuß gewährt. 2) Die Eigenthümer 
werden durch die Ausficht auf größere Rente bewogen, ihre Läns 
bereien in befleren Stand zu fegen und den landwirthichaftlichen 
Betrieb zu verbefiern, woraus ihnen auch ohne Erhöhung der 
Preiſe, zufolge des erweiterten Ertrages Gewinn erwaͤchſt. 3) Die 
Urſachen, aud denen die Yruchtpreife und die Grundrente in 
einem Lande einen hohen Betrag erreichen, bieten in den Vor⸗ 
theilen einer großen Bevölferung und eined fehr entwickelten 
Gewerbeweſens wieder manche Entfhädigung für die Aufopferung 
dar, welche den Käufern der Robftoffe auferlegt wird. 


Dritte Abtheilung. 
Die Zinsrente. 


6. 222. 


Der Eigenthümer eined Borrathed von beweglichen Gütern 
hat die Wahl, ob er denſelben als Capital anlegen oder in 
Genußmittel verwenden und für perfönlichen Vortheil verbrauchen 
will, 8. 51. Zieht er jenes vor, fo entgeht ihm für den Augen- 
bli€ der Guͤtergenuß, den er im letzteren Balle haben würbe, 
und nicht felten muß er noch die Gefahr des Verluſtes übers 
nehmen ober mancherlei Koften für die Erhaltung feines Capi⸗ 
tale aufmwenden. Sol er alfo bewogen werden, auf den gegens 
wärtigen Genuß zu verzichten, Güter überzufparen, zu fammeln 
und zu Capital zu machen, fo muß ihm nicht blos Erfaß jener 
Ausgaben, fondern auch ein Bortheil anderer Art, nämlid ein 
jährlicdyes Einfommen zufließen, welches fo lange fortdauert, als 
fein Capital. Auf diefe Weife wird das bloße Eigenthum eines 
Capitaled für den Einzelnen ebenfo wie dad Orundeigenthum 
die Duelle eined Einfommensd, welches Capitals, Sta mme 
oder Zind-Rente heißt, $. 139. 


$. 223. 


Die Capitalrente kann ebenfalls, wie die Grundrente (8. 207), 
in die natürliche und die ausbedungene getheilt werden. 


Jene ift mit dem Gewerböverbienft (8. 139) verfchmolzen und 
laͤßt fi) nur dadurch in Gedanken ausſcheiden, daß man übers 
legt, welche Rente das Capital ohne eigene Arbeit ded Eigen» 
thümer® beim Vermiethen oder Ausleihen einbringen würde. Die 
bedungene Bapitalrente erhält verfchiedene Benennungen nad) der 
Art der an andere Menfchen zur Benutzung überlafienen Capi⸗ 
tale und des hiedurch begründeten Rechtsverhaͤltniſſes (a). 

1) Die Vergütung für den geftatteten Gebrauch folcher Ges 
genftände, welche bei ihrer Anwendung nit fobald gänzlich 
verzehrt, fondern nur allmälig verfchlechtert werden, bie man alfo 
nach geendigter Benugung dem @igenthümer zurüdgiebt, ift der 
Miethzins. Er findet bei der Vermiethung ftehender Capi⸗ 
tale Statt. 

2) Die umlaufenden Capitale mit Einfhluß ded Geldes . 
fönnen nicht gebraucht werden, ohne zugleich verbraucht oder 
außgegeben zu werden (db). Bei ihnen fommt fein Bermiethen, 
fondern ein Darleihen vor, indem nicht vdiefelben Dinge, 
fondern andere gleicher Art zurüdgegeben werben. Die Ders 
gütung für eine ſolche Darleihe eines apitales heißt Zins, 
Leihzins oder Zinfen, Interefjen. Wird der Zins als 
ein Theil (Bruch) des Bapitaled gedacht, fo heißt fein Ver⸗ 
hältniß zu diefem der Zinsfuß. Er wird gewöhnlid) nad) 
Hunberttheilen des Capitales ausgebrüdt (c). 


(a) Auch Genußmittel (8. 51. 54) fönnen vermiethet werden, wie bieß 3. 2. 
bei Büchern, Zimmergeräthen, Betten, muficalifchen Inftrumenten, Klei⸗ 
bern und Wohnungen, die von Nichtproducenten (Confumenten) benußt 
werden, vorfommt. Das Darleihen ift regelmäßig nur beim Gelde 
uͤblich, wobei der Darleihende oft nicht weiß, ob der Schuldner baffelbe 
productiv (zu Gapital) oder unproductiv verwenden wird, 6. 54. Der 
Ginzelne rechnet auch die werbend angewenbeten Genußmittel au feinem 
Gapitale (6. 53. 54), ohne darauf Nüdfiht zu nehmen, daß fie im 
Sinne der Bolkswirthichaftslchre nicht zu dem Bapitale des Volkes ges 
hören. Aus dieler Urfache werden die Benennungen Miethzins, Zinten 
und Zinsfuß ohne Unterfhied von den wahren Kapitalen wie von den 
vermietheten oder dargelichenen Genußmitteln gebraudt. 


(5) Res, quae usu tolluntur vel minuuntur. L. 1. Dig. de usufr. ear. 
rer. quae usu etc. (VII, 5.). Der Begriff der fogenannten fungiblen 
Dinge (L. 2. $. 1. Dig. de rebus creditis, XII, 1) ift demnad in 
der Natur der Sache gegründet. 


(e) Benn 3. 3. 950 fl. Capital 38 fl. Zins tragen, fo ift das Verhältnig 
38 zu 950 oder 8/gso der Zinsfuß, er beträgt "/as oder 4 Proc. 


— 2831 — 


8. 224. 


Die Rente eined Eapitale® oder eined verlicehenen Genuß- 
mitteld muß vor allem die Koften und Berlufte vergüten, welche 
der Eigenthümer bei einer gewiffen Anwendung deſſelben zu 
tragen bat, fonft würde er fein bewegliched Vermögen weber 
Anderen überlafien noch felbft werbend anlegen wollen, $. 222. 
Bildet die Capitalrente ein abgelondertes Einfommen, fo muß 
jene Schabloßhaltung von der Bapitalrente abgezogen werben, 
wie namentlich beim Vermiethen oder Ausleihen. Wird dagegen 
ein Bapital in eine Gewerböunternehmung verwendet, fo gehören 
jene Abzüge zu den Betriebsfoften und werben nicht mit ber 
Gapitalrente vermengt. Die Art der zu verlangenden Vergütung 
richtet fi) nach der Benugungsweife ded Gapitaled. 1) Bei 
Gegenſtaͤnden, die beim Gebrauche nur allmälig verfchlechtert 
werden, fommen in Betradht: a) Die Koften der Erhaltung und 
Ausbeſſerung, foweit fie nicht von dem Miether getragen werben 
müflen; b) ver Erfa für die allmälige Verminderung des Wer: 
thes, wenn diefe nämlich durch die wiederholte Ausbeſſerung 
nicht verhütet werden fann (a); c) die Gefahr des Unterganges 
durch befondere, außergewöhnliche Unglüddfälle. Die Größe 
diefer Gefahr läßt fi aus der Erfahrung ermitteln. Manche 
Arten von Gefahren werden von den Berfidherungsanftalten 
gegen eine beflimmte Vergütung übernommen. Im Yale der 
wirflihen VBermiethung muß noch eine Vergütung hinzufommen 
für die Bemühung, welche mit dem Auffuchen eines Miethers, 
mit dem Ueberliefern, dem Uebernehmen nad) dem Ablaufe der 
Miethe ꝛc. verbunden if. Diefe Mühe ift um fo beträchtlicher, 
in je Heineren Abtheilungen und auf je fürzere Zeit man bie 
Gegenftände vermiethet, wie 3. B. bei Büchern, Muficalien. 
(a) Solche Dinge, bei denen man bie einzelnen ſchadhaft gewordenen Be 


ſtandtheile erſezen kann, ohne daß das Ganze Hierunter leidet, Tönnen 
eine ewige Dauer haben. Dieß ift aber nur bei wenigen Gütern der Fall. 


$. 225. 
2) Bei Darleihen fallen jene Ausgaben hinweg, weil ber 
Untergang oder die Beichädigung der geliehenen Stüde dem 
Darleiber (Zinsgläubiger) gleichgültig fein kann, woferne nur 


— 232 — 


ber Schuldner fonft noch vermögend iſt. Wäre für den Gläus 
biger vollfommene Gewißheit vorhanden, daß er ununterbrochen 
- fort die Zinfen beziehen und auf Verlangen zu jeder Zeit ben 
Stamm zurüdbezahlt erhalten werde, fo fiele bei Darleihen der 
Koftenfag ganz hinweg, außer etwa beim Ausleihen Kleiner 
Summen, wo dad Ausdgeben, Rechnen, Befcheinigen ber Zins- 
zahlung, Kündigen und Empfangen ber Hauptfumme anfehnliche 
Mühe madıt, S. 100. Wo aber jene Gewißheit fehlt und ber 
Zindgläubiger eine Gefahr übernimmt, da muß ihm diefe durch 
einen Theil der Zinfen vergütet werden, den man, wenn ed an 
einer hinreichend großen Menge von Erfahrungen nicht fehlte, 
nach der Wahrfcheinlichkeit, d. i. nach dem Verhältniffe der Vers 
luftfälle zu der ganzen Zahl von Darleihen berechnen müßte (a). 
Da man jedoch ſolche Zahlenverhältniffe nicht leicht auffinden 
fann, fo ftellt fi nur der Zins wegen der Abneigung ber 
Gapitalbefiger vor einer Gefahr in eine berfelben ungefähr ent: 
fprechende Abftufung. Die Gefahr fann bald in der ‘Berfönlichkeit 
des Schuldners, bald in der Verwendungsart der gelichenen 
Summe, bald in äußeren Umfländen, 3. 3. Kriegzeiten ıc. 
liegen (b). 


(a) Man hat diefe im Zinfe enthaltene Vergütung der Gefahr nad ber 
Analogie der BBerficherungsanftalten die Aſ Terurangprämie ge 
nannt. — De Molinari (Journ. des Econ. XXIII, 231) bemerkt, 
daß dagegen auch die Befchwerde und die Gefahren der Aufbewahrung 
fowie der Werthverringerung der Eapitale in Betradht kommen, als 
Gründe, dic den Sigenthümer geneigt machen, fi) mit geringerem Zinfe 
zu begnügen. 

(4) Storch, 11, 20. — Nebenius, Der äffentl. Eredit, I, 4. — Her 
mann, Untef. ©. 202. 


| $. 226, 

Diefe Ungleichheit der Gefahr bei Darleihen bat bemerfens- 
werthe Wirkungen. 1) Der Zinsfuß muß hoc) ftehen in Zeiten 
oder Ländern, wo bie rechtliche Ordnung noch wenig befeftiget 
ift und entweder die Gefege oder die Art ihrer Bollziehung den 
Gläubigern nicht volle Sicherheit für ihre Forderungen geben. 
Gute Rechtspflege und wohlgeordnetes Hypothekenweſen bewir⸗ 
ken, daß der Zinsfuß niedriger wird, und das Sinken deſſelben 
ſeit dem Mittelalter iſt zum Theile aus dieſer Urſache zu er- 
flären (a). 2) Er muß auch in einem und demfelben Lande und 


— 2833 — 


Zeitpumcte bei ben einzelnen Darleihen von ungleicher Größe 
fein, und zwar a) am niebrigften, wenn der Gläubiger ſich durch 
verpfändete Grundflüde oder Bauftpfänder völlig gefichert ficht, 
b) höher, wenn die Befriedigung des Gläubigers von dem Leben 
und der Handlungsweife des Schuldners bedingt ifl, c) am 
höchften, wenn ber Bläubiger die Gefahr einer gewagten Unters 
nehmung zu tragen hat, wie bei Bodmereis und Örosaventurs 
Schulden. d) Ob Regierungen mehr oder weniger Zins bezahlen 
müflen, ald bie einzelnen Bürger, dieß hängt von dem Grade 
bed Vertrauens ab, den ihre Feftigfeit, der Umfang ihrer Huͤlfs⸗ 
mittel und die an den Tag gelegte VBünctlichfeit in der Erfül- 
lung von Berbindlichfeiten zu erweden vermögen. 


(a) Hoher Zinsfuß in der Türkei, Berfien ıc., in Ehina monatlih 2—3 
Proc. — Im Mittelalter kommen zahlreiche Beifpiele von 15—20 Proc. 
vor, Rofher, Syſtem, I, 334. 


$. 227. 


Wie die biöher betrachtete Schadloshaltung bed Capital- 
befigerd ($. 224—26) die Untergränge der bedungenen Capital⸗ 
tente bildet, fo ergiebt fich aus dem Werthe der Capitalbenugung 
für den Miether oder Borger, wie viel derſelbe höchſtens für 
ben Gebrauch der ihm überlaffenen Güter zu entrichten geneigt 
ift (Obergränze, max.). Wenn das geliehene Bermögen 1) ale 
Gapital zur Betreibung von Gewerböunternehmungen dienen 
fol, fo fann ber Unternehmer vefto mehr Zins abgeben, je mehr 
ihm nad) Beftreitung der übrigen Ausgaben von dem gefamm- 
ten Erlöfe noch übrig bleibt, nur muß ihm die Gapitalrente 
immer einen ſolchen ®ewerböverbienft übrig laffen, der ihn zur 
Fortfegung der Unternehmung ermuntert. Die Einträglidjfeit 
der Unternehmungen beftimmt daher das höchfte Maaß ber Zinfen. 
Iſt Schon ein großes Kapital in die Gewerbe eined Landes vers 
wendet, find die einträglichften Unternehmungen ſchon vollftändig 
in Gang gefommen, fo giebt die Anlegung weiterer Gapitale 
geringere Gewinnfte, die Unternehmer können auch nur geringere 
Zinfen dafür anbieten und es muß dadurch ber Zinsfuß im All⸗ 
gemeinen erniebrigt werben. Se mehr inöbefonbere der Kohn der 
Arbeiter von dem Gewerbsertrage binwegnimmt, deſto Fleiner 
fallen die Antheile der Gapitaliften und Unternehmer aus, 


— 234 — 


8. 188. — Inzwiſchen geben bisweilen erhebliche Yortfchritte 
in ber Gewerböfunft, 3.3. im Mafchinenwefen oder im Handel, 
audy bei capitalzeihen Völfern zu fehr belohnenden Unternehs 
mungen Anlaß. 2) Bei Genußmitteln entfcheidet dad Bebürfs 
niß und bie Werthfchägung besjenigen, der fie miethen ober 
borgen will. Die hoͤchſte Zinsrente kann von Perfonen ent 
richtet werben, die eine Art von Gütern zur Beftreitung eined 
dringenden Beduͤrfniſſes zu erlangen fuchen. 


$. 228. 


Wie weit die Zindrente jenen Koftenerfat (die Schadloshal⸗ 
tung) überfteigen müffe, um den Eigenthümer zu bewegen, baß 
er feinem beweglichen Dermögen eine werbende Verwendung 
gebe ($. 222), läßt ſich im Allgemeinen nicht beftimmen (a). 
Die Gewohnheit hat hierauf ſtarken Einfluß und die Mehrzahl 
ber apitaliften begnügt fi) mit dem üblichen Betrage der Zins⸗ 
rente, wie ihn das jedesmalige Mitwerben feftftellt, während 
nur ein Fleiner Theil von ihnen bei fehr niedrigem Stande ders 
jelben in Verſuchung geräth, die Rente ganz aufzuopfern und 
dafür dad Vermögen zu eigenem Genuß zu verwenden. Hiezu 
fommt, daß man nicht allein ber Zinfen wegen, fondern aud) 
bazu fpart, um in dem gefammelten Vermögen eine Hülfe zu 
mandherlei Zweden, 3. B. einen Nothpfennig, zu befigen (d). 
Der Antrieb zum Ueberfparen neuer Bapitale pflegt aber aller» 
dings defto ftärfer zu fein, je höher die Zinsrente fteigt. 


(a) Dielen Diehrertrag der Gapitalrente über den Koftenerfab nennt Hers 
mann (Unter. ©. 202) im engeren Sinne Zins — Aus obigem 
Grunde erklärt Senior die Gapitalrente als den Lohn der Enthalt⸗ 
famfeit Les Gapitaliften. 

(5) In den vereinigten Niederlanden begnügte man fi im vorigen Jahrs 
hundert mit 2—3 Proc. — v. Schröder, Fürfll. Schatz⸗ und Ötent- 
fammer, 226. — Smith, Unterf. 1, 142. — Auch in Spanien liehen 
Privaten gerne für 2—3 Proc. der Gefellihaft los Gremios, Bour: 
—28 N, Reiſe a. d. Franz I, 248. — Vgl. Rau, zu Storch, 

u. 97. 


$. 229. 


Der Miethzind wird zunächft von dem jedeömaligen Anger 
bote und Begehre jeder befonderen Art wermietheter Gegenftände 
beftiimmt. In einem einzelnen Zeitpuncte kann ed geichehen, 
bag einige vermiethete Dinge eine hohe, andere eine niedrige, 


— 1 — 


Rente abwerfen. Da jedoch dieſelben fuͤr Geld angeſchafft und 
verkauft werden koͤnnen, fo muß das Angebot ſich nach Maaß⸗ 
gabe des höheren oder niedrigeren Miethzinſes in Kurzem erwei⸗ 
tern oder verengern, und fo ftellt fi auch bier allmälig das 
Gleichgewicht dergeftalt ber, daß nach Abzug der Koften überall 
ein gleiched reines Einkommen von der Zinsrente übrig bleibt. 
Manche Umftände Fönnen diefe Veraͤnderung des Angebotes 
mehr oder weniger erfchweren, im Allgemeinen aber muß der bei. 
Gelddarleihen ftattfindende Zindfuß den Ertrag aller anderer 
Arten verliehener Güter regeln (a). 


(a) Der Mietbzins von Häufern insbefondere fann da, wo nod Raum für 
neue Bauten ift, nicht viel über diefen Sag fleigen, weil man fonft 
fi) beeifern würte, neue Gebäude aufzuführen oder doch die alten zu 
erweitern und zu erhöhen; aber er kann beträchtlich tiefer finten. 
Storch, I, 232. Dagegen muß ber Preis der Häufer in Städten, 
wo es an wohlgelegenen Bauplägen gebridht, in den gefuchten Lagen 
fleigen, und umgekehrt an foldhen Orten finfen, wo ber Begehr von 
Wohnungen fi ſtark vermindert hat, fo daB der jedesmalige Preis, 
von den Baufoften abweichend, doch zu dem Miethertrage ungefähr in 
demjelben Verhaͤltniß fleht, wie ein geliehenes Capital zu dem Zinfe. 
Wo die Miethe mehr einträgt, als ven Zins der Baufoften, da drüdt 
fih tiefer Vorzug der Lage eines Haufes ın der Rente und dem Preiſe 
des Bauplatzes aus, III, 6. 345. Im der Gegend bes Palais-royal 
zu Paris bezahlt man tie Q.Toiſe Bauplap (44,4 bad. Q.Fuß) mit 
2500 und mehr Franken, in Mancheſter und Liverpool geht der Preis 
des D,Dard (9,29 Q.Fuß) bis auf 40 8. St., Roſcher, I, 280. 


$. 230. 


Der Zinsfuß von Gelddarleihen wird innerhalb der vorhin 
($. 225. 226) betrachteten Graͤnzen zu jeder Zeit und in jedem 
Lande durch das BVerhältnig zwifchen dem Angebote und Bes 
gehre von Bapitalen geregelt. Nachdem das Geld völlig in den 
Verkehr eingedrungen ift, werden alle Gapitale nur in Geldform 
audgelicehen und zurüdgezahlt, daher befteht dad Angebot zus 
nächft in der Menge verleihbarer Geldfummen und man fommt 
hiedurch leicht in Verſuchung, die legteren ſchon für fih allein 
al8 die wahren Capitale anzufehen (a), obgleich offenbar bei 
jener Verwendung das Geldcapital erft in eine andere Art von 
Eapitaltheilen umgefegt werden muß. ine Geldfumme ift dann 
verleihbar, wenn der Befiger ihrer nicht zu nothwendigen Aus» 
gaben bedarf. Es iſt aber erft zu unterfuchen, ob jede verleih- 
bare Geldſumme einen im Lande vorhandenen Vorrath von bes 
weglichen Productionsmitteln, d. h. von anderen, unmittelbar 


— 286 — 


wirkenden Capitalen anzeige. Eine Geldſumme fann ſich auf 
verſchiedenen Wegen bilden. 1) Sie wird aus einem Einkom⸗ 
men übergefpart,$. 133. Da die meiften Einkuͤnfte unmittelbar oder 
mittelbar aus der Erzeugung neuer Güter herrühren, fo ift eine 
erfparte Summe in der Regel ein Zeichen vom Dafein einer Mafle 
neu hervorgebrachter Güter irgend einer Art (6). 2) Sie ift der 
Erfag eined fchon vorhanden geweſenen Gütervorrathes, und 
zwar a) eined in einem Gewerbe aufgewendeten Gapitaled. If 
ed ein hervorbringendes Gewerbe, fo erfolgt dieſer Erfag un- 
mittelbar aus dem Gelderlöfe für ein neues Oütererzeugniß; ift 
die Unternehmung nicht felbft productiv, fo muß man dody an⸗ 
nehmen, daß ihr Geldertrag aus dem Kinfommen herfließe, 
welches die &ütererzeugung den bei ihr betheiligten Perſonen 
gewährt. b) Die Gelbeinnahme fann aber auch ohne Gewerbe» 
betrieb daraus entflehen, daß ältere Vermoͤgenstheile gegenein- 
ander umgewechfelt werden, 3. B. aus dem Berfaufe von Grund⸗ 
ftüdfen, Gebäuden, Rechten, Genußmitteln, Schuldurfunden, ferner 
aus der Einziehung ausftehender Forderungen. Eine auf dieſe 
Weife eingenommene Geldſumme beweift offenbar nicht das Vor⸗ 
handenſein einer Fäuflichen Menge beweglicher, ald Kapital brauch⸗ 
barer Dinge von gleichen Preisbetrage, e8 muß vielmehr ange⸗ 
nommen werden, daß irgend eine andere Perſon gerade um fo viel 
weniger audzuleihen hat, indem von ihr die Geldſumme zu dem 
Ankaufe ıc. bergegeben worden ift. Die zu dieſer Abtheilung 
(2b) gehörenden verleihbaren Summen bilden folglid Fein 
wahres auf den Zindfuß wirfendes Gapitalangebot. 3) Bei 
Geldzuflüffen vom Auslande ift es gleichfalls einleuchtend, daß 
fie feine Bermehrung anderer Sachguͤter andeuten. 

Welchen Theil der verleihbaren Gapitale die Befiger felbft 
werbend anwenden, bieß ift in Hinſicht auf ben Zins ziemlich 
unerheblich, denn je häufiger die Gapitaliften felbft als Unter⸗ 
nehmer auftreten, defto mehr vermindert fidy die Gelegenheit zu 
Gewerbögefchäften anderer PBerfonen und damit zugleich der Ber 
gehr von Darleihen. 


(a) So nennt Steuart (1, 119), wie viele andere nah ihm, die Zinfen 
„den Breis des Geldes." Auch Verri (Mediationi 6. XIV) fpridt 
diefen Irrthum deutlih aus, und ebenfo Genoveſi (LI, 24047), 
der fogar Hume zu widerlegen ſucht. Im gemeinen Leben fagt man 
Öfters, das Geld fei wohlfeil, um damit den niedrigen Zinefuß zu bes 


— 237 — 


‘ 


zeichnen. — Die ganze Menge ber ausftehenben verzinslichen Korberuns 

en ($. 54) dürfte noch weniger für das Angebot von Capitalen ge- 
Balten werden, denn der Schuldner ift großentheild gar nicht mehr im 
Befige eines entiprechenden Eapitales, wie 3. B. bei vielen Unterpfand: 
ſchulden, oder befigt wenigftens nur ein hinreichend großes ſtehendes 
Capital, welches nicht zurüdgezogen werden kann. Wird tem Schuld⸗ 
ner gefündiget, fo muß er einen anderen Darleiher oder einen Käufer 
feines Bermögens aufluchen, oder ein umlaufendes Capital zurüdzichen, 
es entiteht alio mit dem Angebot der Leihfumme durch den fündigenden 
Glaͤubiger zugleid ein neuer Begehr auf Seite des Schuldners, wo⸗ 
durch die Wirkung tes erfteren wieder aufgehoben wird. 


(5) Wenn ein Theilnehmer an der Production einer Quantität von Waaren 
A 1000 fl. zurüdlegt und als Capital verwendet, fo kauft er freilid 
nicht gerade damit diefe Güter A, fondern andere B, C sc., wie es feine 
Gewerbszwecke mit fidh bringen. 


$. 231. 


Der Begehr von verleihbaren Capitalen beftimmt fich 1) bei 
ber werbenden Anmendung bderfelben nad) der Menge der ſich 
barbietenden Gelegenheiten zu einträglichen Unternehmungen (a). 
Wieviel Capital in den productiven Gewerben nod) neu anges 
legt werben fann, dieß hängt davon ab, welche Erweiterungen 
die Stoffarbeiten und der Handel zulaffen. Die Umftände, von 
denen die Gründung neuer Unternehmungen fo wie die Aus 
behnung der ſchon beftehenden hauptfächlich begünftigt wird (d), 
find a) die Menge und Fruchtbarkeit ded zum Anbau taug- 
lihen und noch nidt vollfommen benugten Bodend, an dem 
befonderd neu und ſchwach bevölferte Länder Ueberfluß haben, 
und der Borrath von Naturerzeugnifien, 3. B. Erzen oder Stein» 
fohlen; b) die Menge guter Arbeiter; c) die Gefchidlichfeit und 
der Eifer der Unternehmer. Vorzüglich in ihnen lebt die einem 
Lunde eigen gewordene Gewerböfunft, deren Ausbildung mehr 
und mehr Gapitale in die Gewerbe zieht, theild um die Erzeugung 
zu vergrößern, theils um diefelbe mit dem Beiftande ftehender 
Hülfsmittel wohlfeiler zu bewirken; d) die Leichtigfeit des Ab- 
fage8, wozu die guten Fortfchaffungsmittel, die Verbindungen 
mit dem Auslande (c), die gute Vertheilung des Guͤtererzeug⸗ 
niſſes unter bie verfchiedenen Volksclaſſen, die Neigung ber 
Bürger zu mandjerlei Verzehrungen ıc. beitragen. 

(a) Bei der eigenen Anwendung eines Capitales muß bem ‚Bigenthümer 
außer feinen übrigen Einnahmen wenigftens foviel @apitalrente zu: 


fallen, als er beim Ausleihen erhielte, denn fonft würde er letzteres 
vorziehen. 


— 288 — 


(5) Der Einfluß der Regierungsmaaßregeln, die den Gegenſtand bes 2ten 
Bandes bilden, bleibt hier noch unberüdfichtiget, fonft wäre der Schuß 
und bie Freiheit der Gewerbsunternehmungen und dergl. anzuführen. 


(e) Der auswärtige Handel ift der Ausdehnung einzelner Productionszweige 
vorzüglich förderlich, da er einen weit über die Graͤnzen der inländifchen 
Confumtion hinausgehenden Markt eröffnet. 


$. 232. 


2) Summen, die zu einem nicht werbenden Gebrauche bar- 
geliehen werden, hören in den Händen ber Schuldner auf, Ca⸗ 
pitale zu fein, nehmen aber biöweilen diefe Eigenfchaft wieder 
an, wenn fie an einen andern Beliter gelangt find, ber fie al 
Ermwerbömittel benugt. Diefer Umftand ift jedoh in Hinficht 
auf die Wirfung des Begehrs gleichgültig. Diefer richtet fich 
nad) der Häufigkeit des Beduͤrfniſſes folcher Darleihen ($. 227 
Nr. 2), fowohl von den Regierungen ald von Privatperfonen 
und ift je nad) den Zeitumftänden fehr ungleich, wie ihn 3. 2. 
Mißjahre und andere Unglüdsfälle vergrößern. In den erften 
Perioden der gefelligen Ausbildung müffen Darleihen diefer Art 
bie gewöhnlichen geweſen fein, und in allen Zeiten fommen fie 
neben ben übrigen häufig vor. Das Unterfcheidende liegt darin, 
daß derjenige, weldyer zu borgen fucht, um ein dringended Bes 
dürfniß zu befriedigen oder eine unverfchieblihe-Audgabe zu bes 
ftreiten, fich durch die Forderung eines fehr hohen Zinſes nicht 
abhalten läßt, den Vertrag einzugehen, während derjenige, der 
nur borgen will, um Gewinn zu machen, in einem folchen Falle 
von dem Begehre zurüdtreten würde. Bei ſchwachem Angebote 
von Eapitalen fann daher in Darleihen jener Art der Zins eine 
Höhe erreichen, zu der ihn die Einträglichfeit der Unternehmuns 
gen nicht leicht zu bringen vermoͤchte. Die Erfahrung zeigt, 
daß in einzelnen Fällen die Beprängten auch bei guter Sichers 
heit Zinfen von einer faft unerfchwinglichen Höhe geben müffen, 
zumal da die meiften Begüterten es verfchmähen, ihr Ber: 
mögen in Eleinen Summen auszuleihen und auf die Bermögens- 
‚umftände ihrer Schuldner fortwährend forgfältig Acht zu geben, 
wie fie es thun müßten, um nicht Gefahr zu laufen (a). 


(a) Sane vetus urbi foenebre malum et seditionum discordiarumque cre- 
berrims causa, Tacit. A. VI, 16. Die Zwölf: Tafelgefepe erlaubten 
öchftens das unciarium foenus, d. h. !/ıs oder 81/s Nrocent für das 

F von 10 Monaten, alſo 10 Proc. für ein volles Jahr. Nach ten 
Belegen der Hindus durften Braminen nicht über 2, Soldaten 3, 


— 289 — 


Kaufleute A, andere Claſſen nicht über 5 Proc. monailich fordern; 
hieraus ift zu fchließen, daß Zinfen über 60 Proc. vorgefommen was 
ten, Müller, Ratio et historia odii quo foenus habitum est. Gött, 
1821. ©. 9. gl. Smith, Unterf. I, 147. — Ueberaus hohe Binfen 
werden durch die Kleinheit der Summe und die Kürze ter Friſt noch 
einigermaßen erträglih. Gin Mann in London borgte 5 Schill. aus 
Noth für Y Schill. täglich und entrichtete diefen Zins von 10 Broc. 
30 Tage hindurch, bis er die Schuld abfragen fonnte! Auch Obſt⸗ 
und Gemüfehändler in London bezahlen wohl 3—4 Schill. Wochenzins 
für das 2. St. (15—20 Proc. wöhentlih). Mayhew, London la- 
bour, I, 29. 


6. 232.8. 


Der Zinsfuß ift daher auch bei voller Sicherheit in ſolchen 
Ländern oder Zeiten hoch, wo die Menge von Capital im Bers 
hältniß zu den vorhandenen Gewerbögelegenheiten unzureichend 
erfcheint, zumal da in folchen Bällen die großen Gewinnfte der 
Unternehmer ($. 227) den Begehr von Gapital verftärfen (a). 
Diefe Umftände finden fi 1) fortwährend in Rändern, deren 
Gewerbfleiß noch ſchwach ift oder fich wenigftend noch in der 
erften rafchen Entwidlung befindet, wo noch viele Zweige ber 
Hervorbringung unbenugt liegen und die Bülle der Kräfte von 
dem anwachſenden Gapitale nicht fohnell genug befchäftiget wer⸗ 
den fann (6); 2) vorübergehend auch in den Ländern von 
älterem, ausgebildeterem Gewerbewefen, wenn bie Umftände ents 
weber eine Verminderung bed gejammten Capitaled, ober eine 
befonderd erhebliche Bervollfommnung der Gewerbe ($. 227) 
herbeiführen (c). Auch zwifchen einzelnen Gegenden eined Landes 
finden im Begehre und Angebote von Gapitalen Berfchiebens. 
heiten ftatt, die fich im Zindfuß bemerklich machen (d). 

(a) Ricardo (21. Ir glaubt, nur die Erhöhung des Lohnes wegen 
ber Junepmenden Koftbarfeit des Unterhaltes fönne bei dem Anwachſe 
des GBapitales die Bapitalgewinnfte erniedrigen, denn wo jene Schwie- ' 
rigfeit nicht vorhanden fei, da könne jedes neue Eapital gut angewendet 
werden, weil bei einer gleichmäßigen Ausdehnung aller Productions: 
weige immer das ganze Erzeugniß Abſatz finden Tann, indem die eine 

aare die Mittel zum Ankauf der anderen bdarbiete. Allein das Ca⸗ 
ital ift nur eine der Productionsbedingungen und feine Wirkungen 
nd ſehr ungleich. 

(d) In Rußland beträgt der Zinsfuß 8— 10 Procent (Storch, II, 29), 
in Sübrußland 10—12, in Nordamerica 10—12 (der gefegliche Zins⸗ 
fuß geht in den neuen Staaten der Union bie 10 Proc., in mehreren 
—Y Staaten beſteht keine geſetzliche Beſtimmung, Chevalier, 
Briefe, I, 71), in Brafllin 12 Proc. (Spix und Martius, Keiſe, 
I, 131), fo aud in Serbien, in Benezuela 12—18, in Albanien 12— 24, 


in Griechenland bei guter Sicherheit 15—16, in der Türkei 18—24 
Rau, polit. Delon. L 7. Ausg. 19 


— 2% — 


Proc. (Griſeb ach, Reiſe d. Rumelien, 1839, I, 184). — In Potoſi 
lieb & Temple 1726 zu 30 Proc. gegen ſichere Fauſtpyfaͤnder, es 
waren ihm ſogat 4 Proc. monatlich geboten (Berghaus, Annalen, 
April 1831, S. 73), auch in Mexico erhaͤlt man 36 Proc. — In 
Galifornien fonnte man um das Jahr 1853 auch bei guter Sicherheit 
3—4 Broc. monatlih erhalten, wozu befonders die großen Gewinnſte 
an dem Anfaufe der Baupläße (lots) beitrugen. 

() Smith, 1, 136 ff. — Lotz, Hand. I, 480. — In England flieg 
nach dem Yrieten von 1763 der Zinsfuß, weil bie neuen (öriwerbungen 
in America den Begehr von Bapitalien erweiterten. — Bin merfwürdiges 
Beifpiel gab 1846 das Steigen des Zinsfußes und das Sinfen des 
Preifes der Actien und Staatsfchuldbriefe in Curopa wegen des durch 
bie Gifenbahnbauten gefteigerten Begehre, weil man mehr Gapital auf 
diefe Anlagen verwendete, als die neuen Erſparniſſe betrugen. Die 
europäiichen Bifenbahnen haben bis 1855 über 4200 Mill. fl. gefoftet. 

(d) In Paris konnte man früherhin nur zu 21/%—3 Proc. Capitale ficher 
anlegen, während in den Departements der Zins viel höher, meiſtens 
5, öfters 6 und ſelbſt S—10 Proc. war, weshalb viele Gapitale aus 
der Hauptftabt in die Provinzen gefendet wurden. Dieß wird durch bie 
neuerlihen GBrfundigungen zum Behufe der Verfammlung der @ewerbe: 
räthe im Jahre 1846 beftätigt, Moniteur, 1846. Mr. 12. Auch neuerlich 
find Darleihen auf Unterpfand nicht unter 6—T, und mit den Neben: 
foften 9—10 Proc. zu haben, Kleine Gewerbeleute müflen 9—20 Bror. 
geben. Coquelin in Journ. des Econ. Dec. 1851, ©. 365. 


$. 233. 

Der Zinsfuß iſt dagegen niebrig 1) bei hohem Wohlftande, 
wo das Capital fich beträchtlich fchneller vermehrt hat als die 
Volksmenge (8. 196), wo alle nüglichen Gewerböunternehmungen 
fi) fchon mit Capital gefättiget haben und deßhalb das große 
Mitwerben aller Arten von Waaren die Preife ven Koften nähert, 
fo daß die Gewinnfte erniedrigt werben.” Man hat nicht zu 
befürchten, daß unter diefen Umftänten das Capital des Volkes 
nicht mehr wachen Fönne, denn nicht allein die @apitaliften und 
Unternehmer, fondern auch die Arbeiter und die Grundeigner 
vermögen bafjelbe durch ihre Erfparniffe zu vergrößern und 
unter den vorerwähnten Umftänden pflegen Lohn und Grunbrente 
anfehnlidy hoch zu fein. Die Kortfchritte des allgemeinen Reich» 
thums führen daher zu einer Verringerung bed Zindfußes (a); 
2) wenn bie Nachfrage nad) Eapitalen ober die Gelegenheit ihrer 
vortheilhaften Verwendung fi vermindert. Diefer Umſtand 
fönnte auch bei gleichem oder fogar verringertem Gapitalvorrathe 
ein Herabgehen des Zinsfußes verurfachen, aber die Stodung 
ber Gewerbe, die Dabei vorausgefept werben muß, wirb in einem 
gut regierten Staate nur ald vorübergehende Folge ungünftiger 
Ereigniffe erfheinen (2). 


— 91 — 


@ Gs erflärt ſich Hieraus, daß gewöhnlich Arbeitslohn und Gapitaltente 
fi nad) entgegengefepten Richtungen ändern; jener fleigt, wenn biefe 
finkt ıc. Daß beibe jugleid; body ftehen, if feltener der Gall. Smith 
Unterf. I, 143. — Der niedrige Zinsfußi in einem Theile des Schwarze 
waldes, 3. B. im Schavpacher Thale bei Wolfah, wo er 3—4 Proc., 
ja bisweilen nur 2,7 beträgt, rührt einerfeit6 von dem Reichthunne der 
Bauern zufolge des vortkeifgaften ‚Holzabfaßes, andererſeits von dem 
mangelnden Unternehmungseifer ber. 

(&) 3. 8. durd die ſchweren Kriege Napoleons. — Gioja N. Prosp. III, 
183. — Gay, Handbud, IV, 174. 


8. 234. 


Niedriger Zinsfuß zeigt folglich in ber Regel und für die 
Dauer an, daß das Volksvermögen fortwährend im Steigen 
begriffen und zugleich die aus der rechtlichen Ordnung hervors 
gehende Sicherheit genügend iſt (a), Außert aber auch für fi 
ſelbſt wieder günflige Folgen für bie Betriebfamfeit, weil er die 
nügliche Anwendung ber Gapitale erleichtert. Mandye Erweis 
terung und Bervollfommmung ber hervorbringenden Gewerbe, 
die bei einem Zinsfuße von 5—6 Proc. unterbliebe, Tann 
dann unternommen werben, wenn biefer auf 4 oder 3 Procent 
herabſinkt, weil dann der Unternehmer noch einen belohnenden 
Gewinn übrig behält (b). Wie nun bei jedem Sinken bes 
Zinsfußes die Nachfrage nach den wohlfeiler gewordenen Dar 
leihen fi) erweitert, fo muß dadurch nothwendig ein ferneres 
Herabgehen des erfteren verhindert werben. Daher kann dieſes 
Sinfen nur fehr almälig erfolgen (ec). 

D k IC liche Grnicdrii 
© bean Cnglans ner dem Sur Sie Borcumen, Selten Lupe 

—8 fo l̃t fl .. vn —* auf die — den liegen 

Jene änderten fie mei VIIL verbot, über 10 Proc. zu 

nehmen, ER L RN 1625 nur 8 Proc., Karl II. 1650 nur 6, 

Anna nur 4 Brocent; Gteuart, Seamäge u, 126. Smith, I, 

138. — In Frankreich war der gefepliche Zinsfuß zu Anfang fe 

16, Jahrh. 10 Bror., feit 1567 sh jeit 1601 6%, 1634 5'/s, 1665 

5 Bror., Rofcher, I, 336. 

(6) Die franzoͤſiſchen Gewerbsleute bettachten den niedrigen ginsfuß in 
England und Belgien als eine der ürfachen weiche ihnen das Mit, 
werben mit den Wabrifen biefer Länder erichweren, Enquöte comm. de 
1834 an vielen Stellen, 3. 3. IIL 175. 


($ Während z. 8. die Gayitale ſich von 100 auf 125 Mil., alfo im 
Verhaͤltniß 4 : 5 vermehren, wird der Zins vielleicht nur von 5 an 
4a Proc. finten, fo daß bie ganze Zinsrente fi von 5 Mil. 
5625000 erhebt. 

19% 


— 232 — 


$. 235. 


Durch dieſes Tangfame Abnehmen bed Zinsfußes wird der 
Nachtheil diefer Veränderung für die Capitaliften fehr gemilbert. 
Diejenigen, welche einer nüslichen Thätigfeit fähig find, können 
in die Elaffe der Unternehmer oder Dienftleiftenden übergehen 
und fih auf dieſe Weife ein zweites Einkommen verfchaffen. 
Nur diejenigen Bamilien, welchen feine anderen Erwerbswege 
offen fiehen und welche bisher in ihren Zinfen gerade nur ihr 
Ausfommen erhielten, find zu Einfchränfungen oder felbft zu 
Entbehrungen gezwungen, wie denn überhaupt in ber Volks⸗ 
wirthichaft von Zeit zu Zeit einzelne, zum Glüde vorübergehende 
und nicht weit un fich greifende Mißverhältniffe unvermeidlich 
zum Borfchein fommen (a). Im Ganzen ift bei einer in ben 
volföwirthfchaftlichen Verhältniffen, ohne befondere Einmifhung 
ber Regierung, begründeten Erniedrigung des Zinsfußes nicht 
zu beiorgen, daß man weniger Neigung haben werde Capital 
zu erfparen, da bie Sicherheit und bie Leichtigkeit einer ben 
individuellen Umftänden des Eigenthümers vollfommen ents 
fprechenden Anlegung auch wieder eine flärfere Aufmunterung 
dazu geben (b). - 

(a) VBgl. Stord, II, 33. Bei lebhaftem Geldverkehre kommt aud ein 

erade dieſer Claſſe dienliches Mittel auf, nämlich die Leibrenten. 

Der Gapitalift verfchafft fih dadurd eine Zinsrente, die den gewoͤhn⸗ 

lihen Zinsfuß deko mehr überfleigt, je bejahrter er iſt; dagegen vers 

fällt nad feinem Tode das Capital dem bisherigen Rentenfchulbner, 
weßhalb allerdings diefes Hülfsmittel für die Familien der Gapitaliften 

fehr nadıtheilig wirft, II, $. 368. 

(6) ©. auch $. 199.220. — Die entgegengeichte Meinung, ar die Höhe 
des Zinsfußes ein Zeichen von der Wohlfahrt und ben Kortfchritten 
des Reichthums und der Bivilifation fei, in Considerations on the ac- 
cumulation of capital and ‚its effects on exchangeable value. London, 
1822, und Edinb. Rev. March 1824. S. 1—31; ähnlich urtheilt 
M' Culloch, Grund. ©. 82. — 88 widerflreitet der Geſchichte, das 
Beifpiel Hollande gum Belege jener auffallenden Behauptung anzuführen 
und den Verfall diefes Staates aus dem niedrigen Zinsfuße abzuleiten. 
Sn Eadir wie in Frankreich bemerkte man, as erade hoher Zinsfug 
den Lurus nährte und vom Sparen abhielt, während in Holland die 
Sparfamfeit ungeachtet der niedrigen Zinfen nicht abnahm. Sismonde 
Bich. comm. I, 66. 


$. 236. 


. Die inige Meinung, baß der Zinsfuß fallen müffe, wenn 
bie Geldinenge eined Landes fich vermehrt, entftand daraus, daß 
man fonft Geld und Capital für gleichbedeutend anfah. Da 


— 293 — 


dad Geld nicht felbft zur Hervorbringung beiträgt, fondern in 
andere Güter umgejegt werben muß, fo wird der Werth eines 
in Geldform gefammelten Eapitaled von der Menge der dafür 
einzutaufchenden anderen Gapitaltheile beftimmt ($. 64) und ver: 
ändert fich mit den Preiſen jener anderen Güter. Das Angebot 
von Eapitalen ift dann groß, wenn die zum Berleihen barges 
botenen Geldfummen den Borgenden eine große Duantität von 
Stoffen, Unterhaltsmitteln der Arbeiter u. dgl. zur Verfügung 
ftellen, $. 230. Nun ift offenbar das Geld, aus welchem Stoffe 
ed auch beftehen mag, fo wie andere in den Verfehr tretenbe 
Güter den Gefegen des Preifes unterworfen, es wirb folglich 
wohlfeiler, wenn feine Menge zunimmt und wenn ber ganze Zus 
wachs auf dem. Markte erfcheint, um den Begehr von Waaren und 
Arbeitern zu vergrößern, während die Maffe beider fich gleich bleibt, 
$. 268. Sobald aber diefe Gegenftände im Preife gegen das 
Geld geftiegen find, fo bedarf jeder Borgende einer größeren Geld» 
fumme, um noch eben fo viel auszurichten, als zuvor; ber Begehr 
von Gelbdarleihen hat fich gleichmäßig mit dem Angebote derfelben 
vergrößert, das für Geld zu erfaufende Capital ift im Ganzen 
noch baflelbe, der Zinsfuß kann fi alfo nicht vermindern (a). 
(a) Dielen wichtigen Sag hat wert Hume überzeugend entwidelt, Bolit. 
Verſuche, 4. Abb. — Vgl. Smith, I, 9. Bay. — Ginen auffallenden 
Beweis bildet der Hohe Zinsfuß in dem goldreihen Galifornien, $. 232 a. 
Eine Ausnahme hat Hume felbft angegeben. Sie beruht darauf, daß 
unmittelbar nad) einer flarfen Vermehrung des Geldvorrathes, noch che 
berfelbe häufig zu Ginfäufen verwendet worden ift, che folglid bie 
Preife der Guͤter ganz auf ihre nachherige Höhe gefleigert worden find, 

das größere Angebot von auszuleihenden Summen den Zins erniebrigen 
fann. Diefe Wirkung fann aber nicht dauernd fein, es wäre denn, 
daß durch die größere Lebhaftigfeit des Büterumlaufes die Production 
und dadurch auch das wahre Bapital vergrößert würde. In Rom ſank 

der Zinsfuß, ald Auguſt große Summen aus Aegypten dahin brachte, 
und die Srundfläde fliegen im Breife. Sueton. Aug. 41. Der Zins 

bob ſich aber auch bald wieder, er war unter Tiberius 6 Proc., wie 
früher, f. die Nachweifungen bei Hume a. a. D. — Ein ähnliches 
Verhaͤltniß findet bei dem Dieconto von Wechſeln Statt, der zwar wie 
eine Zinsrente betrachtet werben fann, aber doch darum von dem augen» 
blilihen Geldvorrathe einer Stadt abhängt, weil der Bedarf von 
Summen zu diefem Behufe auf das fchnellfie befriediget werden muß 
und oft wechſelt, $.288. — Faͤnde der Geldzuwachs andere Verwendungen, 

* B. beim Ausleihen im Auslande, bei der Verarbeitung zu anderen 
ingen, zur Befriedigung eines agleichgeitigen Geltbebärfnihes u. dgl., 


fo träte zwar feine Erhöhung der Waarenpreife, aber auch feine bauernde 
Erniedrigung des Zinsfußes ein, Hermann, Untef. ©. 219. 


— MM — 
Vierte Abtheilung. 
Der Gewerbsverdienſt. 


$. 237, 


Der Unternehmer eines Gewerbes empfängt den gefammten 
(rohen) Ertrag befielben, welcher aus dem Erloͤſe für bie vers 
fauften Gegenftände und ben für bie eigene Berzehrung zurüd- 
behaltenen Gütern befteht, $. 70. Bon dieſem Ertrage hat ber 
Unternehmer benjenigen Perfonen, die ihm bei dem Gewerbe 
beiftanden, die ausbedungenen Antheile an Grund» und Capitals 
tente und Arbeitslohn zu entrichten, ferner bie Anſchaffungs⸗ 
foften ber zum Gewerböbetriebe erforderlichen ®üter zu: bezahlen, 
in fo ferne nicht der eine oder andere dieſer Antheile ihm felbft 
gebührt (a). Was ihm nad) Abzug aller diefer Ausgaben (Ges 
werbsfoften) als Belohnung für die Befchwerben, Mühen und 
Gefahren feiner Unternehmung übrig bleibt, ift der Gewerbs⸗ 
verbienft ($. 139), profit de Pentrepreneur, nicht ganz ans 
gemefien (5) Gewerbs⸗ oder Unternehmegewinn ge 
nannt (c). Bei diefem Einfommen fann fein vertragsmaͤßiges 
Ausbedingen vorfommen, wie bei den drei anderen Zweigen der 
Einfünfte, weil ed unmittelbar von dem Erfolge der Unternebs 
mungen und dem Betrage der aufgewendeten Gewerböfoften bes 
flimmt wird. Deßhalb ift auch die Größe dieſes Einkommens 
ber Gewerböleute (Unternehmer) anderen Berfonen am wenigften 
befannt und kann nur aus verfchiedenen Kennzeichen annähernd 
vermuthet werben (d). Der Gewerböverdienft ift aber nothwendig, 
denn wenn er fehlte, fo würden die Unternehmungen aufhören, 
nur etwa ſolche einfache auögenommen, zu denen ſich einzelne 
Arbeiter entfchlöffen, um fortwährend in ihrer Beichäftigung 
bleiben zu können, oder einzelne Grunds und apitalbefiger, 
um ſich den Bezug einer gewiflen Rente zu fichern. Die Folge 
wäre eine-folche Stodung ber Hervorbringung, baß entweber 
dad Steigen ber Waarenpreife oder die Abnahme der Grund⸗ 
vente, der Gapitalrente und des Arbeitslohns bald ven Unter: 
nehmern wieder die erforderliche Vergütung verfchaffte. 


(a) Wie der Unternehmer in diefem Falle, wo das Bapital, oder das Grund⸗ 
ftüd ihm eigen gehört, rechnen muß, f. 6. 166. Es ift felten, daß 
nicht wenigflens ein Theil des Eapitales ihm angehört, weßhalb man 
gemeiniglid annimmt, Gewerbeverdienſt und Gapitalzins fliege in eine 


— 295 — 


und biefelbe Hand. Beide zufammen bilden in diefem alle das ganze 
Gewerbseinfommen des Unternehmers, III, $. 358. 

(6) Weil man unter Gewinn gewöhnlich eine reine Binnahme verſteht. 
Stord, I, 180. 252. 

(c) Beiſpiel nah Rennie bei Sinclair, Grundgeſ. Anh. S. 75. Gin 
Landgut von 691 engl. Acres (1088 pr. M.) giebt 5792 2, St. Rob: 
ertrag, welcher fih fo vertheilt: 


1) Ausgaben, a) Arbeitsfoflen. . . . . 995 2. St. = 17,° Broc. 
b) Bahtzine ...... 2212 = = 38% = 
c) Bapitalzinfen .... 300 = : 58 5 
d) Berzehrungen und un: 
vorhergefeh. Ausgaben 1639 = = 28,3 - 
zufammen 5146 8, &t. 88,9 Bor. 
2) Gewerbeverdienſt des Bahtrs ... 646 = = — 11! = 


Summa 5792 8. St. 100 Proc. 


(4) Auch in der Wiffenfhaft find die Berhältnifie des Gewerbeverdienſtes 
fpäter als die des Lohnes, der rund» und Zinsrente erforfcht worden, 
f. vorzüglid Hermann, Untef. ©. 145. 


$. 238. 


Db der Gewerböverdienft neben ben anderen aus der Her, 
vorbringung fließenden Einkünften (Grund⸗ und Capitalrente 
und Lohn) als eine eigenthümliche vierte Art zu betrachten fei, 
oder ob er nicht vielmehr zu einer der erfteren Arten gehöre, 
darüber find die Meinungen getheilt. Einige Schriftfteller rechnen 
ihn wirklich zu dem Lohne (a), andere zu der Gapitalrente, und 
zwar entweder mit gänzlicher Vermiſchung beider (db), ober fo, 
dag man ihn zwar von der Zinsrente trennt, jedoch beide unter 
der Benennung Gapitalgewinn zufammenfaßt (c). Es ift 
dem Wefen ber Sache am meiften angemeflen, den Gewerbövers 
bienft als ein eigenthümliched Einfommen anzufehen, welches 
aus ber innigen Verbindung ber Arbeit und des Capitales ent⸗ 
fpringt und in weldyem ber Antheil nicht auszufcheiden ift, den 
jebe diefer beiden Urfachen an ihrer gemeinfchaftlihen Wirkung 
hat (d). Dieß Einkommen unterfcheibet ſich wejentlich von ber 
Gapitafeente, welche größtentheild reines Einfommen iſt, aber 
auch von dem Lohne, weil ed nicht wie biefer ausbedungen 
werden fann ($. 237) und nicht bloß von ber Thätigfeit bes 
Unternehmers, fondern zugleich von der Größe des angewendeten 
Capitales abhängt. Es kann betrachtet werben 1) nach feinem 
ganzen Jahresbetrage, in Vergleich mit dem Unterhaltöbedarfe 
des Unternehmers, 2) im Berhältnig zu dem Gapitale, als ein 


gewifier Theil (Procentfag) deflelben (e). 


— 296 — 


(a) Canard, über. von Volk, S. 8. 9. 68. — Lotz, I, 471. — Say 
nimmt drei Zweige des Binfommens an, nämlich Brunbrente, Bapitals 
rente und SInduflriegewinn, und in dieſem wieder brei Abtbeilungen, 
nämlich die Ginfünfte der Unternehmer, Gelehrten und Lohnarbeiter, 
Handb. IV, 49. 97. Gbenfo von Prittwig, Volksw. $. 464 ff. — 
del Valle, Corso de Ec. p. ©. 89 ftellt fünf Zweige des Einkommens 
bio) auf, indem er den Induftriegewinn Say’s fogleih in jene brei 

heile auflöft. 

() Smith, — Ricardo, Grundgel. ©. 92. — von Schlözer, 

Staatswirthſch. I, 53. — M'Culloch, Grundſ. ©. 8ı ff. — Se⸗ 
nior (vermuthlic zugleid ber Berf. des Auflages im Quarterly Rev. 
Jan. 1831) faßt Zinsrente und Bewerbögewinn unter der Benennung 
Profit zufammen, nimmt jedody (Outline, S. 214) zwei Theile des: 
felben an, welche jenen beiden Einfünften entſprechen, ebenfo St. Milt, 
I, 415, bei welbem der über die Zinsrente hinausgehende Theil bes 
Capitalgewinnes feinen befonderen Namen bat. 

(2) Sismondi, N. princ., I, 359. — v. Jafob, Brundf., $. 277—282. 
Doch wird von demfelben in $. 292 bemerkt: „Der Profit des Unter- 
nehmers ift nichts als eine Art von Lohn für die Arbeit, Muͤhe, Ge⸗ 
ſchicklichkeit, Gefahr sc., welche mit der Unternehmung verbunden find.“ 


(d) Stordh, I, 180. — Ganilh, Dictionn. analyt. ©. 358. — Her: 
mann, ©. 148. — Courcelles-Seneuil in Dict. de !l’&c. pol. I. 


(e) Wegen des genauen Zufammenhanges bed Bewerböverdienftes mit dem 
Dapttale ift es gewöhnlich, jenen in Brocenten bes leßteren auszu⸗ 
en. - 


$. 239. 


Die Vergütung, welche der Unternehmer in feinem Verdienſte 
anfprechen muß, und die folglich die Untergränge derſelben bilbet, 
befteht aus zwei Theilen: 

1) Unterbaltöbebdarf für ihn und feine Familie, in Ge 
mäßheit feiner flandesmäßigen Bebürfnifie. Der Unternehmer 
verlangt nothiwendig einen reichlicheren Gütergenuß, als feine 
Zohnarbeiter, weßhalb ſchon bei verfehiedenen Bewerben, in benen 
bie Arbeiter ungleich bezahlt find (8. 198), auch der Gewerbes 
verdienft nicht derfelbe fein fann. Zubem ift die Mühe, Bes 
eiferung und Kenntniß, welche zu einer Unternehmung gehört, 
auch bei einerlei Betriebscapital in mehreren Gewerben ungleich, 
und wenn der Gewerböverbienft nicht eine ähnliche Abftufung 
. hätte, wie der Lohn, fo würden die fchwierigeren Gewerböges 
Ihäfte von wenigen Menfchen ergriffen werden. Der Gewerbs- 
verdienft muß daher immer wenigftens fo hoch fein, daß ber 
Unternehmer bei dem geringften Umfange der Unternehmungen, 
bee zur Verſorgung ded Marktes nothwendig ift, noch beftehen 
kann (a). Beichäftigt aber die Leitung eined Gewerbes ben 


— 2977 — 


Unternehmer nicht völlig, fo kann fie auch nur einen Theil feiner 
Unterhaltöfoften abwerfen. In foldhen Fällen, wo dieſe Leitung 
bezahlten Gehülfen übertragen wird und dem eigentlichen Unter⸗ 
nehmer nur eine geringe Mitwirfung, etwa zu den wichtigften 
Beichlüffen, übrig bleibt, ift diefer Theil der Vergütung nur 
gering ober verſchwindet gänzlich (db). 

2) Entfhädigung für die Gefahr manchfaltiger Verlufte 
oder des gänzlichen Mißlingens einer Unternehmung, $. 137. 
Die Stärfe diefer Gefahr hängt ab a) von der Größe des ans 
gewenbeten Capitales, b) von ber Art der Unternehmungen, 
welche, obfchon fein Gewerbe von Berluften ganz frei ift, doch 
in dem Grad von Wahrfcheinlichfeit ungünftiger Ereignifle, in 
ber Schwierigfeit, ven fünftigen Stand der Preife vorauszufehen 
und dergl., fehr von einander abweichen (c). 


(a) Wie diefe Unterhaltstoflen fih zu dem Gapitale verhalten, dieß fann 
nicht wohl im Allgemeinen, fondern nur für eine gegebene Groͤße der 
Unternehmungen beflimmt werden; wenn 3. B. bei einem Gewerbe, 
welches 20000 fl. Capital befchäftiget, der Unterhalt des Unternehmers 
auf 1000 fl. angefchlagen wird, fo beträgt ex 5 Procent des Gapitales, 
er fleigt aber auf 61/4 Procent, wenn das Gewerbe nur mit 16000 fl. 
Gapital betrieben wird. Gin Unternehmer, dem die Leitung einer klei⸗ 
neren Unternehmung genug zu thun giebt, kann doch aud einer größes 
ren vorfleben, wenn er geihrdtere und befier bezahlte Gehuͤlfen beizieht. 
Aber bei einer fo geringen Ausdehnung oder einer fo leichten Leitung 
des Betriebes nimmt der Unternehmer an den Berrihtungen der bloßen 
Lohnarbeiter Theil, daher ift in feinem Einfommen aud ein Antheil 
von Arbeitslohn anzunehmen. Bei einem größeren Betriebe ift in ber 
Regel der Umfang jeder einjelnen Gewerbsunternebmung durd bie 
Umftände beflimmt, ba eine eiterung in den meiften Yällen durch 
die Beichränttheit des Bapitales oder Abfapes, oder durch die Schwie- 
rigfeit, einen größeren Betrieb noch zu leiten, verhindert wird. Wenn 
nun der Gewerbsverdienſt die Unterhaltskoften bei dem geringfien bis⸗ 
berigen Umfange des Betriebes nicht mehr vergütete, fo müßten bie 
Eleinften Unternehmer ihr Gewerbe aufgeben. Dieß fehte voraus, daß 
diefelben nicht mehr nöthig find um die Abnehmer gehörig zu verforgen. 
Wenn ein Unternehmer 1000 fl. für feinen Unterhalt braucht und ber 
Gewerbsverdienſt nach Abzug der Vergũtung für das Rifico noch 4 Pros 
cent des Capitales ausmadıt, fo koͤnnen feine Eleineren Unternehmungen 
beftehen als mit 25000 fl. Gapital. (Bol. Rau, Zuf. 63 in Stord, 
ID, 319.) Wären dagegen nicht genug große Unternehmer da, um den 

anzen Bedarf zu liefern, fo würde der Preis des Erzeugnifies fo lange 
eigen, bis er auch Hleineren Unternehmern die Bortfeßung des Betriebes 
möglih machte. Kann ein Gapital von 3000 fl. ſchon einen Gewerbe: 
mann befchäftigen und braucht derfelbe 500 fl., fo muß der Bewinnfag 
16%/5 Procent fein. Dancer Krämer bat nur 1000 fl. oder weniger 
Gapital und nimmt alio vielleiht 33 oder 40 Proc. Bewerböverdienft 
ein, der jedoch großentheild nur wie gemeiner Arbeitslohn anzufehen if. 
Das Einkommen eines wanbernden Krämers (Hauflrere) muß ein Mehr: 
faches feines Heinen Gapitales fein. 


— 9 — 


( 3. 3. bei Actieninhabern einer großen Unternehmung, wo ber Cinzelne 
nur an einer Sahresverfammlung theilnimmt, ober bei Rillen Geſell⸗ 
fhaftern. Der Berwalter einer Yabrif, eines Landgutes, einer Hand⸗ 
lung sc. iſt nicht ganz unabhängig, ex muß in widhtigen Dingen mit 
dem Gigenthümer zu Rathe gehen. 


(c) Je ne crois pas me tromper en disant, que sur 100 &tablissemens 
industriels il y en a 20, qui s’&croulent avant d’avoir aucune consistance, 
50 & 60, qui vegttent plus ou moins long-temps en attendant leur 
chüte, et 10 au plus qui arrivent à un grand ötat de prosperits; et 
encore, parmi ces &tablissomens exceptionnels, en compte-t-on dont les 
chefs, aprös avoir jet6 un grand 6elat, percouru la carritre la plus 
honorable et rendu des services signalds à l’industrie, ont rencontr6 
des &cueils, devant lesquels ils ont &choud corps et diens. O’est donc 
Yonsemble des £&tablissemens industriels qu’il faut oonsiderer. Godard 
in der Enquäte commerce. de 1834, II, 233. — Ballfiihfang, Sflaven- 
handel. Roſcher, I, 327. 


$. 240, 


Die Umftände, welche den Gewerböverbienft des einzelnen 
Unternehmers beftimmen, deuten zugleich die Mittel an, die der⸗ 
felbe ergreifen kann, um ſich ein reichlicheres Einkommen zu ver- 
ihaffen. Es find folgende: 1) in Bezug auf den Rohertrag: 
a) Die Menge der Erzeugniffe, welche er zu verkaufen vermag, 
alfo die Ausdehnung des Abſatzes, weil nicht nur mit 
biefem bei einerlei Procentfag des Verdienſtes der ganze Betrag 
befielben fleigt, fondern auch manche Gelegenheit zur Erfparung 
an einzelnen Theilen der Koften entfteht, 8. 172. 243. Die 
Unternehmer find daher gewöhnlich eifrig bedacht, ihren Abfag 
zu erweitern, was theild auf Koften anderer Mitwerber, theils 
durch Anregung neuer Käufer oder neuer Berwendungszwede 
geihehen kann (a). b) Der Berfaufspreis, befien Erhöhung 
jedoch, Falle eines monopoliftifchen Vorzuges abgerechnet, bes 
Mitwerbens wegen fehwer zu bewirken, und fogar darum in 
vielen Fällen nicht einmal vortheilhaft ift, weil fie eine Abnahme 
ber verkauften Menge nach fi zieht. Kennt man ben bei jedem 
gegebenen Preife zu erwartenden Abfag, fo kann man berechnen, 
welcher Berfauföpreis ben größten reinen Gewinn verfpricht. 
2) In Hinfiht auf die Ausgaben: a) Der erforderliche Be- 
darf an Stoffen, Werkzeugen und Arbeit, worin bie Zortfchritte 
ber Gewerböfunft viele Erfparungen moͤglich machen (6). b) Der 
Preis, den man für die erwähnten Bedingungen ber Production 
entrichten muß. Bei übrigens gleichbleibenden Umftänden ges 


— 299 — 


winnt der Unternehmer, wenn es ihm gelingt, die noͤthigen 
Waaren, z. B. Rohſtoffe, wohlfeiler einzukaufen, die Arbeiter 
um niedrigeren Lohn zu erhalten und die Capitale oder auch 
die Grundſtuͤcke gegen eine geringere Rente zu benutzen. Von 
diefen Mitteln, den Gewerbsverdienſt zu vergrößern, find einige 
nur auf Koften der Käufer, der Mitwerber oder der zur Ers 
zeugung Beihülfe leiftenden Perfonen ausführbar, jo daß fie nur 
die Vertheilung abändern, andere aber auch in Beziehung auf 
die ganze Volkswirthſchaft nuͤtzlich. Diefe zeigen fich zugleich 
als die ficherften. 


(c) Daher 3. B. die Bemühungen, fih vor Anderen hervorzuthun, Aufs 
fehen zu erregen, Vertrauen zu erweden; Berbreitung von Ankündi- 
gungen, Schauftellung von Waaren und dergl. 


(5) Hierin if der Klugheit, Ginfiht und dem Cifer der Unternehmer ein 
weites Feld geöffnet, während der Verkaufspreis weniger unter dem 
Cinfluffe ihrer Bemühungen flcht; 3. B. Benutzung der Abfälle und 
Abgänge, Bermeidung unnöthiger Bauten, Anwendung einer wohlfeis 
leren Art von Stoffen, Holziparung sc. Die Anwendung ber heißen 
Gebläfeluft (hot blast) in den Gifenhütten wurde 1830 durch Nelſon 
in Glasgow eingeführt. In Deflerreih wird da, wo dieß Mittel in 
Gebrauch if, eine Kohleneriparung von 15 Proc. und ein Mehrertrag 
an Gifen von 10 Proc. bewirkt (Kz öornig). Die Halden (weggewors 
fenen Maflen) der Bleibergwerke in Weardale find fürzlich als eiſen⸗ 
haltig (25—40 Proc.) erkannt worden. Auch die durch Abfürzung der 

roductionszeit und Beichleunigung des Berfaufes bewirkte Erſparung an 
Gapitalzinfen ift hier zu nennen. Gin jährliher Umfab von 24000 fl. 
it, wenn das Gapital nur 3 Monate umläuft, mit 6008 fl. zu beſtrei⸗ 
ten und foflet dann nur etwa 240—300 fl. Sinfen. In Mancheſter 
rechnet man, daß Wabrifherren im Durchſchnitt ihr Capital (nämlich 
das umlaufende) zweimal, jedesmal mit 5 Proc. Gewinn (und Bine) 
umfeßen, Kleinhändler (shopkoepere) viermal mit je 3/3 Proc., alfo 
14 zufammen. Senior, Outline, ©. 188. 


$. 240. 


Die Erweiterung bed Abſatzes imsbefondere ($. 240) 
findet nicht allein in dem Mitwerben anderer Erzeuger und 
Berfäufer des nämlichen Gutes, fondern audy in dem ganzen 
Begehr deſſelben von Seite der Käufer und Zehrer eine Gränze. 
Diefe allgemeine Graͤnze des Abſatzes in jedem Zeitpuncte wirb 
geregelt: 1) von dem Gebrauchswerthe des Gutes, nämlid 
feiner Höhe und der Menge von Menfchen, für welche die Werth, 
ſchaͤzung gilt (a), 2) von ber zur Befriedigung des Bedürfniſſes 
erforderlichen Menge, die unter anderen um fo größer ift, je 
fchneller der Verbrauch erfolgt (6), 8) von der Bröße des 


— 300 — 


Preiſes, den der Käufer anwenden muß. Eine Herabſetzung 
des Preifed gewinnt gemöhnlidy einer Waare folche neue Käufer, 
für deren concrete Werthſchaͤtzung bisher die Audgabe zu groß 
war, $. 171. Die Abnahme des Abfages in Folge einer Preis⸗ 
erhöhung pflegt deſto ftärfer zu fein, je geringer der Werth bes 
Gutes ift, weil man fich bei den werthvollften Dingen am 
fchwerften zu einer Einfchränfung entjchließt (c); 4) von dem 
Vermögen der Kaufluftigen, die Waare zu bezahlen, alfo von 
einem zureichenden Einfommen, ohne welches das Borhanbenfein 
der anderen Bedingungen (1—3) unwirffam if. Das Eins, 
fommen der Käufer fließt aus ihrer Theilnahme an der Hervor⸗ 
bringung anderer Güter ber und hängt alfo von der Aus⸗ 
Dehnung des ganzen Gütererzeugnified, fowie von der Art der 
Bertheilung beffelben unter die verfchiedenen Volksclaſſen ab. 
Jede verfaufte Guͤtermenge feht diejenigen, welche aus dem Er- 
Löfe Lohn, Gewerböverbienft, Grund» und Zinsrente empfangen, 
in den Stand, andere Dinge einzufaufen, daher bedingen bie 
einzelnen Productionszweige ſich gegenfeitig. 


(e) Bücher in fremden Sprachen, ober über einen von wenigen Menſchen 
begriffenen Gegenſtand finden wenige Käufer. 


(d) Man verzehrt in einer Familie weit mehr Holz, Brot, Fleiſch, Del, 
Lichter, als Kleidungsftüde, noch weniger aber Uhren, Spiegel ıc. 
er verbraudht man von blos nüglihen Gegenſtaͤnden nur foviel, 
ale das Bedürfniß fordert, von Lurusartifeln aber deſto mehr, je mehr 
man bezahlen Fann. 
(e) Deßhalb kann die Vertheurung des einen Gutes, 3. B. eines Lebens: 
mittels, den Abſatz eines anderen leicht entbehrlichen vermindern, 


g. 241. 


Die in $. 240 angegebenen Mittel können einem Unter: 
nehmer, ber fie mit vorzüglihem Scharffinne allein anwendet, 
eine Zeit lang einen ungewöhnlichen Gewinn verfchaffen. Werben 
fie befannt und von Mehreren gebraucht, fo zerftört das Mit- 
werben bdiefen größeren Bortheil bed einzelnen Unternehmers, 
ed mag nun dieſe Ausgleichung des Gewerböverbienftes in einem 
Gewerbe durdy die Erniedrigung der Verfauföpreife oder durch 
bie Erhöhung einer laffe von Gewerbdaudgaben erfolgen. 
Zwifchen mehreren Gewerben findet zwar ein ähnliches Streben 
zum Gleichgewichte Statt, indem bie einträglicheren Gewerbe 
häufiger ergriffen, bie weniger vortheilhaften dagegen von 


— 301 — 


Mehreren verlaffen werben, ober wenigftend Ausbehnungen 
und Beichränfungen im Betriebe eintreten. Indeß kommen 
bier nicht allein die Schwierigfeiten in der Veränderung bes 
Angeboted ($. 160) in Betracht, fondern es ift auch wegen 
der Verfchiedenheit der Gefahr und der Unterhaltsfoften bes 
Unternehmerd ($. 239) feine allgemeine &leichförmigfeit der 
Gewerböverdienfte zu erwarten, alfo läßt fi nur annehmen, daß 
Gewerbe, die gleiched Capital und gleiche Bemühung, Lebenss 
weife ıc. ded Unternehmers erfordern, auch ungefähr gleich viel 
abwerfen werden (a). 


(a) In Großbritanien beträgt bei Aderpadhtungen ber Gewerboeverdienſt 
fammt der Gapitalrente gegen 10, felten 15 Procent des Capitales, 
bei Weidepadhtungen wegen der Gefchidlichfeit und der Wagniß ber 
„uhnichter öfters 15 und mehr Prorente.e Sinclair, Brundgef. des 

ed. ©. 59. 


$. 242. 


Steigt der Gewerböverbienft über den Koſtenbetrag ($. 239), 
fo bezieht der Unternehmer ein reines Einkommen, den reinen 
Gewerbsverdienſt oder Gewinn. Dieſer ift bei gleichem 
Grade von Gefchidlichkeit und Eifer in größeren Unternehmungen 
einer gewiffen Art gewöhnlich größer, ald in Fleineren, weil 
fowohl die Unterhaltsfoften der Unternehmer als verichiedene 
Gewerbskoſten, 3. B. die Ausgaben für Gebäude und Mas 
ſchinen, bei der Erweiterung des Betriebes nicht in gleichem Ders 
haͤltniſſe fteigen (a). Bei ganz großen Unternehmungen fönnte 
zwar wieder die Schwierigkeit der Aufficht über viele Menjchen 
oder überhaupt ber guten Leitung bed Ganzen jenen Bortheil 
ſchwaͤchen, wie dieß 3. B. bei großen Handeldgefellfchaften und 
anderen auf Actien betriebenen Unternehmungen zu bemerfen 
it; aber hiervon abgefehen, kann man den fleineren und ben 
größeren Unternehmer wie die Eigenthümer zweier Grundftüde 
von ungleicher Fruchtbarkeit betrachten (8. 212); wird ſchon dem 
Fleineren ein reiner Ertrag zu Theil, fo genießt der größere einen 
befto beträchtlicyeren, $. 239 (a). 


(a) Viele koſtbare Mafchinen, 3. B. Walzen zum Kattundrud, werden erft 
bei größerem Betriebe anwendbar, der Einkauf der erforderlichen Stoffe 
läßt ſich wirthichaftlicher einrichten, Manches kann man felbft bereiten, 
wenn man es in .anjehnliher Duantität nöthig bat ꝛc. — Gewinn 
bei Re 10 uflagen beliebter und wohlfeiler Bücher, Kupferſtiche ıc. 

gl. $. 240. 


6. 243. 


Der Gewerböverdienft im Ganzen pflegt in feinem Steigen 
und Ballen mit der Zinsrente ungefähr gleichen Schritt zu hal- 
ten. Ein Theil der Gapitaliften ift immer im Stande, zwifchen 
dem Ausleihen ihred Wermögend und der Betreibung eines Ges 
werbes zu wählen, und viele ziehen bad leßtere vor, wenn fie in 
einer Befchäftigung, bie ihnen ungefähr gleiche gejellfchaftliche 
Stellung giebt, wie ihre bisherige Zinseinnahme, einen reich⸗ 
lichen &ewerböverdienft erzielen köͤnnen. Die muß dann auch 
andere Berfonen ermuntern, mit geborgtem apitale Gewerbe 
zu unternehmen und hieburch entfteht eine Abnahme des Ger 
winnes, zugleih aber eine Erhöhung ber Zinsrente. Wäre 
dagegen ber Gewerböverbienft im Vergleich mit der Zinsrente 
zu niedrig, fo entflünde ein flärferer Antrieb für Capitaliften, 
von ihren Zinfen müßig zu leben, es würde überhaupt an Unters 
nehmungsluſtigen fehlen und fo fönnte ein Sinken der Bapital- 
rente, wobei der Gewinn fich erhöhte, nicht ausbleiben. Indeß 
ift eine Gleichheit beider Einkünfte nach ihrem Procentfage nicht 
zu erwarten, weil auch bei einerlei Zinsfuß der Verdienſt in 
ben einzelnen Gewerbszweigen fehr verfchieben fein muß (a). 


(a) Sismonde, Rich. comm. I, 79. — 88 ift wohl benfbar, daß bei 
einem Zinsfuße von 5 Procent einige Gewerbe A, andere 5-6, noch 
andere 10—12 Proc. Gewinn geben. — In England rechnet man mit 
Einfluß des Zinfes gemöhnlid) auf 10 Proc., wenigſtens bei großen 
Unternehmungen ; Gapitale von 10—20000 8. tragen bon 15, Heinere 
20 und mehr Procente im Handel und Fabritweien. Senior, Onutl. 
©. 188. 214. Wenn ein Obfiverfäufer täglih 20, alſo ji lih über 
7000 Proc. bezieht (ebd.), To ift das größtentheile Arbeitslohn. 


$. 244, 


Bei den Fortfchritten des Volkswohlftandes muß daher der 
Gewerböverdienft ebenfo wie die Zinsrente (8.233) im Verhaͤltniß 
zu dem angemwendeten Gapitale abnehmen, d. 5. auf einen 
geringeren Procentſatz berabgehen. Die Erfahrung beftätiget 
diefe Schlußfolge. Es ift dieß eine Wirkung der Capitalanhäus 
fung und bed ftärferen Mitwerbens in allen Unternehmungen, 
wobei die vorhandenen Güterquellen und Erwerbögelegenheiten 
volftändig benugt, die Preife der Dinge dem Koftenbetrage 
genähert, die Unternehmungen in größerem Umfange betrieben 
und bie Unternehmer gezwungen werden, ſich mit einer ver- 


— 308 — 


haͤltnißmaͤßig geringeren Verguͤtung zu begnügen. Dieß kann 
deſto eher geſchehen, da zugleich die Wagniß in vielen Gewerben 
durch die Verbeſſerungen in der Rechts⸗ und Polizeiverwaltung, 
durch mancherlei Schutzmittel gegen Unfälle, auch durch ben 
größeren Beiſtand, den Ausländer in ihren Erwerbsgeſchaͤften 
bei den Regierungen finden, fidh vermindert. Ungeachtet diefer 
Abnahme ded Gewinnfates kann doch der ganze Betrag bes 
Gewerbsverdienſtes in einem Lande noch anwachfen, mwoferne nur 
dad Capital in ftärferem Verhältniß fleigt, als ber Verdienſtſatz 
finft, vgl. $. 233 (c).- Die Unternehmer vermögen dieſer bros 
benden Berfürzung ihres Einfommend auszuweichen, indem fie 
ein höheres Maaß von Kunft und Scharffinn aufbieten, ober 
ein größeres Capital zu Hülfe nehmen, oder audy im Heinen 
Betriebe durch eigenes Handanlegen an ber Lohnausgabe etwas 
erfparen (a). | 


(a) Diefe Veränderung erregt unangenehme Empfindungen, macht Entbeh⸗ 
rungen notbwendig und veranlaßt leicht Klagen über den Berfall des 
Wohlfiandes, die jedoch in ihrer Ginfeitigfeit nichte bemweilen und 
namentlih in unferer Zeit durch das Gemälde der fleigenden Betrieb: 
ſamkeit widerlegt werden können. 


6. 244. 


Zu bem nämlichen Ergebniß gelangt man, wenn man bie 
Veränderungen erwägt, die fich beim Fortgange des Volkswohl⸗ 
ftanded und der Berölferung in dem Berhältniß zwifchen den 
Hauptzweigen des Volkseinkommens, nämlid zwifchen den Ans 
theilen der Grund⸗ und apitalsEigenthümer, Lohnarbeiter und 
Unternehmer zutragen. Achtet man nicht auf die in Gelbpreifen 
audgebrüdte Größe der Einkünfte, fondern darauf, wie fi) das 
ganze Gütererzeugniß unter fie vertheilt, fo ergiebt ſich Folgen⸗ 
bes: 1) Die Örundrente nimmt bebeutend zu, weil ein neuer 
Zuwachs von Bodenerzeugnifien Foftbarer zu gewinnen ift und 
hierdurch der Bortheil, den die Benutzung ber ergiebigeren, nähe 
ren Orunbflüde ıc. gewährt, fid) vergrößert, 8. 220. 2) Der 
Lohn ſteigt ebenfalls, und zwar mindeſtens wegen ber Bew 
tbeurung der Lebensmittel ($. 192), unter günftigen Umftänben 
aber audy fo, daB ben Arbeitern ein größerer Bütergenuß zu 
Theil wirb, 8.199. 3) Wenn nun diefen beiben Zweigen bes Ein- 
fommens ein größerer Theil des gefammten ütererzeugnifles 


— 304 — 


zufaͤllt, ſo muͤſſen die Beſitzer des beweglichen Vermoͤgens und 
die Unternehmer ſich mit einem kleineren Antheil begnuͤgen. Es 
iſt unmoͤglich, daß bie letzteren ihre Erzeugniffe gerade um ſoviel 
tbeuerer verfaufen, al8 ihre Ausgaben für Grundrente und Lohn 
ſich vergrößert haben, weil dad Bolfseinfommen nicht zureicht, 
ihnen noch den nämlichen Verdienſt zu gewähren. Doch findet 
diefe Erniedrigung des Gewerböverdienfted wieder ihre Gränze, 
weil berfelbe in jedem Gewerbe bei Unternehmungen der kleinſten 
noch erforderlichen Art immer noch das Einfommen der Lohn⸗ 
arbeiter überfteigen muß, $. 239. Wenn ber Lohn wegen ftarfer 

BVolfövermehrung nicht zunähme, oder fogar fänfe, fo würde bie. 

Verringerung des Zins⸗ und Gewinnfages offenbar fchmächer 

fein (a). 

(a) Ricardo (6. Gapitel) Hat zuerft zu zeigen gefucht, daß die zunehmende 
Schwierigkeit ber CErzeugung von Lebensmitteln den Gewinnſat herab: 
drüdt. Seine Anficht iſt überfichtlicher dargeftellt bei 3. Mill, franz. 
Ueberſ. S. 73, f. auh Nebenius, Der öffentl. Eredit, 2. Ausg. 
I, 29. Hermann, Untef. ©. 262. Man darf hiebei den Sa 


des Gewerbsverdienſtes mit dem abfoluten Betrage deſſelben nicht vers 
wechfeln, $. 238 und 3. Mill, ©. 77. 


Fünfte Abtbeilung. 
Das Bollseinlommen im Ganzen. 


$. 245. 


Der gefammte (rohe) Ertrag ober bad rohe Ein- 
fommen eined Volkes, das Ergebniß der Hervorbringung im 
Lande und der Erwerbung von außen während eines gewiſſen Zeit⸗ 
abſchnittes ($. 70a), fpaltet fh in zwei Hauptmafien. Der eine 
Theil dient den Aufwand zu erftatten, welchen die Erwerbung biefer 
Güterzuflüffe nöthig macht, und erfeht den vorausgegangenen 
Aufwand von apital, welcher aber ftet3 von Neuem für ben- 
felben Zwed gemacht zu werben pflegt (a). Der Ueberreft nad) 
Abzug diefer nothwendigen Koftenerftattung iſt ba8 reine Volks⸗ 
einfommen. Dieſes fann demnach als biefenige Frucht ber 
Erwerbsthätigfeit betrachtet werben, welche zur Erreichung aller 
übrigen Zwede in ber Gefellfchaft gebraucht werden kann, nach⸗ 


— 80 — 


dem die Hervorbringung von Sachgütern und ber Berfehr mit 

ben Auslande volftändig fichergeftellt find. 

(a) Wenn man zur Ermittlung diefer Größen einen gewiflen Zeitabfchnitt 
annimmt (gewöhnlidy ein Jahr). fo if dabei zu bedenken, daß die Ges 
fchäfte ununterbrochen fortgeben, weßhalb die Rechnung fi nie ganz 
fließt. Unter dem rohen Ertrage jedes Jahres if der Erſatz vorjäh- 
tiger Auslagen enthalten, dagegen kommen aud Auslagen vor, die erft 
im nächſten Jahre mit Gewinn erflattet werden. Da dieß jedoch feinen 
bedeutenden Unterfchied macht und die genaue Ausmittlung hoͤchſt ſchwierig 
wäre, fo darf man ſich z. B. erlauben, bei der Landwirthſchaft die 
Ernte eines gewiflen Galenderjahres als Cinnahme, und die fümmtlichen 
Feldbeſtellungskoſten mit Ginihluß der Beftellung des Winterfeldes für 
das nächſte Jahr, als zugehörige Ausgabe anzufehen, weil die jener 
Ernte willen im vorhergehenden Jahre gemachten Auslagen ungefähr 
eben fo geweſen find. 


5. 246. 


Das Weſen des reinen Bolldeinfommend wirb deutlicher 
erfannt, wenn man e8 in feine Theile zerlegt und von ben fremd⸗ 
artigen Gütermengen ſcheidet. Diefe Betrachtung kann das reine 
Volkseinkommen erfaflen: 

1) wie es durch ben Ueberſchuß ber Production und Einfuhr 
aus dem Auslande über die Koften entfteht, als 

2) wie es fich unter die verfchiedenen Volksclaſſen vertheilt. 

Da man ed in beiden Fällen immer mit der nämlichen 
Größe zu thun hat, fo ergeben fich hieraus zwei Wege, wie das 
reine Einkommen eines Volkes ftatiftifch ausgumitteln if. Wären 
die bei ber wirklichen Berechnung in einem gegebenen Balle zu 
Grunde gelegten ftatiftifchen Thatfachen fämmtlich genau erforſcht, 
fo müßte man auf beiden Wegen zu gleichem Ergebniß ges 
langen (a). Solche Ausmittelungen laſſen fidy übrigens nur in 
Beziehung auf Breife vornehmen, weil nur diefe durchaus in 
Zahlen gefaßt und wegen bed gemeinfchaftlihen Maaßſtabes 
zufammengerechnet werben fönnen, was bei dem Gebrauchswerthe 
nicht der Fall if, 8. 67. 

(a) Bol. Fulda, Ueber Rationals Einfommen. Stuttg. 1805. Defien 
Orundfäge der Kameralwiſſenſchaften, $. 243 ff. S er Berf. rechnet, 
wie die Phyſtokraten, die durch Gewerksarbeit bewirkte Wertheerhöhung 
nit mit ein.) — v. Herzog, Staatswirthfchaftl. Blätter IV. Heft, 
S. 20 ff. — Nod von feinem Volke it eine puverlaffi e Berechnung 
bes reinen Binfommens vorhanden. Die Schwierigkeit liegt nicht blos 
darin, daß diefe Groͤße aus einer ungeheuer großen Menge von einzels 
nen Zahlenangaben abgeleitet werden muß, deren vollfländige Samm⸗ 


lung und kritiſche Unterfuchung fehr mühfam if, und bei denen immer 
Rau, polit. Delon. I. 7. Ausg. 20 


viel von dem guten Willen oder der Einfiht der einzelnen Mitarbeiter 
abhängt, — Tondern auch in dem Umflande, daß man fi erſt über 
bie Grundſaͤtze der Berechnung verfländigen muß. Welcher Weg eins 
zufchlagen, welche Poſten aufzunehmen und wegzulafien feien, dieß hat 
die Theorie der GStatiflil aus der Vollöwirthſchaftslehre 
zu entnehmen und bie allgemeinen Regeln hiezu find in den folgenden 
66. aufgekellt. Der Gegenſtand iſt unter Anderm für die Beſteuerung, 
welhe nah richtigen Grundfägen nur das reine Ginkommen treffen 
darf, fehr wichtig, und die manchfaltigen Fehler, welche bei diefen Aus⸗ 
mittlungen bisher begangen worden find, machen eine forgfältige Auf⸗ 
hellung nöthig. 


$. 247. 


Nah der erfien Art der Berechnung ($. 246) wirb 

1) ver rohe Ertrag der ganzen Erwerböthätigfeit zufammen 
gerechnet, welcher begreift: a) dieneu gewonnenen rohen Stoffe(a), 
b) die Werthöerhöhung vorhandener Stoffe durch Gewerköarbeit, 
e) die Einfuhr aus anderen Ländern (d). 

2) Bon biefer Summe wird fodann der bed rohen Ertrages 
willen nothwendige Güteraufivand abgezogen (c), wohin zu 
zählen find a) der Lebensbedarf ber bervorbringenden Arbeiter 
und Unternehmer mit ihren Yamilien, b) die verbrauchten 
Stoffe; — indeß werden die in den Gewerken angemwenbeten 
Berwandlungsftoffe nicht mit abgezogen, weil bie Gewerks⸗ 
waaren nicht ganz, fondern blos nad der Werthserhöhung, 
bie zu dem Stoffe hinzukommt, eingerechnet worben find, |. oben 
1 b), ec) die Abnügung bed flehenden Gapitales, d) bie jenes 
Erwerbes willen ind Ausland abgegebenen oder fonf für daſſelbe 
verwendeten Güter. 

3) Der Ueberreſt ift das reine Einfommen (d). 


(a) Wird ein folder Stoff zum Behufe einer anderen Production fogleich 
wieder ganz verzehrt, fo kommt er unter dem Aufwande wieder in 
Abzug, und es if in Beziehung auf das reine Binfommen gleichgültig, 
ob man im einrechnen will oder nicht. Das reine Binlommen aus der 
Landwirthichaft wird eben fo richtig gefunden, wenn man bie Ernte 
nur nad Abzug des Saatforns in Einnahme flellt und dafür diefes 
nicht mehr unter die Ausgaben bringt. Allein das Berhältnig zwifchen 
dem reinen und rohen Binfommen ift bei einem folchen Verfahren nicht 
richtig zu beurtheilen. Es fei 3. B. für einen Landestheil der rohe 
Ertrag des Getreidebaues 3000000 fl., abzuziehender Koftenbetrag 
2'400000 fl., fo bleibt reines Bintommen 600000 fl., d. i. !/s oder 
20 Proc. des Rohertrages. Wollte man aber das Saatkorn (ungefäbt 
l/g der Ernte) ganz auslafien und fo rechnen: roher CErtrag 2°500000 fl., 
Koften 1900000 fl., alfo reines Ginfommen 600000 fl., fo wäre 
(eßtere& zwar wieder nötig, aber e8 fchiene nun 9/5 oder 24 Procent 
des rohen auszumachen. Daffelbe gilt von dem Zutter, Dünger ıc. 


(5) Die inländifchen Brgeugnife müflen nach dem Preiſe in Anf&lag ges 
a 


Gewerk Abzug von !/s) 3146 
ewerfe (nad) Bug 2) 


bracht werden, fuͤr welchen ſie der Zehrer aus den Haͤnden des Kauf⸗ 
manns erwirbt, vorausgeſetzt, daß Feine in Beziehung auf den Zweck der 
Gertfeilung unnötbige Erhöhung des Preifes vorgegangen iſt (6. 256). 
Es wird alfo die durch den Handel bewirkte Preiserhöhung der Waaren 
mit berüdfihtiget, die ohne Zweifel den W derfelben nicht übers 
fteigt ($. 105) und zur Fortdauer einer ausgedehnten Production noth⸗ 
wendig if. 

Moreau de Jonnds Hat über das rohe Einkommen von Frank: 
reich, Broßbritanien und den nordamericanifchen Freiftaaten Angaben 
geſammelt, die man indeß nicht für zuverläflig halten darf. Da aber 
der DBerfafler bei dem Erzeugniß der Gewerbe den rohen Stoff, der ent 
weder Product der Grdarbeit oder Gegenſtand der Einfuhr if, noch 
einmal mit eintechnet (f. oben, Nr. 1b), fo mußte bei feinen Zahlen 
erft !/5 für die Stoffe abgezogen werden. Die Summen find Franken. 





Franfreih. | Broßbritan. | Nordamer. 
1) &rzeugniß der Grdarbeit | 4678°708000 | 5420°425 000 | 1608 Mill. 


2) Der Sewerle . . . . | 1213401000 | 2378°667 000 | 604 = 

3) Der Einfuhr. . . . 438400000 | 753825 000 i 383 ⸗ 
Summa . . . .. .6330.509000 | 8562917 000 | 2595 Mill. 
Betrag auf jeden Kopf 204 Fr. 407 Fr. 259 Fr. 
oder* 96 fl. 192 fl. 134 fi. 


Revue encyel XXV, 239. 549. 878. — Nah Ch. Dupin (Acad. des 
sc. 30. April 1831) kamen in Frankreich auf den Kopf im Jahr 1730, 
108 Fr. — 1780, 169 Fr. — 1830, 269 Fr. — Berehnung von 
Schnigler (Creation de 1a rich. I, 392): Mobertrag des Pflanzen: 
baues 4280 Mill. Fr., der Thierzucht und Yifcherei 825, des Berg: 
baues 100, der Gewerke 2500 M., zufammen 7700 Mill., wovon nad 
Abzug der Rohſtoffe eiwa 7000 Mill. übrig bleiben, 233 Fr. auf den 
Kopf. — Das Bejammtergeugniß der franzoͤſiſchen Landwirthichaft im 
3. 1840 wird auf 7502 Mill. Br. oder 224 Fr. auf den Kopf anges 
(chlagen, wovon 1480 Mill. Fr. auf die Thierzudt kommen und da= 
neben 640 Mill. Fr. ergeugtes Futter aufgezählt werden, Moreau de 
Jonn?s, Statist. de l’agric. de ia Fr. 1848. — Anſchlag des rohen 
Boltseintommens im britifhen Reihe nah Pebrer (Hist. financ. et 
statist. gen. de l’empire Britann. 1834, LI, 90): Ertrag der Sandwirths 
fchaft 246600000 8. St., des Bergbaues 21°400000, der Fiſcherei 
3’400000, der Gewerke, nad Abzug der Robfloffe, 148050000 , des 
inneren und bes Küſtenhandels 51.975000, des auswärtigen Handels 
und ter Schifffahrt 34398069, Gewinnfte der Banquiere 4500000, 
Gapitalrente aus anderen Ländern 4.500000, Summe 5148230592. St. 
oder 6177 Mil. fl., alfo 262 fl. auf den Kopf der Einwohner, ohne 
die Einfuhr. — Späterer Ueberichlag für das britifhe Meich nad 
Moreau de Jonnds (Statist. de la Gr.-Bröt., I, 312, 1838): Lands 
bau und Biehzucht 6666 Mill., Deegbau 687 Mill., Fifcherei 50 M., 

., jufammen 10550 Mill. Sr. — 
4976 Mill. fl. erfafler bringt aber 18000 Mill. heraus, weil ex die 
Mohftoffe nicht vom Gewerksertrage abzieht, weil er ferner die Arbeit 
der Thiere, den Ertrag der Weiden und der Häufer mit aufführt. 


Diefer in Abzug kommende Koftenbetrag wird für den gegen 

wärtigen Zwed nicht auf diefelbe Weife, obgleih nad dem naͤmlichen 
allgemeinen Grundſatze berechnet, wie die Koften des Berfäufers eines 
Butes, $. 164. Bür den Unternehmer find nämlich die Ausgaben an 


20° 


— 8 — 


andere Berfonen eben fo gut Koften, als feine Verzehrungen. Da aber 
dasjenige, was der eine Bürger dem andern entrichtet, doch in dem 
Volksvermoͤgen bleibt, fo dürfen bei der Erforſchung des gefamniten 
Volkseinkommens ſolche Ausgaben des Einzelnen, welche nicht zu dem 
Productionsaufwande des Volkes gerechnet werden können, nit in 
Abzug gebracht werden. 


() Bgl. I. Mill, Elm, ©. 243. — Beifpiel. Für Frankreich können 
vorzüglich mit Hülfe von Chaptal’s Angaben (De l’industrie franc.) 
folgende Zahlen näherungsweife angenommen werden: 


| Moher Ertrag. Neines Einkommen. 





Bergbau.. 30.000 000 2.900 000 
Güde 2: an 10.000 000 1.000 000 
nd- und Forfiwirtbfchaft . | 2152.205 000 619.235 000 
Bewerle 2. 561.750 000 70.000 000 
Handel, Einfuhr . . . . 202.060 000 20.206 000 

Bufammen . . . . | 29055-965000 | 704-4410000 


Hiebei macht das reine Binfommen 23% Procent des rohen. — Der 
Neinertrag der Erdarbeit in Frankreich wurde geſchaͤtzt auf 2455 Mill. Fr. 
von A. Doung, 1200 M. von Lavoifier (1790), 1626 M. von 
einer Gommiflion (1815), 1344 M. von Chaptal (1818), 2300 M. 
von Lullin de Ehateauvieur (1830), 1900 M. von Eh. Dupin 
(1831), Schnitzler, Créat. de la rich. I, 19. 


$. 248. 


Bei der zweiten Art der Berechnung ($. 246) wird 
das reine Einfommen aller derjenigen Volksclaſſen zufammen- 
gezählt, bie durch ihre Arbeit oder durch ihr DBermögen (fie 
mögen es jelbft anwenden oder Anderen zum Gebrauche über- 
lafien) zur Erzielung des Rohertrages mitwirken und folglih an 
bemfelben Theil nehmen. Die fo entftehende Summe muß gleich- 
falls das reine Einfommen des Volfed geben, weil biefed zunädhft 
an jene Elaflen gelangt. Die anderen Volksclaſſen erhalten ihr 
Einfommen gegen mandherlei Leiftungen von jenen, daher kann 
ihr Antheil nicht mehr befonderd angeführt werben (a). Es 
fommt demnach in Rechnung 1) das reine Einfommen fänmts 
licher Unternehmer und Lohnarbeiter in den Zweigen ber Stoff: 
arbeit und der Handelsgeichäfte (5), 2) die Grundrente, 3) das 
in der Eapitalrente enthaltene reine Einfommen (c) (d). 

(a) Wenn ein reicher Grundeigner 1000 fl. jährlih für mancherlei perfön: 
lihe Dienſte ausgiebt und die Dienftleiftenden hievon 200 fl. reines 


Ginfommen übrig behalten, fo find diefe 200 fl. ſchon in der Grund: 
tente des erfieren mit enthalten, fie können bei der Berechnung des 


(2) 


(e) 


(4) 


— 309 — 


reinen Boltseinfommens nicht abermals angefept werden. Wenn aber 
der Grundeigner für 1000 fl. einen Reiſewagen Kauft, defien Berfertiger 
ebenfalls 200 fl. reinen Gewinn macht, fo find zwei neue Bütermaffen 
vorhanden, 1) die Bodenerzeugniffe, melde die Grundrente bilden, 
2) der Wagen. Beide Producte find nad ihrem Preife auf 2000 fl. 
zu feßen, und da nur 800 fl. Productionsfoften (des Wagens) abzus 
ziehen find, fo bleiben 1200 fl. reines Ginfommen. 


Der Antheil des reinen Binfommens, den die Kaufleute, Yubrleute, 
Schiffer und andere Gehülfen im Handel beziehen, muß mit in Erwä- 
gung kommen, weil der Handel, wenn gleich nur mittelbar, doch fehr 
weientlich zur Hervorbringung mitwirft und aus den Fruͤchten derfelben 
belohnt wird, 8. 105, Nr. 3. 


Aber nur die Rente der wahren in den hervorbringenden Unterneh» 
mungen befhäftigten Capitale, nicht das ganze Cinkommen der Gapitas 
liſten (6. 223 (4)), denn die Rente von verliehenen oder vermietheten 
Bebrauchsvorräthen muß aus einem der oben genannten Zweige bes 
Ginfommens beftritten werden ; fo wird 3. B. die Zinsrente der Hypo⸗ 
thefenfchulden fafl ganz aus der Grund- und Hausrente, der Zins der 
Staatsihulden aus fämmtlihen Theilen des reinen Volkseinkommens 
genommen, und man würde in den error dupli verfallen, wenn man 
eides noch einmal befonders hinzurechnen wollte. 


Eine ſolche Rechnung für Broßbritanien und Irland bei Lowe (Engl. 
nad f. gegenw. Zuſt. ©. 246) giebt 255Mill.L.St., und nad araug 
der im Auslande verzehrten 4 Mill. noch 251 Mill. 2. St. Allein 
es find bier nicht allein reine Binkünfte aufgezählt, 3. B. 80 Mil. 
Arbeitslohn, ohne Irland. — Neuere Berehnung für 1836, von Mo: 
reau de Jonndeo (Statist. I, 319), aber fehr unfiher: 2200 Mill. Fr. 
®rundrente, mit Cinſchluß der Bergwerke und Gebäude, 575 Mill. 
Ertrag der Bichzucht (10 Pror.), 472 M. Gewerfsertrag (10 are)» 
5 M. Fiſcherei, 750 Mill. innerer Handel (zu 5 Proc). 150M. Candle, 
Dods, Ciſenbahnen, 41!/3 M. Schifffahrt, 200 M. auswärtiger Handel 
(10 Broc.), 62/3 M. Dividende der Affecuranzgelellichaften ıc., 694%, M. 
Zins der Staatoſchuld, 157%/ M. Zins der in Oftindien und im 
Auslande angelegten Summen, 225 M. Gewinn ber Banfherren, 
467 M. Ergänzung, zufammen 6000 Mill. Fr. — 235 Mill. 2. Et. — 
2830 Mil. fl. Hiebei find aber viele Abzüge nöthig, 270 Mill. für 
die Arbeit der Thiere, ferner der Unterhalt der Gewerksunternehmer, 
fodann die Zinſen der Staatsfhuld, ale abgeleitetes @infommen 
($. 251), es bleiben alfo etwa 3800 M. Fr. — 149 M. L. St. — 
1788 M. fl. oder 36 Proc. des obigen rohen Binfommens, 6.247 (B). 
— Aus der Ginfommensfleuer laſſen fih g. 172 Mill. 2. annehmen. 


§. 249. 
Obſchon die Größe des reinen Einfommend in volks⸗ 


wirthfchaftlicher Hinficht wichtiger if, fo verdient doch auch der 
Umfang bed rohen Ertrageß in einem ganzen Volke beachtet zu 
werden (a), denn 1) aus ihm wird ber nothwendige Unterhalt aller 
probuctiven Arbeiter beftritten, weldye dagegen am reinen Eins 
fommen nur einen geringen Theil haben. Dieſe Bolfsclafle, als 
die zahfreichfte, iſt für die Geſellſchaft ſowie für die Macht des 
Staated von großer Bebeutung, weßhalb ber zu ihrer Berfors 


— 30 — 


gung dienende Theil der gefammten Erzeugungdfoften, weit ents 
fernt, ein Berluft für die Bolfswirthfchaft zu fein, vielmehr 
bie wohlthätigfte Verwendung des Gefammteinfommens bildet. 
2) Das Berhältnig zwilchen dem rohen und reinen Ertrage 
eined Volkes zeigt die Ergiebigkeit der hervorbringenden Ges 
fhäfte an und läßt auf bie derfelben günftigen oder hinderlichen 
äußeren Umftände fchließen. Bei einerlei Umfang bed ganzen 
Erzeugniſſes ift offenbar diejenige Anwendung ber Güterquellen 
bie vortheilhaftefle, welche den größten reinen Ueberſchuß abwirft. 


(a) Ricardo, 26. Cap., legt auf das reine, Ad. Smith auf das rohe 
Ginfommen mehr Gewiht. An jenen fchließt fh Ganilh, Systömes 
I, 213. — Dagegen Sismondi, Nourv. prine. I, 153. 


$. 250. 


Das reine Einfommen bed Volks gelangt zunaͤchſt in bie 
Hänbe der vier bei der Hervorbringung betheiligten Volksclaffen 
und wird verwendet (a) 1) für den Unterhalt der nicht gewerbs 
treibenden Grund» und Gapitalbeflger (6), ferner für einen den 
Unterbaltöbedarf der Lohnarbeiter und Unternehmer überſteigenden 
Gütergenuß. Hieraus erhalten auch die Mitglieder der dienſt—⸗ 
leiftenden Claſſe, foferne fie nicht vom Staate befoldet werben, 
fowie die Eigenthümer verlichener und vermietheter Verbrauchd- 
vorräthe ihr Einfommen (c); 2) auf Abgaben für öffentliche 
Zwede, — an Staat, Provinz, Gemeinde, Kirche ıc.; 3) um 
neue Gapitale aus Erfparniffen zu bilden. Demnad) find ſowohl 
bie Hülfdfräfte ded Staates, welche feine Wirkfamfeit im Innern 
und feine Beftigfeit gegen Außen bebingen, ald die Mittel zur 
Pflege aller perfönlichen Güter der Menfchen, 3. B. der Wiffen- 
fhaften und Künfte, und auch die Vermehrungen des Volks⸗ 
vermögend hauptfächli von der Größe des reinen Ein= 
kommens abhängig (d). 


(a) P2gl. Ricardo a. a. O. und Say’s Anmerkungen zu biefer Stelle. 

(5) Diefer Unterhalt darf nicht zu den Koften gerechnet werben, mit denen 
der rohe Ertrag erzielt wird ($. 247. 2)), denn er ift feine Bedingung 
dieſes Ertrags, welcher eben fo gut ftattfinden Eönnte, wenn bie Grund⸗ 
eigner sc. ſich durch eigne Arbeit erhielten. 

(c) DBgl. 8. 248. Note (ec). 

(d) Das gefammte für perſoͤnliche Zwecke verwendbare Einkommen in einem 
Bolfe, nämlich der Inbegriff der Grund: und Zinsrenten, des Lohnes 
und Gewerböverdienftes, ift Eleiner als der ganze röhe Ertrag, aber 

‚ größer als das reine Cinkommen. Die obige ehnung Lowe's 


— 811 — 


($. 248 (d)) giebt gerade dieſes Cinkommen, 251 Mil. 2. St. oder 
3012 Mill. fl., weldee auf den Kopf der Einwohner 143 fl., auf die 
Kamilie 654 fl., und mit dem rohen Ertrage verglichen T1t/s Proc. 
defielben beträgt. 


$. 251. 


Diejenige Vertheilung des jährlichen Ertrages, welche ben 
Mitgliedern der zu ber Erzielung beffelben mitwirkenden Volks⸗ 
clafjen Antheile der neuen Gütermenge zuführt ($. 250), wirb 
die urfprüngliche genannt, und das aus ihr hervorgehende 
Einfommen biefer Stände dad urfprünglidhe. Diele Bers 
theilung würde fehr deutlich zu erkennen fein, wenn die Arbeis 
ter, Grundeigner, Gapitaliften und Unternehmer ihre Antheile 
gerade in den nämlichen Gütern erhielten, zu deren Erzeugung 
und Herbeifchaffung fie durch ihre Leiftung beitragen; dieß ift 
aber meiftens nicht der Sal, fie empfangen ihr Einfommen in 
Geld, um dafür allen Bebarf von verfchiebenen Gegenfländen 
nad Belieben eintaufchen zu Eönnen, ed läßt ſich deßhalb in 
vielen Bälen nicht ausmitteln, welchem neuen Gütererzeugniß 
ein gewifled Geldeinkommen feinen Urfprung verdankt. Diejenis 
gen Bolföclaffen, weldhe zur Vermehrung der im Befige eined 
Volkes befindlichen Guͤtermenge nicht beitragen und ſich blos 
durch Dienfte oder durch Verleihen von Oenußmitteln (a) Eins 
nahmen verfchaffen (8. 248), beziehen ein abgeleitetes Eins 
fommen, welches ihnen vermöge der abgeleiteten Ders 
theilung zufließt. Alles abgeleitete Einfommen muß aus dem 
urfprünglichen beftritten werben (Bd). 


(a) Bei den Capitaliſten (6. 54 (2)? laſſen ſich mehrere Fälle unters 
ſcheiden: 1) Das von ihnen dargeliehene oder vermiethete Bermögen if 
bei dem Schuldner oder Miether als Gapital in einer hervorbringenden 
Unternehmung, oder als Wertbserhöhung von Grundſtücken ($. 130) 
noch vorhanden, daher ift ihre Cinkommen ein urfprüngliches, $. 248; 

2) daflelbe befteht aus vermietheten Genußmitteln (6. 223 (a)) oder 
es findet fi bei dem Unternehmer eines unproductiven Dienftgemwerbes, 
3. DB. eines Theaters, einer Badeanſtalt und vergl ein, feiner Schuld 
an den Gapitaliften entfprechender Vorrath von Genußmitteln ; 

2) das bewegliche Vermoͤgen if von dem Schuldner zu Ausgaben 
verwendet worden, bei denen es früher oder fpäter aufgezehrt wird. 
Sehr viele Forderungen der Gapitaliften rühren von ſolchen längft vors 
genommenen Berzehrungen her. 

In den Fällen 2) und 3) empfangen die Gapitaliften ein abgeleis 
tetes Einfommen. Wenn die geliehenen Summen zum Anfaufe von 
Gebäuden oder Brundflüden verwendet werben, fo kommt es darauf an, 
was dann ber Berfäufer mit der empfangenen Geldſumme anfängt, 


— 312 — 


wovon der Darleiher gewoͤhnlich nicht unterrichtet iſt. Die meiſten 

Capitaliſten beziehen Zinſen eines Darleihens und find folglich Zins⸗ 

glaͤubiger, im Gegenſatze derjenigen, welche Gegenſtaͤnde vermiethen. 
(6) Gay, Handb.. VI, 52. — Storch, I, 172. 


Bierter Abſchnitt. 
Umlauf der Güter. 


Erfte Abtheilung. 
Allgemeine Betrachtung des Güterumlaufs. 


6. 252. 


Unter dem Umlaufe oder der Girculation der Güter 
verfteht man ben Mebergang derfelben von einem Eigenthümer 
zu dem andern (a). Die vollftändige Befriedigung ber Bebürf- 
niffe ift nicht ohne einen häufigen Umlauf eines Theiles der 
Güter möglich, weßhalb eine beträchtliche Zahl von Menfchen 
fih mit der Vermittlung und Verforgung des Umlaufes, vors 
züglich des Tauſches, befchäftiget, $. 99. Die VBeranlaffungen 
des Umlaufes find jebody nicht allein Taufche, fondern auch 
andere Verträge, zufolge deren Leiftungen mit Bermögendtheilen 
vergütet werden, wie Leih⸗ Mieth⸗ und Pachtverträge und das 
Dingen von Arbeitern gegen Lohn. Ein Gut ift im Umlaufe, 
fo lange e8 noch nicht in den Befig deffen gelangt ift, der es 
zu gebrauchen anfängt. Die Verwandlungdftoffe können nad) 
gefchehener Umgeftaltung wieder von Reuem in den Umlauf 
fommen (b). | 


(a) Der bildlihe Ausdrud Umlauf paßt gut auf das Geld, welches 
unaufhörlih, gleihfam im Kreife, von Hand zu Hand geht, — aber 
nicht fo deutlih auf den Verkehr mit anderen Gütern. 

(8) Die Begriffe von Umlauf, Berkehr und Bertheilung find nahe 
verwandt, aber doch verfhieden. Die Menfhen ſtehen im Verkehr 
miteinander, die einzelnen Güter find int Umlaufe begriffen, das 

anze Gütererzeugniß unterliegt der Bertheilung unter die ver: 
hiedenen Claſſen und einzelnen Mitglieder der Befellihaft. — Das 
Ausgeben eines Gapitales, deſſen Erſaß durch den Umlauf in das Ber: 
mögen zurüdfehret, nennt man den Umſatz 


— 318 — 


$. 253. 


Die in jedem Volfe umlaufende Gütermaffe begreift außer 
dem Gelde folgende Theile in ſich: 1) die meiften neu erzeug- 
ten oder eingeführten Güter, weil diefe von ben Erzeugern 
oder den erften Erwerbern an andere Perfonen gelangen müffen, 
um ihrer Beftimmung gemäß gebraucht zu werben, $. 143. Nur 
ber Eleinere Theil diefer Gütermenge wird ohne Umlauf fogleid) 
von benen verzehrt, welche die neuen Güter zuerft an ſich brachten; 
2) Orundftüde, Gebäude und andere ſtehende Capi— 
tale, von denen jedoch in jedem Zeitabfehnitte nur ein Fleiner 
Theil feinen Eigenthümer wechfelt; 3) Genußmittel, die, 
nachdem ihr Gebraudy ſchon angefangen hatte, aud irgend einem 
Orunde wieder vertaufcht werden (a). 4) Urkunden, welde 
eine Forderung audbrüden, $. 293. Die unter 1) genannten 
Güter bilden den größten Theil des Umlaufes. 

(a) 3. B. Kleider, Hausgeräthe, Bücher, Kunftwerthe. 


$. 254. 


Die Lebhaftigkeit des Umlaufed bemißt ſich nad) der Menge 
und dem Umfange der einzelnen Güterübertragungen, weldye bei 
einer gewiffen Menfchenmenge im Laufe eines beftimmten Zeit 
abfehnitted Statt finden (a). Nimmt dieſe Lebhaftigfeit zu, fo 
rührt dieß mehr von der größeren Menge der umlaufenden 
Güter, ald von einem öfteren Uebergange jedes einzelnen Gutes 
in andere Hände her, es läßt alfo vermuthen, daß mehr Güter 
hervorgebradyt und verzehrt werden, und daß zugleich die Ars 
beitötheilung den eigenen Berbraudy der Producte durch ihre 
Erzeuger feltener macht, $. 116. Kann vermittelfi der Fort⸗ 
fehritte in der Gewerböfunft die Erzeugung einer Art von Güs 
tern in fürzerer Zeit bewerfftelliget werben und läßt fich auch 
die fertige Waare fchneller abfegen, als ſonſt, fo hat dieß bie 
günftige Zolge, daß das eher umgefegte Capital die Erzeus 
gung einer größeren Gütermenge in gleicher Zeit möglich” madıt, 
vgl. $. 241. Der Güterumlauf iR da am lebhafteflen, wo 
der höchfte Wohlftand und die größte Mandjfaltigfeit der zus 
folge ber Arbeitötheilung von einander gefonderten Gewerbe zu 
finden find. Bei einem Volke, weldyes nur wenige Gewerks⸗ 


— döld — 


leute und Handel bat, iſt der Umlauf verhaͤltnißmaͤßig ſchwaͤcher, 
weil in der Landwirthſchaft die nur felten veräußerten Vermoͤ⸗ 
gensftämme, naͤmlich das Grundeigenthum nebft dem ſtehenden 
Capitale, weit groͤßer ſind, als das umlaufende Capital, und 
weil der Landwirth einen groͤßeren Theil ſeiner Erzeugniſſe ſelbſt 
verzehrt, als der Gewerksmann. 

(a) Man könnte jene Lebhaftigkeit auch daraus beſtimmen, welcher Theil 
des ganzen Mohertrages in Umlauf kommt und wie oft jeder Theil 

befielben in andere Hände gelangt. 

| $. 255. 

Der Umlauf der Güter ift nicht an und für ſich nüßlich, 
fondern als das Mittel, die Erzeugung mit der Verzehrung 
in Berbindung zu fegen, den Erzeugern Abſatz zu verichaffen, 
und fowohl fie al8 die Verzehrer mit denjenigen Gegenſtaͤnden 
zu verforgen, deren fie bedürfen. Bon biefer Seite erfcheint ber 
Umlauf als eine wefentlihe Bedingung einer blühenden Volks⸗ 
wirtbichaft (a). Nur durch ihn kann bei der Sonderung vers 
ſchiedener Stände und Befchäftigungen in der Geſellſchaft jedes 
Beduͤrfniß befriediget und zugleid, eine entfprechende Erzeugung 
unterhalten werden. Der Lohn und die Gemwinnfte der ben 
Umlauf beforgenden Menſchen, wohin vorzüglich die Kaufleute 
gehören (8.105), können nicht ſchon ald Kennzeichen feiner Ge⸗ 
meinnügigfeit angefehen werden, denn diefe Einnahmen werden 
von den Zerfäufern und Erwerbern der Güter getragen, und 
würden für beide ein Verluſt fein, wenn ihnen der Umlauf 
feinen verhältnigmäßigen Vortheil brächte, 8. 105, 2). Die 
Koften ded Umlaufs begreifen nicht blos die fämmtlichen Hans 
belöfoften, fondern aud) den Aufwand für das allgemeine Ums 
laufömittel, da8 Geld, und offenbar ift jede für den Erfolg 
unfhädlihe Eriparniß an der einen ober anderen diefer Aus⸗ 
gaben für die Volkswirthſchaft vortheilhaft. 


(e) Diejenigen, welche auf einen lebhaften Geldumlauf großen Werth lege, 
fhägen wohl auch meiftens bdenfelben als Zeichen einer ausgedehnten 
Erzeugung und Verzehrung der verichiedenen Sadhgüter, indeß Enüpfte 
fih an jenen Ausdrud dod manches ſchädliche Mißverſtaͤndniß. Richtige 
Begriffe hierüber bei Qume, in ber Abhandlung vom Staatscreit. 


- 8. 256. 
Die mit dem Umlauf befchäftigten Perfonen beabfichtigen 
nur ihren eigenen Gewinn. Diefen tönnten fie auch bei folchen 


— 315 — 


Uebergängen ber Güter in andere Hände finden, bie für bie 
Volkswirthſchaft unnüg find, weil fie weder die Erzeugung noch 
bie Verzehrung befördern. Werden auf einen folchen Umlauf 
Arbeitskräfte und Gütermaflen gewendet, die außerdem hervor- 
bringend wirken fönnten, fo ift jener fogar für fchäplich zu 
halten. Indeß ift ein folcher übermäßig verlängerter Umlauf 
im Ganzen genommen und wenn ber Berfehr ſich frei bewegen 
fann (a), bei ben Wuaren wenig zu beforgen, weil biefe das 
durch vertheuert werden und die Käufer fich fletd bemühen, auf 
dem Fürzeften Wege einzufaufen; eher ift ein folcher unvortheils 
bafter Umlauf bei den Ereditpapieren möglich ($. 293), deren 
Preid von allgemeinen Berhältniffen in den Staaten abhängt 
und fo veränderlich if, daß daraus eine Ermunterung zum 
Kaufe und Berfaufe auf Speculation entfteht. 


(a) Begänftigung einzelner Handelsplaͤze duch Umfchlagsrehte, — 
Berbot des unmittelbaren Verkehrs der Golonien mit anderen Laͤn⸗ 
dern ıc. wirken in obiger Hinſicht nachteilig. 


Zweite Abtheilung. 
Das Geld. 


8. 257. 


Geld (a) iſt das allgemeine Umflaufsmittel, welches im 
Güterverfehre alle anderen Güter vertritt (repräfentirt) ($. 128); 
ed wird von Jedem darum ald willlommener Gegenwerth ges 
nommen, weil man weiß, daß Andere ed ebenfalld wieder gerne 
annehmen werben (db). Ohne ein’ foldyes Huͤlfsmittel würbe 
ver Verkehr fehr befchwerlich und der Umlauf langfam fein, 
weil dann nur biefenigen Menſchen einen Tauſch oder einen 
anderen Bertrag über Güterleiftungen mit einander fchließen 
fönnten, deren Anerbietungen und Begehr ſich gerade gegen- 
feitig entfprächen, fo daß jeder von beiden eben bad anböte, 
was der andere fucht. Auch das Abgleichen der Mengen macht 
eine Schwierigkeit, indem mandye Gegenftände ſich nicht zer⸗ 
füäden laffen, von anderen aber der Eintaufch großer Vorraͤthe 


— 316 —— 


auf einmal läftig ift. If einmal Geld eingeführt, fo kann 
Seder, ber mit demfelben verfehen ift, jedes zum Berfaufe bes 
ftimmte Gut leiht an fich bringen, und wer ein Gut abfegen 
will, ift zufrieden, wenn er defien Preis in Geld erftattet ers 
hält, weil mit diefem Alles, was überhaupt feil it, erworben 
werden fann. Der Umlauf wirb dur die Einführung bes 
Geldes überaus erleichtert, erft mit dieſer beginnt baher ein 
reger Verkehr, und nur rohe und arme Bölfer können ohne 
Geld befteben (c). - 


(a) Galiani, Della moneta, f. 6. 43 (ec). — Steuart, Untef. 36 
Bud. — Say, Handb. II, 262. — G. Soden, Nationalökon., 
U. Bd. 38 Bud. — Hufeland, Staatew., der ganze 3. Theil. — 
John Prince Smith, The elements of the science of money founded 
on principles of the law of nature. London 1813. — Stord, I, 
415 ff. — Murhard, Theorie des Geldes und der Münze. Altenb. 
1817. Defien Theorie und Bolitif des Handels, 1831. I, 260. — 
Materialien zur Kritik der Nationalöf. 1. Heft. Was it Geld? Berl. 
1827. — 3. ©. Hofmann, Die Lehre vom Gelde, Berlin 1838. — 
M. Chevalier, La monnaie, Par. 1850. (3r Band bes Cours d’6c. 
pol.). — St. Mill, I, 525. 


(6) Weber die Bergleichung des Geldes mit einem Zeichen, noch mit 
einem Unterpfande, ift ganı angemeflen, weil der Empfänger einer 
Geldſumme ſich durch diefelbe völlig befriedigt findet und an den Zah⸗ 
lenden feinen meiteren Anſpruch macht. Die Erklärung des Geldes ale 
eines Zeichens kommt fhon bei Berkeley (1735) und Dutot (1738) 
vor, Roſcher, Syflem I, 195. 


(6). Bei dem Zweifel an der Richtigkeit dieſes Satzes und den angeführten 
Beifpielen von ziemlich entwidtelten Völkern, die ohne Geld gewefen 
fein follen, wie die alten Mexikaner, Peruaner und die Loo⸗Choo-In⸗ 
fulaner (Hermann, Unter. S. 97), möchten biefe Thatfachen felbft 
nicht außer Zweifel fein. Nach anderen Nachrichten braudten 3. B. 
die Mexikaner Kafaobohnen, Zinnftüde, baummwollene Tücher x. als 
Geld. Murbard, Theorie des H., I, 277. ' 


$. 258. 


Aus dem Welen ded Geldes (8. 257) laſſen fih nachſte⸗ 
hende, von der Erfahrung beftätigte Folgen ableiten: 1) Dass 
felbe bleibt ftetd im Umlaufe, ohne in den unmittelbaren Oe⸗ 
brauch für menfchliche Zwecke überzugehen ($. 130), und unter» 
fcheidet ſich hiedurch von allen andern umlaufenden Gütern, 
welche früher oder fpäter zu einem Befiger gelangen, ber fie zu 
gebrauchen anfängt, d. h. von den Waaren (a). Wenn ber 
Stoff des Geldes eine andere Anwendung erhält, fo hört er 
auf Geld zu fein. 2) Bei der Annahme des Geldes gegen 


— 381 — 


irgend eine 2eiftung nimmt man nicht fowohl auf die Eigen- 
fchaften des zum Gelde gebrauchten Stoffes, ald auf den Preis 
deffelben gegen andere Güter Rüdficht, weil man es nur als 
Erwerbsmittel betrachtet, 8. 64. 3) Nach der Einführung des 
Geldes werden felten noch Taufche von Waaren gegeneinander 
vorgenommen, vielmehr in ben meiften Faͤllen an der Stelle 
eined einzelnen Tauſches zwei abgefonderte Gefchäfte gefchloffen, 
indem man, um mit Hülfe eines beftimmten Gutes ein anderes 
gewünfchtes zu erwerben, erft jened gegen Geld verkauft und 
dafür diefed anfauft (b). 


(a) Hufeland, IL, 1—17T. — Der Stoff des Geldes ift eine Waare, 
und das Metallgeld tritt, fowie es eingefchmolgen oder audy nur zum 
Ginfchmelzen beftimmt wird, in die Reihe der Waaren zurüd. 


($) Simonde, Rich. comm. I, 126. — Man feßt gewöhnlih den Kauf 
und Berfauf, welde beide Ausprüde nur die zmei Seiten eines 
und beflelben @efchäftes bezeichnen, dem Tauſche entgegen, wie im 
römifchen Rechte die emtio und venditio der permiutatio und die Waare 
(merx) dem Preiſe (pretium) gegenüber ſteht, L. 1. $. 1. D. de con- 
trah. emt. (XVII, 1); aber die Bolkswirthichaftslchre muß fi mehr 
an die weitere Bedeutung des Wortes Tauſch halten, nad welcher der 
Kauf und das gegenfeitige Hingeben von Waaren ohne Zutritt des 
Geldes (der Taufch sensu stricto) die beiden Arten oder Bälle des 
Taufches find. 


$. 259. 


Die erfte Einführung eines Geldes konnte weder durch 
Zwangöbefehl einer Regierung, nody durch ausprüdliche Verab⸗ 
redung unter den Menſchen gefchehen, denn es laͤßt fich nicht 
annehmen, daß man den Begriff des Geldes befefien und befien 
Vortheile gefannt habe, ohne beides aus der Erfahrung gefchöpft 
zu haben. Man muß daher vermuthen, daß eine allgemein 
beliebte und gefuchte Waare allmälig immer häufiger auch von 
folchen Perfonen im Verkehre angenommen wurde, die fie nicht 
felbft gebrauchen wollten, daß fie auf biefe Weife nach und 
nach die Natur des Geldes erhielt und hiebei auch ftufenweife 
der hieraus entipringende Nutzen deutlicher erfannt wurde. Das 
zum Gelbe gebrauchte But mußte einen allgemein anerfannten 
Werth haben und gerade nach dem Marftpreife, ber ihm ale 
einer Waare zukam, gegeben und angenommen werden, damit 
jeder Einzelne, dem es ald Gegenwert angeboten wurde, fihon 
in ihm ſelbſt eine zureichende Vergütung für feine Leiſtung ers 
hielt und folglidy auch auf den Ball, wenn Andere das Geld 


= 


— di8 — 


ihm nicht ſogleich wieder abnehmen würden, nichts zu ver⸗ 
lieren hatte, 


$. 260. 


Das Geld !erhielt bei feiner Entftehung zugleich die Eigen- 
fehaft eined allgemeinen Breismaaßes oder Bermögend- 
meffers (a), d. 5. eines Gutes, in deffen Mengen die Preife 
aller anderen Güter und Leiftungen ausgebrüdt werben, 8. 146. 
Mit’ Hülfe eines ſolchen iſt es weit leichter, eine Menge von 
Preisverhältniffen im Gedaͤchtniß zu behalten und mit einander 
zu vergleihen, als wenn man bei jedem Gute feine Preiſe 
gegen verfchiedene andere Sachen beachten müßte, überbieß bildet 
ſich beſſer ein in vielen Fällen gleichförmiger Marktpreis, wenn 
jebe. Waare nur gegen Geld vertaufcht wird. Ein folches 
Preismaaß muß nothwendig felbft ein preisfähiges Gut fein, 
und es ift ein defto vollfommenered, je weniger fein Preis Ber: 
Anderungen unterliegt, $. 181. Die Borftellung eines blos 
eingebilbeten (idealifchen) Preismaaßes, dem fein beflimmtes 
ſachliches Gut entfpräche, enthält daher einen Widerſpruch in 
ſich (d); nur ift e& denkbar, daß die Menfchen fich eines Preis⸗ 
maaßes bebienten, welches nicht dazu geichidt wäre, zugleich 
als Geld zu dienen (c). 


(c) Schon Galiani (Della moneta, 1780, S. 62) unterfcheidet in dems 
felben Sinne eine moneta ideale (una commune misura per conoscere 
il prezzo d’ ogni cosa) und reale. Graf v. Soden nennt das Preiss 
maaß Ktemometer (richtiger Ktematometer), Nationalöfonomie, IL, 399. 
Bol. Smith, Sc. of money, ©. 38. — Es if dem Sprachgebrauche 
enfgegen, daß ®r. v. Soden den Bermögensmefler ausichließlich 
Geld, das Umlaufsmittel Münze genannt willen will (ebend. 304), 
denn ein Preismaaß, welches nicht zum Umlaufsmittel taugt, verdient 
ben Namen Geld nicht, und der. Begriff von Münze ($. 264) ſteht 
ſchon im gemeinen Leben fe. Die Kauris in Afrika find ſicherlich eine 
Art des Geldes, aber nicht der Münze. 


(65) Dahin gehört die Erzählung von der Mafute der Mandingo:Reger bei 
7 


— 319 — 


(ce) Vielleicht gehört hieher der uralte Gebrauch des Viches zur Bezeichnung 

der Breife, von welchem Homer Beilpiele giebt, Il. VI, 234: 

Iept ward Glaukos erregt von Zeus, daß er ohne Befinnung 

Gegen den Held Diomedes die Rüftungen, goldne mit ehrmen, 

Wechſelte, 100 Farren fie werth, 9 Barren die andere. 
Aehnlich Il. VII, 472. XXIII, 702, vgl. Stord, I, 422. 24 und 
Zuf. 98. So wurden aud urfprünglich bei den Römern (Plin. Hist. 
nat. XVIII, 3) und den alten Deutihen (Tacitus Germ. C. 12) die 
Bermögensftrafen in Vieh angefegt, und als im Mittelalter Strafen 
öfters in byzantinifchen Solidis ausgetrüdt wurten, verftand man unter 
dem Solidus nod bisweilen ein Stüd Vieh oder ein gewifles @etreides 
maaß. Hüllmann, Gtädtewefen des Mittelalters, I, 405. Bei den 
alten Perfern war ein beflimmtes Preisverhältniß der verfchiedenen 
Hausthiere gegeneinander feftgefegt, um Sütermengen danadı zu ſchaͤtzen; 
Beynier, Persans, S. 308. — Im Ganton Bern nennt noch ie der 
Landmann das Vieh Waare. In Island bedeutet das Wort Bieh 
(fe) zugleich nermögen, fowie mal bei den Tataren. — Pecunia von 
pecus. — Mehrere Belege bei Roſcher, Syſtem, I, 198. 


$. 261. 


Die Geſellſchaft muß fchon ziemlich ausgebildet, ed muß durch 
gute Rechtöpflege und rechtlichen Sinn der Bürger ſchon viel 
Credit begründet fein, bis man dahin gelangen Tann, fich eines 
Umlaufömitteld zu bedienen, weldyes nicht jelbft von befanntem 
Werthe und Preife ift, fondern fich auf ein anderes But bezieht, 
dem diefe Eigenfchaften zufommen. in werth= und preidlofer 
Gegenftand, 3. B. ein Stüd Papier, fann nur zum Gelbe 
werden, wenn man ihm fünftlidy eine beftinnmte Bedeutung beis 
legt, fo daß er eine Quantität eined gewiflen, und zwar am 
paffendften eines bereitd zum Preismaaße und Gelde ange 
wendeten Guted anzeigt (a). Auf diefe Weile kann ein Theil 
bed umlaufenden Geldes aus folchen Zeichen beftehen, welche 
beinahe gar Feine Koften verurfacdhen und vermöge der hieraus 
entftehenden Erfparniß Gelegenheit geben, die anderen, in nähe 
rer Beziehung zur Production flehenden Theile des Bolkdcapis 
tale8 zu vergrößern. 


(s) Sin Zeichen diefer Art wird der Guͤtermenge, die es ausdrüdt, aud 
wirklich im Preiſe gleich gelten, wenn derjenige, der das Zeichen auss 
gegeben hat, es felbft einlöfen ‚will und einlöfen kann. Im entgegens 
gehen Galle kann daflelbe unter den Nennpreis finfen, den es 
anzeigt (unter Bari). In diefem Kalle muß man bei den im Zeichens 
gelde ausgedrüdten Preiſen immer darauf achten, wieviel fie gegen das 
eigentliche Preismaaß gelten, z. 8. 24 fl. in oͤſterreichiſchem Papiers 
gelde bei einem Curſe von 126 gegen 100 fl. Silber find in letzterem 
nur 19,4 fl. — In Virginien gab es ein auf Quantitäten von Tabak 
fich beziehendes Papiergeld. Graf v. Soden, Nat.:Def. IL, 313. — 


— 320 — 


Die weitere Betrachtung des Bapiergeldes folgt nady der Lehre von dem 
Credite, $. 293. 


\ 


$. 262. 


Als das Bedürfniß eined Umlaufsmittels fühlbar wurde, ver: 
fielen die Völker zuerft auf verfchiedene Gegenſtaͤnde, die ihnen 
am nächften lagen, die fie am meiften fehästen oder befonders 
häufig gebrauchten (a), doch erhielten fchon früh die Metalle (d), 
zumal Gold und Silber (c) den Vorzug, wie denn beide auch 
wirklich der angemeffenfte Stoff des Geldes find. Die Gründe 
hievon find (d): 

1) Körperlihe Eigenfhaften, nämlid a) Härte 
und Dauerhaftigfeit, weßhalb fie beim Umlaufe fehr wenig 
abgenugt werden, faft feinen Befchäbigungen ausgeſetzt find 
und fi) ohne Gefahr der Verfchlechterung bequem aufbewahren 
laflen (e). b) Sleihförmige Befchaffenheit der gereinig- 
ten Metalle, fo daß jedes einzelne Pfund Gold oder Silber dem 
anderen gleidy ift und an deſſen Stelle treten fann. c) Schmelz- 
barkeit und Leichtigkeit des Formend. Dieb hat den Vortheit, 
daß beim Unmgeftalten von Geldftüden nichts verloren geht und 
bequem größere und kleinere Stüde zur Bertretung verfchiedener 
Preisinengen zugerichtet werden fönnen, ferner, daß man Ge⸗ 
räthe, Gefchirre ıc. aus Gold und Silber leicht in Geld ums 
wandeln fann. d) Der [höne an der Luft ausdauernde 


Glanz (f). 


(a) Beifpiele bei Buffe, I, 34, Graf v. Soden, II, 312, Hufelanb, 
IL, 39, Stord, I, 423. — Bölfer in falten Ländern geriethen leicht 
darauf, Thierfelle und Stüde von folden als Geld zu gebrauchen, wie 
die alten Rufen Marder: und Gichhörndenfelle; der Sieger forderte 
öfters den Tribut in Bellen; fipäterhin wurden gemalte Stückchen Belzs 
werk als Zeichen ganzer Felle in Umlauf gebracht und erfi im 6. 2ahıh 
fam das Pelzgeld außer Gebrauch. An der Hutfonsbai ift noch jept 
das Biberfell als Preismaaß im Gebrauch und jenfeit des Alleghanny- 

ebirge® wurden nah Marryat noch zu Anfang des jehigen Jahrh. 
Felle an BZahlungsftatt angenommen. Storch, IU. 25. Schoen, 
Novae quaedam in rem nummariam antiquae Rossiae observationes, 
Wratisl. 1829. — Roſcher, Syftem, I, 198. — Bon den Mongolen, 
Buräten 20. wird zu gleichem Behufe der Backfteinthee gebraudt, d. i. 
Kuchen aus einer gröberen Theeiorte geformt, die ein allgemein bes 
liebtes Betränf geben. Timko woky, Reife nad China, überf. von 
Schmidt, I, 43. (1825.) — Muſchelgeld, Kauris (Cypraea moneta), 
ale uraltes Scheidegeld in China, Vorderindien, Arabien und Africa 
bis zur Weſtkuͤſte in Gebrauh. Sie verbreiteten fih von den Maledi⸗ 
ven aus nach Weften, aber auch an den africanifchen Küften werden fie 


n 


— 321 — 


efunden. Der Sflavenhandel fcheint ihre Verbreitung befördert zu 
haben und in manchen Gegenden, wo fie nicht als Geld Lienen, werben 
e wenigftens zum Schmud gebrauht. Volz in der Zeitfchrift für 
Staatswifl. 1854, ©. 83. 

(3) Die Sinführung des Metallgeldes fällt bei den alten Bölfern in bie 
erften Perioden ihrer Gefchichte, und der Zeitpunct ift bei feinem genau 
befannt. Die Hrbräer hatten es fehr früh, die Athener Schon zu Solons 
Zeit, die Römer feit Servius Tullius; Herodot (I, 94) fchreibt den 
Lydiern die Erfindung der Gold: und Silbernüngen zu. — Bei einem 
africanifhen Bolfe 4 nah Mungo Park ein in Gifenflangen be: 
ftehendes Geld üblih, und die Eingebornen find gewohnt, eine Güter⸗ 
menge, die im Breife einer Stange gleich kommt, auch wirklich eine 
Stange zu nennen, 3. B. 20 Tabalsblätter oder eine Sallone Brannt: 
wein heißen eine Stange Tabak, eine Stange Rum. Die Europäer 
haben die Gifenftange gleih 2 Schill. Sterl. gefept. Thomas Smith, 
An attempt to define ete. ($. 45. (c)) S. 23—25. 

(e) Platin ift bei dem peutigen Stande der Metallurgie noch zu foftbar zu 
prägen. Hagen in Polis, Jahrb. der Geſch. u. Staatskunſt, 1830. 
I, 29. — Schubart, Tedhn. Chem. LI, 431. 

(4) Bol. Buffe, a. a. O. J, 45 und die dort angeführten Schriften. — 
Qufeland, II, 42. — Schön, N. Unteaf. ©. 127. 

(e) Geld, Silber und Kupfer find nach den forgfältigen Unterfuhungen 
von Cavendiſh und Hatchett am meiften geeignet, miteinander in 
den Münzen verbunden zu werden. Die hieraus gebildeten Gemiſche 
behalten die Dehnbarkeit und fönnen ohne Verluſt durch Verfluͤchtigung 
oder Oxydation eingefchmolgen werden. Philos. transact. 1803. 1, 150. — 
Die Yortfchritte der national: öfonomifhen Wiflenfhaft in England. 
S. 226. (Leipzig 1817.) 

(f) Er iſt dauernd wegen ber geringen Anziehung beider edlen Metalle zum 
Sauerftoff. 


$. 263. 

2) Ein nicht fehr veränderlicher und zugleich ziemlich hoher 
Preis, weßhalb auch fehon eine Fleine Mafle, 3. B. ein Stüd, 
eine Rolle von Stüden, eine anfehnliche Preismenge barftellt. 
Dieß ift eine große Erleichterung für den Gebrauch und bes 
fonders für die Verſendung. Unedle Metalle können zum Bers 
güten kleiner Preismengen gute Dienfte feiften, find aber für 
den großen Berfehr unbraudybar. 

3) Allgemeinheit der auf den erwähnten förperlichen Eigen- 
Ichaften (1) beruhenden Werthſchätzung. Die Schönheit, in Ber- 
bindung mit der Koftbarfeit, empfiehlt dad Gold und Silber 
ganz vorzüglidy zu Gegenftänden des Schmuded und Prunfes, 
wobei fie al® Kennzeichen verfchiedener Grade des Wohlſtandes 
oder auch der höheren Rangftufen in der Geſellſchaft betrachtet 
zu werden pflegen (a), zugleidy befriedigen fie aber doch feine 


fo dringenden Bebürfnifie, daß man verfucht fein fönnte, einen 
Rau, polit. Dekon. I. 7. Ausg. 21 


— 822 — 


beträchtlichen Theil des Metaligeldes feiner Beſtimmung zu ent⸗ 

ziehen unb zu verbraudyen (b). 

(a) Auf jeder Stufe dient der Gebrauch eines fllbernen oder goldenen — 
ſtandes zu einem ſolchen Merkmal; fo bezeichnen z. B. ſilberne Loͤffel 
Leuchter und Teller drei ſehr von einander entfernte Grabe der Wohl⸗ 

benheit. Manche ——— en koͤnnen der Sitte gemäß nur in 

lUd geſchehen, golbne Ta nubzen werden bei ben Höheren Ständen 
ale Beduͤrfniß angeſehen. Ehemals waren auch bie Schnalles, bie 
Treſſen an den Kleidern und vergl. folche Yinterfcheibungszeichen. 

(6) Dance minder gebildete Bölker haben jedoch eine folche Vorliebe zu 
den edlen Metallen, daß fle diefelben begterig anfammeln, wie die alten 
Ruffen (Schoeon, angef. Obserr.) und die Lappen, welche aus Schwe⸗ 
den und Norwegen Silber diehen und große Summen befigen, bie fie 
nie ausgeben, Willibald Aleris (Häring), Herbftreife durch 
Scandinavien, 1828. II, 47. — Nadir Schach fand 1739 im Schage 
des Großmoguls zu Delhi 5 Crore (72%/ Mill. fl.) Muͤnze und andere 
Dinge von Gold und Silber. 


8. 264. 


Die edlen Metalle dienen am beften zum Gelbe in der Form 
geprägter Stüde oder Münzen (a). Das Gepräge zeigt 
fowohl dad Mifchungsverhältnig als das Gewicht der Stüde 
an (5) und eripart dadurch die Mühe des Wägens fowie bie 
Prüfung des Gemifches, welche fonft bei dem Empfange jedes 
Geldftüdes vorgenommen werden müßte. Im großen Hanbele- 
verfehre, befonder® bei Zahlungen in ein anderes Land, welches 
die Münzforten bed Zahlenden nicht höher annehmen würde, 
ald ungeprägtes Metall, werden jedoch öfters Gold» und Silber: 
ftangen (Barren, franz. lingots, engl. ingots, bullion), welche 
geftempelt find und blos gewogen werben müfien, ald Geld 


gebraudit (c). Ä 

(a) Es giebt Münzen, die nicht Geld find, z. B. Denk⸗, Ehren: und 
Schaumünzen; auch Nothmuͤnzen von Leder find vorgefommen. 

(6) Es ift zu diefer Bezeichnung fchon hinreichend, wenn nur ber Golb⸗ 
oder Silbergehalt der Münzen von einem gewiflen Gepräge geſetzlich 
vorgefchrieben ift. 

(0) Noch jet wird in Ehina der Umlauf neben einer kleinen an Schnüre 
gereihten Meffingmünzge Biäng, Li, von den Engländern cash ge 
nannt, lange zu ungefäbt 1/a kr. gerechnet) blos mit Barren beftritten 
(Stord, I, 423. Timkowoky, Reiſe, II, 366), fo aud in Cochin⸗ 

ina uad Tunfin, wo bie Barren platt gefchlagen und 4 Zoll lang 
nd. Th. Smith, a. a. O. ©. 31. Der perfifche Larin ift eine 
21/5 Zoll lange, zufammengebogene , geftempelte Silberſtange. Nbbils 
bung defl. bei Nobad, Handb. der Münzverh., IL, Taf. XXIX. In 
Beyjan bedient man flch des Goldflaubes, der gewogen wird, doc, werben 
Feine Breife in Korn oder Mehl bezahlt, Bag. v. merkw. n. Reifen, 


— 323 — 


V, 304. — So geſchah es auch oft im Mittelalter. Hüullmann, 
Städtewelen, I, 402. 416. — Ibn Batuta (Trarels, transl. by Lee, 
Lond. 1829. ©. 200) fand im 14. Jahrhundert auf Sumatra Stüde 
Bold; und Zinnerz ale Geld üblich. 


8. 269. 


Da das Geld feinen Gebrauchswerth hat, fondern erft nügt, 
wenn man ed audgiebt, fo findet fich jeder Befiger eined Geld» 
vorrathed feines Vortheild willen aufgefordert, denfelben in den 
Umlauf zu bringen. Fehlt es in einem Lande nicht an Sicher 
heit der Rechte und mandhfaltiger Gelegenheit, baare Summen 
zwedmäßig zu verwenden, fo braucht man nur fo viel Geld 
vorräthig zu haben, als in der Zwifchenzeit von einer Ein- 
nahme bis zur andern zur Beftreitung der Ausgaben erforderlich 
ift (a). Deßhalb ift der größte Theil der Geldmenge flets in 
ziemlich lebhaften Umlaufe, dody wird auch fletd ein im Ganzen 
beträchtlicher Geldvorrath von Kaufleuten, Banfhäufern und 
anderen Privatperfonen aufbewahrt, der erft bei befonderen Ber: 
anlaffungen zum Borfchein kommt (db). Je öfter ein einzelnes 
Gelbftüd aus einer Hand in die andere geht, defto mehr Güter 
und 2eiftungen fönnen mit ihm im ®Berfehre vergütet werben 
und mit deſto geringerer Geldinenge Fann der ganze Güterumlauf 
in einem Lande unterhalten werden (c). | 


(a) Die &ewerbsunternehmer haben die befte Gelegenheit, das Geld als 
Gapital anzuwenden, für die anderen Claſſen bieten fih mandherlei 
Arten des Ausleihens auf längere oder fürzere Zeit dar, auch koͤnnen fie 
wenigſtens immer Gutervorraͤthe dafür einkaufen, die fe in größeren 

Nahen wohlfeiler erhalten. Je mehr man dagegen Raub, Blündes 
rung, Grpreflungen, bdrüdende Steuern sc. befürchtet, deſto haͤufiger 
fuht man Vermögen in der Form des Metallgeldes zu bergen. Ber: 
graben der Münze in Frankreich wegen ber Berfonalfteuer taille per- 
sonnelle), dann während der Mevolution, in Deutichland im 30jaͤhrigen 
Kriege, in Irland, im Driente, bei den ruflifchen Bauern. Bimonde, 
Rich. comm. I, 142. Mac⸗Culloch, Handb. IL 291. Daß nod 
jest die Landleute in Miederbretagne viel Geld liegen haben, erklärt 
man 1) aus der Gewohnheit feit den Bürgerkriegen, 2) aus dem Streben 
der Pachter, ihre Erſparniſſe zu verheimlihen, 3) aus dem Gifern der 
Landgeiftlihen gegen das Zinsnehmen, Compte rendu de l’ac. des sc. 
mor. et polit. Mars 1843 ©. 192. Auch bie Landbewohner in den 
nordamericanifcheu Freiftaaten fammeln viel Selb, Hunt, Merchants 
magaz. Jan. 1852 ©. 92. — Bgl. $. 263 (a). 

(64) Der englifhe Schriftſteller Fullarton hat neuerli Hierauf aufmerk⸗ 
fam gemadt. GEs können mit Hülfe diefer Borräthe bedeutende Summen 
aufgebracht werben, ohne dem umlaufenden Theile der Beldmenge etwas 
zu entziehen. Fullarton, On the regulation of eurreneies, bei 
Mill, II, 120. | 


21° 


— 324 — 


(e) Der Commandant von Dornyk (Tournay) reichte 1745 bei der Belage⸗ 
rung 7 Wochen lang zur Bezahlung der Löhnung mit 7000 fl. aus, 
indem er ſich dieſelbe Summe alle Woche von Neuem von den Gaſt⸗ 
wirthen leihen Tieß, welche das Geld von den Soldaten eingenommen 
hatten, Pinto, Trait& de la circulation, ©. 34. 


$. 266. 

Die oft befprochene Frage, welchen Theil die Geldmenge 
eined Volkes von dem gefammten Vermögen oder Einfommen 
befielben betragen müfje, läßt fich nicht allgemein beantworten (a). 
Der Geldbebarf eined Landes hängt nämlid ab 1) von dem 
jevesmaligen Preiſe des zum Gelde gebrauchten Gutes, alfo 
namentlih Münzmetalle, gegen andere Dinge, 2) von ber 
Menge der zu vergütenden neuen und älteren Güter und ande 
ren Leiftungen, 3) von dem Theile der Umlaufdgefchäfte, ber 
ohne Gebraudy bed Geldes, 3. B. durch Taufc ober Ab- 
rechnung vorgenommen wird, 4) von der Schnelligkeit, mit 
welcher die Geldftüde umlaufen. Wenn man bie Durdyfchnitts- 
zahl von Umläufen eined Geldſtuͤckes während eined Jahres 
wüßte und biefelbe mit der umlaufenden Geldmenge verviel- 
fachte, fo würde das fich ergebende Product genau die durch 
Geld vergätete und in Umlauf gefegte Menge von Waaren und 
Leiftungen, nad) den Preifen angefchlagen, anzeigen (b). 


(a) Dap ältere Schriftfteller den Geldbedarf auf */s, Yo, */eo und felbf 
sp des Bolkseinfommens fhägten (Smith, II, 36), erklärt ſich aus 
dem Mangel an flatiflifchen Angaben über beite Größen. Die Aus: 
mittlung des Geldvorrathes in einem Lande ift fchwierig, weil man 
feinen Anpaltspunct bat als die Nachrichten über die Ausprägung in- 
ländifher Münzen und über die Ausgabe von Staats⸗ und Privat: 
papiergeld, wobei die Menge der zur Berarbeitung eingefchmolzenen und 
der ausgeführten Münzen unbefannt bleibt; vgl. Necker, Administr. 
des fin. de la Fr., III, 38. (1785). — de Steck, Esssis sur plusieurs 
matieres, ©. 21. (Halle 1790). — Ueber die Geldmenge in den euro: 
päifchen Staaten Stord, IH, 50. — Roſcher, Eyftem, I, 214. — 
Die jepige Münzmenge in ganz Europa vor ber Geldvermehrung feit 
dem Jahre 1848 mag etwa 5000 Mi fl., das Papiergeld nad Abzug 
des baaren Gaffenvorrathes in den Banken gegen 900 Mill. fl. be 
tragen haben, zufammen 5900 Mill. fl. oder 22,7 fl. auf den Kopf. 
Tengoboreti nimmt 10000 Mil. Fr. = 4714 M. fl. Münze an; 
Soetbeer für 1848 (nah Abzug von 170 Mill. Thlr. für die nords 
americanifchen Breiftaaten) 4952 Mil. fl., für 1853 aber ergeben fich 
aus feinen Bermuthungen un efiht 5950 Mill. fl. Münze. v. Sum: 
boldt fehlägt den Geldbedarf auf den Kopf im nördlichen und öfllichen 
Europa zu 14 fl., im füdlihen und weſtlichen zu 25%. fl. an. 
Broßbritanien wurde der Müngvorratb 1830 und fpäter auf 
36 Mill. 2. St. geihäßt, nah Moreau de I. (Statist. I, 329) auf 
1100 Mil. Br. = 43 Mil. 2. St, nah Beel (1845) auf 


— 328s — 


59 M., von Tooke 1856 auf 70—75 Mill. Die Banknoten nach wi 
des baaren Baflenvorrathes belaufen ſich ungefähr auf 20 M. 2. ©t., 
zufammen gegen 92 Mill. oder 37,6 fl. auf den Kopf. — In Frank⸗ 
reich nahm Neder 1784 die Geldmenge zu 2200 Mil. Liv., Mols 
lien 1806 zu 2300 Mill. Fr. an, 1826 fhäßte man fie zu 2713, 
1832 zu 3385 Mil., Blang ui rechnete (zu Hoch!) 4000, Moreau 
de 3. 2860, neuere Berechnungen (Dep.:K. 13. April 1847) geben 
2400— 2500 Mill. Fr., überhaupt fchwanft man zwiſchen 2400 und 
3000 Mil. Rechnet man 2500 und mit den Banknoten (nad Abzug 
des Baarvorrathes) 2650 Mill., fo beträgt dieß 33H. auf den Kopf. — 
In den Niederlanden waren nah de Eloct (Tableau statist. de 
ind. des Pays-Bas, 1823, ©. 33) 642 Mill. Fr. umlaufend, oder 52. 
auf den Kopf. — In Belgien fhägte man den Münzvorrath auf 
200 Mill. Br. (Heuschling, Statist. gender. de la Belg., 1838, 
©. 241), wozu vieleicht 40 Mil. Er. Papiergeld kommen mögen, oder 
28 fl. auf den Kopf. — In Portugal nahm man 1821 80 Mill, 
Grufaden Münze und 221/ Mill. Papiergeld an, letzteres war aber 
wegen des niedrigen Eurfes nur auf 17 Mill. zu feßen, zufammen 
97 Mill. Er. oder faſt 108 Mill. fl., welches auf den Kopf 34 fl. be: 
trägt. Balbi, Essai statist., I, 323. 336. — Schweden hat in 
Papiergeld 33%, Mill. fi. oder 11 fl. auf den Kopf, daneben Kupfer 
münze und etwas GSilbergeld (Forſell). — Anſchlag für Würtem- 
berg von Schübler Metall und Papier, 1854, S.15): 40 Mill. |. 
Münze oder 24 fl. auf den Kopf mindeftens. Dazu 3 Mill. fl. Papier 
geld, alſo zufammen 25,° fl. auf den Kopf. — Für Deutfhland 
wird man 25—30 fl. auf den Kopf annehmen dürfen. 

(6) Simonde, Rich. ecomm., I, 127. Montesquieu nahm (Wie einige 
Neuere) auf die Öfteren Umläufe der Belbftüde nit Müdficht und bes 
hauptete deßhalb, die ganze Geldmenge müffe immer der ganzen ums 
laufenden Gütermenge im Preife gleich fein; Esprit des lois, XXI, 7 — 
Bol. Hufeland, II, 457. 


$. 267. 


Die Geſchwindigkeit des Geldumlaufs ift ſchwer in Zahlen 
zu ermitteln, zumal ba fie bei den verfchiedenen Gelbforten 
eine® Landes nicht biefelbe fein Fann (a). Sie hängt in jebem 
Lande mit den allgemeinen volföwirthfchaftlichen Verhältniffen 
befielben zufammen. Das Beilammenwohnen vieler Menfchen 
in größeren Städten, die Manchfaltigkeit der hervorbringenden 
Gewerbe und Dienfte, die Erleichterung des Verkehrs burdh 
verfchiedene Staatseinrichtungen und bergl. tragen dazu bei, 
daß jeder Empfänger von Gelpftüden Gelegenheit und Neigung 
erhält, biefelben bald wieder auszugeben. Deßhalb nimmt ber 
Geldbedarf eines Wolfe weder mit der Zahl feiner Bürger noch 
mit der Größe feined Einkommens gleihmäßig zu und kann 
fich fogar bei den Hortfchritten ded Wohlftandes und der Bes 
völferung noch vermindern, wenn nämlich die Umlaufsgeſchwin⸗ 
bigfeit der Gelbftüce fi} vermehrt und wenn man ed bahin 


— 326 — 


bringt, viele Verkehrsgeſchaͤfte ohne Baarzahlungen zu voll⸗ 
führen (5). 
(a) Scheidemuͤnzen laufen ſchneller um als grobe Silberſtuͤcke oder vollends 


ale Goldmünzen. Diefer Gegenfland iſt bis jetzt noch gar nicht 
erforfcht. 


(5) Demnad giebt es in der volfswirthichaftlichen Entwicklung eines jeren 
Volfes einen PBunct, bei welhem der Geldbedarf auf den Kopf der 
ginwohner am höchſten fteht, fo daß er jenfeits befielben wieder abs 
nimmt. 


$. 268. 


Der Preis des Metallgelded gegen die übrigen Güter ſteht 
ebenfo wie ber Preis jedes anderen Gegenflandes unter dem 
Einfluffe des Mitwerbend. Wenn die in den Verkehr tretenbe 
Geldmenge eined Landes bei einem beflimmten Preife und einer 
gewiſſen Umlaufögefchwindigfeit nicht zureicht, um die angebotene 
Menge von Gütern und Leiftungen wirklich umzufegen, fo werben 
bie Verfäufer, Bermiether, Verpachter von Sachgütern fowie bie: 
Lohnarbeiter genöthigt, ſich mit einer geringeren Vergütung in 
Geld zu begnügen, wenn fie überhaupt Abnehmer deſſen, was 
fie anzubieten haben, finden wollen. Diefe Unzulänglichfeit bes 
Geldvorrathes, foweit fie nicht durch Herbeiziehen der bisher 
unbenugt gelegenen Vorräthe (8.265 (5) ) gehoben werden fann, 
brüdt alle in Geld ausgedrüdten Preiſe herab, oder, was 
dafjelbe fagt, vertbeuert das Geld gegen alle anderen Verkehrs⸗ 
gegenflände. Dagegen muß nad, einer Vermehrung der Geld⸗ 
menge ohne eine verhältnigmäßige Zunahme des Gütervorraths 
der Preis aller Dinge fteigen, d. h. das Geld wohlfeiler wers 
den, indem ber Begehr aller Gegenftände, die für Geld zu haben 
find, ftärfer wird und die Unmöglichkeit eintritt, mit gleicher 
Geldſumme noch fo viel zu Faufen, ald vorher (a). 

(a) Diefe Wirkung würde natürlih dann wegfallen, wenn gleichzeitig auch 
bas Geldbedürfniß zunähme, 3. B. zu Zahlungen in das Ausland oder 
wegen der Ausdehnung des inneren Umlautes. — Die Befiper der 
neubinzugefommenen Gold: und Silbervorräthe entichließen fich bes 
greiflich ungern, höhere Preife beim Cinkaufe von Waaren und bei 
anderen Selhäften zu bezahlen, fie oͤgern vielleicht, laſſen bie ange: 
häuften Summen von Münze einige Zeit liegen oder ſuchen diefelben 
außer Landes anzulegen. Hat aber dieſes Schwierigkeit, fo müffen fie 


ber Macht der Umflände nachgeben. Hiezu fommt, daß gewöhnlich die 
Bertheurung eher eintritt, ale man bie wahre Urfache erfennt. — Zweifel 


— 327 — 


egen dieſe bisher allgemein angenonnnenen Saͤtze bei Schuͤbler, 
Wilu und Papier, S. 114. 


8. 269. 


Ob das Metallgeld einen höheren oder niedrigeren Preis 
hat, dieß ift für die Leichtigkeit des Güterumlaufs gleichgültig. 
Diefer bebarf nämlich nicht gerade einer gewifien Menge von 
Gelpftüden, fondern nur einer ſolchen Preismenge des ganzen 
Geldvorraths, die bei einer gewiffen Gefchwindigfeit feines Ums 
laufes hinreiht, den Gegenwerth aller gegen Geld in Umlauf 
zu feßenden Güter und Reiftungen zu bilden ($. 266), unb 
diefe Preismenge ftellt ſich von felbft her, weil der Preis eines 
Geldſtuͤckes fich je nach dem Bebürfniffe des Verkehres in dem⸗ 
felben Maaße erhöht oder erniepriget, wie feine Menge abs oder 
zugenommen hat (a). Bei feinem anderen Verfehrögegenftanbe 
fteht der Preis fo genau im umgekehrten Berhältniffe zum Ans 
gebote, auch giebt es fein anderes Gut, beffen Menge, fie fel 
groß oder Hein, abgefehen von den Schwierigfeiten des lieber 
ganged, immer zur Befriedigung des Bedürfniſſes eben zus 
reihend ift (6). In einem völlig abgefchiedenen Lande fönnte 
man fich bei einer fehr kleinen Menge Geldes ebenfo gut bes 
finden als da, wo daſſelbe in großer Bülle vorhanden und deß⸗ 
halb auch fehr wohlfeit ift (ce). 


(a) Es fei g die Geldmenge eines Landes, u bie mittlere Umlaufszahl, fo 
fu. —* Betrag der jährlichen Geldgeſchaͤfte. IA ferner w bie ums 


eſetzte enge von Gütern und Leiftungen, in Einheiten eines gewifien 
Butes, 3. D. Getreide, ansgedrüdt, p der Gelbpreis eines Gentners 
u.g, 


Getreide, fit u.g=w.p, alop = — woraus man deutlich 


fieht, wie bei einerlei Groͤße von w und u ber Preis p ſich in dem 
nämlichen Berbältniß ändert wie g. — Es verfteht ſich übrigens, daß 
nur der zu Anfäufen und anderen Verwendungen innerhalb des Landes 
beflimmte, folglih als Begehr von Sachgütern und Leitungen erſchei⸗ 
nende @eldvorrath auf die Preife wirkt, nicht der unbenutzt liegende. 


(5) ine merkwürdige Folge Hiervon if, daß nur dann alle Güter in einem 
Lande zugleich gegen Geld im Preife fleigen fönnen, wenn entweber 
bie Geldmenge, oder bie Umlaufsgefchwindigfeit vergrößert wird oder ein 
rößerer Theil der Geſchaͤfte ohne Hülfe des Geldes abgemacht werden 
ann. Tritt feine diefer Bedingungen ein, fo ift eine allgemeine Vers 
theurung aller Waaren undenkbar, weil der Geldvorrath dann nicht 
mehr zureichen würde, bie nämliche Sütermenge im Umlaufe zu erhal 
ten. Ricardo leitet, ohne jene Bedingungen zu berüdfichtigen, aus 
diefer Urfache die Unmöglichkeit ab, daß das Steigen des Arbeitslohn 
eine Gchöhung der Geldpreiſe aller Producte bewirken finne. Grundgeſ. 
©. 85 (I, 148 fr. Ueb.) und 332 (II, 143). — Bol. $. 208 (A). 





— 328 — 


(e) In einem an Gold und Silber ſehr reichen Lande müßte man bei Zah: 
lungen vielleicht die dreifache Menge von Münzen zählen, paden und 
vertenden, dagegen könnte man fich jene Metalle zu anderem Gebraudhe, 
3. B. zu Geſchirren, Uhren u. dergl. mit einer weit kleineren Auf: 
opferung von Bütern verfchaffen. 


8. 270. 


In einem Lande, befien Bewohner mit anderen Völkern in 
lebhaften Verkehre ftehen, kann das jedesmalige Verhaͤltniß bes 
Geldvorrathes zu dem Bebarfe nicht allein den Preis des Metall 
gelbes beftimmen, weil die DMünzmetalle zugleich einen allges 
meinen, ihren Hervorbringungsfoften entiprechenden Preis haben, 
ber bei ber Leichtigkeit und MWohlfeilheit der Verfendung von 
Land zu Land nicht ſehr verfchieden ift, 8. 169. Der Preis 
ber geprägten Metalle an einem einzelnen Orte kann nicht viel 
von jenem allgemeinen Preiſe der rohen Metalle verfchieden 
fein, weil es ebenfo leicht ift, durch Einfchmelzung der Münzen 
dad rohe Material wieder herzuftellen, als diefed in Münzen 
einer gewiflen Art (eine Gewerkswaare) umzuwandeln, alfo den 
Geldvorrath zu vermindern ober zu vermehren. 


$. 271. 


Fängt in einem Lande die Münze an, gegen den allgemeinen 
MWeltpreid der edlen Metalle zu wohlfeil zu werden, jo wird 
alsbald ein Theil des Vorrathed in Münzform oder eingefchmols 
zen ind Ausland gefendet und hieburch die Geldmenge des 
Landes bald jo weit vermindert, daß ber Preis des Geldes 
wieder in die Höhe geht (a). Diefe Veränderung fann er- 
folgen 1) indem die Bewohner bed Landes Geldfummen zum 
Einfauf von Waaren oder unbeweglichen Gütern, zu Unter- 
nehmungen oder auch zum Ausleihen in anderen Ländern vers 
wenden, weil fie wahrnehmen, daß man dort mehr mit denjelben 
ausrichtet, 2) indem auch Ausländer durch die höheren Preiſe 
ermuntert werden, Waaren herbeizuführen und den Gelderlös 
mit hinmwegzunehmen (d). Hierzu kommt noch, daß zugleich die 
Bewohner ded Landes mehr Gold und Silber als bisher zu 
Geſchirren, Schnud und dergl. verarbeiten. Ä 


(a) Hume, Verſuche, 5te Abh. — Smitb, II, 242. — Stord, I, 480. — 
J. Mill, El&m., 128. — Die obigen oh fielen die Unrichtigkeit der 
Grundgedanfen, auf denen das Handelsſyſtem beruft, in ein helles 


— 829 — 


Licht. Bine ſtarke Anhäufung von Metallgeld in einem Lande wäre 
nicht ſonderlich vortheilhaft (8. 269) und koͤnnte fih auf die Dauer 
nicht erhalten. Das Beifpiel Spaniens, weldes feine großen Zuflüfle 
von Gold und Silber für Maaren verfchiedener Art wieder bingab, ift 
befonders beweifend. Wie verkehrt erfcheint das Verfahren bes fran- 
zoͤſiſchen Yinanzminiftere Calonne, der 1782 und 1783, um mehr 
Gold und Silber herbeizufchaffen, daflelbe im Anslande fo theuer ein: 
faufen ließ, daß es einträglich wurde, in Brankreih Münze einzuſchmel⸗ 
en oder ins Ausland zu fhiden! Necker, Admin. des fin., III, 41. — 

an ſtellt fi übrigens leicht die Wirkungen einer gegebenen Geldver⸗ 
mehrung zu groß vor, wenn man nicht erwägt, wie fie fih zu der 
anzen Geldmenge eines Landes verhält. Sie kann eine anfehnliche 
Summe ausmadhen und doh nur aus 1 oder 2 Procent des ganzen 
Geldvorrathes beftehen, wobei dann noch Feine auffallenden Folgen zu 
bemerken fein werden. ' 


(5) 88 verurfaht immer einige Koften, dem metallreicheren Lande Waaren 
zuzuführen und dagegen Münzen zurüdzubringen. Steht der Preis 
des Metallgeldes in dem erften Rande nur noch um dieſe Frachtkoſten 
niedriger, fo ift mit diefer Unternehmung fein Gewinn mehr zu machen. 
Um den Betrag der Frachtkoſten kann daher der Geldpreis in mehreren 
Ländern oder felbft Gegenden verichieden fein, insbefondere ift ein 
höherer Stand defielben, d. i. eine Wohlfeilheit der einheimifchen Waaren 
in folchen Gegenden zu finden, die nur rohe, foflbar zu verfendende 
Stoffe erzeugen und fie auf entfernte Märkte führen müflen, wie 3. 2. 
Tirol, Steiermarf und überhaupt die ärmeren, ſchwach bevölferten Länder 
von vorherrfchendem Landbau. Bei Bölfern, die die Müngmetalle durch 
eigenen Bergbau oder durch unmittelbaren Verkehr mit metallreichen 
Ländern zu Schiffe beziehen, ift der Preis diefer Metalle niedriger, als- 
in Binnenländern. an vergleihe 3. B. England und das innere 
Rußland. Obgleich jedes Volk die am wohlteitften zu verfendenden 
Büter zur Ausfuhr zu bringen fucht, fo bleibt doch immer noch ein 
merflicher Unterfchied, zu defien Verminderung allerdings die anderen 
Beranlafiungen der Geldflrömungen,, 3. B. Anleihen, Auswanderuns 
en ıc. beitragen. — Dielen früberhin überfehenen wichtigen Umftand 
Bat Ricardo, Bay. 28, zuerft hervorgehoben, ſ. auch J. Mill, El&m., 
177. — Nebenius, Der Öffentl. Crebit, I, 99. — 3. St. Mill, 
I, 58. — Smith glaupke, in reicheren Ländern feten die edlen Metalle 
gegen Betreide und Arbeiten fheurer. Unterf. I, 305. 


$. 272. 


Eine Bermehrung der Geldmenge, wenn fie gleich 
für die Dauer eine allgemeine Erhöhung der Güterpreife zur 
Folge hat, muß dennody anfangs eine günftige Wirfung auf 
ben Gewerbfleiß äußern, bie fi) aus folgenden Urfachen ers 
klaͤren läßt. 1) Die neu hinzugefommenen Geldmaflen erfheinen 
nicht fogleich ſaͤmmtlich auf dem Marfte, vielmehr zeigt fich 
bie Vergrößerung des Begehrs in der erften Zeit nur bei ge 
wiffen Arten von Waaren und Leiftungen, die alſo vor anderen 
vertheuert werden. Den Berkäufern berfelben fallen deßhalb 
höhere Gewinnfte zu, bis die Wirfung fih nad und nady auf 


— 330 — 


alle Gegenftänbe des Verkehrs ausbreitet und bie Preiſe der⸗ 
felben gegen einander wieder das nämlicye Verhältniß annehmen 
wie vor der Geldvermehrung. 2) Manche Ausgaben der Unters 
nehmer werben nicht ebenfobald erhöht, ald ihre Kinnahmen 
burch bie geftiegenen Preife ſich vergrößern. Die Grundrente 
bleibt wenigftend fo lange glei, als bie beftehenden Pacht- 
verträge dauern (a); die Zinsrenten forwie bie Abtragung der 
Schulden werden in dem gefunfenen ®elde entrichtet, ald hätte 
fi) der Preis deflelben nicht verändert; auch der Arbeitölohn 
hat feine fo leichte Beweglichkeit, wie die Waarenpreife, wenigs 
ftend nicht bei dem Hausgeſinde und denjenigen Xobnarbeitern, 
die längere Zeit hindurch von einem und demfelben Unternehmer 
befchäftiget werden, und die Unternehmer wibderftreben um fo 
beharrlicher einer Erhöhung ded Lohne, je weniger man in 
folhen Umftänden die wahre Urſache der Veraͤnderungen zu ers 
fennen pflegt, $. 192. Auch die öffentlichen Abgaben werden 
nur allmälig und unvollftändig. erhöht. 


(ea) As in England die Bertbeurung der Waaren im 16. Jahrhundert 
eintrat, waren die Ländereien großtentheilg auf langjährige, oft auf 
HYjährige Zeitabfchnitte verpachtet, fo daß. die Pachter den Bortheil der 
erhöhten Breife lange allein genofien. 


8. 278. 


Unter diefen Umftänden muß bei einer durch eine Geldver⸗ 
mehrung entftehenden Bertheurung ber Waaren ber Gewerbs⸗ 
verdienft eine Zeit lang höher fein, als vorher, während bie 
Capitaliften, Arbeiter, Befoldeten und wer fonft fefte Einkünfte 
hat, eine fehr läftige Unzulänglichkeit ihres Einfommens empfin- 
ben (a). Die Unternehmer werden durch ihre größeren Ges 
winnfte angereizt, mit fleißiger Benutzung aller Güterquellen 
bie Production zu erweitern. Dieß vermehrte Angebot hat 
Golge, daß die Preife der Waaren nicht fo viel in die Höhe 
gehen, als ed außerdem nad) der Zunahme der Geldmenge 
gefchehen müßte (5). Der höhere Stand bed Gewerbsver⸗ 
dienftes befteht inzwijchen nur fo lange fort, bis die Wirfung 
der Geldvermehrung ſich vollfländig auf alle Berhättnifie des 
Verkehrs fortgefegt hat, und der Vortheil der Unternehmer während 
diefer Zeit ift unverkennbar mit einer Bebrängniß anderer Volks⸗ 
claffen erfauft (co). Nur dann, wenn eine Geldvermehrung 


regelmäßig fortbauerte, würben bie hier gefchilberten Wirkungen 
ber erften Zeit fortwährend zum Vorſchein kommen, weil bie 
Waarenpreife immer wieber eine weitere Steigerung erhielten. 
Dieß Fönnte, abgefehen von der Zunahme des Papiergeldes, 
nur von einer allgemeinen Vermehrung der Münzmetalle her 
rühren, wobei jedod die Wohlfeilheit derfelben ben Stillftanb 
mancher minder ergiebiger Bergwerfe und anderer Gewinnungs⸗ 
arten nach fidy ziehen müßte. 


(a) Schilderungen folder Verhältniffe aus dem 16. Jahrh. bei v. Jakob, 
Ueber Product. u. Gonfumt. d. edlen Metalle, II, 46. 58, wobei man 

jebody leicht bemerft, daß der damalige Zuftand von den Zeitgenoflen 
nicht Mar erfannt wurde. — Mo eine große Staatsichuld befleht, ers 
leidet das Vermoͤgen der Gläubiger durch die erwähnte Deränderun 
eine Abnahme, während zugleich die Beſchwerde ter Schuld für bie 
Steuerpflichtigen Fleiner wird. Alle Zahlungen aus älteren Berbinds 
lichfeiten vermindern fi ihrem wahren Verkehrswerthe nah, während 
die neubedungenen dem gefunfenen Preife der Münzmetalle gemäß höher 
feſtgeſetzt werben. 


(5) Hieraus wird begreiflih, wie man bei dem Zufufle der Gold⸗ und 
Silbermaflen aus America dazu fommen fonnte, dem Gelbe eine weit 
rößere Wirfung beizulegen, als daſſelbe feiner Weſenheit nach haben 
ann, 6. 33. Unter den Urfacdhen, die im 16. Jahrhundert den Wohl 
fand und den Berfehr vieler europäiicher Länter emporhoben, war die 
Geldvermehrung die geringfügigfte und es Bat fih aud das Andenfen 
an die mit ihr verknüpften nachiheiligen Yolgen erhalten. 


(o) Wenn aud der in ber Beldvermehrung liegende Vortheil rein, ohne bes 
gleitende Nachtheile und erheblich wäre, fo wäre doch von einem hierauf 
gerichteten Streben der Regierung fein großer Erfolg zu erwarten, weil 
in feinem einzelnen Rande der Preis der Münzmetalle auf die Dauer 
betraͤchtlich 2 er fein kann als im anderen. Man führt zwar dagegen 
an, das geldreichere Volk Fönne durch Hinausfenden von Geldſummen 
mit geringerer Aufopferung im Auslande, 3. B. bei einem Kriege, viel 
ausrihten, Kaufmann, Unter. I, 48. Aber diefer NRupen wäre 
theuer erfauft, weil man lange Zeit einen unnöthig großen Beldvorrath 
dafür im Lande halten müßte. 


8. 274. 


Die Folgen einer beträchtlihen Abnahme des Geldvor— 
rathes in einem Lande find geräbe das Umgekehrte ver oben 
($. 271) betrachteten Erfcheinungen. Die Preife aller Waaren 
werden nach und nad) niedriger, die allgemeine Wohlfeilheit 
ermuntert Ausländer, mit herbeigeführten Geldfummen Waaren 
einzulaufen und dieſe mit hinwegzunehmen, auch die Landes» 
bewohner verfallen bald darauf, Waaren auszuführen und ben 
Gelderloͤs mit nach Haufe zu bringen; ferner giebt der hohe 
Preid der Münzmeralle einen Antrieb, goldene und filberne 


Gefäße, Geräthe ꝛc. einzufchmelzen und ausprägen zu lafien, 
woraus alfo ebenfalld eine Geldvermehrung entfleht und biefe 
Unternehmungen dauern fort, bis der Preis des Metallgeldes 
ungefähr wieder fo niedrig geworben ift, als in anderen Ländern. 


8. 275. 

Ein Bolf hat deßhalb fo wenig zu beforgen, daß es je 
anhaltend um feinen nöthigen Borrath von Metallgeld fomme 
(fo lange es fein Papiergeld in Gebrauch hat), als daß es ihm 
an Gewürzen oder an Baumwolle fehlen werde, denn wo nur 
etwas zu kaufen ift, dahin wird man unfehlbar Geldfummen 
fenden, wenn man bemerkt, taß fie dort gefucht und vortheils 
haft anzuwenden find. Nur dann, wenn ein Zand gar feine 
Erzeugnifie darbieten könnte, bie durch ihre Wohlfeilheit den 
Ausländer zum Einkaufe gegen Metallgeld anlodten, würbe ber 
Preis defielben anhaltend hoch und die Geldmenge klein bleiben, 
und felbft diefe faum je zu erwartende Rage ber Dinge wäre 
auf die Dauer nicht nachtheilig, S. 269. Man kann alfo im 
Allgemeinen auf eine gleichmäßige Bertheilung der ganzen vors 
handenen Metallmenge unter bie einzelnen Länder nach bem 
Berhältniffe des Bedarfes rechnen. 


8. 276. 


In der erften Zeit einer Gelbverminberung zeigen ſich jedoch 
noch befondere Folgen, denen gerade entgegengefegt, welche man 
im Anfang einer Vermehrung der Münzen gewahr wird, $. 272. 
Die Unternehmer fträuben fich eifrig gegen die Preiserniebrigung 
ihrer Erzeugnifie, deren allgemeine Urfache anfangs noch nicht 
begriffen zu werden pflegt, und dad Mitwerben ift nie fo 
gleichförmig, daß die Preife aller Güter ſogleich in bemfelben 
Maaße herabgehen Fönnten. Sind fchon deßhalb vorübergehende 
Störungen im Gewerbewefen zu erwarten, fo fommt nody hinzu, 
daß die Unternehmer eine Zeit lang an ihren Berbienft Abbruch 
leiden, denn ihre Ausgaben an den Staat und die Gemeinde, 
ihre Schuldzinfen, zum Theile auch der Arbeitslohn, bleiben 
noch auf gleicher Höhe, während der Gelderloͤs Fleiner ges 
worden if. Was die Unternehmer einbüßen, gewinnen bie 
Capitaliften, die Befoldeten, einigermaßen die Xohnarbeiter und, 


— 333 — 


fo lange die Pacht- und Kohnverträge laufen, aud) die Grund⸗ 
eigner. Die verfchuldeten Orundeigenthümer fehen ihr Ver⸗ 
mögen vermindert, weil ihr Grundbeflg niedriger im Preiſe fteht, 
die fchuldige Summe aber gleich geblieben ift. Dieſe Nachtheile 
können jedoch ebenjowenig bauernd fein, als bie vorhin bes 
trachteten (8. 273), ed müßte denn die Abnahme der Gelb- 
menge fortdauern, was nicht in einem einzelnen Lande gefchehen 

fönnte (a). 

(a) In China fol 1847 eine ſolche Bertheurung des Silbers, in welchem 
Steuer: und andere große Zahlungen vorgenoinmen werden müflen, - ' 
gegen die Heine Meflingmünge ftattgefunden haben, fo daß eine Unze 

ilber von 1000 auf 1800, ja bis auf 2300 Li geftiegen ifl. — Die 
in einer foldyen Lage anmwendbaren Segenmittel werden bei der Lehre 
vom Gredite erklärt werden. Die anfängliden nachtheiligen Yolgen 
einer Geldverminderung find richtig dargeftellt, aber auf eine unflare 
Theorie des Geldes zurüdgeführt ın den F. 252 (a) genannten Mate 
rialien, 1. Heft. — Ueber die in den 6. 268—76 dargeftellten Säpe 


ſ. auh Medicus, Würdigung des Geldreihthums in Bezug auf 
Einzelne und Bölfer. München, 1835. 


$. 277. 


Es ift außer Zweifel, daß feit dem Einfttömen des Goldes 
und Silber aus America der europäifche Münzvorrath fich 
weit flärfer vermehrt hat, als die Preiſe der Verfehrögegenftände 
gegen Bold und Silber geftiegen, d. 5. dieſe Metalle gefunfen 
find. Wäre, wie man öfters annahm, die Geldmenge ungefähr 
verzehnfacht, der Preis beider Metalle auf den britten oder 
vierten Theil gefallen, fo müßte man vermuthen, daß zugleich 
die gegen Geld in Umlauf gefegte Gütermenge ſich ftarf, und 
zwar 21/2 bi 31/3 fach, vermehrt habe, wie dieß aus dem 
großen Aufſchwunge des Verkehrs und des Gewerbfleißes im 
16. Jahrhundert audy leicht zu erklären if. Ohne einen folchen 
Anwachs der umlaufenden Gütermenge wäre ber Preis des 
Goldes und Silber nody weiter herabgegangen. Diefe Preiss 
erniedrigung hätte aber ihre Gränge finden müflen, weil dann 
ein Theil der Bergwerfe, aus denen die Münzmetalle nicht fo 
wohlfeil geliefert werben fonnten, eingegangen und hiedurch die 
Metallmenge wieder Fleiner geworden wäre. Bedenkt man jedoch, - 
daß der Geldumlauf jegt weit fehneller ift, als im Mittelalter, 
und daß im heutigen Europa neben der Münze bedeutend viel 
Papiergeld in Umfauf if, fo muß man auf eine nod viel 


ftärkere) Vermehrung der umlaufenden Güter ſchließen, weil fonft 
diefe Menge von Zaufchmitteln nicht genug Gegenwerthe in 
Geld und wohlfeiler werden müßte. 


6. 2778. 


Nachdem im Allgemeinen bie Einfiht in ben Zufammenhang 
zwifchen ber jebeösmaligen Geldmenge eined Landes und dem 
Preifen der Waaren und Leiftungen gewonnen worden ift 
($. 268— 276), müflen auch geſchichtliche und ftatiftifche Unters 
fuchungen über dieſe Verhältniffe als Iehrreich erfcheinen. Man 
hat ſich in neuerer Zeit häufig mit benfelben befchäftiget (a), 
fie find aber mit befonderen Schmwierigfeiten verbunden. Da 
bie ganze vorräthige Geldmenge eined Landes nur eine fehr 
ungefähre Schägung zuläßt (8. 266), jo hat man ſich vorzüg- 
lich bemüht, die jährliche Zus oder Abnahme der Münzmetalle 
zu ermitteln, und weil ed an Anhaltöpunften für jedes einzelne 
Land gebridht, fo hat ſich die Betrachtung auf die ganze euro- 
päifche Muͤnzmenge gerichtet. Europa bedarf aber eines forts 
währenden Zufluffes von Gold und Silber aus anderen Erb» 
theilen, um feinen großen Vorrath berfelben auf gleicher Höhe 
zu erhalten. Es muß baher bie ganze auf der Erbe jährlich 
gewonnene Menge diefer Muͤnzmetalle beredynet und fodann 
unterfucht werden, welcher Theil derfelben nach Europa gelarfgt, 
wie viel davon wieder in anderen Richtungen ausgeführt und 
wie viel von dem Meberreft in Münze verwandelt oder in ans 
derer Weife verwendet wird, ferner wie hoch der Verluſt an 
Münzen durch Abnügung und verfchiedene Zufälle anzufchlagen 
ift. Ueber alle diefe Borgänge laflen fi nur ungefähre Ueber: 
fchläge aufftellen, die fih auf einzelne ftatiftifche Thatſachen 
fügen. Auch bie leichter zu ermittelnden Veränderungen in 
der Menge des Papiergelded dürfen nicht überfehen werben. 

Der anfehnliche Zufluß von Gold und Silber, den Europa 
um den Anfang des jebigen Jahrhunderts aus den americanifchen 
Bergwerken zu feinem eigenen Erzeugniß erhielt, erlitt im zweiten 
Jahrzehnd eine ftarfe Abnahme, zu ber ſich eine Verminderung 
des umlaufenden Papiergeldes geſellte. Später wurde die Ges 
winnung von Müngmetallen wieder reichlicher, die Abfluͤſſe 
verringerten fi zugleih und die ganze Münzmenge erreichte 


wieder ben früheren Stand. In ben lebten Jahren brachten 
bie Goldzufuhren aus Californien und Auftralien fowie bie 
Bermehrung der Banken eine Geldvermehrung zu Wege (b). 
Die Wirkungen bdiefer Veränderungen der Geldmenge auf bie 
Preife der Verfehrögegenftände in jedem Zeitpuncte find ſchwer 
nachzuweifen, weil 

1) die Geldmenge eined Landes oder Erdtheiles immer fchon 
jo groß ift, daß ($. 271 (a)) eine nicht fehr ſtarke Veränderung 
in der Erzeugung, Ein» oder Ausfuhr der Münzmetalle erft 
mehrere Jahre fortbauern muß, bis die Bertheurung oder Wohls 
feilheit deutlich erfennbar wird (c), auch 

2) in jedem Falle einige Zeit verfließen muß, bis die Zus 
oderr Abnahme fidy gleichmäßig durch alle Gegenden und Zweige 
bed Verkehrs verbreitet, ferner | 

3) feine einzelne Waare ober Leiftung ein natürliches Maaß 
bildet ($. 173) und die zahlreichen, aus befonderen Urfachen 
herrührenden Preisveränderungen einzelner Arten von Verkehrs⸗ 
gegenftänden bie Gleichförmigfeit der Erfcheinung verhindern (d), 
zudem 

4) auch andere gleichzeitige Umftände die Folgen ber ver- 
Anderten Geldmenge aufheben oder doch fchwächen fünnen. Da- 
bin gehört vorzüglich die neuerliche große Vermehrung des Geld⸗ 
bedarfed in vielen Ländern durch bie ftarfe Zunahme der Güter: 
erzeugung und bed Güterverbrauched, — die Vermehrung bes 
Gapitaled und befien vielfache neue Anwendungen, — die Aus⸗ 
behnung des Verfehrd auf Gegenden, die erft jebt bewohnt und 
angebaut worden find, ober doch bisher außer Hanbeldverbin- 
dung ftanden, — bie Erleichterung der Sendungen durch Dampf- 
Ihifffahrt und Eifenbahnen, — die Ummandlung ber älteren 
Raturalleiftungen in Geldentrichtungen, — bie Abfchaffung ber 
Sklaverei in den britifchen und franzöfifchen Beflsungen und 
dergl. Die Wirkung biefer Urfachen geftattet ebenfowenig eine 
Berechnung, als ber Erfolg anderer entgegenwirkender Umſtaͤnde, 
nämlich der Befchleunigung des Geldumlaufs und der Mittel, 
in ben Berkehrögefchäften am Geldbedarfe etwas zu erfparen (e). 


(a) Das durch Huskiſſon veranlaßte Werk von Will. Jacob: An 
historical inquiry into the production and consumtion of precious metals 
(Lond. 1831, U. deutih von Kleinfhrod, Leipz. 1838. II. 9.) ift 
nicht ganz zuverläflig. — Bel. auch Storch, II, 4. — Gay, 


—* 


— 336 7 


Hand. II, 207. — v. Guͤlich, Geſchichtl. Darfl. II, 556. 579. — 
Nebenius, Deffentl. Eredit, I, 121. — Quarterly Rev. Mai 1830, 


_ LXXXV, 278. — v. Humboldt in der Deutfchen Biertel ahr⸗Schrift, 


(2) 


1838, Det. — Dee. — Nebenius ebendaf., 1841. 1. Heft. — Hel⸗ 
feridh, a. a. D., ſ. F. 176. — Toofe, a. Geſchichte der Preiſe. — 
Ueber die neueften Beränderungen f. $. 277b. ' 


Erläuternde Thatfahen. 
I. Gewinnung der edlen Metalle. 


1) Europa und Sibirien. Nah v. Billefofle wurden um 
das Jahr 1810 in Buropa gewonnen: 5300 füln. Mat Golb — 
2-045800 fl., 215000 M. Silber = 5°267500 fl., in Sibirien nad 
Stord (AI, 37) 3901, Mark Gold — 1506087 fl., 87425,% 
Mark Silber — 2141930 fl., alfo zufammen in @uropa und Sibi- 
rien 10961317 fl. (Die Marf — fr pr. Pfund ift Hier beim Golde 
nach dem damaligen Preiſe zu 386, beim Silber zu 241/s fl. gerechnet.) 
Seitdem iſt das Detallerzeugniß viel größer geworden. Die Gewin: 
nung von Gold Hat in Rußland (im Ural und Altai) große Wort: 
ſchritte gemacht. Es wurden imD. von 1819—28 11970 Mf., 1829-38 
29037 Dif., 1839—42 47985 Mf., 1843—51 fogar 109108 Marf 
oder 1557,39 Bud gewonnen, doch wird feit 1647, wo der Grtrag 
127900 ME. erreichte, einige Abnahme angegeben. Deferreih im D. von 
1830—34 (nah Becher) 6158 koöln. Mf., 1833—37 (nah Sprin: 
ger) 6619, 1842 7455, 1847 9043 füln. Mark (Czoͤrnig), Frank⸗ 
reih 530 ME. (Schnigler), Piemont bei Domodoflola 500 Marf 
(Karſten, Ar. f. Diner., I, 452), und mit dem geringfügigen Er⸗ 
zeugniß einiger anderer Känder darf man für Europa mit Norbdafien 
wenigftens 120000 Marf — 44'800000 fl. nad jegigem Eurfe ans 
nehmen. — An Silber gewinnt Rußland ge 84000 ME. (D. v. 
1835—47), — Deflerreih 138000 (1847, Czörnig), — der Harz 
48700 (Kehzen), — Sachſen gegen 80000 (1853), — Preußen 42000 
(1851), — Schweden und Norwegen 36000 ME., — Brankreih 6600 
(Schnigler). In Spanien ift die Silbergewinnung neuerlih fehr 
im Zunehmen. Sie war 1845 184158, aber 1850 ſchon 291400 
fpan. — 285574 füln. Marf, Willfomm, Die Halbinfel d. Pyre: 
näen, 1855, ©. 537. (Tengoborsfi rechnet für 1849 200000 ME.) 
Sept man für andere Staaten noch 20000 Mark hinzu, fo erhält, man 
671000 ME. — 16454000 fl. 

2) Das Gold: und Silbererzeugniß in Borneo, Sumatra und ans 
deren Infeln des Archipels, in Oftindien, China und Japan und im 
tuͤrkiſchen Aſien (Urla, Provinz Brzerum) wird von Jakob (II, 226) auf 
1'400000 2. St. = 16°800000 fl. geihäßt, neuerli werden gegen 
S5000MF. angenommen. Kerner follen in Africa gegen 500000 8. St. = 
6 Mill. fl. Gold gewonnen werden, Wyld, Notes ©. 44. Andere 
Nachrichten (Hunt, Merchants magaz. CLXXXI. 93) fchlagen für Aflen 
und Africa mit den Sunbainfeln den Grtrag an Gold von 1853 auf 
23-847000 Doll. = 159000 Mf. an. Begreiflich fommt hievon wenig 
nach Curopa. 

3) In America war nah v. Humboldt (Essai polit, VI, 218, 
d. Ausg. v. 1811) das Jahreserzeugniß zu Anfang des 19. Sahrhun- 
derts 17000 Kil. — 72669 föln. Marf Bold und 800000 Kil. = 
3420000 Marf Silber, zufammen gegen 43'%/ Million Piafter oder 
110Mill. fl., wovon Merico allein 23 Mill. P. lieferte. Im Jahr 1809 
fol das Gefammtproduct fogar 47 Mill. Piafter betragen haben. 
Mährend der Rriege und Unruhen, die Das Losreißen diefer Länder von 
fpanifcher Herrichaft veranlaßte, litt der Bergbau fehr. Nah Jaco b 
(II, 182) brachten Die dortigen Bergwerfe im D. 1810—29 jährlich 


— 837 — 


nur noch 18-302 000 Piaſter, und mit Cinſchluß von Braftlien 19-288 000 
Biafter — ungefähr 48%/, Mill. fl. nah Europa. Im Gerro te Botofl 
waren 1826 von den 132 früheren Pochwerken nur no 12 in Arbeit. 
Die Münzftätte von Mexico, welche von 1800-1809 jährlih im D. 

' 22°627000 Piaſter und im J. 1809 fogar 26 Mill. P. geprägt hatte, 
fonnte von 1810—19 jährlid nur 12 Mill., 1820—29 nur 10 Mil. 
ausprägen, aber 1841 ſchon wieder 2 Mill. B. Gold und 16 Mill. 
Silber (St.-Clair-Duport, Product. des met. pröc. en Mex. 1843). 
Die reihen Gruben von Guanaruato erzeugten 1816—20 nur nod 
1061133 P., während fie 1801 — 9 jährlih 5'305 795 P. gegeben 
hatten, Adams, The actual state of the Mexican mines. Lond. 1822. 
Marshall, Digest. II, 173. Indeß ift neuerdings vermöge der eifri- 
gen Beteibung des Bergbaues durch europäilche Geſellſchaften unge: 
achtet vieler Mißgriffe der Ertrag wieder vermehrt worden. Die Aufs 
findung ergiebiger Zinnobererze in Balifornien und die davon berrührende 
Erniedrigung der Duedfliberpreife wirkt ebenfalls günftig, indem fie 
die Koften des Amalgamirens verringert. Das neuentdedte reiche 
Silberlager von Eopiapo in Chili (Mai 1832) gab 1841 —50 im 
Durchſchnitt 183000 Mark, dazu kommt das Auffinden von Goldfand 
in Upata (Benezuela) im 3. 1850 und in Untercanada 1851. Die 
Goldwaͤſchen (GSeifenwerke) in Georgia und Nord⸗Carolina in den ver: 
einigten Staaten feit 1824 werden jept zu 500000 Doll. — 3342 Marl 
Ertrag angegeben. Daher berechnet fidh das ganze heutige Erzeugniß 
der älteren americanifchen Bergs und Seifenwerfe Tähelic auf 65 000 Mark 
Gold und 3 Mil. Mark Silber = 97800000 fl. (Nah Danfon 
bei Soetbeer ©. 9 im D. 1804—48 jährlih 111 Mill. fl., wovon 
98,6 Mill. nad Europa gegangen fein follen.) 


4) Zählt man hiezu das, was bie anderen Erdtheile liefen, fo er: 
giebt ſich für die jeßige Zeit, ohne die neuften Boldlager, ein Jahres: 
erzeugniß von unge abr 300 000 Mart Gold und 4 Mil. Mark Silber, 
zulammen 210 Mill. fl. Was hievon Europa durch eigene Gewinnun 
und Zufußr erhielt, betrug um das Jahr 1809 wenigftens 48 Mill. 
Piaſter oder 120 Mil. R., verminderte ih fodann 1810—14 auf 
ungefähr 33, 1816— 21 auf beiläufig 26, 1822 — 27 auf nicht volle 
32 Mill. Piaſter — 55 Mill. fl. (Nebenius), nahm aber neuerlid 
wieder anfehnlid zu und macht vermuthlidy jegt nicht unter 80— 100 
Millionen Bulden. 


5) Hiezu kommt die neue Bolbgeminnung in Galifornien (Entvedung 
des Goldes in der Erde durch Marfhall, Sept. 1847) und Auſtra⸗ 
lien (@ntdedung des Goldes durch Hargraves, 12. Febr. 1851). 
In jenem Lande find 1852 —56 nah Newmarch jährlich gegen 
68%/, Mill. Doll. — 164, Mill. l.gemonnenworden. (Die Boldausfuhr 
von ©. Francisco nad den Edhiffelilen war 1851 34492000 D., 
1852 45°779000 D., 1853 54905000 D., 1854 51'429 101 D., zu: 
fammen 186°605 101 D., die ganze Ausfuhr war ohne Zweifel bedeu⸗ 
tend größer. In den beiden legten Jahren gingen 89 Procent der 
Ausfuhr nah Neu⸗Vork und Neu⸗Orleans, 8,2 Proc. nad) London, 
1,5 Proc. nah Aſien. Rau in v. Viebahn und Rönne, Handels: 
arhiv, 1855, ©. 143.) In Auftralien angeblih im D. 1851 bis 56 
67 Mil. Doll. 137 Mil. fl., zuſammen gegen 300 Mil. A. 
Die Metallgewinnung in America und Auftralien beträgt demnach 
ungefähr 398 Mil. R. jährlich (Ten geborefi rechnet ohne Ghina 
und Japan 1824 Mill. Fr. Cochut 1291 Mill. Fr. = 600 Mill, R) 
Ob Hievon */; oder !/, oder noch weniger nad Curopa kommt, iſt 
unbefimmbar unb auch aus den Eins und Ausfuhrliften nicht zu erfennen- 
doch darf man aus der vermehrten Erzeugung audy auf einen flärferen Zu- 

Rau, yolit. Dekon. 1. 7. Ausg. 2 


— 333 — 


Buß nach jenem am meiften entwidelten fließen. — Neuer Süberbergbau 
n Wafhon an der californifhen Sierra Nevada, ungefähr feit 1860. 


I. Abzüge. 


LII. 


1) Schon im Alterthum wurden edle Metalle aus Aegypten über 
Arabien nach Oſtindien geſendet, Reynier, Ec. publ. et rur. des 
Arabes et Juifs, S. 85. lm das Jahr 1800 follen fährlih auf ver: 
fchiedenen Wegen 25—26 Mill. Piaſter aus Europa nah dem öftlihen 
Aften gegangen fein (v. Humboldt). In den ar 1810—15 war 
diefe Ausftrömung ſchwaͤcher egen 2 Mil. Biaft.), hierauf 1815 bis 
1822 viel flärfer (gegen 19 in .), ſpaͤterhin wieder geringer, haupt⸗ 
fählih weil China mehr Waaren (vorzüglich Opium) jur Bezahlun 
feiner Ausfuhrartifel annahm. Jakob rechnet für 1810 — 30 —8 
nur 2 Mil. 2. St. = 9600 000 Piaſt. Mehrbetrag der Ausfuhr aus 
Europa. Bine Zeitlang fcheint diefer Abflug ganz aufgehört zu haben, 
und 1825—27 fam fogar Gold und Gilber von DOftindien nah Groß⸗ 
britanien, neuerlich iR jedoch der Abfluß des Silbers nah Oftindien 
und Gbina (wegen des verminderten Opiumabſatzes) wieder flark ges 
worden (1851—57j.8M. 2. St. Silberausfuhr aus Großbritanien nach 
beiden Ländern), auch gi, Pieper viel englifhe Goldmuͤnze nach Auftras 
lien, 3. 8. 1853 an: ill. 8. St. 

2) Die Berarbeitung der Münzmetalle zu verfchiedenen Luxusgegen⸗ 
fländen iſt in neuerer Zeit viel häufiger geworden, und ber Verbrauch 
von Bold und Silber zu dieſem Behufe hat um fo mehr zugenommen, 
ba bei den vielen plattirten und ſchwach vergolbeten oder verfilberten 
Gegenfländen, b B. Knöpfen, Treffen, vergoldeten Bronze, Blase, 
Porzellan, Holzwaaren, Britaniametall, fo auch bei Schmuckwaaren, 
die nur wenig Gold in der Mifchung enthalten, das edle Metall fi 
bald abreibt und ganz verloren geht. Die galvaniſche PBlattirung bat 
beigetragen, dieſe Berwendung zu vermehren. Bine genaue Ausmitt- 
lung bes Verbrauches ift nicht wohl möglich, zumal da auch viel älteres 
Gold und Silber in Geräthen ac. neu verarbeitet wird. Jakob bat 
für Großbritanien, Brankreih und die Schweiz 4 Mill. 2, St., für 

anz Buropa und America ungefähr 5612000 2. St. angenommen. 

as eingefchmolgene Metall von Geräthen, Geſchirren u. dgl. beträgt 
edoh wahrfcheinlid mehr ale ao, wie Mac⸗Culloch vermutbet. 

iefer rechnet nur 4563000 2. St., oder nad Abzug der alten ein 
geichmolzenen Gegenftände 3650000 2. St. oder 17! Mill. Piaſter 
— I, 290), Nebenius hoͤchſtens 14 Mill. Piaſter, wofür 
eutiges Tages vermuthlih 4 MIN. L. St. oder 191/ Mill. Piafter ges 
feßt werden dürfen. (1 2. St. — 4,8% Dollars oder Piaſter.) 

3) Die bloße Abnugung beträgt jährlih nah Jakob bei Goldmuͤn⸗ 
zen 1/6 Proc., bei Silber 6% Proc., im D. in England Ya, — 
nad frangöfiichen Berfuhen 6,' per mille, — nah Karmarſch 
(Mechan. Technol. I, 575) bei groben Silbermünzen nur !/s per mille, 
nah anderen VBerfuhen (Rau im Archiv, N. F. X, 254) bei neuen 
Gulden nicht voll 0,? p. m., aber bei mittleren Stüden Ion O, e, bei 
Scheidemünzen gegen 2 p. m. (Rarmarfd). Han darf wohl durch⸗ 
fhnittlih 1 p. m. (Spetbeer: 1/4 p. m.), und für den ganzen jähr- 
lihen Abgang durch Abreibung, Feuersbruͤnſte, Schiffbruch, Vergraben 
u. dergl. fährlid minbeftens 2 p. m. annehmen. Demnad belaufen 
fih vie fortdauernden —V e (2 und 3) auf wenigſtens 56 Mil. fl., 
während der Abflug nad) Ben veränderlid war. 


Man bat auch verfudt, den ganzen Gold: und Eilbervorrath auf der 
Erde zu ſchaͤtzen. Er ift 3. B. für 1848 auf 15—16000 Mil. fl. an- 
geſchlagen worden, D. Biertelj. Schrift Nr. 57 bei Soetbeer, ©. 22 
und Nr. 64 ©. 1 ff. Newmarch rechnet 1349 Mil. 2. Et. — 


(4) 


15850 Mill. fl., der Ungenannte in ber Times a. a. D. für Curopa 
und America 1730 Mil. &. St. Dies if jedoch zu unflder um 
Schluͤſſe darauf zu bauen. Die, Metallmenge von Curopa wird von 
Tengoborsfi S. 55 für den Anfang des Jahrhunderts zu 13000, 
für 1847 zu 14000, für 1851 auf 15000 Mil. Franken angenommen. 
Die europäifhe Müngmenge insbefondere iſt geihäßt worden für fol- 
gende Zeitpuncte: 

vor 1492 auf 168—173 Mill. Piaſt. ober 4261/,M. fi. 
um 1600 ⸗ 624 ⸗ s 1560 ⸗ 


s 2 8 
s 1700 + 1 = 2 53562 =: (von Iafeb, 
s 1809 = 1824 ⸗ ⸗ ⸗460 ⸗2 
⸗ ⸗ 1624 ⸗ ⸗ :4060 = =:von Humboldt 

wTengoborsfi. 

: 1815. = 1750 » ⸗ ⸗24376 ⸗2von Nebenius. 
: 1829 ⸗ 1504 ⸗ ⸗ s 3760 : svon Jakob. 
: 1840 = 1715 ⸗ ⸗ ⸗4300 ⸗ svon Nebenius. 
s 1848 ⸗ 1979 ⸗ s : 4949 s syvon Soetbeer. 


Der Anſchlag für 1829 iſt zu niedrig, denn da die eigene Gewinnung 
und Zufuhr 181529 gegen 368 Mil. Biaft., die Verarbeitung und 
der Abgang 315 Mill., die Ausfuhr nah Aſien 192M. betragen haben 
mögen, fo war die ganze Abnahme nur 140 Mil., es wären daher 
für 1829 1670 Mill. B. = 4025 Mill. fl. zu fegen. Fuͤr 1860 find g. 
6000M. fl. anzunehmen. Rah Tengoborski wären zu Anfang des 
19. Zahrh. die Münzen %/3 des ganzen Gold: u. Silbervorrathes geweſen. 


Das Papiergeld war in der Friedenszeit nach 1815 fehr vermindert 
worden, bat fidh aber in den beiden Iehten Jahrgehuben wieder Hark ver- 
mehrt. Während um 1815 die Summe bes Metalls und Papiergelves 
in Guropa gegen 5300, 1830 gegen 4300—4400 Mill. betragen haben 
mag, if fie für 1848 auf ungefähr 5900 Mill. fl. zu fchägen (6. 266). 
Wird die heutige jährliche Vermehrung des Goldes und Silbers in 
Guroya zu 2 U. fl. und der Abgang nebft der Verarbeitung 
u anderen Zweiten zu 55 Mill. R. angefchlagen, fs bleibt nur eine 
Bunahme von 145 Mill. oder von als Proc. der ganzen Gelb: 
menge. — Die Abnahme des europäifchen Metalls und Papier: 
geldes von 1815— 30 ſcheint fih nad obigen Ueberfchlägen (5) auf 
17—19 Proc. belaufen zu haben, wovon auf jedes einzelne Jahr durch⸗ 
fnittlih nur 1,1—1,9 Broc. kommen. 


In dem dritten Jahrzehend des 19. Jahrhunderts war eine Wohlfeil⸗ 
x fehr vieler Ge ahinde wahrzunehmen. Da nun die Abnahme der 
eldmenge um diehe eit außer Zweifel if, fo liegt es fehr nahe, die 
leßtere cheinung als die Urſache der erfleren anzufehen, mie dieß 
vorzäglid Nebenius in der a. Abb. in der d. Mierteljahrsfchrift 
aus Führt hat. Kür England Hat man fogar einen durchſchnittlichen 
Preisabfchlag von 50 Proc. zu beiweifen geſucht (Quart. Rev. a. a. O.), 
von dem man aber nur bie Hälfte der hier betrachteten Urſache beimaß, 
weil aud ber Uebergang vom Kriege in ben „Brieben und ber höhere 
Curs des englifchen Papiergelded mitwirkten. Bemerfenswerth iR, daß 
Uhren, Jutwelen und plattirte Waaren am wenigſten, nämlih nur um 
1 Proc. im Preife fanfen, was auf die Vertheurung der Münzmetalle 
deutet. Mae⸗Caulloch (Handb. II, 292), Toofe (History of prices, 
II, 350), Hermann (Münd. gel. Anz. 1840, Nr. 103) und Hels 
ferih (a. Schrift) beftreiten den Ginflüß der Beldverminderung auf 
vie PBreife und bemühen ſich zu zeigen, daß bei jeder Ba mrengattumg 
eigenthümliche Urfachen im Spiele waren. Aber wenn aud die Woh 
feilheit jeder einzelnen Waare für rg ohne Annahme einer Metall: 
verringermg erflärt werden, fönnte, fo folgt daraus nicht, daß das 
22° 


letztere Creigniß, welches unbezweifelt iR, nicht als allgemeine Urſache 
mitgewirkt habe. 


(e) Im Ganzen vermögen dieſe letzteren Hmpände bie Vergrößerung bes 
Geldbedarfes nicht aufzumwiegen. 


8. 277b. 


Der Gebrauch des Goldes und Silberd nebeneinander zum 
Gelde macht eine Unterfuchung über dad Preisverhaͤltniß zwi⸗ 
fchen beiden nothwendig und bie neuerliche Golbvermehrung hat 
biefem Gegenftande eine erhöhte Wichtigkeit verliehen, weßhalb 
er auch fchon vielfach befprochen worden ift (a). Hiebei find 
nadhftehende EAge zu Grunde zu legen: 

1) Der größere Werth ded Golded gegen Silber beruht 
hauptſaͤchlich auf der fehöneren Barbe, die bei der Anwendung 
zu Schmudgegenftänden und Zierrathen in Betracht kommt. 
Aber auch die Koftbarfeit des Goldes, indem fie einem Theile 
der Menſchen den Gebrauch defielden verbietet oder erichwert, 
giebt ihm gerade hieburdy für bie DBegüterten einen höheren 
Reiz, vergl. 8. 263 (a). 

2) Die häufigfte Gewinnungsart des Goldes befteht in dem 
Auswafchen Fleiner Goldtheile aus Erde (Seifenwerfe), während 
das Silber auf bergmännifche Weife aus Erzen erzielt wird. 
Diefe Verfchiedenheit ift folgenreich, denn das Waſchen giebt 
je nad) dem Goldgehalte der Erde einen hoͤchſt ungleichen 
Ertrag und erfordert fo wenig Capital, daß ed von einzelnen 
Arbeitern auf eigene Rechnung betrieben werden kann (b), 
während der Bergbau auf Silbererze Eoftbare Einrichtungen 
noͤthig macht und in feiner Ergiebigfeit weniger wechfelt. 
Deshalb treten in dem Erzeugniß fowie in den Erzeugungsfoften 
bes Goldes weit ftärfere Schwanfungen ein. 

3) Das Gold ift im Allgemeinen Foftbarer zu erzeugen und 
gilt daher auch mehr ald dad Silber. Das Berhältniß, in 
welchem beide ihrem Preiſe nad) zu einander fiehen, ſtimmt 
feineöwegesd mit dem Verhältniß der erzeugten und vorräthigen 
Menge beider überein (c), fondern wird von den Koften unb 
der Wertbichägung beſtimmt. Gilt z. W 1 Pfb. Gold ſoviel 
als 15 Pfd. Silber, fo läßt fich ſchließen, daß man die Menge 
Goldes, welche jährlich gewonnen wird, nicht mit geringerem 
Aufwande ald dem 15fachen der Silbererzeugungsfoflen gelangen 





— 341 — 


kann und daß für das mit jenen Koſten erzielte Golderzeugniß 
um den genannten Preis ein zureichender Begehr vorhanden ſei. 

4) Wenn eine ſtarke Vermehrung des einen der beiden Me⸗ 
talle den Preis deſſelben gegen das andere herabdruͤckt, fo liegt 
hierin ſogleich eine Urſache der Aenderung, denn die Gewinnung 
des wohlfeiler gewordenen Metalles wird minder eintraͤglich und 
vermindert ſich, waͤhrend das andere eifriger erzeugt wird. 

5) Auch abgeſehen von den Regierungsmaßregeln ereignen 
fi) im Begehre beider Metalle manche Veränderungen. Bald 
nimmt bie Berarbeitung des einen von beiden flärfer zu, bald 
ber Gebrauch zum Gelde, indem z. B. zu Sendungen in ents 
fernte Zander dad Gold vorgezogen wird, während Fleinere Preis⸗ 
mengen im täglichen Verkehre nicht gut mit Goldmünzen bar- 
geftelt werben Fönnen. Doc find die aus folshen Urfachen 
entfpringenden Schwankungen im Preisverhältnig des Goldes 
und Silberd gewöhnlich von geringerem Betrage ald bie in 
den Einrichtungen des Münzwefens liegenden, $. 277 c. 

6) Jenes Preisverhältniß kann bei der heutigen Leichtigkeit 
und Sicherheit der Verfendungen fowie bei der Häufigfeit ber 
Nachrichten aus entfernten Orten von Land zu Land nur wenig 
verfchieben fein, weil eine größere Abweichung alsbald eine Aus⸗ 
gleihung burdy Herbeiführen des einen und Hinmwegfenden des 
anderen hervorrufen würde. In jedem Lande haben fich die 
Vorräthe an Gold» und Silbermünzge nad) dem vorhandenen 
Bedürfniß von beiden und in Gemäßheit des allgemeinen Preis» 
verhältniffes zwiſchen beiden feftgefeßt. 

7) In ber alten und mittleren Zeit galt dad Gold ungefähr 
der 10—12fachen Gewichtsmenge Silbers gleich, feit dem Zus 
fluffe der americanifhen Metallmafien aber flieg es auf das 
14—15fahe des Silberd. Die geringeren Veränderungen in 
biefen Berhäftniffen erflären fich theild aus ber wechfelnden Er» 
giebigfeit der Gewinnungsarbeiten, theild aus der ungleichen 


Nachfrage (d). 


(a) Hoppe, Galifomiens Gegenwart und Zukunft, Berlin 1849. — Go: 
quelin in Journ. des Eeon. XXVIII, 55 (1851). — M. Cheva- 
lier, De la monnsie, 3ter Bd. und in Journ. des débats, 3. San, 
1852. — Times, 25. Sun. 1852. == Companion to the Almanak, 1853, 
©. 19. — Qusrteriy Ber. Rr. 182. ©. 504 (1852). — Athenaeum, 
Mr. 1281 (15. Dei 1862). — Wyıld, Notes on the distribution of 


= * 
see ——— 


Menge der umlaufenden Goldmünzen ſtark vermehrt, ohne daß 
ſich zugleich der Bedarf von Umlaufsmitteln erweiterte (d), ſo 
kann eine anfangende Preiserhoͤhung der Waaren und Leiſtungen 
nicht ausbleiben, die jedoch bei freiem auswärtigen Verkehre in 
einem einzelnen Lande nicht weiter gehen wird, als in anderen 
($. 271), weil durch Abfließen eines Theiles des Goldes eine 
Audgleichung eintreten muß. 

3) In den Silberwährungsländern hängt der Preis 
der Goldmünzen in jedem einzelnen Falle von der Uebereinkunft der 
Betheiligten ab und ift folglich wandelbar. Der Umlauf wird 
hier (c) nothwendig größtentheild mit Silbermünzen beftritten, 
doch ift bei größeren Zahlungen auch das Bold nicht audges 
ſchloſſen. Wenn nun eine größere Menge von Goldmünzen 
zum Borfchein kommt, fo wird dadurch ber Preis derfelben 
gegen Silbegmünzen wie der Preis jedes anderen in größerer 
Menge vorhandenen Gutes erniedrigt, und bie Vermuthung 
eines fortdauernden Sinfend wird diefe Wirkung befchleunigen. 
Die Befiger von Goldmünzen werben biefelben ungeachtet be 
ungünftigen Preiſes in den Verkehr bringen, um von ihnen 
Augen zu ziehen, und fie werben häufiger umlaufen. Wird 
biedurch eine Zunahme der ganzen Geldmenge fühlbar, fo ift 
ebenfalld eine Preiserhöhung der verkäuflichen Gegenftände zu 
erwarten, jedoch im geringeren Maaße ald im. Falle (1). 
| 4) In Ländern einer vermifchten Währung haben bie 

Münzen aus beiden Metallen einen feften Preis gegeneinander (d). 
- MWeicht der im Welthandel herrfchende Preis von dem geſetz⸗ 
lichen Landespreiſe ab, fo zieht man für Zahlungen dasjenige 
Metall vor, welches man fich wohlfeiler verfchaffen kann. Deßs 
halb wird in foldhen Ländern bei einer ftarf gefteigerten Gold⸗ 
erzeugung das Gold, fobald es nur etwas niedriger gegen 
Silber fteht, als das gefegliche Verhältnig ausdrüdt, mehr und 
mehr Eingang finden und das Silber hinausgedrängt werden, 
bis von biefem nur noch der Bedarf zu Heinen Zahlungen übrig 
bleibt (e). Iſt dieß eingetreten, fo muß ein weiterer Goldzufluß 
eine allgemeine Preiserhöhung nad) ſich ziehen, das ausgeführte 
Silber aber wird feinen Weg nad) den Silberwährungsländern 
nehmen, meil man ficher iſt, es bier anzubringen. Diefe Sil- 
bervermebrung feßt dem Sinfen bed Goldes eine Gränge und 


— 345 — 


trägt zur Preiserniebrigung (Entwertfung) der Müngmetalle 
gegen die Waaren bei. “ 

Es ift aus diefen Betrachtungen zu fchließen, daß in Folge 
einer anhaltenden und -anfehnlichen Zunahme des Goldes bie 
allgemeine Preiserhöhung der Waaren gegen Münze in ben 
Goldwährungsländern am weiteften gehen, in ben Ländern ge= 
mifchter Währung erft fpäter anfangen und in denjenigen, welche 
bloß eine Silberwährung haben, am geringften bleiben wirb (f). 
Je häufiger dad Gold an bie Stelle des Silbers tritt und als 
Umlaufsmittel dient, deſto eher wirb eine Ueberfüllung von 
Geldſtuͤcken empfunden, aus der eine Preiderniebrigung beider 
Metalle zugleich gegen alle anderen Berfehrögegenftände ent- 
ſteht. Soweit dagegen dad Silber einen Dienft leiftet, in dem 
es durch das Bold nicht erfegt wird, muß die Anhäufung bes 
legteren feinen Prei gegen das Silber erniebrigen. Beide 
Wirkungen befchränfen folglich einander wechfelfeitig (9). 


(a) Großbritanien und neuerlih factiſch auch die vereinigten Staaten in 
Nordamerica. Für geringe Summen muß freilih ein gewifles Ber 
bältniß der Silbers und Goldmünzen fefftehen. 

(3) In Rordamerica iR dieß bei dem fchnellen Zuwachſe der Vollsmenge 
und ber Bütererzeugung allerdings der Fall. 


(6) Zu diefer Abtheilung gehören die meiſten europäifchen Länder. Aus: 
nabmöweife wird bisweilen der Preis einer Soldmünze feit beſtimmt, 
z. B. des Friebrihsd’or in Preußen, des wuͤrtembergiſchen Ducaten ıc., 
allein in diefen Fällen find es nur inländifche Goldmünzen, die in bes 
ſchraͤnkter Menge geprägt werben. 


(d) Frankreich, die nordamericanifchen Freiſtaaten nach den Geſetzen, Nieder: 
lande bis 1847. 


(e) Daher die flarfe Ausfuhr des Silbers aus ſolchen Ländern. 1853 wurbe 
in Frankreich für 287 Mill. Fr. mehr Gold eins als ausgeführt, beim 
Silber fand eine Mebrausfuhr von 108 Mill. Fr. Statt. Auch in 
Großbritanien geht viel Silber hinaus. Der Borrath von edlen Me: 
tallen bei der Banf von Bngland enthielt im Sept. 1852 nur für 
19154 2. St. Silber, 1850 noch 220000 2. St. — Nach ben Zoll⸗ 
lilen wurde von 1848 bis Mitte 1854 9223995 Unzen Gold und 
158°596 834 Unzen Silber ausgeführt, und die wirkliche Ausfuhr war 
tößer. — Die Prägung war 1848—56 in London 50%, Mill. 2. Et. 
Bold und nur 2 Mill. 2. Silber, in den nordamericanifhen reis 
ſtaaten 333 Mill. Doll. Gold auf 30 Mil. D. Silber, in Paris 
2208 Mil. Fr. Gold und 590 Mill. Fr. Silber, in allen 3 Ländern 
wurden 1848—56 86 Proc. Bold, 14 Proc. Silber ausgemüngt, 
Tooke, DO, 405. 


(f) Die verfchiedene Preiserhöhung der Waaren gegen Bold und Silber 
hängt mit dem jedesmaligen Preisverhältnig beider Metalle zufammen. 
Wenn 3. DB. daſſelbe bisher 15% war und in einem Golbdwährungss 
lande bie allgemeine Preiserhoͤhung 6, in einem Gilberlande 2 Proc. 


(9) 


‚des Golbes gegen Silber und eine gleiche Erh 


He fo muß das Gold im Berhältniß 106 zu 102, alfo auf 14,98 
erabaehen. 
ie Meinungen über die bevorftehenden Wirkungen der neueften Gold» 
vermehrung find getheilt, auch if es und! , eine fichere Vorher⸗ 
fagung aufzuftellen, weil es 3. B. ungewiß bleibt, wie lange der reiche 
Ertrag der Goldwäfchereien bauen, ob eine flarfe Verminderung des 
Bapiergeldes eintreten werde und wieviel Gold diejenigen Länder aufs 
nehmen können, beren Volkswirthſchaftliche Entwidlung noch neu if. 
Die Solderzeugungsländer ſelbſt, Balifornien und Auftralten, bebürfen 
viel Gold zum Umlaufe. In den nordamericanifhen Staaten jet ſich 
der Vorrath von Goldmuͤnze ſeit der californiſchen Gntvedung ſehr ſtark 
vermehrt (man glaubt fogar um 100 Mill. Doll. und fchlägt den ganzen 
Belauf der Goldmünzen auf 241 Mill. an!), auch vertheilt fi das 
Golderzeugniß nad allen Richtungen über die Erde. Während Times. 
a. a. D., Chevalier und Stirling eine geofe Preiserniebrigun 
bung der Waarenpreife 
in den oben bezeichneten Ländern mit den in $. 273 bezeichneten Folgen 


vermuthen, wird von 8. Faucher, Cherbuliez, Soetbeer, 


Tengoborsfi eine weit geringere Beränderung in Ausſicht geflellt. 
Diefe beruhigendere Brwartung bat nah den bisherigen Erſcheinungen 
mehr Wahrfcheinlichkeit, indeß if einiges Sinten des Goldes ſchon un- 
verfennbar, auch Wurde einiges Steigen der Wanrenpreife in mehreren 
Ländern wahrgenommen, welches nah Newmarch (brit. Verſamml. 
zu Hull, Sept. 1853) nicht aus befonderen Urſachen bei ben einzelnen 
MWaarengattungen Ey erflären iſt. ine länger anhaltende Goldver⸗ 
mehrung in dem bisherigen Maaße könnte nicht ohne Ginfiuß auf die 
Silber: und Waarenpreife bleiben. Ein Widerfpruch gegen biefen Sag 
wäre nur möglid, wenn die obigen Lehrſaͤtze über das Berhältniß ber 
Geldmenge zu den Preifen ($. 268) in Zweifel gezogen würden, wie 
bei Schuͤbler a. a. O. 


Dritte Abtheilung. 
Der Credit, 


Erſtes Hauptflüd. 
Wirkung des Credits im Allgemeinen. 


$. 278. 
Der Eredit ift überhaupt dad Bertrauen, in welchen Je⸗ 


mand in Hinfiht auf die Erfüllung von Zahlungsverbindlich- 
feiten bei Anderen flieht. Durch den Eredit wird man in ben 
Stand gefest, fih im Verkehre Güter oder Leiftungen zu ver- 
fhaffen, ohne daß man den Begenwerth ſogleich erftatten 


— 31471 — 


müßte (a), und bieß zeigt fich ſowohl im den förmlichen Ans 
leihen, bei welchen der @rebit Leihvertrauen heißt, als bei 
mandherlei anderen Verträgen, 3. B. bei Käufen mit einer Frift 
zur Bezahlung des Kaufſchillings, bei Pachtungen, Miethen 
und berg. Die Beweggründe, aus benen ber Eine dem Ans 
deren eine gewiſſe Gütermenge anvertraut und ber legtere hievon 
Gebrauch macht, find manchfaltiger Art und liegen gewöhnlidy 
im Bortheile beider. Die Grundlage bed Credits ift bie Ueber 
zeugung des Gläubiger, daß er vertragsmäßig werbe befries 
biget werden. Hiezu gehört, daß der Schuldner nicht blos 
Willens, fondern aud fähig fei feine Verbindlichkeit zu 
erfüllen, daß alfo in der erften Beziehung feine moralifchen und 
geiftigen Eigenfchaften, in ber zweiten fein Bermögenszuftand 
und feine Erwerbdart Feine Beforgniffe ermeden (d). Der 
Credit der Einzelnen ift deßhalb nothwendig fehr ungleich; 
in einem ganzen Lande wird er deſto größer fein, je mehr bie 
herrfchende Reblichkeit, die wirthichaftlichen Gewohnheiten und 
bie Güte der Rechtspflege den Gläubigen im Allgemeinen 
Sicherheit gewähren, $. 225. 226. 
(a) Rebenius, Der öffentl. Eredit, I, 1. 
(5) Das Weſen des Grebits befteht darin, daß man flatt einer gegenwärtis 
gen Leitung des Zahlungspflichtigen fi mit der Wahrfcheinlichleit einer 
nftigen begnuͤgt. Wenn biefe Emmartung aus der Perfönlichkeit des 
Schuldners ergeleitet wird, fo if der Credit ein perfönlider. Ein 
blos auf das Bermögen des Borgenden gegründeter Erebit erfordert 
eine Sicherung des Glaͤubigers durch Pfandrehte; pfandlicher oder 
Realcredit. Die volllommene Sicherheit findet ſich bei Fauſtpfän⸗ 
dern, aber nicht immer ganz bei Unterpfändern (Hypothefen), weil dem 
Bläubiger nody immer der Zweifel bleiben kann, ob die Tare des ver: 
pfändeten Grundſtuͤcks richtig if und ob im Kalle eines erzwungenen 
Verlaufs fo viel gelöf werden kann, als die Forderung beträgt (was 
felhft bei einer doppelt hohen Tarfumme öfters nicht geichieht), weil 
ferner der Bläubiger meiftens nicht geneigt iſt, das verpfändete Grund⸗ 


ftüd oder Gebaͤude ſelbſt zu übernehmen und in jedem Falle ſich ſcheut, 
in einen Concurs des Schuldners verwidelt zu werben. 


$. 279. 


Aeltere Schriftfteler haben von der Wirkung bes Credits in 
der Bolfswirthfchaft eine überfpannte Meinung gehegt, weil fie, 
in die Betrachtung des Wirthichaftözuftandes einzelner Bürger 
oder Volksclaſſen vertieft, unterliegen, die Befanbtheile und Bes 
dingungen des Vollseinkommens im Ganzen zu überbliden (a).. 


— 348 — 


Der Credit ift feine Güterquell.. Ob er gleich den Einzelnen 
bie Benugung fremder Bapitale verfchafft, welche fie zu ihren 
beabfichtigten Unternehmungen nöthig haben, fo fann er doch 
die Maſſe der Bapitale in einem ganzen Lande nicht vermehren, 
außer durch Borgen im Auslande, oder indem Metallgeld durch 
Papiergeld abgelöft wird. Die Wirkung des Credits befteht 
alfo hauptfählih in einer Belebung des Güterumlaufes, und 
insbefondere in einer leichteren und häufigeren Uebertragung der 
vorhandenen Gapitale. 
(a) ge „oehört vorzüglid Pinto, Traite de la circul., 2 ( 
Er flieht (©. 161, ©. 177 der d. Ueberf.) Die —— —*— > 
urfunden als einen eigenen. Theil tes Bolfövermögen® an. La or&ation 
des fonds publics, quand on les fait & propos et quelle n’excäde point 
la sphöre de ls puissance, est une alchymie r6alis6e, dont souvent 


coeux mömes, qui l’opörent, n’entendent pas tout le mystöre „S. 338 
(352 i. D.) 


$. 280. 


Diefe Wirkung des Eredites erfcheint auch nach der Befeitigung 
der übertriebenen Schäßung noch immer als ſehr vortheilhaft. 
1) Es wird bie befte productive Anwendung des beweglichen 
Vermögend veranlagt, Weil baffelbe vermittelt des Credits 
leicht an diejenigen Menfchen gelangen kann, welche die meifte 
Gefchidlichfeit und Neigung haben, hervorbringende Gewerbe 
zu treiben. Den Capitaliften und Grundeignern fehlt fehr oft 
biefe Bähigfeit oder diefe Neigung, ihre Erfparniffe würden 
daher zum Theile unfruchtbar Tiegen bleiben ober aufgezehrt 
werden, oder in mißlungenen Unternehmungen zu Grunde gehen, 
wenn nicht ber Credit fie in die Hände einſichtsvoller und 
thätiger Unternehmer brachte (a). Ebenſo ziehen ſich die Ca⸗ 
pitale leicht von der minder ergiebigen zu der einträglicyeren 
Benupung hinüber. 2) Die Leichtigkeit, Vermögen ohne Gefahr, 
zu jeder Zeit und in beliebiger Menge auszuleihen, ift eine 
große Ermunterung zum MUeberfparen. 3) Der Güterumlauf 
eined ganzen Landes kann durch den Beiftand des Credits mit 
einer geringeren Münzmenge beftritten werden, 8. 282. 

Diefe drei Urfachen erklären e8, daß der Credit, obgleich er 
nicht für ſich allein Capitale erzeugt, doch mittelbar zur Ver⸗ 
größerung des Gapitales in einem Lande beitragen kann. 


(a) Insbeſondere wird ein großer Theil der Hanbelsgefhäfte mit geborgten 
Gapitalen betrieben, auch unterftügt vielfältig der wohlhabende Unters 
nehmer den weniger Begüterten mit Gapital, 3. B. der Kaufmann ven 
Yabricanten oder Handwerfer. 


$. 281. 


Der voltöwirthfchaftliche Nutzen bed Credites ift nach den 
obigen Sägen befchränft auf denjenigen Theil des beweglichen 
Bermögens, welchen bie Eigenthümer nicht felbft hervorbringend 
anwenden oder dody nicht fo vortheilhaft als Andere benugen 
fönnen oder wollen (a). Daß durch ben Credit auch die uns 
productive Verzehrung erweitert werden fann, ift freilid eine 
weniger gemeinnügige Folge (5), die jedoch auch im Ganzen 
nicht Häufig eintritt, denn die meiften Darleihen bienen fowohl 
der Befonnenheit der Borgenden, ald der Vorſicht der Leihenden 
gemäß zum Zwede der Hervorbringung. Die zahlreichen Unters 
pfandöfchulden der Grundeigner fcheinen zwar. eine Ausnahme 
von dieſer Regel zu begründen, indem die .geliehenen Summen 
fehr oft nicht zur Beförderung der Landwirthſchaft verwendet 
werden (c), allein man darf nicht überfehen, daß ein großer 
Theil diefer Schulden urfprünglich von den Erbtheilungen der 
Gefchwifter oder anderer Erben eines früheren Grundeigners 
bherrührt, wobei der fpätere die Miterben mit Geldſummen ent 
fhädiget, die von ihm geborgt, von den Empfängern aber ges 
wöhnlich wieder werbend angelegt werben. 


(a) Eine Erweiterung des Gredits über feine natürlihen Graͤnzen Tann 
daher nur nachtheilige Folgen haben, $. 309. — E86 giebt einen Miß⸗ 
braudy des Credits, wenn Berfonen ſich fremde Bapitale zu verfchaffen 
wiflen, ohne das Vertrauen zu verdienen und wenn fie diefelben befleren 
Anwendungen entziehen. 

(5) Wenn 3. B. ber Fabricant im Winter dem &rundeigner leicht entbehr: 
liche Genußmittel borgt, die dieſer erſt nach der Ernte bezahlt, fo if 
dieß für das ganze Bolf kein Gewinn, vielmehr bleibt das Capital des 
Fabricanten einen Theil des Jahres unproductiv und der Käufer muß 
ibm entweder Zinfen ober einen um den Betrag berfelben erhöhten 
Kaufpreis entrihten. — gl. Simonde, Rich. comm., I, 275. 


(0) Bol. Stord, 1,6 |. 





— 350 


Zweites Hauptflüd. 
Wirkung des Credits auf deu Geldumlanf. 


$. 282. 


Die ältefle Anwendung des Credites fand Statt bei ein⸗ 
fachen Darleihen, ſodann bei anderen Verträgen im Verkehre 
mit Sachgütern, wobei die eine ausbebungene Leitung in folchen 
Gütern nach Verabredung verfchoben wurde, 3. B. Kauf mit 
einer Zahlungsfrift, der alfo wie eine Verbindung eines Kaufs 
und eined Leihvertrages anzufehen. Später, als die mit Geld 
vermittelten Berkehrögefchäfte immer häufiger und mandhfaltiger 
wurden, benugte man den Erebit zu verfchlebenen Mitteln, um 
die Koften und die Bemühung zu vermindern, welche der Ge⸗ 
brauch der Münze verurfacht (a). Die hiezu dienenden Ein- 
richtungen laſſen ſich fo überbliden: 

1) Es wird in vielen Fällen das Zählen, Ueberliefern und 
Berfenden der Münzfummen erfpar. — Hinterlegungs— 
banken $. 283. — Anmweifungen und Wedel $. 286. 

2) Es werben Borberungen gegen einander aufgehoben und 
dadurch Zahlungen unnöthig gemacht, — Abrechnungen, 
Meberweifungen, $. 292. 

3) Es wird der Müngvorrath, den viele Menſchen in Bereit: 
haft zu Halten pflegen, verringert — $. 292.8. 

4) Es wird ein Theil der Münzmenge durch ein anderes 
hoͤchſt wohlfeiles Umlaufsmittel erfebt, Bapiergeld, 8. 293. 


(a) Alle tiefe Mittel, das Staatspapiergeld ausgenommen, verdanfen dem 
Handel ihren Urfprung, bie Handelslehre dat fie als Hülfsmittel für 
die Tau fmännijen Behdäfte darzuftellen, die Bolfwirthichaftslehre da⸗ 
gesen ihre Wirfung auf die wirthfchaftlihen Berhältnifle eines ganzen 

CH 3 erforſchen, wobei jedoch eine kurze Beſchreibung voraus⸗ 
gehen muß. 


1. Hinterlegungsbanten. 


8. 283. 


Hinterlegungs⸗, Giro⸗, Depoſiten- ober Um- 
ſchreibebanken (a) find faufmännifche Anſtalten, wobei 
Summen Metallgelves in fiheren Gewahrfam von mehreren 


— 51 — 


Theilnehmern niedergelegt werben, damit bie wirklichen Zah⸗ 
lungen unter denſelben durch bloßes Ab⸗ und Zuſchreiben in 
den Rechnungsbuͤchern erſetzt werden koͤnnen. Jedem Theil⸗ 
nehmer wird ber Betrag feiner Einlage als Guthaben (credit) 
in den Büchern angefchrieben; Hat er eine Zahlung vorzunehmen, 
fo beauftragt er blos die Bank ihm die Summe abzufchreiben 
(in dad debet zu bringen) und dagegen demjenigen, welchen 
er bezahlen will, ins Guthaben zu fegen (d). Wer noch nicht 
Theilnehmer war, kann ed fowohl durch Einlage einer baaren 
Summe ald dadurch werben, daß ein Guthaben von einem 
Anderen, den er dafür entfchäbigt, auf feinen Namen übers 
tragen wird. 


(a) Marperger, „elhreibuug ber Danguen, Leipz. 1723. 4. — Bäuſch, 

Abh. von den Banken, in deſſen ſaͤmmtlichen Sqhriten über Banten 

und Düngmefen, Hamburg, 1801. — Hufeland, DO, 112. — 
tor 7. 

(5) Diefer Auftrag geſchieht Da durch eine Anweiſung, welde ber 
Anweifende entweder perfön (ic) übergiebt, oder von einem vermöge 
förmlicher Vollmacht Beauftragten übergeben läßt. Wer mehr anweiſet, 
ale ex gut bat, muß das 5 lende nachzahlen und eine Kleine Straf. 
gebühr entrichten. 


$. 284. 


Der Bortheil einer folchen Einrichtung ift zunaͤcht darin zu 
ſuchen, daß man 1) die Unbequemlichkeit des öfteren Ausbe⸗ 
zahlen® großer Summen, nämlid das Zaͤhlen und Einpaden, 
2) die Koften und Gefahren des Fortſchaffens, auch 3) die Ab⸗ 
nügung, Berfchlechterung und den Berluft von Münzftüden ganz 
vermeidet. Die niebergelegten Sorten find vor jeder Veraͤnde⸗ 
rung gefhüst und die in ihnen ausgebrüdten Summen haben 
daher einen gleichförmigen Metallwerth, während die umlaufens 
den Sorten veränderlich find, auch öfter die eine von einer 
anderen verbrängt wirb (a). Wenn foldhe Veränderungen ſich 
zutragen, fo muß bie Münze, nad) welcher die Bank rechnet, 
gegen bie umlaufenden geringhaltigeren Sorten ein Aufgelb, 
Agio, gewinnen (db). Diefe Vortheile find auf diejenige Stadt, 
in der fi die Bank befindet, und eine nicht fehr weite Um⸗ 
gegend befchränft, theild wegen ber mit dem Anweifen verbun- 
denen Wörmlichfeiten, theild aber weil die Theilnahme nur für 
die an dem Sige der Bank zu machenden Zahlungen nützlich 
ift. Zinfen ber eingelegten Summen zu bezahlen if die Bank 


nicht fähig, da fie Feine Geſchaͤfte betreibt, auch iſt dieß nicht 
nöthig, weil diefe Summen in der Verfügung der Theilnehmer 
bleiben und fo gut zu ben Unternehmungen berfelben gebraucht 
werden können, ald wenn fie in den Händen jebed Einzelnen 
wären. Jeder Theilnehmer läßt nur foviel in der Bank flehen, 
als er außerdem baar in feinem Befibe haben müßte, um bie 
vorkommenden Zahlungen zu leiften. 


(a) In feinen Handelsſtaaten, in die ſich unvermeidlich vielerlei frembe 
Münzforten ziehen, ift jener Vortheil befonders fühlbar. 


(6) In Venedig trugen die neuen umlaufenden Münzen (moneta piocols 
corrente feit 1750) 54 Procent Aufgeld, die älteren 20 Procent, in 
Amfterdam trugen fie gegen 4, in Hamburg bat noch jetzt das Gourant- 
geld ungefähr 23 Procent Agio gegen Banco, nad tem Feingehalte if 
es um 22,25 Proc. mehr werth. 


$. 285. 


Zur Bolltommenheit einer reinen Girobank gehören folgende 
Bedingungen: 1) Die niedergelegten Summen bürfen nicht zu 
Ermwerbsgefchäften benupt werden, fondern müflen vorräthig 
liegen bleiben, denn fonft würde ein in den Banfbüdhern er: 
worbenes Buthaben nicht eine vollfommene Sicherheit gewähren, 
vielmehr hinge der Befiger defielben von der Klugheit und dem 
Erfolge der Banfverwaltung ab. 2) Jeder, auf deffen Namen 
“eine Summe in ber Banf fteht, muß die Befugniß haben, die⸗ 
felbe beliebig herauszuziehen, weil fonft die Bedeutung ded Gut⸗ 
habens genau betrachtet nur etwas Eingebildetes wäre (a). 
3) Die Bank muß in ihren Rechnungen ein von der ungleichen 
Ausprägung der Münzforten unabhängiges Preismaaß gebraus 
hen, indem fie die Einlagen, wie die Ausbezahlungen blos nach 
ihrem Metallgehalte ſchaͤtzt, aljo in einem Gelbe rechnet, welches 
nicht eine einzelne Muͤnze, fondern blos eine gewifle Metall⸗ 
menge if. Diefe Stetigfeit des Rechnungsgeldes der Banf 
gewährt für den Handel foldhen Bortheil, daß man fi in 
einem weiteren Kreife deſſelben bedient und daß fich Geſchaͤfte 
häufiger nad) dem Sitze der Banf hinziehen (b). 

Die Banken diefer Art find mit Ausnahme einer einzigen, 
der Hamburger, eingegangen (ce), man hat aber neuerlich) 
den Bortheil, ven fie gewährten, auch ohne das Riegenbleiben 
eined fo großen Vorrathes von Gold und Silber, wenn gleid) 


— 363 — 


nicht mit einer unfehlbaren Sicherheit, zu erreichen gewußt, in 
dem einzelne Bankhäufer oder größere Anftalten anderer Art 
(Zettelbanfen) zugleich das Ab- und Zufchreiben (Girogefchäft) 
für die mit einem ſolchen Haufe oder einer ſolchen Anftalt in 
Verbindung ftehenden Perfonen übernahmen (d). 

(a) Die venetianifche Bank geftattete lange Zeit hindurch fein Heraus: 


(8) 


(e) 


ziehen der Einlagen. 


So die Hamburger Bank, welche den Bankthaler zu 528,217 Hol. Ale 
feines Silber (oder 9,94 Thlr. auf die föln. Mark) reguet weil 
dieſes der Mitteldurchſchnitt zwiſchen dem urſpranglichen ehalte des 
älteren Speciesthalers (540 As) und dem unter Karl VL merklich leichter 
ausgeprägten Thalerftüde (516 As) war. Dänemarf und Schweden 
prägten ſolche Thalerftüde aus, Hamburg felbft aber nicht. Buͤſch, 
a. aä. O. ©. 177. — Der Thaler Banco ift nad dem 24Yefl.: Fuße 
2 fl. 39,7 kr., die Mark Banco (!/s Thaler) von 176 As — 53,3 fr. 


Zur Geſchichte ter Birobanfen. 

Venedig. Seit 1157 beitanden Privatbanfen unter Staatsaufficht, 
aber die Depofitenbanf wurde erft 1584 errichtet. (Hüllmann, Staates 
wirthfch. Nebenftunden S. 105 vermuthete 1582). Im Jahre 1587 
gingen die Binlagen als Anleihen in die Hände der Regierung über, 
welcher Umftand aber erfi 1797, bei dem Ginrüden der Yranzofen, den 
Eredit der Bank erfihütterte. Aufgehoben 1808. Buͤſch, aa. O. — 
Stord, IIL, 63. — Ganilh, Syst&mes, II, 158. — Hüllmann, 
Städtew., I, 453. — Calucci in Venezia e le sue lagune 1847, I, 
1 Abth. S. 362. — "Die revidirten Geſetze von 1663 bei Marper: 

er, ©. 190, in der Urfprache, enthalten nur Verordnungen über die 

ormen der Buchführung, die Pflichten des Perfonale u. dgl. 

Amfterdam. Grridhtet 1609, um bei dem paufigen Umlaufe abge: 
nügter und befchnittener Münzen die vollwichtigen Stüde zu behalten. 
Die Regierung verbot, Wechſel von 300 fl. und darüber anders als 
durh die Banf zu bezahlen. Diefe betrieb zugleich den Handel mit 
edlen Metallen und nahm hiebei fowohl Barren als Münzen jeder Art 
(ausgenommen Scheidemünge) an, wofür fie Gredit in ihren Büchern 
gab, diefer aber wurde in bem gewöhnlichen umlaufenden Gelde aus- 

edrüdt, den holländischen Gulden anfangs zu 225 As fein gerechnet. 

a die Banf nur gute Stüde annahm, fo wurde das Banigeld um 
einige Procente höher im Berfehr bezahlt, als die umlaufenden Sorten. 
Der Gulden wurde durch fpätere Wurdigung der vorfommenden Stüde 
auf ungefähr 212 As herabgefept, gegen Ende des 17. Jahrhunderts 
durch Feſtſetzung des 3 Guldenſtuͤckes zu 603 As fam er auf 201 As f. 
Der belgifche Ducaten durfte erft feit 1638 angenommen werden und 
es ift daher unrichtig, aus feinem Preife von 3 fl. den urfprünglichen 
Werth des Bankguldens zu berechnen, welcher kein anderer, als der in 
vollwichtigen Stüden vorfommende war. Wer Münzen in die Bank 
brachte, erhielt nicht nur ein Guthaben in den Büchern berfelben, fon: 
dern auch eine Duittung (Recepiffe), wofür er halbjährig einen 
fleinen Zins entrichten mußte, */s Proc. für Ducatons (Silberryder), 
bei anderen Sorten 1/—!/s Proc. Der Beſfitz einer Summe Bantgeld 
und eines Recepifſes auf gleichen Betrag berehtigte zum Herausnehmen 
von Baarfchaft. Da nun das Banfgeld etwas über dem vollen Breife 
der guten Sorten fland, fo erhielten die Recepiffen einen Preis und 
deshalb Tiefen fie häufig um. Hieraus war die Meinung entflanden, 
daß diejenigen Ginlagen, für welche feine Recepiſſen durch Zinszahlung 
Rau, polit. Delon. L 7. Ausg. 23 


ze — Bi — 


erneuert worden. wären, gar nicht mehr Hätten zurückgeforbert werben 
können, was nah Mees nicht richtig if. Jede Um Greibung foftete 
zwei Gtüver (20 auf den Gulden), wer zum erfienmal ein Guthaben 
erhielt, entrichtete 10 fl. Zweimal im Jahre wurden alle Rechnungen 
abgefchlofien. Erſt 1795 wurde es befannt, daß die Bank einen Theil 
bes Borratbes heimlich zu Borfhüflen verwendet Hatte, die ſich auf 
9.247793 fl. beliefen. Diefe Summe wurde 1802 von ber Regierung 
vergütet, doch gelangte die Bank nicht wieder zu der vorigen Bedeu⸗ 
tung. Bei der Gründung der niederländifchen Bettelbant im Jahre 1814 
verlor fie vollends alle Wirkfamkeit, weßhalb 1820 ihre Aufhebun 

ausgefprochen und die Rüdzahlung des Banfgeldes mit 5 Proc. Aufs 
geld verordnet wurde. Marperger, ©. 119. — Ad. Smith, II, 
305. — Bäſch, S. 160. 760. — Stord, IL, 64. — Sorgfältig 
und mit Beleuchtung mancher früherer Irrthuͤmer handelt die Geſchichte 
biefer Bank ab W.C. Mees, Proeve eener geschiedenis van het bank- 
wezen in Nederland gedurende den tijd der republick. Rotterd. 1838. 


Hamburg. Grrichtet 1619, wegen ber vielen fchlechten damals 
umlaufenden Münzen. 1770 fing die Bank an, Süberbarren anzu: 
nehmen; feit 1790 findet die inlage von Münzen gar nicht mehr 
Statt. Die Barren müflen eine Mifhung von % reinem Silber 
haben (0,9% oder 15 Loth 12 Graͤn). Die Bank berechnete bei ben 
eingelegten Barren die köln. Mark feines Silber zu 442 Schilling (48 auf 
den Thaler) oder 27 Mark 10 Schill., beim * mußte man 
ſich die köln. Mark um 2 Schillinge höher, alſo zu 27 Mf. 12 Schill. 
anrechnen laflen. Seit 1846 wird auch beim Ginlegen bie köln. Mark 
zu 27 Mi. 12 Schill. Banco berechnet und beim SHerausziehen nur 
1 pro mille zurüdbehalten. Hieraus ergiebt fich der Weingehalt der 
Bankmark zu 175,997, des Thalers zu 526,16 As. Bol. Soetbeer, 
Ueber Hamburgs Handel, III, 41. 1846. Der fortwährend geheim: 
gehaltene Betrag des Bankvorrathes wurde 1813 bei der Wegnahme 
durch den Martha Davouft bekannt, er war 7506956 Mark Banco, 
wofür die franz. Regierung 1816 nur 500000 Franken Renten er- 
flattete. Im 9. 1800 Hatte der Bankvorrath 41 Mil. Mark über: 
ſtiegen. Soetbeer, Beiträge u. Materialien zur Beurtheilung von 
Geld: und Banlfragen, 1855. 

Nürnberg. Stiftung 1621. Wechfel von 50 fl. und Zahlungen 
für Waarenfäufe von 200 fl. und darüber mußten durch bie Bank be: 
wirft werden; die &ebühr beim Umfchreiben betrug 3 fr. von 100 fl. 
(bei Juden 6 fr.). Nur beflimmte grobe Sorten wurden angenommen 
und fonnten beliebig Herausgezogen werden. Das Girogefchäft hat in 
neuerer Zeitaufgebört und iſt nur noch ein Banfgefchäft auf Staatsrechnung 
geblieben, 6. 292a 8 Eines Hochedeln und Hochweiſen Raths.. 

anco⸗ und Wechſelordnung, Nürnb. 1722. 4. (enthält bie neueſte 
Mevifion der Statuten von 1721). — Roth, Geld. des nürnb. Han- 
dels, IV. — Rau zu Stord,, III, 464. 


Rotterdam. Die Bank wurde 1635 nad dem Borbilde der Amfter: 
damer gegründet, erlangte aber feine beiondere Wichtigkeit. Bine Re 
viſion der Statuten geihah 1660. Im neuefter Zeit ſank ihre Wirk: 
famfeit mehr und mehr, und ohne förmliche Aufhebung ſcheint fie 1812 
erlofchen zu fein. Mees a. a. O. ©. 207—22. 

Auch die in Berlin 1765 errichtete Banf hatte fonft ein Girogeſchaͤft 
und rechnete in Pfunden, deren 100 gleich 131%/ Thlr. Eourant oder 
4 fleic 1 Friedrichsd'or waren. Das Herausziehen ſtand nur denen 
frei, welche Summen ſelbſt eingelegt hatten, nicht denen, welchen fie 
übertragen wurden. Reglement von 1766, Art. 1-6, 12—26, in 
Bergius, Samml. deuticher Landesgeſetze, VI, 289 ff. 


(d) Dieß Umfcweiben Bei Banthäufern kommt leicht ohne befondere Anord⸗ 

nung in Gang. Wenn fowohl A als B bei dem Bankhaufe C ein 

befigen und A an B efba6 zu bezahlen Hat, alſs den C bes 

auftragt, dieß zu tun, fo iR es ganz einfach, daß C die Summe einfs- 
weilen nur dem B gutfchrei 


II. Anweifungen und Wechſel. 


$. 286. 


Eine Anweifung (Affignation) iſt ber ſchriftliche Auf⸗ 
trag des Einen an den Anderen, einem Dritten eine gewiſſe 
Geldſumme auszubezahlen. Wechſel Wechſelbriefe) find 
eine Art von Anweiſungen, an einem anderen Orte zahlbar, in 
einer beſtimmten Form abgefaßt und durch befondere, an biefe 
Form gefnüpfte rechtliche Folgen auögezeichnet (a). If die 
Zahlfähigfeit des Beauftragten feinem Zweifel unterworfen und 
feine Bereitwilligfeit zur Vollziehung des Auftrages zu ver 
muthen, auch für ben entgegengefegten Fall der Erfag durch 
den Auftraggeber für ficher zu erachten, fo fann die Anweiſung 
oder ber wegen bed ftrengen Wechſelrechtes mehr Sicherheit ges 
währende Wechſel fehr bequem flatt der baaren Summe verfens 
bet werden, um eine Zahlung zu bewirken. Der Inhaber des 
Wechſels verfchafft fich diefelbe, indem er dem Beauftragten den 
Wechſel vorlegt und jenen auffordert, bie in biefem benannte 
Summe auszuliefen. Gin Wechfel muß jeboch nicht nochwendig 
fogteich an den Wohnort des Beauftragten gefenbet werden, fons 
dern kann vorher auch an andere Orte gehen, wo ihm die Er 
wartung der von dem Beauftragten zu leiftenden Zahlung eben- 
falls Werth verleiht. Derjenige, zu beflen Gunſten der Aufs 
trag ausgeftellt iR, überträgt dabei feinen Anſpruch an eine 
andere PBerfon, diefe wieder an eine andere u. f. f. 


(a) Die fogmannten trodenen Wechſel, eine an in Wechſelform, 
fommen zwar in —5* —ã den wahren (craffirten) 
ne überein, ſind ader wirth Fan AR —* ſehr von ihnen 
verſchieden. 


6. 287. 
Dar Haupwortheil diefer Einrichtung if, daß man bie 


Mühe, Koften und Gefahren einer Geldſendung an einen ans 
23° 


— zz6 — — 


deren Ort erſpart. Die in jedem Zeitpuncte fälligen Fordetungen 
zwifchen zwei Orten koͤnnen vermittelft ber Wechſel ausgetaufcht 
werden, fo daß nur nody der Mehrbetrag der Schuldigfeit des 
einen Ortes hinaudgezahlt wird (a). Weil aber der Beauf- 
tragte (der Traffat oder Acceptant bei Wechfeln) die 
Summe an feinem Wohnorte zu bezahlen hat und ber Käufer 
der Anmweifung oder des Wechjeld (der Remittent) in der 
Regel den Betrag der angewiefenen Summe an den Anmweifen- 
den oder Wechfelauöfteler (Traffanten) baar entrichtet, fo 
wird feine Erfparung an Münze bewirkt, nur daß diefe nicht 
mehr während der Berfendung dem Umlaufe entzogen wird und 
der Gelbvorrath der beiden Orte feine Veränderung erleidet (b). 
Wenn der Wechfelausfteller nicht fchon Gläubiger des Beaufs 
tragten ift, fo muß er diefen für die Bezahlung des Wechſels 
entfchädigen (ce). Sendet der erſte Käufer (Remittent) den 
Wechſel an einen dritten Ort, wo er eine Zahlung bewirken 
will, und wiederholt fi dieß durch mehrmalige Abtretung (In⸗ 
doffirung) ded Wechfeld an andere Perfonen und an ver 
fhiedenen Orten, fo wirb berfelbe oft an Zahlungsftatt anges 
nommen, ohne daß man ihn erft zu verfaufen nöthig hätte (d). 


(a) Wenn A in Leipzig an B in Königsberg 1000 Thlr. zu bezahlen, und 
ugleich C in Leipzig an D in Königsberg diefelbe Summe zu fordern 
—*F fo wird das Hin⸗ und Herſenden des Geldes erſpart, wenn C 
einen Wechſel auf D ausftellt, worin diefer beauftragt wird, die 1000 
Thaler an B zu geben, und wenn A diefen Wechſel von C gegen baare 
Bezahlung erfauft. 

(6) 88 werden in obigem Falle wirklich 2000 Thaler bezahlt, nur inner: 

alb beider Städte, von D an B und von A an C. 

(e) Dieß kann gefchehen 1) durch Sendung von Münze, 2) durch Nemits 
tirung eines anderen gekauften Wechſels, 3) durch Waarenfendungen, 
welche ein von dem erflen Geſchaͤfte verfchiedenes zweites, nämlich einen 
Kauf, vorausfegen. 

(4) Beifpiel: A in Köln bat 800 Thaler von B in Königsberg einzunebs 

men und verfauft einen Wechfel auf benfelben. C kauft ihn und fendet 
—e ihn an feinen Glaͤubiger D in Breslau, der mit dem ers 
altenen Wechfel feinen Gläubiger E in Danzig befriedigt. E kann 
den Wechfel nicht felbR zum Verſenden gebrauchen, verfauft ihn aber 
an den F, der ihn an G in Königsberg flatt einer Baarzahlung ſendet. 
@ zieht das Geld von B ein. In diefem Kalle find die 800 Thlr. 
dreimal in verfchiedenen Orten baar bezahlt, es find aber vier Sen: 
dungen der nämlihen Summe erfpart worden. 


8. 288. 
Die Beftimmung einer Anweiſung oder eines Wechſels iſt, 
daß eine Zahlung an einem anderen Orte oder wenigftend von 


— 357 — 


einer anderen Perfon erfolge, ald von derjenigen, welche außer 
dem felbft zu bezahlen hätte. Im dieſer Wirkung liegt wegen 
der Koften» und Zeiterfparung ein anfehnlicher Vortheil und 
bie genannten @reditmittel leiſten daher dem Verkehre einen 
fehr nüglichen Dienft (a). Wenn aber eine folche Berfchreibung 
zum Behufe der Berfendung mit einer Geldſumme erfauft wird, 
und wenn der Inhaber bderfelben die benannte Summe vom 
Zraffaten einfordert, fo bildet der MWechfel fein Erfagmittel der 
Münze. Nur dann verrichtet er den Dienft ded Geldes, wenn 
er von Jemand an Zahlungsftatt empfangen und wieder in 
gleicher Weife ausgegeben wird. Dieß gefchieht zwar nicht. 
felten (6), aber doch nicht fo leicht und allgemein, daß man 
die Wechfel für eine Art des Geldes anfehen fönnte (c). 
Sie haben nicht die Eigenfchaften eined guten Umlaufomittels, 
wie fich aus folgenden Gründen darthun läßt. 1) Wer nicht 
eine ober mehrere der in einem Wechfel benannten Perſonen 
ald zuverläffig fennt, ber ift wenig geneigt, denfelben an Zahs 
Iungsftatt anzunehmen, aud hält die Strenge des Wechſel⸗ 
rechtes viele Menfchen ab, fich der Wechfel zu bedienen, deß⸗ 
halb finden diefelben größtentheild nur unter Kaufleuten Ans 
wendung. 2) Die Abtretung eined Wechſels muß fchriftlich 
auf der Nüdkfeite des Blatted audgebrüdt werden (In doſſa⸗ 
ment, endossement), was ebenfalld8 eine Linbequemlichkeit 
ift (d). 3) Die Auszahlung eined Wechfels kann nur zu einem 
darin bezeichneten Zeitpunfte von dem Beauftragten verlangt 
werden. Richtet fich diefe DVerfallzeit nady dem Tage der Aus 
ftellung (e), fo gewährt ver Wechfel nur bis zum Eintritte biefer 
Zeit volle Sicherheit; aber auch in dem Falle, wo die Verfall. 
zeit von dem Tage ber Vorlegung (Präfentation) abhängig ift, 
werden Wechfel nicht gerne lange nady der Ausftellung anges 
"nommen, wenn man nicht genau weiß, daß in den Verhaͤltniſſen 
der betheiligten Perfonen in der Zwifchenzeit Feine Veränderung 
eingetreten if. 4) Wechfel, deren DVerfallzeit nicht ganz nabe 
ift, find wegen des Zinsverluftus in der Zwiſchenzeit weniger 
werth, und werden deßhalb auch etwas unter ihrem vollen Bes 
trage verkauft. Sie haben fchon aus diefer Urfache feinen ganz 
feften ‘Preis in Münze. Es ift ein Gewerbsgeſchaͤft, Wechfel 
mit einem, ungefähr den Zinfen entfprechenden Abzuge (Dis⸗ 


— 38588 — 


eonto, escomto, Wechſelzins) fruͤher anzukaufen, um ſodann 
die ganze Summe von dem Trafſaten einzuziehen. Dieſe Unter 
nehmung heißt dad Discontiren, Scontiren (f). Dem⸗ 
jenigen Befiger eined Wechſels, welcher die in lebterem ausge⸗ 
brüdte Summe bald zu befigen wünfcht, iR ein noch Wochen 
oder Monate laufender Wechfel läftig und ee muß ihn, wenn 
er die Annahme nicht ablehnen will, mit einem Disconto 
verkaufen. 


(e) 


(8) 
(6) 


(4) 


In Großbritanien follen nah Jones (Distribut. of wealthı &. 271) 
ſtets für ungefähr 100 Mill. 2. St. apa und Anweifungen (pri- 
vate bills) umlaufen, nad neueren Unte ugungen von Newmarch 
(Journ. des Econ. XXXI. 62. 153. XXXIL. 35) im D. von 1843-46 
116 Mil. Der Nutzen der Wechſel mußte in früheren Sabrhunderten 
noch ftärfer empfunden werden, als jetzt, weil die Düngfendungen we⸗ 
en der fchlechten Straßen koſtbarer und wegen ber häufigen Berau⸗ 
ungen geläßrlicher waren. Um bie räuberifhen Völker nicht fürchten 
u müffen, durch deren et: ber weg nad Kaſchmir geht, pflegen pers 
ſche Kaufleute, die dert Shawls eintaufen wollen, PP in Kabul mit 
Wechſeln zu verfeben, indifche feken ihr wmitgebrachtes Geld in Anbarfar 
in Wechfel um. Berghaus, Annal. V, 528. Kabul pat Wechſel⸗ 
verkehr mit Kalkutta und Aſtrachan; aber ſelbſt der Befiß eines Wechſel⸗ 
briefes wird von den Reiſenden verheimlicht, aus Beſorgniß vor Raͤu⸗ 
bern. Burnes, Reife, I, 173. — Anweiſungen find ſchon im Alter: 
thume befannt geweien, das Wechſelrecht aber entfland im Mittelalter, 
zuaf auf Mefien. — Ueber ben Urfprung der Wechfel Fiſcher, Geſch. 
des deutſchen Handels, I, 297. — Storch, LI, 65. — Mitter: 
maier, Grundf. b. Private. II, $. 226. — Hüllmann, Städte 
weten, ©. 442. — Schiebe, Die Lehre der Wechſelbriefe, 2. Ausg. 
1831. ©. 1—16. 
Beſonders Häufig bei den Anweiſungen auf Bankhäufer und ‚größere 
Banken, wobei fi) auch gute Gelegenheit zum Umfchreiben ergiebt. 
&ullarton bei Toofe (History of prices from 1839-47, S. 157 
beftreitet den Unterfchied zwifchen Wechſeln und Banknoten, womit au 
Tooke ©. 163 einverfanden if. 
Wechſel werben zwar bisweilen ohne Benennung des Käufers (in bianoo) 
indoſſirt, hiedurch geht aber die Haftbarkeit der nicht eingeichriebenen 
Erwerber und Ausgeber verloren. Die englifchen niveffungen auf 
Bankhäufer (cheques, checks) lauten auf den Inhaber und waren hie: 


—F bisher von der Stempelgebuͤhr frei, auch haben ſie' keine beſtimmte 


(e) 


Berfallzeit und können beliebig eingefordert werben. 


Dieß ift der Kal, wenn fie auf eine Anzahl von Tagen, Wochen oder 
Monaten nach der Ausftellungszeit (dato) geftellt find. 


Daflelbe ift eine beliebte Art, Geldfummen auf kurze Zeit einträglid 
anzuwenden. Der Discontirende bewahrt den Wechſel bis zur Verfall: 
zeit und zieht dann bie volle Summe ein. In Großbritanien werden 
nah Rewmard (a. a, 2 86 Proc. vom Betrage aller Wechſel 
discontirt. Das Discontiren hat wirthfchaftlich betrachtet mit dem Dars 
leihen große Achnlichleit, von rechtlicher Seite weicht es fehr davon ab, 
indem es in dem Kaufe einer Forderung an einen Dritten befteht. 
Der Disconto folgt im Allgemeinen dem Stande des Sinefußee, eht 
indeß meiſtens etwas niedriger, weil man den Vortheil einer baldigen 


— 3859 — 


ſicheren Ruͤckzahlung ſchaͤtzt, und manche Summen, ſtatt müßig zu liegen, 
auf kurze Zeit zum Discontiren verwendet werden. Uebrigens hat man 
beim Discontiren zwei kleine Vortheile: 1) das Jahr wird nur zu 360 
Tagen gerechnet, 2) man zieht den Disconto gleich beim Wedhtelfaufe 
ab und muß ihn folglich als den Zins der Fleinern wirklich bezahlten 
Summe anſehen. Wer 3. B. bei einem Discontofage von 4 —2* 
jährlich für eine Friſt von 1!/s Monaten 1/s Procent abzieht und alſo 
einen Wechfel auf 100 fl. mit 994/. fl. bezahlt, begieht eigentlih für 
Hr Ausla e von 99/a fl. fhon !/s |. Zins, ſtatt für 100, alfo jährs 
ih 4, dc. 


$. 289. 


Die Wechfel haben wie die Waaren einen Preis und zwar 
einen ziemlich veränderlichen. Man bezeichnet ihn wie überhaupt 
den ‘Brei der Erebitpapiere und Münzen mit dem Ausdrude 
Curs (cours). Der Preis, den an einem Orte A die auf einen 
andern Ort B audgeftellten Wechfel haben, beutet an, welche 
Summe man in A aufwenden muß, um fid, die Verfügung 
über eine gewiffe Summe, bie in B ausbezahlt werben fol, zu 
verfchaffen. Um eine genaue Borftelung von biefem ‘Preife zu 
erhalten, muß man, wenn an beiden Orten in verfchiebenen 
Münzforten gerechnet wird, die im Wechſel erfaufte Summe 
und ihren Preis auf einerlei Geldforte oder auf Gewichtsein⸗ 
heiten des edlen Metalle umrechnen. Die Gleichfegung zweier 
Münzfummen, in welchen gleichviel Silber oder Gold enthalten 
it, beißt Pari, und dieſes bildet die Mitte, um welche 
die jedesmaligen Wechfellurfe, als Marftpreife, bin und her 
fhwanfen (a). 


(a) 3. 3. 105 fl. im füdweftlihen Deutfchland find dem Silbergehalte 
nach gleidh 60 preuß. Thalern und dieß iR das Pari zwiſchen Frank 
furt und den preußifchen oder fächflfchen Wechfelplägen. Iſt nun der 
Gurs in Frankfurt 106'/, fl. (24. San. 1855), fo if dieß 1a fl — 
1,18 Proc. über Bari, man muß alfo 101, fl. in Frankfurt auf: 
wenden, um die in 100 fl. enthaltene, in Berlin zahlbare Silbermenge 
an fih zu bringen. Die regelmäßig bekannt gemachten Wechfelcurje 
find nicht leicht verſtaͤndlich, weil die Kaufleute oft nur die eine von 
beiden Münzen, in denen der Curs ausgebrüdt wird, angeben, die ans 
dere aber der Kürze willen im Sinne behalten. Die Eursliften fagen 
3. B. in Paris: der Curs auf London if 25'/, Fr., auf Hamburg 
186 Fr., dieß foll Heißen für 1 2. Sterling, für 100 Mark Banco. 
Diejenige von beiden Münzgfummen, die man auf biefe Weife im Sinne 
behält, heißt die fee Baluta (le certain), diejenige, welche man 
ausfprigt und deren Quantitaͤt wechſelnd if, die veränderlicde 
Baluta (Vineertain). Jene ift bald eine Einheit (1 Piafter, 1 Rubel), 
bald eine runde Zahl (100 Thaler, 300 Franken, 1000 Reis). Bis⸗ 
weilen werden die Eurfe in Währungen auegebmüdt die gar nicht ges 
yrägt And, 3. DB. der erſt 1843 abgefähaffte thlir. Frankfurter —*2— 


— 360 — 


zahlung (WZ), wovon urſprünglich 13,2 Stücke oder 20,0% fl. auf 
die Mark gingen. Der Curs zwifchen den vereinigten Staaten unb 
England wird auf eine unbequeme Weile bezeichnet, indem man 1 2. St. 
=: 48/9 Doll. oder IL. St. — 40 D. ſetzt und angiebt, wieviel wirk 
liche Dollars für 100 jener Annahme oder für 22%/. 2. St. bezahlt 
werden müflen. Das Pari if 109, nad dem Goldgehalte des Bagle 
von 10 Doll., woraus fh 1 2. St. = 4,96 D. ergiebt. — Der 
@urs zwifchen zwei ee wird ſogar zufolge des Herfommens nicht 
immer an beiden auf diefelbe Weiſe angegeben; 3. B. zwilhen Paris 
und Berlin. Dort giebt man an, wieviel Kranken dafelbf für 100 
preuß. Thaler, die in Berlin zahlbar ‘find, gegeben werden müffen, in 
Berlin aber, mit wieviel Thalern man 300 Franken in Paris erfauft. 
Ebenfo zwifhen Paris und Frankfurt; dort war am 25. Januar 
1855 der Eurs nah Frankfurt 214, d. h. foviel Zr. für 100 fl., in 
Frankfurt am nämlidhen age 93%U,, d. 5. ſoviel Gulden für 200 Fr. 
Erklärung diefer herkömmlichen Beftimmungsarten in den Büchern von 
Flügel (Der erklärte Eurszettel), Tſchaggeny (Les arbitrages, Paris 
1817, 4.), Gethardt, Nelkenbrecher, Krufe, . Schmidt u.a., 
vorzüglid Nobad (Tafchend. der Münz:, Maaß⸗ und Gewichtsverhaͤlt⸗ 
niffe, 1851. II B.). — Rechnet bas eine Land in Silber, das andere 
in Gold, fo hat auch das jedesmalige Preisverhältnig beider Metalle 
auf den Wechſelcurs Einfluß und. das Bari ift daher veränberlidh. 
Seitdem in Franfreih das Bold vorherriht, muß daflelbe bei der 
Berehnung des Pari zu Grunde gelegt werden. In Silber waren 
200 Franfen — 94,2#fl. des DAUafl. Fußes, in Gold, bei einem Preife 
deſſelben von 15%/,, find jene = 92,7 fl. Eure 23. San. 1855 in 
Frankfurt 931/—!s, in Paris (aus 244 berechnet) 93,% fl. In dem 
Curſe zwiſchen Berlin und Paris war in Silber das Pari 100 Thlr. 
— 371,2 $r., in Gold zu 15%. iſt es 376,7 Fr., daher 3. B. der 
Curs am 25. San. 1855 376,5 $r., und in Berlin 78%, Thlr. für 
300 Fr. — Beſteht das Umlaufsmittel eines Landes größtentheils aus 
einem gegen Münze im Preife gefunfenen Papiergelde, fo müflen bie 
auf ſolches geftellten Wechfel einen entiprechenden niedrigeren Curs ha⸗ 
ben. In Wien fland im Sept. 1859 das Papiergeld zu 117 gegen 100 
Silber. Daher faufte man 100 fl. füddeutih in Wechleln auf Frank⸗ 
furt zu 100,85. öfterr., während fle in Silber nur 85,7fl. wertb find. 
Hieraus erklärt fih, daß 1814 vor dem Frieden auf dem Wefllande der 
Curs nad) England gegen 30 Procent unter Bari war, indem die 
Noten der englifhen Banf, damals das einzige Umlaufsmittel, gegen 
tohes Bold um fo viel gefallen waren. 


$. 290. 


Wenn in A der Eurs nach einem andern Orte B über 
Bari fteht, d. h. wenn man in A etwad mehr Gold ober 
Silber hingeben muß, als man bafür in einem Wechſel nad 
B zur Verfügung erhält, fo beweift bieß, daß in A ber Bes 
gehr von Wechſeln auf B größer ift als das Angebot (a). 
Der Begehr beftimmt fih in jedem Zeitpuncte nad) der Menge 
von Zahlungen, weldye man in Kurzem nad) B zu machen 
hat und zu welchen man Wechfel anwenden will. Das Ange: 
bot richtet fi) nach der Menge von bereitd fälligen Forde⸗ 


— 3861 — 


rungen, welche die Einwohner in A an die Bewohner von 
B haben und fuͤr deren Belauf ſie Wechſel zu verkaufen ſuchen. 
Sind die gegenſeitigen zahlbaren Forderungen zwiſchen beiden 
Orten gleich, ſo wird der Wechſelcurs ungefähr den mittleren 
Sag, das Pari, erreichen (d), im entgegengeſetzten Falle muͤſſen 
an dem Orte, welcher mehr zu zahlen als zu fordern hat, 
Wechſel nach dem anderen uͤber Pari erkauft werden. Dieſe 
Abweichung vom Pari hat ihre nahen Graͤnzen, denn ſo lange 
bie Muͤnzſendungen feine Schwierigkeit haben, giebt man für 
einen Wechfel nicht mehr, ald die Baarfendung mit Fradıt 
und Nebenausgaben (3. B. Seeverficherung) koſten wuͤrde (c). 
Wo dagegen Verbote, Kriege und bergl. diefen Ausweg er- 
fhweren, da ift eine beträchtliche Abweichung vom Pari 
möglich (d). | 
(a) In diefem Falle nennt man den Wechſelcurs für B ünftig, für A 
ungünftig, ober man fagt auch furz: der Gurs fieht für B und 
gegen A. 
(6) Doch auch nur ungefähr 6 find Hiebei noch folgende auf den 
Curs wirkende Umflände zu erwägen. 

1) Der Traffant erhält den Wechiel bei der Abgabe fogleich bezahlt, 
oder, wenn er mit dem Remittenten in Abrechnung flieht, fo werden 
ihm doch die Zinfen von biefem Zeitpuncte an berechnet; dagegen leiftet 
der Traffat die Zahlung erſt nad Ablauf der Verfallzeit. Daher ift der 
Werth des Wechfele um bie Zinfen diefes Zeitraums für den Remitten⸗ 
ten weniger werth, als die darin ausgebrüdte Metallmenge. Nimmt 
man 4 Seo. Jahreszinſen an, fo if ein Wechſel, der nach einem 
Monat fällig wird, jest rk Proc., und bei drei Monaten Fri 1 Proc. 
weniger werth. Auf je längere Zeit ein Wechfel läuft, deſto niedriger 
it daher fein Preis; 3. B. am 25. Ian. 1855 flanden in Paris die 
Mecfel auf Madrid bei ganz kurzer Friſt auf 5261/2, bei dreimonat: 
licher auf 520 Cent. für 1 Piafter, alfo 61/5 Gent. Unterfchied auf un: 
gefähr 80 Tage, was jährlih 5,1 Proc. ausmacht. Um den Einfluß 
diefes Umftandes auf den Wechſelcurs auszufcheiden, muß man denfelben 
bei Wechfeln mit längerer Zahlfriſt fo Beredhnen, wie er bei gegenwärtiger 
Zahlung fich ſtellen würbe. 

2) Der Remittent hat einige Nebenausgaben für Mäflergebübr und 
Porto. Gefecht, diefelben betragen 2 per mille, fo wird, wenn ber 
Curs genau in Bari fleht, der Aufwand für den Remittenten größer, 
ale wenn ee auf fih traffiren ließe. Da nun in der Negel bie eine 
von beiden Arten, eine Zahlung. zu bewirken, eben fo vortheilhaft fein 
muß, als die andere, weil font die wohlfeilere mehr angewendet wird 
und das Mitwerben die Ausgleichung bewirft, fo wird ber Curs an 
jedem der beiden Drte ungefähr um den halben Betrag der Koften oder 
1 per mille unter das Bari herabgehen. If dieß der Ball, fo kann 
man 3. B. zu Hamburg im Gurfe nah Frankfurt (Part 100 Mark 
Banco — 88,% fl.) mit diefer Summe 1 p. mille mehr ober 88,308 fl. 
Pe in Frankfurt aber braucht man für 100 Mark nur 88,19 fl. 

inzugeben. 
iefe beiden Urfachen müflen bie Herftellung des vollen Pari verhins 


(e) 


(@) 


— 362 — 


dern und eine Berfchiedenheit der Gurfe an beiden Orten nad na 
ziehen. Dieß zeigt fih auch wirklich. Die Wirkung diefer Koften i 
aber fo gering, daß fie fi nicht herausfinden läßt, weil immer zugleich 
Heine Schwankungen im Mitwerben mit im Spiele find. Beilpiel: In 
Hamburg erfaufle man am 23. Jan. 1855 mit LOOMarfBco. 189%, Fr. 
auf Paris auf kurze Sit, in Paris mußte man auf 3 Monate 
100 Mark 1871/5 Br. geben. Zu 4 Proc. Jahreszinfen und 80 Tagen 
Zwiſchenzeit würde ein Sichtwechfel in Paris 189,16 Fr. koſten, alfo 
34 Gent. weniger. — Paris, 25. Ian. 1855 für 1 2. St. nah Lon⸗ 
don, 25,8% Fr., London 23. San. nah Paris 25,5—1 Fr. — Wenn 
Jemand, der an dem anderen Orte nichts einzunehmen Ef bewogen 
werden ſoll, einen Wechſel dorthin auszuſtellen, ſo muß ihm ein hoͤherer 
Preis geboten werben, weil er dem Trafſſaten die Vergütung zu Handen 
fhaffen muß. Daher kann kurze Zeit hindurch der Curs hoch fichen. 
Beifpiel: Frankfurt, 1. März 1847 nach Hamburg auf kurze Sicht 89, 
Hamburg, 26. Februar nad Frankfurt 89%, Fr., ferner London 5. Se: 
nuar 1841 nach Paris auf 3 Monate 25,55 Fr. (für 12. St.), Paris, 
2. San. 1841 nad London auf 3 Monate 24,% Fr. 


Se weiter bie Entfernung, befto mehr kann deßhalb ber Eurs vom Bari 
abweihen. Eine Sendung americanifher Goldmünzen nah London 
wird zu 9 per mille Koften berechnet. In Cincinnati war 1852—53 
und 1853-54 der Gurs auf New⸗Vork höchftene 12/. Proc. über 
Bart, in RewsDrleans fam er in 3 Jahren einmal auf 3%, Br. Discont 
(unter Bari) bei 60 Tagen. In New:Dork leben Wechſel nad Eali- 
fornien bisweilen 6—8 Proc. unter Pari. Bei Zahlungen in andere 
Länder können auch Umprägungsfoften binzuflommen. Weber die Be 
rechnung des Bari |. Bleibtreu, Lehrbuch der Hanbelswifl., 1830, 
S. 135. Def. Contorwiſſ. S. 133. 

Ein Beilpiel hievon geben die unglnftigen Eurfe, für welche im Revo: 
Iutionsfriege von der englifhen Regierung Wechfel zu den Subfidien- 
ablungen nah Deutſchland erfauft werden mußten. Das Steigen des 
Surfes nah England auf dem feftem Lande nad dem erflen und dann 
wieder nach dem jweiten Barifer pieben läßt außer dem zunehmenden 
Breife der Banknoten gegen Metall ($. 249 (a)) auch den Einfluß der 
aufhörenden Gubfidien- und der Kriegskoftenzahlungen bemerfen. Lowe 
Engl. n. f. gegenw. Zufl. S. 137. 


6. 291. 
Der Stand des Wechfelcurfes zwifchen zwei Ländern zeigt 


demnach dad Berhältnig der Mengen von Geldzahlungen an, 
weldye beide einander zu feiften haben. Hat das eine Land 
mehr zu zahlen, als da® andere, fo kann der Ueberfhuß nicht 
durch den Austaufch der Forderungen, d. i. durch Wechfel, ver- 
gütet werben, er macht Münzfendungen nothwendig und fleigert, 
ehe man fich zu dieſen entfchließt, den Curs. Die Zahlungen 
aus einem Lande in dad andere entfpringen aus verjchiebenen 
Urſachen, welche fih fo überbliden laſſen: 


1) Geldfendungen, durch welche ein Erfag in anderen Ber: 


mögenstheilen erworben wirb; 


— 863 — 


a) Bezahlung angekaufter Waaren (a), fowie der im Waaren⸗ 
handel geleifteten Dienfte, ald Provifion, Spebitiondge- 
bühr und bergl., 

b) Anfegung eined Vermoͤgens, woraus Eigenthums⸗ ober 
Forderungsrechte fuͤr das abfendende Land entftehen, Dars 
leihen an Regierungen oder Einzelne, Ankauf von Grunds 
füden und Actien, Betreibung von Unternehmungen ıc. 
Die Rüderftattung der fo angelegten Summen und ber 
Zinfen verurfacht Zahlungen in entgegengefeßter Richtung. 

2) Leiftungen ohme einen folchen gleichzeitigen ober fpäteren 

Erſatz in das bezahlende Land, 

a) von Regierungen, 3. B. Hülfsgelder, Kriegskoften, 

b) von Einzelnen, Erbfchaften, Auswanderungen, Reifen ıc. 

Da alle diefe Zahlungen auf den Wechfelcurd einwirken 

und auch aus Aufträgen von einem britten Sonde nicht felten 
Wechfel angeboten oder begehrt werden, fo fann ein gewifler 
Stand ded Curſes in einem gegebenen Balle nur dann als 
Kennzeichen des Berhältniffes zwifchen Eins und Ausfuhr von 
Waaren gebraucht werben, wenn man weiß, daß feine ber an- 
bern genannten Arten von Zahlungen hinzugefommen ift (2). 
Steht in einem Lande der Wechfelcurd nad) einem anderen über 
Bari, fo verurfacht bieß in jenem den Käufern von Wechfeln 
(Remittenten) eine Mehrausgabe und vertheuert die Waaren- 
anfäufe. Die Ausfteller (Traffanten) haben dagegen Gewinn, 
vorausgefeßt, baß fie die Forderungen an das anbere Land 
früher auf wohlfeilere Weife erwarben. Die Wirkung eines 
niebrigen @urfes ift bie umgefehrte (c). 


(a) So oft zufolge einer Mißernte Großbritanien ungewöhnlich viel Getreide 
einführen muß, fleigt dort der Wechfelcurs nach dem Feſtlande. 

(4) Wenn ber Curs zwiſchen zwei Ländern merklich vom Pari abweicht, fo 
ftreben die Taufmännifchen Unternehmungen von felbft dahin, ihn dem 
Bari zu nähern. Muß man 8 B. in Hamburg 102 Loth Silber für 
einen ſel geben, um bie Verfuͤgung über 100 Loth in Livorno zu 
erhalten, und fann man in letzterer Stadt für 98 Loth einen Bedtel 
auf 100 Loth in Hamburg kaufen, fo hat dieß die Kolge, daß 1) Kauf: 
leute von anderen Drten in Livorno Hamburger Wechſel auffaufen 
laflen, entweder um fie an anderen Handelsplägen wieder abzufegen, 
wo fie höher im Preiſe fleben, oder wenigftens um ihre Zahlungen nad 
Hamburg wohlfell zu bewirken; 2) daß ebenfalld von anderen Orten 
Wechſel auf Livorno nah Hamburg zum Berlaufe gefendet werden, 
deren Erloͤs dann zum Ginfaufe anderer Wechfel angewendet wird; 
3) daß die Pivorner Kaufleute ed fo viel ale möglich vermeiden, auf 
Samburg zu trafliren, während man bier ſchon der bloßen Cursver⸗ 


— 364 — 


f&hiedenheit willen traſſirt. Sole Wechfelgeihäfte, bei denen man 
Wechfel an dem einen Orte kauft, um fle an dem andern mit ®ewinn 
u verkaufen, beißen Arbitragen. Sie gefchehen theils in der Abs 
ht, Zahlungen mit ber geringiten Ausgabe zu bewirken, theils blos 
des Gewinnfles willen, den die Gursverfchiedenheit nach Abzug ber 
Koften erwarten läßt. 

(co) 60 preuß. Thaler find — 105 fl. des 24/5 R.:Fußes. Im Sommer 
1854 war ber Wechfelcurs auf Berlin in Yranffurt bis auf 107%/, ges 

- fliegen, nod im Sanuar 1855 fland er auf 106%, alfo 1,8 Brocent 
über Bari, wahrſcheinlich wegen ber neuen preuß. Anleihe zu Kriege: 
rüfltungen. Hiermit hängt der erhöhte Preis der preuß. Thaler und 
Gaflenicheine in Frankfurt zufammen (1fl. 461/—%/s Ratt ıfl. 45 kr.). 
Es hat alfo dafelbfi der eine Theil der Kaufleute sc. Schaden, ber an: 
dere gewinnt. 

Uebrigene find manche fcheinbare Abweihungen des Wechfelcurfes 
vom Pari daraus [zu erflären, daß in den umlaufenden Münzen eine 
ang vorgegangen ift, nach welcher fih das Pari felbft anders 
geRaltet. 


II. Abrechnen und Ueberweiſen. 


8. 292. 


Wenn zwei Kaufleute in Geſchaͤftsverbindung ftehen und 
einander Credit geben, fo werben bie beiberfeitigen Leiſtungen, 
3. B. Sendungen von Waaren oder Wechſeln, Zahlungen aus 
Wechfeln oder Crebitbriefen, nicht ſogleich vergütet, vielmehr 
wird erft nach einiger Zeit, 3. B. am Ende des Jahres, zus 
fammengerechnet, was Jeder dem Andern ſchuldig ift. Teiche 
Borderungen auf beiden Seiten heben fih auf und nur ber 
Mehrbetrag der Schuldigfeiten des Einen braucht in Geld bezahlt 
zu werden. Dieß Abrechnen (Compenfiren) bewirkt alfo 
eine Erfparung an Umlaufömitteln. Diefelbe geht noch viel 
weiter, wenn eine größere Anzahl von Menfchen, welche unters 
einander bin und her Forderungen haben, auf ähnliche Weife 
abrechnen, fo daß Jeder feine Schuldner anweifet, nicht ihm. 
feloft, fondern feinen Gläubigern Zahlung zu leiften und nur - 
foviel Baar bezahlt oder empfängt, als der Unterfchieb feiner 
fämmtlihen Schulden und Forderungen beträgt (a). Dieß 
Veberweifen, Scontriren, ift jedoch darum von befchränfter 
Wirfung, weil es perfönliche Zufammenfunft erfordert, weßhalb 
ed in großen Städten bie beträchtlichfte Ausdehnung hat (b). 
(e) Pr vier Menfhen A, B, C, D in Gefchäftsverbindungen; es 


(2) 


A an B 1500 fi. C an A 2800 fl. 
an D 4000 ⸗ an D 6400 ⸗ 
B an C 6200 : D an B 5000 s 


Die fämmtlihen Forderungen machen 25900 fl. Da in diefem Falle 
A zufammen 5500 fl. ſchuldig if} und dagegen 2800 fl. zu fordern hat, 
fo weiſet er den C an, feine Schuld an den D zu übernehmen, legt 
diefem noch 1200 fl. baar zu und befriedigt den B, bezahlt alfo im 
Ganzen 2700 fl., woburd er frei wird. B hat 6500 fl. einzunehmen 
und 6200 fl. zu entrichten, er beauftragt daher den D, bie nuldigen 
5000 fl. an den C zu entrichten und giebt diefem noch 1200 fl. weiter, 
nimmt alfo 300 fl. mit hinweg. C compenfirt nun mit D und hat ihm 
noch 4200 fl. auszuliefem. Die Zahlungen betragen zufammen nur 
8100 fl. oder 31 Proc. aller Forderungen, da aber B von feiner Gin: 
nahme 1200 fl. ſogleich wieder an C giebt umd dieſer fie nochmals zur 
Befriedigung von D anwendet, alfo diefe Gelpflüde dreimal umlaufen, 
fo if} der Geldbedarf eigentlih nur 5700 fl. oder ungefähr 22 Proc. 
obiger Summe. 

Die großen Mefien geben hiezu gute Gelegenheit; in Lyon ehedem alle 
Bierteljahre. In London wird dieß Berfahren tä ig angewendet, ins 
dem jeder Bankherr einen Gehülfen an einen Berfammlungsort (im 
Glearing :Houfe) ſchickt, wo die auf die Banfhäufer von den Kauf: 
leuten, Bapitaliften, Fabrikanten sc. ausgeftellten Zahlungsanwetfungen 
(cheques) gegen einander ausgewechjelt werden. An gewöhnlichen Tagen 
rechnet man 4—-5MiN.2. St. abgemachter Zahlungen, an folden Tagen 
aber, wo die Gefchäfte in Staatspapieren vollzogen werben, fleigt die 
Summe oft auf 20—30 Mill. und felten find mehr ale 200000 8. St. 
zur baaren Ausgleihung nöthig. 1840 find 974401000 2. St. abs 
aruehnet und nur 66°275000 oder 6,8 Proc. bezahlt worden. Reuers 
ih wird der Mehrbetrag der Schuldigfeit über die Korderungen nicht 
mehr in Gold oder Banficheinen, fondern lediglih in Anweifungen auf 
die Banf von England vergütet, in der deßhalb jedes Bankhaus eine 
angemeflene Summe fliehen haben muß. Im Glearinghoufe zu New- 
Dort (feit 1853) betragen die bezahlten Ueberſchüſſe nur 5,5 Proc. 
J. Prince Smith, Sc. of money, ©. 62. — Thom. Smith, Prin- 
ciples, ©. 177. — Senior, 3 Lectures on the transmission of precious 
metals, 2. Ausg. ©. 22. — Hübner, die Banken, II, 369. 


IV. Banthänfer, Leihbanken. 


292. 
Die Gewohnheit ber meiften Begüterten, ftetd eine Geld» 


fumme für unvorbergefehene Ausgaben in Bereitfchaft zu halten 
($. 265), entzieht dem Umlaufe eine beträchtliche Geldmenge, 
zumal da man indgemein einen größeren Borrath liegen läßt, 


als es eigentlich nöthig wäre. Wenn fich viele Berfonen mit 


einem Bankhauſe (a) in Verbindung fegen, ihm ihre ein, 


gehenden Gelber übergeben und ihre Zahlungen auf Anweifun, 


gen von ihm leiften lafien, fo gewährt dieß für fie viele Be, 
quemlichfeit und Sicherheit (a), bad Bankhaus aber braudıt 


— 366 — 


weit weniger Geld in der Caſſe zu haben, als die Einzelnen 
ohne dieſe Einrichtung aufbewahren müßten. Eé kann alſo 
einen Theil der ihm anvertrauten Gelder auf eine eintraͤgliche 
Weiſe anwenden "und ſie hiedurch dem Umlaufe zurüdgeben, 
auch ſogar denen, bie ihm Summen einige Zeit lang überlaffen, 
einen Zins bezahlen. Neben den einzelnen, von einem ober 
wenigen Menſchen unternommenen Banfhäufern giebt ed aud) 
größere, durdy Verbindung ‚mehrerer Eapitaliften gegründete An- 
ftalten gleicher Beſtimmung, welche außer jener Befchleunigung 
des Geldumlaufs der Volkswirthſchaft dadutch bedeutende Dienfte 
leiten, daß fie Capitale an fi ziehen, die fonft die Eigen» 
thümer. nicht gut anzulegen wüßten oder die aus irgend einer 
Urſache müßig liegen, und daß fie die probuctiven Gewerbe 
mit Vorſchuͤſſen unterftügen, alfo zwifchen Gapitalfuchenden 
und Gapitalbefigern eine Vermittlung übernehmen. Solche 
Leihbanfen Ffönnen zugleich den Boranfauf (Discontiren) 
von Wechfeln und Umſchreibe⸗ (Giro) Gefchäfte betreiben, 
&. 285. — (c). 


(a) Den Unternehmer eines Banfgefhäfte nennt man Bankherr, ban- 
quier, banker. Der Wirkungsdreis eines Bankhauſes begreift verfchie: 
dene Huͤlfsgeſchäfte für Handel und andere Gewerbe, namentlich das 
Umwechſeln verichiedener Münzforten gegen einander (Geldwechſel, 
wie bei den griechiichen trapezitae und den römiidgen argentarii und 
nummularü, Hüllmann, Städtewefen, I, 441), den Handel mit 
rohem Gold und Silber, die Beforgung von Bahlungen am andere 
Orte duch Wechfel oder Anweifungen, die Zuflandebtingung von An- 
leihen für Regierungen oder Privaten von großem Grunpdbefig, die 
Annahme dargeliehener Summen von Gapitaliften und das Wiederaus⸗ 
leihen um etwas höhere Binfen, insbejondere die Unterflügung von 
fiheren Gewerbeleuten durch Vorſchüſſe, ferner das Dicontiren von 
Wechſeln, den Handel mit Verſchteibungen (Efferten). Solche Verrich⸗ 
tungen werden bei einem lebhafteu Berfehre Bebürfniß und trennen fich 
nad dem Geſetz der Arbeitstheilung von dem Waarenhandel. — Die 
jüdifchen Geldwechsler bezahlten Zins von übernommenen Summen, 
ungeachtet des mofaiichen Zinsverbotes (Diatth. XXV, 27). Im Mittel: 
alter Bildete ſich dieß Geſchäͤft vorziglih in Florenz aus, wo bie 
Medici das größte Bankhaus waren. Da jedes Land nur wenige 
ÜWechfelpläge hat, fo bebarf der Kaufmann oder Fabricant an anderen 
Drten fhon dazu eines Bankherrn, um Wechfel anzufaufen oder aus⸗ 
zuftsllen und vergl. — Bl. Mat⸗Gulloch, Handb. 1,61. — Gil- 
bart, The history and prineiples of banking, 3. ed. L. 1837. — 
Lawson, The History of banking. L. 1850. 

(d) Man wirb ber Gefahr des. Diebflahte Aberhoßen, auch beforgt der Bank: 
pe die Ginziehung der Wechſel, bei weicher der nicht gang Kundige 
eicht in Schaden geräth. 

(6) Ueber die Nüslichkeit folher Banken auch ohne Auegabe von Noten 

| Niebuhr in Mau und Hanffen, Archiv. NR. Folge, V, 113. — 


— 367 — 


Sie koͤnnen zwar nicht ſo große Gewinnſte abwerſen, wie die Zettel⸗ 
banken, haben aber auch deren Gefahren nicht. Banken dieſer Art be⸗ 
finden ſich in Deutſchland zu Nürnberg, (Staatsbank mit zahlreichen 
Filialen, die Zahlenverhaͤltniſſe pehtmgeha uenn — Stuttgart, — Bremen 
—— gegen 3/3 Mill. Thlr. jaͤhrlich discontirte Summe), — 

oͤln (Schaafhaufenfcher Bankverein, 1852 5 187000 Thlr. Aetiencapital, 
6 Proc. Dividende), — Lübel (Commerzbank ſeit 1859), — Wien 
(Niederöfterr. Discontogefelihaft 1853, 10 Mill. fl. Capital). — Die 
Parifer Discontocafle (comptoir mational d’escompte) wurde 1848 während 
der durch die Staatsummälzgung verurfachten Geſchaͤftsſtockung von ber 
Regierung gegründet, um Wechſel mit zwei Unterfchriften anzufaufen. 
Das Enpital follte 20 Mill. Fr. beitragen, wozu der Staat 3 MIR. 
lieferte, aber Mitte 1851 waren erſt 41/, Mill. zufammengebradht. Am 
28. Zuni wurde befchloffen, ein befonderes Souscomptoir —* Vorſchuͤſſe 
auf Giſenbahnactien zu errichten, mit 2 Mill. Actiencapital. Auch auf 
Waaren wurde gelieden. 1852 wurde das Bapital von 20 Mill. Fr. 
durch Abſatz der Actien vervollftändigt. 1851—52 war die Dividende 
8 Proc. Annuaire de l'éon. pol. 1851, ©. 224. 1853, S. 265. — 
Bon den hier betrachteten Leih- und Discontobanfen find die neueren 
Greditgefellichaften verfchieden, in denen das Capital zur Unterftüßung 
von mandherlei gewerblichen Unternehmungen, 3.3. Gifenbahnen, ferner 
gm Handel mit Staatsichuldbriefen und Actien sc. verwendet wird, 

ie Societ6 de credit mobilier in Paris von 1852 diente den andern 
ale Borbild, |. II. $. 312 0. > 


V. Bapiergelb. 
A. Im Allgemeinen. 


g. 293. 


Schriftliche Urkunden, welche ein Recht des Eigenthümers 
auf beftimmte Geldleiftungen anderer Perfonen audfpreden unb 
daher als Ausdruck (Zeichen) gewiffer zu erlangender Geld 
fummen anzufehen find, Fönnen überhaupt Crebitpapiere ges 
nannt werden, weil fie ihren Werth nur durdy dad Bertrauen 
auf die Erfüllung der im ihnen enthaltenen Zufage erhalten. 
Bei diefen häufig in den Verkehr tretenden Ereditpapieren lafien 
fi in Hinfiht auf den Zwed, für den fie ausgeftellt find, 
fowie auf die bei ihnen vorfommenden Rechtöverhältnifie mehrere 
Arten unterfcheiden. Solche Ereditpapiere, welche dazu be⸗ 
flimmt und eingerichtet find, ebenjo wie Münzen ald Umlauf» 
mittel zu dienen und aljo jene zum Theile im Verkehre zu ver 
treten und zu erjeßen, verdienen ben Namen Bapiergelb, 
welcher hier im weiteren Sinne gebraudt wird (a). ‘Bapiere, 
welche ald Umlaufsmittel vollkommen brauchbar fein follen, 
müffen gewifle Eigenfchaften befigen, bie bei anderen Arten von 
Ereditpapieren ganz oder zum “Theile fehlen. 


— 868 — 


1) Sie muͤſſen ſo leicht wie Muͤnze uͤbertragbar ſein, d. h. die 
bloße Uebergabe muß genügen, den Empfänger zum Eigen—⸗ 
thümer zu machen, ohne daß es nöthig wäre, den rechtmäßigen 
Erwerb zu beweifen. Bei einem Theile der. anderen Credit: 
papiere ift zur gültigen Uebertragung eine Yörmlichfeit erforder: 
(ih, wie die jchriftliche Abtretung (Eeffion) des früheren 
Befigerd oder die Eintragung ded Vorgangs in ein Verzeichniß, 
welches von gewiflen dazu beftellten Perſonen geführt wird. 
Eine Vorſchrift diefer Art macht den Uebergang eined Credit⸗ 
papiered in andere Hände umſtändlich und zeitraubend und 
wibderftreitet deßhalb der Beftimmung eines Umlaufsmittels. 

2) Wer Papiergeld annimmt, muß darauf rechnen können, 
daß daſſelbe auch, wenn er ed ausgeben will, von Anderen 
bereitiwillig angenommen werde. Dieß fegt bie allgemeine Ans 
erfennung ded Papieres ald Zeichen einer gewiflen Geldſumme 
voraus. ine ſolche Anerkennung entfteht entweder durch eine 
gefegliche Verfügung der Regierung, oder durdy das allgemeine 
Vertraueu auf diejenigen Perſonen, welche das Greditpapier 
unter ihrer Haftung in Umlauf fegen (d). Auch müflen, da⸗ 
mit der Umlauf ohne Verzögerung erfolgen könne, viele Stüde 
folcher Papiere von gleichem Betrage und gleicher Beichaffen- 
heit vorhanden fein, wie bei den Münzen, was jedoch das zur . 
Bequemlichkeit dienende Ausdgeben.von Papieren, welde auf 
Eleinere und größere Summen lauten, nicht ausſchließt. Bei 
einem Theile ber Greditpapiere fehlt aber dieſe Bedingung, 
indem ihre einzelnen Arten und Stüde nad) dem Rechtöver- 
hältniß, den erklärten Zuficherungen, den haftbären Perſonen ıc. 
unter einander verfchieden find. Ihrer Annahme geht deßhalb 
eine Ueberlegung und Auswahl voraus, bie bei mehreren 
Perfonen oft mit verfehiedenen Entſchließungen endigt (c). 

3) Sole Papiere, deren Rüdzahlung (Einlöfung) an 
einem beftimmten Zeitpuncte gefchehen fol oder von einer voraus 
gegangenen Kündigung bedingt wird, eignen ſich ſchon deßhalb 
nicht gut zu einem ftellvertretenden Zeichen einer Münzs 
fumme. Bor der Berfallzeit find fie weniger werth, als die 
in ihnen bezeichnete Summe und fie werden ungern ober nur 
mit einem Zinsabzuge für die Zwifchenzeit ( Disconto) ange 
nommen, und über biefen Zeitpunct hinaus bleiben fie nicht 


— 83609 — 


lange im Verkehre. Ein zum Dienſte des Geldes beſtimmtes 
Papier muß alſo, wenn überhaupt von den erſten Ausgebern 
die Umwechslung gegen Münze verfprochen wird, zu jeder Zeit 
auf Berlangen ded Befigerd (auf Sicht) einlöslich fein. 
Bei einem nicht einlöslichen ‘Bapiergelde wird dieſer Umſtand 
wenigftend zum Theile dadurch aufgewogen, daß man es bei 
gewifien Caſſen als Zahlungsmittel benugen kann. 

4) Bapiergeld darf dem Befiger, der daffelbe einige Zeit 
aufbewahrt, feinen Zins und feine andere Einnahme eintragen, 
denn fonft würde er einen Antrieb empfinden, es liegen zu 
laffen und ald werbendes Vermögen (Gapital im Sinne der 
Privatwirthfchaft) zu benugen, und dieß würde in dem alle, 
wo der Beflger die Summe nicht zu feinen Ausgaben verwenden 
muß, oft geſchehen. Schufdbriefe tragen Zinfen, Actien bringen 
Dividende ein, Wechfel geben Vortheil aud dem Didconto. 
Bei dein Papiergelde ift Fein Zins ıc. nöthig, eben weil man 
annimmt, daß es bald ausgegeben und einträglich verwendet 
- werde (d). 

Ereditpapiere, denen biefe Erforberniffe eined guten Um- 
laufömitteld ſaͤmmtlich oder zum Theile fehlen, bilden eine 
andere, vom Papiergelde verfchiedene Claſſe und dienen zu 
anderen Zweden. Sie können mit dem Namen Berfcdhreis 
bungen (Effecten, billets promesses nad Stord), zur 
fammengefaßt werden (c). Wenn man ſich ihrer bisweilen 
ftatt ded Geldes zu einer Zahlung bevient, fo geſchieht dieß 
doch nur nebenbei in Beichränfung auf gewiſſe Perfonen, Zeit 
puncie u. dgl., wie ed die eigenthümliche Beftimmung dieſer 
Papiere mit fi bringt. Zu dieſen Verfcehreibungen gehören 
a) Urkunden, die ein dauernded Schuldverhältniß oder eine 
Betheiligung bei gemeinfchaftlichen Unternehnungen und Ans 
ftalten ausdrüden, — Schulbbriefe (Obligationen), Rentens 
ſcheine, Actien; Berfchreibungen dieſer Art bleiben oft lange in 
den Händen eines Befigerd. Werben fic öfter im Verkehr gegen 
Geld umgefegt, fo hat dieß den Vortheil, daß Jeder, der be 
wegliched Vermoͤgen befigt, es mit Leichtigfeit unter den be⸗ 
quemften Bedingungen einträglid) anwenden fann, indem er fid) 
die feinen Wünfchen am meiften entfprechende Art von Ber: 
fchreibungen anſchafft, $. 283. 2); b) folche, die den Anfprud) 


Rau, polit. Dekon. I. 7. Ausg. 


— 370 — 


auf eine einmalige Zahlung geben, — Anweiſungen, Wechſel, 
Zindfcheine (Coupons) 5). Mit Ausnahme dieſer Zinsſcheine 
werben "die Verſchreibungen, ſtatt wie Geld verwendet zu 
werden, vielmehr meiſtens mit Geld im Verkehre erkauft. 

(a) Seit A. Smi * (II, 29) iſt das Wort in dieſer Bedeutung genommen 


(6) 


(@) 


u 


u 


worden, $ 4. — Simonde, Bich, comm, I, 160. — Thorn: 
ton, Der Papiereredit von Großbrit., überf. v. Jakob, Halle, 1803. 
— Say, Handb. III, 59. — Hufeland, U, 195. — Stord, IL, 
48. 102. — Ricardo, Cap. 27. — Benior, 3 Lectures on the 
cost of obtaining money and on some effects of private and govern- 
ments paper-money. London, 1830. — Rebenius, Der öffentl. 
Credit, I, 136. — N. —— Art. Papiergeld in Bluntſchli's 
Staatswoͤrterbuch u. deſſelben Verf. Schriften über Bankweſen. — 
Ueber eine engere Auffaſſung des Begriffes von Papiergeld ſ. $. 295 (4). 
Die erfte Ausgeben (Emittiren) von Seite der Perfonen, die 
eine Art von Bürgfchaft übernehmen und auf jedem Stüde als (recht⸗ 
lich oder wenigſtens moralifch) haftbar genannt find, ift von dem Weiter: 
geben bes im Verkehre empfangenen Papiergeldes zu unterfcheiden. 


Dan denke an die mandyerlei Stantsfchulbbriefe und Actien aus vielen 
Ländern. Jeder einzelne Wechfel ift von anderen in irgend einer Hin 
fiht verfchieden. 

MWollte man verzinslichen Schufdbriefen, durch den Befehl der Regierung, fie 
als Geld anzunehmen, oderdurch Einlösbarkeit auf Sicht die Fähigkeit geben, 
die Münge zu vertreten, fo wäre bie Berzinfung unnöthig. Die vorfugiehfchen 
Zettel (apolices), feit 1797 ausgegeben, erhielten erziwungenen Umlauf als 
Geld und trugen anfangs 6 Proc. Zinfen. Sie —* im Curſe zufolge 
fehlerhafter Maaßregeln, aber als man aufhörte, Zinſen von ihnen zu 
bezahlen, fanfen fie darum doch nicht tiefer, weil es bei einem eigents 
lichen Umlaufsmittel nicht auf Verzinfung anfommt. Balbi, Essai 
stat. 1,323. Man Fönnte ohne Zweifel Papiere erfchaffen, die zwifchen 
beiden Arten in der Mitte ſtünden und nach den Umfländen bald ale 
Geld umliefen, bald als Verfchreibungen aufbewahrt würden, aber dieß 
wäre nicht zweckmaͤßig. So 3. B. die verzinslichen Bankzettel in dem 
Dane von Eorvaja, ſ. deffen Bancocratie, überf. v. Mohr, Heidelb. 
840. 


Der neuerlich nicht felten gebrauchte Austrud Werthpapiere ifl 
wegen feiner allgemeinen Bedeutung nichtefagend. Warum foll das 
Papiergeld nicht auh ein Werthpapier fein? — Das Verdienſt, den 
Unterſchied zwifhen Berfchreibungen und Bapiergelb deutlich erflärt zu 
haben, ah hauptſaͤchlich Simonde a. a. D., welhem Storch 
fulgte. Hufeland a. a. D. rechnet im weiteren Sinne jede Schrift 
um Papiergelde, „welche eine von dem jedesmaligen Inhaber einzu: 
Iordernde Schuldverſchreibung ausdrüdt.” Im engeren Sinne fließt 
er die zinfentragenden und nicht auf den Inhaber lautenden Papiere von 
dem Papiergelde aus, S 198. Die Verwechslung der Berfchreibungen 
mit dem Papiergelde führte zu manchen Mißgriffen, indem man bald 
nach der umlaufenden Geldmenge bemeflen wollte, welche Mafle Ver⸗ 
ſchreibungen Abnehmer finden fönne, bald aber die Gefahren, die beim 
Papiergelde ftattfinden, ohne Grund auf die Berfchreibungen übertrug. 


Binsfcheine (Coupons) inländifcher Staatsihuldicheine, Ciſenbahngeſell⸗ 
Ichaften u. dal. haben mehrere Erfordernifie des Papiergeldes, allein 
ihr Umlauf ift doch auf wenige Wochen befchränft und man kann nicht 
Jedermann zumuthen, fie bei der Caſſe, welche die Zinfen auszahlt, 


— 511 — 


einldfen zu laſſen. — Die englifhen ohoques, Anweiſungen auf ein 
Banfhaus, auf Sicht zahlbar und auf den Inhaber (porteur, bearer) geftellt 
(8. 288(d)), laufen ebenfalls nicht lange nad) bem Ausflellungstage um. 
In Großbritanien ift man mehr als ın Deutihland daran gewöhnt, 
Zahlungen durch Vermittlung einer Bank zu erheben, doch werden auch 
dort dieſe Anweiſungen nicht unter allen Volkséclaſſen und Umſtänden 
als Zaplungsmittel gangbar fein. 


$. 294. 


Das Papiergeld hat feinem Weſen nad) ($. 293) nur bie 
Eigenfchaft eines allgemeinen Umlaufsmitteld ($. 251), es ift 
nicht zugleich Preismaaß, wie bie Münze, fondern brüdt eine 
gewifle Menge berfelben aus und if folglich Münzzeichen 
(8. 261). Je nad der Perfon, die ed unter ihrem Namen in 
Umlauf bringt und verbürgt, findet die Unterfcheidung des Pris 
vat- und Staatspapiergeldes Statt. Jenes wird von einer 
Privatperfon, gewöhnlidy einer Geſellſchaft oder einer Corpo⸗ 
ration ausgegeben. Daffelbe beruht ganz auf dem Vertrauen 
gegen bie Audgeber und auf ber Zuficherung unverzüglicher und 
unbedingter Einlöfung auf Berlangen jeden Befigers (8.293). Ift 
der Audgeber fortwährend im Stande dieß Verfprechen zu erfüllen, 
und überzeugen ſich die Beflger von Papiergeld, daß es nur 
von ihnen abhängt, daflelbe in Münze umzuwechſeln, fo läuft 
bieß Privatpapiergeld ganz wie die Münze um, nur daß es 
in folchen Rändern, wo bie Regierung die Annahme beflelben 
in den Staatdcaffen unterfagt, auf den Brivatverfehr bes 
ſchraͤnkt bleibt (a). 


(a) Dieß hebt die Geldeigenfhaft nicht auf, fowie fremde Münzflüde und 
ausländifches Bapiergeld ebenfalls gewöhnlich in den Stantscafien nicht 
zugelafien werben. 


$. 295. 


Das Staatspapiergeld (a) erhält fchon durch die Ans 
nahme bei den Staatscaffen eine folche Verbürgung, daß eine 
in Vergleich mit den Staatdeinfünften mäßige Summe (b) aud) 
ohne allen Zwang fi im Umlaufe erhalten kann (c) und eine 
Eintöfung nicht nothwendig iſt, obgleich biefelbe zur Berftärfung 
des Vertrauens und zur Sicherung gegen eine fchähliche Ver⸗ 
mehrung bed Papiergelded gute Dienfte leitet. In der Regel 

‚ ift jedoch das Stantöpapiergelo gefeglich für ein Zahlungsmittel 
erklärt, d. b. feine Annahme als Gelb befohlen worden und 
24* 


— 323 — 


die Regierung bedient ſich deſſelben bei ihren Zahlungen, ohne 
eine Einlöfung zu verſprechen (d). 


(«) 


(2) 


(4) 


Mehrere Schriftfteller geben demielben allein die Benennung Bapier: 
geld, während fie für Brivatpapiergeld den Austrud Banknoten 
oder Ereditfcheine (billets de conflance) brauchen, wie Storch, 
11, 49. — Schon Platon dachte an ein wohlfeiles Erfagmittel der 
Münze im inneren Verkehre. Das Papiergeld if in Ghina erfunden 
werden, wo man feit dem 9. Jahrhundert n. Chr. Verſuche anflellte, 
Bapiere unter manderlei Namen und Bedingungen auszugeben. Das 
ältefte Beifpiel waren die Feb: Tfian (fliegende Münze) unter dem 
Kaiſer HiansTfung (um 807), welder die Reihen nöthigte, ihr 
Kupfergeld gegen jene Scheine in die Staatscaſſe einzulegen. Die 
Kiao⸗tſuh oder stfeh (Wechſel unter Tfhin-Tfung um 1000) 
waren Scheine einer Geſellſchaft von 16 reihen KRaufmannshäufern, 
welche 1017 ihre Zahlungen einftellte. Diefe Scheine follten alle drei 
Jabre einlösbar fein, zulegt nad 65 Jahren. 1107 wurden Scheine 
Tfien:Din mit 43 Jahresterminen der Einlöfung ausgegeben, bie 
1115 auf 1 Proc. ihres Nennwerthes fanfen. Die 1155 ausgegebenen 
Kiao⸗tſchao follten nah 7 Jahren eingelöft werden, dieß unterblieb 
aber und die Scheine fanfen dergeftalt, daß ein Reisfuchen 75 000 Fran⸗ 
fen galt. Die Mongolen lernten im 13. Jahrhuntert das Papiergeld 
in China kennen und führten es auch fpäter in Berfien ein, woraus 
die Meinung Schlögers entfland, daß jenes Volf das Papiergeld er: 
funden habe. Im 3. 1288 gab man neue Scheine aus, die der füntfs 
fahen Menge der älteren von 1260 gleichgefept wurden. Das lehte 
Papiergeld, Tſchao, fanf um bie Mitte des 15. Jahrhunderts bie 
auf 3 per mille des vollen Betrages. Nach 1489 wird Feine neue 
Ausgabe mehr erwähnt und die Mandſchu verboten 1645 das Papiers 
geld. Klaproth in defien Mém. relatifs à l’Asie, P. 1822 = Bibl. 
univ. Liter. XXVII, 4. — Nat. Rondot in J. des Econ. XXV, 113 
(nah Biot). — Ibn Batuta (Travels, ©. 209) fand im 11. Jahr⸗ 
hundert nur Papiergeld in Ehina umlaufend; die befchädigten Stüde 
wurden unentgeldlid gegen neue umgewechfelt. — Ledergeld im alten 
Garthago. Erſtes eurepäifches Papiergeld in Venedig 1171. Schön, 
N. Unterf. ©. 294. 


Bei Eleinen Zahlungen, 3. B. Poſtporto, Stempelgebühr, Straßengeld, 
Bahrgeld auf kurzen Gifenbahnftreden und dergl. kann das Papiergeld 
nicht gebraudyt werden, wenn es nicht auf fehr geringe Summen lautet 
($. 298). Die Steuerzahlungen vertheilen fi durch das Jahr und 
die Einnahmen in Papiergeld Fönnen von der Staatscaffe fogleich wieder 
ausgegeben werden, doch wird vielleiht ein Betrag von 1/s der Staats: 
einkünfte in Papiergeld einen geficherten Umlauf Baben. 


Gin Beifpiel von Rapiergeld mit freiem Umlaufe gaben die preu: 
Bifhen Treforfheine (jept Gaffenanmweifungen genannt), feits 
dem bie Verordnung vom 5. März 1813 bie Annahme derfelben im 
Privatverfehre ganz von der freien Uebereinfunft abhängig machte ; vgl. 
V. v. 7. Sept. 1814, F. VI. Die heutige Summe der umlaufenden 
Gaffenanweifungen ift 15°842000 Thlr. in Gtüden von 1—500 Thlr. 
Pol. IL, $. 529 (ey. — Werner die polnifhen Caſſenſcheine, faif. 
Berordn. v. 15. April 1823. 


Daher nimmt man gewoͤhnlich Staatspapiergeld und nichts 
einlösliche6 (inconvertible) Papiergeld für gleichbedeutend. — 
Say verftand unter Papiergeld im eigentlihen Sinne nur das nicht: 
eintösliche, Handb. III, 43. Auch nah Huskiffon fol nur das 


— 373 — 


nichteinlösliche Staatspapiergeld paper money heißen, aber zur paper 
currency follen auch Bankiheine gehören, Tooke, hist. of pr. from 
1839—41 ©. 171. — Thöl (Handelsreht I, 6. 51) bemerft: Gin 
Papier, welches derjenige, der auf Geld ein Mecht hat, nicht nehmen 
muß, fondern zurückweiſen darf, ift fein ‘Papiergeld, das Papiergeld 
bat feinem Begriff nah einen Zwangscurs. — Nah A. Wagner 
a. a. D verdient nur das nichteinlösliche, von der Regierung ale 
Bahlungsmittel erklärte (mit Zwangsumlauf ausgeltattete) Papier: 
geld Dielen Namen im eigentlichen Sinne, weil nur ihm die Bigenfchaft 
eines Telbfländigen Preismaaßes zufomme, die vom Verf. als wefents 
lihes Merkmal im Begriff des Geldes angeſehen wird. Allein das 
Papiergeld -ift feiner Beſtimmung nah nur Münzzeichen, ohne urfprüng: 
li einen eigenen Preis haben zu Fönnen. Auch uneinlösliches Papier: 
geld gilt oft der Münze im Preife gleich. Wenn zufolge von Mißgriffen 
oder ungünftigen Umftänden ein Stüd Papiergeld nicht mehr der auf 
ihm benannten Münzmenge (dem Nenn⸗ vder Nominalbeita gt) 
gleihfleht, fo wird fein finfender Preis nad dem Berhältniß deſſelben 
zum Nennbetrage oder der entiprechenden Menge von rohem Münz- 
metall bezeichnet und bildet einen nicht beabfichtigten, vielmehr beklagten 
franfhaften Zufland der Umlaufsmittel, deſſen baldige Gntfernung 
dringendes Bedürfniß des Verkehrs if, 6. 300. — Das einlösliche 
Papiergeld, zu weldhem die Bankfcheine gehören, foll nah Toofe 
und Wagner nicht zu dem Gelde gerechnet werden, fondern wird 
mit anderen Greditpapieren, bie bisweilen al& Zahlungsmittel dienen, 
wie Wechlel, Anweifungen, "namentlich cheques, in eine dem eigentlichen 
Gelde entgegengelegte Claſſe gebracht, weldhe von Wagner als Geld⸗ 
furrogat bezeichnet wird. — Macleod (Theory and practice of 
banking, 1855. 56) rechnet fogar Begenflänte zum Gelde (currency), bei 
berfen gar Feine Veberlieferung eines Papieres an einen anderen Befiker 
vor fih gebt, wie das Umfchreiben und das in den Büchern des Bank⸗ 
herren eingetragene Buthaben. 


$. 296. 


Der Gebrauch des Papiergeldes bringt nicht allein Dem— 
jenigen Rugen, der ed auf feinen Namen audgiebt (a), fondern 
gewährt auch für die Volkswirthſchaft Vortheile: 


1) Große Summen fönnen in Scheinen fchnell gezählt, 
leicht fortgebracht, in Briefen wohlfeil und fchneller als Münzen 
verfendet, ferner bequem verwahrt werden. Dieß ift im Groß⸗ 
handel fehr nuͤtzlich (G). Im kleinen Berfehre, wo die Stüde 
fehr oft aus einer Hand in die andere gehen, fleht dagegen 
Papiergeld der Münze an Brauchbarfeit weit nach, weil es viel 
leichter befchädigt werben kann (c). 


2) Ein Theil des Metallgeldes wird im inneren Verkehre 
entbehrlich und kann nuͤtzlich im Auslande verwendet werden. 
Geſchieht dieß 


— 374 — 


a) durch Ausleihen oder eine andere werbende Anlegung, 
fo werben Zinſen, Renten ıc. zu Wege gebracht, die das Volks⸗ 
einfommen vergrößen; — - 

b) werden auslänbdifche Waaren erfauft und zwar folche, 
welche im Lande als Capital gebraucht werden, 3. B. Ber: 
wandlungsftoffe, fo dient dieß die Hervorbringung zu erweitern ; 
werden Genußinittel dafür angefchafft, fo entfteht freilich nur 
eine einmalige DBermehrung des Gütergenufles und der Vers 
zehrung. Da jedoch durch die Einführung des Papiergeldes 
außer Denjenigen, welche ed audgeben, Niemand ein größeres 
Einfommen erlangt, fo ift nicht zu erwarten, daß die inlaͤndiſche 
Verzehrung im Ganzen beträchtlic vermehrt werden könne, es 
wird alfo der größte Theil des entbehrlich gewordenen Geldes 
eine fortdauernd nuͤtzliche Beftimmung erhalten (d). 


(a) Er hat mwenigftens die umverzinslihe Benutzung einer Gelbmenge, die 
er ebenfo wie die Münze verwenden fann. 

(5) Der Reiz zum Nachmachen des Papiergeldes iſt groß, weil man feine 
Mafchinen, Defen ımd dergl. nöfhig hat, wie beim Falſchmünzen, und 
ber Berwandlungsftoff keine Koſten verurfacht. Indeß wird neuerlich 
das Papiergeld to fünftlich verfertigt, daß es ſchwer iſt, nachgemachte 
Stüde in den Umlauf iu bringen, die nicht alsbald erfannt werden. — 
Sm Sommer 1830 entftand in Oſtindien große Verwirrung im Ver: 
fehre, als es befannt wurde, baß für 1 Mill. fl. Scheine der Bank in 
Galcutta nachgemacht worden feien. Die Londoner Bank hat Fährlich 

im Durdfchnitt von 1822 — 1831 40204 2. St. durch falfche Banks 
noten verloren. Don 1828—1834 wurden im Durchſchnitt 24582. St. 
verfälichter Noten fogleich bei der Bräfentation an der Bank erkannt; 
diefe Summe nahm jährlih ab, von 3343 2. (1828) bis 1079 £. 
(1831). Pebrer, Hist. financ. I, 225. 298. 

(6) Der uf durch Berreißen, Verbrennen bes Papiergelded und dergl. 
trifft zwar den Inhaber, aber nicht das Volksvermögen, weil mit der 
Forderung auch die Schuldigfeit erlifcht. — Bei der Catskill⸗Bank in 
New: Dort wurden in 30 Jahren 15000 Doll. Noten nit vorgelegt, 
während der gewöhnliche Umlauf 200000 beträgt. Bei der Mechanics: 
Bank in Baltimore mit 428000 Doll. mittlerer Notenmenge blieben in 
47 Jahıen bis 1839 26000 Doll. aus. Hunt, Merchants magaz. 
173, 596. 

(d) Smith, II, 32. — Kraus, Staatswirthſch. ILL, 56. 


8. 297. 


Wird in einem Lande eine beträchtliche Menge Papiergeld 
neu in ben Umlauf gefegt, fo entfteht eine Geldvermehrung, 
deren Wirkungen mit denen eined Anwachſes ber Münzmenge 
Achnlichkeit Haben muͤſſen, $. 271. 272. Würde gerade gleich 
zeitig durch eine Zunahme der Gütererzeugnng und bes Vers 


- - 37 


fehre ein größeres Geldbeduͤrfniß verurfacht, fo kaͤme das 
VBapiergeld demfelben entgegen und der Geldumlauf nähme zu, 
ohne daß ine Aenderung in den “reifen ftattfände Wenn 
dagegen neued Staatöpapiergeld von der Regierung zu ver 
mehrten Staatsausgaben oder neued Privatpapiergeld zur Ers 
weiterung ber beftehenden Gewerböunternehmungen oder zur 
Betreibung neuer einträglicher Geſchaͤfte benugt wird, fo wird 
ber Mehrbetrag der Umlaufsmittel nad) Abzug ber zur Ein- 
löfung oder aus anderen Zweden liegen bleibenden Münzvor- 
räthe eine Verwendung im Berfehre finden und neben der 
Münzmenge in den Umlauf eintreten, und dieß ift gewoͤhnlich 
ber Fall, weil bei dem Ausgeben von Papiergeld ein folcher 
Gebrauch beabfichtigt zu werden pflegt. Der vermehrte Begehr 
von Sachguͤtern und Arbeitern giebt eine Ermunterung, uns 
benuste Gütermaflen und Arbeitöfräfte in den Verkehr zu bringen 
und die Erzeugung von folden Sachgütern, von denen eine 
größere Menge begehrt wird, weiter auszudehnen. Da jedoch 
dad Angebot dieſer Gegenſtände bei einer beträchtlichen Geld⸗ 
vermehrung nicht fehnell genug vergrößert werben fann, fo muß 
der Preis berfelben Reigen (a), und es wird daher eine Schwie⸗ 
rigfeit empfunden, die neuen Geldfummen vortheilhaft anzulegen, 
auch finft im Anfange der Gelbvermehrung der Zinsfuß auf 
einige Zeit, $. 236 (a). Diefe Umftände geben einen Antrieb, 
den innerhalb ded Landes nicht leicht anzuwendenden Theil des 
Geldes ind Ausland zu fenden, $. 271. Hierzu fann man 
aber nur Münze gebrauchen, weil die Urfachen, die den Credit 
bed ‘Bapiergelded begründen, bloß im Inlande ihre volle Wirs 
fung äußern. 8 folgt daher auf die Ausgabe von neuem 
Papiergelde eine Ausfuhr von Münze oder Münzmetall und 
diefelbe dauert fo lange fort, als fie Vortheil bringt, weßhalb 
die Preiserhöhung der Waaren und 2eiftungen im Lande wenig 
mehr betragen kann, als die SKoften der Baarfendungen (5). 
Wegen ber Erweiterung ber gewerblichen Gefchäfte und der 
Gütererzeugung, fowie wegen ber Vermehrung der bereit gehals 
tenen Münzvorräthe ift jedoch in der Regel die Münzausfuhr 
fleiner al® die audgegebene Summe bed Papiergeldes. Die 
von dem Geldzuwachſe angeregte größere Gewerbthaͤtigkeit ift 
nur joweit gemeinnüßgig, ald fie zur Steigerung der Production 


3760. — 


dient, fonft wird der Vortheil der Preisfleigerung für die Ver⸗ 
fäufer mit Mehraudgaben anderer Einwohner erfauft. 


(a) Ueber die von den ftarfen Notenausgaben der norbamericarfPichen Banken 
beiwirkten PBreisfteigerungen, f.TellEampf, Ueber die Entwidlung des 
Bankweſens in Deutfchland, ©. 17, 1856. 

(5) Betrügen die mit dem Hinausfenden von edlen Metallen verbundenen 
Koften, Gefahren ıc. zufammen 8 Proc. (fo berechnete man hoͤchſtens 
diefe Koften sc. in England bei Baarfendungen aufs Feſtland), fo 
würde man aufhören, Münze ins Ausland zu fenden, wenn fie dort 
nur 8 Proc. mehr ausrichtet als im Lande. Es koͤnnten folglid Hier 
die Preife der Dinge hoͤchſtens 8 Procent höher fein ale auswärts. — 
Tooke, On the high and low prices, I, 15. — Bgl. $. 271 (b). 


8. 298. 


Nah der Einführung des Papiergeldes muß wenigftens 
noch fo viel Münze im Lande bleiben, daß man mit ihr folche 
Zahlungen machen fann, die nicht in Papier auszurichten find. 
Je Heinere Summen (Preismengen) aber durch Papiergeld dar⸗ 
geftelt werden, deſto weniger Münze ift für den Heineren Vers 
fehr nothiwendig und ein befto größerer Theil des früheren 
Müngvorrathes kann durch das wohlfeile Umlaufömittel, weldyes 
in dem Papiergelde befteht, erfeßt werden (a). Es iſt jedoch 
fchon wegen der Unbequemlichkeiten und Verlufte, die dad Papier- 
geld bei dem Gebraudye für geringfügige Zahlungen verurfacht 
($. 296), nicht zwedmäßig, wenn bafielbe bi zu dem Betrage 
ber größeren Silbermünzen herab, oder fogar nody auf Theile 
berfelben auögeftellt wird. Nehmen die Staatscaffen Fein Privat⸗ 
papiergeld an, fo muß auch der Steuerzahlungen ıc. willen eine 
gewifle Münzmenge im Lande bleiben. 


(a) In England gab es Banknoten von 5 Schill. (3 fl.), in der Graf: 
Ihaft Dorf fogar von !/; Schill. (18 kr.), in America von 1 Scill., 
Smith, U, 79. — Schweden iſt derjenige europäifhe Staat, in 
welchem am menigften Gold: und Silbermünze zu finden ift und aller 
Verkehr mit Bapiergeld beftritten wird. Die blicken Zettel find von 
8—12—16— 24 Schilling Banco vder 10— 15 — 20 — 30 fr. nad 
dem jegigen Eurfe, f. $. 317 (a). — In Defterreih wurden 1848 
und 49 Scheine von 6 und 10 fr. ausgegeben. In Frankreich famen 
Affignaten von 1 und von Y, Sous vor. Auf jenen war zu lefen: 
Doit-on regretter l’or, quand on sait s’en passer? Dupuynode in 
J. des Econ. XXVII, 31. 


8. 299. 


Ein einloͤsliches Papiergeld ſteht im Verkehr der Muͤnz⸗ 
menge, die es ausdruͤckt, im Preiſe gleich (im Nennwerth, 


— 31 —— 


Bari), es leiſtet alſo im Verkehre den naͤmlichen Dienſt wie 
die Münze. Ein ſolches Papiergeld kann ſchon darum bie 
Münze nicht ganz ind Ausland drängen, weil man zur Eins 
löfung ftetd einen baaren Borrath bereit halten muß. Privat⸗ 
perfonen, weldye Papiergeld ausgegeben und ſich zur unbebingten 
Einlöfung befielben verpflichtet haben, müflen Alles aufbieten, 
um den zur Einlöfung erforderlihen Muͤnzvorrath herbeizus 
fhaffen, wenn fie nicht zahlungsunfähig werden wollen. Die 
im Lande befindliche Menge von Papiergeld nebft dem Refte 
der Münze kann zufammengenommen nicht viel mehr betragen, 
ald der frühere ganze Münzvorrath, nämlich nur fo viel, ale 
die im Anfange erfolgte Belebung der Gewerbe den Bedarf 
an Umlaufdmitteln ausbehnt oder bie bereit liegenden Geld⸗ 
vorräthe vergrößert werben. 


$. 300. 


Ein nichteinlösliches Papiergeld (a), defien Annahme als 
Geld befohlen wird, kann von der Regierung in beliebiger . 
Menge ausgegeben werden. Iſt feine Menge in Bergleichung 
mit dem Geldbedarfe ded Landes zu groß, nachdem fchon alles 
Metallgeld bis auf den zu Fleinen Zahlungen nöthigen Vorrath 
hinausgegangen ift, fo muß dad Papiergeld gegen Münze, ober 
wenn es verboten if biefelbe mit einem Aufgelde zu bezahlen, 
wenigftend gegen Münzmetalle finfen, wobei dann bie Preife 
aller BVerkehrögegenftände zu fleigen anfangen. Diefe Erfchei- 
nung wird Depreciation (Entwerthung) genannt (5). 
Das Naämliche ift bei einem Privatpapiergelde moͤglich, wenn 
die Ausgeber durch die Regierung von der Verbindlichkeit zum 
Einlöfen entbunden werben und eine übermäßige Menge in den 
Verkehr bringen. Ein foldyes ‘Privatpapiergeld, bei weldyem 
der obrigkeitlihe Zwang den gefchwädhten Credit erfegt, ift 
audgeartet und nimmt bie Eigenfchaften des Saatöpapiers 
gelde8 an. Die Preiserniedrigung des Papiergeldes, d. i. bie 
Preiserhöhung aller Verkfehrögegenftände (Waaren, Lohn, Grund⸗ 
renten, Miethzinfe ıc.) gegen Papiergeld erfolgt fehneller, ale 
bei einer Vermehrung der Münze ($. 268), weil dad neu aus- 
gegebene Papiergeld ploͤtzlich in beträchtliher Menge in den 
Berfehr tritt und inuerhalb des Landes bleiben muß (co). Der 


—- 380 °—— 


bringe, der das Sinken feines Preifes, d. i. das Steigen ber Waaren: 
preife, verhindere. Ricardo, Proposgls for an eoonomical and secure 
eurreney. Lond. 1816. (DBgl. Ed. Rev. B. LXI. == Hermes, III, 
Anh. S. XXIX.); deſſelben Principles, Gap. 27. — Die Erfahrung 
zeigt jedoch, daß Papiergeld, auch wenn es in geringer Menge aus: 
gegeben wird, wie die preußifchen Treforfcheine, von denen nur gegen 

Mil. Thlr. im Umlaufe waren, dennoh in Kriegszeiten beträchtlich 
finten kann. Selbſt bei einem augenblidlihden Mangel an anderen 
Umlaufsmitteln werden die Menichen fich nicht entfchließen, ein Papier 
für voll zu nehmen, an dem fie etwas einzubüßen fürdten, und man 
kann fih darum eher behelfen, weil unter diefen Umfländen 1) die noch 
übrige Münze etwas im Preife fleigt, 2) anderweiti verarbeitetes Bold 
und Silber eingeihmolzen und vermünzt, 3) Münze vom Auslande 
berbeigebracht werden fann, 4) mande Handelsgeſchaͤfte aufgefhoben 
werden, aus Belorgniß von DBerluften, die das weitere Sinten bes 
Papieres verurfachen könnte. 


8. 302. 


Es bebarf noch einer befonderen Unterfuchung, ob man ohne 
Gefahr für die Volkswirthfchaft die Münze, etwa mit Aus 
nahme der Scheidemüngen (8. 298), ganz durch Papier erfegen 
fönnte (a), wobei fowohl ber innere als der auswärtige 
Verkehr zu berüdfichtigen if. Was bdiefen betrifft, fo muß 
einem anderen Volke häufig der Mehrbetrag ber von ihm em⸗ 
pfangenen über die ihn gelieferten Waaren baar vergütet wer⸗ 
den, wenn auch im Ganzen vielleicht wieder foviel Gold und 
Silber an anderen Landesgraͤnzen eingeht, als man hinaus« 
fendet. In Mißjahren werden zum Ankaufe von Rährmitteln 
anfehnliche Baarzahlungen an das Ausland nothwendig, fowie 
auch im Kriege. Wäre biezu Fein Metallvorrath vorhanden, 
fo hätte jene Maaßregel Schwierigkeit. Zwar kann ein wohls 
habended Volk nöthigenfalld bei anderen Voͤlkern borgen, auch 
if mit Waaren immer Gold und Silber im Auslande zu ers 
faufen, allein es würde bei einem plößlich eintretenden Beduͤrf⸗ 
niß einer Zahlung leicht Zeit verloren gehen und man fünnte ges 
nöthigt fein, die zur Bergätung beftimmten Landeserzeugniffe 
mit Verluſt für ungünftige Preiſe hinzugeben. 

(a) Wie dieß Schon 1735 der englifche Biſchof Berkeley (der bekannte 

Spealphilofoph) behauptet hat, vgl. $. 303 (d). 

8. 303. 
Auch im inneren Verfehr (8. 302) würden aus ber gänz- 
lihen Verdrängung des Metallgelded durch Papier Nacıtheile 
entftehen. 1) Die Einlöfung bed Papiergeldes erfordert einen 


— 381 — 


bereitliegenden Muͤnzvorrath, ein einloͤsliches Papiergeld iſt 
aber einem nicht beliebig einzulöfenden weit vorzuziehen, denn 
bei diefem ift a)-die Gefahr vorhanden, daß eine übermäßige 
Menge deffelben auögegeben werde. Die Erfahrung zeigt, daß 
man der Verſuchung biezu oft nacdhgegeben hat (a), und daß 
diefer Fehltritt ftetd mit verwirrenden Folgen für den Verkehr 
verbunden gewefen if. Aeußere Beranftaltungen zur Verhütung 
einer folchen Handlungsweife geben Feine zureichende Buͤrgſchaft. 
b) Selbft bei der ernftlichen Abficht, nur foviel Papiergeld 
auszugeben, daß daffelbe fidy in feinem vollen Preiſe erhalte, 
läßt ſich doch jenes Uebermaaß ſchwer vermeiden, wenn alle 
Muͤnze ins Ausland gegangen iſt und folglich das ſicherſte und 
deutlichſte Kennzeichen, dad Pari gegen Münze, nicht mehr bes 
ſteht. Das Preisverhältnig des Papieres ‚gegen rohe Münz- 
metalle ift nicht immer zu erkennen (5) und bei dem Preife 
befielben gegen andere Waaren kann man nicht genau unter: 
fheiden, ob die Urfache einer Aenderung im Papiere oder in 
einer einzelnen Waare liege (c). c) Bängt das Papier wegen 
feiner Menge oder wegen der Schwaͤchung ded Credites einmal 
an zu finken, d. h. fleigen die Preife aller Waaren, fo ift da, 
wo der ganze Umlauf mit Papier beftritten werden muß, biefer 
Preisyeränderung und den aus ihr hervorgehenden Uebeln ſchwer 
eine Gränze zu ſetzen (ch. Selbft die Rüdfehr zum Münz- 
umlaufe ift wieder mit empfindlichen Unbequemlichkeiten ver: 
bunden (e). 2) Die Gefahr des Mißbraudyes ift um fo ent⸗ 
fernter,, einen je fleineren Theil des ganzen Gelbvorrathes das 
Papiergeld einnimmt, man muß ed alfo für nuͤtzlich halten, 
wenn die Menge des legteren noch anſehnlich unter dem uns 
ſchaͤdlichen Betrage ftehen bleibt. 

(ea) Ein ehrenvolles Beifpiel einer folhen Selbfibeherrihung gab die preußi: 


fche Regierung, bie in dem unglüdfichen Kriege von 1806 und 1807 
ihre Treforfcheine nicht vermehrte. 

(2) In England verflofien während der Zeit, wo die Bank nicht einzulöfen 
brauchte, Monate, „bisweilen felbft ein Jahr oder zwei,“ wo man von 
gar feinem BPreife des Goldes ſprechen konnte, weil daflelbe nicht be: 
gehrt wurde. Tooke, Thoughts, I, 13. In der Lifte, die daflelbe 

erk (1, 65) enthält, ift von 1806—1809 fein Preis des rohen Goldes 
aufgezeichnet. 

(e) Diefelbe Ungewißheit findet auch bei dem Wechſelcurſe Statt, der gegen 
ein Land, in welchem die Wechfel in einem gefunfenen Papiere bezahlt 
werden, niedrig fliehen muß; man ift auch in England noch nicht dar: 


() 


⸗ 


über einig, wie weit andere mitwirkende Urſachen auf den niedrigen 
Eures eingewirkt haben. 
Ricardo's Ausſpruch: „das Geld ift dann am volllommenften, wenn 
ed ganz aus Papier beſteht, aber einem foldhen, welches der Geldmenge, 
auf die es lautet, im Preife gleich fteht“ Drundgel. ©. 396, II, 242 * 
hat lebhaften Widerſpruch gefunden, z. B. von Sismondi, Nour. 
prino., II, 106 (der Verfaſſer erinnert an bie papiernen Kanonen ber 
Ghinefen, die ebenfalls, wie das Papiergeld, bis zur Stunde der Gefahr 
ute Dienfte leiften) und Ganilh, Syst., II, 137. — Indeß bemerft 
Bicardo ſelbſt unmittelbar vor jener Stelle, daß die Befugniß zur 
unbefchränkten Ausgebung von Papiergeld ſtets mißbraucht worden fei 
und daß es fein befleres Beichräntungss oder Auffitsmittel gebe, als 
die Berpflihtung zum Ginlöfen. — Der Vorfchlag von Chitti (Des 
crises finaneitres et de la reforme du systöme monetaire, Brux. 1839) 
geht dahin, ein ſolches Papiergeld (monnaie de papier im Gegenſatze 
von papier-monnsie) zu machen, welches nicht gegen Metallgeld ein- 
löslih, fondern welches felbft Preismaaß und Umtaufhmittel fei und 
u deſſen Annahme die Bürger dadurch genöthigt würden, daß das: 
Felde neben der Scheidemünge allein im 9 waͤre und durchaus 
nur in einer gewiſſen Menge ausgegeben würde. Die Degierung fol 
dafielbe in einem gleichförmigen Preile gegen die Müngmetalle erhalten, 
indem fie, fobald eine Veränderung beifelben bene wird, ſogleich 
je nad den Umfländen Gold und Silber auffauft ober zum Berkaufe 
auf den Marft bringt. Hieraus erhellt, daß EHitti’s papiernes 
Geld fih zwar nicht an Münze, wohl aber an die Muͤnzmetalle an⸗ 
lehnen würde, Bol. v. Mohl in Rau, Archiv, V,91. Londonio 
in Giornale del Instit. Lombardo, II, 293. — Auh Paltauf (Die 
Kunſt aus Nichts Geld zu machen, Tirnan 1847) fchlägt ein nicht: 
einloͤsliches „Volksgeld“ aus Papier als einziges Geld vor. 

Menn nämlih das Papiergeld wegen der wieder eintretenden Ginlös- 
lichkeit im Preife fleigt, 8 werden alle jene gen Mirfungen 
wahrgenommen, bie eine Geldverringerung nah ſich zu ziehen pflegt, 
$. 274. Storch in Mém. de Y’acad. des sciences de St.-Pötersb. 
VI. Sör. Sc. pol. I, 21. (1830.) 


B. Bankſcheine insbefondere. 


$. 304. 
Wenn eine Leih⸗ und Discontobank ($. 2922) zur vortheils 


hafteren Betreibung ihrer Gefchäfte unverzinsliche, auf den Ins 
haber lautende und zu jeder Zeit (auf Sicht) von ihr einzu: 
löfende Bankſcheine, Bankzettel, Banknoten (billets 
de banque, banknotes) auögiebt, fo erhält fie den Namen 
Zettels oder Notenbank (a) und foldye Scheine find bie 
gewöhnlichfte Art des Privatpapiergeldes (d). Eine Zettelbanf 
fann in Hinfiht auf ihre Gefchäfte einer ſolchen Bank, welche 
feine Scheine auf Sicht ausſtellt, ganz ähnlich fein, dieſes Unter: 
ſcheidungsmerkmal ift aber von großer volkswirthſchaftlicher 


— 883 — 


Wichtigkeit und die Zettelbanken erfordern deßhalb eine beſon⸗ 
dere Betrachtung (c). Mehrere ſolcher Banken find von Regie- 
rungen angelegt worden, die meiften aber find Unternehmungen 
von Privatgefellfchaften, bei denen in Hinficht auf die Zahl der 
Theilnehmer und die Größe des zufammengelegten Capitales 
eine große DVerfchiedenheit Statt findet. Die größeren Zettels 
banfen befinden ſich im Befige von Actiengefellfchaften (d) und 
zu ihrer Errichtung ift Staatderlaubniß erforderlih. Das von 
den Theilnehmern (Actionären) eingefchoffene Capital muß zus 
nädft den zur Einlöfung der ausgegebenen Bankſcheine dien: 
lichen Münzvorrath liefern, da aber diefer gewöhnlich Feiner 
ift ald die Menge ber umlaufenden Scheine, fo dient ed zur 
vollen Sicherheit der Inhaber der legteren, wenn noch ein weis 
terer Theil des Geſellſchaftsvermogens vorhanden ift, der in 
guten verzinslichen Schuldbriefen angelegt wird (e). 


(a) Das Wort Bank Hat eine ziemlich unbefimmte Bedeutung. Man ver: 
ſteht darunter gemöhnlid, eine Anftalt, weldhe im Großen auf Rechnung 
einer Gefellihaft oder des Staates jene Berrichtungen betreibt, bie 
fonft den Wirfungsfreis einzelner Banfhäufer bilden. Nach der Be: 
fchaffenheit ihrer Verrichtungen laſſen ſich unterfcheiden: 1) reine Um: 
fchreibebanfen 6: 283 ff.), welche gar feine einträglichen Unternehmungen 
verfolgen und fich lediglich auf das Butichreiben der hinterlegten Metall 
vorräthe beichränfen ; 2) Banfen mit gewerblichen Gefchäftsbetrieb. Zu 
bitfen gehören je nach ihrer Hauptbefimmung die Leih- und Disconto⸗ 
banfen. Die Zettelbanfen vereinigen in der Regel diefe beiden Gefcäfte. 
Es giebt Leihbanfen ohne Ausgabe von Noten, $. 292a.; manche 
Banten betreiben auch nur einen Theil ihrer Geſchaͤfte mit Scheinen, 
den andern aber mit Münze. Nicht zu billigen ift es, wenn man aud 
Affeeuranzanftalten, 3. B. die zu Gotha, Banken nennen will. 


(5) Die Befugniß zur Ausgabe folcher Scheine, die als Privatpapiergeld 
anzufehen find, if aud bisweilen einer Körperichaft ertheilt worden, 
die feine Banfgefchäfte betreibt; 3. B. die Stadtgemeinde Hannover, 
die Leihanftalt zu Braunfchweig, die Leipzig: Dresdener Bifenbahns 
geſellſchaft. 


(e) In unfiheren Zeiten empfindet man ein lebhaftes Beduͤrfniß; erübrigte 
Seldfummen bald chne Gefahr unterzubringen, ohne die Berfügung 
über fie zu verlieren. Goldfchmiede in @roßbritanien nahmen tm 
17. Jahrhunderte folge Hinterlegte Summen an und flellten Scheine 
dafür aus, welche umliefen; goldsmiths notes. Dieß führte auf die 
Zettelbanten. Die in London 1694 errichtete wurde das Vorbild der 
anderen. — Büſch, a. Abbandl. (8.283). — Hufeland, IL,130. — 
Storch, II, 102. — Mac-Eullod, Hand. I, 61. — F. W. Gil- 
bart, The history and principles of Banking. L. 1834. — Condy- 
Raguet, Traitö des banques, P. 1841, j. ir in Rau und Hanjfen, 
Archiv, NR. %. 1, 123. — Londonio in Giornale del Instituto Lom- 
bardo, VIII. Bd. — Niebuhr in Rau u. Hanffen, Archiv, N. F. 
V, 113. — Coquelin, Du credit et des banques. 1849. — Hüb: 


* 


ner, Die Banken. II. 1853. — Mac Lood, The theory et practice 


“of banking. II. 3. 1855. 56., Rec. v. Wagner in Goͤtt. gez. Anl. 
1858 Nr. 29 f. — Tellfampf, Ueber die neuere Entwidlung des 
Bankweſens in Deutichland , Brest. 3. A. 1856. — Mac⸗Culloch, 
Geld und Banken. D. von Bergius u. Tellfampf. Leipz. 1869. 
— Wagner, Beiträge 3. Lehre v. den Banfen. 1857. Defl. Die 
Gelds und GEredittheorie der Peel'ſchen Bankacte, 1862. 

(4) Diele hoͤchſt bequeme Form einer gemeinfchaftlien Unternehmung ift 
zuerft bei den Bergwerken üblich geworden. 
(6) Auch das Bebäude gehört zu dem Vermoͤgen der größeren Banken. 


8. 805. 


Wenn eine Bank gerade fo viel Münze zur Einlöfung bereit 
halten müßte, als fie Scheine in Umlauf fest, fo beſtuͤnde der 
Vortheil nur in der bequeineren Bezahlung und der Verhütung des 
Berfchlechterns der Münzen, $. 284. Ein fo großer Baar- 
vorrath ift jedoch der Erfahrung zufolge nicht nöthig, denn 
wegen der Bequemlichkeit, welche die Bankfcheine im inneren 
Verkehre gewähren ($. 296), wird ihre Einlöfung bei gutem 
Eredite der Bank nicht häufig, fondern hauptfächlich nur dann 
begehrt, wenn man Baarfendungen ind Ausland vornehmen 
will (a). Daher gilt ed ald Erfahrungsregel, daß eine Zettel- 
bank wohl drei bis viermal fo viel Scheine im Umlaufe halten 
fann, als ihr baarer Vorrath beträgt, und da jene gerade fo 
wie Münze zu einträglichen Anwendungen tauglich find, fo ift 
die Banf im Stande, ihre gewerblichen Unternehmungen und 
ihren Gewinn beträchtlich) weiter auszudehnen, als fie ver: 
möchte, wenn fte lediglich mit ihrem baaren Vorrathe ars 
beitete (5). Erft durch diefe Vermehrung der Scheine über den 
Münzvorrath) hinaus tritt die Erfegung der Münze durch ein 
wohlfeileres Umlaufsmittel ein. 


(a) Hat man Fleinere Zahlungen unter dem Belaufe des niedrigften Banks 
fheins zu machen, fo kann man diefen leicht bei Privaten umwedjfeln 
laflen, und braucht fi daher nicht an die Banf felbft zu wenden. 

(6) Wenn eine Banf mit 1 Million fl. baar 3 Mill, fl. Scheine im Ums 
lauf erbielte, und durch Diele einen Gewinn von 4 Proc. machte, fo 
nähme fie 120000 fl. ein, und nad Abzug von 20000 fl. für Ver⸗ 
waltungsfoften und Berlufte blieben nod 100000 fl. Gewinn für die 
Nctienbefiger. Die großen Banken pflegen jetoch neuerlich ftärfere Bor: 
räthe von Münze und Müngmetallen zu Halten, als es nady tem obigen 
Verhältniffe nothwendig if. — Die Actien einer Bank, deren Gelchäfte 
gut gehen, find defhalb nicht mehr um ben urfprünglichen Betrag der 

inlage zu erfaufen, fondern erhalten einen höheren Preis (Eure), der 
fih nad) der Größe des Actien⸗Gewinnes (der Dividende) richtet. 
Dis Berhältniß zwifchen dem Curſe der Actien und der Dividende folgt 
ungefähr dem üblichen Zinsfuße, doch nicht genau, weil der Nctien: 


— 888 — 


kaͤufer auch die Ausficht auf die "Zukunft berüdfichtiget. — Bei ten 
Actien der Parifer Bank 3. B., die urfprünglih durch Ginlage von 
1000 $r. eiworben wurden, war 1831—47 der Preis fo, daß die Divis 
dende 414%, Proc. deffelben betrug. Der höchſte Preis war 3300 
(2. Zuli 1840), der niedrigite nach der Sebruarrevolution 950 (10. Apr. 
1848). Anfang 1855 war der Curs wieder 2900, wovon die Jahress 
dividende von 1854 über 6 Broc. ausmachte. Sommer 1863 g. 3400 Fr. 


$. 306. 


Handeldunternehmungen find den Banken gejeglich verboten, 
weil bei jenen leicht Verluſte eintreten, deren Mlöglichkeit jchon 
den Eredit einer Bank ſchwächen würde, und weil ferner eine 
jolhe Anftalt ein zu furchtbarer Mitwerber der einzelnen Kauf- 
leute fein würde. Die Hauptgefchäfte, weldye von den Zettel 
banfen betrieben werden und zum Theile zu einträglichen Ans 
wendung der Bankjcheine Gelegenheit geben, find: 

1) Anfaufen (Discontiren) von Wecjeln ($. 288), 
wobei man darauf zu fehen hat, daß auf jedem Wechjel wohl⸗ 
befannte und fichere Perſonen ald Betheiligte genannt find (a). 

2) Darleihen gegen gehörige Sicherheit. Auf blos pers 
fönlichen Credit kann eine Anſtalt, Die durch verantwortlidye 
Vorfteher verwaltet wird und Feine Gefahr laufen fol, nicht 
leihen, ed muß daher immer eine Pfandſicherheit (Bauftpfand 
oder Hypothek) oder eine Bürgfchaft vorhanden fein, und man 
darf bei folchen verpfändeten Gegenftänden, deren ‘Preis fidy 
öfter ändert, nicht bid auf den vollen Betrag leihen (d). Am 
zwedmäßigften find Vorſchüſſe auf rohe edle Metalle und auf 
fichere inländische Schuldurkunden, wie Actien oder Staatsfchuld- 
briefe. Darleihen auf Waarenvorräthe find für Gewerbsleute, 
bie fich in Verlegenheit befinden, jehr wohlthätig, erfordern aber 
Borfiht, damit man feine Bauftpfänder annehme, denen ber 
Abjag fehlt, und verurfachen wegen der Aufbewahrung Schwies 
tigfeiten. Unterpfandsrechte auf Xiegenfchaften geben zwar ges 
nügende Sicyerheit, aber die fo ausgeliehenen Summen können 
nicht ſchnell zurüdgezogen werden. Nur bei Vorſchuͤſſen an die 
Regierung pflegt man feine Pfandficherheit zu verlangen (b). 

3) Annahme von Geldfummen in Münze oder Scheinen (ec), 
entweder blos zur Verwahrung (eigentlihe Hinterlegung), 
oder als Darleihen, verzindlich oder ohne Zind, $. 292a. Der 


Inhaber eines jo erworbenen Buthabend (Bucheredit, Eontos 
Rau, polit. Deton. I. 7. Ausg. 25 


 eorrentcrebit) Tann bis zu dem Betrage beffelben Anwei 
fungen auf bie Bank ausſtellen oder an Andere umfchreiben 
laflen ($. 285d), oder fpäter Rüdzahlung verlangen (d). 


(a) Die Bank⸗Ordnungen verlangen gemeiniglid, daß ein Wechſel 3 Unter: 
fchriften babe, wenn er discontirt werden foll. 


(5) Die vorräthigen nod nicht fälligen discontirten Wechfel und die Ver: 
fihreibungen nebft Pfändern für die Darleihen werden in England mit 
dem Namen securities (Gegenwerthe) zufammengefaßt. 

(e) Dieß nennt man bisweilen im weiteren Sinne des Wortes Depoſiten⸗ 
geihäft. Diele Binlagen (deposits) bilden eine Schuld der Ban. 


(ed) Andere, nit bei allen Banken vorkommende Gefchäfte find 1) der 
Handel mit Müngmetallen, auch das Verwechſeln verfchiedener > 
forten, 2) Handel mit VBerfchreibungen, als Schulvbriefen, Actien, 
Wechſeln, 3) Beforgung von Zahlungen an andere Orte für einzelne 
Perfonen durch Anweifungen oder Wechſel, 4) Theilnahme an gewerb- 
lihen Unternehmungen (3. B. Babrifen, Bergwerfen), was jedoch für 
die Sauptbeftimmung einer Bank wegen der Wagriß nachtheilig iſt, 
5) mancherlei Verrichtungen für die Regierung, z. B. Unterhandlungen 
über neue Anleihen, Cinloͤſung von Staatspapiergeld nach einem be⸗ 
An Gurfe gegen Vergütung, Auszahlung der Schuldzinfen und 

rgl. 


8. 307. 


Eine Bank wuͤrde auch bei dem Beſitze ſicherer Gegenwerthe 
in Pfaͤndern, Buͤrgſchaften u. dergl. fuͤr alle ihre umlaufenden 
Scheine doch in große Verlegenheit gerathen, wenn alle In⸗ 
haber ber lehteren zugleich die Einlöfung forderten, denn wegen 
der Unzulaͤnglichkeit des Baarvorrathes müßten die Zahlungen 
wenigſtens auf einige Zeit eingeſtellt werden, wobei ber Credit 
bee Bank ſchon empfindlich leiden würde. Ein ſolcher ploͤtz⸗ 
licher Zudrang (Ueberlauf, run), ber in Folge einer Kriegs⸗ 

gefahr oder anderer außerordentlicher Umſtaͤnde eintritt, kann 
einer Bank nicht zum Vorwurfe gereichen. In gewoͤhnlichen 
Zeiten darf man auf fo viel Vertrauen und Einficht der Noten⸗ 
inhaber rechnen, daß fle eine ſichere, gut verwaltete Banf nicht 
unnöthig bebrängen, anbererfeitd muß fi) auch jede Zettelbanf 
hüten fo viele Scheine in Umlauf zu fegen, daß fie ſich nicht 
im Umlaufe halten können und ungewöhnlich häufig zur Bank 
zurſtekſtroͤmen, um gegen Münze eingewechfelt zu werben. So⸗ 
bald man biefes Kennzeichen wahrnimmt, iſt ed rathſam, fich 
im ferneren Ausgeben ber Scheine zu befchränfen (a). Zeigt 
fi der baate Vorrath zu gering, fo muß man zugleih für 
Herbeifhaffung von Münze forgen (b). Da indeß diefe Banfen 


— 387 — 


keine oder nur geringe ſelbſtaͤndige Gewerbsunternehmungen 
machen bürfen ($. 306), fo können fie auch nur ſoviel Scheine 
ausgeben, ald man zu Darleihen oder Wechfelanfauf von ihnen 
begehrt und dieß gefchieht von Privatperfonen (c) meiſtens in 
der Abficht, die empfangenen Summen ald Gapitale zu ver 
wenden, alfo nad) Maßgabe der vorhandenen Gelegenheit zu 
einträglichen Unternehmungen. In Zeiten einer gefteigerten 
Gewerböthätigkeit ift die Nachfrage nach Darleihen bei dem 
Banken ftärfer; zu anderen Zeiten dagegen werden bie Bors 
ſchuͤſe an die Banfen zurüdbezahlt und größere Summen bei 
benfelben niedergelegt. Die Einlöslichkeit der Noten und bie 
Möglichkeit, noch mehr Münze aus dem Lande zu fenden, ver 
hindern, daß durch Vermehrung der ausgegebenen Noten eine 
beträchtliche Preiserhöhung der Verkehrögegenftände entſtehe (d). 


(a) Man pflegt in foldhen Fällen den Satz des Disconto zu erhöhen, damit 
weniger Wechfel zum Discontiren vorgelegt werden. 


(2) Die englifche Bank verlor öfters 21/%—3 Proc. bei diefem Anſchaffen 
von Metaliged. Smith, I, 45. — Die hier angegebene Borfichte 
regel ift fehr befannt und pflegt von den Vorſtehern gut verwalteter 
Banken befolgt zu werden, wie 3. B. von der Londoner Bank, Pebrer, 
Hist. finenc. 1., 211. Dan pflegt daher auf die Zu= oder Abnahme 
des Metallvorrathes und auf den Stand des Mechfelcurfes, der das 
Eins oder Ausfirömen der Muͤnze andeutet, fehr aufmerffam zu fein. — 
In Großbritanien Rehen fi in Bezug auf das befle Verfahren einer 
Bank zwei Anflchten gegenüber. Die von der fogen. Birminghamer 
Schule aufgeftellte Lehre, "die man (feittem Norman 1840 biefen 
Namen gebraucht hatte) currency prineiple ober currency theory nennt, 
und die hauptfächli von Jones Lloyd (Lord Dverflone) (Thoughts 
on the separation of the departments of the bank of E. 1844) und 
Norman vertheidigt, au von R. Peel angenommen wurde, gebt 
davon aus, daß Münze das vollfommenfte Umlaufsmittel fei, und folgert 
daraus, die Banffcheine müßten in der ausgegebenen Menge ſich an bie 
jebesmalige Münzmenge anfchließen. Wie alfo der Baarvorrath ab- 
nimmt, fo fol aud eine gleiche Berminderung der umlaufenden Scheine 
vorgenommen werden. Hiedurch glaubt man ein Mebermaaß der aus⸗ 
geaesenen Noten zu verhindern. Dice Regel iſt zu unbedingt und ohne 
Beachtung verichiedener Fälle hingeſtellt. Sie wird lebhaft befämpft 
von Toofe (Inquiry into the currency prineiple, 1844 und History 
a. a. D.) und Fullarton (On the regulation of wursencies, 1845), 
beren Säge (banking principle) dahin gehen, daß eine Bank fidy bei ber 
Ausgabe ihrer Scheine von dem Bebürfniß leiten laſſen und nur forgen 
folle, immer zur Bintöfung bie nöthigen Mittel zu befigen. Dieser 
Streit dreht ſich hauptfählid um PBeels Banfgefeg von 1844, f. 
8. 312 (ce). Bgl. Quarteriy Review, CLXI, 230 (1847). Offenbar 
ıR ein ungewöhnlid ſarker Begehr von Münge bei einer Bank zum 
Behufe der Ausfuhr bisweilen die Folge anderer Urfachen, 3. B. bes 
vermehrten Müngbedürfniffes in einem anderen Lande ober Äaeter Ge⸗ 
treideeinfuhr und dergl. 


26° 


— z388 — 


(e) Wenn eine Bank der Regierung leiht, ſo bedient ſich dieſe der Bank⸗ 
ſcheine zu ihren Ausgaben, welche meiſtens nicht werbend find. 
(d) 56 wird in England hierüber geftritten. Toofe (History . . . from 
1839—47, ©. 190) und Wilſon (Capital, currency and banking 1847) 
Rellen die von anderen behauptete Möglighkeit einer Preisfleigerung in 
Abrede. Tooke zeigt, daB wenn die Preife in Zeiten einer faft leiden: 
an erregten Speculationsluft Riegen, die Bermehrung ter Bank⸗ 
heine Fe erft nachfolgte, aljo nicht die Urfache jener Aenderung 
war. Öleihwohl darf man annehmen, daß jene bisweilen zum Bor: 
fhein fommenden überfpannten Speculationen, von denen öfters die 
reife einzelner Waarengattungen gefleigert werden, mit Hülfe des bei 
Zettelbanten zu erlangenden Gredites weiter gehen fönnen als in Ländern, 
wo feine folden oder nur eine einzige fehr vorfichtige Bank befteht. 


$. 308. 


Außer der verfändigen Befchränfung in der Menge von 
Scheinen kommt auch die Friſt, auf welche ohne Rachtheil 
Sunmen geliehen werden fönnen, und der Grad von Sicher⸗ 
heit, den eine Zettelbanf fid, verfchaffen muß, in. Betracht. 
Bermögen die Schuldner erft nad) längerer Zeit aus eigenen 
Mitteln die VBorfchüffe zu erftatten, jo hat dies Nachtheile, weil 
man ſich unterdefien in der Anfchaffung von Münze ober in 
der Einziehung eines Theiles der Scheine und bergl. beengt 
ſteht; es find daher ſolche Schuldner vorzuziehen, welche ficher 
nach furzer Zeit dad Empfangene zurüdzahlen. Aus dieſer 
Urfache find Vorſchuͤſſe für ſolche Anwendungen, welche erft 
ſpaͤt und allmälig dad ausgegebene Capital vergüten, wie für 
Bodenverbefferungen oder ftehende Capitale (Mafchinen, Ge 
bäude 2c.), ungeachtet fie volllommen ficher fein mögen, doc) 
minder raͤthlich und bürften wenigftend nur mit dem Fleineren 
Theile der Scheine gegeben werden (a). Würde eine Banf 
bereitwilliger, mit geringerer Vorficht, als es gewöhnlich von 
ben Bapitaliften gejchieht, Darleihen geben und gewagte Unter- 
nehmungen unterftügen, jo würde fie ſich felbft in Gefahr brins 
gen, weil fie dabei leicht in Berfuchung käme, die Scheine ftarf 
zu vermehren, und weil fie bei ihren Schuldnern Verlufte erleiden 
würde, die ihr fjogar den Untergang zuziehen fönnten (5). 
Das Mitwerben vieler Banken in einem Lande verleitet leicht 
zu folchen Mißgriffen, wie fie befonderd bei den englifchen und 
nordamericanifchen Banfen öfterd vorgekommen find, $. 313, 
317. (ec). 


— 3890 — 


(c) Smith, II, 47. 51. 76. — Kraus, Staatsw. UI, 79. — Gay, 
Sandb. III, 70. — Smith giebt die Vorfihtsregel: „Das, was eine 
Banf einem Unternehmer fiher borgen fann, ift nur derjenige Theil 
feines Capitals, den er, wenn er nicht die Vorſchüſſe der Bank hätte, 
würde ungebraucht in feiner Gafle liegen laſſen müflen, um gelegent: 
lich Forderungen befriedigen zu fönnen.” — Dieß darf man nidt fo 
deuten, als fönnte überhaupt feine größere Menge von Banknoten fich 
im Umlaufe Halten, als die Gaflenvorräthe der Unternehmer betragen, 
denn da® Gegentheil erhellt fchon daraus, daß die Conſumenten eben« 
falls ſolche Vorraͤthe von Geld in Bereitſchaft halten; aber die Regel 

zeigt ſich infofern nüplich, als die in diefer Gränze fi haltenden Ans 

leiben von den Schuldnern immer in ber Fürzeften Frift zurüdgegeben 
werden können. 

(5) ine Banf, welche mit ihren Scheinen Anleihen giebt, überträgt dadurd 
ihren Schulpnern den Gredit, den ihr das Bolf zufommen läßt. Der 
Gredit kann aber nur fo weit die Production befördern, als es die 
Größe des Gapitales und Abſatzes zuläßt. Wenn eine Banf noch über 
biefes Maaß hinaus Unternehmungen durch Darleihen unterflügt, fo 
erfolgt daraus nur eine erfünftelte Vertheurung einzelner Waarengat: 
tungen, welche bald aufhören muß und, wenn das Mißlingen der un: 
überlegten Unternehmungen fund wird, einem tefto tieferen allen des 
Preifes Plap mad. Sum Belege bievon dienen die Gefchichte der 
Ihottifchen Ayr-Banf, welche wegen dieſes Fehlers nady zwei Jahren 
brah (Smith, II, 62) und die Handelskrifis in England im Winter 
1825—26 ($. 313.), auch die neuere von 1852. 

(c) Es ift daher in Großbritanien mehrmals der Borfchlag ausgeſprochen 
worden, daß nur die große Londoner Bank (B. von England) Scheine 
ausftellen folle, oder daß dieß einer nicht nach gewerblichen, fondern 
nah allgemein volkawirthſchaftlichen Zweden geleiteten Nationalbant 
übertragen werden möge. 


8. 309, 


Dagegen ift auch das Dafein einer großen, von ber Re 
gierung begünftigten Hauptbanf in einem Lande nicht ohne 
Gefahren, theild weil fie eine monopoliftifche Gewalt an ſich reißen 
fann, theild weil ſolche Banfen, wie die Geſchichte zeigt, öfters 
zu ftarfen Vorſchüſſen an den Staat verleitet worden find, wos 
durch fie ſich Verlegenheiten bereitet, dem Credite ihrer Scheine 
gefchadet und denfelben mehr oder weniger die Natur des 
Staatöpapiergelded gegeben haben (a). Zur Verhütung biefes 
Scritted und anderer Fehltritte trägt befonder® die gute Vers - 
faffung einer Bank bei. Die Verwaltung pflegt in den Händen 
von Vorftehern zu fein, welche von den Theilhabern (Actionären) 
aus ihrer Mitte gewählt werben und unter der Aufficht 
eined größeren Ausſchuſſes ftehen. Die wichtigften Befchlüfie 
bleiben der jährlichen Verſammlung aller Theilhaber vorbehalten. 
Die Veröffentlichung der jährlichen Rechnungsergebniffe und 


— 390 — 


. die Anlegung eines aus einem Theile der Gewinnſte ange 
fammelten Hülfsvorrathes (Refervefonds) dienen dazu, das Vers 
trauen zu einer Bank zu verflärfen. Eine ſolche Anftalt ift nur 
da an ihrer Stelle, wo fih eine hinreichende Menge ficherer 
Geſchaͤfte der oben genannten Art vorfindet. 


(a) Ueber die Gefahren ber Zettelbanten ſ. vorzüglich Niebuhr a. a. O. — 
Gegen die bevorrechteten Banken Wagner a. a. O. 


Anbang. 


Grundzüge zur Geſchichte und Befchreibung der Bettelbauken. 


$. 810. 


Genua. Die Bank des heil. Georg, die als bie Altefte 
Zettelbanf betrachtet wird, war urfprünglich eine Gefellfchaft 
von Staatögläubigern, denen der Staat Zölle und andere Ein- 
nahmen überlaffen batte, und die audy Leihgefchäfte betrieb (a). 
Durch eine forgfältig geregelte Verwaltung erhielt fie ſich lange 
mit zunehmender Blüthe und Macht. Späterhin gab fie auch 
Roten aus (d). Durch neuere ftarfe Darleihen an den Staat 
fam fie 1746 in große Berlegenheit, mußte ihre Zahlungen 
einftweilen einftellen und erlitt ſtarke Verlufte, doch befeftigte fie 
bald darauf ihren Erebit wieder. Im franzäftfchen Revolutions- 
friege verfiel fie, 1808 erfolgte ihre Aufhebung. 


(a) Dan jebt den Anfang diefer merkwürdigen ——A in das Jahr 1345 
aber 14067 wurden die vorhandenen Geſellſchaften zu einer einzigen 
vereinigt, welche nun den Namen compers oder casa di 8. Giorgio 
erhielt. Macchiapelli (Istor. Fiorent. 8. Bud) rühmt den Reid: 
thum und die gute Dronung diefer Körperichaft. Nah Bodin (De 
rep. VI, cap. 2) erhielt fie Eapitale zu —6 Proc, zahlte die Zinfen 
pünctlih und lieh zu höherem Zinfe mit großem Gewinn aus. Samms 
lung ihrer Geſetze, die aber über das Innere wenig Aufichluß geben: 
Leggi delle Oompere di 8. Giorgio, 1684, fol. — Folieta bei Hufes 
land, I, 153. — Petr. Bizarus, Senatus populique Genuensis 
rerum domi forisque gestarum historiae, ©. 205. 797. Antwerp. 1629. 
fol. — Häberlin, Gründl. Nachricht von der Rep. Genua, ©. 168. 
Leipz. 1747. 


(3) Sn den a. Leggi ift einigemal von der Zahlung gegen biglietti bie 
Mede, doch fcheinen fie Nebenfache geweien zu fein. 


3 


— 392 .— 


$. 311. 


Großbritanien. Die Banf von England (Bank of 
England) zu London übertrifft in der Menge der umlaufen- 
den Scheine faft alle anderen Banfen und ift in den britifchen 
Verkehr fo innig verflodhten, daß man fie wie das Herz bes 
Geldumlaufd im ganzen Lande betrachten Tann, weßhalb auch 
ihr Zuftand und das bei ihr befolgte Verfahren ihre Wirfungen 
auf viele volfdwirthfchaftliche WVerhältniffe erftreden. Sie fann 
zugleich ald die Schule gelten, von welcher die genaue Kennt⸗ 
niß des Bankweſens ſich weithin verbreitet hat. Sie ward 
1694 geftiftet (a). Sogleich bei ihrer Gründung lieh fie ber 
Regierung eine Summe von 1200000 2. St. zu 8 Procent 
gegen Ertheilung des Banfprivilegiums auf 13 Jahre, welches 
1708 fo erweitert wurde, daß in England Feine andere Banf 
von mehr ald 6 Theilnehmern errichtet werden durfte (6). Bei 
ben fpäteren Erneuerungen bed Privilegiums mußten weitere 
Darleihen an die Regierung gegeben werden, fo daß das Gut— 
haben der Banf bis auf 14686800 8. St. flieg. Diefe 
Summe ift dad eigentliche Vermögen der Actionäre, bank- 
stock (c). Die Dividende bverfelben betrug 1730 und 1731 
11!/ Procent, 1790 —1805 war fie 7, 1807 —23 10, von 
1824 bis 1838 8 Procent, feitbem beträgt fie 7 Procent. 
Die Noten gingen Anfangs nur bis auf 20 8. St. herab, 
feit 1759 auf 10 8. St., von 1793 an wurden auch 5 und 
1797 fogar 2 und 1 2. St. audgegeben, was jedoch feit 1826 
nicht mehr geftattet if. Die Gefchäfte der Banf find 1) Die- 
contiren von Wechfeln (d), 2) Handel mit Gold und Silber, 
welche die Banf ohnehin zum Behufe ihrer Baarzahlungen 
gegen Zettel berbeifchaffen muß (e), 3) Annahme von Einlagen 
(deposits) auf laufende Rechnung, fo daß der Gläubiger durch 
Anweifungen (cheques) von der Banf Zahlungen leiſten laſſen 
fann (f), feit 1823 aud) Darleihen auf Hypothefen, 4) mancher⸗ 
lei Zahlungen und Beforgungen für bie Regierung; insbefons 
bere bezahlt fie die Zinfen der Staatsfchuld, fehießt auch ber 
Regierung jährlid; den Betrag einiger Steuern vor und em- 
pfängt dafür verzinsliche Schagfammer- Scheine, exchequer- 
hills (9). Ihre Scheine find 1833 fo lange für gefeßliches 


[4 


\ 
— 393 — 


Zahlungsmittel (legal tender) erflärt worden, als fie dieſelben 
puͤnctlich einlöft. 


(e) 


(2) 


(e) 


(a) 


(e) 


Steuart, II, 230 der Hamb. Ueberf. — Smith, II,70.— Büſch, 
Schriften über B.: und Münzw. S. 299. — Hufeland, IL,143. — 
J. Prince Smith, Sc. of money, ©. 151. — Cohen, Compend. of 
fin. S. 250. (Lond. 1822). — Eneyel. Americ. Philad. 1829, I, 544. — 
Pebrer, Hist. financ. I, 220.401. — Mac: Eullod, a. a. O. — 
Bailly, Fin. du roy. uni, I, 165. — J. Francis, History of the 
bank of E. 3. edit. 1848. IITB. — Hübner, II, 339. — Mac 
Aulay, History of E. VII, 301. — Der Urheber des Planes war 
W. Baterfon. 


Hierauf verzichteten die Actionäre im Februar 1826 freiwillig, mit Bor: 
bebalt eines Bannbezirkes von 65 engl. Meilen Halbmefler. Seit 1833 
dürfen auch in biefem Bezirke Actien-Banken von mehr als 6 Theil: 
nehmern befteben, nur ohne Ausgeben eigener Noten. 


Eigentlich ift dieß Guthaben der NActionäre nur 14553000 8. — Bei 
der Grneuerung des Privilegiums im Sahre 1833 (3. u. 4. Wilh. IV. 
Gap. 98) wurde feftgefebt, daß von der oben angegebenen Bantihuld 
1/4 abgezahlt werten follte, weßhalb dieſelbe jet nur noch 11015 000 
2. St. beträgt. Die Abzahlung geſchah in Staatsfchulbbriefen. 


Sonſt nur bis zu 60 Tagen Verfallzeit, neuerlich bis auf 95 Tage. 
Der Sab des Disconto (Wechſelzins) ift veränderlich und wird von der 
Bankfverwaltung erhöht, wenn man aus dem Wechlelcurfe die Beforgniß 
Ihöpft, daß die edlen Metalle eine flarfe Strömung in das Ausland 
erhalten möchten. 

Der Vorrath an rohen und geprägten Müngmetallen iſt fehr ungleich, 
befonders ift die Korneinfuhr in Mißjahren eine Urſache feiner Abnahme. 
&r war z. B. am 

28. Kebruar 1824 13 810060 2. 12. Sept. 1846 15'864 960 2. 
19. Dec. 1846 15162623 = 
15. März 1847 11°600000 > 
i 1849 15120811 s 


31. Auguft 1824 11787000 
28. Yebruar 1825 8779100 
31. Auguft 1825 3 634 320 
28. Kebruar 1826 2460000 12. Juni 1852 21184050 - 
8. Januar 1839 9336 000 11. Dec. 1854 13579795 s 
17. Sept. 1839 2816000 = Ende April 1860 14687000 s 
Bon der umlaufenden Notenmenge betrug der Baarvorrath bald nur 
/3 oder fogar */s, bald %,, */s und mehr. 


wıhß 
wo 
o 
&9 
= 
= 
[0 2 


RW 


(f) Die Bank bezahlt den Binlegern feine Binfen. 


(9) 


Diefe jährlihen Borfhüfle darf man mit der fortbauernden Bankſchuld 
der Regierung (ce) nit verwechfeln. Neben den Zinfen beider 
Forderungen bezog die Banf fonfl gegen 260000 2. St., Provifion 
vom Staate und hat im Durchſchnitt 4 Mill., die ihm gehören, uns 
verzinslich zu benugen;; feit 1833 erhält fie 120000 8. St. feit 1844 
180 000 &. — Bemerfenswertb ift auch, daß die Bank 1823 der Res 
ierung gegen eine A4jährige Zeitrente eine zur Abzahlung ber Pens 
Konirten beftimmte Summe vorſchoß, ILL, $. 500. 


8. 312. 
Das wichtigfte Ereignig in ber Gefchichte dieſer Bank ift 


bie ihr am 25. Gebr. 1797 bewilligte und fodann am 23. Mai 


— 394 — 


1797 (37. Jahr Georgs III. Eap. 45.) durch Parlaments⸗ 
befchluß beftätigte einftweilige Enthebung von der Verbindlichkeit, 
ihre Scheine baar einzulöfen, bie fogenannte Bank⸗Reſtric⸗ 
tion (a). Diele Berfügung warb durch 8 fpätere Parlaments 
acten verlängert und erft 1819 fam ber Befchluß (Peel's 
Bill) zu Stande, daß die Bank einftweilen unter gewifien 
Einfhränfungen, von 1821 an aber unbedingt ihre Baars 
zahlungen wieder anfangen folle. Diefe 24 jährige Einftellung 
ber Noteneinlöfung brachte darum nicht fo verderbliche Folgen 
hervor, wie fle aͤhnliche Maaßregeln in anderen Laͤndern bes 
wirkten, weil die Banf mit Maͤßigung von ihrer Befugniß 
Gebrauch machte und in dem großen Erebite ber britifchen 
Regierung eine Stüge fand, doch ftieg eine Zeitlang der Preis 
des rohen Goldes gegen Banffcheine über den gewöhnlichen 
Stand und auch der Wechfelcurs nach auslaͤndiſchen Plaͤtzen 
ging beträchtlich in die Höhe (d). In den Kriſen von 1825, 
1836, 1839 und 1857 hat die Banf durch Unterftügung von 
Privatbanfen ſich fehr nüglich erwiefen. Nach dem Gefeg vom 
19. Juli 1844 (7 u. 8. Bict. Cap. 32) wird das Ausgeben von 
Sceinen von den übrigen Banfgefchäften getrennt und einer 
befonderen Abtheilung übertragen (issue-department). Diefe 
darf außer dem Betrage von 14 Mil. L., für die fie Ber- 
fehreibungen zur Sicherheit erhält, mur foviel weitere Banknoten 
audfertigen, als die ihr vom Bankdepartment übergebenen Vor⸗ 
räthe von Münzen und Rohfilber ausmachen. Die letztgenannte 
Geſchaͤftsabtheilung (dad banking-department) beforgt das 
Discontiren, dad Ausleihen, die Hinterlegungen und die für 
die Regierung übernommenen Berrihtungen (c). Die Banf 
bat 13 Filiale (branch-banks) in England (d). 

(a) Die Reftriction wurde angeordnet, als die Menge der umlaufenden 
Noten 8640 000 2. St. ausmadhte und während der Beforgniß einer 
feindlichen Landung nur !/ı diefes Betrages an Münze vorräthig war. 
Die Noten wurden von der Megierung bei Steuerzahlungen angenom: 
men und bildeten feitbem das Hauptumlaufsmittel in Sngland. Ihr 


höchfter Belauf war 30-099 908 2. St. (26. Aug. 1817), 1819 waren 
fie wieder auf 25 Mill. vermindert. 


(5) Dieß wird durch die folgenden Baften deutlich, die fih auf Guineen⸗ 
gold von 22 Rarat (“! / 3) Korn beziehen, aus Mac⸗Culloch, Handb. 
L, 9%. 


— 395 — 


Preis der Unge Bold Preisverhaͤltniß 
der Noten gegen Gold 
i. J. 1800 3,89 100 


1810 4,5 86,5 
_ 1812 4,75 79,% 
1813 5,0% 77,1 
1814 5,% 74,81 
1815 4,% 83, 
1817. 1818 4 97,9 
1820 3,9% 97,4 
1821 3,89 100 


woraus ſich ergiebt, daß die Bankſcheine gegen Gold im Jahre 1814 
um 25 Proeent geſunken waren. Die Notenmenge war 1813 gegen 
24 Mill. L. St., welche Summe demnach nicht mehr Bold vertrat, als 
. 18°500000 2. St. im 3. 1797. Da nun 1797 nur 8°640 000 2. St. 
in Noten umliefen, fo mußten noch gegen 10 Mill. an Münze vor: 
banden fein, welche ſpäter duch Bankſcheine erfeht wurden. Toofe 
ſchaͤzt die duch die Reftriction ins Ausland gebrängte Miünzmenge 
auf 12—15 Mil. — 1821 Hatte fih ber Preis der rohen Muͤnzmetalle 
von ſelbſt wieder gehoben. Auffallend war, daß während ber Reftriction 
die geprägten Stüde nur etwa 5 — 6 Procent gegen Noten im Breife 
fliegen. Dieß Mibßverhältniß zwiichen dem Preife des rohen und ge⸗ 
münzten Metalles wirkte wie ein Zwangscurs, und drängte die Münze 
vollends aus dem Verkehre, rührte aber nicht aus einer geſetzlichen 
Vorſchrift her, fondern aus dem vatriotifhen Entfchluß der Kaufleute, 
bie Bank, von deren gutem Bermögensftande fie ſich überzeugt hatten, 
durch ihren Ginfluß zu unterflügen und die Noten dem Metallgelve 
gleih zu erhalten, wozu der Umſtand fam, daß nur noch abgenuste 
oder befchnittene Stüde im Umlauf blieben. &s ift viel darüber ges 
ftritten worden, ob die Bankicheine nach der Reftriction im Preife ge: 
funfen (depreciirt) fein. Ricardo folgerte dieß aus dem erhoͤh⸗ 
ten @oldpreife (The high price of bullion a proof of the depreciation 
of banknotes, 1809) und in dem nämlichen Sinne ſprach fih 1810 bie 
Eommiffion des Unterhaufes aus (bullion comittee). Das Berlangen 
des Lords King, daß feine Pachter den Vachtzins in einer nach dem 
Golbdpreife erhöhten Notenmenge entrichten follten, veranlaßte 1811 das 
Belek, daß man bei Zahlungen nicht mehr als den Nominalpreis des 
Goldes in Roten fordern dürfe. Auch Graf Lauderdale (The de- 
preciation of the paper-currency of Great- Brit. proved. Lond. 1812. 
Def. Further considerations of the state of currency, 1813. Auszug 
in Farmer’s magas., 1814. XV, 63) nahm bie Gntwerthung der Bank⸗ 
ſcheine als unzweifelhaft an; f. fernee Stord, III, 79. 466. — Die 
Fortſchritte der nationalöf. Wifl. in Engl., ©. 65. (Leipz. 1817). — 
Lowe (Engl. n. f. gegenw. Zufl. S. 141) glaubte, daß das Sinfen, 
fo weit es von der Reftriction herrührt, nur 15 Procent betrage, und 
daß die Mehrausgabe (overissue) der Noten nicht Urfache, fondern erft 
Folge der Depreciation gewefen fei. — Th. Smith, ©. 60 beftreitet 
die Depreciation. Am eifrigften wird biefelbe von Tooke befämpft, 
Thoughts etc. 1 ®b., History of pr. OD, 346, History... . from 
1839 — 47 ©. 89. Nach der Anficht des Letzteren ifl nur das Gold 
theurer geworben, es flieg geaen Noten, fo oft ſtarke Baarfendungen 
im Kriege oder zu Getreidefäufen nöthig wurden, es fan wieder, wenn 
diefe Urſachen aufhörten, namentlih 1816 ungeadtet einer Vermehrung 
ber Noten. Diefe erreichten 1818 ben größten Betrag, als das Gold 
ſchon wieder viel niedriger fland. Tooke fucht zu jeigen, daß eine 
allgemeine Preiserhöhung der Waaren gegen Noten nicht flattgefunden 


(e) 


(a) 


. — 396 —— 


hat und daß die Vertheurung einzelner Waarengattungen aus fchlechten 
Setreideernten, aus den Ausfuhrerfchwerungen in anderen Ländern, 
aus den höheren Fracht: und Verfiherungsfoften ıc. zu erflären fei. 
Spanifhe Molle, brit. Kupfer, virginifcher Tabaf galten 1811 nur 
30—70—36 Proc. des Preiſes von 1808 u. 1809 ıc. Gs ift natürlich, 
daß während des Krieges mit Frankreich Colonialwaaren in England 
wohlfeil, euroväifche Waaren theurer waren, daher läßt fich fchwer neben 
diefen beionderen Urſachen eine allgemeine Regel herausfinden und bie 
Deweisführung Tooke's ift noch nicht widerlegt. — Die fpätere 
Preiserniedrigung der Waaren, die von Bielen dem geftiegenen Preife 
der Noten zugefchrieben wurde, war für Gewerbsunternehmer und Grund⸗ 
eigner ſehr empfindlich. 


Dieß von R. Peel beantragte Geſetz entfprang aus den Vorftellungen 
der Birminghamer Schule (currency theory, $. 307 (8)) von den Nach: 
theilen einer übermäßigen Ausgabe von Banficheinen. In foldhen Zei- 
ten, wo eine ungewöhnlich rege Unternehmungsluft eine vermehrte Nach⸗ 
frage nah Anleihen verurfaht, können allerdings die Banken durch 
Vergrößerung der Notenmenge das Uebel vergrößern oder die Rüdfehr 
von demfelben verzögern, Dagegen iſt es in anderen Fällen, wo eine 
Abnahme des Baarvorrathes und die Vermehrung der Metallausfuhr- 
andere Urſachen Hat, fhädlih, wenn die Bank eine folche unbedingte 
Beſchraͤnkung bat und es mußte in der Kriſis von 1847, welde durch 
eine tibermäßige Menge von @ifenbahnunternehmungen verurfacht wor: 
den war, die engliihe Bank ermächtigt werden, von dem Geſetze abzu⸗ 
weichen und ihre Darleihen und Disrontirungen zu erweitern. Sobald 
bievon nur der Anfang gemacht war, bob fi das Bertrauen wieder. 
Tooke ©. 317. Dal. Mill, U, 112. 


Stand zu Ende Aprils 1860: 


Debet. Credit. 
Noten . . . 22336000 2. | Pfandbürgichaften 
@inlagen d. Staats, (securities) . . . 31721000 2. 


d. Svarcafien c. 6252000 » | Münze und Barren 14687000 = 
Ginlagen v. Privat: 
perfonen . . 14602000 = 


43'190 000 2. 46408000 8. 
Der Mehrbetrag des Buthabens ift das erührigte Vermoͤgen (rest) von 


3:218000 2. 
$. 313. 


Andere Zettelbanfen im britifhen Reiche (a). 
1) In England und Irland unterfcheidet man foge- 


nannte Privatbanfen (private banks), die höchftens 6 Theil- 
nehmer haben und eigentlih nur Banfhäufer mit dem Rechte 
der Ausgabe von Sceinen find, und größere durch eine 


Parlamentsurfunde (charter) genehmigte Actienbanfen 


(joint-stock-banks), die feit dem Jahre 1826 errichtet wurden, 
8. 811. Die Anzahl von Banfen beider Art tft abwechfelnd, 
indem bald neue errichtet werden, bald ältere brechen ober ſich - 


— 397 — 


auflöfen, beträgt aber immer mehrere Hunderte (6). Diefe 
Banken betreiben den Wechſeldisconto, beforgen Zahlungen für 
andere Perſonen ($. 292 a).), übermadhen Summen an andere 
Orte und geben audy Vorſchüſſe. In Zeiten, wo ber Handel 
und die Production blühen, viele neue Unternehmungen in 
Gang kommen und der Umlauf eine größere Geldmenge faſſen 
fann, pflegen die Banken ihre Noten und ihre Darleihen zu 
vermehren. Da man jedoch beim Verfolgen foldyer Gewerbes 
fpeculationen leicht dad verftändige Maaß überfchreitet und zu 
viel wagt, fo trat von Zeit zu Zeit, es fei nun durd die 
Ueberfüllung der Märkte und die davon herrührende Erniedrigung 
der Waarenpreife, oder aus anderen Urfachen, eine Bebrängniß , 
vieler Unternehmer ein. Die Banken litten große Verluſte, 
und diejenigen unter ihnen, welche zu unvorfidtig gewefen 
waren, ober deren Theilnehmer zu wenig Hülfsmittel befaßen, 
bradyen gänzlih. Solche Ereigniffe find im 19. Jahrhundert 
ſchon mehrmals eingetreten (c). Es hat fidy hiebei gezeigt, 
daß in der Errichtung und Verwaltung mancher Banken großer 
Leichtſinn obgewaltet hat, daß dieſelben gerade dann ihre 
Scheine vermehrten, wenn die Londoner Hauptbanf die ihrigen 
weislich verminderte, und daß das Dafein vieler Zettelbanfen 
in einem Lande Gefahren verurfacht, weßhalb man fich neuerlich 
zu einer bedeutenden Beichränfung der Gefchäfte diefer Banken 
entſchloſſen hat (d). 

2) Die fhortifhen Banken werben vorfichtig verwaltet 
und find wenigen Erfchütterungen ausgeſetzt. Sie waren von 
jeher in Bezug auf die Zahl der Theilnehmer unbefchränft und 
haben daher viele Actionäre, welche ein zur Dedung von Bers 
luften beftimmtes Capital in Staatspapieren und Hypothefen- 
urfunden deponiren. Dieß und die jährliche öffentliche Rech⸗ 
nungsablegung trägt viel bei, den Credit zu befeftigen und die 
Rotenbefiger ſicher zu flellen. Darleihen werben mit Behutfams 
feit gegeben. Diefe Banken nehmen fehr häufig Summen von 
Eapitaliften gegen Berzinfung an, auch in Heinen Beträgen, fo 
daß fie zugleich als Leih- und Sparcaffen der Betriebfamfeit 
gute Dienfte leiften (e). 


(*) Mac: -Eulloß Handb. I, 100. — Klein d, Großbrit 
Geſetzgeb. S. 399. — Hühner ©. ſchro roßbritaniens 


— 898 — 


(5) Bon 1826 bis 1835 find nur 60 größere Banfgeiellichaften in England 
entflanden, aber allein in den erſten 11 Monaten von 1835 42, deren 
jede mehrere Comptoirs hat. Die Manchester and Liverpool Distriet B. 
hatte 1054, die Northern and Central B. of England 1024 Theilnehmer, 
dagegen wurden auch 2 mit bloß 7 Interefienten angeführt; Yearbook 
of gen. inform. 1837, ©. 158. — 1852 zählte man 170 Brivat- und 
66 Artiendbanfen in England und Wales mit Notenausgabe, daneben 
eine Anzahl andere, welche feine Scheine ausgeben dürfen, wozu 6 ans 
fehnlihe Actienbanten in London gehören. — Irland hatte 1851 8 Bans 
fen, deren größte Bank von Srland heißt. Zu Ende 1854 war bie 
umlaufende Notenmenge 

der engl. Privatbanfen . . . 3849057 2. 

Actiendbanfen . . . 3072738 s 

der irländifchen Banfen 6722649 s 

ferner der fchottifchen Banten 4'316 095 > 

der Bank v. England 19296721 = 

Zufammen 37257260 2. 
Der Münzvorrath betrug bei den fchottifchen B. 1707885 8., bei den 
irländifhen 2053756 £., bei der B. von England 13834657 2, 
alfo zufammen 17596295 2., ohne die Baarjchaft der engl. Privat: 
banken. Die Banken taufchen regelmäßig die bei ihnen eingehenden 
Noten gegen einander aus, fo daß ein Theil der ausgegebenen bald 

wieder zurüdfehtt. 


(0) Das ſtarke Sinfen der Preiſe im Jahre 1810 und 1811 flürzte in den 
3 Sahren 1810—12 47 Banken und bradte überhaupt 7042 Banterotte 
zu Wege (1807—1809 waren nur 4177), diefelbe Urſache brachte 1814 
und 1815 nicht weniger als 92 Banfen den Untergang und veranlaßte 
in den 3 Jahren 1814—16 die Zahl von 6527 Bankerotten (Tooke, 
Thoughte, I, 92 f.). — Dafielbe erfolgte im Winter 1825—26. Die - 
jährliche Ausgabe von neuen Noten der Privatbanfen hatte im “Durch: 
fchnitt von 1820—23 nur 4176000 %. St. betragen, dann, während 
eine Menge unficherer Speculationen eine erfünftelte Erhöhung der 
Betriebſamkeit bewirkte, flieg fie 1824 auf 6°724000, und 1825 au 
8755000 £. St. Die ganze Notenmenge dieſer Banfen wurde au 
23—25 Mill. gefhägt. Als nun die unvermeidliche Rückwirkung mit 
einer peinlihen Stodung des Verkehres eintrat, mußte eine große 
Zahl von Banken fallen, und dieß würde noch mehreren begegnet fein, 
wenn fie nicht von ber engliichen Bank wären unterlügt worden. Zur 
Berhütung ähnlicher Vorfälle wurde 1826 das Ausgeben der 2 und 
1 2. St.:Noten unterfagt. 1830 waren nur noh 9 Mill, 2. St. 
Noten im Umlaufe. Im Jahre 1836 fam abermals die Sucht, gewagte 
Speculationen duch Actiengelellfchaften zu unternehmen, zum Vor⸗ 
fhein. gu Anfang diefes Jahres waren in Kiverpool und Manchefter 
104 zum Theil adenteuerlide Projecte im Lauf. Daher erfolgte im 
geröfte defielben Jahres eine Stodung. Vgl. Edinb. Review, Juli 1836, 

. 419. April 1837. Die Notenmenge betrug am 26. Sept. 1835 
10420623 8. ©t., am 24. Juni 1836 aber 12'202196 &. — Im 
Jahr 1839 brachte die americanijche Bankverwirrung eine nachtheilige 
Wirkung auf England hervor. Da die Actien oft nur 25 oder jogar 
10 2. St. betrugen, und nur zum Heinflen Theile, 3. B. mit 5 bis 
10 Proc., wirklich eingezahlt zu werden brauchten, fo Eonnten ganz 

' unbegüterte Perfonen als Theilnehmer (partners) auftreten. Gine große 

Erſchütterung trat im Herbſt 1847 ein zufolge der Eifenbahnipeculationen. 
Die Bantlerotte vom Auguft an betrugen 17—20 Mill. &. St. Eine 
Lähmung des Gredites muß weiter gehen in einen Lande, wo Ras 
Umlaufsmittel größtentheile aus Papier befieht, ale da, wo blo6 


(@) 


(e) 


— 39 — 


Münze umläuft, obgleich auch hier die Wirkung folder Stodungen bes 
Handels in häufigen Bankerotten von Kaufleuten fühlbar wird. 

Schon nad älterer Vorſchrift müflen die Landbanken alle Bierteljahre 
den Betrag ihrer umlaufenden Zettel, die größeren auch jährlich die 
Zahl ihrer Theilnehmer der Obrigkeit angeben. Nah dem a. Geſetz 
v. 19. Juli 1844 darf feine Banf Scheine in Umlauf fegen, die es 
nicht am 6. Mai 1844 chen gethan hat, und die Menge derfelben 
darf den mittleren Betrag des Ye jahres vor dem 27. April 1844 
nicht überfleigen.. Das Belek v. 21. Juli 1845 (8 u. 9, Viet. C. 37) 
fehreibt für die irländifchen Banken vor, daß fie nicht mehr Scheine 
ausgeben dürfen, als fie im Durchſchnitt vom I. Mai 1844—45 in 
Umlauf Hatten, und als fie außerdem an Gold: und Silbermünze vors 
räthig befiten. Das Privilegium der „Bank von Irland* in Dublin, 
dag in einem Umfreife von 50 Meilen feine Bank von mehr ale 
6 Theilnehmern Scheine ausgeben darf, Hört auf und die Schuld bes 
Staates an diefe Banf von 2637009 2. St. wird von nun an zu 
3% Proc. verzinkt. 

Schottland Bat 17 NActienbanfen, die Scheine ausgeben. Die ältefte ift 
die 1695 nah Paterfons Plan errichtete „Banf von Schottland” 
uw Gdinburgh. Die Noten haben fo viel Credit, daß ihre Binlöfung 
Velten begehrt wird, und wie ein Banfbedienter verfihert, in Glasgow 
jährlih nur etwa 1000 2. St. zum Ginldfen erforderlich fein möchten. 
Da diefe Banken ihre Geſchäaͤfte nit durch beliebige Ausgabe von 
neuen Zetteln erweitern können (der Umlauf könnte fie nicht faflen), fo 
nehmen fie alle Geldſummen an, die die Befitzer nicht anzumenden 
wiſſen, und verleihen fie wieder, nehmen aber 1 Proc. Zins mehr als 
fie geben. Man Ichäbte 1826 diefe Den Banfen anvertrauten Summen 
auf 20 Mil. &. &t. Bon den Scuidnern wird gefordert, daß fle 
zwei fichere Bürgen ftellen. Dan leiht ihnen blos für productive Zwecke 
und befümmert ch fortwährend um ihren Bermögenszuftand, um fi 
vor Berluften zu hüten. Die Banfgeichäfte felbft erleichtern dieſe Aufs 
fiht, weil die Schuldner vielfach auf die Bank anweiſen und ihr wieder 
theilweife abzahlen. Auf diefe Weile wird bie befte Benugung ber 
Gapitale erleichtert und die Production fehr befördert. Die Scheine 
gehen Hier wie in Itland bis auf 1 2. St. herab. Ad. Smith, IL 
39. — Quarterly Rerv., März 1830. ©. 476, Oct. 1830, ©. 342. — 
Logan, Die fchottiihen Banken, deutfh 1853. — Das Geſetz vom 
21. Juli 1845 (8 und 9 Victor. C. 38) enthält für die fchottifchen 
Banken ähnliche Beftimmungen wie das Geſetz vom nämlichen Tage 
für die irifchen (d). 


$. 314. 
Frankreich. Die von dem Schotten John Lam (geb. 


1671, geß. 1729) 1716 errichtete, 1717 von der Regierung 
übernommene, 1720 zu Grunde gegangene Zettelbanf gab ein 
für alle Zeiten merkwürdige Beifpiel der Folgen, welche aus 
einer unmäßigen Benupung des Credits und aus den Irr⸗ 
thämern Aber die Ratur beffelben hervorgehen können (a). Der 
Eredit wurde durch das Law'ſche fogen. „Syſtem“ fo ſehr 
zerftört, daß erſt 1776 wieder eine Zettelbank, die Pariſer Dis- 


contocaffe (case d’escomptes) zu Stande fan, welche 


—— ins 5 ab . 


— 400 . 


fpäterhin ihre ganze Notenmenge zu Anleihen an die Regierung 
verwendete und ſich 1789 auflöfte, als diefe Anleihen in einem 
neu gejchaffenen Papiergelde (den Aflignaten) zurüdgezahlt wurs 
den (6). Diejegige franzöfifche Banf(banque deFrance) 
entftand 1800 mit 30000 Xctien zu 1000 Fr., die 1803 bis 
auf 45000, fpäter bis auf 67900 vermehrt wurden (c). Die 
Bank discontirt Wechfel (d), leiftet unentgelvlih Zahlungen 
auf laufende Rechnungen (comptes courans), doch nur bis zu 
dem Betrage der ihr übergebenen Summen, ohne etwas vor⸗ 
zufchießen (e), leiht auf Staatöpapiere (f), Canalactien und 
neuerlich (feit 1852) auch auf Actien und Schuldbriefe der Eifen- . 
bahnen, ferner gegen 1 Procent Zinfen auf hinterlegte Vor⸗ 
rähte von Gold und Silber (g), leiftet auch der Regierung Vor⸗ 
fhüjle auf Schatzſcheine (bons du tresor) und comptes courans 
und erweift ihr mancherlei andere Dienfte, wie z. B. feit 
1820 das Umprägen der alten Münzen. Die Noten durften 
nad) dem Gefeg vom 4. April 1803 nicht unter 500 Fr. bes 
tragen, doch wurde (Gefeg vom 18. Mai 1808) den Filialen 
(comptoirs, succursales) die Ausgabe von Scheinen auf 250 Fr. 
erlaubt und am 10. Jun. 1848 erhielt die Hauptcaffe Erlaubs 
niß, Scheine von 200 Fr. in Umlauf zu fegen. Das Gefep 
vom 15. März 1848 geftattet Noten von 100 Fr. Ihr Hülfe- 
vorrath iſt neuerlih (1834) auf 10 Mill. Fr. beftimmt wors 
den, jo daß der ganze Gewinn jährlich vertheilt wird, wenn 
jene Summe ergänzt ift. Ihre Verwaltung ift fehr vorfichtig 
und ihr baarer Vorrath gewoͤhnlich beträchtlich größer, als er 
ber Sicherheit willen nothwendig fein müßte. Die Bebruar- 
revolution veranlaßte ftarfe Vorſchuͤſe an den Staat und einen 
lebhaften Andrang zur Einlöfung, daher wurde durch dad Ge⸗ 
jeg vom 15. März 1848 verordnet, daß die Einlöfung der 
Scheine unterbleiben dürfe, daß diefelben gefegliched Zahlungs⸗ 
mittel feien (alfo mit Zwangscurs) und nicht über 350 Mill. 
dr. betragen dürften. Die 9 anderen Zettelbanfen (k) wurs 
den nad) dem Geſetz vom 2. Mai 1848 mit der Bank von 
Sranfreich vereinigt, wodurch diefelbe 28350 weitere Actien ers 
bielt. Die erlaubte Notenmenge wurde auf 452, im 3. 1849 
auf 525 Mil. Fr. erhöht. Das Gefeg vom 6. Auguft 1850 
hob den Zwangsumlauf und das Marimum der Rotenmenge 


— 41 — 


wieder auf und führte die Verpflichtung zur Noteneinlöfung 
wieder ein, welche leßtere aber auch in der Zwifchenzeit nicht 
ganz aufgehört hatte. Daher blieben die Noten fortwährend in 
Pari und der Geldumlauf blieb ungeftört (id). 1857 wurde bie 
Zahl der Actien auf das Doppelte (182500) gebracht (k). 


(a) Man ſchaͤtzte damals den Müngvorrath in Frankreich auf 1200 Mill. Liv., 
weiche, weil zu jener Zeit 60 Livres aus der Mark Troyes gefchlagen 
wurden, 502 Mill. fl. machten. Lam hatte, wie feine Schriften zeigen, 
überfpannte Borftellungen von der Madıt des Gredits und der Erſetz⸗ 
barkeit der Münzen durch Papiergeld. Der Irrthum ging fo weit, daß 
man glaubte, ohne Schwierigkeit eben jo viel Scheine als Münze neben 
diefer in Umlauf halten zu fönnen und daß man den Gredit einer noch 
weit größeren Vervielfältigung fähig hielt. Die Zettelbank befand fidy 
anfangs in gutem Yortgange, da die Scheine (damals 50—60 Mill.) 
fih leicht im Umlaufe hielten und beliebt waren. Law's Blane über: 
Ichritten aber alles verftändige Maaß. Er gründete eine Aetiengefells 
haft, die den Handel mit Zouifiana betreiben follte (comp. d’occident) 
und durch mancherlei andere ihr übertragene Gefchäfte ihren Wirfungss 
kreis erweiterte Coftindifcher und chinefiicher Handel, Muͤnzrecht ıc.). 
Die Actien (zu 500 Livres Binlage) wurden vermehrt und fliegen durch 
fünftlihe Crregung phantaftiicher Hoffnung fortwährend im Preife, ohne 
daß die beabfihtigten Unternehmungen Ton in Ausführung famen. 
Die Bank ging durch Heimzahlung der Actionäre in die Hänbe des 
Staates über, nahdem ſchon 3, des Actiencapitals in Staatsfchulds 
briefen eingezahlt worden war. Nun faßte Law fogar den Bedanten, 
dem GStaate zur Abtragung feiner Schulden 1200, nachher fogar 
1600 Mill. &. zu leihen, wofür der Compagnie 3 Proc. Zins nebft 
der Mebertragung der Finanzpachtungen (fermes) zugefihert wurden. 
Es wurden zu dieſem Behufe wieder neue Actien (zulegt zu 5000 2.) 
ausgegeben, deren Steigen einen allgemeinen Schwindel, eine heftige 
Begierde, fih durch Actienhandel zu bereichern, erregte. Der Preis 
einer Actie fam bis auf 20000 L., ohne daß die Geſellſchaft Gefchäfte 
betrieb, die einen folhen Preis nur irgend hätten begründen Fönnen, 
die Menge der ausgegebenen Banfnoten erreichte 2696 Mill., wobei 
ugleih die Preife aller fäuflichen Dinge ungemein gefteigert wurden. 

iele reich gewordene Actienhandler begannen ſich Ländereien »c. zu er: 
werben (realiseurs) und man wurde allmählig gewahr, daß bie Actien 
feinen wahren Werth hatten. Als das Sinfen derfelben anfing, ergriff 
Lam mancherlei gewaltfame Mittel, um den Untergang des „Eufemen 
zu verhindern; alle Zahlungen über 100 2. follten blos in Banknoten 
geichehen, Niemand über 500 Liv. in Münze befißen; hierauf wurte 
der Preis der Actien gefeglich auf 9000 Liv. beflimmt, was die Folge 
hatte, daß die Noten bis auf die Hälfte ihres Rennbetrages und fpäter 
noch viel mehr fanfen. Man ſah fih genöthigt, ihre Verminderung 
durch verfchiedene Arten verzinslicher Anleihen zu bewirken und ver: 
wandelte endlih den Reſt in Staatsobligationen zu 2 Proc. Zins. 
Den Echluß machte eine willfürliche Beraubung der reich gewordenen 
Actienbefiger. — Man hatte 640000 Actien der Geſellſchaft ausgegeben, 
von denen jedoch 400000 früher annulirt wurden. Die grängenlofe 
Verwirrung richtete viele Familien zu Grunte und lähmte auf lange alles 
Bertrauen. Steuart, 11,244—296. — Stord, 111,87. — Thiers 
in Encyel. portative. 1826. I, 49. — Histoire de Law. Leipz. 1858, 
(vorzüglid). — Londonio im Giorn. dell’, Inst. Lomb. VIII, 289 
(1844). — Heymann, am und fein Eyſtem, Münden 1853. 
Rau, polit. Dekon. I. 7. Ausg. 26 


() 
(eo) 


(4) 


(e) 


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9) 
(4) 


— 40 — 


Oeuvres de Law, herausg. von Daire in der Collection des prin- 
cipaux Economistes, P. 1843. — Die fämmtlichen NActenftüde enthält 
die (Übrigens nicht empfehlenewertbe) Schrift: Histoire du syst&me des 
—5 sous la minorit6 de Louis XV., à la Hayo, 1739, im 5. und 
6. Dante. 

&tord, III, 101. Ganilh, Des systömes, II, 190. 

Lobrede für die Bank von Thiers, Deput.:R. 20. Hai 1840. Rau, 
Archiv, V, 121. 
Nur auf Wechſel mit 3 Unterfchriften und früherkin nicht unter 500 Fr. 
Der Diseontofag war lange ununterbrohen 4 Proc. Am 14. Jan. 
1847 mußte er auf 5 Proc. erhöht werden, weil wegen ber Getreide: 
theurung, des alles der Bifenbahnactien und des fleigenden Zinsfußes 
die Binlöfung der Scheine ze häufig begehrt wurde und der Baar: 
vorrath auf 72 Mill. gelunfen war. Die Bank hatte im Ian. 1847 
eine Anleihe von 25 Dil. Br. oder 800000 2%. St. bei der Londoner 
Bank mahen müflen. Am 5. März 1852 wurde der Diseonto auf 
3 Proc. ermäßigt, am 7. Det. 1853 wurde ex wieder auf 4 und zu 
Anfang 1854 auf 5 erhöht. Der mittlere Betrag eines eingelöften 
Wechſels war 1840 1517 Fr., 1846 1285 Fr., 1850 in Paris 990, 
in den Yilialen 1834 Fr., 1851 in Baris 869 Fr., in den Filialen 
1592 Fr. In diefem Jahre waren in Paris unter 413496 biscontirten 
Wechſeln 87350 unter 200 Fr. - 

Sie iſt hiezu verpflichtet and erweilet hiedurch bem Bar einen großen 
Dienſt. Im Jahr 1835 Hatten 17—1800 Berfonen Toldye comptes 
couraus, für welche 890 Mill. Fe. an Effecten eincaflirt wurden, 1834 
für 908 Mill., 1840 für 891 Mill. Außer ben Privatperfonen hat 
auch der Staat eine laufende Rechnung, der hiebei Bald in Vorſchuß, 
bald m Schuld if. Im Wär; 1866 ſchuldete die Bank onto» 
cowent 178, Mil. Fr., Hatte dagegen auch ein betraͤchtliches Guthaben 
gleicher Art. 
Nach dem Geſetz vom 17. Mai 1834 kann die Bank au auf !/s des 
Werthes folder Verfchreibungen leihen, die Feine fire Verfallzeit haben, 
alfo auf alle dffentlichen Bffecten. 

Die Abficht Hievon if, den Handel mit Gold und Silber zu ermuntern. 
Marfeille, Havre, Orleans, Bordeaur, Rouen, Nantes, yon, Lille, 
Touloufe. 


(5) Seitdem die Bank in Verlegenheit gerathen war (1805 u. 1814), vers 
boppelte: fie ihre Vorfiht. Auch war fie lange in dem Umfange ihrer 
Geſchaͤfte dadurch beichräntt, daß ihre Noten außerhalb der Hauptſtadt 
wenig beliebt waren, in Folge der Erinnerung an den Mißbrauch des 
Papiergeldes in ber Revolutionszeit. Die Bank hatte öfters mehr 
Baarſchaft, als die umlaufenden Noten betrugen, weil der Staat 
Summen bei ihr hinterlegt. 

Notenmenge: Baarſchaft. 
1832 181—253 Mill, Fr. MT—BIM. Fr. 
Ende 1838 2312 ⸗ ⸗ 236⸗2 
1840 241%, ⸗ ⸗ 233 s 3 
D. 1844—45 2591, = ⸗ 24l = 5 

Sept. 1847 230 ⸗ ⸗ 150 s : 

31. Mai 1848 363 ⸗ ⸗ 127 ss » 

Onde 1849 436 ⸗ ⸗ 431, » 

Anfang 1851 504 ⸗ ⸗ 55 5 

1855 "650 ⸗ ⸗ 364 s 2 

März 1860 709 ⸗ ⸗ h44 - 38 

Jahr 1863 757-869 ⸗⸗ 292481 s + 


— 1 — 


Seit 1825 war durchſe 
an} ver diecontirten Dividende 

Wechſel. 

583 Ri 


1825—29 8 Er. 
1830— 34 319 + 1: 
1835—39 162 * 120 = 
184044 18 + 125 : 
1848—47 174 + 156 + 
1848—51 319 » 104 > [ 
1852—54 253 - 155 + 


Im Jahr 1862 wurben für 5431%/. Mill. Wechſel discontirt, 1303 Mil. 
auf Staatöpapiere, Gifenbahn-Actien und Obligationen und Ganal: 
Actien geliehen. Die Dividende war 158 Fr., Zahl der Filiale 51. 


(&) Zugleich lich die Bank dem Staat 100 Mil. zu 4 Proc. 


8. 315. 


Oeſterreich. Die Wiener Stabtbanf als Zettelbanf (a) 
wurde 1762 gegründet, und erhielt ſich biß gegen das Ende 
des 18. Jahrhunderts in gutem Stande. 1797 wurde fie von 
der Verbindlichkeit, ihre Roten einzulöfen, freigeſprochen (5) und 
um biefe Zeit begann audy die ftarfe Vermehrung derfelben, bie 
man als eines der Mittel betrachten muß, wodurch die Regie 
tung ſich die Befreitung der Hohen Kriegäfoften erleichterte. Es 
wurden nun Zettel bis auf 1 fl. herab ausgegeben. Won 1805 
an fanfen die Noten flarf gegen Münze, der Krieg von 1809 
befchleunigte ihren Hall und die allgemeine Theurung ber Waas 
ren; bad Uebel erreichte feinen Gipfel, ald im Januar 1811 der 
Curs auf ungefähr 1300 (naͤmlich fo viel Papierfl. gegen 100 fl. 
Münze) gefommen war. Die ausgegebene Maſſe von Scheinen 
erreichte 1060 Mid. fl. Diefe nun zu einem wahren Staats» 
papiergelb gewordenen Noten wurben zufolge der Verordnung 
vom 20. Februar 1811 gegen ein anderes Staatöpapiergelb, die 
Einlöfungsfheine (Scheine, Wiener Währung) 
umgemwechfelt, von denen die Regierung 100 fl. gegen 500 fl. 
in Banknoten bingab; indeß ftanden dieſe Einlöfungsfheine 
immer niedriger ald Münze und fielen während des Krieges 
von 1813—1815 nody mehr (ec). 

(a) Hufeland, IL, 172. — Gtord, II, 119. 470. 
() 6 wurde nämlich, erllart, daß die Ausiafun bei feiner Summe über 

25 fl. gefchehen jollte, was man einer gänzli da Ginftellung der Babe 

hung eich achten font, Andrö, Reue dal lenjtai —— Die 


jem PH dem folgenden Paragraphen erwähnten find bie 
dee 20 fl. 


= 


(6) Der Eurs der W. W. (Wiener Währung) war ben 7. Mär; 1815 
noh 272, aber am 8., als Napoleons Aufbruch von Elba befannt ges 
worden war, fanf er auf 297 und am 10. Mai fogar auf 398, welches, 
da die Ginlöfungsfcheine die bfache Summe von Banknoten vorftellten, 
einen Curs der leßteren von 1990 bildete! 1816 war der Curs auf 
322 gefommen, fpäter fland er gleihförmig auf 250. — Bor ber Aus⸗ 
gabe von Papiergeld Hatte man tie Geltmenge in Defterreih auf 250 
bis 300 Mill. geihäpt. Die Mafle des Papiergeldes kam 1815 bie 
zu ungefähr 650 Mill. fl., welches, zu einem Curſe von 350 berechnet, 
185 Mill. fl. ausmadht; es mußten alfo, wenn fih fonft nidts ges 
ändert hätte, noh 65—115 Mill. R. Münze vorhanden fein. Cohen, 
Compend. of finance. ©. 67. 


- 


$. 316. 


Die heutige öfterreihifche Nationalbank, eine auf 
Actien gegründete Privatanftalt, wurde 1816 auf 25 Jahre er» 
richtet und 1841 auf weitere 25 Jahre beftätigt (a).” Die Ein 
lage für eine Actie beftand aus 100 fl. baar und 1000 fl. in 
Einlöfungsfcheinen ($. 315), wofür die Banf von der Regie- 
rung Schulbbriefe zu 21/2 Procent verzinslich erhielt, weßhalb 
biefer Theil des Stammvermögend nicht zur Einlöfung der 
Scheine benugt werben konnte. Die Zahl ber Actien fam auf 
50621 (d). Die Scheine lauten auf 5, 10, 25, 50, 100, 500 
und 1000 fl. und werden in den Staatscaſſen angenommen. 
Die Bank, welche das außfchließliche Vorrecht im öfterreichifchen 
Staate erhielt, Noten auszugeben, hat bis 1848 vollfommenes 
Bertrauen genofien und ihre Scheine find flet in Pari ge- 
blieben. Die von der Banf für die Regierung beforgte Ein- 
ziehung des Älteren Papiergeldes (Einlöfungsfcheine) ift beendet 
(ce). Die Bankgeichäfte find: 

1) Discontiren von Wechfeln, welche auf Wien geftellt und 
dafelbft zahlbar find. Der Discontv fteht feit 1833 fortdauernd 
auf 4 Procent (d). 

2) Umfchreiben in offenen Rechnungen (Birogefchäft) bis 
zum Betrage der in Banffcheinen oder Silbermünze übergebenen 
Summen (e). 

3) Verwahrung binterlegter Gegenftände, ald Barren und 
Geräthe aus Gold und Silber, Münzen, Staatspapiere und 
PBrivaturfunden, gegen eine Gebühr. 

4) Darleihen auf rohe, geprägte oder verarbeitete edle Me⸗ 
talle, ‚Staatöpapiere, Bankactien (f). 


— 405 — 


5) Beſorgung von Zahlungen durch Anweiſung auf die 
Filialcaſſen (9). 

Die Erſchuͤtterung des Staates im Jahr 1848 hatte eine ſo 
ſtarke Verminderung des Baarvorrathes zur Folge (A) und die 
Bank mußte der Regierung ſo anſehnlichen Beiſtand leiſten, daß 
am 31. Mai die Annahme der Noten um ihren vollen Nenn⸗ 
werth befohlen (Zwangscurs), die Ausgabe von 1 und 2 fl. 
Noten angeordnet und die Einlöfung auf Summen bis 25 fl. 
befchränft wurde. Dieß 309 eine Vermehrung der umlaufenden 
Notenmenge nad) ſich (i), und da zugleich verfchiedene Arten 
von Staatöpapiergeld hinzufamen (k), fo ſank diefed fammt ben 
Noten gleihmäßig unter Bari, womit eine Erhöhung der Waa⸗ 
renpreife verbunden war (N). 

Die Gefchäfte beforgen 12 Directoren unter einem vom Kaifer 
ernannten Gouverneur und einem Stellvertreter defielben, unter 
Mitwirkung zweier Faiferl. Commiffare, und mit Ueberwachung 
duch die jährliche Verfammlung des Ausfchufles von den 100 
Actionären, welche die meiften Actien befiten. 


(a) De Tengoborski, Des finances et du credit public de l’Autriche, 
I, 70 (1843). — Ezörnig, Tafeln zur Statiftit d. öfter. Mon., 
1846 (Nadhrichten bis 1842). — Neue Statuten vom 1. Juni 1841 
fammt dem Reglement. | 

(6) Da die übergebenen 1000 fl. zu einem Gurfe von 50 Proc. angenom: 
men werten fönnen, fo beftand die Einlage aus je 600 fl., wofür eine 
Dividende von mindeflens 30 fl. zugefihert wurte. Die vom Staate 
bezahlten Zinfen für das eingelößte Papiergeld verichafften fchon eine 
Einnahme von 1265525 fl. 1853 wurde befchlofien, das Bantcapital 
duch Abgabe von 49379 Liegen gebliebenen Actien zu verflärfen, in: 
bem man fie den bisherigen Theilnehmern zu 800 fl. überließ. 

(o) Nachdem für Diele Einlöfung verſchiedene Mege eingeſchlagen worden 
waren, begann 1820 die Ginziehbung um einen Curs von 250 gegen 
100 in Bankfcheinen, wofür die Bank verzinslide Staatsſchuldſcheine 
erhielt. Am 30. Suni 1846 waren nur nodh 8 Mill. fl. uneingelöft, 
von denen ein Theil verloren Kegangen fein mag. Die ganze eingezo- 
aene Summe war 441!/; Mill. fl! — Seit 1822 discontirt die Bank 
Anmweifungen ber Gentralftaatscafie auf einzelne Landescafien. Der Zins 
derfelben wurde 1834 auf 3 Proc. herabgefegt und feit 1842 giebt die 
Banf auh aus Staatsauftrag dieſe au 3 Monate laufenden Caſſen⸗ 
anweilungen an Privatperfonen ab. 

(d) Im Jahre 1841 wurde die Banf vom Finanzminifterium zur Borfiht 
ermahnt, um nicht einzelnen Häufern durch unbeichränftes Discontiren 
eine Gelegenheit zu Schwindelgeihäften zu geben, Tengoborsfi 
©. 85. Ein Ddiscontirter Wechſel betrug durchſchnittlich 1845—52 
4620 fl., 1852 nur 2090 fl. 

(e) Der Betrag bdiefer Umichreibungen (revirements) war 1843 138 Mil. fl., 
1845 197 Mill., 1849 nur 47%, Mil, 1852 wieder 191 Mill. 


.— 406 — 


(I) Zinsfuß bei Darleihen auf Stantöpapiere feit 1833 4 Proc, auf Gold 


9) 
(9) 
() 
(k) 


(d) 


und Silber 2 Proc. 

Die Gebühr if gering, höcftens ?/s Proc. (nah Hermannſtadt), mins 
veRens ?/s p. m. (nah Brünn, Gratz und Ting). 

Hiezu trugen vorzüglich die Geldſendungen nach Italien bei. Der Baar⸗ 
vorrath war Ende 1845 95 Mill. fl., im Juni 1848 nur 20 Mil. 
Der Betrag derfelben war bis dahin nicht befannt und es waren deß⸗ 
halb fehr irrige Meinungen von der Groͤße der Summe entflanden. 
Sie war zu Ende 1847 an 219 Mill. fl., 1848 an 233 Mill., 1850 
255 Mil., 1852 193 Mil. fl. 


Im Mai 1850 betrug vieles 115%/, Mil. fl., die Bankſcheine beliefen 
—RX 240 Mill. Der Zwangscurs drängte das Silbergeld aus dem 
Umlaufe. 


Der Augsburger Wechfelcurs war im April 1851 133%, f., nämlich 
foviel fl. Papiergeld gegen 100 fl. Silber, im Februar 1853 war er 
10978, aber der ruſſiſche Krieg verfchlimmerte ihn wieder. Bu Anfang 
1855 fland das Papier zu 126—27 Proc., im Juni 483. Man hat 
fhon einen beträchtlichen Theil des Staatepapiergekbes eingezogen, 
aber die Binlöfung der Moten bat noch nicht wieder angefangen. 
v. Hauer, Polit. ſtatiſt. Ueberfiht der Beränderungen ı. S. 320. 
Ueberi. für 1851—52 S.12, Neuere Ueberf. S.126. — v. Ezödrnig, 
Oeſterreichs Neugekaltung ©. 247 1858. — Der italienifche Krieg im 
3. 1859 verfchlimmerte den Stand des Staatshaushaltes. Das Sinken 
des Papiergeldes dauerte fort. Im April 1861 war der Wechſelcurs 
in Sranffurt auf Wien 77'/, fl. flatt des Pari von 116%, was ein 
Aufgeld von 50 Proc. aufSilber anzeigt. Die Berathungen im Reiches 
tage zogen aber eine günftige Wendung nad fih. Das Bankgeſet v. 
27. Dec. 1862 bahnte den Weg zur Verminderung der Schuld des 
Staats an die Bank und der Motenmenge. Neue B. Statuten v. 
10. San. 1863: Berlängerung des Privilegiums bis 1876. Bank⸗ 
capital zu 110% Mil. fl. feftgefeht, in 150000 Aetien zu 733fl. Die 
Beneralverfammlung befteht aus den öfterreihifchen Actienbeflbern, 
welche mindeftens 20 Actien auf ihren Namen haben. Sie wählt die 
12 Directoren und den Ausfhuß von gleicher Zahl der Mitglieder, die 
neegierung ernennt den Gouverneur und den Banfcommiflar. Die 
Groͤße des Baarvorrathes wird von der Direction beflimmt, wenn fedoch 
die Notenmenge 200 Mill. überfleigt, fo muß der Mehrbetrag durch 
einen gleihen Metallvorrath gedeckt fein. Die Einlöfung der Bank⸗ 
Scheine foll 1867 wieder anfangen. Wufgeld im Zul. 1863 g. 12 Proc. 
Vgl. Wagner, Die Herſtellung der Nationalbanf, 1862. 


Die discontirte Summe war im Durchſchnitt 1818-24 24'1/; Mil., 
1825—35 941 Mil., 183646 277 Mill., 1847—52 346 Mill., 
1854 325 Mill. fl.; die auf Fauſtpfaͤnder geliehene Summe betrug im 
D. 1827-43 29 Mill., 1844—52 81 Mill., die Dividende 1827—47. 
78 fl., 1848—52 nur 67 fl., 1854 50 fl. Die Uctien galten 1847 
egen 1580 fl., zu Anfang des Jahres 1855 gegen 1020 fl. (In 
ankfurt wird der Preis in Gulden des 24/5 fli⸗Fußes (Silber) aus: 
gedrüdt. 1026 fl. Papier zu 126 machen 809. fl. Silber = 991 fl. 
des 24'/2 fl.s$., der Curs in Frankfurt war 960.) 


$. 317. 
Auch die Banken zu Stodholm (a), Kopenhagen (d), 


St. Petersburg (ec) beftätigen durch ihre Geſchichte die 


— 407 — 


obigen allgemeinen Saͤtze ($. 304 ff.), denn ſie vermieden nicht 
eine folche Vermehrung ihrer Noten, wodurch der Curs .berfelben 
gegen Münze herabgebrüdt, die Waarenpreife erhöht und nach⸗ 
tbeilige Folgen für den Verkehr hervorgebracht wurden. Die 
nordbamericanifchen Breiftaaten hatten eine von ber 
Gentralregierung privilegirte und mit ihr in Gefchäftsverbindung 
ftehende Hanptbanf (bank of the United States) zu Philadel- 
phia, welche aber 1836 diefe Eigenfchaft verloren hat und 1842 
zufolge ihrer fehlerhaften Verwaltung untergegangen ift (d). 
Die zahlreihen Banfen in ben einzelnen Staaten ber Union 
haben fortwährend durch leichtfinnige Darleihen, übergroße Zettels 
vermehrung und andere Fehler fowohl ſich felbft gefährdet, 
ald dem Veifehre vielfachen Schaden zugefügt, weßhalb man 
neuerlicd bemüht ift, wieder mehr Münze in Umlauf zu bringen 
und die Menge ber Banknoten zu befchränfen (e). In der 
neuften Zeit wurden in @uropa viele Zettelbanfen errichtet, 
namentlich in Deutfchland außerhalb Defterreih (f), in der 
Schmeiz (9), in Italien (Ah), zu Amſterdam (i), in Bel 
gien(k), zuDdrontheim(d), zu Liffabon(m), Mapdrid(n), 
Warfhau (0), Athen (p). Im anderen Erbtheilen find 
außer ber norbamericanifchen Union noch die Bank zu Rio- 
Janeiro (g), die zahlreihen Banfen in Britifch» Oftindien, 
Canada, Auftralien, Jamaika, Mauritius, auf dem Cap, ferner 
auf den franzöfifhen Infeln Guadeloupe, Martinique und 
Reunion, in Algier und Java zu bemerken. 


(a) Schon 1656 wurde ge Wechſelbank errichtet, welche au das Giro⸗ 
geichäft betrieb, und gleichzeitig eine Leihbank. Nachdem jeme fchon 
1661 angefangen hatte, Grebitfcheine auszugeben, wurde 1700 die 
Ausgabe von „Transportzetteln” eingeführt, ale wahren Banknoten. 
1735 begann fle auf Grundſtuͤcke und Gifenvorräthe zu leihen, welches 
fo Häufla geihah, daß die umlaufende Notenmenge allmählig bis zu 
600 Mill. Kuvfertbaler flieg und die blos in Kupfermünze zahl: 
baren Noten viel im Curſe gegen Silbergeld verloren. 1762 galten 
eft 27 Kupferthaler 1 Thaler Hamburger Banco, während 1738 der 
leßtere noch mit 9 Kupfer: oder Zettelthalern zu erfaufen geweien war. 
Die gewöhnlichen Störungen, welche foldhe gefunfene Papiere in der 
Volkswirthſchaft hervorbringen, blieben auch hier nicht aus. 1776 wurde 
die Umwechslung der Transportzettel gegen neue, in Silber zahlbare, 
in Reihethalern Species ausgedrüdte Banknoten angeordnet und dieler 
Thaler 18 älteren Kupfers oder Bapierthalern gleich geſetzt. Die neuen 
Noten konnten fich ebenfalls nicht in Pari gegen Münze halten und 
wurden von der Bank nicht eingelöfl. Sie Gatten deßhalb fein feſtes 
Perhältnig zum Silbergelde und gegen das Ausland einen ſehr vers 
änderlihen Wechſelcurs. Der Reichetbaler Silber von 48 Schill. 


(6) 


— 40 — 


(9,1% auf die köln. Mark) galt 1824 130 Schill. Papier, 1829 nur 
128, 1832 aber 145 oder ungefähr das ZIfache, Ipäterhin wieder 
123 I5Hil., nach welchem Verhaͤltniß auch die Ginwechslung erfolgen 
follte, wenn der baare Vorrath ber Bank 5/5 der Zetlel betragen würde. 
(Gef. v. 1830.) Dies geſchah 1834. Zu Ende 1852 Hatte die Banf 
22% Mill. Thlr. Banco umlaufende Zettel, welche im Verhaͤltniß 
8 zu 3 gegen 8,° Mill. Thlr. Silber ausmahten, und einen baaren 
Borrath von 5 Mill. Thle. Neben dieſer Staatebant hat Schweden 
noch 6 Privatbanten. Hübner, IL, 422. 


Die Gründung der Kopenhagener Affignationss und Leih⸗ 
bank fällt in das Jahr 1736. Später (1760) wurde fie von 5000 
auf 6000 Actien zu 100 Thlr. gebraht. Schon 1757 wurde ihr ers 
laubt, nicht über 10 Thlr. vorgelegter Noten baar bezahlen zu dürfen 
und diefe wurden gefeßlich als Zahlungsmittel erklärt; man BT. Zettel 
bie auf 1 Thlr. herab aus und vermehrte fie bis gegen 11 Mil. Thlr. 
(23 Mil. fl... 1773 übernahm der Staat die Bank und zahlte die 


Actionaͤre ab. Die Zettel fielen, ale fie bis auf 16 Mill. Thlr. an⸗ 


wuchſen und alle Münze aus dem Lande drängten. Der Wechſelcurs 
nah) Hamburg von 1789 (1591/, Thlr. Bapier für 100 Thlr. Hamb. 
Banco, während in Silber das Pari 1221/. war) zeigt, daß die Bank⸗ 
fheine auf 76 Proc. gefunfen waren. 1791 wurde verordnet, daß die 
ältere Bank feine neuen Zettel mehr auegeben dürfe und e6 wurde dafür 
eine daͤniſche und norwegifhe Speciesbank, mit 6000 Netien 
zu 400 Thle. Species (1033 fl.) geftiftet, deren Noten in Münze oder 
in älteren Betteln nad dem jedesmaligen Gurfe zahlbar waren. Ihre 
Beſtimmung war das Leihen auf Pfänder, aud ein Girogeſchaͤft. Indeß 
fonnten fih die neuen Zettel nicht in dem vollen Breife erhalten, die 
Münze verfhwand bei dem Sinten ber Zettel, fo daß man biele Bis 
zu 24 und 8 Sailling (96 auf den Thaler) ausfertigte. Sie ſanken 
zulegt mit denen der älteren Bank ungeheuer, da fie bis auf 141 Mill. 
Rthlr. angewachſen waren. 1813 wurde befchloflen, eine neue Reichs: 
banf zu errichten, deren Noten kuͤnftig das einzige Papiergeld bilden 
und nicht über 46 Mill. in neuen Reichsbankthalern (18%. auf die 
Eöln. Mark fein, alfo 60919000 fl.) betragen follten. Bon dieſen 
Noten wurden 27 Mil. Thlr. zur Ginlöfung der älteren Zettel nad 
einem niedrigen Curſe (6*/40), 15 Mill. für die Staatscaffe, 4 Mill. zu 
Banfgeichäften beſtimmt. Die neuen Zettel erreichten nad einigen 
Jahren das Pari mit Münze. Sehr eig@pümlich war die Art, das 
Stammpermögen bdiefer Bank zufammenzubritigen, indem ihr eine For: 
derung an die Örundeigner von 6 Procent des Mittelpreifes aller Grund: 
flüde beigelegt wurde (Banfhaft, — alfo eine außerordentliche 
Grundfleuer), deren Betrag bis zur Abzahlung mit 61/e Proc. verzinft 
werden muß und fchwer auf den Grundeignern laftet. 1818 wurde die 
bisherige Reichsbank in eine Privatanftalt (Nationalbanf) um: 
gewandelt, deren Theilnehmer alle Grundeigner wurden, melde nad 
obiger Beſtimmung wenigſtens 100 Thlr. an die Bank zu bezahlen 
haben oder freiwillig einlegen. Dieb iſt das einzige Beifpiel einer 
Banf, welche durch erzwungenen Beitritt zu Stande fam. Der 
Wechſelcurs auf Kopenhagen fland in Hamburg 1827 noch 220, — 
1831—34 210, er fleht aber neuerlih auf 500, d. h. foviel bänifche 
Meihsbankthaler für 100 Rthlr. Hamb. Banco, alfo im Bari. 1845 
hat die Ginlöfung der Bankfcheine begonnen. 1852 war die Menge 
derfelben 20 Mill. Reihsbankthaler, der Silbervorrath gegen 7%, Mill. — 
Die ſchleswig-holſteiniſche Speciesbant, 1788 in Altona 
gegründet, als Leih⸗ und Discontobank mit Girogefchäft, erbielt ſich 
gut, fu daß bei ihrer Aufhebung 1813 ihre Noten nah dem vollen 


(«) 


— 409 — 


Betrage gegen Reichsbankzettel einloösbar erklärt wurden. Büſch, 
Schriften uͤber Banken und Münzw., S. 436. — Voß, Zeiten. 1813 
Mai und Juni. — Storch, III, 125 und Zuſ. 172. — Hübner, 
II, 147. 207. 


Die Affi gratenbant zu St. Petersburg, eine Staatsanftalt, ent: 
fland 1768. Ihre Noten (Affignaten) wurden nur gegen Kupfer 
muͤnzen eingelöft, wodurch fie für den Verkehr fehr unbequem wurden, 
nicht blos wegen ber großen Veraͤnderlichkeit im Preife des Kupfers, 
fondern auch wegen der Beichwerlichfeit des Transportes und des Zaͤh⸗ 
lens großer Summen und wegen der auf das Ginfchmelzen oder Aus⸗ 
führen der Kupfermünze geſetzten Strafen. Doc fanden die Aflignaten 
eine Zeit lang nahe am Bari, bis 1786 mit der Bank eine Leihanftalt 
verbunden wurde, weldhe auf Brundftüde lieh, und bis mehrere Kriege 
zur Ausgabe großer Duantitäten von Noten Beranlafiung gaben. Das 
Steigen der Preife aller Waaren gegen die Aflignaten mit feinen traus 
rigen Folgen für mehrere Volksclaflen, das Berfchwinden der Silber: 
münze aus dem Umlaufe, die Verwirrung im Berfehre, ftellten fich auch 
bier ein. Das Sinfen - der Aflignaten (Bapierrubel) gegen Silber: 
geld zeigt fein feſtes Berhältnig zur Vermehrung ihrer Quantität, d. 5. 
das gefunfene Papiergeld vertrat in feiner Sreisfumme nicht immer 
gleich viel Silber, was man aus der fortdauernden Ausfuhr des letzteren 
erflären fann. Es war nämlich 





Summe: der Curs |Betrag in Silber nad 

Affignaten. berfelben |dem jedesmal. Eurfe. 
1791 u. 92 94800000 R. 80 75.640000 R. 
1794 — 96 105:700000 ⸗ 70 13°990000 ⸗ 
1807 — 09 464300000 : 551/5 256912000 = 
1810 577000000 ⸗ 33%/; 192333000 = 
1817 836000000 ⸗ 25%, 210672000 = 
1824 595776000 ⸗ 25%/8 151°922882 s 


1825 fam der Curs auf 26°, (nämlich 374 Bapierrubel für 100 Rub. 
in Silber), 1839 wurde er auf 350 für 100 Silber feftgeftellt. Die 
595 Mill. Aflignaten wurden feit 1843 um jenen Preis (9/7) gegen ein 
neues Papiergeld, die Reihscreditbillets, umgetaufcht, welche 
vermöge eines anfehnlichen Baarvorraths dem Silber glei fliehen. 
Merfwürdig if, daß hiebei 12287000 R. nicht zum Umwechſeln vor: 
gelegt wurden, alſo verloren gegangen waren, aber dagegen 6857000 R. 
nachgemachte Afignaten zum Borfchein kamen. Die Reichsbank bat 
zwei Abtheilungen. 1) Die Leihbank, weldhe auf Hypotheken leiht 
und dazu auch Gapitale vom Staate, von öffentlihen Anftalten und 
von Privaten aufnimmt, hatte zu Anfang 1853 326%. Mill. R. auss 
geliehen, ihr eigenes Vermögen betrug 121/, Mill. N. (Aufgehoben 1860.) 
2) Eommerctalbanf, teit 1818, welche Wechſel Ddiscontirt und 
dur Anweilungen Zahlungen an anderen Orten beforgt, auch Bor: 
fgüfle auf Waaren giebt, ferner Umfcreibungen vornimmt. Sie hat 
Gomptoire in mehreren Städten. Ihr Gapital if 8571000 R., womit 
fie im Jahre 1852 26 Mill. discontirte. Es waren 186 Mil. R. 
bei ihre verzinslih angelegt. Stord, II, 128 und Zuf. 174. — 
Cohen, Comp. of finance, Doc. S. 135. — Dede, D. Handel des 
rufl. Reihe, 1844, ©. 68. — Hübner, II, 218. 

Die ältere, den ganzen Bunbdesflaat umfaflende Banf (im Orgenlapt 
der Provinzialbanten) wurde 1791 auf 20 Jahre mit 20 Mill. Doll. 
Capital geftiftet und hörte deßhalb 1811 auf. Die neuere wurde 1816, 
abermals auf 20 Jahre, errichtet, mit 35 Mill. Doll. (wovon 28 Mill. 


(e) 


— 40 — 


in Staatöpapieren) in Actien zu 100 Doll., wovon der Staat felbft 
Us nahm. Die Bank discontirte, lich auf Fauſtpfaͤnder und trieb Handel 
mit Müngmetallen, durfte aber hoͤchſtens 35 Mill. Noten über den 
Betrag der eingelegten Summen ausgeben (alfo nit über 79 Mil. 
zuf.) und dem Staate nicht über 500000 Doll. leihen. Die Ders 
wirrungen begannen, als im Sabre 1833 der Bräfldent der Union 
Sadfon beſchloß, daß die Staatögelder nicht mehr bei der Gentral- 
bank, fondern bei den Banken in den einzelnen Staaten niebergelegt 
und von diefen flatt jener die Zahlungen für die Staatscafle übermadt 
werden follten. Der nächfte Grund hievon lag in einer ber Berfon 
und den politifhen Anfichten tes Präfidenten Sadfon eatgegengeiehten 
(mehr aritofratifchen) Richtung der Bankvirection , melde Flugſchriften 
in ihrem Sinne veranftaltet hatte, doch ſcheint die Bank aud parte 
begangen zu haben. Die Feindſeligkeit ftieg feitbem. Als am 3. März 
1836 das Privilegium der Bank of the U. 8. ablief, befien Erneuerung 
der Präfident verhindert hatte, wurde die Bank von dem Staate Benn- 
folvanien ale Provincialbanf (Btate-bank) aufrecht erhalten. Ihre Ver⸗ 
waltung war nicht fehlerfrei, vielmehr Tieß fie fih in gewagte Unter: 
nehmungen ein, wohin vorzüglich ungeheure Auftäufe von Baumwolle 
aehörten. Sie gerieth daher mehrmals in Berlegenheiten. Nach der 
Zahlungseinſtellung im Sabre 1837, für welche die Entziehung der 
Staatögelder ale Entihuldigung geltend gemacht wurde, mußte fie 
1839 und 1841 abermals bie Bablung ausfegen (Rau im Archiv, 
IV, 376) und endlich 1842 fich auflüfen, woraus für die Actienbefiger 
roße Berlufte entflanden. — v. Raumer, Die vereinigt. St. von 
Rorbamerica, L, 361. 1835. _ 


Im Sabre 1830 wurden 320 Provincials oder Staatenbanken gezählt, 
mit 61 Mill. Doll. Noten. Sie vermehrten fi in Folge ber von der 
Megierung gegen die Banf der verein. St. ergriffenen Maaßregeln, fo 
daß 1836 ſchon 557 mit 140 Mil. Doll. Scheinen, 1839 850, 1854 
fogar 1208 Banken (Filiale mitgezäblt) mit 204% Mil. Doll. Noten 
und 59,8 Mill. Doll. Baarfchaft beftanden. Zu Anfang 1859 zählte 
man 1476 Banken mit 402 Mil. D. Capital, 193,3 Mil. Noten und 
104,5 Mill. D. Baarvorratf. Hunt, Merch. mag. XL, 466. Der 
Bruch einzelner Banken ereignete ſich ziemlich häufig, weßhalb die Ans 
ahl derfelben ftets wechielte und die ungleiche Dienge des umlaufenden 

eldes flörend wirkte. Die Berpflihtung zum Binlöfen der Roten gab 


einen hinreihenden Schuß, indem bisweilen die Roteninhaber durch 


Einfchũchterung abgehalten wurden davon Gebrauch zu machen. Die 
Berfügung der Regierung, daß die Steuern und die Kaufgelder für 
Landfäufe in Münze oder in Zetteln einer ben gefauften Ländereien 
nahe gelegenen, ihre Noten puͤnctlich einlöfenden Bank entrichtet werben 
müflen (treasury-order, vom 11. Juni 1836), in Berbindung mit der 
Anhäufung eines der Union gehörenden, 1837 zu vertheilenden baaren 
Borrathes, brachte eine große Geldverlegengeit hervor, während ber 
Disconto auf 20—30 Proc. und no höher flieg, und fortwährend 
ſtarke Sendungen von edlen Metallen aus Europa eintrafen. Saͤmmt⸗ 
liche Banken tegten im Sommer 1837 einige Zeit ihre Cinlöfungen 
aus, und die Regierung mußte ihnen zur NRudzahlung der hinterlegten 
Gelder Friften vergönnen. 1839 tant eine neue Berlegenheit ein, e6 
brachen viele Banken und nur ein Theil der übrigen vermodte die Cin⸗ 
Löfungen fortzufegen. Die leichtfinnigen Unternehmungen 3. B. im Ans 
kaufe von fremden Waaren und von Bauplägen, und das Aufborgen 
vieler europäifcher Gapitale wurden durch Die Menge der mit einander 
woetteifernden, zum Theil ohne gehöriges Stammvermögen errichteten 
Banken ſehr begünfliget. Es entſtanden große Berlufte, und die öftere 


— 414 — 


Wiederkehr ſolcher Erſchuͤtterungen machte das Beduͤrfniß befferer Siche⸗ 
rungémittel gegen den Mißbrauch des Credites ſehr fuͤhlbar. Die 
Meinungen waren hierüber getheilt: die Binen (wie Jackſon) wollten 
die Banknoten mehr und mehr aus dem Umlaufe verdrängen, bie 
Anderen erwarteten von einer gut verwalteten Hauptbant Huͤlfe. Ber: 
fchiedene Staaten verboten die Kleinen Roten. — 1843 trat wieder eine 
beträchtliche Zufuhr von Münzmetallen aus Guropa ein, welche nad) der 
Berminderung der umlaufenden Noten deren Stelle erſezten. Nod 1845 
beflagte Bolt, DaB die unverzinslich bei den Banfen hinterlegten 
Staategelber nit ſicher ſtäuden. 1838 gab der Staat New:Dorf das 
Beifpiel einer weiter gehenden Beauffichtigung. Jede neu zu erridhtende 
Bank muß ein in guten Schuldbriefen beftehendes Capital aufbringen 
und die auszugebenden Banficheine dürfen den Betrag diefes Capitals 
nicht überfteigen, weßhalb fie von einem Staatsbeamten unterzeichnet 
werden müflen. In mehresen Staaten ift neuerlich angeordnet werden, 
daß die Noten bie zu dem Belaufe des Bürgfchaftscapitale der Banf von 
einem Staatöbeamten eingenhändigt werben, daß bei der DBerweigerung 
des Einlöfens die Noten durch Berfauf der hinterlegten Schuldbriefe 
bezahlt und die Geſchaͤfte eingeftellt werden, 3. B. Connecticut und 
Indiana 1852, Louifiana 1853. Diefe Maaßregeln geben indeß Feine 
volle Sitherheit, weil die Banken noch andere Schulden machen koͤnnen 
als durch Notenausgabe, namentlich vermittelt der Annahme von Gin 
Ingen (deposite).. Im Jahre 1854 fiellten 85 Banken von Indiana 
ihre Zahlungen ein und ihre Scheine fanfen auf 25 Proc., überhaupt 
brachen 107 Banken in jenem Sahre, ald man ſum Behufe der Münz- 
ausfuhr die Binlöfung ungewöhnlih häufig begehrte. Zufolge der 
Krifis von 1857 ſank 1858 die Notenmenge auf 155 Mil. Doll. — 
Hunt, Merchants magas. XXXI, 716. XXXII, 353. — W. Gouge, 
A short history of papermoney and banking in the U. St. Philad. 
1833. — Mohl in Rau, Archiv, II, 382. — Mac⸗Culloch, 
I, 117 u. Supplem. ©. 64. 


(f) Preußen. 1) Bank der pommerifchen Ritterihaft zu Stettin, 1824, 
eine Privatanflalt, an ver nur Gutsbeſitzer Theil nehmen koͤnnen. 
Stammvermögen 1 Mill. Thaler in 250 Nctien, daneben wit einem 
Betriebscapitale von 25000 Thlr. Es wurden nur für 1 Mill. Thlr. 
Bankſcheine (von 1 und 5 Thlr.) gemacht, welche den Theilnehmern, 
fowie dieſelben Aetien bezahlten, eingehändigt wurden. Die &efchäfte, 
z. B. Discontiren und Leihen, fonnten daher nur mit bemjenigen 
Theile der baar eingelegten Summen betrieben werden, welcher nicht 
zur Binlöfung vorräthig gehalten werden mußte. Der Gewinn follte 
fo lange zum Stamme geſchlagen werden, bis dieſer auf 2 Mill. an- 
gewachſen wäre, f. Statuten und Gefellfchaftevertrag der pomm.s 
ritterfch. Privatbank. Berlin 1824. — Neue Statuten, 23. Jan. 1833. 
Der Fond darf auf 2 Millionen gebracht werden (ift aber nır auf 
1896500 Thlr. gelommen). Die Actionäre erhalten 4 Proc. Zinien, 
vom Meberfhuß werden %5 ebenfalls vertheilt, */, kommt zum Referve: 
fond. Neueſte Statuten 24. Aug. 1849. 1853 betrug die Summe der 
diseontirten Wechfel 21%, Mill. Thlr., der Pfanddarleihen 6, Mill., 
Zins und Dividende 33%, Proe. — 2) Preußifhe Bank. Die Ber: 
liner Bank, eine Staatsanftalt, war 1765— 68 eine Girobank, 
1766 begann fie Discontos und Leihgeichäfte. Sie erhielt viele Capitale 
von Stiftungen und Minderjährigen zu 2—2!/s Proc. Zins und betrieb 
damit ihre Gefchäfte. Nach Cabinets⸗Befehl vom 11. April 1846 wurde 
Re ermächtigt, Bankicheine auszugeben und ihr Capital durch Ausgabe 
von Actien zu vergrößern, zuerſt 10, jegt 15 Mil. Thlr. in Actien zu 
1000 Thlr. Der Cinſchuß bes Staates iſt 1876000 Thlr. Yür 


[2 


— 412 — 


bie Scheine (bis 1856 hoͤchſtens 15 Mill.) fol ts ihres Betrages 
baar oder in Silberbaren vorräthig fein. Diele „preußiihe Bank““ 
bat Filiale in vielen Provincialtädten. Im Jahre 1853 wurden von 
ihr 61,8 Mil. Thlr. Wechfel discontirt und 68 Mil. auf Pfänder 
ausgeliehen. 1859 war die Notenmenge 75 Mill., der baare Borrath 
52,8 Mil. Thlr., Sins und Dividende waren 6 PBrocent. — 3) Staͤd⸗ 
tifhe Bank zu Breslau, Sapungen vom 10. Juni 1848. Roten 
bis zu 1 Mill. Thlr., wovon !/5 dur Baarfchaft, %s durch Berfchrei: 
bungen verbürgt. — 4) Bank des Berliner Caſſenvereins, nad 
Gef. v. 15. April 1850 errichtet. Das Actiencapital iſt 1 MIN. Thlr. 
Kleinſte Scheine 10 Thlr. (micht über 100000 Thlr.), fodann von 
20 Thlr. (ebenfalls nur 100000 Thle.), von 50 Thle. (nicht über 
300 000 Thlr.), 100 und 200 Thlr. Gin Drittel der Notenmenge muß 
in Münzmetall, ein zweites in folchem oder discontirten Wechſeln gedeckt 
fein. Notenmenge an 1 Mill. Thlr., baar Ende 1859 1,6 Mill. dies 
eontirt 1860 121/, Mill., ausaelichen 4,6 Mil. — 5) — 9) Banken in 
Pofen, Magdeburg, Danzig, Köln, Königsberg. 


Baierifhe Bank, Gel. v. 1. Juli 1834. 9/5 der Fonds müflen 
zu Anleihen auf Grund und Boden. %, dürfen zu Bank: und Wechſel⸗ 
efchäften verwendet werden , die Notenmenge darf diefe */s nicht über: 
eigen und auch nicht mehr als 8 Mill. fl. betragen. as des Rotens 
betrages muß durch bdonvelte Hypothek, */s wenigftens durch baaren 
Vorrath gededt fein. Die Noten dürfen nicht unter 10 fl. ausgeſtellt 
werden. — Statuten vom 15. Juni 1835. Mnfänglihes Capital 
10 Mill. fl., erhoͤhbar bis 20 Mil. Das Privilegium dauert 99 Jahre. 
Sig zu Münden, Filial zu Augsburg. Jede Actie (von 500 fl.) ers 
hält zunaͤchſt 3 Procent Jahreszins und 4 des weiteren reinen Ge⸗ 
winnfles, der Reſt bildet den Hülfsvorrath. Die Noten werben bei 
den Staatscaffen angenommen. Geſchaͤfte: 1) Anleiben auf Hypotheken, 
bis zur Hälfte des ermittelten Merthes, in Summen von mindeftens 
500 fl., mit Tilgung in einer Seitrente, hoͤchſtens 1 Broc. jährlich 
nebft 4 Proc. hoͤchſtens Jahreszins ; 2) Discontiren von Staatspapieren 
und Zinsfheinen (Coupons), wenn fie binnen einem halben Jahre fällig 
find, von Wechſeln mit 3 Unterfchriften, ferner von Solawechſeln gegen 
ein Unterpfand in Waaren, Pretiofen und Staatspapieren: 3) Dar 
leihen auf Staatepaviere (bis 90 Proc. des Tagescurſes), Banfactien, 
gemungtes und rohes Bold und Silber ; 4) Eröffnung eines Gredites 
zum Umfchreiben (Birogefchäft) gegen baare Hinterlegung einer Summe ; 
5) Annahme von Münzen, rohem Metall, Bretiofen, Urkunden ıc. in 
Verwahrung ; 6) Lebensverfiherung, nach den Grundbeflimmungen vom 
5. Mai 1836; 7) es ift mit der Bank auch eine Nentenanftalt ver: 
bunden, Sagungen vom 22. Wug. 1839 ; ferner, 8) eine feuerverfiches 
rung für bewegliche Habe, Grundbeſt. vom 20. April 1836. _ Das 
Actiencapital ift bis auf 20 Mill. fl. erhöht worden. 1853 betrug 
bie auf Hypotheken ausſtehende Summe 9-6970n0 fl., das Leihgeſchaͤft 
10,7 Mill. 1852 die Discontiruna 4,2 Mil. Die ausgegebenen Noten 
beliefen fih auf 8 Mil. fl., die Dividende auf 6/5 Proc. 


Sachfen. Leipziger Bank feit 1838. 3 Mil. Thaler 
Capital. Die Baarfhaft muß mindeflens *;s der Moten fein, deren 
Summe 1859 10% Mil. Thlr. war. — Stadtbant in Chem: 
nitz feit 1848, mit Greditfcheinen au 1 Thle. — Landftändifche Banf 
zu Bautzen, feit 1844, mit Dedung der Noten durch !/s baar. 


Medlenburg. Roſtocker Bant, feit 1850, I Mil. Thlr. Noten 
im Jahre 1859. 


Deffauifhe Bank, 1847, 4 Mil. Thlr. Actiencapital. Baar: 


(9) 


(%) 


(9 


(X) 


— 43 — 


fhaft nicht unter */s der Noten. Diefe beliefen fih 1859 nur auf 
160000 Thlr. Mebler Bermögensftand. 


Die Naffauifche Landesbank (Staatsanftalt) Hat nur Leihgefchäfte, 
ſ. I, €. 113 0). 


Im Jahre 1853 wurden Zettelbanfen erritel zu Braunfchweig 
(e Mill. Thlr. Kapıtal), Weimar (5 Mill. Thir., giebt auch Vor: 
hüfje zur Ablöfung grundherrlicher Lanen), Gotha. 1854 in Frank⸗ 
furt. Diefe hat einftweilen 10 Millionen f. Actiencapital, darf feine 
Darleihen aufnehmen, feine Gewerbeunternehmungen unterflügen, an 
feiner Staatsanleihe Theil nehmen. euere B. in Bremen, Darm: 
ftadt, Gera, Hannover, Homburg, Lübed, Weiningen, 
Sondershaufen. 


1833 Berner Banf, eine Staatsanflalt, für Anlegung der Staat: 
gelder beſtimmt. Banffcheine bis zu 2 Dill. franz. Fr., zu 20, — 
50 und 100 Fr., einlösbar bei der Bank und bei den öffentlidyen Caſſen, 
foweit deren baarer Borrath und bevorftehende Zahlungen es erlauben; 
Mathy in Rau, Archiv, IV, 69. Neue Statuten 1846. — 1836 
Bank zu Zürich, 1/s Di. fl. eingezahites Actiencapital. Rau, Ardiv, 
VI, 308. — St. Gallen, — 1845 Baſel, an ber Stelle der 
älteren Giro: und Depofttenbant, Laufanne, Senf, Luzern x. 


Neue Bank beider Sicilien, 1808. — Rom, 1834. Nad der 
Zahlungseinſtellung im Jahre 1848 und der Meugeftaltung der Banf 
1850 wurde 1854 die Ginlöfung der Noten wieder angefangen. — 
Bank zu Genua 1844, zu Turin 1847 errichtet; beide verihmolgen 
1849; im Jahre 1850 41 Mill. Zr. NRotenumlauf. — Savoyiſche B. 
in Annecy und Chambery, 18551. Benvenuti e Meneghini, 
Manusle del citadino degli stati Sardi,1, 366. — Bank in Livorno, 1837. 


Niederlänpifche Bank feit 1814 mit einem Gapitale von 5 Mitt. fl. 
in Nctien zu 1000 fl., von denen der König boo übernahm. 1819 
wurde das Gapital verdoppelt, ſeit 1841 beftcht es aus 15 Mil. fl. 
Der Baarvorrath if fortwährend größer als der Notenumlauf, 3. B. 
zu Gnde 1853 war jener Yu, dieſer 77 Mill. fl. 


1) Soeiôté generale pour faroriser l’industrie, geftiftet 1822 mit einem 
Bapital von 30 Miu. f. in 60000 Actien, dazu 20 Dill. fl. in Laͤn⸗ 
dereien, welche bie Geſellſchaft großentheile —E hat. — Noten waren 
bis zu dem Belaufe von 40 Dill. Fr. erlaubt, aber nur 12—15 Bill. 
wirklih ausgegeben. Außer den gewöhnlichen Banfgeichäften hat viefe 
Bank gegen 40 andere Gewerbsgeſellſchaften mit Vorſchuͤſſen unterſtuͤtzt 
und zugleich der Regierung als Staatscafie gedient, jür Y/4 Broc. Bros 
vifion. Die Ausgabe von Bankſcheinen hat 1850 aufgehört, f. Ar. 3. 
In diefen Jahre liefen für 32%, Mill. Gr. Noten um. — 2) Bei⸗ 

ifhe Bank zu Brüfiel, feit 1635; Capital feit 1841 30 Mill. Fr., 

oten zu 40—100U Fr., aber nicht über den Betrag des Gapitals der 
Geſellſchaft. Im December 1638 mußte die Bank ihre Eintöfungen 
einftelen, da fie durch zu flarfen Begehr von Münze in Bebrängniß 
gefommen war. Dieß rührte zum Theil von der Bejorgniß eines Krieges 
mit Holland her, indeß hatte auch dieſe Bank fid zuviel in verfchiedene 
gewerbliche Unternehmungen eingelafien. Sie erhielt 4 Mill. Vorſchuß 
von der Regierung und eine Imonatlide Zahlungsfrift, worauf fie alle 
Verbinpdlichterten erfüllte. Im Jahre 1848 geriethen diefe beiden Banken 
in Berlegenheit und wurden durch das Geſetz vom 20. März von der 
Ginlöjung entbunden, wobei die Noten Zwangscurs erhielten. Bei den 
Verhandlungen über die Aufhebung biejer Anordnungen wurde bes 
fchlofien, eine neue Bank zu errichten, zu deren Gunſten die beiden ges 


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— 44 — 


nannten Anfalten auf das Recht verzichteien, Roten auszugebews und 
Wechſel zu discontiren, und deren Actien vom ihnen Alemsmmen wur⸗ 
den. — 3) Nationalbant, Geſetz vom 10. Mai 1850, Gapital 
25 M. Fr. IhrHauptgeichäft it das Discontiren (1852 für 324M. Fr.), 
auch beforgt fie an der Stelle der Soc. göner. die Caſſengeſchäfte des 
Staats. Notenumlauf im Aug 1853 76,8 Mill. Fr., Baarſchaft 
a3: Mil. — 4) Lütticher Bank feit 1835, mit 4 Millionen; fie 
discontirt nicht, leiht aber auf Yaufls und Unterpfänder, auch gegen 
Beitrenten. Rotenumlauf 1850 nur 100550 Fr. — 5) Blanır (de 
Bank zu Gent, 1841, mit 10 Mill. Fr. Capital. Ente 1850 
waren 2.480.000. 7. Scheine ausgegebew, Situation de la Belg. EV, 175. 


Die norwegiſche Bank ging aus der daͤniſchen Reichsbank non 1813 
hervor. Sie war auf ein Actiencapital von 2 Mill. Species (gu 
2,%8 fl.) a welches aber langfam zu Stande fam. Da man 
die Scheine ohne Binlöfung vermehrte, fo Tanken fie anſehnlich. Erſt 
1842 famen fie wieder in Bari und die Ginlöfung begann. 1822 war 
ber Cure der Noten gegen Silber noch 170 gegen 100. Die Bank 
leiht Landwirten und anderen Gewerbsleuten zu 4 Proc. 1851 war 
die NRotenmenge über 5 Mill. The. 


Die Liffaboner Bank (feit 1822) Imat karl 2 zur Ginziehung 
des Papiergeldes beflimmt. 2000 Mill. R. (%/s des Stammvermögene) 
wurden der Regierung zufolge der Statuten in Banfnoten gegen 4 Proc. 
Binfen geliehen, um damit eine gleihe Summe von Papiergeld einzu: 
wechſeln und zu vertilgen. Balbi, Essai statistique, I, 331. 

December 1827 mußten die Zahlungen eingeftelt werden, weil es an 
Baarfchaft fehlte, doch fland die Bank nicht Ichlecht, fie hatte 1600 Contos 
de Beis (Millionen Reis zu 2829 fl.) Noten im Umlauf, dagegen 
waren 4785 C. in Metall, Papiergeld und Staatspapieren (leptere 
3000 ©.) vorhanden, auch erholte ſich fpäter die Bank wieder. Die 
Klage über die zu ayaufige Ausfuhr der Münzen ift ungereimt, weil 
das Ausgeben der Noten diefe Folge Haben mußte. Die Regierung 
lieg wirklih ein Münzausfuhrverbet ergehen! Abermalige Einflellung 
bei den Unruhen im uni 1846, in deren Folge die Noten auf 50 Proc. 
erabgefegt wurden. Neue Bank von Portugal, melde die älteren 

ten ummechfelte. 


Banf von S. Yernando, 1829 dur Umgeflaltung der Leihbant 
von ©. Carlos von 1782 gebildet. 1848 ei fie eine neue Ein 
rihtung. Ihr Sapital wurde 1851 auf 120 Milk. Me. gefept. Ende 
1852 Hatte ſie 103 Mill. Caſſenvorrath und 120 Mill. NRotenumlauf. — 
Auch in Cadiz beſteht ſeit 1847 eine Zettelbank, Hübner, IL, 263. 


Die polnifhe Bank in Warfchau feit 1828 if eine Staatsanflalt, 
deren Stammvermögen anfangs aus 30 Mill. poln. fl. befand, feit 
1841 aber aus 8 Mill. Rubel (53'/, Mill. fl.) beſteht. Sie ik zum 
Aueleiben beftimmt, zugleih mit der Schuldentilgung beauftragt. Era 
im Yebruar 1830 wurden Bankbillete im Betrage von 14 Dill. aus⸗ 
egeben, zu denen in der Revolution 1831—32 26 Mill. neue kamen. 
Sesiger etrag 40 Mill. Rubel. 


Seit 1841. Netien: Sapital 5 Bill. Dramen (zu 25 fr.). fs des 
Stammvermögens foll zu Darleihen auf Unterpfandsrechte und Pfänder 
verwendet werden, hoͤchſtens zu 10 Proc. Die Scheine follen nicht 
über Ys des Stammpermögens betragen und es foll %/, ihres Belaufs 
baar vorräthig fein. Ihr geringfler Betrag iſt 10 Dr. 1848 wurde 
die Bank der Verpflichtung zum Binlöfen uͤberhoben. Zu Ende 1861 
hatte fie 13/4 Mid. Dr. eine und 11/5; Mill. Haar. 


— 45 — 


(g) Seit 1808 vom König beftätigt als Banco do Brasil, zugleich Leih⸗ 

anftalt, Aſſecuranzgeſellſchaft c. Die Stiftung der Bank ſarß iſt einige 
Jahre fruͤher geſchehen. Sie wurde ſo ſehr von ber Regierung zu Vor⸗ 
ſchuͤſſen gemißbraucht, daß fie die uͤbergroße Menge ihrer Zettel nicht 
im Bari zu halten vermochte, und drängte die umlaufende Münze mehr 
und mehr außer Landes. Das Gold war fchon bis auf 230 Proc. 
gegen Papier geftiegen. Der Wechſelcurs auf London (fortwährend gegen 
34 Pence Sterling für 1 mille Reis, Pari gegen 51 oder fogar 53) 
deutet noch auf einen Goldpreis von 150 Proc. gegen Papier. Spir 
und Martius, Reiſe in Brafll. I, 130. — Ber. enc. Oct. 1829. 
©. 216. — 1829 erlofh diefe Bank und ihre Scheine wurden in 
Stantepapierged umgewechfelt. Rue Bank, 1853, auf Actien mit 
an Doll. Capital, auch zum Ginziehen des älteren Papiergeldes 
eftimmt. 


Viertes Buch. 


Berzebrung der Vermögenstheile. 


Erfte Abtheilung. 
Die Derschrung im Allgemeinen betrachtet. 


$. 318. 


Die Verzehrung der Güter ($. 68) vernichtet zwar bie 
Wirfung einer voraudgegangenen Erzeugung, ift aber nicht 
ſchon deßhalb für ein volkswirthſchaftliches Uebel zu halten. 
Nicht die bloße Anhäufung von Gütern, fondern der Nutzen, 
der aus ihnen fiir die menfchliche Gefelfchaft entjpringt, ift der 
Zwed der Wirthfchaft ($. 72). Erft durch den Gebrauch der 
Bermögenstheile entftehen jene perfönlichen Güter, zu, denen bie 
fahlidyen nur Hülfsmittel find. Die an den Gebrauch gefnüpfte 
Verzehrung ift daher eben fo nothwendig, ald die Hervors 
bringung. Beide Vorgänge ftehen in genauem Berbande, denn 
wie die Ausdehnung der Berzehrung durch die vorausgegangene 
Erzeugung bedingt wird, fo kann auch diefe nicht wiederholt 
und weiter fortgefeßt werden, wenn nicht die früheren Vorraͤthe 
verzehrt und dadurch Bebürfniffe neuer Erzeugniffe erregt worben 
find. Indeß ift Feinedwegd jede Verzehrung nüglih, und 
auch eine im Allgemeinen als nüglidy erfannte trägt doch zur 
Erreichung der wirthſchaftlichen Zwede bald mehr, bald 
weniger bei, 


— 41 — 
$. 319. 


Die Berzehrung als Zerftörung eined Werthed kann eben 
fo, wie die Hervorbringung ($. 83), auf doppelte Weife ges 
fchehen: 

1) Es ereignet ſich eine Außere Veränderung, mit der eine 
gänzlich oder theilweife erfolgende Vernichtung bes Werthes 
verbunden ift (objectiv), und zwar 

a) indem ein Sachgut feine bisherige Befchaffenheit 
verliert, Eörperliche, materielle VBerzehrung. Bald ift 
e8 die Geftalt, bald die Zufammenfegung der Beftandtheile, 
worin die Veränderung vorgeht. ine andere wichtige Bers 
Ichiedenheit liegt darin, daß diefe Verzehrung entweder bei dem 
Gebrauche der Güter erfolgt, d.h. ein®erbraud) ift (8. 68), oder 
unabhängig von dem Gebrauche, mit oder ohne Verſchulden 
der Menfchen (a); 

b) durch andere Umftände, von denen die Beziehung eines 
Gegenftandes zu einem menfchlichen Zwede als Mittel für den- 
felben, d. i. der Gebrauchdwerth, zum Theil bedingt wir, 
wobei bald ein einzelner Zwed Hinwegfällt, bald ein Mittel 
feine Anwendbarkeit für denfelben ganz oder theilweiſe verliert (D). 

2) E8 tritt nur eine Aenderung in dem Urtheile über 
ben Werth eined Gutes ein (fubjectiv). Dieß fann, den 
Gall eines berichtigten Irrthumes abgerechnet, am Teidhteften 
ftattfinden bei Zweden, bie in zufälligen Gefühlen und Bor- 
ftellungen beruhen, ohne tief in der menfchlichen Natur begründet 
zu fein, 3. B. bei Modeſachen (c). 

(a) Stord, 1, 166. — Das Berfaulen des Holzwerfes an einem Schiffe, 
die Abnügung der Pflugſchaar, find Beifpiele des Verbrauches, das Vers 


brennen eines Schiffes und das Verroſten ungebraucter Bifengeräthe 
erläutern die Verzehrung ohne Gebrauch. 


(3) Ein But fann aus mancherlei Urfachen feinen Werth einbüßen, ohne 
förperlih verändert zu werden, 3. DB. Zollhäufer nach der Aufhebung 
des Zolles, Uniformen, die außer Gebrauch geſetzt find, Balender von 
einem früheren Sabre, Zierrathen der Militärkleidung mit dem Namen 
eines verfiorbenen Landesfürften. Ein Stiefel, Hantfchuh, Leuchter ıc. 
hat einen großen Theil feines Werthes verloren, wenn das zugehörige 
zweite Stüd nicht mehr vorhanten if. Während der Sonnenfinfternig 
von 1836 fanf in Paris der Preis ter dazu vorbereiteten farbigen 
Glaͤſer mit jeder Piertelftunte. 


() Storch nennt biefes Confumtion der Meinung. — Perüden, 
Haarpuder, Schubfchnallen ꝛc. 
Rau, polit. Dekon. I. 7. Ausg. 97 


— 48 — 


$. 320. 


Eine förperliche Berzehrung, die ohne Gebrauch eines Gutes 
vorgeht (8, 319), ift immer ein Verluft für das Volksvermoͤgen, 
weßhalb die auf ihre Verhütung gerichteten Beınühungen ber 
Einzelnen und der Regierungen gemeinnügig wirken (a). Die 
Verzehrung oder Werthöverminderung durch Außere. Umftände 
und durch Aenderung der Werthfhägung fommt gemeiniglidh 
nur bei Dingen vor, bie ohnehin feinen hohen Werth haben, 
und ift ſchon aus diefem Grunde nicht erheblich, und während: 
die Befiger des im Werthe gefunfenen Gutes einen Berluft ers 
leiden, fann daraus für andere Menfchen wieder ein Bortheil 
entftehen, indem fie nügliche Dinge wohlfeil an ſich bringen (B). 
Der Berbraud, die häufigfte und wichtigſte Art der Ber- 
zehrung, ift dann für die Volkswirthſchaft nüglic, 1) wenn bie 
aus dem Gebrauche des verzehrten Gutes für die Geſellſchaft 
entfpringenden Bortheile die Werthöverminderung wenigftens 
aufwiegen, 2) wenn biefer Vortheil auf fparfame Weife, d. i. 
mit dem geringften Güteraufvande zu Wege gebracht wird, 
durch den er überhaupt zu erlangen if, — voraudgefeht, daß 
eine größere Verzehrung nicht noch für andere Zwede nüglich 
erfcheint. 


(a) Die Schaltung der Sachgüter durch Verhütung ihres Verderbens ſowie 
ihrer äußeren Delhäbigungen it ein wichtiger Theil der hauswirths 
fhaftlihen Geſchaͤfte. Die Staatögewalt verfolgt den nämlihen Zweck 
in der Feuer⸗, Waflerfchadens-Bolizei ıc. 


(5) Altmodifche Kleider, Zimmergeräthe sc. gelangen an Berfonen, die auf 
die Mode weniger Werth legen. 


8. 321. 


Der Berbraudy fol entweder 1) unmittelbaren Vortheil für 
das menfchliche Xeben gewähren, d. h. perfönliche Güter her⸗ 
vorbringen, oder 2) die Entftehung neuer Bermögenstheile be- 
fördern, oder 3) beiden Zweden zugleich dienen, wie dieß bei dem 
Unterhalte der Xohnarbeiter geſchieht, 8. 31. 71. Im erften 
Falle find die verbrauchten Güter Genußmittel, im zweiten Bes 
ftandtheile ded Volkscapitales, im dritten find fie dieſes wenig⸗ 
ſtens dann, wenn der Unterhalt vorſchußweiſe beftritten wird. 
Die Berzehrung ald Mittel zur Erzeugung wirb productiv 


— 49 — 


oder reprobuctiv (a) genannt, im Gegenſatz einer Unpro⸗ 
ductiven. 


(a) Der Auedruck prodbuctiver Confumtion enthält allerdings bud- 
Räblicy genommen einen Widerfprudh in fid, weil die Confumtion als 
jöldye nicht produciren Fann, aber fie fteht mit der Production in ge: 
naueter Verbindung, und jene Bezeihnung läßt fih als Abfürzung 
rechtfertigen. 


8. 322. 


Die NRüglichkeit der unprobucttven Verzehrung ift nach 
folgenden Rüdfihten zu beurtheilen: 1) Befchaffenheit ihres 
Zweded. Ob der erlangte Vortheil fo groß fei, daß er die ver: 
zehrte Werthmenge vergütet, dieß beurtheilt der Einzelne nad) 
feinen Bermmögensumftänden und nad) feinen individuellen Reis 
gungen. Yür die ganze Volkswirthſchaft fommt ed darauf an, 
ob bie Verzehrung wirklid vernünftige Zwecke befördert, nämlich 
wahrhafte perfönliche Güter erzeugt (a), und ob dabei die wich. 
tigeren Güter vor den unbedeutenden, 3. B. Gefundheit, Unter: 
richt ꝛc. vor den leicht entbehrliden Bergnügungen bedacht 
werden. Diefe zwedmäßige Einrichtung hängt ab von dem 
verftändigen und fittlichen Sinne des Volkes und von ber guten 
Vertheilung des Einkommens unter die verfchiedenen Volks⸗ 
clafien, $. 249. 250. 2) Berhältniß des Mitteld zum Zwede. 
Diejenige Verzehrung iſt von diefer Seite bie befte, weldye bei 
gleichem Güteraufwande den beabfichtigten Bortheil für die größte 
Zahl von Menſchen, im volften Maaße und die längfte Zeit 
hindurch gewährt, weßhalb die Auswahl ber bdauerhafteften 
Genußmittel und Sorge für ihre Erhaltung für das Volksver⸗ 
mögen nüglich find (d). 

(a) Dagegen 3. B. Branntweintrinten, Opiumrauden. 


(5) Der auf Seräthe, Koftbarkeiten, Sammlungen sc. gerichtete Lurus ift 
deßhalb dem Aufwande auf vorbergehende Bergnügungen ſchon von 
volfswirthfchaftlicher Seite vorzuziehen. Smith, IL, 117. — Stord, 
U, 175. — v. Jakob, ©. 537. 


$. 323. 


Die productive Verzehrung ($. 321) ift deſto vor- 
theilhafter, je mehr bie der Hervorbringung willen verzehrte 
Gütermenge von ber neuerzeugten- überwogen wird. Diefe 
beiden Guͤtermaſſen werden 1) von bemjenigen, der dad neue 

27* 


— 420 — 


Erzeugniß ſelbſt benutzen will, nach ihrem Gebrauchswerthe 
verglichen, und eben ſo muß man in Beziehung auf die ganze 
Volkswirthſchaft urtheilen, inſofern das Guͤtererzeugniß zur Ver⸗ 
zehrung innerhalb des Landes dient; 2) von demjenigen, der 
die Hervorbringung des Gewinnes willen betreibt, wird die 
Vergleichung nur nach dem Verkehrswerthe angeſtellt; der 
Unternehmer iſt zufrieden, wenn ihm ſeine Auslagen von den 
Käufern feiner Waaren mit Gewinn vergütet werden, und bes 
fümmert ſich nicht darum, ob die neu entflandenen Güter auch 
volkswirthſchaftlich mehr werth feien, als die verzehrtn. Da 
jedoh alle verftändigen Menfchen ihre Bebürfniffe nach ber 
Stufenfolge der Dringlichkeit zu befriedigen, folglich bie werth⸗ 
volften Güter vor den anderen zu erwerben fuchen, fo kann 
man darauf rechnen, daß in der Regel bie Käufer durch ihren 
Begehr der Hervorbringung die gemeinnüßigfte Richtung geben, 
und daß feine Güter von geringerem Werthe erzeugt werben, fo 
lange noch an den nothwendigeren Mangel if. Kann ein 
Sachgut zu mehreren Erzeugniffen von ungleihem Werthe vers 
wendet werden, fo wird diejenige Menge deſſelben hervorgebracht 
werben, für welche bie Unternehmer ver verfchiedenen Ders 
wendungsarten die Hervorbringungsfoften ohne Verluft bezahlen 
können, 3. B. foviel Waizen, ald zum Mahlen und zur Stärk- 
mehlbereitung, foviel Roggen, ald zum Brode und zur Brannts 
weinbrennerei, foviel Kartoffeln, als zu diefem Zwede und zus 
gleich zur Ernährung der Menfchen und Thiere erforderlich iſt. 
Daher wird in ber Regel der Berbrauch zu dem wichtigeren 
Zwed durch die Benutzung beflelben Gutes zu dem leicht ent⸗ 
behrlichen nicht gefchmälert (a). 


(a) Eine Ausnahme kann ftattfinden, wenn der ganze erzeugte Borrath ums 
ewöhnlich gering ift, 3. B. in Mißjahren, wo die Dürftigen nit 
oviel Nährkoffe faufen fönnen, daß biefelben für den Branntwein: 
brenner zu theuer werden. Se größer die Ungleichheit der Ginfünfte 
ift, defto leichter können die Heiden einen gemeinfhädlichen Aufwand 
machen, wie 3. B. im römijchen Reiche viel Ackerland zu Fifchteichen 
und dergl. verwendet wurde. " 


$. 324. 


Jeder Menfch ift ein Zehrer, Conſument, im allgemeinen 
Einne des Worted. Man gebraudyt jedoch gewöhnlich jene 
Ausdrüde in einem engeren Berftande, indem man die Zehrer 


— 4211 — 


- den Erzeugern entgegenfebt, welches in doppelter Weife ge: 
ſchehen kann. 

1) In Beziehung auf irgend eine beſondere Art von Gütern, 
z. 3. Tuch, Stahlwaaren, find die mit der Hervorbringung 
derfelben befchäftigten Arbeiter und Unternehmer die Erzeuger, 
PBroducenten, alle übrigen Glieder des Volkes aber, weldye 
foldye Güter verbrauchen, die Zehrer. 

2) In Beziehung auf die Gefammtheit der hervorgebradhten 
Güter find alle Arbeiter und Unternehmer, fowohl in den Stoff: 
arbeiten ald in den probuctiven Handelszweigen ($. 109) für 
Erzeuger, die übrigen Mitglieder der Gefelfchaft für Zehrer 
anzufehen. Zu dieſen gehören zum Theil die Dienftleiftenden 
(8. 108), ferner die von Renten lebenden Orunbeigenthümer und 
Zindgläubiger (Capitaliften) — und diejenigen, welche gar nichts 
leiften, $. 142. 5. 


$. 325. 


Die Verzehrung aller Volksclaſſen findet in ihrem Einkom⸗ 
men eine Graͤnze. Diefe Liegt alfo bei den Theilnehmern an 
dem urfprünglichen Einkommen ($. 251) im Betrage des ge- 
fammten Lohnes und Gewerböverbienftes, ferner in der ganzen 
Grunds und Gapitalrente. Zu den Empfängern eines abgeleis 
teten Einkommens gehören a) diejenigen @apitaliften, beren 
Bermögen nicht ald wahres wolfswirthfchaftlidhed Capital an- 
gewendet worden ift (8. 251 (a) ) und deren Einfommen zum 
Theil die unabänderliche Nachwirkung früherer Verzehrungen ift, 
b) die Dienftleiftenden. Inſofern fie von Einzelnen befchäftiget 
werden, fönnen fie nur fo viel verzehren, als die anderen Stänbe, 
welde das urfprüngliche Einfommen empfangen, für perfünliche 
Güter auszugeben vermögen; allein bie Berzehrung der von ber 
Regierung bezahlten Dienftleiftenden Fönnte dieſes Maaß über: 
feigen, wenn die Staatseinfünfte, aus denen ihr Unterhalt bes 
ritten wird, auf eine für bie Volkswirthſchaft ſchaͤdliche Höhe 
gebradyt würden; c) bie Armen, Kranfen, Kinder, Züchtlinge ıc. 
Diefe erhalten ihre Verforgung zwar ebenfalls von dem Ein- 
fommen ber erwerbenden Staatömitglieber, nur iſt die Anzahl 
biefer gar Feine Gegenleiftung gewährenden Zehrer nicht fo, wie 


die der Dienftleiftenden, von der Größe bes Bolförinfommens - 
abhängig, fondern etwas Unwillfürliches. 


$. 326. 


Das Berhältnig, in welchem die genannten Haupttheile bes 
gefammten Einfommend in einem Bolfe zu einander ſtehen, und 
die Bertheilungsart eines jeden biefer Zweige find auch für bie 
Verzehrungsweife maaßgebend. Die unentbehrlidhen Dinge haben 
den allgemeinften Verbrauch. Die über das Nöthige hinaus⸗ 
gehenden Genußmittel finden da die häufigfte Verwendung, wo 
der in einiger Wohlhabenheit lebende Mittelftand zahlreich und 
ber Lohn hoch ift (a). Je ungleicher die Antheile der Volks, 
claffen und ber Einzelnen ausfallen, je mehr Familien in Duͤrf⸗ 
tigfeit find und je höher der Reichthum Weniger angewachfen 
ift, ein defto größerer Theil des ganzen Guͤtererzeugniſſes wirb 
für Genüffe angewendet, die aus höherem Standpuncte betrachtet 
von fehr geringem Werthe find. 


(a) Ein gutes ftatiftifches Kennzeichen ift der Kleifchverbrauh. In Sngland 
ſoll derfelbe 50 Pfd. auf den Kopf betragen, in Preußen 32— 35 Pfd., 
(Dieterici, Mittheil. 1854 Nr. 9), in Sachſen (Engel, Jahrb. 
L, 51) D. 1847—49 ohne Schaaffleiih 30%, Pfd., in * Nind⸗ 
und Schweinefleiſch D. 1841—50 123,5 Pfd., 1851—54 139 Pfd. 
Husson, Les consommat. de P. ©. 157. 197. — In Frankreich, Hatten 
1835 auf dem Lande 346000 Häufer nur 1 Oeffnung (Thür), 817000. 
nur 2 (Blangqui). 


Zweiter Abſchnitt. 
Verhältniß der Derzehrung zur Hervorbringung. 


$. 327. 


Wenn in einem Bolfe weniger Güter erzeugt ald verzehrt 
würben, fo würde ber verzehrbare Theil ded Bermögendfigmmes, 
und zwar fowohl des Gebrauchsvorraths als bed Kapitals, 
von Jahr zu Jahr vermindert werden, dad Volkseinkommen 
ebenfall8 abnehmen und ber finfende Wohlftand bringend zu 
einer Einfchränfung des Verbrauches auffordern. Im entgegen- 
geſetzten Galle, wenn die Verzehrung fo fehr hinter der Erzeugung 
zurüdbliebe, daß nicht alle Erzeugniffe Abſatz finden Eönnten, 


— 423 — 


würden die Gewerbe floden und die Capitale und Arbeiter 
zum Theil müßig bleiben. Daher gehört zu einem guten, 
geregelten Zuflande der Volkswirthſchaft das Gleichgewicht 
zwifchen der Verzehrung und ber Hervorbringung. 
Doc kann diefe etwas ausgedehnter fein ald jene, ohne daß es 
darum ſchon an Abfag fehlen müßte, nämlich) um fo viel, als 
bei gleichem Verbrauche der Gebrauchsvorrath und das flehende 
Gapital eine größere Gütermenge aufzunehmen im Stande 
find (a). 


(a) Ban pflegt zwar im Ganzen genommen von jeder Sache nur ungefähr 
foviel zu Faufen, als der jührliche Abgang ausmacht, doch finden es die 
Menfhen in vielen Fällen nüglih ober angenehm, ihre Vorräthe zu 
vergrößern, befunders bei dauerhaften Zurusgegenfländen, wie Echmuck, 
Kunftwerfe und dergl. Der Conſument ſchafft fih 3. B. gerne einen 
mehrfachen Wechfel von Kleidungsftüden, der Handwerker eine Auswahl 
von Werkzeugen an, obne darum mehr abzunüßen. 


8. 328. 

Unterfucht man, was zur Herftellung dieſes Gleichgewichts 
erfordert wird, fo ergiebt fich zumächft, daß bloß der Größe nach 
betrachtet die ganze verfäufliche Güternenge, welche in dem Jah⸗ 
rederzeugnifle eined Volkes enthalten ift, unter den Mitgliedern 
des Gefellichaft Abfag finden kann. Ein Theil der Erzeugniffe 
wird von denen, welche fie hervorbringen, felbft verbraucht, ein 
anderer wird unmittelbar an andere Dienfchen abgegeben und 
von biefen verzehrt, 3.38. das Brodforn, welches der Landwirt 
feinen Tagelöhnern giebt; ein britter und zwar ber größte Theil 
wirb verkauft. Der Erlös hieraus, welcher theild dem Ber: 
fäufer verbleibt, theild von bemfelben an andere Perſonen zur 
Vergütung verſchiedener Leiftungen gegeben wird, kann wieder 
zu anderen Einfäufen verwendet werben, und in fofern fann 
man fagen, das gefammte Angebot fei dem ganzen Begehre 
gleich (a). 

(a) Say, Briefe an Malthus, in der Ehrift: Maltbus und Say, 


Ueber die Urfachen der jekigen Handelsftodung, aus dem Engl. und 
Bean von Rau, ©. 89. (Hamb. 1821.) — J. Mill, El&mens, 
. 249. 


8. 329. 
Diefer Sap bedarf jedoch noch einer näheren Beſtimmung. 
Die fämmtlichen zum Berkaufe beftimmten Erzeugnifle, alfo eine 


_— 44 — 


gewiſſe Menge, bilden das Angebot. Der Begehr aber haͤngt 
neben den Beduͤrfniſſen und der concreten Werthſchaͤtzung ber 
angebotenen Güter auch nody von der Fähigkeit zu kaufen, folg⸗ 
lich wieder von der Preismenge ab, welde beim Verkaufe 
aller feilgebotenen Güter erhalten werden fann. Wenn eine Art 
von Erzeugniflen in einer zu großen Menge vorhanden ift, fo bleibt 
ein Theil dieſes Vorrathes unverfauft, wodurch dann auch das 
Vermögen zum Einfaufe anderer Güter bei den Unternehmern 
und den übrigen Theilnehmern an der Production biefer übers 
mäßigen Menge vermindert wird. Findet eine gewiſſe Güter- 
maſſe feinen Abſatz, fo fehlt e8 auch für eine andere an Käu- 
fern; wirb ein Theil der Erzeugniffe um einen ungewöhnlich 
niedrigen Preis verfauft, fo fönnen bie Verkäufer und vielleicht 
auch ihre Gehülfen (Arbeiter, Grundeigner, Capitaliften) nicht 
mehr fo viel Dinge anderer Art einkaufen, als fonft. Deßhalb 
ift die bloße Möglichkeit, daß dad ganze Gütererzeugniß Abfag, 
und zwar um einen die Koften vergütenven Preis, finden fönne, 
noch nicht hinreichend, um die Gewerbe in gutem Yortgange zu 
erhalten, denn die Menfchen Faufen nicht, um dem Unternehmer 
Abfag zu verfchaffen, fondern um ihre Bebürfniffe zu befriedigen. 
Kur dann kann folglich alled Hervorgebradhte auch wirklich ges 
fauft und verzehrt werben, wenn von jeder Waare gerade fo viel 
erzeugt und feilgeboten wird, ald die Mitglieder des Volkes 
davon gebrauchen und faufen Eönnen (a). 


(a) Straf Lauderdale, Weber Nationalwohlſt. S. 8ST—%. — Rau, 
Anhang jr der Schrift: Malthus und Say, ©. 204. — Wenn 
J. Mill a. a. D. fagt: die eine Hälfte der Güter kann immer mit 
ber andern erfauft werden, fo ift die Theilung der Gütermafle in zwei 
Hälften willkuͤrlich und das bloße Kaufenkönnen müßt nichts, wenn 
nicht die Menfchen ihres Vortheils willen ſich zum Kaufen wirklich ent: 
Schließen. — „Würde das ganze Nationalvermögen von England in 
Theile zu 100 £. St. jährlihen Cinkommens vertheilt, fo Fönnte feine 
Macht es verhindern, daß nicht die Pradıtkutichen: Manufacturen ein: 
gingen. Der Preis jeder Kutfche diefer Art würde viermal das jähr: 
lihe Sinfommen eines jeden überſteigen.“ Lauderdale, ©. 88. 


$. 330. 


Es ift undenkbar, daß von allen Gütern zugleich eine größere 
Menge hervorgebracht würde, ald man zu verfaufen im Stande 
wäre (a). Die Neigung der Menfchen, ihren Gütergemuß zu 
erweitern, ift unendlich, und nur die. Befchränttheit ihres Ein- 


— 45 — 


fommens nöthigt fie, auch ihrem Verbrauche Gränzen zu fegen. 
Wenn nun ein reichlicher Vorrath von allen Dingen da wäre, 
fo würden alle Theilnehmer an dem einen Zweige der Hervors 
bringung von den Erzeugniffen mehrerer anderer mehr zu erfaufen 
fuchen, und fo verfchaffte ınan fich gegenfeitig ausgedehnteren 
Abſatz (5). Eher könnte von einzelnen Waaren oder Waarens 
gattungen dad Erzeugniß für dad Vermögen der Kaufluftigen 
zu groß fein, entweder 1) zufolge übermäßig ausgedehnter 
Speculationen, wobei der Bedarf und dad Einfommen ders 
jenigen Menfchen, für die eine Waare beftimmt ift, nicht ges 
hörig erwogen werben (c), oder 2) wegen fehr reicher Ernten, 
ober 3) wegen einer unerwarteten Abnahme ber DVerzehrung, 
weil etwa die zum. Einfaufe diefer Waaren beftimmten Güters 
mengen eine andere Verwendung erhalten hätten (d). 


(a) Wie dieß von Malthus behauptet wurde, Principles, ©. 351 vergl. 
die Schrift: Malthus und Say, ©. 6. — Simonde de Sis⸗ 
mondi neigt fih ebenfalls zu dieſer Meinung; f. die Aufläge von 
Dunoyer und Sismondi, in Rev. enc. Juni und Zuli 1827. — 
Dagegen au) Storch, M&m. de l’acad. de St. Pöterb. Sc. pol. L 30. — 
Portielje, An fieri possit, ut tot res conficiantur, ut vendi amplius 
non possint? Amstel. 1834. — Rau, Archiv II, 105. 


(6) GEs giebt _alfo Feine allgemeine Ueberfüllung eines Landes mit feinen 
Erzeugnifien, und wenn irgendwo bie Preife allee Waaren geiunfen 
wären, fo dürfte man auf eine ganz andere Urfache, nämlich auf eine 
Veränderung im Geldweſen fchliegen. Handelsſtockungen, fofern fie aus 
einem übermäßigen Angebote entfpringen, find immer nur auf einen 
Theil der Waaren beſchränkt. Daß die Klagen über allgemeinen Ber: 
fall des Wohlftandes nur partiell fein koͤnnen und blos auf abnehmen: 
ben Gewerbsverdienſt ($. 244) oder auf einzelne Gewerbözweige oder 
einzelne Länder zu beziehen find, geht aus dem thatlächlichen Nachwei- 
fungen ber fleigenden Production und Gornfumtion im Ganzen deutlich 
hervor. Solche Belege geben: (Weber) Gedanken, Anſichten und 
Bemerkungen über die Unbill und Noth und die Klagen unjerer Zeit. 
Berlin 1826. — Defien Blide in die Zeit, 1830. — Berber, Beis 
träge 3. Kenntniß des gewerbl. und commerce. Zuflandes ber preuß. 
Monarchie, 1820. Defien neue Beiträge sc. 1832. — Bauer, Ge: 
frönte Preisihrift: IR die Klage über zunehmende Verarmung und 
Nahrungslofigkeit in Deutichland gegründet? Erfurt, 1838. — Auch 
Kan Kolb und Benedict find Beantwortungen biefer Frage er: 

ienen. 


(c) Dieß zeigt fih am haͤufigſten im auswärtigen Handel, da die Güter 
menge, die ein anderes Bolt zu faufen im Stande ift, weniger leicht 
vorausberechnet werden kann, als der innere Abſatz, und da bie irzeus 
ger mehrerer Ränder, ohne von einander zu wiflen, auf die Verſorgung 
eines und defielben Volkes hinarbeiten können. Das merkwürdigſte 
Deifpiel in der neueften Zeit giebt die Neberfüllung der americanif 
Märkte mit europäijchen Gewerkswaaren, befonders im Sabre 1825. — 
Klagen in Belgien über gelähmten Abſatz vieler Gewerkowaaten, 1849, 


— 426 — 


3. B. bei einer beträchtlichen Erhöhung der Staatsabgaben müfen bie 
Einzelnen fi einen Theil ihrer bisherigen Genüſſe verfagen. 


$. 331. 


Eine zu Häufige Erzeugung einer Waare verurfadht ben 
Unternehmern einen Berluft, es fei nun, daß ein Theil des Er⸗ 
zeugniffes gar nicht abgefegt wird und alfo das angewendete Bas 
pital ungenügt liegen bleibt, oder daß man unter dem Koſten⸗ 
betrage verfaufen muß. Die Unternehmer werben fich für die Zu⸗ 
funft voreinem folchen Schaden zu hüten fuchen, indem fie die Her- 
vorbringung dieſer Waaren befchränten, fehlerhafte Speculationen 
können nicht lange fortgefegt werden, und diejenigen Berfäufer, 
welche nicht fo wohlfeil erzeugen, ald die anderen, müflen fich 
zurüdziehen und einträglichere Gefchäfte ergreifen, fo daß bie 
Hervorbringung wieber mit dem Bedarfe in- ein angemefjenes 
Verhaͤltniß tritt. Freilich kann fo lange, bis dieſer Uebergang voll 
fländig erfolgt ift, eine Bebrängniß der Arbeit eintreten. Bei 
den Iandwirthfchaftlichen Erzeugniffen ift eine länger anhaltende 
Ueberfülung ded Marktes möglich, weil weder die Größe des 
jährlichen Bobenerzeugniffed in der Gewalt der Landwirthe ſteht, 
noch auch der Uebergang zu einem anderen Gewerbe leicht iſt (a). 
(a) Sismondi leitet die Weberfülle (encombrement) der Broducte (ohne 

zureichenden Grund) davon her, daß die arbeitende Claſſe in neuerer 

Zeit blos vom Lohne lebe, ohne auf eigene Rechnung zu arbeiten, und 

daß die Lohnherren Unternehmungen anfangen, nicht wegen einer Nach⸗ 

frage von Seite der Confumtion, fondern blos weil die Arbeiter fidh 
erbieten, um niedrigeren Lohn zu arbeiten. Sur la balance des con- 
sommations avec les productions in Revue encycl. XXII, 264. (Mai 

1824). Die leptere Behauptung widerftreitet aller Erfahrung. Iſt bie 

arbeitende Claſſe in einer au beichränkten Lage, um ſich vielen Güter: 

genuß zu verfchaffen, jo wird ber Aufwand ber Unternehmer, Grand: 
eigner und Gapitaliften defto größer fein und bie Production kann, 
wenn fie auf die Gebrauchögegenftände dieſer Claſſen gerichtet wird, 

im Ganzen ebenfo ausgedehnt fein, als wenn fie, was freilich in anderer 

Hinfiht nüglicher wäre, einer gleiheren Bertheilung des Ginfommens 

zu entſprechen hätte. — Vgl. die Abhandlung von Say mit berfelben 


Ueberfchrift,, ebend. XXIII, 18. (Juli 1824.) — v. Malchus, Stat. 
u. Staatenf., ©. 1%. 


$. 332. 


. Denkt man über die Urfachen nad, welche bad Berhältniß 
zwifchen der Größe ber Berzehrung und der Hervorbringung 
beſtimmen, fo wisd man auf bie Berfchiedenheit beider Zwecke 


ber Berzehrung hingeführt. Die productive Berzehrung, 
welche fowohl den gänzlicdyen Verbrauch umlaufender, als bie 
Abnügung ftehender Capitale begreift, ift mit einer beftimmten 
Einrihtung der Gütererzeugung nothwendig verbunden. Die 
hiezu erforderlichen Gütermüflen unter den Erzeugern felbft leicht 
Abſatz finden, wenn fie nur in folcher Befchaffenheit und Menge 
hervorgebracht werben, wie ed ber Bedarf erheifcht, $. 323. 
Dagegen ift die un productive Verzehrung der bloßen Zehrer 
wie der Erzeuger (a) von befonderen Umfänden abhängig, 
welche theild da8 Bermögen, theild bie Neigung der Menfchen 
zum ®ütergebrauche betreffen. 


(a) Nämlich was diefe über ihren Unterhaltsbedarf hinaus verzehren. 


$. 333. 


Das Berhältniß zwifchen der productiven und der unprobucs 
tiven Berzehrung in einem Volke wird beftimmt 1) von ber Art 
ber Bertheilung bed Vermoͤgensſtammes und des jährlichen Ein- 
fommens, weil die blos von ihren Renten lebenden Grunds 
eigner und Gapitaliften weniger überzufparen und mehr für blos 
perfönlichen Genuß zu verwenden pflegen ald die Gewerböleute 
und Lohnarbeiter (a); 2) von den Bebürfniffen und Gewohn⸗ 
heiten jeder Volksclaſſe und der Sinnedart ganzer Volksſtaͤmme (b), 
indem baraus bald eine größere Neigung zum Ueberſparen, bald 
ein flärferer Hang zur Erweiterung bed Gütergenuffes hervor- 
geht. Bon diefer Seite ſteht die Einrichtung der Verzehrung 
ganz in ber Freiheit der Einzelnen, weßhalb es ſchwer ift, fie 
im Voraus zu bemeflen; 3) von ber Größe und Beſchaffenheit 
ber Staatsconfumtion, und zwar nicht blos der im Dienfle des 
Staates angeftellten Perſonen, fondern auch der Staatögläubiger, 
an bie faft in allen Staaten unferer Zeit ein anfehnlicher Theil 
bes Volkseinkommens gelangt. Bei einer guten Cinrichtung 
bes Staatshaushaltes darf die Ausgabe für Staatsdienſte als 
mittelbar probuctiv gelten (II, $. 27), die Einfünfte ber 
Staatögläubiger aber tragen zur Production nichts bei, wenn 
gleich die gelichenen Summen zum Wohle des Staates verwendet 
worden find. 


(6) $. 196 (eo) und Smith, IL, 97. 


— 438 — 


(4) 8. P. Vorſicht und Sparſamkeit des germaniſchen Volkoſtammes im 
Vergieich gegen bie Sübeuropäer. Holländer und Schweizer find vors 
züglıh fparfam. S. auh Roſcher, Syſtem I, 404. 


8. 334. 


Die unproductive Verzehrung, welche aus dem reinen 
Einfommen des Volkes befteitten wird, ($. 325), wäre ihrer 
Ausdehnung nad) übermäßig, wenn fie dieſes reine Einkommen 
ganz erichöpfte, fo daß Feine Erfparniffe gemacht werden fönnten. 
Es ift eine wefentlihe Bedingung des fortdauernden Volks⸗ 
wohlftandes, daB das Geſammtcapital bed Volkes dnrch 
uͤbergeſparte Theile des Einkommens vermehrt werde (a), denn 
es find fortwährend neue Capitale in ber Volkswirthſchaft 
erforderlich 1) wegen ber Vermehrung der Bolfdmenge ($. 196), 
2) wegen ber durch die Kortfchritte der Bildung bewirkten 
Vermehrung der verfönlihen Bebürfniffe der Einwohner, 
3) wegen ber Bervollfommnung ber Gewerbskunſt, wobei ins⸗ 
befondere zum Behufe einer guten und wohlfellen Gütererzeugung 
das ftehende Capital unaufhörlich vergrößert werden muß (b), wozu 
auch das Bebürfniß beträchtlicher Bodenverbefferungen kommt, 
4) wegen ber unvermeiblicdhen Berlufte an ben verſchiedenen 
Theilen des Capitalo. 


(a) Smith, u, 112. 


(5) 3. B. der landwirthſchaftliche Bienfland, die Mafchinen,, Landftraßen, 
Gifenbahnen, Candle, Brüden, Häfen, Schiffswerfte, Schiffe x. eines 
reihen Volkes, 8. 131 (2). 


8. 335. 


Hieraus erhellt, daß die Sparſamkeit der Bürger innerhalb 
gewiffer Graͤnzen zur Erhaltung und Erhöhung des allgemeinen 
Wohlftandes fehr wohlthätig und nothwendig ift (a). Wie im 
Ganzen diejenigen Länder einen günftigeren Wirthfchaftszuftand 
bemerken laflen, in denen das Volk mehr zum Weberfparen 
geneigt ift, fo zeigt fih auch in verfchiedenen Gegenden und 
Städten eined Landes das Nämliche; Fleiß, Kumfleifer, Ordnung 
find die Begleiter der Sparfamfeit, — höherer Lohn, Anwachs 
ber Bevölkerung und reichlicherer Gütergenuß find bie Tolgen 
der Anfammlung neuer Gapitale, während eine das reine 
Einfommen verſchlingende WBerzehrung bie entgegengefepten 
Erfcheinungen verurfacht (6). Ä 


— 49 — 


(a) Graf Lauderdale's Widerſpruch gegen dieſen Satz entſprang aus 
einer unrichtigen Vorſtellung von der Wirkung tes Capitales. Gr 
glaubte naͤmlich, diefes feße nicht Arbeit in Bewegung, fondern diene 

108 zur Erſparung von Arbeit (Meber Nationalwohlfiand, ©. 49), 
woraus er dann folgerte, daß die Anhäufung des Bapitales leicht zu 
groß werden koͤnne (S. 57). Im_ganzen Zufammenhange betrachtet 
ericheinen jedoch Zauderdale’s Säge weniger irrig, als beim erften 
Anblid; man muß zugeben, daß die unbegränzte Sparfamfeit eines 
anzen Bolfes ein Bapital fammeln würde, —* welches man keine Be⸗ 
—38* mehr finden könnte, auch ſieht er ſelbſt ein ( S. 60), daß, 
dieſes bei freiem Gange der Gewerbe nicht wirklich eintreten kann. 
Seine Darſtellung ift getrübt durch das Beſtreben, die Handlungsweiſe 
des britifchen Minifteriums zu befämpfen, ſ. auh Sartorius, Ab: 
Bandf., I, 34—108. 

(6) Smith vergleicht in diefer Beziehung die Gewerks- und Hanbelsftädte 
mit denjenigen Städten, wo eine groBe unproductive Verzehrung Statt 
findet, 3. B. den Hofflädten. Unterf. IL, 100. 


8. 336. 

Iſt eine unproductive Verzehrung ihrer Größe nach im Ver⸗ 
hältniß zum reinen Bolfseinfommen nicht übermäßig, fo ift nur 
noch zu erwägen, ob fie der Gefellfchaft einen Erſatz in perfön- 
lihen Gütern für die verzehrten fachlichen barbietet, 8. 320. 
Dieter Erſatz ift auf verfchiedene Weife möglich und man muß 
fih bei feiner Beurtheilung vor einer befchränkten Anftcht hüten, 
die nur dad Nächfte, im Einzelnen Rachweisliche auffapt. Es 
ift nüglich, wenn die arbeitenden Elaffen fich Genuͤſſe verfchaffen 
fönnen, bie ihnen Erholung gewähren, ihre Gefühle verebeln, 
ihre Denffraft, üben oder den Kreis ihrer Erfenntniffe erweitern, 
zugleich aber ihren Fleiß anfeuern. Es iſt nuͤtzlich, wann befons 
dere Claſſen von Dienftleiftenden fich der Pflege und Ausbildung 
ber höheren menfchlihen Anlagen widmen, Wifienfchaften und 
Künfte pflegen und die Früchte beider zum Beften der Gefell- 
fchaft verwenden. Es ift nüslih, wenn ed nicht an Reichen 
fehlt, welche, der Eorge für den Erwerb überhoben, ihre perföns 
lihen Kräfte und ihr Vermögen auf mancherlei gemeinnüßige 
Angelegenheiten richten fönnen (a). Indeſſen fann es in den 
leßteren Zweigen der Verzehrung ein ſchaͤdliches Uebermaaß geben ; 
die Dienftleiftenden fönnen zahlreicher fein, ald ed der von ihnen 
zu erwartende Vortheil erheifcht, in&befondere Eönnte die Res 
gierung einen Güteraufwand machen, der im Vergleich mit feiner 
Wirfung auf dad Gemeinwohl unverhältnißmäßig groß wäre, 
endlich koͤnnten auch die Reichen fich einer ſolchen Schwelgerei 


— 40 — 


und Prunkſucht ergeben, welche von Feiner Seite mehr ald 

gemeinnügig erfchiene. Nicht jede unprobuctive Berzehrung ift 

alfo ſchon an und für fi zutraͤglich (8). 

(c) Sismondi, Etudes, I, 9. 

(5) Jedem Bürger muß die Bertvendungsart feines Binkommens freiftehen ; 
bie Betrachtung deſſen, was hierin volkswirthſchaftlich nügt und fhadet, 
farm auf die Maaßregeln der Boltewirthichaftspflege wenig Ginfluß 


aben, aber fie dient die Meichen über ihre Pflichten gegen die bürger- 
lie Geſellſchaft aufzuklären. 


$. 837. 


“ Ein Theil des jährlichen Guͤtererzeugniſſes in einem Lande 
wird fogleich wieder zu weiteren Hervorbringungsgefchäften als 
Berwandlungsd-, Hülfsftoff, Thiernahrung, Geräth ıc. verwendet 
und findet hiezu feinen Abſatz. Ein anderer Theil gelangt ale 
Einfommen an die verfchiedenen Volksclaſſen und hiebei ift zu 
unterfuchen, wie bie einzelnen Zweige diefed Einfonmend auf 
ben Abfag des entfprechenden Theiles der Erzeugniffe wirken. 
Es ift einleuchtend, daß bie Arbeiter und Unternehmer mit ihren 
Einkünften nicht biefen ganzen Theil zu erfaufen vermögen, 
weil dieſer auch noch eine Rente für die Capital» und Grund: 
eigenthümer giebt. Damit alfo die Gewerbe hinreichenden 
Abſatz zur Fortfegung der Production erhalten, müflen bie legt: 
genannten Dauptbeftandtheile des reinen Einfommend gleichfalls 
zu Einfäufen verwendet werden, was auch nicht ausbleibt, weil 
die Empfänger deſſelben, vorzüglich die Grundeigner und Ca— 
pitaliften, nicht unterlaffen, von ihren Renten irgend einen 
Gebrauch zu ihrem Bortheile zu machen. 


8. 838, 


Wird nun das großtentheild aus Grund⸗ und apitalrente 
beftehende reine Einfommen 1) ald Capital angelegt, fo wer: 
ben damit neben ben ſchon zur Yortfegung der bisherigen Ges 
werbsthätigfeit erforderlichen Einfäufen noch weitere Mengen 
von Lebensmitteln, Stoffen, Werkzeugen, Mafchinen und Ge 
bäuden angefehafft, die das Gefammterzengniß von Iahr zu 
Jahr vergrößern. Wenn wir und den Ball denfen, daß bie 
Gapitaliften und Orundeigner auf. jede entbehrliche unproductive 
Verzehrung verzichteten, felbft arbeiteten und ihr ganzes reines 


— 41 — 


Einkommen auf die eben beſchriebene Weiſe anlegten, ſo wuͤrden 
in einem ſolchen Lande nur diejenigen Gegenſtaͤnde begehrt ſein, 
welche zu dem Unterhalte der Arbeiter und zur Betreibung der 
nöthigften Gewerbe erforderlich wären, ein großer Theil ber 
Gewerbözweige, die man in reichen Zändern findet, würde aus 
Mangel an Nachfrage aufhören, das Gewerbeweien nähme eine 
fehr einfeitige Richtung an, ed gäbe Feine anderen Volföclaflen 
als Unternehmer, probuctive Lohnarbeiter und wenige Dienft- 
leiftende, die Gütermaſſe würde aber dagegen in fehr fehnellem 
Fortſchritte fi) vergrößern (a). 2) Wird dagegen ein Theil 
des Einfommend auf'unproductive Berzehrung gemwen- 
det, fo giebt dieß einer zahlreicheren Claſſe von Dienftleiftenden 
Unterhalt und macht eine weit vielfachere Entwidelung der Ge- 
werbsfunft möglich, indem nun viel mehrere Arten von Gütern 
Abfag finden; die Production wird aber in biefem Balle weniger 
fchnell anwachfen. 


(a) Gefecht, das ganze Erzeugniß eines Volkes fei 1000 Mill. f., die 
Grund: und @apitalrente 200 Mill., und lebtere Summe foll in einem 
Jahre ge zu Gapital gemacht werden, fo wird man vielleiht für 
80 Mill. fl. ftehendes, für 120 Mill. umlaufendes Bapital dafür ans 
fchaffen und das Grzeugniß des folgenten Jahres wird vielleiht um 
136 Mill. fl. oder über 13 Proc. des vorjährigen größer fein. Würbe 
diefe unbedingte Sparſamkeit plöglich eingeführt, fo würden diejenigen 
Unternehmer, welche auf die fortdauernde unproductive Verzehrung ber 
200 Mil. fl. rechneten und daher mandjerlei entbehrliche Genußmittel 
hervorbrachten, ihren Abſatz auf einmal verlieren, und dieß müßte auch 
anfangs das reine Einkommen etwas verringern, bis die Production 
fih auf die allein noch begehrten Dinge befchräntte. Da biefe Annahme 
nur die Möglichkeit, wie Alles gekauft und verzehrt werden kann, bes 
leuchten fol, ſo muß man für den Augenblid vergefien, daß die. Grund⸗ 
— und Capitaliſten gar keinen Beweggrund haben koͤnnen, ſo zu 

andeln. 


$. 339. 


Diefe Borausfepung, daß die Menfchen fih aller unproduc- 
tiven Verzehrung enthielten (8. 338), fann nie wirktich eintre- 
ten, denn mit dem Erwerbe des Vermögens ift ber Trieb, von 
demſelben Genuß zu ziehen, enge verbunden. Es kann weder 
vermieden werden, daß Grunbeigenthum und Capital fidy in den 
Händen Einzelner in beträchtlicher Maſſe anhäufen und große 
Renten tragen, noch fann man verhindern, daß viele Empfänger 
folcher Renten als müßige Zehrer leben. Auch die Unternehmer 
und Arbeiter wiberftehen nicht der Verſuchung, mindeſtens einen 


— 432 — 


Theil ihres reinen Einfommens zu entbehrlichen Genüffen zu 

verwenden. Man bat daher nichts weniger zu fuͤrchten, als daß 

die Menfchen nicht genug verzehren, um die Erzeugung manch⸗ 
faltiger Gegenftände im Bortgange zu erhalten, und weit eher 
fönnte man beforgen, daß die PVerzehrung vielmehr zu groß 

würde (a). 

(a) Schon im Alterthume fehlte es nicht an Beilpielen einer großen uns 
productiven Verzehrung, wie die ungeheuren Baumerfe der Hindus und 
der Aegypter und die Lebensweife der Bürger in Athen und Rom zeigen, 
wo die productive Arbeit größtentheils Sklaven übertragen war und 
der Gigenthümer derfelben leicht in den Stand geſetzt wurde, müßig, 
oder nur mit den öffentlichen Angelegenheiten, Körperübungen und freien 
Studien beichäftigt zu leben. In Aegypten war es die Bertheilung des 
Grundeigenthums, welde jene Wirfung batte; die landbauende Claſſe 
fcheint nur in einer Art von Pachtverhältniß gewefen. zu fein, während 
ber König, die Priefter und die Krieger zu gleichen Theilen das Gigen⸗ 
tum der Ländereien hatten und alfo die Grundrente bezogen. Bey- 
nier, De l'éâon. publ. et rur. des Egyptiens, ©. 90. 96. 


8. 440. 


Wenn eine Ausgabe oder Verzehrung ſchon befchloffen ift 
und nur nody die Art, wie, oder der Ort, wo fie vorgenommen 
werden fol, in Erwägung fommt, fo leidet es feinen Zweifel, 
daß fie denjenigen Verkäufern einen Vortheil bringt, welche 
dabei Abſatz finden. Die Erhöhung der Preife, die aus dem 
vermehrten Begehre entfteht, fpornt zur flärferen Erzeugung an, 
die größere Zahl von befchäftigten Arbeitern verfchafft allen 
benen, welche Nahrung und anderen Lebensbedarf liefern, er- 
weiterten Abfag, und fo kann durch einen foldyen Zuwachs der 
Verzehrung in einer ganzen Gegend ber Wohlftand erhöht wer: 
ben (a). Der Gegenftand muß jedoch auch von anderen Seiten 
betrachtet werden. 


(a) 3. B. der mugen, welchen für eine Feine Stadt und ihre Umgebung 
ein Regiment Soldaten, eine Provincialbehörde, ein großes Kranfen: 
haus ac. Äußert. Gin folcher Zuftand ift es, den man gewöhnlich mit 
dem NAusdrude „lebhafter Geldumlauf“ bezeichnen will, $. 255. — 
Hieher gehört die Unterfuhung über die Folgen, welche der Aufenthalt 
vieler 1tländifcher und auch britiſcher Gutsbefiger im Auslande (ab- 
sentees) hervorbringt. Man nimmt an, daß die irländifchen Grund- 
eigenthümer 4'/a Mill. 2. St. auswärts verzehren. Die Ricardo’ ſche 
Schule, namentiih Mac-Culloch, beftreitet die volfswirthichaftliche 
Schäpdlichfeit der Abmwefenheit des Gutsherrn aus folgendem Grunde: 
Irland fendet die Menten, welche jene Abweſenden im Auslande ver: 
zehren, weder in Münze, noch in Papiergeld hinaus, fondern in Waaren, 
welche irländiiche Erzeuger auswärts abſetzen. Die dortige hervor: 
bringende Thätigfeit wird folglich ebenfo gut unterhalten, ale wenn 


— 43 — 


alle dieſe Familien ihr Cinkommen im Lande verzehrten und fich die 
ausländifchen Kunftwaaren, die fie verbrauchen, nach Ireland kommen 
liegen, 3. B. Edinb. Rev. Nov. 1825, ©. 54. Man muß zugeben, 
daß in der Regel die Ausfuhr von Waaren das Mittel ift, den Unter: 
halt der Abweſenden im Auslande MM vergüten, indem ihnen Wechfel 
zugefenbet werden, welde die Verkäufer jener Waaren auf ihre aus 
waͤrtigen Käufer ausftellen, 8. 418 ff. Wenn eine Anzahl von Staats: 
bürgern fih neu in ba6 Ausland begiebt, fo kann denfelben das, was 
fie dort beräehren, entweder durch eine Dergrößerung der Ausfuhr, oder 
durch eine Verminderung der Ginfuhr, oder theilmeife durch beides zu⸗ 

leich erflattet werden. Was hiebei 1) die Ausdehnung der inländifchen 

ütererzeugung betrifft, fo bleibt viefelbe unverändert, wenn ſich bie 
Ausfuhr auf gleicher Höhe erhält, denn es hört zwar der Cinkauf ins 
ländifcher Waaren auf, welche die Abweſenden bisher verzehrten, allein 
dafür gehen auch weniger Fremdwaaren ein, und man fann ſich die 
Sache Io vorftellen, als ob die Abwefenden nun gerade die nämlichen 
Süter im Auslande verzehrten, deren Binfuhr jetzt wegfällt. Erweitert 
fih die Ausfuhr, fo ift dies ein Bortheil, der andere ungünftige Folgen 
wenigftens theilweife aufzumwiegen vermag; allein der Aufenthalt der 
Staatsbürger im Auslande vermag nur wenig zur Zunahme der Aus: 
fuhr beizutragen. 2) Anders verhält es I mit der Art des Abſatzes. 
An die anwefenden Rentner können vielerlei Dinge verkauft werden, 
welche man nicht in die Entfernung zu verfenden im Stande if, deren 
Abfab aber doc, vorzüglich den Landleuten, fehr zu Statten fommt, 
3. B. manche im Kleinen erzeugte Lebensmittel, wie Gemüſe, Gier, 
Geflügel ıc., ferner viele Sandwerköwaaren, welche der Schufter, Schreiner, 
und dergl. verfertiget. Das Aufhören diefer Erwerbsquelle wirb ohne 
Zweifel fchmerzlih empfunden und dur die Zunahme irgend eines 
anderen Gewerbszweiges, der die bieherigen Ginfuhrgegenftände liefert, 
nicht völlig vergütet. 3) Was die Verwendung des Ginfommens ans 
belangt, to verzehren die Nentner ihre Einkünfte nicht allein, fie bes 
fhäftigen auch Dienſtleiſtende verfchiebener Art, überdieß kommen die 
‚Erfparniffe aus dem Binfommen in der Regel dem Lande zu Gute, in 
dem fie gemacht werden. Es ift alfo auch von biefer Seite der Aufent: 
an im Lande entfchieden nüglicher, wozu noch 4) die moralifchen 

olgen der Anmwefenheit der Gutsherren auf ihren Befibungen fommen 
und dagegen die Gelegenheit zu Bebrüdungen durch die Zwifchenpachter 
und bie Berwalter der Abweienden. Irland würde alfo gewinnen, 
wenn diefe zurüdfehrten, freilich aber ift ihre Entfernung —* zum 
Theil eine Folge anderer Mißverhaͤltniſſe, die in ihnen die Neigun 
zum Bewohnen ihrer Sitze ſchwaͤchten. Gegen Mac⸗Culloch uriheili 
auch Senior, Outline, S. 194. Foreign quartexly Rev. Nr. 73. ©. 105 
(1846). Vgl. noh Hermann, Untef. ©. 363. 


g. 841. 


In Hinfidt auf die ganze Volfswirthfchaft ift demnach eine 
unproductive Verzehrung nur dann unſchaͤdlich, wenn 1) bie 
Gefellfchaft einen genügenden Gegenwerth von perfünlichen 
Gütern empfängt, $. 336; 2) wenn neben einer foldhen Bers 
zehrung auch noch etwas zur Vermehrung des Capitales erübrigt 
werben fann, $. 334. Selbft wenn unzweifelhaft nuͤtzliche 


Dienfte verrichtet werben, muß man body erft erwägen, ob ber 
Rau, polit. Dekon. L 7. Ausg. 28 


— 44 — 


Wohlſtand bed Volkes einen folden Aufwand ohne Nachtheil 
zuläßt. Iſt jene Bebingung nicht vorhanden, fo hat ein neuer 
Aufwand, ber eine Anzahl von Gewerböleuten in Nahrung 
fept, im Ganzen keine wohlthätige Wirkung, weil nothwenbig 
an einer anderen Stelle des Gewerbsweſens eine Stodung eins 
treten müßte (a). 


(se) Wendet ein reicher Privatmann oder der Staat 20000 fl. auf eine neue 
unproductive Berzehrung, fo muß, um für 20000 fl. Güter hervorzu⸗ 
dringen, vielleicht ein Capital von 30000 fl. zu Hülfe genommen werben. 
Iſt fein neues Gapital von diefem Betrage übergefpart worden, fo kann 
im Ganzen nicht mehr hervorgebracht werben, weil man ein bereits 
vorhandenes Capital einer anderen Anwendung entziehen muß. 


8. 342. 


Eine Berzehrung wird alfo nicht ſchon dadurch nüglich, daß 
fie Arbeiter und Capitale beichäftigt. Die Lehre der Phyſtokraten, 
dag die Verzehrung nicht zu groß fein Fönne, weil fie immer 
nothwenbig eine Gütererzeugung hervorrufe (a), ift ein gefähr- 
licher Irethum, in den man nur verfallen kann, wenn man ohne 
Ueberblick des Ganzen ſich an vereinzelte Vorgänge hält. Eine 
unprobuctive Gonfumtion, welche das reine Volkdeinkommen 
ganz verfehlänge ($. 334) oder noch überftiege ($. 327), würde 
den Bolfswohlftand zerfiören und anfangende Berarmung bes 
wirken. Der gefunde Berfland des Volfed würde unter folchen 
Umftänden zwar bald wieder den rechten Weg zur Berbeflerung 
bes Fehlers zu finden wiſſen, aber doch Fönnte jene Irrlehre 
infoferne ſchaden, als fie bie reichen Zehrer und die Regierungen 
über die Folgen einer großen unfruchtbaren Conſumtion täufchte. 
 knntsatsguben and Muflagen. 1819,  Dieflhe mucde fobann mit 

Gegenbemerkungen herausgegeben von Krohn, Landehut, 1819. — 


Dagegen auch Stord, II, 174. — Fulda, Weber Broduction und 
Confumtion materieller Güter, Tüb. 1820. 


$. 343. 


Aus den bisherigen Sägen ergiebt ſich leicht das Urtheil, 
welches man von vollswirthſchaftlicher Seite über den Lurus (a) 
fällen muß, d. 5. einen ſolchen Aufwand, der blos einen ents 
behrlichen Guͤtergenuß bezweckt, ohne ein wefentliches Bebürfnig 
zu befriedigen. Der Lurus begleitet Häufig die Verwendung ber 


— 435 — 


Güter für wichtigere Zwede, fo daß mem bei einer gewiſſen Art 
des Guͤtergebrauches des Vergnuͤgens willen mehr verzehrt,. als 
man blo8 jener Zwede wegen nöthig hätte (d). Er ift theile 
auf finnlichen Genuß (Wohlieden) „ theild auf einen gewiffen 
Eindruck bei anderen Menfchen gerichtet (Luxus des Anſehens), 
und zwar entweder darum, weil in ber allgemeinen Meinung 
mit jedem Stande der Geſellſchaft ein gewifier zugeböriger Güter 
aufiwand verbunden if und der Einzelne ſich ber Lebensweiſe 
feiner Standesgenofjen anſchließen muß, um nidt an Achtung 
zu verlieren (Bebürfnig des Anftandbes), — oder in der 
Abſicht, ſich durch größeren Aufwand vor Anderen auszuzeichnen 
und dadurch höheres Anſehen zu erlangen. “Der Lurus bes 
Anfchens in feiner Uebertreibung heißt Prunl. Diefe beiden 
dem Luxus angehörenden Zwede werben nidyt felten zugleich 
verfolgt, doch fo, daß dann gewoͤhnlich der eihe oder der andere 
vorherrfcht. In beiden Richtungen giebt «6 verfchiedene Grabe 
die fih fowohl durch die Größe des Aufwandes, als vurch 


das Maaß von Bildung, die fie voraudfegen, von einander 
unterfcheiden. 


(a) Der Begriff des Lurus iſt ſehr verfchieden gefaßt worden, Diefenigen, 
welche allen Lurus für verberblich erklären (z. B. Defutt de Tracy, 
Commentar über Montesquien’s Geiſt Ben Gefept, F gu), meinen 
dabei eigentlich F einen hoben Brad defſelben. Bgl. Melon, Essais 
politiques, Chap. 9. (Bertheidigung des 2.) — Pinto, De la "dreula- 
tion, ©. 824. — Ferguson, Essays on the history of citfl society, 
©. 395 der Basler Ausg. (1789). — Stord ‚189. — Rau, 
Ueber den Lurus, Grlangen, 1817. — Def atitus and 5 

- &, 229. — Rofäer an Saufen Archiv, N. F. L, 48. — 
Nofcher, Syſtem, I, 408. 

(0) Schwierig ift es anzugeben, wo ber Luxus anfange oder wo das wahre 
Bedürfniß aufhöre; es giebt Bergnügungen, die zugleih Beduͤrfniſſe 
bes geiftigen Lebens befriedigen und die Anlagen des Menfchen auss 
bilden, 3. B. der Genuß der Tonkunſt. Beſchraͤnkt man ſich auf bie 
allein genau beflimmbaren Bedürfniffe des Körpers, fo wisd mag ges 
nothiget, alle diejenigen Berzeheungen ſchon für Larus zu erklären, 
welche nicht blos de Grheltung bes Lebens, dev Gefundheit und dw 
Dietfamfeit des Menichen gen gehören, Diep N die ein ine efte Graͤnze; 
wird dee Begriff des Larus enger gefaßt, fo iſt Alles relativ, und € 
bleibt, ai t6 — ‚als will a ein hewiſſe⸗ Maaß des Aufwande⸗ 
als Regel anzunehmen, ſo daß alies darüber Hinausgehende für L 

ten. on; man wird abet dann immer —— a en, da 4 Hi 

chen giebt, die ſich mit sic weniger beg migen, 1 fo V ‚fo M Re 

Maaße ſelbſt wieder Luxus enthalten iſt. olk iſt apue © 

und im den gebildeten Völkern enthält atıch die — et ech 

Stände ſchon vielfältige Genüffe des Lurus. Die um ie han dr 
le 


Berne an re a Ba BE die 
28? 


Volke, der Völker und Zeitalter untericheidet. Der einem ganzen Giandg 
gemeinfhaftliche Lurus nimmt für jedes einzelne Mitglied 3 
ie Natur des Beduͤrfniſſes an. 


8. 344. 


Die Frage, ob es beſſer wäre, wenn gar fein Luxus beſtünde, 
muß unbedenklich verneint werden. Wie derfelbe eine Folge 
des Kortfchreitens in den Gewerbsfünften und der Anfammlung 
von Bermögen if, fo bildet er zugleich eine der flärkften Trieb 
federn zum Erwerbe und kann zur Bereblung ber Gefühle dienen. 
Ohne die Ausficht auf Bergnügungen des Luxus würben bie 
Menfchen weniger arbeiten, und im Muͤſſiggang ihre Kräfte 
verfümmern laflen; die Veränderung aber, welche das Beifpiel 
der gebildeteren Stände in der Berzehrung der weniger gebildeten 
allmälig hervorbringt, trägt bei, rohe Gewohnheiten zu verbräns 
gen und einige Empfänglichkeit für geiftigere Genüfle zu er⸗ 
weden. Die niebrigfte Stufe bed Lurus if der Hang nad 
grobfinnlichen Reizen ; das Streben, ſich eine bequeme, gefällige 
Umgebung zu verfchaffen und ſich durch Zierlichfeit auszuzeichnen, 
ſteht fchon höher, die oberfte Stelle aber nimmt derjenige Luxus 
ein, welcher fi auf Erzeugnifie der ſchoͤnen Künfte Ienft (a). 


(a) Der Luxus in den früheren Perioden jedes Volkes zeigt fd ee 
in ber Berzehrung großer Maflen von Rohſtoffen; — zahlreiches 
folge, große Feſtlichkeiten, ſchwelgeriſche Gelage. Später Fommen nee 
Genüfle, bei mehreren Voͤlkern ift aber zulegt wieder ein ausjchweifen: 
der, verderblicher Lurus zum Borfchein gekommen. Entwicklung diefer 
bei Berioden bei Rofher a. a. D. — In dem Lurus der Höfe 
zeigt fich ein auffallendes Kortfchreiten zum Edleren, namentlich zu 
Genüflen der fhönen Kunſt, während noch vor 150 Ja ren geſchmack⸗ 
loſe Koſtbarkeiten, Seltſamkeiten (Euriofitäten) und Rohheiten an ber 
Tagesordnung waren. 


8. 345. 


Die Graͤnze, bei welcher der Luxus anfängt ſchaͤdlich zu 
werden, kann aus verfchiedenen Gefichtspuncten beftimmt werben. 
Bon fittlicher Seite wird ber Lurus verderblich, wenn er bie 
Gefinnung der Menſchen beherrfcht, die Kraft der Entbehrung 
und Selbfibezwingung lähmt, den Geiſt von großen Gebanfen 
und edlen Entfchlüffen abzieht und denfelben ganz in entnervenbe 
Bergnügungen verfenkt (a). Das Alterthum zeigt Beifpiele von 
einem allgemeinen, mit gränzenlofem Luxus gepaarten Sitten» 
verderben, welches den Berfall der Staaten herbeiführte; zumal 


— 437 — 


in demokratiſchen Verfaſſungen hatte der Luxus ſchaͤdliche Wir⸗ 
kungen, weil er die Gleichheit zerſtoͤrte und die ſtrenge, uneigen⸗ 
nuͤtzige Vaterlandsliebe ſchwaͤchte (6). Wir dürfen die erfreu⸗ 
liche Vermuthung hegen, daß in Staaten, deren Wohlſtand auf 
dem eigenen Fleiße der Bürger ruht (8. 26. 27), bei ber ganzen 
neueren ©eftaltung der Gefellfchaft und unter dem Einfluffe 
einer erhabeneren Religion folche Erfcheinungen nicht mehr zu 
befürchten feien. Der ungezügelte Luxus allein würbe ben 

Eittenverfal nicht Haben bewirken können, wenn nicht andere 

Urfachen da gewefen wären, von benen er ſelbſt wieber Wirkung 

und Kennzeichen ivar. 

(e) Ein gewohnter Grad des Lurus übt auch auf den WMenfchen Feine 
befondere Gewalt mehr aus. „Selbſtbeherrſchung und Mäßigkeit find 
wenigftens ebenfo häufig unter den Elaffen, die wir die höheren nennen, 
als unter den niedrigen, und wie wir auch immerhin das Kennzeichen 
der Genügfamteit in bie Ginfachheit bee Nahrung und ter anderen 
Lebensgenüffe ſetzen mögen, mit benen fi) ein gewiſſes Zeitalter oder 
eine Glafle von Menſchen zu begnägen fcheint, fo iſt es doch bekannt, 
daß koſtbare Gegenſtaͤnde nicht nothwendig zur Schwelgerei erforberlich 
find, und daß Ausfchweifung (profligsey) ebenfo häufig unter dem Stroh⸗ 
dache als unter der prächtigen Bertäfelung angetroffen wird. Die Men- 

ſchen gewöhnen ſich gleihmäßig an verfchiedene Lagen, enießen leiches 
Vergnuͤgen und empfinden green Reit zur Sinnlichkeit im Bafofte 
und in der Erdhoͤhle. Werden fie unmäßig und träge, fo rührt dieß 


von ber Erſchlaffung anderer Veftrebungen und dem Wibderwillen gegen 
andere Beihäftigungen her.“ Ferguson a. a. O. ©. 377. 


(5) Postqusm divitise honori esse 06oeperunt et eas gloria, imperium, po- 
tentia sequebatur, hebescere virtus, paupertas probro haberi, innotentia 
pro malivolentis duci cooepit, igitur ex divitiis juventutem luxuria atque 
avaritia cum superbia invasere. Sallust. Bell. Catil. — Montes- 
quieu, De l’esprit des lois, L. VIL Ch. 2. 


$. 846. 


Bon voltswirthfhaftlidher Seite wird der Lurus 
unter denfelben Bedingungen nachtheilig, unter denen es über 
haupt eine nicht mit der Gütererzeugung in Verbindung flehende 
Berzehrung werben kann, $. 334. 

1) In Anfehung feiner Größe fommt ed auf fein Ber 
haͤltniß zu dem reinen Bollseinfommen an, $. 341. Zwar läßt 
ſich nicht in Zahlen beftimmen, welcher Theil diefed Einkommens 
ohne üble Folgen für die Volkswirthſchaft für Zwecke des Lurus 
verwendet werben dürfe, indeß zeigt die Größe des Lohnes, ber 
Stand ded Bewerbfleißes x. leicht, ob neben dem Luxus noch 


— dB — 


beträchtfich viel Übergefpart werden laun. Wenn auch nicht me 
hefürcbten ift, daß ein Bolt ſich blos durch Abermäßigen Luxus 
zu Brunke richte, fo muß man doch wünichen, daß ber Sinn 
für eine einfache Lebensweife und die Neigung pum Sparen 
unter ben Reichen herrfchend werbe (8. 342), zumal ba ſchon 
ber Stoatdaufwand eine bebeutende Größe erreicht hat (a).. 
(a) Das Beifplel der hair Senügfamleit und Sparſamleit der Holländer 
de el ne Be melde Ann “en Be wendung" Im 
enden Luxus für eine Pflicht gegen die unbegäterte Bolksclaſſe —* 


8. 347. 


2) In Anſehung feiner Gegenſtaände muß ber Luxus nach 
ben in $. 386 aufgeftellten Säten beurtheilt werben. Er wird 
ſchaͤdlich, wenn er, auf eine Heine Zahl von Menfchen einge- 
ſchraͤnkt, eine Höhe erreicht, bei ber er feine wahren Genuͤſſe, 
fondern nur erfünftelte Reize hervorbringt. Ein ſolches Webers 
maaß iſt die Folge einer großen Ungleichheit bes Vermögens, 
einer Anhäufung vieler Menfchen an einzelnen Orten unb einer 
Berwöhnung und Berbilbung ber Reichen (a). Ein unter allen 
Ständen verbreiteter Lurus, der auch die Mühen des Arbeiters 
burch mäßigen Genuß belohnt, ihn an Reinlichkeit und Zierlich- 
fejt gewöhnt und hiedurch manche Rohheit abfchleift, iſt weit 
nüglicher (6). Derjenige Luxus, welcher Dienſtleiſtende mit 
gemeinnuͤtzigen Verrichtungen beſchaͤftiget, z. B. Kuͤnſtler, iſt 
einer ſolchen Richtung weit vorzuziehen, bei welcher muͤßige 
Menſchen ernaͤhrt und von der Arbeit abgezogen, oder ſchwel⸗ 
geriſche Vergnuͤgungen geſucht werben (c). 

(6) Montesquieu, L. VII, Oh. I. „Lo luxe est em ralaon eompasde des 
richosaen de l'qtat (hierunter yerfteht M. den Volkswohlſtand), de 
Yinögalitö des fortunes des particuliers, et du nombre d’hommes qu’on 
assemble dans de cortaina lieux* — Gin Beifpiel des hodhgefleigerten 


Lurus, aber in anſpruchloſer Form, giebt dig Zucht von Blumen, 
Gemüfe und Obſt in einer früheren Jahreszeit, 3.2. den im Min. 


(5) Bei den Häufigen Klagen über den Lurus unferer Seit geht man zu 
weit, obſchon eine größere Sparſamkeit in unferen Berhältnifien Immer 

u empfehlen wäre. Ban vesgißt, daß die bewundernswuͤrdige Vervoll⸗ 
— der Gewerle eine Menge von Genußmitteln weit wohlfeiler 
— bat, als He vor Zeiten waren, und daß es auch wieder vor 
lters Arten des Luxrus gab, von denen man jetzt zurüdgelommen if, 

B. ba Bellen und Pudern der Männer, das Tragen von koſtbaren 
iden uhſchnallen, Degen, goldgeſtickten Kleidern. Das einzige 


— 439 — 


Paar ſeidener Strümpfe (fie waren von rother Farbe), welches Jakob J. 
von England beſaß und ſeinem Miniſter zur Audienz des franzoͤſiſchen 
Geſandten lieh (Neues Hamb. Archiv, 1788. 1. Heft, S. 1 ff.), koſtete 
vielleicht ſo viel, als jetzt mehrere Dutzend, und obgleich Anna von 
Boleyn noch am Hofe Heinrich's VIII. Speck und Bier fruͤhſtuͤckte, 
ſo war doch wahrſcheinlich ihr Putz nicht wohlfeiler, als der eines 
heutigen Hoffraͤuleins. — Daß der Luras heutiges Tages mehr ale 
fopft darauf gerichtet wird, die Behaglichkeit (dad comfort der Eng: 
länder) auch des gemeinen Mannes zu vermehren, ift ebenio erfreulich 
als vernünftig. der Kunftfleiß iſt in dem Erfinden wohlfeiler Erſatz⸗ 
mittel für koſtbare Prachtgegenftände fehr weit gefommen; 3. B. Baum: 
wollenfammt, Battiftmuflelin, Zeuche, in denen der Seide oder feinen 
Wolle Baumwolle beigemengt iſt, gedrudte Zeuche flatt der gemuftert 
ewwirften, Seidenhüte ftatt der filgenen, Büchereinbände von Leinwand 
Kat ber ledernen,, plattirte Waaren, Argentan, Papiertapeten, Gypo⸗ 
figuren, Steindrüde, Polfter von Seraras, gepreßte Glaͤſer flatt der 
efchliffenen, Holzuhren, — Stellmägen (Omnibus) zum wohlfeilen 
ahren, — einheimifche Schaumweine, Kartoffelfage, Stearin an der 
Stelle des Wachſes und dergl. 

(e) Zurus in dauerhaften Kuftbarkeiten giebt, wie Rofcher a. a. D. bes 
merkt, audy eine Art von Rothpfennig. — 2urus in anftändiger Klei⸗ 
dung, Wohnung, gefälligen Zimmergeräthen und dergl. hält von der 
Unmäßigfeit im Eſſen und Trinfen ab. — Bon entichiedenem on 
find Mäpigfeitsvereine, um ben Gebrauch des Branntweins, defien 
Genuß leicht zur Gewohnheit wird und ins Uebermaaß geht, ganz zu 
verbannen. er erſte Verein dieſer Art in den norbamericanifchen 
Staaten entftand 1826 in Maffachufets. Die Einfuhr des Branntweins 
in die Union hat ſchon merfli abgenommen, und in Irland hat fidh 
ze sr ber Branntweinaccife 1840 anſehnlich verringert, vergl. II 


Fünftes Buch. 


Die bervorbringenden Gewerbe. 





Einleitung. 


$. 348, 


In ber Betrachtung ber Geſetze, nach welchen die Erzeugung 
(2. Bud), die Vertheilung (3. Buch) und die Verzehrung der 
Güter (4. Buch) erfolgen, find die einzelnen Thätigkeiten, aus 
benen die Volkswirthſchaft befteht, zergliedert und die Grund⸗ 
verhältniffe derfelben beleuchtet worden. Diefe Thätigfeiten und 
Berhältniffe finden ſich aber in jeder Elaffe und Art von her⸗ 
vorbringenden Gewerben auf eine eigenthümliche Weife unters 
einander verbunden und die Eigenthümlichkeiten biefer verfchies 
benen Gewerbe bebürfen einer befonderen Erklärung, benn ſie 
fonnten bei ben bisher abgehanbelten Lehren nicht in ihrem 
Zufammenhange aufgefaßt werden (a). Diefe befondere Dar⸗ 
ftelung der Gewerbe in ihren volfdwirthichaftlichen Beziehungen 
bient nicht allein zur Erläuterung der allgemeinen Geſetze ber 
Volkswirthſchaft, fondern macht auch den Gliederbau in bers 
felben anfchaulicher und giebt die nöthige Vorkenntniß zur Eins 
wirfung der Regierung auf bie Betriebfamfeit (d). Sie muß 
jedoch die Kunftregeln des Gewerbebetriebs ber Privatöfonomie 
überlafien und ſich auf die volfdwirthfchaftlichen Wirkungen und 
Erfeheinungen befchränten. 


(a) Dance frühere Schriftfleller bringen einzelne hieher gehörige Saͤtze 
theils bei der Lehre vom Bapitale und deſſen verfchiedenen Anwendungen 
4.8. Smith, II, 136—61, Kraus, III, 208), theils bei der Lehre 
von den Breifen vor (Stord, I, 317 ff). Aber kein ſolcher einzelner 
Standpunct geftattet den Ueberblick aller Erſcheinungen. 


(5) Say hat eine ähnliche Betrachtung vor der Lehre von Preis und Geld 
angeftellt, -alfo blos in Bezug auf Production, f. deſſen dritten Theil: 
Anwendung der Grundfäge der Nationalöfonomie auf die verfchiebenen 
Induftriezweige; Handb. II, 1—201. — Kudler trägt im praftifchen 
Theile bei jeder Abteilung der Gewerbe eine Einleitung dieſer Art vor. 


$. 849. 


Bei jeder Claſſe von Bewerben find hauptfächlich folgende 
Umftände zu unterfudhen: 1) In Beziehung auf die Pro- 
buction, a) die Mitwirkung eined Gewerbes zur gefammten 
Hervorbringung, wovon vorzüglich die Wichtigkeit deffelben für 
dad ganze Nahrungdweien abhängt, b) die Menge und Bes 
fchaffenheit der zu dem Betriebe eines Gewerbes erforberlichen 
Güterquellen und ihr Verhältnig zu einander, c) die Haupts 
arten bes Betriebe. 2) In Anfehbung der Bertheilung, 
a) der Preis der Erzeugniffe in ben verfchiedenen Zuftänden 
ber Geſellſchaft, b) die Bedingungen bed Abſatzes, c) der Ans 
theil der Unternehmer und Arbeiter an dem Ertrage des Ge 
werbed und ber Zuftand beider. 3) In Anfehung ber Ber; 
jehrung, a) die Stärke und Ausdehnung ber durch eine Art 
von Waaren zu befriedigenden Bebürfniffe, b) die Rüdwirfung 
auf bie Hervorbringung. 


Erſter Abſchnitt. 
Verhältniſſe der Erdarbeit. 


Erſte Abtheilung. 
Der Bergbau. 


8. 350. 


Dieſes Gewerbe (a) verſorgt die Menſchen mit Stoffen, 
welche zum Theil unter die werthvollſten Guͤter gehoͤren, zum 


Theil wenigftend von vielfachem Gebrauche und allgemein aner⸗ 
fanntem Rupen find. Zu ben erfteren find mehrere uneble 
Metalle zu rechnen, unter denen das Eifen die erfte Stelle ein- 
nimmt, weil es faft zu allen menſchlichen Befchäftigungen unent⸗ 
behrlich ift, ferner die Steinfohlen (5) und das Steinfalz; in bie 
zweite Adtheilung ber Bergwerkserzeugniſſe gehören die Kbrigen 
uneblen und die edlen Metalle, die Borzellanerde und dergl. Die 
meiften biefer Stoffe werden zu weiterer Verarbeitung als Ver⸗ 
wandlungs- oder Hülföftoffe benupt, weßhalb die jedesmalige Aus: 
behnung des Bergbaues zum Theil durch die Gelegenheit zur Vers 
arbeitung und die Koften derfelben, ferner burd den Begehr ber 
aus jenen Stoffen zu bereitenden Erzeugniſſe, hauptſaͤchlich ber 
aud den Erzen bergeftellten Metalle bedingt wirb (e). Eben 
darum hängt mit dem Bergbau bie Beichäftigung vieler Gewerke, 
arbeiter und Gapitale zufammen und berfelbe giebt zu einer 
Pflege der mechanischen Kunft Veranlaffung, bie auch für andere 
Gewerbe nüglid wird (d). Da wo fidh ergiebige Lagerftätten 
von nugbaren Mineralftoffen finden, ift folglich die Bearbeitung 
berfelben in volkswirthſchaftlicher Hinficht fehr vortheilhaft. | 


(a) Die. Beratung beginnt mit dem DBergbaue, nicht feiner größeren 
MWichtigfeit willen, ſondern weil man im Syſteme ber Stoffarheiten 
$ 7) ihn vorausgehen laſſen muß. In neuerer Zeit wird öfters ber 

bau mit den Gewerken unter dem Namen Induftrie zuſammen⸗ 
gefaßt. Allein da er nur bie fchon vorhandenen Naturgebülde hinweg⸗ 

nimmt, fa iſt er von den Gewerfen fehr verfchieben. Bergwerke im 

Deutihen Minen zu nennen iſt fo wenig Brund vorhanden als für 

ben Ausdrud Montangewerbe. — Im preußifchen Staate zählte man 

1857 114.000 Arbeiter in den Bergwerfen, ohne die 1300 in den Steins 

und Gipsbrüchen. Mit Ginrehmung der Salzwerfe und fämmtlicher 

Hüttenwerfe waren 1857 176000 Arbeiter mit 325000 zugehörigen Fa⸗ 

milienmitgliedern durch die Mineralftoffe befhäftigt. — Belgien Hatte 

im Jahr 1858 85000 Bergwerk und 180000 Hüttenarbeiter. — In 

England zeigt die Volkszählung von 1851 307069 Bergleute nebft 

23000 Steinbregern und 12000 Kohlenhaͤndlern. — Im Rönigreid 

Sachſen beichäftigte 1830 der Bergbau 10884 Beamte und Nrbeiter, 

mit den Bamilien zufammen 35813 Köpfe, die 929000 Thlr. Lohn 

ejogen. 


(5) Ueber die Wichtigfeit der Steinfohlen $. 120. Man hat früher be 
rechnet, daß das Steinkohlenerzeugniß von Großbritanien, nach den 
Preiſen angeſchlagen, die der Zehrer dafür bezahlt (32 kr. für den 
Centner), eine groͤßere Preismenge ausmacht, als die Gold⸗ und Silber⸗ 
ausbeute America's zu Anfang des 19. Jahrhunderts, naͤmlich reſp. 18 
und 8900 000 2. St. Nour. ann. des voy., San. 1828. Das heutige 
Erzeugniß von ungefähr 66 Mil. Tonnen = 1320 Mill. Gentnern 
Steinfohlen zu 5 Sch. an der Grube (8,? Er. der Centner) gie 16, Mill. 
%, St. (Angabe für 1886; für 1860 35 Mill, T. — 9/4 Mill. 8.) — 


—r 448 — 
Die Anwendung der Steinkohlen zum Ausſchmelzen des Giſens (ſchon 
um 1619 von Edward Lord Dudley mit gutem Erfolge vollbracht, 
bann wieber unterlaffen und erſt ſeit ungefähr 1740 wieder eingeführt) 
if einer der größten Kortichritte des britiichen Gewerbeweſens. Die 
Tonne Kohlen galt in London im D. 1813—24 3402, — 1825-44 


22,8, 1845-50 15,9 Schill., wozu bie Minderung und Aufhebung 
der Steuer beitrug, Porter, Progr. ©. 213. 


(ce) Deutichland (mit ganz ei) een f gegen I Mill, Str. Roheiſen 
und Bußwaaren aus Erz, alfo a auf den Kopf, — Groß: 
britanien 5,1 Mill. Tonnen = 108 RAin. d. Zolleke, (Reports a.a. O.), 
Schweden producixt 3 Mill., Frankreich 10,%, Rupland 4,5 Mid. Ctr., 
Belgien 186,° an 5 Mil., 1848—50 im 9. nr 3 Mil. Gentner, 
(Bitmetion IV, AT sang &u Gurope gegen 84 Mill. Gentnet, v. Reden, 

eutfchland, © . 457. v e, Die Eifenerzeugung Deutflande, 
1836, ©. 369. 413. if Fr Das d. Eifenhättengewerbe, 1852. 
54.118. Die Erzeugung des Robeifene in Großbritanien war 1740 
erſt 17350 T., 1788 68300 %., 1796 in Folge des flärkeren Begehrs 
für die Dampfmafchinen 125 000 T., 1806 258200, 1823 452 000 T. 
Porter, Progress, ©. 267. 575. — Der Gifenverbraud im d. Zoll: 
verein war 1837 u. 38 13,9 Pfd. 1845—47 im D. an 24 Pfd. auf 
den Kopf, im brit. Meiche war er 1847 u. 48 im D. 1472000 T. 
(Borter) = 109 Pfd. auf den Kopf! 


(9) Karſten, nf Bergbau u. Hüttenwefen, I, 1. Heft (1818). — 
gl. Log, Handb. I, 262. — Hausmann, Ueber den gegenw. Zu: 
Rand und bie idtigfeit des hannov. Harzes. Goͤtt. 1832. 


$. 351. 


Der Bergbau erfordert ein großes ſtehendes Gapital an 
Gruben» und Taggebäuben, Mafchinen u. dergl., die Hütten- 
werke verbrauchen zugleich vielen Brennftoff (a). Die Wohlfeil⸗ 
heit des Holzes (5) und der noch unerfchöpfte Reichtum an 
nugbaren Mingralien (0) geben zwar ſchwachbevoͤlkerten Ländern, 
deren Betriebjamfeit noch wenig entwidelt ift, einen großen 
Vortheil gegen bie weiter fortgefchrittenen Länder, aber bie 
Seltenheit des Capitales und der Mangel an wiſſenſchaftlich 
gebildeten Bergwerksvorſtehern (d) fowie an Straßen kann jenen 
günftigen Umftänden das Gegengewicht halten ($. 185), weßhalb 
nicht felten auch in reichen und gut bevölferten Ländern die 
Bergwerke noch bei freiem Mitwerben anderer Länder fortbe⸗ 
trieben werben, beſonders wo Steinfohlen bie Bereitung der 
Metalle erleichtern. Laͤßt fi) die Kunft und der Gapitalaufwand 
nicht mehr fleigern, fo müflen allerdings bie Koften ber Ges 
winnung von Minerallörpern allmälig größer werden, und fo 
tommen leicht die Bergwerfe in Verfall, weil fie das Mitwerben 
metallreicherer Zander nicht aushalten können, 


) 


(6) 


(0 


(@) 


— 44 — 


Sn den Kupfers und Zinn⸗Berg⸗ und Huͤttenwerken von Cornwall wirb 
das fiehende Gapital auf 2440000 2. St. geſchaͤtzt. — Die erageniegt- 
fhen Gruben Haben 1626600 Thlr. flehendes und 2.538200 Thlr. 
umlaufendes Bapital. v. Weißenbach, Sachſens Bergbau, 1833. — 
Die Mafchinen leiften aud beim Bergbau große Dienfte, vorzüglich zum 
erausfchaffen (Fördern) der gewonnenen Gefteine und des ben 
rubenarbeiten hinderlichen Waflers, was durch Menſchenhaͤnde ſehr 
foftfpielig iR, ferner zum Luftwechſel. Indeß find aud die Mafchinen 
mit großem Aufwande verfnüpft. 
Auch wohl der Arbeit. In America wurden unter der ſpaniſchen Herr⸗ 
ſchaft die Bingebornen mit Zwang gegen fehr geringe —— — 
Bergbau angehalten. In Sibirien werden Straͤflinge, Frohnbauern 
und ausgehobene Bauern wie Recruten zu den Grubenarbeiten ge⸗ 
braucht. Am Altai waren 1826 17514 ausgehobene und 87000 —28 
bauern (v. Ledebour, Reiſe durch das Altaiſche Gebirge). 
In Chili ſteht, nach Hall's Berichten, das Kupfererz zu zage aus 
und kann mit der größten Leichtigkeit ausgebrochen werben. Der Gentner 
Kupfer wird dort für 11—13 Piaſter (27—32 fl.) verkauft, welches 
ungefähs die Hälfte des europäifchen Preifes ifl. — Unermeßlicher Reich⸗ 
thum von Bleierz im Staate Wisconfin (Nordamerica), auch eine Fülle 
von Kupfer in mehreren .wefllichen Staaten. — 1843 wurden überaus 
reiche Lager von Kupfererz in Neufüdmwales entdeckt, aus benen bie 
Tonne in England für 24 2. ©t. verkauft wird. Athen. Rr. 972 
(1846) nah Dutton. — Die Belorgniß, daß auf dem Harze, deſſen 
Gruben feit dem 10. Jahrhundert gebaut werden und im Sabre 1725 
den höchften Ertrag gaben, mehrere Gruben nad hoͤchſtens 20—30 Jahren 
wegen Erfhöpfung würden fill ftehen müflen (Oſtmann's Breisfchrift, 
im Auszug im Hannov. Mag. 1824, Stüd 3—5), if glüdlicher Weife 
neuerlich durch das Auffinden neuer Anbrüche zum Theil gehoben wors 
den, Hausmann, a. a. D. ©. 170. 172. — In verfchiebenen 
Gegenden Deutichlande , zumal in Böhmen, fand im Mittelalter ein 
fehr ergiebiger Bau auf Gold und Silber Statt, gegen welchen ber 
peutige Ertrag an beiden Metallen fehr gering erfcheint. Blos Kuttens 
erg in Böhmen foll fhon 1305 einen —28 von 52000 Mark 
gegeben Haben, nachher noch mehr. Joachimsthal und Beer lieferten 
noch im 15. Jahrhundert erflaunliche Ausbeute. Fiſcher, Geſch. des 
d. Handels. I, 84. 270. II, 112. 319. 635. — Die große Ausbeute, 
die der Bergbau im Salzburgifchen im 15. und 16. Jahrh. an Bold 
und Silber gab, ift heutiges Tages verſchwunden. 


In den mittel: und füdamericanifchen Bergwerken war bisher ber Betrieb 
fehr unvolllommen und nadhläffig, man bediente fich fehlerhafter Mes 
thoden, bei welchen in den Erzen noch einiger Metallgehalt gurüderich, 
und arbeitete ohne Fünftliche Mafchinen. Beim Mangel an Berbindung 
zwiſchen den einzelnen Thellen eines Bergwerkes mußte 3. B. das Erz 
durch Arbeiter in bie Höhe getragen werden. Gin folder tenatero trägt 
21/a — 31/a Cr. auf dem Müden und kann täglih in 6 Stunden 
6 Franken und mehr verdienen, Humboldt, Essai polit., IV, 36. 
Die neuerlihe Anwendung europäifcher Capitale und Kunflmittel auf 
bie _americanifchen Bergwerke hätte aus dieſen Urjachen einen großen 
Erfolg Hervorbringen muflen, wenn nicht diefe Unternehmungen deutfcher 
und englifcher Metiengefellichaften größtentheild ohne Ueberlegung und 
Sachkenntniß begonnen worden wären, woraus anfehnliche Verluſte für 
die Theilhaber entftanden. Bon englifhen Gapitaliften wurden gegen 
5 Mil. £. St. aufgewendet, weldhe man für größtentheils verloren 
hält. Doc laſſen einige Gruben guten Erfolg erwarten. Vgl. Quart. 
Rev. Juni 1827. ©. 81. — Porter, Progress, ©. 628. 


6. 852. 


Der Bergbau auf edle Metalle giebt wegen ber geringen 
Berfendungsfoften und des daher rührenben ausgebehnten Mit- 
werben® anderer Zänber ($. 169) den Fleinften Gewerböverdienft; 
felbft die Silbers und Goldbergwerfe in America haben meiftend 
feine beträchtlichen Gewinnfte getragen (a), was jedoch zum 
Theile eine Folge des Funftlofen Betriebes war, 8. 351 (d). 
Andere Mineralien, vorzüglich Blei, Eifen, Steinfohlen und 
vergl. erhalten leichter bei ftarfem Begehre einen foldyen Preis, 
welcher nad) Beftreitung ber Koften einen anfehnlidhen Rein 
erttag giebt, doch wird derfelbe oft durch Unfälle oder zunehmende 
Schwierigkeiten der Gewinnung geichmälert, fo daß er dem Er- 
trage anderer Bobenbenußungen in Hinfiht auf Sicherheit nach» 
fteht (6). Er würde größtentheild ald Grundrente dem Eigen: 
thümer bed Bodens zufallen, wenn nicht nad) den gefeßlichen 
Einrichtungen der meiften Ränder das Recht zum Betriebe des 
Bergbaued von dem Orunbeigenthume getrennt wäre und ber 
Eigenthümer blos auf Entfhäbdigung für die ihm entgehende 
Benugung der Oberfläche Anfpruch hätte (c). 


(a) GBiner der neueften Reifenden, Hall, beflätigt, was fhon Smith an: 
geführt hatte, daß man in America den Bergbau auf Silber für bes 
denflih, auf Bold aber für hoͤchſt gewagt anſehe, ob es gleih an ein: 
einen Fällen nicht fehlt, wo Unternehmer großen Reichthum erworben 
aben. Die Abgabe an den Staat mußte in Peru beim Silber von 
#5 auf to, beim Golde auf !/eo des rohen Ertrages perabgeie t wer: 
den, in Merico kam fie 1780 beim Golde, 1822 auch beim Silber auf 
3 Proc. herab. Die Grube Anima Balenciana trug im Durch⸗ 
fhnitt der neun Jahre 1794—1802 jährlih roh 158929 Mark oder 
1537486 Biafter, die Koften und Abgaben machten 894007 Piaſter, 
alfo blieb Reinertrag der Unternehmer 643479 Biafter ober 41 Proc. 
Dieß iſt aber das reichfle Silberbergwerf in Merico, nad welchem die 
anderen nicht beurtheilt werden können. Der erzführende Bang veta 
madre ift auf einer Erſtreckung von 12000 Meter (40 000 bad. Fuß) 
bearbeitet worden ; er bat, wo er unzertheilt if, meiftens 12—15 Met. 
Mächtigkeit und große Tiefe. Neuerlich iſt der reine Ertrag dieſer Grube 
auf 5 Proc. gefunten, hauptſaͤchlich weil feit 1811 Wafler in fie ge: 
brungen ift, weldhes nun den größten Theil ihrer Tiefe ausfüllt. Hum- 
boldt, Essai polit. III, 409. — Stord, I, 393. III, 15. — Adams, 
The actual state of the mexican mines, 1825. — Heidelb. "Jahrbücher, 
1825. ©. 712. — In Braftlien if bei fehr nachlaͤ Rgem Betriebe doch 
die Abgabe an den Staat !/s des Goldes geblieben. Spir und Mar: 
tius, Reife, I, 346. — In Rorb:Garolina werden die feit einigen 
SJahrzehnden eröffneten Soldgruben (Seifens oder Schwemmwerke) noch 
für Ya — 1a des Rohertrages verpachtet, aber nur in ber Hoffnung 
außerordentlicher Funde kann ſich der Unternehmer zu biefer hohen Ab: 


(8) 


(e) 


abe entfchliegen; Olmsted in Taylor, Philos. magas. Nr. 325. 
& 375. Das Graben gefchieht zum Theil von Abenteurern (Julius, 
Norbamerica’s fittl. Zufänte, I, 75) wie auch in der Gegend von 
Arispe (Merico) bie fogen, Gambusinos umherziehen, um Goldlager zu 
fuhen. Diefe Goldgewinnung durch Ausmejden der gegrabenen Erd⸗ 
iſt nicht mehr Bergbau zu nennen. — Im Htmmelefürfler, dent teidys 
ſten fächfiichen Silberbergwerfe, wird der Reinertrag auf 27 Proc. bes 
rohen berechnet, in der Dorothea bei Clausthal belief er ſich im vori⸗ 
gen Jahrhundert auf 30 Proe., dagegen wurden anf dem ze auch 
viele Gruben mit Schaden („auf Zubuße‘) gebaut, fo daß im 
Banzen der reine Ertrag nicht mehr als 10 Proc. ausmachte. Bon 
den Silbers, Bleis und Kupfergruben des Dberharzes geben nur fechs 
eine Ausbeute, vier deden die Koften, die anderen Toket Zuſchuß. 
Hausmann, a. a. D. ©. 163 und Taf. V. — Die Ausbeute 
mehrerer Bergwerke im fächftihen Erzgebirge empe, Mag. V, 93.) 
zeigt deutlich den Einfluß des Cinſtroͤmens der wohlfeileren america⸗ 
Sifhen Metallvorräthe auf den europäifhen Bergbau. Die vertheilte 
Ausbeute betrug 3. DB. zu Annaberg im D. 14961505 60499 fi., 
1562 —1571 11368 f., 1580—1599 3233 |. Nus den Zahlen bei 
Bäkihmann (Vergleichende neberfiht d. Ausbeute ac., Freib. 1852 
läßt fich ermitteln, daß im Freiberger Revier anf jede gewöntterre Ma 

Silbers im D. 1630 —49 3,41 Thle., — 1590-99 2,%, - 165058 
2,18, — 174049 1,8, — 1790—99 1,15, — 1840-49 nur 0,% Tälk, 
Ausbeute vertheilt wurde. — Der jährliche Meinertrag des Silberberg- 
werke zu Sala in Schweden war im 15. Jahrhuntert 17276 Thlr., 
von 1 

17. Jahrh. 3072 Thlr., im 18. Jahrh. 1850 Thle. Hausmann, 
Reife d. Scand., IV, 311 (Gött. 1816). 


Bei dem großen Kupferbergiwert zu Roͤtaas in Nortiegen berechnete 
man 1767 den reinen Ertrag auf 53 Procent des rohen, bei dem Preife 
von 80 Thaler dänifch für das Schiffspfund Garkupfer. Schlözer, 
Briefwechſel, V, 273. Aus den Angaben bei Hausttiann, V, 237, 
laͤßt ſich nody ein reiner Ertrag von Al Procent vermuthen. — Schot⸗ 
tifche Blei⸗ und comifche Zinnbergwerfe tragen nah Smith 16%5 Pro: 
cent; doch verfihert man neuerlich, vo fle keinen Reinertrag im 
Ganzen abwerfen, indem Ginzelne verlieren, was Andere gewinnen. 
„Man hat hierin feine Gewißheit über den gegenwärtigen Augenblid 
hinaus. rzgänge, die anfange viel verfprechen, werden oft. in ber 
Tiefe ganz unergiebig und verurfachen den Unternehmern ungeheure 
Perlufte, — andere, die von außen wenig erwarten ließen, gaben 
fpäterhin große Gewinnſte.“ Mac-Culloch, Stat. acc. U, 16. Die 
Unternehmer ke fehr bejeidmend adventurers. — Die Steinföhlen: 
bergiwerfe im Fürftentfum Schweidnitz gaben von 1778—% im D. 
einen Reinertrag von 25%, Proc. des rohen (Köhler, Bergm. Jour⸗ 
nal, 1792, I, 52.), ſaͤmmtliche fchlefifche im Jahr 1790 Iogat 33 Proc. 
(end. I, 4). Neuerlich ollen die engl. Steinfohlenibergiverfe im 

gemeinen nicht ſehr einträglih fein, Mac-Culloch, II, 3. — 
Bei den belgifhen Kohlenbergwerfen war 184550 der reine Ertrag 
9 Proc. des rohen, die Ausgabe für Arbeitslohn nahm 49,2 Proc. des 
leßteren' hinweg, Situation, IV, 101. 


Diele Bergütung erhält er bisweilen durch Freikuxe, die ihm einen 
fleinen Antheil am Noherttage geben. — In Gornmwall werben die 
Bergwerke gewöhnlich vom Gigentgümer für !/a—!/ıs de6 Rohertrages 
verpachtet, meiftens auf 21 Jahre. 


—1550 18141 Thlr., von 1551—1601 4498 Thlr., im. 


— 447 — 


$. 853. 


Der Bergbau eignet fi beſſer zum Betriebe durch eine 
Geſellſchaft von Bapitaliftien (Gewerkſchaften), deren Actien 
bier Kuxe heißen, als durch einzelne Unternehmer, Eigen: 
Iehner (a). Die Urfachen hievon liegen darin, daß er ein 
großes Capital erheifcht, namentlich auch ein beträchtliches ſtehen⸗ 
bes, welches nicht Leicht wieder herausgezogen werben fann, 
bag man nicht alle Jahre ficher auf eine reine Einnahme (Au: 
beute) rechnen kann, fondern zumeilen noch zuſchießen (auf 
Zubuße zechen) muß, und daß ein Einzelner, ber die ganze 
Wagniß allein zu tragen hätte, durch ſolche nicht vorauszu⸗ 
fehende Umftänve leicht zu Grunde gerichtet oder doch ſchwer 
betroffen werben würde. Nur Fleinere Unternehmungen, 3. 2. 
bei Mineralien, die nahe an der Erboberfläche liegen, und jehr 
reiche Privaten machen eine Ausnahme. Die meiften Unter: 
nehmer ded Bergbaued bilden daher Feine eigene Claſſe von 
Gewerbtreibenden, fondern finden fi) unter ben Gapitaliften 
zerfireut (d). 

(e) Oder Eigenlähner Mit diefem Worte belegt man aud eine 


geringe Zahl von SInterefienten, bis zu 8. Mittermaier, Privat: 
recht, S. 302. 


(6) In Chilt iſt der Unternehmer (minero) meiftens unbegütert und borgt 
das Gapital von einem Capitaliften (habilitador), ber die Gefahr des 
Miplingens trägt. — In Nordamerica (Staat Wisconfin) giebt es 
eigme „Binder,“ die Erze guffuchen und dann bie erhaltene Berech: 
tigung an einen Bergwerksunternehmer verkaufen. 


$. 354. 


Die bergmännifchen Arbeiter find felten zugleich Unter⸗ 
nehmer (a), vielmehr wirken fie in der Regel im Lohn. Die 
Berrihtungen des Bergbaues haben viel Eigenthümliches, fie 
nehmen nicht blos Erfahrung, Uebung und beträdhliche Körper 
ftärfe in Anfpruch, fondern ſetzen auch die Arbeiter vielfältigen 
Beichwerben (5) und Lebendgefahren aus (c). So lange der 
Bergban im Aufblühen if, kann der Lohn fehr hoch fein, indem 
ber Zubräng von Arbeitern aus anderen Beichäftigungen nicht 
groß zu fein pflegt. Findet aber feine Erweiterung des Be⸗ 
triebes mehr Statt, ober muß derfelbe fogar eingefchränft werben, 
jo ſteht der Lohn niebrig, denn bie Bergleute werben durch 


— 448 — 


Gewoͤhnung und Vorliebe an ihr Gewerbe und die damit ver⸗ 
bundene Lebensweiſe gefeſſelt, weßhalb auch die Soͤhne ungern 
den Stand und Wohnſitz der Vaͤter verlaſſen und daher das 
Angebot von Arbeitern fich erweitert (d). Bei ſtarker Bevölkerung 
fehlt e8 nicht an Beifpielen übermäßiger Anftrengung, felbft ſchon 
im findlichen Alter, mit fpärlichem Lohne (Ce). Bei günfligeren 
Berhältnifien erhalten fich die Arbeiter dur, Genügfamleit und 
Fleiß (f) ungeachtet ihrer beſchraͤnkten Lage bie Zufriedenheit. 


(e) 
(8) 


(e) 


(4) 


(ed) 


Nur etwa bei fo leichten Unternehmungen, wie fie in $. 353 erwähnt 
wurden, 3. B. beim Bau auf Bohnerz nahe an der Oberfläche. 


3.8. Krummhälfer:Arbeit, wo man f&hiefliegend Bauen muß. — Gru⸗ 
ben in großer Höhe. Bei Heiligenblut in Kärnthen baute man bis 
1798 10000 Buß body auf Golderze in der Schneeregion, aus der die 
Bergleute nur einmal wöchentlidh ins Thal herabgingen, in ſteter Gefahr 
vor Lawinen. Noch jetzt find im Salzburgifchen mehrere Bergwerke 
nahe an der Schneegränge, mit beeisten Stollen (Schultes, Reiſe auf 
den Glodner, Il, 48. 1804). Am Monte Rofa ift die letzte Hütte ter 
Bergleute 1 Stunde hoch im Schnee. Nehnlich bei Nolatco in abi. 
Ginbrechendes after, Ginfturz des Mauerwerfe oder der Erde, Ent 
ündung der brennbaren Luftarten (ſchlagende Wetter) und tergl. Am 
erharz verunglüdten jährlih 10—12 Menfhen, Hausmann, 
©. 59. — In den engliihen Kohlengruben find, foviel befannt if, in 
25 Jahren bis 1835 2070 Menfchen umgefommen, vielleicht noch mehr 
(Mac-Culloch. Stat. acc. IL, 7), in den belgifchen 1831—40 1016 
oder 3,2 p. mille, 1841—50 1366 oder 2,°1 p. m., neben 1,6 und 
2,4 p. m. Verwunbeten, Situat. IV, 109. — Die preußifchen Bergwerke 
hatten 1821—50 1715 Todesfälle bei der Arbeit, 1851--50 insbefons 
dere 791 oder 1,60 auf 1000 Arbeiter, in den Stein: und Braunfohlen- 
ruben aber in dem Zeitraum 1821—40 2,35 p. mille, v. Garnall, 
eitfhr. I, 120. — In der Balenciana (Merico) famen 1780 an 
250 Arbeiter auf einmal um durch Eindringen des Waflere, Hum- 
boldt, Essai pol. IV, 42. — Durch geregeltes, Eunftgemäßes Verfahren 
läßt fich viel zur Verhütung folder Unfälle thun; 3. B. Davy’s 
Sicherheitslampe, in Belgien von Müfeler verbeflert, f. Des moyens 
de soustraire l’exploitation des mines de houille aux chances d’explosion 
Brux. 1840. 


Hiezu trägt befonders bei, daß fchon die Knaben in den Gruben und 
Bocwerten Beihäftigung finden. Auf dem Oberharze ift der wöchent: 
lihe Verdienft eines Pochknaben 34 —42 kr., eines Taglöhnere bei 
Graben: und Wegarbeit 1 fl. 48 fr. — 3 fl., eines Gehuͤlfen in den 
Hütten (Borläufer, Zuwärmer ꝛc.) 2 fl. 42 ir. — 4 fl. 30 fr., eines 
Bergfnappen, Schmelzers ıc. gegen A fl. 30 fr. Die Bergleute fcheuen 
fih dort, durh Mäben der Wieſen etwas zu verdienen. Hausmann, 
©. 59, 69 u. Taf. I, ebenfo die deutfchen und flowafifchen Bergleute 
in Ungam; v. Cſaplovics, Gemaͤlde von Ung. 1829. IL Ill. — 
In den belgifchen Koblengruben arbeiteten 1850 28471 Männer (zu 
1,2 Fr. täglich), 4464 Knaben (zu 94 ent ), 2274 Weiber (zu 1,9 Fri), 
1221 Mädchen (zu 85 Eent.). 


Der Bericht einer britiihen Parlaments: Commiflion von 1842 enthält 
traurige ‚Delege hiezu. Biele Kinder kamen mit 7—9 Jahren, einzelne 
mit 6, ja mit 5 ober felbf 4 Jahren in die Gruben, zu Arbeiten ber 


ermuͤdendſten und fchäplichfien Art. Daher frühe Erſchoͤpfung, kurze 
Lebensdauer, Anlagen zu Krankheiten, 3. B. das Schwarzipeien. Hier 
it das Bedürfniß einer Staatsauffiht unverkennbar. Auszug aus dem 
erwähnten First report bei Ducpetiaux, De la condition physique 
et morale des jeunes ouvriers, I, 87. Brux. 1843, auch bei Engels, 

. Die Lage der arbeitenden Claſſe in England, ©. 289. 1845. 

( 5) Arbeiten auf Berding (Stüdlohn) beleben den Fleiß; Feldbau, Holz: 
fchnigen und mancherlei Fleine Nebengewerbe werfen in den Nebenzeiten 
noch einigen Ertrag ab und die Arbeitszeit (Schicht) ift gewöhnlich nur 
8 oder 6 Stunden täglih. — Die Bergleute in Gornwallis übernehmen 
die Arbeiten ſtückweiſe für eine Duote des Rohertrags, nach einem 
Herabbieten in öffentlicher Berfteigerung, wobei fie ihr gutes Ausfommen 
finden. Quarteriy Rev. Juni 1827. ©. 81. 


8. 355. 


Wird der Bergbau über den eigenen Bedarf eined Landes 
hinaus erweitert, jo fann feine Ausdehnung Gefahren für den 
MWohlftand derjenigen Gegenden nach fidh ziehen, in denen er 
als vorherrfchender Gewerbszweig betrieben wird. Die Gapi- 
taliften werben durch einzelne Beifpiele großer Gewinnfte leicht 
angefeuert, mehr Capital, als rathſam ift, auf ihn zu wenden, 
und der hohe Lohn verurfacht eine Vermehrung der Bergarbeiter. 
Dieß hat öfters die Folge gehabt, daß andere nüglichere Ges 
werbszweige vernacdhläfligt werden (a), und daß, wenn dann 
der Bergbau wegen Erfchöpfung der Kagerftätten, wegen Mangels 
an Abjag und dergl. in Verfall fommt, viele Familien auf 
mehrere Menfchenalter ind Elend gerathen (6). Dagegen 
wird auch durch das Aufblühen ded Bergbaus der Anbau und 
der Wohlftand abgelegner, vernachläffigter Gegenden raſch ges 
hoben (ec). 

(a) Dieß ſoll ſchon ungefähr im 8. Jahrhundert in Böhmen geihehen fein, 
unter Herzog Krzefomisl, fo daß wegen der Berfäumung des Landbaues 

Peak. Theurung und Hungersnoth eingetreten find. Fiſcher, Ge 


dichte des d. Handels, I, 91. Solche Mißgriffe können nur vorüber 
gehend fein. 

(5) Das berühmte Silberbergwerf zu Kongsberg (Norwegen) hatte 2500 
Arbeiter, den vierten Theil der Binwohner, beidhäftigt, bi6 e6 1805 von 
der dänifchen Regierung fat ganz verlaflen wurde, nachdem es von 
1769 an gegen 70000 Thlr. jährlichen Zufhuß gefoftet hatte. „Sah 
man einft zahlreiches Bergvolk ſchon vor Tages Anbruch das ftille Ge⸗ 
birg binan zu den Gruben anfahren und nach beenteter Schicht froh 
zum dampfenden Herde zurüdeilen, fo findet man jest die Anfahrwege 
leer und todt, in den Straßen der Stadt aber langſam fchleichende, 
ausgehungerte, mit Lumpen behangene Körper, in deren gebeugten Ge⸗ 
fihtern man Hunger und Elend Tief.“ Hausmann, Meile dur 
Scand. II, 2 ff. — Späterhin kam dieß Bergwerk wieder in Gang 
und bringt jeßt reichlichen Ertrag, $. 277. 

Mau, polit. Defon. I. 7. Ausg. 29 


— 450 — 


(6) „Ale Obregon (nachheriger Graf von Balenciana) den Gang 
von Suanaruato oberhalb der Schluht von St. Xaver zu bearbeiten 
anfing, weideten bie Ziegen auf dem nämlicdhen Hügel, wo fi 10 Sahre 
fpäter eine Stadt von 7—8000 Ginwohnern zu bilden begann.“ 

‘Humboldt, Essai pol. III, 9. 405. — Galifornien, Auftralien ıc. 


Zweite Abtheilung. 
Wilde Jagd und Fifcherei. 


$. 356. 

Die Erlegung und den Bang ber Land und Waflertbiere 
ohne eine vorausgehende Sorgfalt für Erzeugung, Wahsthum 
und Gedeihen berjelben nennt man wilde Jagd und wilde 
Kifcherei. Beide Ernährungsarten haben zwar biefe forglofe 
Benugung des natürlichen Reichthums mit einander gemein, find 
aber doch in anderen Hinfichten fehr verſchieden. Die wilde 
Jagd, febt weite, menfchenleere Streden ,. befonderd bemalbete, 
voraus, in denen Wild in Menge aufmähf. Nur eine jehr 
Heine Zahl von Menſchen fann fih auf einem beflimmten 
Raume von der Jagd emähren; die Volfömenge eined Jägers 
volkes muß daher, wenn es nicht möglich ift, ſich über eine 
größere Flaͤche auszubreiten, in einer engen Gränze bleiben, 
deren Ueberfchreitung bald Hungersnoth verurfachen würbe. Die 
Jagd übt und flärft zwar den Körper in hohem Grade und 
wird leicht zum Gegenftand einer leidenfchaftlichen Borliebe (a), 
macht aber die Menfchen ungeftüm, rauh und rubigeren Bes 
ſchaͤftigungen abgeneigt. Ihr Ertrag läßt fih, mit Ausnahme 
der Häute und Felle, nicht aufbewahren, deßhalb fuht man nicht 
mehr Lebendmittel zu gewinnen, als man in furzer Zeit vers 
zehren kann, es wird nichts Abergefpart, fein Capital geſam⸗ 
melt und alfo fein Weg eröffnet, um aus dieſem Zuftande der 
Rohheit herauszutreten, in welchem es weder Arbeitötheilung 
noch Verkehr, weder geiftige Bildung noch Staatseinrichtungen 
giebt (Bd). 


(a) Wie dieß von den alten Deutfchen und Galliern befannt il. Reynier, 
Econ. publ. et rur. des Celtes, des Germains etc. ©. 138. 


— 41 — 


(5) Belege hiezu geben bie Sähilderungen von Neifenden über die Wilden 
in beiden Sälften von America. e nordamerlcanifhen Jägerflämme 
treiben indeß nah Hunter ſchon etwas Landbau und felbft einige Ge⸗ 
werke. — Berührungen mit anderen gebildeteren Bölfern machen „es 
allein ſolchen Stämmen möglih, nad und nad zu einer anderen 
Lebenswelje überzugeben, wozu fie fich jedoch nur ſchwer entſchließen. — 
In Rusland bemerkt man die Abnahme der Heifchfrefienden Jagdthiere, 
die das vorzüglichfte Pelzwerk geben, dagegen mehren fich die pflanzen 
frefienden und nagenden, deren Helgertrag im Ganzen viel größer if. — 
Die fogenannte zahme Jagd, bei welder das Wild mit Nüdfidt 
auf die Fortpflanzung geihont (gehegt), bisweilen felbft gefüttert 
wird, erfordert Jagdgeſetze, die in einem Zuftande, wie ber oben bes 
fchriebene, nicht zu Stande kommen können. 


. $. 857. 


An den Ufern bed Meeres ober aud) beträchtlicher Ströme 
und Binnenfen gewährt die wilde Fiſcherei vielen Men- 
hen Unterhalt. Sie zeigt fi) in ihrer größten Wichtigkeit in 
folhen Ländern, wo die Strenge des Klimas der Viehzucht und 
dem Pflanzenbau wiberftrebt und beghalb Fiſche das gemeinfte 
Kahrungsmittel bilden, ohne welches folche Gegenden gar nicht 
bewohnbar wären (a). In Rändern, die dünftiger befchaffen 
und bereit® angebaut find, bildet dieſe Fiſcherei eine fchägbare 
Zugabe zu den Nahrungsmitteln, welche der Boden trägt, und 
liefert überdieß noch Güter, die theild im Lande verarbeitet (b), 
theild auswärts abgefegt werben innen (c). Die Küften- 

„ bewohner ergeben ſich diefem Erwerbözweige häufig und erhalten 
in ihm Gelegenheit, ſich zu guten Schiffen zu bilden. Der 
Fiſchfang in der Nähe der Ufer wird im Kleinen, mit geringem 
Capitale betrieben, giebt auch wegen ber ſchwierigen Fort⸗ 
fhaffung frifcher Bifche ind Inmere der Länder und des großen 
Mitwerbend von Berfäufern feine beträchtlichen Gewinnfte, bes 
fchäftiget dagegen viele Menfchen (d). Die in entferntere Meere 
unternommenen Züge erfordern erhebliches Capital und können 
große Gewinnſte abwerfen, find jeboch nicht frei von Zufällen, 
welche biöweilen allen Bortheil vernichten (e). 


(a) Schon in Island und Kamtſchatka find Fiſche die Hauptnahrung, Vieh⸗ 
zucht wird au Hülfe genommen, pflanzliche Nahrungsmittel aber werden 
wegen des falten Klima’s faft gar nicht gebaut, da in Kamtſchatka fchon 
im Anfange des Julius Reife eintreten. Rau, Anfidten, S. 81. — 
Schlöger, Briefwechſel, 9. VI, 342. — Gbenfo im nördlichen Nor⸗ 
wegen. — Trodnen der Fifche für den Winter und zur Ausfuhr. 

(6) — Wallrath, Wallfiſchbarten, Hauſenblaſe, Perlen, Korallen; — 

ernſtein. 


29” 


(e) 


(4) 


(e) 


— 452 — 


Heringe, Stodfifche, Auftern ꝛc. Die vielen Küften Europa’s geben eine 
große Begünftigung der Fifcherei. — Ueber den Ertrag berfelben vgl. 
v. Malchus, Statifl. u. Staatenf. S. 88. — In Großbritanien 
waren 1833 11284 Wahrzeuge, mit 49212 Menſchen bemannt, im 
Heringsfange beichäftigt. Mit Binfhluß der beim Salzen, Paden ıc. 
thätigen Menfchen fanden 86266 Perfonen ihren Unterhalt dur bie 
Heringsfliherei. Mac-Culloch, Stat. acc. II, 28. In Schottland 
follen 1848 15062 Fiſcherboote mit 60 364 Mann beichäftigt geweſen 
fein. Irland hatte 1846 21075 Boote mit 99422 Mann. Mei- 
dinger, Das brit. Reih, 1851, ©. 305. — Im britifhen America, 
vor Natich in Neufchottland und Neufundland, ift die Fifcherei eine 
wichtige Nahrungsquelle. Die Ausfuhr von Britifhs Nordamerica be 
trug 1852 an getrodneten Fiſchen 827738 2. St. (wovon 649897 ®. 
Stodfifh) und an Thran 333 960. 


In Island wandern jährlih im Yebruar fehr viele Cinwohner an die 
füdweftlihen Küften und nehmen gegen einen Antbeil am Grtrage an 
der Fiſcherei Theil. Gegen Anfang Mais, wo file zurüdfchren, bat 
jeder 5—600 Stüd erworben, die für den nädften Winter ausreichen. 
Doch fommt aud Biehaucht und Wollenweberei hinzu, es werden neben 
den Fiſchen und dem Thrane auch Talg, Belzwert, Wolle, Gewebe, 
Eiderdunen sc. ausgeführt, um Getreide, Bifen, Hanf, Golonialmaaren 
und mancdherlei andere Dinge einzutaufhen; Madenzie, Reife durch 
Island, a. d. @. 1815. ©. 153 u. Taf. 1. 


Nah Scoresby gehen in den Gewäflern der Davisfiraße 8 en 2, 
in der Nähe von Spipbergen aber 4 Proc. der auf den Wa Alhfang 
gelendeten Schiffe zu Grunde. Die Engländer fingen in den Jahren 
1814—17 mit 586 Fahrzeugen 5030 Wallfiſche, die Holländer 71900 
Stüd in den 130 Jahren von 1665—1793. — Bon 1815—34 berech⸗ 
nete man im Wallfifichfang der Briten an der Küfte von Grönland und 
in der Davisftraße die jährliche Durhfchnittszahl der Schiffe auf 115°/,, 
wovon 5 verloren gingen, die Menge der erleaten Wallfiiche im D. auf 
1024, welche 11 343 Tonnen Thran gaben. Die Wallfifhe vermindern 
fich fehr merflih. Mac-Culloch, Acc. II, 33. — 1836 wurden 
von 47 Schiffen der Gapcolonie 18 Walfiihe und 681 Robben, 1838 
von 77 Schiffen nur 10 Wallfiihe und 345 Robben erbeutet, Porter, ” 
&. 775. — Die nordamericanifchen Breiftaaten hatten 1847 721 Wall: 
fiichfahrer mit ungefähr 20000 Mann, 20 Mill. Doll. ſtehendem Ga- 
pital und 4 Mil. jährlichen Ausgaben. GEs famen in dem genannten 
Jahre für 8167230 Doll. Thran und Barten nad Haufe, Fleif ds 
mann, Gewerbözweige ber verein. Staaten, 1850, ©. 294. 


— 46 — 


Dritte Abtheilung. 
Die Landwirthſchaft. 


Erſtes Hauptſtuͤck. 
Die Landwirthſchaft im Allgemeinen betrachtet. 


§. 358. 

Dieſes Gewerbe entſteht ſehr frühzeitig in jedem Volke, 
ſobald man aus der Naturbeobachtung die Mittel abgeleitet hat, 
auf die Erzeugung der Pflanzen⸗ und Thierſtoffe einzuwirken, 
und dad Beduͤrfniß empfindet, zur Sicherheit des Unterhaltes 
eine ſolche Thätigfeit zu Hülfe zu nehmen, 8.97. Pflanzens 
bau (Landbau) und Thierzucht find die beiden Haupt 
zweige der Landwirthfchaft, die wieder in viele Unterabtheilungen 
zerfallen, ald Feldbau, Garten, Reb⸗, Waldbau, ‘Pferdes, 
Schaaf⸗, Bienenzudt, Teichfifcherei u. dergl. Manche diefer 
einzelnen Zweige, 3. B. die Horftwirthfchaft, koͤnnen abgefondert 
betrieben werben, andere ftehen in Zufammenhang mit einander 
und namentlidy werden der Feldbau und die Zucht der größeren 
Hausthiere (Viehzucht) gewöhnlich miteinmder verbunden, 
weil einerfeitd zur Ernährung der Thiere ein Borrath von 
Pflanzenftoffen erforderlih ift, andererfeitS aber ber Landbau 
ber tbierifchen Arbeitöftäfte und Düngftoffe bedarf (a). Diefe 
Verbindung wird oft Landwirthſchaft im engeren Sinne des 
Wortes genannt. 


(a) Bienen, Seidenraupen und dergl. gehören nicht zum Viehe, find aber 
doch Begenflänte der Thierzucht und die Zucht der Seidenraupen ift 
an den Anbau des Maulbeerbaumes gebunden. 


8. 359. 
Die Viehzucht kann nur da für ſich allein beftehen, wo 
e8 an MWeideplägen nicht fehlt, auf denen für die Thiere das 


ganze Jahr hindurch zureichende Nahrung zu finden ift. 
In falten Rändern ift ein Borrath von Winterfutter nöthig, der 


— 1 441 —— 


dem Boden abgetvonnen werden muß (a). In einem frudhts 
baren Lande liegt zwar bie Aufforderung zum ‘Pflanzenbaue 
nahe, indeß wird die Abneigung vor bdiefer mühfameren Bes 
ihäftigung erft dann überwunden, wenn fie bei dem Anwachfe 
der Volksmenge zur Vermehrung der Nahrungsmittel nöthig 
wird (db). Die Hirtenvölfer müflen mit ihren Heerben umher⸗ 
wandern, um öfterd frifche Weiden aufzufuchen (c). Bei ſolchen 
Wanderhirten (Nomaden) zeigt fi fchon der Einfluß der 
Vermögensungleichheit, denn bie Viehzucht erfordert ein anfehn- 
liches Capital von Viehheerden, es giebt ſchon Reiche und Dürftige 
und die Dürftigften find genöthigt, ſich als Lohnarbeiter zu 
verdingen (d). Achtung des Eigenthums und Unterwerfung 
unter ein Oberhaupt, alfo die Grundlage der Staatöverbindung, 
find ſchon bei biefer Ernährungsmweife einheimifh, auch giebt 
biefelbe Gelegenheit, nicht allein die Friegerifhen Tugenden, 
fondern auch eblere Künfte zu pflegen (e). 


(a) Diele fehr ausgedehnte und fruchtbare Weibepläße in Ungarn und Sieben: 
bürgen And noch unbenugt, weil man wegen bes Mangels an Winters 
futter kein Vieh halten Tann. Andre, Def. Neuigk. 1823, I, 246. 
Doc bleibt das weidende Vieh auf den weiten Pußten der Ebene meiftens 
den Winter im Breien, wobei es von ber Kälte viel leidet. Der Froſt⸗ 
furm im Januar 1846 tödtete 80000 Stüd Vieh, v. Efaplovice, 
@emälde von Ung. I, 142, II, 16. Daſſelbe geſchieht oft in der 
Mongolei und in der Steppe ber nogaifchen Tataren, bie durch folche 
Unfälle zum häufigeren Butterbau und zur Errichtung von Gtällen 
bewogen wurden, Bibl. unir. Apr. 1831. S. 348 (nad Zwid). 

(5) Die alten Deutfchen zur Zeit des Caſar und Tacitus bauten ſchon 
Getreide und Sein, mähten die Wiefen und betrieben fchon fruͤhe dem 
fünftlihen Futterbau, doc erfrente fih die Viehzucht befonderer Bes 
günfignng, was ſchon die vielen zu ihrem Schuge beſtimmten geſetz⸗ 
ihen Berorbnungen zeigen. Beynier, Celtes, ©. 487. 


(e) Das befanntefte Beifpiel eines ſolchen Nomadenvolkes bieten uns die 
Araber dar. Der mittlere Theil von Arabien ift mit kahlen Bergen 
und fandigen Ebenen bedeckt, waſſerarm, nur in den tieferen Stellen 
feuht genug, um Bäume zu nähren. Die Brunnen find ein hoͤchſt 
wichtiger Vermögenstheil, um den man bei flreitigem Rechte felbft Krieg 
führt. Du Bois-Aim6, in der Döscript. de l’Egypte. — Allg. geogr. 
Epbem. 1814. Oct. — Beynier, De !’&. publ. et rur. des Arabes 
et des Juife. ©. 2. — Burkhardt, Notes on the Bedouins and 
Wehabys. 1830. — In ben 9000 Q. Leguas großen Grasfläden (Lianos 
oder Sabanas) von Venezuela weidet fehr viel Vieh. Der Kampf mit 
den wilden Thieren flärft den Muth und die Kraft der Menfchen. 
Codaszi, Resümen de la geografia de Venezuela, Paris 1841, S. 62. — 
Die Natur des Rennthieres, welches flets in der Nähe des Schnees 
bleiben muß, geflattet felbft in Lappland dieſe Ernaͤhrungsart. Auch 
die jetzt ruſſiſchen Lappen müflen im Sommer die höheren Weideplaͤtze 
bes norwegischen @ebirges, zwiichen 2000 und 2800 Fuß Höhe, auf: 
fuchen, v. Buch, Reiſe d. Scanpin. U, 161. 


— 4658 — 


(a) Bei den Beduinen kann ohne ein Kameel keine Familie auskommen, 
bei 10 Kameelen iſt man noch dürftig, bei 30—40 wohlhabend, bei 60 
reih (Burdhardt). — Bei den Rennthierlappen iſt durch 100 Stück 
Rennthiere der Unterhalt einer Familie noch nicht gefihert, 3 — 400 
machen aber fchon wohlhabend (v. Bud). — Die Kirgis-Bukaik-Horde 
ift das reichfle Nomadenvolf. 12000 Familien haben 4 Mill. Schaafe, 
1 Mill. Pferde, %, Mil. Kameele und 200000 Ochſen und Kühe, 
@versmann in Nour Ann. des voy., Juni 1828, ©. 315. — In 
der Provinz Eriwan befipen 2500 nomadifche Familien 12000 Ochſen, 
11000 Kühe, 140000 Scaafe, Ziegen und Pferde. Klaproth in 
Berghaus Annal. VILL,324. — Schon Nriftoteles, Polit. IV, 3, 
bemerft, die Pferdezucht führe zur Oligarchie. 


(e) Poefie der Araber, auch edelmüthige Gaftfreundfchaft bei denfelben. 
Berauben der Fremden wird nicht als ſchimpflich, fondern als Krieg 
betrachtet,- zu dem der Araber fich berechtigt glaubt, weil er fih für den 
freieren und befieren Menſchen hält. 


$. 360. 


Das Nomadenleben geftattet feine beträchtlichen Fortſchritte 
im Wohlftand und in der Entwidlung der gefelligen Berhälts 
niſſe. Die Urſachen hievon ſcheinen dieſe zu fein: 1) Die 
Zucht der Hausthiere läßt feine Anwendung von folchen Kunfts 
mitteln zu, die in anderen Gewerben den Ertrag vervielfältis 
gen (a). 2) Die Bevölferung ſowohl als die Größe der Heer⸗ 
ben muß je nad) der Ergiebigkeit der Weibeftreden in einer ges 
wiſſen Gränze gehalten werben. Es können deßhalb nicht viele 
Menſchen auf kleinem Raume beifammen wohnen, vielmehr 
müffen ſich einzelne, nicht ſehr zahlreiche Stämme von einander 
fondern, zwifchen denen, weder eine fefte politifche Verbindung, 
noch ein lebhafter Güterverkehr Statt findet (db). 3) Bei dem 
Mangel fefter Wohnfige bleiben auch bie Bebürfniffe des pers 
fönlichen Genuſſes ſehr einfach und daher ift feine Beranlaffung 
zum abgefonderten Betriebe von Gewerken vorhanden (c), Der 
Lurus kann auch bei den Reichen nicht weit gehen, weil alle 
Habe zum leichten Fortſchaffen eingerichtet fein muß (d), und 
der Reichthum wird deßhalb vornehmlich zur Emährung vieler 
Menſchen angewendet, weil diefed Anfehen und Madıt verfchafft. 
Hieraus erklärt fich leicht, warum Nomabdenvölfer Jahrtaufende 
hindurch im Ganzen auf gleicher Bilbungsftufe ftehen bleiben 
fonnten (e). | 


(a) Reynier bemerft, daß die vorzüglich mit ber Viehzucht befchäftigten 
Völker fich wenig um die Beredelung der Viehraſſen zu bekuͤmmern 
pflegen, Celtes, ©. 485. nn 


(5) Die unabhängigen Stämme der arabifhen Wülle Haben nah Du Bois; 
Aims gegen 30—40 000 Meiter, was ungefähr auf 200000 Menfchen 


ſchließen läßt. 
(6) Bei den Bebuinen nur Huffhmiede und Sattler. — Schilderung ber 
ungarifchen Hirten, v. Gfaplovice, IL, 52. 


(d) Bgl. Niebuhr. Reifebefhr. n. Arab., I, 233. (Kop. 1774.) — Die 
herrſchende Neigung ift die Liebe zum unabhängigen Leben, weßhalb 
unter den Arabern wie in den Kirgifenfteppen diejenigen verachtet find, 
welche den Boden anbauen, weil fie nicht vor dem übermächtigen Feinde 
flüchten und dadurch ihre Freiheit erhalten koͤnnen. — Die Kirgifen 
verwenden ihren Reichthum auf feine Kleider und Schmud. 


(0) Die Araber find noch heutigen Tages fo, wie man fie im alten Teſta⸗ 
mente und bei den alten Griechen geichilvert findet. 


8. 361. 


Die Berbindung des Landbaues mit der Viehzucht macht 
bad Tanbwirthfchaftliche Gewerbe erft vollftändig. Fuͤr jebes 
Land, welches beträchtliche baufähige Blächen hat, ift bie Land⸗ 
wirthfchaft ein hoͤchſt nüsliches Gewerbe (a), denn 1) fie liefert 
bie unentbehrlichften Lebensmittel und vermag bie Menge bes 
jährlichen Erzeugniffes derfelben fortwährend zu vermehren, wie 
ed der Anwachs des Bedarfes erfordert. Keine andere Befchäfs 
tigung bringt dem Werthe nach eine fo große ütermenge ins 
Volfövermögen. 2) Wenn audy ber reine Ertrag ber Land⸗ 
wirthfchaft nach der Einführung des häufigen Taufchverfehres 
zum Theile von ben Preifen der Bodenerzeugniffe abhängt, fo 
ift der Landwirth doch bei ungünftigen Abfagverhältniffen wenig⸗ 
ſtens infoferne gefichert, al® er feinen eigenen Hausbebarf an 
ben für Nahrung, Kleidung, Heizung u. dergl. nöthigen Stoffen 
felbft gewinnt. Berner wirb durch eine reichlihe Erzeugung 
biefer Lebensmittel die Vermehrung ber Volksmenge begünftiget, 
wobei dann auch der Begehr und Abfag, jener Gegenftände zus 
nimmt. Deßhalb giebt die Landwirthſchaft für die, welche fie 
betreiben, eine größere Unabhängigkeit und Sicherheit ald andere 
Gewerbe. 3) Sie wirkt auch günftig auf den perfönlichen Zus 
ftand der mit ihr befchäftigten Menfchen, ift der Geſundheit, 
ber Lebensdauer, der Kraft und Gewanbtheit des Körpers zus 
träglich, nährt den Geift, veredelt die Geſinnung und bewahrt 
vor einfeitiger Ausbildung einzelner Anlagen (Berbildung). 

(ea) Rgl. Sulzer, Ideen über Voͤlkergluͤck, S. 56. 


— 457 — 


8. 362. 


Wenn in einem Lande noch wenig Verkehr und Arbeitds 
theilung befteht, fo ift die Landwirthſchaft für ven einzelnen Land» 
wirth hauptſächlich nur das Mittel, ſich und feiner Bamilie den 
eigenen Bebarf von Bodenerzeugniffen zu verfchaffen. So lange 
ein diefen Bedarf überfteigenber Vorrath noch feinen Verkehrs⸗ 
werth und Abfap haben würde, werben feine Kunftmittel zu 
Hülfe genommen, die den Ertrag des Bodens erhöhen, weil 
fi) die darauf verwendeten Auslagen nicht bezahlen, und Jeder 
ftrebt vielmehr darnach, die für feine Bebürfniffe nöthige Menge 
von Pflanzens und Thierftoffen mit dem geringften Aufwande 
von Arbeit und Capital zu gewinnen. Hiedurch erhalten die 
lanbwirthfchaftlichen Unternehmungen ihre Richtung. Man läßt 
die Naturfräfte ihre Wirkung äußern, ohne fte viel mit menſch⸗ 
licher Kunft zu unterftügen; ed werben große Streden Landes 
benugt, aber wenig bearbeitet und gar nicht oder wenig ges 
. büngt, (fog. ertenfive Bewirthſchaftung $. 370 a), 
und der erfchöpfte Boden wird dem freimilligen Pflanzenwuchfe 
überlaffen, um fi allmälig wieder mit befruchtenden Stoffen 
zu bereichern (a). Was der Landwirth an Andere zu leiften 
bat, das entrichtet er in Bobdenerzeugniffen (Naturalien) ober in 
Arbeit (d), und die nöthigen Gewerkswaaren liefert die Arbeit 
der Hausgenoſſen (c). Eine Folge dieſes Zuftandes ift, daß 
ber Boden im Ganzen nur geringen hohen und reinen Ertrag 
giebt und daß eine beftimmte Flaͤche, 3. B. eine Quabratmeile, 
nur eine kleine Anzahl von Menfchen ernährt. 

(a) Nach einigen Braten läßt man den Ader öde liegen, damit er fich mit 
Gras oder Holz bedede und dadurch wieder eine Humusichicht erhalte. 
Solde Mittel erhalten fih in ſchwach bevölferten Gegenden auch noch 
nah dem Anfang des Verkehrs in Anwendung. Wechlelfelder, bald ale 
Acer, bald ale Wiefe behandelt. — Abbrennen des Waldes, noch jet 
in Schweden, Sibirien und im Innern von America üblid. Der 
Brandader (swedja) bleibt in Echweden nach einigen Ernten liegen und 
überzieht ih mit Birken, Hausmann, Weile, I, 144; in Brafilien 
geidieht faft aller Aderbau auf abgebranntem Urwalde, welder bie 

usfaat 150fältig erflattet, nach einigen Jahren aber verlafien wird 
und fhnell mit Bäumen und Gefträuchen überdedt erſcheint. Spir 

u. Martius, Reife, I, 159. — In rauhen Gebirgsgegenden Hat fich 

ein Reſt diefes Zuftandes erhalten, 3. B. die wilden Önge oder Reuts 

felder des Schwarzwaldes, bie bei forgfältigerer Behandlung in Hads 


wälder oder Hauberge übergehen, wie im Nedarthal, um Siegen; das 
Gereuthbrennen in Steiermark, Hlubed, Landw. v. Steierm. S. 52 


— 48 — 


Vgl. überhaupt Roſcher in Rau und Hanſſen, Archiv, N. F. 
DI. 160. und in deſſen Syſtem der Volksw. IIr Bd. 


(5) Zehnten und andere Abgaben von @etreide, Vieh u. dgl. — Frohnen. 
(c) Große Familien mit vielem Gefſinde. 


$. 363. 


Die Landwirtbfchaft kann weit mehr Menfchen mit Boden 
erzeugniflen verforgen, als fie befchäftiget. Diefen Ueberſchuß 
über den eigenen Bedarf der Landarbeiter gewinnt man aber 
nur dann, wenn man genöthigt ift oder Ausficht auf Abjag 
bat. Wo die Randwirthfchaft durch Unfreie oder durch Fa— 
milien betrieben wird, bie nur befchränfte® oder gar Fein 
Grundeigenthum haben, ba fann audy ohne Taufchverfehr eine 
Claſſe von Bürgern aus dem Ertrage der Grunpftüde ein 
nicht durch eigene Arbeit erworbenes Einfommen, eine von 
den Landwirthen ensrichtete Grundrente ($. 207) beziehen (a). 
Sol jedoch der Landwirthſchaſt ein folder Grad von 
Kunft und Eifer und ein ſolches Capital zugewendet werben, 
bei welchem fie den größten rohen und reinen Ertrag von 
gleicher Bläche abwirft, fo wird dazu erfordert, daß ſich dem 
Landwirthe Gelegenheit darbiete, manchfaltige Bobenerzeugniffe 
zu verkaufen und mit dem Erlöfe mancherlei andere Güter ein- 
zutaufchen. Mit der Leichtigkeit des Abſatzes beginnt der Eifer, 
die vortheilhaftefte Art des Betriebes einzuführen und in jeder 
Gegend dasjenige hervorzubringen, was die Auslagen mit dem 
größten Gewinne erftattet. 

(a) Die fhottiihen Grundherren zertheilten fonft ihr Land in viele Eleine 
Pachtgüter, deren jedes nur gerade eine Familie nährte und bie weni 
Zins gaben, dafür aber dem Verpachter großen perfönlichen Eindus 
fiherten, wie 3. B. Cameron von Kodiel, der nur 500 8. St. 


Pachtzins einnahm, 1745 mit 800 Mann von feinen Pachtleuten ins 
Yeld ziehen konnte. Senior, On the rate pf wages, S. 46. 


8. 364. 


Der Abfag Iandwirthfchaftlicher Erzeugnifle im Auslande ift 
weniger nüglich als der .inländifche, 1) wegen der Unficherheit 
feiner Fortdauer, indem insbefondere die forneinführenden Län- 
ber ſich allmälig von dem Bebürfniß der Zufuhr frei zu machen 
fuchen (a); 2) wegen der größeren Koften der Berfenbung in 
bie Serne (b), wenigftend zu Lande, während. in ben meijten 


— 459 — 


Fallen bei dem Mitwerben mehrerer landbauender Völker nur 
fehr mäßige Preife zu erlangen find, wozu noch fommt, daß 
ber Landwirth ben Verlauf auf entfernten Märkten dem Groß⸗ 
händler überlaffen muß, deſſen Gewinn den Berfaufdpreis für 
den Erzeuger fohmälert (ce); 3) weil nur ein Theil der Rob» 
ftoffe 3. B. Getreide, Handelsgewächſe, Wein, Flachs, Vieh, 
Wolle, Häute, zu einer weiten Verſendung geeignet find, manche 
anbere aber, 3. B. Eier, Geflügel, Gemüfe, frifches Obſt, Heu, 
Stroh, wenigftend auf ber Are nicht in beträchtliche Entfernung 
gefchafft werben fünnen, $. 214. 

(a) Norddeutihland bat viel von ben britifhen Korngefegen zu leiden 


gehabt, II, $. 131. Der ra der feinen beutichen Wolle wird durch 
das Mitwerben von Auftralien ſehr beeinträchtigt. 


(8) Die Menge und Güte der Straßen innerhalb des Landes trägt viel 
bei, deu Vortheil des inneren Abſatzes zu vergrößern. 


(e) Die Srundeigenthümer in Of: und Weftpreußen waren während ber 
Wohlfeilheit des Getreides in den’ 1820r Jahren in großer Bebrängniß, 
1825 waren in Weftpreußen unter 262 ritterfchaftlichen Guͤtern 195 mit 
Pfandbriefen belaftet (verfchuldet) und 71 davon fequeftrirt. Belege 

- In W. Jakob's (erftem) Bericht über Kornhandel u. Kornbau, d. v. 
Richard, 1826, ©. 57 und Append. Nr. 11 des Originale. 


8. 365. 


Es ift deßhalb für die Landwirthſchaft am günftigften, wenn 
im Inlande neben den Landbauenden noch andere zahlreiche 
Volksclaſſen vorhanden find, welche Bodenerzeugniſſe kaufen und 
bafür den Landleuten theild Gewerkswaaren, theils mancherlei 
perfönliche Dienfte anbieten. Unter folchen Umftänvden wird 
ber Boden durch Grundverbeflerungen (Meliorationen) ergiebiger 
gemacht, ed wird ein großes Bapital auf ihn gewendet und ihm 
die größte Menge Stoffe abgewonnen (a). Es ift ein ſchaͤd⸗ 
licher Irrtum, den Nuten zu verfennen, den dad Dafein einer 
zahlreichen Claſſe von Gewerföleuten und Dienftleiftenden für 
die Landwirthfchaft äußert und ber ſich in der Nähe beträchtlicher 
Städte auf das Deutlichfle wahrnehmen läßt (6). Wo bie 
Bervollfommnung der Landwirthfchaft durch Urfachen, die im 
eigenen Zuftanbe berfelben lagen, gehindert war, da haben oft bie 
von ben Städten ausgehende Nachfrage nad) Lebensmitteln und 
die auf das platte Land auöftrömenden Eapitale den Anftoß zu 
Berbeflerungen gegeben (ec). 


(e) 


() 


— 460 ° — 


Erhalten die Landwirthe höhere Berfaufspreife ihrer Probucte, fo feßt 
dieß nicht blos alle ländlichen Arbeiter in den Stand, reichlicher zu 
leben, Sondern verfhafft auch den Grunteignern eine anfehnlichere Rente, 
durch die wieder die Anwendung beträchtlicher Gapitale auf den Anbau 
beförtert wird. — Diefer Zuftaud ift es, den Herrenfhwand unter 
ber Benennung: Syst&me d’agriculture relative fond& sur un systöme 
de manufactures al& den vollfommenften fchildert. Discours sur la 
division des terres dans l’agriculture. Lond. 1788. 


Prechtl (in f. Jahrbüchern des k. k. polytechn. Inftit. LIL 198) em 
läutert diefen Satz durch eine Berechnung, nah weldher auf einer 
D.Meile bei bloßem Landbau 1800 Menfchen, bei hinzukommendem 
Gewerksfleiße aber 6000 Dienfchen leben können. — Es läßt fih ans 
nehmen, daß wenigftens nur die Hälfte der Ginwohner fi der Erd⸗ 
arbeit zu widmen braucht, um die antere Hälfte mit rohen Stoffen zu 
verforgen. Je mehr verhältnißmäßig die Zahl der Landarbeiter bes 
trägt, deſto geringer ift gewöhnlich der Ertrag des Bodens, auch pflegt 
dafelbft die Bevölkerung deſto fchwächer zu fein, doch ift dieß nicht con⸗ 
ftant, weil manche andere Umftände darauf einwirken. Die flatiftifchen 
Thatlachen geben über das Verhältniß der Landarbeiter zur ganzen 
Volfsmenge bis jegt in den meiflen Ländern noch Feine genauen Auf: 
fchlüffe, weil die Unterfcheidung der verfchiedenen Beichäftigungen bei 
den Volfszählungen nicht furgtältig genug nach einer feften Regel bes 
obachtet worden iſt. — Beifpiele: In Frankreich vermuthet man gegen 
17 Mill. oder 51,4 Proc. aller Cinwohner in den mit. Landwirtbichaft 
beihäftigten Ramilien, Schnitzler, Stat. I, 340. In Rußland begriff 
dagenen der Bauernfland 1834 gegen 70 Pror., in Schweden 74 Proc. 
der Volkszahl, der Bürgerftand nur 31/s Proc. (Korfell, ©. 294. — 
In Sachen werden gerechnet 34,2 Proc. in der Land: und Forſtwirth⸗ 
fhaft, 44,% Proc. in den Gewerken, 1,9 Proc. im Bergbau, 2,5 Broc. 
im Handel, 4,8 in höheren Dienften mit Cinſchluß des Wehrſtandes, 
4,1 in anderen Dienften, 7 Proc. ohne Beſchaͤftigung. Engel in 
Hübner’s Jahrb. II, 265. — In Preußen befhäftigt die Landwirth⸗ 
fhaft 50 Proc. der Binwohner (fämmtliche Köpfe in den Yamilien eins 
gerechnet), die Gewerke 25,2, der Handel, die Kortichaffung, die Gaſt⸗ 
und Speifewirthichaften 5, Proc. Die von der Landwirthſchaft (ale 
Haupt: und als Nebengewerbe) lebenden PBerfonen betragen in der Pros 
vinz Preußen 56, Weflfalen 55, Rheinland 52, Pommern 46,3 Proc. 
Dieterici, Mittheil. 1852, ©. 269. Gtatift. Tabellen, V, 909. — 
Nach der Zählung (census) von 1851 Hat Großbritanien unter den 
Arbeitenden (der Hälfte der Cinwohner) 24 Proc. Landwirtbfchafts und 
Bergbautreibende,, zu denen noch ein zei! der 10 Proc. Dienftboten 
u zählen if. — In Belgien zeigt die Volkszählung von 1846 51,* 
Brot. Köpfe in den mit ber Landwirtbichaft befhäftigten Bamilien, 
32,14 Proc. in Gewerken, 6,° im Handel, ber Fortichaffung und den 
Gaſt- und Schenkwirthſchaften. Die Zahl der Arbeitenden ift in der 
Landwirthfchaft 25 Proc. der Volfsmenge, max. 37 in Limburg und 
Luremburg, min. 17 Proc. in Lüttich. — In Baiern zählte man 1840 
in den Bamilien der Land- und Forſtwirthe 1401049 Köpfe, in _ben 
zugleich mit einem anderen Gewerbe befchäftigten 385485, bei den Tag: 
löhnern im Landbau 616617 Köpfe, zuf. 2303151 oder 52,7 Bror. 
und mit dem zugehörigen @efinde 65,8 Proc. Zierl, Bayerns landw. 


Zuft. I, Taf. III 1844. — Für Baden Fann man aus der Gewerb: 


ftatiftit von 1829, bei einer Volkomenge von 1176075, Folgendes ab: 
leiten: unter allen 236263 Bamilien waren 1) Landwirthe und Pachter 
ganzer Landgüter 101832 Bamilien, 2) Hirten, Schäfer, Fifcher 1844, 
3) Taglöhner 16223, 4) Gewerktreibende, Handelnde, Wuhrleute, 


— 41 — 


Schiffer, Wirthe ıc. 77415, 5) Wittwen und ledige Weibsperfonen 
2380 Familien. Bon den unter 3 und 5 aufgezählten Yamilien barf 
man wohl 28000 der Landwirthichaft zutheilen, die dann mit Ein⸗ 
rechnung von Nr. 1. 55 Proc. ter Familien befchäftigt. 


() Smith, IL, 209. 


$. 366. 


Wenn der Landwirth feine Hülfsarbeiter unmittelbar mit 
den nöthigen Bobdenerzeugniffen verfieht, fo dient der zu Markte 
gebrachte Theil der legteren zur Verforgung der anderen Volfs- 
claffen. Diefer verfäuflihe Theil muß folgende Ausgaben 
beden (a): 

1) einen Theil der Koften, der in Geld aufgewenbet wird 
a) zur Nachſchaffung von Beräthen und zur Ausbefferung ber 
Gebäude, ed müßte denn die Landwirthichaft mit fo Funftlofen 
Hülfsmitteln betrieben werden, daß die Landleute ſich dieſelben 
felbft zu verfertigen im Stande wären; b) um die zum Unters 
halte der Landwirthe und Lohnarbeiter erforderlichen Gewerks⸗ 
waaren anzufchaffen, wobei es in der Wirkung einerlei ift, 
ob die Arbeiter diefe Gewerkswaaren von dem Landwirthe ſelbſt 
empfangen, ober ſich diefelben mit bem Geldlohne faufen. Je 
einfacher die Lebensweiſe der Landleute ift, defto weniger beträgt 
der hiezu beftimmte Theil der Erzeugniffe. 

2) Die Grundrente, entweder ganz, falls fie ald Pachtzins 
in Geld entrichtet wird, oder wenigftend zum Theil, weil aud) 
bie felbftwirthfchaftenden Grundeigner Geld nöthig haben, um 


Schuldzinfen und Abgaben zu entrihten, — ferner um ihr 
Capital durch Einfäufe, 3. B. von Geräthen, Mafchinen, durdy 
Bauten ıc. zu vergrößern, — endlih um fi) mandherlei 


Gütergenuß und Dienflleiftungen zu verfchaffen ; 
(a) Rau, Anfihten der Boltswirthih. S. 204. 
8. 367. 

Außer der guten Gelegenheit zum Abfabe (8. 863 — 65) 
haben noch folgende Umftände auf die Größe des landwirth⸗ 
fchaftlichen Ertraged vorzüglich ftarfen Einfluß: 1) der Grad 
von Fleiß und Geſchicklichkeit ver Landwirthe; 2) der Ums 
fang des ihnen zu Gebote ftehenden, auf ihr Gewerbe verwenb- 


baren Capitales (8. 215), welches mit der Größe ber Lands . 


güter verglichen werden muß, $. 368 ff.; 3) der Grad von 


q 


— 462 — 


Freiheit, welchen bie Lanbwirthe in ber Einrichtung bed Be⸗ 
trieb8 und in ber Benugung ber Zelt genießen; 4) die Ausficht, 
einen größeren ober geringeren Theil ber Brüchte ihrer Bemü- 
hungen zu genießen. Diefe beiden Umftände beftimmen fidh 
nad) dem Rechtöverhältniffe, in weldyem fie in Bezug auf das 
Eigenthum der Ländereien fich befinden, 6. 376. 


8. 368. 

Die Größe der Landgüter (a) ift in Hinficht auf ben 
Bobenertrag ſowie auf die wirthichaftliche Lage ver Kandarbeiter 
ein befonderd wichtiger Umftand, deſſen Folgen einer befonderen 
Betrachtung bebürfen, während feine Urfachen theil® in geſetz⸗ 
lihen Anordnungen (db), theil® in der aus der Geſchichte jedes 
Landes zu erflärenden Vertheilungsart bed Grundvermoͤgens, 
theild enblid in dem ganzen wirthfchaftlichen Zuftande eines 
Landes oder einer Gegend aufzufuchen find (c). Wenn bie Zer- 
tbeilung der von einem Landwirthe bebauten Yläche mit dem 
Anwachſe der Volksmenge immer fortginge, fo müßte fie enblich 
unfehlbar in ein volföwirthichaftlich ſchaͤdliches Uebermaaß gehen. 
Es verdient baher erforfcht zu werben, 1) welche Folgen überhaupt 
die ungleiche Größe der Landguͤter in volfdwirthichaftlicher 
Hinficht äußert, insbeſondere wie fie auf den rohen und reinen 
Ertrag einer gewiffen Fläche, auf das Einfommen und bie 
Beichäftigung der Landwirthe, endlih auf die zu Markt 
fommende, alfo für andere Volföclaffen außer den Lanbleuten 
verwendbare Menge von landwirthichaftlichen Erzeugniflen wirfe, 
2) wo bie Berfleinerung der Landgüter anfange nachtheilig zu 
werben. Diefe Wirkungen des verfchiebenen Umfanges der Land⸗ 
güter find jedoch offenbar nicht unter allen Umftänden biefelben, 
vielmehr kann eine gegebene Größe eines Gutes bei verfchiedenen 
perfönlidhen Eigenfchaften des Landwirthed und feiner Lohn⸗ 
arbeiter, bei ungleichem Capital, ungleicher Kruchtbarfeit des 
Landes xxc. hoͤchſt verfchiedene Ergebniſſe liefern, und wo bie 
Landwirthe nicht gehindert find, da werben fle bei gehoͤriger Eins 
ficht diejenige Größe eined Gutes wählen, welche nad) allen 
Umftänden für fle die vortheilhaftefte if. Es müflen daher 
auch hier diefe natürlichen und wirtbfchaftlichen Verhaͤltnifſe im 
Betracht gezogen werten. Die Größe ber von einem Unters 


nehmer bewirthfchafteten Flaͤche fällt übrigens mit dem Umfang 
eined Grundeigenthums nicht nothivendig zufammen, weil bald 
ein Eigenthümer feine Grundflüde an mehrere Landwirthe ver 
pachtet, bald ein Landwirt) Ländereien mehrerer Eigenthümer 
als Pachter benugt. Bei diefer Betrachtung iſt es erleichternd, 
die Landgüter nad) ihrer Größe in Claſſen zu theilen. Diefe 
fönnen nicht mit feften Zahlen für den Flaͤchenraum bezeichnet 
werben, weil eine und biefelbe Morgenzahl bald die Merfmale 
ber einen, bald der anderen Art von Gütern zeigt (d); es laſſen 
fi) aber dennoch für die Ausdruͤcke groß, mittelmäßig u. bergl. 
gewiffe Kennzeichen angeben (e). 1) Man geht am beften von 
ſolchen Landgütern aus, welche gerade ein Pfluggeſpann (ge 
wöhnlich zwei Pferde oder zwei Dchfen) befchäftigen ; denn biefe 
Elaffe ift in jeder Gegend am leichteften zu erfennen und nad) 
dem Feldmaaße zu beftimmen. Güter bdiefer Art kann man 
fleine nennen. 2) Geht die Zertheilung noch weiter, fo ents 
fiehen ganz kleine Büter, und zwar a) ſolche, die noch 
eine Familie größtentheild ober ausfchließlich befchäftigen und 
noch eine geregelte Bewirtbichaftung mit beftimmter Bruchtfolge 
und hinreihendem Yuttergewinn zur Ermährung von Großvieh 
geftatten; Halb», Söldengüter mancher Gegenden, Kuh: 
güter. b) Taglöhnerftellen, bei denen anderer Arbeites 
verdienft den größten Theil des Unterhalts decken muß, Häus⸗ 
ler, Bübner ıc. 3) Ueber den Kleingütern flehen a) die Mit⸗ 
telgüter von mehreren Gefpannen (Pflügen), bei denen der 
Landwirth noch im Stande ift, mit feinen Lohnarbeitern Hand 
anzulegen, bie alfo nody von Beſitzern aus dem Bauernflande 
bewirthichaftet werben fönnen (4); b) Großgüter, deren Bes 
forgumg einen Berwalter ganz befchäftiget, fo daß berfelbe an 
ben Berrichtungen ber Hülfsarbeiter nicht Theil nehmen kann (g). 
(a) Thaer, Ginleit. 3. Kenntnig d. engl. Landw., II, 2. Abth. ©. 91. 

(Hannov. 1801). — Defl. Ann. d. Aderb:, Juli 1806, ©. 1. 35. — 

Kraus, Staatsw. V, 72. — v. Schwerz, Belg. Landw. IL, 460. — 

(de Lichtervelde), M&m. sur les fonds ruraux du Dep. de l’Escaut. 

Gand, 1815. ©. 52. — Rau, Nnfihten, 7. Abh. — Sinclair, 

Code of agrie. 3. Ed. ©. 41. — Lotz, Handb. I, 23. — Sturm, 

Beitr. 3. deutfchen Land. I. Bd. Nr. 1. (1821). — Cordier, 

Agric. de la Flandre fr., ©. 31. — Chaptal, De l’ind. franc. 

I, 140. — Deflen Agriculturdyemie, überf. v. Ciſenbach, I, Vor: 


rede, ©. XXX (Stuttgart 1824), — van Aelbroeck, L’sgricult. 
prat. de la Flandre, Paris 1830, ©. 296 (bie flaͤmiſche Ausgabe er: 


/ 


(8) 


— 464 — 


ſchien 1813). — Hundeshagen, Die Waldweide u. Waldſtreu, 1830, 
©. 138. — Schüs, Ueber den Ginflug d. Bertheilung des Grund⸗ 
eigentb. auf das Volks- und Staatsleben. Stuttg. 1836. — Mac- 
Culloch, Stat. acc., I, 449. — Bogelmannin Rau, Archiv Iv, 1, 
Hanffen, ebb., S. 432, Rau ebd. ©. 18 u. 445. — Krenpig, 
Die Vertheilung des landw. nupb. Bodens, 1840. — H. Pass 
Journ. des Econ. IX. 97. X, 105. 345. XV, 1. — Shneer in Rau 
u. Hanffen Arh. N. F. II, 1. — Koppe, Beiträge zur Beants 
wortung der Brage: Sind große oder Heine Landgüter zwedimäßiger 
für das allgemeine Wohl? 1847. — J. Kay, The social condition and 
education of the people in England and Europe, Lond. 1850, Ir Bd. — 
de Gasparin, Cours d’agriculture, V, 247 (s. a) — Rau, Ueber 
den geringften Umfang eines Bauerngutes, 1851, au im Arhiv, N. F. 
IX, 145. — Goͤriz, Landwirthich. Betriebslehre, I, 22. 1853. — 
Funke, Die Heillofen Folgen der Bobenzerfplitterung, Goͤtt. 1854. — 
de Lavergne, Essai sur l’&con. rurale de l’Angleterre, 1654. ©. 106. 
124, f. aud die in II, $. 76 (a) ang. Schriften. Die Landwirthe 
fchaftslehre unterfucht, welche Größe eines Landgutes für einen einzelnen 
Landwirth unter gegebenen Umfländen tie vortheilhaftefle ſei. In 
vielen allen ift jedoch biefer verhindert, zu wählen, oder er wählt 
nit das ——— Die Volkswirthſchaftolehre hat die Wirkungen 
der Güter verichiedener Groͤße von ihrer gemeinnügigen oder gemeins 
fhädlichen Seite zu erforfchen. Es ift dieß ein fehr verwidelter Gegen: 
finnd, von weldem hier nur die Anfangsgründe erflärt werben Tönnen 
und über ben ſich nur auch wenige allgemeine Säge mit Zuverläffigfeit 
aufftellen laſſen. Die Meinungen hierüber find noch immer fehr ges 
theilt. In Frankreich Tora der ältere Mirabeau ($. 42 (d5)) zu: 
erſt eifrig au Bunften der Kleingüter, dagegen trat der englifche lands 
wirthſchaftliche Schriftfteller N. Doung ale Vertheidiger der großen 
Büter auf und feine Anfiht ift in Gnoland berrfchend, doch werden 
von Kay a. a. DO. die Vortheile des Kleinen bäuerlichen Grundeigens 
thums mit Wärme dargeftellt. 


Gebundenheit der Bauerngüter, Majvrate des Adels. Die Betrachtun 
diefer Binrichtungen gehört in die VBolfswirthfchaftspolitif, II, $. 16% 


(0) Die Statifiif hat diefen Umftand früher faft ganz vernadhläffigt, in der 


neueften Zeit aber viele fehr fchägpbare Thatſachen dargeboten, wozu 
ohne Zweifel die volfswirtbfchaftlihen Unterſuchungen über biefen 
Segenftand den Anftoß gegeben haben. Zur Erläuterung dienen fols 
gende Angaben: 

L Preußen, nad den von Dieterici (Mittheilungen 1852 ©. 65 
und Statifl. Tabellen V, 1025) befannt gemachten Nachrichten, auch bei 
Kotelmann, Die preußifche Landw., 1853, S. 299. A bedeutet die auf 
1 D.Meile fommende Zahl großer Güter von 600 und mehr pr. Morg., 
B der Büter von 3— 500 M., C von 30— 300, D von 5—30 M., 
E unter 5, F die Zahl aller Güter auf 1 DO.Meile, den Wald eins 


gefhloffen. 

Provinzen: A B C D E F 
Preußen. . . .. . 2,9 , 
Bon . ...0.645 18 83,6 50,7 33,7 174,3 
Pommern . . . .. 39 2,3 42,8 37,2 42,8 129,1 
Brandendbug . . . 2,5 2,8% 61,7 49,9 69,2 185,8 
Schlfen . . . . 31 1,6 58,6 126,8 148,9 337 
Sadien . ...18 2 
DWeifllen . . ..183 , 
Rheinproving . . . 1,8 2,9 95,9 372,0 933,1 1405,7 
Banzer Staat . 2,0 2% 72,5 102,3 171,5 352,1 


— 45 — 


Auf 1 Beflper kommen in der obigen Reihenfolge der 8 Provinzen 
113 — 98 — 122 — 81 —43—40—28,7— 12,1Morgen. Zieht man die 
Balofäe ab und nimmt man nod die nämlice — von Befipern 
an, fo treffen auf jeden berfelben 91 — 76,8 — 96,8 — 58 — 30 — 3° 
20— 8,% Morgen. 


ll, Sm Rönigeid Sannoner betragen vom Mder+ und Grasiand 
ie Güter 
die 30 M.|von 30-60 M.| über 60 M. 





8,% Broc.| 13,4 Proc. PR Proc. 
180 + | 16% + a: 
ar s| a + STE: 
Me = | 20 = 5: 
29 =» Yo: Lee 
30% 16% = L} ⸗ 
19,2 5 [X Me: 


Der Morgen Hat 1, pr. M. Abelen in Hüsners Jahrb. IL, 304. 


I. König. Sadfen, Engel, Zeitſchrift des atiſt Bureaus des 
kön. ſaͤchſ. inif. des Innern, 1855, I, 24. Biehbefiger auf eine 
D.:Meile in den Kreifen 























Dresden | Leipzig | Bwicau |Baupen (ganzes Land, 
bie ddr, . | 18|6|70, | 118,9 76,8 
über 1 —* 64% | 43,8 | 55,2 | 101,1 62,7 
1-5 . 116,7 7 | 124,2 | 188,3 120,9 
87,3 | 102, 110,2 | 113,% 102,3 
| sie | 875 | 91,6 | 69,3 8 
29 | 298 | 21,9 | 24,3 25,* 
os Te Ts | 6, 
Bufammen | 453 | 308 | 977 | 023 | 78 





1 Ader — 2,107 preuß. Morgen. 
IV. Der ehemalige Unter-Donaufreis in Baiern — Güter 


bis zu 1 Morgen 17042 von 21—50 

von 2—5 17680 50—100 9416 
6-10 15688 über 100 4275 
1-20 15168 


zuſammen 94541 
mit 2480915 M. Zierl, Baierne Iandw. Zuſt. I, 112. 


v. In Baden hat man gezählt us Büter über 10000. Grunde 
Reueranfchlag, 44869 von Pre A 65006 unter 1000 fl., 
fanımen 101 343 &üter. — uf mac da im Banyen 3-511 632 More 
gen nußbares Land mit vos Gteuercapital vorhanden waren, 
34,° bad. = 43,8 preuf. Roman an 4500 R. Preisanfhlag auf jeden 
Gigentgämer, und 132 A. auf den bad. Morgen, jedod mit Ginfhluß 
der Waldungen, weßhalb biefe Zahlen wenig nüpen. 


VI Kreisamt Autenburg 97/s D.:Reilen mit. 66000 @inw., 
der Ader — 2,4 pr. Morgen. Ce And 63 Kammers und Mittergüter, 
im D. zu 172 Ader, 184 Anfpanngüter, im D. zu 97 Ader, 667 
dergl. zu 42,0 ad. 780 Güter zu 13,9 Ad, 1655 iter zu 3 Ad, 
3219 Ölen, zu % der, (Beutebrüd) Einige Rachrichien über den 
Bezirk des Kreisamts Altenburg 1843, ©. 68 


vu. Großbritanien nach der Aufnahme Sera von 1851, 
Zahl der Sandwiriäfhaften (Sarms) auf der geogr. D- Meile: 
Rau, yollt, Deton. 1. 7. Ausg. \ 30 


(@) 


— 466 — 


England u. W. Schottland. 
. 51,8 “ 


unter 100 Aeres. , 30, 
1—20 .. 0.0. 16,8% 4,% 
2-300 . .. 0.67 1,% 
3—50 .....4% 0,% 
500—1000 . . .. 1,8 0,8 
1000 und mehr. . . 10,8 0,% 
81,8 38 


In England und Wales zählte man 223271, in Schottland 56 150 
Güter. Dach Caird (Engliah Agrie ©. 482) iſt die mittlere Größe 
eines Gutes in den oͤſtlichen Gegenden, wo der Koͤrnerbau vorherricht, 
430 Kcres, im Mittellend und den weſtlichen Gegenben, wo das feuch⸗ 
tere Klima den Graswuchs mehr begünftigt, 220 Acres. 


In Irland war die Größe der Pachtbefisungen biefe: 
Bis zu 1 Statute-Acre Haben . . . . . 1935314 Berfonen 
son 1-5 on. 90 


5-10 2... 202020002000. 187909 
10-20 2 2 20202000... 187682 
20—100 . 2. 2 2 2002002000. 187213 
über 100°... .. 28647 


| Zahl der Pachter 905015 
wozu noch 25789 kommen, vie Land in Gemeinſchaft gepachtet haben 
und 4431 wicht claflifieirte, zufammen 935235. auf 19% Mill. Ne. 
Fläche. Auf etwa 8 Nc. (12% pr. M.) kann fih eine Familie ers 
halten; Minutes of Evidence, Occupation of land in Ireland, 1845, 
IV, 288. 


VII Belgien, Zahl der Landwirthe (exploitetions). ſowohl der 
Pachter ale der Bigenthümer, aber ebenfalls mit Cinſchluß der Walds 
befißger, wodurch bie Zahl ber größeren Befſitzungen twahrfcheinlich bes 
beutend flärfer wird. Auf 1 D.-Meile kommen in den Provinzen: 


, Antwerpen Oſtflandern Bali ganz. Lande 

bie 1a Het. 137,6 703,8 87, 461,1 
über 1a—1 > 27,% 163,9 58,* 131,° 
1—2 ⸗ 39,! 241, 84,8 159,3 
2—10 s 31,‘ 391 166,8 234,9 
10—50 > 92,' 97,* 56,6 77,8 

über 50 = 1,7 2,' 6,9 8 

329 1598 461 | 1072 


Ohne Wald kommen im D. auf eine Wirthfchaft im ganzen Lande 
3,13 Hekt. in Offlandern 2,8 Heft. (min), in Ramur 4,32 (max.), 
Luremburg 3,9, Brabant 3 Heft. 

L. Sranfreid Hat 50 000 große Süter, durhfchnittlic zu 300 H., 
500000 mittlere zu 30 H. 5 Mill. kleine zu 3 Heft. de Lavergne, 
Econ. sur de la France ©. 53. 

Diele Angaben aus verfchiedenen Ländern enthalten die Papers on 
the state of agrieult. and the condition of the popul. in Europe, 1836, 
Nr. 127 der BarlamentsActen. Ueber einzelne Gemeinden in Rheins 
heſſen f. Heffe, Rheinheflen, 1835, ©. 78 ff. 


Sinclair nennt Güter unter 100 Acres (158 pr. M.) noch Hein, 
über 200 A. groß. Paſſy erfärt Güter für Elein, die nicht mehr 
1 Bflug befihäftigen, etwa unter 15 Heft. = 59,% pr. M., mittlere 
haben 1—2 Pfl. oder 15—40 Hekt., große darüber. — In Bezicehun 
auf die Kurmark Brandenburg hat man Güter unter 300 Morgen no 


— 461 — 


Hein genannt. Thaer’s Annalen a. a. . — Hlubel (Band 
wirthſchaftslehre III, 113) iſt dasjenige Gut ein mitileres, bei welchem 
eine Perſon mit ber Verwaltung und Aufſicht hinreichend beſchaͤftigt 
iſt, waͤhrend ein großes hiezu wenigſtens zwei Perſonen erfordert. 

() Die Verſtaͤndigung in dieſer Sache wurde dadurch erſchwert, daß bie 
Ausdrüde groß, Flein, In verfchiebenem Sinne genommen wien. 


() Benn auf einem folden Gute der Cigenthümer ebenfalld mır die Leis 
tung des Wirthichaftsbetriebes übernimmt, ohne felbit Hand anzulegen, 
fo hat er Zeit übrig. — Wie viel Land von einem Pferdegeſpann zu 
bearbeiten if, 4 bängt nicht blos vom Boden, fondern auch von ber 
Fruchtfolge und eiöbehellungeast, ‚von ber jerffreuten oder zuſammen⸗ 
hängenden, der ebenen oder bergigen Lage, von ber Güte der Aders 
geräthe sc. ab; im Durchfchnitt 40—50 pr. Morgen. , 


(9) Dan könnte ein Gut ganz groß nennen, wenn ein einziger Verwal: 
ter nicht alle Geſchaͤft⸗ befotnen fann und neben ihm ein Rechnungs⸗ 
führer und dergl. gehalten werden muß. Goͤriz a. a. O. erklärt erſt 
ein ſolches But für ein großes. 


$. 369. 


Die großen und in geringerem Maaße auch bie Mittelgüter 
geftatten manche Koftenerfparungen und manche vortheilhafte 
Einrichtungen, welche auf Kleinen nicht anwenbbar find. Hierzu 
find vorzfiglic, zu technen: 1) die beffere Arbeitötheilung (9.116) 
in der 2eitung der Unternehmung durch einen wohl unterrichtes 
ten Landwirth und in den Berrichtungen der Sülfsarbeiter (a), 
2) der Gebrauch von arbeitfparenden Maſchinen, die fur bei 
beträchtlichem Umfange der Wirthichaften Bortheil bringen (b), 
und bie größere Leichtigkeit, bie beſten Viehraſſen einzuführen; 
3) die geringeren Koſten ber Gebäͤude, weil eine gewifle Menge 
von Menſchen, Thieren, Bobenerzeugniſſen ꝛc. woßlfeller in 
einem großen, als in mehreren Eleinen Gebäuden untergebracht 
wird (c), weßhalb auch auf bie zweckmaͤßige Einrichtung ver 
Gebäude mehr verwendet werben kann; 4) der vortheilhaftere 
Einfauf bed Bedarfed in größeren Maflen und bie verhäftniß- 
mäßig geringeren Koften bei der Fortſchaffung und dem Verkaufe 
größerer Borräthe von Erzeugnifien; 5) bie beffere Gelegenheit, 
mandhfaltige Gewaͤchſe zugleich zu bauen, woburd die Gefahr 
bes Mißwachſes oder einer ftarfen Preiserniedrigung für den 
einzelnen Landwirth vermindert wird; 6) bie feichtere Ausführung 
mancher Grundverbefferungen, die nur auf einer Strede von 
bebeutenden Umfange unternemmen werben können td). Wenn 
die Bewirthſchaftung eines großen Gutes zugleich mit einem 
reichlichen Capitale und hoher Geſchicklichkeit betrieben wird, 
30° 


ſo kann fle wegen ber in den vorflehenden Sägen enthaltenen 
Vortheile ſehr günftige Ergebniffe bewirken und in folchen 
Fallen zeigen Großgüter in vielen Zweigen die hoͤchſte Stufe 


der 


landwirthichaftlichen Kunft und bienen als Vorbilder für 


die Kleineren Landwirthe. - Man darf jedody jene Borausfegungen 
nicht überfehen, welche keineswegs überall eintreten (e). 


(«) 


Die Butter von den großen Gütern in Schleswig und -Holflein wird 
ihrer Borzüglichkeit willen um 25—30 Proc. beſſer bezahlt als von 


den Bauern, Hanffen a. a. D. ©. 437. 


(6) 


Schollenwalzen, Drefch-, Butterföneibeme 


Ad) 


4 


(e) 


“ 


Saͤemaſchinen, Pferbehaden und andere Aufaimengefepte Adergeräthe, 
chinen sc. In Sroßbritanien 
werden auf den großen Gütern Häufig flehende oder fahrbare Dampf: 
mafchinen gehalten, die zum Drefchen ımd zur Bewegung verfchiedener 
anderer Mafchinen gebraucht werden. Auch Mähemafchinen kommen 
allmälig in Gebrauch, die aber ziemlich große zufammenhängende Grund: 
ftüdle erfordern. — Indeß können manche Maſchinen auch an kleinere 
Zandwirthe vermiethet werden, wie dieß fchon hie und da geichieht. 
Mau, Die landw. Geräthe der Londoner Ausftellung, Berl. 1859. 
Nah Klebe (Bemeinheitstheil., I, 82) Eoflen die Gebäude für ein 
But von 1000 Morgen nah der Beichaffenheit des Bodens 5—10 000 
Thaler; feht man im Durdfihnitt 7000 Thlr., alfo 7 Thlr. auf den 
Morgen, fo ift einleuchtend, daß die nöthigen Gebäude auf einem Gute 
von 100 Morgen nit für 700 Thlr. und auf 33 Morgen nidt für 
233 Thlr. angeihafft werden koͤnnen. 
3. B. Trockenlegung fumpfiger Stellen durch Abyugsgräben, verdeckte 
Abzüge, Saugeſchachte und dgl. — Aufführung von Mergel und anderer 
Erde, — Umbau der Wiefen zur Dewäflerung, Auffhwemmungen, — 
Vorrichtungen der Engländer, um flüffigen Dünger durch untericdifche 
Möhrenleitungen in bie verfchiedenen Abtheilungen eines Landgutes zu 
bringen zum Behufe des Ausgießens mit Schlaͤuchen, wobei [don das 
aufzuwendende flehende Gapital über 42. St. auf den Morgen beträgt, 
und bergl.; ſ. vorzüglid Sprengel, Die Lehre von den Urbar- 
madhungen und Bodenverbefferungen, 1838. — Hartflein, Fortfchritte 
der engl. Landw. IL, 15. 1853. 
Die englifhen Schriftfteller, wie Arth. Young und Mac⸗Culloch, 
Iepen darauf großes Gewicht, daß einem großen Landwirthe ein weit 
flärferes Capital zu verfchiedenen wirffamen Unternehmungen zu Gebote 
fieht. Der Reihthum in Großbritanien wendet der Landwirthſcha 
auch wirklich viel Capital zu; allein dennoch fehlt es dort ebenfalls 
nicht an Beifpielen eines unzulänglihen Capitales. „Ein Gut, welches 


vollkändig unter den Pflug genommen wird (arable farm im Gegenſa 
‚von einem Bute mit unbebauten Weideflächen), wenn es vollftändig m 


Vieh und dal. ausgeftattet und fchwunghaft bewirthfchaftet werben foll 
(fully stocked and fully farmed), erfordert ein anfehnliches Capital. 
Hier (in Nort — ſoll unter den Pachtern in dieſem wichtigen 
Stüd ein großer Mangel fein, denn viele haben ein Feldgut jener 

in ber Meinung angetreten, daß Pflügen und Säen, mit Ausſaat und 
Arbeitern, die einzigen Erforderniſſe ſeien.“ Caird, ©. 414. — Dan 


hielt in Großbritanien bisher ungefähr 8 2. St. auf den Acre für das 


erforderliche Kapital des Pachters, dem babei viele Örundverbeflerungen 
fowie die Gebäude nicht jur Laft fallen (6. 2150. (q)), aber neuerlich, 
bei der Bermehrung der Fünftlichen Binrichtungen, gehen die Anfchläge 


—- 469 — 


noch weiter, bie 15 &, ©t., de Lavergne, S. 136. — Rah Blod 
(v. Zengerfe, Annalen, VIII, 329) foll das logenannte Inventar 
(ſtehendes Gapital beweglicher Art, Vieh und @eräthichaften ıc.) bei 
Heinen Gütern 70—99, bei großen 6080 Proc. des Rohertrages fein. 


$. 370. 


Gleichwohl iſt es erfahrungsmäßig, daß in vielen Faͤllen 
eine und biefelbe Yläche, die blos große Güter enthält, einen 
geringeren Rohertrag abwirft, als wenn fie in mehrere mittlere 
und Eleine Güter getheilt ift (a). Dieß ift folgenden Urſachen 
zuzufchreiben: 1) die Bewirtbfchaftung der Großgüter beſchaͤf⸗ 
tiget wenigere Unternehmer und dagegen mehr Lohnarbeiter, 
(Hausgefinde und Taglöhner), ald man im Kleinbau zu Hülfe 
nimmt (5). Deßhalb kann auf die ziwedmäßigfte Behandlung 
ded Bodens und der Gewaͤchſe, auf die forgfältigfte Benutzung 
aller örtlihen und Zeitumftände, auf mancherlei Erfparungen | 
und auf die Verhütung Fleiner Verlufte und dergl. Fein folcher 
Fleiß gewendet werden, als es bei der ununterbrochenen Aufs 
merfjamfeit und dem großen Eifer mehrerer Eleineren Unterneh» 
mer möglidy ift, welche ihre Ländereien näher im Auge haben (c). 
Der Anbau ſolcher Gewaͤchſe, die viele Sorgfalt erfordern und 
hoch im Preife Reben, ift fhon darum auf größeren Gütern 
ſchwieriger (d). 2) Bei kleineren Beflgungen wird gewöhnlid) 
eine verhältnigmäßig große Menge von Arbeit auf den Boden 
gewendet, weil hiezu für jeden einzelnen Landwirth eine geringere 
Gapitalauslage nöthig und die Aufficht leichter if, auch pflegt 
ber Viehſtand beträchtlicher zu fein (e), daher können ſolche 
Güter forgfältiger bearbeitet und ftärfer gebüngt werden und es 
it nur auf ihnen ein dein Gartenbaue ſich annäherndes Vers 
fahren möglih (f). Diefer größere Aufwand von Arbeit und 
Vieh bewirkt eine vollftändigere Benupung ber Raturfräfte und 
fleigert die Hervorbringung, und dieß kann leicht den Vortheil 
aufwiegen, welcher aus den Koftenerfparungen und ben befieren 
ftehenden Einrichtungen bei großen Gütern entfpringt, 8.369 (g). 


(a) Les pays oh la eulture est la plus avanose, sont en gendral ceux od 
dominent les petites propriötös. de Lavergne, a. a. O. ©. 115. 
Man Hat zu Gupſten der Kleinen Güter bemerft, daß im preuß. Rheins 
land im D. 10—12, bisweilen fogar 18 — 19 Scheffel Roggen auf dem 
preuß. Morgen geerntet werben, rend in den oͤſtlichen und mittleren 
Provinzen —* 8- 10 Scheffel als hoher Ertrag gelten, Dieterici, 


(3) 


(0) 


(@) 


(e) 


— 40 — 


Gtatift. Tafeln V, 1032. — Les terres dans lo bassin du Bas-Keseut... 
sont les mieux cultivees du dep., et cela parosque la piupert des formes 
ne sont quo de 31 & 22 arpens, su plus, de terres lsbowrables, 
(37—38 pr. M.), de Lichtervelde ©. 54. — Die Behauptung, 
daß ein Naturgefeß die Production in allen blühenden Gtaaten zum 
großen Betriebe der Landwirthſchaft hindränge (de Stolipine [rufl. 

tolipin] in Journ. des Econ. #ebr. 1854, S. 206), gilt offenbar 
nicht von allen Zweigen des Randbaues und allen Fällen, vielmehr 
In Wr unter mandıen Berhältniffen ein Hindrängen zum Kleinbau 
nachweiſen. 


In der Lombardei, Toscana, der Gegend von Genua ꝛe. findet man 
wenig Lohnarbeiter, dies wäre in einem minbes günßigen Klima nit 
vortheilbaft. In pelgien fommen auf 1 %elbarbeiter (die Landw 

mit eingerechnet) im D. 1,17 Heft. der landwirthſchaftlich benutzten 
Flaͤche, min. 0,% Heft. in Oftflandern, max. 2,3 in Namur, 2 in 
Lüttih, 1,9 in Luremburg. — Im preuß. Staat kommen auf 1 Eigens 
thümer in der Provinz Bommern 3,77, Preußen 2,8, in Sachſen und 
Brandenburg 2, in Weflfalen 1,8, im Mbeinland 0,% Dienfiboten und 
Taglöhner. — Nah den Berichten in ben a. Papers kommen bald 
36 Aeres (um Brei), bald 10 (um la Nocelle und Nantes), Bald 
20 (Boulogue, Havre), bald 33 (Kiel, Oſterode) bald big 40 A. auf 
einen Beldarbeiter (Calais). 


Ein hochgeachteter Landwirt (von Riedeſel) entdeckte erſt Kürzlich, 
daß fein großes Landgut nad der na ausgefallenen) Wblötung 
der Srohnen und verichiedener Gerechtſame faſt feinen Rein bradhte, 
weil ein Fr ber Felder zu wenig Fruchtbarkeit hatte, f. Deifen Drei 
landw. Abhandlungen, 1853, S. 59. 


3. B. Krapp, ein, Hopfen ıc. Der Tabakbau wird von großen Guts⸗ 
befißern öfters Taglöhnern um ben halben Ertrag überlaflen. Nur 
anf die Viehzucht find diefe Bemerkungen nicht anwendbar, denn fie 
wird auf größeren Gütern mit nicht geringerem, wohl fogar' größerem 
Eifer und Erfolge getrieben. In Flandern werden Schaafe ee 
nur auf Gütern von 40—50 Helft. gehalten, die man deßhalb Schaafs 
güter (fermes & moutons) nennt. Gorbier, S. 99, f. aud 
$. 369 (a). 

von Basparin (Cours d’agrie. V, 252) fchildert den üblen Zuſtand 
eines großen Gutes bei einem unzulänglichen Gapitale und bemerkt 
weiter: „In dem größten Theile von Frankreich und won vielen ans 
beren europäifchen Ländern findet ſich gerade dieler Zufland vor. Man 
trifft große Güter, die ſchlecht gehalten find, fchleht angebaut, mit 
Unkraut bevedt, ohne Behadung, ohne Düngung; überall zeigt ſich 
das Bild ber — und der Armuth, weil der Pachter zu wenig 
Capital und feinen Credit bat. Wenn die Heinen Güter auch nicht 
immer fattiam mit @eldmitteln verfehen find, fo haben fie in den 
Armen des Bechters und feiner Familie den Stellvertreter für ein um⸗ 
laufendes Gapital, ter meiftens den Bedarf des Gutes Überfleigt; man 
kann außer den regelmäßigen Berrichtungen das Land einhägen, ent: 
wäflern, tief bearbeiten, man kann einträgliche Handelsgewaͤchſe ans 
bauen und dabei die Frau und die Kinder mit dem Behaden und ber 
Verarbeitung beichäftigen, während biefe Arbeiten durch Saglöhnee zu 
hoch fommen würden. Der Biehſtand, ber auf den erſten Blid unzu⸗ 
reichen» ſcheint, ift im Verhaͤltniß zum Flaͤchenzaum faft immer größer 
als auf den geben Büten.“ — 68 fehlt noch zu fehr au Ratiftiichen 
Nachrichten dieſe Berhältniffe, als daß die obigen Säge hinreichend 
mit Thatſachen belegt werden könnten. Beiſpiel aus den von Rudhart 


— 41 7° — 


(Ueber den Zuftand bes Königreihs Baiern) mitgetheilten Zahlen: die 
Spalte A enthält die Zahl von bair. Horgen (zu 1%, pr. M.) Ader, 
Wiefe und Garten, die im Durchſchnitt auf einen Eigenthümer kommt, 
B Zahl der Bamilien auf 1 DM., C Mittelpreis des Morgens Adler, 
D Baht der Morgen Ader, Wiefe und Garten, auf welde ein Stüd 
Pferde und Rindvieh kommt. 


A | B C | D 
—— nt [11 
1) Harkeis . . . 25,5 377 96 A. 6,? 
2) Unterdonaufreiß . 22,7 499 120 ⸗ 5,6 
3) Megenfreie . . 18,® 444 108 > 6,5 
4) Oberdonaukreis 17,6 610 132 ⸗ 5,1 
5) Obermainfreis . 15,5 643 109 ⸗ 8,? 
6) Rezattreis . . 10,8 | 789 138% s 5 


Wenn man bier den dritten und fünften Kreis ausnimmt, fo ſtehen in 
den übrigen die Zahlen aller 4 Spalten in einer gleihmäßigen Fort⸗ 
fchreitung. Die Za lungen des Viehſtandes find jebod am wenigften 
huverläffte. — In ber Regel geht die Zerflüdelung des Grundeigen⸗ 
ihums da am weiteften, wo fih die flärkfte Bevölferung befindet; bier 
iR aber auch der Härte Viehſtand. — 9. Doung nimmt für Eng 
land auf einem Gute von 30 Ac. 3 Pferde und 2 Arbeiter, auf 65 9. 
5 Pferde und 3 Arbeiter, auf 88 A. 6 Pferde und 4 Arbeiter an. Bine 
D.:Meile Ader hätte demnach, wenn fie lauter Güter gleicher Größe 
entbielte, 451 Güter von 30 U. mit 1353 Pferden und 902 Arbeitern, 
oder 246 von 55 9. mit 1230 Bferden und 738 Arbeitern, oder 154 
von 88 9. mit 924 Pferden und 616 Arbeitern. Kraus, Staatsw. 
V, 73. — In den preußifgen Brovinzen famen 1849 auf die Q.⸗M 
(Dieterici, Tabellen, I, 305 ff.): 


&tüde 

Einw. Pferde. Rindvieh, Zandgüter. 
Bommen. . . . 2077 262 800 129 
Preußen . 2111 401 833 140 
gofen en 2520 294 935 174 
vandenburg . . 29000 | 263 836 185 
Sadien . .. 3867 328 1053 379 
Weſtfalen 3981 330 1476 666 
Echleſien 4128 260 1286 337 
Rhein. . | 5771 250 1706 1405 
Surhiänitt . . . | 3204 310 1057 362 


In Irland (Occupetion, Appendix Nr. 90, S. 274), mit Einfluß 
von !ıo der Schaafe, Tommen 1) auf ein Bütchen von 1—5 Acres 
(Durchſchn. alfo 3 A.) 1,9 Städ Großvieh, auf ein But von 5—159. 
(Durchſchn. 10) 2,8, auf eines von 15—30 A. (D. 22%) 5,9 Stüd, 
alfo 3 Stüd auf 2,9 — 3,° und 3,5 A. Die Güter über 30 A. haben 
im D. 18,6 Stüd, hier iR aber keine mittlere Größe zu berechnen. 

In Belgien it der Biehfland nicht da am größten, wo bie Güter ben 
fleinften Umfang haben, fondern in ber Provinz Luremburg (169 Stüd 
auf Großvich reducirt auf 100 Heft. der productiven Yläche), weil hier 
die Biehzucht befonders hervortritt, aber Namur bat auf jener Flaͤche 
die fleinhe ker von Gütern (28,7), den kleinſten Bichfland (82 Etüd) 
und die fleinfte Zahl von arbeitern 12, die Landwirthe felbft mit 
eingerechnet). — In Sachſen trifft obige Regel nicht zu, denn. es findet 
fc der —8* Bickftand (3234 auf die D.:R.) in der Kreiobit. deiig 


— 412 — 


die gerade die wenigften Güter bis u 5 Adler und bie meiften von 50 
Acker an hat, der ſchwächſte (2441 Stüd) in der Kreisbir. Bautzen, in 
welcher jene Heinen Befigungen die zahlreichften find, weßhalb vers 
muthlich die Theilungen etwas zu weit gegangen find. Es wurben 
— 10 Schaafe für 1 Etuͤck Rindvieh gezaͤhlt. — Im K. Hammover 
at Lüneburg, wo die Guͤter über 60 M. 78 Proc. (maz.) ausmachen, 
den ſchwaͤchten Biehfland (158 Städ auf 1000 Morgen Ader u. Gras: 
land), fodann folgt aber Hildesheim (169 Stüd), wo jene Güter nur 
53 Proc. (min.) beitragen. Die ſtaͤrkſte Viehzahl (218 — 206 — 202) 
igen Aurich, Hannover, Stade, mit 67 — 56 —57 Proc, jener größeren 

efigungen. Bei den Pferden find die nicht zur Landwirthſchaft ges 
brauchten überhaupt nicht auszufcheiden. Bol. II, $. 78. — In 11 Orten 
der Ebene und 12 der Bergftraße bei Heidelberg kommen 7,1 und 6, M. 
auf die Familie, 3,% und 3,5 M. auf 1 Stüd Großvieh. — In Engs 
land gab es im I. 1815 8 ®rafichaften, wo im D. 320 Ar. auf ie 
rößeren Landwirth kamen, auf jeden Landarbeiter (mit @inihluß ber 
Sandıwirtbe) 45 Ac. und auf den A. eine mittlere Rente von 13%, Sch. 
Dagegen fanden fih 5 Grafichaften, wo ein Landwirt im D. nur 
159 9. bewirthfchaftete, ein Arbeiter 28 9. beforgte und die Rente des 
N. 20 Sch. 1 P. betrug, Rau, Archiv, III, 120. 


(f) Drfteres Jäten, Behaden der Gewaͤchſe, Berpflanzen, Ableiten des Wafs 
ſers, Begießen, Bereitung Fünftliher Düngemittel und dergl. — Die zu 
großen Guͤtern gehörenden Neder werben oft nicht genug gepflügt, auch 
die Düngung kann meiftens nicht der ganzen Flaͤche gleihmäßt gegeben 
werden, weßhalb man in manchen Gegenden bie entfernteren Felder als 
Außenichläge benupt. Die Brache erhält ſich gewöhnlich länger auf 
roßen Gütern, auch da wo fie nicht durch Boden und Klima gerecht⸗ 
fertigt wird. — In Slandern werden Büter von 11 —22 Het. — 
43—86 pr. M. am meiften gefhäßt, van Aelbroeck ©. 297. Im 
Waeslande, dem beftangebauten Theile von Flandern, halten die meiften 
Güter nicht über 9,5 bis 9,8 Helt. — 361/,—38%/ı pr. M. Lich- 
tervelde ©. 54. Im franzöf. Flandern (Norbdep.) dem Si der 
trefflichften Bewirthfchaftung , ift die mittlere Größe eines wohleinges 
richteten Gutes 25 Heft. — 97 pr. M. Der leichte Boden geftattet 
dort, daß der Pflug von einem Pferde gezogen wird. Cordier, Agrio. 
de la Flandre franc. ©. 31 ff. — Der fchottiiche Landwirth Robertfon 
empfiehlt für den mitarbeitenden Landwirth (Bauern) Güter vou 40 A., 
für den blos auffehenden und leitenden 200 A. als die befte Groͤße, 
angef. Occupation of land in Ireland, Nr. 294. — Crook (Grafidhaft 
Cork, ebend. Nr. 764) fagt: „Im Allgemeinen find Hier die Pacht⸗ 
güter groß, und jwar zu groB , ale daß die Landwirthe im Stande 
wären, fie vortheilhaft zu benugen. — Es ift hier fein But, welches 
nicht dreimal foviel Getrag eben Zönnte, wenn es zwedmäßig behan⸗ 
belt würde.” Diele Ich * Bedintchaſtun leitet alletdings der 
Sprecher von der Beſorgniß der Pachter ab, im Pachtzinſe geſteigert 
zu werden. 
Schon bei den Römern wurde über die Nachtheile der Latifundien ges 
Elagt. gl. Craig, Brundzüge der Politik, überf. von Hegewiſch, 
II, 177. (8eipzig 1816.) 


8. 370a. 


Man unterfcheidet in der Landwirthfchaft den ſchwung⸗ 
haften und den [hwahen Betrieb (intenfive und 
extenfive Cultur), je nachdem auf eine gegebene Fläche 


(4 


— 


— 413 — 


viel oder wenig Capital, Arbeit und Kunſt verwendet, alſo 
von dem Lande mehr oder weniger Erzeugniß gewonnen wird, 
vgl. 8. 215. In der Kindheit der Volkswirthſchaft, bei niedriger 
Bevölferung, geringem Verkehre und geringem Capitale, war 
nur ein fehr ſchwacher Betrieb möglich), der von weiten Flächen 
nur einen fpärlihen Ertrag zu ziehen vermochte. Allmälig, 
mit den Yortfchritten in den genannten Berhältnifien, wird bie 
Landwirthſchaft ſchwunghafter und dieß ift nothwendig, um dem 
gefteigerten Begehre von Bodenerzeugniffen zu genügen. Weldye 
von beiden Betriebsarten mehr Vortheil bringt, dieß hängt von 
mandyerlei Umftänden ab, unter denen die von der Bevölferung 
bedingten Preife der Bodenerzeugniffe und die Gelegenheit zum 
Abſatz derfelben, ferner die in Klima und Bodenart begründete 
Fruchtbarkeit, die dem Landwirthe zur Verfügung flehende Menge 
von Arbeitern, der Eapitalreichthum bes Landes ıc. die einflußs 
reichften find. So lange ber ſchwache Betrieb ſich behauptet, 
werden die größeren Güter vorgezogen, weil auf ihnen jene 
einfache, den Raturfräften das Meifte überlaflende Bewirth⸗ 
fhaftungsweife leicht ausführbar ift und die vortheilhaften 
Eigenthümlichkeiten ber kleineren Güter noch nicht zum Vorfchein 
fommen. Mit dem Uebergange zu einer mehr intenfiven Be 
handlung treten dagegen biefe Vorzüge der kleineren Befigungen 
mehr hervor (a), befonderd da, wo unmittelbar auf das Er- 
zeugniß viele Arbeitöfräfte verwendet werben, während in ben 
Fällen, wo ein anfehnliched Capital zu ftehenden Vorrichtungen 
oder Bobdenverbefierungen oder zu Anfchaffungen von Hülfs- 
mitteln benugt wird, die größeren Güter nicht zurüdftehen (d). 
Indeß muß man bei der Entgegenftellung biefer beiden Betriebs⸗ 
arten erwägen, daß es zwifchen den Ertremen viele Mittelftufen 
giebt und daß auch bei einerlei Wirthichaftsweife im Ganzen 
doch noch eine mehr ober weniger intenfive (forgfältige) Bes 
handlung Statt finden kann (c). 


(a) Uebereinſtimmend Roſcher a. a. DO. III, 305. 


(3) Behirgegegenden 3. B. Haben in biefer Hinſicht viel Bigenthämliches. 
Man hat kraftvolle Zugthiere nothig, das rauhe Klima verbietet manche 
Zweige des Landbaues, das Aderland nimmt einen Eleineren Theil der 
Fläche ein und die Wege find beſchwerlich, weßhalb man auf bie Nähe 
ber Felder am Hofe höheren Werth legen muß, das viele Weideland 
giebt eine Ermunterung zur Viehzucht sc, daher iſt es bier nüßlich, 
größere Güter zu erhalten. 


— 44 — 


(6) Dieß iR der Fall bei dem high farming oder rich farming im heutigen 
Sinne ber Engl glänber, wozu 3. B. das Drainiren, der Anfauf von 
Dängemitteln (@ nano, "Ratrum alpeter, doppeltphosphorfaurem Kaltzc.), 
bie Anwendung fünflicher —* rgeraͤthe, fahrbarer Dempfmafdinen, * 
Dreſchmaſchinen und dergl. gehoͤrt. Auf einem 200 Acres e 
Pachtgute in Lanarkih. ( an) ift das Gapital bis Ye t. es 
vom 4. gebracht und es find 1080 2. auf dauernde Berbeflerungen ges 
wendet "worden, außer den vom Gigenthümer befriktenen —— — 
koſten von 800 2. Morton, On rich farming, KEdinb. 1851. — de 
Lavergne, ©. 209. — Auf einem en tifäpen Gute wer in Folge 
diefer Verbeflerungen der Ertrag auf dem 

Durchſchnitt von 1833-39 25 Buſhel Baier, 3 2. Gere, 
1842—46 29 ⸗ 
1847. 48 36 ⸗ ⸗ is s 3 
Caird ©. 171. 


$. 371. 


Mittlere und Eleinere Güter liefern dann, wenn ibnen das 
zur Verfügung der Beſitzer ſtehende größere Maaß von Fleiß 
und Eifer wirflicy zugewendet wird und bie in $. 370 ge 
nannten Umftände diefer Bewirtbichaftungsart günftig ind, nicht 
blo8 einen größeren rohen, fondern auch einen ftärferen 
Reinertrag von gleicher Fläche, tragen alfo audy mehr 
Orundrente, als große Beflbungen (a). Wie die Erfahrung 
zeigt, werben Ländereien in kleinen Abtheilungen um hoͤhere 
Breife verpachtet und verfauft als in größeren Maſſen, und ber 
 Eigenthümer einer großen Beftgung fommt deßhalb leicht in 
Berfuchung, biejelbe zu zertheilen. Diefe Erfcheinung muß zum 
Theil aus der höheren Rente Fleiner Güter erflärt werben, bie 
ſich auch durch Ertragäberechnungen nachweifen läßt. ine 
andere Urfache liegt freilih auch in dem flärferen Mitwerben 
von Kaufs und Pachtluftigen für Heine Güter und beſonders für 
einzelne Stüde, weil Taglöhner und Beflger weniger Morgen 
eifrig darnach fireben, Land zu erwerben, um vollftändig und 
ſicher befchäftigt zu fein, wobel fie fich für ihre Arbeit noͤthigen⸗ 
falls mit fpärlicher Vergütung begnügen. Muß ein zur Be 
fhäftigung einer Yamilie zureichendes Gut: aus einzelnen 
Stüden zuſammengekauft ober gepachtet werden, fo kommt das⸗ 
felbe oft fo hoch zu flehen, daß der Kaufpreis durch die Rente 
nicht volfländig verzinft und der Pachtzind ſchwer aufgebracht 
wird. Indeß würde eine foldhe, bloß von großem Mitwerben 
bherrührende Steigerung ber Bodenpreife nicht dauernd fein, fie 


— 45 — 


feßt die Käufer oder ‘Bachter in Gefahr zu verarmen und wenn 

bie Rente größerer Beſitzungen wirflich größer voäre, fo würden 

mit der Zeit wohlhabende Käufer und Pachter die Fleineren 

überbieten und bie Randgüter wieder vergrößern. 

(a) Häufig wird behauptet, die Kleingüter überträfen zivar im Rohertrage 
bie großen, aber nicht im reinen. Auch Log (Hanbb. IL, 37) giebt 
den Gegnern ber Fleineren Güter zu, daß fie geringeren Reinertrag ab» 


werfen, fucht aber zu beweifen, daß dieſes in volköwirthfchaftlicher Hin- 
fiht nigt zechtheit ſei. — Mit obigen Saͤtzen uͤbereinſtimmend Paſſy 
a. a, O. 


8. 372. 


Dieſelben Urſachen, welche den Reinertrag mittlerer und 
Heiner Güter über den ber größeren zu erheben pflegen, koͤnnen 
unter gewiflen Bedingungen auch noch bei ganz kleinen Bes 
fitungen ($. 368) Statt finden. Die Güter fünnm da am 
Hleinften fein, wo man nad Maafgabe ded Klimas, des 
Bodens und Abſatzes Gelegenheit hat, ſolche Stoffe zu ges . 
winnen, bie viel Fleiß und Geſchicklichkeit erfordern und ver: 
güten. Dieß ift bei dem Getreide weniger ber Ball (a), wohl 
aber bei manchen anderen Beldfrüchten, namentlid den foge- 
nannten Handelögewächien, ferner bei dem Reben» und Garten 
baue (5). Die Fläche, von welcher eine lanbbauende Familie 
hinreichend befchäftiget wird, bie Arbeitsfläche (o), muß 
da größer fein, wo Gewaͤchſe jener Art nicht an ihrer Stelle 
find und daher hauptſächlich Halmfrüchte, andere Rährpflanzen 
und Yuttergewächfe erzielt werden. Da aber auf einem folchen 
Gute ein befonderes Geſpann von Zugvich nicht genug zu 
arbeiten hätte und folglidy zu viel Eoftete, fo werden mit Nutzen 
bie Kühe zur Zugarbeit gebraucht, welche auf diefe Weife die 
geringfien Koften verurfadht. Die Befiger ſolcher Kuhguͤter 
halten in der Regel Fein Gefinde (d). Sie müflen zwar, bes 
fonderd wenn fie Schulden haben, genügſam leben und fleißig 
arbeiten, befinden fi) aber in einer befleren und gefldyerteren 
Rage als Zaglöhner und wetteifern in dem rohen und reinen 
Bobenertrage häufig mit den Bewirthichaftern größerer Güter (e). 
Es wäre jedoch nicht gut, wenn alle Zandgüter bis auf dieſes 
Maaß herab verkleinert würden, 8. 375. Die Kamilie eines 
ſchuldenfreien Eigenthümers Tann von einem Gute leben, welches 


— 46 — 


Kleiner ift al8 die Arbeitsfläche, indem die Grundrente mit zu 
dem lUinterhalte verwendet wird. Der Befig einer foldyen 
Unterhaltsfläche liefert zwar für den Augenblid das Aus 
fommen einer Bamilie, febt aber den Eigenthümer in Gefahr, 
durch jeden Unfall oder durch mancherlei ungünftige Umftände 
in Bebrängniß zu gerathen und geftattet dann, wenn eine Erb- 
theilung nöthig wird, feine felbftändige Ernährung mehr aus 
dem eigenen Landbau (f). Diefe Nachtheile foldyer, unter 
der Arbeitöfläche ſtehenden Befigungen ($. 368. 2, b) fallen 
übrigend ganz oder größtentheild hinweg, wenn die Eigenthümer 
Gelegenheit finden, noch weitere Orundftüde zu pachten unb 
fo die Arbeitöfläche zu ergänzen, oder burdy andere Berrich- 
tungen ihre Zeit auszufüllen, wobei fie ihrem Lande haupt⸗ 
fachlich den eigenen Bedarf an Bobenerzeugnifien abzugeiwinnen 


ſuchen (g). | 

(6) Getreite und Viehfutter gewinnt man auf dem Ader unb den Wiefen 
mit weniger Koften als durch Spatenbau, es iſt aber nüglih, weni 
ſtens immer nad, einigen Jahren, zum Anbau gewifler Pflanzen, w 
von Möhren, den Acker tief mugraben. Diele Erfahrungen aus vers 
fchiedenen Begenden fprchen zu Gunſten bes Gpatenbaues unter ges 
wiffen Umftänden, namentlih in Irland, 3. B. angef. Occupat. of 
land in Ireland, I, 922. 946. In der Mähe der Städte If der Wild. 
verfauf einträglih. Im folhen Gegenden, wo gartenmäßiger Anbau 
vorberricht, pflegt man Getreide, Vieh, ſelbſt Dünger aus benachbarten 
Bezirken zu Faufen. 


(6) Beifpiele geben die warmen Länder, wo der Rebbau, die Seidenzudht ıc. 
vorherrſchend find, und wo der bewäflerte Ader: und Gartenboden 
mehrere Ernten in einem Jahre trägt. In ber Gbene von Balencia 
find mehrere taufend Feine Güter, meiflens von nicht mehr als 8 pr. 
Morgen, bei 40 M. wird der Eigenthümer ſchon für reich gehalten. 
Jaubert de Passa, Voyage en Espagne ou recherches sur les arro- 
sages II, 238 (Paris, 1823). — Aehnliche Verhaͤltniſſe find in Suͤd⸗ 
franfreih, Lullin de Chateauvieux in Bibl. unir., Agrio. XI, 5. 
An der Durance (füröftl. Frankreich) lebt man von 3 Heft. ſchon reich⸗ 
lich, mit gefhliffenen Möbeln von Nußbaumbolz ıc. De Gasparin, 
Sur les machines. In manden Gegenden von Südbeutfchland, mo 
ber Bemüfe: und Rebbau ausgebreitet if, genügen 7—8 pr. Morgen 
für eine Familie. 


() Rau Arhiv. N. %. IX, 145 und Staatswiff. Zeitfchr. 1856. ©. 213. — 
Der Gleichfoͤrmigkeit willen ift es zweckmaͤßig, drei erwachſene arbeitsfähige 
Mitglieder anzunehmen, von denen jedoch die Frau zum Theil mit ben 
Kindern u. a. Berrichtungen im Haufe zu thun bat. Die Arbeitsfläche 
muß auch einen Pachter ernähren, d. 5. die Familie ohne allen eu 
son Grundrente erhalten, wenn bie PBachtzinfe nicht durch das flarke 
Mitwerben bei Stuͤckpachtungen gefleigert end. Bei den Angaben aus 
Irland (f) find an 2 buchgängig Bachter zu verſtehen. — Es würde 
lehreeih fein, dieſe Arbeitsfläche in vielen Gegenden zu erforfchen und 

. dabei die Urſachen der Berfchiedenheit zu beachten. 


(4) 


(ed) 


02) 


(9) 


— 471 — 


Diefer Umfand wird: mit Neht hoch angeſchlagen, weil die Kamilie 
in themen Zeiten fi leichter einfchräntt, auch eifriger in ber Arbeit 
iR, als die Dienfiboten. 


In Flandern find die Kuhgüter, die von ihren Cigenthümern bewirths 
fchaftet werden, auf das vollfommenfte angebaut. Schwerz, Landw. 
Mittheil. I, 57. Im Rheinthal zwiſchen Bafel und Mainz und in 
den benachbarten Gegenden geben ungefähr 10 bad. — 14 pr. M. einer 
Familie Arbeit und Unterhalt, und die Beſitzer befinden fich bei gehds 
rigem Fleiße in einer befriedigenden Lage, fo daß fie überiparen ober 
Schuldzinfen bezahlen koͤnnen. Iſt der Boden oder das Klima minder 
ging, in Hügel- und Berggegenden ıc., oder ift der Landwirth ber 
biaggelegenheit wegen vorzüglich auf Getreidebau, Butter⸗ und Br 
verkauf angewiefen, jo fteigt der Bedarf ſchon auf ungefähr 20 pr. M. 
In Bebirgen iR der Aderbau fo mühlam, daß eine gewiſſe Arbeiterzahl 
nicht fo viel Land verjehen fann, als in ebenerem Lande, aber die Er⸗ 
iebigfeit ift zugleich geringer, weßhalb flarfe Viehzucht mit Hülfe von 

eideland Hinzugenommen werden muß, vgl. $. 3708. (a). GEs macht 
unter anderen einen Unterfchied, ob man gute Wielen hat, wobei weniger 
Arbeit nöthig ift, oder ob man das Futter auf dem Ader gewinnen 
muß. Sn Irland flimmen die meiften Auslagen darin überein, daß 
10 irifche Acres (25 pr. M.) auf gutem Boden, oder 15—20 auf fchledhs 
terem Lande eine genügende Fläde bilden. Auch Koppe (Beiträge ıc.) 
erachtet 24 pr. M. auf Mittelboden zu einem Kuhgute für Binreichend. 
Auf der Infel Zerfey trifft man fehr eifrige und unterrichtete Kandwirthe, 
die viel Vieh Halten und reihlih düngen; die Durdfchnittsrente if 
4-5 2. St. vom Are. Gin als Beiſpiel ermähntes Gut hat 13 9. 
(26 pr. M.) und giebt 7 2. St. Rente vom A.! Ges kommen Fälle 
von 8-10 8. St. vor und die meiften Landiwirthe haben nur 15 9. 
Beonomist, 29. Nov. 1851. de Lavergne, ©. 114. Jene landwirth⸗ 
ſchaftlichen Berhältniffe, bki denen 14—15 pr. M. die Arbeitsfläche 
bilden, find in größeren Ländern nicht als Regel anzunehmen, fchon 
weil die genannten Erzeugniſſe eines fehr for fältigen Anbaues in ges 
ringerer Menge begehrt find, als Getreide. Die Kuhgüter werben dba 
minder ungünflig beurtheilt, wo man Gelegenheit hat, fie näher kennen 
zu lernen. Es bildet fi mit der Zeit ein Schlag guter Arbeitsfühe 
aus, der zwar anderen an Wilchergiebigleit nachfteht, aber body bei 
guter Behandlung nicht foweit, als oft vermuthet wird. 


Rau a, a. O. — Biele Angaben für die Größe diefer Unterhaltsfläche 
laſſen dieſelbe zu ungefähr 3/5 — %/s der Arbeitsfläche annehmen. Sind 
Schulden oter bäuerliche Belaftungen vorhanden, fo ift die erforderliche 
Flaͤche größer. 

Taglohn, Vorfpann, Gewerksarbeiten find die gewöhnlichfien Neben, 
gefhäfte Die Menge ter Taglöhner, welche fih erhalten kann, findet 
aber in ven gegebenen Bewerböverhältnifien eine natürliche Graͤnze. 
Es if fchr nachiheitig, wenn die Befiger ganz Feiner Güter aus Traͤg⸗ 
peit oder irregeleitetem Shrgefühl unterlaflen, ihre freie Zeit zum Tags 
ohnerwerb oder anderen Nebengeichäften zu verwenden. Wo ber Sierg 
nicht fehlt, da findet man zahlreiche Beifpiele von Yamilien, die mit 
Heinem Befitze angefangen und ſich allmälig zu einem größeren empors 
gearbeitet haben. In Neuenheim bei Heidelberg haben 90 Proc. der 
Grundeigenthuͤmer nicht über 3 Morgen, 60 Proc. unter 1 Morgen, in 
Sandihuchsheim refp. 71 und 43 Proc. Rau, Landw. der Rheinpfalz, 


1830, ©. 27. Wo die Fläche zu Hein if, um zwei Kühe zu erhalten, 


helfen fi zwei Landiwirthe durch Zufammenfpannen, oder fie laſſen 
die Beipannarbeit von einem größeren Landwirth gegen Bezahlung 


— 413° — 


verrihten, am Viebften von Kar Fig vn % in n Zap 
lohn arbeiten. — er cu 3 

©. 293. — Bien ie an —— Hi — 

la fabrication de la toile, que les erplolietionn det de 37 — in host. et et 
möme de 1!/s & 2 hect. (in Slandern), van Aslbroeck &. 297. 


8. 378. 


Wo feiner diefer Bälle eintritt, da find ganz Meine Güter 
unvortbeilhaft. Die Befiger können ihre Kräfte nicht nuͤtlich 
genug anmenden und erzielen alfo wegen des zu Toflbaren 
Unterhalted wenig Reinertrag.e Sie unternehmen bei bem 
Mangel an Eapital und Kenntniß feine Verbeflerungen bes 
Betriebes. Wenn fie dad Gut blos gepadhtet Haben ober mit 
Schulden belaftet find, fo müflen fie hoͤchſt kuͤmmerlich eben 
und es if ihnen fehr fchwer, fih auf einem folchen Gute 
ſchuldenfrei zu erhalten, $. 372. In ſchwachbevoͤlkerten, für 
entfernten Abfag angebauten Ländern if biefenige Bewirth⸗ 
ſchaftungsart, welche auf die flärffte Benutzung des Bodens 
berechnet ift (intenfive Gultur, $. 370 a), noch nicht belohnend 
genug; daher pflegt die Verkleinerung der Güter erſt bei einem 
gewiften Grade von Wohlftand und Bevölkerung zu beginnen 
und fortzufchreiten, wenn die Landwirihe denkend und unters 
richtet find. Unter dieſer Vorausſetzung muß auch bie Graͤnze, 
bei welcher die Zertheilung aufhört zuträglich zu fein, ſich von 
ſelbſt geltend machen (a). Iſt fie überfchritten worden, fo können, 
wenn verftäimbige und mit betraͤchtlichem Capitale ausgeräftete 
Unternehmer fih der Lanbwirthfchaft widmen, feicht wieder 
größere Beflgungen entftehen, weil die Fleinen Landwirte ihre 
Grundfiüde bei der Concurrenz ber Begüterten nicht zu bes 
haupten vermögen; hiedurch ftellt fi) dann der größte Reins 
ertrag des Bodens wieder her, die zahlreichen Heinen Landwirthe 
aber werden augenblidlid in eine bebrängte Lage verfegt (b). 
Es iſt übrigens am nüglichften, wenn Güter von fehr ungleicher 
Größe neben einander beftchen, wobei dann für jede Betriebsart 
fowie für alle verſchiedenen perjönlichen Verhaͤltniſſe ver Lands 
wirthe der gehörige Spielraum offen fteht. 

(a) „Die Gewohnheit, die Güter nicht etheilt zu fehen umb bie Webers 
jeugung von ihrer Ruͤtzlichkeit 5 Pr Hi fehr in Flandern erhalten, 


daß, wenn nod heute ein Bar mit Tod abgeht und mebe Kinder 
binterläßt, als aus der Baarfchaft oder den Allodien befriedigt werben 


(2) 


— 41I — 


lonnen, die Erben wicht daran denken, ſich in ben Hof zu theilen, obs 
leid) ex feinem Lehnverbande noch Maforatsrechte unterworfen if. 

ie verkaufen Ihn vielmehr im Ganzen und fheilen fi in den Erlös. 
Sie betrachten das väterlide But ale einen Gpelflein, der an Wert 
verliert, wenn er duchgefägt wird.” Schwerz, Landw. Mittheil. 
I, 185. — Sn einem Ra Klima, wo die Keldarbeit einen längeren 
Theil des Jahres hindurch unterbrochen IR, kann ſchon deßhalb bie 
Theilung ohne ſchaͤdliche Folgen nicht fo weit gehen, ale in einer 
milderen Gegend. Während in ben gut bewäfferten Gegenden von 
Spanien der Kleinbau herrichend und zwedmäßig if, müſſen in ben 
trodenenen Gegenden größere Suter fein, weil man nur eine Grnte 
jährlich nehmen fann und Mühe Hat, den Futterbedarf zu getwinnen, 
de Jovellanos, Butadten.... 3. e. landw. Gefebgeb. D. von 
Deguelin, 1816, ©. 61. 


In Großbritanien verfhwinden die Eleinen und ganz Fleinen Güter des 
Bauernflandes mehr und mehr, weil fie von den reichen Gutöbefigern 
angefauft werden, bie Nachkommen der ehemaligen Befiser finlen zu 
bloßen Taglöhnern herab. Auch die Kleinen Bactgüter d nah und 
nad in größere zufammengezogen worden. Kay, The social condition 
and education of the people, I, 362 f. — „Die Auslage für bie 
Arbeit ift heutiges Tages fo groß und die Landrente fo body, baß der 
Gewerbögewinn von einem Heinen Gute nicht mehr zureiht, um auch 
bei der größten Genuͤgſamkeit einer Familie behagliches Ausfommen zu 
gewähren. Wie nachtheilig es aud immer für bie Entſtehung einer 
zahlreichen und kraftvollen Bevölkerung fein mag, die großen @üter 
vermehren bh umd fie müflen «8, damit ihre Bewirthfchafter (their 
bolders) ihren Unterhalt finden, und bie Kleineren Pachter werden ges 


zwungen, ſich anderen @ewerbsbeihäftigungen je widmen.” Sinclair, 


Code of agrie ©. 87 der 3. Ausgabe. Diele Veränderung bat bie 
ganze Lage der Weldarbeiter ſehr verihlimmert. Sie if eine Folge 
von der Uebermacht des in den Händen der Reichen angehäuften 
Capitals. Es verdient genau unterfucht zu werben, ob nidt nod 
andere Umftände als die Ausficht auf eine höhere Rente der vergrößerten 
Büter dieß Auskaufen der Heinen Grundeigenthümer befördert haben 
und ob bdiefelben nicht durch eine beffere Bewirthſchaftungsart ſich 
Adlten behaupten Eönnen. In dem Buche: Darfellung der Landw. 

oßbritaniens, db. von Schweiger, 1838, I, 64, wirb wenigſtens 
bie. beſchraͤnkte Sinficht der kleinen Pachter angedeutet; bei Gätern mit 
Milchwirthſchaft (dairy farms) vermögen ſich auch Eleine Befiger zu ers 
Balten, ebd. ©. 65. — Das Zufammenlaufen zu Feiner Güter fommt 
in manden Gegenden vor. Beiſpiel aus ver Baierifhen Rheinpfalz 
bei Hanſſen, Hiſtoriſch⸗ſtatiſtiſche Darſtellung der Inſel Fehmarn, 
Altona 1832, S. 197. Sähilderung der übermäßigen Zerfhüdelung im 
berner Oberlande bei Kaſthofer, Alpenreife über den Brünig, 1825, 
©. 20. Im Dorfe Aarmühle haben 40 Proc. der Familien keine Kuh, 
und die Zahl der Kühe nimmt überhaupt ab. Selbft einzelne Obſt⸗ 
bämme haben mehrere Bigenthümer. 


8. 374. 
Die großen und Heinen Güter müflen auch in Anfehung 


ber Menge von Bohenerzeugniffen, welche ſie für die anderen 
Volsclaſſen erzeugen, mit einamder verglicdyen werben, 8. 368. 
Man nimms gewöhnlich an, daß bie Befiper der großen Güter 


— 410 — 


nach Abzug ihres eigenen Bedarfs mehr Nahrungsmittel übrig 
haben, die fie für den Unterhalt der anderen Bolköclaffen zu 
Markte bringen und von denen fie audy einen Theil für Miß⸗ 
jahre auffpeichern fönnen, fo daß demnach bie großen Güter 
eine größere ftädtifche Bevölferung ernähren und gegen Theuerung 
eine befiere Aushülfe gewähren, als die mittleren und kleinen. 
. Allein da dieſe bei guter Bewirtbichaftung einen größeren Robs 
und Reinertrag hervorbringen, fo muß auch eine größere Menge 
von Erzeugniffen verfauft werden, um die Grundrente und bie 
anderen Geldausgaben zu beftreiten, $. 366. Jene Meinung 
fand vieleicht darin ihre Nahrung, daß die Erzeugniffe bei 
großen Gütern in beträchtlichen Maſſen gefammelt angetroffen 
werben und baher mehr in die Augen fallen, indeß die Erfah⸗ 
rung die reichlicheren Hülfdquellen zeigt, welche ein unter Eleinere 
MWirthfchaften vertheilter Boden geben fann (a). Freilich bes 
fiehen aber die zu Markt geführten Erzeugniffe mittlerer und 
Feiner Güter nicht blos in Getreide und Fleifch, fondern zus 
glei in mancherlei anderen Nahrungsmitteln und Stoffen ver 
fhiebener Art, 3. 3. Geflügel, Eiern, Milh, Butter, Käfe, 
Häuten, Haaren, Federn, Wachs, Honig, Tabak, Hopfen, 
Arzneis, Dels und Gefpinnftpflanzgen, ®emüfe, Obſt, Wein, 
Zierblumen ıc. Vgl. III, 8.132 (b). Ganz Kleine Güter liefern 
weniger verfäufliche Borräthe, allein wenn der Befiger noch eine 
Rebenarbeit verrichtet, jo bietet diefelbe den Erſatz für die von 
ihm verzehrte verhältnißmäßig größere Menge von Lebensmitteln, 
und nur dann, wenn er nicht genug befchäftigt if, alfo bei 
einer übermäßigen Verkleinerung, ift wirklich ein Nachtheil für 
die anderen Stände vorhanden. 

(a) Logz, Handb. II, 32. 34. 


6. 375. 


Große Güter haben außer den biöher betrachteten Umftänden 
auch das Nachtheilige, eine größere Menge von Tagloͤhner⸗ 
familien nöthig zu machen (a), deren Lage, wenn gleich nidyt 
durchgehende fümmerlich, doch in volkswirthſchaftlicher Hinſicht 
auch nicht für günftig gehalten werden darf. Ihr Kohn iſt ziem⸗ 
lich unveränderlich, der Verdienſt aber bisweilen unterbrochen, 
fie können fchwer etwas erfparen und werden durch Unglücks⸗ 


— 4 — 


fäe leicht in Armuth geftürzt (8), auch haben fie weder ben 
Ermwerbseifer, noch die Anhänglichkeit an das Baterland, an 
bie Gefege und die rechtliche Ordnung, welche das Grundeigen⸗ 
thum hervorbringt (c). Daher hat die auf Kleinen Gütern an⸗ 
fäffige größere Zahl von Grunbeigenthümern, abgejehen von 
der Bewirthfchaftungsweife und dem Bobenertrage, in Hinficht 
auf Bildung, Sittlichfeit und flaatöbürgerliche Verhältniffe er- 
hebliche Vorzüge. Doch ift ed nüglid, daß auch mittlere und 
große Güter neben den Eleinen vorhanden find, weil nur auf 
jenen wiflenfchaftlich gebildete Kandwirthe gefunden werden, deren 
Betriebsart ald Mufter auf die Umgegend wirft, und welche 
Muße genug haben, ſich mit der Vervollkommnung der Gewerbs⸗ 
funft zu bejchäftigen, weil ferner manche Verbeſſerungen und 
indbefondere eine funftmäßige Viehzucht nur auf ihnen ein- 
heimiſch find, weil nur bier die vermögenslofen Xohnarbeiter 
einen Taglohnverdienft erhalten, und weil endlich auch dad 
Vorhandenſein wohlhabender Grundeigenthümer, bie ſich gemein- 
nüsigen Thätigfeiten widmen und mande wohlthätige Anwens 
dung ihres reichlichen Einfommend machen fönnen, in allgemei- 
nerer Beziehung nüglich ifl. Jede Claffe der Gutsbeſitzer kann 
von ben anderen etwas lernen, jede ift im Stande, felbft in 
irgend einem Zweige der landwirthichaftlichen Thaͤtigkeit ein 
Beifpiel zu geben. Es läßt ſich nicht im Allgemeinen beftimmen, 
welches Zahlenverhältniß der verfchiedenen Claſſen nebeneinander 
beftebender Güter daß befte fei, weil dieß von mandherlei Um⸗ 
ſtaͤnden abhängt. Es ift jedoch bei der Beurtheilung ftatiftifcher 
Angaben über diefen Gegenftand nicht blos darauf zu achten, 
wie viel die Anzahl der Fleinen und der ganz Fleinen Güter 
gegen die größeren gehalten beträgt, jondern auch welchen Theil 
der Fläche diefe und jene einnehmen, und biefe Erwägung dient 
manche Beforgniffe wegen der weitgetriebenen Berfleinerung zu 
befhwidytigen (d). 


(a) Beifpiel eines mecklenburgiſchen Gutes von 1800 Acres (2844 pr. M.) 
mit 22 Köpfen Befinde und 30 Taglöhnern in den a. Papers. 

(2) Aus dieler Arjache ift einige Wahrfcheinlichkeit dafür, daß die Sterblich⸗ 
feit im Allgemeinen da größer ift, wo fich mehr große Guͤter befinden. 
Dies hat man für Frankreich zu beweiſen gefuht. Die Mortalität if 
/ in denjenigen Departements, wo im Durchſchnitt 4 Hekt. auf ben 
Grundeigenthümer kommen, dagegen ftirbt jährlich %/ss, wo ein Grund⸗ 
eigner im Ducchfchnitt 7 Helft. befigt. Journ. des debate, 19. Februar 

Rau, polit. Dekon. I. 7. Ausg. 31 


— 482 — 


1826. — Bol. Thaer, Engl. Landw. II, 2. ©. 82. — Die ne 
fame Bolfevermehrung in Frankreich, ungeachtet der beträchtlichen Zer⸗ 
therlung bes Grundeigenthums, iR ein bemerkenswerther Umftand , ber 
mehr Beſonnenheit der Heinen Grundeigenthuͤmer vermuten läßt, als 
fie gewöhnlich bei Taglöhnern getroffen wird. — Taglöhner, welche ver 
möge eines fehlen DBertragsverhäftnifies mit dem Butsherm , 
das ganze Jahr Arbeit zu haben, befinden fich befier daran, 3. DB. bie 
Inſten in Preußen, Hanffena.a. O. ©. Alb nad v. Hartbaufen. 


() Simonde, Nourv. prino. I, 173. — Schilderung ber trägen medien; 


(4) 


burgifchen Buͤdner, v. Lengerke, Darf. der Landw. in dem GSroßh. 
Mecklenb. 1831, I, 41. — Armuth, Unmwifienheit und Rohheit ber 
Taglöhner auf den größeren Bactgütern ber Lombardei, Burger, 
Reiſen, I, 208. — Schilderungen ähnlicher Art von den englifchen 
Feldarbeitern, im Bergleich mit dem deutfchen und ſchweizeriſchen erms 
flande, bei Kay im angef. 1. Bande feines Werkes. 


Pol. II, $. 79 (d). Im preuß. Staate betragen die (Beflgungen mit 

Einrechnung des Waldes) in Procenten der ganzen landwirthſchaftlich 

benugten Flaͤche 

Pommern Preußen Weſfalen Oheinland 
8 1 l 


von 600 M. und mehr 62 3 
300—600 5 8 8 6,8 
30— 300 28 49 57 34,7 
5—20 3 3 15 27 
0—5 0,78 0,°. 3, 10,® 
Beifpiel eines günkl en Berhältnifies, Dorf Babenhaufen, zwifchen 
Darmftadt und Afchaffenburg: 
2 Güter von 100 und mehr Morgen, gegen 5,? Proc. 
14 =: s 50-100 ur ee 18,8 = 
100 ⸗ s 20—50 ⸗ 63,2 ⸗ 
40 ⸗ 1020 ⸗ s 11! s 


35 ⸗ ;s 1—10 ⸗ ⸗ 195 = 
In der Naͤthe anfehnlicher Städte kann ein größerer Theil ber Flaͤche 
ohne fhädlihen Folgen aus ganz kleinen Beisungen befteben. 


$. 376. 
In Bezug auf die Beichaffenheit des Rechtes, welches dem 


Landwirthe auf die von ihm bebauten Grundftüde zufteht 


G. 


385), find mehrere in ihren volkswirthſchaftlichen Wirkungen 


weſentlich verjchiedene Verhältniffe möglich, welche fidh fo über 
bliden laſſen (a): 


1) Am vortheilhafteften if es, wenn der Landwirth un⸗ 


beichränfter Cigenthümer feines Bodens if, weil er dann 
fowohl den größten Eifer, als die vollfte Freiheit zur Anwendung 
aller Verbefierungen hat, ferner weil er durch die ihm zufallende 
Örundrente in den Stand gefegt wird, behaglicher zu leben, 
als ein Xohnarbeiter, fein Capital durch Erfparniffe zu vers 
größern und ungünftige Zeitumftände leichter auszuhalten, als 
ein Pachter. Die Verſchuldung mindert den letzteren Vortheil, 


— 43 — 


laßt aber wenigſtens ben erſten ungeſchwaͤcht. Doc ‚können 
die Landwirthe nur dann dieſe günflige Lage in ihrer ganzen 
Ausdehnung benugen, wenn fie zugleich im Befige der nöthigen 
Kenntniffe und Eapitale find ($. 367), und nur die Eigen- 
thümer Heinerer Guͤter gehören in ber. Regel dem Stande ber 
Zandwirthe an. Es ift unvermeidlich, daß reiche Privatperfonen 
oder Körperichaften Land an fidy bringen, um ihr Bermögen 
fiher anzulegen und eine Pachtrente zu beziehen. 
(a) Rah Lullin de Shateauvieur find in Frankreih 14 Mill. Heft. 
Bauland in den Händen fleiner Grundeigner, 10 Mill. werden von 


Halbmaiern, 77/ Mil. von Pachtern mit feftem Pachtzins, 32/4 Mil. 
von mittleren Grundeignern bewirthſchaftet. 


8. 377. 


2) Die naͤchſte Stelle nimmt die Bewirtbfchaftung durch 
folhe Bachter ein, bie den Landbau wie eine andere Gewerbo⸗ 
untenehmung, mit dem gehörigen Capital, mit Kenntniß und 
Eifer betreiben (a). Zwar werden von den Pachtern bies 
ienigen Berbeflerungen, deren Wirfungen fidy über die Dauer 
der Pachtzeit hinaus erftreden, nicht leicht vorgenommen, body 
fönnen die Eigenthümer mit ben Pachtern ſich über folche Un- 
ternehmungen verftändigen. Wo fih ein wohlhabender und 
unterrichteter Stand von Pachtern bildet und bie Grundeigen⸗ 
thümer die Klugheitöregel annehmen, mehr auf dauernde ale 
auf augenblicklich erhöhte Bachtrente zu fehen, da find die volks⸗ 
wirtbfchaftlichen Ergebniffe der Pachtungen vortheilhaft (d). 
Unbegüterte Pachter find dagegen in einer fo nadhtheiligen Rage, 
daß fie felbft noch den befchränkten Eigenthümern ($. 378) nad). 
gefegt werden muͤſſen. Dieß rührt daher, daß fie nur fehr 
fleine Güter ober einzelne Städe pachten können und haupt⸗ 
fachlich ihren Unterhalt durch eigene Feldarbeit fichern müflen, 
daß fie wegen ihres ganz geringen Capitales Feine beffere Bes 
triebsart einführen Eönnen, und wegen ber Unmöglichkeit, eine 
andere Erwerbsart zu ergreifen, von den Grundeigenthümern in 
Anfehung der Pachtbevingungen abhängig find. Pachtungen 
diefer Art, fie mögen einen in Geld bebungenen Pachtzins (e), 
oder einen Antheil an dem Bobenertrage (d) geben, wirken 


fowohl auf die gefammte Production, ald auf den Zuftanb ber 
31* 


— 44 — 


Landwirthe ſehr unguͤnſtig und laſſen, bei ber fortwährenben 
Duͤrftigkeit der Pachter, ſehr ſchwer eine Umaͤnderung zu. 


(e) 


(0) 


(0) 


(4) 


Solde Fadıtun en find in England und Belgien am häufigfien. In 
diefem Lande iR die Zahl der Landwirthe, die ganz oder doch über 
die Hälfte des bewirthichafteten Gutes eigenthihnlid beiten, in 
Zuremburg 71,3 Proc. (max), Namur 53, Limburg 48 Pror., — in 
Oſtflandern 23,3 in Weltflandern nur 17 Proc., hier find alfo 83 Proc. 
Pachter. — In Großbritanien find viele Heine Grundbeigenthümer 
(yeomen) in den Pachterſtand übergetreten, um aus dem Grlöfe ihrer 
Zändereien ein größeres DBetriebscapital zu bilden. 


Sehr große Pachtungen fönnen den Unternehmern eine Art von Mos 
nopol im Berfaufe der Brzeugnifle und im Miethen von Lohnarbeitern 
geben, wobei der @ewerbsgewinn auf Koften des Gemeinwohles acht 
wird; diefe Lage der Dinge wird ſich aber nur bei fehlerhaften Geſetzen 
oder dem Mangel an Mitwerben von begüterten Bachtluftigen erhalten, 
und fie wäre durch Zeriheilung der übergroßen Güter zu beieitigen. 
eifpiele bei Simonde, Nouv. prine. I, 22 Die Statt Ronciglione 
im Kirchenftaate ift von einem Pachter abhängig, deflen Ländereien bie 
Stadt ganz umgeben. — Wenn nah de Basparin der Pachter auf 
Gütern von 100. Hekt. 10 Proc. feines Gapitales gewinnt, bei 50—100 9. 
nur 8 Proc. bei 2550 9. 6, bei 1—10 9. fogar nur 3 Proc., fo 
muß dieß theild aus.den im 369 angeführten Umſtaͤnden, theils 
daraus erflärt werden, daß bei Heinen Pachtgütern die Goncurrenz 
größer und die Pachtrente Höher iR, $. 373. 


So die irländifhen Bauern, vgl. F. 368 (0). Erumpe, Ueber bie 
beften Mittel dem Volke Arbeit und Verdienſt zu verfchaffen, S. 304. — 
Graf Soden, VI, 45. — Edinb. Ber. Jan. 1815, ebd. Ar. 159 
©. 249 (1844). — Jones, Distrib, of wealth, ©. 143 (führt den 
Geldpachtszins folcher bäuerlichen Landwirthe unter dem Namen Cottier- 
Bent. auf.) — Inglis, Journey throughout Ireland, 1835. — Bibl. 
univ. 1836. V, 52. — de Beaümont, L’Irlande sociale, polit. et 
relig. 1839. — Bom NAderb. und von dem Zuftande der den Ackerb. treis 
benden Glaflen in Irl. und Großbr., I, 69. (1840.) — Glement, 
Reifen in Irl. 1845 S. 384 — Foreign Quart. Rev. Ar. 73 ©. 105. — 
Angef. Occupation of land in Ireland. Befonders fehlerhaft war früher 
in Irland, daß die Pachter größerer Büter diefelben unter mehrere 
Afterpachter vertHeilten, welche biefelben oft abermals ſtückweiſe um 
faum erſchwingliche Preife verpachteten, fowie auch dafelb beim Tode 
eines Pachters die Pachtung unter defien Erben zerftüdelt wurde, IL, 
6. 96 (d). Viele dürftige eldarbeiter pachten ein Stüd ſchon zuges 
richtetes Land (conacre-system), den gedüngten Acre ungefähr zu 6 bie 
10 2. St., ungebüngt zu 3- 5 2. St. — In Portugal, befonders in 
Alemtefo, gehört nur ein Eleiner Theil der Ländereien denen, bie fle 
anbauen. Ceeci fait, que les terres sont exträmement nögligöes, parcoque 
les maitres des possessions, dès qu’ils les voient ame&liordes, ou les re- 
prennent pour eux, ou bien les donnent & un autre fermier, qui leur 
offre un bail plus avantageux. Balbi, Essai statist. I, 164. 


Unter biefe Verpachtungen gehört die im füblichen Curopa fehr vers 
breitete und fogar bis auf die canarifchen Inſeln fich erfiredende Halb: 
pacht (metayage, meszeria), eine Folge der Dürftigfeit der Landleute, 
benen es an Mitteln gebrah, um die Haftung für eine fee Summe 
u übernehmen, wie fie dem gewöhnlichen Zeitpachter obliegt. Der 
achter, Meier (medietarius, mötayer, colono alla metä) muß bem 


— 485 — 


Eigenthümer in der Megel die Hälfte des Nohertrages abgeben, wobei 
er fih nur kuͤmmerlich ernährt und nichts erübrigen fann. Das erfors 
berliche Betriebscapital muß der Gutoherr dazu geben. Ueberall findet 
man die meiften Halbpachter dürftig, unwiffend und bei jeder fchlechten 
Ernte dem Berarmen nahe. , Berbefferungen im Betriebe können bei 
diefer Sinrichtung faum vorkommen, denn fein Theil entfchließt fi — 
ſchon um dem anderen keinen unverdienten Gewinn zu bereiten. Dieſe 
Theilpachtungen, die fi nur durch die Einfachheit und die leichtere 
Sicherſtellung des Verpachters empfehlen und bei dem Rebbau auch in 
Deutfihland hie und da vorfamen, waren im römifchen Meiche fehr 
häufig und erhielten fi bie auf unfere Zeit, obgleich felbf das Inter: 
efie der Butsherren eine andere Cinrichtung rathſam machte. Der 
Halbpachter kann nur fchwer zum Zeitpachter werden und fih aud 
duch Auffündigung nicht helfen, „denn e6 melden ſich bei der beflehens 
den Uebervoͤlkerung flatt feiner zehn andere, bie fi vielleicht noch 
härtere Bedingnifle gefallen laſſen — und er ift nun arbeite und ver 
bdienſtlos und muß fehen, fich ale —R durchzubringen“ (Burs 
er). Die venezianiſchen Bauern find zufolge dieſes Bachtverhältnifies 
o arm, daß fie feine Kaution ftellen können. Unter 1000 Bauern if 
faum einer, der ganz auf eigenem Lande wirtbfchaftet. (v. Martens, 
Reife nach Benedig, IL, 98. Webnlih Bronn, Reifen, II, 332, über 
die Landwirtbfhaft um Piſa.) In der Provinz Brescia giebt ber 
Bauer nur de der Fruͤchte ab und if Bigenthümee des Viehes, ficht 
alfo viel befier als in den anderen Gegenden. Doch bemerkt man 
ſowohl in Oberitalien (Sactni), ale in Frankreich (de Lavergne), 
eh die Zeiwacht mit feftem Ge vmactgine fih gegen bie Halbpacht aus⸗ 
dehnt. In Frankreich fängt die Halbpacht im Süden ber Loire an. 
Nah Duesna 2 jollte ($. 38) von dem angebauten Lande (36 Mill. 
Arpens — 18 Mill. Heftaren) */s in großen Bütern mit Pferden, 
meiſtens in Zeitpacht, liegen, dagegen 5/s in Kleinen @ütern (petite 
culture) mit Ochien in Halbpacht. t fol die leßtere etwas weniger 
Ausbreitung haben, vergl. $. 376 (a) und II, $. 80 (ec). — Im frans 
oͤſiſchen Dep. ObersBienne klagt man mie überall über die Nachlaͤſſig⸗ 
eit und den fchlechten Anbau dieſer Halbpachter, die gewöhnlih 13 bie 
21 Heft. bewirthichaften und gang vermögenslos find. Bev. encycoL 
Ri 1829. S. 592. Im Dep. Wube iſt das Urtheil der amtlichen 
Statiftik dieſes: Si le mötayer ne depend plus d’un seigneur, il n’est 
pas moins l’esclave de sa position missrable.. Sans argent, sans crödit, 
il ne peut sortir du cercle oà l’onferment les besoins. Faute de ca- 
pital et de fonds de roulement, il ne peut entreprendre d’amöliorations 
foncidres; son bail tient toujours suspendue sur sa töte l'épbo de Da- 
moeles. Agrie. franc. Dep. de l’Aude, 1847, &. 80. Günftiger urtheilt 
über die franzöf. Halbpacht Bastiat in Journ. des Eocon. XIIL, 225. 
Die Abgabe h' bisweilen nur !/3 oder gar Ye. — Burger, Weile d. . 
Oberitalien, II, 195. 205 ff. — Ad. Smith, IL, 180. — Simonde 
de Sismondi, Nour. pr. I, 187. — Jones, ©. 73—108. — 
A. de Gasparin, Möm. sur le mötayage, 1832. — Cours d’agric. 
V. 317. — de Lavergne in Revue des deux mondes, Nouv. Per. 
I, 236. — Jacini, La proprietä fondiaria e le popolasioni agricole 
in Lombardia, 1854. Deutih: Der Grundbeſitß sc. Mailand 1857. 


$. 378. 


3) Das in vielen europäifchen Ländern vorkommende bäuers 
liche Berhältniß, wobei die Randwirthe nur ein befchränftes 


--— 486 — 


Eigenthumsrecht oder ein erbliches Nutznießungsrecht auf ihre 
Güter haben, zeigt ſehr manchfaltige Abftufungen, die in volks⸗ 
wirthfchaftlicher Hinftcht defto günfliger find, je mehr fie den 
Bauer dem Zuftande bed Cigenthümerd nahe bringen (a). 
Hat derfelbe nur einfache Abgaben an einen Berechtigten zu 
entrichten, die ihm noch einen Theil der Grunbrente übrig laflen 
und ihn fonft nicht befchränfen, fo ift feine Lage ungefähr mit 
ber eines verfchuldeten Eigenthümerd zu vergleihen. Biel nach⸗ 
theiliger ift ed, wenn bie bäuerlichen Laften durch ihre Größe, 
burh bie Art ihrer Bemeffung ober durch bie Zeit ihres Ein⸗ 
tretend bem Randwirthe die Mittel zum guten Betriebe entziehen, 
feine Neigung zu bemfelben ſchwaͤchen, weil er nicht ficher ift, 
bag ihm die Brüchte ber Verbefierungen in belohnendem Maaße 
zufallen (5), — ober wenn fie ihn aud, in ber Anwendung 
ſeiner Zeit beengen, 3. B. Frohndienſte (ce). Wenn ſchon ein 
folched Verhältniß ben Eifer des Landwirths beträchtlich laͤhmt, 
fo muß biefe Wirkung in noch höherem Grade ba eintreten, 
wo berjelbe gar Fein erbliches Recht hat, und nicht einmal, 
wie ein Pachter vermöge des Contracts, auf beftimmte Zeit 
bed Befitzes ficher fein kann. 
(a) Nähere Betrachtung diefer Verhältniffe im II. Bande, 9. 46 ff. 
(d) Diefes bäuerliche Verhaͤltniß entftand in früheren Entwidlungsperioden 
der Volkswirthſchaft fehr oft als ein Mittel, ohne eigene Bewirthichaf: 
tung eine Grundrente zu beaichen, ehe es noch Zeitpachtungen gab 
($. 207), bisweilen jedoch als Erpreſſung des Mächtigen, wie 3. B. 
die Beludfhen am Indus den Gingekornen bie Abgabe bes halben 
Ertrags auflegen, v. Orlichs, Reiſe, 1845. Die Gleichheit der 
Umflände rief in vielen Ländern gleiche Cinrichtungen hervor, daher 
erſtrecken fich diefe bäuerlichen Laſten durch ganz Buropa bis nah Oſt⸗ 
indien, wo die Ryots dem Fürſten als Gutsherrn einen Theil des 
Bobenertrages abgeben, ungefähr !/s oder te. Die Lage biefer Ryots 
Bauern) iſt durch das Gindrängen der Zemindars, die aus bloßen 


innehmern der Mente zu einer Art von Gutsherren wurden, fehr vers 
ſchlechtert worten. 


(6) Die Anfegung von Frohnbauern war in früherer Beit nothwendig, um 
fih neben dem Gefinde die erforderlichen Hülfsarbeiter bei dem Mangel 
‚an Taglöhnern zu fihern, Schon die Ungelſachſen hatten zweierlei 
obnleute, die Geburen (2 Frohntage wöcentlih) und die Kot: 
etlan, Kotbfaflen, welche Geräthe und Vieh eigen hatten und nur 
einen Tag wöchentlich ftohnten, Rectitudines singular. person. Herausg. 

v. 2eo, . 


— 487 — 


Zweites Haupftſtuͤck. 
Einzelne Zweige der Lanudwirthſchaft. 


$. 379. 


Der Bau der Bartenfräuter und Reben befchäftiget 
bie größte Menge Arbeiter auf gleicher Flaͤche (a) und bringt 
den größten Reinertrag (5) zu Wege, weldyer theild aus der 
Benusung vorzüglid, fruchtbarer oder für den Anbau und Abfaß 
fehr günftig gelegener Grunbftüde (ec), theils aus der forgfältigen 
und Ffunftmäßigen Bewirthichaftung bderfelben, theils endlich 
aus ber Hülfe eines beträchtlichen Bapitaled hervorgeht. Das 
legtere wird größtentheild zum Unterhalte der Arbeiter verwendet, 
doch muß bei dem Reblande auch eine nicht unerhebliche 
Summe auf Grundverbefferungen, 3. B. tiefed Umgraben (An 
rotten), Zerrafliren, Errihtung von Stügmauern ıc. angelegt 
werden, wozu ald ftehendes Kapital die Keltern, Keller und 
Fäſſer fommen (d). Die von dem Rohertrage zu vergütenden 
Koften find weit beträcdhtlicher, als ber übrigbleibende Rein- 
ertrag, nur kann dad Berhältniß beider Größen nicht allgemein 
in Zahlen ausgedrüdt werden (e). Eine große Ausdehnung 
des Gartenbaues wird vorzüglich neben ber Bodenbefchaffenheit 
(8. 218) durch die Nähe volkreicher Städte begünftigt (5), doch 
fann fich jene bei vorzüglicher Geſchicklichkeit der Gärtner auch 
in einiger Entfernung vom Markte erhalten (9). Der Rebbau 
hängt norbwärtd von den Alpen fehr von ben Flimatifchen Ber 
dingungen ab, und wo biefe nicht günftig find, da fann er im 
Mitwerben mit anderen Gegenden nicht beſtehen. 


(a) Gegen 5 preuß. Morgen Rebland würden eine Familie binreichend bes 
fhäftigen, inteß befigen in ven Rebgegenden viele Yamilien von Tags 
loͤhnern nnd ganz Fleinen Grundeigenthümern nur 1—2 Viertelmorgen. — 
In der Provinz Rheinhefien, früher mit 8300, jebt 9400 Menfchen 
auf der D.-Meile, find 78 Proc. der Oberfläche Ader, 6%s Proc. Mebs 
land. In dem Gemüſeort Sonfenheim bei Mainz waren 1843 amf 
den Kopf der Einw. nur 1,9 Hefi. M. Ader, Wieſe, Garten und Reb⸗ 
fand, in dem Rebort Nierftein bei Oppenheim (mit 1/s der Fläche Reb⸗ 
land) 1,8 M. auf den Kopf. Heffe, Rheinheſſen, S. 32. — Der 
weinreichfte Theil von Würtemberg (Nedarfreis) hatte 1852 8280, bie 
Gerichtsbezirke Frankenthal und Landau im baierifhen Nheinfreife, in 
denen bie Deinbergt ter Hartt liegen, hatten ſchon früher 7090 Men- 
fchen auf der D.:Meile (nach den Sahlen bei Rudhart, Beil. S. 11. 
23); würde man aber von diefen Bezirken die darin begriffene Getreide⸗ 
gegend abrechnen, fo würde fich die Bevölkerung des eigentlichen Wein⸗ 
landes noch wet beträchtlicher zeigen. — An der badiſchen Bergſtraße 


(2) 


(e) 


(4) 


(6) 


— 488 — 


von Wiesloch bis Laudenbah auf 2, D.:Meilen Flähe und 5 Meilen 
Länge wohnten im Jahre 1861 27000 Menfchen, ohne die 21500 Gin 
wohner der Städte Heidelberg und Weinheim, in 16 Dörfern und 
1 Landfladt, mit flarfem Rebbau. Unter jenen Dörfern bat Handſchuchs⸗ 
heim 2150 Einwohner, mit 1400 Morgen Ader, 304 M. Neben und 
105 M. Wiefe, zufammen im D. 0,4 Morgen auf den Kopf. 


Dieß beweift fhon der hohe Preis des Gartenlandes. Der Morgen 
Rebland wird in guten Lagen mit mehreren tauiend Gulden, im Rhein⸗ 
gau, namentlich in Ruͤdesheim noch jept bis zu 5 -6000 fl. (Brons 
ner, Weinb. in Südbeutfchl., ILL, 139), im Waadtlande zu 2300 bis 
4600 fl. (6—12000 Schw. Fr. die Poſe) bezahlt. Hieraus widerlegt 
fi) von felbft die Behauptung, daß der Nebbau gar feinen Reinertrag 
ebe. Vgl. Eorrefponvenzbl. des würt. landw. V. 1822, L, 409. 418. 
ei den Berechnungen, die das Gegentheil beweifen follen, iſt entweber 
die Befchaffenheit der Grundftüde für den Rebbau nicht paflend, oder 
man muß Ylmgen Meinbergsbefiger, die Alles mit gedungenen Arbei⸗ 
tem auszurichten gezwungen find, von den felbftarbeitenden unterfcheis 
den. So erklärt fih 3.2., daß nah v. Gock (Eorrefvondenzbl. 1834. 
S. 57. 165) an ber würt. Alp und am obern Nedar bei einem mitts 
leven Rohertrage von 72 fl. die Koften auf 74 fl. angefchlagen werben, 
was 2 fl. Schaden anzeigen würde. — Die Berechnung für ein Reb⸗ 
ut bei Heſſe, Rheinhefien, ©. 58, nimmt an, daß die Hälfte der 

einberge vollfommen tragbar fei, die andere aus älteren und neus 
angelegten Stüden beſtehe. Der Reinertrag von 15 heſſ. Morgen if 
420 fl., womit der Anfchlag des Gutes auf 12330 fl. übereinftimmt 
(zu 31/5 Proc. verzinslih). Der Morgen guter Mebberge ift hier zu 
800 fl. genommen. — In der Thalflähe um Bogen, bem „Bogener 
Boden,” wird der Graber (160 Klafter = 0,8 pr. M.) Rebland (in 
welchem zugleih andere Pflanzen gebaut werben, 6. 380 (0)), mit 
800—1000 fl. Bogener Währung bezahlt (zu 5T'!/afr. im 24/5 fi.⸗Fuß), 
alfo der preuß. M. 3555—4444 r — En Sachſenhauſen bei. Frank: 
furt a. M. gilt der Morgen (0,8 pr. M.) Gemüfeland 3—4000f. — 
Bor den Thoren von Hamburg werben öfters 100 Q.⸗-Fuß Bartenland 
um 1 Mark (43 Er.) verpacdhtet, welches gegen 180 fl. für den pr. M. 
beträgt und einen Kaufpreis von 4500 fl. anzeigt. Das beſte Bartens 
land bei Bamberg wird mit 3—4000fl. für den Morgen (= 1,Fp.M.) 
bezahlt, und 4—6 Metzen Land (11/;—2 M.) bilden fhon eine voll 
fommene Gaͤrtnerwirthſchaft; die Bamberger Gärtnerei hat gegen 
700 Meifter und eben fo viel Gefellen, v. Rei der, Bamberge Gartens 
bau, Leipz. 1821, S 126. 128. 


Das Gartenland muß einen nicht: zu feſten Boden haben, in der Nähe 
der Ortſchaften liegen und leicht zu begießen fein, weßhalb die Lage 
an einem Bache beſonders gefchäßt wird. 


In Steiermark rechnet man den Gapitalaufwand für bie erfle Anlage 
und den Bau in den vier erften Jahren mit Sinfen auf 408 fl. des 
20 fl.:%. für das Joh, Kelter und Keller auf 175 fl. Hlubek, 
Landw. v. St. ©. 100—104. 


Nah Chaptal (Ind. franc. I, 177. 191. 218.) bringt 1 Hektar 
Rebland . . . ob 363 $r., rein 100 Fr. 
Gemüfegattn . . - 600 = = 1W * 

Obfigarten . . . = 60 = = 40 s 

Wenn die Zahlen richtig find, fo muß in Frankreich der Rebbau ver: 

A nibmäßig geringeren Reinertrag (27%/s Proc.) abwerfen, ale in 

eutfhland, Cavoleau (Oenologie frang. 1827) feßt den Rohertrag 


— 489 — 


des Hektars auf 310 Fr., in den einzelnen Dep. foll derfelbe zwiſchen 
710 Fr. (Donne) und 125 Fr. (Eharente) fallen. Nah anderen Aus: 
mittlungen (de Förussac, Bull. des sc. agricoles XVI, 55) märe 
der Rohertrag eines Hektar 21,67 Hektoliter zu 15,1 Fr., alfo in Geld 
338 Fr. Pranfreich hatte 1834 2'134 822 Heft. Rebland, welche gegen 
45 Mill. Heftol. Wein erzeugen. Hievon werden 6 Mill. zum Brannts 
weinbrennen verbrauht, 1360000 ausgeführt, 36% Mill. im Lande 
etrunfen, was 1 Hektol (1,% pr. Eim.) auf den Kopf madht. Die 
igenthümer und Weingärtner mit ihren Familien betragen 21/, Mill. 
Köpfe. Schnitzler, Creation, I, 62. Im Dep. Gironde ift !/s des 
Bodens Rebland, NRohertrag 562 $r., reiner 346 oder 58 Proc. (2) Fuͤr 
Mürtemberg berehnet Späth (in Memminger’s Würt. Jahrb. 
3. u. 4. Jahrg. ©. 291) die jährlichen Koften vom dortigen Morgen 
(1,8 preuß.) auf 72 fl.; Andere (Eorrefpondenzbl. a. a. DO.) auf 86, 
auf 54 fl. 10fr. v. Gock a. a. D., am Bodenſee auf 85/f1. Sehen 
wir fie auf 60 fl. und den Robertrag auf 100 fl. (gegen 4 Eimer), fo 
ergiebt fih, daß der Reinertrag 40 Proc. des rohen ausmadht. Aehn⸗ 
liche Berhältniffe gelten für den Rebbau am Haardtgebirge. 
(f) 3. B. die Bärtnerei von Erfurt, Bamberg, Sachfenhaufen bei Franf: 
furt, der Umgebung von Hamburg. 
() 3. 3. Goͤnningen im würtemberg. Dberamte Tübingen, mit Samens 
handel bis in weite Kerne, Bolweiler im Dep. Oberrhein (berübmte 
gierpflangen : Gärtnerei von Baumann), — Zeiskam in ber baier. 
Pheinpfalz zwiichen Landau und Germersheim, defien Bewohner bie 
Märkte von Mannheim, Heidelberg, Bruchſal, Speier sc. befuchen und 
von wo aus auch ausgedehnter Samenhandel durch Wanderungen im 
Srühjahr betrieben wird. — 


$. 380. 


Der Rebbau giebt auch in ben wärmften Gegenden von 
Deutfchland nicht alljährlich einen in Güte und Menge beloh- 
nenden Ertrag, während er fortwährend anfehnliche Koften für 
Arbeit, Düngung, Holzwerf ıc. erfordert. In den zahlreichen 
minder guten Lagen ift die Gefahr bes Mißrathens noch größer. 
Derjenige Reinertrag, nach welchem fi) der Preis des Reb⸗ 
landes richtet, ftellt fih nur im Durchſchnitt einer ganzen Reihe 
von Jahren her (a). Wenn mehrere ungünftige Jahre aufein- 
ander folgen, in denen biöweilen nicht einmal die Koften wieder: 
gewonnen werden, fo gerathen deßhalb die wenig begüterten 
Eigenthümer von Weingärten in Schulden. In reichen Jahren 
wird biöweilen durd) dad große Angebot der Preis bes 
Weines ſehr erniebriget, befonberd weil viele Rebbefiger aus 
Mangel an Fäffern und Kellern ihr Erzeugniß ſchnell verfaufen 
müflen, fo daß nur bie Auffäufer (Weinhänbler) nebft den 
wohlhabenderen Weinbauern bei der fpäteren ‘Preiserhöhung 
Gewinn ziehen (db). Daher befinden fi bie meiften FEleinen 
felbftarbeitenden Rebbeſitzer in bürftiger Lage. Solche Wein⸗ 


490 — 


gärtner, die zugleich Ackerbau treiben, find leichter im Stande, 
Mißjahre zu ertragen (c); auch die zahlreichen Tagloͤhner ſtehen 
fi) gut, weil ber Arbeitslohn in den Weingegenden ziemlich 
hoch zu fein pflegt (d). 


(a) 


(8) 


(e) 


Beifpiele: 1) Im Elfaß waren im 18. Jahrh. 13 gute, 43 mittlere, 
38 kleine, 6 Fehlherbſte, im 19. Jahrh. bis 1827 5 gute, 11 mittlere, 
11 ſehr Heine; Stolz, Notizen über den Rebbau und die Weine bes 
Elſaſſes, Straßb. 1828, ©. 44. 85. 2) An der Mofel hatte man in 
den 50 Jahren von 1773—1822 nur'10 gute Herbfte, von denen 6 reich 
zu nennen waren, 13 mittlere, 27 fhlehte. 3) In Rheinheſſen zählte 
man von 1792—1833 (42 Jahre) 3 vollfommene, d. h. überaus reiche 
Herbſte. Dieb iſt das Marimum, welches eigentlich nicht zum Maaß⸗ 
ftabe gebraucht werden follte. In 14 Jahren war ber Ertrag wenigfiens 
nit unter %/s (gute J.), in 15 I. 1/s—!/s (mittlere), in 11 Jahren 
Ya! (ſchlechte). Pabſt, Zeitfchr. fuͤr die landw. Vereine des Gr. 
Heflen. 1834, Rr. 6. 4) In Würtemberg waren von 1800-21 7 gute, 
7 mittlere, 7 Fehljahre. — Dieb Berhältniß, daß unter 3 Jahren ein 
utes, ein mittleres und ein fchlechtes fei, ift überhaupt in Deutichland 
tfabrungsregel, nur trifft es ſich oft, daß erft längere Jahresreihen die 
Ausgleihung herftellen, wie 3. B. in den 12 Sahren 1813— 1824 
8 ſchlechte Jahre (1813. 14. 16. 17. 20. 21. 23. 24.) eingetreten find. 
88 leidet feinen Zweifel, daß ungeachtet biefer Kehljahre doch der Wein⸗ 
bau jenen anfehnlihen Neinertrag giebt, weil ber Getrag der guten 
Herbfte ten Verluſt reichlich erſetzt doch iſt die große Ungleichheit von 
Jahr zu Jahr hoöͤchſt laͤſtig, weil fie oft das aufgewendete Capital erſt 
nady einigen Jahren vergütet. Diefer Umftand ſchraͤnkt von felbft ben 
Mebbau auf diejenigen Gegenden ein, wo er wegen einer waͤrmeren, 
geſchützteren Lage der Grundftüde mit ber geringften Gefahr verbunden 
if. Gr ift deshalb bieffeits der Alpen, mit Ausnahme vorzüglicher 
MWeinlagen, auf gutem, ebenem Aderboden nicht vortheilhaft, weil diefer 
minder guten Wein liefert und von dem Froſte mehr leidet, als mit- 
tägliche Abhänge, die ohnehin zum Nderbau weniger geeignet find. 
Man findet auch in den Weingärten der Ebene einen viel haͤufigeren 
Wechſel, indem bei höheren Bruchtpreifen foldhes Weinland ausgeſtockt, 
bei niedrigeren neues angelegt wird. 


Malther in Schlözer's Staatsanzeigen, XV, 264. In dem reichen 
Jahre 1783 fehlte e8 an Gefäßen, ebenſo 1811 und 1818. — In ber 
Kolles (Gegend bei Peltau im unteren Steiermark) bat man ein 
eigenes flavifhes Wort für den Gläubiger von Weinbauern, der auf 
ben Moft Geld und Fäfler gelichen hat: namoschtnik (Anmöfter). Es 
find dort kleine Bauern und viele Häusler mit etwas Weinland, träge 
und nie aus den Schulden fommend. Berhandl. u. Auffäbe, herausg. 
v. d. Landw. Gef. in Steierm., 1828, I, 117. 


In Süpdtirol und Italien werden zwifchen den Rebzeilen andere &e- 
wächle gebaut, vorzüglid Mais, auch Obfibäume Rechen häufig hier, 
daher ift ein doppelter Bodenertrag vorhanden, aber ohnehin bat man 
in biefen wärmeren Gegenden das Fehlichlagen ber Weinlefe wenig zu 
fürdhten, ausgenommen in Folge der neueren Traubenkranfheit. Im 
Stalien ift e8 der Delbaum, deſſen unflcherer Ertrag auf ten Ber 
mögenszuftand der Landleute ungünftig wirft, Simonde, Tableau db 
Vagric. Toscane ©. 126. 


(d) Häder, Wein Yen! in — — In Steiermark wird die ganze 


Arbeit auf dem Joh, mit Einſchluß der Lefe und des Kelterne, zu 


— 41 — 


120 Tagen jährlich angefchlagen, Hlubek, ©. 101. Gin Theil der 
Verrihtungen wird in den Weingegenden häufig in Verding gegeben. . 


$. 381. 


Der Anbau ber übrigen Obſtgewächſe außer ber Rebe 
ift im Klima des mittleren und nördlichen Europa nur eine 
Nebenbeichäftigung der Landleute, indem dieſe ‘Pflanzen Feine 
fo häufige Pflege erfordern, um Arbeiter fortwährend befchäf- 
tigen zu fönnen; auch ift wenig Boden denjelben ausſchließlich 
gewidmet (a). Gleichwohl hat der gute Betrieb dieſes Zweiges 
der Landwirthfchaft auf den Wohlftand der Landleute den güns 
ftigften Einfluß, da er fie theild mit einem fchäßbaren Nah⸗ 
rungsmittel verforgt, theild einen anfehnlicdyen Erlös bewirkt, 
und feinen guten Boben, auch faft gar feinen Gapitalaufwand 
erfordert, weil bie nöthigen Geſchaͤfte füglich in Nebenſtunden 
verrichtet werden fönnen. Nur auf großen Gütern findet fidh 
hiezu feine Gelegenheit, auf mittleren und Fleinen Gütern aber 
befto beffere, jedoch wird fie nur von dem Landwirthe, ber für 
fih und feine Erben bed Grunbbefiged ficher fein kann und 
Herr feiner Zeit ifl, gehörig benutzt (D). 

(«) Eine Ausnahme bilden die Baumfchulen und Kaftaniengärten (Biöge , 
zu welchen letzteren man ſteile, ſonſt nur als Wald zu benutzende Ab» 
hänge anwendet. Reinertrag derſelben in Frankreich 20 Fr. vom Hektar 
(Ehaptal, I, 220); bei Heidelberg iſt der Mittelpreis des bad. Morg. 
Kaftanienflöß in 3 Claſſen auf 400 — 160 — 48 fl. zu fegen, im bad. 
Mittelrheinkreis auf 118 fl. — Das Baumfeld giebt zwar an Feld⸗ 
früchten eine bedeutend geringere Ernte, aber das Obſt ıft bei leichtem 
Abfage ein reichlicher Erſatz. Tiroler Obft wird bis Münden geführt, 
Kirihen aus den Dörfern bei Heidelberg gehen an den Niederrhein und 


bis London. — Junge Obflbäume aus der Bamberger Gegend mwurben 
font von wandernden Verkäufern bis Rußland und Norwegen gebracht. 
Da die Kenntnifle des Landmanns und die Zerftüdelung des Grundeigen: 
thums den Obftbau ebenfalle bedingen, fo ift die Behauptung Cor⸗ 
dier's, bie zahlreihen Baumpflanzungen feien ein Kennzeichen einer 
guten Staatsverwaltung, zu allgemein; Agric. de la Fl. fr. ©. 383. 


(B 


ui 


6. 382. 

Bei dem Aderbaue find verfchiebene Benugungsarten 
(Bruchtfolgen, Feldeintheilungen) zu unterfcheiden, 
die fowohl in Anfehung der Menge von Capital und Arbeit, 
die fie befchäftigen, ald in Hinficht auf bie Größe des rohen und 
reinen Grtraged fehr von einander abweichen (a). Sie ent- 


— 482 — 


ſprechen verſchiedenen Entwickelungsſtufen und zeigen ein ver⸗ 
ſchiedenes Verhaͤltniß der Kunſt zur Thätigfeit der Naturkraͤfte. 
Die Vortheilhaftigkeit einer jeden ſolchen Feldeintheilung wird 
von den Preiſen der Erzeugniffe und ber Abſatzgelegenheit, von 
ber Bodengüte und dem Klima, von der Größe bed Gapitals, 
der Zahl der verwendbaren Arbeiter und bergl. bedingt. In 
dem frühften Zuftande der Volkswirthfchaft, bei ſchwacher Bes 
völferung und geringem Capital, blieb viel Land zur Weide 
liegen, man nahm nur foviel ald Ader in Anbau, als zur 
Ernährung der Menfchen nöthig war, und verließ benfelben 
nad) einigen Jahren wieder, um ein andere® öde Stüd ums 
zubrechen, 8. 362. Diefe allerfhwächfte (ertenfivefte) Wirth» 
fhaftöweife erfordert großen Raum, um nur eine Haushaltung 
zu ernähren (d). Als man fi nachher genöthigt fah, ben 
Wechſel aufzugeben und die beften Stüde fortwährend als 
Ader zu benugen, ließ man doch einen Theil des Aders 
felde8 regelmäßig nach mehrjährigem Getreidebau brach liegen, 
weil man ihm dabei mit Muße befier lodern und reinigen 
Eonnte und an Dünger fparte, und weil bie Brachfelber auch 
zur Weide bienten (c). In fpäterer Zeit war biefe fehr ertens 
five Bodenbenugung (8.370a.) nicht mehr genügend, man mußte 
einen Theil der Weiden unter den Pflug nehmen und anfangen, 
auch das Bradyland zu beftellen, um fowohl verfchiedene andere 
Gewaͤchſe neben ben Halmfrüchten zu gewinnen, als aud 
den Futtervorrath zu verftärfen (d). Wo man eine hinreichende 
Menge von gutem, zum Mähen tauglichem Sraslande (Wiefen) 
neben dem Acker hat, da ift der Uebergang von dem Weibes 
gange zur Stallfütterung ausführbar, bie aber ſchon beträchtlich 
mehr Capital in Anfpruh nimmt. Wo die Feuchtigkeit des 
Bodens und Klima's den Graswuchs vorzüglid) begünftigt, 
da findet man Beranlaffung, die Aeder nad) einigen Ernten 
als Grasland liegen zu laſſen und gleichzeitig ältere Grasfchläge 
in regelmäßiger Reihenfolge wieder umzubrechen (e). Die ſchwung⸗ 
baftefte Bewirthfchaftung befteht darin, daß man von dem 
Aderlande nur die Hälfte oder einen noch kleineren Theil 
den Halmfrühten, ben Reſt aber Gewächfen für anderen Ges 
brauh, namentlid) den Yutterpflanzen widmet, wobei dann 
ba8 dauernde Grasland ganz entbehrlich wird. Diefe Einrich- 


— 493 — 


tung erfordert mehr Kunft und Capital als die vorhin erwähnten, 
und ift-nur bei einer hohen Entwidelung der Volkswirthſchaft 
anwendbar (f). Ob in einer Gegend der Getreibebau, oder 
ein Zweig ber Viehzucht, oder die Gewinnung von Handels⸗ 
gewaͤchſen einträglicher fei, dieß hängt von den oben bezeichneten 
Umftänden ab. In der Regel muß eine wohlgeorbnete Land⸗ 
wirthſchaft ihren Dünger felbft erzeugen (g), aber bei reichlichem 
Capital ‚und guter Gelegenheit kann es vortheilhaft werben, 
noch von außen Dünger anzufaufen (n). 


(e) 


(2) 


(0) 


Außer den landwirthichaftlihen Schriften über diefen Gegenfland (vor: 
züglih von Schwerz, Anleitung zum praft. Aderbau, Ir Bd., — 
Goöriz, Betriebelehre, IL, 76 f., — de Gasparin, Cours d’agric., 
5r Bd.) ift die Darftellung der Feldſyſteme in gefchichtliher Methode 
von Rofher (Archiv, N. F. III.) zu vergleichen. 

Dieß von den franzöflihen Schriftfiellern fogenannte celtifche Syftem 
(de Gasparin, V, 185) ift vielmehr altgermaniih, Tac. Germ. 26: 
Arva per annos mutant et superest ager; nec enim cum ubertate et 
amplitudine soli labore contendunt, ut pomaris conserant et prata se- 
parent et hortos rigent; sola terrao .seges imperatur, eine gute Bezeich- 
nung der ertenfiveften Benukung. Gin Reit hat fih in mehreren deut: 
[hen Sebirgsgegenden erhalten. Der wilde Berg im Schwarzwald 
überzieht fih nach 1 oder 2 Baujahren mit Pfriemen (Spartium scopa- 
rium), Farnkraut und Geſträuch und wird act oder mehr Jahre bewei- 
det, dann wirb bei dem neuen Anbau Maſen und Geftraͤuch auf der 
Stelle verbrannt. Wine Berbeflerung iſt es, auf dieſem vernach⸗ 
läffigten Berglande einen Niederwald anzulegen (Reutbufch), der 
ebenfalls periobifh nad dem Verbrennen des Reifige ein oder zwei 
Jahre zum NAder gemacht wird. Im Obdenwalde und im ehmaligen 
Siegener Land find dieſe Hackwälder oder Hauberge Fichenſchaäl⸗ 
waldungen, von denen bei 15—16jährigem Umtriebe gute Lohrinde ge: 
wonnen wird. Das Berbrennen bes Holzes ale Borbereitung zum 
Aderbau ift uralt, f. $. 362 (a). Niemann, Dänifche Forfäatikit 
©. 130. Amtl. Bericht über die 21. Berf. der Landw. S. 164. — Ein 
Beifpiel ter allerſchwaͤchſten Bodenbenugung giebt die Verwendung des 
fhlechten Heidebodens zum Rafenfhälen, um die Stüde des Raſens 
(Blaggen) ale Gtreumittel zur Bermehrung des Düngers zu ges 
brauchen, im nordweßlichen Deutfchland und im füdweftlihen Frankreich, 
wo bdiefer Plaggenhieb Etröpage heißt, de Gasparin, V, 214. Der 
Heiderafen erfegt fi in ungefähr 12 Jahren. Der falenberg. Morgen 
giebt gegen 60 Fuder (2000 Eubilf. oder 1400 @tr.), die für 12 Kühe 
mit Weidegang Hinteihen. Meyer, Gemeinheitstheilung, Ill, 61. 
In der franzöl. eibegegend braucht man zu 10 Heft. Ader und 3 Heft. 
Wiefe 12 Hekt. Odes Land zur Weide und zum PBlaggenhauen. 
Belders oder Körnerwirtbfhaft mit Brache (römifches Syſtem, 
de Gasparin), gewöhnlich im dritten Jahre (Dreifelderwirths 
ſchaft), obfhon auch eine Brache in jedem zweiten Jahre vortam und 
noch jept in Frankreich hie und da fowie häufig in Schweden befteht, 
Yvart, Considsrations sur la jachöre, Par. 1822. — In Frankreich iſt 
noch über !/, des ganzen Aderlandes Brache, in Belgien Yır, in Eng- 
land /a (de Lavergne), auch in Deutichland nur ein Heiner Theil, 
bauptjächlich in falten Lagen und auf fehr thonhaltigem Boren, oder 


— 44 — 


in den ſchwachbevoͤlkerten Gegenden. Die Meibehaltung ber Drache if 
zwar bisweilen nur Folge der Unwiffenheit oder Trägheit, aber in 
anderen Fällen Ergebniß verfländiger UWeberlegung unter gegebenen 
Umftänden, 1. 3. ». v. Thünen, Der ifolirte Staat, I, 125. — 
Loudon, Encyklop. d. Landw. I, 444. U, 149. — v. Lengerfe, 


Golſt. Landw. IL, 3. 
(@) 


(e) 


(F 


— 


Felderwirthſchaft mit angebauter Brache, das haäuftgſte 
Syſtem in Deutſchland, bauptfächlich auf Klee⸗, Kartoffel⸗ u. Runkelrüben⸗ 
bau geſtuͤtzt. Je mehr man Grasland daneben hat, ein deſto groͤßerer Theil 
bes ehemaligen Brachfeldes kann zu Handelsgewaͤchſen verwendet werden, 
die viel Arbeit und Dünger erheiſchen, aber auch einen anſehnlichen 
GBelderlös einbringen. Sind Wiefen und Weiden vorhanden, To ift 
allerdings für die ganze benusgte Fläche der Betrag der Bewirthſchaf⸗ 
tungsfofen geringer als in der Roppelwirthfchaft, weßhalb v. Th ünen 
©. 115 beweift, daß unter jener Borausfegung, bei 64 Proc. Weide⸗ 
land und 36 Proc. Ader, niedrige —2 bie Dreifelders, höhere 
die Koppelwirtbichaft vortheilhafter machen. 
Feldgraswirthſchaft, wie bie mecklenburgiſche und Holfteinifche 
KoppelwirtHfhaft. Sie befteht nicht blos am nördlichen, fondern 
auch am Südende von Deutichland, im Schwarzwalde und ben Alpen⸗ 
egenden (Kkgarten⸗W.), iR aud in Gngland fehr verbreitet. Die 
nzahl der Weide: und Baujahre ift verſchieden. Die Weide auf fols 
hen bisherigen Feldern if weit ergiebiger, als auf dauernden Triften. 
Fruchtwechſelwirthſchaft, mit einer durch die Erfahrung ale 
vortheilhaft nadhgewielenen Abwechslung von Halm:, Hackfruͤchten und 
utterfräutern. Diele Yruchtfolge wird in Großbritanien, Belgien, 
auch der deutfchen Rheingegend und dem Elfaß angetroffen. Als Muſter 
itt die norfolfifche —3 Fruchtfolge: Hackfrüchte — Gerſte — 
ee — Waizen, man zieht aber neuerlich eine mehrjaͤhrige Reihenfolge 
vor. Die Halmfruͤchte nehmen einen kleineren Theil des Ackers ein, 
geben aber dafür einen höheren Ertrag. Hat man fein dauerndes Brass 
and, fo wird, nur die mehrjährigen Wutterfräuter (vorzüglich Luzerne) 
ausgenommen, die ganze Wläche jährlich bearbeitet. Daher ift hier ber 
größte Kapitalaufwand nöthig. Nach der Vergleihung der belgiſchen 
und medienburgifchen Wirtbichaft (tiefe zu 3 Getreide, 3 Meibelahren 
und 1 Brachjahte, jene zu 3 Getreide, 1 Klees, 1 Kartoffelernten) ift 
auf 100000 Q.-Ruthen bei gleichem Boten und 10fachem Kornertrage 
anzunehmen: 








der Roberta - - = lſo 494 Thlr. | 4865 Thir. 
die Koften - a 2 2 rn 8034 ⸗ | 3436 ⸗ 
ter Reiner 2 2 2 en 2460 : 1429 ⸗ 


Auf Nderland von geringer Güte wird die mecklenburgiſche Bewirth⸗ 
ihaftungsart vortheilhafter. Sie erfordert ungefähr nur */s von den 
Arbeitsfräften der belgifchen, v. Thünen, ©. 138. — v. Weckher⸗ 
Lin (Weber engl. Landw. 1842, ©. 287) beredhnet ohne Abaug der 
allgemeinen Wirthfchaftsfoften den Ertrag des Morgens bei der Drei: 
felderwirtsihaft mit Brache auf Sfl., Koppel⸗W. 99%. fl., Drei: 
felderwirthichaft ohne Brache 10-15 fl., Fruchtw⸗W. 12—17 fl. — 
Nach den ausführlichen Berechnungen bei de Lichtervelde, Me&m, 
Taf. 1-12, war um 1815 in dem beftangebauten Theile von Belgien 
im Durchſchnitt von 13 Gütern, die eine mittlere Größe von 41,7 Ar: 
pens = 72%;4 pr. M. haben, 


— 49 — 


auf den Arpent preuß. Morgen 
Mobetrag . . . 269,7 Fr. | 12,6 f 
Koflen . -. . . 169,1 = 45,57 ⸗ 
Reinertag . . . 100 = 27 = 
Zahl der Arbeitstage 
für Menfhen. . 31,5 : 18 
für Geſpann .. 4,17 ⸗ 3 


(g) Die Mineralſtoffe machen eine Ausnahme, weil fie im Miſt nicht in 
genügender Menge enthalten find, 3. B. Kalk, Bhosphorfäure, Kalt 

(A) Guano, Knochenmehl, Pferch der Schaafe, flädtifche Abtrittsgruben, 
Pferdemiſt sc. In Belgien ift diefer Ankauf fehr ausgedehnt, in der Nähe 
von Städten iſt er überall üblich. 


6. 3828. 


Das Grasland verurfacht viel geringere jährliche Bes 
wirtbichaftungdfoften, al8 der Ader, und zwar bie Weide noch 
weniger ald die Wiefe (a). Aus dieſem Grund überließ man 
in alter Zeit einen großen Theil des ganzen Landes dem Gras⸗ 
wuchfe, $. 382. Wenn der Anwachs des Gapitaled und ver 
Bevölkerung den Zandwirth in den Stand fegt, zwifchen ver 
ſchiedenen Benutzungsarten des Bodend zu wählen, auch bie 
hiezu erforderliche Einficht hinreichend ausgebildet ift, fo wird 
nah und nah viel Orasland in Aderland umgewanbelt, um 
bie mandhfaltigen werthvollen Erzeugnifie beflelben zu erzielen 
und der Arbeit der Menichen und Thiere eine belohnende Anz 
wendung zu verfchaffen, und es bleibt nur dasjenige Grasland 
übrig, deflen Beibehaltung durch örtliche Umftände nothwendig 
oder rathfam gemacht wird (6). Dahin gehören hauptſaͤchlich 
nachſtehende Fälle: 

1) Schwierigkeit des Aderbaued, a) wegen ber Gefahr. 
öfterer Ueberichwemmungen in den Niederungen am untern Lauf 
von Flüffen und Strömen oder am Meere, oder wegen bauerns 
ber Näfle (c), b) wegen der abhängigen oder hohen und falten 
Lage, ber Seichtheit der oberen Erdſchicht (Krume), des 
fchlechten Bodens oder bes fleinigen Untergrundee. In Ges 
birgen findet man deßhalb große Streden Weideland, die feine 
andere Benupung zulaffen, wenig Ertrag geben und beſonders 
dann, wenn fie, wie gewöhnlich, im Eigenthum der Gemeinden 
find, nadhläfig behandelt werben, II, $. 85. Auch ſolche 
Flächen, die fonft nach Lage und Boden zum Anbau geeignet fein 
würden, bleiben aus jener Urſache oft öde liegen und bie Sorg⸗ 


— 4% — 


falt der Landwirthe richtet fi) bort vorzüglid auf die Vieh⸗ 
zucht. Auf großen, von den Wohnungen weit entfernten Weiden 
muß das Vieh die wärmften Monate hindurch fortwährend 
verweilen, wobei wenige Menfchen zur Wartung und zur Be 
reitung von Butter und Käfe zureihen; Alpenwirthſchaft (d). 
Sind die Bergweiden minder entlegen und im Beſitze einzelner 
Landwirthe, fo ift mehr Antrieb vorhanden, ihnen eine beffere 
Pflege zu geben und ed wird auch die Mühe nicht gefcheut, 
einen Theil von ihnen fo zu verbefiern, daß gute Wiefen aue, 
ihnen entftehen (e). Im ebenem Lande verſchwinden bie fort 
dauernden (permanenten) Weiden allmälig, wie ed Bebürfniß 
wird, auch unergiebige Grundftüde anzubauen (f). 

2) Borzügliche Tauglichkeit zum Graswuchfe, a) durch natürs 
liche Beuchtigfeit des Klimas ober bed Bodens, beſonders bes 
Untergrundes, b) durdy Gelegenheit zur fünftlichen Bewäfferung 
aus Bächen, Ylüffen oder Canälen. Die Herftelung guter 
MWäfferwiefen ift in vielen Faͤllen Eoftbar, bad darauf verwendete 
Capital trägt aber insgemein reichliche Früchte (9). Wo aus 
einer biefer beiden Urfachen viel Grasland vorhanden if, ba 
tritt der Aderbau zurüd und die Viehzucht wird vorherrfchend, 
wie in den Gebirgen (h). 

3) Vortheilhafter Abfag von Milch oder Maftvieh, beſonders 
in- ber Nähe von Städten. Diefer Umftänd verftärft wenigſtens 
die in dem vorhin genannten (2) liegende Ermunterung, Gras⸗ 
land befteben zu laffen. 

In trodenen, ſtark bevölferten Ebenen hat dad Grasland 
ben Fleinften, in Berggegenden den größten Umfang (i). 


(a) Nach der fähftihen Schäkungsanweifung von 1838 if der Reinertra 
- von dem beften Aderland 51, vom mittleren 40 Proc. des rohen, be 
den beften Wiefen aber SO Proc. Die PBroductionskoften auf 1 fächfl: 
fhem Acker (2,1% pr. Morg.) des beften Aderlandes find 82,27 Meben 
Roggen, der beften Wiefen 31,15 M. In Belgien fhägßt man die Er⸗ 
eugungsfoften des metr. Gentner Heu auf 2,%—2,% Fr., der mittlere 
Dede if 6,85 Fr. — Im PFrangöfifchen wird unter prairie alles Grass 
land und ſelbſt das Futterfeld (prairie artificielle) verflanden. Bei 
ftarfem Graswuchſe ift nady den Umfländen bald das Beweiden, bald 
das Mähen des Graſes vortHeilhafter, und man wechſelt hierin nicht 
felten. Das grün von dem Viehe verzehrte Gras wird für nahrhafter 
gehalten als das daraus bereitete Heu. 


(6) Man findet in Deutfchland noch viele Wiefen, die als Adler mehr Rein 
ertrag abwerfen würden und die nur aus alter Gewohnheit fortbeftehen. 


(e) 


(4) 


— 497 — 


Stehende Feuchtigkeit laͤßt aber die guten Graͤſer und andere Wieſen⸗ 
pflanzen nicht aufkommen und giebt nur ſogenanntes ſaures Futter. 
Wo jedoch das Stroh theuer iſt, da bringen auch ſolche Wieſen, die 
viel grobes Gras tragen, zur Streugewinnung Nutzen, wie an mehreren 
Seen der Schweiz in Tirol (z. B. Etſchthal) ıc. | 


Die Weidezeit ift nad der Höhe der Alpen (Bergweiden) verfchieden, 
14—20 Wochen. Der Ertrag dieſer Alpenwirthſchaft ift gering und 
die Befchaffenheit mancher Weiden verfchlechtert fd fogar. Der Canton 
Glarus hat jetzt Gebirgsweiden (Nipen) für 10000 Kühe. 1672 
ſchätzte man fie noch auf 13000, zwei Menfchenalter früher auf 15000 
Kuhweiden (Stöße). Die lade hievon liegt in dem zerflörenden 
Einfluß der Lawinen, Erdfaͤlle, Gletſcher sc. und in dem Mangel an 
Sorgfalt; Steinmüller, Beſchr. der jchweiz. Alpenwirthſch. IL, 7. 
Winterthur, 1802.) Vgl. Hegetfchweiler, Reifen in den Gebirgs⸗ 

od zw. Glarus u. Graub., Züri, 1825. — Gleihwohl hat dieſer 
Canton nit Wiefen genug, um jo viel Vieh zu überwintern, als die 
Alpen im Sommer ernähren. Wiefen find durchgehende in der Schweiz 
in fehr hohem Preife, der Wielenbedarf zum Ueberwintern einer Kuh 
(60 Etr. Heu) wurde im berner Oberlande ſchon mit 100—150 Louisd’or 
bezahlt, und dieſe koſtbare Winterfütterung wırd durch den Milcyertrag 
nicht vergütet, fo daß ein Theil des Erlöfes aus Milchproducten im 
Sommer den im Winter erwachſenden Verluſt vergüten muß. Dürftige 
fammeln mit Lebensgefahr Bras auf Feilen Abhängen (Wilpheuer). 
Kaſthoſer, Bemerk. auf einer Alpenreiſe über den Suſten ıc. 
©. 239. 255. Defien Bemerf. . . . über den Brunig ıc. ©. 3. — 
Das ganze Milh: und Käfeproduct der Samei von den Kühen 
(250000 Stüd) und Siegen wird auf 17 Mill. f. geihägt, Fran⸗ 
feini, Stat. d. Schw. ©. 123. Die Schweiz verkauft viel Vieh nad 
Stalien und Frankreich, 3.3. der Canton Schwyz gegen 4000, Glarus 
gegen 1200 Stüd Rindvieh „gabelie. Blos über den Gotthardspaß 
zogen im Jahr 1822 7127 Stud Hornvieh nad Italien, was eine Eins 
nahme von mehr ale 2ZMiN.fl. anzeigt, im Durdfchnitt von 1831—33 
8274 Kühe. (Die Biehausfuhr nach Branfreich Fa wegen der dortigen 
Zolleinrihtungen abgenommen.) Dagegen muß viel Getreide zugefauft 
werden. Die traurigen Folgen der Theurung von 1817 haben das Bes 
bürfniß eines fleißigeren Anbaues von vegetabilifchen Nahrungsmitteln 
(ehr fühlbar gemacht; auch die Alpen find größtentheils culturfähig, 
während fie in ihrem bisherigen Zuftande ſehr geringen Ertrag geben. 
Eine Nipenweide für 100 Kühe iſt 1000-1200 berner Morgen groß 
und trägt gegen 700 fl. Badıtzins ein. Kaſthofer, Borlef. über die 
@ultur der Kühalpen, S. 12 (1818). Deſſelben Alpenreife über den 
Suften, ©. 221 ff. — In Tirol if der Ertrag einer Kuh in der Weide: 
eit (nach Abzug der Verzehrung der Senner und Hirten) 20—40, im 
5. gegen 30 Wiener Pfund (zu 1, Zullpfd.) Butter und 40 Pfd. 
Magerkäfe nebft etwas Ziegentäfe. Der reine Gelderttag wird auf 
20—30 fl. angefchlagen, womit der Miethzins einer Kuh von ungefähr 
15 fl. wohl übereinfimmt. Cine Kuhweide wird beiläufig mit 50 fl. 
erfauft oder mit 2—4 fl. gepachtet. Manche Mipen geben nur fpärliche 
Nahrung. Die unten in den Ortfchaften gebliebenen fogenannten Heim: 
kuͤhe And weit milchreicher, "wenn gleidy die Milh auf den Hochalpen 
die befle, die von Stallkühen im Winter erhaltene die fchlechtefte ik 
(390 und 420 Dans zu 1 Gentner Käfe erforderlih). Ginige Nach 
richten hierüber bei B. Weber, Das Land Tirol, 1837, L, 651. 842. 
U, 74. Staffler, Tirol und Borarlberg, 1839, I, 292. Auch in 
Tirol wird über den ſchlechten Zuftand der Alpen geklagt und der Anbau 
eines Theils derfelben gewünfdt, Bericht der Handelskammer in Ins⸗ 
Rau, polit. Delon. I. 7. Ausg. 32 


(N) 


9) 


(%) 


(@) 


— 48 — 


brud, 1551, ©. 11. — In beiden Ländern wird die Milch aller anf 
einer Alp weibenden Kühe mehrerer Gigenthümer vereinigt und von 
einigen dayı beftellten Perſonen zu Butter und Käfe verarbeitet, wos 
durch an Koften viel erfpart und an @üte der Erzeugnifle gewonnen 
wird. Als Beifpiel dient, daß eine Sente von 208 Kühen 10 Männer 
(Senner, Hirten, Holzhauer) beſchaͤftigt (Splügen); ber oberfle 

nner oder Käfer (fruitier) erhält 3—4 Louied’or und Brot, bie ans 
deren ungefähr halb fo viel. Um einen Maaßſtab zur B ber 
Erzeugnifie zu haben, wird der Mi ertrag aller Kühe mehrmals in 
Beifein aller Gigenthümer ober einer Commiſſion gemeflen. Der vor 
theilhafter geionhene Abſatz des Käfes ins Ausland Kat in man 
Gegenden die Folge gehabt, daß der Feldbau der Weide Play machen 
mußte. (v. Bonkeite n) Briefe über ein ſchweiz. Hirtenland, 1782 
(trefflihe Schilderung), und die a. Schriften v. Kaſthofer u. Gteins 
müller. — Auch in den niedrigeren Theilen der Schweiz, wo feine 
Alpenwirthichaft befteht, Hat man angefangen, folde auitgelellihaften 
(fruitidres) zu errichten, befonders im Canton Waadt. glich wird 
alle Milch zuſammengegoſſen, nachdem man den Beitrag —* Gigens 
thümers gemeflen und aufgezeichnet Hat Die Erzeugniſſe (Butter, Käfe) 
werden der Reihe nach in natura ausgetheilt. Lullin, Ueber Milch⸗ 
wirthichaftsvereine, a. d. Franz. Weimar, 1832. 


3. 3. viele tiefer liegende Abhänge im Canton Appenzell, in Tirol, 
Dorariberg und die mit großem Fleiße von Felfen gereinigten unb ges 
ebneten Wielen im badiſchen Münftertyal bei Staufen, wo ebenfalls bie 
Graswirtbfchaft vorherriht und wenig Ader vorhanden if. Mit 1/s 
bis 2 bad. Morgen kann eine Kuh im Stalle das Jahr hindurch er: 
nährt werben, der Mildyertrag iſt 40—60 fl. jährlid. . 


Zum Unterhalte einer Kuh während des Sommers find, wenn man den 
feltenen Niederungsboden ausnimmt, nad den Erfahrungen in Nord⸗ 
deutſchland, wenigfeng 2, oft aber 6 und mehr pr. Morgen erforders 
lih. Nah Blod geben die beften Weiden auf dem pr. Morgen gegen 
1000, bie fchlechteften gegen 50 Pfb. Seuwertb Rohertrag, der Rein⸗ 
ertrag geht von ungefähr 100 bis zu 4 Pfb. oggenmer! herab, und 
finft bei entlegenen Grundſtücken nod tiefer. Solche Weiden geben 
als Ader mehr Bortheil. 


Am koſtbarſten iſt der Umbau in Stüden zum Beriefeln, aber das ans 
ewendete Bapital verzinfet fi reichlich, 11, $. 150. ine natürliche 
eigung (Hang) der Wiefenflähe erleichtert die Wäflerung fehr, wie 

3. B. auf den fchönen Wielen bei Meran und im bad. Münfterthal (e). 


3.3. auf den Fettweiden an der Maas im bolländifchen Limburg, in 
ber Gegend von Berviers, wo auf 100 Het. Ader 268 Heft. Grasland 
fommen und die Bereitung der Limburger Käfe viel einträgt, in Weſt⸗ 
flandern um Dirmude (wo nad van Aelbroof vielleicht die reichften 
Weiden in Curopa liegen), in Holland, in der clevifchen Niederung. 
In Bebirgsgegenden, wo wenig Aderland vorfommt, fann man Miſt 
und Sauce den Wiefen zuwenden, die dadurd, fehr ergiebig werden. 


In Belgien beträgt tas Srasland 1/, der ganzen Oberfläche oder 1/4 
(26 Broc.) des Nderlandes, aber in den Ardennen 70 — 130 Bror., in 
den „olbergegenben 55—60, in den trodenften Grgenden nur ungefähr 
15 Proc. Viel Lehrreiches hierüber in der Abtheilung Agriculture der 
Stetistique de la Belgique, ©. CLXILL ff. — Beifpiele anderer Länder ; 


— 439° — 


Das Grasland beträgt Proc. ber gan ‚Weide insbeſon⸗ 
zn Oberfläche dere in Proc. 
24 


Lombarbei 13 
Tirol 23 14 
Ungarn 22 15 
Balizien 20 9 
Nieder: Deflerreih 19 7,8 
Mähren 17, 10 
Scleflen 17 11,* 

Preußiſcher Staat 16,1 7,® 
Bommern 21,5 13,8 

reußen 18,1 8,1 
heinland 16, 9,38 

Brandenburg 13,9 5,9 
Sachſen 11, 6 
Scieflen 6,8 1,8 

Baiern 18 4,2 

Mürtemberg 18,5 4,3 

Sachſen 13,1 2 

Baden 15,9 5,5 

Frankreich 10,° 

England 41 

Holland 35,8 

Rußland 22,3 20 


Sn Holland beträgt das Grasland mehr als das Aderland, weldyes 
nur 20 Proc. ausmacht. In Dalmatien ift Amal fo viel Grasland als 
Ader (Weide allein 3,*mal), in Tirol 4 mal (Weide 2, eemal), in 
Kärnthen und Krain 2,8mal (Meide 1,7%mal), in Mähren und Schle⸗ 
fien macht das Grasland nur 36 Proc. des Aderlandes (Weide allein 
19 Broe.). — Im weflihen und mittleren Theile von England find 
nah Gaird (Engl. agric. ©. 522) 8%; Mill. Acres Grasland und 
4%, Mill. Ac. Ader (tillage), im öftlihen Theile dagegen 4%; Mil. Ac. 
Gras: und 9%, Mil. Ac. Aderland, im ganzen Lande 131/5 Mill. Ac. 
Grasland und 13%, Mil. Ac Ackerfeld. In Italien wurde ſchon zur 
Zeit des Kaiferreiches über die Menge des Weidelandes geklagt. — 
Wenn Moreau de Jonnds (Bulletin des sc. agricoles, XVI, 305) 
das Weideland als ein wichtiges Element ber Wohlfahrt anfteht, fo 
erflärt fich dieß daraus, daß er unter päturage überhaupt Futterland 
verfieht. Nach feinen Ausmittlungen erzeugt das Futter von 1 Heltare 
88 Pfund Fleifh von öden Weideplägen (vaine päture), 152 Pfund 
von guten Wieſen, 400 Pfd. von Yutterfeldern, 187 Pb. im Durch⸗ 
ſchnifi der englifhen Wiefen und Yutterfelder. Nah Blod kann man 
auf Boden erfter Iren. gegen 22 Etr. Klecheu, 261/82 tr. Luzernen⸗ 

eu, 126 Gtr. Kartoffeln (= 63 Gtr. Heu), 165 Etr. Runkelräben 
== 55 Gtr. Heu) vom pr. M. ernten, woraus fich ebenfalls der große 

g der Yutterfelder gegen die Weiden ergiebt. 


$. 383. 


Die Forſtwirthſchaft (a) ift fehr einfach zu betreiben 
und befchäftiget wenige Menſchen, da bie einheimifchen Holz 
gewächfe fi in der Regel durch Saamenausfall oder Stockaus⸗ 

32° 


ſchlag ſelbſt fortpflanzen, dem Einfluß der Jahreswitterung wenig 
unterworfen find, Feiner wiederholten Bodenbearbeitung, keiner 
Düngung und Pflege bedürfen und daher die erforderlichen Ber 
richtungen hauptjädhlic nur in der Holzernte (Hällen, Zerftüden 
und Fortbringen) beftehen, überdies jährlich nur ein Heiner Theil 
ber Waldfläche gehauen wird (d). Zufolge der verhältnigmäßig 
hohen Berjendungsfoften des Holzes ift der Preis beffelben und 
die Rente des Waldgrundes von Land zu Rand und ſelbſt von 
einer Gegend zur andern jehr verfchieden, der Holzpreis erreicht 
aber leicht eine ſolche Höhe, bei weldyer die Rente ber meiften 
Waldungen über die Hälfte des Erlöſes ſteigt (c). Die Wal 
dungen dienen nicht blos zur Befriedigung eined dringenden 
Bedürfnifjes, defien Umfang fi, was die Beuerung betrifft, in 
jedem Lande nad den Wärmeverhältniffen richtet, fondern fie 
tragen bei zwedmäßiger Lage zur Bruchtbarfeit ded Landes und 
zur Verbeflerung des Klimas bei und gewähren in vielen Ge⸗ 
genden durch ihre Nebenerzeugniffe der Landwirthſchaft eine fehr 
erhebliche Hülfe (d). Der Zuftand der Forftwirthfchaft if für 
die gefammte Volkswirthſchaft dann am günftigften, 1) wenn 
der Holzpreid zu den Preifen der anderen Waaren und bem 
Arbeitölohne in einem folchen Berhältniffe fteht, daß das Bes 
dürfniß von Brennftoffen, Bau⸗ und Werfholz von allen Volks⸗ 
claffen ohne Schwierigkeit befriedigt werden kann, 2) wenn 
zugleich der Boden fo vortheilhaft, als es feine Beſchaffenheit 
geftattet, benugt wird. Hiezu wird erfordert, a) daß man bie 
Holzzucht forgfältig und Eunftmäßig betreibe und auf gleicher 
Fläche die größte Werthmenge von Holz erziele, damit entweder 
der zum Anbau tauglide und für das inländifche Holzbebürfnig 
entbehrliche Theil ded Waldbodens zur Hervorbringung anderer 
nüglicher Stoffe angewendet werden könne, — vorausgefegt, 
dag ed dazu nicht an Arbeitern und Capital fehlt, — oder 
damit wenigftend das überflüffige Holzerzeugniß zur Ausfuhr 
gelange oder zum Betriebe einträglicher Gewerfe diene; b) daß 
vorzüglich diejenigen Stellen dem Holzwuchfe gewidmet werden, 
welche zu feiner anderen landwirthfchaftlichen Benugung gleich 
gut geeignet find. Indeß ift da, wo wohlfeile Berfendungsmittel, 
z. B. Waflerftraßen, fehlen, aud eine gute Bertheilung der 
Waldungen in den einzelnen Gegenden eines Landes wünfchend- 


— 501 — 


werth ($. 214), weßhalb 3. B. in weiten Ebenen auch guted 
Bauland der Holzzucht gewidmet werben muß. 


(a) Pfeil, Grund. der Forſtwirthſchaft in Bezug auf die Rationalöfon. 
und die Staatsfinanzwiflenfh. 1822. 23. LI. 8 — Hundeshagen, 
Lehrb. d. Forſtpolizei, 1831. Einleitung. — Schenk, Bebürfniß der 
Volksw. II, 35. — v. Tavel, Ueber das Weſen der Wälder, mit 
befond. Rüdfiht auf den C. Bern, 1834. — v. Berg, Stantsforft 
wirthfchaftslehre. 1830. — Rofcher, Gin nationalöfon. Hauptprincip 
der Forftwifl., Leipzig 1854. — Statiſtiſche Materialien enthalten: 
C. W. v. Bülow, Deutichlande Wälder, Berlin, 1834. — Baur, 
Forftftatift. der d. Bundesſtaaten, 1842. — Weffely, Oefterreichs 
Alpenländer, 1853. 

(8) Die hiezu gebrauchten Arbeiter find Taglöhner, denen der Wald aud 
nur in einem Theile des Jahres Beichäftigung giebt. Nah Hundes: 
Fin en werden zu 7000 Morgen Staatswald 9 Holzhauer, 1 Revier; 
öräer, 3 Waldihüben u. 1 Arbeiter erfordert, alfo 14 Berionen, Forſt⸗ 
poliz. ©. 62, nad v. Berg ©. 44 auf 127 bis 206 pr. M. 1 Dann. 

(0) gunbeshagen feßt die Koften auf 32 Proc. des Rohertrages, ebend. 
©. 38. — Nah den ſaäͤchſiſchen Abichäbungsgrundfägen werden (ohne 
Hau: und Fuhrlohn) vom Nohertrage abgezogen 1) für Unfälle beim 
Nadelholze 16, beim LaubholzsHochwalde 12, beim Niederwalde 8 Pr.; 
2) als @ulturfoften für den Ader (= 2,16 preuß. Morgen) diefer drei 
Arten von Wäldern 5 Thlr. — 3 Thlr. — 18 Gar.; 3) als Auf: 
ſichtskoſten 6 Bar. 

(Hd) Die Baldungen im Harze (451585 kalenb. M.) ernähren faſt gänzlich 
10000 Stüd Rindvieh, 200 Pferde, 5000 Schaafe, 600 Schweine. 
Zimmermann, Das Harzgebirge, I, 249. — In Belgien nimmt 
man an, daß 6 Heltaren (23,4 pr. M.) erwachfener Wald 1 Stüd She 
vieh den Sommer hindurch ernähren. — In Serbien wird ber fehr 

hlreiche Viehſtand durch die Waldweide, vorzüglih in den großen 
ihenwalbungen, erhalten. 


5.3. 


Der Preid des Holzed wie jeder anderen Waare hat auf 
das Bolfdeintommen im Ganzen nur bei dem eins ober auss 
zuführenden Holgvorrathe Einfluß. Die Holzzucht zur Ausfuhr 
ift aber, wenigftend wo ed an Waflerftraßen fehlt, in der Regel 
nicht fehr einträglich, weil fowohl die beträchtlichen Frachtkoſten, 
als das Mitwerben mehrerer holzreichen Gegenden oder Ränder 
ben Preis, der an Ort und Stelle dem Waldeigner bezahlt 
wird, herabbrüden (a). Bei dem im Lande erzeugten und ver- 
zehrten Holzvorrathe beftimmt der jededmalige Preis zunächft 
nur den Bortheil der Holzkäufer oder der Waldbefiger, weil jene 
dad bezahlen müflen, was biefe aus einem hohen Preife ges 
winnen; indeß zeigt ein hoher Holzpreid an, daß ein Theil des 
Holzerzeugnified anfehnlihe Anbaus, Erntes und Fuhrkoſten 
verurfadht ($. 211), weßhalb die Mehrausgabe der Käufer zum 


— 502 — 


Theil von den vermehrten Koſten verſchlungen wird. Ein Holz⸗ 
preis, der längere Zeit hindurch unverändert fortbeſtanden Bat, 
iR audy unfehlbar mit den übrigen SBreifen ind Gleichgewicht 
getreten, denn ba das Holz nicht blos zu bem menfdhlichen 
Unterhalte, fondern audy zu der Erzeugung vieler Güter brin- 
gend nothiwendig ift, fo gehört der Holzaufwanb unter ben 
Koftenfaß, der den Arbeitern im Lohne ($. 190), und allen Er- 
zeugern im Berfaufspreife ihrer Waaren ($. 166) erflattet wer 
ben muß (5). Das beträchtliche Einfommen, welches bei hohem 
Holzpreife den Forftbefigern zufällt, entgeht alfo hauptfächlid 
den Eapitaliften, Unternehmern und ben übrigen Grundeignern. 
(sa) Bol. Pfeil, Srundf. I, 137. — Die Berfendung in die Ferne macht 
den Waldbeflger von dem Holzhändler abhängig, der fein Geſchaͤft im 
Großen betreiben muß und an abgelegenen Orten wenig Mitwerben zu 
fürdten bat. Anders verhält es —* * in der Gegend von Lichten⸗ 
fels im noͤrdlichen Baiern, wo der Main ſchiffbar wird, indem dort 
das zur Verſorgung des Niederrheins und der Niederlande beſtimmte 
Bauholz für ſehr anſehnlichen Preis abgeſetzt werden kann; vgl. Rubs 
art, ©. 42. Im Hautemoor bei Bamberg, wo ausgezeichnet gutes 
iefernholz zu Maftbäumen wählt, wurde im Sabre 1832 ein Kiefer 
amm von 92 Buß Länge zu 410 fl. verfleigert. — Im Schwarzwalde 
ft durch die Erweiterung des Floßweſens und folglich des Abfapes von 
Bauholz an den Ober: und Niederrhein die Walbrente anfehnlich ges 
fliegen. — Der Speflart verfendet für 200000 fl. Gommerial- (d. 5. 
Baus und Rutz⸗) umd für 1 Mill. fI. Brennholz, doch würde, wie 
D. &. Müller zu zeigen fuht (Des Speflarts Iotshandet, Srauff. 
1837), der inländische Verbrauch volkswirthſchaftlich vortheilhafter fein. 
— Stämme, die in den Gebirgen von Kärnthen zu 5 fl. erfauft wer: 
ben, follen in Trieft bis auf 3—400 fl. zu fiehen kommen, von wo fie 

(zu Maftbäumen) ausgeführt werden. 


(6) Bel. Pfeila. a. O., ©. 534. 


8. 385. 


Wenn der Holzpreis ſchnell und beträchtlich fleigt, fo Hat 
bieß für einige Zeit nachtheilige Folgen. Weber der Arbeits; 
lohn, noch die Preiſe der anderen Landeserzeugniffe können 
gleich fchnell erhöht, auch Fann die Anmenbung holzfparender 
Mittel nicht bald verbreitet werben, da fie nicht allein befonbere 
Kenntniffe, fondern audy einen neuen Gapitalaufwand erfordert. 
Der erhöhte Holzpreis muß beßhalb der Mehrzahl ber Volks: 
mitglieder eine empfindliche Entbehrung verurfachen (a), auch 
werden manche Gewerböimternehmungen, bei denen viel Holz 
verbraucht werden muß, in ihrer Bortbauer bebroht. Allmälig 
verlieren ſich diefe Störumgen, wenn dec Holzpreis ſich gleich 


— 503 — 


bleibt, indem 1) der Holzverbrauch fparfamer eingerichtet wird, 
2) Erfagmittel, als Steins und Braunfohlen und Torf, eifrig 
aufgefucht und benugt werden, 3) der Arbeitslohn und auch die 
Breife mancher Waaren in die Höhe gehen (5), auch vielleicht 
4) dad Angebot von Holz durch Einfuhr, Anlegung neuer und 
befiere Bewirthichaftung der älteren Waldungen vergrößert wird (c). 
Doc kann diefe Abhülfe lange Zeit erfordern. Bei der Zunahme 
der Bolfömenge werden Waldrodungen auf dem zum Yeldbaue 
tauglihen Boden vorgenommen, durch welche bie Waldfläche 
fih allmälig vermindert und im Ganzen genommen eine Ders 
theurung des Holzes entfteht, jedoch mit Unterbrechung aus 
ben vorftehenden Urjachen. Wegen der Berbeflerungen ber Land⸗ 
und Waſſerſtraßen werfen allmälig auch ziemlidy entlegene Wal- 
dungen noch eine Rente ab. Das Holz pflegt ftärfer im Preiſe 
zu fteigen, ald das Getreide, weil dad Angebot des erfteren 
weniger zunimmt, ja fogar öfter fich vermindert, auch die Fracht⸗ 
foften bei einiger Entfernung einen größeren Theil des Preiſes 
ausmadhen (d). Daher muß die MWaldrente auf Koften ber 
übrigen Bolköclaffen beträchtlich anwachfen. 


(«) Ganz befonders leiten hiebei die Landwirthe, die feine Waldungen be⸗ 
fitzen. Das Getreide kann nicht fogleicy theurer verfauft werden, wenn 
der Getreidebauer feinen Holzbebarf mit höherem Preife bezahlen muß. 

(6) Doch ift ein fo hoher Holzpreis denkbar, daß er nicht durch verhältniß: 
mäßige Lohnvermehrung erfegt werden fann, weil tiefe die Arbeitserzeug⸗ 
niffe zu ſehr vertbeuern und den Abſatz bderfelben verhindern würde. 
Dann bleibt nichts übrig, ale daß Lie arbeitende Claſſe fi mit ge: 
ringem Holzverbrauche zu behelfen fuht. Hundeshagen, ©. 32. 

(e) Daß das Leptere bei hohen Holgpreifen geſchieht, zeigt das Beifpiel 
Großbritaniens und Belgiens. Binden fi Ländereien, welche zum 
Walde befier geeignet find, ale zum Ader, zur Wiefe oder zur Weide, 
fo gehört nicht einmal ein hoher Holzpreis dazu, um das Anfäen oder 
Bepflanzgen mit Forftgewächlen einträglich zu machen, doch ift dieß eine 
Unternehmung, zu welcher fi wegen der fpäten Grftattung ber Aus⸗ 
lagen große wohlhabende Gutsbeſitzer eher entichließen als mittlere und 
Heine, III, $. 140. Hievon abgelehen, läßt fi fchon wegen bes in 
jedem Lande anders geftalteten Verhältniffes zwiſchen verfchiedenen Bo: 
denarten im Allgemeinen nicht fagen, wie hoch der Holzpreis fleigen 
fönne, bi8 man auf Vergrößerung des. Angebotes Bedacht nehme. Bel: 
gien giebt den Beweis, daß man bei beträchtlichen Holzpreifen felbft 
eine Art von gartenmäßiger Pflege der Bäume vortheilhaft finden koͤnne. 
DikSäume der Felder find in Flandern mit einem Streifen Schlag: 
holz, worunter fih einzelne Hochſtaͤmme zu Bauholz befinden, einge: 
faßt. Es find Baumfchulen für Forſtbaͤume vorhanden; Hopfenflangen, 
aus Geplingen gezogen, geben nah 10 Jahren eine Binnahme von 
wenigftens 3000, bisweilen 4— 6000 Fr. auf den Heltar, und übers 
die koͤnnen in den beiden erſten Jahren noch Kartoffeln in den Zwi⸗ 


(@) 


04 — 


fhenräumen gebaut werden; Cordier, Agricult. de la Flandre fr. 
©. 410. — Lichtervelde (Möm. ©. 56) fhäßte 1815 den Holzerivag 
einer Ruthe (von 14 Fuß) Herde auf 1 brab. Bulden (51%, fr.) umb 
nahm an, daß auf einem Gute von 1 Pfluge (44 arp. = 77% pr. M.) 
bei Sjähriger Fruchtfolge jährlih 300 Ruthen gehauen werben, wovon 
180 zum Berfaufe. — Doc würde diefe "Kork Artnerei“ (Bfeil, 
Grundſaͤtze, I, 366. 374.) das Holzbebürfniß nicht befriedigen fönnen, 
wenn nicht bie Fülle wohlfeiler Steinfohlen hinzufäme. — In Schott⸗ 
land find 913695 engl. Acr. (1'400000 pr. M.) Wald, wonon 45 Br. 
fünftlih angelegt find; Perthihire allein hat 50970 fchott. Aer. Blau 
zungen (plantations). Die Angaben des Ertrages, obſchon unter ſich 
abweichend, zeigen doch die Nüsplichkeit des Unternehmens an, da 3. WB. 
ber Acre 1 OOjähriger Eichen gegen 242, 150jähriger fogar 670 2. Gt. 
werth fein foll, was mit dem großen Bebarfe der engliſchen Schifffahrt 
zufammenhängt ; Transact. of the Highland Soe., V. 


Nachrichten über die Zunahme ter Holzpreife geben Schmidlin in 
Memmingers Würtemb. Jahrb. 1835, ©. 309, Moter in deſſen 
Nationalöfonomen, IL. Jahrg. I, 380, Jäger, Die Lands u. Forſt⸗ 
Mirthich. des Odenwaldes, 1845, ©. 185. Der Preis im Walde nimmt 
ftärfer zu als ber Verkaufspreis auf dem Markte, welcher jenen um ben 
Hauer= und Fuhrlohn überfleigt. Beifpiel für Würtemberg:: 












Eine Klafter 






Durchſchnitt. Buchenfcheiholz Fin Scheel | Berhättnig 
im Walde. beider. 

1590-1630 | —fl. 45. | 2. Sk. 36 

1640—16850 | —s 31: | 26 6: 29 

1690— 1730 — ,ı 57: 3: 8s 30, 100 

17401780 2: 14: | 3= 8: af: 

17901830 5: 40: | ds 21: 130 

Sm J. 1830 8: 42 3: 58 > 248 


Der Waldpreis der Klafter Nadelholz war im I. 1700 no 15 kr., 
1760 fhon 1 fl. 10 kr., 1800 2 fl. 34 fr. und 1830 5 fl. 6 Fr. ober 
das 20fache. Der Drarktpreis der Klafter war 











Stuttgart. Erbach (Odenw.) 
Buchenholz. Kiefern. Buchen. 
1710. . .. s efl. zo tr. — ii. —k. 1730 —f. 15 kr. 
1720. ...... —⸗ —⸗ 3: 20 s 1740 1: 6 3 
150.2... 8: — : 6: 15» (1750 2s — s 
1790...» 10 s 30 : 8: — s: 1170 3: 56 > 
1800-30 . .| 16: —: 12: — =: 11810 7: 1% 
| 1840 14 s 48 = 
. 386. 
6. 386 » 


Der Holzpreis und die Rente des Waldbodens find 1) da 


am niedrigften, wo bad Holzerzeugniß ben gegenwärtigen 
Bedarf überfteige und auswärtiger Abfag fehlt, folglich ein Theil 


— 505 —- 


bed Holzed weder concreten Gebrauchswerth für das Land noch 

Verkehrswerth hat. Diefe Umftände finden ſich a) wo viel fos 

genannter unbedingter Waldboden (a) angetroffen wird, 

d. h. folcher, der zu einer anderen lanbwirthichaftlichen Bes 

nußung weniger oder gar nicht tauglidy iſt und auf dem ſich 

deshalb die Eigenthümer jeden, auch den niedrigften Holzpreis 
gefallen laſſen müffen (8), b) wo es, wenn aud ein Theil des 

Waldbodens baufähig ift, für eine andere Benugung noch zur 

Zeit an Arbeitern, Capital und Abfabgelegenheit gebriht. Die 

ift am häufigften, doch nicht ausfchließlih in neu angebauten 

Ländern der Fall (c), weßhalb die Robungen nur allmälig fort: 

fchreiten (d). 2) Beide find Höher in folchen Gegenden, bie 

nicht mehr Holz erzeugen, als die Bewohner auch bei fparfamem 

Gebrauche nöthig haben. Indeß macht die Rage der Waldungen 

fhon in mäßiger Entfernung einen großen Unterfchied in ihrer 

Rente, 8. 883. 3) Sie find am hoöchſten in fruchtbaren, 

ftarf bevölferten und gut angebauten Ebenen, welde einen 

Theil ihres Holzbedarfed aus der Berne beziehen müflen. Hier 

fönnen deßhalb die übrig gebliebenen Waldungen eine anfehns 

liche Rente tragen (e). 

(a) Rah Hundeshagen’s und Pfeil’s Bezeichnung. . 

(6) Steile oder felfige Bergabhaͤnge, hohe kalte Bergrüden, beide in Ge⸗ 
birgegegenden häufig; — Sandflädhen, Heideland, Torfboben sc. 

(6) Die weftlihen Staaten in Rorbamerifa, auch Brafilien, find Beifpiele 
ber erfteren Art; aber in jedem größeren europäifegen Staate finden fi 
Gegenden, die von den größeren Stäbten fo wie von fchiffbaren Ge⸗ 
wänern weit entfernt find und in denen noch nicht die ganze culturs 
fähige Yläcye von dem Feld» und Sartenbaue in Anforun genommen 
wird, 3. B. im nördlichen Theile von Rußland. Wenn in einer Ges 
gend die Brundrente des Waldbodens fehr gering if, fo verdient es 
unterſucht zu werben, wie weit diefe Erſcheinung ber jeßt betrachteten 
oder der vorhin (b) erwähnten Urſache zuzufchreiben fei. — Im Reg.⸗ 
Bezirk Danzig ift 1851 der Neinertrag des Morgens Staatswald auf 
10 Pfennige, im Reg.⸗Bez. Marienwerder auf 1,9 Sgr., in Bromberg 
3,4, Königsberg 4,1, Köslin 4,” Sgr. berechnet worden. Der Preis 
der Klafter if gegen 1'/a Thlr. Tabellen, IV, 15. — In Baiern war 
früger der mittlere Preis des Morgens Wald (Rudhart, Taf. XXXIV) 
26%, fl. in 5 Rentämtern des Yichtelgebirges, 23%, fl. in 8 Aemtern 
an den Alpen, 61%, fl. in 12 Aemtern in ebenem Lande oder bei guter 
Abfapgelegenheit. Die Klafter Brennholz galt in einigen Gegenden des 
Iſar- und Unterdonaufreifes nur zwifhen 30 und 40 kr., in manden 
Drten des Rheinfreifes aber 20—25 fl. Rudhart, ©. 112. Im 9. 
1844 ſchlug man den Reinertrag tes Morgens Wald im Durchſchnitt zu 
3f.9%Y kr. an, und die Graͤnzen waren 20 kr. (F.⸗Amt Partenfirchen 
in Oberbayern), 6 fl. 40 fr. (F.⸗Amt Steinwiefen, an der gäringif en 
Graͤnze). Die Forftverwaltung Baierne, Münden 1844, &. 117. — 


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(4) 


(ed) 


Sm baierifhen und Böhmers Walde find noch wahre, nie gehaue 
Urwaldungen,, in denen die Stämme verfaulen , ebenfo in ben hoͤchſt 
Theilen der Alyen. In dem Walde von Bialowirza in Litthauen, 
der Gegend von Bialyſtock (30 Q.⸗Meilen groß, wovon 22% Staat 
eigenthum) find (wegen der übereinander gehür ten Bäume) 15000 9 
unzugänglicher Urwald, ein Bild aus dem Alteften Zeiten Deutichlant 
De Brineken, Möm. döscriptif de ia for&t imper. de Bialowie: 
Varsov. 1828. — In Serbien gehört ber Wald den Gemeinde 
Jedermann kann Holz holen, daher wird der Holzpreis nur duch 1 
— Hauens und Foriſchaffens beſtimmt und eine Rente ſind 
nicht Statt. 
Es wird hier vorausgeſetzt, daß die Regierung noch nicht in die Bi 
haͤltniſſe der Holzzucht durch Geſetze eingegriffen babe; wo dieß der Fi 
it, da kommt in dem unbedingten Verbote des Rodens noch eine brii 
Urſache Hinzu, die den Holzpreis fehr niedrig halten kann. 
Die Provinz Rheinheffen bat nur 5 Procent ihrer Oberflähe Wal 
Der Steden (100 hefſ. oder 57 bad. Cubik⸗Fuß) Buchenſcheitholz g 
dort im D. 8 fl. 10 fr., Bichenholz 6'/5 H., Nadelholz 5 fl. und t 
Bedarf wird aus anderen Rändern, das Bauholz vom Schwarzwal 
und Fichtelgebirge herbeigeführt; es werden hie und da Repsſtroh u 
Stoppeln zum Brennen gebraudht, wie in dem ſüdlichen Theile v 
Ungarn Rot, Stroh, Unfräuter und Miftfuchen, die ein Handelsarti! 
find, und leptere auch in der Gegend von Odeſſa. Helfe, Müei 
befien, ©. 22. — v. Gfaplovics, Gemälde von ungam, I, 60. 
Auch in Mannheim und Heidelberg gilt (1863) die Klafter Buchenhe 
geaen 26 fl. — Viele Beifpiele von Waldungen in Gtoßbritanie 
welche ungeachtet des fahlechten Bodens einen hohen Ertrag gewähre 
bei Sinclair, Grundgeſ, S. 586 ff. — Beifpiele von Holzpreiſ 
in verfhiedenen Gegenden eines Landes. Baden, nah dem Str 
tarif von 1844, die Klafter (144 Eub.:%.) Nadelholz min. 31/g fl. 
einzelnen entfegenen Degiefen des Schwarzwaldes, 51/—7 fl. am Bode 
fee, 8-12 fl. um Karlarube, 10—12 fl. um Heidelbera, Nedlargegen 
max. 15 fl. in einem Theile des Amtes Brucfal. Der Eubikfuß Biche 
bauholz flieht von 7—24 fr., Nadelbauholz 4—18 fr. — In Würter 
berg galt 1845 die Klafter Buchenholz (max.) Forſtamt Leonbe 
18 E 10 fr. — min. Freudenſtadt 6 fl. 30 ke. ; Cubikfuß Gichenhe 
max. 19 fr. Tübingen, min. 12 fr. Freudenſtadt (Gmwinner). - 
Steiermart, Klafter Nadelholz max. 5—6 fl. in Graß, min. 1!/e I 
2 fl. bei Branphof. Hlubel, Landw. v. &t. ©. 92. — In Tir 
wird die Klafter Holz auf den Stamm zu 5 fr. — 8 fl. geſchaͤtzt, 
Salzburg von 10 kr. — 2 fl., Oberfärnthen von 40 fr. — Aafl. 10 8 
ehauenes Holz in Rordtirel zu 1 fl. 30 ie. — 6 fl. 40 fr., Dur 
Ppnitt 3 f. 30 fr. (Weſſely). Beiſpiel der Zunahme des Ho 
preffes längs einer Waſſerſtraße: 1837 galt die Klafter Buchenfcheite 
Baireuth 11%s fl., — Bamberg 14'/e 1 — Würzburg 181/5 fl., - 
Aſchaffenburg 24 fl. 


8. 387. 
If der Holzpreis fo niedrig, daß ber Waldboden im We 


gleiche mit anderen Bobenbenugungen nur eine geringe Ren 
giebt, fo hat dieß nachtheilige Wirfungen (a). 1) Es fehlt « 
einem Antriebe, Holz zu fparen und man ergiebt fi aus 2 
quemlichkeit einem verſchwenderiſchen Holzverbrauche (d). Ei 


— 507 — 


mäßige Erhöhung des Holgpreifes würbe dieſem vollswirthſchaft⸗ 
lichen Uebelftande abhelfen, ohne den Zehrern ſonderlich laͤſtig zu 
fein, weil man durch haushaͤlteriſche Einrichtungen beim Brennen 
und Bauen mit einem geringeren Holzvorrathe ebenfo leicht 
ausfommen fann (ce). 2) Man vernadhläffigt die Erfagmittel 
des Brennholzes, z. B. den Torf. 3) Die Waldeigner haben 
feinen Antrieb, bie Bewirthſchaftung ihrer Borften zu verbefiern, 
3 B. Blößen zu bepflanzen, beflere Holzarten einzuführen, Be⸗ 
ſchaͤdigungen und Mißbraͤliche zu verhüten und bergl., weil die 
hierauf gerichteten Ausgaben und Bemühungen ſich nicht bes 
lohnen (d). Die vorfiehenden Racıtheilehaben bie weitere Folge, 
daß bei niedrigem Holzpreife ein größerer Theil der ganzen 
Oberfläche eines Landes dem Holzwuchſe geroibmet bfeibt, als 
es bei einer anderen Handlungsweiſe nöthig wäre. 


(9) Bfeila. a. D. I, 522. 
(5) Darum läßt fih aus der wirflihen Berzehrung nicht auf den wahren 
Bebarf fhliegen, und es if ſchwer. dieſen genau auszumitteln. Im 
Deſterreich rechnet man auf die Familie jäprlih 6 Mafter Brennholz 
nes, Sahlenfat. I, Beil. XXI), Era da auf dem Jod in 
efterr. unter der Onns 0,M — ‚ur nit erzielt werben 

(nah Haas, Der BWaldfand im Erzh. Di iien, 1846) 
7,4 Joh = 16 pr. M. für die Familie anzeigt. Andere Halten das 
en einen Morgen auf den Kopf für — Im Nordamerica 
dert man nach Madifon für jede Feuerſtelie wenigſtens 10 Ares 
(15% pr. M.) Waldboden, Sinclair, Code, ©. 40 der 3. A. In 
Oberfleiermart werden im tin Ganzen zum Brennen, Bauen ıc. 13 after, 
in Unterfleiermart 7 1. auf die Bamilie angenommen, welche (zu 14 
Nlafter Zuwache vom Jod) 10,* und 5,9 Joch erfordern, Hlnbet, 
©. 91. 92. In ranfreih fommt auf die Familie ein ‚Heltar Bald: 
Räche, wobei die fimatifche Wärme des füblihen Yandestheiles und die 
Hülfe der Steinfohlen zu berüdfihtigen find. In Batern kommen 
(1844) auf die Familie 7,5, auf den Kon 1,9 Baier. Morgen Wald, 
und wenn eiwa 1 bad. M. — 1,4 pr. == 1,06 baler. ale der 
Bebarf eines Kopfes angefehen wird, » bleiben an 36 Proc. der Balds 
fläche übrig, deren Holzertrag in Gewerlen vgbraudt oder ausgeführt, 





oder deren Boden rung werden Fönnte. juter Korkwirthicaft 

und fleißiger Hol; wird im Klima * itſchiand das ges 

fammte 5 "er die Familie ausgefdlagen, sin mehr als 
on 


5 preuß. Bald fordern, alfo 1 pr. = 0,7 bad. Morgen auf 
den dem au, F% — bei — Benuf ubung ber Crfagmittel wird an mit 
läde ausreichen. Hunbeshagen rechnet auf ben 

au An — — en 2,5 pr. 
Ader, Grasland ıc. ——— n der Waltbedarf gegen Ha der Ehe 
zum Unterhalt erforberlichen Flache. — Wenn man das Nuß-, Meifig- 
er Knuvpelholz in Scheitholz ausdrüdt, darf man mit allen 
Zwiſchennuhungen den jäl mittleren Ho eirtes dollfomm: 
‚beftandenen_pr. mir J 

Umteiebe, Sb 

Bänder iR er —* viel 


508 — 


S. 221. — Dieſer jährlihe Holzzuwachs, der natuͤrlich von Klime, 
Boden, Holzart, Guͤte des Beſtandes und dergl. bedingt wird, iſt in 
den baier. Staatswaldungen auf 0,3— 0,8, Durchſchn. 0,5 Saft. 
zu 126 Gubiff. vom Tagwerk angefchlagen (0,1% Klaft. vom bad. == 
0,5 Klaft. vom pr. M.), Die Forftverwalt. Baierns, 1844, Taf. A. 
In Preußen wird er polihen 5,6 Qubiff. (Reg.sB. Danzig) und 30,0 
Erfurt), durchſchnittlich zu 15 Eubiffuß angenommen. Di 

tatift. Taf. IV, 16), in Frankreich zu 4,19 Steres vom Hektar (34,8 
pr. Gubiff. vom Morgen). In Baden trägt der Morgen im D. 79 Gubiff. 
Kiefern- oder 54 Eubiff. Buchenholz. Die Waldungen nehmen verhältnis 
mäßig in fhwachbevölferten Falten und in Gebirgsländern den größten, 
in frudtbaren warmen Flachlaͤndern den Eleinften Theil der Oberflaͤche 
ein. Bahlreihe Angaben bei v. Reden, Deutichland und bas übrige 
Europa ©. 56 ff. Beifpiele: der Wald beträgt 


Proc. 


Broc. 
0,8 hannoͤv. Prov. Oftfriesland, 
1,5—1,56 vier ruſſiſche Statthalter: 
fhaften am ſchwarzen und 


28 Ungam, 
29,3 Böhmen, 
29,8 Baiern, 


afowifchen Meere, 
2,° Sütland, 
4,% Bortugal, 
5,5 Spanien, Dänemarf, 
6—12 ruſſiſche Steppe, 
7,1 Niederlande, 
7,» belgifches Limburg (min.), 
7—8 banndv. Hügelland, 
10—10,3 Oſt⸗ und Weltflandern, 
11,4 Medlienburg, 
12,5 Hannover, 
13,17 preuß. Sachſen (min.), 


30,5 Sachſen, 

30,9 Rußland, 

31 Württemberg, 

32,* beig. Luxemburg, 

32,5 Baden, " 
34,2 Namur (max, von Belg.), 
35,8 Tirol, 

36,° europ. Rußland, 

40 Kurheſſen, 
41,4 Steiermarf, 
47,7 Siebenbürgen, 
62—91 ruf. Statth. Nomwgorod, 


15,4 Prov. Preußen, Perm, Koſtroma, Dlonez, 
16,8 Frankreich, Wiatka, Wologda, 

18,% preuß. Staat, 60 Schweden, 

18,3 Belgien, 66 Norwegen, 

25 Holſtein und Lauenburg, 75 Serbien, 

26 Mähren, Galizien, 79 Hannöv. Harz (Berghauptm. 
26,17preuß. Rheinland (max.) | lausthal). 


26,5 Deutichland, 


(Die Zahlen über Rußland nad) Tengoborski, über Belgien nad 
der amtl. Statiftif, über Hannover nad der Feſtgabe für 1852, I, 68. 
U, 5. Die Katafterzahlen,, die v. Reden benußt, geben 13,8 Broc.) 


Theilt man Frankreih in 4 Regionen, fo ergeben fi folgende Ber: 
hältniffe nach den älteren Angaben bei Faiseau-Lavanne, Rech. 
statist. sur les foröts de la Fr. Par. 1820. 4. 








Der Watt Heltaren auf 1 Kopf 





| 
| beträgt | Wald. | Ober he 
1) Nordweſt, 22 Dep. 81/a Proc. | 0,1 1,% 
2) Sf, AM =. 9 : ,0,% 1,* 
3) Südwe, 21 =. 10% 0,” 2,0 
A) Norol, 1 =. 23 | 008 1,0 
Banz Frankreich 13 o, Be 7.) 


— 509 — 


Das max. ber Bewalbung ift 38 Proc., Wogefen und Oberrhein, — 
fotann folgt 35 Proc. Dbermarne, Niederrhein, — 30 Proc. Maas, 
Dberfaone, — 29 Bror. Meurtfe, — 28 Jura, Este d’or, — 26 Ar: 
dennen, Nidvre, — 24 Doubs, Mofel. Diefe 13 aneinander gränzens 
den Dep. enthalten 32 Proc. aller Wälder in Frankreich. — Die holz 
ärmften Gegenden find: min. 2 Proc. Gorrdze, Morbihan, Finisterre, — 
3 Proc. Manche, Bendee, — 4 Proc. Eharente, Obervienne, Nord⸗ 
füfte, Rhone. 

Wenn der Kopf der Ginwohner 1 preuß. Morgen Wald nöthig hat, 
fo iſt die zur DVerforgung der Ginwohner erforderliche —8 bei 
1000 Menſchen auf der Q.:Meile 482/, Proc. des Landes, bei 2000 M. 
9,9 Proe., bei 3000 M. an 14 Broc., bei 40.0 M. 18,% Proc. , bei 
5000 M. 23,? Proc., bei 6000 M. an 28 Proc. Indeß darf man 
aus der Bergleihung dieſer Zahlen mit den vorhergehenden nicht fo: 
gleih auf Mangel oder Ueberfluß des Holzes Ichließen, weil nicht blos 
der a u, fondern aud der Bufand "der Waldungen hoͤchſt 
ungleich iſt. 


(c) Nur daß ſolche Cinrichtungen blos allmälig Eingang finden, zumal 
bei den weniger Begüterten, vgl. $. 384. 


(d) Der Holzertrag eines Morgens ift überaus verfchieden, ſowohl aus 
natürlichen Urſachen, als wegen der hoͤchſt ungleichen oehanblung der 
Wälder. Die Bernadhläffigung derfelben erſtredt ihre Folgen auf lange 
Zeit hinaus. Die hannöverfchen Domänenwaldungen tragen auf dem 
darie 66, in ben übrigen Landestheilen 30 Cubikfuß auf den falenb. 

orgen. 


$. 388. 


Der niedrige Stand des Holzpreifed und ber Walbrente 
wird jedoch felbft zur Urfache einer Aenderung, denn er giebt 
ben Waldbefligern eine Ermunterung, foldye Waldungen, deren 
Boden und Lage zu anderen Arten des Anbaues günftig ift, 
urbar zu maden, weßhalb zunächft die auf gutem Boden in 
den Ebenen, in der Rähe der Städte und Dörfer liegenden 
MWaldungen allmälig verfehmwinden, fodann auch andere, von 
benen die Holzabfuhr nicht fchwierig iſt (a). Bon diefen Ro⸗ 
dungen wird man fi nur dann abhalten lafien, wenn man 
noch nicht Mittel genug bat, um dad Rodeland als Ader, 
Wiefe ꝛc. gehörig zu benuben, oder wenn man zu beforgen hat, 
daß die zum Berfaufe audgebotenen Holzmaflen den Holzpreis 
ſtark herabdruͤcken. Sowohl wegen diefer Rüdfichten ald darum, 
weil in jedem größeren Lande ein Theil der Waldungen auf 
unbedingtem Waldboden fteht, werden in ſchwachbevoͤlkerten 
Ländern durch den freien Entſchluß der Eigner (5) viele Korften 
erhalten. 


— 510 — 


(a) &6 hängt jedoch viel davon ab, ob die meißen Walbungen im Beflge 
Fa taates und der Corporationen, ober fpermlirender tpesfonen 
nd. 


(3) Nämlich aud da, wo nicht forfipolizeiliche Berorbnungen dafür forgen 
und nicht große Staatswaldungen vorhanden find. 


$. 389. 


Die Holzgewächfe werben erft in einem ziemlich vorgerüdten 
Alter geerntet (a). Diefe lange Dauer der Holzerzeugung if 
die Urfache mehrerer Eigenthümlichfeiten, welche die Forſtwirth⸗ 
fchaft von den anderen Zweigen ver Landwirthſchaft fehr unter 
ſcheiden. 


1) Eine mit ganz jungen Holzpflanzen bewachſene Flaͤche 
giebt bei den meiſten Arten des Forſtbetriebes erſt nach einem 
ober mehreren Menſchenaltern eine beträchtliche Einnahme (b). 
Um jährlich Holz bauen zu können, muß man folglidy eine fo 
große Waldflaͤche befigen, daß darauf Bäume von jedem Alter 
bis zu dem Jahre der Haubarfeit in einer für die zwedimäßige 
Bewirthſchaftung nicht zu geringen Anzahl vorräthig fein können. 
Kleine Waldungen, in denen man nicht alle Jahre einen Hieb 
vornehmen fann, find deßhalb für die Eigenthümer unbequem 
und felbft bei gleicher Größe des mittleren Reinertrages ein 
weniger wünfchenöwerthed Befigthum, ald Gärten, Aeder und 
Wiefen. Hiezu kommt, daß in einem langen Zeitraum, 3. ©. 
von 70—120 Jahren, mancherlei Unfälle den Wald beſchaͤ⸗ 
digen können (c). Aus diefen Urfachen eignet fi) der Beflg 
von Waldungen, wenigftend von Hochwald, zwar gut für ben 
Staat, für Stiftungen, orporationen und reiche Privats 
perfonen, nicht aber für ſolche Einzelne, die nur mittelmäßig 
oder wenig begütert find. 

(a) Dieß iR 1) nothwendig für Bau: und größeres Werkholz, weil dieſes 
nur von alten Stämmen erhalten wird ; 2) vortheilbaft, weil theile 
der Saame, durch defien Nusfall die Fortpflanzung fehr leicht erfolgt, 
erſt in einem gewiffen Alter bes Holzes reift, theild aber ber jährliche 
Nachwuchs bei ganz jungen Stämmen viel ſchwaͤcher ifl, als bei etwas 
älteren, welche wegen der größeren Menge von Blättern weit mehr 
Naͤhrſtoffe aus ter Luft aufnehmen. In höherem Alter nimmt der Bus 
wachs wieder ab. Um daher von einer gegebenen Fläche die größte 


Holzmaffe zu erlangen, muß man die Baume zu einem anfehnlichen 
Alter fommen laflen. 


— 511 — 


Nah Cotta (Anweil. 3. Waldbau, ©. 228) ift der jährliche Zu⸗ 
wachs eines gut beflandenen pr. Morgens Wald auf Boden mittlerer 
Güte (5. Glaffe) in jedem Jahrzehend: 


bei einem Alter von Buchen. Kiefern. 
0—10 Jahren | 10,9 Gub.-$. 23 Eub.»$. 
10—20 ⸗ 18 ⸗ 47 ⸗ 
20—30 ⸗ 27 ⸗ 49 ⸗ 
30—40 ⸗ 28 ⸗ bl ⸗ 
40 -50 ⸗ 29 ⸗ 52 ⸗ 
50 60 ⸗ 31 ⸗ 54 s (mer) 
60-70 ⸗ 33 ⸗ 52 ⸗ 
70—80 ⸗ 35 ⸗ 51 ⸗ 
80—%0 ⸗ 37,6 = (mazx.) 47 ⸗ 
90 — 100 ⸗ 37,5 ⸗ 46 ⸗ 
100—110 ⸗ 37 eo 37 2 
110—120 ⸗ 36 ⸗ 33 ⸗ 


Nah den ſaͤchſiſchen Erfahrungen tritt das Maximum des Zuwachſes 
bei Bichen mit 120, Fichten und Tannen mit 70, Erlen 50—60, Birken 
40—50, Laͤrchen mit 40 Jahren ein. — Achnlihe Erfahrungsſaͤtze, in 
denen wegen vieler örtlicher Umſtaͤnde keine volle Uebereinftimmung fein 
fann, geben z. B.: Erfahrungstafeln ... nah Pfeil von Schneider, 
1843 — Pernitzſch, Unterf. über Zuwachs... der Wälder, 1842 — 
Th. Hartig, vergleichende Unterf. über den Ertrag der Rothbuche, 1847. 


(5) Es giebt jedoch Ausnahmen. Dahin gehören bie Anpflangungen von 
Meiden zu mancherlei Wlechtarbeit, welche jährlich gaeichnitten werden, 
wie in den Elbmarfchen bei Hambur (ala nad) Rordamerica) und 
Y Einblingen, bei Hoͤchſt am Main, Bad. landwirthſch. Correſpondenz⸗ 

att, 1853, Mr. 9. 


(e) Waldbrand, Maupenfraß, Verheerung des Borkenkaͤfers, Windfall, 
Schneedruck, uͤberhandnehmender Diesfahl u. dgl. — Dagegen hat bie 
Langfamleit des Wahsthums auch das Gute, daß der Holzertrag nicht 
unter dem Einfluß der Witterung von Jahr zu Jahr verfchieben ift, 
wie bei Feldfruͤchten, Obſt und dergl. 


$. 390. 


2) Die Holzzucht erfordert aus ber im vorigen $. anges 
gebenen Urfache einen großen Borrath von ſtehendem Holze, an 
welchem ber Rachwuchs erfolgt. Diefer Holzbeftand ift zwar 
dem Begriffe nach fo wenig ein Capital, als das Gras einer 
Wiefe, weil er noch von Ratur mit dem Boden verbunden ift 
($. 53), aber er bat doch darin mit dem Gapitale Achnlichkeit, 
baß er, wie dieſes, von dem unmittelbaren Berbrauche für pers 
fönlihen Bortheil verfhont und als Mittel zur Production 
neuer Güter benugt wird, und da es fo leicht ift, ihm jederzeit 
vom Boden zu trennen und folglich in einen beweglichen Güter 
vorrath umzuwandeln, fo darf man fi) der Kürze wien füglich 


-- 512 °— 


erlauben, ihn ale ein Holzcapital anzufehen. Die Erzeu⸗ 
gung dieſes Holzvorrathed geſchieht fat ohne Koften, haupt⸗ 
fählih von den Naturfräften (a), erfordert jedoch vieljährige 
Bewachung und Pflege. Der Eigenthümer fann zu jeder Zeit 
einen Theil diefer Holzmafle herausnehmen, in Geld umfegen 
und bdiefed auf eine andere Weife werbend anlegen. “Diefe 
Unternehmung wird einträglid), fobald der fernere Holzzuwachs 
im Berhältniß zu dem Holzcapitale Fleiner if, ald der Zinsfuß 
audgeliehener Summen. Sieht man blos auf die Maffe des 
Holzes, fo ift ed unbezweifelt, daß der Jahreszuwachs, obgleich 
er an ſich betrachtet biß zu einem gewiflen Alter der Bäume 
zunimmt ($. 389 (a)), doch in Procenten des Holzcapitals 
ausgedrüdt immer fchwächer wird (d), es tritt aljo bier einer 
ber Bälle ein, in denen zwar der Bodenertrag durch Anwendung 
eines größeren Capitales noch gefleigert wird, daflelbe ſich aber 
minder ergiebig nachweift, ald das früher angelegte Fleinere, 
$. 215 a). Hieraus entftcht aljo für den Waldbefiger eine 
Aufforderung, entweder dad ganze Holzcapital zurüdzuziehen 
und den Boden anderweitig zu benugen, oder wenigftend das 
ältere Holz hinwegzunehmen und nur Bäume bid zu einem 
folhen Alter Rehen zu laflen, in welchem der Holgbeftand 
durch den Zuwachs gehörig verzinft wird; es findet dann eine 
Abkürzung der Umtriebözeit Statt, wie 3. B. bei der Umwand⸗ 
lung des Hochwaldes in den Schlag oder Niederwald auf !/a 
oder noch weniger (c). 


(a) Ausgenommen, wo man den Wald anfäete oder pflanzte (Tünftliche 
Holzzudt). | 


(6) Nach den Erfahrungstafeln von Pfeil läßt fi für den preuß. Morgen 
eines gut beftandenen Waldes auf gutem Boden Folgendes annehmen: 














Buden. 
Alter Holzmafie in Eubiffußen Zuwachs in Brocenten 
. | —iiiiiip. NN iin 
im einzelnen [im D.desganzen| des einzelnen | bes ganzen 
ahre. Zeitraums. ahres. Zeitraums. 
10 182 0: | 1 21,7 
20 428 183,3 7,8 11,5 
40 1200 497,7 3, 
80 3153 13320 —* 2,0 


— 513 — 


— — — — — — — —— —— 
Kiefern. 
Alter Holzmaffe in Eubiffußen Zuwachs in Brocenten 
Te N. — 


un N\ — 


im einzelnen im Dedes ganzen, des einzelnen | des gangen 


Jahre. Zeitraums. Jahres. Zeitraums. 
10 I. 247 128,4 13,3 19,3 
20 575 275 6,7 10,4 
40 1359 624,9 3,3 5,4 
60 2210 1018,6 1,8 3,® 
80, 2955 1417 1,3 2,8 
100 3515 1792 0,8 1,9 
120 4067. 2133,6 0,5 | 1,8 


Hundes hagen berechnet die jährlihe Nutzung Höher, fo daß fie 
bei 60jährigem —E 5 an bei 90 ohren ‚ bei 120 Sabem 
2/s—3 Proc.’ betragen winde, Encyklop. II, 754. Forſtpolizei, ©. 47. 
In jedem alle iſt jedod die niedrige Verzinſung älterer‘ Beſtaͤnde 
außer Zweifel. ” I 

(e) Bergleihung der Hoch⸗ und Niederwaldwirthſchaft auf 1 preuß. Morgen 

Buchenwald in einem 120jährigen Zeitraume: 1) Hochwald mit 120jähs 
rigem Umtriebe. Ganze Holzmafje in 120 Jahren: 7030 Gubiff 
Klafterholg, worunter 52 Klafter Scheit: und 245 RI. —8* 3 
nebſt 53 Karren Wellen. Holzerlös 299 f., Zins im Laufe des Zeits 
raums 162 f., Summe beider 461 fl. Die Zinfen find nicht beträchtlich, 
weil erft die briffe uch forkung im 90. Jahre kine etwas erhebliche 
Einnahme giebt, die färfien Binnahmen aber vom 110. Jahre ‘an 

tatt Hana 2) Nieberwald mit 30jährigem Umtriebe, wobei aljo in 
20 Jahren viermal gehauen wird. Die ganze Holzmafle iſt nur 3450 
Cubikfuß Klafterholz, worunter 6 Klafter Scheitholz nebft 56° Karren 
Mellen, der Erlös alfo nur 156 fl. Aber die Zinfen, da fie vom erften 
Hiebe im’ Sojährigen Alter 90 Jahre lang, vom zweiten durch 60, vorh 
dritten wenigftend durch 30 Jahre bezogen werden, befragen zu 4 Proe. 
berechnet nah 120 Jahren 261 fl., wodurch der Ertrag des Nieder⸗ 
waldes auf 417 fl. ſteigt. Würde man mit Hartig (Lehrbuch für 
Körfter, II, 224, 6. Aufl. 1820) auch die Zinfeszinfen eintechnen, fo 
gäbe der Hochwald 541 fl., der Nieberwald aber 829 fl. Ertrag. 
Ein Riefernwald bei 60jährigem Umtriebe giebt mit @inrechnung von 
5 Proc. einfachen Zinfen nah 120 Jahren 39 Thlr. vom Morgen mehr, 
als bei 120jährigem Umtriebe. Wird in einem bisherigen Hochwalde 
der Nicderwaldbetrieb eingeführt, Ai ift ein Theil des Holzvorrathes 
entbehrlich. Aus der obigen Tabelle ergiebt fih, daß auf dem preuß. 
Morgen Buchenwald bei A0jährigem Umtriebe im Durchſchnitt 497, bei 
120jährigem 2306 Cubikfuß Holz fliehen müffen. Der Unterfchieb bes 
trägt 1809 Gubiffuß. Wenn man nun alles ältere Holz über 40 Jahre 
verfauft, fo giebt dieß eine einmalige Sinnahme, deren Zinfen reichlich 
den geringeren Holzertrag des Niederwaldes vergüten fönnen. Der 
mittlere Zuwachs in den erfien 40 Jahren ifl 30, in 120 Jahren gegen 
44 Cubikfuß, die jährlichen Zinfen je verkäuflichen Ueberſchuſſes find 
aber ſchon 72 Cubi tus gleih zu ſetzen. Bei neuen enalbanfagen ift, 
abgeichen von aller Berzinfung, das frühere Bintreffen der Nugung 
eine bedeutende Empfehlung des Niederwaldes, den daher auch Kaft- 

Auer (Der Lchrer im Walde, IL, 59) für den Bauersmann und bie 
art bevölferten Gemeinden vorzieht. — Bol. Dekon. Neuigf. 1823, 

I, 316. — Hartig, Abhandl. ©. 217. — v. Berg, Staatsforft: 

wirthichaftslehre, ©. 86. 

Rau, polit. Delon. 1. 7. Ausg. 33 


— 514 — 


6. 390 a. 


Die verhältnigmäßig geringere Einträglichkeit der Waldungen 
mit langer Umtriebgzeit fann durdy das allgemeine Steigen des 
Holzpreifes nicht abgeändert werden, weil dann zugleich der 
Erlös zunimmt, den man bei dem Berfaufe des Älteren Holz⸗ 
vorrathes erhalten fann. Nur dann wird der Hochwald oder 
überhaupt die Erziehung von älterem Holze vortheilhaft, wenn 
diejenigen Holzforten, welche ein längeres Alter zu ihrer Aus⸗ 
bildung brauchen, auch verhältnigmäßig theurer bezahlt werben, 
fo daß hiedurch die ſchwaͤchere Verzinfung nad) ber bloßen Holz- 
maffe wieder vergütet wird, wie denn auch Scheithol; höheren 
Werth und Preis hat als junge Stämme und Zweige, ferner 
Bauholz und viele Arten des Nutzholzes noch höheren (a). 
Das Mitwerben muß daher den Preis der älteren Hölzer foweit 
erhöhen, daß ihre Erzeugung feinen Schaben bringt, wobei 
jedoch zu bemerfen ift, daß Nadelholz, welches gerade wegen 
feiner Oenügfamfeit in Anfehung des Bodens fehr verbreitet ift, 
nicht ald Niederwald gezogen werben kann (b). Zum Brennen 
fann Altered und jüngere Holz gleihmäßig gebraucht werben 
und jenes wird daher gegen dieſes nicht mehr im Preiſe fleigen, 
als das Verhältniß der Hitfraft mit fich bringt, weßhalb nur 
zur Erzielung von ftarfem Baus und Nugholze die Aufzucht 
von fehr alten Bäumen Bortheil gewährt (ec). 


(a) Seiſpie den Pariſer Holzpreiſen gilt 1 Cubikmeter oder Stere 
d. Cubikfuß auf dem Stamme von 15—18jährigem Kohlholz 
b, 5, ne von 25—30jähr. Brennhol tis 66 Fr., von ——3 Nußholz 
44,5 rt. Journ. des Ec. XI, 264. In der Gegend von Heidelberg 
imurbe (Tarif von 1844) als Ditelpreis bes Eubiffußes angenommen : 
Gichen, Holländerholz 16—18 kr., Spalt- und Sägeholz 13—15Fr., 
Bauholz bis 6 Dide 12—13 fr., arennhol (die Klafter zu etwa 
100 Cubikfuß Mafle) 5,1—8,1 fr; Kiefern, Holländerholz 12 Fr., 
Spalt: und Sägeholz 10—12 kr., Baubol bis 6° Dide 9-12 fr.; 
Brennholz 6— 7,3 ir. — Hartig (Abh. S. 221) ſetzt den Eubiffuß 
Scheitholz (Kiefern) zu 1, Bau: und —2 zu 3, — (Prügel« 
Hol F 3/6, Stangen: und Reißholz zu AR „gast zu ®%s. Jaͤger 
D. beftimmt den Gubiffuß Baus, eit ale, Stock⸗ und 
ei, bei Cichen auf 15--6—5—4 Ir R Nach Beil giebt ein 
Morgen sojähriger Nadelwald 
l, Nutzholz — 39 ei. Sceitholzwerth 
2 ⸗Scheitholz = 23 ⸗ 
22 ⸗Knuͤppelholz = 18⸗ ⸗ 
—A 1 = 


— 5l5 — 


(8) Nadelholz fchlägt nicht aus dem Stode aus und pflanzt fi nur durch 
den Saamen fort, weßhalb die Verjüngung felten vor dem 70. Jahre 
erfolgt. Die Kiefer ift ein hoͤchſt (däßhares Mittel zur Benukung eines 
ſchlechten Sandbodens. 


(e) Beim Hochwalde dürfen die erſt in neuerer Zeit eingeführten Durch⸗ 
forftungen (Zwifhennugungen) nicht überjehen werden, nämlid das 
mehrmalige Hinwegnehmen der zu nahe bei anderen flehenden jüngeren 
Stämme. Der Durdforftungsertrag kann fih der Maſſe nach der Hälfte 
des Sauptertrages im haubaren Alter nähern. Jäger (Land: u. Forſtw. 
des Odenw. ©. 213) ermittelt den Holzbeftand eines heſſ. M. Kiefern: 
wald bei 75 Jahren auf 8550 — die in der Zwiſchenzeit ge⸗ 
nommenen Nutzungen zu 3600 Cubikfuß. 


8. 391, 


Wenngleich in gegebenen Fällen der befieren Berzinfung wegen 
bie Zucht von jüngerem Holze für den Waldeigner vortheilhafter 
fein mag, fo verhält es fih doc in volfswirthfchaftlicher Hin⸗ 
fiht anders. Hier entfcheidet nicht die Geldeinnahme bed Eins 
zelnen, fondern die nad) dem concreten volfdwirthichaftlichen 
Werthe bemefiene Größe ded Volfseinfommens, und für dieſe iſt 
ber frühere Empfang einer Holzmafle, der nur eins für allemal 
Statt findet, fein hinreichender Erfag für den fortwährend ges 
ringeren Holzzuwachs. Eine gewifle Holzmenge, die neben dem 
gewöhnlichen Sahreserzeugniß außerordentlicher Weife einmal in 
den Berfehr tritt, ann keineswegs ganz ald Vermehrung bes 
Rationalcapitaled betrachtet werden, indem ein größerer Borrath 
einer einzelnen Waare ohne gleichmäßige Vermehrung der übrigen 
wenig zur Gütererzeugung nügt. Man wird blos darum, weil 
gerade jeßt mehr Holz angeboten wird, bie holzverzehrenden 
Gewerfe nicht erweitern, weil diefer Umftand nicht dauernd ift. 
Daher wird nur der Holzpreis für einige Zeit erniedrigt, wobei 
die unproductive Verzehrung ded Holzes etwas zunehmen fann (a). 
Könnten freilich die neu hinzugefommenen Holzmafien im Aus- 
lande vortheilhaften Abſatz, oder zufällig gerade im Lande eine 
gute Verwendung ald Capital finden, fo wäre ein volfdwirths 
fchaftliher Nugen vorhanden. Diefen felteneren Fall ausge⸗ 
nommen darf man den auß jener Umwandlung entipringenden 
dauernden Nachtheil, daß die ganze Waldflaͤche einen geringeren 
toben und reinen Ertrag giebt und folglich zur Erlangung einer 
gleichen Holzmenge mehr Wald nöthig ift, für die Volkswirth⸗ 
[haft als überwiegend anfehen (5). Der Boden wird fchlechter 

338 


— 5i6 — 


benutzt und bie größere Einnahme der Waldeigentfüme muß 
von den übrigen Bürgern getragen werden: (c). 


(«) 


(8) 


(e) 


Abweichend Pfeil, Srundf. I, 95: „Der Bortheil, welchen der kürzere 
Amtrieb gewährt, beficht für den Binzelnen wie für das Allgemeine 
ganz [eich darin, daß der im Holze vorhandene Erwerbflamm inder 
und Öfter in ein Gelbcapital verwandelt wird, und. dieſes, ader der 
CErwerbſtamm im @elde, einen höheren Extrag giebt, ale das Holzeapital 
oder der Exrwerbflamm im Holze.“ Das Fehlende an Holz ſoll von den 
Zinſen des erworbenen Geldcapitales leicht angefchafft werden. Können. — 
Diefe Anficht widerlegt fi) durch die genaue kung des Geldes 
von anderen Beftandtheilen. des Gapitales, 9. 123. 13% Das: Volt 
wird in einem folden alle, wie der angenommene, nicht um eine 
Geldſumme reicher, denn die Geldmenge des Landes bleibt diefelbe, 
fondern nur um eine Menge von gehauenem Holze, und es if die Frage, 
ob diefe das Bolkseinfommen ſoviel vermehren kann, ale es durch den 
Zuwachs am ſtehenden Holze geſchieht. — Gegen Pfeil f. Linz, 
Bertheidigung des Böhfinadha tigen Forflnaturalertrages ... . ©. 23 
(Trier, 1824). Für die Vorzüge des Hochwaldes and, Noirot, Traité 
de ie eulture des fortte, Paris, 1832, und de Chateauvieux in 
Bibl. univ. Juni 1832, ©. 186. — Der Niederwald hat allerdings 
wieder ben Vortheil, teichter beiwirthfchaftet zu werden und beffer gegen 
Vebergriffe geihüßt zu fein. Vgl. Quart. Bev., Dee. 1827, ©. 591. 
Erfolgt der Mebergang in eine Fürzere Umtriebszeit langſam, fo vertheilt 
fih der Berkauf des Älteren Holzes auf eine Reihe von Sahren air die 
Breife werden weniger erniedrigt, endlich aber tritt Doch ber fortdauernde 
geringere Holzertrag ein. Bgl. v. Berg ©. 87. 

Wenn 3. B. ein Bolt 7 1 Mi. Klafter Brennholz noͤthig Hätte 
fo wären dazu erforderlich (die Klafter von 144 Eubi zu 100 Subiff. 
Holzmaffe geſetzt) nach den badifchen Grfebrungen auf Mittelboben (aus 
den Nachrichten bei v. Wedekind, N. Jahrb. d. Forfitunde, XV, 135. 
Darmfladt, 1839 berechnet): 1) von Buchenhochwald mit Hojährigem 
Umtriebe 11/s Mill. bad, Morgen, von denen 16666 jährlich abgetrieben 
würden, 2) von Buchenmittelwald mit 30fährigem Umtriebe 2811000 
Morgen, deren 93700 jährlih gehauen würden; man braucht alfo 
1'311000 Morgen mehr. 


Zweiter Abſchnitt. 
Verhältniffe der Gewerke. 


6. 392. 
Die Volkswirthſchaft verbankt den Gewerfen 1) eine große 


Bermehrung ded Gütererzeugniffes, indem eine Mandfaltigfeit 
nüglicher und angenehmer Dinge, bie zu ben verſchiedenſten 
Zwecken bienlich find, hervorgebracht und ber Werth; der bay. 


— 517 7° — 


gebrauchten rohen. Stoffe: verwielfecht wird ($. 98. 102), 2) bie 
Beſchaͤftigung : einer zahlreichen Volksclaſſe, hauptſaͤchlich in den 
Städten, 3) eine Beranlaffung zur Ausbildung vieler Zweige 
der Kunft ſowie zur wiſſenſchaftlichen Erforſchung der Raturs 
gejege, 4) eine gümftige Rüdtvirkung..aufidie Erdarbeit, theils 
wegen bed Abſatzes, den die rohen Stoffe bei den Gewerks⸗ 
unternehmern finden: (8. 365), theils wegen / der Berforgung ber 
Erdarbeiter: mit Werkzeugen, 'Mafchinen und. Genußmitteln (a), 
5) eine beſſere Gelegenheit, als fie ſtch in der Hogelibei: rohen 
Stoffen findet ($. 364), Lanbeserzeugnifle ind Ausland zu 
fenden und .damit andere nüglicdye Dinge: einzutaufchen. 

(a) Binige | ſetzen deßhalb hie Gewerke über die: Erdarbeit N} B. Slafer, 


bie. Bedeutung der Inbuftrie, 1845, ©. 18), allein diefe Jiefert 
immer erſt den Str, aus welchem ae Kunfivaaren ‚bereitet werben. 


8. 393. 


Kein Bolt, welches das frühefte Kindesalter der wirthfchafts 
lihen Entwidlung überfchritten bat, kann ohne Bewerte: fein. 
Diefe: werden urfprünglich in jeder Familie als Nebengeichäfte 
betrieben und find auf. die. Bereitung und Verfertigung ber noth⸗ 
wendigſten Dinge, als Rahrung, Kleidung, Wohnung, Gerätheic. 
befchränft (a), Löfen ſich allmaͤlig bei der fortfchreitenden Arbeits- 
theilung als felbftftändige Gewerbe ab und nehmen bei fteigen- 
ber Bildung und Wohlhabenheit fomohl an Ausdehnung als 
an Güte: der: Erzeugniſſe fortwährend zu. Der verfehiedene ‚Grad 
. ‚von Ausbildung, den die Gewerke in einem Rande: erreicht. haben, 
laͤßt ſich fchon- in dam Zablenverhältniß zwiſchen den Erb» und 
Gewerksarbeitern erfennen,. und dieß Verhaͤltniß zeigt. von Rand zu 
: Land große. Vesfchiedenheiten. :Bald machen die Gewerftreibenden 
nur einen: Heinen Theil der Einwohner aus, bald bilden fie die 
‚Mehrzahl. Das :'Emporfommen - der Gewerke wird außer ‚ber 
Neigung und Geſchicklichkeit der Urbaiter (5) zugleich durch das 
Dafein eines. binzeichenden Capitals und’ durd die Gewißheit 
rined guten. Abſatzes für die Gewerkserzeugniſſe bedingt. “Der 
Abſatz bietet ſich allmälig im Innern des Landes felbft 
‚dar, fowie der Reinertrag der Erdarbeit zunimmt und hieduxch 
die Mittel zum :Anfaufe von Gewerkswaaren ſich vermehren, 
‚and: wenn; zugleich das Beduͤrfniß ober wenigſtens bie Neigung 





—— 518 — 


zum Gebrauche verfchiedener Kunftwaaren anwaͤchſt. Die Ge⸗ 
werfe gewinnen bei ben Fortfchritten der Erbarbeit größeren 
Umfang und vervolllommnen fidy, wirken aber auch wieder vors 
theilhaft auf jene zurüd und dieſe beiden Hauptzweige der Guͤ⸗ 
tererzeugung befördern ſich alfo wechfelfeitig. Indeß wird bie 
Entwidlung der Gewerke befchleunigt, wenn fidy Gelegenheit zum 
auswärtigen Abſatze von Kunftwaaren findet, weil dann 
einzelne Zweige, zu beren Betreibung befonderd günftige Bes 
dingungen vorhanden find, in kurzer Zeit großen Umfang er» 
reichen koͤnnen (c). 


(a) Diefe Häusliche Berfertigung von Gewerkswaaren für den eigenen Be⸗ 
darf wird in entlegenen (wach bevölferten Gegenden noch Net ange: 
teoffen, vermindert fi aber allmälig, vgl. Dluffen, Beiträge zu 
einer Ueberſ. d. Nation. Induſtr. in Dänemarf, S. 180 (deutih v. 
Bliemann, Altona, 1820). 


(6) Die Araber in Spanien waren fehr Funteißig. Die Verarbeitung der 
Seide und Baumwolle, die Faͤrberei, die Bereitung feiner Lederforten ıc. 
befchäftigte viele Menihen und die Hauptfike diefer Gewerke, wie Gra⸗ 
nada, Cordova, Sevilla, waren überaus blühend. Die Unterwerfung 
ber Araber unter die chriftlihen Könige und die Bertreibung der erfteren 
zerlörten diefen Wohlftand. 


(e) Während des Mittelalters erhob fich ber Wohlſtand der Städte im nörb- 
lihen Europa mit Hülfe des auswärtigen Verkehres unabhängig von 
dem Landbau und wirkte dann fürdernd auf dieſen ($. 365); die Ur- 
fache hievon lag vorzüglich in der rechtlichen Stellung der verichiedenen 
Volksclaſſen. Smith, 3. B., 3. u. 4 Gap. befonders II, 202. 


8. 394. 


In Ländern von ſchwacher Bevölkerung und wenig ents 
wideltem Gewerbeweſen werden wenige Gewerke betrieben, weil 
es an Capital und gefchicdten Arbeitern fehlt, während bort die 
Landwirthichaft herkommlich als Hauptnahrungszweig angefehen 
wird und da, wo ſich gute Verfendungsmittel, befonderd Waſſer⸗ 
ftraßen, finden, die Gewinnung roher Stoffe zur Ausfuhr 
vorzüglichen Eifer auf fidh zieht, $. 186. In diefem Zuftande 
beichränft fich der einheimifche Gewerföfleiß auf die Verfertigung 
oder Bereitung folcher Kunftwaaren, die zur Befriedigung ber 
bringendften Bebürfniffe dienen und leicht zu erzeugen find, 
während die eine höhere Stufe ber Kunft erfordernden Waaren 
von außen eingetaufcht werden, bi8 nad) und nad die Ans 
häufung von Gapital, der Anwachs der Volksmenge, die Vers 
breitung nüglicher Kenntniffe und die höhere Berftandesentwidlung 


— 519 — 


audy zur Betreibung ber fchwierigeren Gewerkszweige ermuntern, 
wozu auch bisweilen die wachfende Schwierigkeit der Ausfuhr 
von Bobdenerzeugniflen mitwirkt. Je mehr dieß gefchieht, deſto 
mehr nimmt ber Wohlftand zu, und die Blüthe der Volfswirth, 
fhaft wird dann erreicht, wenn die Erdarbeit mit den Geiverfen 
im Gleichgewichte fteht, auch beide gleihmäßig mit dem 
Beiftande von Kunft und Capital geübt werden (a). 


(a) Dune Berfuche, L Abth. — Das oben erwähnte Gleichgewicht beider 
auptgemerbe wird auch von Lift, Das nationale Syftem ıc. ©. 20. 
236, als wünfchenswerth gefchildert, aber der Zufland der vorherrichens 
ben Landwirthſchaft der Erfahrung entgegen zu ungünflig bargeftelt. — 
Die Herftelung diefes Gleichgewichts erfolgt in einigen Ländern fchnell, 
in anderen hoͤchſt langſam, fo daß Jahrhunderte lang die Erbarbeit das 
Hauptgewerbe bleiben fann. Sowohl die Maafregeln der Regierung, 
als manche Orts: und Zeitumftände wirken auf dieß Verhaͤltniß in fehr 
verschiedener Weile ein. — Unterfucht man die Urfachen der ſtaunens⸗ 
werthen Ausbreitung des Gewerksweſens in Broßbritanien, fo wird man 
nit auf einen einzigen Umſtand, fondern auf einen günfligen Zufams 
menfluß mehrerer en Mac:Eullodh (Stat. acc. II, 35) 
führt als folche auf: 1) moralifche Urſachen; Sicherheit der Perfonen 
und des Gigenthums, — Freiheit im Gewerbewefen, — Allgemeinheit 
des Unterrichtes, Verbreitung von Büchern und Zeitfchriften ꝛc., — 
bereitwillige Aufnahme geihidter Ausländer, — den in der Ungleichheit 
des DBermögens und felbf in der Befteurung liegenden Sporn zum 
Fleiße; 2) natürliche Urfahen; Reichthum an inländifchen Rohfloffen, 
vor Allem an Steinfohlen, deren Lager man als Kraftmagazine (hoarded 
or warehoused power) anfehen fann (vgl. $. 120), und die Infellage 
des Landes, welde den Berfehr mit andern Ländern überaus erleich⸗ 
tert. — 86 ift zur Stläuterung der obigen Süße Ichrreih, das Ber: 
haͤltniß zu erforfdien, in welchem unter den Ausfuhrgegenftänden eines 
Landes die rohen Stoffe und die Gewerkswaaren zu einander ftehen, 
allein die ftatiftifhen Angaben hierüber find großentheils nicht genau 
nad diefem Unterfchiede eingerichtet, indem fie z. B. bisweilen die halb- 
fertigen mit den ganz rohen Stoffen zufammenwerfen. Beifpiele einiger 
Staaten: Zollverein 1852, aus den Zahlen bei Hübner (Sahrb. LLI, 18) 


berechnet, ungefähr: 
Broc. der Ausfuhr 
landwirthſchaftliche Erzeugniſſe 35 


Mineralfioffe. -. . .» . . 7 
Grzeugnifle einfacher Gewerke 5 
Erzeugniffe fünflliherr . . 53 

100 


In Belgien beftand im D. 1841—50 bie Ausfuhr aus 40,? Procent 
Kunftwaaren, 44,9% Proc. Berwandlungs: und Hülfsfloffen (matitres 
premidres) und 15 Proc. rohen Stoffen zur Berzehrung für unmittel 
baren Genuß (denrdes), Situat. IV, 156. In Deflerreich betrugen bie 
Kunftwaaren mit Ausfchluß der fogenannten Halbfabricate 1852 31 Proe., 
in Frankreich die Bewerfswaaren 1837—46 41 Proc., in den vereinigten 
Saale 1850—51 41 Proc. Serbien führt faft nur Vieh, Häute und 
olle aus, 


3 


— 220 — 


$. 395. 


Die Gewerke ſtehen dann im völligen Zufämmenhange mit 
der Erbarbeit eines Landes, wenn fie 1) deren Erzeuhniffe ver⸗ 


‚arbeiten, wenn zugleich 2) bie Arbeiter inländiſche Lebeisintttet 


verzehren und auch 3) ber Abfag großentheils an die Lundes⸗ 
bewohner geht. Wenn aber die Gewerke ſtark zünehnlen, ſo wird 
dieſer Zuſammenhang leicht unterbrochen, bald geht man zur 
Verwendung fremder Verwandlungs⸗ und Hülfsfoffe über, bald 
überfteigt die Erzeugung ben inländifchen Bedarf, und fo ift 


‚öfters ſelbſt in Ländern von geringer Bruchtbarfeit eine fchnellere 


Volfövermehrung hervorgerufen worden, als es ohne dieſe Be- 
rührungen mit dem Auslande gefchehen wäre (a). ‚Eine foldhe 
Lage der Dinge bringt eine bebeutenbe Gefahr mit fi), weil 
fowohl im Einfaufe der fremden Verwandlungs⸗ und Huͤlfs⸗ 
ſtoffe und Unterhaltsmittel als im Abſatze der Gewerkserzeug⸗ 
niſſe, alſo von zwei Seiten, Stoͤrungen moͤglich find (6). Der 
auslaͤndiſche 5* insbeſondere kann bald von ven Maaß—⸗ 
regeln anderer Regierungen, bald von dem neuentſtandenen Mit⸗ 
werben anderer Voͤlker geſchmaͤlert werden, und es geſchieht 


leicht, daß man im Vertrquen auf die fortdauernde Erweite⸗ 


rung des auswaͤrtigen Marktes die Hervorbringung einzelner 


Arten von Gewerkswaaren übermäßig ausdehnt, was dann 


empfindliche Verluſte nach ſich zieht. Bei großem Schwunge 
bes, auswärtigen Handels, zumal wenn er von einer "audges 
behnten Schifffahrt unterftügt wird, ift man eher im Stande, 
ſolche Stoͤrungen zu uͤberwinden 5, am gewaltſamſten wirfen 
diefe dagegen in Gebirgsgegenden, in denen wegen ber befchränf; 
ten Theilnahme am Welthandel ben unbefchäftigten Arbeitern 
und Gapitalen nicht fo bald andere Wirfungsfreife angewiefen 


werden fönnen, und aud die eigene Erzeugung berjenigen 
Waaren, die man. fonft vom Auslande eintaufehte, großen 
‚Schwierigfeiten unterliegt (d). Rege Betriebfamkeit weiß fich 


indeß vielfältig neue Nahrungsquellen zu eroͤffnen (2). 

(a) Ueber die Volksvermehrung in den englifchen Fabrifgegenden ſ. 
$. 126. 196. 

(2) Noth der Spigenklöpplerinnen in der Gegend von Tondern in Schles⸗ 


wig, wegen des verminderten Abſatzes. Sie verdienen woͤchentlich nur 
gegen 40 Fr. und werden wegen bes Sitzens bei ſchlechter Koſt meiſtens 


@ 


eo 








Ichwächlii Hanffen, Statik. Forſch. über das se Schleswig, 
‚Seibelb. 1832, I, 50, 60. Wedrängnig der (hlefliden delnweber wegen 
Ungufänglicfeit des Stage, Säneer, Ueber die Moth der Leinens 
arbeiter * Schleiien, Berl, 1844. in auffallenbes Beiſplel der Nach⸗ 
theife, tweldhe Die Abnahme des Abfapes nad; großer Erweiterung beflelben 
verurlacht,, giebt der Verfall des Leinengewerks in Klandern. In Of- 
und Weitflandern, Brabant und Gennegau waren 1843 194.091 Spinner 
und Spinnerinuen, 57821 geinweber, 76337 Flahebredher und Hedhler. 
&s wurden 1839 in beiden Handrifchen Ptopinjen 255471 Std, 1848 
nur 129774 St. Leinwand auf den ten verfauft. Die belgiihe 
Seinwanbausfuhr belief fi 1938 auf beinahe 37 Mill. fr., 1846 auf 
etwas über 20 Mill. Daher der geringe Lohn. Viele Weber verdienten 
nur gegen fir. gti, 1848 erhielten in Oftflandern allein 
18616 Weber und 49513 Spinnerinnen Almofen. Genaue Darftellung 
diefes Zuflantes in Ducpötiaux, Mömoire sur le’ paupsrisnie dans 
les Flandres. Brux. 1850. 
In diefer kan iR Großbritanien. Es ift — unvermeidlich daß bei 
dem großen Umfange einzelner Gewerközweige bisweilen Erfcütterungen 
eintreten, bei denen viele Familien in — getathen, aber wegen DIE 
lebhaften Handels mit allen Erdtheilen der immer bald neue Abſatzwege 
auffindet, und des Hohen Kunfifleißes wußte man doch die Derlegens 
heiten {immer inieder * heben. Aud) in Veigien zeigt ſich ein foldhes 
Borberrichen bes Babrifiwefens, aber ohne die Hülfe' eines fo ausgedehns 
ten Seehanbels, wie ihn Großbritanien befipt. 
Bimonde, Nour. prino., I, 289. — Miflafte müffen in ſolchen 
Fabrifgegenden, welche ihren Getreidebebarf von außen beziehen, bie 
tgaurigftien Folgen ben, Beifpiele gen die Roth des fähfihen Erz⸗ 
gebirges und ber Ichweizerifchen Wabtifgegenden in ven Jahren 1816 
und 1817. ‘Der Canton "Appenzell verlor 1817 '3425 Menicen - oder 
6 Proc. der Bolfsmenge, die inneren mehr mit. Viehzucht beihäftigten 
Roden ertrugen aber die Noth leichter als die dußeren. Zollitofer, 
Das "ounperlahr 1817.68. Gallen, 1818. 10. — Nicht minder furcht⸗ 
bar war die Roth in ben beiden Thaͤlern von Glarus, die ebenfalls 
viele Yaummwollenarbeiter Haben, und bas Aufhöten’ des Hanbipinnens 
zufvlge der Mafchirienfpirinerei trug zur Bergrößerung bes Elends bei. 
Das Füͤrſtenthum Neuenburg hatte fon 1781 unter feinen 40000 
Sinmghnern nur 6000 Sandbauende, dagegen 7300 mit Raltuns, Spipen: 
und Ührknfabrication‘ beihäftigte Arbeiter. Blos Im Balder Travers 
taren nah "Bicof'(Statist. ©. 533) 1930 von den :4950 Binwohnern 
it Spigenflöppeln, 1156 Menfchen mit Uhrmachen und Verfertigen von 
Hi) rächertvertzeugen beichäftiget. ’ Descript. topograph.'de 1a Chatellenie 
du Val-de-Tyavers, 1830., — Der-merfwürdige Habrifort Barmen erhob 
Lu vermöge, diefer in der Betriebfamfeit fiegeneen Kraft, neue Hülfes 
ittel zu eriaffen. Den Anfang’ wachten die Sieichen, daju fam um 
das Jahr. 1709 die Berfprtigung von, Leinenbändern und. Nähzwirn, 
fpäter die Echnürriemen, Zwirnfpigen, bie'gefreiften @einenzeude und 
die Färhereien, nad) dem fiebenjäl rigen Kriege die halbbanınwollenen 
Zeuhe (Siamoifen) ı. Barmen (1846 mit 33000 @.) hatte 1836 
8412 Bandfühle, 78 Pärbtreien,, 30 Bleihen, 210 Baumiollenweb: 
müßte 1. dv. Biebahn, Etatif. des R.+®B. Difleld. ©. 178. — 
Holuftmalger im Badifhen Echwarpwalde, deren Rbfap bie’ America 
und Afen geht. Im Jahr 1844 zählte man 1123 Meifter mit 694 Ges 
hülfen, daneben 364 Meifter und T16 Gehülfen in einzelnen zugehori⸗ 
en Gewerken, als Verfertigung der @eftelle, Ketten,’ Räber, jilden'sc. 
Indeſſen werben bie Mäder und Aren längft aus Metall gefertigt. 
Neuerlih Hat’ man’ die Derfertigung 'metallener Tafdyenuhten zu Sk 








— 522 — 


genommen. Die nordamericaniſchen Holzuhrfabriken hoͤrten bald wieder 
auf, dem Schwarzwalde zu ſchaden. — Holzſchnitzer in der Gegend 
von Sonneberg, wo neuerlich die Verfertigung ber Waaren von 
Papierzeug (papier- mache) hinzugefommen ift, — in der Umgegend 
von Berchtesgaden und im Gröbner Thal (Val Gardena) in Tirol, wo 
das Bildfchnigen 1703 feinen Anfang nahm und gegen 2500 Menichen 
beider Geſchlechter mit demfelben beichäftigt find, aber die Verminderung 
ber Zirbelfiefer (pinus cembra) fehr läflig empfunden wird. Weber, 
Das Land Tirol, ILL, 127. 


$. 396. 


Die Gewerke fönnen in Berbindung mit der Land— 
wirthſchaft getrieben werden, fo daß die Lohnarbeiter und 
auch wohl die Heinen Unternehmer fich abwechfelnd mit beiden 
Verrichtungen befchäftigen. Hiebei bildet dad Gewerf entweder 
nur die Nebenarbeit, die der Landmann zur volftändigen Aus- 
füllung der Zeit zwifchen den ländlichen Gejchäften, beſonders 
im Winter, zu Hülfe nimmt, — ein UÜeberreft des Alteften Zu⸗ 
ftandes, in welchem es noch Feine befondere Claſſe von Gewerks⸗ 
unternehmern gab (8.393), — oder es ift vorherrfchender Nah⸗ 
rungszweig und der Gewerfömann ſucht nur nebenher feinen 
Bedarf von Nahrungsmitteln felbft zu bauen, wozu fhon ein 
Feiner Orundbefig genügt, $. 372 Nr. 2). Diefe Verbindung 
zweier verfchiebenartiger Gewerbe, beſonders die erſte Art, ift in 
Beziehung auf die Güte und Menge der Erzeugniffe nicht vors 
theilhaft, denn die Arbeiter fönnen in dieſem Falle nad) dem 
Geſetze der Arbeitötheilung ($. 114) nicht leicht fo große Ges 
fhidlichfeit erlangen, als wenn fie fich ausfchließend auf eines 
von beiden Gefchäften beichränften, auch ift die Unterbrechung 
in mandyen Hinfichten ftörend und der Anmendung ber beiten 
Runftmittel hinberlih. Die zweite Art der Verbindung, bei 
welcher die Landwirthſchaft eine untergeordnete Stelle einnimmt, 
erfcheint in Bezug auf die VBollfommenheit bed Gewerföbetriebes 
als weniger ungünftig, ift aber doch von jenen Mängeln nicht 


ganz frei. 


8. 397. 

Bon einer anderen Seite hat dagegen biefe Betriebsart eins 
leuchtende Vorzüge. Die Arbeiter befinden fich bei berfelben 
in einem vortheilhafteren und gefichertern Zuftande, als wenn 
ſie nur ein einziged Gewerbe hätten, fie vermögen ſich während 


— 523 — 


einer Stodung bed Abſatzes leichter zu erhalten und werben 

auch von Mißernten und Theurung minder hart getroffen; fie 

leben ferner wohlfeiler, ald wenn fie alle Xebensmittel kaufen 
müßten, auf dem Lande find ihre Beduͤrfniſſe einfacher und die 

Preife der einzufaufenden Dinge, 3. B. Holz, niedriger, fie 

find folglich im Stande, ſich mit geringerem Lohn und GOewerbs⸗ 

verbienft zu begnügen und bie hieburch verurfachte Wohlfeilheit 
ihrer Erzeugnifle verfchafft denfelben Leichter Abſatz. Die Ab- 
wechslung beider Beichäftigungen ift für das Eörperliche Wohl 
befinden hoͤchſt zuträglich und das Zufammenwirfen der Familien⸗ 
mitglieder von verfchiedenem Geſchlecht und Alter befördert nicht 
blo8 ber Arbeitstheilung wegen die wohlfeilfte Ausführung der 

Berrichtungen, fondern audy das einträchtige Yamilienleben, fo- 

wie den guten Einfluß der Aeltern auf die Kinder (a). Es Fönnen 

jeboch nur diejenigen Gewerfözweige in biefer Verbindung mit 
der Landwirthſchaft betrieben werden, bie weder einen hohen 

Grad von Gefchielichfeit, noch große foftbare Hülfsmittel, wie 

Mafchinen, Oefen ıc., noch auch das Imeinandergreifen vieler 

Arbeiter erheifchen (6). Iſt das erforderliche Capital gering, 

fann 3. B. der Berwandlungsftoff in der Nähe angelauft oder 

von dem Arbeiter felbft erzeugt werben, jo wird es biefem moͤg⸗ 
lich, auf eigene Rechnung, als Unternehmer thätig zu fein, nur 
muß er dann, wenn ber Abfat die Verſendung in andere 

Gegenden nothwendig maht, das fertige Erzeugniß an einen 

Auffäufer (Verleger) zu verkaufen fuchen, um feine Auslagen 

bald erftattet zu erhalten. 

(a) Rau, Anfichten, S.106. — Cordier, Agric. de la Fl. fr, ©. 27.28. 
In jedem Bauernhaufe in Flandern wird gefponnen und gewoben, ebd. 
©. 34. — In der Gegend von Leeds, Hubdersfleld und in Nord⸗ 
Wales find viele Tuchmacher, die zugleich einige Acres Land bauen. 
Man hat fogar Mafchinen, auf denen foldhe Weber für Lohn arbeiten 
lafien können, fo daß fie auch in der Güte der Waaren mit den Yabris 
fen zu wetteifern im Stande find. Die Bortheile dieſes „domestic 
system“ in der Wollenverarbeitung find anerfannt. Mac-Culloch, 
Statist. acc. II, 37. — Berfertigung von vielerei Gegenftänden aus 
Knochen, Elfenbein, Perlmutter ıc. (tabletterie) im franz. Dep. Dife, 
wobei die Yamilien mit Hülfe von einigem Feld: oder Bartenbau in 
MWohlftand , zugleich gefittet leben. Ein gewöhnlicher Arbeiter verdient 
täglich 2—2%/4, eine erwachfene Arbeitern 1— 11/; Fr M. Mohl, 
Aus den gewerbswifienfh. Ergebniſſen einer Reife in Frankreich, 1845, 
©. 108. — Unter die nüglichen Seiten diefer Berbindung gehört, daß 


die Zwifchenzeiten zwifchen den Feldarbeiten vollſtaͤndig ausgefüllt find, 
daß alle Bamilienglieder, felbf Kinder, zum Erwerbe zweckmaͤßig bes 


— 524 — 


-fehäftiget werden koͤnnen und die- deluma ‚des. 
ne lidhe unſchaͤdlich ru e Berſtũ 9 des Mrundeigen⸗ 


(5) Borzüglich die Bearbeitung des Flachfes, Weben, Schmieden c. — Die 
Weberei tft eine ſehr häufige Belchäftiguug der! Landleute mınd eignet 
fh darum .fehr gut für fie, weil man: eine „große. Menge gen 
Zeuche nöthig bat. Im preußifchen Staat waren 1843 276111 zur 
‚Rebenbeichäftigung benupte Webſtuͤhle, Dieterici, Statiſt. Tab. 
S. 155. — In Boͤhmen find gegen 20000 Bammwallenwebſtuhle ber 
Landweber, welche ſich weit beſſer befinden, als die ununterbrochen auf 
dem Stußle arbeitenden fogenannten Gommertialweber. Györnig, 
Statift. Tafeln für. 1842. — Die Seidenweber im Cantan Zurich, . Die 
Baumtwbllenweber in’ Appenzell a. R., Barmen, dem’ baierfchen Obers 
franken (Hof, Münchberg ıc.), die: Reinmeber auf ber Rhän.: dem Vogels⸗ 
berg, .der fchmwäbiichen Alp, in Böhmen, Schleflen, .MWeftfalen, im 
Koͤnigreich Hannover ıc. wohnen meiſtens auf: dem Lande und betreiben 
‚einigen Landbau, fo auch die meiften Holzuhrmacher des Schwarz⸗ 
waldes. — Gehen im —— beſonders in Toscana. 
Doch vertragen’ fih mit feiner lechtarbeit Feine‘ härteren Verrichtungen, 
welche die. er: ungetentip machen ı.würben , weßhalb die flechtenden 
Bauenntöchter ri haufig. Maͤgde mischen. Bromn, Reiſe U, 434. — 
Die zahlreichen Berfertiger von Uhrtheilen in der Gegend von’ Prefcot 
(Lancasihire) treiben etwas Feldbau, wie’ die MWeber um Mancheſter, 
Dingler, Pol. Journ. XXX, 203. 


8. 398. 


Beachtet man: die Ausdehnung der tinzelnen Gewerksunter⸗ 
nehmungen und das Verhaͤltniß :gwifchen den! Unternehmern: amd 
Lohnarbeitern, ſo ‘findet man ıeinen auffallandenUnterſchied 
:gwifchen ben Han dwerkem, welche im Kleinen, won: einem jeihft 
mitarbeitenden Unternehmer mit .swerigen.Gehülfen:amd :- meiſtens 

mit einfachen. Kunſtmitteln betriebennwerben „und: den g roßj em 
Gewerksunternehmungen, Großgewerken Fabri— 
fen und Manufacturen), bei welchen in hohem Grade 
von ber Arbeitstheilung Gebrauch gemacht wird und wo, wie bei 
‚großen .Landgütern (8369), ein (wenn nicht: mehrere) befonberer 
Borfteher bie Leitung .ded "ganzen "Geichäfts zu beforgen bat. 
‚Der Handwerköbetrieb hat unverkaennbar mehrere erhebliche 
Bortheile (a): 

1) In:Bezug auf.die Unternehmer. Die Handwerke bes 
-fchäftigen viele Metfter, weiche neben. ihrem Gewerbseverdienſte 
noch Capitalrente und .Arbeitölghn . beziehen und fich deßhalb 

in einer befieren Rage befinden, als die bloßen Lohnarbeiter. 
Es tritt mithin eine. günftige Vertheilung. des Einfommens ein, 
während ſonſt in. den Händen weniger Babrffherren eine. große 
‚Mafle.von Gewerbsverdienſt und »-Eapitaltente . zufammenfließt, 


— HR — 


weiche zu. einem hohen. Luxus auffordert, Die Hanbiperkör 
meiſter bilhen den Kern bed Bürgerftanhes in ben Stäbten, 
Der. vor Alters gepriefene „goldene Boden“ des Handwerkeq, 
d. 5. die reichliche, leichte. und fichere Ernährung, ift zwar heutiges 
Tages nicht mehr zu finden, weil das Mitwerben zu Bunften 
ber Käufer von Gewerkswaaren viel ftärfer geworben ifl, wozu 
theils der leichtere Zutritt zu den Handwerken, theild bie Ver⸗ 
fertigung vieler. Kunſtwaaren in ben zahlreichen Fabriken vor 
zuͤglich beitragen, allein ber fleißige, geſchickte und haushaͤlteriſche 
Meifter darf in ber Regel immer noch. ein gutes. Auskommen 
warten. 


de} Webereinftimmend de Sismondt in Rix, Revue d'écon. polit. IH, 1. 
Quli 1834), vgl. Roſcher in Die Gegenwart, X, 688. 

(d) Der Eleine Unternehmer kann guch durch die Dirglie der ſeiner Familie 
eine nügliche Beihuͤlfe in feinem Geſchaͤfte erhalten. 


8. 898 a. 


2) In Bezug auf die Lohngehülfen. Schon in ber 
Anzahl verfelben zeigt fid der Unterfchied, indem biefelbe Bei 
ben Handwerken verbältnigmäßig Fleiner if, während mancher 
Babrifhere Qunberte, ja Taufende von ihnen in feinem Dienfte 
hat (a). Rod auffallender ift der Vorzug der Handwerke in 
Hinſicht auf die Lage der Lohnarbeiter., Die Handwerksge⸗ 
bülfen leben groͤßtentheils im Haufe, in ber Familie des Mei⸗ 
flerb, der „den Tiſch wie bie Werkftätte, den Genuß wie bie 
Arbeit mit feinen jüngeren Gehülfen theilt“ (5), und biefer 
Umftand bat auf ihre fittlihe und geiftige Ausbildung ſehr 
gute Wirkung. Sie haben bie nahe Hoffnung, fpäterhin ſelbſt 
Meißer zu werben (o) und beide Claſſen ftehen fich fo nahe, 
haß fie nur einen einzigen Stand in ber Geſellſchaft ausmachen. 
Bei den Fabrikarbeitern dagegen ift a) die Möglichkeit, je felbft- 
fländig zu werden, fo entfernt, daß ihnen der aus biefer Aus⸗ 
fit entfpringende Antrieb zus Beeiferung und Sparfamfeit in 
der Regel fehlt (d). b) In manchen Gewerkszweigen ift ber 
Abſatz fehr veraͤnderlich. Wenn ſich derſelbe ausbehnt, fo bag 
bie Unternehmungen einträglich find und durd hie Anwendung 
neuer Capitale raſch erweitert werben, fo teitt ein ſtarker Zu⸗ 
flug von Arbeitern ein, henen bie Verheirathung nicht verwehrt 


— 526 — 


werben kann. Erfolgen dann Stodungen des Abfages, fo ent- 
fteht in diefen Yamilien Bebrängniß, fei es, daß ein Theil der 
Arbeiter ganz verabfchiedet wird (e), oder daß fie nur einen 
Theil der Zeit hindurch befchäftiget werben, oder fich wenigſtens 
mit einem geringeren Lohne begnügen müflen. Wo mehrere 
Fabriken gleicher Art nahe beifammen liegen, da macht ſchon 
bie Menge folcher Zohnarbeiter in dem erwähnten ungünftigen 
Falle die Unterfunft in anderen Nahrungszweigen fehwierig. 
Reue Fabrikzweige pflegen für die Arbeiter vortheilhafter zu fein, 
al8 länger beftehende, in denen das Mitwerben ftärfer ift (f). 
c) Die Zahl der Fabriken in jedem einzelnen Zweige ift in ber 
Regel klein, biömeilen befindet fidy in einer Gegend nur eine 
einzige. Daher haben bie Zohnarbeiter viel weniger Ausficht, 
bei anderen Unternehmern Beichäftigung zu finden, ald bie 
Handwerfägefellen, fie find daher von ihren Lohnherren mehr 
abhängig. Zugleich bringt ed die große Zahl der Fabrik—⸗ 
gehülfen und die Nothwendigkeit einer ftrengen Ordnung und 
Unterordnung mit fich, daß biefelben den Fabrikherrn perfönlich 
ziemlich fremd bleiben und zwiſchen ven beiden Glaffen ein weiter 
Abſtand in Hinfiht auf Vermögen, Bildung, Lebensweife ıc. 
Statt findet. d) Der Leichtfinn, die Rohheit und Unfittlichkeit, 
die aus biefen Umftänden entfpringen, werben noch flärfer, wenn 
in einer Gegend fo viele Babrifarbeiter leben, daß fie eine ab- 
gefonderte Elaffe bilden, in ber fich üble Gewohnheiten ver- 
breiten und fortpflanzen. Diefer Zuftand ift häufig anzutreffen, 
weil neue Zweige des Fabrikweſens leichter da unternommen 
werden, wo fchon andere beftehen, von denen mancherlei Beiftand 
zu erwarten if. e) Solche Fabriken, bei welchen bie Arbeiter 
in großen Werfftätten beifammen find (engl. factories), 
wirfen am nachtheiligften auf den fittlihen Zuftand, zumal wenn 
Perfonen von beiden Geichlechtern und auch ſchon im jugends 
lichen Alter in einer Anftalt nebeneinander befchäftiget find, wos 
durch das Familienleben geftört und zu Unorbnungen aller Art 
Anlaß gegeben wird. Dieß Zufammenarbeiten in großen Werk 
ftätten ift in vielen Gewerfen nothwendig wegen der Anwendung 
von Mafchinen oder anderen fiehenden Vorrichtungen, wegen 
der Erfparung an Brennfloff u. a. Ausgaben, wegen ber 'zur 
Güte der Erzeugniffe erforderlichen genauen Aufſicht ıc. (9). 


() 


(2) 


(e) 


(d) 


— 527 — 


Sn Würtemberg betragen die Gefellen nur 22 Procent aller Gewerks⸗ 
arbeiter. Nach den fpanifchen VBolfszählungen enthält der Gewerksſtand 
75 Proe. Meifter, 19 Proc. Geſellen und 6 Proc. Lehrlinge. In Baden 
ählen die 35 wichtigften Handwerfe auf 100 Meifter 42 Gefellen. In 
Dreußen famen in den 82 handiwerfsartigen Gewerfen auf 100 Meifter 
im Sahre 1849 77, 1852 aber 82 Getellen und Lehrlinge, nur die 
Maurer, Zimmerleute und Töpfer hatten mehr Gehülfen als Meifter 
801, — 648 und 405 auf 100), Tabellen V, 882. — Sn Königreich 
annover find (mit den Saft: und Schenkwirthen) 91 733 felbftfländige 
Gewerbsleute mit 40637 Gehülfen aufgezählt, darunter 91° eigentliche 
Babrifen mit 1440 Gehülfen, alfo auf jede beinahe 16 Lohnarbeiter, 
von Reden, I, 493. — In Belgien waren 1846 in den handwerks⸗ 
artigen Gewerken 105 835 Unternehmer mit 135726 Gehülfen, die ar: 
beitenten Yamilienmitglieder eingerechnet, alfo 127 auf 100 Meifter. 
Die 8188 Fabriken dagegen hatten 117279 Arbeiter, alio jede im 
Durchſchn. 14,3. — In Kurhefien zählte man (Hildebrand, Statik. 
Mittheil. 1853, S. 111) in den Handwerken ohne die Weber auf 
100 Meifter 64 Gehülfen, in den Kabrifen auf 1 Unternehmer 15 Ge: 
hülfen und die Handwerker (Meifter und Gefellen) find A!/smal fo zahl: 
reih als die in den Babrifen beichäftigten Perjonen. — In Sachſen 
fommen auf 100 Meifter bei den Maurern 2320, Zimmerleuten 1623, 
Steinmegen 321, Flafchnern (Klempnern) 153, Schloffem 152, Töpfern 
143, Bofamentirern 142, Meflerfhmieden 136 Gehülfen, bei Schub: 
machern 85, Schneidern 83, Wagnern und Böttchern 54 (min.). Stat. 
Mittheilungen aus dem Königr. Sachſen, 3. Lief. 1854. — Beilpiele 
einzelner riefenhafter Unternehmungen: Seraing bei Tüttih, 1817 von 
John Coderill (+ 1840) angelegt, jegt im Tigenthum einer Actien⸗ 
gefellfchaft; 4200 Arbeiter, wovon 800—1000 in den Kohlenbergwerfen ; 
6 Hochoͤfen, die ralie 1600 Etr. Ciſen liefern, Puddelöfen, Walz: 
werke, Schmieden, Maſchinen-VFabrik; es find 27 Dampfmafchinen in 
Thätigfeit, es werden jährlih 50 Locomotiven gemadht und das ganze 
rohe Grzeugniß wird auf 17 Mil. Br. gefhäßt, Lecocgq, Description 
de l’&tabliss. de J. Cockerill & Seraing. Liege, 1846. — Beaucourt, 
Dep. Oberrhein, Fabrik von Uhren, Gilen= und Stahlwaaren, über 
2100 Arbeiter; Gebr. Jappy. — Joh. Liebig’s Wollenzeuchfabrik 
gu Reichenber inBöhmen, gegen 3000 Webftühle, T7—8000 Arbeiter. — 

hymney⸗GEiſenwerk bei MerthyrsThydvil (Wales), 9 Hochöfen, 3000 Ar: 
beiter. — Nägeli’8 Baumwollenfpinnerei von 85000 Spindeln und 
1500 Arbeitern in Mülhaufen. — Spinnerei, Weberei und Druderei 
der Gebr. Hartmann in Münſter (Oberrhein), 3500-4000 Arbei: 
ter sc. — Buchdruderei von Elowes in London mit 19 Dampfs und 
23 Hanpprefien. — Ungeheure Brauereien in London ıc. 


Hoffmann. — Den Uebergang zwilchen beiden Betriebsarten bilden 
folche Arbeiter, die in ihren Wohnungen eine gewifle Gewerks verrich⸗ 
tung, allenfalls mit Gehülfen, beforgen, jedoch von einem Berleger 
(Fabricanten) den Rohſtoff erhalten und nur Stüdlohn beziehen, wie 
die fogenannten Façonmeiſter. In Nimes 3. B. waren 1853 
2330 Seidinwebflühle in Dang. die durch 978 Baconmeifter mit 4200 
Gehülfen beiderlei Geſchlechts benugt wurden. 


Doch giebt es auch in manden Handwerfen bloße Handlanger und 
Taglöhner, und die Größe des erforterlihen Gapitales verfperrt in 
einem Theile der Handwerke den unbegüterten Gefellen den Zutritt zur 


Meiſterſchaft. 


Der Fabrikarbeiter kann indeß hoffen, Werkmeiſter u. dergl. zu werden, 
wenn er ſich auszeichnet. 


— 528 — 
(). Gefhieht dieß auch, in den Handwerten, fo. find doch bie. @efellen 
‘ meiftens A und Eönmen. leicht ni innen. . 
W Belonders übel ift die Lage ber Handiveber. Bei der Berfertigung 
folder Zeude, die weder vorzüglice KRörperfraft noch befondere Ges 
ihiclichfeit eforben, iR der Lohn am ihwächllen, jo baf Mander 
Weber in Großbritanien nur 5 Schill. (3 fl.) die Woche verdient und 
viele %s des Jahres ohne Beicäftigung find, Report of the commis- 
sioners on the condition of the handloom weavers, ©. 22. 24. 1840. 
@) Diefe großen Werkätten werben unvermeidlicher Weiſe immer zahlreicher. 
Bei ver Verfertigung ber Bigarren ober der Handiweberei kommen zwar 
feine Rafinen, Defen und vergl. in Anwendung, aber man zieht es 
dod vor, bie Arbeiter beifammen zu haben, damit man mehr für bie 
graue Ausführung der. Arbeiten und bie fparfame Veuvendung des 
jertwandlungsfoffes forgen koͤnne. 


$. 398b. 

Die Uebelftände, welche in moraliſcher und wirthſchaftlicher 
Hinfiht aus einer großen Ausbehnung des Fabrifwefend ent 
fichen, und wegen des Dafeind vieler vermögendlofer, leicht 
aufzureigenber Lohnarbeiter ſelbſt die Sicherheit im Staate bes 
drohen koͤnnen, laſſen ſich durch viele Erfahrungen nachweiſen, 
doch ſcheint die Groͤße und Häufigfeit der Nachtheile öfters mit 
Uebertreibungen bargeftellt worden zu fein, zum Zeile weil 
man bie zum Beweife gebrauchten Thatfahen nur von ſolchen 
Gewerben hernahm, welche im Stilftande ober. fogar in Abs 
nahme waren. Gewerkszweige für entfernten und deßhalb fehr 
veränderlichen Abfag wirken am ungünfligften, $. 395. Indeß 
find jene Uebel wenigftend zum Theile vermeiblih, indem, 
abgefehen von dem, was bie Staatögewalt zur Verbeſſerung der 
Arbeiter thun Fann, das fleißige, haushälterifche und gefittete 
Verhalten der letzteren, unter dem Einfluß guter Vollsſchulen, 
eines guten Religiondunterrichtes und äußerer Ermunterungen 
zur Sparfamfeit, ferner bei guter Einwirkung ber Babrifherren 
auf den Lebenswandel ihrer Gehülfen, fehr Vieles vermag, um 
den Zuſtand berfelben zu verbeffern, vgl. $.201a(a) und II, 8.203. 


(a) Im ber meuehen Zeit find viele einzelne Thatſachen gefammelt worden, 
welche barüber feinen Zweifel laflen, da ein zeit ber fabrifarbeiter 
fih in einer befrübenden Kage befindet. Man fan daraus nit fols 
gern, daß überhaupt gar feine Fabrifen vorhanden fein follten, aber 
man muß wenigftens die ſchnelle Zunahme und Nusbeßnung derſelben 
für etwas Bedentliches halten, nicht etwa in ber Graf ft Zancafter 
ober in Flandern das volfewirthfchaftliche Seal fehen, dagegen aber 
auf bie Verhütung ber das Wabrifwefen begleitenden unteeutichen 
Folgen deflo mehr Aufnerkfamfeit ripfen. Die Urfaden diefer bes 
drängten und leidensvollen Lage liegen in dem übergroßen Angebot von 


59 — 


Arbeitern und der daraus entfpringenden Erniedbrigung des Lohnes, ber 
felbRfüchtigen Bleichgültigfeit vieler Lohnherren und felbft einzelnen Bes 
drüdungen von Seite derfelben, 3. B. dem ſchimpflichen Trudiyftem 
(truck, franz. troe = Taufh), d. 5. der aufgebrungenen Gntrichtung 
eines Theiles des Lohnes in gelieferten, zu hoch angefchlagenen oder 
auch den Bebürfnifien der Arbeiterfamilien nicht entiprechenden Waaren. 
Zu den Aeußerungen des Uebels gehören hauptſächlich nachſtehende: 
1) In Bezug auf Gefundheit. Zu den anftrengenden und zum 
Theil angreifenden Verrichtungen kommen bie färglihe Nahrung, be⸗ 
fonders die engen, dumpfigen Wohnungen, namentlich die Keller, in 
denen Taufeude zu wohnen gezwungen And. die verberbte Luft in ben 
bichtgedrängten Stadttheilen und Werkftuben, die Nachtarbeiten, die 
frübzeitige und übermäßige Anftrengung der Kinder, die mangelhafte 
Pflege der Eleinen Kinder ıc., daher iſt die Sterblichkeit unter den 
Fabrikarbeitern größer, die Lebensdauer bedeutend kürzer, als bei anderen 
Claſſen. Das Nervenfieber insbefondere richtet unter ihnen große Ber: 
beerungen an. Indeß zeigen fich diefe Erſcheinungen auch in Handels⸗ 
ftädten, 3. B. in Liverpool, wo gegen 22000 Menfchen in Kellern 
wohnen und wo fi eine Menge dürftiger Srländer aufhält. Hier ifl 
die mittlere Lebensdauer nur 17 J., in Mandhefter 20, in Leeds 21%., 
in London 261/93. Der Stabttheil von Liverpool, in weldhem 58 Proc. 
in Kellen und Höfen wohnen, bat 1 Todesfall auf 23/2 Binw. und 
1 von 27 Menfchen wird jährlid vom Kieber befallen, in dem Theile, 
wo die Wohnungen am beften find, nur 1 auf 237 und es flirbt 1 von 
41,6 (Duncan). In Preſton ift die Sterblichkeit unter den Lohn⸗ 
arbeitern 1 von 18,%, unter den Gewerbsunternehbmern 1 von 31,8, 
unter den Reichen. und den mit höheren Dienften beichäftigten 1 von 47,8% 
und bie mittlere Lebensdauer in diefer Stadt ift feit dem Auffommen 
der Fabriken (um 1783) von 31,8 auf 19,63. gefunfen (Clay). In 
den Bezirken der Stadt Nottingham geht die Sterblichkeit je nach der 
Geräumigfeit und Lage der Wohnungen von !/s—Ys (Hawisley). 
Die forgrältigen Nahweifungen von Ducpetiaur (De la mortalit 
. & Bruxelles 1844) zeigen die große Sterblichkeit der ärmften Stadt 
theile in Brüffel. Unter den Dienftboten und Taglöhnern ftirbt (ohne 
odtgeb.) 1 auf 14, unter den &ewerbsleuten 1 auf 27, unter ben 
Far Ständen 1 auf 50,6. — Der ſchaͤdliche Cinfluß diefer Urfachen 
auf den Eörperlichen Zuftand laͤßt ſich auch aus folgenden Wahrneh⸗ 
mungen darthun. Während im Durdfchnitt von Frankreich, um 100 
tauglihe Soldaten zu finden, 80 junge Männer aus förperliden Urs 
ſachen übergangen werden müflen, ift die Anzahl der Untauglichen auf 
100 im Dep. Nieberfeine, wo viele Gewerke Ant, 126, in Rouen 166, 
in Elbeuf 168, in Mühlhaufen doch nur 110. Nah Eh. Dupin findet 
man im Durdfchnitt von 10 vorzüglich landbauenden Dep. 40, von 
10 Fabril:Dep. 99, im Elſaß 68 Proc. Untauglihe, Dingler, Bol. 
Zourn. 77, 149. Auch im Canton Zürich find mehr Dienfuntaugliche, 
als in anderen Bantonen, wegen der Spinnerein. — In Belgien 
hatte 1839—43 der vorzüglich landbauende Bezirt Waremme 5,1 Proc., 
die Babrifarbeiter in der Provinz Lüttih Hatten 8,9 Dienftuntaugliche 
aus anderen Eörperlichen Urſachen als wegen der Kleinheit. Die mittlere 
Größe eines Wehrpflihtigen war im Bezirk Waremme 1,90%, im Bez. 
Verviers 1,51% Meter. — „Die urfprünglihen Bewohner Barmens 
waren Menfchen von großem, flarfem Körperbau, wie ed die Abkoͤmm⸗ 
linge berfelben, welche man in einigen alten Familien trifft, noch find, 
und der größere Haufen der jegigen Barmer würde daſſelbe athletifche 
Anſehen behalten haben, wenn die Beichäftigung mit Kabrifarbeit dies 
felben von Generation zu Seneration nicht ſchwaͤchlicher und graciler 


Rau, polit. Delon. L. 7. Ausg. 34 


— 530 — 


emacht hätte.“ Sonberland, Geſch. von Barmen, 1803, ©. 92. 

an ift darüber einig, daß durch Maaßregeln der Geſundheitspolizei 
Vieles zur’ Befeitigung biefer Mebelftände gefchehen könne, wie denn 
3. B. in Belgien die angeführten Uebel in den Jahren 1839—43 ſchon 
merflidy geringer waren als 1819—23. Auch fehlt es nicht an Bei« 
fpielen großer Fabriken mit wohlgelüfteten und reinlich pehaltenen 
Räumen, ferner gefunder, von Seite der Fabrikherren hergeftellter Mieth⸗ 
wohnungen für die Arbeiter. Cinzelne Belege in Bezug auf den nach» 
theiligen Gefundheitszuftand und deſſen Urfachen finden ſich vorzüglich 
in den oben (6. 201 (o)) genannten englifchen Berichten und in ber 
belgiichen Enquöte, |. unten. Ueber die Beichäftigung der Kinder in 
den Fabriken f. auch bie in II, 6. 202a ang. Schriften. — 2) Sitt— 
lichfeit. Der Häufige Hang zum Trunf entfleht leicht aus ber 
mangelhaften häuslichen Erziehung und den anderen ig $. 398a 
unter d bemerkten Umftänden. Wilde Ehen (Goncubinat) und 
zahlreiche . unehelihe Geburten find ebenfalle Häufige Begleiter des 
Fabrikweſens. In den Ländern, die feinen Schulzwang haben, wirb 
auch lebhaft über die Unwiflenheit der Wabrifarbeiter geklagt. In 
Belgien fand man in 306 Unternehmungen 648 von 1000 Sohnarbeis 
ten ganz ohne Schulfenntniffe, unter den Arbeiterinnen insbelondere 
fogar 722 p.m. — 3) Wirthſchaftlichkeit. Mangel an Spar 
famfeit und Drbaung im Haushalte der Arbeiterfamilien, leichtfinniges 
Aufzehren des reichlichen Lohnes und deſto größere Noth bei der Abs 
nahme des Verdienfles. Die Mädchen, weldye frühzeitig in die Fabriken 
fommen, werben feine guten Hausfrauen, weil fie Feine Gelegenheit 
haben, die dazu nöthigen Renntniffe zu erwerben. — Das Beilpiel von 
Sedan zeigt, daß guter Wille und Ginverftändpniß unter den Kabrif- 
herren gegen die genannten Unordnungen mit Erfolg wirfen fönnen. 
Die Erfundigungen von Tufnell und Taylor begründen die Ans 
nahme, daß man die Bedrüdungen und Leiden der Fabrikarbeiter (es ift 
fogar von „weißer Sklaverei” gefprochen worden) doch für allgemeiner 
angefehen hat, als fie wirflid find. Vgl. Gaskell, The manufacturing 
popul. of Engl. L. 1832. — Mohl in Rau’s Archiv, II, 141. Klein 
ſchrod, ebend. ©. 348 und deſſen Großbrit. Gefeßgeb. S. 177. — 
Dagegen Ure, Das Babrifweien, ©. 248 ff. — Mac-Culloch in 
Edind. Rev. 124, ©. 463 und deſſen Stat. acc. II, 81. — Ueber den 
Zuftand. der franzöfifchen Arbeiter in den Baumwollen:, Seiden- und 
MWollengewerfen Villerme, Tableau de l'état physique et moral des 
ouvriers, P.1840. IIB. — de Villeneuve-Bargemont, Ec.polit. 
chret., L.I,ch. 11.13. — Taylor, Tour in the manufacturing district 
of Lancash. Lond. 1842. — Edinb. Rev. 155, ©. 190. — Engels, 
Die Lage der arbeit. Claſſe in Engl. 1815. — Vorzuͤglich lehrreich ift 
die Enquöte sur la condition des classes ouvriöres et sur le travail des 
enfants, Brux. 1848, 3 Bbe. 


8. 399. 


Der handwerfömäßige Betrieb fteht den großen Unterneh: 
mungen in Abſicht auf den Erfolg der Arbeit in vielen Fällen 
nad, weil nämlich 1) in Sabrifen mehr Mafchinen und andere 
Kunftmittel angewendet werben koͤnnen, bie ein großes Capital 
voraudfegen, 2) die Arbeiten unter Diele getheilt werben, 
3) die Vorfteher der Unternehmungen fid) wiffenfchaftliche Bildung 
aneignen, zur Vervollfommnung der Gewerböfunft mehr bei 


— 531 — 


tragen koͤnnen, auch neue Erfindungen leichter erfahren und be 

nugen, als Handwerfömeifter. Hiezu fommen bie wirthfchafts 

lichen Bortheile, die der große Unternehmer in Bezug auf Ein- 
kauf, Verfendung und Abſatz befigt. Er fann Vorräthe feiner 

Erzeugniffe anlegen und die vortheilhafteften Gelegenheiten zum 

Berfaufe auffuchen oder abwarten, während der Handwerker ents 

weber von Beftellungen abhängt, oder die unbeftellten Waaren 

fchnel an den Großhändler verfaufen muß. Diefe Vorzüge 
zeigen ſich hauptfächlicd, bei den für ausländifchen oder doch 
entfernten Abfab arbeitenden Gewerfen. Daher find bei mans 
chen Zweigen berfelben die Handwerksmeiſter nicht im Stande, 
in ber Güte und Wohlfeilheit der Erzeugniffe dag Mitwerben 
der Fabriken zu ertragen, und es ift eine unaufhaltfame Folge 
der apitalanhäufung und der fortfchreitenden Gewerböfunft, 
dag in einem Theile der Gewerke die Handwerfe durch die 

Fabriken verdrängt werden; in anderen Zweigen, bei denen jene 

Borzüge des großen Betriebes wegfallen, können ſich die Hand⸗ 

werfe leichter erhalten und es entftehen fogar manche neue 

Zweige, bie fich für ben Betrieb im Kleinen eignen (a). Der 

Handwerksſtand vermag biefen Kampf gegen dad Anbringen 

ber großen Unternehmungen eher zu beftehen, wenn er fich be 

müht, in Kenntniffen und Gefcidlichkeiten den Anforderungen 
der gefteigerten Bildung zu genügen. Man fann ungeachtet 
der vorhin bargeftelten Nachtheile das Aufkommen der Fabriken 

im Ganzen genommen nicht für ein Uebel halten, wo es nöthig 

if, um einem Bolfe den feiner Bevölkerung und überhaupt dem 

Stande feiner Güterquellen entfprechenden Antheil an der Bes 

treibung der Gewerke zu fichern, aber man barf nicht wünfchen, 

daß die Vermehrung ber Babrifen rafcher erfolge, ald es in 
jener Hinſicht Bebürfniß ift, und daß ein Volk ſich mit Bers 
nachlaͤſſigung anderer Gewerbe den Gefahren eines vorherrfchens 

ben Gewerksweſens überlafie, $. 395. 

(a) Pabrifen liefern große Maflen von Waaren gleicher Art und können 
deßhalb nicht den individuellen Neigungen und Bebürfniffen des Kaͤu⸗ 
fers entiprehen. Schon defhalb ift die Fortdauer vieler Handwerfe ges 
fihert, 3. B. des Schneiders, Schloſſers, Schuhmaders, Schreiners, 
Wagners. Manche Gewerke find ganz oder großentheils örtlich, wie 
das Zimmer:, Maurer:, Glaſer⸗, Bäder, Fleiſcher⸗, Buchbinders, 


Zünder:, Zuderbäder: Gewerk, es find wenigftens für die Ausbeflerung 
fhon gebrauchter Gegenftände Handwerker an Ort und Stelle erforbers 


34* 


— 532 — 


lich, weßhalb in jeder nicht ganz Heinen Stadt ein Uhrmacher, Buͤchſen⸗ 
macher und dergl. nöthig ift. Kerner find manche Gewerke fo einfach, 
daß der aroße Betrieb keine Bortheile durch Anwendung koſtbarer Kunſt⸗ 
mittel ziehen fann, 3. B. der Tapezierer, Sattler, Zinngießer, Knopf⸗, 
Bürftenmader, Buchbinder, Töpfer, Goldſchlaͤger, Steinbauer, Tünder, 
Kürſchner, Flaſchner sc. In manden Handwerken bat jetoch ſchon 
eine Beichränfung des Abfapgebietes dur Fabriken begonnen, 3. 3. 
bei Kämmen, die durch Maichinen gefchnitten werden, feinen Seifen, 
Mafchinennägeln ꝛc. Auh Schnüre und Stride werden im Großen 
wohlfeiler verfertigt. 


$. 400. 


Die Gewerke geben die häufigfte Veranlafiung zur Anwens 
bung von Mafchinen ($. 118), obgleich viefelben auch in 
bem Bergbau ($. 351) und in der Landwirthfchaft ($. 369) 
wesentliche Dienfte leiften. Daher ift hauptſaͤchlich in Bezug 
auf die Gewerke öfter die Beforgniß rege geworben, ed möchte 
bie Einführung der Mafchinen für die arbeitende Claſſe verberb- 
lich wirken, indem fie einem Theile derfelben Beichäftigung und 
Unterhalt entziehen, — es möchte dad Verarmen vieler Arbeiter 
mit dem daraus hervorgehenden Elende den in ber befleren Bes 
fchaffenheit und der Wohlfeilheit ber Kunſtwaaren liegenden 
Vortheil überwiegen; — es möchte fogar die Vermehrung ber 
Mafchinen für den Nugen der Unternehmer felbft wiberfinnig 
fein, weil fie dad Angebot von Genußmitteln vermehre, zugleich 
aber die Zahl von Käufern vermindere (a). Zur Unterftügung 
diefer Anſicht koͤnnen audy einzelne Erfahrungen angeführt 
werben (b). 

(a) Si un ouvrage est & un prix mediocre, et qui convienne &galement & 
celui qui l'achèteo et A l’ouvrier qui l’a fait, les machines qui en simpli- 
fieraient la manufacture, c. & d. qui diminueraient le nombre des 
ouvriers,: seraient pernicieuses; et si les moulins & eau n’staient pas 
partout &tablis, je ne les croirais pas aussi utiles, qu’on le dit, parce- 
qu’ils ont fait reposer une infinit6 de bras, qu’ils ont privö bien des 
gens de l’usage des eaux, et ont fait perdre 1a f&condit6 à beaucoup 
de terre. Montesquieu, Esprit des lois, XXIII, Chap. 15. — 
„Wenn die Menfhenzahl in dem Maaße abnähme, wie die Arbeits: 
mafchinen zunehmen, fo würden fie unfere Rettung, da die Mafchinen 
fih aber eben fo fchnell vermehren, wie die Menſchen, fo fehe ich die 
Möglichkeit, daß wir noch einmal aus lauter Kunftfleiß Hunger fterben.* 
G. Forſter, ungedr. Briefe, Morgenblatt, 1818, Nr. 298. — Aehn⸗ 
liche Anfichten bei Sismondi, N. prino. I, 365. II, 312. —-Pictet 
in Bibl. univ., Abth. Sc. etarts, IX,62. — de Villeneuve-Barge- 


mont, L. I. ch. 12, wo jedoch auch die Vertheidiger ber Mafchinen 
redend eingeführt werden. 


(5) Deftere Unruhen in den Babrifgegenden ufolge der Einführung neuer 
Mafchinen. Die Mafchinenzertrummerer &upviten) in England, die 


— 533 — 


3. B. 1826 in Lancafhire viele Webemafchinen zerftörten. 1758 wurde 
Everett’s Tuchfcheermafchine vom Poͤbel verbrannt, 1768 die erfle in 
England erbaute Windfägemühle zerftört, doc erſetzte in beiden Fällen 
der Staat den Schaden und die Hafhinen wurden abermals hergeftellt. 
Boppe, Geh. der Technol., I, 290. II, 38. — Noch 1846 traten 
die Arbeiter zu Elbeuf egen die Wollreinigungsmafchine (trieuse) auf. 
Die Teigfnetmafhinen haben den heftigen Unwillen der Baͤckerknechte 
erregt, auch der Jacquardſtuhl fand anfanglih Widerfland. 


8. 401. 


Die Mafchinen wie mandje andere Verbefferungen bed Be- 
triebed vergrößern das reine Volkseinkommen, indem fie eine 
Erjparung an den Erzeugungdfoften bewirfen, woraus fodann 
eine Erniedrigung bed ‘Preifed und eine Ausdehnung des Ab⸗ 
fate® der Kunftwaaren entfteht. Der Bortheil der Kofteners 
fparung fließt 1) zum Theil den Unternehmern zu, infofern die 
Preife der Waaren noch einen Gewinn übrig laffen, 8.7163. 2, 
$. 186. 3, a). Diefer Ueberfhuß kann bei dem auswärtigen 
Abfape der Gewerkswaaren am größten werben und zu einer 
fchnellen Erweiterung ber Gewerbe Anlaß geben (a); 2) ben 
Käufern der wohlfeiler und beffer gewordenen Waaren. Was 
jene an ihren bisherigen Ausgaben erfparen, dad wird von 
ihnen unfehlbar auf andere Art verwendet ($. 338), und zwar 
entweder um mehr Genußmittel zu verzehren (5), was den Ab- 
fag der inländifchen Unternehmer von Stoffarbeiten erweitert, 
oder um ſich mehr Dienfte leiften zu lafien, oder un neue Ca⸗ 
pitale auf die Betreibung von Gewerben zu verwenden, wobei 
die Verkaͤufer von Gütern, die hiezu dienlich find, 3. B. von 
Lebensmitteln, Stoffen ıc. mehr abjegen und mehr Xohnarbeiter 
Beſchaͤftigung finden, $. 339. 1). 


(a) Ueber den Einfluß der Maichinen auf die Baummollenverarbeitung f. 
. 125a, Gin merfwürbdiges Beilpiel rafcher Ausdehnung giebt insbe⸗ 
onbere die Verfertigung von Spikengrund oder Bobbinet (Bobbin net), 

ein erft feit 1808 aufgefommenes Gewerk. Whitader erfand die erfte 
Maſchine Hiezu, Heatheoat führte zuerft eine ſolche (nad) eigener 
Grfindung) aus. Neuerlich follen 4500 Mafchinen im Gange fein, die 
200 000 Menſchen beihäftigen und 23 Mill. Q. Yarde (181 Mill. Pa: 
rifer Q.Fuß) Geflechte liefen. Dieß Product wird für 1'891 8752. St. 
verfauft, während die rohen Stoffe (1600000 Pfund Baumwolle und 
25000 Pfd. Seide) nur 150000 2. St. gelten. 5/, des Erzeugniſſes 
werden in den Yabrifen geftidt, wodurch der ganze Erlös derfelben auf 
3:417700 2. St. fleigt. Dieſer Gewerkszweig ift dem Ablage der ge 
Elöppelten Spipen fehr in den Weg getreten. Weber, Beitr. 3. Gew.⸗ 
und Handelsk., I, 309. — v. Kees und Blumenbad, I, 505. — 


— 534 — 


Dingler, Bol. J. XLU, 430. — Babbage, Ueber Maſchinen⸗ u. 
Fabrikweſen, S. 376. 


(6) Die Vergroͤßerung des Guͤtergenuſſes in Großbritanien zeigt fih im 
Anwachie des Verbrauches verfchiedener Lebensmittel. En aucune contre 
la peuple n’est aussi bien habillö, aussi bien log&, aussi bien nourri. 
Si quelque ötranger intelligent lit un conträt pour la fourniture an- 
nuelle de quelque maison des pauvres dans la Gr. B., il ne peut 
s’empöcher d’exprimer une vive surprise sur la quantit&£ de viande, de 
beurre, de fromage, de th&, qui compose chaque ration, et sur les soins 
minutieux qui sont pris pour que chacun de ces objets soit de la 
meilleure qualit& dans son espee. Dupin a. a. DO. ©. 82. 


8.402. 


Aus dieſer Betrachtung ergiebt fih, daß man bei dem 
häufigen Gebrauche der Mafchinen im Ganzen nicht geringere 
Summen zur Beſchaͤftigung von Arbeitern aufivendet, daß mithin 
noch biefelbe oder felbft noch eine größere Arbeiterzahl ihren 
Unterhalt finden fann (a). Wenn das ftehende Capital durch 
die Mafchinen einen fteten Zuwachs gewinnt, fo muß barum 
body das umlaufende und namentlich der aufgewendete Arbeitss 
lohn nicht abnehmen, vielmehr bringen es die fAhnellen Anhäus 
fungen neuer Gapitale mit fi, daß alle Zweige bed Capital: 
aufwandes ftärferen Zufluß erhalten. Die Arbeiter können 
Unterfunft finden 1) in benfelben Gewerfen neben den Mas 
fhinen, weil diefe die Beihülfe des Menfchen nie ganz ents 
behrlich machen. Bei einer großen Ausdehnung des Abſatzes, 
wie fie 3. B. durch auffallende Koftenverminderung oder durch 
Verkauf ind Ausland verurfadht wird, ift ed möglich, daß nach 
der Einführung von Mafchinen ein Gewerf noch ganz die gleiche 
Zahl von Arbeitern befchäftiget, wie zuvor (5); 2) in anderen 
Zweigen der Stoffarbeit, die weniger Gelegenheit zum Gebraudhe 
von Mafchinen darbieten. Es fehlt zu feiner Zeit an ſolchen 
Berrichtungen, auch entftehen immer neue in demfelben Maaße, 
ald man mehr auf fie zu verwenden vermag (c). Selbſt die 
Berfertigung von Mafchinen fegt wieder Menfchen in Thaͤtig⸗ 
feit; 3) in verfchiedenen Dienften, die ſich ebenfall8 bei der Ver: 
größerung bes reinen Einkommens fortwährend vervielfachen (d). 
(a) Bel. v. Jakob, Nationalöf. ©. 162. — Im Jahre 1762 Hatten 

Großbritanien und Irland gegen 15 Mill. Einwohner, darunter be: 


fanden ji gegen 4 Mill. Handarbeiter, die Maichinen erfegten ungefähr 
11 MIN. Menfchen, alfo fam ein Erzeugnig zu Stande, wie es 15 Mill. 


— 535 — 


Handarbeiter hätten liefern können. 1807, bei 18 Mill. Einwohnern, 
berechnete man die Zahl ber Hanbarbeiter zu 6 MiN., die Wirkung 
der Mafchinen zu 200 Mill. Das Erzeugniß ıft demnach beinahe 14mal 
fv groß geworden, und die Menge von Handarbeitern hat verhältniß- 
mäßig mehr zugenommen als die Volksmenge. Solhe Rechnungen 
fönnen indeß nicht genau zutreffen, fondern fi nur der Wahrheit mehr 
oder weniger nähern; vgl. Weber, Beiträge, I, 3. — Nah Eomell 
fteigt in den englifchen Baumwollenfabrifen regelmäßig ber Lohn mit 
den Berbeflerungen der Mafchinen, ohne daß die größere Leiftung bem 
Arbeiter ſgwer würde. Mac-Culloch, Stat. acc. II, 83, vergl. 
6. 188 (a). 


(6) „Si l’on pouvait croire que l’inconv&nient, qu’ont d’abord les nouvelles 
machines, d’oter du travail aux ouvriers, ne Se r&pare pas bientöt, il 
suffirait, pour éêtre persuad& du contraire, de compter les travailleurs 
des manufactures immödiatement avant l’invention d’une nourvelle 
machine, et immedistement apres qu’elle y est generalement en usage.“ 
Villerme, Tabl. II, 298. — Große Bermehrung der Reifenden in 
Folge der Dampfichifffahrt und der Gijenbahnen. 


(e) In den chemifhen Gewerfen, 3. B. dem Branntweindrennen, Färben, 
der Otaebereitung, der Berfertigung verfchiedener Yarb: und Apotheker: 
waaren und dergl. wird durch die Anwendung vortheilhafter Vorrich⸗ 
tungen weniger an der Arbeit, ald am Verwandlungs- und Hülfstoff 
gefpart. ine Menge einfacher Handwerfe, ferner manche zum Gebiete 
der fehönen Künfte gehörige Gewerke laſſen ebenfalls feine Mafchinen 
u. Rau in Malthbus und Say, ©. 250. — Zunehmende Hervor: 
ringung von Steindrüden, Stahlftihen, Photographien ıc. 


(d) Lehrer, — Künfller, 3. B. Schaufpieler und Mufſiker, — Aerzte, Wunds 
ärzte, Geburtshelfer, — Boten, Kuticher sc. — Dieß hat au Ganilh 
bemerft, Des eystèmes d’ec. pol. I, 212. 


8. 403. 


Die Mafchinen, deren große und dauernde volfdwirthfchaft- 
lihe Wirkungen im Allgemeinen feinem Zweifel unterliegen, 
find demnach für die Dauer und im Ganzen audy ber arbeitens 
den Elaffe eher nüglich, als fchädlich (a). Unverfennbar können 
aber vorübergehende Stodungen aus ber Einführung neuer 
Mafchinen entftehen. Die Unternehmer laſſen ſich durch bie 
Nüdficht auf die Bebrängniß der Arbeiter nicht abhalten, Mas 
fhinen einzuführen, wenn diefe ihnen Gewinn verfprechen. Die 
hiedurch aus ihrer bisherigen Wirkfamfeit verdrängten Arbeiter 
finden nicht immer fogleich neue Befchäftigungen, auch treten 
hier öfterd die oben ($. 160. 161) dargeftellten Hinderniffe des 
Ueberganges von einem Gewerbe zu dem andern in großer Aus⸗ 
behnung ein. Wie weit biefe anfängliche Nahrungslofigfeit 
von Arbeiterfamilien. fich erftreden und wie lange fie dauern 
könne, dieß ift im Allgemeinen nicht beftimmbar, audy läßt fich 


— 536 — 


nichts zur Verhütung berfelben thun, weil man ber Vermehrung 

der Mafchinen nicht widerftreben darf. Ein Volk, weldyed die 

Maſchinen von ſich abweiſen wollte, würde dadurch nur bes 

wirken, daß ein Theil der von ihm betriebenen Gewerke ſich 

in bie Nachbarländer zöge (d). Man gelangt daher zu ber 

Ueberzeugung, daß die mit der Einführung neuer Mafchinen 

möglicher Weiſe verbundenen Uebel, die doch immer von weit 

fürzerer Dauer find, als die guten Folgen, unter die Opfer 
gehören, mit welchen die Erhöhung des allgemeinen Wohls 

ſtandes erfauft werden muß (c). 

(a) Say, Darf. I, 153. Defien Briefe an Maltbus in: Maltyus 
und Say, ©. 158. — Lotz, Handb. I, 215 ff. — von Hövel in 
Schulz, Die Bedeutung der Gewerke im Staate, ©. 18. 121 (Hamm; 
1821). — Ganilh, Systömes, I, 201. — Dict. techno. L Bd. 
©. XLIU. — Hundeshagen, Zeitbebürfnifie, I, 134 (1832). — 


Murhard, Theorie und Bolitit des Handels, I, 117. — Bgl. die 
in $. 118 (a) angeführten Schriften. 


(6) „Il ne s’agit plus de savoir, si l’emploi des machines condamne des 
bras au repos; il sufüt d’ötre convaincu qu’elles sont devenues n&ces- 
saires pour maintenir la concurrence et preserver notre industrie d’une 
ruine certaine.‘‘ Chaptal, De l'ind. franc. II, 229. 


(e) Eben dahin muß gerechnet werden, daß bei einem großen Schwunge 
dev DBetriebfamkeit, wo viele neue Unternehmungen ergriffen und 
mancherlei mächtige Verbeflerungen der Gewerke verjucht werden, auch 
dagegen die Anzahl der mißlungenen Beftrebungen, der verlorenen 
Bapitale und der verarmten Yamilien nicht unbetradhtlich if. 


8. 404. 


Der Erfahrung zufolge treten jene nachtheiligen Folgen von 
neuen Mafchinen nur in wenigen Fällen ein (a). Bon einer 
Menge der wirkfanften und allgemeinften Mafchinen ift nicht 
befannt, daß bei ihrer Einführung Nacıtheile wahrgenommen 
wurden, und noch jest fehen wir dad Mafchinenwefen in vielen 
Gewerken ohne Störung ſich ausbreiten. Diefe beruhigende 
Erfahrung läßt fi) aus der Natur der Sache erflären: 1) Die 
außer Thätigfeit gefebten Arbeiter bieten. alle Kräfte auf, um 
andere Erwerbswege zu finden, was gewöhnlich einem Theil 
berfelben bald gelingt. 2) Die Mafchinen fchaden dann am 
wenigften, wenn dad Gewerf, in weldyem fie angewendet wer⸗ 
ben, bisher noch wenige Menfchen in Thätigfeit fegte, ober 
wenn der Begehr der mit Hülfe ber Mafchinen zu Stande ges 
fommenen Erzeugniffe zugleich fehr zunimmt; fe find daher 


— 537 — 


ohne alle nachtheilige Folgen in Ländern, in welchen vie zus 
gehörigen Gewerke erft jest entftchen (d). 3) Die wirkfamften 
Maſchinen find gewöhnlich fehr Foftbar und verbreiten fih nur 
langfam, weßhalb das Angebot von Arbeitern ſich fehr allmaͤlig 
vermindert. Ein Theil der Unternehmer wird bald durch bie 
Beforgniffe wegen der Fortdauer des Abfabes, bald auch durch 
Mangel an genauer Kenntniß und durch dad von manchen 
getäufchten Erwartungen begründete Mißtrauen gegen neue Ein- 
richtungen abgehalten, fich fogleich Mafchinen anzufchaffen (c), 
daher find plögliche Erfchütterungen des Nahrungsweſens weniger 
zu befürchten. 


(a) Belonders bei den Spinn: und Tuchfcheermafchinen, und neuerlich bei 
den Mafchinenwebftühlen. 


(5) Dieß if 3. DB. die Lage der norbamericanifchen Freiſtaaten. 


(ec) Eine Dampfmalchine, nah den Preifen von 1837 in Berlin, Ruhrort 
und Gichweiler foflete bei 6 Pferdefräften 2200—3000 Thaler, bei 10 
3200—4200 Thlr., bei 20 5400—6900 Thlr., bei 40 Pferdefräften 
8500—12300 Thaler. Jede Pferdefraft kommt alfo bei den Fleinften 
erwähnten Majchinen auf 366—500, bei den größten auf 212—310 
Thaler zu ſtehen. In Rordamerica koſtete 1824 nah Mareflier (Sur 
les bateaux & vapeur, ©. 49) eine Pferdefraft bei Mafchinen von 20 
Kräften 3250, bei 100 Kräften nur 1770 Franken. Die Societ& du 
Renard in Brüflel lieferte 1841 die Pferbefraft einer Dampfmaſchine 
mit niedrigem Drud ungefähr zu 1150 Fr. — Die gravirten Walzen 
zum Rattundrud find Eoftbar und jede ift nur zu einem einzelnen Mufter 
zu brauchen, mweßhalb ihre Anwendung immer fehr beichränft bleiben 
muß, befonders da die Rattunmufter der Mode en find. 
Die Schnellfchüge Hat, ungeachtet ihrer geringen Anfchaffungstoften, fehr 
Tangfame Verbreitung gefunden. — Nachtheilig if für die Weber, daß 
die Webmafchinen wenig foften, nämlich eine folde, die von einem 
Menfchen mit der Kurbel gedreht wird (dandyloom), nur 4 £. St., ein 
Maſchinenſtuhl, der von einer Dampfmalchine bewegt wird (power-loom 
oder steam-loom) ungefähr 12 2. St., in Franfreih 400 Fr., in Gent 
1841 350 Fr., indeß muß man deren mehrere zugleich anfchaffen und 
eine Dampfmaſchine haben. Im Jahre 1836 zählte man im britifchen 
Reiche 115801 Mafchinenwebftühle, wovon 109472 in Baumwolle, 
5282 in Wolle. Mac-Culloch, Statist. account. Il, 105. — Für 
viele Landleute in Deutfhland wird die Ginführung der Flachsſpinn⸗ 
mafchinen eine Zeit lang ſehr empfindlid fein, tie jetzt in einigen 
Gegenden von Irland die Handfpinner leiden. Diele Mafchinen find 
war unentbehrlich, um große Maflen eines wohlfeileren und ganz gleich⸗ 
Formigen Garns zu liefern, die Handfpinnerei wird jedoch nicht ganz 
aufhören, weil fie das feinſte Garn bis jegt beſſer liefert als die Spinns 
mafchinen, und es werden allmälig auch andere Beichäftigungen Erſatz 
geben. Im britifchen Reiche bat fi die erſt im jetzigen Jahrhundert 
entftandene Maſchinen⸗Flachsſpinnerei überaus ſchnell verbreitet, fo daß 
man jetzt ſchon 2 Mill. Feinfpindeln annimmt, von denen jede im D. 
Ye Bentner Garn liefert. Die Sarnausfuhr war 1835 erfl 2611 215 
Pfund, 1842 erreichte fie 291,5 Mil. Pfd., nahm aber dann wegen 
der erhöhten franzoͤſiſchen Cinfuhrzoͤlle ab. 1852 war fle wieder 


— 538 — 


23-928 592 Pfd. Zugleich Hat ſich die geſammte Leinenverarbeitung. 
und die Ausfuhr von Leinenwaaren ſehr erweitert. Es wurden 1835 
für 2605 000, 1853 für 3872000 2. St. Leinengewebe ausgeführt. 
In Belgien waren 1838 47000, 1851 100000 Spindeln, in Frank⸗ 
reich 1849 250000, im Zollverein 1851 erſt 60000, in Defterreich 
30000 Mafchinenfpindeln in Gang. Der Mittelpreis eines Bundle 
Leinengarn war in Sugland in ben 3 Jahrzehnden 1820—29, 1830—39, 
1840—49: 13,8 —11,%—8,15 Sch. Amtl. Bericht über die Londoner 
Ausftellung, Il, 155. — Für 1 Spindel, welche jährlid nach der Fein⸗ 
heit 50—80 Bfd. Garn fpinnt, Eoften die Mafchinen in Belgien gegen 
90 Fr., mit Gebäude und Mobiliar gegen 150 Fr., mit dem ums 
laufenden Bapital ift der ganze Capitalbedarf gegen 220 Fr., Enquöte 
sur l’industr. linidre, Rapport S. 221 und Beil. Nr. 28. Brux. 1841, 
vgl. die in II, 8. 28 (5) genannten Schriften. — Zum Glüde kann 
beim Anbaue des Leins und der erflen Behandlung des Flachſes noch 
weit mehr Arbeit mit großem Nußen angewendet werden, wie das Bei⸗ 
fpiel von Belgien zeigt, wo ter Leinbau mit großer Sorgfalt betrieben 
wird. Hier wie in einem Theile von Frankreich (Dep. Aisne) kommt 
eine folche Arbeitstheilung vor, daß befondere Landwirthe (liniers loca- 
taires) den Lein auf den iezu vorzüglich geeigneten gepachteten Feldern, 
die oft ſehr zerftreut liegen, bauen und die Ernte fowie die weitere 
Verarbeitung dem Flachsbereiter (linier exploitant) verfaufen. Durch 
ute Auswahl des Saamens, gute Düngung und Bearbeitung des 
Feldes, zeitiges Ausraufen ꝛc. Taßt fich zur DBerfeinerung des Flachſes 
Vieles thun. Das Nöften (3. B. in warmem Wafler nad Schenh), 
Brechen und Spinnen wird am beſten in großen Fabriken beſorgt, 
deren auch in Deutſchland ſchon mehrere befteken. 


$. 408. 


Auf das Gedeihen der verfchiedenen Zweige von Gewerks⸗ 
unternehmungen haben örtliche und Zeitumftände Einfluß, deren 
ungünftige Befchaffenheit fi zwar überwinden läßt, aber nur 
mit Anftrengung, vorzüglicher Gefchiclichfeit und erhöhtem Aufs 
wand (a). Die wichtigeren diefer Umftände find nacdhftehenbe: 
1) Bei Gewerföwaaren, in deren Preis der verbrauchte Ber: 
wanblungs- und Hülfsftoff einen beträchtlichen Theil ausmacht, 
fommt viel auf die Koften der Verfendung an, befonderd wenn 
biefer Stoff nicht Foftbarer Art ift, weßhalb ſolche Gewerke ſich 
von felbft dahin ziehen, wo man diefe Stoffe am nächften und 
audy wohl in der größten Auswahl hat. Dieß ift bei ins 
ländifchen Erzeugniffen die Gegend ihrer Entftehung (d), bei 
ausländifchen Stoffen derjenige Bezirk, der ſie am ſchnellſten 
und wohlfeilften durch Einfuhr erhält (c). 2) Bei Gewerfen, 
bie viel Handarbeit erfordern, ift der niedrige Arbeitslohn einer 
Gegend vorzüglidy nüglid (d). 3) Wo eine andere bewegende 
Kraft zu Hülfe genommen werden foll, ift man genöthigt, bie 
Oertlichkeit hiernach zu wählen, 3. B. nad) ven Waflerfräften. 


— 539 — 


4) Manche Gewerke erfordern eine fo hohe ©efchidlichfeit der 
Arbeiter und fo Fünftlihe Hülfsmittel, 3. B. Mafchinen, daß 
fie erft da leicht emporfommen, wo andere leichter zu betreibende 
Gewerközweige fhon Raum gewonnen haben. E8 giebt daher 
eine gewiffe Reihenfolge, in der die Gewerke bei ber allmäligen 
Entwidlung ded Kunftfleißes nacheinander mit beftem Erfolge 
gegründet werben fönnen (Ce). Solchen z. B., welche Gegen» 
ftände eined hohen und verfeinerten Luxus verfertigen, müffen 
andere vorauögehen, die für die Bebürfniffe der arbeitenden 
Elaffen (des gemeinen Manne8) forgen, und manche fehr 
funftreiche Gewerke gelangen nur in größeren Städten zur 
Blüthe, wo ſich Reihthum, Kenntniffe und veredelter Geſchmack 
vereinigen. 


(a) Rau, Anfihten der Volkswirthſchaft S. 122. 


(6) Köplerei, Sägemühlen, Holzſchnitzen, Theer: und Pehhütten, Kienrußs 
brennereien, Glas⸗ und Borzellanfabrifen, Hüttenwerfe in waldreichen 
Bergaeaenden, — manche Kabrifen, bie viel rennftoffe verzehren, in 
der Nähe der Steinfohlenlager, 3. B. chemiihe, — Delmühlen und 
Tabafsfabrifen da, wo Reps und Tabak in Menge gebaut wird, — 
Rübenzuder:Fabrifen in Gegenden wo viel Runfelrüben wohlfeil gebaut 
werden können, — Salz= und Alaunmwerfe in der Nähe der entſprechen⸗ 
ben Lagerflätten (oder Salzquellen) und dergl. Durch Waſſerſtraßen 
wird man jedoch in den Stand gelebt, bei einem Theile der genannten 
Gewerke die Sige nah anderen Rüdfihten zu wählen. Papierfabriken 
dürfen nicht zahlreich nahe beifammen fein, um fi nicht die Lumpen 
zu vertheuern. 


(e) Buderfiedereien entſtehen am leichteſten in großen Handelsſtaͤdten, wo 
man den Rohzuder in beliebiger Menge und Beſchaffenheit vom Aus: 
lande aalınen fann, — Thranfledereien, Natrumfabrifen in der Nähe 
von Küften. 


(d) Bol. $. 493 Nr. 3 b. 6. 207 (a). — Bei den un foftet der Zwirn 
(ſchon Gewerkswaare) nur Y/s—!/ıo des ganzen Aufwandes ; namentlid 
in Neuenburg 10, in Schleswig 12, in Dieppe bei den feinen 10, bei 
groben Spigen 16 Proc., um Puy auch 16 Proc. (Tagsverdienft bei 
den Zwirnfpigen 9—10, bei den Seidenfpigen 12—20 Suus, 15 bis 
20000 Weibsperfonen find beichäftig. Herbin, Stat. gener. de la 
France, II, 99. 101). Bei den Medeiner Spigen (points de Malines), 
die aune zu 16 Fr., wird ebenfalls das Garn zu 10,6 Proc. berechnet; 
bei den unerreihbaren Brüfleler Spipen beträgt es viel weniger. Das 
Spitzengarn wird meiftens aus Branfreich bezogen, das Pfund bis zu 
1800 Fr. 1841 ſah man in Brüffel zweidrähtigen Spibenzwir, 
von dem die Unze (1,975 bad. Loth) gegen 19000 Met. enebich und 
zu 254 Pr. geihäßt wurde, das Zollpfund alfo 4334 Franken. — 
Es find 50—60 040 Arbeiterinnen in Belgien beichäftigt. Briavoinne, 
Ind. en Belg. 11, 367. Perrot, Revue de l’exposit. en 1841, ©. 10.— 
In London war 1851 irländifches leinenes Handgeſpinnſt ausgeftellt, 
von welchem 230400 Yardé auf 1 Pfund gingen. 


— 540 — 


6. 405. 


Die Gewerföverricdhtungen zerfallen nad dem Wefen ihres 
Zwedes in zwei Abtheilungen (a): 

1) Solche, die eine Veränderung in der ſtofflichen Befchaffen- 
heit der Güter bewirken follen, d. h. Mifchungen oder Scheis 
dungen. Hier find die Regeln des Verfahrens auf die chemi⸗ 
[hen Raturgefege gebaut, die Veränderungen werben meiftens 
mit Hülfe der Wärme oder des Waſſers (auf trodenem oder 
naffem Wege) hervorgebracht und erfordern wenig Arbeit, aber 
bei vielen Waaren foftbare und funftvolle ftchende Vorrichtungen. 
In den Koften nehmen die verbrauchten Verwandlungs⸗ und 
Hülfsftoffe einen größeren Theil ein ald der Lohn. Die Er⸗ 
zeugniffe folcher Vorrichtungen find zum Theile fogleich oder 
nur mit geringer Yormveränderung zu menfchlichem Genuffe 
brauchbar, 3. B. Branntwein, Mehl, Bier, Effig, Seife, Leucht⸗ 
gas, meiftend aber muß ſich noch eine ber in die folgende Abs 
theilung gehörenden Vorrichtungen binzugefellen. 

2) Sole, welche den Stoffen eine gewiffe Geftaltung 
(Form) geben und alfo auf mehanifche Wirkungen gerichtet 
find. Hier entfteht der beabfichtigte Erfolg anfänglich durch 
Menfchenhand mit Hülfe von Werkzeugen, bis fpäterhin bie 
Arbeit zum Theil durch Mafchinen erfebt wird. Die meiften 
Kunftwaaren erhalten erft durd die Geftaltung ihren vollen 
Gebrauchöwerth, wobei fie oft mehrere Stufen der Verarbeitung 
zu durchfchreiten haben und aus halbfertigen zu ganz vollendeten 
Kunfterzeugniffen werden. Die Arbeit nimmt bei diefen Vor⸗ 
gängen fortwährend eine wichtigere Stelle ein, als bei ben 
chemifchen, zumal da mit zunehmender Bildung ein immer leb⸗ 
hafter werdendes Beftreben entfteht, in den Gütern von längerer 
Dauer gefällige und felbft fchöne Formen zu Stande zu bringen. 
Der Lurus ruft diefe Steigerung der Gewerkskunſt hervor und 
das Mitwerben treibt zu der Bemühung, die verfehönerten Er⸗ 
zeugniffe durch niedrigere Preiſe mehreren Menfchen zugänglich 
zu machen. Bei vielen Arten von Kunftwaaren giebt e8 von 
ben einfachften bis zu den zierlichften und Eoftbarften Erzeugs 
niffen eine vielfahe Abflufung (6). Die Verfertigung ber 
legteren wird am fpäteften unternommen, auch haben biefelben 


— Su — 


in jedem Lande den fleinften Markt, dagegen fünnen fie wegen 
der geringeren Bortfchaffungsfoften am leichteften in andere 
Länder verfendet werden und veranlaflen deßhalb einen Wett⸗ 
ftreit der in den Gewerken am meiften fortgefchrittenen Voͤlker. 


Sn vielen Gewerfen fommen chemifche und mechaniſche Vers 


änderungen zugleich vor, fo daß die eine oder andere Art nur 
als die vorherrfchende betrachtet werden kann (c). 


(a) Es liegt im Wefen der Sache, daß an dieſer Stelle der Volkswirth⸗ 


Iöaftelehre über die Gewerke nicht fo viele allgemeine Betrachtungen 
mitgetheilt werden, als über die Landwirtbfchaft, weil dieſe nur in 
wenige Hauptzweige zerfällt, die Gewerke aber fehr zahlreich und von 
einander fehr verfchieden find, fo daß Unterſuchungen über ſtatiſtiſche 
—F r Wirthſchaftuiche Verhaͤltniſſe einzelner Zweige ſehr ausfuͤhrlich 
ein müßten. 


(5) 3. 3. vom gemeinen Trinkglas zu dem bunten, gefchliffenen, geſchnit⸗ 


(e) 


tenen Kryſtallbecher, von einfacher Leinwand zum geftidten Battift, von 
dem einfachen Baumwollenzeuche bis zu dem gemuflerten und bedruckten 
Gewebe, vom groben Wollentuhe zum Kaſchmirſhawl, vom Töpfer: 
efchirr gum vergoldeten und bemalten feinen Borzellan, vom Tifh aus 
adelholz z“ dem mit edlem Metall, Perlmutter ıc. eingelegten Prachts 
tifch aus einem ausländifchen Holze. 


In der Verarbeitung des Flachſes ift das Roͤſten, in der PBapierberei- 
tung das Bleihen, Bläuen und Leimen, in dem Wollengewerbe bas 
Färben oder Bedruden eine chemifche Beränterung, in der Glasberei: 
tung das Blafen oder Gießen und das Schleifen, in der Porzellans 
bereitung das Formen ein mechaniſches Geſchaͤft. 


— 542 — 


Dritter Abſchuitt. 
Derhältniffe des Handels. 


@inleitung. 


$. 406. 


Der Handel(a) als felbfiftändiges Gewerbe entſteht dann, 
wenn bie Arbeiten fo weit getheilt find, daß nur durdy eine 
befondere, die Taufchgefehäfte vwermittelnde Tchätigfeit die Her⸗ 
vorbringung mit den Bebürfnifien in Verbindung und Aus⸗ 
gleihung gebracht werben kann, 8. 104. Jede nur etwas aus⸗ 
gebildete Volkswirthſchaft hat alfo. unfehlbar eine Zahl von 
Kaufleuten und deren Gehülfen (8); doch find weit weniger 
Menfchen erforderlich, um eine gewiffe Gütermenge im Handel 
von den Erzeugern zu den Verzehrern zu bringen, als um fie 
durch Erd» und Gewerföarbeit zu erzeugen (c). Uebrigens find 
die Hauptzweige ded Handels fo fehr von einander verfchieden, 
dag in volföwirthfchaftlicher Beziehung ($. 349) weniger ihr 
Gemeinfchaftliches, als vielmehr das, was jedem von ihnen 
eigenthümlich ift, in Unterfuhung fommen muß. 

(a) G. B. Conte Arco, Dell’ influenza del commercio sopra i talenti e 
costumi in den Classici Ital. P. moderna, T. XXXI Deutfh: Abhands 
fung über den Einfluß des Handels auf den Geift und die Sitten der 
Voölker, 1788. — Defien Dell’ influenza dello spirito del commercio 
sull’ economia interna de’ popoli e sulla prosperitä degli stati. ebd. — 
Niemeyer, Ideen über Urſachen, Bortfchritte und Wirkungen ber 
Handlung, Hannov. 1796. II, 3. Ausg. 1844. — Murhard, Ipeen, 
©. 124. Defien Theorie und Politif des Handels, IL. Bd. 1831. (Der 
II Bd. enthält die Handelspolitik.) — Geier, Berfuch einer Charak⸗ 
teriftil des H. Würzb. 1823. — N. v. Mylius, Der Handel, betrachtet 
in feinem Ginflufle auf die Entwicklung der bürgerlichen, geiftigen und 


fittlihen Eultur, Köln, 1829. — Mac⸗Culloch, Ueber Handel und 
Handelsfreiheit, d. v. Sambihler, Nürnb. 1834. 


(5) Sowohl die im Dienfle eines einzigen Unternehmers flehenden (Handels: 
diener, Pader, Auslaufer), als die, welche mehreren für Lohn beiftehen, 
wie Fuhrleute, Schiffer, Mäfler, Laftträger, Auslader. Die Inhaber von 
Fuhrwerken und die Schiffsherren find unter die Unternehmer zu zählen. 


— 543 —- 


(e) Breußen hatte 1852 an Arbeitenden: 
14044 Großhäntler, 
10630 Gehülfen derfelben, 
2239 Mäfler, 
136 556 Kleinhändler, 
24 161 Gehülfen ter Kaufleute mit offenem Laden, 
34 444 Schiffleute, 
16100 Yuhrleute, 


238 174 oder 1/0 der Einwohner. 
In Belgien zählte man 1846 nad) den Köpfen in den Familien: 
51697 Großhändler mit Einſchluß der Mäller, Holz: und 
Pferdehaͤndler und Meder, 
100958 Kleinhändler aller Art, 
41836 Schiff: und Fuhrleute, 
194491 oder 4,4 der Ginmohner. 
In Sachen find (die felbfländigen Familienhaͤupter gezählt) im Handel 
2,9 Proc. ter Einw. befchäftigt, daneben in der Foriſchaffung, im 
Wegbau, der Poſt, Ciſenbahn, den Telegraphen 0,9 Proc. 





$. 407. 


Der Handel wird nad der Befchaffenheit und Menge ber 
vertaufchten Gegenftände auf folgende Weife eingetheilt: 

1) Waarenhandel, welder bewegliche Güter von einer 
befonderen Art der Tauglichkeit, die ald Eapitale oder Genuß⸗ 
mittel gebraucht werden (a), in Umlauf bringt. Da beträdht- 
liche Maſſen von Waaren mit verhältnißinäßig geringeren Koften 
von einem Lande oder Landestheile dem anderen zugeführt 
werden fönnen, ihr Verbrauch aber in den meiften Fällen eine 
Zertheilung ber größeren Borräthe in Feine Duantitäten er: 
fordert, fo theilt fich der Waarenhandel wieder in Groß- und 
Kleinhandel. Wo jener aufhört, diefer anfängt, läßt fich 
nicht allgemein nach der Quantität beftimmen, es ift jedoch zur 
Feſtſtellung beider Begriffe Tas Merfmal hinreichend, daß der 
Kleinhandel ſich mit der Vertauſchung fo Fleiner Gütermengen 
abgiebt, wie fie der tägliche Gebraudy verlangt (b). 

2) Bapiers oder Effectenhandel, ver fi mit Eredit- 
papieren ($. 293) befchäftigt. Diefe fommen hier nicht 
blos als Zahlungsmittel und Gegenwerthe für ausgelichenes 
Vermögen, fondern zugleih als Gegenftände, welche des Ges 
winnes willen eingekauft und wieder verkauft werden, in Er 
wägung. 


(a) Auch Gruntflüde in einzelnen Faͤllen; es giebt Menſchen, die mit 
Zantgütern hanteln. 


_— 544 — 


(6) Diefer Bedarf iſt der Quantität nah fehr ungleih. Talg, Kochſalz, 
Butter, Gyps brauchen des geringen Preifes willen nicht jo fehr zer- 
ftüdt zu werden, als Zimmt und Pfeffer; Holz wird nicht in fo Heinen 
Abtheilungen verbraudht als Räucherpulver. Wo eine Waare aus ein: 
einen Stüden befteht, deren jedes für fih zu gebrauchen ifl, wie 
Baier, Schreibfedern, Oelkuchen, Knöpfe, Beuerfleine, Reisbündel, da 
iebt der Kleinhandel dieſelben ſtückweiſe aus, fonft aber zertheilt er die 

uantitäten nach der Bequemlichkeit der Zehrer, damit fie nicht mehr 
zu faufen brauden, als fie im fürzefter Zeit zu verzehren pflegen. — 
Die in Frankreich aufgeftellte Deittelftufe —X Groß⸗ und Klein⸗ 
handel iſt eine Verbindung beider Geſchaͤfte, indem die Kleinhaͤndler 
mit offenem Laden in Staͤdten oft zugleich die Kraͤmer kleinerer Orte 
verſehen und infofern Großhändler find. 


8. 408. 


Eine andere Eintheilung der Handelszweige entfpringt aus 
ber Rüdficht auf das Verhältniß des Handels zur Volkswirth⸗ 
ſchaft eines einzelnen Landes. 

1) Inländifcher oder Binnenhandel ift der Inbegriff 
berjenigen Handelögefchäfte, bei welchen Waaren lediglich inners 
halb des Landes vertaufcht werden (a). 

2) Der auswärtige Handel überfchreitet mit feinen Unter- . 
nehmungen und Sendungen die Gränzen ded Landes. Er zer 
fallt wieder in zwei Abtheilungen: 

a) Der Aus⸗ und Einfuhrhanpdel führt inländifche Er⸗ 
zeugnifle ind Ausland und bringt von da fremde Waaren 
für die Verzehrung im Lande zurüd (b). 

b) Der Zwifchenhandel befchäftigt fi) blos mit bem 
Umtaufche ausländifcyer Erzeugniffe gegeneinander, ohne 
den Stoffarbeitern des eigenen Landes Abfag, ober ben 
Zehrern befielben Zufuhr zu verfchaffen. 

Hält man biefe Eintheilung mit ber vorigen ($. 407) zus 
fammen, fo ergiebt fi), daß nur bei dein Waarenhanbel biefe 
Rüdfiht auf den Ort der Entftehung und Verzehrung von 
Waaren Bedeutung hat, — ferner daß ber Kleinhandel, etwa 
ben Haufirhandel ausgenomihen, nicht leicht ind Ausland geht, 
weil VBerfendungen in die Ferne fich nur bei beträchtlichen Guͤter⸗ 
maflen verlohnen. 

(a) Auch ausländifche Erzeugnifie, wenn fe eingeführt worden find, koͤnnen 


im Binnenhandel weiter vertaufcht werden und mifhen fih im Kleins 
bandel auf unfenntlihe Weife mit den Landeserzeugniflen. 


(d) Nicht jeder einzelne Kaufmann, der mit dem Auslande handelt, muß 
nothwendig Einfuhr und Ausfuhr zugleich beforgen, aber wenn ber eine 


— 545 — 


nur die Ausfuhr der einheimifchen Probucte betreibt, fo wird immer 
auch ein anderer da fein, ber die Ergänzung, nämlich die Ginfuhr, fi 
zum Gefchäfte macht. Man unterfheidet in Seeplägen die Aus: und 
die Sinfuhrhändler, exporteurs, importcurs. 


Erfte Abtheilung. 
Der Großhandel. 


I. Der Binnenbandel, 


$. 409. 


Der inländifche Großhandel eines Volkes verfchafft den ein- 
heimifchen Erzeugern den Abſatz ihrer Waaren, ben inländifchen 
Zehrern, d. h. allen Einwohnern, eine leichte Befriedigung ihrer 
Bedürfniffe. Die Wirkung gereicht alfo in beiden Hinfichten 
volftändig dem eigenen Lande zu PVortheil. Jedes auf den 
Einfauf von Waaren gewendete Hanbelscapital erftattet einem 
inländifchen Unternehmer einer Stoffarbeit feine Koften und ſetzt 
ihn dadurch in den Stand, fein Geſchaͤft fortzufegen. “Der 
unmittelbare Berfehr zwifchen ben Erzeugern und Zehrern ver 
mag in den meiften Fällen die Abfichten beider Elafien nicht fo 
volftändig zu erfüllen, al8 die Vermittlung durch den Kaufmann. 
Deßhalb ift bluͤhender Binnenhandel die nothwendige Bedingung 
einer ausgedehnten Erzeugung mandhfaltiger, für bie eigene 
Berzehrung ded Volkes beftimmter Güter; durch ihn treten bie 
Stoffarbeiten in ein richtiges Verhältnig zu den Bebürfnifien 
und dem Einfommen ber Bürger und bie ganze Volkswirth⸗ 
ſchaft erhält erft durch ihn Zufammenhang und Feſtigkeit. Es 
iR ein Erfahrungsſatz, daß diejenigen Staaten ben höchften, 
und zwar einen unerfchütterlichen Wohlftand genießen, in denen 
der Binnenhandel die größte Xebhaftigfeit erreicht (a). Doc 
kann berfelbe in einem Heinen Lande, wo ber Abſatz vieler 
Waaren eine ziemlich enge Gränze hat, der Production nicht 
bie wünfchenswerthe Ausdehnung geben, und ed können in 


biefem Halle ohne Beiftand bed auswärtigen Verlehres manche 
Ran, polit. Dekon. I. 7. Ausg. 


— 546 — 


Gelegenheiten zum vortheilhaften Betriebe einzelner Gewerbe 

nicht gehörig benugt werben. 

(a) A. Smith, II, 150. — Die Irrthümer des Handelsſyſtems verleiteten 
dazu, den inneren Handel darum gering zu fohäßen, weil er die Geld⸗ 
menge des Landes nicht vermehrt. Man kann den Belauf diefes Zweiges 
fatiftifh nicht fo Leicht berechnen, als den bes in. wenigere größere 
Ganäle zufammengebrängten auswärtigen Handels. Rimmt man indeß 
den weiteren Begriff des Handels an, fo daß auch ber wir der Er⸗ 
zeuger an die Verzehrer mit in ihn fällt ($. 99), fo ift offenbar ber 

rögere Theil aller in einem Lande verjehrien Erzeugniſſe deſſelben 

egenſtand dieſes inneren Güterverkehres. Der innere Güter⸗ 
verkehr auf den Fluͤſſen und Canaͤlen von Rußland, mit Ausſchluß der 
zur Ausfuhr beftimmten Waaren, umfaßte im Jahre 1837 eine anges 
fommene Gütermaſſe von 612 Mill. Rubel, Berghaus, Annalen, 
Febr. 1839. — Auch der innere Handel zeigt bisweilen überrafchend 
Schnelle Kortfchritte. Am Hudfoncanal im Staate Newyork ift die Stadt 
Lockport an einer Stelle entflanden, wo 1821 erft einige Bauernhäufer 
flanden. 1825 hatte fie fhon 600 Häufer, 2 Kirchen, 1 Poftamt. 
Neife des Herzogs Bernhard von Weimar, I, 128. 


8. 410. 


Das Capital des Kaufmanns ift größtentheild umlaufend, 
indem ed zur Anfchaffung der fertigen Waaren und zur Bes 
wirkung des Fortſchaffens dient, und fein Umlauf erfolgt im 
Binnenhandel fchneller, als im auswärtigen, weil die Berfen- 
dung und Bezahlung in Fürzerer Zeit bewirkt werben kann. 
Eine Summe wird bier leicht in einem Jahre zweimal oder 
noch öfter umgefeßt und dadurch zugleich der ganze Bedarf von 
faufmännifhem Gapitale verringert. Das ftehende Bapital, 
welches der Handel erheifcht, ift jedoch nicht allein im Ber: 
mögen des Kaufmanns enthalten, fondern begreift audy bie 
beweglichen Verfendungsmittel (Fuhrwerke, Schiffe), welche den 
Hülfsperfonen, und die unbeweglichen (Niederlagen, Krahnen, 
Wangen, Landftraßen, Candle, Brüden, Eifenbahnen), welche 
dem Staate, den Gemeinden oder Gefellfchaften gehören, $. 127. 
Schon hieraus erhellt, daß das Gedeihen des Handels mehr 
als das Emporfommen der Stoffarbeiten von öffentlichen Ein- 
richtungen abhängig ift. 


8. 411. 


Der Gewinn, den der inländifche Handel den Unternehmern 
abwirft, ift in der Regel im Berhältnig zu dem Bapitale (dem 
PBrocentfage nach) nicht beträchtlich, denn bie Gefchäfte deffelben 


— 51 — 


find mit geringeren Schwierigfeiten und Gefahren verbunden 
als im auswärtigen Handel, die Einfaufspreife und die anderen 
Koften find offenfundig, die erforderlichen Capitale von mäßiger 
Größe, fo daß ſtets ein ſtarkes Mitwerben vorhanden ift, 
welches die Preiſe zu Gunſten der Käufer niedrig hält. Auch 
Perfonen ohne eigentliche kaufmaͤnniſche Bildung befaflen ſich 
mit ſolchen Handelögefchäften, wozu fle bald durch den Beſitz 
eines Capitals, bald durch Waarenfenntniß in einem einzelnen 
Gegenftande oder Theilnahme an einem Gewerbe der Erzeu- 
gung veranlaßt werden (a). Der ungeftörte, gefahrlofe Forts 
gang ber Unternehmungen hält bie Kaufleute für ben geringeren 
Belauf des Gewerbögewinnes ſchadlos. 


(a) So wird häufig der Getreide⸗, Hol Hopfen⸗, Viehhandel ac. 
in uno 2 BWeife bekrieben. v vopf ” 


U. Der Aus: und Einfuhrhandel. 
A Allgemeine Betrachtung deffelben. 


$. 412. 


Die Vortheile, welche diefer Handelszweig (a) für die Volks⸗ 
wirthichaft gewährt, erklären fi) daraus, daß bderfelbe einen 
Austaufch zwifchen den Völkern und eine Folge ber Arbeits, 
theilung unter denfelben bildet. Kein Bol vermag alle Gegen⸗ 
fände, die zur Befriedigung feiner Bebürfnifie und zur Erhöhung 
feines Genuffes dienen, leicht, gut und wohlfeil hervorzubringen. 
Diefelben Umftände, weldye den Betrieb einiger Gewerbszweige 
bejonderd begünftigen, ftehen andern hindernd im Wege. So 
entfteht für jedes Volk eine Ermunterung, ſich vorzüglich den⸗ 
jenigen Stoffarbeiten zu wibmen, bei denen ed ben größten 
Erfolg zu hoffen hat, und dagegen auf andere zu verzichten, 
in denen ed dad Mitwerben anderer Voͤlker nicht beftehen kann. 
Als Urfachen einer ſolchen DBerfchiedenheit laſſen fi haupt⸗ 
fählidy anführen: 1) Die Naturbefchaffenheit der Länder, bie 
ſich beſonders bei der Erdarbeit entfcheidend zeigt, 8.87 ff. 119. 
Die heißen Länder zeichnen fich durch eigenthümliche edlere 
Erzeugniffe vor den anderen aus, gemäßigte unterfcheiden ſich 
wieder von ben falten Gegenden und Gebirge von ben Ebenen 

35 * 


— 548 — 


theils durch die Art ihrer Erzeugniſſe, theils wenigſtens durch 
bie ungleichen Hervorbringungskoſten derſelben (6). Dieſe 
natuͤrliche Verſchiedenheit hat auch auf die Gewerke Einfluß 
($. 405) und dieſe Verſchiedenartigkeit der von jedem Volke 
angebotenen Erzeugniſſe bildet eine maͤchtige und immerwaͤhrende 
Aufforderung zum Tauſchverkehr (8. 27), welchem ſich von 
ſelbſt ein geiſtiger Verkehr anſchließt (c). 2) Die ungleiche 
Vertheilung der einzelnen Guͤterquellen, indem häufig das eine 
Land eine Fuͤlle von Capital und Kunftmitteln befigt, das 
anbere einen Ueberfluß an Wrbeitöfräften, ber ben Lohn auf 
einem niedrigen Stande hält, ein brittes eine Menge bed fruchts 
barften Bodens, fo daß nur die beften Grunpftüde angebaut 
und bie rohen Stoffe mit den geringften Koften erzielt werben (d). 
3) Mandherlei zufällige Umftänbe, welche die Gewerböthätigfeit 
einzelner Zänder befonderd auf ben einen ober ben anderen 
Zweig der Stoffarbeiten hinlenken, fo daß im Berlaufe der Zeit 
die Vorliebe für denfelben und die erworbene Gefchidlichfeit 
ähnliche Wirkungen äußern, wie die verfchiedenen Raturbefchaffens 
heiten, nur daß dieſe Richtung des Kunftfleißes ſich auch wieder 
ändern kann (e). | 

(a) Er wird auh auswärtiger Gonfumtions- ode Bedarfs⸗ 

handel genamt. Kraus, Staatsw. ILL, 124. 


(5) Hio segetes, illic veniunt felicius uvae, 
Arborei foetus alibi atque injussa virescunt 
Gramina; nonne vides, croceos ut Tmolus odoros, 
India mittit ebur, molles sua thura Sabaei? 
Virgil. Georgio. I, v. 53—56, 


(e) „Euch, ihr Götter, gehört der Kaufmann. Güter zu ſuchen, 
Geht er, doch an fein Schiff nüpfet das Gute ſich sit 
er. 


Die hohe völkerverbindende Macht des Handels zeigt fih 3. B. deut⸗ 
lih in den Garavanenzügen, bie durch Sandwüſten und Steppen ben 
Verkehr in Aſien und Africa unterhalten. Durch reifende Kaufleute 
bringt die europäifche Bildung in das Innere beider Erdtheile. Geht 
giedurd die Sitteneinfalt eines bisher ganz abgefehiebenen Bolfes vers 
oren, fo wird dafür eine mandhfaltige Kraftentwidelung gewonnen. 
„Der Menfch hebt fih nur durch Meibung des Geiſtes am ft, und 
ob müflen wir aufbliden, wenn wir Voͤlker, die bieher einzeln und 
folirt ftanden, in dem Treiben der Welt mit fortgewälzt fehen. In 
der Wuͤſte wird nie aus dem Kinde ein Mann, und im befchräntten 
Raume, wo nur für wenige Ideen Plazt ift, bildet fi feine Nation.“ 
v. Buch, Reife durch Scandinavien, UI, 120. 


(4) Alte und neue Länder, old und new countries gl. Tor- 
rens, Prod. of w., ©. 253. - 


— 549 — 


(c) Es giebt manche Beilpiele von Gewerben, die von einem Eunftfleißigen 
Volke neu ergriffen und bald fo vollfommen betrieben werden, wie in 
ihren alten Sitzen. 


8. 413. 


Der Aus» und Einfuhrhandel hat für ein Volk überhaupt 
den Nugen, daß baffelbe mit gleichem Koftenaufwande eine 
größere Gütermenge erwirbt, ald wenn ed alle Gegenftänbe 
bes eigenen Bebürfniffes felbft erzeugen wollte (a). Dieß läßt 
fidy bei den zwei Gefchäften, in welche ſich diefer Handel fpaltet, 
näher nachweiſen: 1) Die Ausfuhr von Landeserzeugnifien bes 
wirkt, daß gerade diejenigen Zweige der Hervorbringung, welche 
bie Bürger des Landes befier und wohlfeiler ald andere Völker 
. zu betreiben vermögen, eine größere Ausdehnung gewinnen. 

Auf diefe Weife werden die Orundftüde, Capitale, und Arbeits- 
fräfte am ergiebigften und vollftändigfiten benutzt, ber höhere 
von dem Auslande erftattete Verkaufspreis giebt reichliche 
Gevinnfte, es werden in rafchem Bortgange neue Capitale ers 
übriget, die Stoffarbeiten entwideln ſich fehneller, und man darf 
annehmen, daß durch diefen im auswärtigen Abſatze liegenden 
Anftoß zur Anftrengung ber Kräfte die gefammte Erzeugung 
eined Landes anſehnlich vermehrt wird. 2) Die Einfuhr ver 
(chafft zugleich dem Volke ſolche Güter, bie von ihm felbft gar 
nicht oder body nur mit größeren Koften hervorgebracht werden, 
um einen niedrigen Preis, und bringt eine Mandfaltigfeit von 
Genußmitteln hervor, welche wieder die Veranlaſſung geben, 
daß man, um fie erlangen zu können, eifriger arbeitet. 


(«) Smith, U, 266. — Ricardo, 7. Cap., befonders ©. 129 der 
Ueber.” von Baumflarf. — Mac⸗Culloch, Ueber Handel und 
Handelsfreiheit, S. 13. — Gegen Smith: Herrenfhwand, Nbs 
hand. über den auswärt. Handel der europ. Nationen. Aus d. Kranz. 

erl. 1790. 


g. 414. 


Der aus dem Auss und Einfuhrhandel hervorgehende Vor⸗ 
theil findet fi) 1) in dem reinen Gewinne der Kaufleute, wenn 
fie die ausgeführten Waaren im Auslande, und bie dafür ein» 
getaufchten fremden wieder im Innern um einen bie Roften 
überfleigenden Preis verkaufen. Hätte man genaue Berzeich« 
niffe der Aus⸗ und Einfuhr, würden ohne Zutritt anderer Leis 
ftungen alle eingeführten Waaren mit ausgeführten vergütet und 


— 550 — 


alle Geſchaͤfte diefer Art innerhalb eined Jahres ganz beenbigt, 
jo daß weder Schulden noch Forderungen an andere Länder 
ftehen blieben, fo würde fich zeigen, daß die Einfuhr mehr bes 
trägt, ald die Ausfuhr, beide nad ihren inländifchen Preifen 
bemefien, und der Unterfchied würde nad Abzug der Handels 
foften die Gewinnfte der Kaufleute anzeigen; 2) in dem reinen 
©ewerbögewinn, den andere an der Hervorbringung theilnch- 
menbe Perſonen in Bolge ber ausgebehnteren Production und 
des einträglichen Verkaufes machen; 3) in der Erfpamiß ber 
Käufer, welche ihre Bebürfniffe mit Hülfe der eingeführten 
Waaren wohlfeiler befriedigen fünnen, d. 5. in der größeren 
Werthmenge, weldye fie fich bei gleicher Ausgabe verfchaffen. 
Diefer Werthüberfchuß entzieht fi) der Berechnung (a). 


(a) Krug (Nationaler. des pr. St. I, 220) glaubt, nur der Gewinn bei 
der Ausfuhr koͤnne als reiner Zuwachs Er dem Bolfseintommen be- 
tradhtet werben, weil der Kaufmann den ” heren Preis der eingeführten 
Waaren von feinen Mitbürgern erhalte, fich alfo blos auf ihre Koſten 
bereichere; allein es laͤßt fi is mit Sicherheit annehmen, daß biefe auch 
bei dem höheren Preife, den fie bezahlen, noch am Werthe gewinnen. 


8. 415. 


Dieſer Vortheil ded Aus- und Einfuhrhandels ift wie aller 
Gewinn aus dem Tauſche ($. 151) nothwendig ein gegen- 
feitiger; jedem an biefem Verkehre theilnehmenden Bolfe fließt 
ein Gewinn zu, obfhon nicht gerade ein gleich großer, fowie 
audy der Grab der Mitwirkung zu diefem Taufche nicht überall 
derfelbe if. Wenn ein Volk die Aus⸗ und Einfuhr mit feinen 
eigenen Gapitalen und Fortfchaffungsmitteln betreibt, wenn «6 
alfo auf feine Rechnung und Gefahr die Landeserzeugnifle hin⸗ 
aus fendet und anderen Völkern zum Kaufe anbietet, zugleich 
aber die fremden Waaren an ihren Erzeugungsorten einfauft 
und nach Haufe bringt, fo ift dieß eine ftärfere Theilnahme 
an dem Handel, die man deßhalb Activhandel nennt, wäh- 
rend der Ausdruck Paffivhandel den Verkehr desjenigen 
Volfed "bezeichnet, welches ſich von Fremden feine Erzeugnifie 
abholen und feinen Bedarf an fremden Waaren zuführen 
läßt (a). Der Paſſivhandel erfordert fein größered Capital, 
als der inländifche, er ift Leichter, bequemer und gefahrlofer und 
entfpricht daher folchen Völkern, die noch wenig Capital haben 


— 551 — 


und baffelbe befier für ihre ‚Stoffarbeiten verwenden fönnen. 
Dagegen ift der Abfag ber Erzeugniſſe im Paſſivhandel uns 
ficherer, während es im Activhandel leichter ift, neue Abſatzwege 
aufzufuchen und neue Berbindungen anzufnüpfen. Der Iebtere - 
eignet fi) daher mehr für reiche Länder. Da er vorzüglid) 
durch Waflerverfendung ausgebehnt werben Tann, fo hängt fein 
Gedeihen zugleih von dem Zuftande der Schifffahrt eines 
Landes und dadurch mittelbar von der Gelegenheit zum wohl- 
feilen Einfaufe des Bauholzed und von ber Ausbildung der 
Scifffahrtsfunft ab. 


(a) Bisweilen verfieht man unter Activhandel denjenigen, welcher eine 
Forderung an das Ausland begründet (Ausfuhrhandel), unter Paſſiv⸗ 
bandel den, aus weldhem ein Land an andere fhuldig wird (Binfuhr- 
handel). Diele ältere Bedeutung beider Ausprüde ift unfrudhtbar, weil 
Aus: und Binfuhr immer miteinander verbunden fein müffen, 


8. 416. 


Die Begriffe von Activ» und Baffivhandel beziehen 
fi) nur auf den Ball, wenn das eine Bolf dem Aus- und 
Einfuhrhandel viel mehr Capitale und Kräfte widmet, ald das 
andere, fie fallen alfo ganz hinweg, wenn die Aus- und Ein- 
fuhr von jedem ber beiden in Berfehr ftehenden Voͤlker wetts 
eifernd beforgt wird, wobei dann dad Mitwerben ber beider: 
feitigen Kaufleute und Schiffer den Abnehmern und Berfäufern 
defto günftigere Bedingungen verfchafft (a) und jedes Bolt 
nur einen Theil des erforderlichen Handelscapitales aufzuwen⸗ 
den braucht. In dieſem Falle bleibt aber das dazu beftimmte 
umlaufende Capital länger im Umlaufe, weil jedes Geſchaͤft 
‚mehr Zeit erfordert (6). Dafür kann auch dem Unternehmer 
‚ein größerer Gewinn zu Theil werden, indem der große Ums 
fang und die Gefahren der Unternehmungen, fowie die dazu 
‚nöthigen Kenntniffe und Berbindungen das Mitiverben ein. 
engen (ec). Dieß tritt vorzüglich bei neu eröffneten Handels⸗ 
geichäften ein, doch fcheint dabei der reine Gewinn größer, ale 
“er wirklich if, weil man auf bie Gefahren des Mißlingens Rüd- 
ht nehmen und deßhalb eine entfprechende Vergütung unter 
die Koften aufnehmen muß, $. 239. Die Erzeuger der Aus⸗ 
fuhrgegenftände Fönnen dagegen nur fo lange einen das ges 


— 552 — 


woͤhnliche Maaß uͤberſteigenden Gewinn genießen, als der Ab⸗ 
ſatz im Steigen iſt. 


(a) Es giebt jetzt wenige Voͤlker mehr, die ſich ganz paſſiv im auswärtige n 
Handel verhielten; doch geben bie Ghinefen im Berbältnig zu ben 
@uropäern ein Beifpiel bievon. 

(5) Wer eine Sendung in ein anderes Land gemacht hat, kauft dafelbk 
meiſtens fogleidy für den Erlös fremde Waaren ein, ſchon damit bas 
Schiff nicht leer aurüdgchen muß. Wenn dagegen engliſche Kaufleute 
Baumwollen⸗ und Stahlwaaren nach Spanien Ichidlen, dort Weine und 
Dele kaufen, diefe in Schweden abfehen und erſt hier, oder vollends in 
einem vierten Lande die zur Ginfuhr nad England beflimmten Dinge 
faufen, fo wird dieß Geſchaͤft ale eine befondere Art des Aus⸗ und 
Einfuhrhandels angefehen (Smith, IL, 151), die man den inbirecs 
ten oder umfhweifigen Gonfumtionshandel genannt bat, 
Kraus, Staatew. III, 2156. Bgl. 8. 412 (a). Genau betrachtet if 
dieß eine Berbindung zweier ungleichartigee Unternehmungen, denn 
das Einfaufen fpanifher Producte, um fie in Schweden zu verlaufen, 
gehört dem Zwiſchenhandel an. 

(e) Die Preife der Waaren Eönnen in verfchiebenen Ländern fo fehr von 
einander abweichen, daß bie erften Handelsunternehmungen reiche Früchte 
bringen, nur werben meiftens durch das Mitwerben die Preife in dem 
einem Lande allmälig fo weit erhöht, in dem anderen aber um foviel 
erniedriget, daß fie fat nur noch um den Betrag der Fortſchaffungs⸗ 
foften verfchieden find. Die anfängliche Preisverfchiedenheit ift deſto 
größe, je weniger die beiden Länder in der Bildung und Richtung 

er Gewerbe einander ähnlih find. — In einer amtlichen Befannt- 
mahung bes ruflifhen Senates von 1775 wurden die Berlaufspreife 
von 28 ruflifhen Ausfuhrartifeln zu Gonflantinopel und die ſaͤmmt⸗ 
lihen Koften angegeben, und es ergab fh, daß im Durdhfchnitt ein 
Gewinn von 24 Proc. für ben Kaufmann übrig blieb, v.Beyifonel, 
Berfaffung des Handels auf dem fehwarzen Meere, über. von Cuhn, 
S. 380. (Eeipz. 1788.) 


8. 417. 


Kein Volk kann die Vortheile des Aus- und Einfuhrhandels 
genießen, ohne fich zugleich manchen Gefahren auszufegen. Uns 
terbrechungen des Verkehrs zwifchen ven Völkern werben fos 
wohl durch Kriege, ald durch Maafregeln der Regierungen vers 
anlaßt, au wird nicht felten ein Volk durch ein anderes, 
welches die Stoffarbeiten mit noch befjerem Erfolge zu betreiben 
anfängt, aus feinem Abſatze verbrängt. Wenn bie für bie 
Ausfuhr arbeitenden Gewerbözweige in Stoden gerathen, fo 
treten wenigftend für ben Augenblid empfindlide Störungen 
des Wohlſtandes ein, Capitale und Arbeiter werben außer 
Thätigkeit gefegt und es find Verluſte und Bebrängnifle zu er 
tragen, bis e8 gelingt, neue Anwendungen für die Güterquellen 
aufzufinden. Das natürliche Heilmittel unter folchen Umftäns 


— 553 — 


ben liegt barin, daß bei der Verminderung der Ausfuhr auch 
die Einfuhr abnehmen muß, die Production fidy mehr auf bie 
Gegenftände der einheimifchen Verzehrung richtet, und bie bis⸗ 
ber zum Einfaufe fremder Waaren angewendeten Einkünfte num 
den inlänbifchen Erzeugern Abfap verfchaffen. Doc, verftreicht, 
befonderd wenn einzelne ‘PBrobuctiondzweige ausgedehnt waren, 
oft geraume Zeit, bis die Hervorbringung biefe neue Richtung 
volftändig angenommen bat und die Nachtheile verſchwunden 
find. Obgleich folche Ereigniffe bisweilen den Nutzen des Aus⸗ 
und Einfuhrhandeld verringern, fo dürfte man doch feinem 
Volke rathen, jener Gefahren willen auf die unberechenbaren 
Vortheile ded auswärtigen Berfehred ganz zu verzichten (a). 
Eher könnte dieſes Beforgniffe erregen, wenn ein Bolt des 
jetzigen wohlfeileren Einfaufes vom Auslande willen die eigene 
Erzeugung hochwichtiger Güter unterließe, von denen es zweifels 
haft ift, ob fie zu jeder Zeit in wünfchenswerther Menge und 
Güte werben eingeführt werben fönnen. 


(a) Die auswärtige Staatskunſt erhält hiedurch zu dem völferrechtlichen 
Gebote aud einen wichtigen Klugheitögrund, das friedliche Staatens 
verhältmiß mehr und mehr zu befefligen. 


B. Berhältnig zwiſchen ber Aus; und Binfuhr. _ 


$. 418. 


Wenn aud nicht die lange als unerfchütterlid angenoms 
menen Lehren des Handelsſyſtems zu ber Unterfuhung aufs 
forderten, wie fich die ausgeführte Gütermenge zu der eingeführten 
verhalten müfle, und welche Bewanbtniß ed mit der vielfad) 
beiprochenen HDandelsbilanz (a), dem Unterfchiede jener beis 
ben DQuantitäten, habe, fo wäre doch ſchon darum die Beleuch⸗ 
tung dieſes Gegenſtandes von Wichtigkeit, weil die Ausfuhr 
von ber Erzeugung herrührt, bie Einfuhr aber zunaäͤchſt zur 
Berzehrung dient, und in dem Verhaͤltniſſe jener beiden 
Größen fi) dad allgemeine Grundverhältniß zwifchen der Er⸗ 
zeugung und Berzehrung wiederholen muß. Die Vergleihung 
ber Auss und Einfuhr fann, wenn fie in Zahlen geſchehen fol, 
nur nad den Preiſen vorgenommen werben. Die Grundlage 
ber ganzen Betrachtung iſt ber einfache Sag, daß jede Leiftung, 


welche eine Perfon für eine andere im Handel vornimmt, ents 
weber alsbald durch eine Gegenleiftung vergütet werben muß 
oder eine Forderung und Schuldigfeit nach fich zieht. Daher 
ift auch) die Preisfumme, welche ein Volk während eines Jahres 
von allen anderen Bölfern empfängt, derjenigen gleich, bie es 
für fie leiftet oder ihnen einftweilen fchuldig wird. Dahin 
gehören aber nicht blos Waarenverfäufe und Baarfendungen, 
fondern auch andere Ausgaben und Arbeiten in Handeldangelegen- 
heiten, 3. B. die Fortfchaffung von Gütern für Ausländer, bie 
Auslagen ded Spebiteurs beim Empfang und Abfenden fremder 
Waaren, die Bemühungen bed Commiſſionars u. dergl. Die 
Darleiben in dad Ausland Fönnen hiebei ebenfalls mit einges 
rechnet werden, denn obfchon fie nicht felbft Handelögefchäfte 
find, fo fteht dody wie bei diefen der Sendung von Sachgütern 
eine neuentflandene Schuld oder die Tilgung einer foldyen gegen- 
über, auch find Käufe auf Credit zugleich Darleihen. Dieſe 
Gleichheit gilt aber nur von ben vertragsmäßig verabrebeten 
Preisfummen, während die Einfuhrgegenftände noch buch - 
Frachtkoſten ıc. über den Einkaufspreis vertheuert werben 
fönnen, $. 414. 


(a) Art. Hanbelsbilanz in der Encyklop. von Erſch und Gruber (von- 
Rau). — Murhard a. a. O. I, 222 ff. 


$. 419. 


Wenn in einem gegebenen Falle ein Bol mehr an andere 
zu geben fcheint, als es dafür einnimmt, fo kann dieß theils 
von ber Unrichtigfeit der ftatiftifchen Zahlenangaben, theils aber 
von folchen Leiftungen zwifchen den Ländern herrühren, die nicht 
aus Handelögejchäften entipringen und alfo nicht dem Geſetze 
der Gleichheit unterworfen find. Solche einfeitige, Feine Ver⸗ 
gütung erfordernde Leiftungen gefchehen theild von Privaten, 
3. B. Berzehrung der Reifenden im Audlande (a), Vermögen, 
welches die Ausdwandernden mitnehmen (5), Erbfchaften, Ge⸗ 
fchenfe, Gewinnſte (c); theild von ben Regierungen, 3. B. 
Subfidien, Kriegsfoftenerfag, Koften der Geſandtſchaften (d). 


(0) Biele irländifche Gutsbeflger Ieben in England, viele Engländer auf 
dem europäifchen Wefllande, 8. 340. Die Berge nun, der Engländer 
auß erhalb ihres Baterlandes wurde auf 3—3!/a St. angeſchla⸗ 

\ gen, Lady Morgan, Absenteeism. Lond. 1825. — Im Jahr 1838 


— 555 — 


foflen 80.000 Gngländer bas Feſtland bereifet Haben, deren Ausgaben 
man auf 12 Mill. L. anfchlug! — In die Schweiz bringen die vielen 
Meifenden theild Münze mit, theils Wechfel auf Schweizer-Häufer. 


(8) Die aus dem Freiflaate Merico vertriebenen Spanier nahmen große 
Summen mit fih hinweg, nah Ward (Mexico in the year 1826. 
Lond. 1828) 80 bis 100 Mil. Piaſter; blos nah Bordeaurx follen 
durch fie faft 100 Mill. Franken gefommen fein, und ein einziges Schiff 
brachte im December 1829 11/ Mill. Piaſter baar und 150 Suronen 
Cochenille dahin. 


(e) Berner die aus den golbhen Ländern nah Rom (an die Dataria) 
gehenden Summen. Diele Zahlungen von Spanien bis gegen 1820 
wurden jährlich auf 795000 fl. berechnet, Allg. polit. Annalen, VILI, 
3. Heft, vgl. überhaupt v. Sonnenfels, Grundſ. II, $. 3035; — 
fodann die beträchtlichen Sendungen, welde die Colonien ohne Ruͤck⸗ 
erfag dem Mutterlande machen, weil die Bigenthümer der Pflanzungen 
zum Theil in demfelben leben. Frankreich Hatte im Durchſchnitt von 
1787—89 eine jährlihe Sinfuhr von 613543 333 Liv. , eine Ausfuhr 
von 448748 266 2&., alſo wurden mehr eingeführt 164795 067 Liv. 
Diefer große Unterfchied erflärt fih daraus, daß von den Golonieen 
240 Mill. Liv. eingeführt und nad ihnen nur 90 Mill. Liv. ausgeführt 
wurden, Chaptal, Ind. fr. I, 134. — Die oftindifche Compagnie zieht 
nad älteren Anfchlägen aus dem brit. Oflindien gegen 3'200 000 2. St. 
Landeinfünfte, Privatperfonen gegen ?/a Mill. ohne Erfag. Neuerlid 
nimmt man an, daß jährlih 4 Mil. 2. St. ohne Erfag aus Oſtindien 
nad dem Mutterland gehen, Economist 8. März 1851. 


(d) Auch der vormalige Tribut an die Raubftaaten. 


8. 420. 


Wenn man zur Bereinfahung des Gegenftandes von ben 
fleineren im Handel vorfommenden Leiftungen ($. 418) abfieht, 
fo giebt es brei Mittel, durch weldye ein Volk das Ausland 
für die ihm abgefauften Waarenvorräthe zufriedenftellen fann, 
nämlich: 

1) e8 übernimmt eine Schuld an baffelbe, 
2) es fendet Geld hinaus, 
3) es fendet den Ausländern Waaren zu. 

Zu 1). Treffen Schulden, die von einem Bolfe gemadht 
werden, mit einer Einfuhr von Waaren zufammen, fo braucht 
die Vergütung der letzteren durch eine Sendung in entgegengefeßter 
Richtung nicht fogleich vorgenommen zu werden. Soldye Schul- 
den entfiehen a) durch Waarenfäufe auf längeren Erebit, bie 
von den Empfängern erft bezahlt werden, wenn ſchon neue Ahn- 
liche Sendungen unterwegs oder bereitd angelangt find, fo daß 
immer der Berfäufer mit dem einmaligen Betrage im Vorſchuß 
ift und dem Käufer dad zum Handel mit ben fremden Waaren 
erforderliche. umlaufende Capital leiht; b) durch förmliche Geld⸗ 


, 7700756 — 


anleihen von den Regierungen oder von Einzelnen. Ob dieß 
gleich gewöhnlich aus anderen Abfichten gefchieht, fo hat es doch 
die nämlidye Wirkung, ald wenn man blos borgte, um Waaren 
einführen zu fönnen. Der Ankauf von fremden Staatspapieren 
oder Actien und die Theilnahme der Reichen an neuen Anleihen 
und Gewerböunternehmungen in einem andern Lande erleichtern 
bieß Anlegen bed beweglichen Vermögens im Auslande und find 
heutiged Tages fehr häufig. Diefe Darleihen werben, foweit es 
angeht, ohne eine Baarfendung durch Wechfel gegeben, welche 
die Berfäufer von Waaren an ihre ausländifchen Käufer aus 
fielen; die Darleiher erfaufen dieſe Wechfel und remittiren fie 
an diejenigen, welche von ihnen borgen wollen. Die Wirkung 
ift jedoch die nämliche, wenn die Darleihe in einer herbeigefen- 
beten Geldſumme empfangen und mit Hülfe derfelben wieber bie 
Einfuhr baar bezahlt wird, denn aud in diefem Falle bleibt der 
inländifche Geldvorrath unverändert und es ftehen fidy blos bie 
eingeführte Gütermenge und bie Schuld an bad Ausland gegen- 
über. Die Anleihen müfjen nicht gerade bei dem nämlichen 
Volke gemacht werben, welchem man bie Waaren abfauft, die 
Erfahrung zeigt indeß, daß das borgende Volk gewöhnlich von dem 
leihenden mehr Güter Fauft, als es außerdem thun würde, und 
zwar fowohl wegen der näheren Berührungen zwifchen beiden 
Völkern, alb weil der Wechfeleurd in dem borgenden Lande 
nad dem Teihenden niedrig ift und daher die Waaren etwas 
wohlfeiler zu ftehen kommen, als unter anderen Umftänben (a). 
(6) Bon 1818—30 wurden von englifchen Gapitaliften über 125 Mil. L. St. 

an auswärtige Regierungen geliehen. In den Gandlen, Gifenbahnen 

und Banfen ber vereinigten Staaten wurden aus England über 25 Mill. 

angelegt, auf Landfäufe in Canada und NAuftralien über 21/s MIN. 

Hiezu kommen angefaufte franzöfifche und andere Staatopapiere, Gapital- 

anlagen in europäifchen Unternehmungen und bergl., ferner die auf 

americanifche Bergwerfe verwendeten 5 Mill. Diefe find zwar größtens 

theils verloren, auch bei den fremden Staatsanleihen iſt viel eingebüßt 

worden, doc wird man immerhin annehmen dürfen. daß Großbritanien 


die Zinfen von mindeflens 150 Mill. 2. St. be ieht. Vgl. Porter, 
Progress, S. 626. — Meidinger, Das brit. Reih, ©. 482. 


$. 421. 


Privatperfonen oder Gefellfchaften, welche im Auslande 
borgen, haben gewöhnlid die Abſicht, apital zu einem ges 


_— 557 — 


werblichen Zwede um niedrigeren Zins zu erhalten, ald es im 
Lande gefchehen fönnte, und geben daher ber gelichenen Güter- 
menge, die fie in Waaren oder in Geldform empfangen ($. 240), 
in der Regel eine werbende Anwendung. Es bleibt indeß nod) 
zu unterfuchen, inwiefern überhaupt die eingeführten Waaren, in 
denen ein Volk den Betrag ber im Auslande gemachten Ans 
leihen empfängt, ald apitale wirken können und folglidy zur 
Ermeiterung der inländifchen Gewerbsthätigfeit dienen. Dieß ift 
ohne Zweifel der Ball, wenn die Einfuhr aus Unterhaftsmitteln 
ber Arbeiter, Verwandlungs⸗, Hülfsftoffen und Werfgeräthen, 
alfo aus Dingen befteht, die felbft zu den @apitalen “gehören. 
Bei der Einfuhr von bloßen Genußmitteln findet diefer unmit- 
telbare Einfluß auf die Gütererzeugung nicht Statt; es find 
aber hiebei zwei Bälle zu unterfcheiden: 1) Wenn ein Volk eine 
Zeit lang jährlih im Auslande borgt und dafür Genußmittel 
einführt, fo werden die inländifchen Eapitale, mit denen jene 
fonft hervorgebracht werben müßten, für- andere vortheilhaftere 
Zweige der Gütererzeugung verwendbar. 2) Wird nur in ein 
zelnen Jahren eine Anleihe im Auslande gemacht und dadurch 
eine Zunahme ber Einfuhr veranlaßt, fo ift anzunehmen, daß 
bie neu eingeführten Waaren hauptfädhlih Beftandtheile des 
Capitals im volföwirthfchaftlichen Sinne fein werden, weil Die 
Borgenden nicht zum Behufe eines reichlicheren GOuͤtergenuſſes 
Schuldner des Auslanded werben wollen und bie anderen Ein, 
wohner feine Vermehrung ihrer Einkünfte erhalten, die fie zu 
größerem, unproductivem Aufwande reizen fünnte. Solche Ans 
leihen fommen zwifchen zwei gleich wohlhabenden Völkern wenig 
vor, vielmehr pflegt das aͤrmere Volk auf folche Weile fein uns 
zureichendes Capital von dem wohlhabenberen zu ergänzen (8.80), 
welches dabei ebenfalls einigen Bortheil hat (a). Dagegen ift 
der bloße Begehr von fremden Waaren bei den Zehrern, ohne 
ein Bapitalbebürfnig auf der einen, und einen reichlichen Capital⸗ 
vorrath auf der anderen Seite, noch fein Beweggrund zu aus⸗ 
wärtigen Anleihen, und wenn auch die einzelnen inlaͤndiſchen 
Käufer die Waaren auf Credit von demjenigen Kaufmann an 
fid) bringen, der fie einführt, fo bat dieß auf die Art und Weife, 
wie diefer dem Audlande den Gegenwerth vergütet, feinen Bes 
zug (d). Sicht dad Volk welches auf folche Weife fremdes 


— 55 — 


Capital zu Huͤlfe nahm, ſeinen Wohlſtand allmaͤlig zunehmen 
und folglich den Zinsfuß ſinken, fo beginnt es bie Tilgung ber 
Schulden im Auslande. Anleihen der Regierungen find großen- 
theild nicht zu probuctiver Verwendung beftimmt. 


(a) NAchnlih in ihren Folgen, nur in Anfehung des rechtlichen Berhältnifies 
abweichend, ift die ebenfalls nicht felten vorfommende Gründung von 
Fabriken oder Handlungen in einem anderen Lande, bie der Unters 
nehmer durch einen vertrauten Verwalter beforgen läßt und mit bem 
nöthigen Gapitale ausftattet. Solche Bilielbandlungen haben die Eng⸗ 
länder fat in allen civilifirten Ländern der Erde. 

(5) Es ift daher nicht glaublih, daß der häufige Ankauf frander Waaren 
eine Urfadhe der Berarmung ganzer Völker oder Volfsclaflen fein könne, 
die man eher dem Berfalle der Nahrungszmweige oder der unmirthfchaft: 
lichen Lebensweiſe zufchreiben müßte, wenn fle wirflid eintritt. 

im Ardiv, I, 32. 


g. 422, 


Zu 2). Inwiefern Geld und namentlih Münzen aus 
edlem Metalle zur Bergütung ber eingeführten Waaren ins 
Ausland gehen können, dieß ift aus den obigen Betrachtungen 
über den Bedarf, Vorrath und Preis des Gelded in verfchiebes 
nen Laͤndern ($. 268. 270) Leicht zu beurtheilen. ine folche 
Bermehrung oder Verminderung der Geldmenge eines Landes, 
welche die Preiſe der Waaren merklich erhöht oder erniebrigt, 
fann nicht lange beftehen, denn fobald der Unterjchied die Fracht 
foften überfteigt (8. 271 (5)), findet man eine Aufforderung, 
Geld von da wegzuführen, wo ed wohlfeil ift, und dahin zu 
bringen, wo ed den höchften Preis hat (a), Würde man alfe 
bie Einfuhr fortvauernd baar bezahlen, fo würde auch bald burch 
bie Unternehmungen der Kaufleute wieder foviel Gelb herbei- 
fließen, ald.man hinausgefendet hat (5). Das Geld dient folg- 
lich nur vorübergehend, die empfangenen Waaren zu vergüten, 
denn ba ed unfehlbar wieder entgegengefegte Richtung annimmt, 
db. h. hinausgeht, wo es ſich gehäuft hatte, und herbeiftrömt, 
wo ed vermindert worden war, fo muß immer zulegt ein 
anderes Audgleihungsmittel, nämlih Schulden ($. 420) ober 
Maarenfendungen ($. 424), eintreten. Obgleich die Kaufleute in 
einzelnen Fällen e8 vortheilhaft finden, Metallgeld oder rohe eble 
Metalle hinaus zu fenden, fo fann man doch in der Regel 
annehmen, daß jährlich die auögeführten und eingebrachten Geld: 
mengen einander gleich find (c). 


. (a) 


(8) 


(e) 


— 59 


BDerbote der Aus: oder Binfuhr oder Zölle erfchweren dieß Zu⸗ oder 
Ahfliegen des Geldes. Beftände 3. B. in einem Lande ein Einfuhrzoll 
von 10 Proc., fo könnten nur foldye fremde Waaren, die um mehr als 
10 Proc. wohlfeiler oder befier wären, mit Nuben eingeführt werden. 
Indeß ift zu erwägen, daß nicht alle Waaren einem fo dohen Einfuhr⸗ 
zolle unterworfen werden, ſondern gewoͤhnlich nur Gewerkswaaren, — 
daß der Schleichhandel bei hohen Zoͤllen eine maͤchtige Wirkung äußern 
fann, — endlid daß der Geldüberfluß auch zu anderen Anwendungen, 
3. B. Landfäufen ıc. außer Landes geht. 


Nur die folgende Beſorgniß bleibt in einem ſolchen Kalle übrig. Das 
Zurüdfirömen des Geldes in ein Land, welches feine Waarenkäufe baar 
bezahlt und folglich feinen Geldvorrath verringert hat, erfolgt erft, 
wenn der Preis des Geldes gegen die Waaren gefliegen if, $. 274. 
Diele Veränderung des Geldpreiſes Eönnte alfo Störungen in den Ein: 
fünften der verfchiedenen Bolfsclafien hervorbringen ($. 276), bevor bie 
Ausländer es vortheilhaft fünden, Geld herbei zu fenden und Waaren 
auszuführen. Indeß ift eine ſolche Lage der Dinge nur felten zu er: 
warten. Denn fobald das Hinausfenden von Geld anfängt, finft auch 
der Wechſelcurs um die Kracht: und Affecuranzkoflen der Baarfendungen 
unter Bari, 8. 290. Beträgt der Unterfchied z. B. 2 Procent, fo kann 
der ausländifhe Käufer eines nach dem fraglichen Lande traflirten 
Wechſels mit einer Ausgabe von 100 fl. die Verfügung über 102 fl. 
erlangen, und dieß giebt bald eine Srmunterung, Waaren fommen zu 
lafien, weil man fie um 2 Procent wohlfeiler anfaufen kann. Rod 
ehe alfo im Lande felbft die Geldpreiſe fich merklid verändert haben, 
fann fhon durch den Wechſelcurs det Anftoß zum Cinkaufe von Waaren 
erfolgt fein, wodurd das Hinausfenden von Münze entbehrlich gemacht 
wird. Für die a — fann durd Beichleunigun des Geldumlau⸗ 
fe, Sowie durch Ginführung von Papiergeld die Verminderung ber 
Münzmenge unfühlbar gemadht werden. Kein größeres Land, es fei 
ärmer ober reicher, wird Mangel an folden eigenthünlichen —A 
niſſen haben, die, wenn ihr Preis etwas finkt, im Auslande leicht Ab: 
faß finden. Vergl. 6. 192. 193. 213. Rau, im Archiv, I, 33. 


Wer noch heutiges Tages das Handelsiuftem vertheldigen wollte, der 
müßte fowohl die Möglichkeit als die Nuͤtzlichkeit eines fortwährenden 
Geldzufluſſes vom Auslande darthun. Erſtere ift aus den Angaben über 
Auss und Einfuhr nicht zu erweifen, weil die &eldfendungen leicht 
verheimlicht werben können. In Rußland follen in den beiden Jahr: 
zehbnden 1814—23 und 1824—33 im Durdfcnitt 32 Mill. Rub. Af. 
Gold und Silber eins und gegen 6 Mill. ausgeführt worden fein 
(Schubert, Handb. der a. Staatef. I, 237), und auch fpäterhin 
wird jährlich eine größere Binfuhr von Muͤnzmetallen angegeben, deren 
Mehrertrag gegen die Ausfuhr 3. B. 1835 8 Mill., 1838 16 Mil. R. 
Af., 1843 800000, 1844 5600000 R. Silber geweien fein fol. Die 
Zunahme des inneren Verkehrs fönnte zwar ein ſtaͤrkeres Geldbeduͤrfniß 
veranlaßt haben, dagegen iſt aber auch die flarfe Bold: und Silber: 
production zu erwägen und es kann an ber langen Bränzlinie viel edles 
Metall ohne Aufeihnung ausgeführt worden fein. — In Frankreich 
fol an Gold, Silber und Blatina 1800-35 zufammen die ira 
3778 Mill. Fr., die Ausfuhr 2039 Mill. Fr., 1827—36 die Ginfu 

1646 Mill., die Ausfuhr 700 Mill. Fr. geweien fein. Dieß gäbe in 
jedem Jahre des letzten Jahrzehends einen Ueberfhuß ter Ginfuhr von 
94 Mil. Fr‘, in dem ganzen 36fährigen Zeitraume aber von jährlid 
48 Mill. Fr., während die Abnüpung und Verarbeitung wahrfcheinlid 
weniger betragen hat. Daher hat vermuthlich jene zum Theil durch die 
Staatsanleihen veranlaßte Geldzufuhr wieder nad irgend einer Seite 


— 560 ° — 


ihren Abflug gefunden, und der amtliche Bericht im Tableau décennal 
du commerce de la France, 1827—1836 (Paris 1838), fagt auch bei 
den edlen Metallen nur: Les entröes et les 'sorties, qui en ont pu ötre 
oonstatees. — Man hat Großbritanien als Beifpiel eines Landes ange⸗ 
führt, welches wegen der Ueberlegenheit feiner Betriebfamfeit eine große 
Metallmenge anzuhäufen im Stande fei, ohne daß feine Ausfuhrartifel 
zu fehr vertheuert würden, alfo ohne Abnahme der Ausfuhr. Allein 
Großbritaniens Münzmenge ift befanntlid, feineswege groß zu nennen, 
6. 266 (a), der niedrigere Preis der Müngmetalle in diefem Lande 
rührt vielmehr von dem wohlfeileren Bintaufche derfelben ber ($. 221 (2)) 
und die jährlihe Geldausfuhr beweift, daB man nicht geneigt ift, über 
den Bedarf von den einftrömenden Gold- und Silbermaſſen zu be 
halten. Weberhaupt ift die Geldmenge der größeren Handelspläge in 
unaufhörlidem Wechfeln begriffen, da 3. 3. bei jeder Erhöhung des 
Disconto fogleih Baarfendungen veranflaltet werden. Ueber den 
Nupen des Geldzuwachſes ſ. $. 273 (2), vgl. auch II, 6. 298 (a). 
Kür die entgegengefehte Anfiht: Kaufmann, De falsa A. Smithii 
circa bilanciam mercatoriam theoris. Heidelb. 1827. Defien Unterfuch. 
1. Bd. — Ginige Worte über Handel und Snduftrie in Deutichland. 
Münden, 1830. 


8. 423. 


Es giebt jedoch mehrere bemerfenswerthe Ausnahmen biefer 
Regel, nämlid Bälle, in weldyen eine Aus» und Einfuhr von 
Münzmetallen Feine Beränderung in ben Preifen des Geldes 
bervorbringt und alfo wirklich zur Vergütung von Waarenfäufen 
dienen kann. Dieß ift fo zu erflären: a) Jedes Land, welches 
feine Gold» und Silberbergwerfe hat, muß jährlich eine gewiſſe 
Menge edler Metalle einführen, um fowohl die Abnügung und 
den Verluft an Münzen ($. 277 a. (a), ald bie anderweitige 
inländifche Verarbeitung zu erfegen. In diefer Beziehung ers 
fcheinen die edlen Metalle blos ald Verwandlungsſtoff. b) Ein 
Volk, welches aus feinen Berge oder Wafchwerfen edle Metalle 
gewinnt, kann jährlidy den für das eigene Land überflüffigen 
Theil derfelben ausführen, und diefer Theil ift dann nicht als 
Geldmaterial, fondern wie irgend ein anderer Ausfuhrgegenftand 
zu betrachten. Achnliche Wirfung, nur auf kuͤrzere Zeit, hat 
die Einführung und Vermehrung des ‘Bapiergeldes, $. 297. 
c) In Ländern, deren Bevölkerung, Gewerbfleiß und Güter- 
umlauf ficy fchnell erweitern, findet bis zu einer gewiſſen Gränze 
bin eine fortdauernde Mehreinfuhr von Müngmetallen ihre Bers 
wendung zur Befriedigung des Gelbbebürfniffed. Dieß findet 
in noch höherem Maaße da ftatt, wo dad umlaufende Papier: 
geld zum Theil zurüdgezogen und durch Münze erjept werben 


— 561 — 


ſoll. d) Eine geringe Aenderung der Geldmenge kann auf die 
Preiſe in einem größeren Lande noch feine Wirkung äußern, 
weßhalb Feine Unterfchiede der Eins und Ausfuhr ohne Schwie- 
rigfeit mit Münzfendungen ausgeglichen werden können. 

(2) Nimmt man die Geldmenge eines Landes zu 30 fl. auf den Kopf, dieſen 


Abgang zu 2 p. m. an, fo muß fhon aus dieſer Urſache auf jebe 
Million inwohner ein jaͤhrlicher Geldzufſuß von 60000 fl. kommen. 


8. 424. 


Zu 3). Don bdiefen Ausnahmen abgefehen, bleibt bie 
Dedung der Einfuhr dur die Ausfuhr von Waaren ale 
das leichtefte, am allgemeinften anwendbare und baher gewöhn- 
lichte Mittel übrig. Es liegt in der Natur des Verfehres, daß 
in den meiften Fällen Aus» und Einfuhr einander ziemlich) 
gleich find und ſich wechfelfeitig bedingen, weßhalb man nicht 
bie Bortheile einer großen Ausfuhr genießen kann, ohne fid) 
auch zum Einfaufe ausländifcher Waaren zu entichließen. Wird 
die eine von beiden Größen vermehrt oder vermindert, fo pflegt 
dieß bald die entfprechende Aenderung der andern nad) fich zu 
ziehen. So wird 3. B. dur eine Abnahme ver Ausfuhr bie 
Einfuhr ausländifcher Rurusgegenftände vermindert, denn jene 
Veränderung verurfacht eine Stodung in den für die Ausfuhr 
arbeitenden Gewerben und vermindert die Einfünfte der dabei bes 
theiligten Unternehmer, Gapitaliften und Grundeigner, fo daß 
biefe fi im Ankaufe von Genußmitteln einfchränfen müffen (a). 
Eine große Einfuhr enthält nicht Beunruhigended, denn man 
darf vorausfegen, daß das Volk Mittel findet, die anderen 
Völker für die gekauften Waaren zu befriedigen, und wie dieß 
auch gefchehen mag, fo entftehen daraus Feine Nachtheile für 
den Wohlftand des einführenden Volkes. Die Erftattung durdy 
ausgeführte Waaren ift für Erzeuger und Zehrer vortheilhaft 
(8.413), die Dedung durd) Geld (8.422) oder Schulden ($. 420) 
wird aber gewöhnlich nur dann zu Hülfe genommen, wenn fie 
nicht ſchäädlich ſein kann (d). Daher braucht man, um den 
günftigen Zuftand des auswärtigen Handel zu bemeflen, nur 
nad ber Größe, ven Erzeugungsfoften und Berfauföpreifen ver 


ausgeführten Waarenmenge zu fragen. 
Rau, yolit. Dekon. L 7. Ausg. 36 


5 — 


(a) Auf den canarifchen Infeln hat die Weinausfuhr nad England abge 
nommen, weßhalb man weniger franzöfiihe Kunftwaaren fauf. Macs 
Gregor, Die canarifhen Infeln S. 189—192. — Seitdem Norwegen 
weniger Bauholz nad England abſetzt (von 1809 an), kauft es weniger 
enalitche Kunftwaaren und dagegen mehr bdeutfche, weil der Holzhandel 
ftärfer nach Deutichland geht. 


(6) Ge läßt fih allerdings im Allgemeinen nicht beftimmen, bis zu welchem 
Grade die Störungen des auswärtigen Verkehrs durch die in ber Volks: 
wirtbichaftspolitif (2. Band) zu betrachtenden Zölle und Berbote gehen 
fönnen. Sie äußern fi hauplfächlich in der Verringerung der Ausfuhr 
und in der Berfümmerung derjenigen Gewerbe, durch welche die eins 
träglichiten Nusfuhrartifel erzeugt werden Fönnten, und wenn audh zu: 
folze einer ſolchen Veränderung die Binfuhr Heiner wird, fo find body 
empfindliche Nachtheile für die Gewerbsthätigkeit moͤglich, bie fih nach 
einiger Zeit das oben bezeichnete Gleichgewicht wieder herftellt, 8. 417. 


g. 425, 


In den vorftehenden Sägen find ſchon einige Urfachen erflärt 
worden, aud denen Abweichungen von der Regel bed Gleich⸗ 
gewichted zwifchen der Aus⸗ und Einfuhr von Waaren entfpringen, 
nämlich 1) die Bälle, in denen ein Bolf mehr Waaren aus⸗ als 
einführt, weil ed Anleihen in ein anderes Land giebt oder abs 
trägt, oder folche einfeitige Xeiftungen ($. 418. 419) vornimmt, 
die gar nicht oder nur augenblidfich in Geld entrichtet werden (a). 
Ohne Zweifel if ein aus Anleihen an andere Völker herrührender 
Meberfchuß der Ausfuhr, ald Zeichen des Reichthums ($.80) für 
guͤnſtig zu halten; 2) bie Fälle, wo eine Auss oder Einfuhr von 
Geld ftattfinden kann ($. 423), und folglich eine diefer Geldfumme 
entfprechende Menge anderer Güter in entgegengefegter Richtung 
von einem Lande in das andere geht. Hiezu kommen noch einige 
andere Urfachen. 3) Da die Handelögefchäfte nicht gerade im 
Laufe eined Jahres gegenfeitig beendet werben, fondern oft für 
die verfendeten Güter erft im folgenden Jahre oder noch fpäter 
ber Gegenwerth in Empfang genommen wird, fo kann fchon deß⸗ 
halb die Einfuhr eines Jahres von der gleichzeitigen Ausfuhr ver- 
fhieden fein. 4) Werben Aus» und Einfuhr nach den inländifchen 
Preiſen berechnet, jo muß legtere, auch abgefehen von allen 
anderen Urfachen, um den Betrag der Handelsgewinnſte unb 
Hanbelöfoften größer erfcheinen, $. 414, Nr. 1 (Bd). 


(a) Solche Leiftungen zwiſchen den Völkern werden alfo eigentlih inWaaren 
entrichtet. Irland hat jährlih an England mehr zu geben, als es von 
demfelben empfängt ($. 419 (4)), weßhalb 3. B. im Durdichnitt von 
1790—1794 die Ausfuhr von Irland um 1195810 8. St. größer war, 


0) 


_— 563 — 


als bie Ginfuhr Als man jeto 1795 anfing, die für Irlands äffents 
liche Bedürfniffe nöthigen Anleihen in England zu borgen, fo änderte 
fit) jenes Verhaͤltniß, Irland wurde mehr — und fuͤhrte deſto 
weniger Waaren aus, daher war 1795—1799 im BD. bie Ausfuhr nur 
nod um 4664668. St. größer, 1800—1804 aber fogar um 1°071428 2. 
leiner als die Cinfuhr; J. Leslie Foster, An essay on the prin- 
eiples of commercial exchanges. Lond. 1804. — Hüttner, Engl. 
Miscellen XVII. Bd. — Großbritaniens Ausfuhr nabm während der 
legten Kriege mit Frankreich in gleihem Schritte mit den aufgewendeten 
Kriegskoſten zu. Daß der Unterfchied zwifchen der Aus: und Cinfuhr 
nicht fo groß erfcheint, al& die Summe ber Kriegsausgaben, rührt theils 
von den unzuverläfligen Aufzeihnungen, theil6 auch von bem Umſtande 
—F daß viele durch den Krieg veranlaßte Ausgaben in Großbritanien 
elbſt vorgenommen wurden. Der Ueberſchuß der Ausfuhr betrug jaͤhrlich 
A im Ganzen, B im Handel mit Deutſchland und Preußen insbeſondere: 


A B 
Friedensjahre 1784—1792 905 190 2. St. 535 723 8. ©t. 
Kriegsjahre 1793 —1801 4671430 s = 453781 = + 
Auigelabre 1802—1815 9543736 s s 3581800 : = 
Bol. Cäf. Moreau, Ueberſ. des brit. H. nach allen Ländern der 
Welt, überf. von Ciſenbach, Etuttg. 1824. 4 Bogen Fol. — 
Brantreiige Einfuhr war feit lange nicht 7 neo ale im Jahre 1815. 
n den Sahren 1815—1820 fol die Ausfuhr zulammengenommen um 
746 Mill. Fr. größer geweſen fein ale die Binfuhr ıc. ſ. die Tabellen 
beiv. Gülich, I. 4 S. 29, was mit der Kriegscontribution von 
700 Mill. Fr. in Verbindung gebracht werden kann, vgl. ILL, 6.77. — 
Ungarn führte nach den Zollliften fortwährend mehr aus ale ein. Der 
Mehrertrag der Ausfuhr wird angegeben im Jahre 1800 zu 9 Mil. f., 
1802 zu 6, 1812 zu 5 Mill. fl., 1842 zu 3%, Mill. im Verkehr mit 
den andern oͤſterr. Provinzen (Czoͤrn ig, Statifl. Tafeln). Bur rflä- 
rung dient der Aufenthalt vieler Reihen ın Wien, die Zins⸗, Kriegsſteuer⸗ 
Hhlum en, die hinausgehenden Domaͤnen⸗, Zoll⸗, Poſt⸗, Lottoeinkuͤnfte sc. 
gl. Neueſte geogr. flat. Beſchreib. des K. Ungarn, 2.0. 1834. S. 75. 


Es iſt auffallend, daß das Handelsfyftem dieſen Umſtand überſehen 
konnte. Führt ein Volk für 10 Mill. fl. inläändiſche Waaren aus und 
taufcht im Auslande für 10%, Mill. fremde Waaren ein, Die im Lande 
11 Mill. gelten, fo if ein Uebafhuß von 10 Proc. für Fracht⸗ und 
andere Koſten und Handelsgewinn vorhanden. Wenn freilich ein Volk 
fih im gende ganz paſſiv verhielte ($. 415), fo würde die Binfuhe 
dem Preiſe nach den dafür eingelauften Ausfuhrgegenfländen gleich ftehen 
müflen. Sonft aber ift eine Mehreinfuhr von 3. B. 10—20 Proc. 
ganz in der Natur der Sache gegründet und nur wenn ber Ueberfchuß 
der Ginfuhr über den wahrfcheinlihen Sewinnfag und Koftenbetrag 
hinausgeht, muß man eine andere Art der Dedung vermuthen. Das 
Gap hat im Durchſchnitt von 1827 u. 28 jährlih für 273507 2. eins, 
für 232 852 2. ausgeführt, was ein Berhältnig der Ausfuhr zur Ein⸗ 
fuhr wie 100 zu 117 anzeigt. Im Durchſchnitt der nämlichen Jahre 
war in Euba die Ausfuht 6 Mill. Fr, die Binfuhr 92-219 080 Fr., 
alfo wie 100 zu 134. Dieß wäre ein überaus einträglicdker Handel, 
wenn bie Ginfubr blos mit der genannten Ausfuhr erfauft worden if. 


8. 426. 
Das Handelsfuftem verfannte bie natürlichen Geſete bes 


Verkehres zwiſchen den Völkern und nahm an, es könne fort 
36° 


— 864 — 


während ein betraͤchtlicher Unterſchied zwiſchen ver Aus⸗ und 
Einfuhr eines Landes (Handelsbilanz, 8. 35) ſtatt finden, 
welcher durch Geldſendungen ausgeglichen werde, ſo daß alſo 
das eine Land durch die Fortſetzung eines ſolchen Verkehres 
großentheils um feine Muͤnzmetalle kaͤme, das andere aber immer 
größere Fülle derfelben erlangte. Da man die Nüslichfeit des 
auswärtigen Handeld bloß nad der Befchaffenheit der Bilanz 
beurtheilte, fo gemöhnte man fi daran, den Ueberfchuß ber 
Ausfuhr oder die günftige Bilanz ald Gewinn, die ungünftige 
(die fogenannte Unterbilanz) ald Berluf für dad Land 
zu betrachten (a). Diefe Anficht wird eben ſowohl durch Die 
Forſchungen über die Preiſe der edlen Metalle in verfchiedenen 
Lündern (8. 268 ff.), ald durch den Erfahrungsfap wider⸗ 
legt, daß die Geſchichte Fein Beifpiel eined Landes barbietet, 
welches zufolge eined folchen vermeintlich nachtheiligen Handels 
feinen nothiwendigen Geldvorrath und feinen Wohlftand eins 
gebüßt hätte. Auch ift es ſchon im Allgemeinen undenkbar, daß 
in einer höheren Weltorbnung jedem einzelnen Bolfe nur ein 
folder Weg zur Erhöhung feiner Wohlfarth angewiefen worden 
fein follte, auf dem es nicht vorwärts fchreiten Eönnte, ohne 
“andere in diefem Wettkampfe unterliegende Völfer zu Grunde zu 
richten. Es verdienen jedoch die Mittel noch eine befondere 
Beleuchtung, deren ſich die Anhänger des Handelsſyſtems bedien⸗ 
ten, um die Größe der Handeldbilanz zu berechnen, nämlich der 
Wechfelcurs und die Zollverzeichnifje, Zollliften. 


(a) 3.8. de Vaublanc, Du commerce de la France (Paris 1824), S. 58: 
Suivant ces &tats la France a obtenu, en 1820, un avaniage de 91 mil- 
lions, mais en 1821, de 10 millions seulement. — On concoit qu’un 
commerce presque stationnaire se change ensuite en perte etc. 


$. 427. 


Wenn der Wechfelcurd eined Landes A nad) einem 
anderen B, nad) dem reinen Metallgehalte der Münzen (a) bes 
mefien, über dem ‘Bari fteht, fo ift dieß Eein ſicheres Kennzeichen 
einer fogenannten für A ungünftigen Hanbeldbilanz, d. h. einer 
Mehreinfuhr von Waaren in A, denn er beweift nur, daß mehr 
Geldfummen von A nad) B ald in umgefehrter Ricytung zu be= 
zahlen find, aber dieſe Geldzahlungen müffen nicht nothwendig zur 


— 565 — 


Vergütung von Waarenfendungen beftimmt fein, 8. 291. Ueber⸗ 
dieß bezieht fich jeder einzelne Wechſelcurs nur auf den Verkehr 
zwifchen je zwei Völkern, die in biefem aus- oder eingehenden 
Geldſummen können aber leicht nach einer anderen Seite wieder 
ein⸗ ober audfließen ($. 422); nur aus ber Gefammtheit ber 
Auss und Einfuhr eined Landes bildet ſich die Handelsbilanz 
und fteht unter dem Geſetze ded Gleichgewicht ($. 418 ff.). 
Wenn alfo auch Feine anderen Urfahen im Spiele wären und 
feine Schulden zwifchen ben betheiligten Voͤlkern ftehen blieben, 
fo müßte und dürfte man doch nur aus den Wechfelcurfen eines 
Landes nad) allen übrigen Rändern zugleich auf die Verhältniffe 
des Waarenhandeld ſchließen. Es giebt jedoch nicht einmal von 
einem einzelnen Lande nach allen anderen einen regelmäßigen 
MWechfelverfehr, auch finden im Handel mit nahen PBlägen dee 
Auslandes öfters Baarfendungen Statt, die gar nicht auf den 
Curs der Wechfel wirken. 
(a) Smith, II, 300. Zur genauen Nusmittlung des Bari muf man die 
wirfliche, nicht blos die geiegliche Beichaffenheit der umlaufen?:n Sor: 


ten berüdfihtigen, bie bisweilen durch fehlerhafte Prägung und Ab: 
nußung erheblich geringhaltiger find, als fie fein follen. 


$. 428. 


Nicht weniger unficher find die Ergebniffe ber bei den Zoll- 
ämtern eined Landes geführten Verzeichniffe der aus⸗ und eins 
gehenden Waaren, der Zollliften. Die Urſachen ihrer Unzu⸗ 
verläffigfeit verdienen darum eine aufmerffame Betrachtung, weil 
man indgemein fowohl das Urtheil über die günftige oder uns 
günftige Beichaffenheit des Handeld, ald die Borfchläge zu 
Regierungdmaßregeln auf diefe Angaben fügt (a). Die ge 
nannten Berzeichniffe können 

1) des Schleichhandeld wegen die aud- und eingeführte 
Menge von Waaren nicht genau angeben. Jener ift ungers 
ftörbar, fo lange er wegen der hohen Zölle anfehnlicdye Gewinnfte 
verfpricht, auch kann man nicht darauf rechnen, daß die heims 
lich eins und ausgeführten Gütermengen einander ungefähr gleidy 
feien, denn die Ausfuhrzölle find gewöhnlicdy niedrig und nur 
bei wenigen rohen Stoffen, die man nicht leicht unbemerkt über 
bie Graͤnze fchaffen kann, von Belang, dagegen werben hohe 


— 566 — 


Einfuhrzölle vorzüglich von Foftbaren Golonial- und Gewerko⸗ 
waaren erhoben; hier ift alfo die Verſuchung zum Einfchwärzent 
weit flärfer und bie Angaben find bei der Einfuhr unrichtiger 
ale bei der Ausfuhr (Bd). 


(e) Bieleiht hat man auch den Erfund dieſer Liſten bisweilen nicht mit 
urkundlicher Treue behandelt und abfihtlih an den Bahlen geändert, 
um dasjenige darzuftellen, was die öffentlihe Meinung als untrügliches 
Mertmal des Volkswohlſtandes anjah; ein ſolches Verfahren Tonnte 
fogar bei den redlichften Abfichten vorfommen, indem der Staatsmann, 
der den blühenden Zuftand der Volfswirtbfchaft deutlich erkannte, Die 
Zahlen, die eine ungünftige Bilanz anzudeuten fchienen, für irr 
ielt. — Man geräth auf diefe Vermuthung, wenn man bedenkt, da 
aft in allen Staaten die Bilanz als günftig dargeftellt wird, was do 
unmöglich ifl. 

(3) In manden Ländern giebt man ſich nicht die Mühe, die zollfrei aus⸗ 
oder eingeführten Maaren aufzuzeichnen, und dieß vergroͤßert noch die 
Unrichtigkeit der Verzeichniſſe. In den engliſchen Liſten warb bis 1797 
das ausgeführte Bold und Silber mit aufgerechnet, nicht aber das 
eingeführte, weil es keinen Zol entrichtet. Gäfar Moreau 
a. a. D. Neuerlih bat fich ergeben, daß auch bie Golvausfuhr in 
vielen Fällen verfhwiegen wird. — Belgien führte viele Spiken nad 
Großbritanien, die weder hier in der Binfuhr, noch dort in der Auss 
fuhr arlgezeigt waren. „‚C’est bien tenter le diable que de mettre des 
droits de 30 p. c. sur les dentelles .. . Ce commerce, qui s’eldöve & 
plusieurs millions, r&tablit en partie la balance dans nos rapports avec 
l’Angleterre.“ Perrot, Rev. de l’exposition en 1841, Brux. G. 91. 


8. 429. 


2) Auch die Beichaffenheit der Waaren iſt aus ben Zoll⸗ 
liſten nicht ficher zu erfennen, weil die Unterfucdhung durch bie 
Zollbeamten nicht immer genau if, bie @igenthümer aber oft 
gefliffentlih eine geringere, vielleicht niedriger verzollte Sorte 
angeben (a). 

3) In Anfehung ber Breisfäse bieten fi neue Schwie- 
tigfeiten baz, unb zwar 

a) in Hinficht der Duelle, aus welcher die Preisſaͤtze ges 
nommen werben. Läßt man biefelben von den Eigenthümern 
ber Waaren angeben, fo ift nicht zu erwarten, baß eine. foldhe 
Erklaͤrung (Declaration) ganz richtig fei, weil man aus 
itgenb einem Mißtrauen oder zur Erreichung eined Vortheils 
oft falfehe Zahlen, und zwar meiftens zu Heine Zahlen angiebt. 
Bedient ſich dagegen bie Regierung feſtſtehender Preisfäge, fo 
weichen diefe fchon nad wenigen Jahren von ben wirklichen 
Preiſen ab, und. nach) längerer Zeit find fie durchgehende uns 


— 567 — 


brauchbar, um die Groͤße der Bilanz anzuzeigen. Ein unver⸗ 
aͤnderlicher Preisſatz gewährt jedoch einen anderen Nutzen, denn 
es laͤßt ſich aus ihm erkennen, wie von Jahr zu Jahr die ganze 
eins und ausgefuͤhrte Waarenmenge ſich verändert hat (6). Die 
in einigen Laͤndern den Zollbeamten auferlegte Erforſchung der 
jedesmaligen Marktpreiſe iſt ſehr muͤhſam. Sie giebt keine voͤllige 
Genauigkeit, aber doch immerhin nügliche Anhaltspuncte zur 
Schäbung der Ein» und Ausfuhr. 

b) In Anfehung der Zeit und des Ortes, für melden 
man bie Preife berechnet. Am natürlichften ift es, ſowohl bei 
ber Aus- als bei der Einfuhr die inländifchen ‘Breife zu Grunde 
zu legen, weil fie anzeigen, weldyen Erlös der inländifche Er- 
zeuger erlangt und wieviel der Zehrer auszugeben hat. Wo 
man die Einfuhr nach dem Einfaufspreife im Auslande anſetzt, 
da erhält man ein anderes Ergebniß, welches zwar ben Tauſch⸗ 
Gegenwerth unter den Kaufleuten, nicht aber die anderen, der 
Einfuhr willen vorgenommenen Ausgaben anzeigt. If in dem 
einen Lande die erfte, in dem andern die zweite Methode ange⸗ 
nommen, fo Fönnen dieſer Ungleichheit willen die Zahlen nicht 
mit einander verglichen werden (c). 


(c) In Würtemberg gaben die fechsjährigen Zollliften eine Binfuhr von 
1850 Gentner Blei zu 15 fl. und nur 25 Gentner Zinn zu 58 fl. 
Man vermuthete daher, daß unter dem angeblichen Blei auch viel Zinn 
verborgen geweſen fei. 

(5) Bei jeder einzelnen Waare ift zwar bie eins und ausgeführte Menge 
geradezu in den Zolllikten zu finden, aber eine Hauptfumme ift nur zu 
erhalten, wenn man Preife zu Hülfe nimmt. Die englifchen Liften find 
feit 1696 nach den damaligen Marktpreifen fortgeführt worden, bie 
jenen Bortheil, daß fie genau die Zu: oder Abnahme der auss und 
eingehenden Waarenmengen anzeigen, in vollem Manße geben. Dieß 
find die fogenannten amtlihen oter Bollhauspreife (official, 
customhouse-prices) im Gegenfage der von den Gigenthümern declas 
rirten Preife, welche erſt feit 1798 in den Aus Fuheliften mit auf: 

eführt werden und wahrfcheinlidh noch zu niedrig find. Lowe, Gegenw. 
—*8— von England, S. 28. de Vaublanc a. a. O. S. 14. Mac- 
Culloch, Stat. acc. II, 106. — Die amtlichen Breife blieben alls 
mälig fo weit Binter den Marftpreifen zurüd, daß man bie letzteren 
während der Kriegsiahre im Ganzen um 50 Procent höher eradhiete, 
Im Jahre 1803 verhielt fl fogar der officielle zum beclarirten Preife 
wie 100 zu 180. Erf feit 1820 bleiben die Marktpreife im Ganzen 
genommen unter den Zollpreifen, welches aber keineswegs ein fo —8 

inken aller Guͤter, ſondern nur die Wohlfeilheit der Hauptbeſtandtheile 
der Ausfuhr, * der Zeuche und Metallwaaren, beweiſt. 1821 war 
ber declarirte Marktpreis nur 87 Procent des Zollpreiſes, 1826—28 im 
Durchſchnitt 72 Proc., 1832—34 gleihmäßig nur 56 Proc., 1836—40 
55 Protent, in den 11 Jahren 1841—51 fogar nur 43 Procent. Die 


— 568 — 


Ginfuhr ift nur nach den amtlichen Preifen angegeben. Da dielelbe in 
Großbritanien meiflens aus rohen Stoffen beſteht, fo ift zu vermuthen 
($. 186), daß die officiellen Preife bei ihr noch jest unter den Marfts 
preifen ftehen. — In Frankreich werden bei den Angaben über Auss 
und Ginfuhr die durch Verordnung vom 29. März 1827 feftgeftellten 
fogenannten permanenten Breife, nämlid fowohl bei der Einfuhr 
als bei der Ausfuhr die damals am Grzeugungsorte beftehenden, zu 
Grunde gelegt. 1848 wurden durch eine dazu ernannte Gommiflion 
die neueren Dreife ermittelt, und zwar bei der Ausfuhr die am Abs 
fendungsorte, bei der Ginfuhr die in den franzöftichen Lagerhäufern 
(alfo ohne Zoll) geltenden. N. Bondot in Journal des Econ. XXIII, 21. 
Annuaire de Pécon. polit. 1851, 392. Diefe fogen. valeurs actuelles 
werden jährlich neu berichtigt. Im Durchſchnitt 1851—53 war ber 
jetige Preis der Ginfuhr 2,7 bei der Ausfuhr 3,2 Procent über dem 
älteren (officiellen) Preiſe. — In Belgien wird der amtlide 
Preis (v. permanente) von 1833 fortwährend angewendet, feit 1847 
aber daneben der in jedem Jahre ausgemittelte Marktpreis, valeur 
variable. Diefer war im D. 1846—50 bei der Ginfuhr 93,? Procent, 
bei der Ausfuhr 81,' Procent des amtlichen Preifes. 


() In Großbritanien nahm man 1696 die Binfuhrartifel nach den Preifen 
bes Landes an, aus welhem fie gebracht wurden. In Nordamerica 
wird jet die Einfuhr nad den Preiſen der fıemten Häfen berechnet, 
mit Zuichlag der weiteren Koften, Gef. vom 3. März 1851. 


8. 430. 


Ungeachtet diefer unvermeidlichen Ungenauigfeit darf man 
doch nicht unterlaffen, die Aus» und Einfuhr zu erforfchen, um 
wenigftend näherungsweife den Gang des Handeld kennen zu 
lernen (a). Vorzuͤglich lehrreih iſt es, die Menge jeder Art 
ber aus⸗ und eingehenden Waaren ausdzumitteln und die hierin 
fi zutragenden Veränderungen zu beobachten (5). Bei der Ers 
forfchung der ein⸗ und ausgeführten Gütermenge ift zu unter- 
ſcheiden: 

1) die Ausfuhr von eigenen Erzeugniſſen eines Landes und 
die Einfuhr von Waaren, welche in demſelben zum Ver⸗ 
brauch gelangen; 

2) die Einfuhr zum Zwecke der Ausfuhr im Zwiſchenhandel 
($. 432) und die wirkliche Wiederausfuhr. 

Die Summe beider ift die gefammte Aus» und Einfuhr 
(Commerce general), der unter 1) aufgeführte, für die Volks⸗ 
wirthfchaft vorzuͤglich wichtige Theil ift die eigene Aus- und 
Einfuhr des Landes (commerce special). “Der Unterfchied 
zwifchen der gefammten und der eigenen Aus» und Einfuhr zeigt 
den Umfang bed Zwifchenhandel® an (c). Am wichtigften ift 
bie Kenntnig der Ausfuhr und ihrer Beftandtheile ($. 424), 


569° — 


um daraus den Umfang und die Richtung der für dad Aus- 
land betriebenen Stoffarbeiten fowie die Zu- oder Abnahme 
berfelben von Jahr zu Jahr zu beurtheilen (d). Die Kenntniß 
ber Einfuhr wäre, wenn die Ausfuhr befannt ift, cher zu 
entbehren, weil man irgend einer Art von Vergütung der aus⸗ 
geführten Waaren ficher fein fann, body ift es immer nüglich, 
die Befchaffenheit der eingeführten Waaren zu erfahren, woraus 
fi unter Anderem abnehmen läßt, wie ſich die productive Ver: 
zehrung zu der unprobuctiven verhält. 


(a) In Frankreich wurde fon unter ZudwigXIV. ein Bureau der Hantelss 
bilanz (bureau de la balance du commerce) errichtet, welches forgfältig 
die Marktpreife der Waaren erforſchte und fie auf die Zollliſten ans 
wendete. de Vaublanc, a. a. O. ©. 77. 

In jedem alle ift es nüglich, das, was die Zollverzeichnifie ausfagen, 
mit dem zufammenzuhbalten, was man fonft über den Verkehr eines 
Landes weiß, und dadurch eine Art von Kritik der erfleren zu üben. 
Bol. v. Malhus, Statifif, S. 391. 

Dft findet bei einer und derſelben Waarengattung fowohl Aus: als 
Einfuhr Statt. Man Fönnte verſucht fein, beide Größen von einander 
abzuziehen und nur ben Mehrbetrag ber flärferen in Rechnung zu 
bringen, wie 3. B. im Zollverein 1850 494298 Gentner rohe Baums 
wolle ein:, 151953 Etr. ausgingen. Allein in vielen Fällen find es 
nicht die nämlihen Arten oder Sorten, wie 3. B. mageres Vieh hereins 
und gemäftetes hinausgeht, auch kann es eine Erfparung an Fracht 
foften fein, daß an der einen Bränze Einfuhr, an der anderen Ausfuhr 
vorfommt, endlich ift das Cinführen jur MWiederausfuhr immer ein eins 
trägliches Beihäft des Zwifchenhandels. 


Statiftifhe Beifpiele. 


(d) 


Befammter 
Handel 


Fr. 
Belgien. A. Permanente Preiſe: 
D. 1841—45 Ginfuhr 302837000 
Ausfuhr 245-754 000 
Mehr-Ginfuhr 57-083 000 


D. 184650 Ginfuhr 391°690 000 
Ausfuhr 373:775 000 


Mehr-Sinfuhr 17-915 000 
B. Sahrespreife: 


D. 1846—50 Einfuhr 365°096 000 
Ausfuhr 321.808 000 


Mehr⸗Cinfuhr 43-288 000 


Handel 
des eigenen 
Landes 
Fr. 


215°733 000 
162393 000 


53°340 000 
228°991 000 
211°959 000 

17'032 000 


213818 000 
172°016 000 


41'802 000 


Menn man für die leßtere Periode die Auss und Ginfuhr nach den 


Iahrespreifen zuſammenrechnet, fo ergiebt fih, daß die eigene Auss und 
Einfuhr des Landes 56 Proc. der gefammten,, der Zwifchenhandel alfo 
44 Proc. beträgt. Die Mehr⸗Ginfuhr im eigenen Handel ift 25, Broc. 
der Ausfuhr. “ 


— 570 — 


Bremen. D. 1851—53 Ginfuhr 42°051 000 Thlr. 
Ausfuhr 38342000 Thlr. 


Mehr: Einfuhr 3709000 Thlr. 
oder 9,6 Proc. ber Ausfuhr. Der Thaler ift Ye des Friedrichsd'ot 


Frankreich, feite amtliche PBreife, gefammter Handel. 


sun r. Ausfuhr. 
D. 1827-36 667 iM. Sr. | 698 Mil. Fr. 
1839—43 1089,8 = ⸗ 1002 ⸗ 


v 


1844—48 1179 s | 118718 2 = 
1849-53 13088 ss | 16853 ss 
Jahr 1853-—— 162° =: ss | 1 =: = 
D. 1839-53 11925 =: = | 12T =: 5 


Diele Zahlen zeigen bie große Zunahme des auswärtigen Handels; die 
Einfuhr aber iſt wahrfcheinlih zu niedrig angegeben. 


Eigener Handel des Landes, D. 1851 —53: 


Feſte Preife. Sahrespreife. 
Einfuhr 957 Mil. Er.| 982,7 Mil. Fr. 
Ausfuhr 1238 = =;| 1319 ⸗ ⸗ 





Mehr⸗Ausfuhr 281 Mil. Fr-| 335,7 Min. Fr. 
Hamburg, D. 1848—52, Einfuhr 331482000 Mark Bao. 
Ausfuhr. 301900 000 > ⸗ 


Mehr⸗Ginfuhr 29582000 Mark Sco. 
oder 9,8 Proc. der Ausfuhr. 


Nordamericanifhe Freiftaaten. 
1784 @infuhr 18 Mill. Dol. 
Ausfuhr 4 5 8 
Mehr-Einfuhr 14 MN. Doll. = 350 Proc. 
D. 1790—1820 E. 48 Mill. Dol. 
1.35 > ⸗ 


Mehr⸗Cinfuhr 13 Mill. Doll. = 37 Bror. 


D. 1822—1828 E. 82,3 Mil. Doll. 
A. 79,5 ⸗ 


z 


D. 1850-1853 Cinfuhr 218-739 000 Doll. 
Ausfuhr 202-595000 s 


Mehr⸗Cinfuhr 16144 000 Doll, = 7,9 Proc. 


Defterreih, D. 1831—40 Einf. 87 388000 fl. 
Ausf. 89688000 = 


Mehr⸗Ausf. 2°300 000 fl. = 2,6 Proc. 
D. 1841—50 Einf. 113602000 = 
Ausf. 96°030000 = 


Mehr⸗GCinf. 17572000 fl. 
oder 18,2 Proc. der Ausfuhr. 


Deutfcher Zollverein: 


D. 1837—41 nad Bierfad Ginf. 165782 000 Thlr. 
Ausf. 168°497 000 ⸗ 


Scheinbare Mehr⸗Ausf. 2715000 Täler. 


— 571 m 


D. 1842—46 nah Junghanne E. 210.303 000 Thlr. 
A. 170°089000 = 


— 


Mehr⸗Cinfuhr 40214000 The. = 23,6Proc. 


.D. 1850 u. 51 nah Hübner GW. 183582000 Thlr. 
N. 175 717000 ⸗ 


Mehr⸗Cinfuhr 7865000 Thlr. = 4,1Proc. 


Bierſack (Ueber Schußzölle von B., 1843) wendete die forgfältig ermits 
telten Marftpreife auf die in den amtlichen Vegeichniſen angegebenen 
Mengen an. Junghanns (Fortfchritt d. 3. VB. 1848) bediente fich 
der von Bierfad mitgetheilten Preife. Hübner (Iahrb. 1852, 53 
rechnete ebenfalls nah Marktpreiſen. — Bei dieſen Angaben läßt fi 
durchgängig nicht ausmitteln, wieweit fie von der Wahrheit abweichen 
mögen. In den nordamericanifchen Freiftaaten war im vorl- 
gen Jahrhundert zufolge der een und Ginmwanderungen die 

infuhr fehr überwiegend, fpäter wurde fie bisweilen von der Ausfuhr 
übertroffen, nachher war fie wieder viel ſtärker ale diefe, was den Anz 
leihen in Guropa und fpäter der beträchtlichen Ginfuhr von Münz- 
metallen, welche an die Stelle der Banknoten treten, zuzufchreiben if 
Kofegarten in Rau, Archiv IV, 367. — Die zum Erflaunen rafche 
Ausdehnung des britifhen Handels, die fih in den Ausfuhrliften 
am ficherfien erfennen läßt, könnte Leicht zu der irrigen Meinung führen, 
als fei blos hieraus der große Wohlitand Grofbritaniene hervorgegangen. 
Dieg widerlegt fih, wenn man zugleid die Entwidlung der Betrieb: 
famfeit und des Verkehrs im Innern des Landes erwägt. Material in 
Betreff des auswärtigen Handel® bei Dupin, Systöme de l’administr. 
brit. en 1822, ©. 49 (nach dem minifteriellen Sahresberichte: State of 
the nation). — Caſar Moreau, angel. Tab. — Moreau de 
Jonnds, Le comm. du 18. siecle. UI. B. — Pebrer, Hist. fin. et 
stat. gön. IL B. — Mac-Culloch, Stat. acc. II, 196. — Porter, 
Progress, ©. 356. — Tables of Revenue eto. für jedes Jahr. 

Nah den amtlihen oder Zollpreifen waren im jährlichen 
Durchſchnitt 


| Ausfuhr. | Einfuhr. 





2. St. 2. St. 
1697 — 1701 (Krieg) 6'449 000 5°570 000 
1739—1749 (Krieg) 9:744 000 71'281 000 
1749—1755 (Briede) . 12'221 000 8211000 
1784—1792 (Briede) .. 18°622 000 17'716. 000 
1793—1801 (Krieg) 29'843 000 15°171.000 
1802 (Friede) 25'632 000 29'826. 000 
1803— 1815 (Krieg) 28°106 000 31'022 000 
1816—1820 (Friede) 38°091 000 21673 000 
1821—1830 (#riede) 42697000 39 661 000 
1831—1840 (Friede) 89-827 000 54°099 000 
1841—1850 (Friede) 132°749000 .| 83716000 
D. 1851. 52. . . 193°417 000 110°012 000 


Man fleht Hieraus, daß die verfchiedenften Umflände, ſowohl Krie 
als Frieden, zur Erweiterung des Handels dienten. Minder fchnelle 
Zunahme oder felbft vorübergehende Abnahme trat ein in den Jahren 
1780—83 , 1793 —95, 1811—12, 1819—21. — In der Ausfuhr 
find nur bie britifchen Erzeugniſſe, nicht auch die wiederausgeführten 
fremden und Golonialerzeugnifle enthalten, die im D. 1850—52 


(4) 


— 5172 — 


nah dem amtlichen Preife 22-985 000 2. St. ausmahtn. Nach dem 
declarirten Preife betrugen die ausgeführten britifchen @raeugnifle im 
D. von 1850—52 74 631 000 2. St. Bon mandyen Artikeln bat fid 
die Ausfuhr feit 1700 über das 10fache vermehrt. Ueber die Baums 
wollenwaaren ſ. $. 1258 (5). Bon Schaafwolle wurden zur inneren 
Berarbeitung eingeführt im Durdfchnitt von 1800—09 6°983 000 Pfr. 
von 1810—19 9291000 1829—34 29037000, im. 1838 52-437 000, 
1845 76813000 Pfd. Im D. 1851. 52 war 


Einfuhr fremder Wolle . 88.537000 Pb. 
Ausfut = =. _. 12:523000 s 

alfo im Lande geblieben 76014000 Pfd. 
Ausfuhr britifher Wolle 11'246 000 ⸗ 

⸗ von Wollengarn 14 397 000 ⸗ 

⸗ von Wollenwaaren 8554000 2. St. 


nah dem declarirten Preiſe 1819—33 war bie Ausfuhr von Wollen⸗ 
waaren 5827000 2. St. Cäſ. Moreau, Ueber Wollhandel und 
MWollmanuf. in Gr. Br. a. d. Engl. Berl. 1829. ©. 56. — Mac- 
Culloch, Stat. acc. Il, 48. — Bon ber ganzen Ausfuhr gingen 1852 
(nah dem beclarirten Breife) nach den nordamericanifchen Sreiftaaten 
16134000 2. St., 7'890 000 nad Deutichland und gang Preußen, 
1353000 brit. Oftindien, 4222000 Auftralien, 4110000 Riederland, 
3:650000 Stalien, 3464000 Brafilien, 3'065 000 brit. Rordamerica, 
2731000 Frankreich, 2°503000 Ehina ac. 


Zur Erläuterung dient der Ueberblid des auswärtigen Verkehrs des 
Zollvereins'von 1851. Hübner, Jahrb. d. Vollsw. u. Statifl. 
1854, ©. 308. Es find nur die Hauptgegenflände aufgeführt. 
Einfuhr. 
I. Rohe Stoffe: 
17'294 000 Thlr. Baumwolle. 


17'049000 s Kaffee, 
15402000 =: Wolle, 
13322000 s Seide, 
13:319000 = Haͤute, elle, Haare, 
8945000 s Getreide, 
7'274000 = Tabateblätter, 
6°049000 =  Zuder, 
6°000000 = Holz, 
5309000 s Saamen, 
4871000 = Bich, 
4712000 = Indigo, 
414500 =  BDtl, 
3-897000 = Fiſche, 
3:664000 = Flachs, Hanf, 
3-613000 = Fiſen, 
1930000 = Meise, 


136795 000 Thlr. Betrag diefer 17 Waarengattungen. 


II. Runftlwaaren: 


19-465 000 Thlr. Seidenwaaren, 

17311000 s Baumwollengarn, 

13185000 s Baummollenwaaren, 
5153000 =: Wollenwaaren, 


— 5723 — 


6°670000 Thlr. Wollengarn, 
4179 000 kurze Waaren 





3 960 000 = Leinengarn, 
32695 000 ⸗Leinenwaaren, 
16°618000 Thlr. dieſe 8 Gattungen, 
66°833 000 = alle anderen toben und verarbeiteten Gegen⸗ 
270246 000 Thlr. ganze Einfuhr. ftänbe. 
Ausfuhr. 


L Rohe Stoffe: 
23-842 000 Thlr. Getreide, 
10.526000 ⸗ Sol 
Wolle, 


5109000 ⸗ 

3361000 =: Baumwolle, 
3217000 s Saamen, 
2675000 ⸗ ieh, 
2.436000 = Steinfohlen, 
2.418000 = Blade, Hanf, 
1901000 s BVink, 


55485000 Thlr. Betrag diefer 9 Gattungen. 


I. Runftwaaren: 


19'211 000 Thlr. Baumwollenwaaren, 
16°700000 s Wollenwaaren, 


15°140 000 = Leinenwaaren, 
13262000 = Seidenwaaren, 
6912000 s kurze Waaren, 
5529000 = Holzwaaren, 
4°001000 = Tabak, 
2668000 ⸗Thonwaaren, 
2-408000 = chemiihe Waaren, 
1917000 =  Gifenwaaren, 
87778000 Thlr. Betrag biefer 10 Gattungen, 
35224000 = alle anderen rohen u. verarbeiteten Waaren, 


178°487 000 Thlr. ganze Ausfuhr. 


$. 431. 


Die Lage eined Landes am Meere, große Ströme und gute 
Häfen geben die größte Begünftigung des auswärtigen Handels; 
ed find aber zugleich zahlreihe Schiffe und geſchickte Seeleute 
erforderlih, um den fogenannten Activhandel ($. 415) zu 
führen. Vergleicht man die Ausdehnung der Handelsſchifffahrt 
eines Landes mit der Menge von fremden einlaufenden Schiffen, 
fo erfennt man leicht, welcher Theil der Gefchäfte des auswaͤr⸗ 
tigen Handels durch flärfere Mitwirkung der Landesbewohner, 
d. 5. im Activhandel ausgeführt wird. Doch bezieht fich bie 
Schifffahrt derjenigen Völker, welche die meiften Bahrzeuge zu 
der Waarenverfendung anwenden, zum Theil auch auf den 


u — 


Zwifchenhandel, zum Theil fogar blo8 auf den Transport für 
auswärtige Hanbdeldunternehmer, als ein befonderes Hülfdges 
werbe des Handels (Rederei) (a). 


(a) In Großbritanien wird bie Latung der Fahrzeuge nad) Tonnen 
(zu 20 Gentnern) angegeben. Nimmt man die Durdfchnittszahl ber 
ein und ausgelaufenen Schiffe, fo war biefelbe im Mittel von 
1850—52 in ten britifchen Häfen jährlid: 

britifche Schiffe . . . 22115 von 4874897 Tonnen, 
fremde Shife . - . 16692 von 2°894620 Tonnen. 


zujammen 38807 1769517 Tonnen. 


Im 3.1854 war der D. des ganzen Gin= und Auslaufs 34 087 Schiffe 
mit 7885139 T., wovon 18035 britiihe mit 4736820 T., alte 
53 Proc. der Schiffe mit 60 Proc. der Tonnenzahl. Dazu famen im 
Küftenhantel eins und auslaufend, D. 1851. 52 140175 Schiffe mit 
13°067 058 Tonn. 9.1854 Einlauf 129031 Fahrzeuge mit 12°808590 T. 
Hiebei ift begreiflih, dag ein Wahrzeug bei mehrmaligem Ginlaufen 
mehrmals angerechnet if. Großbritanien, Irland, Serfey, Buernfey 
und Man beſaßen zu Ende 1852 24 824 Segels und 1269 Dampfichiffe, 
qufammen mit 3747 300 Tonnen Sadungsfähigkeit. Die Zahl ter wirks 
ih im Hantel befchäftigten Schiffe (mit Ausſchluß der Strom-Dampfer) 
war zu berfelben Zeit: 


| Bahrzeuge. | Tonnengehalt. Mannſchaft. 


im Küftenbandel . . . . 9134 168 409 40 975 
im auswärtigen Handel . , 7580 2'449 364 110 769 
theilweife in beiden : . . 1105 163 111 17819 


zufammen 17819 8°380 984 159563 


Hierunter find 549 Dampfer mit 165219 T. und 13277 Mann. Zum 
inländifchen oder Küflenhandel werden auch die auswärtigen Häfen 
wiſchen Breſt und Elbe gerechnet. Tables of the revenue ete. XXII, 80. 
ie nordamericanıfhen Freiftaaten follen 1850 in ihren 
Handelsfhiffen eine Zahl von 3535000 Tonnen gehabt haben. — In 
Sranfreich war 1850 die Zahl der Schiffe 14354 mit 688 130 T. 
Ladungsfähigkeit, alfo im D. 48 Tonnen auf 1 Schiff, woraus fich 
ergiebt, daß auch Fleinere Bahrzeuge mitgezählt find. — Nord: 
Deutſchland ohne Hannover hatte 1852 2351 größere Schiffe (langer 
Fahrt) von 1132000 Tonnen. Die öfterreihifche Monarchie befaß 1852 
689 Schiffe von mehr als 100 Tonnen, zufammen mit 200 959 Tonnen 
Fabungefähigfeit. — Bei der Zahl der in einem Hafen jährlih einge: 
laufenen Schiffe muß man bie Groͤße und Beichaffenheit berfelben unters 
ſcheiden, nämlidy die größeren, mit dem Auslande verfehrenden Sees 
fhiffe und die Fleineren Küftenfahrzeuge. Es liefen 3. B. in London 
im 3. 1852 9986 Seefchiffe langer Fahrt mit 2°160157 Tons 
nen ein, in Liverpool 4186, in Newcaſtle 2821, in Hull 2307, in 
Hamburg 4440, in Bremen 2665. . 





_— 575 — 


II. Der Zwiſcheuhandel. 


$. 432. 


Die Unternehmungen des Zwifchenhandeld haben den Zweck, 
Waaren anderer Länder gegen einander umzutaufchen, wobei nur 
der Koftenerfag und Gewinn bes Kaufmanns fowie ber Berbienft 
der Schiffer oder Fuhrleute einen Zuwachs zu dein Einfommen 
des Volkes bildet, dem der Kaufmann angehört. ine Anzahl 
von Menfchen findet zwar bei diefem Handelszweige ihren Uns 
terhalt, auch läßt fi) annehmen, daß wenigftens für den Bes 
trag bed Handelsgewinnes und SKoftenerfaged® auslaͤndiſche 
Waaren eingeführt werden; allein es findet Fein Abſatz einhei- 
mifcher und fein großer Einfauf fremder Erzeugniffe flatt. Diefer 
Handel hat daher auf die Wirthfchaft des eigenen Landes ge- 
tingeren Einfluß, als der Auss und Einfuhrhandel. Es ift 
folglih am vortheilhafteften, wenn die Capitale und Arbeitskräfte 
ſich nicht eher zu dem Zwifchenhandel wenden, als bis die ge- 
meinnügigeren Handelszweige eined Landes bereits diejenige Aus⸗ 
dehnung erreicht haben, deren fie fähig find. Died ift aud) 
mwenigften® bei folchen Voͤlkern, deren Betriebfamfeit fich ohne 
ftarfen Anfloß von Außen allmählig im Innern aus eigener 
Kraft entwidelt, der gewoͤhnliche Gang, denn 1) der Zmifchen- 
handel erforbert beträchtliche Eapitale, weil er nur im Großen 
einträglich wird und der Umſatz langjam erfolgt; 2) er ift mit 
der Gefahr häufiger Unterbrechungen und Verluſte verbunden. 
So lange daher Eapitale leicht im Binnen- und im Aus- und 
Einfuhrhandel belohnende Anmenbung finden, zieht man 
diefen vor und der Zwifchenhandel wird im regelmäßigen Fort⸗ 
gange des Wohlftanded von jedem Volke erft fpät ergriffen (a). 
() 9. Smith, I, 149. 


8. 433. 


Es giebt jedoch Umftände, die den Zwifchenhandel befonders 
begünftigen. Dahin gehört die vortheilhafte Lage eined Landes 
zwifchen anderen und auf dem Wege, ben bie Erzeugnifle ber- 
felben bei ihrer Berfendung zum gegenfeitigen Austaufche zurüd- 
legen müflen (Handel szug) (a), ferner der Beflg guter Häfen 


— 5716 — 


und die Nähe ſolcher Länder, die bei anſehnlichem Reichthum 

von Erzeugniffen fih gern mit dem Paffivhandel begnügen. 

Aus der letzteren Urfacye ift der Zwijchenhandel häufig der 

Hauptnahrungszweig in fleinen, am Meere oder an fchiffbaren 

Strömen liegenden Staaten, deren Boden zur Erdarbeit wenig 

Gelegenheit giebt und die durch die Neigung ihrer Einwohner 

fowie durch die Gefchidlichkeit im Schiffbau und in ker Schiffahrt 

mehr zum Handel als zu den Gewerken hingewiefen find (b). 

Hat der Handel ſchon eine gewiffe Ausbehnung erreicht, find 

Verbindungen in ber Ferne angelnüpft, Fortfchaffungsmittel ein- 

gerichtet, it man mit den Erzeugniffen und Bebürfniffen anderer 

Ränder fowie mit den Mitteln zur Berhütung von Berluften 

befannt, fo ift es leicht, neue Unternehmungen neben ben fchon 

betriebenen in Bang zu bringen (c). Daher haben öfters Völker 

im Zwifchenhandel eine Zeit lang große Gewinnſte gemacht und 

fich Schnell bereichert. Dagegen ift der fo errungene Wohlftand 

wieder gefährdet, wenn die Handeldzüge fi) ändern (d), ober 
wenn bie Völker, für welche der Zwifchenhändler Zufuhr und 

Abſatz beforgte, an dem auswärtigen Verkehre thätigeren Antheil 

zu nehmen anfangen (e). Der Aus» und Einfuhrhandel, da 

er in die Wirthichaft ded Volkes mehr eingreift, ift ein weit 
dauerhafterer Ermwerbözweig. 

(a) Diefe Handelszüge find die erften, ‚oft mit Kühnheit gelegten Fäden des 
Netzes, welches ber Verkehr nah und nad immer dichter über alle 
civilifirten Länder breitet. Der Zug von Waaren aus dem hinteren 
Afien, vielleicht jogar aus China, bis ans fchwarze Meer gründete den 
Mohlftand von Bactra am Orus; der füdlihere Zug vom Guphrat 
nach dem mittelländifchen Meere war vermuthlich die Urfache, welcher 
Balınyra, auf einer Dafe derWüfte gelegen, feinen Wohlftand verdanfte. 
Kiew bluͤhte duch den Zug der aflatiihen Waaren nad Rußland und 
der Dftfee. — Der Waarenzug längs bes Rheines und der Donau, und 
von dieſer zu jenem bin durch bie Mitte von Deutichland bereicherte 
Megensburg, Wien, Köln ıc.; die Donaupläge vermittelten zugleich den 
Verkehr der Oſtſeeländer mit Ungarn und Italien, an weldyem Geſchaͤfte 
nachher, auch Breslau und Prag Theil nahmen. Beynier, Persans, 


©. 224. 237. Fiſcher, Geſch. des deutichen Handels, I, 226. 244. 
Hüllmann, Städteweien, L, 157. 337. 345. 372. 


(5) Bhönicien, Karthago in ber früheren Zeit; die italienifchen Handels: 
fisaten Venedig, Genua, Piſa, Amalfi sc. im Mittelalter; die Hanie- 
ftädte, welche am Meere lagen ; Holland, neuerlich die griehiichen Infeln. 
Hydra z. B., ein bloßer Fels, 1,5 D.:Meiten groß, Hat feit den 1779er 
Jahren großen Reichthum und eine Bollsmenge von 45000 Ginwoh- 
nern erlangt. — Die Handelsgeichäfte von Hamburg und Bremen find 
zum Theil Zwiſchenhandel, zum Theil Auss und Einfuhrhandel für 
deutfche Länder. Man nimmt an, daß beide im D. 1842—44 für 


— 5171 — 


58 Mi. Markt Beo. Waaren von außereuropäifchen Rändern empfangen 
und für etwa 31 Mill. dahin gefendet haben, Soetbeer, Neber 

GHGamburgs Handel, III, 312. 

(e) Im Handel, wie in anteren Beihäftigungen, find die erften Unter: 
nehmungen die fchwerften. 

(d) Benedig, Augsburg, Nürnberg, Ulm ıc. ſanken feit der Entdedung des 
Waſſerweges nah Oftindien. 

(e) Die Holländer nahmen 3. B. den Frangoien Seidenzeuche, Bänder, 
Papier, Wein, Salz, Südfrücdte, Branntwein und mancdherlei Gewerke: 
waaren ab und führten ihnen Specereien, Zinn, Blei, Kupfer, Pelz: 
werk, Flachs, Hanf, Zimmerholz, Beh, Salpeter, Schwefel, Flinten, 
Pottaſche, Fiſche und dergl. zu. Die Ausfuhr franzöfifher Waaren 
nach Holland wurde 16566 auf 42 Mill. fl. geſchäͤtzt und in der Mitte 
des 18. Jahrhunderts flieg der Verlehr beider Länder auf dad Doppelte 
des Umfangs, den er in der Mitte des 17. Jahrhunderts gehabt hatte. 
Zueder, Geſch. des holl. Handels, nach Luzac, ©. 437. 446. Dieb 
bat ſich geändert; Franfreich erzeugt einen großen Theil feiner vor⸗ 
maligen Ginfuhrgegenftände ſelbſt und hat eine lebhaftere Schifffahrt, 
ale vorhin, vermöge deren es ſich mit manchen ausländifchen Grzeug:- 
niffen unmittelbar verforgen kaun. Doch war noch 1789 die Einfu 
von Holland nah Frankreich 36% Mill. Br. und bie Ausfuhr nad 
Holland 43127000 Fr. Chaptal, Ind. fr. I. 83. 


$. 344. 


Der Zwifchenhandel ift der eigenen Gütererzeugung des Lan⸗ 
bes, in welchem er betrieben wird, keineswegs ganz fremd, er 
trägt vielmehr zu ihrer Erweiterung bei, indem er ihr leichten 
Abſatz verfchafft, und regt fie erft an, wenn fle bisher noch ganz 
gering war. Der Kaufmann wird hiezu durch feinen eigenen 
Bortheil bewogen, weil er feine Gejchäfte ficherer begründet fieht, 
wenn ein Theil der Wanren, bie er anderen Ländern zuführt, 
in feiner Heimath hervorgebradht wird; auch dient die Yülle 
fremder Erzeugnifle, die der Zwifchenhandel verfammelt und von 
benen immer ein Theil im Lande bleibt, den Wetteifer inländis 
fcher Stoffarbeiter zu erweden. So kann biefer Handel ſich mit 
der Zeit in den Aus» und Einfuhrhandel umwandeln (a). 


(a) Die Holländer vermehrten und vervolllommneten ihre Gewerke in hohem 
Grabe, bis feit dem Jahre 1648 (weftfälifcher Friede) der Verfall der- 
felben begann und mit dem Sinten des Handels gleichmäßig fortichritt. 
Die Tuchgewerke waren ſchon früh blühend, aber viele andere, 3.8. die 
Zuderfiedereien, Seiden:, Borzellan:, Huts, Tabaksfabriken, Wacha⸗ 
bleichen, das Diamantfchleifen, der Schiffbau und die vielen Sägemühlen 
haben vermuthlich dem Zwiſchenhandel ihre Entſtehung zu danken. N 
1789 gingen für 81/—10 Mill. Fr. hollaͤndiſche Landeserzeugniſſe na 
Branfreih. Bol. Lueder a. a. D ©. 36. 375. — Chaptal 
a. a. O. L 83. — Venedig hatte ebenfalls bedeutende Gewerke zu 
Hülfe genommen, 3.3. Goldfchmiedsarbeiten, Blasfabrication, Seiden- 
weberei ıc. 

Rau, polit. Dekon. I. 7. Ausg. 37 


® 


— 518 — 


Zweite Abtheilung. 
Der Kleinbandel. 


$. 435. 


Die NRüglichkeit ded Kleinhandeld, welche in dem Zerlegen 
ber Waarenvorräthe und dem Verkaufen berfelben in ganz klei⸗ 
nen Abtheilungen befteht (8. 407), ergiebt ſich ſchon daraus, 
daß die Zehrer weit weniger faufen würden, wenn fie ſich be⸗ 
trächtliche Vorraͤthe auf einmal anfchaffen müßten, weßhalb 
durch jenen Handel der Abfag und folglich die Hervorbringung 
fehr befördert werden. Der Kleinhandel kann mit Hülfe eines 
viel Fleineren Capitals die Zehrer verforgen, als diefe felbft in 
angefauften Borräthen liegen haben müßten (a), fie können ihm 
alfo Arbeitslohn, Bapitalzins und Gewerbsgewinn bezahlen und 
befinden fi nody immer im Bortheil, zumal da ihnen aud) 
zwifchen verjchiedenen Arten und Sorten von Waaren die Auß- 
wahl offen fteht. Der Großhändler würde in feinem eigen» 
thümlichen Wirkungskreiſe geftört und genöthigt werben, einen 
Theil feined Eapitaled aus belohnenderen Unternehmungen zurüds 
zuziehen, wenn er fich felbft mit dem Kleinhandel befaffen müßte. 
Dieſer erfcheint demnady in feiner Abfonderung als ein weſent⸗ 
liches Glied in der Kette der hervorbringenden Thätigkeiten. 
Der Großhändler fchafft die Waaren aus der Entfernung herbei 
und liefert fie in folchen Quantitäten, wie er fie ohne fonders 
lihe Mühe bequem abgeben fann, einer Anzahl von Kleinhaͤnd⸗ 
lern, die fowohl ihn als den Zehrern nahe find, fo daß dieſe 
zu jeder Zeit mit unbedeutendem Zeitverlufte ihren jedesmaligen 
Bedarf einkaufen fönnen. Durch diefe Berzweigung, die von 
dem Hauptftamme bis zu den einzelnen Confumenten reicht, 
erfüllt der Handel erft vollfommen feine Beftimmung, die Ver⸗ 
theilung der Güter leicht und vollftändig zu bewirken. 


(a) Wenn 3. B. das Kochſalz nur centnerweife verkauft würde, fo ße 
eine Familie, die jährlich 90 Pfund verbraudt, immer den Bedarf für 
14 Monate einfaufen und es läge im Durchſchnitt in jeder Familie 
!/a Bentner, auf 1000 Bamilien alfo 500 Gentner vorräthig, während 
bei wöchentlihem Ginfaufe nur etwa 20 Gentner im Laden des Klein» 


— 5719 — 


Händlers nöthig find. — Bei ſolchen Gegenftänden, bie von vielen 

Bewerbsleuten in Heinen Quantitäten hervorgebracht werden, übernimmt 

der Kleinhändler aud das Zufammenlaufen, 3. B. bei dem Höder: 

ande mit Lebensmitteln. Bon ähnliher Art ift der Trödels 
andel mit fhon gebrauchten Sachen. 


8. 436. 


Der Kleinhandel erfordert 1) fehr geringes Capital, weil 
daffelbe wegen der Fleinen Entfernung und der üblichen augen- 
blidlihen Baarzahlung ded Käufers im Laden ſchnell umläuft 
und daher jährlidy) mehrmals umgefeßt werben fann. In dem 
Einkommen des Krämers ift ein beträchtlicher Antheil von eins 
fachem Arbeitslohne für die Mühe des Kleinverfaufes enthalten, 
8.187 (db). Wird dieß ganze Einkommen als Gewerböverdienft 
angefehen, fo bildet derfelbe in dem Verhältniß zu dem Capitale 
einen fehr hohen Procentfaß, 6. 239 (a). 2) Er erfordert viel 
geringere Geſchicklichkeit als der Großhandel, weil die Unter: 
nehmungen leichter zu befchließen und auszuführen, die Hülfs- 
mittel einfacher find (a). 3) Er ift mit geringerer Gefahr vers 
bunden, indem die Unternehmungen nur auf furze Zeit, in Ges 
mäßheit der befannten Ortöverhältniffe und Bebürfniffe der Käus 
fer, mit Eleinen Summen für jede Art von Waaren, gemacht 
werben. 

(e) Es kommen 3. B. feine Wechfelgefhäfte, eine künftlihe Buchführung 
vor, man braucht Feine Kenntnig anderer Sprachen und der Geſetze ıc. 
anderer Länder. Diele Kleinhändler laufen und verkaufen lediglich 
innerhalb eines Ortes, doch giebt es auch wandernde Krämer. Bei 
fehr ſchwacher Bevölferung eines Landes, in der Kindheit des Handels, 
muß. der Kaufmann die Abnehmer aufſuchen, wovon noch jeßt in dem 
Haufirhandel ein Ueberreft geblieben iſt. Diefer wird mit der zunebs 
menten Bevölkerung fortwährend auf wenigere Begenflände eingeſchraͤnkt. 
Sowie eine Waare in einer Gegend foviel Abnehmer findet, daß ein 
Krämer fih ermuntert fieht, fie anzufchaffen und zu verlaufen, fo kann 
fie von diefem wohlfeiler geliefert werden als von dem Haufirer, der 
feine Reifeloften auf den Verkaufspreis fchlagen muß. Die Unerfahrens 
heit und Umübertegtheit der Käufer macht es freilich oft dem Haufirer 


möglich, fid dadurd zu behaupten, daß er betrügerifcher Weile ſchlechte 
Waaren verkauft 


37° 


— 580 — 


Dritte Abtheilung. 
Der Bapierbandel. 


8. 437, 


Unter den verfchiedenen Arten von Erebitpapieren giebt das 
Bapiergeld zu einem befonderen Handel feine Beranlaffung, 
da es ohnehin in ftetem Umlaufe ift und bei den Veränderungen 
feines Curſes jeder Befiger jelbft wider Willen in die Lage kommt, 
gewinnen ober verlieren zu können. Was die Verſchreibun— 
gen (Effecten) betrifft, fo find 1) die Schulbbriefe von Pri⸗ 
vatperfonen in ber Regel fein Hanbelögegenfland, weil jebe 
folche Urkunde durch die Perſon des Schuldners, die Summe, 
die Bedingungen ıc. etwas igenthümliched hat und nur bers 
jenige Bapitalift einen Schuldbrief kauft, welcher mit den Bers 
hältniffen des Schuldnerd genau bekannt ift und biefelben für 
günftig erachtet (a). 2%) Anders verhält es ſich dagegen mit 
den Schuldbriefen der Gemeinden und anderer Körperfchaften 
fowie des Staates, ferner mit den Actien großer Banks, Vers 
ſicherungs⸗, Eiſenbahn⸗, Bergwerks⸗, Handelögefellichaften und 
dergl. Diefe Papiere find ein bequemes Mittel, Vermoͤgen wer⸗ 
bend anzulegen; fie werden häufig erfauft und verfauft und die 
Capitaliften wählen fidy diejenigen Arten aus, die ihnen nad) 
ber Zuverläffigfeit der auöftellenden Perſon, nach der Größe der 
Summe, nad) ben Terminen ber jährlichen Berzinfung, den For⸗ 
men der Mebertragung und dergl. am meiften zufagen. Ber: 
fhieden von diefen Erwägungen ind die Abfichten des Effectens 
haͤndlers, der Papiere einfauft, um fie mit Gewinn wieder zu 
verkaufen. 3) Auch Wechfelbriefe werben öfters gekauft und 
an einem andern Orte wieder verfauft, um aus ber Verſchieden⸗ 
heit ded Curſes zu gewinnen; Arbitragegefchäfte (b). 


(a) Eine Ausnahme mahen Schuldbriefe reicher und allgemein befannter 
Butsbefiger, welche oft viele Obligationen von gleicher Beichaffenheit 
und auf gleihe Summen in Umlauf bringen. 


(5) Diefe werden meiftens als Mittel gebraudht, eine Zahlung an einem 
entfernten Orte auf die wohlfeilfte Art zu bewirken, $. 291066). Wenn 
3: B. eine Summe von Frankfurt nah Genua übermacht werden foll, 


— 581 — 


fv könnte es bei gewiflen Eurfen der MWechfel Nugen bringen, in Frank: 
furt Wechſel auf Amſterdam zu kaufen, diefe in Paris verfaufen und 
dafür Wechfel auf Neapel einkaufen zu laflen, die man dann nad 
Genua fendet, wo fie (mit Gewinn) verfauft werden, um die Summe 
zu liefern, die man zu bezahlen bat. 


8. 438. . 

Auf den SBreis der Berfchreibungen hat hauptfächlich die 
Meinung von den PVermögensumftänden ded Schuldners und 
von feiner Geneigtheit, die übernommenen Berbindlichfeiten zu 
erfüllen, großen Einflug. Nad dem Grade von Wahrfchein- 
lichkeit, die in diefer Hinficht flattfindet, ift der ‘Preis (Curs) 
bald höher, bald niedriger, und indbefondere ift er bei vielen 
Staatsfchuldbriefen (Staatspapieren) überaus beweglich). 
Theild wird durch die mandyfaltigen Erfcheinungen im Innern 
oder in den Außeren PVerhältniffen dad Zutrauen zu den Hülfs- 
quellen einer Regierung und zu ihrer Gewiflenhaftigfeit erhöht 
ober gefchwächt, theild kann ſchon die Vermuthung, daß neue 
vortheilhaftere Arten von Verfchreibungen in den Berfehr fom- 
men werden, auf den Curs ber älteren nadytheilig einwirken (a). 
Die Dividende der Actien hängt von dem Erfolge ber Unter: 
nehmungen ab, der daher auch den Preis der Actien beftimmt. 


(a) Das Sinken der Staatspapiere in Kriegszeiten rührt zum Theil von 
diefer Srwartung, alfo nicht blos von dem fchwächeren Credite der Ne 
gierungen her. — pa Curs verfchiedener Obligationen iſt übrigens, 
on ungleichen Sinsfuß Haben, ſchon aus diefem Grunde 
ungleich. 


8. 439. 


Diejenigen Papiere, deren Curs den meiſten Veraͤnderungen 
ausgeſetzt iſt, bilden den beliebteſten Gegenſtand des Effecten⸗ 
handels (a), weil bei ihnen die groͤßten Gewinnſte gemacht wer⸗ 
den koͤnnen. Es iſt zwar unmoͤglich, den Curs einer Art von 
Papieren auf eine gewiſſe Zeit beſtimmt vorauszuſehen, weil er 
oft von manchen ploͤtzlichen, ganz unerwarteten Ereigniſſen be⸗ 
ſtimmt wird, doch kann man durch ſcharffichtige Auffaſſung der 
Zeitverhaͤltniſſe, ausgebreitete Erfahrung und ſinnreiche Combi⸗ 
nationen es wenigſtens zu ſolcher Geſchicklichkeit bringen, daß 
man ſich oͤfter richtige als falſche Vermuthungen bildet. Dieſer 
Handelszweig erſcheint daher vorzugsweife als ein Wettkampf 


— 582 — 


des Verſtandes. Die Mittel zum Gewinne beſchraͤnken ſich nicht 
auf das Vorausſehen des kuͤnftigen Curſes, es giebt auch Ge⸗ 
legenheit; auf denſelben einzuwirken, indem man argliſtig das 
Vertrauen der Menſchen zu einer Art von Papieren zu verftaͤr⸗ 
fen oder zu ſchwaͤchen ſucht (d). Der Nutzen dieſes Handels 
für die Volkswirthſchaft ift gering, denn er befteht bloß darin, 
daß er jedem Befiger einer übergeiparten Geldfumme den Ankauf 
einer feinen Wünfchen entfprechenden Art von Berfchreibungen 
erleichtert. Die Gewißheit, daß man jede Summe beliebig, auf 
furze oder längere Zeit verzinslich unterbringen, aud für bie 
Urkunden jederzeit leicht, wieder Abnehmer finden werde, kann 
zum Ueberfparen ermuntern (8. 293 (d)), doc) läßt fidy diefer 
Bortheil durch Banken ebenfalls erreichen. Yür die Regierung 
ergiebt fi) noch der Ruben des Papierhandels, daß neue An⸗ 
leihen mit Hülfe deſſelben leichter zu Stande gebracht werben 
fönnen. 


(e) Die Schuldbriefe der großen europäifhen Mächte, 3. B. Englands, 
Oeſterreichs, Rußlands, Frankreichs, beſonders aber Spaniens und der 
neuen americanifchen Staaten find von einem weit beweglicheren Curſe, 
als die von den mittleren und kleineren beutichen Staaten. 


(6) Sudt z. B der Kaufmann eine Quantität von Papieren einer gewiflen 
Art zu Faufen, fo drückt er zuvor den Curs durdy einen, auf Erregung 
von Beforgniffen berechneten Scheinverfauf oder duch einen wirklichen 
Berfauf einer Fleineren Quantität herab, oder verbreitet Gerüchte oder 
Bermuthungen, um bie öffentliche Reinung nach feinen Abfichten irre 
u leiten. Dieß iſt eine Urſache vieler falihen Zeitungsartifel. Die 

erfaufs und Kaufluftigen (bears und bulls, haussiers und baissiers) 
pflegen mit taufendfältiger Lift gegen einander zu Felde zu ziehen. 


$. 440. 


Der Effectenhandel wird von vielen Menfchen mit Vorliebe, 
und felbft mit Leidenfchaft betrieben, zumal in Zeiten, wo die 
Gapitale im Waarenhandel und in den Stoffarbeiten weniger 
leicht untergebradyt werden fönnen als jonft (a). Die Urfadyen 
diefer Hinneigung zu dem Papierhandel find hauptfächlic, folgende: 
1) Einzelne Beifpiele großer, in ſolchen Geſchaͤften gemachter 
Gemwinnfte ftehen lodend vor den Augen, während die nicht fels 
teneren Bälle von großen Berluften und gänzlichen Berarmen 
nicht gehörig berüdfichtiget werden. 2) Es gefellt ſich zu ber 
Hoffnung des Gewinned auch der den Glüdsfpielen eigene Reiz 
bed Wagens und der gefpannten Erwartung. 3) Jedermann, 


— 583. — 


nicht bloß wer dem Stande der Kaufleute angehört, iſt berech⸗ 
tigt, folche Unternehmungen zu machen. 4) Man bat beim 
Anfaufe von Papieren Feine Nebenkoften für Gebäude, flehende 
Vorrichtungen, Fracht, Zölle und dergl. und fann daher mit 
gleichem Capitale ausgedehntere Gefchäfte machen, aud) läßt fich 
die Volziehung der Käufe durch die Uebereinfunft beider Theile 
auf einen beliebigen Zeitpunct hinausfchieben — Zeitfäufe, 
marches & terme, — und e6 ift möglid), durch Ausbedingung 
einer Prämie für den Fall des Rüdtritted dem möglichen Ber: 
lufte eine Gränge zu feßen. 5) Es giebt fogar Mittel, ſolche 
Gefchäfte zu Schließen, ohne daß die Käufe förmlich vollzogen 
werden müßten; dann ift alfo gar fein Anfaufs-Capital nöthig 
und Jeder fann Gefchäfte machen, der nur bis auf den Betrag 
ded allenfalld zu erwartenden Verluſtes Credit hat. Diefe Ab- 
Anderung, wodurd die Unternehmung dad Wefen des Handels⸗ 
gefchäftes verliert umd fich eher mit einer Wette auf den Curs 
vergleichen läßt, heißt Differenzgefhäft, Stocksjobbe— 
tei, jobbery, agiotage, jeu de la bourse. Wan verabredet 
dabei, wie bei einem Kaufe, eine gewiflfe Anzahl von ‘Papieren, 
einen gewiflen Curs und einen beftimmten Termin zur Beendi⸗ 
gung des Geſchäftes. Tritt diefer Termin ein, fo vergleicht man 
blos den verabredeten Preis mit dem @urfe ded Taged, und 
mittelt dadurch aus, ob derjenige, der den Käufer vorftellt, oder 
ber fcheinbare Verfäufer gewonnen hat, und der Verlierende zahlt 
dem Gewinnenden den Unterfchieb des @urfed heraus (db). Diele 
Audgleihung liegt entweder gleich Anfangs in der Abficht beider 
Theile, oder fie wird erft fpäter befchloflen, indem man e8 bes 
quemer findet, einen beabfichtigten Verkauf nicht förmlich zu 
vollziehen (c). 


(a) Ueber diefe Unternehmungen Pinto, Traitö de la circulation, S. 289. — 
The System of stockjobbing explained. By a practical Jobber. Lond. 
1816, im Nuszuge: Minerva, September 1816. — Coffinitres, 
De la bourse et des speculations sur les effets publics. Par. 1824. 
Deutih: Die Stedbörfe und der Handel mit Staatspapieren, herausg. 
von Schmalz. Berlin, 1824. — Bresson, Des fonds publics 
francais et ötrangers et des operations de la bourse de Paris, 7. öd. 
Par. 1834. — Mehrere fleine Schriften find genannt bei Mitter: 
maier, Grundfäge des Privatrechte, IL, 5.189, recenfirt in Hermes, 
XIII, ©. 234—49. — Bender, Der Berfehr mit Staatspapieren 
im In= und Nuslande, 2. Ausg. Bött. 1830. — v. Bönner, Bon 
Staatsfchulden, deren Tilgungsanftalten und vom Handel mit Staats: 


(8) 


— 5 — 


papieren. I, Münden, 1826. — Nebenius, Der öffentlidde Erebit, 
1, 557. — Bleibtreu, Lehrb. d. Handelswiffenihaft, S. 307. Defl. 
Handb. d. Contorwiſſenſch. S. 288. — Thl, Der Bericht mit 
Staatspapieren, Gött. 1835. 


3. 3. A verfauft an den B 600 Stück Metalliques (öfterreichifche 
Staatsobligationen zu 5 Procent in Metallgeld verzinslih) um einen 
Preis von 80 (für 100) nah 6 Wochen zu liefern. Steht nun nady 
Verlauf der 6 Wochen der Eurs bes Tages auf 82, fo hat der Käufer 
B an jedem Stüd 2 fl. gewonnen und A zahlt ihm diefen Gewinnft 
mit 1200 fl. aus. Steht der Eurs nur auf 79, fo bat der Verkaͤufer 
A 600 fl. gewonnen, die ihm B abliefert. * 


Die tägliche Erfahrung zeigt, daß in fehr vielen Fällen gleih von An: 
fang an bie Bertragfchließenden nur die Vergütung der Cursdifferenz im 
Sinne hatten. Die Menge und ber Belauf Dieter vorgeblihen Käufe 
find fo ungeheuer groß, dag es offenbar unmöglich wäre, nur die Hälfte 
derfelben durch wirkliche Ablieferung von Papieren in Bollzug zu brin- 
en. Nach einer neueren Angabe werden in Paris jährlich für 12000 

till. Sranfen Käufe in Staatspapieren zwiſchen den Mäklern gefchloflen. 
Dazu kommen diejenigen, bei denen nur ein einziger Mäfler gebraucht 
wird, ferner die fogleich baar bezahlten, fo daß der ganze Belauf auf 
bie doppelte Summe, täglihd auf 80 Mil. Fr. geichägt werben kann. 
Sm 3. 1830 kamen aber nur für 1760 Mill. wirkliche Uebertra= 
gungen von Renten vor, alſo etwa Yıs aller Geſchäfte. Bevue enc. 

ct. 1831. ©. 60. . Schon Pinto fagt: Except& donc ceux, qui 
recoivent et qui transportent r&ellement les fonds, le reste, qui compose 
la foule des actionistes et des joueurs, n'achèto et ne vend que ce 
qu’on appelle en terme d’art, du vent; et ces operations se röduisent 
à des espäces de gageures, a. a. O. ©. 305. La plupart de ces en- 
gagemens ne sont röellement destinds qu’ä se resoudre sans livraison 
röelle de rente.e Vincens, Lögisl. commerc. I, 623. GEbenſo Tail: 
landier, Commiffionsberiht, Deput.:Rammer, 26. San. 1833. — 
Diefe Form des Gluͤcksſpieles ift faft zwei Jahrhunderte alt. 1634—37 
wurde der Handel mit Tulpenzwiebeln in Holland mit LXeidenfchaft ges 
trieben, die Zwiebeln hatten ihren Curs, der fo. hoch flieg, daß einmal 
für die Zwiebel der Tulpe semper augustus 46800 fl., eine Rutiche und 
zwei Pferde gegeben wurden. Dabei wurden fehr viele Scheinfäufe 
vorgenommen. an muß indeß vermuthen, daß an dem hohen Eurfe 
die Blumenliebhaberei reicher Holländer den größten Theil gehabt habe; 
vgl. Bedmann, Beiträge zur Geſch. d. Erfind., I, 228. — In ber 
Zeit des Law'ſchen Syftems ($. 314) wurden ähnliche Speculationen 
mit der größten Spannung verfolgt, Indeß fcheinen nicht gerade Schein: 
kaͤufe (Differenzengefchäfte) vorgegangen zu fein, was man aud nidht 
nöthig hatte, da es Fäufliche Actien in Bülle gab. — Weitere Aus: 
bildung erhielt die Jobberei in den Niederlanden, wo die Actien der 
holländifch = oftindifchen Compagnie ihr zum Gegenftand dienten; daher 
der Name Nctienfpiel, jeu d’actions. Neuerlich wird fie Haupt: 
fählih mit Staatspapieren getrieben, deren Curs in den flürmiichen 
Beiten der Kriege von 1793—1815 und der Bewegungen im Innern 
vieler Staaten einem vielfältigen Wechſel ausgefept war. — Die 
Hauptarten von Befhäften im Bapierhandel laffen fi fo überbliden: 
9 Tagesfauf, marehé & comptant, per cassa, ſogleich gegen baare 

ezahlung zu vollziehen; 2) Zeitfauf, march6 & terme; dieler kommt 
vor a) einfach, ohne Nebenbeflimmungen, gewöhnlidy zu Ende oder 
in ber Mitte eines Monats zu vollziehen, in Paris immer auf fin (du 
mois) courant oder fin prochain abgeichloffen. Wer eine Speculation 
mit einem Kaufe anfängt, muß wuͤnſchen, der Curs gehe in bie Höhe, 


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damit er aut verfaufen koͤnne. Wer aber Papiere, die er noch nicht 
hat, verfauft (& decouvert), muß, um fie wohlfeiler an fidy bringen zu 
fünnen, ein Sinfen hoffen; b) abgeändert oder ausgeartet, ale Dif⸗ 
ferenzengefchäft; c) mit der Berabredung, daß dem einen ober 
anderen Theile geftattet fein folle, mit Aufopferung einer Prämie zurüd- 
zutreten, Brämiengefchäft, marchd A prime. Die Prämie wird in 
Procenten ausbedungen, gewöhnlih !/s—1!/; Procent. Hat fi ber 
Käufer den Nüdtritt vorbehalten, fo muß er die Prämie fogleich 
vorausbezahlen, die in dieſem Falle VBorprämie heißt. 3) Mehrere 
Geſchaͤfte fönnen miteinander verbunden werden, und es giebt verfchie: 
dene Arten folher Combinationen. in Beifpiel Hievon if ter Rüd- 
Fauf, inden Jemand einem Anderen Papiere für einen gewiflen Eure 
gegen Baarzahlung verfauft und fie fogleich wieder von ihm auf Zeit 
zurückkauft. Der Unterfhied in den Eurfen, für welche Käufe, die zu 
verichiedenen Zeitpuncten vollzogen werden follen, jetzt abgeichloflen 
werden, heißt überhaupt report, wenn der fpäter zu bezahlende Preis 
der höhere if, deport im entgegen gelegten alle. Der report ift 
genau betrachtet der Zins für die Zwiſchenzeit, in welcher der eine Theil 
den Erlös aus dem Tagesverfauf benugen konnte; 3. B. franzöftiche 
Dreiprocents werden zu 66,5 baar verfauft unter der Bedingung, daß 
fie zu 67 nah 1 Monaten zurüdgenommen werden, alfo iſt der 
report 0,5 Fr. oder 6 Proc. jährlich. 


8. 441. 

Der PBapierhandel, wenn er in folder Ausdehnung geführt 
wird, wie es in neuerer Zeit gefchieht, hat volfswirthichaftliche 
Nachtheile, welche durch die aus ihm entfpringenden Vortheile 
(8.439) feinedweged aufgewogen werden (a). 1) Er zieht große 
Geldſummen an fi), welche in ihm ganz unproductiv angewendet 
werben und daher zur Vergrößerung bed Volkseinkommens gar 
nichtd beitragen (d). Die Gewinnfte der glüdlichen Handels⸗ 
unternehmer find meiſtens mit den Berluften Anderer verbuns 
ben (c). 2) Eine Menge von Menfchen, und großentheifs von 
fehr verftändigen und thätigen, wird zu einer für dad Gemein 
wohl unfruchtbaren Beichäftigung hingezogen und von nüglichen 
Verrichtungen abgelenkt. Das ungeftüme Verlangen, plöglic 
und mühelos reich zu werben, lähmt den beharrlicdyen und ges 
nügfamen Fleiß, der allein dad Gute ftifte. 3) Die Wege, 
die man einfchlägt, um zu gewinnen, find nicht felten unebel 
und unredhtlid und man hört namentlidy leicht auf, die abſicht⸗ 
liche Täufchung Anderer gebührend zu verabfcheuen, weil fie dem 
Einzelnen, der fie vornimmt, Bortheile bringt. 


(a) Die Behauptung, der Papierhandel fei darum nuͤtzlich, weil er den Curs 
der Staatspapiere erhöhe, läßt ſich nicht mit zureichenden Gründen 
vertheidigen. Die gewöhnlichen Operationen der Speculanten koͤnnen 


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den Curs im Ganzen nit leiten, weil derſelbe aus der öffentlichen 
Meinung über den Zuſtand jedes Staates und über bie Berhältniffe 
jeder Art von Verfchreibungen entfpringt ; fie fönnen blos Fleinere und 
vorübergehende Schwankungen zur Foige haben. — Mehrere neuere 
Schriftfteller haben, die Geſichtspuncte verwechfelnd , in der Abficht die 
rechtliche Gültigkeit der hieher gehörigen Geſchaͤfte in Gemaͤßheit der 
beftehenden Gelege zu erweifen, oder die Unzwedmäßigfeit mander vors 
efchlagenen Regierungsinaaßregeln zu zeigen, auch die volfswirth- 
(aaftligen achtheile diefed Zweiges von Geſchaͤften zu beftreiten 
geſucht. 

(6) @s fönnte hiebei der Zweifel entſtehen, ob dieſer Handel nur überhaupt 
eigene Gapitale in Anfpruch nimmt, weil er nur die Staatsobligationen 
in andere Hände bringt und dem bisherigen Beſitzer das auf fie gewens 
dete Bapital beim Berfaufe wieter erftattet. Allein es ift zu betenten, 
1) daß die Specnlationen der Papierhändler noch neben den in fefter 
Sand bei den Gapitaliften liegenden Staatspapieren eine Anzahl ber: 
felben im Umlaufe erhalten, die vielleicht fonft Fein einheimiſcher Staats: 
bürger befigen würde; 2) daß man mehr Gefchäfte macht, ale man 
wirklich durch Kauf und Verkauf vollzieben kann, $. 440 (e), und für 
diefen Mehrbetrag doc immer einiger Geldvorrath nöthig ifl; 3) daß 
überhaupt die an jenen Börfengeihäften Theilnehmenden zuſammen⸗ 

enommen eine Baarfumme in Bereitichaft halten müflen, die nicht in 
jedem Augenblide auf den Ankauf verwendet fein kann, alfo zum Theil 
unbefchäftiget liegt. 

(6) Der Beſitzer eines Papieres gewinnt, wenn baffelbe fleigt, ohne daß 
Jemand verlöre, aber der Berfäufer hat Schaden, wenn er das im Eurfe 
geftiegene Papier, welches er zu liefern bat, erſt einfaufen muß, wie 
dieß ehr oft vorfommt. 3. B. Iemand verfauft 1000 Stüd einer 
Art um den Curs von 95, der Tagescurs bei der Ablieferung if 96, 
fo muß er 96000 Thaler aufwenden und erhält nur 95000. — er 
die Papiere ſchon und hatte er ſie zu 93 erworben, ſo gewinnt er 2000, 
der Kaͤufer 1000 Thaler. 


Anhang 
zu 8. 154. 


Die Verſuche, die Wirkungen des Mitwerbens auf 
den Preis der Waaren mit Huͤlfe arithmetiſcher Formeln zu ver⸗ 
deutlichen, ſind bisher noch nicht gelungen. Leichter iſt dieſer 
Zweck auf einem anderen Wege, durch eine geometriſche Dar- 
ftellung zu erreichen. Man kann hiebei von dem Satze audgehen, 
daß, wenn der Begehr von dem Angebote, oder diefed von jenem 
übertroffen wird, ein Theil der Berfaufs oder Kaufluftigen ges 
nöthigt ift, zurüdzutreten, bi nur noch foviel Waaren angeboten 
al8 begehrt werden. Bon denen, die ein But z. B. um einen 


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Preis von 10 fl. faufen wollen, ift nur ein Theil geneigt, bie 
auf 18 fl., und noch ein Fleinerer Theil, bis 24 oder 30 fl. 
hinaufzugehen. Der Preis wird fich, wenn der jehige Begehr 
nicht dem Angebote gleich ift, defto mehr oder weniger verän- 
dern, je langfamer oder fchneller dad Gleichgewicht fich durch 
dad Zurüdziehen eined Theils der Mitwerber herftellt. Die 
Linie A B zeigt die verfchiedenen Preife eined gewiffen Gutes 
an. Die auf ihr fenfrechten Linien ab, a’l, a”m ıc. drüden 
- die bei einem gewiflen Stande des Preifes oder der Preisforde⸗ 
rung ftattfindende Größe ded Begehrd aus. Werbindet man die 
Endpuncte dieſer Linien durch eine Linie hbmg, fo fanı 
biefe die Begehrslinie heißen, denn fie ftellt dad allmälige 
Abnehmen ded Begehrs dar. Der PBunct, wo AB von ber 
Begehrölinie gefchnitten wird, zeigt denjenigen ‘Preid an, den 
der alfereifrigfte und begütertfie Käufer nosh zu geben entfchloffen 
if. Die Begehrölinie kann auch gefrümmt fein, wie fbonpi, 
und ed find mandherlei Curven hiebei denkbar. Nimmt man 
an, dad Angebot fei unveränderli, fo wird daffelbe durch die 
Linien ac, a”m, ap bargeftelt, und ecmpd ift alfo 
die Angebotslinie. Wenn bei höherem Preiſe das Angebot 
anwaͤchſt, jo kann feine jedesmalige Größe durch eine rechts ab- 
weichende Linie, wie 3. B. die Curve ecInk angedeutet wers 
ben. Es fei nun bei einem bisherigen Preiſe von 10 fl. ber 
Begehr ab, dad Angebot ac. Die Verkäufer machen fich dieß 
zu Nutzen, und verlangen mehr, worauf ein Theil der Käufer 
in dem Maaße vom Kaufe abfteht, wie ed die Annäherung von 
hg an AB zu erfennen giebt. If die Forderung bis 24 ge- 
fommen, wo die Begehrölinie mit der Angebotölinie in m zus 
fammentrifft, fo kann gerade ber noch übrige Begehr befrfedigt 
werden, und ed wird fich alfo der Preis ungefähr auf diefen 
Betrag ftellen, wobei dann zugleih dad Rechted Aa’ me bie 
ganze bezahlte Preismenge bezeichnet. Rähme der Begehr wegen 
bed hohen Werthed der Sache in einer langfameren Fortfchrei- 
tung ab, etwa nach Linie fbopi, fo würde der Preis bis 
zur Höhe des Schnittpuncted p, alfo bis auf 40fl. in die Höhe 
gehen. Wenn dagegen die Ausficht auf einen höheren Preis das 
Angebot vergrößerte, 3. B. nach der @urve elnk, fo fünnte 
die Steigerung bei der erften Begehrölinie nur. bis 1 oder auf 


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22 fl., bei der zweiten bis m oder auf 32fl. gehen. Wenn bie 
Begehrelinie eine gerade ift und der Winfel abg mit w be 
zeichnet wird, fo ift bei dem Begehr ab und dem Angebot ac 
bie Preiserhöhung cm = (ab—ac) tang. w. Diefelbe Jeich⸗ 
nung fann auch den Ball verfinnlichen, wenn das Angebot größer 
ift, ald der Begehr, alfo hg oder fi die Angebotslinie, ed ober 
ek die Begehrölinie anzeigt, nur daß dann bie Zahlen der Scala 
AB nicht die Steigerung, fondern die Erniedrigung bed Preiſes 
andeuten, und die Begehrslinie beim Herabgehen der Preisfor⸗ 
derung ſich ftärfer von AB entfernt, als bier eck. Für jebe 
Waare wird die Veränderung ber beiden Linien des Mitwerbens 
nach einem eigenen Geſetze, nach Linien verfchiedener Art, mit 
converen und concaven, mit wellenförmigen Kruͤmmungen ıc. 
erfolgen; es wird aber hieraus deutlich, daß man nicht von ber 
Größe des Angebotd und Begehrs fchlehthin, fondern nur unter 
der Boraudfegung eined gewiffen angebotenen oder geforderten 
Preifes, fprechen Fann.