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Lehrbuch
der
politiſchen Oekonomie
von
Dr. Karl Heinrich Nan,
großb. bad. geh. Ratb und Profeffor au Seitelberg. Gomthur des Fähringer Löwenordens
mit dem Stern, Mitter Des Preuß. rothen Adlerordens II. Gluffe, Ebrennuglied der Univerſitäten
Et. Beteröburg und Kaſan. der. Afademie der Wiſſenſchaften in Wicn, correivondirenten Mitglicde
des ?. Anitituts in Paris, der Akademicen Der Wiſſenſchaften in BRrüſſel und Meftb, ver ſtatiſti⸗
{den Commiſſion in Brüffel. der ſtatiſtiſchen Geſellſchaft in Barie. Mitglied Der k. Leopoldiniſch⸗
Garoliniihen Alademie der Naturforſcher und der landwirthichaftlichen Bereine in Baient,
Bürtemberg, Großh. Heilen, Florenz und Galizien ꝛc.
Erſter Band.
Voſkswirthſchaftsſehre.
Siebente Ausgabe.
Leipzig und Heidelberg.
C. F. Winter'ſche Verlagshandlung.
1863.
ler
er »-
ven Walcher.
Grundfäge
der
Volkswirthfchaftslehre
von
Dr. Karl Seinrich Nan,
großh. bad. geh. Rath und Brofefior zu Heidelberg, Comthur des Zähringer Löwenordens
mit dem Etern, Ritter ded Preuß. rothen Adlerordens II. Glaffe, Ehrenmitglieh der Univerfitäten
St. Petereburg und Kafan, der f. Alademie der Wiſſenſchaften in Wien, correfpondirendem Mitgliede
des ?. Inftituts in Paris, der Akademieen der Wiſſenſchaften in Brüffel und Peſth, der ftatiftis
fen Sommilfion in Brüffel, der ſtatiſtiſchen Geſellſchaft in Paris, Mitglied der t. Leopoldiniſch⸗
Garolinifhen Akademie der Raturforiher und der lantwirthichaftlihen Vereine in Baiern,
Bürtemberg, Großh. Hefien, Florenz und Balizien ꝛc.
3
Siebente Ausgabe.
Leipzig und Heidelberg.
E. F. Winter’fhe Verlagshandlung.
1863.
Lehrbuch
der
politiſchen Oekonomie
von
Dr. Karl Heinrich Nan,
eroßhb. bad. geh. Rath und PBrofeflor au Beitelberg. Comthur des Zähringer Löwenordens
mit dem Stern, Ritter des Preuß. rothen Adlerordens II. Claſſe, Ehrenmitglied der Univerſitäten
St. Berereburg und Kaſan, der k. Afademie der Wiſſenſchaften in Wien, curreinondirendem Mitgliede
des 8. Infrituts in Paris, der Afademicen der Wiſſenſchaften in Brüſſel und Veſth, ver ftatifti:
ſchen Commiſſion in Brüffel, der ſtatiſtiſchen Geſellſchaft in Paris, Mitglich der k. Leovoldiniſch⸗
Caroliniſchen Alademie der Raturforſcher und der landwirthichaftlichen Vereine in Baiern,
Bürtemberg, Großh. Heſſen, Florenz und Galizien ꝛe.
Erſter Band.
Voſkswirthſchaftsſehre.
Siebente Ausgabe.
Leipzig und Heidelberg.
C. F. Winter'ſche Verlagshandlung.
1863.
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nu
—8
—
Grundſätze
der
Volkswirthſchaftslehre
von
Dr. Karl Heinrich Nan,
großb. bad. geh. Rath und Profeſſor zu Heidelberg, Comthur des Zahringer Loöwenordens
mit dem Stern, Bitter des Preuß. roiben Adlerordend II. Glaffe, Ehrenmitglied ver Univerfitäten
Er. Reteröburg und Kafan, der f. Akademie der Wiſſenſchaften in Wien, correſpondirendem Mitglicde
des ?. Inftituts in Barie, der Alademieen ver Wiſſenſchaften in Aruffel und Peſth, der ſtatifti⸗
(hen Sommiffion tn Brüffel, der ſtatiſtiſchen Geſellſchaft in Paris, Mitglien der k. Leopoldiniſch⸗
Garoliniihen Alademie der Naturforider und der landwirthſchaftlichen Bereine in Baiern,
Bürtemberg, Großh. Heffen, Florenz und Balizien ac.
x
@iebente Ausgabe.
Leipzig und Heidelberg.
€. F. Winter’fhe Berlagshandlung.
1863.
Lehrbuch
der
politiſchen Dekonomie
Dr. Karl Heinrich Nau,
großb. bad. geb. Rath und Profeſſor au —— Comthur dead ZJäbringer Lowenordens
mit dem Stern, Bitter des Preuß. rothen Adlerordens II. Elaſſe, Ehrenmitglied Der Untverũtäten
Et. Vetereburg und Kaſan, dert. Afademie der Wiſſenſchaften in Wien, correinondirentem Bitgliede
des k. Inſtituts in PRaris. Der Akademieen der Wiſſenſchaften in Brüſſel und Veith, der ſtätiſti⸗
{den Commiſſion in Krüſſel, der ſtatiſtiſchen Geſellſchaft in Barıd, Mitglicd Der E. Leopoldiniſch⸗
Caroliniſchen Aladenie der Raturforſcher und der landwirtbichaftiihen Vereine in Baiern,
Würtemberg, Großh. Heften, Aloreng und Galizien zc.
Erfter Bant.
Volßswirtäfchaftslenre.
Siebente Ausgabe.
Leipzig und Heidelberg.
C. F. Winter'ſche Verlagshandlung.
1863.
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Grundfäge u Wa
der
Volkswirthſchaftslehre
von
Dr. Karl Heinrich Rau,
großh. bad. geh. Rath und Profeſſor zu Heidelberg, Comthur des HZähringer Loöwenordens
mit dem Stern, Ritter des Preuß. rothen Adlerordens II. Claſſe Ehrenmitglied der Univerfitäten
St. Fereraburg und Kaſan, der k. Alademieder Wiſſenſchaften in Bien, correfpondirendem Mitgliede
des ?. Infituts in Paris, der Alademieen der Wiffenihaften in Brüffel und Beth, der ftatiftis
fhen Sommiffion tm Brüffel, der fatiftiihen Geſellſchaft in Paris, Mitglied der f. Leopoldiniſch⸗
Garolinifchen Atademie der Raturforiher und der lanbwirtbichaftliden Bereine in Baiern,
Bürtemberg, Großh. Heſſen, Florenz und Galizien zc.
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@iebente Ausgabe,
Leipzig und Heidelberg.
C. F. Winter’fhe Verlagshandlung.
1863.
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Den Herren
Adolf Qnetelet,
Director der Sternwarte in Brüffel ꝛe.
und
Wilhelm Naſſau Senior,
vormaligem Mafter am Gerichtshofe der Ehancery in London
in Verehrung und Breundfchaft gewidmet.
Den Herren
Adolf Quetelet,
Director der Sternwarte in Brüffel ıc.
und
Wilhelm Naſſau Senior,
vormaligem Mafter am Gerichtshofe der Ehancery in London
in Berehrung und Breundfchaft gewidmet.
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Vorrede zur fünften Ausgabe.
Bei dieſer neuen Ausgabe des erſten Bandes habe ich zus
vörderft Einiges zu wiederholen, was in den Borreden zu den
früheren Ausgaben — der erften 1826, der zweiten 1833, ber
. dritten 1837, der vierten 1841 — über Beflimmung und Eins
richtung des Werkes bemerkt worden war. Ich Hatte bei der
Ausarbeitung deſſelben nicht blos das Beduͤrfniß ded afademi-
fchen Unterrichtd, fondern auch folche Leſer im Auge, welche fi
ohne Beihülfe eines Lehrers mit dem Gegenftande befannt zu
machen wünfchen. Beide Zwede laſſen ſich gewiß einigermaßen
durch ein und daſſelbe Werf erreichen, wenn es, ohne den Ume
fang eined gewöhnlichen Lehrbuches beträchtlich zu überfchreiten,
doch leicht verftändlic, und ausführlicdy genug ift, um den Leſer
über die Anfangdgründe hinaus, und in die ſchwierigeren Unters
fuhungen einzuführen. Die Hoffnung, daß ein gedrängter, bes
flimmter Ausdrud der Lehrfäge auch denfenden Gefchäftsmäns
nern zufagen werde, feheint nicht unbegründet gewefen zu fein,
obſchon die gebotene Kürze Feine folche Lebendigkeit und Manch⸗
faltigfeit der Darftelung zuließ, wie fie bei minder eng abge⸗
ſteckten Gränzen möglidy if. Die Erläuterungen (Noten) hinter
ben 88. boten ein gutes Mittel dar, viele ftatiftifche, geſchicht—
liche und gewerbliche Angaben, literarifche Hinweifungen, ver-
fhiedene Andeutungen und dergl. zufammenzudrängen. Hätten
diefe Zugaben in den Tert verwebt werben follen, um die Dar:
ſtellung gefälliger zu machen, fo wäre eine Menge von Verbin»
dungsfägen einzufchalten geiwefen und der Umfang bed Ganzen
— - m ——
viel aräßer geworden, und überbieß wäre dann ber Vortheil
verloren gegangen, daß man auch die 88. ohne die Noten lefen
füun, wenn man ten Gedanfengang überbliden will.
Die däufige Hinweifung auf andere Schriften ſchien mir aus
mebreren Gründen ratbfam. Bei einzelnen woiffenfchaftlichen
Saden bielt ich es für billig, diejenigen Gelehrten bemerflich zu
machen, von denen jene zuerſt ausgeſprochen oder weiter ents
wickelt, oder auch beftritten worden find, aud) mag ed bem
Anfinger zur Erleichterung dienen, zu erfahren, wo er ſich wei-
tere Belehrung verfchaffen könne. Kein Kenner des Faches wird
Übrigens von den vielen Eitaten auf den Wahn geleitet werden,
als könne durch ein bloßed Zufammentragen (Compilation),
ohne Durcharbeitung und neue Geftaltung des Stoffes, ein
brauchbared Lehrgebäude zu Stande gebracht werden, oder ale
hätte ich mich bei ftreitigen Meinungen durch die meiften und
gewichtigſten Autoritäten leiten laſſen. Viele ſolche Hinweis
fungen find fogar erft in den fpäteren Ausgaben hinzugefügt
worden. Widerlegungen Anderer wurden fparfam aufgenommen,
nur bei wichtigen Gegenftänden, oder wo es fonft in Kürze
gefcehehen Eonnte, denn eine weitläuftige Bolemif, die ohnehin oft
nur als ein für die Wiffenfchaft unfruchtbares Zwiegefpräd)
erfeheint, wäre bier nicht an ihrer Stelle gewefen. Wo That-
fachen angeführt werden, da ift ed zweckmäßig, die Quellen zu
nennen, damit der Leſer felbft prüfen könne, ob die Angaben
richtig mitgetheilt und benugt find. Mit dem Wort „vergl.“
habe ich anzeigen wollen, daß in einer .genannten Schrift nur
überhaupt etwas die Sache Betreffendes, nicht gerade eine Bes
ftätigung meiner Anſicht gefunden wird. Das Zeichen — brauchte
ſchon Bedmann, um anzudeuten, daß eine Stelle auch in
einem anderen Buche, ganz oder im Auszuge, anzutreffen ift.
Auch in der gegenwärtigen Ausgabe wird man, wie id)
hoffe, fowohl in der Form als in dem Inhalte viele Verbeſſe⸗
rungen finden. Die ftatiftifchen Angaben find vervollftändigt
und bis auf die legten Jahre nacdhgetragen, neue Erfahrungen
und Forſchungen find berüdfichtigt, es ift der Ausdruck an vielen
— 1x —
Stellen deutlicher gefaßt, und es ſind viele Saͤtze und ganze 88.
umgearbeitet oder neu hinzugefügt, dagegen iſt im Drucke auf
weitere Raumerfparniß Bedacht genommen worden. Zu den
Veränderungen in den vorgetragenen Lehren gehört die Unter⸗
ſcheidung des Gebrauchs⸗ und Verfehröwerthes, zu deren Aufs
nahme ich mich wegen meiner Abneigung gegen die Verviel⸗
fültigung der SKunftausdrüde lange nicht hatte entfchließen
fönnen.
Die franzöfifche Ueberſetzung des erften Bandes durch Prof.
de Kemmeter au Gent (Trait& d’&conomie nationale,
Bruxelles, Societe Belge de librairie.e. Haumann et Comp.,
ift 1839 erfchienen (auf dein Umfchlage fteht 1840). Die ſchwe⸗
diſche Ueberfegung deſſelben Banded mit einer Vorrede von Prof.
Bergfalf in Upfal habe ich noch nicht zu Geficht befominen.
In der neueſten Zeit find verfchiedene Angriffe gegen das
ganze bisherige Lehrgebäude der politischen Defonomie gerichtet
worden und man hat verfucht, dem Gründer deflelben, Adam
Smith, den Lorbeer wieder ftreitig zu machen, den ihm bie
dankbare Verehrung der Zeitgenoffen feit einem halben Sahrs
hundert zuerfannt hatte. Solche Meinungen, die von Vielen
mit Wärme nusgefprochen werden, verdienen in jedem Balle
forgfältige Beachtung, weil man vermuthen muß, daß fie mit
gleichzeitigen Erfcheinungen im Volks- und Staatöleben im
Zufammenhange ftehen und auf irgend ein Bebürfniß der Gegens
wart hindeuten.
Eine ganze Reihe von Schriftftellern, den achtungswürdigen
Sismondi an ber Spige, tadelt ed, daß bie ftaat8öfonomifche
Schule fich einer gewilfen Engherzigfeit hingebe, fidy nur mit
ber Erzeugung der materiellen Güter befchäftige und barüber
dad, was doch unendlich viel mehr gelten müffe, den Zuftand
der Menfchen, ganz aus dem Auge verliere. Es wird alfo ein
‚höherer Aufihwung der Wiffenfchaft gefordert, die Falte, berechs
nende Selbfifucht fol von ihrem Throne geftoßen, bagegen
ſollen die höheren Güter, die allein dem Leben Würde und Reiz
geben, in ihre Rechte wieder eingefegt werden. Wie fehr nun
— x —
auch die edle Geſinnung zu ehren iſt, aus der dieß Verlangen
nach einer gänzlichen Umgeftaltung ber öffentlichen Wirthichafts-
lehre herftammt, fo muß man fi) doch, wie mir fcheint, vor
einer Vermengung verfchiedenartiger Gebiete hüten. Die Volks⸗
wirthſchaftslehre hat die Aufgabe, zu fchildern, welche Wirkungen
bad Berhalten der Menfchen in Bezug auf Erwerb, Beſitz und
Gebrauch der Sachgüter im Großen, innerhalb eines ganzen
Volkes hervorbringt. ine Wiffenfchaft, weldye die volkswirth⸗
fchaftlichen Ereigniſſe und Berhältniffe zu ergründen fucht, ift
unentbehrlih. Sie Fann nicht umhin, bei ihren Schlußfolgen
die Beweggründe, nad) denen die Menfchen indgemein handeln,
voraudzufegen, fie muß alfo von ber Annahme audgehen, daß
Jeder im Verkehre feinen Eigenvortheil verfolge. Die Selbſt⸗
liebe wird hiedurch weder gepriefen nody ermuntert, fondern ale
eine fortdauernde Triebfraft anerkannt, ohne die wohl kein
einziges volkswirthſchaftliches Geſetz aufgeftellt werben fönnte.
Wenn man auch die Erhabenheit und Schönheit einer Gefin-
nung, die aus Liebe für Andere oder für dad Ganze zu jedem
Opfer bereit ift, vollfommen anerkennt, fo muß man doch zus
geftehen, daß fie in den wirthfchaftlichen Verhandlungen der Mens
fhen untereinander nicht zur herrfchenden Regel werben fann,
und daß, falls dieß dennoch gefchähe, die Lehre vom Preiſe,
vom Arbeitölohne und dergl. ausgeftrichen werben müßten.
Jene ebleren Antriebe follen, den Geboten des Chriſtenthums
und ber Sittenlehre zufolge, die Ausartungen, bie Uebertreibun«
gen und Mißbräuche entfernefi, welche bei dem rüdfichtslofen
Walten bed Erwerbseifers eintreten fönnen, nur kann man nicht
an bie Volkswirthſchaftslehre felbft die Anforderung ftellen, die
Richtigkeit und Geringfchägung der irdifchen Güter zu lehren,
fo wenig als man in ber Landwirthichaftslchre die Vorfchrift
erwarten wird, ben Dürftigen bie Stoppellefe und das Grafen
im Felde nicht zu wehren. Bei jeder Art der Thätigfeit müffen
die derfelben eigenthümlichen Grundfäge von den überall eins
greifenden allgemeinen fittlihen Gefegen unterfchieden werben. -
Mebrigend kann bie Volkswirthſchaftslehre, ohne ihre Gränzen
|
— XYI —
zu überſchreiten, auch bie höheren Beziehungen ihres Gegen⸗
ſtandes beleuchten, fie muß die Sachgüter ftetd nur als Mittel
für bie perfönlichen betrachten, und darf die nachtheiligen Wir-
fungen nicht überfehen, die aus dem ungemäßigten Verfolgen
ber wirthfchaftlichen Zwede für den Zuftand einzelner Bamilien,
Volksclaſſen und ganzer Völker entfichen fonnen. Von diefem
Gefihtspuncte aus verdienen bie übermäßige Zerftüdelung des
Bodend (wo fie ſich bei forgfältiger Prüfung der Verhältniſſe
wirklich vorfindet), dad Elend der Yabrifarbeiter, die Roth,
welche der Verfall eines blühend gewefenen Gewerbes nach fich
zieht, die Uebermacht des Luxus über die guten haudhälterifchen
Grundſaͤtze und dgl., gewiflenhaft erforfcht zu werden. Zwifchen
ber gänzlichen Nichtbeachtung diefer Uebelftände und der Dars
ftellung berfelben durch dad Vergrößerungsglad einer von Mens
fchenliebe erwärmten Phantafie ift der befonnene Mittelweg
unbefangener Forſchung einzufchlagen. Fand Smith nody Feine
Veranlaſſung, bei dieſen Gegenftänden zu verweilen, fo haben
manche Neuere die Dinge vielleicht etwas zu ſchwarz gefehen,
inbeß ift es verdienftlich, auf Lüden in dem bisherigen Gedanken⸗
gange aufmerffam zu machen, und das rechte Maaß wird ſich
fhon finden. Jedoch ift das ganze volföwirthichaftliche Syftem
darum noch nicht für fehlerhaft zu halten, weil etwa noch vers
fchiedene weitere Unterfuchungen in daſſelbe einzufchalten find.
Dies kann fi, in Gemäßheit fpäterer Erfahrungen und Er⸗
fcheinungen, noch öfter wiederholen, denn die Volkswirthſchafts⸗
lehre ift Fein gefchloffened Gebiet, fie kann vielmehr in die Tiefe
und im Umfange fortwachfen, wie dad Nahrungswefen ver Völker
bem Forfcher neue Verwidlungen und Erfolge zeigt.
Juni 1847.
Zur fechften Ausgabe,
Bon biefer neuen Bearbeitung ift das Nämliche zu fagen,
was bei der 5ten Ausgabe bemerkt worden war. Mehrere 88.
(45a, 7la, 2022, 277a—c, 800, 382a, 4052) find ganz neu
abgefaßt, wenige ohne irgend eine Veraͤnderung abgedrudt,
neue Schriften fowie neue Erfcheinungen in der Wirthfchaft ber
Bölfer berüdfichtigt, Häufig auch bie Ergebniffe eines fortgefebten
Nachdenkens eingefchaltet worden. Es moͤge mir geftattet fein,
hiebei den billigen Wunſch auszufprechen, daß biejenigen Schrift
fteller, welche eine ober bie andere Stelle beftreiten wollen,
immer zuvor bie neuefte Ausgabe nachſehen möchten.
Eine italienifche Weberfegung bes erften und dritten Bandes
unter bem Titel: Corso di economia politica von bem ſowohl
fprachs als fachkundigen Prof. Bonticini in Siena, mit einer
Borrede von Prof. Beni in Piſa, ift 1852 zu Genua erfchies
nen. Die Uebertragung des zweiten Bandes wurbe in Erwar-
tung der vierten Ausgabe der Urfchrift noch verfehoben. Ueber
bie ruffifche Ueberfegung bes erften Banbes ift mir nichts Näheres
befannt geworben.
17. Aug. 1855. °
— XII —
Zur fiebenten Ausgabe,
Im 3. 1860 war ein neuer Abdruck dieſes Bandes nöthig
geworden, den ich als einen unveränderten bezeichnete, weil ich
wegen ber neuen Bearbeitung ded 3. Bandes (Finanzwiſſen⸗
(haft) nur Drudfehler berichtigen und hie und ba kleine
Aenderungen oder Zufäge anbringen konnte. Faſt ebenfo ver-
halt es fich jest, denn die 5. Ausgabe der Volkswirthſchafts⸗
politif (2. Abtheilung des 2. Bandes) nahm meine freie Zeit
fo volftändig in Anſpruch, daß ich für den erften Band fehr
wenig thun konnte. Nur in 8.282, fodann in den 88.293 ff.,
die vom Papiergelde, und insbefondere von ben Banffcheinen
handeln, durften Veränderungen und Zufäge nicht unterbleiben,
um dieſe Säge mit den zum Theile gleichzeitig neu überarbeiteten
praftifchen Lehren in 8. 247 ff. de 2. Bandes (Abfap II,
Papiergeld) in Uebereinftimmung zu erhalten und wichtige
neuere Forſchungen zu berüdfichtigen. Bon biefer Stelle an
wurden auch im Reſte diefed Bandes hin und wieder Furze
BVerbeflerungen und Nachtraͤge während des Drudes eingefchaltet,
foweit es bei den Revifionsbogen ohne Störung für den Satz
gefchehen konnte. Der bei weitem größte Theil ift alfo uns
verändert abgebrudt worben.
Statt einer bei Gelegenheit ber fechften Ausgabe mits
getheilten Bemerfung über eine ferbifche Bearbeitung kann nun
eine volftändigere Nachricht gegeben werben. Der frühere
Profeffor, jebiger Binanzminifter Dr. Kofta Zuficz in Belgrad
hat einen Auszug aus meinem Lehrbuch in 3 Bänden heraus-
gegeben, wovon ber erfte (Narodna ekonomi, Volkswirthſchafts⸗
lehre) 1851, der zweite (Ekonomi polizia) 1862, ber britte
(Finanzia) 1853 in Belgrad erfchienen if. Der Haupttitel
heißt Drschabna ekonomi (AP5KABHA EKOHOMIM).
12. October 1868.
K. H. Nau.
Inhalt.
Einleitung.
I. Weſen und Theile der politiſchen Oekonomie, $. 1.
U. Aeußere Berhältnifle der politiichen Dekonomie, $. 21.
UI. Geſchichte der politiſchen Oekonomie, F. 28... . .
Volkswirthſchaftslehre.
Erftes Buch. Weſen des Volksvermoͤgens.
. Abſchnitt. Beſtandtheile des Volksvermögens, F. 46. .
⸗ Schägung des Volksvermoͤgens, $. 55. .
3. ⸗ Veränderungen im Volksvermögen, F. 68. .
4. ⸗ Zuſtaͤnde der Volkswirthſchaft, F. 73.
Zweites Buch. Entſtehung der Vermoͤgenstheile.
1. Abſchnitt. Bedingungen der Guͤtererzeugung im Allgemeinen.
82.
Naturfräfte als Güterquellen, S. 86.
Die Arbeit als Güterquelle.
I. Einleitung, 6. 92. 93. .
I. Zweige der Arbeit, $. 94..
UL Bedingungen einer großen herborbeingenden Wirkung
der Arbeit, $. 110. .
Fi ab chnitt. Grundftüde ale Güterquellen, g. 119.
⸗ Das Capital.
L Einleitung, 8. 121.
II. Beſtandtheile und Arten des "Eavitales, S. 123.
Ill. Entftehung des Gapitales, $. 133. . .
6. Abſchnitt. Zufammenwirfen der Güterquellen, $. 135.
Drittes Buch. Vertheilung ded Vermögen.
1. Abf chnitt. Die Vertheilung im Allgemeinen betrachtet, F. 140.
2. Preis beim Taufche.
1. AstHeiTung, Beftimmgründe des Preifes, $. 146.. .
2. Veränderungen der Preiſe und ? Bemeflung
berfelben, $. 168.
3. Abfchnitt. Zweige tes Einkommens.
1. Abtheilung. Der Arbeitslohn.
1. Hauptftüd. Betimmgründe des Lohnes im Allges
meinen, $. 187.
2. ⸗ Groͤße des Lohns in verfchiedenen Zeiten
und 2ändern, $. 199. . .
2. Abtheilung, Die Grundrente, $. 206.
Die Zinsrente, $. 222. . .
⸗ Der Gewerboverdienſt, 8. 237.
⸗ Das Volkseinkommen im Ganzen, $. 245.
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25
58
68
86
92
99
102
113
114
126
136
139
141
155
157
161
165
188
216
239
254
279
294
304
4. Abſchnitt. Umlauf der Güter.
1. Abtheilung. Allgemeine Betrachtung bes Süterumfaufe "
252. .
2. ⸗ Das Gelb, 8. 251.
3. Der Grebit.
l. ‚ Haupifüd Wirfung des Credits im Allgemeinen, 8.278.
Wirkung des Credits auf den n Seltumlauf,
&. 282
L. Sinterlegungsbanten, 8. 283... .
IL Anweifungen und Wechſel, 8. 286...
IrI. Abrechnen und Ueberweifen, 8. 292.
IV. Danthäufer, Leihbanfen, $. 2928. .
V. Papiergel.
A. Im Allgemeinen, 8. 293.
B. Banffcheine insbefondere, $. 304. .
Anhang. Grundzüge gut Deſchichte und ðe chreibung
der —E $. 310.
Viertes Buch. Verzehrung ber Bermögenötbeile.
1. Abſchnitt. DieBerzehrung im Allgemeinen betrachtet, 8.318.
2. ⸗ Verwaͤſtniß b der Verzehiung zu Gervorbringung,
6. 32
Fünftes Buch. Die Servrbengenbe Gewerbe
@inleitung, 8. 3
1. Abſchnitt. Berhältnife der Erdarbeit.
Abt theilung. Der Bergbau, 8. 350.
Milde Jagd und Biere, S. 356.
3 Die Landwirthicha
1. Hauptfiü. Die Landwirtäfchaft im Allgemeinen be:
tradhtet, 8. 358. .
2. ⸗ Einzelne Zweige der dandwirthſchaft
8. 379. Gartenkraͤuter, Rebbau
8. 381. Obflbau . .
8.382. Aderbau .
8. 3828. Grasland . . 22.
8. 383. Forſtwirthſchaft
2. Abſchnitt. DBerhältniffe der Gewerke, 8. 392.
⸗ Verhaͤltniſſe des bandels.
Einleitung, 8. 406. ..
1. Abteilung Der Großhandel.
I. Der Binnenhandel, 8. 409. .
U. Der Aus: und Einfuhrhanbel.
A. Allgemeine Betrachtung deflelben, 8. 412.
B. Berhältnig zwifchen ber Auer. —X sAl8,
II. Der Zwifchenhandel, 8. 432.. .
2. Abtheilung. Zu —X — 8. 435.
3. Der Hapiechandel, s 437.
Anhang zu $. 154. . .
—— — — — —
Volkswirthſchaftslehre.
Einleitung.
I Wefen und Theile der politifhen Oekonomie.
8. 1.
Viele Beſtandtheile der den Menſchen umgebenden Sinnen⸗
welt, d. i. koͤrperliche Sachen, dienen als Huͤlſomittel für menſch⸗
liche Zwecke und werden deshalb zu den Gütern gerechnet, d. h.
zu den Öegenftänden, auf die ſich das Begehrungsvermoͤgen des
Menjchen richtet, oder die den Abſichten deſſelben entfprechen,
Zur Unterfcheidung von andern Arten werden jene finnlichen
Güter mit dem Namen förperliche, materielle (a) oder
äußere (db), beiler aber fachliche oder Sachgüter (c) bes
zeichnet. Ihnen find zunächſt die perfönlichen Güter (d) ent
gegengefegt, welche in Zujtänden oder Eigenfchaften des Menfchen
bejtehen und theils ihrer felbft willen (als Zwede), theils ale
Meittel zur Erlangung anderer Güter begehrt und gejchägt wer⸗
den (e). Die Sacygüter find zum Theile für dad Leben oder das
Wohlbefinden der Menſchen jo nothwendig, daß fie nicht ohne
wejentlichen Nachtheil entbehrt werden koͤnnen und der Menſch
folglidy in einer gewiflen Abhängigfeit von ihrem Beſitze und Ges
brauche fteht (d. h. fie find ihm Bedürfniß), zum heile er-
weijen fie fid) wenigftend als nüglich oder angenehm und geben
auch Gelegenheit, fic) den Beiftand anderer Dienjchen zu verjchaffen.
(“) 3.2. beiv. Jakob, Nationalöfon. $. 31. — Lotz, Staatswirthichaftes
lehre, 1. 18. Diefe Bezeichnung it minder pafjeno, weil man eigentlich
den menſchlichen Körper auch zu den materiellen Gütern rechnen müßte.
der doch fein Sachgut ift.
(6) Stord (Handb. ver Nationalw. 1.50) nennt ausdrüdlich die koͤrper⸗
lihen Guter äußere. — Hermann (Staatswirthich. Unterſ. S. 1.) .
verfteht unter äußeren Gütern für jeden einzelnen Menſchen diejenigen,
welche er dur ten Beiſtand ter Außenwelt erhält, wohin alſo aud bie
inneren Guͤter anderer Menſchen gerechnet werben.
(2) Braudlidfeiten nah Zaharid, Bierzig Bücher, V, 1.
Rau, polit. Dekon. I. 7. Ausg. 1
— 2 —
(d) Hagen (Bon der Staatslehre, ©. 63), unterſcheidet 1) perſoͤnliche Guͤ⸗
ter, und zwar a) rein perſoͤnliche, b) wiſſenſchaſtliche, — 2) dingliche
Güter. — Bei Platon findet fih eine Unterfheidung göttlicher und
menschlicher (finnliher) Güter, zu denen Geſundheit, Schönheit, Stärfe
und Reichthum gezählt werben.
(e) 3. 3. Geſchicklichkeit in Gewerbsgeſchäften. — Eine dritte Art von
Gütern, weldhe man gefellihaftliche nennen fann, beruht in tem
Berhältnig des eingelmen Menſchen gu anderen, deren Gefinnung oder
Handlungen ihm Vortheil bringen, 3. B. Ruhm, Credit. Hermann
a. a. D. nennt fie Lebensverhaltnifle.
$. 2.
Um Sachguͤter beliebig als Mittel zu gebrauchen, muß man
fi) diefelben zu ausfchließlicher Verfügung angeeignet haben.
Die Menge von Sachjgütern, welche fi in einem gewiſſen Zeits
punete in der Gewalt (a) einer Perſon befinden, bildet das Ver⸗
mögen berfelben (6). Die Sorge für dad Vermögen, nämlich
die Erwerbung, Erhaltung und Anwendung bdeffelben, erfcheint
als eine det allgemeinften und wichtigften menfchlichen Angelegen-
heiten, weil in ihm die Mittel zur Erhaltung des Lebens und
zur Beförderung vieler Zwecke enthalten find. Die fänmtlichen
Verrihtungen, welche zur Verforgung einer gewiſſen Perfon mit
Sadhgütern beftimmt find und fich folglich auf die Erlangung
und Benugung des Bermögend derfelben beziehen, faßt man
unter dem Namen Wirthſchaft zufammen (c), jede einzelne
auf diefen Zweck gerichtete Thätigkeit ift eine wirthfchaft-
liche, öfonomifhe. Die wirthfchaftlichen Thätigfeiten bil⸗
ben ein eigenthümliches Gebiet des menfchlichen Wirfend, welches
fih die Aneignung und Bezwingung ber Außen Natur zum
Ziele ſetzt und mit den Fortſchritten der Naturfenntniß immer
größeren Erfolg erringt (d). Der georbnete Inbegriff aller bie-
fen Gegenftand betreffenden Wahrheiten ift die Wirthſchafts—
lehre, Defonomie (e).
(a) Urfprünglih konnte der Menſch nur das zu feinem Vermoͤgen zählen,
worüber er die phyfiſche Gewalt beſaß; im Staate aber, bei einer wohl«
geordneten Rechtsordnung, genügt die rechtliche Gewalt ohne Beſitz;
aber nur die einer Perfon eigenthumlich zuftehende, nicht fchon die übers
tragene Gewalt, 3. B. eines Berwaltere, begründet den Begriff des
Dermögen®.
(5) Sn einem fubjectiven Sinne verſteht man auch unter dem Vermoͤ⸗
gen die Gewalt über Sachgüter felbft, wenn 3. B. diefelbe dem Befige
perfönliher Güter, wie Schönheit, Bildung, ober der Ehre entgegen
geſetzt wird, vgl. 5.49. Würden Begriff von Vermögen fehlt in den
meiſten Sprachen em guter Ausdrud. Die Franzofen müflen fich dazu
— 3 —
des Wortes Reichthum, richesse, bedienen, welches aber eigentlich
ein großes Maaß von Vermoͤgen bedeutet, ſowie das engliſche wealth.
Auch für Sachgut haben fie feine ganz paſſende Bezeihnung, weßhalb
fie une richesse oder une valeur fagen; englifch commodity. Bei den
Griechen finden fih ſchon ſehr beftimmte Namen; Sadhgut ift æriuc,
ein zum Leben dienlihes Werkzeug (Ariftoteles, Politif, I, 3),
Bermögen xrrjoss.
(e) Diefes Wort wird in verfchiedenen Beteutungen gebrauht. Außer der
oben angegebenen engeren giebt e8 noch eine weitere mehr objective,
nad welcher nicht blos alle Berrihtungen, fondern aud alle vorhane
denen Mittel, nämlich Bermögenstheile und Einrichtungen, 3. B. Ge:
bäude, Geräthichaften, welche dazu dienen, die Zwecke eines gewiflen
Subjects mit Hülfe von Sachgütern zu erreichen, aur Wirtbichaft des⸗
felben gerechnet werden, wie man 3. B. von der Wirthichaft und dem
Defonomen (Verwalter) einer Stiftung, eines Zuchthauſes, eines Ber:
eins für wiffenichaftliche oder kuͤnſtleriſche Zwede u. dgl. ſpricht. Gin
weſentlicher Beſtandtheil ift die Beforgung des Gebrauchs der Sachqzuͤ⸗
ter für die in einer Familie beifammenlebenden Menſchen, die Haus:
wirthihaft. — In einer dritten Bedeutung wendet man den Aus⸗
drud Wirthſchaft vorzugsweife auf die Gewinnung organifcher Natur:
erzeugnifle an, Landwirthichaft, Fort: W und manche einzelne Zweige
beider, Felder-W., Koppel-W., Plenter-W. u. f. f.
(d) Die menihliche Thätigfeit wird auch noch aus einem anderen Grunde
gegen tie Natur gerichtet, nämlih um ihren fehädlichen Einflüffen auf
unferen Körper zu widerſtehen. Rau, Ueber die Kameralwifi. S. 16.
(Heidelb. 1825).
(e) Nach dem Griechiſchen Sollte man eigentlich nur die Wirthſchaft Defos
nomie, die Wirthfchaftslehre aber Delonomif nennen, auch wird
neuerlih von Uhde (1849) und Roſcher (1854) das Wort Natio-
nal-Defonomif gebraudt.
$. 3.
Betrachtet man den Zweck der Wirthfchaft und die auf feine
Erreichung gerichtete Thätigfeit in Bezug auf die Art des Zus
fammenleben® der Menfchen, jo muß man unterfcheiden
1) die abgefondert neben einander ftehenden einzelnen Men⸗
fhen, Bamilien und anderen größeren oder Fleineren Bereine,
in denen wirtbichaftlicye Gemeinfchaft unter einem einheitlichen
Witten befteht. Die Regeln, nad) welchen in folchen Kreifen
des Privatlebend die Befriedigung der Bebürfnifle durch Erwerb,
Erhaltung und Anwendung fachlicher Güter am vortheilhafteften
vorgenommen wird, bilden den Inhalt der bürgerlihen
Wirthſchaftslehre oder PBrivatöfonomie, einer fehr
ausgedehnten Wiflenfchaft, deren Theile gewoͤhnlich abgefondert,
ohne Beachtung ihres Zufammengehörens behandelt werden;
2) die Verbindung der in einem Lande beifammenwohnenden
Menſchen zu einem Staate. In diefem muß fid) die näms
liche Abhängigkeit von fachlichen Gütern zeigen, wie bei ben
1*
Einzelnen, dad Wohl des Staates ift ebenfalld von dem Bes
fine eined die Befriedigung der Bebürfniffe fichernden Vermoö⸗
gend bedingt, und bie den Sachgütern gewidmete Tchätigkeit
muß daher eine von ben verfchiedenen Seiten des Staatslebens
ausmachen. Die Wiffenfhaft von den wirthichaftliden Ans
gelegenheiten des Staats oder von der Berforgung deſſelben
vermittelt fachlicher Güter ift die politifche Defonomie,
öffentlihe Wirthſchaftslehre, Staatswirthſchafts—
lehre im weiteren Wortverſtande, franzoͤſiſch &conomie poli-
tique, engliſch political economy (a).
(a) Whately Hat den Namen Katallaftil (von xarallayn, Tauſch)
vorgefchlagen Beſſer noch wäre der bei Ariftoteles vorfommente
Ausdruck Chrematiftif, übrigens fpricht ſchon bdiefer Philofoph von
einer olxoroula Idiwrixn (Privatwirthichaft), modızıxny, garganınn und
Baodırn ( Stadt⸗, —* und Reichsewirthſchaft).
8. 4.
Um die Aufgaben, welche die politiſche Oekonomie zu löfen
hat, deutlich zu erfennen, muß man die Zufammenfegung des
Staates betrachten. Diefer befteht nämlidy
1) aus einer Anzahl beifammenlebender Dienfchen, welche,
als Genoſſen der Staatöverbindung und in dieſer Eigenfchaft
gewiffe Rechte genießend, Staatsbürger heißen; ihre Ge⸗
fammtheit, als eine PVielheit gedacht, ift das Volk, die Nas
tion im flaatöwiflenfchaftlichen Sinne des Worted (a) oder bie
bürgerliche Geſellſchaft; |
2) aus einer höheren Gewalt, weldye zur Beförderung ders
jenigen Zwecke, die in der Beflimmung des Staates liegen, mit
einem einheitlichen Willen und einer entiprechenden Macht auss
gerüftet ift, weshalb fie Gefege giebt und biefelben aufrecht ers
hält. Das mit ihr bekleidete Subject ift da8 Staatsober-
haupt. Die höhere Gewalt als ſolche, ohne Rüdficht auf die
Beichaffenheit des Oberhauptes, blos in Bezug auf ihre Be
fiimmung gedacht, wird Regierung (d) genannt, mit welchem
Austrude man zugleidy die Ihätigfeit des Oberhauptes und
feiner oberſten Beamten zur Leitung der öffentlichen Angelegen⸗
heiten bezeichnet.
(c) Wo nod fein Staat beftünde, da gäbe es fein Volk in diefem Sinne,
fondern nur im Hiftorifchsgenealogifchen, in Beziehung auf Abflammung
— 5 —
und Abſonderung, wobei aber keine Degrängung eines wirthichaftlichen
Sanzen flattfände. Vgl. Dahlmann, Politik, I, 2.
(5) Neuerli Öfter Staatsregierung, zur Unterfcheidung von den Mes
gierungsceollegien einzelner Landestheile.
6. 5.
Da fowohl die Regierung im Staate ald das Volf Bes
bürfnifje fachlicher Güter empfindet und wirtbichaftliche Zwecke
verfolgt, fo muß ſich die politifche Defonomie aud) mit den Wirth»
fchaftsangelegenheiten beider befchäftigen, die aber weſentlich von
einander unterfchieden find. Während die Regierung zur Bes
förderung der Staatszwede eine Einzelwirtäfchaft führt, werden
dagegen die Bebdürfniffe des Volkes zunächft durdy die wirth-
fchaftlihe Bemühung aller Mitglieder defielben, alfo durch die
von einander unabhängigen Wirthichaften der einzelnen Bamilien
" und Bereine befriedigt. Der Inbegriff diefer wirthichaftlichen
Thätigfeiten aller einem Staate angehörenden ‘Berfonen wird
Volkswirthſchaft genannt (a). Diefe ift feine einfache, von
einem einzelnen Willen gelenfte Wirthfchaft, fondern eine BViels
heit felbftftändiger Wirthfchaften, die aber im Begriff ale ein
höheres Ganzes zufammengefaßt werden Fönnen.
(a) Diefer Ausdrud fommt zuerft vor bei Hufeland, Neue Grundleg. der
Staatsw. I, 14. — Der von Riedel (NRationalöfon. I, $. 7—10.)
aufgeftellte Begriff der Volfswirthichaft weicht darin ab, daß er 1) nur
diejenigen wirthichaftlichen Privatthätigfeiten aufnimmt, welche zugleich
der Sefammtheit nüglih find, und 2) dagegen auch die mitwirfenden
Regierungsthätigfeiten mitbegreift. .
$. 6.
Jeder Wirthfchaft muß ein zu verwaltendeds Vermögen ents
fprechen. Wie nun der Gegenftand der bürgerlichen Wirthfchaft
dad Bermögen einzelner PBerfonen, jo ift der Gegenfland ber
Volfdwirthfchaft dad Volks⸗- oder Nationalvermögen,
d. 5. der Inbegriff aller im Vermögen der Staatsbürger befinds
lichen fachlichen Güter (a). Privat» und Volfövermögen find
daher nicht einander entgegengefegt, fondern das zweite ift die
Gefammtheit ded erften innerhalb eined Staated. Dem Bolfs-
vermögen ftehen diejenigen Güter gegenüber, weldye dem Staate
im Ganzen angehören, da8 Staatdvermögen.
(a) Das Boltsvermögen befleht demnach nicht blos aus folden Gütern,
deren Cigenthum und Gebrauch allen Staatsbürgern gemein find, wie
etwa die res publicae der Mömer.
8. 7.
Wo die Volfdwirthfchaft einige Ausbildung erlangt hat, da
ftehen die in ihr enthaltenen ‘Brivatwirthfchaften nicht vereinzelt
nebeneinander, fondern bilden ein Ganzes, welches aus vielen
in einander greifenden Thätigfeiten zufammengefeßt ift und
welches man mit einem Organismus vergleihen fünnte (a).
Diefer Zufammenhang ber Volkswirthſchaft ift auf folgende Weife
zu erklären:
1) Der Zwed, nad) den die Menfchen in wirthfchaftlichen
Angelegenheiten zu handeln pflegen, ift die Erlangung des größ-
ten Bortheild durch Sachgüter mit der geringften Beſchwerde
und dem geringften Aufwande von Vermögenstheilen (5).
2) Die Erfahrung lehrt bald, daß hiebei ein größerer Erfolg
erreicht wird, wenn die Menfchen ſich in die wirthfchaftlichen
Verrihtungen theilen und die Brüchte derfelben unter einander
austaufchen. Jeder leiftet folglid den Andern einen auf den
Genuß fachlicher Güter ſich beziehenden Vortheil, und empfängt
von ihnen Ähnliche Gegenteiftungen.
(a) Rau, Anfihten der Bolfsw. ©. 22. — Rofcher, Grundlagen der
Nat.: Def. S. 18. — Bei dieler Betrachtung wird das Dafein und bie
Nothwendigfeit des Privateigenthums vorausgefept.
(6) Dieß ift nicht allein eine allgemeine Thatfache, fondern der genannte
Zweck findet fib aud mit Rothwendigfeit in der Stellung des menſch⸗
lihen Gefchledts gegen die Einnenwelt begründet. „Die Begierde
nach Bermögenserwerb (ricchezza) ift in uns eben fo natürlich als die
Liebe zum Leben ſelbſt. Denn die Natur bat die unvernünftigen Thiere
mit allem dem verforgt, was zu ihrem Leben erforterlid ift, aber dem
Menihen, den fie arın, nadt und vielen Bedürfniffen unterworfen
Ihuf, pflanzte fie jene Begierde nach Sachgütern ein und verlich ihm
Scharffinn und Kunftgeſchick, diefelben zu erlangen.” Paolo Pa-
ruta (venezianifcher Politifer, + 1599.) Della perfettione della vita
politica, S. 259. Nehnlich J. St. Mill, Essays, ©. 144. Der öfter
ausgeiprochene Borwurf, daB die Bolfswirthichaftslcehre nach obiger
Darftellung auf Gigennup oder Selbſtſucht (Egoismus) gegrüns
det werde, entipringt aus einer Verwechslung der fittlih nicht allein
zuläfligen, fondern felbit gebotenen wirthfchaftlichen Beftrebungen mit
der einfeitigen Verfolgung berfelben über ihre vernunftmäßigen Graͤn⸗
zen hinaus. Die Ausartung des Grwerbseifers durch Selbftiucht liegt
nicht gerade in dem Maaße der angewenteten Rraft, fondern in ber
Richtbeahtung der Schranken, welche Menfchen- und Baterlandeliebe,
Mäßigfeit und verfchietene andere Pflichten dem Verlangen nad Bes
fig und Genuß der Sadhgüter in den Weg ftellen. Schon in dem
Yamilienleben treibt die Liebe zu den Angehörigen den Einzelnen an,
ſich Drandes zu verfagen. — Abweichend 3. B. Knies, Polit. Deko:
nomie ©. 151.
— 7 —
8. 8.
3) Durch diefe Einrichtung geräth Jeder in eine Abhängig-
feit von Anderen, die ihn an das gefellige Leben feilelt und ihm
bie durch fachliche Güter bedingte Erreihung feiner Abfichten um
Vieles erleichtert. Diefed Band, welches bie menfchlide Ges
fellichaft zufammen zu halten beiträgt, ift darum fo feft, weil
ed von Antrieben audgeht, die mit der Perfönlichkeit zufammen-
hängen und fi, unfehlbar auf die Dauer geltend madıen.
4) Da man für Arbeiten, welche Anderen feine Bortheile
gewähren, auch von ihnen feine Vergütung erhält, und Jeder
darauf bedacht fein muß, ſich mit dem zu befchäftigen, welches
die reichlichfte und ficherfie Belohnung findet, fo gefchieht es
von felbft, Laß die Einzelnen, wenn ſie auch nur ihren eigenen
Vortheil im Auge haben, doch zu einem gemeinnütigen Erfolge
zufammenwirfen und daß hiedurch die Bedürfniſſe des Volkes
ihre Befriedigung finden.
5) Wenn eine Verrichtung oder eine andere Leiftung von
Mehreren nebeneinander vorgenommen wird, fo bringt das Stres
ben nach Gewinn einen Wetteifer unter ihnen hervor, ber für
die Gefammtheit höchft nuͤtzlich wird (a).
6) Der dem Einzelnen zufallende wirthfchaftliche Vortheil
fteigt und fällt daher meiften® zugleich mit der Größe feiner
Zeiftung für Andere.
7) Ein Verhaͤltniß zwifchen Menſchen, die zu gegenfeitigen
Leiftungen (fortdauernd oder vorübergehend) ihres Vortheils
willen übereingefommen find, wird Verkehr genannt. Ders
jenige Verfehr, in weldyem Sachguͤter vorkommen, 3.8. Tauſch,
Leihen, Dingen von Arbeitern ꝛc., ift da8 Verbindungsmittel,
wodurd die Volföwirthfchaft zu einem zuſammenhängenden Gan⸗
zen wird (5).
8) Die Gemeinſchaft beſonderer wirthſchaftlicher Zwecke ver⸗
anlaßt Annäherungen und Verbindungen Einzelner, die eine
übereinftimmende Handlungsweife annehmen und einander unters
- lügen. Diefe auf einem wirthfchaftlihen Grunde ruhenden
Gruppen (Genoflenfchaften) bilden einen Theil derjenigen Ber-
bindungen, deren Gefammtheit man Gefellfchaft zu nennen
angefangen hat, und gehören, foweit fie in die Gränzen eines
Staats fallen, der Volkswirthſchaft an (c).
_— 8 —
(a) Dieß ift der ſchon von dem alten griehifihen Dichter Hefiodos ges
f&hilderte wohlthätige Streit (Wettftreit) unter den. Menſchen, ayadı
foıs. ©. deflen Werke und Tage, V. 10 ff.'
(3) Bol. %op, Handb. I, 296°9.
() Stein, Geſchichte der focialen Bewegung in Frankreich I, XXXIX. —
v. Mohl in Staatswifl. Zeitſchr. 1851. ©. 49.
$. 9.
Die Wiflenfchaft, welche die Natur der Volkswirthſchaft ents
widelt, oder welche zeigt, wie ein Volk durch die wirtbfchaftlichen
Beftrebungen feiner Mitglieder fortwährend mit Sachgütern vers
forgt wird, ift die Volkswirthſchafslehre oder Natio—
nalöfonomie (a) und bildet den erften, theoretifhhen
Haupttheil der politifhen Dekonomie. Sie fol lehren:
1) wie in einem ganzen Bolfe die DVermögenstheile zu
Stande gebracht und herbeigefchafft werden.
2) wie biefelben von den Erzeugern in andere Hände
übergehen und ſich unter die verfchiedenen Stände und Mits
glieder der Gefellfchaft vertheilen,
3) wie fie für menſchliche Zwecke angewendet und dabei
früher over fpäter aufgebraucht (verzehrt) werden.
Diefe Wirkungen bilden fi von felbft, indem die Einzelnen
ihre wirthfchaftlichen Zwede (8. 7. Nr. 1.) verfolgen, fie werben
nicht erft durch die Beförderungdmaaßregeln von Seite der Staats⸗
gewalt hervorgerufen und fie entftanden, wenn auch in unvoll-
fommenem Maaße, lange vor aller Einmifchung der Regierung.
Die Volkswirthſchaftslehre hat daher die Wirthichaftöverhäft-
niffe der Völker, ganz abgefehen von den darauf einwirkenden
Gefepen und Einrichtungen des Staates, nad ihrem inneren
Weſen darzuftellen (b).
(a) Andere Namen: Theorie des Volksvermögens, Theorie des National
reichthums, Metaphyſfik der Betriebfamfeit, Guͤterlehre, Bolfsgüter«
Ihre (Schmitthenner x. Bgl. Steinlein, Volkswirthſchafts⸗
Iehre, I, XV.
(5) Ungefähr wie in der Medichn, der Anatomie und Phyfiologie feine
Regeln der Therapie und Chirurgie eingemengt werben dürfen. Indeß
darf jener Eag nicht fo verftanden werden , als folle das Wirthichafte:
weien von Menfchen außerhalb des Staates dargeftellt werden, und
als komme es ber Bolfswirthfchaftsichre nicht zu, darüber zu urtheilen,
ob gewifle volfswirthfchaftliche Erſcheinungen in Beziehung auf bie
Staatszwede günftig oder unguͤnſtig feien.
— 9 —
8. 10.
Die Erſcheinungen in der Volkswirthſchaft, wie verſchieden
und wechſelnd ſie auch ſein moͤgen, laſſen ſich doch auf gewiſſe
Urſachen zurückfuͤhren. Hierdurch ergeben ſich Geſetze, welche
ausſprechen, daß eine gewiſſe Urſache eine beſtimmte Wirkung
hervorbringen müſſe oder hervorzubringen ſtrebe (a). Dieſe ein⸗
fachen Geſetze können, wie die der Naturwiſſenſchaft, durch
einen Ausdruck in mathematiſcher Form verdeutlicht werden (5).
Sehr oft aber treffen mehrere Urſachen, es ſei nun ſich wider—⸗
firebend oder unterftügend, zufammen, weßhalb dann die Wirs
fung feiner einzelnen rein und vollftändig erfcheint; entweder
wird die fchwächere Urfache von der ftärferen überwältigt, fo
daß jene nur ein erfolglofed Beftreben wahrnehmen läßt, ober
es entfteht eine Wirfung zufammengefepter Art, in der man den
Einfluß mehrerer fich befchränfender Kräfte erkennt. Daher gilt
jedes volfdwirthfchaftliche Geſetz nur unter der Vorausſetzung,
daß feine Störung durch andere Urfachen eintrete (c), und zeigt
ſich in der Wirflichkeit nur als eine Regel, welche Ausnahmen
zuläßt (d). Je mehr Fälle gleicher Art beobachtet werden, deſto
mehr fommt die Herrichaft ded auf jene ſich beziehenden Geſetzes
zum Borjchein, wie dieß 3. B. auch bei den nur im Großen
zutreffenden Gefegen für die Geburts- und Sterbfälle der Diens
ſchen flattfindet. Es giebt Bälle, wo fih Faum im Voraus
erfennen läßt, was geichehen, d. h. welches Geſetz eintreten
werde, weil ed auf Antriebe und Neigungen der Menſchen ans
fommt, deren Stärfe äußerlich nicht erfennbar ift.
(a) 3. 8. daß die weite Berfendung einer Waare, befonders zu Lande, bie
Koften erhöht, — daß die Capitale fih der einträglichften Anlegung
zuwenden, — baß eine reiche Ernte den Preis der Früchte erniedrigt.
(5) Der Gebrauch algebraiicher Formeln ift von Canard angefangen, von
Lang, Krönde, Er. Buquoy u. A. nadhgeahmt, von Say u. N.
getadelt worden. Manche Lehrfäge, die fih auf zählbare Dinge be:
ziehen, Fönnen vermittelt einfacher Formeln anfchaulicher und kürzer
ausgedrücdt werden, als in der Schriftiprache, während für diefen Be:
Huf fehr zufammengefegte Formeln minder nüglih find, weil es bei
ihnen ſchwer wird, die Bedeutung aller Buchſtaben im Gedaͤchtniſſe zu
behalten. Indeß geben mande Begenflände der volitifchen Defonomie
auch zu mathematifchen Unterfuhungen Anlaß, die fi ohne arithme⸗
tifche Zeichen nicht wohl‘ mittheilen laſſen, 3. B. bei X. Cournot,
f. $. 45 (q. — Auch Scialoja (Prineipj S. 357) erwartet noch
großen Nuten aus einer mathematifchen Behandlung volkswirthfchafts
liher Gegenſtaͤnde.
—— 10 —
(e) Mit diefer Darftelung übereinftimmend J. St. Mill, Essays on some
unsettled questions of polit. eo. 1844. ©. 144. — Gegrüntete Er:
innerungen gegen das zu weit getriebene Beflteben, die volfswirthichaft:
lien Lehren zu vereinfachen, woraus nothwendig Einfeitigfeit, Ent:
fernung von den Ergebniſſen reifer Erfahrung und die Gefahr, zu un:
praftiihen Regeln verleitet zu werden, entfpringen, bei Malthus,
Prineiples of polit. econ., introduct. ©.
(a) 3. B. in dem zweiten und dritten der Sen (a) angegebenen Belege:
. die Ergreifung des einträglichiten Gewerbes kann durch äußere Um:
fände, — das Sinken der Fruchtpreife von Speculationgfäufen, Krieges
gefahr ıc. verhindert werden.
su.
Es entfteht hiebei die Frage, wie ſolche voltswirthſchaftliche
Geſetze möglich ſeien, während doch von den verſchiedenen Vors
ftellungen, Neigungen und Abfichten der in ihrem Willen freien
Menfchen, von den verfchiedenen Belchaffenheiten der Länder
und den wechfelnden Naturereignifien die größte Manchfaltig-
feit in den volfdwirthichaftlichen Erfcheinungen einzelner Länder
und Zeiten bewirkt wird. Bei näherer Betrachtung läßt ſich
das Walten allgemeiner Urfachen erfennen, weldye in der Hand»
lungsweife der Menfchen eine gewiffe Gleichförmigfeit hervors
bringen. Sie beruhen:
1) auf den: Geſetzen der Körperwelt, nad) denen die vers
ſchiedenen Arten fachlicher Güter entftehen, fic) verändern und
zerflört werden. Die auf foldye Zwede gerichteten menfchlichen
Thätigfeiten müflen ſich auf diefe Raturgefege ftügen und daher
fo lange in gleicher Weife ausgeübt werden, als nicht Forts
fhritte in der Naturfenntniß oder in der Anwendung derfelben
gemacht werden (a);
2) auf dem unwanbelbaren Berhältniffe des Menfchen zu
den fachlichen Gütern, ald den unentbehrlicyen Hülfsmitteln zur
Erreichung feiner meiften Zwede. Daher ift die Erlangung,
Erhaltung und Benugung fachlicher Güter Gegenftand eines
gleichmäßigen allgemeinen Beftrebend ($. 7. Nr. 1.) und bie
aus diefem Zwed der ganzen Wirthfchaft fließenden wirthfchafts
lihen Regeln (5) machen ſich nothiwendig im Großen geltend (c),
obfhon im Einzelnen die Bebürfniffe und ihre Befriedigungs-
mittel ſich verfchiedentlich geftalten und auch andere, nament-
ih höhere, überfinnliche Beweggründe vielfältig ihren Einfluß
behaupten (d).
— 1 —
(0) 8. B. das Aufwachſen nutzbarer Pflanzen mit Hülfe des Nahrungs⸗
ſtoffes im Boden und in ber Atmoſphaͤre, die Entflehung von Milch,
Fleifch und Fett aus der Nahrung der Hausthiere, der Bedarf an Brenn:
floffen zum Schmelzen des Glaſes und Eifens ıc.
(65) 3. 3. der Lohnarbeiter verlangt einen Lohn, der feinen Unterhaltsbe-
darf bedt, der Gewerbemann will feine Unternehmung mit Verluſt bes
treiben, der Verkäufer fucht den beften Erlös sc.
(c) Es erhellt hieraus, daß die Gelege der Volfswirthfchaft mit der Wil:
lensfreiheit der Menfchen wohl vereinbar find und darum, weil man fie
natürliche nennt, feineswegs blos auf die Nothwendigkeit der willen:
lofen Natur bezogen werden dürfen.
(A) Die wirthſchaftlichen Beftrebungen der Menſchen äußern fih zwar in
verfchiedenen Ländern und Zeiten auf ungleihe Weife, die Grundver⸗
bältniffe bleiben jedoch die nämlichen und es giebt deshalb Geſetze, die
von dem Wechſel jener Umſtaͤnde unabhängig find.
$. 12.
Die volfewirthfchaftlichen Lehrfäge müflen immer aus ber
Erfahrung abgeleitet werden. Dieß kann auf einem doppelten
Wege gefchehen:
1) indem man von den ſich gleid) bleibenden Neigungen und
Abfichten der Menfchen im Allgemeinen ($: 11.) ausgeht, und
unterfucht, welche Handlungsweife und welche Folgen unter ges
wiffen Umftänden hieraus zu erwarten find;
2) indem man ſich an befondere hiftorifche und ftatiftifche
Thatfachen hält, ihre Urfachen erforfcht und hieraus allgemeine
Sefege zu bilden fucht (Induction). Viele Sätze find auf
diefem Wege zuerft aufgefunden worden. Man muß inbeß bei
der Benugung beffelben fehr vorfichtig zu Werke gehen, um nicht
voreilig auf falfche Folgerungen zu gerathen (a). Weil nämlid)
in jedem gegebenen Balle eine eigenthümliche Verknüpfung mand)-
faltiger Umftände obwaltet, fo kann man mit Sicherheit aus
einer einzelnen Thatſache noch feine Regel bilden, fondern nur
aus mehreren mit einander übereinftimmenden Erfahrungen
gleicher Art, wenn zugleich die Richtigfeit der Thatunftände
außer Zweifel gefegt ift und biefelben fo vollftändig befannt
find, daß man den Einfluß der verfchiedenen gleichzeitig einwirs
fenden Urfachen zu unterfcheiden vermag. Was auf diefe Weife
bei forgfältiger Unterfuchung ald Geſetz erfcheint, muß dann erſt
mit jenen allgemeinen Erfahrungsfägen (1) vergfihen und nad)
ihnen geprüft werben.
(a) Die politifche Oekonomie bietet viele Beifpiele ſolcher einfeitiger Folge:
rungen, indem man fi, um gewiſſe Erfcheinungen zu erklären, nur on
— 10 —
(e) Mit dieſer Darſtellung uͤbereinſtimmend J. St. Mill, Essays on some
unsettled questions of polit. eo. 1844. S. 144. — Gegründete Er:
innerungen gegen das zu weit getriebene Beftreben, die volfswirthichaft:
lichen Lehren zu vereinfachen, woraus nothwendig @infeitigfeit, Ent:
fernung von den Grgebuiflen reifes Erfahrung und bie Gefahr, zu un:
praftifhen Regeln verleitet zu werden, entipringen, bei Malthus,
Principles of polit. econ., introduct. ©. t. 6.
() 83. B. in tem zweiten und dritten der oben (a) angegebenen Gelege:
. die Ergreifung des einträglichfien Gewerbes fann durch Äußere Um:
fände, — das Sinken der Fruchtpreife von Speculationstäufen, Krieges
gefahr ıc. verhindert werden.
8. 11.
Es entfteht Hiebei Die Frage, wie ſolche volfswirthichaftfiche
Gefege möglich feien, während doch von den verfchiedenen Vor⸗
ftellungen, Neigungen und Abfichten der in ihrem Willen freien
Menfchen, von den verfchiedenen Belchaffenheiten der Länder
und den wechfelnden Raturereigniffen die größte Manchfaltig⸗
feit in den volfswirthfchaftlichen Erfcheinungen einzelner Länder
und Zeiten bewirkt wird. Bei näherer Betrachtung läßt füch
dad Walten allgemeiner Urfachen erkennen, welche in der Hands
lungsweiſe der Menfchen eine gewifle Gleichförmigfeit hervors
bringen. Sie beruhen:
1) auf den: Gefegen der Körperwelt, nad) denen bie vers
fchiedenen Arten fachlicher Güter entftehen, ſich verändern und
zerftört werden. Die auf ſolche Zwede gerichteten menfchlichen
Thätigkeiten müffen fi) auf diefe Naturgefebe ftügen und daher
fo lange in gleicher Weife ausgeübt werben, als nicht Worte
fohritte in der Naturfenntniß oder in der Anwendung berfelben
gemadjt werden (a);
2) auf dem unmwanbelbaren Berhältniffe des Menfchen zu
ben fadhlichen Gütern, ald den unentbehrlicdyen Hülfdmitteln zur
Erreichung feiner meiften Zwede. Daher ift die Erlangung,
Erhaltung und Benugung fachlicher Güter Gegenftand eines
gleichmäßigen allgemeinen Beftrebend ($. 7. Nr. 1.) und bie
aus diefem Zwed der ganzen Wirthfchaft fließenden wirthſchaft⸗
lichen Regeln (5) machen fidy nothiwendig im Großen geltend (ec),
obfhon im Einzelnen die Bebürfniffe und ihre Befriedigungss
mittel ſich verfchiedentlich geftalten und auch andere, nament-
lich höhere, überfinnliche Beweggründe vielfältig ihren Einfluß
behaupten (d).
— 1 —
(G) 8. B. das Aufwachſen nutzbarer Pflanzen mit Hülfe des Nahrungs⸗
ſtoffes im Boden und in ber Atmofphäre, die Entſtehung von Milch,
Fleifh und Fett aus der Nahrung der Hausthiere, der Bedarf an Brenn:
floffen zum Schmelzen des Glaſes und Eifens ıc.
(6) 3. B. der Lohnarbeiter verlangt einen Lohn, der feinen Unterhaltsbe-
darf deckt, der Gewerbemann will feine Unternehmung mit Berluf bes
treiben, der Verfäufer fucht den beften Erlös ıc.
(0) Es erhellt Hieraus, daß die Geſetze der Volfswirthfchaft mit der Mil:
lensfreiheit der Menichen wohl vereinbar find und darum, weil man fie
natürliche nennt, feineswegs blos auf die Nothwendigkeit der willen:
ofen Natur bezogen werden dürfen.
(q; Die wirthichaftlichen Beſtrebungen der Menichen äußern fich zwar in
verfchiedenen Ländern und Zeiten auf ungleiche Weile, die Gruntver:
hältniffe bleiben jedoch die nämlichen und es giebt deshalb Geſetze, die
von dem Mechſel jener Umflände unabhängig find.
8. 12.
Die volfswirthfchaftlichen Lehrfäge müffen immer aus ber
Erfahrung abgeleitet werden. Dieß Tann auf einem doppelten
Wege geichehen:
1) indem man von den ſich gleid) bleibenden Neigungen und
Abfichten der Menfchen im Allgemeinen ($: 11.) auögeht, und
unterfucht, welche Handlungsweife und welche Bolgen unter ges
wiffen Umftänden hieraus zu erwarten find;
2) indeın man fi) an befondere hiftorifche und ftatiftifche
Thatfachen hält, ihre Urfachen erforfcht und hieraus allgemeine
Geſetze zu bilden fuht (Induction). Viele Säge find auf
biefem Wege zuerft aufgefunden worden. Man muß inbeß bei
der Benugung beffelben fehr vorfichtig zu Werke gehen, um nicht
voreilig auf falfche Folgerungen zu gerathen (a). Weil nämlid)
in jebem gegebenen Falle eine eigenthümliche Verfnüpfung manch—⸗
faltiger Umftände obwaltet, fo fann man mit Sicherheit aus
einer einzelnen Thatſache noch Feine Regel bilden, fondern nur
aus mehreren mit einander übereinftimmenden Erfahrungen
gleicher Art, wenn zugleich die Richtigkeit der Thatumftände
außer Zweifel gefegt ift und diefelben fo vollftändig befannt
find, daß man den Einfluß der verfchiedenen glerchzeitig einwir⸗
fenden Urfachen zu unterfcheiden vermag. Was auf diefe Weife
bei forgfältiger Unterfuchung als Gefeß erfcheint, muß dann erft
mit jenen allgemeinen Erfahrungsfägen (1) vergfichen und nad)
ihnen geprüft werben.
(a) Die politifhe Oekonomie bietet viele Beifpiele ſolcher einfeitiger Folge⸗
mungen, indem man fh, um gewiſſe Ericheinungen zu erklären, nur an
— 10 —
(e) Mit dieſer Darſtellung uͤbereinſiimmend J. St. Mill, Essays on some
unsettled questions of polit. ec. 1844. S. 144. — Gegruͤndete Er:
innerungen gegen das zu weit getriebene Beftreben, die volfswirthichaft-
lihen Lehren zu vereinfachen, woraus nothwendig Einſeitigkeit, Ent⸗
fernung von den Grgebuiflen reifer Erfahrung und bie Gefahr, zu un
praftifhen Negeln verleitet zu werben, entfpringen, bei Malthus,
Principles of polit. econ., introduct. ©. 1.
(d) 3. B. in tem zweiten und dritten ber —8 (a) angegebenen Geſetze:
. die Ergreifung des einträglichiten Gewerbes kann durch aͤußere Um:
fände, — das Sinken der Fruchtpreiſe von Speculationokaͤufen, Kriegs⸗
gefahr ıc. verhindert werden.
su
Es entfteht hiebei die Frage, wie folche voltswirthſchaftiche
Geſetze moͤglich ſeien, waͤhrend doch von den verſchiedenen Vor⸗
ſtellungen, Neigungen und Abſichten der in ihrem Willen freien
Menſchen, von den verſchiedenen Beſchaffenheiten der Länder
und den wechſelnden Naturereigniſſen die größte Manchfaltig⸗
feit in den volföwirthfchaftlichen Erfcheinungen einzelner Länder
und Zeiten bewirkt wird. Bei näherer Betrachtung läßt ſich
dad Walten allgemeiner Urſachen erfennen, welche in ber Hands
lungsweiſe der Menfchen eine gewiſſe Gleichförmigfeit hervor⸗
bringen. Sie beruhen:
1) auf den: Gefegen der Körpermwelt, nad) denen bie vers
fchiedenen Arten fachlicher Güter entftehen, ſich verändern und
zerftört werben. Die auf folche Zwecke gerichteten menfchlichen
Ihätigfeiten müffen ſich auf diefe Naturgefege ftüben und daher
fo lange in gleicher Weife ausgeübt werden, als nicht Korts
fhritte in der Naturfenntniß oder in der Anwendung derfelben
gemacht werden (a);
2) auf dem unmwandelbaren Berhältniffe des Menfchen zu
ben ſachlichen Gütern, ald den unentbehrlidhen Hülfdmitteln zur
Erreihung feiner meiften Zwede. Daher ift die Erlangung,
Erhaltung und Benugung fachlicher Güter Gegenftand eines
gleichmäßigen allgemeinen Beftrebend ($. 7. Nr. 1.) und bie
aus diefem Zwed der ganzen Wirthichaft fließenden wirthfchafts
lichen Regeln (6) machen ſich nothwendig im Großen geltend (c),
obſchon im Einzelnen die Bebürfniffe und ihre Befriedigungs—
mittel ſich verfchiedentlicy geftalten und auch andere, naments
lich höhere, überfinnliche Beweggründe vielfältig ihren Einfluß
behaupten (d).
— 11 —
(a) 83. B. das Aufwachen nupbarer Pflanzen mit Hülfe des Nahrungs:
ſtoffes im Boben und in ber Atmofphäre, die Gntſtehung von Milch,
Fleiſch und Fett aus der Nahrung der Hausthiere, der Bedarf an Brenn-
floffen zum Schmelzen des Glafes und Eifens ıc.
(6) 3. B. der Lohnarbeiter verlangt einen Kohn, der feinen Unterhaltsbe⸗
darf deckt, der Gewerbemann will feine Unternehmung mit Verluſt bes
treiben, der Verkäufer fucht den beflen Erlös ıc.
(c) Es erhellt Hieraus, daß die Geſetze der Volkswirthſchaft mit der Mil:
lensfreiheit der Menfchen wohl vereinbar find und darum, weil man fie
natürliche nennt, feineswegs blos auf die Nothwendigkeit der willen:
lofen Natur bezogen werben bürfen.
(d) Die wirthichaftlihen Beftrebungen der Menfchen äußern fih zwar in
verfchiedenen Ländern und Zeiten auf ungleiche Weite, die Gruntver:
hältniffe bleiben jedoch die nämlihen und es giebt deshalb Geſetze, bie
von dem Wechfel jener Umſtaͤnde unabhängig find.
8. 12.
Die volkswirthfchaftlichen Lehrfäge müffen immer aus ber
Erfahrung abgeleitet werden. Dieß kann auf einem doppelten
Wege gefchehen:
1) indem man von ben ſich glei, bleibenden Neigungen und
Abfichten der Menfchen im Allgemeinen ($: 11.) ausgeht, und
unterfucht, welche Handlungsweiſe und welche Folgen unter ges
wiffen Umftänden hieraus zu erwarten find;
2) indem man fi) an befondere hiftorifche und ftatiftifche
Thatfachen hält, ihre Urfachen erforfcht und hieraus allgemeine
Gefege zu bilden fuht (Induction) Diele Säge find auf
biefem Wege zuerft aufgefunden worden. Man muß indeß bei
der Benutzung deſſelben fehr vorfichtig zu Werke gehen, um nicht
voreilig auf falfche Folgerungen zu gerathen (a). Weil nämlich
in jedem gegebenen Falle eine eigenthümliche Verfnüpfung manch»
faltiger Umftände obwaltet, fo fann man mit Sicherheit aus
einer einzelnen Thatſache noch Feine Regel bilden, fondern nur
aus mehreren mit einander übereinftimmenden Erfahrungen
gleicher Art, wenn zugleich die Richtigkeit der Thatumftände
außer Zweifel gefegt ift und diefelben fo vollftändig befannt
find, daß man den Einfluß der verfchiedenen gleichzeitig einwirs
fenden Urfachen zu unterfcheiden vermag. Was auf diefe Weife
bei forgfältiger Unterfuchung als Gefeg erfcheint, muß dann erfl
mit jenen allgemeinen Erfahrungsfägen (1) verglichen und nad)
ihnen geprüft werben.
(a) Die politifhe Oekonomie bietet viele Beiſpiele folcher einfeitiger Folge⸗
rungen, indem man fi, um gewifle Erſcheinungen zu erklären, nur ou
— 14 —
letzung ber Rechte verleitet, wenn ſich feine mit der gefeglichen
Ordnung verträglichen Mittel zur Befriedigung der Beduͤrfniſſe
darbieten. Die Maaßregeln der Staatögewalt im Gebiete der
Rechtöpflege und Polizei vermögen daher die innere Sicherheit
nicht gehörig zu befeitigen, wenn nicht allen Bürgern Gelegen-
heit gegeben ift, dad Nöthige durch ihre Arbeit zu erlangen.
Mit der Zunahme ded allgemeinen Wohlftandes wädhft auch
die Achtung des Eigenthums und ber Rechte überhaupt.
2) Ein reichliches Vermögen bietet Hülfsmittel dar, um alle
diejenigen Beitrebungen zu unterflügen, deren Srüchte da8 Leben
verfhönern und veredeln. Mit dem Wohlftande der Völker
pflegt die Ausbildung des Geifted, die Erweiterung und Vers
breitung der Kenntniffe, die Läuterung des Sinned für das
Schöne Hand in Hand gehen, und e8 befteht, wie die Gefchichte
bezeugt, zwifchen Reichthum und Bildung eine innige Wechfel
wirkung. Künfte und Wiffenfchaften finden bei armen Bölfern
zu wenig Empfänglichfeit und ‘Pflege, und wie fie in reicheren
Ländern gedeihen, fo zieht ihre Blüthe auch wieder Bortfchritte
in den Gewerben nach fidy (a).
3) Fleiß und Sparfamfeit, die maͤchtigſten Mittel, um zum
Wohlftande zu gelangen, find auch der fittlichen Veredlung ber
Menſchen günftig und diefe gewinnt, indem jene von der Res
gierung befördert werben.
(a) „Die Seichichte kennt auch nicht ein einziges Volk, welches unthätig,
arm und cultivirt zu gleicher Zeit geweſen wäre; fie fennt fein edles
Bolf, das nicht im Schooße der Wohlhabenheit lebte, den eigene In⸗
duftrie fchuf.” Lueder, Ueber Nationalinduftrie, I, XXVIL — Aus:
führung dieſer Säge bei Uhde, Nat.⸗Oek. L, 131.
$. 15.
4) Dan hat öfterö befürchtet, die Beförderung ded Gewerbfleißes
möchte den Erwerbseifer zu ſehr verftärfen und eine dem fittlichen
Eharafter verberbliche Gewinnfucht erregen. Soldye Erjcheinungen
bleiben freilich nicht ganz aus, allein es ift Dagegen zu beden⸗
fen, daß auch die Dürftigfeit nicht felten ein Hinderniß edler
Geſinnung wird, daß bei ber vielfeitigen Entwidlung der Ges
felfchaft neue Gefahren für bie Reinheit der Gefinnung nicht
vermieden werben können, baß aber ſowohl die Bolfdbildungs,
forge des Staated ald die Kirche dahin ftreben müflen, bie
Bürger anderen und höheren Angelegenheiten zuzuwenden und
von der Habfucht abzuziehen (a).
5) Der Wohlftand der Bürger ſetzt auch die Regierung in
den Stand, mehr Einkünfte zu beziehen und vermittelft derfelben
für alle öffentlihen Zwecke nachdruͤcklicher thätig zu fein.
(a) Die Alten waren mehr darauf bedacht, die Bebürfniffe zu vereinfachen
und den Hang nach Gütergenuß zu bekämpfen, während man in neuerer
Zeit es vorzieht, dieſen Hang ale Sporn zum NArbeitsfleige zu benutzen
und fo feine Befriedigung auf unſchaͤdliche Weife zu erleichtern. Vgl.
Pecchio, Storia della econ. publ. S. 29%. — Droz Econ. pol.
©. 282. — Mit ben oben erwähnten Ginwürfen hängt die oft ver
nommene Anfinge gegen unfer Zeitalter zuſammen, als hege dieſes eine
unwürdige Vorliebe für die fogen. materiellen Interefien, d. h. Die
wirthichaftlihen Beftrebungen. Wahr it es, daß dieſe allgemeinere
Theilnabme finten, als jemals, daß fie mit mehr Ginfidht verfolgt
werden und reichlichere Fruͤchte bervorbringen, als früher, allein biete
Früchte finden audy viele wohlthätige Anwendungen, fie haben es mög-
lih gemacht, die Lage der unterften Schichten der Geſellſchaft zu vers
beſſern, die Bildungsmittel zu vervielfältigen und überhaupt laßt ſich
feineswegs beweilen, daß die Selbſtſucht auf Koften befierer Gefühle .
ugenommen habe. — Iene Vorwürfe find von Yallati (Ueber die
—* materielle Tendenz der Gegenwart, Tuͤb. 1842) und Dunoyer
(Journal des Economistes, Nr. 19. Juni 1843) widerlegt worden,
ſ. auch Baftiat ebd. X, 209 (1845) gegen Lamartine.
$. 16.
Die Aufgabe der Regierung in Bezug auf die Verforgung
mit fachlichen Gütern ift eine doppelte ($. 4.):
1) Beförderung der wirtbfchaftlichen Zwede des
Volks. Es liegt weder in den Kräften nody in den Pflichten
ber Regierung, die Wirthfchaft jedes Staatöbürgersd unter ihre
Auffiht und Leitung zu nehmen, aber die Volfswirthfchaft im
Ganzen und in ihren Zweigen (a) bedarf einer Einwirfung von
Seite der Staatögewalt, damit fie in ſolchen Fällen von Hin-
berniffen befreit und befördert werde, wo die Bemühungen der
Einzelnen feinen befriedigenden Erfolg haben, und bamit fie
ferner auf die wirthfchaftliche Wohlfahrt Aller im Staate hin⸗
gelenkt und mit den Zweden befelben in Uebereinftimmung ge,
bradyt werde (B).
2) Befriedigung der eigenen Bedürfniffeder Res
gierung, welde, um für dad Wohl der Gefammtheit nachs
druͤcklich zu wirken, ſich in den Belig eined Vorraths von mas
teriellen Mitteln fegen und folglich eine Wirthſchaft führen muß,
$.5. Diefe Regierungswirthſchaft (Binanzwefen)
— 16 —
iſt deßhalb auf das Genaueſte mit der Volkswirthſchaft ver⸗
flochten.
(a) 3. B. der Handel, die Forſtwirthſchaft sc.
(8) Es leidet keinen Zweifel, daß auch durch freie Bereinigungen der Bürs
er manche Zwecke erreicht werden können, teren Berfolgung fonft ber
taatsgewalt obliegt. Der Gemeinfinn bat in Kleinen und größeren
Verbindungen viel Treffliches geichaffen und die Regierungen mancher
Mühe überhoben. Seine MBirtungen find darum, weil er in vielen
Fällen mit dem richtig verflantenen Privatvortheile zufammentrifft, nur
befto dauernder und ausgebreiteter; indeſſen müflen ſolche Anfalten
unter der Oberauffiht der Staatsgewalt fliehen. Es kann in allen
Zweigen der Regierungsthätigfeit vortommen, daß Privaten, die fih auf
einen höheren Standpunct flellen, aus eigenem Antriebe im Interefle
der Gefammtheit handeln. Bgl. Hermann, Staatswirthſch. Unter:
fuhungen, ©. 15. — Rafthofer, Der Lehrer im Walde, I, 7. $. 4.
„von der Bemeinnügigfeit.“
$. 17.
Der praftifche Theil der politifchen Defonomie oder die
wirthſchaftliche Staatsflugheitslehre (wirthichaftliche
Politik) begreift demnady nothwendig zwei Abfchnitte in fich:
1) die Volkswirthſchafts-Politik, d. i. die Lehre
von der Volkswirthſchaftspflege oder Wohlſtands—
forge (a). Die hierher gehörigen Regierungdmaaßregeln waren
fonft unter den Benennungen Wirthſchafts⸗, Gewerbbz,
Bevölferungsd>, Armen-Polizei x. in dem weiten Ums
fange der Polizei zerftreut; neuerlid hat man ſie als ein feft
verbundened Ganzes, weldyed ſich genau an das Syſtem ber
Volkswirthſchaftslehre anfchließt, zu betrachten gelernt. Die
Volkswirthſchaftspolitik wird von vielen Schriftftellern noch forts
während als Theil der PBolizeiwiffenichaft im weiteren Sinne
angejehen, aber bei einer genauen Unterfcheidung der verfchiedes
nen Staatözwede und der auf diefelben gerichteten Regierung:
thätigfeiten gelangt man zu einer engeren Begränzung der Pos
lizei, welcher fi fodann die Bolköwirthfchaftöpflege ald ein
felbftfländiger Regierungdzweig zur Seite ftellt, II, 8. 6a;
2) die Lehre von der Regierungs wirthſchaft oder bie
Sinanzwiffenfhaft, die audy im engeren Sinne des Wortd
Staatswirtbfchaftslehre genannt worden if.
(a) In Deutfchland werben oft die Volfswirthfchaftslehre und die Volke:
‚wirthfchaftspolitif zufammengenommen durch die Benennungen Nationals
wirthſchaftslehre, Nationalötonomie, bezeichnet. Letzterer Ausprud wurde
ſchon 1774 von dem italienifhen Schrififteller Ortes gebraucht (econo-
mis nazionale), in Deutfchland führten ihn 1805 gleichzeitig v. Jakoh
und Graf v. Soden ein, den Franzoſen und Gngländern aber ift er
unbefannt, auch erfennen beide feine weitere Gintheilung der politiichen
Delonomie in beflimmte Haupttheile mit befonderen Benennungen an.
Jener Gebraud des Wortes Nationalökonomie in einem weiteren
Sinne ift ſchon nicht zu billigen, noch weit mehr aber ſchadet die wirks
liche Verſchmelzung der beiden unter ihm begriffenen Theile, alſo das
Durcheinandermengen theoretifcher und praftifcher Lehren. Unpaflend ift
es, die Berbindung diefer beiten Theile ınit dem Namen Staats:
wirthſchaftslehre zu belegen, der dem Wortverftante nach dieſe
Zedentung nicht haben kann. Vg 1. Mau, Ueber die Kameralwiflenid.
33. — ga mige nennen die Boltswirthfhaftspflege Staatswirth-
haft 3. B. Pdlig und Bülau.
$. 18.
Der Güterverkehr der Menfchen erftredt ſich über die Graͤnzen
ded einzelnen Staated hinaus und verbindet mehrere Länder,
jelbft mehrere Erbtheile mit einander. Es läßt ſich daher eine
große Weltwirthfchaft annehmen, die wenigftend alle gebildeteren -
Voͤlker der Erde umfchlingt. Diefelbe ift jedody nur ein größeres
Ganzes, nicht eine Wirthfchaft einer noch höheren Ordnung,
weil nicht die Völfer oder Staaten im Ganzen, fondern nur die
Einzelnen in jenem weiteren Berfehre ftehen und diefer nicht fo
lebhaft ift, daß die Wirthfchaften der Völker fi) innig durch»
bringen, in vollftändige Wechfelwirfung treten und Ergebniffe
hervorbringen könnten, die für alle gemeinfchaftlich wären. Daher
giebt ed neben der bürgerlichen und Staatswirthſchaftslehre kei⸗
nen britten Thefl, der aus der Wiflenfchaft von jener Welt⸗
wirthfchaft beftände.
8. 19.
Es laſſen fi) mehrere Urfachen angeben, aus benen ber
Verkehr zwifchen den Ländern nicht fo mandhfaltig und fo flarf
fein fann, wie zwifchen den Familien und anderen wirthſchaft⸗
lihen Bereinen in einem Bolfe.
1) Durch das Beifammenleben der Menfchen in einem Lande
werden die wirthfchaftlichen Verbindungen fehr erleichtert, bie
Entfernung dagegen hat größere Koften, Gefahren und Schwies
rigkeiten des Uebergangs von Sachgütern und Perfonen in an-
bere Laͤnder zur Folge.
2) Die Gemeinfchaft der Sprache und der Sitten in einem
Bolfe (a), ferner die vielen perfönlichen Verbindungen und Be
rührungen unter den Bürgern eined Staated wirken auf ähns
lie Weife.
Rau, polit. Deton. I. 7. Ausg. 2
— 18 —
3) Die Gleichfoͤrmigkeit der Gefege, Münzen, Maaße, ferner
die zahlreichen Straßen und manche andere Staatdeinrichtungen
gewähren bem inneren Verkehr Schutz und Erleichterung, fowie
auch die Maaßregeln der Volkswirthſchaftspflege viel bazu bei-
tragen, ber Volföwirthfchaft inneren Zufammenhang und Ab»
fonderung gegen außen zu geben.
(a) Borausgefeht, daß bie Strtesrange auch die Völker im Sinne ber Ab⸗
flammung heidet, §. 4
8. 20.
Viele Lehrſaͤtze der Volkswirthſchaftslehre gelten ganz im
Allgemeinen von dem Guͤterverkehre der Menſchen, ohne ſich auf
die Abgränzung der Staatsgebiete zu beziehen; z. B. die Lehre
vom Werthe und Preiſe, von den Arten der bürgerlichen Eins
fünfte, von dem Wefen ded Geldes, des Credits. Diele andere
Lehren dagegen fegen ganz weſentlich die Rüdficht auf ein bes
ſonderes (nur nicht gerade auf irgend ein beftimmted) Land
voraus, 3. B. die Unterfuhungen über die Menge des umlau-
fenden Geldes, über das Berhältniß zwifchen Eins und Aus⸗
fuhr, über da8 Gleichgewicht zwifchen Erzeugung und Berzehs
rung, die Wirkungen der Volksvermehrung ıc. (a). Die Lage,
Naturbefchaffenheit, Bevölkerung des Landes, die herrfchenden
Gewerbe, der Handel mit anderen Bölfern, der gefchichtlicy nach⸗
zumeifende Entwidlungsgang und dergl. geben der Volkswirth⸗
Schaft in jedem Staate eine Befonderheit, weldye auch von jeder
Regierung jorgfältig aufgefaßt und bei ihren Befoͤrderungs⸗
maaßregeln berüdfidhtigt werden muß. Die Volkswirthſchafts⸗
lehre hat die verjchiedenen Geftaltungen dieſer wirthichaftlichen
Verhältniffe zu unterſuchen; betrachtet fie neben dem inneren
auch den auswärtigen Verkehr eined Volkes nach feinen Bes
dingungen und Wirkungen, fo fällt auch auf jene große, durch
alle Erbtheile fich ziehende Wirthſchaft das nöthige Licht, und
es bleibt nur noch die hiftorifchsftatiftifche Betrachtung berfelben
zu wünfchen übrig (b).
(a) —A der blos geſelligen und der ſtaatsgeſellſchaftlichen Oeko⸗
nomie, Schön, Neue Unterſ. ©. Doch würde eine Trennung ber
—8— aftslchre in zwei fie Theile für die Erkenntniß nicht
vortheilhaft ſein.
(6) Rau, Ueber die Kameralwiflenih. ©. 29. Vgl. (v. Cancrin) Welt
reichthum, Nationalreichthum und — Munchen, 1821.
I. Aeußere Verhältniffe der politifchen Oekonomie.
$. 21.
Die Volkswirthſchaftspflege und die Regierungsmwirthichaft
find Zweige der Regierungsthätigfeit oder der Staatöverwaltung
im weiteren Sinne und ftehen neben ben auf andere Staats⸗
zwede gerichteten Gebieten jener Thätigfeit, welche theilö, wie
die Juſtiz, Polizei und Bildungsforge, dad Gemeinwohl im
Inneren bed Staates pflegen, theild, wie die Staatövertheis
digung (Militärwefen) und die auswärtigen Verhandlungen,
das Verhältniß eined Staated gegen dad Ausland ficher
ftellen follen. Welche Zwede überhaupt die Staatögewalt vers
folgen, wie weit fie für diefelben wirfen und was fie den Ein-
zelnen überlafjen ſolle, dieß kann nicht auf gefchichtlichen Wege,
fondern nur durch philofophifche Betrachtung erfannt werben.
Man muß auf die Vernunftbeftimmung ded Menfchengefchlechts
und bed Staatd zurüdgehen und hieraus dad Syſtem ber
Staatözwede ableiten. Es ergiebt fich auf diefen Wege, daß
ber Staat die Sicherheit (Beihügung) ber Gefammtheit und
der Einzelnen gegen innere und Äußere Störungen erhalten,
bie allfeitige Bildung befördern und auf die VBerforgung
mit Sadhgütern hinwirken fol. Diefe Entwidlung fällt in
dad Gebiet ber Staatswiffenfhaft oder Politik und
zwar in ben philofophifchen oder idealen Theil derfelben, welcher
die höchften praftifchen Gefege für das ganze Staatöleben auf:
ftellt und mit der Wiffenfchaft der fittlichen Geſetzgebung für
dad Privatleben (Sittens und Rechtslehre, Ethik) aus gleicher
Duelle fließt.
8. 22.
Der praftifche Theil der politifchen Oekonomie entfpringt
demnach aus einer Verbindung ftaatöwiffenfhaftlicher
Grundfäge mit den Wahrheiten der Volkswirthſchafts—
[ehre. Jene geben bie Zwecke an die Hand, welche die Regies
rung fich vorfegen, und die Gränzen, innerhalb deren fie diefelben
verfolgen fol, dieſe leiten die Auswahl ber beften hiezu dienlichen
Mittel. Aus diefer doppelten Abſtammung ber wirthichaftlichen
Politik folgt, daß fie nad) zwei Seiten hin Verwandtſchaften haben
2°
— 280 —
muß. Sie iſt naͤmlich zugleich ein Theil der Staatswiſſenſchaft,
und insbeſondere der Staatsklugheitslehre (Politik im
engeren Sinne), welche ſich damit beſchäftigt, wie die allgemeinen
Vernunftgebote in Bezug auf Verfaſſung und Verwaltung eines
Staated unter gegebenen Umſtänden des Raumes und der Zeit
am beften verwirklicht werden Eönnen. Sn der Verbindung mit
. den anderen Theilen der Staatöverwaltungslehre werden ger
wöhnlicdy die Grundſaͤtze der Volkswirthſchaftslehre und Finanz⸗
verwaltung nicht mit foldyer Ausführlichfeit abgehandelt, ald in
der politifchen Defonomie (a), dagegen treten bei der Darftellung
berfelben aus dem Gefichtöpunfte der Staatswiffenfchaft die all-
gemeinen politifchen Rüdfichten mehr hervor. “Die Volkswirth⸗
ſchaftslehre dagegen ift Fein Theil der Staatöwiffenichaft im
engeren, beftimmten Sinne, weldye die VBervollfommnung der
Staaten nad) den Geboten der Vernunft zur Aufgabe hat, —
wohl aber eine ihrer wichtigften Hülfslehren (5).
(a) Bin ähnliches Verhaͤltniß findet bet mehreren Staateverwaltungsgegen:
ftänden Statt. Die Staatewiflenfchaft muß das Binzelne der Strategie,
Tattif, fowie des Feſtungsbaues und der Waffenlehre der Kriegskunſt
überlaflen, aber aus ihr die allgemeinen Säge über die Herbeifchaffung
der MBertheidigungsmittel, die verfchiedenen Arten der bewaffneten
Macht sc. aufnehmen. Ebenſo muß das, was inter Polizeiwiſſenſchaft
über die Befundheitspflege vorfommt, in der Medicin und Chemie
begründet und weiter ausgeführt werten, und in berfelben Beziehung
feht die Bolfsbildungslehre zur Pädagogik.
(5) Bol. Poͤlitz, Die Staatswiffenichaften, II, 8. (2. Ausg. 1827.) —
Hagen, Bon der Staatslehre, ©. 352. In dem Kreife der Staates:
wiflenfhaften im weiteren Sinne, d. h. der fämmtlichen auf das Staate-
leben fi beziehenden Erfenntniffe, wie verfchieden auch ihr Grund und
giel fein mag, verdient allerdings auch die Bolkswirthfchaftslehre eine
Stelle. ECiſelen (Handb. d. Syft. der Staatswifl. 1828.), Schmitt:
benner (Zwölf Bücher vom Staate, I, 32. 1839.) und Stein (Syfl.
d. Staatswifl. I. 1852) nehmen fie in das Gebiet der Staatswiflenichaft
auf, weil diefe nad ihrer Anficht auch das Volfsleben darzuftellen hat.
$. 23.
In der politifhen Defonomie werden vielfältig die Lehren
der bürgerlfihen Wirthfchaftslchre, Hauptfädhlidy der
Gewerböfunde (Bergbaus, Land» und Korftwirthichaftälchre,
Technologie und Handelslehre) benugt, weil
1) viele gewerbliche Unternehmungen und Anftalten, 3. 2.
bie verfchiedenen Arten des Landbaued, die Mafchinen, bie
Wechſel und Banken ıc. genau erfannt fein müffen, wenn man
ihre volfswirthfchaftlichen Wirkungen richtig erflären wil (a).
— 21. — .
Der Standpunc der Betrachtung ift allerdings ein ganz ver-
ſchiedener; die Gewerbskunde lehrt, wie die Zweige des Gewerb⸗
fleißes für den Bortheil eines Unternehmers am nüßs
lichften betrieben werben fönnen, während die Volkswirthſchafts⸗
lehre ſie als Glieder eines höheren Ganzen (der Volles
wirthfchaft) anfieht und die in ihnen wahrzunehinenden Erfchei«
nungen unter allgemeine Gefege bringt (b).
2) Der praftifche Theil der politifhen Oekonomie ſtuͤtzt ſich
ebenfalld vielfältig auf die Gewerböfunde, ſowohl um zur Bes
förderung des Gewerbeweſens bie beften Maaßregeln zu finden,
ald um von gewiffen Bewerben Einkünfte für die Regierung zu
gewinnen.
(a) Wenn aud jene Gewerbskenntniſſe mehr zur Erforſchung und Aufftel
lung, als zum Berfländnig volfswirthichaftlicher Lehren erforderlih -
find, fo tragen fie doch viel dazu bei, diefelben zu veranichaulichen.
() Nach Mill (Srundfäße, I, 25) wird in der Gewerbskunde der wirth⸗
fchaftlihe Zufland der Nationen foweit betrachtet, als er auf naturwiſ⸗
fenfchaftliher Kenntniß berubt, in der politifchen Defonomie aber, ſo⸗
weit er aus moralifhen oder pfychologifhen Urſachen zu erflären ift.
Dieß ift jwar ziemlih zutreffend, macht aber den wahren Unterfchieb
nicht deutlich. "
$. 24.
Die Kenntniß der wirflichen Staaten wird aus ber Staas
tengefhichte für den Lauf der Zeit, aus ber Staaten-
funde (Statiftif) für einen einzelnen Zeitpunct erlangt.
Die Gefchichte giebt Selegenheit, den Einfluß wechfelnder Um-
ftände auf die Geftaltung der Volkswirthſchaft (a) und auch
wieder den Einfluß der wirthfchaftlichen DVerhältniffe auf bie
Ereigniffe in dem Staatdleben zu erkennen. Werner bietet fie,
und indbefondere die für die Staatöverwaltung Iehrreichere neuere
Staatengeſchichte, eine Bülle der fchäßbarften Erfahrungen dar
über die günftigen oder nadhtheiligen Folgen der von den Re
gierungen in Hinfiht auf wirthfchaftliche Angelegenheiten ges
wählten Handlungsweiſe. Diele Belehrung ift deshalb um fo
höher anzufchlagen, weil man überhaupt in der Staatöverwals
tung felten Berfuche anftellen fann, ohne die Wohlfahrt des
Staated zu gefährden, und fi) daher aus der Betrachtung frü-
herer Fälle belchren muß. Uebrigens bringt die Gefchichte erft
dann diefe Vortheile in vollem Maaße, wenn fie den Wirth»
fhaftsangelegenheiten der Völker und Regierungen die gebüh-
. —h —
rende Aufmerffamfeit widmet und wenn biefe Gegenftände von
den Gefchichtöforfchern mit Sachkenntniß behanbelt werben. Die
Geſchichte des Gewerbfleißes greift am meiften in bie Volks⸗
wirthfchaftslehre ein (5).
(a) Die geſchichtliche Betrahtung der Wirthfchaftsangelegenheiten im Staate,
deren Nugen neuerlih von Knies (Die polit. Defon. vom Standpunct
der geichichtlihen Methode, 1853) ausführlich gefchildert worben ift,
läßt noch viele Ichrreiche Aufflärungen erwarten. Sie wird die allge:
meinen volfswirthfchaftlichen Geſetze nicht befeitigen, fondern ihr Wal⸗
ten unter ben verfchiedenften Verhaͤltniſſen kenntlich machen.
() ©. v. Guͤlich, Geſchichtliche Darftellung des Handels, der Gewerbe
und bes Aderbaues der bedeutendften hanbeltreibenden Staaten unferer
geit, Jena, 1830—45, V Bde. (fleißig gearbeitet und lehrreih). Gin
älteres ſehr nuͤßzliches Werk ift: Fiſcher, Geſchichte des teutichen Han:
dels, I. u. V. Bd. 2. Ausg. 1793. 1797. IL. u. IV. Bd. 1791. 1792
$. 25.
Die Statiftik enthält die fämmtlichen Thatfachen, welche
den Zuftand der Staaten in einem gegebenen Zeitpuncte (ges
wöhnlic in der Gegenwart) barftelen. Die Vermögendange-
legenheiten nehmen unter den Gegenftänden der Statiftit eine
beſonders wichtige Stelle ein, weil fie am leichteften einen Aus⸗
drud in Zahfen zulafen, der in jener Wiffenfchaft die Beftimmt:-
heit und ®enauigfeit fehr befördert (a). Die ftatiftifchen An⸗
gaben über Hervorbringung, Bertheilung, Beſitz und Verzehrung
ber fachlichen Güter in jedem Volke und über dad Finanzweſen
find für die politifche Defonomie hoͤchſt nüslich, indem fte dienen,
deren Lehren zu beftätigen, zu ergänzen, oder zu berichtigen oder
auf befondere Bälle anzııwenden. Viele Ergebniffe der Statiftif
fordern auch zur Erforfchung ihrer Urfachen auf und führen hies
duch zu neuen flaatöwirthfchaftlichen Unterfuchungen. Dieß
gilt befonderd von der Zufammenftellung ftatiftifcher Nachrichten
über den nämlichen Gegenftand aus mehreren Ländern (vers
gleihende Statiftif), wobei jedoch große Behutfamfeit
nöthig ift, um wirklich Gleichartiges, Richtige Verftandened und
Zuverläffiged neben einander zu ſetzen. Auch das Aneinanber-
reihen von Angaben, welche die Veränderungen gewiſſer Ums
ftände in einem und bdemfelben Lande von Jahr zu Jahr nad)-
weifen, ift fehr fruchtbar. Wiederum gewährt auch die poli⸗
tifche Defonomie bei ben ftatiftifchen Korfchungen große Hülfe,
weil fie die Gefihtöpuncte angiebt, nad) welchen die Thatſachen
— 28 —
geſammelt, gepruͤft und geordnet werden muͤſſen. Es iſt daher
die Verbindung ſtatiſtiſcher und ſtaatswirthſchaftlicher Unter⸗
ſuchungen für beide Wiſſenſchaften ſehr fruchtbar (6).
(a) Das nicht Zaͤhlbare iſt aber darum nicht weniger Gegenſtand der Sta⸗
(2)
tiftit, welche, wenn fie nur auf Zahlen befchränft würde, ihren foflemas
tiſchen Zufammenhang verlieren müßte.
Bol. Ancillon, Zur Vermittlung der Ertreme in den Meinungen,
1, 88. Schubert, Handb. der allgem. Staatskunde von Europa, I,
9, (1835). — Say (Hanbb. VI, 179—217) beftreitet den Satz, daß
fi die Nationalöfonomie zum Theile auf die Statiftif flüge und glaubt,
diefe nehme vielmehr jene zur Grundlage. Dagegen v. Malchus in
Rau, Archiv I, 323. Das Verhaͤltniß beider Wiſſenſchaften iſt eine
Wechſelwirkung, vgl. $. 12. — Nugen der Statiftif für die wirtbfchafts
liche Bolitit, vgl. Monc, Historia statisticae, ©. 24 (Lovan 1828).
Ueber Welen, Nutzen und Methode der Statiftif fpricht mit der Sichers
heit des Meifters Quetelet, Lettres sur la theorie des probabilit£s,
Brux. 1846, ©. 256—365. — Sn diefem Gebiete ift noch Vieles zu
thun übrig, was beionders durch öftere Bearbeitung der Theorie der
Statiftif befördert werden wird. Unter den Schriftftellern, welche jene
beiden Wiſſenſchaften miteinander zu verfnüpfen fuchten, find befonders
zu nennen: 2%. Krug, Betrachtungen über den Nationalreichthum des
Preuß. Staats. Berlin, 1805. II Bde. — Ganilh, La thöorie de
l!’&conomie politique fondee sur les faits rösultans des statistiques de
la France et de l’Angleterre. Paris 1815. II. 2te Ausg. 1822. —
Chaptal, De l’industrie francaise, P. 1819. IL — v. Maldhus,
Statiftit und Staatentunde, 1826. — Bernoulli, Schweizerifches
Archiv für Statiitif und Nationalöfonomie, 1827—31. V B
Dupin, Forces productives et commerciales de la France, 1827. II,
40. — Mac-Culloch, Dictionary of trade, beutfh von Richter:
Handbuch für Kaufleute, Leipzig, 1834. 35. U und Supplementband,
1837. — Deſſen Statistical account of the british empire. Lond. 1837.
II Bd., n. A. 1850. — G. Porter, Progress of the nation in its
various social and eeonomical relations. 3. Ausg. London 1851. —
J. &. Hoffmann, Die Bevölkerung des preuß. Staats. Berlin
1839. — Engel, Jahrbuch der Statiftif und Staatswirthſchaft des
K. Sachſen. L 1853. — Es giebt auch Bearbeitungen des volkswirth⸗
fhaftlihen Teiles der Statifif 3. B. v. Reden, Das K. Hanno:
ver, 1839 II B. Dei. Das RKaiferreih Rußland, Berl. 1843. Defl.
Allgem. vergleichende Handels: und Gewerbs⸗Geographie und Statiftik,
1844. — Schnitzler, De la cröation de la richesse et des interäts
materiels en France. P. 1842. II B. Deff. Statistique generale de la
Fr., P. 1846, U. 2.
eo
6. 26.
Die politifche Oekonomie erweift fi in folgenden Bezies
hungen frucdhtbringend und in das wirkliche Leben eingreifend (a):
1) Sie zeigt dem Staatsmann die Bahn, weldye die Staaten
zu Reihthum und Macht Hinführt und auf welcher feine Re-
gierung zurüdbleiben fann, ohne fi) dem ftrengen Tadel ber
Nachwelt auszufeben.
— 24 —
2) Sie giebt dem Finanzbeamten Belehrung über feinen
ganzen Wirfungsfreis.
3) Sie leiftet auch für andere Gebiete der Staatöverwaltung
nügliche Dienfte, namentlich für die Juftizbeamten, weil bie
Natur der auf Sachgüter fich beziehenden Berhältniffe unter den
Menfchen durch fie beleuchtet wird, weil manche Rechtögefeße
- auf Beweggründen aus dem Gebiete der Volföwirthfchaftslchre
beruhen oder doch nad) demfelben beurtheilt werden müſſen, und
weil auch die Entſcheidung von Rechtsſtreitigkeiten häufig die
nähere Kenntniß wirthfchaftlicher Angelegenheiten vorausſetzt, —
ferner für den Advocaten aus den nämlichen Urſachen und ſo⸗
dann darum, weil viele Brivatangelegenheiten, in denen er Beis
ftand zu leiften Bat, in dad Adminiſtrativfach einfchlagen (5).
4) Sie läßt den Gewerbömann die Stelle, die fein Nahrungs»
zweig im ganzen Gewerbewefen einnimnit ober einnehmen fann,
erfennen, und beutet ihm an, welche Betriebdarten und Forts
ſchritte bie gemeinnügigften , fihjerften und einträglichften fein
werden (c).
5) Sie giebt jedem denkenden Staatdbürger ſchaͤtzbare Auf-
ſchtuͤſſe über viele Erfcheinungen des täglichen Lebens, welche
allgemeine Aufmerkſamkeit und Theilnahme anregen, aber ohne
Hülfe der Wiffenfchaft nicht gründlich beurtheilt werden fönnen,
und fie zerftreut hiedurch manche fchädliche Vorurtheile (d).
6) Sie wirft ein helles Licht auf den Gliederbau, die Grund⸗
verhältniffe der bürgerlichen Gefelfchaft und das Spiel der
Thätigfeiten in ihr. Zwar ift die wirtbfchaftliche Seite derfelben
nicht die einzige und die Staatswirthſchaftslehre darf deßhalb
nicht fchon als die vollftändige Theorie der Geſellſchaft ange-
nommen werden (e), allein fie giebt wenigftend einen fehr bes
deutenden Beitrag zu berfelben und ift daher jedem Yorfcher
unentbehrlich, der, etwa auf gefchichtlichem Wege ober von
einem anderen Standpunct aus, die gefellfchaftlichen WVerhält-
niffe ergründen will.
(a) Rau, in beflen Ardiv I,
(6) Su, Handb. I, 47. ” Hau, Archiv, II, 88. — Rossi in Wo-
lowski, Revue de lögislation,, VI, 246, 1837, (Beleuchtung verſchie⸗
dener Beftimmungen des bürgerlichen Rechts aus volkswirthſchaftlichem
Gefihtspunct.)
() Say, Handb. I, 8. 48. — Verſuch, die Volkswirthſchaftslehre ale
eine Grundlage der Gewerbswiſſenſchaften darzuftellen, in: Schulze,
.
— — — —
—* Weſen und Studium der Wirtbfchafts: oder Cameralwiſſenſchaften.
ena, 1826.
(d) 3. B. über Getreidehandel, PBolizeitaren ıc. — Neuere Berfuche, die
Lehren der Nationalöfonomie in gemeinverftändliher Form zu vers
preiten durch zwei engliſche Frauen, Marcet und Martineau,
g. 45.
(e) Dieß iſt von mehreren Neueren geſchehen, z. B. Scialoja. Auch
Bianchini will die politiſche Oekonomie zur Wiſſenſchaft von ber
bürgerlihen Wohlfahrt erweitert wiflen, ſ. 8. 28 (a). Richtig dagegen
de Augustinis, Istitutioni di econ. sociale, I, 62. — Daher if
volfswirthfhaftlih und focial genau genommen nicht gleich⸗
bedeutend, denn das leßtere umfaßt mehr. Doch wird es heutiges
Tages oft in jenem Sinne genommen.
8. 27.
Die Ergebnifie der öffentlichen Wirthfchaftölehre find auch,
wenn man bie Angelegenheiten bed Menfchengefchlechted® aus
einem höheren fittlichen und weltbürgerlichen Gefichtöpuncte übers
fhaut, beruhigend und erfreulich, $. 14. 15. Sie zeigen, baß
der MWohlftand nur da feine bleibende Wohnftätte findet, wo
Gerechtigkeit, gefegliche Orbnung, bürgerliche Freiheit, Sicherheit
und Bildung Wurzeln gefchlagen haben. Sie geben, was ins;
befondere das Berhältniß der Staaten zu einander betrifft, bie
Üeberzeugung, baß ber Wohlftand eined Volkes nicht durch Er-
oberungen, Erprefiungen oder Schwächung ber Betriebfamfeit
anderer Völfer, fondern nur durch den eigenen Kunſtfleiß und
den hierauf gegründeten, freien, beiden Theilen nüglichen Taufchs
verkehr dauernd gefördert werden fonne. Mean hat aufgehört,
in der Blüthe anderer Staaten ein Hinderniß ber eigenen Wohl
fahrt zu erbliden und findet fchon hierin einen Antrieb, den
völferrechtlichen Beftand und die freundliche Annäherung zwiſchen
den Staaten zu unterflüßen (a).
(a) Nebnlihe Bemerkungen giebt auch Scialoja, Principj, ©. 364 und
fchließt mit folgenden Worten: „Dieſe Wiflenfchaft wird von Taa zu
Tage größeren Einfluß aewinnen. Sie wird allen Bölfern der Erde
beweifen, daß der Menfch feines Schidfals eigener Schmied ift, und
daß nicht Zufall oder Glück fondern Kunſt und Wiflenfchaft die Völker
groß machen.‘
IH. Geſchichte der politifchen Oekonomie.
8. 28.
Die Gefchichte der Vorftellungen, die jeded Volk und jedes
Zeitalter von dem Wefen des Bolfövermögend und den Bedin⸗
gungen des Bolfdwohlftandes, fowie von der wirthichaftlichen
Politik hatte, ftüßt ſich zunächft auf die hierüber verfaßten Schrifs
ten, fchöpft aber auch aus der Kenntniß der Staatdeinridytungen,
infoferne dieſe ald Erzeugniffe wirthfchaftlicher Meinungen gelten
fönnen. (a) Aus diefer Gefchichte ift deutlich zu erfennen, wie
fchwer es ift, fih von der bürgerlihen Wirthfchaft zu einer
richtigen Erfenntniß des Wirthfchaftöweiend ganzer Staaten zu
erheben, und wie fowohl ber Anftoß zum Nachdenken über das
Ießtere als bie Richtung, welche man bei diefen Unterfuchungen
einfchlug, meiftend von Außeren Umftänden ausgingen. Weber
einzelne Abfchnitte der wirthfchaftlichen Politik, insbefondere der
Finanzwiſſenſchaft, mußten ſich ſchon früh beftimmte Anfichten
bilden, weil bie Regierungen nicht umhin fonnten, zu handeln;
die geordnete Erfenntniß der Volkswirthichaft in ihrem Zufams
menhange entftand dagegen fehr fpät, nicht vor dem 18. Jahrs
hundert. Die Alten drangen in das Wefen berfelben nicht
tief ein und viele der wichtigften Gegenftände blieben ihnen
ganz fremd; daher befchränfte fich die Volkswirthſchaftspflege auf
wenige einfache Maaßregeln, deren Zweckmaͤßigkeit feicht zu beurs
tbeilen war; aud) das Finanzweſen berubte nicht auf feften Grund⸗
fäben, und zeigte oft nur dad Beftreben, auf den fürzeften Wegen,
ohne Beachtung der Folgen, Einfünfte für die Staatdcaffe zu
gewinnen (d). Unter die Urfachen diefer Unbefanntfchaft mit den
inneren Gefeten des Nahrungswefens gehört die zum Theile
aus der Sklaverei zu erflärende allgemeine Geringſchaͤtzung ber
ftoffveredelnden Gewerbe (Gewerfe), und, was indbefondere bie
Griechen betrifft, die alle Aufmerffamfeit auf ſich ziehenbe
Regfamfeit des öffentlichen Lebend, wobei die SParteifämpfe im
Innern und dad Ringen nad) Macht gegen Außen die meiften
Kräfte in Anſpruch nahmen und feine lebhafte Theilnahme an
wirthfchaftlichen Angelegenheiten auffommen ließen (c).
(a) Die Geſchichte der politifhen Oekonomie ift erft in ber neueften Zeit
ausführlich behandelt worden und es ift Hierin noch viel zu Teiften.
Blanqui, Histoire de l’&conomie politique en Europe, P. 1837.
U B. 3. Ausg. 1845. Deutidh von Buß, 1845. U B. — Ville-
neuve de Bargemont, Histoire de l’&con. polit. P. 1841. II ®.
— Lodov. Bianchini, Delle scienza del ben vivere sociale e della
economia degli stati. I. Palermo, 1845. (Dieler erfte Band ift ganz
von gefchichtlihem Inhalte. Er fchildert die Staatseinrichtungen vom
Anfang des Mittelalters an, die allgemeinen wiſſenſchaftlichen Rich⸗
tungen und die befonderen fchriftftellerifchen Arbeiten im flaatswiflen:
fhaftlien und flaatswirthfchaftlichen Fache.)
(5) Indeflen fehlt es in der Staatsverwaltung bes Alterthums, ſoweit fle
uns befannt geworden ift, nicht an mwohlberechneten, den Ortsverhälts
niffen angemeffenen Ginrichtungen, obgleich die vielen großen Anftalten,
bie den Gewerbfleiß der neuern Bölfer unterflügen, jenem Seitalter
verborgen blieben. Hauptichriften hierüber: Heeren, Ideen über die
Politik, den Verkehr und den Handel der vornehmften Völfer der alten
Melt. Dritte Ausg. Göttingen, 1815. III B. — L. Reynier,
(f 1824), De l’&conomie publique et rurale des Perses et des Phöniciens.
Gendve et Paris, 1819. (Der Berfaffer handelt unter diefem Titel die
Staatseinrihtungen und das Gewerbeweien ab.) — De !’Scon. publ. et
rur. des Arabes et des Juifs. @bend. 1820. — De l’&con. publ. et
rur des Egyptiens et Carthaginois. @bend. 1823. — De Y’6con. publ.
et rur. des Grecs. Gbend. 1825. — Boͤckh, Die Stantshaushaltung
der Athener. Berlin 1817. II. 2. EI. 1850.
(2) Simonde de Sismondi, Nouveaux principes d’&con. pol. I, 15. —
Rau, Anfichten der Volkswirthſchaft L Abb. — Lok, Hanbbud der
Staatswirthih. I, 76. — Say, Handb. VI, 266. — Blanqui, am
angeführten Ort. — Baumflarf, Bolkswirthichaftliche Erlaͤuterun⸗
gen, 1838. I. Abh. — Schägbare Beiträge bei Uhde a. a. O
8. 29.
Unter den philofophifchen Schriftftellern der Griechen findet
fih bei Zenophon (a) und Ariftoteles (db) am meiften
hieher Gehöriges, während Platon Ausfprüce im Zuſammen⸗
bange mit feinem ganzen philofophifchen Syfteme genommen
werben müflen und deßhalb weniger für die Anfichten feiner Zeit
beweifen. Die griechifchen Philofophen betrachteten den Güter:
erwerb eben fowohl als alle Staatdangelegenheiten von ber
moralifchen Seite. Das Vermögen erfchien ihnen daher nur
ſchaͤtzenswerth ald Mittel zu einem edlen und wohlthätigen
Leben, dagegen erklärten fie das unbegränzte, aus Genußfucht
bervorgehende Streben nach Reichthum für unfittlich, indem das
wahrhafte Bebürfniß Außerer Güter feine Grängen habe. Deß⸗
halb, und weil man bei den Gewerben zugleid den Einfluß
beachtete, den fie auf geiftige und Zörperliche Bildung ded Men⸗
fhen zu haben fchienen (c), aud) auf dad Grunbeigenthum vor-
züglichen Werth legte (d), wurde ber Landbau für den einzigen
Rahrungszweig gehalten, weldyer eines freien, feingefitteten
Mannes würdig fel; an die anderen Gewerbe und Lohnarbeiten
fnüpfte ſich die Vorftellung von Unanftändigfeit und fehimpflicher
Abhängigkeit von Anderen; auch der Handel, obſchon als nüß-
lih anerfannt in Anfehung ber Güter, die er berbeiführt, wurbe
body den wucherlichen Erwerböfünften beigefellt und das Wefen
bed Capitals nicht geahnt, während man über bie Natur des
Geldes richtig dachte (e). So zeigt fidh, daß bei einzelnen hellen
Blicken in das wirthfchaftliche Gebiet dafjelbe doch nicht in feinem
Zufammenhange aufgefaßt wurbe.
(a) Borzüglich das Geſpräch, welches olxovouinög Adyos, oeconomicus, übers
fhrieben il. Hildebrand, Xenophontis et Aristotelis de Oecon.
publica doctrinae illustrantur, Marburger Prorectoratsprogramm, 1845.
(5) Im erften Buche feiner Bolitif. Weber beide Schriften f. insbefondere Rau,
Anfihten a. a. D. — N. teilt die Erwerbsarten fo ein: 1) Gigene
Gewinnung der Nahrungsmittel; 2) Erwerb im Berfehre, deflen Regeln
die Chrematiftif bilden. a) Gewinnung nüßlicher Stoffe für den
Berfauf, öfonomifhe Chrematiftif, db) unebler Gewinn aus
dem bloßen Taufche, Metabletif oder Kapelik, 3. B. Geldwucher.
— Bon der Defonomif des N. foll das erſte Buch nach Ginigen den
Theophraſt zum Berfafler haben, auch die Aechtheit bes 2ten if
zweifelhaft. Hildebrand, ©. 7.
(6) Nur auf die Sklaven wurde biefe Betrachtung nicht angewentet, wie
man jene überhaupt nur für Mittel, nicht für Weſen, die ihre Beſtim⸗
mung in fich tragen, anzufehen geneigt war.
(d) Stein, in der Zeitfchritt f. die gef. Staatswifl. 1853. ©. 115 ff.
(e) Aristot. Politic. I, 9. Ethicor. ad Nicom. lid. V. und auf ähnliche
Meife Paulus L. 1. Pandect. de contrah. emt. (XVIII, 1.).
8. 30.
Die Römer (a) gingen in biefem Gegenftande im Allges
meinen nicht weiter, als ihre Xehrer, die Griechen. Es fonnte
zwar nicht fehlen, daß vielfeitig gebildete und im Denfen geübte
Männer, wie namentlih Cicero, einzelne Gegenftände der
politifhen Defonomie, befonderd die Stammbegriffe und Grund:
fäge derfelben, öfter berührten und richtig auffaßten (d), aber
fie ahnten nicht, daß diefelben fich mit anderen, noch unbefanns
ten Wahrheiten zu einem wiffenfchaftlichen Ganzen verbinden
laffen, und verfolgten fie nicht. Das häufig ausgeſprochene Rob
der Sparfamfeit und Genügfamfeit hängt mit einer fubjectiven
Anficht des Reichthums zufammen, nach welcher diefer ſich Haupt
fählih nah dem Maaße der Bebürfnifle beftimmen follte (ec),
indeß läßt ſich deutlich bemerken, daß auch von ber anderen Seite
ber Reiz und Vortheil des reichlichen Gütergenufles, die gemein-
nügigen Wirkungen bed Reichthums Einzelner und das Gebot
ber Staatöflugheit, den Volkswohlſtand zu erhöhen, nicht ganz
verfannt wurden (d). Das Urtheil über Werth und Nutzen
ber verjchiedenen Gewerbsclaſſen flimmte mit der Meinung ber
Griechen ziemlich überein (e), vermochte jedoch nicht, bie für
unfittlich gehaltenen Erwerbömittel zu verbrängen (f).
— 29 —
e) Hermann, Diss. exhibens sententias Romanorum ad oeconomiam
universam s. nationalem pertinentes. Erlangae, 1823. Die Fi mit
großem Se zufammengefudten Stellen aus römilhen Schriftftellern
machen es ſehr deutlich, wie viel diefen unbefannt war. — Die eben:
falls verdienftliche Abhandlung von N. C. Calkoen (Over eonige staats-
huishoudkundige gevoelens en stellingen in de geschriften der Ouden
en vooral in die van Cicero vorkommende), nad des Berf. frühem
Tode von Prof. den Ter in den Bydragen tot Regtsgeleerdheit en
Wetgering, VI, 3. St. ©. 413, 1832, befannt gemadt, ftellt Aeuße⸗
sungen Cicero's mit den Lehren neuerer Schriftleller zufammen. —
Ueber die roͤmiſche Staatsverwaltung in flaatsöfonomifcher Beziehung ſ.
Dureau de la Malle, Economie politique des Romains, P. 1840. Il.
(verbreitet fih aud über andere Staatseinrichtungen.. — Meber bie
Gewerke bei den Römern Weinlig, Industria Romanorum digestorum
ot codicum locis nonnullis explanata Erlang. 1846. Partic. I. und IL
(5) 3. B. die verfchiedenen Zweige der Gewerbsarbeit, die hohe Wichtigkeit
der Mrbeit, der Einfluß der Wiflenfchaften auf die Production, das
Zufammenmwirfen der Denfchen in Verkehre. In hoc naturam debemus
ducem sequi et communes utilitates in medium afferre, mutatione offcio-
rum, dando, accipiendo, tum artibus, tum opera, tum facultatibus de-
vineire hominum inter homines societatem. Cic, ofäc. I, 7.
(e) Gtellen in Calkoen a. a. O. 8. 1.
(d) Cic. de rep. III, 12. betrachtet die Erwerbung des Reichthums als
Forderung der sapientia, die freilich von der justitis unterfchieden wird;
f. ferner Calkoen, $. 3, 4, 16
() Die Hauptftelle il Cicero offic. I, 42. Iliberales autem et sordidi
quaestus mercenariorum . .. ., sordidi etiam putandi, qui mercantur
a mercatoribus, quod statim vendant, . . . opificesque omnes in sordida
arte versantur, nec vero quidquam ingenuum potest habere officina.... .
Mercatura autem, si tenuis est, sordida putanda est, sin magna et co-
pioss multa undique apportans, .. .. . non est admodum vituperanda,
stque etiam, si satiata quaestu vel contenta potius, ...... videtur
jure optimo posse laudari. Omnium autem rerum, quibus aliquid acqui-
ritur, nihil est agricultura melius, nihil uberius, nihil dulcius, nihil
homine libero dignius.
() Hermann an. O. S. 29.
>
8. 31.
Mährend bes Mittelalterd ruhten die Unterfuchungen über
Wirthfchaftdangelegenheiten (a); erft gegen bad Ende dieſes
Zeitraums entſtand bie Außere Veranlaffung, welche ihre Wieder:
erwedung herbeiführte, nachdem bei der neuen Belebung bed
wiffenfchaftlichen Eifer auch die Staatöwiffenfchaft wieder ‘Pflege
und Bearbeitung in manchfaltiger Weife gefunden hatte. Die
Defeftigung der Iandeöherrlichen Gewalt brachte eine Fraftvollere
MWirkfamfeit in allen Berwaltungszweigen hervor, dieß vers
größerte aber nothwendig die Staatsausgaben, und in den Schwierig»
feiten, welche mit der Aufbringung ber erforderlichen Staats
— 80 —
einkünfte verfnüpft waren, lag eine Aufforderung, nicht nur mehr
Drbnung in bad Finanzweien zu bringen, fonbern auch mehr
Aufmerkſamkeit als biöher auf den Gewerbfleiß der Bürger zu
verwenden und auf die Erhöhung des Volkswohlſtandes Hinzu:
wirken. Hiezu fehlte es aber an ficheren leitenden Grundfägen,
man vermochte fi noch nicht zu einem Ueberblick der ganzen
Volkswirthſchaft und zur Einficht in den inneren Zufammenhang
ihrer Theile zu erheben, man hielt fidy daher mehr an einzelne
Erfcheinungen, fuchte einzelnen auffallenden Uebelftänden zu be⸗
gegnen und einzelne Gewerbözweige zu befördern (5). Eine
Volkswirthſchaftspflege, bie der Volköwirthfchaftslchre voraus⸗
ging, konnte nicht frei von Einfeitigfeiten und Mißgriffen fein.
In den Städten, beſonders in den freien Handeldftädten, hatte
fih im Mittelalter der meifte Wohlftand, die größte Regiam-
feit und Kenntniß gewerblicher Angelegenheiten entwidelt, hier
waren Handwerfe, Fabriken, Handelszweige blühend geworden
und verfchiedene Hülfsanftalten für den Verkehr entftanden, daher
war man geneigt, von hier Regeln für die Leitung ded Gewerbes
wefend aufzunehmen, ohne zu bedenken, daß diefelben für größere
Zänber nicht ganz pafiend fein fonnten.
(a) Ueber a omat von Aquino (} 121), der fih an Ariftoteles
anfhließt, ſ. Schön, neue Unter. ©. 10. — Ueber die Volkswirth⸗
ſchaft und öfonomifche Politik im Mittelalter, vorzüglid in Oberitalien,
enthält lehrreihe Nachrichten L. Cibrario, Della economia politica
del medio evo, Torino 1839.
(d) Gin einzelner Lichtpunet im Mittelalter ift bie, neulich von Fr. von
Naumer (Geichichte der Hohenflauffen) ausführlid geichilderte Ver⸗
waltung Friedrichs IL in Neapel zu Anfang des 13. Jahrhunderts.
$. 32.
In der Gefchichte der politifchen Defonomie der drei legten
Jahrhunderte (a) treten drei verfchiedene Grundanfichten hervor,
welche man. unter dem Namen der drei ſtaatswirthſchaft—
lihen Syfteme aufführt. Diefelben bilden auch wirklich die
benfwürbigften und einflußreichften Erfcheinungen in dem Ger
. banfengange und ftehen unter einander in einer gewiflen Ber:
bindung als Ausbildungsftufen der Wiffenfchaft, denn in ben
zwei älteren Syſtemen zeigen ſich Einfeitigfeiten und Irrthümer,
deren Ausgleichung und Berichtigung dem dritten, neuften vor-
behalten blieb. Gleichwohl läßt ſich nicht das ganze Schriften
— 1 —
thum unter die Reihenfolge dieſer drei Syſteme ordnen, weil nicht
alle Zeitgenoſſen in die eigenthümlichen Lehren derſelben eingingen-
Die wirb fehr leicht begreiflich, wenn man bedenkt, wie Vieles
in dem Zuftande ber bürgerlichen Geſellſchaft noch während
dieſes Zeitraumd ber Entftehung und Verbreitung des Wohl:
ſtandes unter den Staatdbürgern im Wege ftand, wie viele
Berbefierungen folglich zu empfehlen waren, deren NRüglichfeit
fchon bei einer oberflächlichen, wenn nur unbefangenen Erwägung
nicht zu verfennen war, 3. B. der Drud der Geudallaften auf
bie Landleute, dad erftartte felbftfüchtige Zunftwefen, die Privi⸗
legien in mandjerlei Bewerben, die ſchlechten Straßen, das
ſchlechte Muͤnzweſen, die hohen Zölle im Innern der Länder, die
Willkür in der Erhebung verfchiedener Abgaben, das mangelhafte
Steuerweien, die Verſchwendung in den Staatsaudgaben, die
Beruntreuung öffentlicher ©elder und dergl. Es laſſen fih aus⸗
gezeichnete Staatömänner nacdhweifen, wie Sully (d) und Ans
dere (c), deren Strebeziel in der Heilung biefer Gebrechen bes
ftand und weldjye den verfchiedenen Zweigen des Gewerbfleißes
gleiche Sorgfalt widmeten, wie denn auch manche Schriftfteller
fih durch ein richtiged Gefühl von den Abwegen ber früheren
Spfteme frei erhielten, oder, wenn fie dieß nicht ganz vermodh-
ten, doch zugleich durch andere wohlbegründete Xehren ſich bleis
bende Verdienſte erwarben.
(a) Travers Twiss, View of the progress of politic. econ. in Europe
since the 16. century. Lond. 1847.
(4) Marimilian von Bethune, Marquis von Rosny, Herzog von
Sully (geb. 1560, geit. 1641), leitete von 1598 bis 1610 unter
Heinrich IV. die franzöflfhe Staatswirthſchaft. Der Hauptgegenflann
feiner Bemühungen war, die unglaubliche Zerrüttung im Finanzwefen,
die Zerfplitterung und Beruntreuung der Staatseinkünfte, die Bedruͤckun⸗
en der Finanzpachter zu befeitigen. Dieß gelang ihm auf das Volls
Rändigfe, auch legte er den Grund zu einer Verbeflerung des Staats:
rechnungsweſens. In der Weberzeugung, daß die Landwirthfchaft bie
Hauptquelle des Bolfswohlftandes fei, ließ er fi die Emporbringung
dieſes Gewerbes angelegen fein, was bei der bedrängten Lage der von
vieljährigen Kriegsleiden niedergebeugten franzöfifchen Landwirihe doppelt
nöthig war. Auch hierin war fein Beſtreben erfolgreich, er befreite den
Landbau von manden Laflen, gab dem Getreidehandel Freiheit und
erhöhte dadurch die Betriebfamkeit im ganzen Lande. Die Getreides
ausfuhr wurde anfänglidy mit einem befonderen Zoll, Ya 1601 ohne
denjelben freigegeben. (Das f. Edict hierüber vom 20. Febr. 1601 in
des Essarts, Dietionnaire universel de Police, IV, 429. Paris 1787).
Inde Fam Sully, der mit vielen Schwierigfeiten u fämpfen hatte,
nit dazu, feine Ueberzeugungen vielfeitig zu entwideln und in Auss
— 32 —
führung zu bringen, ſowie er auch von manchen JIrrthuͤmern nicht frei
zu fprechen ift, 3. B. übermäßiger Abneigung gegen ben Luxus, gegen
die Seidenproduction und theilweife fogar einer Hinneigung zum
Handels ſyſtem sc. Sein Leben und feine ®rundfäge hat er in fernen
Memoiren für die Nachwelt aufgezeichnet. - Auszug daraus, nur bie
Staatsgeichäfte betreffend: Esprit de Sully, Dresde 1768. Bgl. auch
Kryger über Sully und Golbert, in Schrebers Neum
Kameralfchriften, VILL, 1, aus dem Schwediſchen überf. — Parrot,
Verſuch einer allgemeinen Entwidelung der flaatewirthichaftl. Grund⸗
fäge und Verordnungen Sully’s. Stuttg. 1779. 46. — Blanqui,
Hist. 1, 392. Ä
(c) Gin deutfcher Fürk, Kurfürk Auguft von Sachen (gef. 1586), übers
traf Sully an vielfacher Wirkjamteit für alle Zweige der Betriebfamteit.
Polis, Jahrb. d. Geſchichte u. Staatsfunft, 1828. I, 130. — Hasse,
De cura peculiari, quam Saxonise principes inprimisque Augustus
Elector rei familiari impenderunt. Lips. 1828. j
$. 33,
Das Zeitalter Sully’& hatte nicht genug Empfaͤnglichkeit
für feine Grundjäge, weil ed nad) einer andern Richtung bins
geriffen wurde. Die Entdedung des Waſſerweges nach Oſtindien
hatte den Portugiefen ben überaus einträglichen oftindifchen
Handel, die Entdedung Amerika's den Spaniern die reichen
Gold» und Silberbergwerfe von Merico, Peru und Ehili eröffnet.
Die Holländer traten gegen Ende des fechszehnten Jahrhunderts
als Nebenbuhler der Portugiejen auf, verbrängten diejelben gänz-
lid) und erreichten durdy den Colonialhandel einen erftaunlichen
Grad von Reichthum und Madıt (a). Auch die Engländer
nahmen, ſeitdem Eliſabeth und Cromwell den Seehanvel zu
heben begonnen hatten, an diefen Gewinnften Theil. Die edlen
Metalle ftrömten aus America nad) Europa und erhöhten die
Preiſe aller Dinge, wodurd die Gewerböunternehmer gewannen
und zur Erweiterung ihrer Gefchäfte ermuntert wurden. Gold
und Silber wurden daher ald dad wünjchenswerthefte fachliche
Gut angefehen, durch defien Belig man unfehlbar reich und mächtig
werde (5). Der Sinn der Regierungen lenkte fih allgemein
auf den auswärtigen Handel; auch die meiften Schriftfteller
theilten die Meinung, daß er dad Hauptmittel fei, um Reich⸗
thum zu erlangen. So bildeten fich allmählig die Vorftellungen
und Regeln aud, die man jegt in ihrem Zufammenhange das
Handelös (Mercantils) Syſtem nemt.
(a) Indeß waren die Holländer ſchon porher wohlhabend zufolge des Han⸗
dels mit dem noͤrdlichen Curopa, ſ. Lueder, Geſchichte des hollaͤnd.
— 3 —
Handels. Nah Luzacs Hollande Rykdom bearbeitet. S. 87.
(Leipz. 1788).
(6) Man überſah, daß die damalige Steigerung bes Gewerbfleißes und
Wohlſtandes hauptjächlich dem gewinnvollen Handel mit Coloniaiwaaren,
bem regeren Unternehmungsgeifte, den vermehrten Hanbdelsverbindungen
und dem durch neue Benüfle und Bebürfniffe verftärkten Erwerbseifer
zuzufchreiben war.
8. 34.
Die Grundfäpe des Handelsſyſtems waren im 16. und
17. Jahrhunderte fehr verbreitet und ihr Urfprung ift zum Theile
noch älter. Keine einzelne ‘Berfon kann als Urheber dieſes Lehr⸗
gebäudes bezeichnet werden, wohl aber läßt ſich Joh. Bapt.
Colbert, franzöftfcher Binanzminifter unter Ludwig XVI., als
derjenige Staatömann nennen, ber das Handelsſyſtem zuerft
beharrlich und volftändig ausführte, weßhalb man baffelbe fpäter-
bin bisweilen nach ihm benannte (a) und ihn wie ein Vorbild
betrachtete (d). Die gewaltfamen Eingriffe in den Gang bed
Gewerbeweiens, wie fie Colbert in feinen Verordnungen vor
nahm, waren zu jener Zeit überhaupt üblih. Die Unbefannts
haft mit dem Weſen der Volkswirthſchaft hatte ſich fchon lange
darin gezeigt, daß man fich nicht fheute, irgend einen für nüß-
lich erachteten Erfolg mit rüdfichtölofen Zwangsmitteln, z. B.
Verboten ber Auss oder Einfuhr, zu befördern (c) und bie
Gewerböunternehmer mancherlei willfürlichen Bejchränfungen zu
unterwerfen, wodurdy man begreifli) dem Auffchwunge ber
Erwerbsgeſchaͤfte im Ganzen ſchadete. Hatte der eine Staat in
folhen ungeftümen Anorbnungen ein übled Beifpiel gegeben, fo
war ed natürlich, daß andere Regierungen bafjelbe nachahmten
und gegen ben erften Urheber erwiberten, befonderd wenn ihre
eigenen Unterthanen von den Maaßregeln vefielben litten. Erft
durch die fpäteren Yortfchritte der Wiffenfchaft lernte man ben
Gang der Volfswirthfchaft zu beachten und zu fhonen (d).
(a) Eolbertismus, Colbert'ſches Syftem.
(5) Golbert mar geb. 1619, wurde 1661 Contröleur gönsral des finances,
farb 1683. Wie Sully fand auch er große Verwirrung im Finanz⸗
wefen vor, deren Hebung ihm fu gut gelang, daß er das reine Staatd
einfommen von 89 auf 105 Mill. Liv. erhöhte. Da die Verſchwendung
eines üppigen Hofes und mehrere Kriege die Staatscafle in hehem Grabe
in Anſpruch nahmen, fo faßte er, um ihr neue Hülfsquellen zu eröffnen,
den Gedanken, Fabriken und Handel in Schwung zu feßen und fo den
allgemeinen Wohlftand zu erhöhen. GErmunterungen und Prämien
zogen geſchickte Künftler herbei, die Geidenfabriten zu Lyon und Tours,
Rau, polit. Dekon. 1. 7. Ausg. 3
(ed
— 3 —
deren Grund freilich ſchon von Heinrich IV. gelegt war, die Tuchfabriken
zu Sedan, Abbeville ıc., die Strumpf⸗ und Tapetenwirkereien, bie
Spiegelfabrifen und andere mehr hoben ſich auf überrafchende Weife.
Mit Hülfe der Begünftigungen der inlaͤndiſchen Schifffahrt vermehrte
fih die Zahl ber Sande sichiffe und die Lchhaftigfeit des Seehandels;
Handelsverträge beförderten den Abſatz franzoͤfiſcher Waaren in anderen
Ländern, große Handelsgefellichaften Famen zufolge ertheilter Privilegien
zu Stande. Doch war Iegtere Wirfung von geringem Nutzen; bie
weftindifche Handelscompagnie ging fhon 1669, nad 5 Jahren, wieder
ein. Zu diefen Maaßregein, für die ihm noch jept Frankreich dankbar
ift, gefellten fi noch andere, 3. B. Gründung der acad&mie francaise,
1663, der academie des sciences, 1666, Anlegung des Canals von
Languedoc, 1661 ff. Manches Andere gelang ihm nicht, beſonders bie
beabfichtigte Aufhebung der innern Zölle und die Berbeflerung des
Steuerweiens. Zu feinen wichtigſten Unternehmungen gehören 1) bie
Anordnung ber auf die Beſchuͤtzung des inländiichen Fabrikweſens hins
zielenden Sränzzölle, hauptſaͤchlich u. bie Berorbnungen von 1664
und 1667, welche vorzüglich gegen die Holländer gerichtet waren. Die
beiden Tarife, deren zweiter höhere Zollfäge enthielt, aber in Folge des
Nymwegifchen Briedens 1678 wieder zurüdgenommen werben mußte,
waren von Savary entworfen. Das Zolledict von 1664 zählt alle
unter Ludwig XIV. getroffenen Beförderungsmanßregeln des Gewerbe⸗
wefens auf und ſpricht das nunmehrige Vorhaben aus, d’attirer l’abon-
dance, wozu ber auswärtige Handel dienen folltee — 2) Die vielen
Verordnungen , vermittelft derer? man die pünftlichfte Beobachtung bes
bei den verfchiedenen Demerbögieigen damals üblichen Verfahrens er:
zwingen wollte, eine DMaaßregel, die von Colbert's Nachfolgern noch
viel weiter getrieben wurde und den @ewerbfleiß nicht wenig beengte.
Chaptal De l’industrie franc. I, XLII. — Ueber Golbertf. Necker,
Floge de O., P. 1780. — (de Monthion) Particularits et obser-
vations sur les ministres des finances de la France les plus c&läbres,
©. 20. Paris 1812. — Lemontey in ber Berue encyclopedique,
Sunius 1822. T. XIV. — Blangqui, Hist. I, 410. II, 5. — Bian-
chini, I, 139. — Clement, Histoire de la vie et de l’administre-
tion de Colbert, Paris 1846. — Cochut in Berue des deux
mondes, XV, 462. (1846). .
Belege bei C. Moreau, Meber Wollhandel und Wollmanufactur in
Großbritannien, deutſch Berl., 1829. 40. Im J. 1337 Verbot ber
Mollausfuhr bei Todesftrafe, Verbot der Tucheinfuhr. In Venedig und
in Spanien unter Karl V. wurden ſolche Handelsverbote und Soll:
maaßregeln ebenfalls früher getroffen, als in Frankreich, und Golbert
übte im. a unbe eine Erwiderung aus, wie fie feitbem oft vorge
ommen ifl.
(4) Rau Zur Kritit über Lifte nationales Syſtem der politifchen Defon.
8. 36.
Der Grundirrthum des Handel ſyſtems (a) liegt in bem
falſchen Schluffe, daß, wie der einzelne Bürger ſich durch Geld⸗
gewinn bereichert, fo auch in einem ganzen Volke die Vermeh⸗
rung des Metallgeldes das befte Mittel zur Erhöhung des Wohl
ſtandes fei. Bon biefer Ueberfchägung bed Metallgelded vermochte
man fich nicht loszureißen, ob man gleich auch nicht verfennen
-
— 55 — ‚
konnte, daß daſſelbe für ſich gar Fein menſchliches Bebürfnig bes
friedige (5). Für Länder, die nicht aus eigenen Bergwerfen
Gold und Silber erhalten können, bot fich fein anderes bauern-
bes Mittel zur Erlangung biefer Stoffe dar, als fie im Handel
vom Auslande herbeizuziehen. Dieß glaubte man bamit bes
wirken: zu fönnen, daß viele im Lande erzeugte Waaren zu
andern VBölfern hinausgeführt, aber nur wenige frembe herein-
gebradht würden, indem man annahm, daß dann ber ganze
Ueberfhuß der Ausfuhr über die Einfuhr vom Auslande in
Geld bezahlt werden müfle. Der Unterfchied zwifchen ver Größe
ber Aus⸗ und Einfuhr wurde Handelsbilanz genannt und
diefelbe dann ald günftig angefehen, wenn bie Ausfuhr größer
war ald die Einfuhr. Die ftatiftifche Erforfchung der Handels»
bilanz jeded Staated ward. zu einer wichtigen Aufgabe, der
innere Handel aber, da er feine Vermehrung der Geldmenge
bewirkte, erfchien ald gleichgültig oder doch unbedeutend.
(a) Meber daſſelbe Adam Smith, Untaf. I, 233—541. — Stord
Handb. I, 57. III, 260. — Lotz, Hanbb. I, 95. — Geier, Eharaf:
teriftif des Handels, Würzb. 1825. ©. 123. — Mac:-Eullod,
Grundfäge der pol. Deton. S. 22. — Schmitthenner, Zwölf
Bücher vom Staate, 1, 84.
(6) Die Schriftfteller verfuchten allerlei Wendungen, um dem Widerfpruche
auszumweichen, ber notöimenig zutfchen diefen beiden Sägen liegt; fle
nahmen z. B., wie von Bielfeld und Steuart, die Bemerkung zu
Hülfe, das Geld fei wenigftens Das unzerflörbarfte Gut und daher zur
Anfammlung von Vermögen am brauchbarftien, Rau, Anſichten ber
Volkswirthſchaft, S. 146. — Forbonnais und Ferrier betrachten
das Geld als das Mittel, die Production zu erhalten und zu befördern,
und legen darum auf feinen Anwuchs großen Werth.
6. 36.
Zur Gewinnung einer foviel ald möglich günftigen Handels⸗
bilanz erachtete man für dienlich, alle Zweige von Fabrikarbeit
im eigenen Lande hervorzurufen, damit man nicht bloß feine
Kunftwaaren einzuführen brauchte, fondern nody große Vorräthe
berfelben auszuführen hätte; die Ausfuhr von Rohftoffen hielt
man nicht für fo nüglich, weil fie weniger Geld einbringe. Es
wurden überhaupt folgende Mittel in Anwendung gebradyt und
empfohlen:
1) Man fuchte durch Verbote oder wenigftens durch anfehns
liche Zölle zu verhindern, daß fremde Kunftwaaren eins und rohe
inländifche Stoffe.ausgeführt würden. Letztere Maafregel
3°
— 36 —
beabfichtigte theild, daß die Ausländer genoͤthigt würden, ſtatt
bed rohen Stoffes vielmehr die baraus verfertigte Waare zu
faufen, theil® aber, daß die inländifchen Fabrikanten die Stoffe
und Lebensmittel wohlfeil einkaufen könnten. — Die auf Eins
und Ausfuhr gelegten Zölle machten jene Fünftlichen Einrich⸗
tungen an den Zandesgrängen nothwendig, die ſich noch heutige®
Tages in den meiften Laͤndern erhalten haben, jedoch zum Theile
auch dazu dienen, eine Staatdeinnahme zu geben.
2) Dagegen wurde bie Ausfuhr von Fabrikwaaren fowie
bie Einfuhr roher Stoffe freigegeben oder noch befonderd mit
-Brämien begünftiget. |
3) Das Ausführen von Gold und Silber wurde nachdrück⸗
lich verboten (a).
4) Zur Errichtung neuer Gewerbszweige wendete man Bes
Iohnungen, Borfhüffe und mandherlei andere Ermunterungd-
mittel an.
5) Es wurden Hanbdelöverträge mit anderen Staaten ge
fhlofien, um die Ausfuhr von Landeserzeugniſſen zu befördern.
6) Große Handelögefellichaften wurden mit ‘Privilegien aus⸗
geftattet, um fchmwierige Zweige ded auswärtigen Handel® zu
unternehmen.
7) Man ftrebte nach dem Belige von Colonieen in anderen
Erbdtheilen, die man dann lediglich ald Mittel behandelte, ſowohl
um den Fabriken des Mutterlanded größeren Abfag zu ver-
fhaffen, als um zu einem einträglichen Handel mit Colonials
waaren Gelegenheit zu geben.
(a) Dies geſchah fhon im alten Rom (Cic. pro Flacco c. 28) und 1393
An Florenz, Hüllmann, Stäbteweien IV, 99. Die venetianifche
SHandelspolitif war aufgeflärter, fie verbot fogar den Kaufleuten, aus
Ländern, auf deren Grzeugniffe man befondern Werth legte, 3. B. aus
Sranfreih und Ylandern, baares Geld nad) Venedig zu bringen, Dep-
‘ping, Histoire du commerce entre le Levant et l’Europe. P. 1830.
— Minerva, Aug: 1830. ©. 233. — In England wurden fhon im
14. Jahrhundert Anordnungen getroffen, um das Geld im Lande zu
erhalten und au mehren. Die Handelscorporationen in gewiflen Städten
mußten darauf achten, daß ein Theil des Brlöfes aus der Wollenauss
fuhr in fremder Münze oder Barren einging. Fremde Kaufleute, melde
Waaren einführten, wurden angehalten, ihren Gelderloͤs zum Ankauf
englifcher Waaren für die Ausfuhr zu verwenden und man ftellte fie
zur Ueberwachung dieſes Gebots unter die Aufficht angefehener Bürger
(1440). Pilger, die ins Ausland reifeten, durften nur Wechfel mits
nehmen und der Ausfteller, wenn er ein Fremder war, mußte ſich vers
pflihten, englifhe Waaren dafür auszuführen. Edinb. Rev. Nr. 172.
S. 426. (April 1847). Später fuchte man den nämlichen Zweck durch
Ginfuhrzölle zu erreichen.
8. 37.
Das Handeldfyftem läßt fchon darin die Kindheit der politis
fchen Defonomie erkennen, daß feine Lehren nicht in methobdifchen
Zufammenhang gebracht, nicht auf tiefere Forſchungen gegründet,
fonbern nur oberflächlicy aufgefaßt wurden (a). Man trifft bie
einzelnen biefem Syſteme angehörenden Säge fchon bei Schrift-
ftellern bes fechszehnten Jahrhunderts (5), noch häufiger im
fiebenzehnten und in ber erften Hälfte des achtzehnten Jahr⸗
hunderts (c). Unter den italienifchen Schriftftellern, die vom
fechözehnten Jahrhundert an einzelne Abfchnitte der politifchen
Defonomie mit Scharflinn bearbeiteten, find mehrere den Handels⸗
fofteme ganz ergeben, andere wenigftend einigermaaßen von dem⸗
felben befangen (d). Indeß findet ſich keineswegs eine voll
ftändige Uebereinftimmung in Anfehung der obigen Säge ($. 35.
36.); manche Schriftfteller neigen fi in Hauptpuncten, 3. B.
in der Würdigung des inneren Verkehres und der Beftimmung
des Geldes, ſchon zu richtigeren Vorftellungen und geben fi)
nur noch durch den allzu hohen Werth, den fie auf die günftige
Handelsbilanz legen, ald Anhänger des Handelsſyſtems fund (e).
Nur Wenige erhielten fi) ganz frei von diefem Irrthum (f)-
In der neueften Zeit hat Sr. Lift durch lebhafte Vorliebe für
bad Fabrifwefen, welches er nad) feinem volkswirthſchaftlichen
Wirfungen weit über den Landbau erhebt, und durch eifrige
Empfehlung der Zolfchugmaaßregeln ſich dem älteren Handels⸗
fofteme genähert, ohne indeß die frühere Xehre von der Handels»
bilanz, welche fpätere Unterfuchungen gänzlidy widerlegt haben,
wieder aufzunehmen (g).
(a) Literatur des Handelsinftems bei Steinlein, I, 15. — Ueber bie
englifchen Schriftfteller des 16. u. 17. Jahrh. bat NRof her Licht vers
breitet: Zur Geſchichte der engl. Bolfswirthichaftslchre, Leipz. 1851. —
Nachträge 1851.
($) Jean Bodin oder Bodinus (f 1590), La r&publique, Liv. Vi. ch. 2.
Par. 1586 fol. und öfter; lateinifch: De republica, Par. 1586 fol und
öfter, älteſte Octavausgabe ebd. 1591. 8. (S. 655 der Ausg. v. 1586,
S. 964 von 1591.) Vgl. Rau, Primae lineae historiae politices,
Erlang. 1816, ©. 33, Lotz, Handb. der Staatsw. I, 59, Bianchini,
I, 152. — Baudrillard, J. Bodin et son temps. P. 1853.
() Th. Mun, Treasure by foreign trade, London, 1664, germuthlid zwifchen
1635 und 1640 gefchrieben. we % 0.0.0. ©.
— 88 —
J. Child, A new discourse of trade. London, 1668. Franzoͤſ. 1753.
J. F. Melon, Essai politique sur le commerce, Amst. 1735. Neuer:
lih abgedrudt in Collection des prineipaux 6conomistes, I. Deutſch:
Sena, 1740. Defien gefammelte Fleine Schriften, Kopenh. 1756.
C. Klock, De aerario. Norimb. 1651, 2. ed opera Chr. Peller,
1671 fol. Lib. II. cap. 24. 25. 66—70. 73.
% 3. Becher, Politifhe Difcurs von den eigentlichen Urfachen bes
Aufs und Abnehmens der Städte, Ränder und Republifen. Frankf. 1672.
6te Ausg. 1759. ©. 103 ff. der 3. Ausg. v. 1688.
W. v. Schröder, Fürftlide Schatz⸗ und Rentkammer, Leipz. 1686
und öfter, Gap. 29, S. 109 der Ausg. v. 1721.
Ch. Davenant (} 1714), Political and commercial works, Lond.
1771. V. B., einzeln erfchienen 1699 ff.
J. Law (} 1729), Considerations sur le commerce et sur l’argent.
& la Haye, 1720; das englifche Original ſchon 1705. (2. wird von
Schön, Neue Unterf. S. 15, als der wahre Repräfentant des Handels:
fyftems angeieben.)
MW. % V. ©. (Soh. 9. Horned): Deflerreih über alles, wann
es nur will, d. i. wohlmennender Füuͤrſchlag, wie mittelfi einer wohl:
beftellten Landes» Defonomie ıc. Leipz. 1654 u. d., befonders ©. 33
der Ausg. v. 1707. Kine mobernifirte Ausg. dieſes Buches, welches
in mehreren Auflagen verbreitet worden und nicht ohne Einfluß auf die
öfterreichifche Regierung geblieben war, bat den Titel: 3. v. Horned,
Bemerkungen über die öfterreih. Staatsöfonomie, umgearb. v. B. F.
Herrmann. 1784.
3.9 ©. v. Jufti (+ 1770), Staatswirthichaft, Leipzig 1755.
2. Ausg. 1758. II Bde. I, 195. -
J. F. de Bielfeld, Institutions politiques. à la Haye, 1760. II®.
4. u. öfter. I. Ch. 10—14. Deutſch: Lehrbegriff der Staatsfunft,
3. 9. 1777. DU. Ueber ihn, v. Schröder u. v. Jufti vgl. Rau,
Anfihten, ©. 146— 148.”
Sof. v. Sonnenfels (+ 1817), Grundfäge der Polizei⸗, Hand:
lungs⸗ und Finanzwifſſ. III B. 1765. 8. Ausg. 1819. 1822.
J. Steuart (} 1780), Inquiry into the principles of political eco-
nomy, London 1767. II B. 4. Neu abgedruckt in b. Berfafl. Works.
Lond. 1825. VI B. 8. Deutfh: Unterfuhung der Brundfäge der
Staatswirthſchaft, a. d. E. Hamb. 1769. 1770. II B. 4. Tübingen,
1769— 1772, VI B. 8, neue Aufl. ebend. 1786. IV B. — Bal.
Mehberg, Sämmtl. Schriften. IV, 299, (1829.)
3.6. 8
()
üfch (+ 1800), Abhandlung von dem Geldumlaufe, Hamb.
1780, II B. 2. Ausg. 1800.
F. L. A. Ferrier, Du gouvernement considéré dans ses rapports
avec le commerce. Par. 1805, n. 9. 1821, widerlegt von du Bois-
Ayme, Examen de quelques questions d'ée. polit. et notamment de
Youvrage de M. F., P. 1823. f. auch Stord, Hanbb. I, 77.
de Cazaux, Bases fondamentales de l’&con. polit. d’apr&s la nature
des choses. P. 1826, f. le Producteur III, 576.
Die große Anzahl der zum Theile ſehr gehaltreihen, im übrigen Curopa
5 wenig beadhteten Schriften der italienischen Staatsöfonomen iſt von
uftodi in folgender Sammlung neu herausgegeben worden: Scrittori
classici Italiani di Economia politicc, Milano bei Destefanis,
1803—1804, Parte antica, VII B., Parte moderna XXXXII B. Der
Softe Band, 1816, enthält die Regie. Veber den Inhalt diefer Samm-
lung und die einzelnen Verf. f. Müller, Chronologiſche Darftellung
der italienifchen Klaflifer über Nationalöfonomie, Peſth, 1820. Ans
ziehend und geiſtreich ſhurgpeeſe Schriftſteller (Graf) GC. Peochio
— 39 —
(t 1835), Storia della economia publios in Italia. Lugano, 1829. franzöf.
v. Gallois, P. 1830. (Ueber den Verf. f. C. Ugoni, Vita e scritti
di Gius. Pecchio, Parigi, 1836.) — Man ging in Stalien von ber
privatwirthichaftlihen Betrachtung des Handels aus (Scaruffi, 1579,
Davanzati, 1688, Turbolo u. 9.), flellte mit befonderer Vorliebe
Unterfuhungen über das Geldweſen an und gerieth fo auf die Abwege
des Handelsſyſtems. Demfelben find vollfommen ergeben)
A. Serra, Trattato delle cause, che possono far abondare li regni
d’oro e d’argento, dove non sono miniere. Napoli, 1613. — Classici,
part. I, die ältefle georbnete Entwidelung des Handelsſyſtems, die fich
jedoch hauptſächlich mit den Urfachen des verfchiebenen Geldreichthums
der Länder befchäftigt und über die anzuwendenden Maaßregeln nur
Andeutungen giebt. Galiani, Buftodi und Pechio betrachten
Serra als den frühften Schrififteller über die polit. Defonomie in
ganz Europa, und Bianchini fucht zu zeigen, daß derfelbe fein Mer:
cantilift fei (Scienza del ben vivere soc. I, 156). Diefer Beweis ge:
lingt jedoch nicht, denn Serra bezieht Alles auf den Zwed, den Geld⸗
vorrath eines Landes zu vermehren. r in Anfehung der Geldausfuhr
weicht er von Anderen ab, indem er fie nicht verboten fehen will.
G. Belloni, Diss. sopra il commercio. Roma, 1750. — Class.
P. mod. I. D. v. Shumann: Bom Commercien: und Müngzwefen,
Leipz. 1752.
() 3. B. der Neapolitaner A. Genoveſi (+ 1769), Lezioni di com-
9)
mercio osia d'economia civile. Bassano, 1769, II. = Classici P. mod.
T. VII—X. Deutfh: Grund. der bürgerl. Defonomie, überf. v. Witz⸗
mann, Leipz. 1776. 11. Diefes Werk enthält manche verdienftvolle
Unterfuhungen, 3. B. über den Preis der Dinge, erfennt aud die
Wichtigkeit des Landhaus vollfommen an (I, 139 der d. Ueberf.), geht
jedoch aud in die Ueberſchätzung der Handelsbilanz u. die daraus ab⸗
geleiteten Regeln ein, I, 336, II, 193. 205. Ginige Hinneigung zu
diefem Syfleme zeigen auch C. A. Broggia (dei tributi und delle
monete, Nap. 1743. = Ser. el. P. a., IV.) u. 9. — Nod richtiger
urtheilt Will Betty (+ 1687), über das Geld, doch fleht er in dem⸗
felben ein Gut höherer Art, Roſcher, ©. 81.
Dahin gehören der Spanier Diego Saavedra Faxardo (} 1648)
in dem Buche: Idea d’un principe Christiano, represendada in cien
empresas; latein. Ides principisChristiano-Politici 101 symbolis expressa.
Armstel. 1661. ©. 590 sq. „Potissimae divitiae ao opes terrae fructus
sunt, neo ditiores in regnis fodinae, quam agricultura. Plus emolu-
menti acclivia montis Vesuvii latera adferunt, quam Potosus mons cum
intimis suis visceribus, licet argentiferis‘. a die anonpne Schrift
Virginias Verger aus dem Anfang bes 17. Jahrh., und Ch. Dave:
nant, Rofcher, Zur Geld. ıc. ©. 28. 112. — P. Paruta, Della
perfettione della vita politica. Venet. 1579. fol. ©. 265. — Gifrig für
die Handelsfreiheit fpricht der tiefvenfende Dudley North, Discourses
on trade Lond. 1691, n. 9. Edinb. 1846, f. Mac⸗Culloch, Grund⸗
fäpe ©. 30, Roſcher ©. 85. — de Bois-Guillebert, Factum
de la France, 1707, neu herausgegeben von Daire in Economistes
financiers du XVIIL sidcle, 1843. Auch Child (f. oben) äußerte fchon
Zweifel gegen einzelne Lehren.
Lift (+ 1846), Das nationale Syſtem der politifchen Defonomie, 1.3.
1841 (unvollendet). Der Verſuch, die Grundlagen des Smith’;
(hen Syſtems zu erfchüttern, Konnte nicht gelingen, inzwiſchen haben
die praftifchen Lehren des Verf. viele Anhänger gefunden, unb in ge:
wiſſen Graͤnzen, fowie unter gewiſſen Vorausfeßungen, läßt fih auch
eine Befhüsung der inländifchen Gewerbe wiſſenſchaftlich heidigen.
gift Seht dem mationalen das Fosmopolitifhe Syflem ber
Staatswirthfchaftslchre entgegen ; dieſes fol die Wohlfahrt der ganzen
menſchlichen Gefellichaft, Tee aber die der einzelnen Staaten zum
Gegenftande haben. Dieſer Unterfchied ift nicht begründet, denn alle
Bearbeiter der politifchen Oekonomie haben ihre Borichläge und Rath:
Schläge auf das Wohl einzelner Staaten gerichtet und wenn fe fich für
Handelsfreiheit ausſprachen, fo gefchah es aus der legteren Hinfiht. —
Das mit Talent und Feuer, aber auch mit Leidenihaft und Ginfeitig:
keit gefchriebene Werk Liſt's Hat mehrere Gegner gefunden, 3. D.
erüß emann, Liſt's nationales Syſtem ıc. 1842. — Dfiander,
Entt hung des Publikums sc. Tübing. 1842. — Rau, ſ. $. 34 (d) =
Archiv, V, 252. 349.
$. 38.
Das zweite Spftem der politifchen Defonomie, das phy-
fiofratifche (a) oder öfonomiftifche entitand in Sranf-
reich um bie Mitte des achtzehnten Jahrhunderts, veranlaßt von
bem Anblid des traurigen wirthichaftlichen Zuftandes, welcher
dort unter der verfchwenderifchen Regierung Ludwigs XV. wahr:
‚genommen wurde. Der Stifter dieſes Lehrgebäudes, der königliche
Leibarzt Frangois Quesnay (geb. 1694, geft. 1774), wurde
buch den Verfall des Landbaued am meiften angeregt und
wandte fich daher auf den von Sully ($. 32.) betretenen Weg,
weßhalb er und feine Anhänger diefen Staatsmann als Vorbild
anfahen. Die Phyftofraten blieben indeß nicht bei ben ftaats-
wirthfchaftlichen Lehrſaͤtzen ftehen, fondern ftellten überhaupt das
Ideal einer vollfommenen Staatseinrichtung auf, in weldyer
Recht, Tugend und Wahrheit herrfchen, Armuth und Willkür
aber verbannt fein follten. Diefe aud den Gebieten der Wirth:
ſchafts⸗, Sittens und Rechtölchre zufammengefügten Säge wur:
den mit lebhafter Phantafte, mit Begeifterung für dad Gute
und nicht ohne bialeftifche, ja fogar fophiftifche Kunft zu einem
dem Scheine nad) wohlverbundenen Lehrgebaäude verwebt, welches
burch diefe fpeculative Form wie durch feine Grundgedanken dem
Handelsſyſteme gerade entgegengefegt war.
(a) Phyſiokratie, wörtlich duch Natucherrfchaft zu uͤberſetzen; bie
„natürlihe Orbnung, Yordre naturel,” gehörte unter die Lofungswörter
dieſes Syſtems.
$. 39.
Die Phyfiofraten gehen von der Wahrheit aus, daß alle
materiellen Güter durch die Natur hervorgebracht und durch den
%
— 4 —
Menichen der Erbe abgewonnen werden, woraus fie bie Folge
ableiten, die einzige Beichäftigung, welche die Gütermaffe zu
vermehren vermöge, fei diefe Gewinnung roher Stoffe durch
Arbeit an und in ber Erde, — ein Sag, den man zugeben
müßte, wenn bie Größe ded Vermögens fi) blos nach ber
Menge von Stoffen beftimmte. Die weitere Verarbeitung ber
Stoffe und der Umtaufh im Handel fönnen nad) diefer Lehre
feine neuen Güter erzeugen, fie erhöhen nur den Werth der Stoffe
um fo viel, ald während und zum Behufe diefer Verrichtungen
andere Bobenerzeugniffe verzehrt werben, fie find daher wefentlich
von dem Landbau verfchieden, durch welchen allein ein Ueberſchuß
von Erzeugniffen über die aufgewendeten Koften, ald Gefchenf der
Naturkraͤfte, gewonnen wird. Fuͤr diefen Ueberfchuß (die Grund⸗
rente) wurde der Kunſtausdruck reiner Ertrag, produit
net, eingeführt (a).
(a) Die Phyfiofraten rechnen zu den von dem rohen Ertrage abzu:
ziehenden Eulturfoflen (reprises de la culture):
1) den Erfaß der jährlihen Auslagen, avances annuelles,
welhe flets von Neuem zur Erzielung des Rohertrages aufgewendet
werden müflen;
2) die Vergütung für die urfprünglichen oder Dehanbaus-
lagen, avances primitives, die nämlich für die zum Betriebe der
Landwirthfchaft erforderliben Binrihtungen, als Beräthe, Me u. dal.
gemacht werden mußten, und von denen jährlich beträchtliche Zinſen
erftattet werden müflen. Diele Beftandauslagen Sollen nah Quesnay
ungefähr fünfmal foviel ale die jährlichen betragen.
* $. 40.
Durch die Erftattung der Culturkoſten aus dem rohen Ertrage
der Landwirthfchaft erhalten die Landwirthe, welche die hervor—
bringende Elaffe, classe productive, der Gefellfchaft ge-
nannt werden, ihr Einfommen. An biefe fchließen fich bie
Orundeigenthümer, classe des proprietaires, wohin aud)
die Zehntberechtigten und das Staatsoberhaupt gerechnet wers
den; biefer Claſſe wird ber reine Ertrag von ben Landwirthen
entrichtet (a). Beiden fteht die unfruchtbare. Elaffe, elasse
sterile, alle übrigen begreifend, gegenüber, welche zwar man»
cherlei Ruten für die Gefellfchaft durch ihre Thätigfeit zu Wege
bringt, nur aber nicht zur Vermehrung des Vermögens beiträgt
und von volfswirthfchaftlicher Seite blos durdy ihre Erfparungen
nügen kann. Sie erhält die benöthigten fachlichen Güter von
— 42 —
den erſteren Claſſen zur Bezahlung der Dienſte, die ſie ihr
leiſtet (D).
(a)
(8)
Sn dem reinen Ertrage liegt indeß nach der Meinung ber Phyflofraten
noch der Erſatz einer dritten Art von Koften, der fogenannten Grunds
auslagen, avances foncidres, welche zum Behufe der Urbarmachung
und der Bodenverbefferungen (Meliorationen) gemacht worden find und
deren Wirkung fortdauernd if. Die Grundeigenthümer und ihre Ahnen
haben das DVerdienft, diefe Auslagen unternommen zu haben und fie
noch ſtets zu vermehren, und daher erfcheint ber reine Ertrag nicht ganz
als ein Belgent ber Natur. Meberhaupt ſucht das phyſiokratiſche Syſtem
die Grundeigenthümer fehr zu begünftigen, fle werden als _die Bürger
im vorzüglihen Sinne, als die Beichirmer der andern Stände dar⸗
geftellt, weshalb fie auch bei der landftändifchen Berfaflung allein Ber:
treter werden follen. Offenbar waren es nicht diefe Säge, fondern bie
naturrechtlichen, wegen deren man bie Phyflofraten befchuldigte, mit
juim Ausbruche der frangöfifhen Revolution, obgleich ohne es zu wollen,
eigetragen zu haben. „L’ötat ne reside essentiellement que dans le
souverain, 'ıqui en est le chef, dans les propristaires du produit net,
< dans les entrepreneurs de culture.“ De l’Esprit des économistes,
eite 22.
Die Bertheilung der Producte ſuchte Quesnay durch eine fingirte
Derehmung zu verbeutlidhen, fein tableau &conomique.. Wenn 3. 2.
in einem Lande für 5000 Mill. Liv. rohe Stoffe gewonnen werben, fo
mögen davon beiläufig erhalten:
1) die Landwirthe
a) für die Jahresauslagen -. » » » 2 2. ..2000 Mil.
b) für Berzinfung und allmäligen Erſatz der Beftand-
auslagen. . 1000 5
3000 Mill.
2) Die Grundherrn als Reinertrag . . . 200 „
Summe 5000 Mill.
Nun geben die Landwirthe fowohl als die Grundeigner für 1000M. 2.
rohe Producte an die fterile Elaffe gegen allerlei Dienfte ab. Es wer:
den alfo verzehrt:
1) von den Landwirtben ff . - > 2 2000 Me.
2) von den Brundeigentbümern . - © » >: 2 2.1000, „
3) von der fterilen @lafie
a) an Nahrungsmilteln . - -» > 2 22200 1000, „
db) an rohen Stoffen zur Verarbeitung . . -. . 1000, „
Summe wieder 5000M.£.
$. 41.
Aus diefen Vorderſaͤtzen wurden hauptſaͤchlich nachſtehende
praftifche Regeln abgeleitet:
1) Die Landwirthfchaft verdient Die vorzügliche Begünfti-
gung der Regierung; beſonders ift darauf zu fehen, baß bie
probuctiven Auslagen nicht vermindert, fondern vielmehr ers
weitert werben. |
2) Alle die Freiheit’ der Bodenbenugung hemmenden Laſten
müffen zu Gunften ber Landwirthe entfernt werden, man muß
Tr
— 43 —
ferner den Abſatz ihrer Erzeugniſſe ſowohl im In⸗ als im Aus⸗
lande befoͤrdern, um ihre Einnahme zu vergroͤßern.
3) Handel und Gewerbe muͤſſen ebenfalls von allen Bes
fehränfungen befreit fein, weil bie auf beide zu verwendenden
Ausgaben unprobuctiv find und die freie Goncurrenz bie gute
Folge hat, daß die Gefellfchaft ihre Bebürfniffe durch jene Aus-
gaben jo wohlfeil als möglic, befriedigen fann. (Laissez faire
et laissez passer!)
4) Da alle Staatdabgaben nur aus dem Ueberfchuffe ber
Erzeugung über die Koften beftritten werben Fönnen und biefer
Reinertrag ſich urfprünglih nur in den Händen der Grund⸗
eigenthümer befindet, ſo fallen benfelben im Grunde auch alle
jene Abgaben zur Laft, denn die anderen Claſſen werden doch nur
durch das, was fie für ihre Dienfte von den Grundeigegthümern
einnehmen, in den Stand gefebt, Steuern und andere Abgaben
an den Staat zu. bezahlen. Daher ift ed am bequemften, ftatt
aller anderen Abgaben nur eine einzige, nämlich eine Grunb-
fteuer, einzuführen, welche dasjenige auf dem Fürzeften Wege
und mit ben geringften Erhebungsfoften von den Grundeigen-
thümern nimmt, was fie doch, nur unter mancherlei Formen,
mittelbar zu tragen haben (a).
(0) Verſuch, diefe einzige Srundfleuer, das berühmte impöt unique, in
Baden einzuführen, 1771—1801, v. Drais, Baden unter Karl
Friedrich, I, 315. Der Verſuch mißlang, aber auch fein Gelingen Hätte
wenig bewielen, da er nur in Dörfern angeftellt wurde, in welchen
wenig andere Ginfünfte als aus der Landwirthichaft vorzufommen
pflegen. Die Unausführbarkeit der vierten Megel ift fo einleuchtend,
daß fie von mehreren Phyſiokraten felbft zugegeben wird, aber fle er:
Hören biefelbe nur aus Außeren Umfländen, ohne die Irrigfeit der
oberften Saͤtze zuzugeſtehen.
g. 42.
Das phyſiokratiſche Syſtem (a), ungeachtet ſeiner Einſeitig⸗
keit und der Unhaltbarkeit ſeines Hauptſatzes, hatte doch das
Verdienſtliche, ein Beiſpiel tieferer Forſchung über volfswirth-
ſchaftliche Gegenſtaͤnde zu geben, neue Begriffe und Kunſtaus⸗
druͤcke aufzuſtellen, die Wichtigkeit des Landbaues hervorzuheben,
der Freiheit in Gewerbsſachen das Wort zu reden, den Glauben
an die große Bedeutung der Handelsbilanz zu bekaͤmpfen, und
uͤberhaupt den Widerſtreit gegen das Handelsſyſtem zu beginnen,
— 44 —
wodurch es eine richtigere Anſicht vorbereitete. Außer Frank⸗
reich (6) fand daſſelbe hauptſaͤchlich in Deutſchland eifrige An-
haͤnger (c), während es von anderen Gelehrten lebhaft beſtritten
wurde (d). Mehrere italienische Schriftfteller fprachen, theils
vor, theild nad) Ques nay, einzelne phyfiofrarifche Lehrfäge
aud (e). Die neueren Phyſiokraten fuchen die Lehren ihrer
Schule mit den durch Smith in die Wiffenfchaft eingeführten
Wahrheiten in Einklang zu bringen (f).
(a)
(6)
(e)
©. die Literatur bei Steinlein, I, 34. — Bol. Schmifthenner,
Zwölf Bücher, I, 95. — Blanqui, Hist. II, 88. — Bianchini,
I, 208. — Kellner, Zur Gefchichte des Phnflofratismus. Göttingen
1847. — Daire in Journ. des Econ. XVII, 349. XVIIL, 113.
Duesnay fprach feine Anfichten zuerft in Diderot’s Encyclopaͤdie,
Art. fermier und grain aus. Hauptfchriften defielben find: Tableau
€conomique.‘ Versailles, 1758. — Maximes generales du gouvernement
$conomique. Ebd. 1758. (Beide Schriften ſtehen auch im 1. Bande
von Dupont’s Phyfiokratie).
V. de Riquetti, Marquis de Mirabeau (ber Vater), L’ami des
hommes ou trait6 de la population. Avignon, 1756. IH. Deutſch,
Hamburg - 1759. 1I. — Theorie de l’impöt. P. 1760. — Philosophie
rurale, Amst. 1763. Auszug: M’s. Landwirthichaftsphilof., a. d. Fr.
von Wihmann, 1797. 98. U.
Mercier de la Rivière, L’ordre naturel et essentiel des socistes
politiques. Paris, 1767. 4.
(N. Baudeau) De l’origine et des progrès d’une science nouvelle
Lond. et P. 1768. Deutih, Karlsr. 1770.
A. R. J. Turgot (} 1781), Recherches sur la nature et l’origine
des richesses. Par. 1774. Deutih von Maupillon, Lemgo, 1775. —
Neue Ausg. unter dem Titel Röflexions sur la formation et la distribution
des richesses. Par. 1784, auch im 5. Bande der Oeuvres complettes,
Par. 1808 bi8 1811. VIII Bde., neue Ausgabe von Daire und Dussard
als III. und IV. Bd. der PBarifer Collection des principaux &conomistes.
Turgot handelte aud als Finanzminifter im Sinne des phyfiofratifchen
Enftems, über welches er fi zwar in manchen PBuncten erhob, ohne
ſich jedoch von den Grundgedanken Iosreißen zu fönnen. Gr erkannte
3. B. die Natur der Bapitalrente, fuchte aber dennoch zu zeigen, daß
fie für den Staat nicht disponibel fei. Seine Reflexions find das befte
phyſiokratiſche Werk.
G. F. le Trosne, De l’ordre social. Par. 1777. Deutfh v. Wich⸗
mann: Lehrbegriff der Staatsordnung. Leipz. 1780.
Physiocratie ou constitution naturelle du gouvernement le plus avan-
tageux au genre humain. Becueil publi6 par S. P. Du Pont. Yver-
don, 1768-69, VI Bd., vom 2. Bande an unter dem Haupttitel:
Discussions et d&veloppements sur quelques-unes des notions d’&conomie
politique. Die drei legten Bände betreffen nur den Getreidehandel.
B. de ®ournay, einer der einflußreichften Phnfiofraten, der bes
fonders die Handelsfreiheit eifrig verfocht, trat nicht als Schriftfteller auf.
(Karl Frieder. Markgraf v. Baden, + 1811) Abrög6 des prin-
eipes de !’&con. pol. Carlar. 1772. Abgedruckt bei Will, f. unten.
Deutfh von Saß. Deffau, 1783.
3. A. Schlettwein, Les moyens d’arröter la misöre publique.
Carlar. 1772. Deutih, 1772. — Die wichtigſte Angelegenheit für das
(4)
(0
— A —
anze Publikum oder sc. Karlsruhe, 1772. 73. II. neue A. 1776. —
Brundfefe der Staaten. Gießen, 1779. — Archiv für den Menfchen
und Furger. Leipz. 1780 -84. VII. B. — Neues Archiv. 1785— 88.
IV. Bd.
Sf. Iſelin, Verſuch über die geſellſchaftl. Ordnung. Baſel, 1772. —
Traͤume eines Menſchenfreundes. Baſel, 1776. II. B. n. A. 1784. —
Ephemeriden der Menſchheit. 1782 ff. VI. B.
I. Maupillon, Sammlung von Auffäßen über Gegenftände aus
der Stantefunft. Leipz. 1776. IL. — Phnfiokratifche Briefe an Herrn
Dohm. Braunfhw. 1780.
3.8.8. Springer, Defonom. u. cameral. Tabellen. Frkf. 1772. —
Ueber das phyfiofrat. Syflem. Nürnb. 1781.
F. A. de Forbonnais, Prinfipes et observations &conomiques. Amst.
1767. Deutih v. Neugebauer, Wien, 1767. .
G. B. de Mably, Doutes proposes aux philosophes &conomistes.
Par. 1768.
(J. Pinto) Trait6 de la circulation et du credit. Amsterd. 1771.
Deutih: Sammlung von Auffägen ıc. von K. N. v. Struenfee).
Liegniß, 1776. ©. 145.
C. W. Dohm, Kurze Borftellung des phyſiokratiſchen Syſtems.
Caſſel, 1778.
(on Pfeiffer) ot oder umftändl. Unterf. d. fogen.
pbyfiofrat. Syſtems. Frankf. 1780.
G. A. Will, Verſuch über die Phyfiofratie. Nürnb. 1782.
Mehrere andere find angeführt bei Rütiger, Anfangsgrünbe ber
allgem. Stantslehre. Halle, 1795. S. 144—46.
S. A. Bandini (} 1760), Discorso economico, geichrieben 1723, ge:
drudt erfl 1775. = Serittori el. P. mod. I. Bandini wird ald Vor:
läufer der Phyfiofraten angefehen, da er zur Verbeſſerung der Sumpf:
egend (Marernma) von Stena größere Freiheit des Landbaues und Ber:
ehrs, insbefondere freie Getreideausfuhr, Bereinfachung der Geſetze,
der Verwaltung und des Steuerweiens, namentlidh eine einzige Grund⸗
abgabe vorſchlaͤgt. Auszug bei Müller, Darftellung der ital. Claſſiker,
©. 66. — Pecchio, Storia, ©. 70.
C. Beccaria (} 1793), Elementi di economis publica, gefchrieben
1769—71 als Borlefungen auf der Cattedra di scienze camerali in
Mailand, zuerfi gedrudt in der Sammlung der Scrittori cl. P. mod.
T. XI. XU. (Nur einige phyflofrat. Vorftellungen in der Bergleihung
des Landbaues mit den andern Gewerben, 3. B. 1. $. 14 ff.)
G. Filangieri, (} 1788), Della legislazione. Nap. 178085,
VII. Bd. Deutfh, Ansbach, 1788—91. Das 2te Bud, — Seritt. cl.
P. mod. T. XXXII. (Fuͤr Befreiung der Landwirthfchaft und des Hans
dels und einzige Grundſteuer).
G. Garnier, Abrégé sl&mentaire des principes de l’&conomie polit.
Paris 1796.
le Prince D. de @. (Gallizin), De l’esprit des economistes ou
les &conomistes justifits d’avoir posé par leurs principes les bases de
la r&volution francaise. Brunsvik, 1799. Deutfh, Duisburg, 1798.
Dutens, Philosophie de l’&conomie politique ou nourvelle exposition
de cette science. Par. 1835. II. B.
H. Jouffroy, Catechisme d’econ. polit. Leips. & Paris, 1844.
Th. 9. 9. Schmalz (F 1831), Encyklopädie der Kameralwiſſen⸗
fhaften, 1796. n. 9. 1819. — Handb. der Staatswirthſchaft, Berlin,
1808. — Staatswirthſchaftslehre in Briefen an einen deutfchen Erb⸗
pringen. Berl. 1848. LI.
— 46 —
2. Krug, Abriß d. Staatéoͤkon. Berlin, 1807. (Enthaͤlt nur wirth⸗
ſchaftliche Kotitit mit einigen phyflofratifchen Anſichten).
8. 43.
Das dritte ftaatöwirthichaftliche Lehrgebäude wurde von bem
großen fchottifchen Gelehrten Adam Smith (geb. 1723, geft.
1790) aufgeftellt (a) und wird gewöhnlich nad) demfelben bes
nannt; man gab ihm audy bisweilen ben unbeflimmten Namen
Induſtrieſyſtem. Smith erhob ſich in derrichtigen Auffaffung
ber volfswirthfchaftlichen Erfcheinungen und in ber Erforfchung
ihrer Urfachen über die Einfeitigfeit der beiden früheren Syſteme,
indem er fowohl den Landbau als bie Gewerke (Fabrication)
und ben Handel ald Mittel zur Bereicherung der Völfer dar⸗
ftellte, doch fand er in der Lehre der Phyſiokraten mehr nügliche
Vorarbeiten al8 im Handeldfyftem, und nahm daher mehr von
_ jenen in fein Lehrgebäude auf (5). Viele einzelne Säge deſſelben
waren ſchon von früheren Schriftftellern erfannt und ausgefprochen
worden (c), doch bleibt Smith unftreitig dad große Verdienſt,
fie in Zufammenhang gebracht, dad Weſen der Volkswirthſchaft
tiefer als feine Vorgänger ergründet und vollftändiger erklärt,
und hieburch den Regeln der wirthfchaftlichen Politik eine feftere
Unterlage gegeben zu haben.
(a) Ad. Smith, Inquiry into the nature and causes of the wealth of
nation. Lond. 1776. II B. 4, neue Ausg. von Buchanan, 1814.
IV B., mehrere neuere von, Mac-Culloch, 4. A, 1851 in 1 Bd.,
Nachdruck, Bafel, 1801. IV. — Deutih von Schiller (Joh. Fr.),
Leipz. 1777, 78. IIB., der dritte Bd. von Wichmann, 2. 1792. —
Beſſere Ueberfegung von Garve, fortgefeßt von Dörrien, Breslau,
1793— 96. IV. 3te X. 1810. III. (Nach diefer Ausgabe wird Smith
in gegenwärtigem Lehrbuche citirt). Neueſte Ueberf. v. M. Stirner,
Die Nationalöfonomen d. Franz. u. Gngl., Bd. V—VILU, 1846, 47. —
Sranzöflfche beſte Neberfegung von Garnier, Par. 1802. V B., 2te
Ausdg., 1822. VI.B., — von Blanqui, 1842, neuefte Ausg. v. dem:
felben ale V.u. VI. Bd. der Collection des principaux 6conomistes. —
Dieß Meifterwerk laͤßt doch in der Außeren Anordnung Manches zu
wuͤnſchen übrig, was dazu beigetragen haben mag, daß daſſelbe da
nicht ſchnell in Europa verbreitet hat.
(5) Betrachtet man die volfewirthichaftliche Grundlage jedes diefer Syfteme,
nämlich die Borftellung von der ntflehungsart des Volfswohlftandes,
fo fann man fie fo bezeichnen :
1) —8 der Handelsbilanz oder des Geldzufluſſes durch Waaren⸗
ausfuhr;
2) Syſtem des von der Landwirthſchaft herruͤhrenden Reinertrages;
3) Syſtem der Guͤtererzeugung durch Arbeit, in bei Landwirthſchaft,
ber Babrication und dem Handel.
(0) Sicher gehört zunähft A. Smith’s Freund, der fchottifche Geſchicht⸗
fchreiber und Philoſohh David Hume (F 1776). Seine beiden
— 47 —
Schriften: Essays moral and political, Edinb. 1743 u. ö., und Po-
litical discourses, 1752 u. d. find auch enthalten in ber größeren
Sammlung: Essays and treatises on several subjects. Lond. 1753.
IVB. u. d. Die politifhen u. öfonomifchen Aufläge hieraus: D. H.
polittiche „pertuche, aus dem Engl. (v. Kraus), Königeb. 1800.
A. — Ferner Steuart, ! $- 37 (c) und mehrere ältere
enalifihe Särifineie f. Rof her, D. — Auch mehrere Ita:
liener müflen als Borläufer Smith’s angefehen werden, der fie jedoch,
Galiani ausgenommen, vermuthlih nicht gekannt hat. Beſonders
nennenswerth find:
F. Galiani (} 1787), Della moneta. Napoli, 1750. n. 9. 1780.
= Seritt. el. P. mod. IIL IV. (So gründlid,, daß man glaubt, der
i wrg⸗ Jüngling habe den Beiſtand älterer Freunde benugt).
F. Pagnini Saggio sopra il giusto pregio delle cose. 1751.
== Seritt. el. P. mod. II.
C. Beccaria, f. $. 42 (e).
Giammaria Ortes, Dell’ economia naziomle. Venez. 1774. =
Seritt. cl. P. mod. T. XXL (Hödft originell; blieb bis zum Abdruck
in ber angeführten Sammlung faſt ganz unbefannt). — Riflessioni
sulla populazione. 1794. = Seritt. cl. T. XXIV. (Sft hierin Vor:
läufer von Malthus).
P. Conte Verri (} 1797), Meditazioni sulla economis politica.
Mil. 1771. = Seritt. cl. P. mod. XV. Franzoͤſiſch: Reflexions sur
l'é0. pol. Laus. 1771. Econ. politique. Paris, 1808. Deutfch von
Schmid, Mannh. 1785. (Borzüglid).
Dal. Hassa, Cuinam nostri aevi populo debeamus primas oecono-
mise publicae et statisticae notiones? Lips. 1828. 4. (Schildert die Ber:
bienfle der Italiener und Deutfchen). — Pecchio, a. Storia.
g. 44.
Die Hauptgedanfen des Smith'ſchen Syſtems find
folgende:
1) Die Sachgüter werden durch die menſchliche Arbeit mit
Hülfe der Grundſtücke und des Capitals hervorgebracht, und
ber Werth der Güter beſtimmt ſich durch die Menge ver auf fie
gewenbeten Arbeit (a).
2) Richt blos die auf Gewinnung roher Stoffe von ber Erbe
gerichtete Arbeit, fondern auch die Thätigfeiten der Stoffvereblung
(Gewerfsarbeit, Yabrifation) und bes Handels bewirken bie
Vermehrung des Bermögens, find alfo probuctiv.
8) Die wichtigften Mittel, welche bie probuctive Wirkung -
ber Arbeit verftärfen, find die zmedmäßige Theilung der Arbeiten
und ber Gebrauch des Capitales.
4) Iene drei Claſſen von Gewerben (f. 2.) verdienen in
gleihem Maaße von der Regierung unterflügt zu werben.
5) Das freie Mitwerben (Concurrenz) ſtellt von felbft bie
angemefienften Preiſe der Dinge ber, bewirkt die Ausgleichung
— 48 —
des Bebürfniffes mit ben Borräthen, verfehafft den Theilnehmern
an ber Production ihre gebührenden Antheile als Grundrente,
Gapitalgewinn und Arbeitslohn und leiftet überhaupt in ber
Volkswirthſchaft nüßliche Dienfte.
6) die Regierung foll nur infofern auf die wirthfchaftlichen
Angelegenheiten bed Volkes einwirken, als fie die Hinderniffe,
die der Entwidelung des Gewerbfleißed im Wege ſtehen, zu
entfernen ſucht, fonft aber die Freiheit in Gewerbsangelegenheiten
walten laffen, namentlich auch im ausmärtigen Hanbel.
7) In Beziehung auf ihre eigenen Einnahmen fol die Res
gierung nicht an dem Betriebe von Gewerben Theil nehmen,
fondern ihren Bedarf auf die am wenigften flörende Weife
durch Befleuerung von dem reinen Einfommen ber Bürger
aufbringen.
(a) Smith hat allerdings die Mitwirkung des Bodens und bes Gapitales
anerfannt und gehörig berüdfichtiget (1. Baumftarf, Staatswiflenfch.
Verſuche, ©. 509), aber es ift auch nicht zu verfennen, daß er bie
Arbeit als die Urquelle des Vermögens vorzüglich herauehebt und die
ganze Bintheilung feines Werkes auf fie gr bet. Das Capital wird
von ihm als ein Mittel angefehen Arbeit zu befchäftigen und zu fördern,
und er nimmt an, daß die Bapitalgewinnfte aus dem Brzeugniffe der
Arbeit abgegeben werten (I, 76.). er Ausdrud: „Product der Arbeit
und des Bodens” kommt Häufig im Smith' ſchen Werke vor, aud
wird bei Gelegenheit der Landrente von dem natürliden Pro—
duste des Bodens gefprochen (I, 77... Man flieht, daß er in ber
Hochſchaͤtzung der Arbeit den Phyfiofraten entgegen tritt, in Anfehung
der Wichtigfeit der natürlichen Productionskräfte aber mit ihnen gegen
die Mercantiliften ftreitet.
$. 45.
Wenn gleich manche einzelne Säge dieſes Syſtems, wie fie
Smith aufftellte, einer genaueren Beftimmung, andere einer
Berichtigung bedurften (a), auch dad Ganze noch fuftematifcher
dargeftellt werden mußte, fo find doch die Grundgedanken fo fehr
aus der Natur der Sadye gefchöpft, daß die Unterfuchungen
neuerer Forſcher nur eine allmählige innere Fortbildung herbeiführs
ten, ohne ein anderes Syftem aufzuftellen. Daher wird auch bie
heutige politifche Delfonomie, obſchon fie fich keineswegs mehr
auf den Inhalt der von Smith felbft ausgefprochenen Lehren
befihränft, doch noch als das Syſtem deſſelben betrachtet (d).
Das neunzehnte Jahrhundert brachte eine Fülle von Er;
fcheinungen und Erfahrungen im wirthfchaftlichen Gebiete hervor,
— 49 —-
aus denen ſowohl neue Lehrſaͤtze für die Erkenntniß ber Volks⸗
wirthſchaft gewonnen, als neue Aufgaben fuͤr die Wirthſchafts⸗
politik abgeleitet werden konnten. Dieſe Bereicherung und jene
Bervollfommnung ber Wiffenfchaft, durch die Bemühungen beut-
her (c), engliſcher (d), franzöftfcher (e), italienijcher (f) und
anderer (g) Gelehrten bewirkt, hat die Folge gehabt, daß bie
Wichtigkeit jener Wiffenfchaft immer allgemeiner anerfannt wird
und ihr Einfluß auf die Verwaltung ber wirflichen Staaten an
Stärfe und Ausbreitung fortdauernd zunimmt. Die abgefon-
berte Bearbeitung der Volkswirthſchaftslehre, welche durch Tren-
nung von den praftifchen L2ehren viel an Zufammenhang, Klar:
heit und fpftematifcher Orbnung gewann, wurde vorzüglich in
Deutfchland mit gutem Erfolge vorgenommen.
(c) Ueber die Gegner Smith's in England, 3. B. Pownal, Grau:
furd, Samilton, ray, f. Sartorıus, Handb. der Staats:
wirthfchaft, Vorrede, S. XV, und Stord, Hanbb., I, 77. Am wid:
tigen it Eari of Lauderdale ( 1839), Inquiry into the nature
and origin of public wealth. Edinb. 1804. Deutih durch v. Schön
(abgekürzt) Berlin, 1808.
(5) Literatur bei Steinlein, Volkswirthſchaftslehre, I, 106 ff.
(2) 1) Umarbeitungen des Smith’fhen Werfes.
G. Sartorius (+ 1828), Handbuch der Staatswirthichaft. Berl.
1796. Neue Ausgabe: Bon ten Glementen des Nationalreihthums
und von ber Staatswirthichaft. Bötting. 1806. (Trug nebft Lueder
am meiften zur Verbreitung des Syſtems in Deutichland bei).
N. F. Lueder (71819), Ueber Nationalinduftrie und Staatswirth⸗
ſchaft, nach A. nr bearbeitet. Berlin 1800—4. IL B. — Die
Nationalinduftrie und ihre Wirkungen. Braunfchw. 1808. (Muszug).
Chr. 3. Kraus (+ 1807), Staatswirthfchaft, herausg. von HB.
v. Auerwald, Königsb. 1808-11. V. 2ter Abdrud 1837. (Nur die
4 erfien Bände gehören hierher, der Ste enthält wirthſchaftliche Politik
Ne eigenen Ant ten bes Bin:
2) Bearbeituugen der Wifjenfhaft mit mehr eigenthüm:
lihden Forſchungen.
‚9. v. Jakob (+ 1827), Grundſaͤtze der Nativnalölonomie. Halle,
1806. 3. 9. 1825.
Ehr. v. Schlöger, Anfangsgründe der Staatswirthichaft. Riga,
1805. 7. 1.8.
3. Graf von Soden (+ 1831), Die Nationalöfonomie. Leipzig,
1805—23. IX B. Bd. 1-UI. enthalten die Nationalöfon., 3. IV.
den Auszug aus den brei erſten, Bd. V. die Finan FAN An Br. VI.
die Bolfswirthichaftspflege („Stantönationahwicthihaftele re“ bei dem
Berf.), die brei Ichten gehören nicht zur politifchen Defonomie. Graf
Soden und Jakob haben um die wiflenichaftlihe Geſtaltung der
Bolfswirtbfchaftslcehre großes Verdienſt ($. 15 (a)), doc führten fie
die Ausicheidung ber praftifchen Saͤtze aus berfelben nicht ganz durch.
e. A J Wert if reich an lehrreichen Ausführungen einzelner Ges
gen e.
&. Hufeland (+ 1817), Neue Srundlegung d. Staatswirthſchafts⸗
kunſt. Gießen, 1807—13. U B. (Unvollendet).
Rau, polit. Dekon. I. 7. Ausg. 4
9
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wierhichaftstche. &rlangen, 1821. 22. IIL 2. Ausg. 1837. (Vorzüglich).
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4. — ee 3 Nachträge, 1816—18. 4.
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— Se Lehre von der Vollswirmſchafi Halle, 1843.
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K. Arnd, Dieneuere Güterlehre. Weimar, 1821. — Die materiellen
Grundlagen und fttlichen Forderungen der europäifchen Eultur. Stuttg.
1835. — Die naturgemäße Volkswirthſchaft. Han. 1845. 2te A. 1851.
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Finanzwiſſenſchaft — und Polizeiwiſſenſchaft. Leipz. 1823. Zweite A.
1827. EAuch als zweiter Band von: Die Staatswiffenfchaften im Lichte
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vom Staate, I, 324. 1840. .
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K. F. ent, Das Beduͤrfniß der Volkswirthſchaft. I. Bd. Die
allg. 5 e der Volkswirthſchaftolehre. IT B. Die Grundfähe d
Boltemithfän öpflege. Stuttg. 1831.
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I., “de der 5. B. der 40 Bücher vom Staate. — In der n. Musg.
biefes Werkes ift die Staatswirthichaftslchre der 7. Bd. 1843.
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(@)
51 —
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und bes Aderbaus der bedeutendften handeltreibenden Staaten unferer
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F überfept) v. Schmid. Weimar, 1821. Beſſere Meberfegung von
Baumftark: Grundgefege der Bolfswirthichaft und Befleuerung.
. 1838. Der dieſer Weberf. beigefügte 2te Band hat den Neben:
Me vBoilkewirthfchafiliche Erlaͤuterungen, vorzuͤglich uͤber D. Ric. Spy:
4*
(e)
— 32 —
ſtem. 1838. — Ric. ſtellte in dieſem tiefgedachten, aber minder gut
geordneten Werke viele eigenthuͤmliche Saͤtze auf, welche in Großbritannien
zahlreihe Anhänger fanden.
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und von Morſtadt: Darftellung der Nationalöton. Heibelb, 1818.
II, n. 9. 1830. 31. III. — Cours complet d’&con. polit. pratique.
P. 1828. 29. VI. 3. Ausg. v. Hor. Say, 1852. II B., als X. und
XI. Bd. der Collection, deutfh von I. v. TH. (Theobald): Vollſt.
Handb. der pract. Nationalöfon. Stuttg. 1828—30. VI. Abgefürzte
Ueberf. von F. A. Ruͤder, fortgel. von Sporfdill, 1828—31.
VIBde. (Bal. Poͤlitz Jahrb d. Geſchichte u. Staatskunft, April 1829).
Neue Ueber, v. M. Stirner, Die Nationalöfonomen der Franz. u.
Engl. 1845. I—IU. — SKatehismus der Nationalöfon., deutich von
v Fapnenb erg, 1816; nad der 3. Ausg. überf. Stuttg 1827. —
Mölanges et correspondance d’&conomie politique, rm par Oomte.
P. 1833 Say hat durch feine mufterhaft Flare, anziehende Darftellung
— 53 —
das Studium der pol. Oekonomie mehr als irgend Jemand befördert,
V)
zugleich die Wiſſenſchaft bedeutend vervollkommnet.
. C. L Simonde de Sismondi (} 1842), De la richesse com-
moreiaie ou principes de l’öcon. pol. appliques & la legislation du com-
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12 Heften.
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et Guillaumin, P. 1851. 53. IT B. (ſehr gebaltreih, von einer
Anzahl franzöflicher Gelehrten ausgearbeitet).
Collection des principaux $conomistes. Paris, 184048. XV Bbe.
(enthält ältere Schriftfieleer, Bauban, Boisguillebert, Law,
Melon, Dutot, — Säriften mehrerer Phyſtokraten, — Oeuvres
de Targot, in II Bon. — 9. Smith, Malthus, Ricardo,
Say, Hume, Neder u. N.).
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al Regno di Napoli — Della ricchezza nazionale. — Scritt. cl. P. mod.
T. XXxVU. XxXXVIU.
Fr. Mengotti, ID Colbertismo osia della libertä di commercio de’
prodotti della terra. Fir. 1791. = Ser. cl. P. mod. T. XXXVI. Deutſch
von Utzſchneider. Winden, 1794.
(9
Melch. Gioja (} 1829), Nuovo prospetto delle sciense economiche.
Milano, 1815—17. VID. 4. Dieß große Werk folte den ganzen in
ber Literatur der politiſchen Oekonomie niebergelegten Gedankenvorrath
aufnehmen und verarbeiten. GEs wird zufolge der vielen Tabellen und
Scematifirungen häufig troden und unbefriedigend, enthält jedoch viele
eingeftreute Gedanken von großem Werthe.
C. Bosselini, Nuorvo essame delle sorgenti della privata e pubblica
riechezza. Mod. 1817. II.
F. Fuoco, Saggi economici. Pisa, 1825.
M. Agazzini, La scienca dell’ econom. politica. Mil. 1827. Fran⸗
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(Fortſ. erfhien nit).
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Bianchini, Della seienza del ben vivere. Nep. 1845. I.
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Trinchera, Corso di econ. polit. I. Tor. 1854.
Graf Fr. Starbef gab 1820 und 1821 zwei polnifche Werfe über
Nationaldfonomie und Bolkswirtbichaftspflege Heraus. Umarbeitung
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moderne. La Haye, 184649. VI. (Auszüge aus den vorzüglicheren
Schriften, nah der Buchftabenfolge der Gegenflände geordnet).
6. 458.
Die allgemeinen Grundzüge der Volkswirthſchaft, welche
überall und zu allen Zeiten in den wirklichen Staaten zum Vor⸗
fchein famen, find Sondereigentbum, — wirthfchaftliche Selbſt⸗
ftänbdigfeit der Bamilie, — WMitwerben der Einzelnen, welche
mit freier Wahl fich gewiflen Erwerbszweigen widmen. Mit
dieſem Zuftande ift aud die Möglichkeit gewiſſer Mißbräuche
und volfswirthfchaftlicher Gebrechen verbunden, als Verſchwen⸗
dung, Härte der Reichen, Drud gegen die unbegüterten Arbeiter,
— 55 —
Verarmung Einzelner, Verluſte durch übermäßiged Mitwerben
u. dergl. Der Anblick ſolcher Uebelſtaͤnde hat oft zu Vor⸗
ſchlaͤgen einer Umgeſtaltung ber Volkswirthſchaft geführt. Das
Verlangen einer ſolchen iſt zu verſchiedenen Zeiten aus religioͤſen
Antrieben oder aus der Begeiſterung fuͤr Ideale der philoſophi⸗
ſchen Sittenlehre hervorgegangen (a). In der neueſten Zeit iſt
jenes Verlangen vorzüglich von dem Anblick der ungünſtigen
Lage vieler Lohnarbeiter angeregt worden. Der heutige Auf—
ſchwung der Gewerbe, die ſtaunenswerthen Fortſchritte des Kunſt⸗
fleißes, die große Ausdehnung und Vermehrung ber Fabrik—⸗
unternehmungen ſind unverkennbar mit mancher Bedraͤngniß
und Noth unter den unbegüterten Arbeitern verbunden und dieß
muß den menfchenfreundlichen Beobachter mit Bedauern und
Beforgniß erfüllen. Der Eindrud folcher Erfcheinungen hat
befondere häufig zu einer Abneigung gegen die Macht des be-
weglichen Vermögens (Gapitald) und gegen ben großen Abftand
zwifchen Reichen und Dürftigen geführt und mancherlei Ber:
befferungsentwürfe veranlaßt, die bald mehr, bald weniger gegen
die bisherigen Einrichtungen anfämpfen, deren Unausführbarfeit
oder Unzwedmäßigfeit jedoch dem unbefangenen Beurtheiler
bald deutlich wurde (6). Die von den Schriftſtellern aufge-
ftellten Anfichten und Borfchläge diefer Art find ſchwer in ge
wiffe Abtheilungen zu orbnnen, weil ſie unter fich jehr von ein-
ander abweichen (c), doc, werden gewöhnlich zwei Hauptgruppen
unterfchieben :
1) Die Socialiften ftreben darnad), bie biäherige Ders
einzelung der Menſchen durch Vereine (Affociationen) aufs
zuheben, deren Mitglieder mehr oder weniger von ihrer Selbfts
ftändigfeit aufgeben, dafür aber an den Früchten bed Zufammen-
wirfend Antheil genießen würden (d); je weiter ſich die auf der
Vereinigung beruhende Gemeinschaft über alle wirthfchaftlichen
Angelegenheiten erſtreckt, deſto mehr nähert fich der Socialidinus
dem zweiten Syſteme.
2) Die Communiſten (e) empfehlen volle Gemeinſchaft
des Vermögens und Erwerbes, wobei nach Einigen Jedem
gleicher Gütergenuß geſichert und gleiche Arbeitslaſt aufer⸗
legt (f), nad) Anderen Allen vollkommene Freiheit des Arbeitens
und Genießend eingeräumt werden follte (9).
— 56 —
Obgleich nun Feine dieſer neuen Lehren ein befriedigende®
Ergebniß hatte, fo find fle doch ald Zeichen vorhandener Ges
brechen und Mißſtimmungen bemerfenswerth und die Wiflens
Schaft hat aus ihnen die Verpflichtung aufgenommen, mehr, ald
es früher gefchehen war, auf die wirthfchaftliche Wohlfahrt der
verfchiedenen Volksclaſſen, namentlich der unbegüterten Lohn⸗
arbeiter, zu achten.
(«)
(8)
(2)
Das Berlangen nad Bütergemeinfchaft ift zu verfchiebenen Zeiten, be:
fonders in Perioden großer Erſchuͤtierung und Aufregung ber Arbeiter:
clafien zum Borfchein gelommen. Schon Platon dachte an fle fo wie
Plotinus (t 270 n. Ehr.), der die Ideen des erfleren zu verwirf:
lichen ſuchte. Die jüdifhen Eſſener lebten in einer Gütergemeinſchaft.
Der Dualismus der orientalifhen Philofophie, als die Lehre vom
Kampfe des böfen mit dem guten Principe, führte oft zu dem Beſtre⸗
ben, die Sinnlichkeit zu unterdrüden und in höchfter Genuͤgſamkeit ein:
zeln oder in Geiellfchaft zu leben, wie manche fchwärmerifche Secten
(Manihäer, — Batarener im 13. Jahrh. u. A.). Auch die Wieder:
täufer und die Genfer Kibertiner verwarfen das Privateigentfum. Frank
in Seances et travaux de l’acad. des sc. moral. et polit. XIV, 187. —
Reybaud in Revue des 2 mondes, XXXI, 5 (1842). — Hundes:
bagen in Theolog. Studien und Kritifen, 1845, 3. u. 4. Heft. —
Roſcher, Syſtem der Volkswirtbfchaft I, 124. — Die Utopia des
Canzlers Morus (+ 1535) eröffnete die Reihe der bichterifch ausges
malten Staatsideale des 16 und 17. Jahrhunderts, die von den Urs
hebern der neueren Berbeflerungsplane wieder hochgeichäßt wurden,
Mohl in der flaatswifl. Zeitfchrift, 1845, I, 24.
Zaharid, Abhandl. S. 88. — Blanqui, Hist. de !’Econ. polit.
II, 303. — Reybaud, kEtudes sur les reformateurs contemporains
ou socialistes modernes. P. 1840. — D. Bierteljahrsfchrift Nr. XI,
1846, ©. 1—42. — Stein, Der Sorialismus und Communismus
bes neueren Frankreichs, Leipz. 1842. Nachtrag 1849. Derf., Geſchichte
der focialen Bewegung in Frankreich, II B. 1850. — Shüg, Grund:
fäbe ©. 44. — Roſcher in ber Zeitfchrift für Gefchichtswiflenfchaft,
III. 418. 540. IV, 10. 1845. — Passy in Journ. des Econ. XI, 84.
auch Compte rendu de l'ac. VIII, 5. — De Cavour in Bibl. unirv.
de Gendve, 1846, I. — Biedermann, Borlefungen über Socialis:
mus, 1847. — Grieb, Populäre Geſellſchaftsoͤkon. 1848. — Hilde:
brand, Nation.sDel. I.
Der frangöf. Schriftfieler B. 3. Proudhon, ber alle anderen neue:
ren Secten befämpft und fein feRes Syſtem aufftellt, ift deßhalb Feiner
Gruppe zugurehnen. Zu feiner älteften Behauptung: la propriets c’est
le vol fam fyäterhin die Aufftellung der Anarchie ale des Ideals für
bie Befellfchaft, und der Plan einer unausführbaren Volksbank. Qu’est-ce
que la propriete? P. 1848. Syst&me des contradiotions &conomiques,
113. 1846, deutih v. Jordan, 1848. Organisation du credit, 1847.
Confessions d’un r&volutionnaire, 1849. Idse göndr. de la r&volut. au
19. sitcle, 1851. La revolution sociale, 1852.
gie gehören Hauptfählich 1) der fogen. Inpuftrialismus ober
t. Simonismus, gegründet dur Heinr. v. St. Simon (} 1825).
Diefer wollte nicht vö ige Gemeinfchaft, aber die Austheilung der Ar:
beiten und ber Erzeugniſſe duch die hoͤchſte Gewalt nach den Fähig-
feiten eines Jeden, alfo eine hoͤchſt centralifirte Leitung aller voltsmoirt-
— 57 —
ſchaftlichen Angelegenheiten, wobei die Erblichkeit des Vermoͤgens auf:
hoͤrte, und eine Art von Prieſterherrſchaft nach einer neuen Religion,
ſ. beſonders feine Schrift Du systöme industriel. Paris, 1821 und
Doctrine de St. Simon. II, 146. P. 1830. ine folche, den Staat in
eine einzelne Familie umwandelnde Binrihtung würde die Selbfifländig-
feit des Privatleben vernichten, cinen der mächtigfien Antriebe zum
Kraftgebraude lähmen.und eine Hödhft gefährliche Allgewalt in die Hände
der Regierung legen. — 2) Die Lehre von Karl Kourier (} 1837)
und der fogen. &cole soeistaire. F. beabfichtigte gefellfchaftliche Vereine
(Phalangen, von 1800-2000 Menſchen, im Phalanstöre beifammen-
wohnend), in denen Gewerbe auf gemeinfame Rechnung betrieben wür⸗
den und die Mitglieder einen verhältnigmäßigen Antdeil am Ertrage
erhielten, die Arbeiter aber durch Abwechslung in den Beichäftigungen
und erheiterndes Zufammenwirfen Mehrerer ohne Zwang angefeuert
würden; Fourier, Trait6 de l’assoeiation domestique agricole. Par.
1822. II Bde. Le nouveau monde industriel et socistaire, 1829. —
Considörant, Destinde sociale; exposition &l&mentaire complöte de
la theorie socistaire. P. 1836. 38. IT B. — Drdinaire in Rau,
Archiv, II, 203. — Roſcher, Syſtem d. Bolfswirtbichaft, I, 90. —
3) Der Borihlag von 8. Blanc, Fabrikunternehmungen in die Hände
der darin beſchaͤftigten Arbeiter zu geben und ihnen das nöthige Gapital
durch den Staat zu liefern, f. def. Organisation du travail, 4. A. 1845.
Weil, der Staat und die Induſtrie, 1843. Aehnlich die Abfichten ber
fog. chriftlichen Sorialiften in England, Economist, Nr. 414 ©. 980.
Die Berfuche, Unternehmungen auf gemeinfhaftliche Rechnung der Ars
beiter zu Stande zu bringen, find übrigens mit dem Fortbeitehen der
volfswirthfchaftlihen Ordnung wohl vereinbar. — Das focialiflifche
Lchrgebäude von Marlo (Unterfuhungen über die Organifation der
Arbeit, 1848—54, III B.) ift noch nicht ganz beendet.
(e) Rapp aus Würtemberg ‚gründete 1805 in Nordamerica eine auf Güter⸗
gemeinichaft beruhende jebertafung deren Sitz feit 1825 zu cos
nomy im Staate Obio if. Dieß DBeilpiel fand dort Nachahmung, f.
Zulius, Reife, I, 194. Auh R. Dwen empfahl das Suflem ber
„Gooperation“ u. Gemeinſchaft, f. Rey, Lettres sur le systöme de la
cooperation mutuelle et de la communauts de tous les biens d’apräs
le plan de M. Owen, P. 1828. — Der Gommunismus will die
Gleichheit durch Aufhebung des Privateinentbums bewirken und dieſe
gänzliche Umgeftaltung der bürgerlichen Geſellſchaft bald vermittelt eines
gewaltfamen Umflurzes (wie Babeuf, bingerichtet 1796), bald auf
dem langfameren Wege der allgemein werdenden Ueberzeugung zu Stande
bringen, wie Gabet, befien Voyage en Icarie (1840) mit den oben:
genannten Staatsromanen verglichen werden Tann.
(f) Die fog. Bleichheitscommuniften, wie Babeuf, Gabet, Weitling.
(9) Die Sog. Breiheitscommuniften, wie Dezamy.
Volkswirthſchaftslehre.
Erſtes Buch.
Weſen des Volksvermögens.
Erſter Abſchnitt.
Beſtandtheile des Volksvermögens.
5. 46.
Wie alles Vermögen nur Gewalt über Sachgüter iſt (8. 1.),
ſo begreift auch das Volksvermoͤgen nur dieſe in ſich, und die
wirthſchaftlichen Thätigfeiten find zunaͤchſt nur auf den Beſitz
und Gebrauch derfelben gerichtet (a). Diefe Güter, als finnliche
Begenftände, in denen der Menſch Mittel zu feinen Zwecken findet,
unterfcheiden ſich weſentlich von den perfönlidhen Gütern,
die mit dem Menfchen felbft unzertrennlidy verbunden find und
fih in ihrer Entftehung, Uebertragung, Dauer und Zerflörung
ganz anderd verhalten. Wollte man, dem Sprachgebrauche zus
wider, den Begriff ded Vermoͤgens und ber Wirthichaft fo fehr
erweitern, daß beide ſich aud auf die perfönlichen Güter ers
ftredten (5), fo würde dad Eigenthümliche der Wirthfchafte-
angelegenheiten verfchwinden und die politifche Oekonomie ſich
zur Wiffenfchaft aller Güter für den Staat, d. h. zur Staats,
wiffenfchaft ausdehnen (c). Indeß hat jene Wiſſenſchaft ſich
dennoch auch mit den perfönlichen Gütern zu befchäftigen,
1) weil diefelben die Hervorbringung und Erwerbung von
Sadjgütern fo fehr unterftügen, daß der Wohlftand ber Völfer
wie der Einzelnen von bem Beiftande fittlicher und geiftiger
Kräfte bedingt wird;
— 59
2) weil alle wirthfchaftlichen Verrichtungen zulegt darauf bins
zielen, den Zuftand der Menfchen zu verbeffern, und weil daher
dad Bernögen nicht für fih allein, fondern nach feine Be
ziehung auf die menfchliche Geſellſchaft, d. h. in feiner Ans
wendung zur Erzeugung perfönlicher Güter, zu würdigen ift.
(8)
(e)
Stord hat auf die verfönlichen Güter die bei den fachlichen gangbaren
Denennungen, Begriffe und Gintheilungen mit gutem Erfolge ange:
wendet, f. deſſ. Handb. der Nationalwirtbfh. IL. — Verſuche, beide
Arten von Gütern in der wiflenfchaftlichen Behandlung zufammenzufaflen,
von Arnd und Gioja ($. 45. Notedu. f); auch Bülau, Handb.
d. Staatsw. 2.; eben dahin neigen fih Hufeland, n. Grundlegung,
I, ©. 34. Bolig, Staatswifl. IL 6. 18, u. Hasse, Cuinam nostri
aevi populo etc. ©. 12. — Es if bemerfenswerth, daß auch diejenigen,
welche den Begriff des Vermögens über die Sachgüter hinaus erweitern
wollen, doch in den fpäteren Abfchnitten der Wiflenfchaft fih nur an
jene Guͤter halten.
Es Tat fi deßhalb feineemeges behaupten, daß die Staatsöfonomie
durch Ausichließung der perfönlichen Süter in eine fehlerhafte Binfeitig-
feit gerathe, denn durch diefe Beichränfung gewinnt fic ein abgerundetes
eigenthümliches Gebiet und erlangt erft die volle Gruͤndlichkeit und
Fruchtbarkeit. Die perfönlichen Güter erfordern zwar eine Pflege durch
den Staat, aber dieſe Thätigkeit, die man Staatserziehung, Gulturs
olitif, Bolksbildungsforge nennen kann, ift von der Sorge für ben
olkswohlſtand verfchieden und verdient in dem Eyſteme der Staats⸗
verwaltung eine eigene Stelle. „Man bat es oft den Staatsöfonomen
ſchwer vorgeworfen, daß fie ihre Aufmerkfamfeit blos auf die fachlichen
Guͤter (wealth) richten und alle Beachtung der Gluͤckſeligkeit und Tugend
verabfäumen. — Niemand tadelt einen Schriftfleller über die Taktik,
daß er feine Aufmerkſamkeit blos auf Eriegeriiche Angelegenheiten richtet,
eben fo wenig fchließt man aus dieſer Handlungsweile, daß er einen
Immerwährenden Krieg empfchlt. Allerdings würde ein Schriftfteller,
der, nachdem er gezeigt hat, daß ein gewiſſes Verfahren Sachgüter
erzeugt, daſſelbe blos darum zur Nachahmung empfiehlt, den großen
hler begehen, Wohlfahrt (happiness) und den Beſitz von fachlishem
ermögen (wealth) für einerlei zu halten. Aber fein Irrthum liegt
nicht darin, daB er feine Aufmerkfamkeit Auf das fahlihe Vermögen
befchränft, fondern in der Verwechslung von Wohlfahrt und Bermögens-
beit.” Senior, Outl. ©. 139.
$. 46a.
Auch die perfönlihen Dienfte, d. h. Arbeiten, wos
durch der Menfh unmittelbar dem Menfchen einen Bortheil
— 0 —
(ein verſoönliches Gut) zu Wege bringt, 3. B. Unterricht, Pflege,
Berhüsung, ſind feine Theile des Bermögend. Mehrere neuere
Schriiiſteller haben dieienigen Dienſte in das Bermögen gerechnet,
welche gegen eine Vergütung in Sachgütern geleiſtet werben
und daher gleich dieſen ſelbſt einen Preis Tauſchwerth) haben,
+ B. die bezahlten Thätigkeiten des Arztes, Lehrers, Künfs
lers ıc. (a). Wenn alles dasjenige für einen Theil des Ver⸗
mögend gehalten werten iollte, was einen Preis bat und in
ten wirkhichaftlichen Verkehr fommt, jo müßte tieß von fämmt-
lien Lohnarbeiten, nicht blod von ten perſönlichen Dienften
gelten. Ferner find dieſe zwar wie tie ſachlichen Güter Mittel
zur Beirietigung menichlidher Bedürfniſſe, und Lienen dazu,
Bermögen zu erwerben, untericheiten ſich aber wieter von jenen
Gütern zu ſehr, um mit Nugen für die Wifjenichaft mit ihnen
im Begriff von Bermögen zujammengefaßt werten zu fönnen,
was ichon daraus erhellt, daß fie wie alle Thärigfeiten nur in
einer Folge von Zeitmementen zur Erickeinung fommen, aljo
nicht "gleichzeitig vorhanten find und nicht in einem Borrathe
bejeffen werben fönnen, taß ferner ihr Erfolg meiſtens eine ents
jprechente Mitwirfung deſſen erfordert, für weldyen ter Dienſt
geleiftet wird (5). Die Fähigkeit eines Menichen, gewiſſe Dienfte
zu feiften, ift von ter wirflidhen Berrichtung derſelben zu unter»
fcheiten und bildet ein perſoͤnliches Gut, welches, jeiner unges
wiflen Dauer wegen, nicht einmal nad) einem Preiſe geſchätzt
werten fann. Die fäuflihen Dienfte felbft fint eine Berwen-
tungsart der Sachgüter, wie der unmittelbare Gebraudy der⸗
felben, aber hieraus folgt nicht, daß fie ihnen als Bermögend-
theife gleichgeftellt werten müßten. Weter ein Einzelner nody
ein Bolf ift durch eine gewiſſe Menge möglicher oter bereite
begonnener Arbeiten jelbft ſchon reich, jontern nur wenn er vers
mittelft derjelben Sachgüter erworben ober erzeugt bat (c). Indeß
haben die Dienfte für tie Volkswirthſchaft aus zwei Urfachen
Wichtigkeit, jowohl wegen ihrer Wirkungen, ald weil fie denen,
bie fie leiften, einen Antheil an dem jährlidhen Erzeugniß von
Sachgütern verjchaffen (d).
(s) Für tie Sinrehnung der Dienfe in das Bermögen: Say, Handb. I,
133. — Storch, Zur Kritif des Begriffs v. ationalreichtbum. St.
VSeiersb 1827. — Steinlein, I, 220. — Hermann, Unter.
©. 5. 6. (Bält die Dienfe zwar für Theile des Reiifums, aber nicht
P2
des Vermögens, weil er den Begriff des letzteren auf äußere Suter von
einiger Dauer beichränft). — Baumſtark, Kameralifl. Encyklop.,
©. 547. — Roſcher, Syflem der Volkaw. I, 4. — Dagegen u. a.
Kaufmann, Unterf., das ganze 1. Heft der 2. Abth.
(2) 3. >: Aufmerkfamfeit des Hörers, Fleiß des Schülers, Folgſamkeit des
tanfen.
(ce) ine Sängerin, die im Schiffbruch ihre Habe verliert, ift nicht mehr
reich, aber fie kann es wieder werben und mag in biefer Wahrfchein:
lichkeit einfweilen Credit haben.
(d) Es bängt von ber Definition des Vermögens ab, ob die Dienfle zu
bemfelben gehören oder nicht, wie dieß auch bei dem im vorigen $. ab:
gehandelten Gegenſtande der Fall if. — Storch a. a. D. 1Apt fi
hauptfählid dadurch beflimmen, daß die Dienfte dem Gingelnen ein
Einfommen gewähren, welches von freiwillig gefuchter und bezahlter
Arbeit herrührt. Aber dieß Ginfommen beiieht doch nur in einem
Theile der erzeugten fachlichen Güter.
8. 47.
Es giebt fachliche Güter, welche fi) außerhalb des Ber
mögend befinden und daher fein Begenftand ber wirthfchaftlichen
Sorgfalt find (a). Manche Güter und darunter feldft fehr nüß-
liche, wie das Licht und die Wärme der Sonne, dad Weltmeer
u. dgl., geftatten ihrer Natur nach Feine ausfchließliche Ins
habung und Berfügung (8. 2.), doc Fönnen fie wenigftene
mittelbar auf dad Vermögen Einfluß haben, indem fie bie Nuͤtz⸗
lichfeit einzelner Beftandtheile defielben erhöhen (5). Andere
Güter, weldye ihrer Wefenheit nad eine Aneignung zulaffen
würden, find darum noch herrenlo8 geblieben, weit fle in Bülle
von der Natur hervorgebracht werden und fein Beweggrund vors
handen if, von einem überflüffigen Vorrath Beſitz zu ergreifen,
3 B. Waffer in vielen Gegenden, felbft Holz bie und da.
Solche Güter find daher noch preislos und man wendet feine
Mühe an, fie zu erhalten und zu fehonen, weßhalb fie von den
Einzelnen nicht als Bermögenstheile angefehen werben, obſchon
fie, wenn fie einem Bolfe im Ganzen zugehören, für ben wirths -
ſchaftlichen Zuftand deffelben keineswegs gleichgültig find. Daher
ift die fpätere ausfchließliche Befipergreifung, die fie in das Vers
mögen einzelner Bürger bringt, Feine wahre Bereicherung des
Volkes. ES können aber nur Naturs, nicht Kunfterzeugniffe -
von bdiefer Art fein, weil leßtere ſtets Koften verurfachen, bie
man nicht unnüg aufzuwenden geneigt ift (c).
(a) Sole Büter werden von Say (Handb. I, 99.) natürliche, im
Gegenfape der focialen, von Hermann (Unteaf. ©. 3.) freie,
62 —-
zur Unterfheidung von ben wirthfhaftliden genannt. — Nidht:
erwerblihe Büter nah Zacha riaͤ, Staatsw. 2. ©. 51.
(6) Ländereien werden 3. B. wegen ihrer Lage am Meere oder unter einem
günftigen Himmelsflriche höher geichäßt.
(e) Güter diefer beiten Arten werben nit für einen Gegenwerth in Sach⸗
ütern erfauft. Daher flellen die zahlreichen ESchriftfieller des Aus⸗
andes, welche den Begriff und Ausdruck Bermögen nicht kennen,
bie Vertauſchbarkeit als das Kennzeichen derjenigen Dinge auf, bie den
Gegenftand der politifhen Defonomie ausmachen; vgl. F. 64. Diefe
Gigenfchaft einer Sache wird indeß nicht nothiwendig buch vorausge⸗
gangene Arkeit und Koftenaufmand bedingt, denn auch ein blos durch
aturfräfte entflandenes But, 3. B. ein noch in ber Erde liegendes
gofit kann Gegenfland eines Taufches werden, wenn es in fo geringer
enge vorhanden if, daß man e6 ber Mühe werth hält, ſich daſſelbe
anzueignen.
$. 48.
Das Bolfdvermögen umfaßt fämmtliche in der Gewalt
ber Staatsbürger (a) befindliche fachliche Güter. Es unter
fcheidet ſich dadurch von dem Staatsvermögen, welches im
Beſitze der Regierung ift und von ihr zum Beften bed ganzen
Staates benugt wird, $. 6 und III, 8.4. Beide Begriffe wur
den in früherer Zeit häufig mit einander vermengt, man fchrieb
der Staatögewalt eine Art von Obereigenthum über dad Ver⸗
mögen ber Bürger zu und diefe Verwirrung fand der Ver⸗
breitung richtiger Vorftelungen von der Bolföwirthfchaft fehr im
Wege. Es ift jedoch geftattet, das Volfd- und Staatövermögen
in einem Lande im Begriffe zufammenzufaffen. Die Summe
beider, dad Staatsvermögen im weiteren Sinne, bezeichnet
ben ganzen Antheil des einzelnen Staates an ber auf ber Erbe
überhaupt vorhandenen Gütermaffe (b).
(a) Es verficht fih, daß hierunter auch das Vermögen der Gemeinden und
verichiedener anderer moralifcher Perſonen begriffen iſt, die dem Staats:
verbande angehören.
(6) Binige nennen dieß Ganze Bollsvermögen, z. B. Schent, L 15.
8. 49.
Das Vermögen bezieht ſich zwar lediglich auf fachliche Güter
($. 46), allein die Gewalt über diefelben kann verfchiedener Art
fein; fie muß nicht nothwendig in ber förperlichen Inhabung
oder in dem vollen Eigenthume beftehen, weil audy andere Rechte
ihrem Beſitzer die Macht geben, fachliche Güter für feine Zwede
zu gebrauchen, nur nicht in jeder beliebigen Weife, fondern in
gewiffen Gränzen (a). Dahin gehören 5. B. Rechte ber Be
— 6 —
nutzung einer fremden Sache, Rechte, die ſich leicht in Sach⸗
güter umſetzen laſſen (d. h. verkaͤuflich find), oder ſolche, die
ſchon für ſich allein eine fortdauernde Einnahme von Sachgütern
bewirken, wie Zehntrechte, endlich Forderungen an andere Per⸗
ſonen, wenn ſie nur unbeſtritten ſind, auf beſtimmte
Gütermengen gehen und wenn auf das Eingehen von dem
Schuldner ſich er zu rechnen iſt (6). Daher ſetzt ſich dad Ver⸗
mögen einer Perſon im ſubjectiven Sinne ($. 2 (6)) aus ben
Eigentbumsredhten und aus den anderen Rechten ber erwähnten
Art zufammen. Unterfuht man von biefem Gefichtöpuncte
aus dad Vermögen eined ganzen Volkes, fo ergiebt fi, daß
bie zu dem ‘Privatvernögen ber Volksmitglieder gehörenden
Rechte nur dann einen eigenen Beftandtheil des Volksvermoͤgens
bilden, wenn bie ihnen entfprechenden Berbindlichfeiten ſich auf
Seite des Auslandes befinden. Müffen aber Borderungen an
Fremde dem Volksvermoͤgen zugezählt werden, fo ift es aud
nothwendig, die Schuldigfeiten ded Inlanded an dad Ausland
in Abzug zu bringen und bei diefem Abgleiche zeigt fi) natür-
(ih die Schuld mancher Volker größer ald ihr Guthaben (ec).
Soldye Rechte, welche ein Mitglied des Volkes gegen andere
geltend macht, find für das Volfdvermögen im Ganzen genoms
men gleichgültig und geben nur der Vertheilung deſſelben unter
bie Einzelnen eine andere Geſtaltung, ald die, auf welche aus
dem bloßen Eigenthum gefchloffen werden müßte (d).
(a) Infofern ift e6 allerdings richtig, daß das Vermoͤgen auch unförperliche
Dinge in fih begreift, aber nur wegen ber verfhiebenen Formen der
Berfügungsgewalt, während doch immer allein die fachlichen Guͤter den
Gegenſtand bilden, auf den bie Deerügung gerichtet if. Daher kann
aus das Vermögen einer ohne auswärtige Verbindungen lebenden An:
zahl von Menfchen oder der ganzen Menſchheit nicht größer fein als
die Menge aller Sachgüter, welche von jenen zufanmengenommen be:
berrfcht werden.
() So wenig ale die bloße Arbeitsfähigkeit, if das Recht, ein gewiſſes
@ewerbe zu treiben, ſchon ein Bermögenstheil, weil der wirkliche Erwerb
daraus von der Handlungsmweife des Gewerbsmannes und von Äußeren
Umftänden abhängt; anders bei verfäuflichen und in befchränfter Zahl
befteßenden Gewerbsrechten und Privilegien, ſ. (co). Cine Kundicaft
iR fein Bermögenstheil, weil man über fie nicht verfügen kann, denn
fie beruht auf der Gunſt und dem Bertrauen Anderer. Was man
öfter als Verkauf einer Kundſchaft betracptet Hat (Hermann, Noſcher),
dieß ift nur etwa Abtretung eines Plages, der Geräthichaften, Em:
pfehlung bei den Kunden u. bgl.
(c) In den nordamericanifchen Freiftanten follen von den Schuldbriefen der
Union, der einzelnen Staaten und Städte, von ten Nctien der Gifen-
4
bahn⸗ und anderen Gefellfchaften 184 Mill. Doll. oder ts des ganzen
Betrages in den Händen Yremder fein (1853).
(d) Die in das Privatvermögen fallenden Rechte der Bürger gegeneinander
lafien Ah in 2 Claſſen teilen. Bei der einen flieht dem Ber ti
ein Schuldner oder irgendwie Verpflichteter gegenüber, deſſen Schuld
oder Belaflung fidh gegen das Recht des Erſteren aufbebt. Bi der
zweiten Claſſe ift fein einzelner Berpflichteter vorhanden, das Mecht
giebt nur einen Borzug in der Benugung eines Erwerbözweiges, z. B.
Grfindungsprivilegien, verkäuflihe Gewerbsbefugniſſe (Realgerechti
feiten); es müflen jedoch audy bier immer andere Bürger einen —**
leiden, wie die Erſchwerung des reifens eines gewiflen Gewerbes,
die Derthenerung der Bewerbserzeugniffe und dgl. Paris wird jede
der 72 Maͤklerſtellen auf ungefähr 1 Mil. Sr. gefchägt. Selbſt eine
Firma kann ein anfehnlicher DBermögenstheil fein, 3. B. die von J.
M. Karina. Vgl. Beruouilli, Schweiz. Archiv, V, 55 und Her⸗
mann, Untef. ©. 6.
$. 50.
Die inländifchen Beſtandtheile des Volksvermoͤgens können
auf doppelte Weife eingetheilt werben:
1) Nach ihrer Entftehung und ihrem Verhaͤltniß zur Erbe
fest man die Theile der Erboberfläche, d. h. die Grundſtücke,
ben einzelnen von ber Erde getrennten und dadurch beweglich
gewordenen und zu beliebiger Verfügung tauglidhen Erzeug⸗
niffen entgegen (a). Die Grundftüde find in Hinficht ihrer
Ausdehnung ein ziemlich unveränderlicher Vermoͤgenstheil und
ihre Oefammtheit innerhalb eined Staatögebieted, dad Land,
bildet deßhalb eine natürliche Ausftattung ded Volkes für alle
Zeiten, nur daß die Grundftüde in ihrer Beichaffenheit durch
Ratureinflüffe oder Kunft umgewandelt werben fönnen (db). Die
Abgränzungen derſelben auf der Erde entfliehen nur zufällig
durch Befignahme, während jedes bewegliche Erzeugniß feine
räumliche Begränzung an fidy trägt.
2) Nach ihrer Beſtimmung für gewifle Zwecke. Diefe find
zwar von hoͤchſt verfchiedener Art, zerfallen jedoch zunächft in
zwei Abtheilungen;
a) ein Theil der Güter dient unmittelbar dazu, irgend
einen Vortheil (Augen oder Vergnügen) für die Perfonen her⸗
vorzubringen und kann beghalb mit dem Namen Genußmittel
bezeichnet‘ werben ;
b) ein anderer Theil wird nur ald Mittel benupt, neue
Sachgüter in das Bermögen zu bringen, fei ed durch eigene
Erzeugung, fei ed durch den Verkehr. Diefe blos mittelbar
nüglichen Dinge find Erwerbsmittel.
Manche Güter lafien fich beliebig zu der einen ober anberen
Verwendung gebrauchen (e), bei manchen treffen auch beide
Zwede gleichzeitig zufammen (d). Genußmittel, weldye von dem
Eigenthümer an Andere gegen Vergütung zum Gebrauche übers
laffen werden, find für jenen Erwerbömittel, ohne ihre erſt⸗
genannte Eigenſchaft zu verlieren (e). Es giebt aber viele
Erwerbömittel, die nur dieſes find.
(a) Sie können aber die Beweglichkeit wieder verlieren, indem fie fünftlich
mit Grundflüden verbunden werden. Dabei tritt ferner der Unterfchieb
ein, daß fie theils den Grundſtücken aͤnzlich einverleibt werden und
von ihnen nicht weiter zu unterſcheiden ſind, wie die aufgebrachten Erden
und Düngefoffe, theils wenigſtens nur die Nutzbarkeit der Grundſtücke
erhöhen, wie Stüßmauern, Shleußen, Brunnen, theils aber ale bes
fondgre unbeweglich gewordene Güter einen eigenthümlichen Nutzen ges
währen, wie Gebaͤude.
(d
ur
Eine Ausnahme macht hoͤchſtens das Abfpülen oder Abreißen des Landes
durch das Wafler, was aber in der Regel unbedeutend il. Der Dollart
verfhlang 1277 gegen 4D. Meilen mit 50,000 Einwohnern. — Sonſt
werden bie Brunpflüde häufig buch Naturkräfte verfchledhtert, 3. B.
fumpfig gemadt, in Behirgen mit Gletſchern oder Steingeröll überbedt,
dagegen andere vermittelt der Kunft verbefiert.
() 3.8. ein Reitpferd von einem müfligen Reichen oder einem Landwirthe.
(d) 3. B. die Nahrungsmittel der Gewerbsarbeiter, — ein Wald, ber zus
gleich Luftgarten und Jagdgehege if.
(6) Bermiethete Bücher, Kleider, Reitpferde, — Theatergeraͤthſchaften, —
Badeanflalten.
8. 5l.
Berbindet man biefe zwei verfchiedenen Gintheilungen ber
Sadgüter mit einander, fo ergiebt fid, Folgendes. Die Grund»
ftüde dienen größtentheild als Ermwerbömittel, insbeſondere für
den Sands und Bergbau (a). Die von der Erbe getrennten
Erzeugnifie dagegen vertheilen fi) mit geringerer Ungleichheit
unter die beiden genannten Verwendungszwecke. Man unter
fcheidet demnach
1) die beweglichen (ober wenigftend beweglich geweſenen)
Genußmittel, wie Kleidung, Nahrung, Wohnung ꝛc. Eine
in irgend einer Beziehung zufammengefaßte Menge folcher Güter
wird Gebrauchsvorrath genannt.
2) Ein irgendwie zufammengehörender Vorrat von beivegs
lichen Erwerbömitteln (5) heißt ein Capital (Erwerbſtamm,
werbender Gütervorrath). Die Erlangung neuer Bers
mögenstheile ift in den meiften Fällen durch das Vorhandenfein
und den Beiftand älterer bedingt, daher muß ein Theil des
Rau, polit. Defon. I. 7. Ausg. 5
— 66 —
Vermoͤgens der unmittelbaren Verwendung zu perſoͤnlichen Gütern
entzogen unb zur Unterftügung des Crwerbes gebraucht werben.
Das Capital als folched leiftet einen mittelbaren Nutzen und
hieran find feine Beftandtheile leicht zu erkennen, wenn fie gleich
bisweilen auch unmittelbar ald Genußmittel wirken, $. 50.
Während dieſe überhaupt fogleich jegt den Menſchen perjönliche
Vortheile geben, hilft dagegen das Capital andere Sachgüter
zu erlangen, welche fpäter jenen Dienft leiften koͤnnen.
(a) Nur ein Eleiner Theil jedes Landes ift zu Luftgärten, öffentlichen Plätzen,
Lands und Woaflerfiraßen ıc. verwendet oder mit Wohnungen überbaut.
(d) 8.9. von rohen Stoffen, aus denen, oder von Werkzeugen, mit benen
ein gewiſſes Gut verfertigt wird, — der Viehſtand des Landwirthes ıc.
(e) Binige Neuere haben den Begriff von Capital fomweit ausgedehnt, daß
er auch ten Gebrauchsvorrath einihließt, wie Say, Handb. I, 220
capitaux produotifs d’agröments ou d’utilite), Mac⸗Culloch, ©. 72,
teinlein (Nähre und Zehrcapitel) I, 338 vgl. 346, Hermann
Unterf. S. 60. (Erwerb: und Nupeapital, welches, wie Gebäude ıc. un:
mittelbar Bortheil giebt), Roſcher, Syflem der Volksw. I, 67. (Bro:
duetiv⸗ und Gebraudscapital, welches leßtere zur Hervorbringung von
perfönlichen Dienſten oder nüglichen Verh (tmiffen verwendet wird).
8. 52.
Nicht jeded einzelne Gut ift feiner Befchaffenheit nach zu.
diefen beiden Anwendungen (6. 51.) brauchbar, der Verkehr
macht ed aber möglich, ſtatt eined einzelnen Vermoͤgenstheils
einen andern zu erlangen, ber die gewuͤnſchte Benugungsart ge:
ftattet, 3. B. vermittelt deö Taufched. Geſammelte Bütermaflen,
welche noch feiner von beiden Beflimmungen gewidmet worden
find, gehören weder zu den Genußmitteln noch zum Gapitale
und folten als unbeftimmte Borräthe aufgeführt werben,
doch pflegt man fie indgemein zu dem Gapitale zu rechnen (a).
(a) Gütervorräthe, die ale Capital dienen follen, jedoch in einem gewiflen
Beitpuncte noch feine Anwendung gefunden haben, werden tobte Ba:
pitale genannt.
8. 58.
Im Sinne der Bolföwirthichaftsichre gehören nur diejenigen
beweglichen Güter zu dem Capitale, welde ald Hülfmittel
gebraucht werden, um dem Bolfövermögen einen Zuwachs zu
verfchaffen, F. 51. Anders geftaltet fich der Begriff des Capi⸗
taled aus dem Etandpuncte der Privatwirtbfchaft, welche ſich
nur die Verforgung einer Bamilie mit Sachgütern zum Ziele
— 61 —
ſetzt, ohne die Wirkung dieſes Erfolges auf die ganze Volks
wirthfchaft zu beachten oder auch nur zu kennen. Den Einzel
nen fichen mandjerlei Wege des Erwerbes offen, und darunter
auch folche, bei denen das Volksvermoͤgen nidyt vergrößert wird,
indem ſchon vorhandene Beftandtheile deſſelben von einem Eigen»
thümer auf den andern übergehen. In Beziehung auf eine
Privatwirthichaft, welche man anderen ähnlichen bürgerlichen
Wirthichaften gegenüber betrachtet, erfcheint alſo alles dasjenige
bewegliche Vermögen als werbend oderald Bapital, weldes
überhaupt von dem Kigenthümer nicht blos für einen perföns
lien Genuß, fondern zun Erwerbe anderer Güter benupt
wird (a).
() 9. Smith, II, 122. — Stord, I, 140. — Da neue Güterzuflüfie
überhaupt auf zwei Wegen erreichbar find, durch eigene Erzeugung und
durch Grwerbung aus fremdem Bermögen ($. 69), Al fönnen die ale
Mittel Hierzu dienlichen Erzeugniſſe, deren Inbegriff überhaupt Ga;
pital heißt, in verfchlebenen Singen betrachtet werden.
1) Für die Privatwirtbichaft find diejenigen Erzeugniſſe Capital,
welche die eigene Hervorbringung von Bütern oder die Erlangung
derfelben von anderen Menſchen unterflügen,
2) in der Bolkswirthfchaft diejenigen, welche eine inländifche Güter:
eeusung oder eine Sinnahme von anderen Bölfern zu
ege bringen ;
3) würde man die Wirtbichaft der Menjchheit auf der Erde als ein
Ganzes anfehen, fo konnte der Begriff des Gapitales nur auf
den Beifland zur Gütererzeugung überhaupt befchränft werden.
Der privat: und der volfswirtbfchaftliche Begriff von Capital find
demnach gleichmäßig in dem Weſen beider Wirthichaften begründet und
die, doppelte Bedeutung deffelben Auspruds, wie unbequem immer für
die erſte Erlernung der Wiflenfchaft, ift nicht zu umgehen.
$. 54.
In der Privawirthſchaftslehre und im Sprachgebrauche bes
gemeinen Lebens rechnet man deßhalb zum Bapitale nicht allein
1) das wahre volföwirthfchaftlihe Capital, fonden auch
2) folche Genußmittel, die der Eigenthümer ald Mittel ges
braucht, fi) eine Einnahme zu verfchaffen, $. 50.
3) Auch die zum Ausleihen beftimmten Geldfummen und
die aud ben Darleihen entfichenden verzinslichen Forderungen,
welche für die Gläubiger die Stelle der hingelichenen Güter
menge einnehmen, werden indgemein Gapitale genannt. Die
ind Ausland verliehenen Summen fönnen zwar als Theile des
Bolfscapitald angejehen werden, da fie eine Zinfeneinnahme in
bad Bolfsvermögen bringen ($. 51. 53), verwandeln fich jedoch,
5*
— 6 —
fobald die Anlegung erfolgt if, in Forderungen, 6. 49. Ins
ländifche Horberungen haben auf die Größe des Volkscapitals
feinen Bezug. Die dargeliehenen Sunmen felbft werden von
ben Schuldnern bald auf Bapitale, bald auf Genußmittel ver
wendet. — Unter Bapitaliften pflegt man nur jene Zins⸗
gläubiger zu verftehen.
Zweiter Abſchnitt.
Schätzung des Volksvermögens.
$. 55.
Die Größe des Vermoͤgens kann in ber wirthfchaftlichen
Betrachtung nicht nach der bloßen Maſſe der in ihm enthaltenen
Stoffe bemefien werben, fondern fie hängt von der Menge von
Vortheilen ab, welche die Beftanbtheile ded Bermögend ben
Menfchen gewähren oder von dem Einfluffe, den fle auf den -
Zuftand berfelben Außern. Die Volkswirthſchaftslehre muß daher
jedem einzelnen fachlichen Gute in Beziehung auf feine Taug-
lichfeit zur Beförderung derjenigen Zwede, für die es beftimmt
ift, feine Stelle anweifen. Die Beurtheilung des Grades biefer
Tauglichkeit if die Schägung. Die Lehre von ber SCchäßung
des Vermoͤgens im privat» und volfdwirthfchaftlichen Geſichts⸗
puncte berührt fo viele Abfchnitte der Staatswirthichaftslchre
und ift felbft für die bürgerlichen Wirthfchaftsangelegenheiten fo
wichtig, daß fie eine forgfältige Entwicklung erfordert, bie aber
in ber Unbeflimmtheit des Sprachgebrauchd eine befonbere
Schwierigfeit findet.
8. 56.
Nach der Gewohnheit im täglichen Leben wird in ber
Schägung der Güter zunaͤchſt ver Preis derſelben beachtet, d. h.
die Menge anderer Güter, weldye man bei- einem Taufche für eine
gewiffe Sache erlangen kann. Im Taufche werden zwei Quan⸗
titäten von Sachgütern gegen einander bingegeben und angenom⸗
men, alfo einander infofern gleichgefeht, woraus man leicht auf
die Meinung geführt wird, fie feien einander auch ihrem Weſen
nach glei. Der Preis entfteht durdy eine Uebereinfunft und
— 0 —
ſeine Groͤße wird hiebei nach Zahl und Maaß genau bezeichnet,
ſo daß er hoͤchſt leicht zu erkennen iſt. Ein gewiſſes Gut erhaͤlt
dann einen Preis, d. h. es wird preisfähig, wenn es übers
tragbar iſt, wenn mehrere Menſchen nach ſeinem Beſitze ſtreben
und denſelben nicht ohne ein Opfer erlangen koͤnnen, indem
der ganze Vorrath ſchon in das Eigenthum Einzelner getreten
iſt (a). Ueber dad Weſen eines Gutes und die Dienſte, die
es den Menſchen leiſtet, giebt der Preis deſſelben keinen Auf⸗
ſchluß, weil er nur anzeigt, mit welchem Aufwande anderer
Güter jenes zu erlangen iſt oder wieviel von letzteren dafuͤr
eingetaufcht werden koͤnnen. Mit dem Preiſe werben, bisweilen
die Koften eines Sachgutes verwechfelt, d. i. Die Menge anderer
Güter, die Jemand aufwenden muß, um ſich jenes zu verfchaffen.
Der Einzelne kann dieß fowohl durch eigene Hervorbringung
als durch Erwerbung im Tauſche bewirken, daher laflen fich bie
Erzeugungds und die Anfhaffungsfoften unterfcheiben,
in welchen letzteren der für dad Gut hingegebene Preis nebfl
ben Berfendungdfoften u. vergl. enthalten if (6). Bei einem
Taufhe kann man ben ſchon gemachten Koflenaufmand bes
BVerfäuferd mit dem bedungenen Preiſe vergleichen, um zu be
urtheilen, ob der Tauſch für jenen vortheilhaft fei oder nicht,
Auch die Koften eined Gutes genügen nicht für Die Schäßung
befielben und es bleibt fogar zweifelhaft, ob man Bortheil dabei
hat, wenn man jenen Aufwand für die Erlangung des Gutes
vornimmt. Der Preis der Sachen kommt in den meiften Fällen
dem Koftenbetrage nahe.
(a) Man bat daher oft behauptet, der Preis febe einen gewiflen Grad von
Seltenheit voraus (3. B. Walras in Seances et travaux de l’acad.
XVI, 15. 1849), allein es iſt nur erforderlich, daß der Begehrende fi
niht mehr unentgeltlih mit dem gewünfcten Gute verforgen kann.
Richtiger bezeichnet Scialoja als Bedingung des Preifes eine gewiſſe
Schwierigkeit der Crwerbung, Prineipj, ©. 26.
(5) Im gemeinen Leben werden die Zeitwörter Foften und gelten (einen
gewiſſen Preis haben) für gleihbedeutend gebraudt, was jedoch da, wo
die ebenerwähnten Rebenausgaben vorkommen, nicht volltommen richtig ifl.
8. 57.
Eine tiefer begründete und in alle Wirthfchaftsangelegenheiten
mehr eingreifende Schäßung wird gewonnen, wenn man die Faͤhig⸗
feit der Güter, menſchliche Zwecke zu befördern, d. h. ihre Nuͤtz⸗
lichkeit (a), genauer erforfcht. Jedes Sachgut hat Nüslichkeit,
— 0 —
werden aber in Hinſicht auf dieſelbe mehrere Guͤter mit einander
verglichen, ſo zeigen ſich verſchiedene Abſtufungen. Der im
menſchlichen Urtheil anerkannte Grad von Nuͤtzlichkeit eines
Sachgutes iſt der Werth deſſelben (6). Dieſer druͤckt alſo
das Maaß des Einfluſſes aus, den ein Gut auf den Zuſtand
des Beſitzers auszuüben vermag, ober die Staͤrke der Anziehung,
welche jede Sache für dad Begehren ber Menfchen Außert.
Unterfuht man jedoch näher, wie die Sachgüter den menſch⸗
lichen Zweden zu Hülfe fommen, fo ergeben ſich verfchiebene
Arten ded Werthed. Auf diefem Wege ift man fchon früh zu
ber Unterjcheidung eines Gebrauchs- und Taufchwerthes
geleitet worden (c), weldye zwar nicht ganz genügt, aber doch
zu einer volftändigeren Darftelung ben Weg bahnte. Der
Werth der Erwerbömittel muß anders beurtheilt werden, als der
ber Genußmittel, audy macht es einen erheblichen Unterfchieb,
ob man bei der Werthfchägung eined Gutes eine vereinzelt
ftehente, ober eine im Berfehre begriffene Wirthfchaft voraus⸗
fett. Hieraus entipringt die nachftehende Eintheilung (d).
(a) Dieß Wort wirb in ber Bolkswirtäfchaftslehre in einem weiteren Sinne
ra fo daß es auch die Annehmlichkeit, Schönheit ıc. in fid
ießt.
(5) ‚Wenn der Werth nicht den Grad, fondern die Rützlich keit felbft
bedeuten follte, fo wäre einer von beiden Ausdruͤcken überflüflig. Doch
ift Telbft der gewöhnliche Gebraud der Wörter Werth und Würde
dagegen. Es laäßt ih demnach von dem Werthe einer Sade allein,
ohne Bergleihung anderer Güter oder mehrerer individueller Schaͤtzun⸗
. gen, nicht fprehen. Wenn man im gemeinen Sprachgebrauche einer
Sache ſchlechthin Werth zufchreibt, ohne fie mit einer einzelnen anderen
zu vergleichen, fo ift hierunter ein gegen viele andere oder die meiften
anderen Güter hoher Werth zu verfehen.
(c) Die Unterfheidung eines Gebrauchs- und Taufchwerthes iſt fhon von
Nriftoteles (Politicor. I, 9) deutlich ausgefprohen worden. Adam
Smith hat diefen Unterfchied aufgenouimen, ohne aber ven Gebrauchs⸗
werth weiter zu verfolgen und zu benugen. Unterf. I, 43. — Mehrere
neuere Schriftftefler haben fich mit der genaueren Beftimmung der Be:
tiffe von Werth und Preis befchäftigt und beide Norgfactig au unter:
cheiden gefuht. Graf Soden, IV, 22. — Hufeland, R. Grund⸗
fegung, I, 118. — 2o$, Reviflon, I, $. 3 und Handb. I, 20. —
Storch, I, 27, und: Ueber die Natur des Nationaleintommens,
S.XXXIV. — Rau, Zuf. 16 zu Storch und in der Schrift: Malthus
und Say über die Urſachen der jetigen Handelsſtockung, ©. 259 (Ham⸗
burg 1821). — Ricardo, Princ. Cap. 1. u. 20. — Torrens, Prod.
ot w., &.7. — Louis Say, Consider., S. 47. Deſſ. Etudes, &.45. —
W. Kosegarten, De valoris et pretii vi et momentis in oecon. '
politica. Bonnse, 1838. — Baumftarf, Volksw. Erläut. S. 297. —
Rossi, Cours I, 48. — Riedel, I, 8. 30. — Thomas, Die
Theorie des Verkehrs. 1. Abtheil. Berlin 1841. ©. 11. — Mill,
I, 451. — Friedlaͤnder, Theorie bes Werths, Dorpat, 1852. 4.
(zugleih Geſchichte diefer Lehre). — Berfuh, die Stammbegriffe der
olkswirthſchaftslehre feftzuftellen, von &. Say in der Schrift: Pour-
quoi l’&c. pol. est-elle une science si peu generalement étudiée?
P. 1837. — Mehrere Neuere nennen den Gebrauchswerth Nuͤtz lich⸗
feit und behalten das Worth Werth lediglih zur Bezeichnung bes
Zaufchwerthes oder Preiſes, 3. B. Torrens, On the product. of
wealth, ©. 8. Mac⸗Culloch, Grund. S. A, auch Storch, Natur
des Nationaleint., ©. XXXVI. Es ift hiebei zu beachten, daß im
franzöfifhen und englifchen Spracdhgebraude valeur, value nicht genau
dem deutfchen Worte Werth entfprechen, denn jene Ausbrüde, von
valor, valere abflammend, gehen mehr auf die äußere Anerkennung, das
Gelten, alio auf den Preis im Verkehr, während Werth mehr
auf die einem Gute anhaftenden nüglichen Gigenfchaften bezogen wird.
Unter Valeur fchlehthin wird der Taufchwerth verftanden.
(4) Bol. Hufeland, 1,124. — Baumſtark, Volksw. Erläut. ©. 312.—
Schmitthenner, Zwölf B. I, 336. — Kudler, B.:®. I, 55. —
Thomas a.a.D. zerlegt den Werth in drei Begriffe, nämlidh: 1) die
Hochſchäzung von Dingen ihrer Beichaffenheit willen, 3. DB. wegen
ihrer Schönheit, Würde; 2) die von ber Gemüthéſtimmung eines
Subjects beftimmte Schäbung, Werth; 3) die Schäbung eines Gutes
wegen der urfachlihen Berbindung mit einem anderen, Nüplichfeit.
Zu bdiefen drei Schäßungen rechnet der Berfaffer ferner 4) die Koften,
5) den Preis. Jene drei find jedodh nur ale einzelne Urſachen und
Arten des Werthes anaulehen. — Sm täglihen Leben werden die Arten
des Werthes nicht unterfchieden, weßhalb man denfelben bald dem Breife
entgegenfebt, bald beide Ausdruͤcke verwechſelt.
$. 58.
Es giebt zwei Hauptarten des Werthes:
1) Der Grab von Tauglichkeit eined Gutes, feinem Befiger
bei ber eigenen Anwendung für einen, in der Beflimmung bed
Gutes liegenden, nicht erft durch den Verkehr vermittelten Zweck
einen Bortheil zu gewähren, ift der Gebrauchswerth ober
Werth im engeren Sinne (a). Diefer ift ald die Grund»
lage jeder Schägung anzufehen und verdient bei jedem Sad):
gute vor Allem und hauptfädylich beachtet zu werben, wenn er
auch nicht nothwendig für jeden Befiger eined Gutes vorhanden
it (d). Er bleibt fi, wenn man ihn einmal erfannt hat, fo
lange gleih, als nicht in den Abfichten der Menfchen oder in
ber Brauchbarfeit eined Mitteld für dieſelben ein Wechfel eins
tritt. Wendet man den Begriff von Gebrauchswerth auf bie
beiden Gattungen von Gütern an ($. 50. Nr. 2), fo ergiebt
fi) Folgendes:
a) Der Werth eines Genußmittel® liegt in der Faͤhig⸗
feit deſſelben, perfönliche Güter, d. h. Nutzen oder Vergnügen
bervorzubringen, .er ift alfo ein unmittelbarer. Gebrauchs⸗
— 72 —
werth, den man auch Genußwerth nennen kann, z. B. der
Nahrungsmittel, der Arzneien, der Werke der bildenden Kunſt ıc.
(c). Man darf fid) denfelben nicht überhaupt als etwas Will
fürliches, der Laune und dem Spiel der Einbildungsfraft Ans
gehörended denken, denn meiftend beruht er auf feften Zwecken
ber Menfchen und gewiflen Eigenfchaften unferer Sachgüter (d).
b) Der Werth derjenigen Erwerbömittel, die der Bes
figer dazu benugt, um andere Güter von anerfanntem Gebrauchs⸗
werthe für feinen Bedarf hervorzubringen, richtet fi) nach ber
Stärfe des Beiſtandes, den ſie hiezu leiften, d. h. nad) ber mit
ihrer Hülfe entftehenden Werthmenge, nad) Abzug bed etwa
nöthigen FKoftenaufwandes (e). Bortgefegte Beobachtungen in
dem Betriebe der Gütererzeugung haben viele Erfahrungsfäge
zur Bemeflung dieſes Erzeugungswerthe® geliefert, vor⸗
zäglid) im Gebiete der Landwirthfchaft (f).
(a) Diefe eigene Anwendung (Gebrauch) ſetzt fortdauernden Beſitz des Gutes
voraus.
(6) Nur das Geld ale Werkzeug des Verkehrs ift ohne allen Gebrauchs⸗
werth. — Viele Waaren eines Raufmanne, viele Bücher eines Buchs
haͤndlers haben für diefen felbft Eeinen Gebrauchswerth.
(e) Benupungswertb nah Hufeland, Verbrauchswerth nah Baumſtark,
Genußwertö nah Schmitthenner.
(d) — Value dwells not in particular will;
It holds its estimate and dignity
As well wherein "tie precious of itself,.
As in the prizer.
Shakspeare, Troil. and Cross. II, 2.
(e) 3. 8. Unterhaltungsfoflen eines Thieres, einer Mafchine ıc.
(f) 3. 3. Milcergiebigfeit einer Kuh, — Nährkraft eines Eentnere Heu
für Melkthiere oder Maftvich, — Düngefraft eines Gentners Stall:
mit, — Grtragsfähigfeit eines Morgens Acker oder Wald bei einer
geiffen Bodenart und anderen gegebenen Umftänden, — 2eiftung einer
reſchmaſchine sc. Die landivirtäf aftlichen Schriftfteller führen gewoͤhn⸗
lih bei folden Ausmittlungen den Erzeugungswerth der nerfhiebenen
Gegenftände auf 1 Raums oder Gewichtstheil Roggen zurüd, Blod,
Retultate der Berfuche über Erzeugung und Gewinnung des Düngers,
1823. 4. unb fpätere Echriften dei. — Angaben über den Werth der
verfchiedenen Yutterarten, auf Heu zurüdgeführt (Heuwerth), bei v.
Weckherlin, Landw. Thierproduction, I, 178.
8. 59.
Der Genußwerth eined Gutes insbefondere wird von folgen»
ben Umftänden beflimmt:
a) von ber Stelle, die ber naͤchſte Gebrauchszweck deſſelben
in der Gefammtheit menfchlicher Zwecke einnimmt. Diefe ftehen
“
— 123 —
in einer Rangfolge, welche theils auf der ſinnlichen Natur des
Menſchen, theils auf moraliſchen Gruͤnden beruht und ſich in
fein Zahlenverhaͤltniß bringen läßt. Die Befriedigungsmittel ber
bringendften Bebürfniffe haben aus biefer Urſache den hoͤchſten
Werth (a). Haben zwei Güter einerlei Beftimmung , fo kann
dem einen darum ein höherer Werth zukommen, weil es zugleich
auch noch andere Zwecke beförbert;
b) von dem Verhältniß des einzelnen Gutes zu anderen,
weiche zu bem nämlichen Zwecke anwendbar find. Fehlt es an
folchen anderen Mitteln, fo ift daß einzige vorhandene in Bes
ziehung auf biefen Zwed (relativ) unentbehrlich (d), und
fein Werth richtet ſich ganz nad) der Wichtigkeit deffelben; find
aber jene vorhanden, fo ift der Werth eines jeden einzelnen
gegen bie anderen davon abhängig, in welchem Grabe es
zur Crreihung feiner Beſtimmung geſchickt ift, 3. B. von der
Stärke, Dauer, Sicherheit ıc. feiner Wirfung. Dieſes Werths
verhältniß mehrerer Mittel gegen einander ift in folchen Faͤllen,
wo es blos auf förperlichen Eigenfchaften beruht, leicht auszu⸗
mitteln (ce). Die Auffindung eines befferen Mitteld vermindert
den Werth, des bisherigen beften keineswegs, hat aber die Folge,
daß nun das neu entbedte einen höheren Werth erlangt (d).
(a) Dan vergleihe 3.3. den Werth eines Maskenanzuges und eines Hems
des, einer Pendeluhr und eines Bettes. — Aus diefer Urfache werden
die aufeinander folgenden Werthserhoͤhungen durch fortgefepte Bervoll;
fommnung einer Art von Gütern, 3. B. von der hölzernen Bank bie
um zierlichſten und Eoftbarften Sopha, infofern immer geringer, als
* neue Berbeflerung einen Fleineren Zuwachs der Bortheile für das
menfchliche Leben zu Wege bringt. — Friedländer, ©. 47 nimmt
3 Abfltufungen an, 1) Mittel zur Erhaltung des Lebens, 2) Bildunges
mittel, 3) Mittel zu einem naturgemäßen Sinnesgenug, und flellt weitere
Unterfudungen über den Gebrauchswerth an.
(5) Unbedingt (abfolut) unentbehrlih if ein But, wenn es für einen zum
menſchlichen Leben nothiwendigen Zwed das einzige Mittel bildet.
(2) 3. B. der Werth mehrerer Nahrungsmittel, Holzarten, Zeuche zur
Kleidung und Beleuhtungsfloffe gegeneinander. 100 Raumtheile
Pauo Pe ungefähr fo viel werth, ale 133 Theile Roggen oder
1 e.
(d) Der Waid iR zum Blaufärben, die Talglichter und Oellampen find
ur Beleudtung noch eben fo nüplih, als vor der Anwendung des
digo und der Gasbeleuchtung, aber jene Stoffe werben nun von
andern Mitteln an Werth übertroffen. Iſt das beflere Mittel in hin⸗
reichenter Menge zu haben, fo kommt leicht das ältere ganz außer Ge⸗
braudy und die übrigen Vorräthe verlieren allen Preis.
— 74 —
8. 60.
2) Der Grad der Tauglichkeit einer Sache, ihren Beſttzer zum
Erwerbe anderer Güter im Verkehre behülflich zu fein, läßt ſich
Verkehrs werth nennen (a). Diefer ift zwar nicht unab⸗
bängig vom Gebrauchswerthe, ſetzt benfelben vielmehr voraus,
fteht aber auch unter dem Einfluffe veränderlicher, äußerer Um⸗
fände, die fih im Verkehre und geben. Der Berkehröwerth
beruht auf offenbaren Thatfachen, nämlidy den vertragsmäßig
beftimmten PBreifen der Güter und Leiftungen, er kann deßhalb
leicht ermittelt und in Zahlen ausgedrüdt werden, 8.56. Seine
Erforſchung ift bei manchen Gegenfländen zu einer ausgebildeten
Kunft geworden (Taration, Werthabfhäsung). Der
Verfehröwerth bezieht fi zwar immer auf befondere Zeiten und
Dertlichfeiten, in denen gewifle Preife beftehen, indeß ift doch
ber einzelne Preis allzu zufällig, um für eine Schägung benugt
zu werben, die zu einem allgemeineren Gebrauch beſtimmt if.
Man muß alfo den Verkehrswerth entweder auf Mittelpreife
eined vergangenen Zeitraums, oder auf die nad) den bisherigen
Preifen für die nähere Zukunft zu bildenden Vermuthungen
flügen. Auch der Verkehrswerth Fann auf doppelte Weiſe bes
flimmt werben. _
a) Wird das zu fehägende But ald Verfaufögegenftand, d. 5.
al8 Mittel zur Erlangung eined Gegenwerths (Aequivalentd)
im Taufche betrachtet, fo ergiebt fich fein Verkehrswerth aus
dem dafür zu erwartenden Preife nach Abzug der etwa nöthigen
Fracht⸗ und anderen Verkaufskoſten. Der Verkehrswerth verdient
in biefem Falle ausfchließlich den Namen Taufhwerth. Er
fann bei allen überhaupt preisfähigen Gütern, alfo auch bei
Genußmitteln, erforfcht werben, weil ed bem Beftger freifteht, fie
zu veräußern und hiedurch in Ermwerbömittel umzuwandeln (5).
b) Viele Güter dienen dazu, andere verfäufliche Sachguͤter
oder perfönliche Leiftungen zu Stande zu bringen, bie dann
eine Einnahme geben. Der Verkehrswerth hängt in biefem
Galle theild davon ab, in welchem Grade ein ſolches Erwerbd-
mittel die Erzeugung eines verkäuflichen Gegenſtandes unterftüßt
(8.58 Nr.15), theils von den Preiſen dieſes Gegenſtandes (c).
So richtet fi) 3. B. der Verkehrswerth eined Morgens Acker⸗
.’
— 15 — .
land von gegebener Befchaffenheit nicht blos nach feinem muth⸗
maßlidyen mittleren Ertrage und den abzuziehenden Koften ber
Bewirthfchaftung, fondern auch nach dem Preife der gewonnenen
Rohftoffe (d). IR ein Erwerbömittel Duelle regelmäßig wieder⸗
fehrender Einnahmen, fo hat man aus der Erfahrung auszus
mitteln, wie vielfach der jährliche Foftenfreie Ertrag genommen
werden muß, um ben Verkehrswerth jenes dauernden Gutes zu
finden (e).
(a) Erwerbswerth nah Baumſtark.
() Smith und viele Andere verfiehen unter dem Preife nur denjenigen
Zaufchwerth, welcher in Geld gegeben wird; ebenfo noh Mill, IL, 453.
Allein der Kauf gegen Geld iſt nur ale eine Art des Taufches (freilich
die Häufigfte) anzufeben. Warum jollte man bei Völkern, die ben Ge⸗
brauch des Geldes noch nicht fennen, die aber viel taufchen, nicht eben
fo gut von Preifen der vertaufchten Dinge fpreben? Der Begriff des
Preifes ift folglich fo allgemein zu faſſen, daß jedes Taufchäquivalent,
es fei Geld oder etwas Anderes, unter ihn gebracht werden fann.
Nah Friedländer a. a. D. wäre der Tauſchwerth nur der vers
glichene Gebrauchswerth, und erf im Preiſe Eämen die Koſten als mits
wirfend Hinzu.
() 3. 3. Werth eines vermietheten Haufes, Gartens, Bettes u. dgl., —
einer Gewichtsmenge Muͤnzſilber (mit Rupferbeimifhung),, Bifenerz,
Runfelrüben zur Zuders oder Milcherzeugung für den Verkauf ıc.
(d) Auf diefen Verkehrswerth paßt daher der Ausdruck Taufchwerth nicht
fo gut. Wenn 1 Gentner Heu 5 . Kleifh und Fett zu 12 fr. ers
zeugt (v. Wedherlin, Landw. Thierproduction, II, 337), fo ik
(abgefehen von den anderen Koſten der Maftung und dem Miſte) fein
Verkehrswerth ı fl.; fein Taufchwertb im alle des Berfaufs kann
Zeven abweichen, obgleich ex in der Hegel ſich jenem zu nähern firebt.
eim Heu laflen fi mehrere Werthe nad den verfchiedenen Verwen⸗
dungen angeben, indem 3. B. der Centner bei Kühen gegen 441/. Pfd.
Milch giebt (ebd. IL, 364) und, das Pd. zu IY/akr., 1 1. 6%, fr. ab:
wirft. — SH der mittelbare Verkehrswerth im obigen Falle b) größer
als der beim Verkaufe beſtehende, fo iſt es vortheilhaft, das Gut nicht
zu verfaufen. So verwendet man die Mil befier zum Ausbuttern,
wenn ihr Preis zu niedrig Heht. — Der Productionswertt Schmitt:
henner's, fowie der Schaffwertb Baumſtark's umfaflen fowohl
diefe Art des Verkehrswerthes, als den oben ($. 59. 1. b.) erklärten
Erzeugungswerth.
(e) Dan bedient fi hiezu insgemein des üblichen Zinsfußes, fo daß man
3. 2. ein Grundflüd, welches über die Koften jährlid 20 fl. einbringt,
zu dem 25fachen Werth oder 500 fl. anfchlägt.
8. 61.
Eine weitere, nicht weniger im Weſen der Sache gegründete
und zur Erklärung der vollöwirthichaftlichen Erfcheinungen noths
wendige Unterfdjeivung bei dem Gebrauchswerthe entfleht aus
der Rüdficht auf den Umfang ber Werthfchägung, und zwar
. — 16 —
fann dieſe fowohl bei den zu fchägenden Gegenſtaͤnden als bei
den fchägenden Perfonen (8. 62) betrachtet werben. In ber
erfigenannten Hinficht ergiebt ſich Folgendes:
1) Es giebt einen Werth ganzer Gattungen und Arten
von Gütern, 3. B. bed Waizend, des Kupfers, des Sohl⸗
leders ıc. (a), ben man erfennt, wenn man ben Grab ber
Rüplichkeit diefer Sachen für bie Menfchen im Allgemeinen
erwägt. Diefer abftracte oder Gattungswerth ift es
hauptfächlich, auf den fich die obigen Erklärungen ($. 57. 58.)
beziehen: (b). |
2) Der Gebrauchswerth einer einzelnen (concreten) Quan⸗
tität eined Sachgutes, oder eined einzelnen Stüded, 3.3. eines
beftimmten Scheffel® Getreide, eines beftimmten Pferdes ıc. für
eine gewiffe Berfon (concreter Werth) fait fehr oft nicht
mit dem Gattungswerthe diefed Gegenftande® zufammen, fondern
bleibt weit unter bemfelben ober verfchwindet ganz. Er fteht
nämlich zugleich unter dem Einfluß äußerer Umftände, und zwar
der Größe des Bedarfed und des ſchon im Befige der Perſon
befindlichen Borrathed von demfelben Gute. Bür bie meiften
Zwede hat man nur eine beftimmte Menge von Gütern einer
gewiflen Art nöthig und ein größerer Vorrath erfcheint ale
überflüffig, weil ed an einer Beranlaffung fehlt, von feiner
Nüslichkeit wirklich Gebrauch zu machen. Der Gebrauchswerth
eines ſolchen überflüfligen Theiles des Beſitzes für den Befiger
ift als ruhend anzufehen und dieſe Vorräthe werben nur nad)
ihrem Berfehröwerthe als Erwerbömittel oder ald Mittel, Ans
deren Wohlthaten zu erweifen, in Anfchlag gebracht. Wer nicht
als Hanbeltreibender auf den Wiederverfauf Bedacht nimmt,
wird von jedem Gute nur foviel mit einer Aufopferung erfaufen,
als er felbft zu verwenden gedenkt (c). Deßhalb Hat oft eine
Sache von dem hödften Battungswerth für viele Perfonen
feinen oder nur einen geringen concreten Werth. Bis zur
Graͤnze des Bedarfed dagegen iſt diefer dem Gattungswerthe
gleich, und eine Vermehrung des letzteren innerhalb jener Gränze
ift alfo eine Vergrößerung des Vermögen.
(a) Die zu einerlei Art von Gütern gehörenden Sorten haben ungleichen
Gattungswerth. — Uebrigens verficht es fih, daß man auch zur Bes
flimmung des Battungswerthes gewiſſe Duantitäten zu Grunde legen
muß, 3. B. 1 Eubiffuß Leuchtgas, 1 Pfd. Brennöl ıc.
— 1 —
(4) Riedel, Nationalöf. I, I. 52, hat die Unterfcheidung diefer beiden
Arten des Werthes aufgenommen und den Gattungswerth mit dem
Namen abfiracter Werth bezeichnet.
() Wer 3. B. auf 1 Jahr 30 Gentner Roggen nöthig bat und deren 70
befigt, wird bei den entbehrlichen 40 nur darauf achten, was fie ihm im
Tausche eintragen können. Wenn fich der Befiger entfchlöffe, auch einen
Theil der nöthigen 30 Gentner ohne Rüdficht auf ihren Werth zu vers
faufen, fo geſchaͤhe dieß nur in der Vorausſetzung, den Bedart leicht
und um niedrigeren Preis wieder ergänzen zu können. — Das zweite
Gremplar des geichästeften Buches, Kupferfliche sc. iR für den Gigen⸗
thümer faſt ohne concreten Werth. — Wer fi mit dem Bedarfe ver
forgt hat, kauft nicht mehr von berfelben Sache, wenn fie auch noch fo
wohlfeil ifl, ee müßte fle denn wieder verfaufen oder länger aufbewahren
wollen und Eönnen. — 6 laflen fich Hiebei noch abRufungen denen,
indem man 3. DB. gerne über den Bedarf hinaus einigen Vorrath zur
Behaglichkeit oder aus Borficht in Bereitichaft hält, deſſen concreter
W aber ſchon kleiner iſt.
6. 614.
Waͤhrend der Gattungswerth bloß im Allgemeinen die Be⸗
ziehung eines Gutes zu den menſchlichen Zwecken ausſpricht,
giebt der concrete Werth einen Antrieb fuͤr den Willen, weil er
jedem Einzelnen zeigt, was zur Verbeſſerung feines wirthſchaft⸗
lichen Zuſtandes dient. Das allgemeine Streben der Menſchen
geht dahin, die groͤßte Menge von concretem Werthe in ihrem
Vermögen zu haben, und darauf werben die Einkäufe ſowie
bie Verkäufe gerichtet. Bei der Schäpung der Genußmittel ift
der concrete Werth ganz entjcheidend. Bedarf man auch von
manchen Gütern nicht gerade einer beflimmten Menge, wie bei
manchen 2urusgegenfländen, fo pflegt wenigftend ber concrete
Werth eines einzelnen Stüded oder Quantums befto Heiner zu
werden, je höher ber ganze Vorrath eines Eigenthümers fteigt.
Der Zwei, neued Vermögen im Allgemeinen zu erwerben, ift
zwar für die meiften Menfchen unbefchränkt, Doch zeigt ſich auch
in den Enwerbömitteln nicht felten eine Gränze, jenfeitö welcher
der concrete Werth abnimmt, theild wegen ber größeren Schwies
rigfeit der Verwaltung und Benugung, theild weil zwifchen den
verjchiedenen Erwerbömitteln ein Ebenmaaß ftattfinden muß (a).
Uebrigens kann ein gegebened Sachgut bei gleichem Gattungs⸗
werthe nicht bloß für mehrere !Berfonen, fondern in verfchiedenen
Zeiten auch für eine und bdiefelbe Perfon ungleichen concreten
Werth haben, wenn in dem Umfang bed Bebarfes und ber
Vorräthe Veränderungen eintreten.
(a) 3. 3. zu einem Landgute von 100 Morgen gehört nur eine gewifle
Zahl von Pferden, Pflügen u. dgl.
— RR —
8. 62.
Die einzelnen Menſchen koönnen in dem Urtheile über ben
Gebrauchswerth eines Sachgutes von einander abweichen, ins
dem bald ihre nädhften Zwecke verfchieden find, bald auch die
Tauglichkeit der Mittel zu denfelben nicht für Alle dieſelbe ift.
Keigungen, Gewohnheiten, Bebürfniffe, Berufszweige, natürliche
und fünftlid erworbene Faͤhigkeiten ıc. haben auf bie inbivi-
duelle Werthichägung Einfluß, welche, ald in der Berfönlichkeit
liegend, für Andere unerforfchlich ift, fo meit fie fich nicht in
ben Preifen fund giebt, für weldye Jemand ein Gut kauft ober
verkauft (a). Mehrere Menichen, die in irgend einer Hinficht
(Beihäftigung, Stand, Körperbefchaffenheit) einander gleich
ftehen, ftimmen häufig aud in der Werthichäbung einzelner
Güter überein (5), und bei den nöthigen Dingen ift fogar
ein gleichförmiges Urtheil aller Mitglieder eines Volkes mög-
ih (c), während zwifchen mehreren Völkern noch Berfchieben-
heiten aus förperlidhen ober geiftigen Urfachen beftehen fön-
nen (d). Will man den Gattungswerth eined Gutes nad) einem
aus der Volföwirthichaftslchre genommenen Geſichtspuncte ers
meffen, wie dieß auch in manchen Faͤllen von der Regierung
gefchehen muß, fo bat man von der Geſammtheit der Bebürfs .
niffe eined vernunftmäßigen Lebens auf einer gewiflen Bildungs»
ftufe und nad) den Eigenthümlichkeiten eines Volkes auszugehen
und die Nüglichkeit jedes Gutes nach feinem Verhältniß zu
diefem Syſteme ſittlich zuläffiger Zwecke zu unterfuchen (e).
(a) Der Werth der Borliebe oder Affectionswerth ifl eine bes
ſondere Art des individuellen, beruhend nicht auf einem eigentlichen
Nugen, fondern auf, einem Gefühle, welches aus dem Gemüthe ents
fpringt. Er zeig ch auch bei wirklichen Tauſchfaͤllen oͤfters als
Affections⸗(kiebhaber⸗)Preis. IR der Gegenſtand einer ſolchen
Vorliebe nur einmal vorhanden, z. B. das Gemaͤlde einer uns theuren
Berfon, fo fällt der Sattungswerth mit dem concreten zuſammen; denn
auf diefen Fall if die Unterfcheidung beider gar nicht anwendbar.
Anders Dagegen 3. B. bei einem in vielen Gremplaren vorhandenen
Abbilde einer Berlon in Steindrud.
(5) Werth einer alten Münze für Numismatiker, eines Neteorſteins für den
Mineralogen.
(0) Man bat deßhalb einen allgemeinen, befonberen und in divi—
duellen Werth unterfchieden.
(d) Zeitungen werden in England und anderen Ländern von Guropa,
Chocolade wird in Italien, Roggen in Deutfchland, Mais in Italien
höher geſchaͤtzt als anderswo, Bele, Defen, Glasfenſter in beißen
— 79 —
Laͤndern weniger oder gr nicht. — Ueber die Natur des gemeinen
Werthes |. Zach ariaͤ, ©. 128.
(e) Nach ſolchen Erwägungen wird man 3. 3. ben Feldbau vor der Kunſt⸗
gärtnerei, die Gifenfadrication vor der Bijouterie, die Leinweberei vor
dem Spigenflöppeln sc. zu begünftigen haben. "
8. 63.
In frühen Zeiten, ald jede Familie durch ihre eigene Thätig-
feit alle ihre Bebürfniffe befriedigte, wurde jede Art von
Gütern nad ihrem Gebrauchswerthe und jedes einzelne Stüd
nach feinem concreten Werthe für den Befiger oder Erwerber
geihäsgt (a). Dasjenige Vermögen erſchien ald groß, weldes
in feinen Beftandtheilen eine beträchtliche Menge von concretem
Gebrauchswerthe enthielt, jo daß es den Bedürfnifien und Wuͤn⸗
ſchen des Befigers eine ziemlich vollſtaͤndige Befriedigung bars
bot. Später, als die Erwerböthätigfeiten vielfacher und Fünf
licher wurben, der Verkehr mehr Lebhaftigfeit erhielt und zu
feiner Erleichterung ein Gut als allgemeiner Stelivertreter aller
anderen (Geld) gebraucht wurde, zog ber Verfehröwerth, ind«
befondere der in Geld ausgedruͤckte, immer größere Aufmerkſam⸗
eit auf fih. Man gewöhnte fi daran, jedes Gut nad) ber
Geldmenge anzufchlagen, die für daſſelbe im Verkaufe wahr-
fcheinlich zu erhalten fein werde, und fah in diefem Gelbpreife
eined Gegenſtandes den vollgültigen Erſatz und Gegenwerth
befielben. Hierin wurde man durch die Wahrnehmung beftärft,
baß bei einem auögebildeten Gewerbfleiß und regen Verkehre
bie meiften Güter beliebig einzufaufen find, wenn man ihren
Geldpreid anbietet. Es wurde allgemein üblid), dad Ber
mögen der Menfchen nad) den Geldpreifen feiner Beftanbtheile zu
bemeſſen (d) und man wurde fogar zu der Meinung geführt,
diejenigen Sadyen, die im gewöhnlichen Leben feinen oder nur
einen niedrigen Preid haben, feien aud) von ganz geringem
Werthe.
(a) Diefe urfprüingliche Schägung der Dinge nennt Beccaria nicht ganz
pafiend abfoluten Werth im Gegenfage des fpäter hinzugetretenen
relativen oder Taufchwerthes, Elementi di econ. publ. in den Scritt.
elass. XIX, 339.
(3) Cournot, Rech. ©. 3, flüßt ten Begriff von Bermögen, richesses,
gänzlich auf den Tauſchwerth, weil diefer allein berechnet und bewiefen
werden fönne, während bei der Schaͤtzung der Nüplichkeit das Wahre
und Irrige nicht erweislich fei. Wenn man einen Theil eines Vorrathes
zerſtoͤt, um den Weberreft defto vortheilhafter zu verkaufen, wie es
— 80 —
z. B. von Buchhaͤndlern mit Cremplaren von Buͤchern und von den
Hollaͤndern mit Gewürzen geſchehen iſt, fo wird dieß von jenem Schrift:
ftellee ©. 7 une vöritable cr&ation de richesse dans le sens commer-
eial du mot genannt. 6 ift aber nur Gewinn am Preiſe auf Koften
der Käufer und mit Berminberung der vorhandenen Menge von Ge⸗
brauchswerth.
8. 64.
Es laͤßt ſich zeigen, daß ſchon fuͤr die privatwirthſchaftliche
Schaͤtzung der Sachgüter der Preis und der von demſelben be⸗
flimmte Verkehrswerth keineswegs zureicht, und daß der Ein-
zelne, um für feinen wahren wirthfchaftlichen Bortheil zu forgen,
immer auf den Gebrauchswerth zurüdgehen muß, wie dieß auch
der Erfahrung zufolge allgemein geſchieht (a).
1) Der Verkehrswerth eined Gutes weift nur auf die bamit
zu erlangende oder die dafür aufzuwendende Dienge eined ans
beren hin, und bieß würde wenig helfen, wenn man nicht den
Gebrauchswerth beider kennte. Man Fauft oder verkauft ein
But, je nachdem man deſſen concreten Gebrauchswerth größer
oder kleiner findet als den Preis deſſelben (6).
2) Die Preife und Verkehrswerthe pflegen in Gelbfummen
ausgedrüdt zu werden. Eine ſolche hat aber keinen Gebrauchs»,
fondern nur einen Verkehrswerth und empfängt denfelben von
den Dingen, die man für fle anfchaffen will. Hierin waltet
offenbar die größte Verſchiedenheit, daher läßt ſich fein allges
meiner Werth einer Gelbfunme angeben, vielmehr kann biefe
nur nach den Bebürfnifien und Vermögensumftänden jedes eins
zelnen Befigerd gefchägt werben, indem dieſer fie zur Enverbung
derjenigen Gegenftände verwenden wird, die für ihn gerade den
höchften concreten Werth haben (c). Weber je mehr Geldfummen
einer gewiſſen Größe Jemand zu verfügen hat, d. h. je bes
güterter er ift, deſto mehr Teichtentbehrliche und geringfügige
Dinge vermag er ſich neben den werthvollen zu verfchaffen.
Betrachtet man alſo den Werth einer foldhen Summe nicht ges
rade in einem ginzelnen Zeitpunc, fondern für die Wirthfchaft
einer Perſon im Ganzen, fo ergiebt fi, daß jene einen befto
niedrigeren concreten Werth hat, einen je Fleineren Theil der
ganzen „verfügbaren Guͤtermaſſe fie ausmacht; fie ift für den
Reichen wenig, für den Dürftigen viel werth.
.—. 81 —
3) Manche Güter find auch da, wo ſchon lebhafter Verkehr
befteht, nicht preisfähig (8. 56), weil es noch herrenlofe Vor⸗
räthe giebt, die man unentgeldlih an ſich bringen fann (d),
oder weil aus irgend einer Äußeren Urfache feine Veräußerung
vorfommt (e). Im erften Kalle ift gar Fein Verkehrswerth vor-
handen und man muß ſich allein an den Gebrauchswerth halten,
im zweiten alle giebt es wenigftend feinen Tauſchwerth folcher
Güter, wenn auch vieleicht einen Miethwerth (f).
4) Der gegenwärtige Preis eined Gutes ift dann fein hin-
reichender Stellvertreter befielben für den Befiger, wenn die
Wiedererlangung fchwierig ober zweifelhaft erfcheint (9).
(a) Hiermit flimmt auch Torrens überein, Production of wealth, ©. 10.
11: „Rur ein Iömmanfender und ungenauer Sprachgebrauch fonnte zu
dem Satze geführt haben, daß der Taufchwerth (Preis) das Wefen bes
Bermögens ausmaht. Wenn wir fagen, ein nützlicher @egenftand habe
Tauſchwerth, fo ift das ein bildlicher Ausdrud, der genau genommen
feine diefen Dingen anhängende Gigenfhaft, fein Merkmal derſelben
ausfpricht, fondern nur bedeutet, daß Menichen vorhanden find, welche
Bermögen und Willen haben, andere nüßliche Dinge für fie zu ge
ben” ıc. — Rossi, Cours I, 65.
(4) Schon Condil lac hatte behauptet, zwei Dinge von einerlei Preis
fönnten in ihrem Werthe fehr verfhieden fein. Wenn Say (Hanbb.
I, 164. II, 154) dieß beftreitet und den Preis als den von vielen
"Menihen anerkannten Werth anficht, fo bezicht fih das nur auf den
Tauſchwerth, nicht auf den Gebrauchswerth, den Condillac offenbar
im Sinne gehabt hatte. Say fagt (Mnmerfungen zu Ricardo, I,
89): „Wenn gpai Dinge einerlei Markipreis haben, fo beweift dieß,
dag nach der Meinung der Menfhen an diefem Orte und zu dieſer
Zeit aus der Verzehrung beider Sachen gleiher Brad von Bortheil
(satisfaction) zu genießen iR." Dieß wäre nur richtig, wenn die Mens
ſchen für jede Sad deſto mehr zu geben pflegten, h mehr Nutzen fie
in ihr finden allein dieß thut man nur, wenn man nicht wohlfeiler
faufen fann und man if frob, das allernüßlichfte But recht wohlfeil
* erwerben.
er Landmann, dein man für ein Erzeugniß 100 fl. bietet, wird viel:
leicht überlegen, wie viel Geraͤthe, Kleidung, Baumaterial dafür zu
erlangen find, der Handwerfer in einem ähnlichen Kalle, wie viel rohe
St verfhiedener Art; der Reihe denkt vielleicht bei jener Summe
an irgend ein zierliches Geraͤth oder Kleidungsftüd, welches er leicht
miſſen Eönnte.
(d) Wafler, Eis und Schnee erlangen in folden Zeiten und Orten einen
Preis, mo man auf ihre Herbeilhaffung oder Aufbewahrung einige
Mühe wenden muß. (Schnee wird in Neapel und Eicilien allerwärts
und täglich verkauft, in Städten das Pfund ungefähr für 1 Grano.)
Grfteres iR aber auch da, wo es feinen Preis bat, weil es überall ums
font zu erlangen if, von dem größten Werthe. Das Bermögen des
Gingzelnen kann alfo Güter von betr Stiche Werthe in fi begreifen,
die nicht preisfähig find, 3.3. Holz in einem ſchwachbevoͤlkerten walds
reihen Sande. Die im gemeinen Leben übliche Bezeichnung des Ver:
mögene nad den Preifen feiner Beflandtheile würde in einem foldhen
Falle den Bermögensfland des Binzelnen fehr unvolllommen angeben,
Rau, yolit. Defon. I. 7. Ausg. 6
— 82 —
und bei der Beſtimmung des Vollsvermoͤgens muͤßten dieſe preisloſen
Guüͤter fo gut als die anderen berüdfichtigt werben.
(e) 3. B. die res saorae und religiosae der Römer, — bie unveräußers
lihen Grunbbefigungen der Spartaner nach Lykurg's Geſetzen. Auch
die Landftraßen haben feinen Preis, weil fie nie veräußert werben.
Dei der Schäßung des gefammten Bermögens im Staate fann man fie
nur nach ihren Koften in Anfchlag bringen. Aber wie weit bleiben dieſe
hinter dem Nugen zurüd, den die Straßen für die Geſellſchaft haben !
(f) Sind Srundftüde unveräußerlih, fo läßt ſich wenigſtens ein Werth:
anfchlag aus dem reinen Grtrage bilden.
(9) Lohnarbeiter befinden fih darum in einer viel vortheilhafteren Lage,
wenn fie fo viel Land befigen, um die nöthigften Lebensmittel felbfl
Bag zu fönnen und von der Bertheuerung berfelben unabhängig
zu fein.
—
8. 65.
Geht man von der privatwirthſchaftlichen zur volkswirth⸗
ſchaftlichen Schatzung der Vermoͤgenstheile über, fo iſt zu be-
benfen, daß in der Wirthfchaft eined Volkes die meiften Bebürf-
niffe durch inländifche Erzeugniſſe befriedigt werden und ber
Austauſch mit anderen Ländern buch Ein= und Ausfuhr nur
einen Fleinen Theil der ganzen erzeugten und verzehrten Güter-
maſſe umfaßt (a). Man kann die Volkswirthſchaft als größten-
theil® in ſich abgefchloffen anfehen. Der Preis und Verkehrs⸗
werth der Güter fommt bei der Bemeſſung des Volfdvermögend
nur bei den aus⸗ und eingehenden Erzeugniffen in Betracht,
bei allen anderen entfcheidet der concrete Gebrauchöwerth, nad)
welchem fich der Gütergenuß, fomit zum Theil dad Wohlbefin-
ben und die Zufriedenheit eined Volkes richtet. Der Preis der-
jenigen Güter, die nicht in den auswärtigen Berfehr gelangen,
wird von inländifhen Käufern an inländifche Verkäufer ent-
tichtet, fein Höherer ober niedriger Stand nügt nur ber einen
und fchadet der anderen biefer beiden Claſſen, ift aber für das
Ganze gleichgültig (d). Um alfo die Größe des Volksvermoͤ⸗
gend zu erfennen, muß man feine Beftanbtheile, foweit fie für
das inländifche Beduͤrfniß dienen, nady ihrem concreten volfd-
wirthichaftlichen Gebrauchswerthe in Anfchlag bringen, den aus⸗
zuführenden Theil aber nach den ausländifchen Berfaufspreifen,
nad) Abzug der Verfendungsfoften. In einem ſchwachbevoͤlkerten
Lande fönnen Maſſen von Holz, Erz u. dergl. zur Zeit nod)
ohne concreten volfdwirthfchaftlihen und ohne Verkehrswerth
fein. Indeß dürfte man in diefem Falle bei Gütern, die ſich nicht
wiedererzeugen, wie die Minerallötper, auch die künftige Befries
— 883 —
digung ber Bebürfniffe und deren wahrſcheinliche Erweiterung
bei zunehmender Volksmenge nicht unbeachtet laſſen, weßhalb
in Hinſicht auf fpätere Zeiten auch ein volkswirthſchaftlicher
Werth eined gegenwärtig noch überflüffigen Vorrathes anzu
erfenen fein kann.
(a) Aus dem von Moreau de Jonnds (Le commerce au dix-neuriöme
siöcle, I, 114 ff. Paris 1825) aufgeftellten Berechnungen folgt, daß
die jährliche Berzehrung fremder Producte in Nordamerica 9,9 Broc.,
in Sranfreih 6, in Großbritannien 5,8 Proc. der ganzen Gonfumtior
ift; die Kt beträgt in diefen 3 Staaten 10,8 — 6,% — 9,8 (9)
Procente des jährlichen Guͤtererzeugniſſes. Es verficht fi, daß man
—* Angaben nicht als genau, nur als annähernd richtig betrachten
da
(6) Abgefehen davon, daß der eine Preis für die Erzeuger ermunternder
fein mag als der andere.
$. 66.
> Die Unzulänglickeit des Verkehrswerths und Preiſed zur
Beranfchlagung bed Volksvermoͤgens wirb durch nachfolgende
Saͤtze in noch helleres Licht geſetzt:
1) Der Preis der Dinge wird hauptſaͤchlich von den Koſten
ber Hervorbringung und Herbeiſchaffung beſtimmt. Die Ent-
ftehungeart eines Gutes hat aber mit der Nüglichkeit beffelben
feinen Zufammenhang, das Foftbarere ift nicht immer das ſchaͤtz⸗
barere, daher deutet eine gegebene Summe von Preis oder Ber:
tehröwerth feine beftimmte Maſſe von Gebrauchswerth an, viels
mehr kann fie fih auf Gegenſtaͤnde von hoͤchſt verfchledenem
Werthe beziehen. Wenn ein werthvolles, ja unentbehrliches
Out in einem Lande ganz preislos ift (8. 64. 3), fo bildet
ed gerade wegen feiner Hülle einen fehr erwünfchten Beſtand⸗
theil des Bolfövermögend. Diele der zur Wohlfahrt eines
Volkes am meiften beitragenden Güter, 5. B. Mehl, Kochſalz,
Steinfohlen, Eifenwaaren, können mit geringerem Koftenaufs
wande hervorgebracht werben und haben deßhalb einen viel
niedrigeren Preis als andere, leicht entbehrlihe Sachen, bie
man nur darum zu faufen vermag, weil die wichtigeren Güter
wenig koſten. Diefer Umftand erleichtert die Befriedigung ber
- Bebürfniffe, während er das nach Preifen angefchlagene Bers
mögen geringer erfcheinen läßt.
2) Es tragen ſich häufig Preisveränderungen zu, aus benen
man keinesweges auf entfprechende Aenderungen im Volksver⸗
mögen fchließen bürfte (a). Beifpiele hiervon find folgende:
6*
fi
— —— 84 u.
a) Eine gewiffe Gütermaffe kann fpäterhin, wenn man fie
mit geringeren Koften zu erzeugen lernt, niedriger im Preiſe
fteben, ohne darum ein Eleinerer Theil des Volksvermoͤgens zu
werben (b).
b) Wenn eine Mißernte den Preid des Getreidevorrathes
fleigert, jo fann bie verminderte Größe beffelben noch dieſelbe
oder eine höhere Preisfumme ausmachen, ald in früheren
Jahren.
c) Die Zunahme ded beweglichen Vermögens erhöht den
Preis des unbeweglichen auch bei gleichem volfswirthfchaftlichen
Werthe deſſelben (c).
d) Auch in dem, zum Maaße der Preiſe gewählten Gute
fönnen ſowohl von Zeit zu Zeit, ald von Land zu Land, Vers
ſchiedenheiten Statt finden, durch welche der Preisanfchlag des
ganzen Volksvermoͤgens ohne Aenderung in deſſen Größe erhöht
oder erniedrigt wird, $. 174.
(a) Für das Verhaͤltniß der Bolksclaffen unter einander find allerdings
Preisveränderungen, felbft ohne vorgegangene Renderungen in der Menge
und den Koften der Guͤter, fehr erheblih, es finden Gewinnſte und
Verlufte Statt, die fih aber im Ganzen ausgleichen.
(5) Bei der britifhen Ausfuhr von Baumwollengarn iſt von 1820 — 1849
nach dem ſog. declarirten Werthe das Pfund von 29, auf 10,7% Bence
oder auf 36 Proc., der Yard ungefärbtes Baummwollenzeug von 11,5
auf 2,85 P. oder auf 24,7 Proc. gelunfen, wozu bie Bortfchritte der
Kunft viel beigetragen haben. Bei den im Lande gebliebenen Baum:
wollenwaaren Bat biefe Koftenverminderung ohne Zweifel ebenfalls ſtatt⸗
gefunden und bier fam fie den Käufern zu Gute.
(c) Say, der ungeachtet ber Wichtigkeit feiner aufgeftellten Begriffe von
Gebrauchswerth, den er Nüplichkeit, und von Preis, den er Valeur
nennt, doch wie die meiften Schriftfteller jenen Werth zu ſehr aus den
Augen verliert, wird durch obige Säge auf „eine ber ſchwierigſten
ragen der Nativnalöfonomie* geführt: Da der Reichthum in dem
Werthe der Dinge, die man befißt, befteht, wie kann eine Nation um
fo reicher fein, je niedriger diefe Dinge im Preife ftehen? Handb. II,
256. Gr fucht fie zu löfen, indem er bemerkt, daß unſer Vermögen
eigentlich in den Productivfonde, d. h der Induſtrie, den Gapitalen
und Grundſtücken befteht, und daß dieſe um fo werthvoller find, je
mehr Producte man mit ihrer Hülfe erzeugen fann. Die ganze Schwies
rigkeit fällt nach obiger Darſtellung hinweg, denn es iſt einleuchtenp,
daß ein wohlfeiler gewordenes Gut für die Voltswirthichaft nichts an
feinem Gebrauchswerthe verloren hat. Say nähert fid dieſer Anficht,
indem er hinzuſetzt: „es ift ein Bortheil für den Menſchen, wenn er
feine Genüffe vervielfältigen und die Opfer, mittelft denen er ſich die:
felben verfchafft, vermindern fann.* — Proudhon (PBhilofophie der
Staatsoͤt. I, 34) macht der politifhen Defonomie einen Vorwurf aus
dem Widerſpruche, daß eine Vermehrung der „Werthe* durch Pro:
duction den Preis der Grzeugniffe erniedrige, was aber nit einmal
- immer gefchieht.
— 85 —
8. 67.
Obgleich die bloßen Geldpreiſe der Guͤter zu einer volks⸗
wirthſchaftlichen Schaͤtzung derſelben nicht zureichen, vielmehr
auf den Gebrauchswerth und ſeine ſcharfe Unterſcheidung vom
Preiſe ein vorzuͤgliches Gewicht gelegt werden muß (a), ſo ver⸗
dienen doch auch bie Preiſe eine forgfältige Erforſchung, weil
ſich nach ihnen die Antheile der Einzelnen und der verſchiedenen
Volksclaſſen an den vorhandenen Guͤtern richten und der ganze
Verkehr ſich in ihnen bewegt. Daher nimmt die Lehre vom
Preiſe der Tauſchguͤter und der anderen bezahlten Leiſtungen in
der Volkswirthſchaftslehre eine wichtige Stelle ein (6). Yür
ftatiftifchen Gebrauch ift man ebenfalld genöthiget, fich vorzügs
li) an die Preisangaben zu halten, muß fie aber dadurch bes
zeichnender für den DBermögenszuftand eined Volkes zu machen
fuchen, daß man zugleich ausmittelt,
1) in welchem Preife gegen dad gewählte Maaß (Geld) die
werthvollſten Arten von Gütern ftehen, woraus dann abzuneh⸗
men ift, weldyen Umfang von Nuten und Genuß eine gewiffe
Preisfumme zu gewähren im Stande if;
2) in welchen Duantitäten bie nüglichften Güter in dem
Volksvermoͤgen enthalten find (c).
Auch darf man nicht Preife eines einzelnen Zeitpunctes,
fondern nur Durchfchnitte eined Zeitraumes zu runde legen.
(a) Ricardo a. a. D. ſucht zu zeigen, daß der Reihthum fi nicht nach
dem von ihm fo genannten Werthe richte, fondern nach der Menge
nothwendiger, nügliher und angenehmer Dinge; unter Werth (value)
verfteht er aber die Koſten und den durch dieſelben beflimmten Preis.
(Senior a. a. D. ©. 131 tadelt mit Recht diefe unnöthige und
verwirrende Sprachverdrehung, „such (innovations) for instance, as tho
substitution of the word value for cos“ durch Ricardo.) Say
(Anmerf. zu diefer Stelle, II, 77 der franz. Ueberf.) behauptet dagegen
„der Reichthum fei nichts Anderes ale der Marktpreis der Dinge, die
man befißt“, giebt aber zu, daß dieler veränterlih und relativ fe. —
Gin Ungenannter im Quarterly Review (Ian. 1831) reg: dem Reich:
thum (wealth), der aus einer Preismenge beftehe, die Nationalwohl-
fahrt (happiness) entgegen, die fih nad) der Nüglichkeit (utility_im
Gegenſatze von value) beftimme und in der behaglichen, durch Befrie⸗
digung der wichtigeren Bebürfnifie begründeten Lebensweile der Mehrs
zahl von Menfchen äußere. Bemerkenswerth if die Aeußerung, daß
die Erzeugniſſe der Landwirthichaft die der anderen Gewerbe an Nuͤtz⸗
lichfeit übertreffen, die ihnen, obfchon gleich im Preife, doch Feineswegs
an Werth glei feien, though equal in price, by no means equal in
worth, wo dieß Wort ganz in obigem Sinn, verfchieden von value,
gebraudt wird. Die Sahgüter überhaupt Werthe zu nennen, if ein
S
— 86 ——
Ballicismus, den der größere Reichthum der deutſchen Sprache uns
nöthig macht. |
(5) Darum datf aber do der Taufchwerth nicht ale Seele oder Mittel:
punet der Bolswirtbichaft angefehen werden. Wie die ganze Büter-
vertheilung im Verkehre nur das Mittelglied zwiſchen Grzeugung und
Verbrauch, fo ift der Preis nur die Bedingung und Regel des Ueber:
gangs der Guͤter und Leiftungen an andere Perfonen, die Hauptſache
aber ift das an biefelben gelangende Maaß von Genuß der Sachgüter. —
Entgegengefehter Meinung find 3.3. Arnd, Die naturgemäße V.⸗W.
©. 16. 477. — Cousin in Compte rendu de l’ac. des sc. mor. et
pol. X, 441. 1846.
(e) Bei einem ganzen Volke iſt es nur in geringem Grade möglich, das
Vermögen bei gleicher Preismenge aus ſolchen Gütern zuſammenzu⸗
fegen, die die größte concrete Werthmenge darbieten, vergl. 6. 614;
es muß 3. DB. Das beftehbende Verhaͤltniß zwiſchen Grundflüden und
Gapitalen als ziemlich unabänderlich angeiehen werben.
Dritter Abſchnitt.
Veränderungen im Volksvermögen.
8. 68.
Das Bermögen eined Bolfes läßt viele Veränderungen in
feinen Beftanbdtheilen wahrnehmen, namentlidy fowohl Abgang
als Zugang berfelben. Die häufigen und regelmäßig ſich wies
berbolenden Arten ded Austrittd von einzelnen Sachguͤtern aus
dem Bolfsvermögen (a) find dad Hingeben an dad Ausland
und die Zerftörung ihres Gebrauchswerthes (d). Diefe Werths⸗
zerfiörung wird Verzehrung, Confumtion genannt. Gie
befteht nicht etwa in einer Vernichtung ded Stoffes, welche
undenkbar wäre, fondern nur in einer ſolchen Beränderung,
3. B. Umgeftaltung, wobei feine bisherige Tauglichkeit verloren
geht. ES laſſen fich bei der Verzehrung mehrere Berfchieden-
beiten bemerfen.
1) Sie erfolgt plöglidy oder allmälig. Im lebten Falle heißt
fie Abnüsßung (ec).
2) If fie eine Folge des Gebrauches der Güter für
menfchlicye Zwecke, fo wirb fie Berbraucd, genannt. Dan fann
die meiften Güter nicht gebrauchen, ohne baß fie dabei mehr
oder weniger verbraudyt würben (d), wobei fe aber immer ihrer
Beftimmung gemäß irgend einen Bortheil gewähren. Dagegen
werben auch Güter öfterd von den Naturfräften zerftört, ohne
einen Bortheil für die Menfchen zu bewirken, $. 319.
3) Dad Bermögen wird entweder ohne Erfag um bie zer-
ftörte Werthmenge vermindert, oder die Verzehrung ift zugleich
Urfache der Zerftörung eined neuen Werthed anderer Art, ber
bald größer, bald Fleiner ift, ald ber zerftörte, und bald an ben
nämlichen Stoffen haftet, wie jener, bald an anderen (e).
(a) Alfo abgefehen vom Diebſtahl, Verlieren ıc.
(5) Wenn ein Bermögenstheil nur feinen Verkehrswerth verlöre, fo bliebe
noch der Gebrauchswerth übrig. Auch wird nur die Serflörung des
Gaitungswerthes Conſumtion genannt, nicht ſchon das Erlöfchen des
conereten Werthes eines Gutes, weil diefer durch geänderte Verhaͤltniſſe
im Befige leicht wieder auflebt.
(c) In derfelben laſſen fi bei manchen Gütern gewifle aufeinanderfolgende -
Abftufungen unterfcheiten, 3. B. 1) erflörung der bloßen Neuheit
durch anfangenden Gebraud, 3. B. eines Buches oder Kleidungsftüdes,
hierauf 2) Verringerung des gefälligen Ausfehens, fodann 3) Abnahme
der Haltbarkeit sc.
(4) 88 giebt nur wenige Ausnahmen, 3. B. Ebelfteine, — mande bloß
vum Anſchauen beflimmte Dinge, — ferner Ländereien, da fle bei dem
nbaue zwar in geringem Grade an ihrer Guͤte verlieren (erfchöpft,
verunreinigt werden sc.), aber feine weitere Verſchlechterung erleiden,
wofern nicht außerordentliche Zufälle eintreten, F. 50 (8). — Baus
und Bildwerke von feften Steinarten find überaus dauerhaft. Das
Amphitheater zu Pola aus iftrifhem Marmor bat in 2000 Sahren an
den Kanten der Steine nur zwei Linien Dide verloren. Burger,
Reiſe durch Oberitalien, I, 7.
(e) Gine bloße Bervollfommnung eines Gutes, woburd die bisherige Taug-
lichkeit echöht wird, } B. das Walken, Rauben und Scheeren bes
Tuhes, das Umfchmelzen, Reinigen und Berarbeiten des Gifens ift
feine Berzehrung, wohl aber wird Brennfloff, Karbfloff, Dünger, Vieh:
futter, Betreide zum Branntweinbrennen ıc. confumirt, weil biebei eine
ganz andere Art von Gütern entfleht.
8. 69.
Wie die Verminderung bed Bolfsvermögend, fo fann auch
bie Vermehrung deſſelben auf doppeltem Wege entftehen; theils
werben Bermögenstheile im auswärtigen Verfehre erworben,
theild treten neue Werthmengen zum erftenmal in menfchliche
Gewalt und werden von Mitgliebern des Volkes in Empfang
genommen. Eine folche Vergrößerung bes Volksvermoͤgens vers
mittel eines am Stoffe haftenden Gebrauchswerthes, welcher
vorher noch gar nicht im Vermögen der Menfchen war, heißt
Hervorbringung, Gütererzeugung, Production (a).
Auch fie ift entweder dad Werk der menfchlichen Thätigfeit,
oder erfolgt ohne Zuthun des Menfchen durch natürliche Kräfte,
— 88 —
doch erfordert die Aneignung des neuen Erzeugniſſes immer
einige menſchliche Arbeit. Die Werthserhoͤhung, inſoferne fie
aus einer Förperlichen Veränderung hervorgeht, kann, wie bie
Berzehrung, nur auf Umgeftaltungen, Berbindungen und Tren⸗
nung der auf der Erde vorhandenen Stoffe beruhen, beren
Menge im Ganzen, wenn man die Atmofphäre mit einrechnet,
unabänderlidy if.
Für den Einzelnen fann die Erwerbung ber Güter von
Anderen (b) eben fo ergiebig fein, als die Production, ein Bolt
aber fichert nur durch legtere die Befriedigung feiner Bebürfnifle,
und aud) dasjenige, was vom Audlande erlangt werben fol,
iR am leichteſten vermittelfi des Eintaufches gegen eigene Er-
zeugnifie zu erhalten (c).
(s) Gine Erzeugung neuer Güter, bei der mehr ſchon vorhandene verzehrt
würden, als das Product vergüten fann, wäre nad obiger Begriffes
beftimmung feine wahre Production, weil fie feine ‚Dermehrung des
Vermoͤgens bewirkt, wenn fie auch techniſch betrachtet zu der nämlichen
Gattung von Berrichtungen gehören mag, wie die wirklich probuctiven.
Hermann (Untef., S. 22) unterfheidet eine technifche und wirths
fhaftliche Broduction, wie früher Graf Soden (Nationalöfon. 1, 148.)
eine oͤbonomiſtiſche, unöfonomiftifche und antiöfonomififche Production
angenommen hatte. Bine Bermehrung von Berfehrewertb ohne Zus
nahme des Gebrauchswerthes wäre bei den im Lande bleibenden Guͤtern
fein Zuwachs für das Volk, weil fie nur einen Theil der Einwohner
auf Koflen der anderen bereicherte.
(5) Grwerben heißt in weiterem Berflande foviel als in das Cigenthum
empfangen ; im engeren Sinne, mie ihn die Wirthſchaftslehre gewöhn-
lid braudt, kommt noch das Merkmal hinzu, daß die Erlangung der
neuen Bermögenstheile durch irgend ein Opfer von Arbeit, Hingabe
anderer Güter sc. erfauft werden muß. Go fleht das Erworbene dem
Grerbten, Geſchenkten sc. entgegen.
(e) Andere Wege des volfswirtbi@aftlichen Erwerbes vom NAuslande find
ber Binfenbezug von ausgeliehenen Gapitalen oder Arbeiten für fremde
—— z. B. Hollandsgaͤnger in Weſtfalen, Spebitionss u. Com⸗
miſſionsgeſchaͤfte und Waarentransport für Ausländer u. dgl.
8. 70.
Die in einem gegebenen Zeitpuncdte in dem Vermögen einer
Perfon enthaltenen Güter bilden den Bermögensftamm
derfelben, welcher theils werbend ift, theild aus Genuß:
mitteln befteht. Ihm werden die im Laufe eined gewifien
Zeitabfchnittes eintretenden Zufluͤſſe entgegengefeßt, bei denen
man mehrere Begriffe zu unterjcheiden hat.
1) Die fämmtlichen neu in den Befig einer Berfon gelangen
den Werthmengen nennt man im weiteren Sinne des Wortes
Einnahmen, obgleich urfprünglich hierunter nur bie von ans
deren Menſchen empfangenen, nicht die durch eigene Erzeugung
gewonnenen Güter verftanden wurben; fo werden auch zu ben
Ausgaben nicht bloß die hingegebenen, fondern zugleich bie
vom Eigenthümer felbft verzehrten Güter gezählt.
2) Diejenigen Einnahmen, welche aus einer gewiffen &rs
werböquelle, 3. B. einem Zweige von Arbeit oder einem wers
benden Bermögenstheile herrühren, werben in Beziehung auf
diefe Duelle und ohne Rüdficht auf die Perfonen, denen fie zus
fallen, unter ber Benennung Ertrag (a), und zwar roher
oder BruttosErtrag, zufammengefaßt, um dieſe Geſammt⸗
heit von Einnahmen von bemjenigen Theile zu unterfcheiben,
ber nach Abzug gewifier Ausgaben übrig bleibt, $. 71.
3) Während der Ertrag ald die Wirkung einer äußeren Urs
fache von Güterzuflüffen gedacht wird, ift dagegen bei dem Bes
griff von Einkommen (Einkünften) die Beziehung auf
eine PBerfon, die es empfängt, ganz wefentlih. Daſſelbe bes
fteht nämlich aus denjenigen Einnahmen, bie einer regelmäßigen
Wiederholung fähig find und von dem Empfänger für feinen
eigenen Bortheil verwendet werben fönnen, ohne daß der Ver:
mögendftamm darunter litte, ober Andere darauf einen Anſpruch
machen Eönnten. Die Einkünfte find für den Empfänger neue
Bermögendtheile und werden dem im Anfange eined Zeitraums,
z. B. eines Jahres, ſchon vorhandenen Stamme entgegengefeßt.
Der Ertrag einer Erwerböquelle fann mehreren Berfonen Ein⸗
fommen geben.
4) Es giebt Einnahmen, die weber zu dem Einfommen,
noch auch nur zu dem Ertrage gerechnet werden dürfen und
welche daher die fortdauernde Befriedigung der Bebürfniffe nicht
fiher zu ftellen vermögen (5). Dahin gehören:
a) Einnahmen aus einem einfadhen Wecfel in den Be⸗
ftandtheilen des Vermögensſtammes. Sie wieder
holen ſich nicht und verbefiern den Bermögendzuftand nur ins
foferne, ald fie zu einem einmaligen Gewinne Anlaß geben,
3. B. Ankauf eined Grundftüdd mit einem Gapitale, Borgen
eined Capitales, wobei ein negatived Bermögen (eine Schuld)
entfteht (c), Abtragen einer Schuld, Eingehen einer ausge—
liehenen Summe. |
_— 90 —
b) Die Guͤtermenge, aus ber ein gewiſſer roher Ertrag bes
fieht, kann mehrmals in verfchiedener Form dem Eigenthümer
Einnahmen geben, welche mit gleichartigen Ausgaben in Ders
bindung ftehen (d). Da biefe aufeinanderfolgenden Einnahmen
nur einem einzigen Ertrage angehören, fo pflegt man nur bie
unter ihnen enthaltene Geldeinnahme zu beachten, die ald Wir-
fung eined Geldaufwandes erfcheint.
c) Einnahmen, in denen zwar eine Bereicherung liegt, bie
aber zufällig find, wie Erbfchaften, Geſchenke ıc., und auf bie
daher nicht öfter oder fortwährend zu rechnen ift.
(a) 3. 8. eines Landgutes, einer Fabrik, eines perſoͤnlichen Dienftes, eines
einzelnen Handelsgeſchaͤftes. Es iſt hiebei geſtattet, je nach dem Zwecke
der Erforſchung ein groͤßeres Ganzes, oder einen Theil eines ſolchen
abgeſondert in Betracht zu ziehen; z. B. Ertrag eines einzelnen Ackers
in einem Landgute, einer einzelnen Sandeleunternehmung.
(8) Es iR für jede Sonderwirtbichaft nothwendig, klar zu erfennen, welcher
Theil der Einnahmen als Ginfommen gelten fönne und dem Empfänger
zur Verfuͤgung ſtehe.
(e) Das geborgte Bapital kann zwar zu einer Quelle von Einkuͤnften ges
macht werben durch zweckmaͤßige Anwendung, dieß ift aber Feine Folge
des bloßen Borgens.
(d) 3.3. ein Fabrikherr nimmt 1) eine Quantität neu verfertigter Waaren
ein, verkauft fie 2) gegen eine Geldeinnahme, und verfhafft fih 3) mit
biefer wieder die Güter, die er zu gebrauchen Willens if.
g. 71.
5) Der rohe Ertrag muß meiftend mit einer Aufopferımg
von Sachguͤtern erfauft werben, bie entweder noch vorher als
Auslagen aufzumenden, oder nachher aus dem Ertrage hinweg⸗
zunehmen find. Diefer Aufwand ift ein Mittel, um den Ertrag
zu Wege zu bringen, es find Koften, die vor Allem aus dem
Ertrage beftritten werden müflen, damit der Stamm unvermin-
dert bleibe. Was nad Abzug bdiefer Koften übrig bleibt, ift
der reine ober Netto-Ertrag, den man beliebig verwenden
fann, ohne daß die Kortdauer ded Ertrages darımter litte.
6) Eine ähnliche Betrachtung läßt ſich auch auf das Ein-
fommen anwenden. Wie der gefammte Ertrag, fo wirb aud)
das ganze Einfommen einer Berfon mit der Benennung rohes
oder Bruttos@infommen belegt. Zwar find von bemfelben
feinem Begriffe nach ($. 70. 3) fchon die Antheile Anderer
audgefchieden, allein bei dem mit Hülfe von Arbeit erworbenen
Einfommen ift der Unterhalt bed Empfänger®, und zwar ber
* Unterhalt in einer für den Erwerb erforderlichen Weife (a) als
ein Koſtenaufwand anzufehen, nach beffen Abzug erſt das reine,
zu ganz beliebiger Verwendung verfügbare Einfommen übrig
bleibt. Das reine Einkommen fällt in der Regel mit bem
Reinertrage einer einzelnen Erwerbögelegenheit zuſammen, doch
fann fi ein einzelner Reinertrag unter Mehrere vertheilen (b)
und eine Perſon in ihrem reinen Einfommen Antbeile vom
Reinertrage verfchiedener Quellen vereinigen.
(a) 3. B. an einem beftimmten Orte, nad der Sitte eines gewiffen Stans
des u. f. w.
(3) 3. 3. bei einer Actiengefellfchaft.
6. 71a.
Trägt man biefe Unterfcheidungen auf die Wirthfchaft eines
ganzen Volkes über, fo ergiebt ſich Folgendes: 1) Die innere
Gütererzeugung und ber auswärtige Verkehr liefern jährlich eine
Maffe neuer Güter oder wenigftend eine neu hinzugefommene
Werthmenge, bie man das rohe Bolfseinfommen zu nennen
pflegt. Beſſer ift die Bezeichnung Rohertrag des Volkes,
weil diefer Zufluß keinesweges ganz dad Weien des Einkoms
mend an fi) trägt; denn ed müflen davon die Hingabe an das
Ausland (Ausfuhr) und mancherlei Verzehrungen zum Behufe
ber Erzeugung beftritten werden, welche nicht zu menfchlichem
Genuſſe dienen, 3. B. verbrauchte Stoffe. 2) Nur ein Theil
jened rohen Ertrages gelangt als rohes Volkseinkommen
an Mitglieder des Volkes und bietet denſelben Mittel für die
perſoͤnlichen Zwecke ber Bürger dar. 3) Was hievon übrig
bleibt, nachdem der nöthige Unterhalt der mit der Erzielung
jenes Rohertrags befchäftigten Arbeiter binweggenommen worden
ift, bildet dad zu mancherlei Zweden beliebig verwendbare reine
Volkseinkommen ($. 245), welches zugleich der reine
Ertrag ber volfswirthfchaftlichen Ermwerbögefchäfte if.
8. 72.
Der am Ende eined angenommenen Zeitraumes von dem
Einfommen noch übrige (nicht verzehrte oder ausgegebene) Theil
ft der Wirthfchaftsüberfhuß (Wirthſchaftsbilanz).
Um feinen Betrag ift dad Bermögen beim Anfang des folgen:
den Zeitabfchnittes (Jahres) größer, ald es beim Beginn bes
abgelaufenen war. Der Ueberſchuß der ganzen Volkswirthſchaft
febt fi) aus den Wirthfchaftsüberfchüffen aller Einzelnen zus
fammen. Obgleich diefe Größe für die Beurtheilung ber Ver⸗
mögendangelegenheiten eined Volkes fehr wichtig ift, fo darf fie
doch nicht ald das einzige Kennzeichen des günftigen Zuftandes
ber Bolköwirthichaft angeiehen werden. Denn da bad Bers
mögen dann feine Beftimmung erreicht, wenn ed Vortheile für
das menfchliche Leben giebt, fo ift neben der Vermehrung bes
Bermögendftammesd auch der geichehene Gebrauch und Berbraudy
von Gütern für menfchliche Zwecke und der Umfang bed hier
durch bewirkten Gütergenufles in Betracht zu ziehen.
Bierter Abſchnitt.
Buflände der Volkswirthfchaft.
8. 73.
Wie die Bebürfniffe fachlicher Güter ſich ſtets erneuern, fo
muß audy jede Wirthfchaft auf Fortdauer in einem wenigftend
leihen Zuftande gerichtet werben, d. 5. fie muß nachhaltig
fein (a). Dieſem Grundfage widerftreitet e8, bloß von bem
Bermögensftamme zu zehren, wodurch endlich deſſen gänzliche
Zerftörung herbeigeführt werden müßte. Die Größe des Capi⸗
tal8 darf auf Feine Weife vermindert werden, benn fonft würde
auch das zum Theil von ihm bedingte Einfommen abnehmen,
und von dem Gebrauchsvorrathe darf nicht mehr weggenommen
werden, ald man alljährlich wieder ergänzen kann, wenn nicht
eine fortfchreitende Schmälerung des Guͤtergenuſſes erfolgen fol.
(a) Schon der Einzelne forgt über die Dauer feines Lebens hinaus für den
Bermögenszuftand der Seinigen ; ein Bolf muß vollends als unſterblich
angenommen werden. °
$. 74,
Hieraus folgt, daß die günftige oder ungünftige Beichaffenheit
jeder Wirthfchaft, d. i. der Grad, in welchem fie die Befriedigung
ber Bebürfniffe fihert und noch weiteren Gütergenuß geftattet,
zunähft aus dem in ihr flattfindenden Einfommen in Bergleidy
mit dem Umfange der Bebürfniffe zu beurtheilen ift (a). Selbft
ein großer Vorrath nicht werbender Güter würde ohne ben
Beiftand reichlicher Einkünfte den Eigenthuͤmer nicht dauernd
und volftändig mit Allem, was er begehrt, verforgen, wenn es
nicht möglidy wäre, jene Güter in werbende umzufegen (5).
Die wirthfchaftliche Klugheit räth baher, den Gebrauchövorrath
nicht über ein gewiſſes Verhältniß zu den Einfünften hinaus
zu vergrößern.
(a) Gbenfo L. Say, Etudes, &. 10. — Nur it dabei ein wichtiger Unters
fchied zu bemerken. Der Einzelne kann fih durch Arbeit oder durch
einen werbenden Bermögensfland Binnahmen verichaffen, oder aud
durch die Verbindung beider Mittel. Offenbar ift bei gleicher Größe
des gefammten Ginfommens ber Arbeiter in einer minder vortheilhaften
Lage als derjenige, deſſen Ginfommen auf Vermögenshefig beruht, alfo
An gefichert iR. Dieb findet aber feine Anwendung auf ein gans
zes Dolt.
(6) Rah Kaufmann (Unter. I, 160) fol es beim Begriffe des Reich:
thums ac. nicht auf das Einkommen, fondern nur auf die Bröße des
Vermögens ankommen. Diefe Beſtimmung if von der hier aufgeftellten
aus dem obigen Grunde nicht wefentlich verichieden. Wollte der Reiche,
flatt fein Vermögen werbend anzulegen, lieber vom Stamme zehren, ſo
brauchte er, um lebenslänglich auszureichen, einen noch größern Borrath
als bei jener Anwendung.
8. 75.
Bei den Einzelnen fann man unterfcheiben:
1) allgemein menfchliche Beduͤrfniſſe, die auf die Erhaltung
des Lebens und der Geſundheit abzielen,
2) folche, die den Mitgliedern eines befonderen Volkes ges
meinfchaftlid find (a),
3) folchye, die dem Stande entfprechen, ben Iemanb in ber
Gefelfchaft einnimmt,
4) individuelle, die aus eigenthümlichen perfönlichen Umflän-
den, Erziehung, Gewohnheit, Denkungsart, Körperbeichaffen-
heit ıc., ferner Zahl, Alter und Förperlihem Zuftand ber Fa⸗
milienglieder, entfpringen und daher bei den einzelnen Menfchen
höchſt verfchieden find. Da diefe Bebürfniffe mit Ausnahme des
Bamilienverhältniffes ebenfo wie der individuelle Werth ($. 62)
nicht Außerlich erfennbar find und als zufällig gelten müflen,
. jo pflegt man fie nicht in Betracht zu ziehen, wenn bie Bers
mögendumftände eines Menjchen in allgemeiner Beziehung, volks⸗
wirthichaftlich oder von der Regieruug beurtheilt werben, 3. 8.
bei der Bemeffung der Befolbungen.
(a) 3. B. größere Bebürfniffe in Fälteren Ländern oder bei gebildeteren
Volkern. Es macht einen großen Unterfchied, ob man die einfache
— 34 —
Lehensweiſe eines wenig entwickelten Volkes nach den geringen Bedüͤrf⸗
niſſen deſſelben, oder nach dem Maaßſtabe eines gebildeteren, an vieler⸗
lei Genuͤffe gewoͤhnten Bolkes beurtheilt.
8. 76.
Derjenige hat fein Ausfommen, welcher durch feine fort⸗
dauernden Einkünfte in den Stand gejegt wird, feine und feiner
Familie weientliche Beduͤrfniſſe zu befriedigen. Das Auslommen
bezeichnet alfo das Gleichgewicht zwifchen den Bebürfniffen und
dem Cinfommen. Ueberſteigt dieſes den Bedarf, fo entſtehen
folgende Zuftänbe:
1) Wohlſtand (aisance, wealth), wenn man fich noch über
bie volfsthümlichen, flandesmäßigen und Familien⸗Beduͤrfniſſe
hinaus Gütergenuß verfchaffen,, oder flatt befien etwas über
fparen kann;
2) Reihthum (a), wenn das Einfommen nicht bloß be⸗
trächtlich über den Bedarf hinausgeht, fondern auch unabhängig
vom Leben und der Thätigfeit des einzelnen Empfängers aus
einem werbenden DBermögen herruͤhrt (b);
3) Ueberfluß, bei einem fo großen Einfommen, daß man
baffelbe nicht ganz für Rutzen und wahres Vergnügen zu vers
wenden weiß und feine Aufforderung zur Sparfamfeit findet.
Der Meberfluß, der befonderd zur reichlichen Unterftügung andes
rer Menjchen benugt werden fönnte, wirb nur zu oft gemiß-
braucht zu Ausgaben ohne vernünftige Zwede, d. h. zur Ber;
ſchwendung (c).
(a) Diefer Ausprud wird allein unter den in beiden $$. aufgeführten auch
in objectivem Sinne gebraucht, um ein großes, den bezeichneten Zufland
begründendes Bermögen anzudeuten. Vgl. 6. 6 (a).
(5) Staatödiener und Künftler 8 auch bei einem verhältnißmäßig a
großen Binfommen durch daftelbe allein noch nicht reich. Vgl. $. 74 (o).
(e) Bei den gebildeten Bölkern find darırm feltener die Zeichen des Ueber:
fluffes Ginzelner zu fehen, weil diejenigen, welche für ihren Stand bes
traͤchtlich reich find, die Lebensweife und die Bebürfniffe eines höheren
Standes anzunehmen pflegen und weil die Kunft, die Genüffe zur vers
— hoch genug ſteigt, um auch ein ſehr großes Ginkommen er⸗
höpfen zu koͤnnen.
$. 77.
Andere Zuftände ungünftiger Art treten ein, wenn das Ein»
fommen binter dein Umfange ber Bebürfniffe zurücbleibt.
— 95 —
1) Dürftigkeit findet Statt, ſobald nicht mehr alle, fon
bern nur noch die dringendften Bebürfnifie ihre Befriedigung
finden können. Einige Entbehrung ift von ber Dürftigfeit um«
zertrennlich, und da unter den oben ($. 75) aufgeführten Bes
bürfniffen die ftandeömäßigen noch am leichteſten unbefrichigt
bleiben können, fo beziehen fich die Entbehrungen des Dürftigen
bauptfächlidh auf diefe (a).
2) Armuth if die Unfähigkeit, aus eigenen Mitteln auch
nur den nothwendigen Lebensunterhalt zu. beftreiten. Diefer
Zuftand ift mit der Abhängigkeit von fremder Unterflügung ver-
bunden, weil fonft die Gefundheit und felbft das Xeben gefähr-
det fein würden.
3) Fehlt ed dem Armen an biefer Hülfe von anderen Mens
fhen, fo treten Mangel und Elend ein.
(a) So lange nod ein Bermögensflamm vorhanden ifl, fann der Dürftigkeit
durch Bufeßen deſſelben vorgebeugt werden. — Rad den Grllärungen
von De G6örando (De Is bienfaisance publigue. I, 5) if pauvretö daß,
was hier Dürftigfeit genannt wird, Armuth iſt indigence. — Pinheiro-
Ferrera (Precis, € 180) nimmt folgende Afufung € an: a ödioerith
(Auslommen), — göne, — pauvrete, — demuement,
6. 78.
Wenbet man die vorftehenden Begriffe auf ein ganzes Volt
an, fo muß zuvörberfi bad rohe und reine Einkommen eines
gegebenen Volkes im Berhältnig der Menfchenmenge betrachtet
werben, unter welche es ſich vertheilt. Aber wenn man aud)
beide Größen durch die Volkszahl getheilt und fo den durch⸗
fgnittlichen Antheil eined Kopfes ausgemittelt Bat, fo ift es
doch Außerft fchwierig, aus viefer Angabe fo, wie es bei Eins
zelnen gefhieht (8. 75 — 77), auf den Vermoͤgenszuſtand bes
Vollkes zu fchließen, ſelbſt abgefehen von dem Umſtande, daß
foldye Zahlenfäge nur in Anfehung des Verkehrswerthes, nicht
über den Gebrauchdwerth zu erhalten find. Gin Bolf kann
richt in dem Sinne reich oder arm fein, daß ed aus lauter
reichen oder armen Mitgliedern beftünde, es zeigt vielmehr bei
feinen verjchiedenen Mitgliedern alle jene Vermögendzuflände
zugleich, auch richtet fi) dad uͤbliche Maag der Bebürfniffe in
einem Bolfe zum Theil nah dem Einfommen, fo baß mit
biefem zugleich die herrfchende Lebensweiſe ſich verändert und
der auf einen Kopf kommende mittlere Bedarf größer ober
geringer wird. Nur vorübergehend, bis alle Folgen ber Ber-
Anderung eingetreten find, und fo lange noch die Gewohnheiten
aus befieren Zeiten fortbauern, könnte eine beträchtliche und
plögliche Abnahme des Einfommend Merkmale einer herrichen-
den Dürftigfeit und Empfindungen von Bebrängniß hervor-
bringen. Dagegen fann allerdings das Gefammteinfommen
größer fein, ald die Summe der Bebürfniffe, nur ift es ſchwer,
biefe mit Rüdficht auf die Gewohnheiten der verfchiebenen Volko⸗
clafien zu berechnen.
$. 79.
Leichter läßt fich eine Vorſtellung von dem Vermoͤgenszu⸗
ftande eined Volkes bilden, wenn man baflelbe mit anderen
vergleicht. Hierbei ann man ſich alle miteinander verglichenen
Völker als auf gleicher Bildungsftufe flehend, oder in ähnlichem
Entwidelungsgange begriffen denken, ihre Bebürfnifie als gleich
groß ganz außer Acht laſſen und ſich Lediglich an den Durch⸗
fchnittöbetrag ded Einkommens ($. 71a) halten. Ein Bolf if
demnach reicher als ein anderes, wenn auf jeden Kopf jährlich
eine größere Gütermafje fommt. Nach diefer Beflimmung giebt
ed reichere und aͤrmere Voͤlker, während fonft feines, für ſich
allein betrachtet, reich oder arm genannt werden kann.
8. 80.
Ob ein Volk gegen andere gehalten reicher oder aͤrmer iſt,
dieß macht ſich in verſchiedenen Kennzeichen bemerklich. Dahin
gehoͤren unter anderen:
1) die Lebensweiſe der arbeitenden Claſſe, naͤmlich die Menge
des Guͤtergenuſſes, welchen dieſelbe vermoͤge ihres Lohnes ſich
verſchaffen kann (a);
2) große, koſtbare Unternehmungen der Staatsbürger, be⸗
ſonders wenn viele Einzelne an ihnen beträchtlichen Antheil
haben (b);
3) großer Aufwand ber Regierung für bie öffentlichen Zwecke,
wenn berfelbe ohne Zeichen von Drud und Berarmung ber
* Bürger aufgebracht wird;
4) beträchtliche Darleihen der Bürger ins Ausland (c).
— 97 —
Noch leichter und ſicherer kann man in einem und demſelben
Lande auf die Zu⸗ oder Abnahme des Volkseinkommens aus
verſchiedenen Erſcheinungen ſchließen; z. B. aus den Veraͤnde⸗
rungen in der Anzahl der Armen, in der Sterblichkeit, im Um⸗
fange der Guͤtererzeugung, der Aus⸗ und Einfuhr, der Feuer⸗
verficherungen, im Ertrage der Aufwandsſteuern u. dergl. (d).
(a) Zunehmender Verbrauch der nicht unentbehrlichen Lebensmittel, 3. B.
Fleifh, Colonialwaaren, im Vergleid mit der Volfsvermehrung ; aud)
diefe felbft ift in der Regel ein günfliges Zeihen. — Pan hat den
Grad der Sterblichkeit als ein ſolches Kennzeichen zu benußen vorges
ſchlagen, in der Borausjegung, daß geringe Mortalität einen günftigen.
Dermögenszufand der unteren Bolfsclafien beweife. Franc. d’Iver-
nois, in Biblioth. univ. März 1831, Sept. 1835. Doch müßten
hierbei das Klima, die Beichäftigungen (Landwirthichaft oder Yabrifen),
die Beichaffenheit der Wohnungen, die Zahl von Geburten, der hert⸗
chende Krankheitscharacter u. dergl. berüdfichtigt werden, ſ. $. 201.
Vgl. Quetelet in Rev. enc. Aug. 1830.
(6) 3. B. viele Actiengefellihaften für Handelszweige, Canalbau, Urbar:
madhung u. dgl., die bisweilen in Bngland —* haͤufig und zum Theil
unüberlegt gefiftet worden find. Nur im Laufe des Jahres 1824 und
in den erften Wonaten 1825 entflanden dafelbft 276 Gefellichaften mit
einem Gapitale von 174 Mill. Pfd. St., darunter 81 für Ganäle,
Werften und Gifenbahnen mit 40 Mill. Pf. — Als die britiſche Res
gierung im Mai 1829 3 Mill. Pf. St. borgen wollte, wurden 165 Dill.
ın einem Tage angeboten. — In Paris entſtanden 1835—37 610 Actien:
gefellichaften mit 562 Mil. Br. Capital. In Belgien bildeten fi
von 1833 —1838 40 anonyme Gefellichaften mit wenigfiens 300 Mill. Fr.
apital.
(ce) Storch hat diefes Kennzeichen ausichließend berüdfichtigt und die Voͤl⸗
fer in borgende (arme), leihende (reihe) und unabhängige,
die zwifchen beiden in der Mitte fliehen, eingetheilt. I, 145.
(d) Zur Erläuterung dienen die von G. Borter ($. 25 (d)) gefchilderten
Fortſchritte des britifchen Reiche ; die Gijenerzgeugung flieg 1802—1848
von 170000 auf 2 Mill. Tonnen, die Sifenausfuhr von 37000 auf
701000 T., die Tonnenzahl der eingelaufenen Schiffe von 1801—49
von 1702000 auf 6920000, die Summe der Yeuerverficherungen von
232 auf 756 Mill. 2. St. ıc.
8. 81.
In welchem Grade das Einkommen ded Volkes zu dem
wirthichaftlichen Wohle deſſelben beiträgt, dieß hängt nicht allein
von feiner Größe ab, fondern aud)
1) von der Art feiner Vertheilung. Das Vermögen erreicht
feine Beftimmung beffer, wenn es Bielen einen mäßigen Genuß
gewährt, ald wenn es ſich bei Wenigen in beträchtlichen Maſſen
anhäuft. Ein Volk Eönnte ein größeres Einkommen haben als
ein anderes, aber body in einem ungünfligeren Zuftande fein,
Rau, polit. Delon. L 7. Ausg. 7
. — ↄs —
wenn eine kleine Zahl von Menſchen in hohem, an Ueberfluß
graͤnzendem Reichthume lebte, waͤhrend die Mehrzahl nicht ein⸗
mal ihr voͤlliges Ausfommen hätte (a);
2) von der Quelle, aus der ed fließt. Nur wenn es durch
die eigene Arbeit des Volkes gewonnen wird, wirft es von jeber
Seite vortheilhaft und nur dann ruht ed auf einer ficheren
Grundlage, $. 14. 27 (b).
Wird der Zuftand, in welchem ein Volk ein reichliches,
wohlvertheilted und aus der eigenen Arbeit der Bürger herwors
gehendes Einfommen bezieht, Wohlftand genannt, fo bezeich-
net diefer die blühenpfte, den Zwecken des Staated ($. 20)
am meiften entfprechende Beichaffenheit der Volkswirthſchaft (c).
Bei gleihem Maaße des Reichthums ($. 79) hat bemnad)
basjenige Volk mehr Wohlftand, welches weniger Arme und
Dürftige zählt.
(s) Unvortheilhafte Vertheilung in Öropbritanien. Nach den Statistical
Dlustrations, 3. Ausg. ©. 36, hätte I Mill. Familien nur ein 1 Sahree:
A von 22 2, St., eine Amweite Mill. nur 33—50 2.
() D ex größte Theil des Volkseinkommens fließt in jedem Yall aus diefer
- Quelle, ein Heinerer könnte aber aus Gntrichtungen unterworfener
Staaten oder aus dem Grtrage auswärtiger Beſitzungen beftehen.
(e), Bol. Rau, Zufag 39 zu Stord. — te, Ueber Weſen und
—* der Wirthichaftswiffenfchaften, S. 80.
Zweites Buch.
Entftehung der Vermögenstheile.
Erfter Abfchnitt.
Bedingungen der Gütererzengung im Allgemeinen.
$. 82.
Zum Dafein eines fachlichen Gutes von einem gewiflen Werthe
ift eine auß ere (objective) und eine in dem Denten der Men-
fchen liegende innere (fubjective) Bedingung erforderlich; es
muß nämlich nicht allein ein Förperlicher Gegenftand in. einer
gewiſſen Befchaffenheit, von weldyer feine Anwendbarkeit für
menfchliche Zwecke abhängt, vorhanden fein, fondern auch biefe
Nüglichfeit durch das Urtheil des Verftanded anerfannt werben.
$. 57. Erf dieſes Urtheil erhebt die Dinge zu Gütern, wenn
fie auch fchon lange vorher in ihrer beſtimmten Befchaffenheit
da waren (a). In dad Vermögen treten die Sachgüter erfl,
wenn Jemand fich biefelben aneignet.
(a) Stord, I, 72. — Lotz, Handb. I, 155. — Bisweilen wird eine
Sache erft bei der Entflehung eines nenen Zweckes als ein But erfannt;
je mehr Bebürfniffe der Menfh hat, deſto mehr Güter Iernt er ale
Mittel fennen. Blutegel, — Tabak, — Leuchtgas, — lithographiicher
Stein, — Lichtbilder, — Chloroform ıc.
$. 83.
Der Menſch kann daher auf doppelte Weife zur Entftehung
von Vermoͤgenstheilen beitragen:
1) indem er darauf hinwirkt, daß mehr foldye Eörperliche
Dinge, denen dad Urtheil der Menfchen fchon einen beftimmten
7%
Werth beilegt (a), in dad Vermögen gelangen, — Production,
$. 69. Durdy diefe werden bald Sachgüter, welche ſchon auf der
Erde vorhanden waren, in menfchliche Gewalt gebracht, 3. B.
im Bifchfang, bald wird die Entftehung eines neuen oder höheren
Werthes in den Stoffen bewirkt, 3. B. im Landbau;
2) indem er die Eigenfchaften ver förperlichen Dinge ers
forfcht, fie mit menfchlichen Zweden in Verbindung fest und
dadurch neue Arten oder höhere Grade der Nüglichkeit in ihnen
entdeckt, weßhalb ihnen ein höherer Werth zugefchrieben wir.
Diefe die menjchlichen Kenntniſſe vervollfommnende Thätigfeit (5)
fommt in ihrer Wirkung mit der ‘Production überein ($. 69),
und ed ift fchon hieraus erfichtlich, wie fehr die Fortfchritte der
geiftigen Bildung, namentlich der Naturwifienfchaften, ven wirths
ſchaftlichen Zweden förderlich fein müflen (c).
(a) Diefe Borausfegung darf nie außer Acht gelaflen werden. Nicht darum
entfleht ein neues Gut, weil überhaupt eine mit Koften verfnäpfte
Sinwirkung auf die koͤrperliche Beichaffenheit eines Stoffes vorging,
jondern nur dann, wenn bie Ginwirfung fo eingerichtet wurde, daß
eine Sache von einer fhon anerkannten Tauglichkeit zu Stande kam.
() Zahariä’s ideeller objectiver Erwerb, St. W. 8. ©. 3. — Nüp-
lihfeitsproduction nah Riedel, I, $. 79.
(c) 3. B. neuentdedte Nüplichkeit des Kautſchuk, der Gutta percha, des
Anthracits, des bituminoͤſen Kalks zur Gasbeleuchtung, des Leberthrans,
des Asphalts, des Jods und der jodhaltigen Salzquellen ꝛc.
g. 84.
Der erſte von dieſen beiden Wegen, dem Vermoͤgen neue
Theile zuzufuͤhren, iſt der ergiebigere, der regelmaͤßigere und der⸗
jenige, welcher die meiſten Kraͤfte beſchaͤftigt. Der zweite für
fich allein hat weder eine ſo große Wirkung, als jener, noch iſt
fein meiſtens zufälliger Erfolg im Voraus zu beſtimmen, auch
fruchtet er, ohne den erſten, ſchon darum weniger, weil in dem⸗
ſelben Maaße, wie die vorhandenen Dinge hoͤher geſchaͤtzt wer⸗
den, auch die hiedurch veranlaßte Conſumtion derſelben wieder
eine groͤßere Verminderung des Vermoͤgens nach ſich zieht; zudem
nimmt, je weiter Naturkenntniß und Gewerbskunſt ausgebildet
find, die Gelegenheit zu neuen Entdeckungen und Anwendungen
jener Art immer mehr ab. Daher muß auf die förperlidye
Hervorbringung der Güter ($. 83, 1) in der Bolföwirths
ſchaftslehre die meifte Aufmerkfamfeit gewendet werben.
— 101 —
$. 85.
Zu den nädhften Bedingungen ber körperlichen Güter-
erzeugung (den fogenannten Güterquellen, sources de la
production, (a)) gehören
1) Kräfte, d. 5. Urfachen von Veränderungen in der Körs
perwelt, und zwar fowohl Naturfräfte, ald menſchliche
Kraft (8), deren Anwendung für den genannten Zwed bie
hervorbringende, probuctive Arbeit bildet; diefe wirkt
jedoch meiftens in Verbindung mit den natürlichen Kräften;
2) [hon vorhandene Bermögenstheile, weldye zur
Hervorbringung neuer Güter als Hülfsmittel gebraucht werden,
ob fie gleich für ſich allein, ohne die Thaͤtigkeit jener Kräfte,
wirkungslos fein würden und daher wie bloße Werkzeuge oder
Stoffe betrachtet werben müſſen. Dahin find zu rechnen bie‘
Grundftüde und die Capitale.
(a) Say bediente fi fpäterhin bes Ausdrucks fonds productifs und theilte
diefe fo ein: -
I. fonds industriels (Arbeit),
II. instrumens d’industrie, und zwar
1. non appropries, Meer, Atmofphäre ıc.,
2. appropri6s,
a) naturels (Grundflüde),
b) capitaux.
Die Mitwirfung aller diefer fonds zur Erzeugung neuer Güter nennt
Say Broductivpienfte, eine ann. ie nur im uneigent-
lihen Sinne zu nehmen ift und bie wichtige Berfchiedenheit der güters
jeugenden Kräfte von dem todten Hülfsmitteln nicht deutlich erfennen läßt.
5) Nicht allein der menſchliche Geiſt iſt Hier zu nennen, der zwar jeden
Kraftgebrauch zur Arbeit leitet und deflen Schöpferfraft ganz vorzüglich
in der Production mächtig ift, der aber doch ohne die Thätigfeit der
Gliedmaßen nicht zureichen würde. Dagegen Lotz, Handb. I, 145. —
Durch Ad. Smith veranlaßt, aber weiter gehend als diefer (6. 44 (a)),
bat neuerlih Mac-Gulloch, &rundfäge, ©. 47 ff., wie früher Lode
und Galiani, die Arbeit des Menfchen als die einzige Productiones
quelle angelchen. Diefe Meinung ift von fpäteren Forſchern berichtiget
und die Mitwirkung der Ratur in ihrer ganzen Wichtigfeit anerfannt
worden, f. 3. B. Stord, I, 80, Lotz, I, 147, v. Jakob, Nation.
Dekon. 6. 49 der 3. Ausg. Pol. auh Zachariä, S.W.L. ©. 27.—
Viele Rationalöfongmen zählen nur 3 Güterquellen, indem fie bie
Naturkräfte mit den Grundftüden in der Betrachtung zufammenfaflen
und beide in ihrer Berbindung als „Natur“ aufführen.‘ Diefe Kräfte
äußern ſich gte⸗ auch vielfaͤltig in den Capitalen, und die Grundſtücke
haben ebenſo gut wie dieſe auf eine eigene Stelle in der Reihe der
Erforderniſſe zur Production Anſpruch.
— 11 —
Zweiter Abidhnitt,
Uaturkräfte als Güterquellen.
. §. 86. |
Die natürlichen Kräfte üben auf die Entftehung ver fach»
lihen Güter einen fo mächtigen Einfluß, daß ınan, wie das
Beifpiel der Phyſiokraten zeigt, leicht verleitet werben Eann,
neben jenen alle übrigen Güterquellen außer Acht zu laffen.
Ohne bie freiwilligen Gefchenfe der Natur würde dad Menfchen-
gefchlecht in feinem Kindesalter ſich nicht erhalten haben, und
auch die fpäter Hinzugetretenen Künfte ftüben fi immer auf den
Beiftand der Raturfräfte (a). Um die Art, wie biefe wirken,
näher zu beleuchten, find die nutzbaren Erzeugniffe nach ben
Bedingungen ihrer Entftehung in mehrere Abtheilungen zu
bringen, und zwar zunächft die rohen und verarbeiteten, fodann
bei jenen wieder die organifchen und unorganifchen Stoffe zu
unterfcheiden.
I. Organifhe Wefen (Thiere, Pflanzen) bilden fih aus
duch das Walten der fchon in dem Keime wirkenden Lebens⸗
fraft und durch Aneignung (Afftmilirung) der von außen auf
genommenen nährenden Stoffe. Zur fortwährenden Befriedigung
menſchlicher Bebürfniffe ift erforderlich, daß ſolche Körper in
gleihem Maaße mit dem Verbrauche regelmäßig von Neuem
erzeugt werben, was öfterd ganz ohne menſchliches Zuthun ges
ſchieht. Zu ihrer Entwidelung find nothwendig
1) organifche Lebenskräfte. Diefe folgen in jeder Art von
Pflanzen und Thieren eigenen, unveränberlichen Gefepen, fo
daß die Fortpflanzung, das Wachsthum, die Abnahme und ber
Untergang jeder Art von belebten Wefen überall und immer
gleiche Erfcheinungen darbieten würden, wenn nicht äußere Ein:
flüffe mancherlei Unterfchiede hervorbrächten;;
2) Kräfte, welche in den Außeren Umgebungen ber organi
fhen Körper wirken und in dem einzelnen Erbtheilen, Rändern
und Gegenden in ungleichem Grave thätig find, weßhalb das
Gedeihen nugbarer Thiere und Pflanzen an den verfchiebenen
Puncten der Erbe bald mehr, bald weniger begünftigt if. Doc)
vermag die Kunft diefe Einflüffe zum Theil zu beherrfchen.
— 103 —
(a) Rau, Programm: De vi naturse in rempublicam. Heidelb. 1831. 4°.
— Gteinlein, Volksw. 2%. I, 239. — Revue encyel. Juli 1831
nah Cuvier. — v. Prittwig, Andeutungen über die Graͤnzen ber
Eivilifation, ©. 5.
8. 87.
Die reichlihe Erzeugung von nupbaren Pflanzen,
welche zur Ernährung von Menfchen und Thieren und mandjen
anderen Zweden dienen, iſt eine Hauptbedingung des Wohl
ftandes der Bölfer. Die Außeren natürlichen Umftände, von
benen dieſelbe abhängt, zeigen fich
a) in bem Boden, der den Gewächfen einen Theil des ers
forderlichen Nahrungsftoffes mittheilt und das Gedeihen vers
felben nad) Maaßgabe feiner Beftandtheile an organifchen und
unorganifhen Stoffen, feiner hohen oder niedrigen, geneigten
oder ebenen Lage u. dergl. mehr oder weniger befördert (a);
b) in der Atmofphäre, deren oͤrtlich verfchiedene Beſchaffen⸗
heiten und Erfcheinungen das Klima (5) bilden. Diefes greift
in mandjfaltiger Hinfiht in das Staatdleben, befonders in bie
Volkswirthſchaft ein. Die wichtigften Beftandtheile des Klimas
find die Wärme ber Luft und ihre Feuchtigkeit fammt
ihren wäflerigen Rieberfchlägen (c).
Die aus diefen Urfachen herrührende Verfchiedenheit in ber
Fruchtbarkeit der Länder hat auf die ganze Erzeugung und
Verzehrung von Sachguͤtern bei "einem Volke großen Einfluß.
Fe mehr nügliche organifche Stoffe dem Boden abgewonnen
werden, befto mehr Menfchen können auf gleichem Raume auch
ohne auswärtigen Verkehr ihren Unterhalt finden, defto niedriger
find die Koften und alſo die Preiſe jener Stoffe, defto leichter
ift es, dad Ausfommen zu finden, und defto mehr Arbeit könnte
folglich auf Erhöhung, Verfeinerung und Vervielfältigung des
Gütergenufied oder auch auf die ‘Pflege und Bermehrung der
perfönlichen Güter (8. 46) verwendet werben (d).
(s) Die Iandwirthihaftlide Bodenkunde (Agronomie) enthält hierüber
die näheren Nachweiſungen.
(5) Montesquieu, Esprit des lois L. XIV. — Zahariä, 40 Buͤcher
vom Staate, I, 384. — Ch. V. de Bonstetten, L‘’homme du midi
et [homme du nord ou influence du climat. Gendve, 1824. —*X
v. Gleich, 1825. — Ancillon, Zur Bermitilung ber Ertreme,
1. Abtb. Becquerel, Des olimata, pP. 1853. — Man —e
das Klima ganzer Länder oder Gegenden und das hievon bisweilen
ſehr abweichende Ortsklima, wie 3. DB. der norböftliche Abhang nad
— 14 —
er Ramont um 0,5% Grad Eälter, der fübweftlihe um 0,5 Brad wärmer
ift als die ganze Landichaft.
(c) Die Timatifche Wärme wird hauptfählich von der Lage eines Ortes
zwiſchen dem Nequator und den Polen (geographiſche Breite)
und von ter Höhe über dem Meere beftlimmt; doch wirft auch ber
Schuß durd vorliegende Gebirge, die Erdbebedung mit Wald, Sumpf
oder Wafler u. dgl. bedeutend ein. Die mittlere Sahreswärme nimmt
im mittleren Curopa mit ungefähr 6— 700 Fuß Erhöhung über dem
Meere oder 30 Meilen weiterer Entfernung vom Aequator um 1 Grad R.
ab. Se nörblicher ein Land liegt, deſto mehr ift die Fruchtbarkeit auf
die niebrigften Theile deſſelben beichränft, wie denn 3. DB. die Graͤnze
bes ewigen Schnees bei Duito unter dem Nequator gegen 15000, in
den Alpen 8200—9000, in Island 2800, am NRortcap nur 2200 Fuß
hoch ift. - Es giebt daher fowohl in verfchiedenen Höhenflufen als in
verfchiedenen geogr. Breitert mehrere Zonen der Gewaͤchſe und Grade
der Fruchtbarkeit. In der Schweiz iſt die obere Graͤnze der Mebe
_ 1700 Fuß, — des häufigen Betreidebaus 2800 Fuß, des Zwetſchgen⸗
baums 3300-3500, des Birnbaums 3600, — der Buche und bes Kirſch⸗
baums 3600 — 4800, — des Waizens 4000— 4400, — der Kartoffel
4400—5000, — ber Gerfte 4600—5600, — der Tanne 5000, — der
Arve und Lärche 6000—7000 %. Kaftbofer, Beiträge 3. Beurthei:
lung d. Bortheile der Golonifation eines Theile d. Alpenweiden. Leip⸗
ig 1827. — Franſcini, Statiftil d. Schweiz S. 19. — Sendt⸗
ner, Die Vegetationsverhältnifie Süpbaierns 1854.— Nach den ſächfiſchen
Anfchlägen trägt der dortige Acer 2r Glafle bis zu 500 Fuß Höhe
143 Meben, bei 800 %. 132, bei 1600 F. 112 Mepen.
Aften ift bei gleicher Breite kälter ald Europa, America noch Eälter:
der Aderbau reicht in Lappland bis zum 681/, Grad nörbl. Breite, bei
Tobolsk His zum 60., in Banada nur bie zum 50. Breitengrade. Die
Linien der gleihen Wärme (Humboldt's ifothermifhe Linien)
weichen daher von den Parallelkreifen bedeutend ab. — Man leitet die
größere Wärme von Buropa aus dem vom Aequator gegen Nordoften
ziehenden Strome von warmem Wafler (Golffttom) und den über die
afrikaniſche Sandmwüfte flreihenden Sübwinden ab. Gehler, Phyſikal.
Mörterb. N. Ausg. XI. 1. Art. Temperatur.
Die geographifche Verbreitung der Gewaͤchſe wird größtentheils von
ber Temperatur bedingt, aber nicht bloß von ber Jahreswärme, fondern
auh vom Marimum der Hite und Kälte, von der Wärme ber verfchies
denen Jahreszeiten und dem Wechſel der Wärme in Furzen Zwiſchen⸗
räumen. Im Innern großer Länder if der Unterfchieb der Sommer:
und Winterwärme größer, als an den Küften. Die Fünftlich gebauten
Gewählte erſtrecken ſich nur fo weit, als die Landwirthe ihren Anbau
noch für vorthbeilhaft halten, de Candolle, Art. G6ographie des
plantes im Dictionn. des sciences natur., XVIIL, 356. A. de Candolle,
Bibl. univ. Gendve, 1836. April, Mai. Der Bau des Zuckerrohrs er:
fordert mindeftens 180, des Kaffeebaums wenigftens 140 Jahreswärme.
Guter Wein wird nur da erzeugt, wo bie mittlere Wärme des Jahres
8° R. beträgt, die des Winters über 0 fleigt und die des Sommers
15 — 169 erreicht; 3. B. Neuftadt a. d. Hardt (baier. Rheinpfalz):
Winter + 1,%, Fruͤhling 8,%, Sommer 15,%, Herbfi 8,5, Durch⸗
ſchnitt 8,4. Man bat neuerlich verfuht, den Bedarf der verfchiedenen
Gewäaͤchſe an täglicher Wärme vom Frühjahr bis zur Ernte zu berech⸗
nen, 3. B Waizen in 140 Tagen zu ungefähr 129 RB. gegen 17000 R.
Man darf aber nur die Tage einrechnen, an benen die Wärme über
einige Grade (3. B. 2 oder 3) hinaufgeht. Bouffingault, Die
Sandw. in ihren Bez, 3. Chemie ıc., II, 435 der d. Ueberf. — A. de
()
— 105 —
Candolle, in Bibl. univ., Sc. phys. VII, 1. 1848. — De Gaspa-
rin, Cours d’agric. II, 328. Die 21000 Q.⸗Meilen aroße baumleere
Steppenflähe des füdlihen Rußlands ik in dieſem Zuſtande haupt:
fählidh wegen des flarfen Temperaturwechſels, da die hoͤchſte Hike und
Kälte im Jahre wohl um 60° R. von einander abftehen, ferner wegen
der Trockenheit, der Stürme und Wirbelwinde; vgl. Kohl, Reifen in
Süd-Rußl., II, 61. de Tegoborski, Etudes sur les forces pro-
ductives de la Russie, I, 33. 1852.
Man kann in Euroya folgende Regionen unterſcheiden:
1) von mehr als 100 R. mittl. Wärme, wo es in den tiefſten Ge
enden felten friert und fchneit, alfo in der Regel nur regnet (Zone
Dee Regens, durd die Iſotherme des veränderlichen Niederfchlags aus
der Atmofphäre begrängt, von Roon, Grundzüge der Erdkunde,
I, 97), wo Drangen:, Citronen⸗ und Delbäume gedeihen und die
D.:Meile 6000 und mehr Menihen ernähren kann. Hierher gehören
Bordeaux 10,8 — Breit 11,4 — Marfeille 11,2 — Montpellier 12,15 —
Rom 12,8 — Athen, Nizza 12, — Liffabon 13 — Palermo 13,4: Gr.;
2) von 3—9° m. ®., wo überall Wintergetreide gebeiht, an mwär-
meren Stellen Obſt, Tabak ıc., an ben wärmften auch die Mebe, und
für 3—4000 Menfchen auf ber Q.:Meile Nahrungsmittel erzielt werden
(nämlih auf den Kopf der Einwohner gegen 8 preuß. Scheflel oder
3 bad. Malter Getreide, auf den preuß. Morgen 6 Scheffel über bie
Ausfaat oder auf den bad. 3 Malter Ertrag gerechnet, dazu nody die
Hälfte Land für andere Früchte, und an Wieſe und Wald foviel als
Ader angenommen und diefe Bodenbenußungen auf ®/s der Oberfläche
angeichlagen). In dieſe Abtheilung fallen 3. B. Drontheim 3,88 —
Abo 3,8 — Stodholm 4 — Ghriftiania 4,97 — Mitau 4,85 —
Danzig 4,9% — Königsberg 5,19 — Lemberg 5,9 — Bern 5,9 —
Breslau 6,3 — Edinburg 6,9 — Mancheſter 6,% — Berlin, Goͤt⸗
tingen, Sürih 7,8 — Genf 7,4% — Frankfurt a. M., Prag 7,8 —
Stuttgart 7,7% — London 7.88 — Karleruhe 8,® — Brüflel, Baris
8,R — Wien 8,9 Gr.;
3) den Falten Theil, in welchem nit mehr überall Sommergetreide
reift und durch Viehzucht und Kifcherei kaum 1—200 Menfchen auf ber
D.:Meile Unterhalt erwerben. Beilpiele geben Island, Tornea, — 0,1 —
Kafan, + 1,57 — St. Petersburg 2 — Moslau 2,5 Er.
Acht Zonen in Rußland: 1) Bisflima, 2) 3. des Mennthiermoofes, .
3) des Waldes und ber Viehzucht, 4) des Sommergetreibes, 5) bes
Roggens und Leine, 6) des Waizens und Obſtes, 7) des Weine und
Mais, 8) des Delbaums, des Zuckerrohrs und der Seidenzucht, v.
Gancrin in den Dorpater Jahrb. IV, 1. (1834.) = Nourv. Ann. des
Voyages, 1835. — de Tegoborski, I, 22. — So werden aud in
den nordamericanifchen Preiftaaten die Gegenden des Zuckerrohrs, —
des Baummollen- und Reisbaues, — des Waizenbaues, — und der
vorherrfchenden Viehzucht unterfchieden.
Für Franfreih hat A. Doung die Gränzen des Weins, Maiss und
Delbaues angegeben (Meilen durch Frankreich und einen Theil von
Stalien, II, 21, deutſch Berl. 1794), welche ziemlih genau mit der
Hauptrihtung der Nordgränze Frankreichs am Canal parallel laufen. —
Künf Flimatifche Bezirfe von Frankreich, f. Martins in Bibl. univ.
Nr. 103, S. 138. Nr. 104, ©. 347, de Gasparin, Cours II, 328.
Se höher die Wärme einer Gegend Reigt, befto mehr Regen bebarf
diefe zur Fruchtbarkeit wegen ber fchnelleren Berbünftung. Gleiche
Negenmenge kann in einem Fälteren Lande übermäßig, in einem wär-
meren nüßlich, in einem heißen unzureichend fein, und viele Landſtriche
(4)
—— 106 —
in heißen Ländern find wegen ber Trodenheit unfrudtbar. Es muß
indeß biebei auch die Bertheilung des Regens auf bie verfchiedenen
Sabreszeiten beachtet werden. Bei T—8 Er. m. W. mögen 20—25 Zoll
Regenhöhe im Jahre das geftige Berhältniß fein, bei 10—12 Brad
m. ®. ungefäßt 30 . Biele ebene Gegenden in Deutichland,
Brankreih, Ungarn, Schweben sc. haben nur 14—25 Par. Zoll Regens
höhe (Würzburg und Upfala 14, Prag und Sagan 15, Brüffel, Paris,
Marfeille, Stockholm 17, Berlin 19, Orford, Goblenz 20, Manns
heim 21, Edinburg, Harlem, London, Stuttgart 23, Heidelberg 24,
Karloruhe, md 25), — manche Gebirge und Seegegenden, wie
Weſt⸗England, auch Oberitalien 30—45 (Liverpool 32, Mailand, Cher⸗
bourg 36, Bern, Bergamo 43, Genua 44), Riv Janeiro 55 3., —
Dftindien 70 und mehr. Weftindien 80 — 90 3. Biele Angaben in
Schler, Phyſ. Wört. N. Ausg. VII. 1834. — Verſuch, viele Ber:
fhiedenheiten im natürlichen u gefelligen Zuftande der Länder aus dem
in der Luft fchwebenden Waferdampfe und mittelbar aus der Menge
der fließenden Bewäfler abzuleiten, bei Gob bi, Ueber die Abhängigf.
d. phyſ. Bopulationsfräfte von den einf. Grundfloffen. Leipz. 1842. 4. —
Da bie Fruchtbarkeit einzelner Jahrgänge größtentheils von einer güns
fligen Gombination der Wärme und Yeuchtigfeit bedingt wird, fo läßt
HF erwarten, doß man zwifchen den SJahrestemperaturen und Regen⸗
hoͤhen einerfeits, den Grnteerträgniffen und Fruchtpreiſen andererfeite
einen Zufammenhang auffinden könne. In Bezug auf die Ernten ift
bies verfucht worden in Corso di Agricoltura. Firenze, 1803, V. 185.
Die Breife hängen freilich zum Theile von Eoncurrenzverhältnifien ab
und koͤnnen ſich daber nicht ganz nach natürlichen Breigniflen richten,
doch zeigt fih 3. B. in den folgenden Sabren des Decenniums von
1800 —1809 genau die umgekehrte Fortſchreitung der Durlacher Spelz⸗
preife und der Karlsruher Sabreswärme:
1805 das Malter 13 fl. 24 fr. m. Wärme 7,1 Er.
1803 ⸗ ⸗ 1l=: 18s s 3 7,57 s
1804 ⸗ ⸗ 9: 54: =: s 8,8 5
1800 ⸗ ⸗ gs 3l: 5 ⸗ 8,60 ⸗
1807 ⸗ ⸗ 8: 38: 5 ⸗ 8,9 ⸗
1801 ⸗ ⸗ Ss Ts: s: ⸗ g9, is ⸗
Kaͤltere Länder ſtehen in vielfacher Hinſicht gegen wärmere zuruͤck:
1) Der Bodenertrag iſt an Menge und Guͤte geringer,
a) weil manche Pflanzen, bie ein größeres Waͤrmebeduͤrfniß haben,
ger nicht mehr forttommen oder wenigſtens bie Erzeugniſſe mindere
üte erreichen, 3. B. die Trauben nicht fo zuderreich werden. 1 preuß.
Morgen giebt in Carolina 15 Gentner Reis, in Weftindien 5 Etr.
Kaffee oder 11 Etr. Zuder, Moreau de Jonds, Le commerce du
19. Siöcle I, 11. — 1 Morgen mit Pifang (Musa paradisiaca) bes
pflanzt, nahrt in Merico auf dem beften Boden 23 Menſchen und vers
urfacht wenige Arbeit (v. Humboldt);
db) weil die Ernten fhwächer ausfallen. 1 preuß. Morgen (0,7 bad. MR.)
trägt in Deutichland und Frankreich beiläufig 6— 7 Gentner Waizen,
in dem bewäflerten Lande bei Valencia bis zu 29 Gentnern (Jaubert
de Paſſa), auf der Hocdebene von Mexico (guiigen 4200 und
10000 Fuß über dem Meere) im Durdfchnitt 27 Bentner, bei Quere⸗
taro und Cholula aber gegen 43 Gentner (38 fache auelanl). Der
Mais bringt in Deutichland die Ausſaat 80— 100fah, in Braftlien
120— 130 fältig, in Merico 3 — 800 fach. Defteres Erfrieren des Be:
treides in Schweden und Norwegen, Berfchneien vor der Reife;
— 11 —
0) weil der Boden nicht fo vielfach benußt werden kann. Schon in
Süd⸗ und Mittels Deutfchland können Stoppelfrüchte nach der Getreide
ernte gebaut werden, im fuͤdlichen Curopa reifen viele Feldfrüchte ſchon
im Brübling und machen anderen Plap.
2) Da die Zeit des Pflanzenwuchſes Fürzer if, fo muß man mehr
Winterfutter vorräthig haben und Fann nicht fo viel Vieh halten. Nach
Schübler erfolgt die Sntwidelung der Blüthen bei jedem Grade
nörblider Breite in Europa um ungefähr drei Tage fpäter, Berg⸗
haus, Ann. Febr. 1831, ©. 629. — Auf ben fleiermärkifchen Alpen
nimmt man nur 19 Wochen Weidezeit jährlich an.
3) Die Arbeit if} unter übrigens gleichen Umftänden koſtbarer, weil
Kleidung, Wohnung und Feuerung mehr Aufwand erfordern und viele
Beichäftigungen durch die Falte Jahreszeit lange unterbrochen werben ;
fhon in Eſthland dauert die Feldarbeit nur 5 Monate. — Nach der
ſaächſ. Geſchaͤftsanweiſung zur Abfchägung d. Grundeigenthums (30. März
1838, $. 31) Foftet 1 Ochſengeſpann in den böchften Gegenden 4,8%,
in ben niedrigftien 3,9 Metzen Roggen, weil bier nur 159, dort 200
Arbeitstage täbrlic angenommen werden.
4) E& muß ein größerer Theil des Bodens ber Holzgewinnung ges
widmet werben. -
8. 88.
Die Wirthfchaftsverhältniffe der Völker find jedoch nicht fo
ungleih, als es die verſchiedene Fruchtbarkeit der Ränder ver:
muthen laflen ſollte. Dieß läßt fich fo erflären: |
1) Auch die günftigfte natürliche Befchaffenheit eines Landes
giebt nicht fchon von felbft, fondern erft dann, wenn ſich menfch-
liche Arbeit zu ihr gefellt und fie benust, ein reichliches Volks⸗
einfommen. Diele der fchönften Länder der Erde werden nur
von wenigen und bürftigen Menfchen bewohnt, weil fehlerhafte
Staatseinrichtungen ober Trägheit und Rohheit des Volkes vie
zwedmäßige Benugung bed fruchtbaren Bodens verhindern (a).
2) Fleiß und Geſchicklichkeit Fönnen auch in einem von ber
Natur wenig begünftigten Lande den Bobdenertrag bedeutend er⸗
höhen (5) und den Bewohnern durch die Betreibung von Ges
werben, deren Erzeugnifie fie in anderen Gegenden abfegen, neue
Hülfsquellen eröffnen; auch zeigt die Erfahrung, daß mit ben
Schwierigkeiten, welche die Befriedigung der Bebürfniffe findet,
die Kraft, Ausdauer, Erfindſamkeit und Genügfamfeit der Mens»
fhen zunehmen (c). Es giebt Gegenden, in denen die Erwerbs»
wege der Bewohner mit dem Boden faft feinen Zufammenhang
haben; nur if eine ſolche Art der Ernährung nothwendig der
Gefahr von Unterbrechungen ftärfer ausgefegt, als eine auf ben
Erzeugniffen des eigenen Landes beruhende, 8. 395.
— 108 —
(a) Berfall der Länter unter türfifcher Herrſchaft, in Vergleich mit ihrer
früheren Blütbe. In Berfien verfandet das Land mehr und mehr, und
die Wüfte dringt weiter vor, weil man die Quellen vernadhläffiget. —
Beichwerden in neu angebauten Laͤndern wegen der ungebändigten Ge⸗
wäfler, der ſchaͤdlichen Thiere und vergl. Sismondi, De la rich.
comm. I, 20—28. — In den heißen Ländern findet auch die Fabrik⸗
arbeit manche Schwierigkeiten, weßhalb dort nicht alle Beihäftigungen
mit gleidem Erfolge getrieben werden koͤnnen und fo hat die Natur
feldft den- minder warmen Ländern wieder einigen Bortheil zugewendet.
Metalle roften leichter, das Holzwerk wirft ſich; der trodne Staub in
Aegypten bringt die Mäderwerfe ins Stoden und die Fäden reißen beim
Weben fehr häufig, Mengin, Histoire de l’Egypte sous le gouvern.
de Mohammed Ali, 1823, und Stord, II, 166. — In dem warmen
Dep. Aude in Südfranfreih wird ter mittlere Ertrag des Waizens
(16 Hektol. p. Heft.) und bes Mais (20—24 H.) nicht höher ange-
geben ale in ter Rheingegend.
") 3. B. Anwendung fünftlider Wärme in Treibebeeten, Schuß gegen
die Kälte, Auswahl mittägliher Abhänge sc. Die Hitze eines brennen
den Steinfohlenflöpes bei Zwidau mwurbe 1837 zu bdiefem Zwecke be-
nugt und die Zucht erotifher Gewaͤchſe möglih gemacht, |. Geit⸗
ner, Belchreib. der Treibgärtnerei auf den Brbbränden bei Planig.
Leipzig 1839.
(ce) Belege geben die den Waflersgefahren ausgefehten Länder, wie bie
Niederlande, und die Hochgebirge, in denen die @ewäfler weit fchwerer
zu beberrfchen find, die Sandfraßen nur mit großen Anftrengungen
angelegt und erhalten werden, die Lawinen und Erbfälle dem Leben
und dem nußbaren Boden Gefahr drohen. Je mehr dagegen das
Klima für den Menſchen getban bat, deſto näher Liegt die Verſuchung
zum Leichtſinn, zur Sorglofigfeit. In den Bolarländern ſetzt freilich
die Kälte und mühlame Friſtung des Lebens der Ausbildung des Men-
fhen enge Schranfen, dagegen ift auch die den Unterhalt überaus ers
leihternde Fülle der Natur 3. B. auf den Eandwichinfeln,
Where all partake the earth without dispute,
And bread itself is gather’d as a fruit,
Byro
der Entwidlung vieler menfhlihen Anlagen nicht vortheilhaft.
$. 89.
I. Die nugbaren unorganifchen Stoffe (vgl. $. 86), wie
die Erze, gediegenen Metalle, Salze, Steinfohlen, Baufteine
u. dgl. werden faft alle fehon gebildet in der Erdrinde anges
troffen, daher ift bier der fortbauernde Einfluß der Naturfräfte
viel fchwächer, als bei Pflanzen und Thieren (a), dagegen wird
aber zur Gewinnung folcher Körper aus der Erde häufig von
dem Beiftande natürlicher Kräfte Gebrauch gemacht.
II. Die meiften Raturgebilde, fie feien organiſch oder uns
organifch, bebürfen einer weiteren Veränderung durch die Kunft,
um für menſchliche Zwede völlig brauchbar zu werben, und bie
bei leiften wieder Naturfräfte Außerft wichtige Dienſte. Die
— 109 —
Thätigfeit des Menfchen ift oft nur darauf gerichtet, Stoffe in
folcye Berührung mit einander zu bringen, daß bie natürlichen
Kräfte eine beabfichtigte Wirfung in ihnen verurfachen Fönnen.
Bei einigen diefer Kräfte kann die menfchliche Kunft mit aller
Freiheit fchalten, während andere, 3. B. die der Bäche und
Flüffe, an beftimmte Dertlichfeiten gebunden find, $. 120.
(a) Gr zeigt fi) 3. B. in der natürlichen Entſtehung des Salpeters, Sals
mials, Schwefels, im Kryftallifiten des Kochſalzes aus Salzſeen ıc.
g. 90.
Bei diefer Umgeftaltung oder Werarbeitung ($. 89. IIL)
werben zwei Claſſen natürlicher Kräfte zu Hülfe genommen:
1) hemifche, zufolge welcher die Stoffe fich verbinden,
verändern und von einander trennen; als Beifpiele dienen die
auflöfende Kraft des Waflerd (a), dad Austrodnen durch den
Wind, die Fähigkeit der Wärme, Stoffe zu verflüchtigen (d), zu
fchmelzen (ec), zu härten (d), oder andere nügliche Wirkungen
hervorzubringen (e), die bleichende Wirkung des Sonnenlichts (f)
und des Chlor (g), die Zerfegung von Stoffen unter Mitwir⸗
fung der Atmofphäre (A), mancherlei chemifche Anziehungen und
Scheidungen (i) u. dgl.
2) mechaniſche, weldye eine Bewegung der Körper hervor
bringen und dadurch zu einer Umgeftaltung oder zu einer Vers
fegung der Stoffe an eine andere Stelle behülflih find (k).
Kräfte diefer Art liegen in der Musfelftärfe der Thiere, in dem
Winde, dem eingefchlofienen Wafjerdampfe (l), dem Stoße und
Drud des Waſſers (m), dem Luftdrude (n), der Schwere (0),
der Elafticität (p), der Dehnkraft der bei einer Berbrennung
entfichenden Gaſe (g), der Electricität (r) u. dgl. Solche Kräfte
werden nach und nad an die Stelle der menfchlichen gefept,
die fie öfters an Stärke weit übertreffen (8).
(a) Serben, — Färben, Druden, — Tuͤnchen, Malen, — Bierbrauen, —
Bereitung vieler Speijen und Heilmittel, — Gewinnung verfchiedener
Salze, 3. B. des Kochfalzee durch Sinkwerke und Bohrlöcer.
(4) Trodnen der Zeuche, des Zuders, Kochſalzes, Getreides sc. durch Ofen⸗
wärme, — Salzfſieden, — Defillation, — Austreiben des Duedfilbers
nah dem Amalgamiren, — Kalfbiennen, — Leuchtgas.
(e) Schmelzen und Gießen der Metalle, — Glas, Glaſur des Töpferge:
fhirre, — Berzinnen, — Talg: und Wachslichter.
(d) Brennen der Ziegel und Irdenwaaren.
— 112 —
Technol. Encykl. III, 669. — Severin, in Abhandl. d. k. techn.
Deput. f. Gew., I, 123. 326. Neuerlih hat man e8 in Gornwallie
durch forgfältigese Zufammenhalten der Wärme bes Keflele im 3. 1827
auf 67 Mill. 1832 auf 91, 1835 fogar auf 125 Mill. Pf. gebracht.
Athenaeum, Nov. 1839. ©. 822 (nah Thom. Lean).
8. 91.
Sowohl die chemifchen al8 die mechanifchen Raturfräfte
würden, ſich felbft überlafien, in den meiften Fällen feine Werth:
erhoͤhung bervorbringen, die mechanifchen faft nie (a). Erft
dann, wenn fie von den Menfchen verfammelt und auf einen
beſtimmten Zweck bingeleitet werden, erweifen fie ſich wirkſam
zur Vermehrung der Gütermenge. Ihre Mitwirkung liefert eine
große Mafie von Gebrauchswerth mit ziemlidy geringen Koften,
alfo mit einem anfehnlidyen Gewinn, der fid) wegen des nieb-
tigen Preiſes der Erzeugnifje nicht gerade im Verkehrswerthe
zeigt, aber gerade deßhalb einen deſto größeren volkswirthſchaft⸗
lichen Bortheil bildet. Ihre geſchickte Benugung ift eine ber
Daupturfachen des größeren Wohlftandes gebildeter Völfer, und
die fortichreitende Kenntniß der Ratur ſowohl als der Huͤlfs⸗
mittel zur vortheilhaften Hervorbringung von Bewegungen (Ma-
ſchinenlehre) hat aus dieſem Grunde einen hoͤchſt wichtigen
Einfluß auf das Einfommen jedes Volkes (b).
(a) Man könnte hoͤchſtens an das Abfchütteln der Baumfruͤchte durch den
Wind, das Fortipülen und Abfegen nüglicher Daterien durch Gewäfler
u. dgl. erinnern. — Treibholz, an die Küften von Island gefpült; —
ver Dichilum (Hydaspes) und mehrere americanifhe Ströme, mie ber
Miſſiſippi, führen ebenfalls mächtige Baumflämme mit fid.
(4) „Es ift die verbeflerte Dampfmalchine, welche die Schlachten von
Europa durchfocht und während Des legten furchtbaren Kampfes Die
politifche Größe unjeres Landes aufrecht hielt. E& if die naͤmliche
große Kraft, welche uns in den Stand fegt, unfere Staatefchuld zu
verzinfen und den ſchweren Wettkampf gegen die Geſchicklichkeit und
das Gapital aller anderen Länder zu befichen.” Stuart, History of
the Steam engine, 1824.
— 113 —
Dritter Abſchuitt.
Die Arbeit als Güterquelle.
I. Einleitung.
$. 92. 93.
Es fann faft fein Sachgut in den Gebrauch für menfchliche
Zwede gelangen, ohne daß fi an ihn in irgend einem Grade
Arbeit äußert, wäre ed auch nur dad Ergreifen und Sammeln
der fchon in ihrem rohen Zuftande anwendbaren Naturerzeugs
nifje (a), und ſehr viele Güter würden ohne Hülfe der Arbeit
gar nicht entflehen (6). Diefe gehört deßhalb offenbar unter
die mächtigften Bedingungen der Gütererzeugung, und da fie am
volftändigften unter der Herrfchaft des menſchlichen Willen
fteht, fo muß ſich jchon deßhalb die Wirthfchaftslchre am meiften
mit ihr befchäftigen. Die Mehrzahl der Menfchen ift genöthigt
durch Arbeit ihren Unterhalt zu erwerben und dieſer fort
währende Kraftgebraudy befördert zugleich die Ausbildung aller
körperlichen und geiftigen Anlagen ded Menſchen, 8. 20 — (c).
Wie die Größe des jährlichen Einkommens eined Volfed haupts
fächlih) von der hervorbringenden Arbeit beffelben abhängt, fo
ift audy der vorhandene Stamm von beweglichen Vermögen bie
aufgefparte Frucht früherer Arbeiten. Indeß darf ber Arbeiter
nicht allein als Träger einer gütererzeugenden Kraft betrachtet
werben, weil er zugleih Glied des Volkes ift und auf Theils
nahme an dem Genuſſe ded Erzeugten Anſpruch hat.
(a) Es giebt zwifchen der feichten Aneignung der Früchte wildwachlender
Pflanzen und der kuͤnſtlichen Berarbeitung von Stoffen fehr viele Ab-
flufungen für das Verhaͤltniß zwilchen der Arbeit und den Naturfräften.
Bei der von Schenf (Bebürfniß ıc. I, 74) geichilderten Gntflehung
nuplicer Naturproducte ohne Arbeit muß immer noch die größere oder
geringere Mühe des Gewinnens, 3. B. des‘ Holzfaͤllens, hinzukommen.
(4) Cicero, De officiis, 1I. cap. 3, 4. führt biefen Gedanken aus. Es
ift hieraus leicht zu erfiären, wie man, befonders dem phyRofratiichen.
Grundirrthume gegenüber, die Arbeit für die einzige Quelle der Güter
halten fonnte, x 85. (d). — Hiezu kommt, daß der Preis der Dinge,
infoferne er von den Koften beflimmt wird, fi vorzüglich nach der an:
gewendeten Arbeit richtet.
(e) Die Arbeit ift nicht nur nothwendig für unfer Ausfommen und eine
Pflicht gegen die Geſellſchaft, ſondern fie kann und foll auch unſre
Rau, polit. Dekon. I. 7. Ausg. 8
— 114 —
Freude, unſer Troſt fein, alle unſere beſſeren Kräfte üben und ſtärken.
Beichäftigung, die nie ermattet ꝛc. Schiller (Ideale). — Freilich
fann dies von gedanfenlofer Handarbeit weniger erwartet werden, ale
von folcher, die auch den Geiſt beträchtlich in Anfprucd, nimmt. Den
Zaigaans aber bezeichnet mit Recht ein alter Speuch als aller Laſter
nfang.
IL. Zweige der Arbeit.
8. 94. Ä
Beachtet man den Zweck, weldyen der Arbeiter bei feiner
fortdauernden Befchäftigung im Auge hat, fo iſt dieß entweder
bloß der Erwerb von Sachgütern, oder ein höheres, in ber
Idee eined gewiflen Berufes liegendes Ziel, bei welchem ber
Erwerb zwar ebenfalls beabfichtigt, aber nicht zur Hauptfache
gemacht werden darf. Befchäftigungen für den Zweck bed Er-
werbes heißen überhaupt Gewerbe. Unterfucht man dagegen
bie volkswirthſchaftlichen Wirkungen der Arbeiten, fo ergiebt
fi fogleih, daß nicht afle Arten derfelben beitragen, eine Ver⸗
mehrung der Gütermenge zu bewirken; manche Zweige berfelben,
wie nüglich fie auch in anderer Beziehung für die Geſellſchaft
fein mögen, find doch ohne allen Einfluß auf den Stand bed
Bolfövermögend und werden deßhalb nicht zu ben hervor;
bringenbden, volldwirthfchaftlid werbenden oder produc-
tiven Beichäftigungen gerechnet. Es läßt fich aber erft dann
beurtheilen, welche Arbeiten produetiv oder unptobuctiv find,
wenn man, bie verfchiedenen Zweige der Arbeit nach ihrer eigen-
thümlichen Wirkung abgetheilt und überblidt Bat.
6. 95.
Zunähft find zu unterfcheiden (a):
A) Wirtbfhaßklihe Arbeiten, weldhe auf bie Be-
friedigung der Behürfniffe durch fachliche Güter gerichtet find,
alfo die menfchlichen Zwede nur mittelbar befördern; hierzu dient:
1. Bermehrung ber Wertimenge ber im Vermögen ber
Menichen befindlichen Sachgüter,
I Beforgung ihres Uebergangs in andere Hänbe,
- II. Erhaltung derfelben und Erleichterung ihres Gebrauches.
B) Arbeiten, welche unmittelbar Bortheile für die Menfchen
(perfönlihe Guͤter, $. 46.) hervorbringen. Geſchieht dieß für
andere Berfonen, fo ind ſolche Berrichtungen perfönlidhe Dienfte
(8. 46 a.), die entweder aud freiem Antriebe, oder nady Webers
einfunft und gegen Bergütung geleiftet werden. Diefe Dienfte
find von einer überaus großen Mandhfaltigleit, deren Zer⸗
gliederung aber hier nicht erforderlich it. Man kann fie in Rüds
ficht auf ihre Beranlaflung in Privat- und Staatsbienfte, in Bezug
auf ihre Zwecke und die dazu nöthigen Fähigkeiten des Dienfts
leitenden in höhere und niedere einteilen; die letzteren gehören
zu ben Gewerben, $. 94.
(a) Rau, Weber die Kameralwiflenihaft, S. 54 ff.
$. 96.
A. 3. Diejenigen Beſchaͤftigungen, welche unmittelbar dazu
beftimmt find, eine werthoollere Gütermenge in menfchliche Gewalt
zu bringen, beflehen theild im Aufjuchen eines höheren Werthes
fhon vorhandener Dinge ($. 83. 84), theils in einer koͤrper⸗
lichen Einwirfung auf den Stoff Ber &üter, welche die Werth⸗
menge berfelben zu vermehren dient. Die Verrichtungen biefer
zweiten Art können deßhalb Stoffarbeiten genannt werben.
Sie beginnen mit einer Arbeit an der Erde und werden bei
jedem einzelnen Gute fo weit geführt, bis daſſelbe für feine
Befimmung volllommen tauglich) geworden if. Die Mehrzahl
ber Arbeiter in jedem Lande ift mit Stoffarbeiten befchäftigt (a)
und muß e8 fein, um die Gefelfchaft mit allen benöthigten
Sachen zu verforgen.
(a) In Preußen 1852 an 82 Proc. der männlichen Ginw. über 14 Jahre,
m Sachſen 1849 83/3 Proc., in Belgien 1846 gegen 77 Br.
g. 97.
Die dur die Stoffarbeiten zu bewirkenden Beränderungen
koͤnnen wieder von doppelter Art fein (a):
1) Trennung der Stoffe von ihrer natürlidyen Umgebung,
in der fie entftanden oder ſich doch vor dem Beginne der menſch⸗
lichen Thätigfeit befanden. Vermoͤge diefer Trennung don ihrem
Entftehungsorte auf der Erde werden bie Ericheinungen und
Beränderungen unterbrochen, denen ſonſt nach natürlichen Ge⸗
8°
— 116 —
jegen die Stoffe unterworfen gewefen wären (6), biefe gelangen
ganz in menſchliche Gewalt und ed wird nun eine weitere bes
liebige Einwirkung auf fie möglid. Für den Inbegriff der bie
ber gehörenden Befchäftigungen hat man die Ausprüde Erbbau
(9. Zufti), Urproduction (v. Soden), Bobdeninduftrie
(v. Jakob) gebraucht, fie Fönnen paflender Erdarbeit ober
Stoffgewinnung genannt werden. Sie begreifen unter ſich
a) die Gewinnung ber ohne menſchliches Zuthun entftans
denen natürlichen Erzeugnifle (c), und zwar
a) von Mineralien, deren Gewinnung dann, wenn jene
Körper mit befonderen Kunftmitteln von ihrer Lagerftätte
abgetrennt werden müflen, Bergbau heißt;
4) von organifchen Körpern, alfo von wilden Gewächfen
und Thieren oder Theilen berfelben ;
b) die Gewinnung von fünftlic gezogenen ‘Pflanzen und
Thieren oder einzelnen Theilen verfelben, alfo nad voraus
gegangener Einwirkung auf deren Erzeugung; Landbau oder
Pflanzenbau und Thierzudt, welche man mit dem Namen
Landwirthſchaft zufammenfaßt (d).
(a) FSuͤr eine fyitematifche Darftellung der Stoffarbeiten oder ber Technik
find mehrere Bintheilungen moͤglich. Die hier vorgetragene fchließt
fih an die gangbaren Begriffe von Landwirthfchaft und Gewerken an.
Bine andere Agliedrige Abtheilung giebt A. Kölle, Syſtem d. Technik.
Berl. 1822.
(5) Die Bäume z. 3. würden auf der Wurzel, die Früchte an den Zweigen
oder nach ihrem Abfalle verfaulen, die Thiere umkommen.
(c) Industries extractives nach Dunoyer, Journ. des Econ. III, (1842),
Decupation nah Anderen, 3. B. Roſcher, Syflem der Volkswirth⸗
ſchaft I, 56.
Die Landwirtbichaft Defonomie zu nennen, ift ein Mißverfländniß,
welches vielleicht durch die Ältere Bezeichnung oeconomia ruralis vers
anlaßt wurde, wobei man der Kürze wegen oft das Beiwort ruralis
wegließ. Agricultur oder Aderbau für Landwirthſchaft zu fagen
ift eine unrichtige Uebertragung aus den anderen Sprachen, die feinen
fo guten Ausdruck befigen.
(d
u
8. 98.
2) Umänderung der toben Stoffe, um aus ihnen durch Ver⸗
bindung, Trennung und Bormveränderung Güter von höherem
Gebrauchswerthe zu bereiten. Viele rohe, d. 5. noch in ihrer
natürlichen Befchaffenheit befindliche Materien find obne eine
foldye Umänderung gar nicht brauchbar und erhalten blos durch
die Möglichkeit derfelben einen Werth (a), andere erlangen
— 117 —-
wenigftend eine weit höhere Rüglichkeit aus biefer Zurichtung.
Die unter diefen Begriff fallenden Befchäftigungen können Ges
werfe, die ganze Gattung bderfelben kann Gewerksarbeit
genannt werden (5). Andere Benenmingen find technifche
Production (v. Soden), ManufactursInduftrie
(v. Jacob), Babrication (c). ES gehören hieher bie
Handwerfe, Babrifen und verfchiedene PVerrichtungen, welche
man im gemeinen eben zu feiner biefer Abtheilungen rechne,
3. B. Baufunft, Kochfunft.
(a) 83. 3. Erze, Stoffe zur Glasbereitung.
() Rau, Ueber die Ram. W. ©. 58. — Bei Darjes, Erfle Gründe
der Rameralwiflenichaften, Jena 1756, ©. 27 werden in den zur Stadt:
wirthſchaft gehörenden Gewerben die Gewerke den Fabriken und Manu:
facturen entgegengefegt; jene follen fi mit Ausfcheidungen befhäftigen,
z. DB. Bierbrauen, Zuderfieden sc. — Gewerk ift mit Handwerk ver:
wandt, weldes aber noch das Merkmal des. Betriebes im Kleinen, durch
Menſchenhand, enthält und daber nicht fo aut zur Bezeichnung der
ganzen Battung geeignet if. Das Bebürfniß eines bequemen Kunft:
ausdruds für Diefen Begriff ift unverfennbar.
(e) Der neuerlich öfters gebrauchte Name Induftrie hat eigentlich eine
viel ausgedehntere Bedeutung und bezeichnet feinen einzelnen Gewerbs⸗
zweig. Auh Gewerbe iſt feine paflende Benennung biefer Glafle,
sun Shne Zweifel find Landwirthſchaft, Bergbau, Hantel ıc. ebenfalls
ewerbe.
$. 99.
A. II. Die Arbeiten, weldye den UÜebergang der Güter an
andere Menſchen befördern, ohne eine ihren Werth erhöhende
Veränderung an ihnen vorzunehmen ($. 95.), oder die Ars
beiten der Güterübertragung, Verfehrsarbeiten (a)
zerfallen bei näherer Betrachtung ihrer Wirkungsart in zwei
Gruppen: |
1) Handelsgeſchäfte, welde die Beforgung des Taus
ſches fachlicher Güter zum Zwede haben. Alle wirthfchaftenden
Perſonen find häufig zum Taufche genöthiget, bald um die Mittel
zur Befriedigung ihrer Bedürfniffe von anderen zu erlangen,
bald um ihre überflüffigen Erzeugniffe abzufegen, aber biefer
Taufchverfehr wird nicht ſchon Handel genannt, fondern erft
dann, wenn er ald eine befondere Beichäftigung, d. i. als ein
eigened Gewerbe getrieben wird (5). Der Gewinn, ben bie
Handelnden beabfichtigen, ift der Ueberfchuß des bei dem Ber-
Faufe vor Gütern erhaltenen Gegenwerthed (des Erlöfe®)
über den Einfaufspreis und bie übrigen Koften des Taufch-
— 18 —
geſchaͤfts. Alle Arten von fachlichen Gütern, Grundſtücke, Ca⸗
pitale, Genußmittel, felbft Urkunden, welche Forderungen aus⸗
brüden, Fönnen Begenftände bed Handels fein. Manche bem
Zwed des Handels dienende Verrichtungen, 3. B. das Kortichaffen
zu Land und zu Waſſer, fcheiden ſich wieder als befondere Ges
werbe aus und bilden Hülfdgefchäfte des Handels.
(a) Arbeiten ber Bertheilung nah Riedel, Rationaldf. I, $. 202.
(d Mur hard nennt jenen allgemeinen Tauſchverkehr Sanbel im weites
en Sinne; Theorie und Politik des Handels, I, $. 4. — Dunoyer
findet das Wefen des Handels in der Berfegung ber Dinge in andere
Räume und zieht den Namen industrie voituriere vor, a. a. D.,
wie aug Scialoja den Ausdrnd industria translocatrice gebraudt,
rint, 3.
8. 100.
2) Beforgung einer folchen Webertragung ber Güter, bei
welcher biefelben nicht, wie beim Taufche, gegen baldige Erftat-
tung des Gegenwerthes erworben werden, fondern vielmehr der
Eine die Vermögenstheile eined Andern eine Zeit lang benugt
und für ben geftatteten Gebrauch eine Vergütung entrichtet;
Leib» und Miethgefhäfte Diefe erfordern mehr ober
weniger Arbeit, je nachdem die Güter in Fleineren oder größeren
Maflen und auf fürzere oder längere Zeit übertragen werben;
biöweilen ift der Bezug von Einkünften eines auögelichenen
ober vermietheten Vermögens faft ohne alle Arbeit möglih. Zu
jenen Gewerben find zu zählen:
a) dad Darleihen, Ausleihen von Gütern, die man
bald aufzehrt oder wieder ausgiebt, gegen Zins und gewöhnlich
gegen die Verpflichtung, eine gleidy große Menge von Gütern
gleicher Art zurüd zu geben;
b) dad Bermiethen und Berpachten von Begenfländen,
die eine lange Dauer haben (a), gegen einen Mieths ober
Pachtzins.
(a) Zimmergeraͤthe, Betten, Kleider, Schmuckſachen, Bücher, Muſikalien,
muſikaliſche Inſtrumente, Pferde, Waffen ıc.
$. 101.
A. UI. Eine andere Art von Berrichtungen ift bazu bes
flimmt, den Gebrauch gewifler Güter für deren Beſitzer zu er»
leichtern und ihre dabei vorgehende Berfchlechterung zu verhindern
—— 119 —
oder ſogleich wieder aufzuheben. Es liegt in der Ratur mancher
Gegenftände, daß fie ohne eine foldye Hülfsthätigfeit nicht fort
während benugt werben Eönnen (a), die zwar dem Eigenthümer
Mühe und Zeit erfpart, aber nicht in das Gebiet der perſoͤn⸗
lichen Dienfte gehört, weil der aus ihr entipringende Vortheil
immer durch fachliche Güter vermittelt wird.
(a) 3. B. Reinigen der Bohnungen, Geraͤthe, Kleidungeftüde, Yütterun
und Wartung von Thieren, Ausbefierung Eleiner Beſchaͤdigungen, auf
ziehen von Uhren sc. Solche Arbeiten find großentheild dem @efinde
übertragen. &8 mifchen ſich in diefelben auch Gewerksverrichtungen,
die aber jedesmal nur eine unbedeutende Werthserhoͤhung enthalten und
blos wegen ihrer vielfachen Wiederholung einige Erheblichkeit erlangen.
§. 102.
Welche von dieſen verſchiedenen Arten der Arbeit ($.95— 100.)
volfswirthichaftlich hervorbringend (productiv) und welche das
gegen unproductiv feien, dieß ift eine Brage, in beren Beants
wortung die Meinungen von einander abweichen (a). Die Phy⸗
fiofraten hielten nur die Erdarbeit für hervorbringend, Smith
erklärte dagegen, ed komme auch der Gewerfdarbeit und dem
Handel diefe Eigenfchaft zu, und zwar dem legteren darum,
weil die Verſendungs⸗ und die anderen Handelskoſten ben Taufch-
werth der Waaren vergrößern (b). Daß nicht bloß die Stoff
gewinnung, fondern audy die Gewerksarbeit probuctiv fei, folgt
unwibderfprechlich aus der Unterfcheidung des Stoffes der fady
lihen Güter von ihrem Werthe (c); bie bervorbringende Eigen-
fchaft des Handels ift aber bisher noch ftreitig geblieben.
(a) Geſchichte diefer Lehre bei Roſcher, Syſtem d. V.⸗W. I, 92.
(5) Unterfuhungen II, 141. — Diefer Grund beweiſt nit, was er be
weiſen foll, denn er bezieht fi nur auf die feinem Zweifel untermworfene
Erhöhung des Koftenfages und Preifes ber Güter, nicht aber auf den
Gebrauchswerth bderfelben, und nur in ber Vermehrung des lepteren
liegt das Kennzeichen der Production.
(d Nah den Preifen der Kunſtwaaren und der rohen Stoffe werden letztere
duch die Verarbeitung vervielfältigt bei Seiden:, Baumwollens und
Mollenzeuhen 2—3fach, bei groben Bifengußgwaaren 2—Afadh, bei Hufs
eifen 21/amal, Holzlägen 14, Meflerflingen 35, Stahlnadeln 17—70,-
Federmeſſerklingen 657, Stahlichnallen 886, flählernen Säbelgriffen 972,
Uhrfedern 500,000fah. Babbage, Ueber Mafchinens und Fabrikweſen,
S. 160. — Volz, Sewerbsfalender für 1833, ©. 111.
$. 103.
Die beiden Außeren Bedingungen des Gebrauches gewiſſer
Güter find, daß man über biefelben eine Verfügungsgewalt
1
— 120 —
babe und fie in der Nähe befite. Beides gewährt ter Handel,
inden er Taufche zu Stande bringt, hiezu nöthigenfalls bie
Güter an einen anderen Ort verfeßt (a) und hiedurch ben-
jenigen Perſonen nügt, die etwas abſetzen oder erwerben wols
len (5). MWeberflüflige Vorräthe, die für den Befiger keinen
concreten Werth haben, oder Dinge, denen er überhaupt einen
geringeren Werth beilegt, werden in die Hände Anderer über:
geführt, die in ihnen einen höheren Gattungs⸗ oder doch einen
größeren concreten Werth finden (c). Das Beftreben ded Hans
deinden geht dahin, jeden Ueberfluß und jedes Bebürfniß zu
erfpähen und beide mit einander auszugleichen. Der aus dein
Taufche entftehende Werthüberfchuß ($. 99.) vergütet nicht allein
bie Handelskoſten und giebt einen Handeldgewinn, fondern ver:
Schafft audy den Zehrern und Erzeugern noch einen Taufchges
winn, deſſen Urſache in einer, den individuellen Wirthſchaſts⸗
umftänden und der concreten Werthfchägung beffer entſprechenden
Bertheilung der Sachgüter liegt (d). Diefe werden aber in
ihrer Befchaffenheit nicht verändert und erhalten im Allgemeinen
feinen höheren Gebrauchswerth. Ueberblidt man das Volks—⸗
vermögen ald Ganzes, der Gefammtheit der Bebürfniffe gegen»
über, fo kann man dem inländifchen Handel für fidy allein be-
trachtet Feine hervorbringende Eigenfchaft zufchreiben, weil man
bei jener Schäbung des jededmaligen Volksvermoͤgens ſchon
bie etwa noch bevorftehende Vertheilung vorausfegt, wie man
auch dad Einfommen eined Einzelnen unter der Annahme be-
urtheilt, daß daſſelbe durch den Umtaufch in diejenigen Güter
umgefegt werde, welche zur Befriedigung der Bebürfniffe ers
forberlich find (e). Der Handel mit dem Auslande vermehrt
das Volfövermögen durch den volfswirthfchaftliden Tauſchge—⸗
winn (f), bdiefer Erfolg darf aber ebenfall8 Feiner Production
zugefchrieben werben, fondern gehört zu den Einnahmen aus
fremdem PBermögen ($. 69. 1), wobei allerdingd wegen ber
Berfchiedenheit der Werthfchäkung in der Regel bie beiden
taufchenden Voͤlker zugleich gewinnen.
(a) Say gründet die Productivität des Handels nicht auf den Tauſch,
fondern auf den Transport der Güter, der ihren Werth erhöhbe, da die
räumlihe Stelle, an der fie fidy befinden, eine ihrer „Modiflcationen“,
ihrer Art zu fein, ausmace. Handb. IL, 151, ähnlih Droz, Econ.
pol. ©. 30. — Es fann jedoch auch ohne Verfendung durch Austauſch
(8)
(ed)
(d)
(e)
— 121 -—
an Ort und Stelle ein nüpliher Handel fattfinden. Die Lage
(situation) einer Sache iſt von ihrer nügfihen Befhaffenheit, die
den Gattungswertb bedingt, welentlich verfchieden, fle bezieht fih nur
auf die Benutzung durch gewiſſe Berfonen und verliert ihr Bortheil:
baftes, wenn die Befigverhältniffe derfelben fi) ändern; zudem wird
der Transport unnoͤthig, wenn der Gonfument fi zu der Waare be:
giebt. Man kann daher die Wirfungen des Handels denen der Gewerke
nicht gleich feßen.
Die Unterfuchungen über die Productivität des Handels find nur info:
ferne von wiflenichaftlichem Sntereffe, als fie zur Anwendung der volle:
wirthichaftlichen Stammbegriffe Gelegenheit geben ; fonft wird man ebens
fowohl die weientliche Berichiedenheit des Handels von den Stoffarbei:
ten, als die große Nüslichfeit deffeiben in der Bolfswirthfchaft immer
anerfennen müflen, wie man auch in jener Hinflcht urtbeilen möge,
und die Entfcheidung hierüber ift davon abhängig, wie man bie Be:
griffe von Werth und Production faßt.
Beccaria erklärt daher den Handel als den Umtaufch des nicht oder
doch weniger Nüglichen gegen das Nuͤtzlichere.
Diele Bereicherung des Binzelnen durch eine beflere Bertheilung zeigt
fih in mandherlei Fällen fehr deutlich, 3. B. bei der Zufammenlegung
der Ländereien, — bei einer Bertheilung von Dienflfleidvern unter bie
Soldaten eines Regiments nach Größe und Wuchs eines Jeden u. dal.
Mehrere, auch nicht phyflofratiihe Schriftfteller fprechen dem Handel
die hervorbringende Wirkung ab, 3. B. Los, Handbuch I, 180, ber
ihn zu den perfönlichen Dienflleiftungen zählt. Verri verweifet die
Kaufleute als Bermittler in eine dritte, zwiſchen den Producens
ten und Eonfumenten flehende Glaffe, Meditazioni $. XXIV. —
Viele Andere nehmen die Broductivität des Handels in Schuß, 3.3. neben
Say und Droz (f. oben Note (c)), Malthus, Principles, ©. 442.
(wegen der Sewinnfle der Taufchenden), M’Eullodh, Grundfäge
. 119. (wegen ber im Transporte und ker Dertbeitung in Eleinere
Duantitäten liegenden Bermehrung der Brauchbarkeit), Schön, Neue
Unterf. ©. 59, f. auch Geier, Charafterifif des Handels, ©. 38. ff.
und die daſelbſt angeführten Stellen. — Riedel erklärt den Handel
für bhervorbringend, weil ein But mehr werth fei, wenn es durch Ueber:
tragung an einen andern Drt, in einen andern Zeitraum, oder in das
Recht einer andern Berfon „ein wirkſameres Befriedigungsmittel für die
im Bolfsbedarfe begriffenen Bebürfniffe geworden if“, Nationalöf. I,
$ 205. In $. 215 wird vom Derf. zugegeben, daß der beiberfeitige
aufhgewinn fi nur in dem Werthe für beide taufchende Perſonen
äußert. Nah v. Prittwitz (Volksw. 6. 205) ift der Handel pro⸗
ductiv, weil er nüßlih if, nah Scialoja (Prince. 42) und Kudler
(Bolfsw. II, 173) wegen der von ihm bewirkten Wertherhöhung, wobei
der letztere Schriftfieller die durch den H. bewirkte Bedingung des
Gütergebrachs mit dem Worte Zugänglichkeit bezeihnet, — nad
Roſcher, (Syftem I, 94) in Folge der weiteren Faſſung des Begriffe
Production. — Man hat öfters den Handel darum mit den Stoff:
arbeiten verglichen, weil Diefe ebenfalls bisweilen nur eine Raumberiehung
bewirten. So bemerfte M’Eullod (Grundf.): „die Arbeit des Berg⸗
manns verfchafft der Materie Brauchbarfeit dadurch, daß er fie aus den
Gingeweiden der Erde auf ihre Oberfläche bringt; aber die Arbeit des
Kaufmanns oder Fuhrmanns, der dieſe Kohlen von da, wo fle ge
graben wurden, in die Stadt oder an den Plag bringt, wo fie ver-
braucht werden, giebt ihnen einen weiteren und vielleicht weit beträcht:
liheren Werth.“ Achnlid Hermann, Unterſuch. ©. 22. Hierbei
— 122 —
iſt aber zu bemerken: 1) Der Bergmann trennt die Steinkohlen von
der Erde und bringt fie in menfchlihe Gewalt; 2) feine Wirkung iſt
dauernd und von allgemeinem Ruben, der Fuhrmann bringt fie nur
gewiſſen Menſchen zu. — Neuerlich bat ſich Mac⸗Culloch anders
geäußert: „Düne ich felbft mit irgend einer Art von Production zu
efaflen, leiften die Kaufleute den Producenten ben größten Dienfl.“
Meber H. u. Handelsfreiheit, deutich von Gambihler, Rürmb. 1834.
S. 2. Statistical account of the British Empire II, 140: The in-
fluence of commerce upon national wealth is only indireet Hiermit
flimmt Gifelen überein, Volksw. $. 53, und Mill I, 47, ter bie
SHandelsleute und ihre Gehülfen als die vertheilende Claſſe aufführt.
(f) Ueber die Wirkungen bes H. im Allgem. f. Art. Handel in der Allgem.
fl. der Wiffenfh. von Erſch und Gruber (von Rau), und
8. Murbard, Theorie und Politik des Handels I, 73.
$. 104.
Anders ftellt fich jedoch die Sache dar, wenn man ben
Handel in feinem Berhältniß zu den Stoffarbeiten betrachtet.
Der Kortgang derfelben iſt von dem Abfage der Erzeugniffe
bedingt, der Abfap beruht auf dem Zaufche und nimmt zu,
wenn bie Taufchgeichäfte fi) vermehren. Diefe find demnach
eben fowohl zur Erzeugung ald zur Berzehrung der Güter
förderlih (a) und bewirken den Zufammenhang beider. ine
befondere Claſſe der Handelnden kann bie Taufchgefchäfte mit
weit größerem Erfolge, fo wie mit geringeren Koften beforgen,
ald wenn die Erzeuger und Berzehrer von Gütern fie ganz
übernehmen müßten. Viele PBroductiondzweige werden erſt dann
hervorgerufen, wenn der Handel den Erzeugern die Ausficht auf
vortheilhaften Berfauf darbietet und fie mit neuen Genüffen
befannt macht. Ferner wird den Stoffarbeiten ihr auf bie
Production gewenbeted Capital früher erftattet, wenn der Han⸗
delnde ihnen ihre Erzeugniffe abnimmt und bezahlt, folglich
fönnen jene ſchon darum in gleicher Zeit mehr produciren, ale
wenn fie den Verkauf an bie Berzehrer felbft abwarten müßten
und ihre Auslagen fpäter vergütet erhielten.
(a) Diele wird befördert, indem bie wohlfeilfte Befriedigung der Bedürfnifie
möglich gemacht wird.
$. 105.
Der Handel erfcheint daher al8 ein unentbehrliches, die Aus⸗
behnung und Bortdauer der Stoffarbeiten bebingendes Huͤlfs⸗
geichäft derſelben; er ſteht mit ihnen in der genaueften Verbindung
und ift vermöge berfelben mittelbar hervorbringend.
— 123 —
Hieraus folgt: 1) Nicht jeder Handelszweig kann als hervor⸗
bringend anerkannt werden, ſondern nur ein ſolcher, der neuen
Erzeugniſſen der Erd» und Gewerksarbeit Abſatz verſchafft und
dadurch die Hervorbringung neuer Güter erleichtert. Es muß
demnach der Handel mit älteren, bereits im Gebrauche ges
weienen Sachen (a), 3. B. Gemälden, Büchern, Geräthen, —
ferner mit Wechfeln, Schulbbriefen, mit Grundftüden und dergl.,
von dem Kreife ber productiven Beichäftigungen ausgeſchloſſen
werden. 2) Die Nüslichkeit ded Handels für die Bolfswirth-
(haft ift viel weniger aud den Gewinnften, die er den Kauf⸗
leuten abwirft, ald aus feinem Einfluffe auf die Production
und Confumtion zu beurtheilen. 3) Die Koften ber producs
tiven Handelszweige find zu den Erzeugungsfoften der Güter zu
zählen, weil biefe ohne jenen Aufwand nicht fortwährend in
ber Ausdehnung, die der Handel möglich macht, entftehen
fönnten. Die Hanbeldfoften werben von ben Käufern ber
Waaren in dem Preife mit erftattet, und es leidet feinen Zwei⸗
fel, daß der Werth derjenigen Güter, welche fortbauernd erzeugt
und verkauft werden, mwenigftend fo groß fei, als biefer Preis.
4) Unterbrechungen in den productiven Zweigen ded Handels
müffen bald eine nadytheilige Lähmung der Stoffarbeiten nach
ſich ziehen.
(a) Es müßte denn ber Einkauf folder DegenRände für die Stoffarbeiten
nügli fein, 3. 3. beim Lumpenhandel, — oder die Leichtigkeit des
Miederverkaufens die Anfchaffung neuer Erzeugniſſe befördern.
$. 106.
Die abgefonderte Beichäftigung mit dem Ausleihen und
Bermiethen von Gütern ($. 100.) bat zur Hervorbringung
felten eine nähere Beziehung. Wie nüglic) es auch iſt, daß bie
Befiger von Grundftüden und Capital, wenn fie diefelben nicht
felbft zur Erzeugung neuer Güter. anwenden wollen, fie den
Unternehmern productiver Arbeit überlafien, fo geichieht dieß
boch gewöhnlich in größeren Maflen und auf längere Zeiten,
fo daß diefer Uebergang der Güter in andere Hände mit fehr
geringer Mühe bewirkt werden kann. In ſolchen Yällen, wo
beträchtliche Zeit und Bemuͤhung auf diefed Ausleihen verwendet
wird, pflegt e8 bei Guͤtern oder Geldfummen zu geichehen, dig
— 124 —
unmittelbar zum Genuſſe beſtimmt find, es befördert daher dann
nur bie Verzehrung.
: Die Gebrauchs- und Erhaltungsdgefhäfte ($. 101.)
haben ebenfalld feinen unmittelbaren Zufammenhang mit ber
Production und nüsen zunädft durch Beförderung des Güter:
genuffes und Verminderung ded Verbrauches, die jedoch auf das
Volkövermögen gleiche Wirkung äußert, wie die Hervorbringung.
Auch Finnen Verfonen, welde ſich ſolchen Verrichtungen wid»
men, mittelbar der Production nügen, indem fie ben Erzeugern
mancherlei Arbeiten abnehmen, bie biefelben fonft von hervors
bringenden Thätigfeiten abgezogen haben würden.
$. 107.
Die perfönlihen Dienfte ($. 95. B) erzeugen zwar
nicht ſelbſt Sachguͤter (a), aber dennoch ift ihnen mit Unrecht
aller urfachlihe Zufammenhang mit der Hervorbringung abges
fprochen worden. Eine Dienge von Arbeiten, weldye darauf
gerichtet find, die Sicherheit, die Gefundheit, die Einſicht (2),
Geſchicklichkeit, felbft die fittlihe Bildung der Menfchen zu bes
fördern, ed mag dieß auf Beranftaltung des Staated oder eins
zelner Mitglieder der Geſellſchaft gefchehen, hat auf den Erfolg
ſaͤmmtlicher wirthfchaftlicher Gefchäfte, indbefondere auf die Pros
duction mächtigen Einfluß. Dieß ift eine nüglicye Nebenwirkung
ſolcher Beichäftigungen, die fehon wegen ihres naͤchſten Zweckes
von dem höchften Werthe für die Gefellfchaft find.
(a) Es ift daher keineswegs widerfinnig, den Erzieher der Jugend in eine
andere Claſſe von Arbeitern zu rechnen, als den Biehzüchter.
(6) Borurtheile, Aberglauben und Unmwiffenheit verhindern die Benügung
vieler Runftmittel, die zur Hervorbringung neuer ®üter oder zur Er⸗
haltung des Bermögens mitwirken, Bligableiter, Thierärzte ıc. — Die
von Davy erfundene Sicerheitslampe erhält nicht allein das Leben
vieler Bergleute, fondern bat auch bie vollfländigere Benutzung der
Steinkohlenlager geftattet, Porter, Progress of the nation, S. 274.
$. 108.
Die hervorbringende Wirkung der Dienfle kann nicht genau
im Einzelnen dargethan werben, es läßt fich weder angeben,
welche Gütermenge ihnen die Entftehung verdanft, noch auch
nur beflimmen, bei welchen Gefchäften und in welchen Källen
diefe Wirfung aufhört. Der Grund hievon liegt in dem Um⸗
— 128s —
ſtande, daß zwar die Dienſte, indem fie zunäͤchſt eine gewiſſe
Wirfung auf die Perfonen äußern, ber Gütererzeugung eine
Beförderung oder Erleichterung darbieten, daß es aber immer
noh von den Neigungen und Entfchließungen der Menſchen
und mancherlei äußeren Umftänden abhängt, .weldyer Erfolg
hievon in ber ‘Production fihtbar wird (a). Bei manchen nüp-
lichen oder angenehmen Dienften läßt ſich feine productive Wirs
fung entdeden (6). Wenn ed aber audy zweifelhaft bleibt, in
welchem Grade der zunächft aus dem reinen Einkommen des
Volkes beftrittene Unterhalt der perfönlichen Dienfte ſich wieder
productiv erweifet, fo ift diefe Ungewißheit wenigften® bei allen
denjenigen Dienften unnachtheilig, welche wichtigeren perfön-
lichen Gütern gewidmet find, und zur Ausbildung bed menſch⸗
lihen Weſens beitragen (c).
(a) Der Arzt erhält 3. B. das Leben eines geſchickten Gewerbsmannes, aber
diefer kann träge werden oder außer Thatigfeit kommen ꝛc.
(6) 8. 3. bei vielen bloß auf Zeitvertreib abzielenden Beſchaͤftigungen,
Gauklern ıc.
(c) Bol. Sismondi, Nouveaux prince. d’&con. pol. I, 141. — Storch
(Ueber die Natur des Nationaleink. S. 27—87.) erflärt jede Arbeit
für productiv, die freiwillig geſucht und fo bezahlt wird, daß fle fort:
eſetzt werden fann, — woferne fie dem Ganzen nicht nachiheilig if.
Gbenfo Hermann, Untef. ©. 37, Roſcher, Syflem d. V. W.
I, 99. — NAusführli hat Gioja, Nuovo prospetto I, 246 ff., bie
productive Wirkung der Dienfte nachgewiefen. — Bücher, Gemälde ıc.
find Sachguͤter, daher iR die Tätigkeit des Schriftſtellers, Malers,
Buchdruckers ıc. unmittelbar hervorbringend.
$. 109.
Zufolge der bisherigen Erörterungen if die den Begriffen
nad) vollfommen begründete Unterfcheidung der probuctiven und
unprobductiven Arbeiten fchwer fo durchzuführen, daß eine bes
fimmte Gränzlinie beider Gattungen durch die Gefammtheit
menfchlicher Beichäftigungen gezogen würde. Rur die Stoffs
arbeiten finb allgemein und unmittelbar productiv; an biefe
fchließen ſfich als unverfennbar mittelbar productiv die meiften
Handeldzweige, dann aber, im Gebiete ber perfönlichen Dienfte;
find mit undeutlichem Uebergange die mittelbar und vie nicht
hervorbringenden Thätigfeiten vermifcht (a).
(a) v. Jacob, Nationalöf. $. 126.
— 126 —
II. Bedingungen einer großen bervorbringenden
Wirkung der Arbeit.
$. 110.
Die Arbeit ift ein freier Gebrauch der Kräfte, fie fleht folg⸗
lich unter dem Einfluffe des Denfensd, Empfindens und Wollens
der Menſchen, und es koͤnnen ſowohl in den Triebfedern, welche
zum Arbeiten beflimmen, ald in der Art und Weife, wie die
Arbeit eingerichtet if, und in dem Erfolge derſelben große Ber
fchiebenheiten fattfinden. Dieß gilt auch namentlidy von ber
hersorbringenden Arbeit, deren Wirkungen in einem Volke bald
größer, bald geringer find, 1) zufolge folcher Urfachen, die in
der Arbeit felbft liegen ($. 111 ff.) und zwar theils in ihrer
Menge, theild in ihrer Befchaffenheit, 2) zufolge äußerer Um⸗
flände, wohin ber Beiftand anderer Güterquellen, insbeſondere
des Capitals, und der Abfag zu rechnen find (a).
(a) Bol. Fulda, Grundſaͤtze der Kameralwifienfchaften. S. 110 ff.
8. 111.
Bei gleicher Volksmenge (a) kann die Zahl der pro>
dbuctiven Arbeiter ungleich fein und hieraus eine Ber
ſchiedenheit des Gütererzeugniffes entfpringen. _ Unter übrigens
gleicdyen Umftänden, insbeſondere bei gleicher Kunft in den Stoff-
arbeiten, wird um fo weniger hervorgebracht, je mehr Menfchen
gar nicht arbeiten aber nur mis ſolchen Dienſten befchäftigt find,
welche die Erzeugung der Sachgüter nicht befördern. Dieß hängt
von dem Verhaͤltniß zwifchen den verjchiedenen Ständen ber
Geſellſchaft und von der Bertheilung des Grundeigenthums .ab.
Iſt dieſes in großen Maflen im Befige Weniger, jo kann leicht
ber Ertrag ‚bed Bodens zum Unterhalt vieler müßigen ober
nicht productiv beichäftigten Menfchen verwendet werden, wos
durch das gefammte Erzeugniß und ber Gütergenuß ber Gefell-
fchaft nothwendig gering. bleibt (6). Wenn indefien bie Kunft
im Betriebe der Stoffarbeiten zunimmt, fo wirb es moͤglich,
dag ohne Schmälerung des Volkseinkommens eine beträchtliche
Anzahl von Menfchen fih nüplichen perfönlichen Dienſten wib-
met, woburdh nicht allein bie perfönlichen Güter eifrig gepflegt
— 127 —
werben, fondern aud eine günftige Ruͤckwirkung auf die Er⸗
zeugung der Sachgüͤter erfolgt, $. 107. 108. — (0).
(a) Auf ı Million kommen gegen 667000 arbeitsfähige Menfchen, bie,
wenn man junge Leute von 12—17 Jahren und alte von 54-60 Jahren
nur als Halbe Arbeiter rechnet, 600000 volle Arbeitskräfte ausmachen.
Dupin, Foroes prod., I, 19.
(6) Große Zahl von Hausgenoffen der reihen Grundherren im BWittelalter
md noch et in Rußland. — Biele unbeichäftigte, zur Seelſorge keines⸗
wege erforderliche Geiſtliche im ſuͤdlichen Guropa.
(e) Je wohlhabender Bei gleicher Bildung eine Gegend, deflo mehr Herzte,
Lehrer, Künftler ıc. wird fie unter gleicher Einwohnerzahl Haben. In
Preußen kam 1849 ein Arzt auf 2787 Ginw. (1822 ei auf 2928),
aber in der Provinz Brandenburg Ihon auf 1827 (Einfluß der Haupts
fladt), in Sadhfen auf 2155, Mheinland 2583, Wehlfalen 2630,
Schiefien 3010, Bommern 3471, Breußen 4848, Poſen ef auf
5200 Ginw. Amtl. Tab. II, 614. 1851. 1842 lebte ein Arzt auf
1650 Menfchen in der Lombardei, auf 2650 in Deſterr. u. Euns, auf
730 in Böhmen, 9440 in Deflerr. o. Enns, 11170 in Steiermark,
30490 in Galizien.
8. 112.
Bon vorzüglich maͤchtigem Einfluß auf die Größe des Arbeits,
erzeugniffes ift der Hleiß des Arbeiter. Derfelde hängt, außer
der Verfchiedenheit ded Charafters, des Temperamented, der Ges
wohnheiten ıc. fowohl bei Einzelnen als bei ganzen Völfen (a),
größtentheild von den Beweggründen ab, die auf den Arbeiter
wirfen, und ift deßhalb um fo größer: 1) je mehr derſelbe Aus»
fiht hat, vermittelft der Arbeit feinen Zuftand zu verbeffern,
indbefondere fein Einfommen zu: vergrößern. Dephalb findet
man a) ben größten Yleiß bei denen, deren Eimfommen genau
von ihrer Reifung abhängt, wie bei den Arbeitern auf eigene
Rechnung und auf Stüdlohn oder Verding (5); b): etwas ges
tingeren bei ſolchen Arbeitern, bie nad) ber Zeit, z. B. tage
ober wochenweife bezahlt werden; 0) noch fehwächeren bei ben
Srohnarbeitern (c), vollends bei. unfreien Menfchen, weil beide
leptere von einer: größeren Anfrengung feinen Vortheil zu ers
warten haben (d); 2) je mehr der Arbeiter Berürfnifie hat, bie
ihn zur. IThätigkeit anfpornen. Der Sütergenuß, welchen ber
Arbeitslohn hoffen läßt, muß den Hang zum Müßiggehen über
winden. Diefer if bei rohen Bölfern oder rohen Menſchen, Die
mit wenigen Genüſſen befannt find, oft fo maͤchtig, daß er ben
tm ‚Lohne liegenden Reiz zur Arbeitſamkeit beſiegt, ſobald mr
— 123 —
bie dringendſten Beduͤrfniſſe befriedigt find. Bei fortſchreitender
gefelliger Bildung fällt dieß Hinderniß der Production hinweg (e).
(a) Die germanifchen Bölfer zeichnen fi durch ausdauernden Fleiß aus,
auch die Slaven find fleißiger als die romanifchen-Böller und bie
Gelten. Maͤßigkeit, verkändige Ueberlegung, Sinn für häusliche Ord⸗
nung und andere Gigenfchaften find daher auch in Bezug auf die Güter:
erzeugung wichtig.
(5) Diele Art, den Arbeiter zu lohnen, wird in der neueflen Zeit immer
Fred und man zählt die @inführung des Stüdlohne unter die Urs
achen des blühenden Yabrifweiens in Großbritanien, Mac-Culloch,
Stat. acc. LI, 43.
(c) Nach bekannten landwirthſchaftlichen Erfahrungen find 4 Frohnarbeiter
3 bezahlten gleichzufegen. Vgl. v. Flotow, Anleit. 3. Fertigung ber
Grtragsanfchläge 1, 80.
(d) &6 verfieht fih, daß bei Sklaven die Art, fie zu behandeln, einen
roßen Unterjchied macht, und daß fie bie zu dem Gıfer guter freier
Dienfboten gebracht werden können. Schon Columella, De re
rustioa I, 8, giebt Ratbichläge diefer Art. Jam illud saepe facio, ut
quasi cum peritioribus de aliquibus operibus novis deliberem ... .
Tum etiam libentius eos id opus aggredi video, de quo secum delibe-
ratum et consilio ipsorum susceptum putant. — @rläuternde Angaben
hiezu bei Rofcher, Syitem d. 3. W. I, 110.
(e) Trägheit der Türken, der Bewohner heißer Länder im Allgemeinen. —
In —* kam (nach van den Bosch, Nederlandsche Bezittingen in
Azie etc. Haag, 1818) der Kaffeebau in Verfall, weil vie Eng⸗
länder 1811 nady der Croberung ben Stang, eine beftimmte Duantität
Kaffee für geringen Preis zu liefern, aufhoben und weil die @ingebor-
nen nur für ihre dringendſten Bedürfniffe zu arbeiten geneigt find.
Daſſelbe zeigt fich neuerlich auf den britifhen SInfeln in Wefindien. —
Bol. Crumpe, Preisfchrift über die beften Mittel, dem Volke Arbeit
und Berbienft zu geben, überfebt v. Widmann, ©. 12. 24. (Reipz.
1796.)
$. 113.
In Bezug auf die Faͤhigkeit des Arbeiters, mit gutem Er⸗
folge zu wirken, fann man mehrere Abftufungen unterfcheiben:
1) Fertigkeit ift die Faͤhigkeit, gewifle Verrichtungen fchnell
und. zugleich. doch gut zu vollziehen, Sie wird durch Hebung
erworben, jedoch durch Naturanlage mehr. oder weniger begün-
ftigt, auch beruht fie nicht ganz allein auf förperlicher Gewoͤh⸗
nung, denn auch die einfachfte Berrichtung erfordert einige Mit
wirkung ded Verſtandes.
2) Die Geſchicklichkeit ift überhaupt das Vermögen, in
einem Arbeitözweige die größte Wirkung bervorzubringen,, die
fih bald in der Güte, bald in der Menge ber Erzeugnifie,
bald in der Erfparung an Zeit und Koften und dergl. Außert.
Die Bertigfeit ift ein Beſtandtheil der Geſchicklichkeit, die aber
— 19 —
mehr in ſich begreift und fehr von geiftigen Bedingungen, na⸗
mentlich SKenntniffen, Erfahrungen, Nachdenken und Scharfſinn
abhängt, auch, wenn fie einen hohen Grad erreichen fol, ans
geborene Anlagen vorausfegt. Der Befig gejchidter Arbeiter
in allen Gewerbszweigen ift eine der wichtigften Urfachen des
Wohlſtandes. Die Gefchidlichkeit pflanzt fich leicht durch
Unterweifung und Nacheiferung der jüngeren Arbeiter fort,
dagegen gehört mehr Anftrengung dazu, fie beim Mangel
von Vorbildern zu erringen; doch zeigen viele Beifpiele, daß
biefe Schwierigkeit die Hortfchritte der Gewerbskunſt nidyt aufs
zuhalten vermag, wenn es ben Arbeitern an Eifer und Gelegen⸗
heit nicht gebridyt (a).
3) Gefchidlichkeit und Fleiß in Verbindung miteinander
bilden den Kunftfleiß oder die Induſtrie G), eine Fähig«
feit, die, wenn es an Capital nicht fehlt, nothwendig große
Wirfungen hervorbringen muß.
4) Verſchieden hiervon ift die Betriebfamfeit, welche in
ber Fähigkeit befteht, Ermwerbögefchäfte mit dem größten Gewinn
für den Unternehmer zu betreiben und daher nicht bloß ben
Kunftfleiß, fondern auch die finnreiche Benugung aller fparenden
oder die Einnahmen erhöhenden Mittel zu Hülfe ruft (c).
(a) Die Einführung neuer Gewerbe gelingt am leichteften, wenn man ge:
ſchickte Arbeiter herbeiziehen Tann. andrifche Tuchmacher brachten
(im 14ten Iahıhundert) die engliſchen Wollengewerke empor. Taube,
Geſchichte der engländ. Handelihaft, S. 19. (Leipz. 1776.) — Hüll:
mann, Städteweien des Mittelaltere, I, 239. (Bonn, 1826.) —
Franzoͤſiſche Proteftanten bewirkten nach der Aufhebung des Edicts von
Nantes die Binführung oder Berbefferung mehrerer Gewerbe in Deutfch-
land; mehrere Borzellanfabrifen kamen durdy die Arbeiter, Die man aus
Meißen und naher aus Wien herbeizog, zu Stande. — Die Araber
braten in Spanien manche Gewerbe in Aufnahme und ihre Ber:
treibung wurde für den Wohlftand des Landes fehr verderblih. — Die
englifchen Mafchinenfpinner find weit befler bezahlt als die franzöfifchen
oder deutfchen, leiften aber foviel mehr, daß die Koflen im Berhältniß
zu dem Producte doch nicht höher fommen. Mohl, Ueber die würtemb.
Sewerbsinduftrie, S. 325. (Stuttg. 1828) — Deutiche Bergleute in
anderen Ländern. Der volfsthümliche Charakter hat auf Geſchicklichkeit
und Benehmen der Gewerbsarbeiter Einfluß.
(2) Das Wort Induftrie wird oft in einem unbeflimmten, unwiſſenſchaft⸗
lihen Sinne gebraudt, fo daß es foviel als Arbeit bedeutet. — Der
Geſchickte ohne Fleiß würde fo wenig ausrichten als der Fleißige, wenn
er ungeſchickt wäre.
(c) Dan ficht nicht felten Männer von ausgezeichneten Anlagen in Gewerbs⸗
unternehmungen zu ®runde gehen, weil es ihnen bei allem Kunftfleiß
an der Gabe fehlt, die nöthigen wirthichaftlichen Brvägungen anzu:
Rau, polit. Defon. I. 7. Ausg. 9
fielen, zu überlegen, was am meiften einbringt, wie man den Betrieb
am wohlfeilften einrichtet u. dgl. Dieß Schielfal hat manche Urheber
von wichtigen technifchen Erfindungen getroffen.
8. 114.
Eine vorzüglich wirffame Urſache eines erhöhten Erfolges
ber Arbeit ift die Arbeitstheilung. Sie befteht darin, daß
Jeder fi) nur auf wenige gleichartige Verrichtungen, oder auch
nur auf eine einzige bejchränft und durch den Ertrag dieſes
ausfchließlich betriebenen Arbeitszweiges beſtimmt wird, auf die
eigne Hervorbringung aller anderen Güter, deren er noch bes
darf, zu verzichten. In manchen Fällen kann das ausfchlieplich
betriebene Geſchaͤft ſchon für ſich allein ein nuͤtzliches Erzeugniß
zu Stande bringen und daher felbftftändig beſtehen (a), in an-
deren Faͤllen müffen mehrere Menfchen zufammenwirfen, um eine
gewifle Art von Gütern zu erzeugen (6). Die Beobachtung,
dag auf dieſe Weife die Arbeit mehr ausrichten Fönne, liegt
fehr nahe und mußte, in Verbindung mit der Verfchiedenheit in
den Neigungen und Anlagen der Menfchen, fhon früh zur
Arbeitötheilung führen (c).
(a) 3. B. ein Abfchreiber, Porträtmaler, Zahnarzt, ein Mäfler für eine
einzelne Waarengattung, Blumengärtner, Holzfchniger für eine Art von
Bilderwerfen ıc. ,
(6) Wie in den meiften Babrifen, wo mehrere Berrihtungen in einander
greifen. In diefen Fällen fest die Theilung eine Verbindung (Aſſocia⸗
tion, Combination) Mehrerer voraus.
() Smith, Unter. I, 13 ff. — Ueber die Priorität diefes Gedankens
Storch, IN,5. — Schmitthenner, Zwölf 3. I, 399.
8. 115.
Nicht blos in den Stoffarbeiten, fondern in der Pflege der
Wiffenihaften und Künfte, im Staatsdienſte und überhaupt in
allen menfchlichen Befchäftigungen (a) wird durch dieſe Theilung
die Wirffamkeit der Arbeit erhöht, wofür fi) folgende Gründe
angeben laffen: 1) Die Gefchidlichfeit wird. wegen ber unaus-
gefegten Gewöhnung in hohem Grade gefteigert, ed nehmen felbft
Theile des menfchlichen Körpers eine Beichaffenheit an, welche
zu einer Art von Verrichtungen förderlich ift, während fie viel
leicht bei anderen fogar hindert (d). 2) Die fortbauernde Rich-
tung des Verſtandes auf ein einzelnes Gefchäft macht ed mög-
ih, daß alle Mittel ausgefonnen werden, weldye die Arbeit
— 1311 —
abfürzen, ihren Erfolg verftärfen ober Unfälle verhüten; daher
trägt die Arbeitötheilung auch bei, die Erfindung arbeitfparen-
der Mafchinen zu veranlaflen (ce). 3) Es wird der Zeitverluft
verhütet, der mit dem öfteren Uebergange von einer Bejchäftis
gung zur andern verbunden zu fein pflegt. 4) In vielen Fällen
fann man eine viel größere Leiftung mit gleicher Mühe wie
eine Fleinere, oder doch mit geringer Vermehrung der Bejchwerbe
und Arbeitsdauer zu Stande bringen und fo mehreren andern
Menſchen die nämliche Bemühung erfparen (d). 5) Man wird
in den Stand gefegt, für die leichteren Verrichtungen minder
gefhidte und daher wohlfeilere Gehülfen anzuftellen, 3. B.
Weiber und Kinder, und die Eoftbareren Arbeiter bloß für bie
fhwierigften Verrichtungen zu benugen (e). Hieraus erklärt
fih die erftaunliche Wirkung der Arbeitötheilung in mandjen
Gewerbözweigen, bie zu ihrer Anwendung befonderd günftige
©elegenheit darbieten, was vornehmlich) da der Fall ift, wo
große Fertigkeit gefordert wird (f).
(a) Selbft die Diebe und Betrüger verlegen fi) vorzugsweife auf einzelne
Zweige ſolcher Verbrechen, Vidocq, Les voleurs, P. 1837. — Thiele,
Die Pabifchen Bauner, I, 87.
(6) Manche Gewerbe ſchaͤrfen einzelne Sinne; anftrengende Arbeiten machen
den Arm musculöfer, die Oberhaut dider und die Finger felbft unges
Ienfer. Mustelkraft der Holzhauer, Laftträger, Schmiede x. Man hat
genaue Beobahtungen hierüber angeftellt, die felbit für den Eriminal-
beamten Werth haben, um bie Beichhäftigung, die Jemand getrieben
bat, aus ihren körperlichen Spuren zu erfennen. Tardieu in Annales
d’hygiöne publ. XLII, 388 (1849.) — Feines Sefühl in den Fingern
der Wollhändler, — Augenmanp, Sicherheit in den Bewegungen. —
Auf der Wippe kann ein Nenſch täglihd 10000, zur Noth 14000 Na:
deln die Köpfe aufieben. ®atterer, Techn. agagin, 1, 285. (1790).
— Ein fertiger Feilenhauer thut in der Minute 200 Hiebe. (v. Rees
und — — — Sn Gouda (Niederlande) formt ein Arbeiter
täglih 10000 koͤlniſche Pfeifen. — Gin geichidter Kammmacher ver:
fertigt 60—70 Kämme von folder Feinheit, daß 40-48 Zähne auf
den Zoll kommen, v. Kees, ILL, 130. — Die in den Nähnadelfabrifen
mit dem Ginfchlagen der Oehre beihäftigten Kinder find fo flinf, daß
fie dur das feinfte Haar ein Loch fchlagen und ein anderes Haar durch⸗
ziehen können. Der ganze Arbeitslohn für 1000 Nadeln ift 67%, Eent.
(18/4 fr.) Dictionn. technol. I. Art. Aiguille. — @in Glasmacher blaͤſt
täglih 8—900 Flafchen, das Hundert für 26 Sous (36 fr.) (Moreau
de Jonnès.) — Lütticher Ziegelftreiher; wenn ihrer 8 fih in die
Hand arbeiten, bringt jeder 6000 Stüd täglich zu Stande. — Bei
Berchtesgaden bringen 4 Knaben wöchentlich 2000 Eleine runde Schach:
teln fertig; 1 Mann macht mwöcentlih 70—80 Einfäge von länglichen
Schachteln zu 8 Stüd und zu 3 fr.
() A. Smith a. a. D. erzählt, wie die Dampfmaſchine durch einen
Knaben, der der langweiligen Beforgung der Bentile überhoben fein
9*
(d)
(e)
(02
Nr
— 12 —
wollte, vervollkommnet worden iſt. Dieß ſcheint bei der Dampfmaſchine
von Newcomen Statt gefunden zu haben, und Brighton wird ale
derjenige genannt, der die Lenkung der Ventile mittelft einer vom Wag⸗
baum herabgehenden Stange angebradht bat, Severin in den Ab:
hanblungen d. K. techn. Deput. 7 Gewerbe, I, 21. (Berlin, 1826.) —
Diefem Beilpiele kann ein ähnliches an die Seite gefeßt werden: Gin
armer Knabe, mit der Beforgung einer zur Beleuchtung dienenden Gas:
flamıne beauftragt, mußte bdiefelbe oft wieder anzünden, wenn fie der
Luftzug bei Deffnung einer nahen Thüre verlöfchte. Er gerieth dadurch
auf die Erfindung, einen Spiraldraht über der Flamme anzubringen,
welcher glühend wird und bdiefelbe wieder entzündet, wenn fie verliicht.
Dingler, Polytehn. Journ. XII, 532. — Die ermübende Beſchaͤf⸗
tigung des Berechnens vieler ähnlichen Aufgaben, 3. B. des Flächen:
inhaltes der gemeflenen Brundftüde, Bat verfhiedenen Rechnungs:
mafchinen bie Entflehung gegeben. — Hicher würde aud der Pflug des
Brangs zu zählen fein, wenn man ihn für eine erhebliche Verbeſſerung
halten dürfte. Doc find die wichtigſten technifchen Erfindungen nicht
von Handarbeitern gemacht worden.
Diefer Umftand verbindet fih Häufig mit dem in Nr. 3 angeführten,
z. B. bei der Delprefle, die nach Gioja, (N. Prosp. I, 109.) für
4000 Yamilien arbeiten fann, wenn Jemand fih ganz mit ihr be:
fhäftigt. Ein Hirte wartet fo leicht eine größere Heerde (bis zu einer
gewiffen Graͤnze) als eine Fleinere. Bei vielen chemifchen Gewerken
richtet fih Die Arbeit wenig nach ber verarbeiteten Quantität. Die
Theilung der Beichäftigungen bewirkt zugleich neben der Arbeitserſpa⸗
zung einen viel geringeren Gapitalaufwand ; fo wird 3. B. Brod und
Bier wohlfeiler in Gemeinde⸗ oder Privat: Bädereien und Brauereien
erzeugt als in den einzelnen Haushaltungen.
Babbage, Ueber Mafhinens und Fabrikweſen, deutſch v. Friede⸗
berg, 1833, S. 171. — Diefe Anordnung zeigt fi in vielen menſch⸗
lihen Beichäftigungen höchſt wirffam, indem fie es möglich macht,
Menfchen von ausgezeichneten Fähigkeiten einen Wirfungsfreis anzu⸗
weifen, in dem fle am meiften leiften fönnen.
Dies kann dur viele Beifpiele erläutert werden. Ad. Smith nennt
als ſolche 1) das Nagelichmieten. Geſchickte Schmiede können, ihm
zufolge, täglih 2300, ſolche, die nur bisweilen Nägel verfertigen,
800—1000, folche Schmiede aber, die das Verfertigen der Nägel nie
betrieben haben, nur 2—300 fertig bringen. — Die Verfertigung ber
Schuhmadernägel geht am gefchwindeften, von ihnen fann ein ge:
ſchickter Arbeiter täglih 3000 Stüd verfertigen, 3. B. zu Schönau im
Odenwalde; 2) die Stednatelfabrication; 10 Arbeiter follen täglich
48000 Stüd, alfo jeder 4800 verfertigen fönnen, während ein Arbeiter
für fih allein, ohne alle Theilung, nur etwa 20 Stüd zu Stande
brächte. — Smith Hat nicht bedacht, daß in diefem Yalle doch die
verichiedenen Verrichtungen nicht immer nur mit einem einzigen Drabte,
fondern mit vielen gualeich vorgenommen werden, und baß auf biefe
Weiſe die tägliche eiſtung noch ziemlich groß ſein kann. Rau zu
Storch, III, 276. — Vergl. L. Say, Considor. 30., ff., wo auch
egen die obige Angabe der Leiſtung der 10 Menſchen in der Fabrik
Smeifel erhoben werden, und Schön, N. Unter. S. 56 — Die ver
zinnten blechernen Löffel gehen durch etwa 30 Hände, und es giebt eine
Eorte, von welcher 12 Stück für 20 Er. verkauft werden, v. Rees,
Darftell. des Fabriks- u. Gewerbsw., III, 699. (Wien, 1824, 2te 9.)
In Schönach (bad. Schwarzwald) wird das Dugend für 16—22 fr.
verkauft und zwei Menſchen bringen täglid 6—8 Dutzend fertig. —
In Sonneberg wurden 1000 Schiefergrifel für 40 fr. bie zu 1 fl. ver,
— 133 ——
fauft. und 360 Kindertrompetchen (ungemalt) für 1 fl. 30 kr., woraus
auf die Schnelligkeit der Berfertigung zu fchließen iſt. — Aud die Zier-
lichfeit und Wohlfeilheit der Berchtesgadener und Grödener Holzſchnitz⸗
arbeiten rührt von der weitgetriebenen Arbeitstheilung ber, v. Kees,
III, 141. — Rad Say (Hanbb. I, 256.) werden von 30 Menſchen
täglih 15500 Spielkarten verfertiget.
$. 116.
Durch die Arbeitstheilung entfteht erft bie oben ($. 7. 8.)
betrachtete organifche Verbindung ber menſchlichen Tchätigfeiten,
wobei biefelben einander wechfelfeitig bedingen und Jeder zur
Befriedigung feiner Bebürfniffe der Anderen bedarf (a). Es
fondern fi vermöge berfelben verfchiebene Stände der Befell-
Ihaft und in jedem berfelben wieder mancherlei Arbeitözweige
von einander, häusliche Verrichtungen werben zu felbfiftändigen
Gewerben und diefe fpalten ſich wieder im Verlaufe der Zeit in
mehrere (d). Diefe Einrichtung ift daher der größte und folgen-
reichfte Sortfchritt, den ein Volk in feiner Entwidlung machen
fann. Doc, giebt e8 für diefe Zertheilung und die davon hers
rührende Bervielfältigung des Arbeitsertraged eine in der Natur
ber verfchiedenen Befichäftigungen liegende ®ränze, indem jede
von diefen aus einer beflimmten Zahl einfacher Verrichtungen
befteht und hoͤchſtens ebenfo viele Arbeiter fi in die Hände
arbeiten fönnen, ohne einander zu hindern (c). Auch kann nur
bann eine ‘Berfon mit einer einzelnen Verrichtung ausſchließlich
befchäftigt werden, wenn biefe fich ohne Unterbrechung fortfegen
läßt (d) und wenn es für daß große hiedurch entſtehende Er»
zeugniß nicht an Abfag fehlt (e). |
(a) Der Taufh Hat feine hohe Nüsplichkeit für die Volkswirthſchaft Haupt:
ſaͤchlich als die Bedingung, unter der allein die Arbeitstheilung fi
erhalten Fann.
(6) Es liegt ſchon im Weſen der Arbeitstheilung, daß bie vereinzelten Be:
Ihäftigungen nach einem gewiflen Plane ineinander greifen müflen, um
ihren vollen Nugen zu leiften. Wie in einer großen Fabrik die Ber:
richtungen der Arbeiter von einem Vorſteher fo geleitet und berechnet
werben müflen, daß fie fih in richtigen Verhältniſſen unterflügen und
ein großes Geſammterzeugniß liefern, wie in einer zahlreihen Yamilie -
eine ähnliche Bertheilung der Geichäite mit Bortheil angeordnet wird,
fo können audy mehrere von einander unabhängige Menichen ſich wechſel⸗
feitig beiftehen. Solche Verbindungen find nicht blos auf die getheilten
Arbeiten beichränft, fie können eben fo gut bei gleichartigen Thatigfeiten
vorfommen, die durch mwohlüberlegtes Zufammenwirfen einen größeren
Erfolg verurfahen. So bilden ſich von felbft temporäre @efellichaften
von Holzhauern in den Waldungen, Holzflößern, Schnittern, und
— 134 —
manche andere Zwecke würden durch aͤhnliche Vereinigungen am beſten
erreicht werden. Auf dieſe Verbindung der Arbeiten hat Gioja
beſonders aufmerkſam gemacht, Steinlein, I, 317.
(c) Hiebei iſt auch der für jede Verrichtung erforderliche Zeitaufwand Kin
berüdfichtigen. Wenn ein gewifles Gewerbe in ſechs Arbeiten zerfällt,
von denen die eine dreimal foviel Zeit erfordert, eine andere zweimal
foviel als die übrigen, fo müflen zu einem guten Betriebe neun oder
achtzehn Arbeiter ıc. angeftellt werden.
(d) Aus diefer Urfache laſſen die landwirthſchaftlichen Arbeiten Feine fo weit
Kur Theilung zu, als die Gewerke, zumal auf Eleinen Landgütern.
aer, Rationelle Landwirtbfch. I, 111.
(e) Daher geht die Theilung in ſtark bevölferten Ländern und großen Städten
am wmeiteften. Befondere Läden für Gegenflände, die zur Trauer ge:
ören. Befondere Hundes und PferdesHaldbandmader, Tintenfagmacher,
acknadelmacher u. dgl. in Birmingham, Kohl, Keifen in England
und Wales, I, 13 (1844).
8. 117.
Eine ſehr weit getriebene Arbeitötheilung hat zu manchen
Beforgniffen für den Zuftand der Arbeiter Anlaß gegeben (a),
wobei man theild die Abhängigkeit des nur an eine einzelne
Verrichtung gewöhnten Arbeiterd von feinem Lohnherrn, theils
bie nachtheilige Wirkung auf feine geiftigen Anlagen und feine
förperliche Ausbildung geltend machte. Diefe Beforgnifle zeigen
fich meiſtens als unbegründet oder übertrieben und werben wenig⸗
ftend im Ganzen durch die großen Vortheile diefer Einrichtung über:
wogen. Die Gejchidlichkeit der Arbeiter ift nicht leicht fo höchft
einfeitig wie man ed ſich vorgeftellt hat. Doch giebt es manche
Beichäftigungen, welde durch ununterbrochene Hortfegung ber
Gefundheit nachtheilig werben, 3. B. Schleifen von Nadeln und
anderen egenftänden, Bergolden, Wollfchlagen; auch können
manche „Arbeiten allerdingd wegen ihrer Einförmigfeit faft ge-
dankenlos getrieben werden, fo daß fie den Menfchen ftumpf und
zu anderen Verrichtungen unbraudhbar machen. Dieß tritt be-
fonderd dann ein, wenn bie Arbeiter fchon im Kindesalter zu
einem folchen Gefchäfte angehalten werden, wodurch fie die Faͤhig—
feit zu anderen Erwerberbözweigen verlieren. Dagegen koͤnnen
Geſchaͤfte diefer Art auch am leichteften den Menfchen abge:
nommen und mit Hülfe anderer Kräfte ausgeführt werben (d).
(a) 3. B. Luden, Handbuch der Staatsweisheit, I, 6. 85.
(6) Bertheidigung der Arbeitstheilung gegen obige Vorwürfe bei Say,
Handbuch I, 278. (gegen Lemontey) und Bernoully, Schweiz.
Ardiv, U, 51.
— 135 ° —
8. 118.
Die Einführung und Erweiterung ber Arbeitstheilung erfordert
in den meiften Fällen ein größeres Capital in den Händen ber
einzelnen Unternehmer, wenn nämlid 1) in einem gewifien Ges
werbe bie vorkommenden Berrichtungen vollfommener als biöher
vertheilt werden follen und hiezu die Anftellung einer größeren
Arbeiterzahl erforderlich ift, was dann auch die Anfchaffung
mehrerer Mafchinen, Werkzeuge, Materialien 2c. nöthig macht,
oder wenn 2) eine bisherige Hülfsverrichtung fich zu einem
felbftftändigen Gewerbe audfcheidet, deſſen Beginn nicht ohne
einen neuen Capitalaufwand von Seite bed Unternehmers mög”
lich ift (a). Indeß erfparen hierbei auch wieder diejenigen Ge⸗
werböleute, weldye das Erzeugniß ded neuen Gewerbes bisher
felbft fertigen laſſen mußten, ihre hiezu verwendeten Capitale
und fönnen biefelben ganz ihrem Hauptgefchäfte widmen ober
anderweitig anlegen. Wenn. diejenigen, welche zu einer folchen
neuen Theilung der Gefchäfte Gelegenheit und Neigung haben,
unbegütert find und nicht von den Eapitaliften unterftügt werben,
jo kann hierdurch die Einführung der vortheilhafteften Art des
Gewerböbetriebed verhindert werben (b), (c).
(0) 3. B. die abgefonderte Verfertigung ber verfchiedenen Beflandtheile
einer Taſchenuhr. So werben neuerlich bie einzelnen inneren Theile
(fournitures), 3. B. Räder, Federn, Spinbeln, Ketten — ferner rohe
zufammengefepte Gehwerke (&bauches, mouvemens), Zifferblätter, Zeiger,
meſſingene Schlüffel, ſtaͤhlerne Schlüffelröhren, ®ehäufe, von verfchiedes
nen Unternehmern gefertigt, was mit Hülfe von manderlei Mafchinen
weit wohlfeilee und befler gefchieht. ale zuwor, v. Kees, Darftell.,
UI, 735 ff. — v. Kees u. Blumenbach, Syftem. Darft. II, 542. —
Bei der Uhrmacherei im Schwarzwalde giebt es auch befondere Gehaͤus⸗
mader, Scilddreher, Schildmaler, Kettenmaher, Glockengießer. —
Bereitung von Beizen und Pigmenten zum Kattundrud in eigenen
Fabriken, abgefonderte Bereitung des Chlorkalfes für Bleicher und dgl.
(5) Das Zufammenmwirken mehrerer Unternehmer kann die Befchränftheit des
Capitals eines jeden einzelnen unfhäblid machen. In England kann
. DB. der Bierbrauer das Malz von dem Walzer kaufen und der Tuch⸗
ereiter Fauft das Tuch von dem Weber.
(c) Die in $. 110, 2) erwähnten äußeren Umftände, von denen das Arbeits⸗
erzeugniß zum Theile abhängt, nämlih das Bapital, und zwar vors
züglic bie Raſchinen und der Abſatz werden in $. 1284., 122 und
a. erklärt.
-— 136 —
Bierter Abſchuitt.
Grundflüke als Güterqnellen.
$. 119.
Die gütererzeugenden Kräfte bebürfen Förperlicher, ſchon in
menfchlicher Gewalt befindlicher Hülfsmittel (8. 85, 2), zu denen
vor Allem der von einem Bolfe in Befig genommene Theil der
Oberfläche, dad Land gehört, defien einzelne Abfchnitte Grund⸗
ftüde heißen. Wie ſehr durch eine Menge gut bejchaffener
Grundftüde die Hervorbringung unterftüßt und folglich ber
Wohlſtand des Volkes befördert wird, dieß ergiebt fich leicht,
wenn man näher erforfcht, was bie Grundftüde für die producs
tiven Sräfte leiften (a).
1) Viele Naturfräfte Außern fi) nur in oder auf dem Erb-
boden.
a) Die Gewinnung organifcher Körper ($. 86. 87.) erfordert
Zändereien, deren Bodenmiſchung und andere Eigenfchaften in
Verbindung mit dem Klima, dem Pflanzenbau und ber Thier-
zucht guten Erfolg verfpredhen. Weite Flächen von guten
Baulande haben daher für die Volfswirthfchaft Hohen Werth,
während Flugſand, Yeldgrund und fleile Abhänge, Falte Berg-
rüden, unbezwingliche Sümpfe, unfruchtbarer Heideboben ıc. bie
Iandwirthfchaftliche Benutzung unergiebig machen (b).
b) Auch andere Naturfräfte (c), vorzüglich bie Triebfraft
des Waſſers und Windes (d), find an gewiffe Grundftüde ge-
bunden. Fließende Gewäfler mit binlänglihem Gefälle und
einer günftig befchaffenen Umgebung gewähren zur Betreibung
son mandherlei Gewerben eine große Erleichterung (e), fchiffbare
Gewaͤſſer aber äußern auf den Verkehr eines Volkes mächtigen
Einfluß. Während Meeresfüften und gute Häfen den auswär-
tigen Hanbel befördern, find große Fluͤſſe mit leichter Schifffahrt
Belebungsmittel des Austaufches innerhalb des Landes (f).
2) Auch die Arbeit hat Grundftüde nöthig, auf welchen fie
vorgenommen wird und ihre Hülfsmittel und Erzeugniffe auf:
geftelt werben (9).
(«)
(2)
(e)
(4)
— 137 —
Lehrreiche Betrachtungen über den Einfluß, den die Beſchaffenheit der
Länder auf die Richtung des Gewerbfleißes übt, in Mendelsfohn,
Das germanifhe Europa. Berlin, 1836. Ueber die Abhängigkeit der
Huandelsrihtungen und der Wohnfige von der Naturform der Länder:
Kohl, Der Berfehr u. die Anfledlungen der Menfchen. Dresd. 1841. —
Ueber den Einfluß der Oberflähenform und des mineralifchen Baues:
Gotta, Deutſchlands Boden, vorzüglich I, 581. 1853.
Bei vielen Angaben über die Menge bes unbenupten Bodens in ver:
fhiedenen Ländern bleibt es ungewiß, inwiefern das öde Land eines
Anbaues fähig fei. Höhere Gebirge enthalten verhältnigmäßig das
meifte nicht baufähige Land. In Frankreich betragen die öden Weide:
pläße und Heiden 14 Proc. der ganzen Fläche, aber mit foldyer Ber:
fhiedengeit der einzelnen Gegenten, baß man in den brei Pyrenäen:
Depart. 43 Proc., in den beiden Nipen-Depart. und Morbihan 42,
Eorfica 39, Gironde 33 Proc., dagegen im Dep. Nord und Somme
nur 1,3 Proc., Aisne 1,5, Marne 2 Proc. findet. Nach neueren An:
aben nimmt der Heideboden im Ganzen 10,7 PBroc., im Dep. Landes
gar 78 Proc. ein. Das Dep. Oberalyen hat 45 Broe. ödes Ge:
birgeland, Schnitzler, Statist. I, 149. (1846). — In der Schweiz
nimmt Franſcini 64 Proc. als baufähig an. — In Scandinavien
liegt gegen */s der ganzen Oberfläche über 2000 Fuß hoch, in Schweden
allein nur !/s. Im den nörbdlichften Ländern von Schweden nehmen
Ader und Wiefe nur 0,7? Proc., in Malmö-Län dagegen 56 Proc. ein.
(Forſell). — Das öde Land in Baiern beträgt 4,? Proc. (Landw.
Gentralblatt, 1837, ©. 593.) — In Schottland find 73 Proc. unge:
baut, in den Grafſchaften Inverneß, Bertb, Roß und Sutherland
80 Proc., auf den Hebriden Und Orcaden 94 Proc., Mac-Culloch,
Stat. Acc. I, 538. Irland hat 36 Proc. Ödes Berg: und Moorland,
Munſter allein 48 Proc. (ebd. 542.), doch Hält man neuerlih nur
11,8 Proc. der Flaͤche von ganz Irland für unverbeflerbar. Auch
England hat viel Moor: und Heideboden. — Im europäifchen Rußland
beträgt das unbenugte Land fammt den Baupläßen 34 Proc. der ganzen
Fläche, in der Provinz Wiatka nur 0,6, Niſchnei-NRowgorod 2,6 Proc.,
dagegen Aftrachan 96, Finnland 74, Archangel 62 Proc. Tego-
borsky, I, 80. Der böhft frudtbare Humusboden (Tſchornaſem) in
Südrußland nimmt 17259 D. M. oder 18 Proc. des ganzen Landes
ein. Erdmann, Soum. f. prakt. Chemie, XL, 277. de Tego-
borsky, I, 42. — In Flahländern können 4, der Oberfläche ale
Garten⸗, Nder: und Grasland benutzt werden, 3. B. in Oftflandern 84,
Mefflandern und preuß. Sachſen 83 Proc.
Manche Biere follen der eigenthümlichen Befchaffenheit des Waflers an
gewiflen Orten ihre Güte verdanken. — Die Schönheit der Lyoner
Seidenzeuche wird zum Theile (ob mit Recht?) dem Wafler der Saone
zugefchrieben. — In China beförtert der trodene Nordwind (Packfung)
die Schönheit und Haltbarkeit der Farben auf den Seidenzeuden, Be-
vue encycel. Juin 1830, ©. 670, nad Dobell.
Holland würde feine vielen Säge:, Del: und Getreidemühlen nicht
haben fönnen, wenn nicht die Ebenheit des Landes und die Nähe des
eeres die Wirkung hätten, daß man im größten Theil der Zeit auf
binreihenden Wind rehnen fann. So erhalten Blachländer einigen
Erſatz dafür, dag fie weniger Bäche und ftarkfallende Ylüffe haben.
Deutihland hat in feinen vielen Berg- und Hügelgegenden eine Zülle
von Waflerfräften, wegen deren man weniger Dampfmafginen noͤthig
hat. Die kunſtvollſte Benutzung des fließenden Waſſers zeigen Berg:
werfsgegenden, 3. B. der Harz. Das ehemalige Herzogtum Berg
bat nah Egen auf 24 Stunden Länge der fließenden Gewaͤſſer 600
Triebwerke mit etwa 4000 Pferbefräften.
Die Größe und Richtung der fchiffbaren Bewäfler hat nicht blos für
den Verkehr, fondern auch für die Anfleblungen, Wanderungen, fogar
für die Staatenbildung Wichtigkeit. Der Befig eines ganzen Strom:
gebietes ift von großen Vortheilen für das Volk, da die den oberen
Lauf eines Stromes einf&ließenden Gebirge hauptfächlich den Reichthum
mineralifher Stoffe enthalten, die mittleren Gegenden aber und ber
untere Lauf fammt der Küfte für Landbau und Handel günftiger find,
und die Verbindung dieſer verfchiedenen Höhenflufen eine Mandhfaltig-
keit von Erzeugniſſen der Natur und Kunft zur Folge zu haben pflegt.
Ein großes Stromgebiet in einem Staate giebt der Volkswirthſchaft
innigen Zufammenbang, aud der Befitz mehrerer gene Stromgebiete
it vorteilhaft, befonders wenn fie fo niedrige Waflerfcheiden Daben,
daß fie leicht durch Canaͤle verbunden werden fönnen, und wenn fie
fih nad verfchiedenen Meeren fenfen, 3.38. in Rußland und Frankreich ;
vol. (v. Zylander) Die Erbbeziehung der Staaten. Münd. 1821. —
Frankreich hat 139 ſchiffbate Flüſſe und 1620 geogr. Meilen größere
Ströme, nebft 1500 Meilen Kuͤſte. — Die tiefen PMeerbufen geben
Europa eine große Erleichterung des Verkehrs.
(0) Berkftätten, Arbeitspläge für Seiler, Zimmerleute, Steinhauer, Köhler ıc.,
Trodenpläge, Bleichen.
U
uf
$. 120.
Viele Grundftüde find auch darum als eine Güterquelle an⸗
zufehen, weil fid in ihnen fchon mandherlei nugbare Stoffe vor;
finden, die nur einer Abtrennung bedürfen (a). Es find dieſes
größtentheild Mineralkörper, die bei den früheren Veränderungen
ber Erdrinde in derſelben abgelagert worden find. Diefe Vor⸗
räthe werben daher durch das Herausnehmen (Gewinnung) von
einem Jahrhundert zum andern weiter vermindert, fie find bie
und da ſchon erfchöpft worden, und es ift beghalb eine noch
vorhandene Fuͤlle folcher Stoffe innerhalb eined Landes ein
fehr günftiger Umftand (5). Gebirge find hierin reicher als
bie Ebenen und vergüten fo ihre geringere Tauglichkeit zum
Landbau. Die werthvolften Mineralkörper find die zu ben
nöthigften Dingen verwendbaren Metalle, vorzüglidy Eifen, fer-
ner Kochjalz und Brennftoffe, die nicht allein den Lebensunter⸗
halt und den Betrieb vieler Gewerke erleichtern, ſondern auch,
indem fie Waldungen entbehrlich machen, eine Erweiterung bed
Feldbaues und dadurch die Erzielung einer größeren Dienge
von Nahrungsmitteln geftatten (ec).
(a) 86 gehören hieher unter andern die Mineralwafler, — bie Quellen von
Steinöl u. dgl.
(5) Die geognoftiihe Beichaffenheit eines Landes hat in mehreren Be:
ziehungen für die Volkswirthſchaft große Bedeutung.
— 189 —
(e) In der Nähe der Steinkohlengruben ſiedeln fich leicht verſchiedene Ge⸗
werde an, welche die Kohlen benugen. Schon Franklin ſagt:
„Steinfohlen und Ganäle haben England zu dem gemadht, was e6
iſt.“ Bin befonders günfliges Zufammentreffen ift es, daß an manchen
Stellen in Großbritanien die Bifenberge und Steinfohlen übereinander
liegen und bisweilen noch dazu der für das Ausfchmelzen nöthige Kalf. —
In Großbritanien nehmen die Koblenlager 0, in Belgien !/ss bes
Landes, in Preußen Yo, in Branfreih 1 Proc. ein, in den nord:
americanifchen Freiftaaten nady neueren Angaben gegen A Proc. Das —
Kohlenfeld von Durham u. Northumberland ſoll gegen 36 geogr. Q. M.
groß fein und 6000 Mill. Tonnen (zu 2031 deutſchen Zollpfunden)
enthalten, welche auf 1727 Jahre bei der gegenwärtigen Ausnugung
zureihen. Im füblichen Theile von Wales ıf eine Koblenflädhe von
etwa 56 geogr. Q. M. bei einer Mächtigkeit der Koblenflöge von 100 Fuß,
fo dag die D. M. 679 Mil. Tonnen in fi fchließt und dieß Lager
allein anglanb 2000 Sabre verforgen könnte (Balewell, Taylor.)
Das Koblenfeld im Gebiete des Elyde in Schottland hat 84 Ylöpe
übereinander von 200 Fuß Mächtigkeit auf 72 geogr. D. M. Fläche.
Die britifhe Kohlengewinnung wurde 1854 auf 64%; Mill. Tonnen
angefchlagen, wovon 1855 4'764000 T. ins Ausland gingen. Es
wurden alfo an 60 Mill. T. oder gegen 1200 Mill. Etr. im Lande
verbraudt. Das Erzeugnig mag an der Grube zu 15 Mill. 2. St.,
am Berbrauchsorte zu 28 Mill. geist t werden. Wenn nun 12 Etr.
Steinfohlen einer preuß. Klafter Nadelholz gleichgeieht werden oder ber
daraus zu gewinnenden !/; Ki. Kohlen, und der Holzertrag auf dem
Morgen 3/5 Kl. beträgt, fo wären, um eben foviel Brennftoff an Holz
5 gewinnen, 7754 D M. Wald nöthig, melde 1%/5 mal die ganze
berfläche des Brit. Reihe in Europa einnehmen würden! — In
Preußen wurden 1856 über 441/, Mill. Tonnen (zu 3% Etr.) Stein:
kohlen ap. monnen. — In Frankreich wird das Erzeugniß für 1846 auf
89/5 Mill. Ctr. angenommen. — DOefterreih gewann 1847 gegen
14,7 Mill. Etr. Steins und Braunfohlen, könnte deren aber weit mehr
aus den vorhandenen Lagerftätten beziehen. — In Belgien war ber
Ertrag ber a im Durchſchn. 184650 106%, Mill. Str.
— 45). MiN. Fr. Nordamerica if fehr reih an foflilen Brennftoffen,
von denen neuerlich gegen 152 Mill. Etr. jährlich gefördert werden,
— aud Spanien in Afturien.
Fünfter Abſchnitt.
Das Enpital.
I. Einleitung.
8. 121.
Soll die Arbeit viel hervorbringen und von ber Mitwirkung
ber Naturfräfte Vortheil ziehen, fo ift dazu ber Beiftand des
Capitaled (a) erforberlih, g. 51—54. Diefes ift zwar für
fi) allein nur ein todtes Hülfsmittel, wird aber in Berbindung
mit jenen Kräften ein ſehr wirkſames Beförderungsmittel ber
Gütererzeugung. Ohne Capital würde ber fruchtbarfte Boden,
das günftigfte Klima, die größte Gefchidlichfeit und Beharrlich⸗
feit der Arbeiter nur wenig zu Stande bringen. Berbefferungen
im Betriebe ber Stoffarbeiten, 3. B. weitere Theilung ber Bes
Ihäftigungen, Einführung neuer Mafchinen ıc., find ebenfo wie
eine weitere Ausdehnung jener Arbeiten durdy ein zureichenbes
Capital bedingt ($. 118), und jede Vergrößerung des Geſammt⸗
Eapitaled eined Volkes (ded Nationalcapitalesd) zieht
daher eine Vermehrung des Volkseinkommens nad) fih. Die
Macht des Capitales zeigt ſich wie bei ganzen Bölfern, fo aud)
in der Rage der einzelnen Gewerbsleute.
(«) A. Smith, U, 1. ff. — Say, Handb. I, 164. — v. Schlözer,
Anfangsgründe der Staatew. I, 16. — Stord, I, 131. — Her:
mann, Untef. ©. 43. — Mehrere Schriftfieller rechnen die Grund:
ftüdle zu den Gapitalien. Dieß feßt eine weitere Ausbehnung des Be⸗
griffs vom Capital voraus, als es der Sprachgebrauch geftattet, auch
müßte man dann doch ſogleich wieder die beweglichen (eigentlichen) Ca⸗
pitale von denen, welche Theile der Erdflaͤche find (den Grundſtuͤcken),
unterfcheiden, denn beide verhalten fih in vielen Beziehungen ganz
verschieden.
8. 122.
Das Capital muß bei feiner Anwendung für einen Zweig
ber Hervorbringung zum Theil verzehrt oder ausgegeben werben.
Die neu entfiehenden Güter vergüten bei gutem Betriebe und
Erfolge des Gewerbes diefe Aufopferung volftändig und fogar
noch mit Gewinn. Indeß ift das verzehrte und auögegebene
Capital fo lange für den, der ed anwendete, gebunden und zu
jeder anderen Benutzungsweiſe unbrauchbar, bis ed durch das
neue Gütererzeugniß wieder erfeßt worden ifl. Diefes dient
zum Theil für den eigenen Gebrauch des Gapitalbefigerd, zum
Theil läßt es ſich vermittelft des Tauſches in andere Güter
umfeßen, welche wieder bei einer neuen Production ald Capital
benugt werden Ffönnen. Das Vertauſchen eines Gutes gegen
andere, die den Abfichten des Verkäufers entfprechen, d. h. einen
höheren concreten Werth für ihn Haben, oder der Abſatz ift
folglih das Mittel, das aufgewendete Gapital zu beliebigem
Gebrauche wieder herzuftellen. Ohne Abfa würde das Capital,
wie groß es audy fein möchte, gelähmt und erfchöpft werben.
— u —
Je fchneller der Abſatz erfolgt, deſto rafcher können bie hervor
bringenden VBerrichtungen betrieben werben, und die Größe des
in einem gewiflen Zeittaume zu erwartenden Abfages beftimnit
zugleich die mögliche Ausdehnung der Production, fo wie bie
Gelegenheit, Kunſtmittel anzuwenden, die nur bei einem gewiflen
Umfange des Gefchäftes Vortheil bringen.
1I. Beftandtbeile und Arten des Eapitale®.
8. 123.
Um fowohl die Unentbehrlicykeit und Nüslichfeit ded Capi⸗
tales, als die Art des Beiftandes, den es zur Vermehrung des
Vermögend leiftet, deutlicher zu erkennen, muß man zunächft bie
Stoffarbeiten und den Handel abgefondert betrachten und das
Eapitalbepürfniß beider zergliedern.
Die Stoffarbeiten bezweden eine Förperliche Veränderung
in dem ®ebiete der Sacdhgüter, durch welche eine größere Werths
menge enifteht. Hiezu wird erfordert:
I. ein Stoff, in dem die Veränderung vorgeht;
I. eine Urſache der Veränderung, d. h. eine Kraft, deren
Erfcheinen und Fortdauern großentheild von einer Anwendung
gewiffer Sachguͤter bedingt wird;
IH. eine Einwirfung der Kraft auf den Stoff, welche eben-
falls durch fachliche Hülfsmittel befördert werden muß.
Hieraus ergeben ſich drei Elaffen von apitaltheilen. Die
große Verſchiedenheit zwifchen den einzelnen Zweigen ber Stoff-
arbeiten und die Mandhfaltigkeit der in jedem derſelben vorkom⸗
menden Zwecke und Mittel macht eine Durchführung biefer Ein-
tbeilung ſchwierig, doch lafjen fich für ben volfswirthfchaftlichen
Meberblid gewiffe Hauptgruppen anordnen, wenn auch zwiſchen
ihnen manche Uebergänge und Mittelgliever beftehen mögen.
6. 123a.
I. Sachguͤter, an denen fid) die Arbeit und die NRaturfräfte
äußern, und aus denen ſich das neue Erzengniß bildet, können
Berwandlungsftoffe genannt werden (a). Sie find zu
jeder körperlichen ‘Production nothwendig, nur nicht immer als
— 142 —
Gapitale, indem fie fi in manchen Fällen gar nicht in menſch⸗
lihem Vermögen befinden, fondern aus herrenlofen Maſſen ges
zogen werden, in anderen Fällen aber in dem Erbboben ent
halten find und baher Beftandtheile der Grunpftüde bilden, wie
bei der Mineralgewinnung (db). Dagegen ift in der Landwirth⸗
haft (c) und ganz vorzüglich in den Gewerken ein aus Ber
wandlungsftoffen beftehender Capitalvorrath unentbehrlih und
bie Größe des neuen Gütererzeugnifies, räumlich bemeffen, richtet
fi) nad) der Menge verwendeter Stoffe diefer Art, außer info-
fern man durch Verhütung von Berluften etwas an bem Be-
barfe erfparen fann. Die Verwandlungsftoffe find entweder in
ihren natürlichen Zuftande (rob), oder fhon durch Kunft ver-
ändert (verarbeitet) (d).
(0) Mutitres promidres nah Storch, 1,153. — Berwandlungsgegenflände
nah Sr. Buguoy, Natıonalm. ©. 6. 269.
(a) Seefiſche, Zugvögel als Gegenſtand der Jagd, — die Waldbäume und
Weidepflangen ziehen ihre Nahrung ohne Düngung aus der Luft und
dem Moden,
(r) GSaatkorn, Düngemittel, Butter des Nutzviehes, auch das zum Schlachten
deſtimmte Wieh ſelbſt.
(4) Deſthalb IN ee unrichtig, die Verwandlungéſtoffe überhaupt Rohſtoffe
6 nennen, wie es neuerlich oͤfters geſchieht. — Nach der erforderlichen
Nenge kann man wieder Haupt⸗ und Nebenſtoffe unterſcheiden.
§. 124.
Ul. Mittel, um Kräfte hervorzurufen und zu un—
terhalten, von denen bie in ben Stoffen beabfichtigten Wir-
fungen audgehen.
1) Bei den natürlihen Kräften ift
a) für bie Arbeitsthiere Nahrung, Arznei u. dgl. erforderlich,
b) für viele andere Kräfte ein Verbraudy von Stoffen, bie,
ohne in das neue Erzeugniß felbft einzugehen, boch die Ent-
ſtehung deſſelben befördern. Die in der größten Menge nöthigen
Dinge diefer Art find die pflanzlichen und mineralifchen Brenn-
ftoffe, welche in allen denjenigen Fällen zu dem Capitale zu
rechnen find, wo bie aus ihnen ſich entwidelnde Wärme zur
Erzeugung gewiffer Sachgüter unmittelbar oder mittelbar, 3. 2.
durch Heizung von Dampfmafchinen, beiträgt. Außerdem können
viele andere fowohl rohe, als verarbeitete Stoffe hieher gezählt
werben, mit denen bald eine Beränderung in ber chemifchen
— 1443 —
Befchaffenheit und ben phyſiſchen Eigenfchaften, bald eine Um⸗
geftaltung durch eine Bewegung verurfacht wird (a). Mag es
auch bisweilen wegen der Unvollfommenheit unferer Natur:
fenntniffe noch zweifelhaft fein, ob ein Körper in diefe Abthei⸗
lung, ober zu den Verwandlungsftoffen gehöre, fo beweift dieß
doc, nichts gegen die Richtigfeit des Unterfchiedes felbft (d).
Die zu diefen Zweden dienlichen Sachgüter, die Hülfs—
ftoffe (c), können öfterd durch andere wohlfeilere erfegt und
ed kann dadurch viel an den Koften erjpart werden, wozu ſich
bei den Berwandlungsftoffen feltener Gelegenheit barbietet.
(a) Bgl. $. 90. — Chemiſch wirkend find 3. B. Stoffe zum Bleihen ber
Zeude, zum Reinigen bes Leuchtgafes, Bährungsmittel, Schwefelfäure
zum Reinigen des Dels, Mittel zum Gerinnen einer Fluͤſſigkeit, Beizen
des Saatkorns zur Zerftörung de6 Brandes, Kalk zum Gnthaaren
ber Kelle, Kochſalz zum Tödten der Infecten im Boden, QDuedfilber
zum Herausziehen des Goldes aus Erzen, Kohle zum Entfärben bes
Zuderfaftes m. — durch phyſifche Gigenfchaften wirfenn: Schlichte
zum Steifen der Kette auf dem Webftupl, Bett zum Geſchmeidigmachen
der Wolle, Schmieren bei Mafchinen; Schießpulver erzeugt eine be-
wegende Kraft ıc.
(6) 6Es ift 3. B. die Wirkung mancher Düngemittel noch ftxeitig.
(ce) Materiaux nah Storch a. a. D.
6. 125.
2) Die menfhliche Arbeit erfordert ebenfalls bie Bes
nugung ſchon vorhandener Sadjgüter zu Unterhaltsmitteln, die
theild für Nahrung, Yeuerung, Beleuchtung ıc. ſchnell verzehrt,
theild als Kleidung, Zimmergeräthe ıc. langſamer abgenüßt
werden, theild ald Wohnung fehr lange dauern. Die Bebürf-
niſſe des Arbeiterd erheifchen unausgefegt diefe Anwendung von
Sacjgütern, und dem Sklaven müſſen biefelben nothwendig
von dem Eigenthümer bargereicht werden, wie bem Alrbeitd-
thiere, es ift alfo Hiezu ein Capital nothwendig, welches befto
größer fein muß, je langfamer die Arbeit ein Erzeugniß licfert
und dadurch die Auslagen vergütet. Daffelbe gilt für einen
Theil des Unterhaltsbedarfes von ben durch einen Lohnherrn
in Koft, Wohnung ıc. genommenen freien Arbeitern. Anders ift
es bei bezahlten Arbeitern, weiche häufig aus eigenem Bermögen
eine Zeit lang ihren Unterhalt beftreiten und erft nachher im
Lohne den Erfag dafür empfangen. Könnte dieß erſt dann ges
ſchehen, nachdem das Arbeitöerzeugniß ſchon verfauft und bezahlt
— 14 —
iſt, ſo hätte der Lohnherr gar Fein Capital auf Lohn zu vete
wenden nöthig, weil er diefen aus dem Ertrag nähme. Dieß
if felten der Fall, weil der Arbeiter nicht leicht fo lange warten
fann, aber es ift bemerfenswerth, daß fich für ben Lohnvorſchuß
nicht ebenfo wie für die anderen Theile des Capitalaufwandes
ein in der Ratur jedes Productionszweiges liegendes (technifches)
Maaß angeben läßt, weil e& darauf anlommt, wie viel Bers
mögen ber Arbeiter in der Hand bat und nach welchen Zwiſchen⸗
zeiten er gelohnt werben muß. Hat er fi einmal längere Zeit
zu erhalten vermocht, fo fest ihn dann die flärfere Lohneinnahme
in den Stand, daffelbe zu wiederholen. Der Lohn ift demnady
ein Sinfommen des Arbeiters, welches meiftend aus dem Capi⸗
tale des Lohnherrn vorgeichoflen wird, fei es in Geld oder in
den Genußmitteln felbft (a). Diejer Theil des Bapitaled hat
ferner dao @igentbümliche, daß er neben feiner hervorbringenden
Wirkung zugleich Mitglieder des Volkes unmittelbar erhält und
ibnen Götergenuß verfchafft, S. 71. a. Wenn ber Arbeiter von
feinem Lohnherrn beherbergt wird, fo begreift defien Lohncapital
auch Theile von lange bauerndem Gebrauche, wie Wohngemädher,
Wetten ıc. (Bd).
(m) Wine abweichende, nicht in Kürze zu erflärende Anficht, nach welcher
der Lohn nicht zum Gapitalaufwande im engeren Sinne gehöre, intem
er aus dem fertigen Producte bezahlt werde, ift entwidelt bei Rod⸗
bertus⸗Fagetzow, Zur Grfenntnig unferer ſtaatswirthſchaftl. Zus
fände I, 14 ff. Indeß räumt der Verf. ein, daß der Unternehmer
einen in Geld beftehenden Fond zur einftweiligen Bezahlung der Ar:
beiteer haben müfle, und daß bdiefer Fond zum Gapitale im weiteren
Sinne gehöre. Bol. auh Schön, N. Untef. S. 65.
(5) Diejenigen Schriftfteller, welche den Begriff der Production auch auf
bie berföntichen Güter ausdehnen, müflen aud die Genußmittel zum
Gapital rechnen, $. 51 (e). |
$. 125.
II. Werfzeuglihe Hülfgmittel find folche Theile des
Capitales, weldye die Wirkung der Kräfte auf die Stoffe fort-
dauernd unterflügen (a). Dieß kann auf bie mandhfaltigfte
Weife gefchehen, wie es bie Verfchiedenheit der Kräfte und ber
beabfichtigten Wirkungen mit fidy bringt, Doch fommen jene Hülfs«
mittel unter einander darin überein, daß fie als Begleiter der
Kräfte mit diefen in Verbindung bleiben und durch fortdauerns
ben Gebrauch, nicht wie die Verwandlungss und Hülföftoffe
— 15 —
durch ihre Verzehrung nügen, weßhalb ihre Abnuͤtzung nur als
ein unvermeidliches Uebel, nicht ald eine Urfache in der Wirk
ſamkeit anzufehen if. Dahn gehören:
a) Bauwerfe, ald Ställe, Scheunen, Vorrathsräume,
Werfftätten, Grubengebäude zum Bergbau, Schleußen zur Bes
wäfferung, Brunnen, Keller;
b) Arbeitöthiere;
e) Gewerbögeräthe, und zwar
a) Geräthe unbeftimmter Art, zu vielerlei Ber-
richtungen und technifchen Zweden brauchbar, 3. B.
Tifche, Behälter, Geftelle, Gefäße, Säde ıc.
P) Chemifhe Vorrichtungen, zur Veränderung in
ber Mifchung der Stoffe dienend, 3. B. Oefen, Heerbe,
Keſſel, Deftilirgeräthe, Schmelgtiegel, Gährgefäße u.bgl.
y) Hülfsmittel zu medhanifchen Verrichtungen,
wohin man rechnet:
aa) Werkzeuge, einfache Mittel zur Unterſtuͤtzung
der menſchlichen Kraftaͤußerung, alſo mit dem Ar⸗
beiter unmittelbar in Beruͤhrung ſtehend. Ohne
ihren Beiſtand würde der Menſch auf feine Glied⸗
maßen befchränft fein, mit denen er überaus wenig
auszurichten vermöchte (6); 3. B. Mefler, Bohrer,
Hammer, Säge, Beil, Grabfcheit, Drefchflegel,
Sichel ıc. Die Erfindung der Werkzeuge war ber
erfte große Schritt, den die .menfchliche Gefellichaft
auf der Bahn wirthfchaftlicher Verbeſſerungen that.
bb) Maſchinen, welche ebenfalld durch Bewegung
wirfen, aber zufammengefegt find, fo daß die bes
wegende Kraft fich erft durch verfchiedene Mittels
glieder (Mafchinentheile) fortpflanzt, ehe fie bie
beabfichtigte Wirkung an dem Stoff hervorbringt,
weßhalb diefe Wirfung und die Aeußerung der
Kraft einander ganz unähnlidy fein können (ec).
Die Mafchinen, fo wie auch die chemifchen Vor⸗
richtungen find bald mit den Werfgebäuben feft
verbunden, bald beweglich in denfelben aufgeftellt.
(a) Eine ausführliche Erflärung der nachfolgenden Abtheilungen hat Riedel
gegeben, Nat. Def. I, $. 376 ff.
Rau, polit. Del. I. 7. Ausg. “ 10
— — 146 —
(5) Gerade die mendliche Manchfaltigkeit von Verrichtungen, zu denen die
. mienjſchlichen Gliedmaßen gebraucht werten koönnen, bringt es mit ſich,
tag dieſelben zu ten meiſten Zwecken für ſich allein unzureichend find.
Das Thier betarf Feiner Werkzeuge, iR aber auch nur zu einer geringen
Zahl von Berrichtungen fühig. Bergl. v. Autenrieth, Ueber den
Menfhen. Tübingen 1825. ©. 1 PR — Biele Werkzeuge find an bie
Stelle ter Gliedmaßen getreten, deren Wirkung fie erhärten, z. B.
die Zange verrichtet den Dienſt der Zähne oder der haltenden Finger
befier, ter Hammer ift eine härtere und unempfinbliche Fauſt, die Schau-
fel eine größere fladhe Hand ꝛc. — Auch die Mittel zum Grlegen und
Fangen der Thiere, 3. B. Nee, gehören hieher.
(ce) Die Mafchine macht es möglih, daß eine Naturfraft, bie blos eine
einfahe Bewegung hervorbringt, die Stelle eines geihidten Menichen
vertritt, weßhalb kunftvolle Mafchinen an die Automaten erinnern und
automatifche genannt werben können, 3. B. die Epinn:, Web:,
Stickmaſchinen, Wirkttühle u. dgl. Dagegen kann das Werkzeug blos
von dem Menfchen unmittelbar angewendet werden, man vergleiche 3. B.
die Handfäge mit der Sägemühle, oder das ehemals üblih geweſene
Stampfen des Getreides aus der Hand mit bem Mahlen. ie Be
wegung des oberen Muͤhlſteines und das Schütteln am Beutel haben
mit tem fließen des Baches nicht die mindefte Aehnlichkeit, bei dem
Stampfen aber muß die Bewegung des Armes genau ber der Stamvf-
feule entiprechen, wie dieß überhaupt bei den Werkzeugen der Fall if.
$. 126.
Die Majchinen find eines der wirkſamſten Mittel, ben Ers
folg der Arbeit zu verftärfen, 8. 110 (a), und leiften noch mehr,
ale die Arbeitstheilung. Ihre volföwirthichaftlichen Vortheile
zeigen fich darin, baß 1) bie menfchliche Arbeit eine weit grös
fere Menge von Erzeugnifien hervorbringt, hauptfächlich wegen
der Benugung natürlicher Kräfte (8. 90. 91), weßhalb auch die
Koften und Preiſe der Kunftiwaaren niedriger werden und der
Guͤtergenuß des Volkes zunimmt (b); 2) daß das Erzeugniß
bei manchen Arbeitözweigen auch vollfommener und werth-
voller ift, ald es fonft durch Menfchenhände und Werkzeuge
werden fonnte (@); 3) daß ungefunde oder doch fehr befchwers
liche Arbeiten den Menfchen abgenoınmen werden (d). Muß
eine Maſchine wieder durch Menfchen bewegt werben, fo ift dieſe
Arbeit allerdings oft anftrengend, aber doch nicht gerade ber
Geſundheit ſchaͤdlich (e); 4) daß in vielen Fällen ſchon einfache,
funftlofe Arbeit zureicht, die Mafchinen zu bedienen und dadurch
Güter zu erzeugen, welche fonft große Gefchidtlichkeiterforberten ( f),
fo daß nun Menſchen von höheren Fähigkeiten ſich anderen ge-
meinnügigen Befchäftigungen widmen können. Inzwiſchen wers
ben auch wiederum bie Mafchinen erft durch einen beträchtlichen
— 147 —
Grab von Kunft möglich; fie find eine Frucht ber fortichreiten:
den Bildung in Verbindung mit der Bermehrung ded Gapitals.
(a) Kunth, Ueber Nupen oder Schaden der Mafchinen. Berl. 1824. —
(b)
Babbage, a. Schrift ($. 115. (e)). — (Broughbam) Die Re
fultate des Mafchinenweiens, deutſch Lübel, 1833, und v. Rieken,
Leipzig, 1833. — A. de Gasparin, Considerations sur les machi-
nes. Par. 1835. — lire, Das Fabrikweſen, beutih v. Diegmann.
Leipzig, 1835.
Es giebt Fein größeres Beifpiel von den gemeinnüßigen Wirkungen des
Maſchinenweſens als die Batımmwollenverarbeitung. ie ein:
flußreichften Srfindungen der Gngländer in derfelben find 1) Die Krem⸗
pelmafchine, zwifchen 1760 und 1774 allmählig von Mehreren zu
Stande gebradt; 2) die Jenny, eine von Highs erfundene, von
Hargraves 1767 verbeflerte Spinnmaſchine, jebt hauptfählih für
Schaafwolle im Gebrauch; 3) die Spinnmafchine (Throstle, Drof:
felmafchine) fammt der Stredbant von Rih. Arkwright 1796 (je:
doch nach neueren Unterfuhungen auch urfprünglih von Highs er
fonnen) ; 4) die aus beiden hervorgehende zufammengefegte Spinn⸗
mafchine (Mule -jenny) von &rompton, 1775; 5) die Webmafchine
(Power-loom), flatt des gewöhnlihen Webſtuhls, nad dem erften Ge⸗
danfen Vaucanſon's (1747) von vielen Mechanikern verfuht, am
gelungenftien von Cartwright 1784 hergeftellt und feit 1805 Häufig
verbreitet. Hieran fchließt dd eine Menge anderer Mafchinen, die
zum Theile, wie die zum Borfpinnen dienende Spindelbanf (Flyro-
ving, bane & broches), und die fog. felbfiwirfende Spinnmafdine
(Selfacting mule oder Selfactor) von Roberts, 1825, von bewunderns⸗
würdiger Künftllichkeit find. Die Spinnmafdinen leiſten 100: (Ber:
nouilli), 120s (Moreau de Jonnds), bis 150mal (Kees und
Blumenbach). nad neueren Angaben fogar 266mal ſoviel als Hand⸗
fpinnräder bei gleicher Arbeit. ine Handipinnerin foll mit einem Ge⸗
hülfen wöcentlih nur %s Pfund feines Garn liefern koͤnnen (doch ver:
muthlich mit Cinrechnung des Karbätichens). Bin Mann mit zwei an-
Inüpfenden Kindern fann zwei Beinfpinnmafchinen zu 3—400 Spindeln
verfehen. Auf jeder Spindel der Feinfpinnmafchine können jährlich
gegen 80 Pfund Garn Nr. 12— 16, gegen 26 Pfund Nr. 40, gegen
9 Pfund Nr. 100 gefponnen werden. Im Durchſchnitt darf man etwa
25 Pfund jährlich annehmen. Im Jahre 1850 waren in Großbritanien
ungefäht 21 Mil. Spinteln. Ein englifcher Weder mit einem ı Hiäfeigen
Kinde bringt auf 4 Mafchinen-Webftüglen wöchentlih 22 Stück Baum:
wollenzeuch zu 24 Dards (zu 3 Buß) zu Stante, ein Handweber nur
48 9. = 72 EI. und Großbritanien het egen 109000 Mafchinenftühle.
Eine Folge hievon ift die große Wohlfeilheit, die ungeheure Production
und Conſumtion von Baumwollenwaaren. 1776 bezahlte man für das
Pfund Garn von der Zeinheitsnummer 40 an 14 Schill. Spinnerlohn,
jest !/s Schill. In Großbritanien war von roher Baumwolle;
bie Ginfuhr der Berbraud
im 3. 1765 3'500 000 Bf.
D. 17N1—80 5.635 000 ⸗
“
1781—90 18-200 000
1790— 1800 32000 000 =: 1820—29 i. D. 178 Mill. Pf.
1801—10 70000 000 = 1834 302
1811—20 105°000 000 = 1838 460
1842—44 617018 165 =» 1842-44 i. D. 636
im 3. 1857 969.318 896 = 1957 196
10°
uva
uuu u
— 143 —
Das jährliche Erzeugniß ber Verarbeitung wird für 1852 auf 611/. Mill.
2. St. geſchätzt, wovon aber 16%; Mill. für den Rohſtoff abgehen.
1°200 000 Menſchen find mit diefem Gewerbszweige und den Hülfsarbei-
ten befchäftigt. Die Ausfuhr an Garn, Geweben und a. Baumwollen:
waaren war ı. 3. 1849 —52 nach dem angegebenen Preife (declared value)
28-827 0008. St., 1857 39 Mill. £&. St., 1842—44 erſt 23'644. 000 8. St.
Die rafche Benölkerungszunahme der englifchen Fabrik- und Handels:
ftädte zeigt diefen Auffchwung ebenfalls deutlich, 3. 2.
1770. | ı8o1. | 1831. | 1841. | 1551.
TG — —
Mancdefler . . . . .| 41 000) 84 000) 182 000) 240 000] 316 000
Liverpool . . . . .| 34 000] 79 700) 189 000) 286 000 376 000
Braffch.Sancafter 1760 297 400| 672 700 1 336 800] 1'667 000)2°031 000
Glasgow .. .... 77300] 202 000 279 000) 329 000
Vol. Porter Progress of the nation, ©. 176 (1851). — Baines,
Geh. der Baumwollenmanuf. in Großbr. Deutfh v. Bernoulli,
Stuttg. 1836. — Kleinfhrodb in Rau, Archiv II, 335. — Mac-
Culloch, Stat. acc. II, 61. — Dael, Die Baummolle und deren
Verarbeitung. Mainz, 1846. — Karmarſch, Handbuch der mechan.
Technol. IL, 1100. — Amtlicher Bericht über die Induſtr. Ausſtell. zu
London, II, 1.
Die Kattundrudmafhine mit Meffingwalzen kann in der Minute
24 —30 Ellen mit 3 Farben bedruden, alfo täglich gegen 11 000 G.,
und die Walzen werden mit Hülfe anderer Mafchinen viel leichter gra-
virt ald aus der Hand. Der Handdrud liefert nur etwa 330 Ellen
einmal bedrudt. Neuerlich drudt man 5 Karben zugleihd. — Gin Mann
und zwei Knaben an Neuflize's Tuchfcheermafchine mit fchrauben:
förmigen Scheerblättern fcheeren in 12 Stunden 1200 Ellen, was fonft
40 Tuchfcheerer mit der Handfcheere verrichteten. — Bauer und Koͤ⸗
nigs Druckmaſchine bedrudt in einer Stunde 1100-1200 Bogen auf
beiden Seiten, während fonft nur 200—250 auf einer Seite durch die
ewöhnliche Preſſe gedruckt werden fönnen. Applegath's cylindriiche
aſchine Liefert in der Stunde 5000 Abdrücke. — Der Banpflufl lie:
fert 12 bis 20 und mehr Bänder zugleih. — Gontss Kupferſtech⸗
mafchine fchneidet die Luftftrihe auf einer Lantfchaft von 3 Fuß Höhe
und 26 Zoll Breite in 3—4 Tagen ein, wozu aus freier Hand 8 Mos
nate erforderlich wären. Polytech. Journal, XII, 7. — Berfertigung
von Faßdauben durch Säge: und Hobelmafdhinen, wobei 70 Proc. der
Arbeit und 30 Proc. des Golzes erfpart werden, von David, f. Her:
mann, bie Induftrieausft. zu Paris im I. 1839, S. 240. — Bei
A und Comp. in Lightpool werden durch ein Waflerrad von
40 Pferdefräften 5 Mafchinen bewegt, mit denen wöhentlid 19 Mil.
Stednadeln verfertigt werden. Dingler, Pol. I. LXV, 399. —
Cine Maſchine zum Nagelfchmieden aus Faltem Gifen Liefert täglich
50 000 und mehr Nägel und wird von 1 Arbeiter bedient. — Mafchinen
um Schriftfeßen find von Doung und Delcambre (Dingler,
Bol. J. LXXXV, 420), von Rofenberg, (Xearbook of facts, 1843,
©. 93.) und dem Böhmen Tfchulif erfunden worden. Die zweite
ſoll ſtuͤndlich 10 800 Lettern feßen, die dritte noch mehr leiften. Die neue
Mafchine von Benjowsky ſetzt 5—6000 Leitern in der Stunde, Year-
book offacts, 1854, ©. 108. — Die Dreſchmaſchinen erfeßen pie 4 —bfache
Arbeiterzahl. — Die amerieanifhe Nähmafchine arbeitet ſchnell und gut.
(e) Man fann auf dem Spinnrad keinen fo gleichförmigen und- feinen Baden
zu Stande bringen als auf der Mafchine (ein Pfund Baumwollen⸗
— 149 —
faden von Nr. 600 iſt 62 deutſche Meiten lang), mit der Nadel eine
fo fhönen Strümpfe ftriden, als auf dem Wirfftuhle, a die Schöpf:
mafchine fein beliebig langes und fo gleiches Papier machen u. dgl. —
Reichenbach's Theilmafchine fehlt in der Entfernung der Theilftriche
nur N/asooo Zoll. — Die Säemafchine füet langfamer, aber gleichförmiger
als die Hand und erfpart an Ausſaat.
(d) Die Teigfnetmafhine von Lembert erfeht die höchſt anftrengende Arbeit
des Handfnetens, die Flackmaſchinen machen das wegen tes Staubes
fhädlihe Schlagen ber Wolle entbehrlih, Tas Rauhen des Tuches ohne
Rauhtrommel ift wegen der Näfle ungelund ıc. Wie befchwerlich war
das Getreidemahlen, Waflerheben aus Dergmerten, Walken, Hämmern,
Schleifen, Sägen sc. aus ber Hand! Mafchinen erfparen das Laſt⸗
tragen und Rudern x. Villerme&, Tabl. de l’&tat des ouvr. II,
242. 295. — Die auf dem Harze erfundene „Fahrkunſt“ in den Berg:
werfen, gewöhnlich von einer Dampfmaſchine bewegt, eripart die Zeit
und Anfltrengung des Hinab: und Hinauffteigens bei tiefen Schachten.
Man Hat fie neuerlich häufig in Fabriken angewendet, felbft im Lon⸗
doner Hauptpoftamt. Man hat berechnet, daß fie fih ſchon im erften
Jahre bezahlt maht. Dingler, B. Journ. CXXXI, 21.
(e) 3. B. das Drehen eines Rades, einer Kurbel, Berrihtungen, die
wenigftend nicht fchlimmer find, als vielerlei Arbeiten der gewöhnlichen
Handwerfe. Bol. Mohl, Würtemb. Gewerbeind., ©. 200. 215. —
Bernoulli, Schweiz. Archiv. IL 1. Abth. — Say, Handb. I, 238.
(f) Hierin findet eine große DBerfchiedenheit Statt. Die Wartung der
meiften Mafchinen N leiht, manche aber, 3. B. die Spinnmafchinen,
erfordern vorgügliche Sorgfalt. Der Jacquardſtuhl, der den Kunft:
weber entbehrli macht, hat der Seidenweberei einen mächtigen Auf:
fhwung gegeben; Joſ. Jacquard, geb. 1752, + 1834, f. Grognier,
Notice sur J. Lyon, 1836.
8. 127.
Der Handel, da er feine Veränderungen an den Stoffen
bewirkt, hat '
1) feine Berwandlungsftuffe nöthig, flatt derfelben aber
Borräthe von Gütern, welche zum Zaufche bereit liegen (a)
und auf deren .Berfauf nad) vorgängigem Einfaufe ſich bie
Hanvelsthätigfeit bezieht. Ein Theil der Erzeugniffe muß im»
mer für den Zweck des Handels vorräthig gehalten werben,
weil der Tauſch nicht zu jeder Zeit und nicht immer fogleich
nach beendigter Hervorbringung vollzogen werben kann (6). Aue
dieſen Waarenvorräthen erhalten die menfchlichen Bebürfniffe
unmittelbar ihre Befriedigung. Die Dinge befinden fich jedoch
nur vorübergehend und bisweilen ganz furze Zeit in biefer Ab-
tbeilung, welche fi) aus den Berwandlungsftoffen ftetd wieder
ergänzt. Sieht man auf die künftige Beftimmung bdiefer Vor:
räthe, fo werben biefelben theild als Genußmittel, theils als
Gapitale von einer ber früher erklärten Arten in den Gebrauch
—— 150 —
gezogen; aus ihnen und aus den Berwandlungsftoffen geht
folglich dad Erzeugniß neuer Güter hervor, weldyes ſich in vers
fchiedene Verwendungen zerftreut (c).
2) Er braucht Unterhaltömittel der in ihm bejchäftigten Ars
beiter und verfchiedene Hülfsftoffe (A).
3) Zur Aufbewahrung, zur Waarenverfendung und zum
Berfaufe find mancherlei Geraͤthe (e) erforderlich, fowie Baumwerfe,
als Waarenhäufer, Straßen, Canäle, Eifenbahnen, Häfen ıc.
(a) Storh’s Ouvrage fait (fertige Waaren) I, 154.
(5) Manche Dinge werden 3. B. nur in einer gewiflen Jahreszeit, oder
wie der Wein, nicht einmal alljährlich in der erwünſchten Menge und
Güte erzeugt, andere kommen nur von Zeit zu Zeit in Gebrauch, wie
Belzwerfe, Zeuche zu Trauerkleidern. Vgl. Nebenius, Der öffent:
liche Credit, L, 19. (2te A. 1829).
(e) 3. B. Butter der Buhrpferde, Brennmaterial der Dampfichiffe.
(d) Behälter, Fuhrwerke, Maaße und Gewichte.
(e) Auh in den Stoffarbeiten werden viele Güter vorräthig gehalten,
3. B. Baumwolle in einer Spinnfabrif, Kohlen in einem Hüttenwerf,
allein diefe Güter dürfen fogleich ihrer Beflimmung gemäß in die eben
erflätten Arten des Gapitald als Verwandlungs⸗, Huülfsfloffe, Unter⸗
baltsmittel sc. eingereibt werten, wenn gleich die wirkliche Anwentung
noch verſchoben ift.
—
8. 128.
Sowohl der eigentliche Handel, als der unmittelbar zwiſchen
Erzeugern und Zehrern gepflogene Tauſchverkehr (8. 99.) und
überhaupt jeder Verkehr mit Sachgütern bedarf des Geldes
($. 62), naͤmlich einer Sache, welche von allen Menſchen gern
angenommen wird, um wieder im Verkehr hingegeben zu wers
den, folglich als allgemeiner Gegenwert (Wequivalent) von
Gütern und Leiftungen dienen fann. Eoweit nicht ein bloßes
Zeichen (Papiergeld), fondern ein Gut von beſtimmtem Werthe
und Koftenbetrage (3. B. Metallgeld) ald Geld gebraucht wird,
bildet der Geldvorrath eine felbftftändige Gütermafle und einen
befondern Theil des Volfövermögend. Wie jeder Einzelne, der
taufchen oder andere Gefchäfte der Güterübertragung vornehmen,
3. B. leihen, miethen, Lohn bezahlen will, einen Theil. feinee
Vermögens in ber Form bed Geldes vorräthig haben muß, fo
ift auch einem ganzen Volke eine gewiffe Geldmenge nöthig, bie
zur Erleichterung ded Verkehrs ald Werkzeug dient und bie
darum zum Bapitale gerechnet werben darf, weil dieſer Ver⸗
— 11. —
kehr mit der Hervorbringung neuer Güter in dem engften urs
fahlihen Zufammenhange fteht (a).
(a) Unter den Geldgeichäften befinden fich viele. die auf bie Erzeugung
neuer ®üter gar feinen Bezug haben, 3. B. die Bezahlung unpro-
tuetiver Dienfte. Genau betrachtet dürfte man nur den Theil des
Geldes ale Capital anfehen, der zu den die Hervorbringung mittelbar
oder unmittelbar förbernden Ausgaben gebraucht wird. Jedes Geldſtück
dient aber bald zu der einen, bald zu ter andern Beftimmung. Wr
enger befchränft Say bie Gapitalelgenfchaft des Geldes, Hantb. U
270., vgl. Rau in Bölig, Jahrb. 1829. IV. Heft.
$. 129.
Das Bapital eined Volkes begreift demnach
A) folche Beftandtheile, die unmittelbar für einzelne Zweige
der Verrichtungen erforderlich find, nämlich 1) Verwandlungs-
ftoffe, 2) Hülfsftoffe, 3) Unterhaltsmittel für die Arbeiter,
4) werfzeugliche Hülfsmittel, 5) Waaren oder Zaufchvorräthe;
B) das allgemeine Erleichterungsmittel jedes Verkehres, das
Gelb.
Alle diefe Theile, nur die Vorräthe ausgenommen, find mehr
oder weniger einer Verzehrung unterworfen. Die Berwandlungs-
und Hülföftoffe nebft den meiften Unterhaltömitteln werben
fchnelfer und in demfelben Maaße verbraucht, ald ſich neue Güter
bilden, die übrigen Theile erleiden wenigſtens eine Abnügung,
von der auch dad zum Gelde gebrauchte Material nicht frei bleibt.
Das Eapital und die Genußmittel kommen in biefer Hinſicht
mit einander überein und ihr Unterfchied Liegt nur in dem Um-
ftande, daß diefe bei ihrer Verzehrung feinen Erfag in fachlichen
Gütern gewähren, während die Verminderung des apitaled
durch neue gleichzeitig entftehende ſachliche Güter wenigſtens
vergütet, wo nicht überwogen wird. Die Beftandtheile bes
Gapitald Fönnen auch bei gleichbleibender Größe defjelben im
Ganzen wechfeln, fowohl zufolge einer Eonfumtion und Pro⸗
duction, als durch Vertauſchung, 8. 122.
$. 130.
Durch die Anwendung eines Capitaled fann auch anderen
Güterquellen ein höherer Werth und insbefondere eine flärfere
productive Fähigfeit gegeben werden. Die fo entftandenen Eigen,
ſchaften einer anderen Güterquelle dürfen nicht mehr zu den
— 152 —
Arten des Capitales gerechnet werden, wenn die auf ſte gewen⸗
deten Güter aufgehört haben als abgeſonderte Vermoͤgenstheile
vorhanden zu ſein. So kann 1) mit einem Koſtenaufwande ein
Arbeiter höhere Geſchicklichkeit erlangen, durch Unterricht,
Reifen c. Man hat die auf ſolche Weife gefteigerte Fähigfeit
der Arbeiter ald perfönlihes Kapital aufgeführt (a), weil
fie die Stelle ded hiezu aufgeopferten Gapitales einnimmt. Allein
die Eigenfchaften der Menfchen, wie wichtig fie immer als Ur⸗
ſachen der Güterentftehung fein mögen, gehören ald perfönliche
Güter nicht in das Vermögen, alfo auch nicht in dad Capital
($. 46); ed ift unangemeflen, den Menfchen, zu deffen Wohl:
fahrt überhaupt die fachlichen Güter beftimmt find, in irgend
einer Beziehung unter die Sachen zu zählen. 2) &8 fönnen
auh Grundftüde mit Hülfe eines Capitalaufwandes ergiebiger °
gemacht werden; Grundverbefferungen (Melidratios
nen). Diefe find offenbar ein Zweig der Production, aber
wofern fie nicht ein von dem Boden zu unterfcheidendes Baus
werk, fondern nur eine beſſere Beichaffenheit des erfteren bewirfen,
wie 3. B. die Entwäflerung, dad Aufführen von Erde, bad
Ebenen, die Bewäflerungseinrichtungen u. dgl., fo ift fein Ca⸗
pital mehr vorhanden, und es ift den Grundftüden eine Werth⸗
menge augewachſen, während jenes ſich vermindert hat (5).
(a) Smith, U, 11. — Simonde, Rich. comm., I, 45. — Say,
Handb. 1, ir: "Ein eriwachfener Drei) I ein aufgefammeltes Ga
pital.“ — MM’ Cuiſoch. Grundſaͤtze, „Jedes Individiuum,
welches ſeine Reife erreicht hat, kann Br Nafcıie betrachtet werden,
welche 20 Sabre emfiger Aurmerkfamfeit und ein anfehnliches Gapital
an Bauausgaben gefoitet hat.“ — Richtig vagegen Hermann, Unterf.
— Der Nusdrud perfönlides Capital wäre nur in
einem —E Sinne zuläffig, der einer ſtrengen Wiſſenſchaft nicht
angemeſſen iſt.
(6) Rau zu Storch, Zuß 40. — Dagegen Smith, U, 11. — Stord,
I, 147. — -Miedel, ‚$. 3799. — Roſcher, ‚Syftem, I, 65.
$. 131.
Das Bapital wird in Rüdficht feined Verhaltens gegen den,
ber ed anwendet, in ſtehendes und umlaufende (a) ges
theilt. Zu jenem rechnet man diejenigen Güter, welche im
fortdauernden Gebrauche bei der Arbeit fich förberlich erweifen,
wie bie Gewerbögebäude und Geräthe und die dauernden Unter:
haltömittel, 3. ®. Wohnungen, Haudgeräthe ıc. ber Arbeiter;
— 1538 —
dem umlaufenden Capitale gehören dagegen diejenigen an,
welche erft dann hervorbringend wirfen und eine Einnahme zu
Wege bringen, wenn ber Eigenthümer aufhört fie zu befigen,
indem er fie entweder weggiebt, oder felbft verzehrt; dieß Merk⸗
mal findet ſich bei dar anderen vorhin aufgezählten Beftand-
theilen des Bapitaled (5). Die Verwandlungsftoffe, nachdem
fie die bezwedte Veränderung erlitten haben, und die fertigen
Waaren pflegen durch Tauſch in andere Hände zu gelangen,
ebenfo das Geld; die Hülfsftoffe und diejenigen Unterhaltsmittel,
welche nicht ohne Verbrauch zu benugen find, wie Nahrung,
Heizftoff, werben bei der Arbeit verzehrt, auf ſie paßt daher bie
übliche Benennung umlaufend weniger (ce). Das Geld gehört
zwar den angegebenen Begriffe nach ebenfalls zu dem umlaus
fenden Eapitale, weil ed erft Vortheil bringt, wenn man es
audgiebt, unterjcheidet ſich aber auch wieder wefentlid von den
anderen Beftandtheilen befielben, indem es ſtets im Umlaufe
unter den Menfchen bleibt. Betrachtet man alfo die Wirthfchaft
eined ganzen Volkes, fo fann man das Geld deſſelben ale ein
unter den Mitgliedern umberlaufendes, in feiner Art ganz eigen»
thümliches Werkzeug des Verfehres betrachten, und es finden fi)
in ihm die Merkmale beider Arten des Capitales vereinigt (d).
(a) Miß Martineau fchlägt dafür den Ausdrud reproducibles Ga-
pital vor, 1L, 51. (Hill and valley.)
(6) Das ftehende Capital iſt zwar meiltens von längerer Dauer, während
die Berzehrung des umlaufenden fchneller erfolgt; die Werkzeuge des
Schreinere 3. B. nuͤtzen fih langfamer ab, als die Nahrungsmittel
feiner Arbeiter, die Holzſtuͤcke sc. verbraucht werben, doch liegt das
Unterfcheidungsmertmal beider Arten des Gapitales nicht blos in dieſer
ungleihen Dauer, wie Ricardo glaubt (der deßhalb dieſe ganze
Gintheilung mißbilligt, Grundgef. ©. 17). Die Veredlung mander
verarbeiteter Stoffe dauert lange, 3. B. der Häute in der Lohgerberei,
und es findet nicht einmal immer eine wahre Verzehrung derfelben Statt
($. 68. (d) ), aud die fertigen Waaren werben, fo lange fie im
Gapitale des Kaufmanns find, nicht confumirt, während manche Ges
räthe, 3. B, die Mehlbeutel von kurzer Dauer find.
(e) Sie kann nur fo verfianden werden, daß der Unternehmer ftatt der Gas
pitaltheile, die aus feinem Befiße treten, andere Güter erwirbt, daß
alfo ein Weggehen und Ankommen Statt findet.
(«) Smith, I, 6. 10.
$. 132.
Die Unterfeheidung diefer beiden Arten des Capitales muß
bei ber Koftenberechnung zu Grunde gelegt werben, die in einem
— 14 —
mit Hülfe bed Capitales unternommenen Gefchäfte, abgefehen
won einem Gewinne, fehon zur bloßen Schadloshaltung ange-
ſtellt wird. Das umlaufende Bapital muß nämlich durch das
neue Erzeugniß, zu deffen Hervorbringung es gaͤnzlich aufge-
wendet worben ift, auch wieder ganz eyfeßt werden, von dem
ſtehenden Eapitale braucht nur bie während der Erzeugung einer
gewiflen Gütermenge vorgegangene Abnügung vergütet zu wer:
den, um ben Eigenthümer zu entfchädigen (a).
Das Größenverhältniß beider Arten ift in den einzelnen
Zweigen der hervorbringenven. Befchäftigungen jehr verfchieden.
Manche einfache Gewerke bebürfen im Verhältniß zum umlau-
fenden nur eines fehr Fleinen ftehenden Capitales, die Fiſcherei,
der Handel, die Zandwirthichaft fchon eines viel größeren, bie
funftreichen Gewerfe und der Bergbau eines fehr großen. Der
Einzelne, der Capitale benußt, fucht von felbft die beiden Claſſen
berfelben in ein ſolches Verhaͤltniß zu feßen, wie ed nad) dem
Weſen jeder probuctiven Beichäftigung am vortheilbafteften ift.
Auch in der ganzen Volkswirthſchaft Fommt viel darauf an, daß
zwijchen beiden Arten des Capitales und den verfchiedenen Bes
ftandtheilen beffelben ein richtiges Verhältniß obmalte. Bei den
Fortfchritten der Zunft und der Eapitalanhäufung pflegen die
ftehenden Gapitale ftärfer ald die umlaufenden vermehrt zu wer:
den, hauptfächlich diejenigen, weldye die Wirkfamfeit der Arbeit
befördern, und ber alte Reichtum eines Volkes giebt ſich beut-
ih in der Menge feiner ftehenden Bapitale, ald Gebäude, Ma-
ſchinen, Straßen, Brüden und bergl. fund. In der Kindheit
der Volkswirthſchaft ift das ſtehende Capital auffallend Flein.
(a) Es feien 3. B. auf jedes von zwei Bewerben A und B in einem
Jahre 28000 fl. Eapital angewendet, abez in ımgleichem Berhältniß,
naͤmlich:
A B
ftehendes Gapital . . . . . 10000 fl. 18.000 fl.
umlaufentee . . 2 2. .18000 fl. 10.000 il.
sufammen 28000 fl. 28 000 fi.
Die Me tes ftebenden Gapitales betrage 10 Procente, fo
fommt zu erftatten (ohne Zins und Gewinn) “
B
das ganze umlaufende Eapital 18 000 fl. 10.000 fi.
Abnügung des fiehenten . . . 1000 fl. 1 800 fl.
zuſammen 19000 fl. 11800 fl.
Es wird folglich obgleich in beiden Fällen das ganze angewendete
Kapital von gleicher" @xöße ift, das Erzeugniß von A 19000 fl., das
— 15 —
von B aber 11000 fl. einbringen müflen, damit die Gapitale vollfums
men wieder erfeßt werden. an fieht hieraus, daß die Ginführung
größerer ſtehender Gapitale, zumal wenn fie fehr dauerhaft find, die
often der Erzeugniſſe wenig (etwa um 10 Proc. jener Bapitale) er:
höht, während eine Erſparung an den umlaufenden Gapitalen fie weit
beträchtliher (um 100 Proc. der legteren) erniedrigt.
I. Entftebung der Gapitale.
$. 133.
Ein Capital entfteht, indem neue Güter hervorgebradt,
jodann von der BVerzehrung für bloßen perfönlihen Vortheil
übergefjpart und auf hervorbringende Arbeit anger .
wendet werden (a). Auf diefe Weife erfolgt regelmäßig bie
Vermehrung der Capitale. Achtet man näher auf die Art der
neu übergefparten Gütervorräthe, jo ift ihre Yähigfeit, das
Rationalcapital zu vergrößern, ſogleich außer Zweifel, wenn fie
1) unmittelbar felbft tauglich find die Hervorbringung zu unter
fügen, wie die Lebensmittel für Arbeiter, Berwandlungsftoffe
und dergl.; 2) wenn fie aber aus andern Gütern, namentlidy
aus Geldfummen beftehen, in welcher Form die meiften Erſpar⸗
nifje gemacht werden, fo fönnen fie an und für ſich nicht ale
neue volkswirthſchaſtliche Capitale angefehen werden, und ber
Befiger muß fie erft gegen andere Güter umfegen, um fie ber
vorbringend zu machen (5). Da jedoch die regelmäßigen Gelb»
einfünfte, von denen man einen Theil zurüdlegen kann, immer
zulegt von einer neuerzeugten oder aus dem Auslande herbeis
geführten Gütermaffe herfiammen ($. 251), fo läßt ſich anneh⸗
men, baß jeder angefammelten Geldfumme irgend eine folche
neu hinzugefommene Quantität von Waaren entfpreche, an deren
Stelle dad Geld getreten ift, und daß auch wieder irgend eine
andere, als Gapital verwenbbare Menge von Stoffen, Werts
zeugen ıc. mit jener Geldfumme erfauft werben Fann.
(a) Blieben die angehäuften Borräthe ungebraucht liegen, fo wären fie,
genau betrachtet, gar Fein Gapital und trügen zur Bermehrung des
ermögens nicht bei ($. 52). Vgl. Lauderdale, Ueber National:
wohlftand, S. 51. 52. — Wo indeflen nur vollkommene Sicherheit der
Rechte beſteht, da finden die Menfchen im Allgemeinen Binreichende
Beweggründe, ihre Erſparniſſe nicht ungenügt liegen zu laffen.
— 156 —
(5) Die erfparten Geldſtuͤcke ſelbſt find in den meiften Fällen fchon früher
im Volksvermoͤgen geweſen.
8. 134.
Die jedesmalige Größe des Capitales eines Volkes iſt eine
Wirkung des Kunſtfleißes und der Sparſamkeit der einzelnen
Buͤrger, ſowie der Feſtigkeit und Gerechtigkeit der Regierung;
man kann fie groͤßtentheils als eine Folge der geiſtigen und
moraliſchen Kraͤfte in einem Staate anſehen, ſofern nicht be⸗
ſondere Stoͤrungen obgewaltet haben. Die Zahl der ſparſamen
Menſchen pflegt im Verhaͤltniß zu der Menge von ſchlechten
Wirthen ſo groß zu ſein, daß das ganze Capital eines Volkes
gewoͤhnlich nicht blos unvermindert bleibt, ſondern auch fort⸗
waͤhrend anwaͤchſt, obgleich in der Regel nur langſam. Der
herrſchende Grad von Vorſicht und Selbſtbeherrſchung oder von
Leichtſinn und Genußſucht in einem Volke oder einzelnen Staͤn⸗
den deſſelben ſowie die Gefchiclichfeit und ber Erfolg, womit
die hervorbringenden Arbeiten betrieben werden, können bie Zus
nahme des Capitales bejchleunigen oder verzögern (a), befondere
Ereigniffe aber, wie unglüdliche Kriege, bürgerliche Unruhen,
Waſſersnoth und dergl., können felbft eine Berringerung des
Gapitaled verurfachen (d). Eine Vermehrung deſſelben durch
fortgefeßte® Ueberfparen wäre erft dann unnüß, wenn fich weder
zu einer productiven Anwendung im Lande, nody zum Ausleihen
oder Anlegen in anderen Rändern Gelegenheit zeigte. Auf eines
von beiden Mitteln wird man aber immer rechnen können; es
ift deßhalb Fein Stilftand des Capitalanwachſes zu beforgen,
nur daß berfelbe allmälig, bei der Abnahme des Zinsfußes und
Gewinnes langfamer wird (ec).
fa) Betrachtungen über die Stärke des Antriebes zum Sparen bei St.
Mill, L 191.
(8) Die Ueberfhwenmungen in Schlefien im Auguft 1854 verurfachten einen
Schaden von mehr als 8 Mill. Thlr.
(e) Die Schwierigkeit, für ein Kapital im Lande gute Anwendung zu finden,
ift oft nur eine Folge fehlerhafter Staatseinrihtungen oder befchränkter
Kenntnig. In Deutfchland war bisher eine Menge von einträglichen
Unternehmungen, die in den Nachbarländern längft die beften Krüchte
getragen Haben, noch nicht verſucht worden. In den legten Jahren,
namentlich feitbem die Handelsfreiheit im größten Theile von Deutſch⸗
land einen lebhafteren Cifer für große Unternehmungen entzündet bat,
ift in dieſer Hinfiht fchon vieles ausgeführt und vorbereitet worden.
Die Vervollkommnung ber Gewerbstunft und die Vermehrung der
— 157 —
menſchlichen Bebürfniffe eröffnen fortdauernd ein weiteres Feld für die
Benugung neuer gefammelter Capitale. — Dagegen Lauderdale,
a. a. D. S. 53 ff. Bol. Lok, Handb. der Staatsw. I, 207 ff.
Sechster Abſchnitt.
Zuſammenwirken der Güterquellen.
$. 135.
Die bisher betrachteten Güterquellen üben nur dann ihren
Einfluß auf die Hervorbringung, wenn fie miteinander in Ver⸗
bindung gefeßt werben. Die Naturfräfte, die ſich fowohl in den
Grundftüden, ald in den Theilen ded Eapitaled, nämlich den
Stoffen und Werfgeräthen, äußern, leiften ohne den Beiftand
der Arbeit wenig Nuͤtzliches. Die Arbeit ift wieder von der Hülfe
bed Eapitaled abhängig, fie kann die Gründftüde nicht entbehren
und wird von den Naturfräften unterflüßt. Bei diefer wechfel-
feitigen Abhängigfeit der Güterquellen von einander ift es von
Wichtigkeit, daß fie in einem richtigen Verhaͤltniß der Größe zu
einander ftehen. Wäre die eine von ihnen im Vergleich mit
den übrigen fehr ausgedehnt, fo hätte diefes für den Augenblid
geringen Augen. Zwar lenken fi) von felbft die Beftrebungen
der Menfchen darauf bin, ein ſolches Mißverhaͤltniß zu heben;
Arbeiter wandern aus und ein, Eapitale werden vom Auslande
herbeigeholt oder hinausgefendet, neued Bauland wird dem Meere,
ben Felſen ıc. abgewonnen ıc., aber diefe Ausgleichung erfolgt nur
allmälig und ed kann daher die herrfchende Richtung ber pro-
buctiven Gefchäfte lange von einem ſolchen eigenthümlichen Vers
hältniß zwifchen den Güterquellen beftimmt werden (a).
(*) Wenn die Menge von Grunpdftüden im Bergleihe mit dem Capitale
und der Arbeiterzgahl zu Fein iſt, fo verlegt man ſich vorzüglich auf
folche Beichäftigungen, die, wie @ewerfe und Handel, wenig Raum auf
der Erdoberflaͤche erfordern.
$. 136.
Derjenige, welcher feines Gewinnes willen die üterquellen
miteinander in eine folche Verbindung fest, daß fle eine hervors
bringende Wirkung äußern, ift der Unternehmer eines Pro—
ductionszweiges oder eined hervorbringenden Ge—
werbes, der Gewerbömann (a). Häufig befigen die
— 158 —
Grundeigenthuͤmer kein ſolches Capital, wie es zur vortheilhaften
Benutzung ihrer Grundſtücke erfordert wird, auch gebricht es nicht
felten ſowohl ihnen als den Capitaliſten an ber Fahigkeit oder
Neigung zur Betreibung productiver Arbeit. Iſt nun ſchon aus
dieſer Urſache ein beſonderer Unternehmer nothwendig, dem jene
beiden ihre Vermoͤgenstheile zur productiven Anwendung uͤber⸗
laſſen, ſo wird dieſes Beduͤrfniß noch viel dringender durch den
Umftand, daß die Beichäftigung mehrerer Arbeiter, die für einerlei
Zweck zufammenvwirfen follen, von Einem audgehen muß, ber
ihre Berrichtungen leitet und fie mit Capital verforgt. Der
Unternehmer ift es alfo, welcher die DVermittelung zwifchen den
Eigenthümern ber einzelnen Güterquellen, d. i. den Grund» und
Eapitaleignern und den Arbeitern, vornimmt (b). -
(a) Der Name Gewerbsmann ift der gangbarfie und macht audy andere
Austrüde 3. V. Induftrieller (industriel) überflüffte. Das Wort
Unternehmer wird im gemeinen 2eben am häufigften von neuen und
roßen Arten der Gewerbsgeſchaͤfte — z. B. Theater, Bauten,
erſicherungen. Die Landwirthe, Handwerker, Fabrik- und Handels⸗
herren find aber gleichfalls Unternehmer.
(6) 86 ändert im Begriffe des Unternehmers nichts, daß derſelbe in der
Wirklichkeit oft zugleich Bigenthümer des Eapitales und auch des Grund:
ftüdes ift, wie 3. B. die felbfiwirthfchaftenden Grundeigenthümer. —
Die Naturfräfle werden hier nicht befonders erwähnt, weil fie fein be:
fonderer Bermögenstheil find und der Unternehmer duch die Grund:
ftüde und Gapitale in den Stand geſetzt wird, jene zu benußen.
Ä 8. 137.
Zu einer Unternehmung (a) gehört Bolgendes: 1) dad Zus
fammenbringen der erforderlichen Güterquellen, woza, wenn biefe
überhaupt vorhanden find, ein hinreichended Capital aus eiges
nem oder fremden Vermögen in der Hand des Unternehmere
bie Hauptbebingung iſt, indem mit ihm die Grundſtücke und
Arbeitskräfte erworben werden fünnen. Die Größe bed erfors
derlichen Capitales macht in manchen Yällen die Bereinigung
mehrerer Theilnehmer für eine einzige Unternehmung nothwendig.
2) Die Leitung ded Gefchäfted, eine Arbeit, und zwar eine
fhwierige, meil fie nicht allein Bekanntſchaft mit den zu ver
anftaltenden einzelnen Berrichtungen, ſondern auch höhere geiftige
und moralifche Eigenfchaften, 3. B. vielerlei gründliche Kennt⸗
niffe, Erfahrungen, Combinationsvermoͤgen, um die einzelnen
Berrichtungen und Kunftmittel auf die vortheilhaftefte Weife in
— 19 —
Zuſammenhang zu ſetzen, ferner Beſonnenheit, Feſtigkeit des
Willens, Ordnungsliebe ꝛc. in Anſpruch nimmt. Die Thaͤtig—
keit der einzelnen Gehuͤlfen, die an der Ausfuͤhrung Theil
nehmen, iſt nur auf eine beſondere Seite des ganzen Geſchaͤftes
gerichtet und es iſt die Aufgabe deſſen, der die Unternehmung
leitet, ſtes dad Ganze zu überbliden und Alles in gutem Zus
fammenhange zu erhalten. 3) In den meiften Faͤllen auch die
Uebernahme der Gefahr, daß das Unternehmen mißlingt oder
doch nicht nady Erwartung gelingt und daß folglich dad ange
wendete Vermögen ganz oder theilweife verloren geht. Nur fehr
wenige Unternehmunnen find frei von allen ſolchen Gefahren,
die aus mandherlei Zufällen herrühren (5).
(a) Man verfteht unter einer folchen überhaupt eine in fi zufammen:
haͤngende, als ein abgefondertes Ganzes gedachte Anwendung von Ga-
pital und Arbeit für den Zwed des Gewinnes, vgl. die, Grffiung von
Ertrag, $. 70. Es giebt Unternehmungen von Stoffarbeiten, Han:
dels- und Dienftgefchäften, — productive und unproductive, — eines
Menfchen oder einer Gefellihaft, — ſolche, die aus einem einzelnen,
nur einmaligen Erlös gebenden Geichäfte beftehen, 3. B. eine Handels⸗
jpeculation, fo daß jeder Kaufmann eine Menge von Unternehmungen
neben » und nacheinander veranftaltet, und foldhe, die ihrer Mefenbeit
nad, 3. B. wegen des großen ſtehenden Gapitales, längere Fortbe⸗
treibung erfordern, wie ein Bergwerk.
(d) Hieraus wird der Unterfchied zwiſchen den Unternehmern und ihren
Lohnarbeitern deutlih. Allerdings giebt ed Unternehmungen, bie mit
fo geringem Capital betrieben werden, daß fie nahe an bloße Lohn⸗
arbeit gränzen und daher einen Uebergang zwiichen beiden Arten von
Thaͤtigkeit bilden, aber dies ift der feltnere Ball, in den meiften tritt
der Unterfchied defto ftärker hervor.
8. 138.
Der Bortheil der Hervorbringung für die ganze Gefellfchaft
ift der Ueberſchuß der neuerzeugten über die verzehrte Werth:
menge. Die Eigenthümer von Grundflüden und Eapitalen werden
aber nur dann ihre Vermögenstheile zur Production verwenden
oder verwenden laffen, die Arbeiter und Unternehmer nur dann
ihre Ihätigfeit äußern, wenn fie daraus einen wirthfchaftlichen
Bortheil erlangen, d. h. wenn ihnen ein Theil der neu hervors
gebrachten Güter zufällt. Sie fprechen deßhalb nicht blos eine
Schadloshaltung für ihre Ausgaben oder Verlufte, fondern noch
ein weiteres Einfommen an. Die Ausficht auf diefe Theilnahme
an dem Erzeugniß bedingt alfo die Mitwirkung der genannten
Bolföclaffen zur Gütererzeugung (a).
— 162 —
(a) Wo z. B. ein Land unter fremde Sieger vertheilt wurde, iſt das große
Grundeigenthum und die Duͤrftigkeit der landbauenden Claſſe leicht
erklaͤrlich. Irland — England nach der Ankunft der Normannen, —
die Tuͤrkei nach dem Ginbringen der Osmanen. — In Frankreich werden
gegen 5 Mill. Grundeigenthümer angenommen (Brincard in Journ.
des Econ. 2. Ser. V, 173 rechnet fogar 7,7 Mill.).. Der preuß. Staat
hatte 1849 1790869 und 1852 1965462 ländliche Befißungen, alfo
eine auf je 9,1 und 8,5 @inwohner, genau genommen aber etwas
weniger, weil Beſitzungen eines Gigenthümers in mehreren Feldmarken
mehrfach gezählt find. Die Zahl der britifhen Grundeigenthümer ift
nicht genau befannt. Beeke und M’Eullocd nahmen 200000 für
England, d'Israeli 1850 250000 für die 3 Reiche an. Die erſt⸗
genannte Zahl muß zu body fein, weil nur 223000 Landwirthe (oc-
cupiers) in England und Wales vorhanden find, nah Porter 236000,
ol: 6. 368 (ec). H. Schulze, Nationalöf. Bilder aus dem engl.
olfsleben, 1853, ©. 91. — Die Volkszählung von 1851 giebt für
Großbritanien nur 35 303 Gigenthümer, wahrfcheinlich etwas zu gering.
Economift, 19. Auguft 1854. — Das europäifhe Rußland ohne Polen
und Finnland bat 109318 Grundeigenthümer, auf deren jeden 0,2 OMei-
Ien fommen. T — — I, 34 — —* ee
rungen in der Vertheilung des Grundeigenthums in ran ich e⸗
let, Das Volk, S. 49 ſdeutſch Mannheim 1846).
g. 141.
Die Vertheilung des rohen Volkseinkommens ift als Mittels
glied zwiſchen der Hervorbringung und DVerzehrung ber Gegen-
ftand einer befonderen Betrachtung (a), denn 1) fie fteht mit ber
Hervorbringung in genauem Zufanmmenhange, indem a) das
Maaß der Vertheilung von dem Grade der Mitwirkung eines
Jeden zu jener theilweife beftimmt wird, 3. B. bie Gapitalrente
von der Menge der zu Hülfe genommenen Gapitale, b) die Art
der Bertheilung auch wieder auf den Umfang ber fünftigen Pros
duction Einfluß hat, denn dieſe kann da am größten werben,
wo ber größte Theil des Volkseinkommens in die Hände folcher
Berfonen gelangt, welche Gefchidlichfeit, Neigung und Gelegen⸗
heit haben, ed hervorbringend anzuwenden; 2) fie beftimmt aud)
die Art des Verbrauches, das Berhältniß der proburtiven
und ber nichtprobuctiven Verzehrung und den Umfang bes
Gütergenufled der verfchiedenen Bolköclaffen.
(a) Bei Lotz (Hanbb. I, 305) wird die Bertheilung in dem der Conſum⸗
tion gewidmeten Abſchnitte abgehandelt. — Ueber den heutigen Stand
diejer Lehre f. Rich. Jones, An essay on the distribution of wealth
and on the sources of taxation. Lond. 1831, Vorrede. 2. unveränderte
Ausg. 1844.
— 165 —
g. 142.
Die Volksclafſen können in Beziehung auf die Urſache, aus
welcher fie von bem Volkseinkommen ihre Antheile erhalten, fo
abgetheilt werben:
1) Orundeigner;
2) Eigenthümer bed wahren volföwirthichaftlichen Bapitales
und ber gegen eine Vergütung verliehenen Genußmittel ($. 54);
— Capitaliſten im weiteren Sinne. |
3) Unternehmer von hervorbringenden und von Dienfts
gewerben,
4) Xohnarbeiter in beiden Arten von Beichäftigungen ;
5) Perfonen, die ohne eine Leiftung von ihrer Seite erhalten
werden, wie Arme, Sträflinge, oder die ſich widerrechtlicher
Weiſe ernähren, Diebe, Betrüger ıc.
8. 143.
Bei einer nicht mehr ganz einfachen und unentwidelten Volks⸗
wirthfchaft wird nur ein Heiner Theil aller neu erzeugten Güter
fogleih von Denjenigen verbraucht, welde fie hervorgebracht
haben. Die meiften Erzeugniffe gelangen erft durch den Ver⸗
Fehr (8. 8.) zu Denen, deren Bebürfniffe fie befriedigen follem.
Der Berfehr ift e8, welcher den Mitgliedern jener verfchiebenen
Bolfsclafien ihr Einkommen in irgend einer Art von Gütern
zuführt und auch jedem Einzelnen die Erlangung irgend eines
beftimmten Gutes von anderen Menfchen durdy den Tauſch leicht
macht. Um daher zu erfennen, wie die Vertheilung des jähr-
lihen Erzeugnifles vor fi) geht, muß man zuvor bie Bebins
gungen des Güterverfehrs erforjcht haben (a).
(a) Unkörperliche Gegenſtaͤnde koͤnnen hiebei als Gegenwerthe ſachlicher
Güter in Betracht kommen, z. B. die Arbeit. Aber derjenige Verkehr,
bei welchem die gegenfeitigen Leiſtungen gar nicht in fachlichen Guͤtern
beftehen, kann hier feine Brroäinung finden, fo wie aud in ihm fein
genaues Beachten eines Maaßes vorfommt, weil hier die Beweggründe
des Gigennuges wegfallen; 3. B. Austauſch von Dienften
8. 144.
Das Maaß, nach welchem im Verkehre Leiftungen irgend
einer Art in Vermoͤgenstheilen vergütet werben, ift der Preis,
8. 56. Die Einnahmen der Einzelnen beſtehen größtentheils
. 11*
— 154 —
aus dem erhaltenen Preiſe ihrer für Andere gefchehenen Leiſtun⸗
gen, weßhalb zur Einficht in den Güterverkehr die Unterfuchung
der Urfachen erforderlich ift, von welchen bie Preiſe beftimmt
werden. Hieraus wird ed beutlich, daß die Lehre von der Ver⸗
theilung des Einkommens ſich auf die natürlichen Geſetze des
Preifes und auf den von dieſen beftimmten Berfehröwerth
($. 60) ftüßt (a).
(a) Darum wird aber doch die im 1. Bud enthaltene Beleuchtung des
Gebrauchswerthes keinesweges überflüffig, denn man muß überall auf
diefen zurüdgehen, um die Erfcheinungen des Verkehrs nach ihrem Cin⸗
fluß auf den wirthſchaftlichen Zuftand der Menfchen zu würdigen.
$. 145.
Insgemein verfteht man unter dem Breife nur den Gegen:
werth, der bei der Vertauſchung eines fachlichen Gutes in anderen
Gütern für dafjelbe gegeben wird. Diefer Tauſchpreis ber
Güter ift oben ($. 56 ff.) in feinem Berhältnig zu dem Werthe
betrachtet worden. Indeß haben auch andere Leiflungen einen
Preis, da fie vertragsmäßig mit beftimmten Duantitäten yon
Bermögendtheilen vergolten werden, und biefer Preis regelt das
Einfommen derjenigen Menfchen, welche fortwährend ſolche Leis
ungen für Andere vornehmen, $. 139. Dahin gehört 1) der
Preis der für einen Anderen verrichteten Arbeit, der Lohn;
2) der Preis der Bodenbenutzung, alfo die dem Grundeigen⸗
thümer vom Pachter entrichtete (ausbedungene) Grunb-
rente; 3) der Preis der Capitalbenugung, die Kapitals
tente, bie der DBermiether oder Darleiher vom Miethenden
oder Borgenden empfängt.
— 165 —
Zweiter Abſchnitt.
Preis beim Tauſche.
Erfte Abtbeilung.
Beſtimmgründe des Preiſes.
8. 146.
In jedem Tauſche werden beſtimmte Mengen zweier Guͤter
gegeneinander hingegeben und inſofern einander gleichgeſetzt, wie
verſchieden ſie auch ſonſt dem Werthe und den Koſten nach fein
mögen (a). Die gegebene und empfangene Menge des einen
Gutes bildet hiebei wechfelfeitig ben Preis des anderen (b), und
ed mußte daher in der Kindheit der Volkswirthfchaft der Preis -
jedes einzelnen Gutes bald gegen dieſes, bald gegen jenes andere
Gut verabredet werden, wie ed gerade zufällig die Vertauſchun⸗
gen mit ſich brachten, $. 60 (5). Es gereicht aber zur größten
Bequemlichkeit, wenn man die Breife aller Güter in Quantitäten
einer und berfelben Sache ausdrückt, die hiedurch zum allge-
meinen Preismaaße wird. Das übliche Umlaufsmittel oder
das Geld ($. 127) dient zugleich als Preismaaß, nad) deſſen
Einführung fat nur noch Taufche gegen Geld vorfommen und
alle Preife in Geldmengen ausbebungen werden, — Geld—
preife, was die Auffaffung und Ueberficht der Preisverhältniffe
ſehr erleichtert.
(a) ine fchäßbare Monographie der Lehre vom Preife in Hermann,
Staatsw. Unterf. 4. Abfchn. S. 66—144. Ueber die Befchichte dieſer
Lehre Roſcher, Syſtem ber BW., I, 168. — Diejer Abichnitt der
Bolfswirthichaftslehre kann aus ben Erfahrungen im täglichen eben
fortdauernde Bereicherung empfangen. Die Güte jeder Preistheorie
läßt fih darnach prüfen, ob fie alle Erfcheinungen im Berfehr zu er:
flären vermag, und ob fie für jede die einfachfle, natürlichfte Erklärung
darbietet.
(5) Wird 1 Etr. Roggen für 6 Ellen Leinwand gegeben, fo find biefe ber
Preis des erfteren, man fann aber audy umgekehrt fagen, der Preis der
Elle Leinwand ift /6 Etr. Roggen, es kommt aljo nur darauf an,
welche von beiten Qualitäten als Einheit angenommen wird. Dieß
pflegt bei ter zu gefchehen, auf die man vorzugsweile achtet, weil man
fie einzutaufchen ober abzuſetzen beabfidhtigt.
— 166 —
6. 146 a.
Der Preis eined Gutes wird in jedem einzelnen Falle durch
die Webereinfunft der beiden Betheiligten (Käufer und Verkäufer)
feftgefeßt. Jeder von beiden fucht einen Bortheil bei biefem
Taufchgefchäfte und giebt zu bdemfelben unter gewiflen Bes
dingungen feine Einwilligung; er wird aber auch gewoͤhnlich
von Außeren, nicht in feiner Gewalt liegenden Umftänden in
feinen Entfchließungen befchränft und wenn er den Tauſch nicht
ganz unterlaffen will, genöthiget, fi) mit einem gewiflen Grabe
des beabfichtigten Wortheild zu begnügen, weßhalb hier unge⸗
achtet der Freiheit im Einzelnen doch wenigftend eine bedingte
Nothwendigkeit ftatifindet. Die brei Umftände, von welchen
die Größe des Preiſes abhängt, lafien fich fo überbliden:
A. Beftimmgründe der einzelnen Taufchenden:
1) der Werth ber zu vertaufchenden Güter, 6. 147,
2) die Koften berfelben, $. 148.
B. Geftaltung ganzer Gruppen von Kauf- und Berfaufluftigen:
3) das Mitwerben ober die Concurrenz, $. 152.
8. 147.
1) Der Werth, den wir einem ©egenftande beilegen, bes
ftimmt die größte Aufopferung, zu der wir und feiner Erlan-
gung willen nöthigenfalls entfchließen (a), und zwar bei den zu
eigenem Gebrauche beftimmten Dingen der Gebrauchswerth (5),
bei den anderen der Verkehrswerth. Niemand wird, wenn er
frei und mit Ueberlegung handelt, eine Uebereinfunft fchließen,
bei der er verliert, d. h. bei welcher die eingetaufchte Werths
menge Fleiner ift als bie hingegebene, ed wäre denn aus andes
ren, nicht wirtbfchaftlichen Gründen, oder in ber Hoffnung,
künftig beflo größere Gewinnfte zu machen. Sieht man von
folchen Fällen ab, fo fann man als erſtes Geſetz annehmen,
daß ber Preis eined Gegenftandes den Werth befielben für den
Käufer niht überfteigen fönne, $. 64.1) (c). Hieraus ers
Hären fi nachftehende Erfahrungen: a) Wenn mehrere Mens
fhen eine Sache einzutaufchen begehrten, fo wird berjenige am
meiften für fie geben wollen, für ben fie den größten individuellen
Werth hat, und der ber aufzumendenden Geldſumme den geringften
Werth beilegt, was eine Folge der größeren Wohlhabenheit if (d),
— 197 —
wie dieß bei den Berfteigerungen deutlich zu fehen if. b) Die
werthvollſten Güter können unter Umftänden, bie ihre Erlans
gung erfchweren, die allerhöchften Preiſe erhalten, was ſich 3.2.
in den Preiſen der Lebensmittel in einer belagerten Stadt, in
einer Wüfte oder zur Zeit einer Hungersnoth zeigt (e). c) Ie
geringer der Werth eined Gutes oder je entbehrlicher daſſelbe
ift, deſto flärfer vermindert fich bei der Erhöhung des Preiſes
die Zahl der Kaufluftigen, indem dann alle diejenigen auf den
Ankauf verzichten, für welche daflelbe nicht fo viel Werth hat,
als der geforderte Preis beträgt. Manche leicht entbehrliche
und doc) Eoftbare Güter werden nur von Reichen gefauft und
verlieren bidweilen den Abfag gänzlih. d) Wenn mehrere
Dinge, die nicht beliebig vermehrbar find und bei denen deß⸗
halb Feine Koften in Betracht kommen, zu einerlei Gebrauch
dienen, fo richten ſich die Preiſe ungefähr nach) dem Verhaͤltniß
ihred Werthed (f). Dieß gilt namentlid von den nußbaren
Ländereien (9). e) Der Verkäufer hofft von demjenigen einen
höheren Preis zu erlangen, ber das begehrte Gut ſehr nöthig
hat oder überhaupt hoch fchätt (A).
(a) Der Käufer giebt jedoch diefen Höchften Betrag nur’ dann, wenn er bas
Gut um einen niedrigeren nicht erwerben kann. In den meiften Fällen
ift hiezu Gelegenheit, daher fann zwar aus einem hohen Preife auf
eine hohe Werthſchätzung geſchloſſen werten, aber nicht umgefehrt. Wer
taufchte nicht auch das Unentbehrliche gerne wohlfeil ein?
(5) Nämlich der Sattungswerth in der Graͤnze bes concreten.
(0) Manche fcheinbare Ausnahmen von diefer Regel fallen hinweg, wenn
man den Werth richtig verfieht, denn derſelbe muß nicht gerade auf
einem materiellen Nugen, er kann auch auf Liebhaberei, Luft am Prunfe,
felbR auf Irrthum oder unfittliher Neigung (3. B. beraufchende Mittel)
u. dgl. beruhen; Seltenheiten, Niterthümer u. dgl. Daß Diamanten
in der That einen hohen Werth haben, zeigt Rossi, Cours, I, 67.
.(d) $. 64. 2) Wenn 3. 3. der A ein Gut 1tysmal fo hoch ſchaͤtzt als
der B und 3mal K viel Ginfünfte bat als diefer, fo baß ihm eine
gewifle Geldfumme nur fo viel werth ift, als dem B !/s berfelben, fo
wird er geneigt fein, 4'j/smal fo viel für die Sache zu bezahlen, als B.
Nur bei gleihen Bermögensumftänden mehrerer Kauflufligen druͤckt
fih in dem höchften Breife, den jeder aufwenden will, feine Werth⸗
Ihäßung aus.
(e) Sage von einem Reichen, der auf einer Reife durch die Sahara einem
dürftigen Begleiter die Hälfte vom Waflervorrathe des lepteren um uns _
geheuren Preis abfaufte, worauf dann beide umfamen.
Berhält fih der Werth zweier Güter m und n wie 2 zu 3, fo wird
fein Käufer n theuerer bezahlen ale um %s des Werthes m, und fein
Verkaͤufer daflelbe wohlfeiler hingeben.
(f
Nat
(HJ) Wenn ein Ader doppelt fo hoch verfauft wird, als ein anderer, fo fann
man ſchließen, daß er beiläufig den doppelten Reinertrag geben müfle.
Doc ift kein genaues Zufammentreffen der Preis: und Werthverhältnifie
zu erwarten, da bie Concurrenz manche Abweichungen verurfachen kann,
da Borurtheile, Gewohnheiten sc. die Anerfennung des Werthes oder
deſſen Berüdfihtigung im @ebrauche verhindern fönnen, auch oft ein
But noch eine andere Eigenthümliche Verwendungsart zuläßt. So
richtet ſich der Preis der Holzarten, obgleich er ziemlich unabhängig von
den Productionskoſten ift, nicht ganz nach der Brennkraft, weil 3. 3.
Gichenholz ale Bauholz geſucht it; Torf wird auch bei großer Wohls
feilheit nicht fogleih in allgemeinen Gebrauch gefeßt, weil er einen
Geruch hat und mehr Nfchenraum erfordert sc.
(A) Daher die befannte Klugheitsregel, die höhere Werthſchaͤtzung nicht Taut
werden zu laflen, bis man gefauft hat, und wo möglich auf das Ans
bieten des Verkäufers zu warten.
$. 148.
2) Die Koften der Hervorbringung und Herbeis>
fhaffung haben bei Sachen, welche regelmäßig erzeugt wers
den und beliebig zu erlangen find, einen ftarfen Einfluß auf
die Größe des Preifes. Der Berfäufer (a) ift gegen jeden
Verluſt gefichert, wenn er nur fo viel für dad Gut empfängt,
als er für daffelbe aufwendete oder nöthigenfall® zu beffen Wies
dererlangung aufzuwenden braucht. Er nimmt deßhalb bei einem
den eigenen Bebarf überfteigenden Vorrathe eines Gutes, der
für ihn nur einen Verkehrswerth hat ($. 61), hauptſaͤchlich
Nüdfiht auf die angemwendeten Koften (db). Bei Dingen, beren
wiederholte Hervorbringung und Bertaufchung Zwed einer Ges
werböunternehmung ift, die alfo der Unternehmer gar nicht auf
feine eigenen Gebrauchszwecke zu beziehen pflegt, wird von dem⸗
felben nur erwogen, wie viel fie ihm Eoften. Der Berfäufer
fucht einen Preis zu erlangen, der die Koften erſetzt und noch
überfteigt, er feheut dagegen den Berluft, den er erleiden würde,
wenn die Koften nicht vollftändig vergütet würden. Es ift daher
ein zweites Geſetz, daß die Verfäufer abgeneigt find, bie
Güter unter einem die Koften ihrer Anfchaffung nicht dedenden
Preife hinzugeben.
(a) Anftatt bei einer und derfelben Sache den Gefldhtspunct des Verkäufers
und Käufers zu trennen, fann man auch für einerlei Perfon die Be:
trachtung der Hinzugebenden und zu erwerbenden Sache unterſcheiden.
(5) Wenn 3. B. der Landwirth nur feinen eigenen Bedarf an Lebensmit:
teln baut, und vdiefelben nicht anderswo zu Ffaufen weiß, fo wird er
nur durch einen fehr hohen Preis zum Berfaufe eines Theils feiner
— 169 —
Borräthe bewogen werben fünnen. Erzeugt er aber mehr, als er ſelbſt
braucht, fo ift ihm der Ueberfhuß leicht feil, und fo geſchieht es, daß
Düter von hohem Werthe mit geringem Gegenwerthe eingetaufcht wers
ten fönnen.
6. 149.
Für den Käufer kommen bie Koften bed zu erwerbenden
Gutes neben dem Werthe deffelben aus folgendem Grunde in
Berüdfichtigung: Jeder ift feines Vortheils willen eifrig bedacht,
fi) die begehrten Gegenftände mit der geringften möglichen Aufs
opferung zu verfchaffen. Er wird einen geforderten Preis nicht
bezahlen, wenn er eine ©elegenheit flieht, auf einem anderen
Wege denfelben Gegenftand mit Fleinerem Aufwande zu erlangen.
Diefe Gelegenheit vermag er zu beurtheilen, wenn er die Koften
fennt, für welche er felbft oder ein Dritter die Sache erzeugen
oder herbeifchaffen fönnte(a). Demnach fann (drittes Geſetz)
ber Preis hoͤchſtens nur fo groß fein, ald der Koftenbetrag, für
welchen der Käufer dad Gut auf andere Weife erhalten Fönnte.
Diefe Graͤnze ded Preifes findet indeſſen in vielen Fällen keine
Anwendung, nämlich a) wenn fid) für die einzutaufchende Sache
fein beflimmter_ Koftenbetrag angeben läßt, 3. B. Kunftwerfe,
Naturfeltenheiten; b) wenn man jene Koften nicht fennt, wie
dieß bei Erzeugniffen fremder Länder und bei Fünftlichen Ges
werföwaaren öfters der Fall ift; c) wenn die Hervorbringung
der Sache nur unter befonderen Bedingungen möglich ift, fo
daß weder der Kaufluftige noch andere Verfonen fie zu erzeugen
im Stande find (8. 160); d) wenn ber Käufer darum die Sache
über den Koften bezahlt, weil er fie in befonderer Güte oder
dody gerade nad) feinem Wunfche, oder zu bequemer Zeit, auf
die leichtefte Weile ıc. erhält.
(a) Diefe Hinfiht auf andere Berfäufer ift der Keim des Mitwerbens. Ber:
möge ber Arbeitstheilung kann übrigens die Hervorbringung der meiflen
Güter nur von einer gewiflen Claſſe von Gewerbsleuten mit den ge:
tingften Koften bewirkt werden.
8. 150.
Die Koften eines Gutes bleiben auch für den Berfäufer
gänzlich außer Betrachtung, a) wenn dad Gut gar nicht bes
liebig hervorzubringen ift, fo daß das eine Stüd, wofern man
ed hingiebt, nicht leicht. durch ein anderes von gleicher Bes
|
— 170 —
fchaffenheit erfeßt werden kann. In folchen Fällen fann man
fi) nur durch den concreten Werth beftimmen laffen, bei welchem
in der individuellen Schägung der Einzelnen weit weniger Ueber:
einftimmung. befteht, als in den Koften (a). Inzwifchen bezieht
fi bei weitem der größte Theil aller Tauſchverhandlungen auf
ſolche Güter, welche regelmäßig hervorgebracht werden (5);
b) wenn das Gut in Verbindung mit einem anderen entſteht
und dieſes ſchon die Koften vergütet (c).
(a) Die Berfdiedenheit in den Urtheilen der Menſchen über ben Werth ber
Güter erleichtert fehr das Webereinfommen zwiichen den Tauichluftigen.
(5) Die bisher dargeftellten Beitimmgründe des Preiſes ergeben folgende
Bedingungen für deflen Größe: Wenn für einen der beiden Taufchenden
die binzugebende Sache a, die bafüir zu erwerbende b Heißt, fo muß
1) der Werth von b größer fein, als der Werth von a ($. 147), 2) die
Koften von a dürfen nicht größer fein, als der Werth von b ($- 148) ;
in gewiffen Fällen auch 3) die Koften von a Fleiner, als die Koſten
von b ($. 149). — Bür den anderen Taufchenden müflen, wenn eine
Uebereinfunft fattfinden fol, gerade die entgegengefegten Bedingungen
obwalten, welche man findet, indem man in biefen drei Sägen b ftatt
a feßt und umgekehrt. Wenn aber nun, mie es gewoͤhnlich ee
das eine von beiden Gütern a bloß nach feinem Werthe in Anfchlag
fommt, weil es eine Geldfumme if, und wenn ber DBerfäufer bes
anderen Gutes b, weldes nun allein die Waare if, nicht auf beflen
Werth, fondern nur auf die für daſſelbe angemwendeten Koflen achtet,
fo bleiben überhaupt noch folgende Bedingungen: 1) der Werth von b
(Waare) für den Käufer muß größer fein, als der Werth von a (Preis
in Geld), 2) die Koſten von db für den Berfäufer dürfen nicht größer
fein, ale der Werth von a für ihn. Geſetzt, der Werth von a für
den Käufer fei 100 fl., und die Koften von b für den Berfäufer bes
tragen 70 fl., fo muß der Preis, d. h. die Quantität von a, welche
für d gegeben wird, fich zwiſchen 70 und 100 fl. halten, beide Größen
ericheinen folglich als Gränzen des Preifes. Je weiter diefe Graͤnzen
von einander entfernt find, ein deſto größerer Spielraum ift für den
Preis vorhanden. Sind die obigen Bedingungen nicht mit einander
eh fo unterbleibt der Tauſch, oder er wird wenigſtens nicht oft
wiederholt.
(e) Dieß gilt 3. B. von den Kälbern, weil man fchon ber Mildnugun
willen die Kühe tragen laſſen muß. Der Preis der Kälber richtet ke
daher hauptſächlich nah dem Berfehrewerthe ihres Fleiſchgewichtes.
Dal. F. 165 (a) über Nebenerzeugniffe.
$. 151.
Aus den bisherigen Erörterungen ift die Trage, worin ber
Gewinn beim Taufche beftehe, leicht zu beantworten. Der
Tauſch bringt in der Regel den beiden Taufchenden einen Vor-
theil (8. 147), der daher rührt, daß die beiden vertaufchten
Duantitäten nicht gleich hoch gefchäßt werben (a). a) Wenn
ber Käufer die gekaufte Sache zu feinem eigenen Gebrauche
— 11 —
beftimmt, fo liegt fein Gewinn aus dem Taufche in dem Unters
jhiede zwischen dem (concreten) Gebrauchöwerthe des einges
taufchten Gutes und der dafür gemachten Aufopferung, biefe
aber bemißt fid) entweder nad) dem Werthe. der bingegebenen
Sadje, wenn biejelbe in einem nicht beliebig. erfeßbaren Gute
oder in Geld befteht — ober nach den Koften berfelben, wenn
fie dafür leicht wieder herbeigefchafft werden fann. ft der Preis
einer eingetaufchten Sache niedriger al® bie Koften, mit denen
man fie felbft erzeugt oder anderömwo bezogen haben würde, fo
bildet der Unterfchied zwiſchen dieſer größeren und der wirklich)
gemachten geringeren Aufopferung einen Gewinn des Käufers, -
den man den Gewinn auß den Kofen nennen fann, der
aber nur ein Theil des gefammten Taufchgewinnes ift (5). b) Sol
die Waare wieder verfauft werden, fo muß man ben Einfauf
und Berfauf zufammenfaflen und den Gewinn beider Gefchäfte
aus der Vergleihung des Verfaufspreifes mit dem Einkaufs⸗
preife und den anderen Koften abnehmen.
(a) Dieß erklärt fi leicht aus der Berfchiedenheit der individuellen abftracten
und concreten Wertbichäßungen; wer aber einen Taufch nur aus einem
einzelnen Standpuncte betradhtet, geräth leicht auf die Meinung, es
babe nur der Eine gewonnen, der Andere verloren.
(6) Grwirbt Iemand eine Sache, die ihm 180 fl. werth ift, für 100 |l.,
fo ift fein Gewinn aus dem Taufche überhaupt 80 fl. Würde er nun
bei eigener Hervorbringung oder einer anderen Grwerbsart der Sache
136 fl. aufwenden müfen, fo find die durch den Taufch erfparten 36 fl.
der Gewinn aus den Koften, der Unterfchied zwifchen 180 fl. und dem
höheren Koftenfage von 136 fl. ift der zweite Beſtandtheil des gefammten
Gerinnes. Dielen Theil des Gewinnes würde man auch machen fön
nen, wenn man die Sache felbft erzeugte oder anderwärts erfaufte, er
entipringt nicht bloß aus dem befonderen Rauffalle, man bringt ihn
daher gewöhnlih nicht in Anfchlag, wie er denn auch meiftens nicht
wohl in Zahlen ausgedrüdt werden fann. — Wäre der Werth nur
130 fl., fo könnte von dem Aufwande von 136 fl. nicht die Rede fein,
weil Niemand mehr ausgeben mag, als ter zu erwerbende Werth bes
trägt, dann fände alfo nur noch ein Taufchgewinn von 30. fl. Statt. —
Abweichend ift die Anfiht von Lo, nad welder der Gewinn aus den
Werthen und der aus den Koften der beiden Güter ganz von einander
verfchieden fein, aber ftets zufammentreffen follen. Handb. I, 306. —
Hermann (Staatsw. Unterf. ©. 69.) erinnert gegen obige Darftels
lung, daß die Vergleichung der Güter in Geld nur dem Taufchwerthe
angehöre. Da man indeß vom Werthe einer Geldfumme ſprechen kann,
jo iſt es ohne Zweifel auch geftattet, den Gebrauchswerth einer Sache,
wenigſtens beifpielsweife, in Geld auszudrüden.
$. 15la.
Die Werthſchaͤtzung eined Gutes und der daraus hervors
gehende Wunſch, baffelbe zu erlangen, fann fi) nur dann in
— 112 —
dem Anbieten eines entfprechenden Preiſes wirffam zeigen, wenn
der Kaufluftige zugleich die erforderlichen Mittel zum Ankaufe,
d. 5. eine hiezu verwenbbare, nicht für andere wichtigere
Zwede in Anfpruc genommene Geldfumme befißt (a). Ebenfo
wird der Berfäufer bisweilen durch die Befchränftheit feines
Capitals oder überhaupt durch ungünftige Vermögensumftände
genöthigt, in einen Preis zu willigen, bei dem er an den Ko⸗
ften Schaden leidet. Die wirthfchaftliche Lage eines Menſchen
im Allgemeinen oder in einem einzelnen Augenblide hat baher
auf die Preije, die er zu geben oder anzunehmen beichließt,
einen erheblichen Einfluß und vermag bie bisher ($. 147—151)
betrachtete obere und untere Gränze des Preiſes abzuändern.
(a) Die fog. KRauffraft, das Kaufvermögen.
$. 152.
3) Das Mitwerben, d. h. dad wetteifernde Beftreben
Mehrerer, die in Bezug auf ein gewiffes Gut gleiche Abficht
des Einfaufes oder Verkaufes verfolgen, 8. 146. Wenn meh:
rere Menſchen ein Gut erwerben wollen und der Borrath nicht
für Alle zureicht, fo kann der eine vor anderen fich nur ba-
durch den Vorzug verfchaffen, daß er ſich entichließt, einen
höheren Preis zu bezahlen. Ebenſo wird bei dem Wetteifer
mehrerer VBerfäufer, ihre Waare abzufegen, und bei einem vers
hältnigmäßig ſchwaͤcheren Begehren der Kaufluftigen derjenige,
der vor anderen verfaufen will, in einen niebrigeren ‘Preis
willigen müflen. Das Mitwerben der Kaufluftigen, welches
man die Nachfrage oder den Begehr nennt, nuͤtzt den Ver⸗
fäufern, indem ed den Preis zu erhöhen ftrebt; dagegen wirft
das Mitwerben der Berfaufluftigen, dad Angebot, zum Vor⸗
theile der Käufer auf eine Erniedrigung des Breifes hin.
Das beiderfeitige Mitwerben ftellt alfo den Preis für mehrere
Zaufchfälle zugleich innerhalb der für ſämmtliche Concurrenten
beftehenden Gränzen, d. h. des Werthed und SKoftenbetrageß,
feft, und drängt ihn bald der oberen, bald der unteren Gränze
zu. Es giebt jedoch Fälle, in denen nur auf der einen Seite
ein Mitwwerben ftattfindet und dagegen der einzige vorhandene
Käufer oder Verkäufer fehr günftige Bedingungen erlangen kann.
—— 173 —
8. 153.
Im Mitwerben flehen ſich nicht bloß die beiden Gruppen
ber Käufer und Verkäufer mit wiberftreitenden Abfichten gegen-
über, fondern jeder Einzelne in einer diefer Gruppen verfolgt
auch feinen Vortheil gegen feine Concurrenten. Die Zwecke eined
Jeden find von doppelter Art: 1) er will im Wetteifer mit feinen
Mitwerbern einen Einkauf oder Verkauf zu Stande bringen,
2) er will aber zugleich denen, mit welchen er den Tauſch eins
geht, nicht mehr bewilligen, als hiezu nöthig iſt. Diefe beiden
Abſichten beſchränken ſich wechjelfeitig und es gehört genaue
Beachtung der obwaltenden Umftände dazu, um den Tauſch
unter den günftigften Bedingungen, bie fich gerade erreichen
lafien, abzujchließen.
$. 154.
Der Preis der meiften Güter wird durch dad jedeömalige
Berhältniß zwifchen dem Mitwerben der Kauf» und Verlaufs
luftigen beflimmt. Die Wirkfamfeit des beiderfeitigen Mitwer-
bens hängt von zwei Umftänden ab, nämlid)
1) von ber verhältnigmäßigen Größe veffelben, d. b. dem
Verhältniß, in. welchem die begehrte und die angebotene Menge
von Gütern einer gewiffen Art zu einander ftehen (a). a) Als
wirffamer Begehr ift diejenige Gütermenge anzufehen, welche
bie Kaufluftigen nad) irgend einer Kundgebung ihrer Abficht zu
erwerben fuchen und für die fie einen, ungefähr die Koften er:
fegenden Preis .zu bezahlen vermögen. b) Das wirkjame An⸗
gebot ift die zum Verkaufe beftimmte und für verfäuflicdy erflärte
Menge (db);
2) von ber Stärke (Intenfität) bed Beſtrebens ober
von der Größe der Leiftungen, die der eine oder andere Theil
zur Erreihung feiner Abſichten höchftend zu machen entjchloffen
ift (c). a) Die Stärke des Begehrs beftimmt fich theild nad)
dem Werthe, den die Kauflufligen auf dad Gut legen ($. 147),
theild nad) ihren Vermögendsumftänden (8. 151la), theils nad)
der Meinung, bie fie über das Fünftige Angebot hegen (d):
b) das flärfere oder fchwächere Verlangen der Berfäufer, ihre
Waare abzufegen, läßt fich als die augenblidfiche concrete Werth⸗
ſchätzung des dafür einzunehmenden Geldes anfehen. Je Eleiner
— 114 —
das Capital des Erzeugerd ift, deſto mehr liegt ihm am bal-
digen Berfaufe (e).
Diefe Stärke des Mitwerbens ift gewöhnlich unter den ein-
zelnen Kaufs und Berfaufluftigen verfchieden und wenn bie
Umftände ſich für eine der beiden Gruppen ungünftig geftalten,
fo daß die Kaufluftigen ein Steigen oder bie Verkäufer ein
Sinken des Preifed vorausfehen, fo pflegt ein Theil von ihnen
zurüdzutreten, fo daß nur noch diejenigen bei ihrem Vorſatze
beharren, die ein ftärfered Verlangen haben. Wenn z. 2.
1000 Sceffel einer Frucht bei einem Preiſe von 2 fl. begehrt
find, fo finft der Begehr bei einem geforderten Preife von 21/2
und 3 fl. vielleicht auf 850 und 700 Scheffel herab. Ein
gewifler Begehr findet demnady nicht unbedingt, fondern nur
unter der Borausfegung eined gewiffen Preifes Statt (f).
(a) Es fommt nämlidh nicht auf die Größe beider an fi, fondern darauf
an, wie fie fi zu einander verhalten. Gin Begehr von 1000 Gentnern
und ein Angebot von 900 können den nämlidhen Preis .verurfachen, als
wenn beide zugleich doppelt oder dreifach wären.
(d) Nur das an den Tag gelegte Begehren oder Angebot wirft auf den
Preis, nicht ſchon angehäufte Borräthe, die noch nicht feil geboten
find oder der bloße Vorſatz zu kaufen, wenn er noch nicht Außerlich
fihtbar geworden if, doch koͤnnte das Dafein von Vorräthen ein fünf:
tiges ftärferes Angebot vermuthen Taffen und ein vorhandenes Beduͤrf⸗
ni auf eine Zunahme des Begehrs fchließen laſſen. — Die Anzahl
der Kauf: “und Berfauflufigen wirft ebenfalls nicht für fih allein,
fondern bloß infoferne man daraus auf die Größe der angebotenen
oder begehrten Quantität fchließt.
(ce) Diefer Umftand ift oft nicht äußerlich erfennbar, bevor er fih in ben
zu Stande gefommenen Taufchen wirklich zeigt. Hiermit hängt bie
Berner Werthſchaͤtzung einer Geldſumme duch Wohlhabendere zu:
ammen, $. 64. 2.
(d) Rossi, Cours, I, 83.
(e) Man fieht alfo, daß im Nngebote wie im Begehr der concrete
Werth die Haupttriebfeder bildet. — Der Breis des Getreides kann
nah einer guten Ernte ſchon darum fehr niedrig werden, weil viele
Landwirthe gedrängt find, ſchnell abzufegen. — Canard, Bol. Def.
$. 13., drüdt die Wirkung des Mitwerbens fo aus: Es fei L der Un-
terfchied zwifchen dem höchhen Preife, den die Verkäufer verlangen, unb
dem niedrigften, den die Verkäufer anbieten. Der wirkliche Preis ift
um x höher ald das Minimum, fo daß die Käufer die Waare um
L—x herabhandeln. Nun fei B das Bebürfniß, N die Eoncurrenz der
Käufer, b, n daflelbe für die Verkäufer, fo ift
BN __.
BN-+bn
bier iſt befonders die unbefriedigende Grfläarung des max. und min.
auffallend. — Eine andere, gevmetrifche Darftellung ber Wirkungsart
des Mitwerbens iſt im Anhange zu dieſem Bande mitgetheilt.
x:L—x=BN:bn, und x =
— 175 —
(f) Bei Leicht entbehrlihden Gegenftänden kann aud ein ziemlich häufiger
Begehr den Preis nicht fehr erhöhen, weil, fowie berfelbe fleigt, ein
Theil ter Kaufluftigen ihn für den Werth, den fie der Sache beilegen,
zu Hoch findet und zurüd tritt, $. 147. c).
$. 155.
Sind Angebot und Begehr ungefähr gleich groß, fo bleibt
der bisherige ‘Preis unverändert, war aber ein fuldyer noch nicht
vorhanden, fo wird dad Gut um einen mittleren ‘Preis verkauft,
der beiden Glaffen vortheilhaft if. Waͤchſt der Begehr über
das Angebot, fo muß ein Theil der Kauffuftigen ſich zurüdzichen
und ber ‘Preis foweit fleigen, daß nur nody ein dem Angebote
gleicher Begehr übrig bleibt. Je langfamer diefe Abnahme bes
Begehrs erfolgt, d. h. je größer die Kaufluft und die Mittel der
Begehrenden find, befto weiter wird ber Preis erhöht. Ebenfo
geht derfelbe herab, wenn dad Angebot den Begehr überfteigt.
In beiden Fällen wird alfo durd das Ausgleichen zwifchen bies
fen beiden Größen der Preis beftimmt (a). Alle Umftänbe,
welche auf Angebot und Begehr, und zwar auf Umfang und
Stärfe beider, Einfluß haben, wirfen auch auf die Preife, und
nicht bloß jede wirklich eingetretene Aenderung, ſondern fchon
die bloße Wahrfcheinlichfeit einer ſolchen kann einen Wechfel in
den Preifen nach fidy ziehen. Diefe find daher bei einem Theile
ber Güter fehr häufigen Schwanfungen unterworfen, und es ift
unmöglich, den Fünftigen Stand berfelben mit Sicherheit voraus⸗
zufehen (6). Der Begehr eines Gutes beruht auf dem Ber:
langen fehr vieler Menfchen, daffelbe zu befigen, und dem Ver⸗
mögen, es zu Faufen, er hat in den Neigungen, Bebürfniffen,
Gewohnheiten Bieler feinen Grund, kann alfo von Einzelnen
ſchwer beherrſcht oder auch nur gelenft werden (c); bei dem An—
gebote ift e& anders, weil ſchon eine geringe Anzahl von wohls
habenden Erzeugern daſſelbe beträchtlich vermehren, oder, wenn
fie ein Gewerbe aufgiebt, vermindern fann. Die verfäuflichen
Guͤter find in Hinficht auf die Veränderlichkeit ded Begehres und
Angebotes jehr verfchieden, indem beide bei manchen Dingen,
3. B. Salz, Holz, ſich weit mehr gleichbleiben, ald bei anderen,
3. 3. Staatdfchuldbriefen, Getreide.
(a) Diele, im Anhange weiter entwidelte Darflellung der Vorgänge im Mit
werben wurde ſchon in der 4. Ausgabe 1841 Binzugefügt, Eine ähn:
liche Erklärung hat fpäter auch St. Mill gegeben, Grundfäge, I, 466.
— 1726 —
(8) Der Preis jeder Art von Gütern hängt von einer eigenthuͤmlichen Ber:
bindung mehrerer Umftände ab. Bon Seite bes Angebotes Werben
die ausgedehnteften ‚Breigveränberungen durch den Wechſel guter und
fhlechter Ernten, von Seite des Begehres durch den Uebergang aus
dem Kriege in den Frieden und umgekehrt bewirkt. Schon die ent:
fernte Vermuthung eines ſolchen Breignifles bat Cinfluß, wie z. B. die
Preife des Getreides und Weines fi ändern, wenn im Sommer die
Witterung eine andere Beichaffenheit annimmt, welche die Hoffnungen
auf die naͤchſte Ernte verflärkt oder ſchwaͤcht. Beſonders wichtig End
tie ‚Deränderungen in der räumlichen Ausdehnung bes Begehrs und
Angebotes, 3. DB. der beabfihtigte Anfauf zur Ausfuhr oter das Hins
ukommen feilgebotener Borräihe vom Auslande. — Biel Material
iezu enthält Th. Tooke, Thoughts and details on the high and low
prices of the last thirty years. London, 1823. II B. Neue Bearbei-
tung: A history of prices and the state of circulation from 1793 to
1837. 1838. II, u. 4 Bde. Fortfeßungen, deutich von Aſher, Dresd.
1858, 59. IT B. — vgl. Hermann in Münchner gel. Anz. 1840,
Nr. 97 ff. — Steigen verichiedener Arzneiftoffe durch die Cholera (Blut:
egel in Baris fehefah) — des Eifens durch die vielen Eifenbahnunter:
nehmungen. — In guten Weinjahren Faufen die Weinbauenden mehr
Flache und Hanf ein, um ihre Vorräthe von Waͤſche zu ergänzen. —
Eine Theuerung des Yutters drückt anfangs den Preis des Fleiſches
Fk weil weniger Vieh beibehalten und aufgezogen werden fann,
eigert ihn aber eben hiedurch fpäterhin.
(e) Die Furdt vor Mangel bewirkt oft ein plögliches Anfchwellen des Be:
ehrs. — Bei Dingen, die nur in fleiner Menge zu Markt fommen,
ann fehon ein einziger Käufer auf den Preis wirken.
8. 156.
"Der durch das Mitwerben feftgefegte, in vielen Taufchfällen
gleichförmige Preis wird Marktpreis (a) (laufender, wirk—
licher, Tauſchpreis, Prix courant) genannt. Er wird im ges
meinen Leben als der vollgültige Stellvertreter ded Gutes an-
gefehen, dem er zufommt, weil man fic) diefes in der Regel ſehr
leicht verichaffen kann, wenn man jenen bingiebt. Man hat
ihm den fogen. natürlihen (Smith, Say), nothwen—
digen (Simonde, Storch), angemeffenen (%o$), oder
Koftenpreis (v. Jakob, v. Schlözer, Fulda, Kubdler)
entgegengefegt, welcher jedoch, genau betrachtet, nur der Koften-
betrag (d), alfo noch nicht felbft ein Preis, fondern nur einer
der _Beftimmgrimbe deſſelben iſt. Wenn der Preis wirklich mit
dem Koftenbetrage zuſammentrifft, fo ift dieß zugleich eine Folge
des Mitwerbens, alfo findet auch dann ein Marktpreis Statt (ec).
Da nur folde Dinge einen Marftpreid haben fönnen, welche
regelmäßig hervorgebracht und häufig vertaufcht werben, fo kann
man ihm den vereinzelten Preis ſolcher Güter entgegen-
fegen, welche fo felten in ben Berfehr treten, daß ihre Preife
— 1 —
bei verſchiedenen Tauſchfäͤllen weit von einander abweichen
koͤnnen (d).
(c) Markt Heißt hier bildlich das Aufeinanderwirken von Begehr und Ans
gebot in großen Maſſen. eo feht dem Koftenpreife den Tauſch⸗
preis entgegen, Handb. I, 44.
(3) Say bediente fih fpäterhin des Ausprudes „urfprünglider
Preis“, prix originaire, weil es der fei, den die Waare bei ihrem
erften Erfcheinen in der Welt gefoftet babe. Handb. I, 251.
(c) Smith jelbft (I, 86) nennt eigentlich denjenigen Berfaufspreis den
natürlihen, der mit dem Betrage der Koften aulammenfällt, wobei er
— end einzuraͤumen ſcheint, daß die Koſten nicht ſchon ein Preis
nd; er bemerkt ©. 87, der Marktpreis koͤnne bald über, bald unter
dem natürlihen, bald ihm gleich fein. — Man dürfte immerhin einen
mit den Koften zufammentreffenden Preis einen natürlichen ober
fofenmäßigen nennen, wenn man nur zugefteht, daß derſelbe das
durch nicht aufhört, Marktpreis zu fein. Ä
(d) Rau. Zul. 16 zu Storch, UI, 250.
6. 157.
Es ift.ein ebenfowohl aus der Erfahrung fich ergebendes,
ald aus allgemeinen Gründen abzuleitendes Geſetz, daß zufolge
der auf den gleichförmigen wirthichaftlichen Abfichten beruhenden
Handlungsweife der Menſchen die Preiſe den Koſten ber Her
vorbringung_ und Herbeiſchaffung nahe zu kommen fireben.
„Der natürliche Preis,“ fagt Smith, „if gleichfam der Mit
telpunct, gegen weldyen fi) die wandelbaren Marktpreife aller
Waaren beftändig hinneigen. Zufälle verfchiedener Art Fönnen
diefe leteren eine Zeit lang von jenem Mittelpuncte entfernt
halten, — fie über ihn erheben oder unter ihn erniedrigen. Sie
mögen aber durch noch fo große Hinderniffe abgehalten werden,
fi) in dieſem Ruhepuncte feſtzuſetzen, jo Außern fie doch ein
beitändiged Streben, ſich demfelben zu nähern“ (a). Diefe
Richtung in den Veränderungen der ‘PBreife findet Statt, ob-
gleich fie von den Perfonen, weldye einen ſolchen Erfolg hervor⸗
bringen, gewöhnlidy nicht beabfichtigt wird.
(a) Unterſuch. I, 90.
$. 158.
Die Urſachen dieſes Geſetzes find folgende: 1) Wenn ber
Preis unter die Koften finkt, fo hat der Verkäufer, der die Waare
zu Marfte bringt, einen Verluſt (a), vor dem er fid, Fünftig
zu hüten fucht, indem er eine foldye Sadye gar nicht mehr ober
Rau, polit. Delon. I. 7. Ausg. 12
— 18 —
nur in geringerer Menge feilbietet. Daher muß bald bad Ans
gebot abnehmen, bis dadurch der Preis wieder in die Höhe ges
trieben wird (6). 2) Je mehr der Preis über bie Koften fleigt,
befto größere Gewinnfte fallen den Verkäufern zu. Dieſe wer-
den hiedurch erinuntert, größere Vorräthe anzubieten, und andere
Perfonen finden einen Antrieb, ein ſolches But ebenfalls herbei-
zufchaffen, um an dem Gewinnfte Theil zu nehmen (c). Diefer
Zudrang zieht eine Vergrößerung bed Angebots nad) fich, welche
nothwendig wieder die Preiſe erniebriget (d). In beiden Bällen
iſt es alſo dad Angebot, welches, den Beränderungen des Be
gehres folgend, die !Breife dem Koftenfate näher bringt. Je
leichter und fchneller da® Angebot abgeändert werben kann, befto
volftändiger tritt jene Wirkung ein. Hierbei ift: jedoch zu bes
rüdfichtigen, daß der Umfang des Begehrs ſich auf einen ges
wiffen Preis bezieht ($. 154) und bei einem höheren oder nie»
brigeren Betrage deſſelben Feiner oder größer wird. Es find
3. B. von einer Waare 11000 CEtr. zu 2 fl., 8500 Etr. zu
3 fl., 6000 Ctr. zu 4 fl. begehrt. Vermögen die Verkäufer
10000 Etr. für 3 fl. zu liefern, fo if ein Ueberfchuß bes An⸗
gebote® vorhanden und ber Preis geht herab, bis etwa bei
einem Preiſe von 2!/2 fl. die Verkäufer gerade die dem Begehre
entfprechende Menge von vielleicht 10 000 Centnern zu Markte
bringen können und ein Beharrungszuftand eintritt (e). Die
Schwankungen im Mitwerben bringen bisweilen für die Erzeu-
ger und Kaufleute Verluſte zu Wege, wenn ber einzelne Ver⸗
fäufer von den Unternehmungen ber anderen und dem ganzen
. Umfange des ſich vorbereitenden Angebotes feine Kenntnig hat,
der Markt überfüllt wird und ein Theil des Vorrathes mit
Schaden verfauft werben muß. Dieß gefchieht bei dein Abfage
in entfernte Gegenden am leichteften, doch bleibt es auch bei
dem inneren Verkehre nicht ganz aus (f). Die großen Bortheife
bes Mitwerbend für die ganze bürgerliche Geſellſchaft müffen
alfo nicht felten mit Aufopferungen Einzelner erfauft werden.
Gelingt es, 3. B. durch größere Vorficht der Erzeuger, eine
ſolche Einbuße am Capitale zu verhüten, ohne das Mitwerben
jelöft zu hemmen, fo ift dieß offenbar fehr erwuͤnſcht.
() In diefem Kalle beruht freilich der Taufchgewinn ($. 151) nur darauf,
daß ber baldige Abſatz einer ſchwachbegehrten ober zu häufig angebotenen
— us —
Waare immer ein kleineres Uebel iſt, als das laͤngere Liegenlaſſen,
wobei das Capital wirkungslos bleibt.
Je größere Borräthe eines Gutes ba find, deſto Länger kann es dauern,
bis der Preis fich wieder hebt. — Uebrigens erhellt aus biefen Sägen,
dag der Koftenfak nicht ſowohl bei einzelnen Taufchfällen, als bei der
Mehrzahl derfelben, für die Fortdauer, bie unterfe Graͤnze (Minimum)
des reifen bildet ($. 148). — 86 giebt Fälle, in denen die Ber:
ringerung bes Angebotes den gefunfenen Preis nicht wieder erhöhen
fann, weil der Begehr und die concrete Werthſchaͤtzung der Käufer ab-
genommen hat. Dann bleibt auch die Production beichränft und nur
diejenigen Erzeuger werben die Waare ferner anbieten, die fie wohlfell
genug hervorbringen können. Bgl. Hermann a. a. DO. ©. 82.
(e) Das Beftreben der Menſchen, das Angebot in Gemaͤßheit des jedes;
.. maligen Begehres zu vergrößern oder zu verkleinern, zeigt fi im täg-
lihen Leben mächtig und allgemein. Grweitert fih der Begehr 3. 2.
durch plögliches Zulammentrefien vieler Menſchen an einem Orte, fo
fieht man, wie die Berfäufer alles aufbieten, um größere Maflen von
Zebenss und mancherlei Genußmitteln herbeizuſchaffen, es werden mehr
Arbeiter beihäftigt, mehr Capitale zu Hülfe genommen sc. — Vgl. Mill,
l&mens, .
(d) Es wäre denn, daß eine größere begeikte Dienge eines Gutes nur
mit vermehrten Koſten egeust und zu Markte gebracht werden Fönnte,
Hermann, ©. 81. — Bei KRunftwaaren trifft oft das Umgekehrte ein,
Grniedrigung der Koften bei einer größeren hervorgebrachten Menge.
(e) Daher find bei einem Teicht beiveglichen Mitwerben auf die Dauer
Werth und Koften entjcheidend.
0) Auf diefe ei ſtuͤtzen ſich die neuerlich öfter ausgefprodenen Anklagen
gegen das Mitwerben und die Vorfchläge, daſſelbe zu beſeitigen, bie
jedoch verfehlt find, weil die mächtigen Wirkungen der Concurrenz durch
fein anderes Mittel zu erjeßen wären.
—
(d
$. 159,
Wenn die Vergrößerung ober Verkleinerung ded Angebotes
nad) Maaßgabe des jedesmaligen Begehres mit Schwierigfeiten
verbunden ift, jo können fich die Preife Fürzere ober längere
Zeit über oder unter den Koften halten. Diefe Schwierigfeiten
verdienen eine forgfältige Unterfuhung, weil fle die Wirkung
eines für die ganze politifche Dekonomie fehr wichtigen Geſetzes
($. 157) beſchraͤnken. In vielen Yällen find fte nicht erheblich,
fo daß das Zufammentreffen des Preiſes mit den Koften fi
nach jeder Aenderung bed Begehred bis auf einen geringen
Unterfchied bald wieder herſtellt, aber häufig Außern fie fi
fortdauernd oder längere Zeit hindurch (a). Solche Hinberniffe
bes _freien Mitwerbens im Angebote, die eine Claſſe von Er⸗
zeugern oder ſogar einen einzelnen unter benfelben bauernb bes
günftigen, werben Monopole im weiteren Sinne genannt (b).
- 12 %
40 —
(a) Die Hinderniffe, welche der leichten Beweglichkeit des Angebotes im
Wege fliehen, wie die Reibung der Bewegung in der Körperwelt, find
bisher feineswegs überfehen worden, aber man hat fi Ku FAR nicht
häufig und bedeutend genug gedacht. Ricardo 3. DB. fchreibt den
eränderungen im Mitwerben nur fo ee Wirkungen auf
den Preis zu, daß biefeiben feine befondere Aufmerffamkeit verdienen
follen; er nimmt deßhalb durdgängig an, daß die Breife den Koften
gleih flehen, wephalb wen Tauſchwerth bei ihm fo viel be-
utet als Koſtenbetrag, natuͤrlicher Preis. Ueberſ. von Baumſtark,
. 66. 70.
(6) Monopol im engeren und eigentlichen Einne iſt ein von ber Regierung
verliehenes Borzugsreht für den Verkauf einer Waare.
$. 160.
Die Hinderniffe einer leichten Bewegung des Angeboted
fönnen in natürlichen Umftänden oder in menſchlichen
Berhältnifien ihren Grund haben.
1) Ratürlidde Hinderniffe (a). “
a) Es giebt mandye Güter, deren Hervorbringung man nur
in gewiffen Dertlichfeiten betreiben kann. Dieß gilt vorzüglich)
von Mineralftoffen (8. 120), ferner von Gewächfen und Shieren,
die nur in einem befonderen Klima, auf eigentbümlichen Stand⸗
orten ıc. gebeihen, $. 87. 119. Der Preis folcher Dinge kann
die Koften anfehnlidy überfteigen, wenn die erzeugte Menge
hinter dem Begehre zurüdbleibt (6). |
b) In anderen Fällen wird ein Erzeugniß an ber einen
Stelle wenigſtens befjer oder mit geringeren Koſten hervorgebracht,
als anderswo, fo daß einzelne Erzeuger vor anderen in Vor⸗
theil ftehen und einen Gewinn erhalten.
c) Bei manden Gütern findet zwar die Hervorbringung
feine ſolchen Schwierigkeiten, aber es ſteht doch die Größe des
Erzeugniffes nicht ganz in menfchlicher Gewalt. Dieß zeigt fid)
bei vielen Zweigen der Erbarbeit, am auffallenpften bei dem
Anbau der Nährpflanzen (c). Die Getreidepreife wechjeln, wie
bie Ernten, fie fönnen, wenn biefe eine Reihe von Jahren bins
durch reichlich oder fhlecht find, unter die Koften finfen oder
eine Zeit lang über venfelben ftehen, $. 182 ff.
(a) Unterfcheidung von vier Fällen natürliher Monopole bei Senior,
Outlines, ©. 171, ſ. auh Hermann, ©. 154.
(2) Gute Weinlagen, Minerals Wafler. — Die Preife mander Erzeug:
niffe eines wärmeren Klimas, namentlih. der Golonialwaaren, find
dennoch nicht höher, als die Koften, weil es eine hinreichende Menge
— 181 —
von Ländereien in dieſen Erdſtrichen giebt, die unter eimander in Mits
werben ſtehen.
(ce) Auch der Wallfiihfang ift von un Teichem Ertra e, die Seiden⸗ und
Bienenzucht giebt jährlich nicht gleiche Fruͤchte, et bei der Schaaf:
wolle hat man von Jahr zu Jahr Fleine Berfchiedenheiten bes Cenrese⸗
bei gleicher Zahl von Schaafen wahrgenommen.
8. 161.
2) Zu den menfhlihen Berhältniffen, welche bie
Beränderung des Angebotes erfchweren, gehören außer manchen
Staatdeinrichtungen, 3. B. Erfindungsprivilegien, Nachdrucks⸗
verboten u. dgl., nachftehende Umftände:
a) Auf Seite der Arbeit: Die Menfchen, welche an eine
Beichäftigung gewöhnt find und in ihr Gefchidlichfeit erworben
haben, können nicht leicht zu einem andern Gefchäfte übergehen,
befonderd wenn fie in Jahren vorgerüdt und die Verrichtungen
verfchiedenartig find. Namentlich find Landleute fo wenig ges
eignet, Gewerke zu ergreifen, ald Handwerker und Babrifarbeiter
fi) gern zum Landbau hinwenden. Yür Fünftlidye Verrichtun⸗
gen fehlt es häufig an ber erforderlichen Zahl von Arbeitern
($. 113), und ed muß wenigftend einige Zeit vergehen, 6id fie
herangebildet worden find. Gewerbögeheimniffe, die in den
Gewerken noch biöweilen vorfommen, doch wegen der vollfomms-
neren wiflenfchaftlichen Beleuchtung der Gewerfsarbeiten (Tech⸗
nologie) feltener als früherhin, halten dad Mitwerben des An-
geboted ganz zurüd und fönnen den Befibern große Gewinnſte
fihern (a).
b) Auf Seite ded Capitales: Zu manchen Unternehmuns
gen ift ein fo großes Kapital erforberlih, daß nicht viele Mens
chen im Stande find, ſolches aufzumenden und die damit vers
bundene Gefahr zu übernehmen. Bel denjenigen Gewerben, bie
fhon mit geringem Capitale betrieben werben koͤnnen, iſt deß⸗
halb das Mitwerben ded Angebote ausgedehnter. Hat ber
Unternehmer bereitd ein anfehnliches Capital in fein Gefchäft
verwendet, fo erſchwert ihm dieſes den Uebergang zu einem ans
bern, zumal dann, wenn er foftbare Gebäude und Geräthe bes
figt, die bei einer andern Unternehmung nicht gebraucht werden
fönnen (db). Indeß hat diefer Umftand auf andere Menfchen,
bie ein einträgliche® Gewerbe erft neu ergreifen, feinen Bezug,
wofern es überhaupt an Capitalien nicht gebricht.
0) Bei vielen Zweigen ber Hervorbringung gehören Vorbe⸗
reitungen und eine gewifle Zeit dazu, daß bad Gewerbe von
einem Unternehmer neu ergriffen oder das ſchon betriebene ers
weitert werbe. Erſcheint nun ein gewifler großer Begehr als
vorübergehend, fo trägt man Bedenken, jene Beranftaltungen
zu treffen, bie leicht vergeblich fein koͤnnten, wenn ber Begehr
wieber abnimmt. Daher bildet die Regellofigkeit und Beränber-
lichkeit des letzteren ebenfalld ein Hinberniß ber Ausgleichung,
welches bei vielen Waaren obmaltet.
(a) Smith, I, 94. — Beifpiele geben die Siehelfen zum Drahtziehen, —
Tabaksbeizen einzelner Fabriken, — Kunftgriffe im Färben, — Frauen⸗
hofer's optifhe Blätr, — Schönbein’s Schießbaumwolle. Bei
Modeartikeln Hält mar die neueften Mufter geheim, um wenigſtens einige
Zeit lan gerin ere Concurrenz zu Fi Im Landbau hat man bei
ber Größe des Erzeugniffes von Stoffen gleicher Art nicht Leicht Nutzen,
wenn man ein Kunflmittel geheim Hält.
(6) Das ſtehende Capital im Bergbaue ginge beim Aufgeben deſſelben faſt
ganz verloren. In folden Faͤllen feßen bie Unternehmer ein Bewerbe
In bei unvollftändigem Erſatze der Koften noch einige Zeit fort, wo:
feen nur noch einige Ausfiht auf Aenderung übrig bleibt. Das ums
laufende Gapital laͤßt fich Leichter in eine andere Anwendung über:
tragen. — Gin ähnliches Verhältnis tritt au dann ein, wenn in
einem Gewerbe ein Theil der Unternehmer viel Capital auf ältere uns
vollkommene Mafchinen sc. gewendet hat und nun nicht fogleich biefelben
mit befferen vertaufchen kann.
$. 162.
Der Preis kann leichter eine Zeit lang über, ald unter
dem Betrage der Koften ftehen. Dieß hat folgende Urfachen:
1) Im lebteren Sale hat der Unternehmer einen Berluft, den
er nicht lange ertragen kann. Der Antrieb, demſelben audzus
weichen, ift ftärker ald das Beftreben, an ben Gewinnften eines
einträglichen Gewerbes Theil zu nehmen. 2) &8 ift leichter,
eine nicht mehr lohnende Unternehmung zu befchränfen oder aufs
zugeben, ald eine beftimmte andere zu beginnen, weil dabei mandhe
ber angeführten Umftände ($. 160. 161) hemmend in ben Weg
treten koͤnnen, und ſchon die Neuheit des Gewerbes mancherlei
Schwierigkeiten und Berlufte mit fi bringt.
$. 163. |
Es bedarf noch einer befonderen Unterfuchung, wie ed auf
die Preife wirft, wenn bei ungeändertem Mitwerben ver Koften-
beitrag zu- ober abnimmt (6). Wan ift gewöhnlich, der Meis
nung, ber Preis müffe fo fange gleich bleiben, als fi im Ans
gebote und Begehre nichts geändert‘ habe; aber bei näherer Er
wägung zeigt fi, daß oft ſchon darum andere Preiſe bewilligt
werden, weil man im Weigerungdfalle eine Veraͤnderung im
Mitwerben für unausbleiblich anfteht. 1) Wenn eine Waare,
die den Verkäufern mehr koſtet als bisher, noch ben naͤmlichen
Preis behielte, fo müßten jene die ganze Koftenerhöhung aus
ihrem Gewinne beftreiten, und da fie bieß in ber Regel nicht
können, fo wäre eine Abnahme des Angeboted zu erwarten, bie
den Preis bald in die Höhe treiben würde: baher entfchließen
ſich gewöhnlich die Käufer, lieber fogleich mehr zu geben (b).
Ob es den Berfäufern gelingt, den Preis um die ganze Koften-
erhöhung, oder nur um einen Theil derfelben zu fleigern, dieß hängt
von ben befonderen Umftänden ab. &) Iſt die Waare für Viele
fehr werthvoll und die Koftenvermehrung mäßig, fo kann es ge
fchehen, daß alle Käufer, um bie Befriedigung ihrer Bebürfniffe
fiher zu ftellen, einen ben jetigen Koſten entfprechenven Preis
bewilligen. b) Entichließt ſich nur ein Theil der Käufer hiezu,
und beftehen die Verkäufer auf dem vollen Erfage der erhöhten
Koften, fo wird der Preis um biefelben binaufgehen, aber eine
fleinere Quantität der Waare hervorgebracht und abgeſetzt wer⸗
den. c) Die Berkänfer laſſen ſich bisweilen einen unvollftän-
digen Erſatz gefallen, 3. B. wenn fie biöher reichlichen Gewinn
machten, ober wenn fie ungern zu einer andern Beichäftigung
übergehen. Ebenfo wirkt es, wenn ein Theil von ihnen bie
Waare wohlfeiler liefern kann als die übrigen (c). In ſolchen
Fällen kann, wenn die Käufer nicht die ganze Koftenvermehrung
vergüten wollen, der Preis auf einen mittleren Stand zwifchen
feinem bisherigen Betrage und den jebigen Koften kommen.
d) Beharren die Käufer dabei, nicht mehr zu bezahlen, und bie
Verkäufer mehr zu fordern, fo muß bie Hervorbringung odet
Herbeifhaffung der Waare ganz aufhören. 2) Eine Abnahme
ber Koften läßt bald ein erweiterte® Angebot erwarten falls
feine befonderen Hinbernifie im Wege ftehen, und hiedurch wird
der Preis herabgedrüdt. Daher kommen die durch bie ort
fhritte der Gewerböfunft veranlaßten Erfparungen an den Er
zeugungsfoften fowie die Erleichterung der Waarenverfendung in
- der Regel nach Furzer Zwifchenzeit ben Käufern zu ftatten (d).
—— 184 —.
(a) Ricardo, Grundgel. von Baumftarf, ©. 375. 427.
(5) Wenn einer der in diefem $. betrachteten Bälle eintritt, fo wiſſen ge⸗
wöhnlih die Verkäufer alle Umflände fo gut zu beurtheilen, daß He
fogleich ihre Preisforderung fo einrichten, wie der Preis ſich font ohne
hin nothwendig flellen würbe.
(c) Man ficht, daß Hierbei manderlei Triebfedern und Umftände einwirken,
und dieß macht es ſchwer, den Erfolg genau voraus zu beflimmen, was .
für die Auſwandoſteuern fehr wichtig
d) In Frankreich ſank ungeadhtet des Bin ollee von 5 Franken ber
Gentner Natrum, welches aus dem Seejalz bereitet wird, von 100 auf
9 Franken. Viele andere Güter fielen durch das inländifche Mitwerben
in ähnlichen Berhälniffen. COhaptal, De lindustrie francaise, IL,
64. 70. 434. — Say, Sur la balance des consommations avec les
produotions, in Revue encyolop. Juli 1824.
$. 164.
Bisweilen ift ein Theil der Verkäufer eined Gutes zufolge
natürlicher Vortheile, 3. B. wegen größerer Nähe des Marfts
ortes, wohlfeileren Einfaufd von Stoffen, größerer Geſchicklich⸗
feit und dergl., im Stande, die Waare mit geringeren Koften
zum Verkaufe zu bringen, ald bie anderen. Hiebei find folgende
Fälle möglid. 1) Wenn diejenigen Verkäufer, welche die ge⸗
ringften Koften aufzuwenden brauchen, jede beliebige Menge der
Waare herbeifchaffen Fönnen, fo werben fie allein Abfab haben
und dad Mitwerben unter ihnen flrebt dahin, den Preis auf
den Betrag ihrer Koften zu fielen. Wenn eine Waare von
mehreren Puncten aus verfendet wird, wie 3. B. Eolonialwaa-
ten von verfchiedenen Seehäfen in’® Innere der Länder gehen,
fo richtet fi, aus jener Urſache das Abſatzgebiet jedes Verſen⸗
dungsortes nach den Frachtkoſten und diefe Gebiete gränzen nad)
Maaßgabe der Güte der Straßen, der Wafferverbindung ıc. an
“ einander (a). 2) Vermögen iene Verfäufer nur eine befchränfte
Menge von Waaren barzubieten, fo beftimmt ſich der ‘Preis
durch die Größe des Begehred. a) Iſt nur ein folcher Vorrath
begehrt, wie ihn die wohlfeiler producirenden Berfäufer liefern
können, fo find nur diefe im Stande, dieß Gewerbe fortzufeßen
und ed kommt ein geringerer Vorrat) zu Markte. b) Wenn
dagegen ber Begehr über dad Angebot biefed Theiled der Ers
zeuger hinausgeht, fo muß der Preis fo weit fleigen, baß er
auch ten höheren Koftenfab anderer DBerfäufer vergütet, wos
durch dann jene wohlfeiler erzeugenden einen Gewinn erhalten.
Die nämliche Wirkung auf den Preis tritt ein, wenn biefelben
— 185 —
Erzeuger eine Eleinere Menge der Waare mit verhältnigmäßig
geringeren Koften herbeifchaffen können, ald eine größere, wenn
fie 3. B. 100000 Eentner zu 4 fl., aber 150000 Cn. nicht
unter 5 und 200000 @tr. nur zu 6 fl. zu Marfte bringen
fönnen, wobei es ebenfalld von der Werthihägung und ben
Mitteln der Käufer abhängt, welcher Vorrath Abſatz und Koften-
vergütung findet.
(a) Die Abjapgebiete von Havre, Rotterdam und Genua für Golonials
waaren gramgen in ber Schweiz aneinander, in Mähren beruͤhrten ſich
bisher die Gebiete von Trieft und Hamburg, die Graͤnzen find aber
wechſelnd, weil weder die Frachtkoſten noch die Preiſe ın jenen See
ftädten immer gleich bleiben. Cifenbahnen erweitern den Abſatzbezirk,
weßhalb Hamburg jetzt fchon bis Wien verfendet.
8. 169.
Die Koften, welche der Verkäufer eines Gutes in Anfchlag
bringt, begreifen den ganzen Aufwand von anderen Gütern,
den er machen mußte, um das beftimmte Gut zu Marfte zu
bringen (a). Es gehören dahin ebenfomwohl feine Ausgaben für
die Mitwirfung anderer ‘Berfonen, als feine eigene Verzehrung.
Diefer Koftenberehnung aus dem Standpuncte ded einzelnen
Gewerböunternehmers fteht nicht im Wege, daß ein Theil jener
Ausgaben, wie die entrichtete Grund- und Gapitalrente, für bie
Empfänger reines Einfommen ift, und folglicy nicht der ganze
Koftenaufwand ded Berfäuferd aus nothwendigen Verzehrungen
befteht (5). Diefe aufgewendeten Güter werden vom Berfäufer
gewöhnlich nach ihrem Preife in Anfchlag gebracht, und bieß
ift bei Dingen, die um einen Marktpreis regelmäßig wieder zu
erlangen find, dein Standpuncte des Einzelnen vollfommen ans
gemeflen. Wird jedoch ein Theil diefer verwendeten Güter von
dem Verkäufer felbft und mit geringeren Koften erzeugt, als
für die er fie kaufen könnte, 3. B. das zur Vichmäflung oder
MWollproduction erforderliche Yutter oder der Dünger, fo werden
hiebei nur bie“ eigenen SHervorbringungdfoften in Anrechnung
gebracht. j
(a) Nur die nothwendigen Koften fönnen auf ben Preis wirfen, nicht ein
aus Unfunde oder durch Zufall gemachter unnöthig großer Aufwand. —
Um die Koften vollfländig zu erfennen, muß man auch Gefahren von
Verluſten, Schaten aus unverfauften Reſtern sc. mit einrechnen, ja
ſelbſt perfönlihe Unannehmlichkeiten, weil diefe dem Unternehmer An-
ſpruch auf höhere Bergütung feiner Mühe geben. — Wenn ein Haupts
erzeugniß die Koften vergütet, fo Tommen dieſe bei ben Rebenerzeugniß
nit in Betracht ($. 150); allein wenn biefes regelmäßig einen gewiflen
Abjag und Preis gefunden bat, fo pflegt badurd der Preis bes Haupt
erzeugnifiee erniedrigt u werden, wie 3. B. bei Stallkühen der Milch⸗
erlös die Yütterung, Wartung ıc. nit poͤg erſetzt und ſowohl das
Kalb ale der Mift berechnet werden muß. Der letztere iſt da wohl⸗
feil, wo viele Pferde zu nichtlandwirthichaftlihem Gebrauche gehalten
werden müflen und die Landwirthe der Umgegend fchon genug Dünger
haben, Das Stroh kommt feiner mehrfachen Verwendungen wegen.
ei der Berehnung bes Bodenertrages gewöhnlich mit in Anfchlag und
bringt ?/a oder mehr des Getreideerlöjes ein. Nah Blod if 1 Er.
Stroh !/s Etr. Roggen werth, in Belgien gilt e&.%a bes gleichen
Moggengewichtes. Bei den Lumpen fommen feine ———
vor, ihr Preis muß aber die Mühe und ben Aufwand für das Sam⸗
mein vergüten und fle koͤnnen bei ſtarkem Begehr anſehnlich fleigen,
wie 1854.
(5) Der volkswirthichaftliche Koftenbetrag, der bei der Berechnung bes reinen
Volkseinkommens erforicht werden muß, ift daher von den Bier erklärten
Koften des Verkäufers weſentlich verfchieben, F. 247.
$. 166.
Der von dem Verkäufer zu berechnende Koftenfag begreift
folgende Theile: 1) Lohn der von ihm gebrauchten Arbeiter,
2) Rente des benugten Capitales und 3) der gebrauchten Grund»
flüde (a); 4) mittlerer Gewerböverdienft, den er felbft beziehen
muß, um dadurch zur Forſetzung des beflimmten Gewerbes be-
wogen zu werden (5); 5) Preis der zum Behufe der Unterneh⸗
mung verzehrten Güter, den erbeim Einfaufe derſelben erftattet (c).
Der im “Preife diefer Gegenftände enthaltene Koftenbetrag loͤſt
ſich wieder in die nämlichen fünf Beftandtheile auf u. f. f. Der
BVerfäufer fann außer dem ©ewerböverdienfte noch andere von
biefen Beftandtheilen für fi erhalten, wenn er 3. B. felbft
mitarbeitet oder Eigenthümer des Capitaled ober Grundſtuͤckes
if. Er muß in einem ſolchen Yale die ihm gebührende Ver⸗
gütung fo berechnen, wie fie fein würde, wenn er für Andere
arbeitete und fein Capital oder Grundſtuͤck Anderen überließe.
Doc, fteht es ihm frei, fi) mit einer unter dem gewöhnlichen
Betrage bleibenden Vergütung zu begnügen, und dieß gefchieht
nicht felten in der Abficht, um bei ungünftigem Mitwerben das
Gewerbe noch fortſetzen zu koͤnnen.
(a) Nur wenige Verrichtungen find fo einfach, daß fie Fein Capital erfordern
und alfo in den Koften feine Bapitalrente vorlommt; 3. B. Sammeln
von Beeren, Kräutern, Wurzeln ıc. Sn den frühften Berioden der
Geſellſchaft, ehe noch Capital angefammelt war, fand dieß Berhältniß
freilich allgemein Statt, und in folden Zeiten fiel dem Berkäufer auch
()
(e)
— 18597 0 —
noch feine Ausgabe für Grundrente zur Lafl, wie diefelbe 3. 3. Bei
ber Seefifcherei nicht vorfommt; aber es gab damals auch nur wenige
Broduetionszweige. — Inwiefern die Grundrente unter bie Koſten ge
bört, ſ. $. 216.
Diejenigen, welche den Gewerbsverdienſt mit ber Gapitalcente in Ver⸗
bindung bringen, rechnen nur brei Beſtandtheile der Koſten auf, 3. 2.
Smith, I, 85. — Micardo, (Prine. Cap. 1.) ımb J. Mill,
(Elemens, 92. 99.) fehen blos den Arbeitslohn als Koftenbetrag am
weil fie das Gapital als angehäufte Frucht einer früheren Arbeit, un
den Preis deffelben gleichfalls als Lohn anſehen; die Grundrente wird
von ihnen aus einer andern Urſache ausgeſchloſſen, f. unten (F. 2168 (a).
Aber felbt wenn man den Betrag des angemwendeten Gapitales aan
auf den Lohn der zu deſſen Erzeugung vorgenommenen Arbeit zurü
füßren fönnte, fo bildete doch immer noch der Preis der geflatteten
Gapitalbenugung, oder die Gapitalrente, einen befonderen Beftandtheil
der Koften. — Nah Rodbertus-Jagetzow (Zur Erkenntniß x.
LI, 7.) beftehen alle Koſten nur ‚aus der aufgewendeten Arbeit, denn
nur der Menſch Habe Koften, nicht die Natur, welche das Material
hergebe. Diefe Anficht fönnte nur gelten, wenn man auf den Urbeginn
der Wirthſchaft zurüdgeht und das Verhältnig des Menſchengeſchlechts
zur Natur berüdfihtigt, wobei freilih ar ift, daß jenes nichts als
feine Arbeit mitbringt. Wie aber unter der heutigen Gütervertheilung
die Stellung des Unternehmers if, liegen ihm offenbar jene oben ans
gegebenen verfchiedenen Ausgaben ob. — Torrens ftellt eine fcheinbar
entgegengefehte Behauptung auf, daß nämlich ber natürliche Breis ich
aanzlih nad) dem angewendeten Bapitale richte (Production of wealth,
©. 24.) Dieß wibderftreitet aber der obigen Beftimmung des Koftens
ſatzes nicht, weil alle Beftanbtheile beflelben Ausgaben find, die der
Unternehmer mit feinem Gapitale beftreitet. Derfelbe (©. 51) läugnet,
daß der Profit unter die Koſten gehöre, er fei vielmehr ein neu ents
flandenes Bermögen, ein Ueberfhuß. Diefe Meinung widerlegt ſich
von felbft durch genaue Zeraliederung der Zinsrente und des Bewerber
gewinnes, und durch die Bemerkung, daß die übliche Zinsrente ents
weder wirflih ausgegeben, oder, wenn das Gapital dem Unternehmer
eigen ift, von ihm aufgeopfert wird.
Bei verfhiedenen Sorten einer Waare kann es gefchehen, daß eine fei⸗
nere gerade fo viel weniger Rohſtoff erfordert, ale fle mehr Arbeit und
Gapitaltente koſtet. Das wohlfeilſte Baumwollengarn fällt in bie
Nr. 60—80, gröberes ift Foftbarer, weil es mehr Stor enthält, feineres,
weil mehr Arbeit. So ift e& auch mit den venezianifchen Goldketten,
von denen ein Braccio (2,1? bad. Fuß) gilt:
von Nr. O (feinfle) 60 Franken
⸗ 21 40
⸗⸗2u.3 20 ⸗Minimum.)
⸗ 24 21 ⸗
» = 24 (groͤbſte 60⸗
3 Mol, Würtemb. Gewb. Ind. ©. 288. — Babbage, a. D.
6. 167.
Steigt der Preis eines Gutes über bie Koften, fo fommt
der Ueberſchuß zunächft dem Unternehmer zu flatten, welcher in
biefem Balle einen den gewöhnlichen mittleren Sag überfteigenden
Gewerböverdienft bezieht, 8. 158. 2). Dauert aber ein folder
— 18 —
Stand des Preifes fort, fo koͤmen bie Berhältniffe des Mit
werbens ben Unternehmer nöthigen, einen ‚Theil dieſes Gewinn⸗
überfchuffes an andere Perfonen, welche zu der Hervorbringung
und Herbeifchaffung der Waare mitwirken, in&befondere an bie
Arbeiter und Grundeigner, ald Erhöhung des Lohnes und ber
Grundrente, abzugeben.
Zweite Abtheilung.
Beränderungen der Preife und Bemeffung derſelben.
$. 168.
Ein Gegenfland ift Foftbar, wenn er im Vergleiche mit
anberen Gütern beträchtliche Hervorbringungd- und Herbeiſchaf⸗
fungsfoften verurfacht. Die Koftbarfeit eines Gutes, d. h.
die Eigenfhaft‘, ein gewifies großes Maaß von Koften zu er-
“ fordern, ift nach Zeiten und Gegenden verfchieben, und wirb in
der Beurtheilung bed Einzelnen fowohl von der Erwerbung bes
Gutes im Taufche, al8 von der eigenen Erzeugung verflanden (a).
Werden dagegen mehrere Preiſe einer und derſelben Sache mit«
einander verglichen, fo entfliehen die Begriffe von theuer und
wohlfeil. Ein Gut ift tbeuer oder wohlfeil, je nachdem fein
Preis höher oder niedriger ift, als in vielen anderen Tauſch⸗
fällen, dieß fegt alfo voraus, daß in verfchiedenen Drten oder
Zeiten die Preife eines Gutes von einander abweichen (b).
Zwifchen dein Zuftande bed Theuers oder Wohlfeilfeind (der
Theurung und Wohlfeilheit) Tiegt der mittlere, dem durch⸗
Ichnittlichen Koſtenſatze entfprechende Preis, welcher zugleich der
gewöhnliche ift (c). Wird eine Waare a gegen eine andere b
theuer, fo liegt hierin nothwendig, daß leptere gegen a wohl-
feil geworden ift, daher finden Theurung und Wohlfeil-
heit immer nur bei einzelnen Arten oder Gattungen von Guͤ⸗
tern im Vergleich mit anderen, oder, nad) der Einführung eines
allgemeinen Preismaaßes (Geld) im Vergleich mit diefem ftatt.
Was man Theurung und Wohlfeilheit aller Güter gegen Metall:
geld nennt, iſt genau betrachtet nichts als MWohlfeilheit oder
Theurung ber letzteren. Werben beide Bezeichnungen fchlechts
bin, ohne Benennung einer Gattung von Gütern gebraucht, fo
bezieht man fie auf den Preis der gewöhnlichen Rahrungs-
mittel (d).
(s) Der hohe Preis des Diamanten hängt mit feiner Koftbarkeit zufammen,
denn bei der Seltenheit größerer Stüde fordert das Auffuchen großen
Koftenaufwand, auch, das Schleifen if koſtſpielig.
() Stord, I, 305.
(c) Nah Lop beziehen fi beide Begriffe auf das Verhältnig zwifchen den
Marktpreiſen und den Koften; theuer if die Sache, deren Preis über
dem Koftenfage flieht. Hanpdb. I, 55. — Da nun bie Koften den ges
wöhnlichen mittleren Preis beflimmen, fo werden beide Erflärungen in
den meiften Fällen zufammentreffen. Aber der Spracdhgebraud nimmt
bei jenen Ausdrüden auf die Koſten, teren Größe man oft gar nicht
fennt, feine Ruͤckſicht. Jedermann nennt den Zuder wohlfeil, wenn
der Gentner 25 fi., theuer wenn er 60 fl. gilt, die Koften feien welde
fie wollen. Selbſt bei Dingen, die weit über ihrem Koftenfage vers
faufti werden, wie ber Wein von ausgezeichneten Lagen, fpridt man
unbedenflidy und allgemein von wohlfeil und theuer.
(d) Die Ausdrüde theuer und koſtbar werden häufig mit einander vers
wechſelt und in der Ermangelung eines anderen Wortes wird auch das
Gegentheil von koſtbar wohlfeil genannt.
$..169.
Eine Sache kann theuer oder wohlfeil werben, d. h. einen
ungewöhnlich hohen oder niedrigen Preis erhalten 1) durch zus
fällige Aenderungen im Angebote oder Begehre bei einerlei
Hervorbringungdfoften, 2) zufolge einer Veränderung in biefen
Koften.
rung und Wohlfeilheit genannt (a). Ungeachtet der Entbehrs
lichkeit diefer nicht einmal ganz bezeichnenden Ausprüde ift doch
bie Unterfcheidung jener beiden Urfacyen der Theurung und Wohl
feilheit erheblich, weil eine folche ‘Preidveränderung eines Gutes,
bie aus einer Aenderung der Koften hervorgeht, gewöhnlich weit
dauernder ift, al8 eine folche, die von den häufigen und manch⸗
faltigen Schwankungen der Eoncurrenzverhältniffe bewirkt wird.
Wird der erhöhte oder erniebrigte Preis einer Sadje zum ges
wöhnlichen, jo kann man dann nur noch bei der Vergleichung
mit ben !Breifen anderer Zeiten bie Sache theuer oder wohlfeil
nennen.
() Stord I, 806,
$. 170.
Derjenige Preis eined Gutes, welcher mit ben Koften zus
fammentrifft und in der Mehrzahl der Faͤlle wirklich ſtattfindet
($. 157), muß auch als der nüglichfte angelehen werden,
weil er die Hervorbringung und Berzehrung gleichmäßig begüns
fliget und dem Vortheile aller Betheiligten entſpricht. Er ges
währt nämlich 1) den Erzeugern und Berfäufern vollftändige
Erſtattung aller Ausgaben und Verzehrungen und ſetzt fie da⸗
durch in den Stand, ihr Gewerbe fortdauernd zu betreiben (a);
2) er giebt zugleich den Käufern Gelegenheit, fi) nügliche und
angenehme Gegenſtaͤnde mit einer fo geringen Aufopferung an-
derer Güter zu verſchaffen, ald ed auf die Dauer möglich ift (d).
(a) Borausgefeht, daß in dieſem Koftenfape auch der Unternehmer feinen
mittleren Gewerbsgewinn findet, 9. 139.
(5) Der Wunſch aller Verkäufer, daß ihre Waaren einen bie Koften über:
Reigenden Preis erhalten möchten, Bat in volfswirthichaftlicger Hinficht
fein Gewicht, weil ihm das Berlangen der Käufer nad Wohlfeilheit
gegenüberfteht und der Vortheil aller Claſſen zugleich beherzigt werden
muß, auch die DBeftrebungen der Gewerbsunternehmer ſich häufig wider:
ftreiten, wie 3. B. die Landwirthe einen hohen, die Tuchfabricanten aber
einen niedrigen Preis der Wolle wünſchen und zu bewirken fuchen. —
Steht der Preis einer Waare über den Koften, fo giebt dieß leicht
einen Antrieb, diefelbe häufiger hervorzubringen und neue Gapitale auf
das Gewerbe zu wenden. Gin folcher Preis vergütet ferner die Ber:
Iufte, weldye etwa ein zu niedriger Preis den Aufern zugefügt bat.
Tooke, Thoughts and details, III, 105 ff. Hier wird unter anderem
gezeigt, daß die Zahl der dem Parlamente jährlich vorgelegten Gemein-
heitstheilungsplane (inolosure-bille) zus und abnahm, je nachdem die
Getreidepreiſe (hauptſaͤchlich des vorigen Jahres) höher oder niedriger
flanden, f. aud Porter, Progress, ©. 148. Indeß laſſen fih auch
Bälle nachweifen, wo gerade die Wohlfeilheit einer Waare ſich nuͤtzlich
wieſen und Fortſchritte in der Gewerbskunſt hervorgerufen hat. Por-
er, ©. .
8. 171.
Unterfucht man bie volföwirthfchaftfichen Wirkungen, welche
eine Berminderung ber Koften eined gewiſſen Gutes hervors
bringt, fe ift |
1) in Bezug auf die inländifchen Käufer der Bortheil un⸗
zweifelhaft, denn die vermöge bed Mitwerbens ($. 163. 2) in
ber Regel eintretende Preiserniedriguug bewirft, daß gleiche
Werthmenge mit einem geringeren Aufiwande anderer Güter ein-
getaufcht und fomit ein größerer Gütergenuß erlangt werben
fann. Sind ed indbefondere Dinge von hohem -Werthe und
— 191° —
allgemeinem Gebrauche, ſo liegt in jener Veraͤnderung eine Er⸗
hoͤhung des Volkswohlſtandes. Der niedrige Koſtenbetrag und
Preis der Lebensmittel kann auch durch Berringering des Lohne
andere Erzeugniffe wohlfeiler machen, in beren Koften ber les
tere eine erhebliche Stelle einnimmt, und ſich hieburch doppelt
wohlthätig ermweifen. Der Bortheil der Käufer ift fehr verbreis
tet, weil jeder Staatsbürger Käufer vieler Güter ift und bei
jeder Waare weit mehr Käufer ald Verkäufer vorhanden find.
2) Aud die Verkäufer haben Nuten, da die Wohlfeilheit
ben Abjag erweitert und eine flarfe Zunahme deſſelben zu weis
teren Koftenerfparungen Beranlaffung giebt, die wenigftens eine
Zeit lang Gewinn verfprechen; 3. DB. die Ausgabe für Zinfen
vermindert fi) wegen des fchnelleren Erſatzes des umlaufenden
und ber vollftändigeren Benupung bed fiehenden Capitales, —
es werden neue Mafchinen zu Hülfe genommen ıc. Nur daraus
fann vorübergehend ein Verluft entfiehen, daß früher aufgewen⸗
dete höhere Koften nicht mehr vollftändig erfeßt werden, 3. 2. bei
Borräthen, die vor der Koftenerniedrigung angefchafft waren.
8. 172.
3) Es muß indeß auch der Einfluß der Koflenerniebrigung
auf die Lage ber übrigen bei der Hervorbringung bes
theiligten Perſonen beleuchtet werben.
a) Liegt die Urſache in einem geringeren Verbrauche bei der
Herworbringung, alfo in techniſchen Umftänden, fo ift dieß
gemeinnüglid), nur den Fall ausgenommen, wenn Arbeit erfpart
wird und Arbeiter ihre Rahrung verlieren, was jedoch gemein-
niglich nur vorübergehend geſchieht.
b) Bermindern fi) die Ausgaben bes Unternehmers darum,
weil die Renten für Grunpflüde und Gapitale.($. 139) und
ber Lohn der Arbeiter abnehmen, fo tritt eine -andere Bertheis
lung bed Volkseinkommens ein, bei der die Käufer auf Koften
einzelner Claſſen gewinnen. Auch ſchon vor den näheren Unters
juchungen über den Arbeitslohn ($. 187 ff.) ift es einleuchtend,
daß eine Wohlfeilheit der Waaren, die durch Entbehrungen ber
Arbeiter bewirkt würde, im Ganzen genommen feine günftige
Erfcheinung fein Fönnte, weil die Arbeiter nicht blos als Pros
burctionsmittel betrachtet werben bürfen (8. 129), fonbern bie
— 1 —
zahlreichſte Volksclaſſe bilden, der ein Antheil am allgemeinen
Wohlſtande gebuͤhrt (a). Ein Sinken der Grund⸗ und Capital⸗
zente iſt den Empfängern derſelben ebenfalls empfindlich, doch
in geringerem Grade, weil ihnen noch ein Erwerb durch Arbeit
freiſteht.
(c) Dieß iſt neuerlich auch von Hermann bemerkt worden, Muͤnch. gel.
Anz. 1847 Rr. 191 ff.
$. 178.
Entfernt fi der Preis eines Gutes in kurzer Zeit betraͤcht⸗
lih von dem Koftenbetrage, fo pflegt dieß auf den Verkehr ſtoͤ⸗
renden Einfluß zu haben. 1) Große Wohlfeilheit verurfacht
ben Berkäufern einen Berluft, der fie zum Einfchränfen ober
fogar zum Aufgeben ihres Gewerbes zwingt. Bei diefer Ver⸗
minderung des Gapitaled werben einige Zeit lang Arbeiter außer
Thätigfeit geſetzt. Es ift nicht wahrfcheinlich, daß die Käufer,
denen die Wohlfeilheit zu Gute kommt, fo viel Capital erübri«
gen, ald die Berfäufer einbüßen. Auch der Uebergang von
einem Gefchäfte zu dem andern ift oft mit einem Opfer vers
bunden, $. 161 (a). 2) Starke Bertheurung ift den Käufern
beſchwerlich, nöthigt fie zu Einfchränfungen in dem gewohnten
Gütergenuffe und legtihnen fogar bei fehr werthvollen Dingen,
bie ſchon bisher eine bedeutende Ausgabe verurfadhten, eine
ſchwere Entbehrung auf (5). Tritt nun hieburdy eine Verrin⸗
gerung des Abfages ein, fo ift diefe auch für die Verkäufer
nachtheilig und ſchwaͤcht die Production (ec).
(a) Die nämlihe Wirkung zeigt fi dann, wenn bei einer Zunahme der
Koften der Preis ftehen bleibt oder nicht verbhältnißmäßig fleigt, $. 163.
Die Preisveränderungen einzelner Waaren erfireden fih gewöhnlid
weder Schnell noch vollffändig auf die Preife anderer Güter, zu deren
Hervorbringung jene gebraucht werben.
(5) Dean hat von London und Paris nahgewieſen, daß die Zahl der Sterb⸗
fälle mit den Fruchtpreiſen der einzelnen Jahre ſteigt und fällt,
Dyaniöre, in M&m. de l’institut nation. Sc. mor. et pol. I, 543. Aus
den Angaben für England ift vie nicht x erfehen, nach der Tafel bei
Mac-Culloch, Stat. L, 414, ſ. auh Bernoulli, Populationiftif,
U, 365. — In Frankreich war die Zahl der Geftorbenen auf 10 000 Le:
bende, 1845 212, — 1846 234, — 1847 241, und die ruchtpreife
fliegen in gleicher Folge Moreau de Jonnts in Söances et tra-
vaux, XVII, 33, vergl. Dupin, ebd. ©. 36. — Die Zufammenftel-
fung der Sterbfälle und der Preiſe des Getreides ſowie der Kartoffeln
für Belgien (nad den Zahlen im Annuaire de l’obserrat. de Brux. 1854)
und Sachen (Statift. Mittheil. — Bevölf. II, 60 und Taf. XII)
zeigt ebenfalls die Sterblichkeit der theuren Jahre nicht regelmäßig und
— 193 —
beträchtlich größer, weil mandherlei andere Urfachen mit einwirken. Doc
in den beigifhen Städten war zwifhen 1835 und 1852 die Zahl
der Sterbfälle in den 5 theuerften Jahren (mit Ausfchluß der Cholera:
jahre 1848—49) im D. 31861, in den 5 wohlfeilften 28379.
(c) Wenn das vertheuerte Gut nicht wohl zu entbehren iſt, fo verfagt man
fi lieber irgend ein anderes minder wichtiges, und dann wird defien
Abſatz vermindert.
8. 174. |
Im gemeinen Leben fegt man unbebenflidy voraus, daß die
Veränderungen in den ‘Breifen der verjchiedenen Waaren fich
genau and dem jedesmaligen Geldpreiſe der legteren erfennen
laffen, weil man dad Geld für einen genauen Maapftab ans
ſieht, 8.146. Dieß würde e8 fein, wenn fein Preis gegen alle
übrigen Güter unveränderlidy wäre; treten aber in dieſem Ders
änderungen ein, fo find die Geldpreife nicht mehr vollfommen
geeignet, den Wechfel in den Preifen der einzelnen verfäuflichen
Dinge anzuzeigen. Betrachtet man in biefer Hinficht den ges
wöhnlichften Stoff des Geldes, nämlih Gold und Silber,
fo zeigt die Erfahrung Bolgended: Die Preife derfelben gegen
alle anderen Güter erleiden Feine häufigen Veränderungen, indem
a) die Koften ihrer Gewinnung, welche hauptfächlid) von ber
Reichhaltigkeit der Lagerftätten, ihrer Lage ıc. beftimmt werben,
feinem oftmaligen und plöglichen Wechſel audgefegt find, auch
b) dad Angebot den Schwankungen des Begehres in einzelnen
Ländern leicht nachſolgen kann, weil die edlen Metalle bei der
Niedrigkeit ihrer Verſendungskoſten (a) ſchnell und häufig aus
einem Lande in dad andere, ja aus einem Erdtheile in den
anderen gehen. Dagegen Eönnen ſich in längeren Zeiträumen
fowohl in der Ergiebigkeit der Bergwerke, als in dem Verhaͤlt⸗
niſſe des Begehres zum Angebote erhebliche Aenderungen zus
tragen, deren Graͤnzen fid) nicht vorausfehen laſſen (5), fo wie
auch der Preis der Müngmetalle in den verfchiedenen Ländern
nicht ganz derſelbe fein Kann.
(a) Ein Aufwand von 1 fl. Frachtkoſten für den Gentner (für ungefähr
24 Meilen) vertbeuert das Gold ungefähr um !/ıeo Procent, Silber
Y/ys Proc., Duedfilber 5/5 Proc, Baumwolle, Zinn 1—2 Bror.,
Rohzucker 6—8, ae 10—12, Waizen 25—33, Kochſalz 66,
Pa um 150 Proc. des üblichen Preifes, letztern an der Grube
gerechnet.
(6) Es können die lang fortgebauten Dergwerfe erfchöpft oder dagegen
neue veichere aufgefunden werden. Der Begehr nimmt zu, wenn man
Rau, yollt. Dekon. I. 7. Ausg. 13
— 14 —
mehr Metallgeld braucht, h; B. wegen häufiger Binlöfung des Papier:
geldes, oder wenn andere Berarbeitungen der edlen Metalle allgemeiner
werben.
8. 175.
Eine Veränderung in den Preifen der Müngmetalle ift dann
anzunehmen, wenn bie legteren gegen alle oder doch gegen bie
meiften anderen Güter zugleich und gleichviel im SPreife ges
ftiegen ober gefallen find; wenn dagegen nur die eine ober andere
Gattung von Waaren im Preife gegen Münzmetalle fteigt ober
fallt, fo beweift diefes, daß die Veränderung bei biefen Waaren
vorgegangen if. Die Entfcheidung, ob das Eine ober das
Andere erfolgt fei, ift jedoch nicht leicht, denn die Preiſe ber
einzelnen Waaren find vielen Beränderungen auögefegt, die zum
Theil erweislich aus befonderen Umftänden, namentlich im Mit:
werben ober in den Koften herrühren und daher nicht mit den
Aenderungen in der Menge der Münzmetalle zufanmenhängen.
Man muß folglid den Einfluß jener Urfachen zu befeitigen
fuchen und ſolche PVerfehrögegenftände auswählen, bei denen
befondere Urfachen der erwähnten Art am wenigften einwirken.
Ferner ift es nöthig, wenn ‘Breife verfchiedener Dinge gegen
Geld aus verfchiedenen Zeiten oder Rändern miteinander vers
glichen werden follen, vor allem die Münzfummen in Gewichts⸗
mengen von Gold und Silber audzudrüden, weil ver Metall,
gehalt der Münzflüde fi) von Zeit zu Zeit geändert hat und
von Land zu Land andere Münzforten vorfommen (a). Auf
diefe Weife erfennt man, daß die Preiſe der edlen Metalle wirfs
lich bedeutenden Veränderungen audgefegt find, weßhalb biefe
Stoffe feinen ganz vollfommenen Maaßftab der Preiſe bilden.
(a) Bernoulli (Schweizer. Ai, II, 44) zeigt, daß bie oft ange
ftaunte Wohlfeilheit früherer Jahrhunderte größteniheild auf dem das
maligen größeren Gehalte der Münzen beruht. — Es wäre eine eben fo
verdienftliche als fchmwierige Arbeit, Münztabellen für jeden Staat nad
der Zeitfolge aller eingetretenen Münzveränderungen zu entiwerfen. Yür
Frankreich findet man Materialien hiezu in der Borrede von Paſtoret
zu den Ordonnances des rois de la France, Bd. XV, für Italien im
Pr und 14. Sahrh. bei Cibrario, Della econ. polit. del medio evo.
. 545.
$. 176.
Die größte befannte Veränderung in den Preifen der Münz-
metalle ging im 16. Jahrhundert vor, ald die großen Maflen
— 195 —
Goldes und Silbers aus den americaniſchen Bergwerken nach
Europa zu ſtroͤmen anfingen, auch überhaupt der Verkehr ſich
ſehr belebte (4). Man hat angenommen, daß dieſelben ſeit dieſer
Zeit auf den dritten, vierten oder ſogar den ſechſten Theil des
Preiſes geſunken ſeien, den fie im Alterthume und im Mittels
alter gehabt haben (6). Es laͤßt fich indeß Feine foldhe Zahl ale
allgemein geltend und ficher angeben, 1) weil die Preiderniedris
gung dieſer Metalle nicht in allen Ländern von Europa in gleichem
Grabe eintreten Fonnte (c), 2) weil ed einen Unterfchied macht,
welche Zeiträume vor und nach dem Anfang der ftärfften Gold»
und SilbersEinfuhr man zur Vergleihung wählt (d). — 3) weil
ed an zahlreichen, fortlaufenden und genauen Nachrichten über
die Preiſe verfchiedener Waaren in früheren Jahrhunderten fehlt.
Man fennt größtentheild nur ©etreidepreife, bei denen es zweifel-
haft ift, ob ihre Veränderungen nicht von ben vermehrten Koften
des Anbaued bei dem ftärferen Begehre und von ber ungleichen
Fruchtbarkeit ganzer Perioden herrührt (e). Außer jener Haupts
veränderung find mehrere andere minder beträchtliche vermuthet
worden. Die Münzmetalle fcheinen im 14. und 15. (f), ſo⸗
dann wieder im 18. Jahrhundert gegen ihren Stand im 16.
und 17. (g) und endlidy nad) ihrem etwas niedrigeren Preiſe
im Anfang des 19. Jahrhundertd abermald im dritten Jahrs
zehend deſſelben wieder eine Bertheuerung erlitten zu haben (Ah).
(a) Ueber die Preife des Silbers in den legten 4 Jahrhunderten f. Smith
I, 288 ff. — Sorgfältige Unterſuchungen über die Geldpreiſe im Alter:
tbume bei Sarnier, franz. Ueber. von Smith, V, 64-81. —
Böckh, Staatshaush. der Athener, I, 123. — Helferich, Bon den
period. Schwanfungen im Werthe der edlen Metalle. Nürnb. 1843. —
Roſcher, Syflem der B. W. I, 238.
(6) ®arnier und Say berechneten anfangs, daß das Bold auf !/s, das
Silber auf */s feines früheren Preiſes gefunfen fei, fpäterhin feßten
fie diefe Veränderung beim Silber aut le. Nah Garnier galt
1 Pfd. Silber in älterer Zeit 6000 Pfd. Waizen, feit dem 16. Jahr:
huntert nur 1000 Pfd.; Say, Handb. IL, 12 ff. Toofe und New:
march (Geh. d. Preife II, 428) nehmen von 1570—1640 nur ein
Sinfen auf %/s an. — Der mittlere Preis eines Ctr. Waizen war nad
Garnier und Say:
I. Alte und mittlere Zeit.
in Athen zur Zeit des Demoftbenes 58
in Rom unter Gäfar . . . .-. 52
unter Karl dem Großen . . . . 46
in Sranfreih unter Karl VIL. (1450) 42
in Branfreih im Jahre 1514. . . 64
Durcdhfdnitt. . . » 32 kr.
13*
Dunn?
(e)
() 3
(e)
— 1% —
II. Neuere Zeit.
Im Jahre 1536 . . .. . 140 kr.
1610
s
10 22 2.028 -
1i7868 6787
1820 27310 «
Durdihnitt . . . . 29 — fl. 19 Er.
Sn Anfehung der Preiſe aus dem Alterthume weichen neuere Unter:
fuchungen von den Angaben Garnier’s bedeutend ab. Die 5 Drady:
men, welche der Medimnos damals galt, betragen, wenn man die Ältere
Drachme zu Grunde legt, nah Böckh (Staatshaushalt der Athener,
I, 15.) 2 fl. 4 fe., nad Zetronne (f. Wurm, De ponderum, num-
morum .. . rationib. apud Roman. et Graec. Stuttg. 1820) 2 fl. 108r.,
und der Medimnos war nah Ideler — 1%/ıs des preuß. Scheffele,
den man zu 92 Pfund Waizen anfegt (S 0,'6 bad. Malt.). Daher
war der Preis eines Centners Waizen
zu Sokrates Zeiten 85 kr. — tif. 25 kr.
zu Demoſthenes Zeiten 146 fr. = 2 fl. 26 kr.
Auch der römische Preis (1 modius zu 3 sestertii) ift viel Höher und
madht, da der modius 0,157 pr. Scheff., der sestertius 5,73 fr. betrug
Wurm, a. a. DO), gegen 117 &. — 1 fl. 57 fr. auf den Gentner.
Sn Stalien fcheint im 16. Sahrhundert gar feine DBertheurung der
Maaren gegen Metallgeld ftattgefunden zu haben, weil diefes Land ſchon
vor —F Beit in Folge feines ausgedehnten Handels metallreicher war,
als jedes andere, und die Abnahme des Berfehres nach der Beränderung
des Handelszuges wenig Gelegenheit darbot, von den americanifchen
Metallzuflüfien etwas an fi) zu ziehen. Carli, Del valore e della
proporzione de’ metalli monetati con i generi in Italia, in den Ser.
class. P. mod. T. XIIL — Pecchio, Storia, ©. i12.
. B. 0b man dic 2te Hälfte des 15. und des 16. Jahrhunderts ver⸗
gleicht, oder mehrere Jahrhunderte vor⸗ und nachher.
Say räth, Geldſummen, die aus früherer Zeit bekannt find, nad den
damaligen Getreidepreifen in Getreide und dann nah den heutigen
Preifen deflelben wieder in jeßigem Gelde auszubrüden. Dieß giebt
jedoch Feine genaue Vorſtellung von der Lage, in der ſich der Beſitzer
einer folchen Geldſumme in einer früheren Zeit befand, zumal da unters
befien auch die Preife der meiften Güter untereinander ſich verändert
haben. Vgl. Rau, Zuf. zu Stordh, Nr. 73. — Lotz, Handb. I,
406. Biele Ausmittlungen diefer Art bei Cibrario, Della econ. pol.
©. —* — Ergebniſſe verſchiedener Berechnungen aus ben Getreide:
preifen:
1) In Paris galt der setier Waizen
in dem Zeitraume zwifchen 1202 und 1532 7,6% Franten,
in ber Periode von 1535—1785 . . . 21,9 Franken, alfo nicht
vol treimal foviel. Kraus, Vermiſchte Schriften I, Taf. IV.
2) Die von Ad. Smith nad Fleetwood mitgetheilten Nachrichten
geben folgende Durchſchnitte für den Quarter Waizen (5,2% preuß. Sch.)
in heutigem Gelbe:
in 72 Jahren zwifchen 1202 und 1560 275/, Schill.
149-1516 . . : .2.2..2.7.10 ⸗
in 12 Jahren zwiſchen 1561 und 1601 47 ⸗
von 1595—1764 . . 2 222.45 ⸗
erhoͤht, gegen die früheren Jahrhunderte nur um 61
[Te 7 \ u VÂÄνM
W
ET 1
, alfo 4'
PR aſach
— 197 —
3) Brüffeler Waizenpreife, Quetelet, Recherehes stat. sur le royaumo
des Baye-Bas, 1829 (in Sols de Brab. zu 2, 5 fr. für 1 rasidre — 0,°
pr. Sch.):
1500-49 12,8 1600-99 70
1550—99 39 1700—99 63
alfo in der 2. Hälfte des 15. Jahrh. Ifach.
4) Preis des Seftario Waizen (0,1% dettet in Piemont und
Savoyen in heutigem Gelde nach Cibrario, S.
zwiſchen 12891397 4,7 Lire
⸗ 1825—1835 g, 1 2
alfo 73 Proc. höher, und ber frühere Preis, das Heftol. zu 10,7? Fran:
fen, war ſchon ein anſehnlich hoher.
5) Nah den von de Montvéran (Bulletin de la societs franc.
de statistique, Sept. 1830) gefammelten Nachrichten verhalten fih die
waneppreiſe in Frankreich von 1307—1560 zu den neueren wie 1
zu 2,76,
6) Nach von Groß (D. ‚Siertetjahrefärift Nr. 50, ©. 186) Faufte
man in Königsberg mit I Mark S
1448—1534 55,'5 8 Sa. Roggen
1568— 1655 19,35. ⸗
ober ungefähr '/a ber früheren Menge.
Shudburg’s Tabelle bei Kraus a. a. D. Taf. 1 beweiſt, daß
zwölf verfchiedene Waaren von 1550—1795 71/s mal theurer geworden
find, aber es find dieß meiftens ſolche Lebensmittel, deren fortwährende
Preiserhöhung befannt ift, fo daß man daraus feinen Schluß auf die
Geltung des Silbers machen fann, $. 185. — Wenn, wie Hel-
ferich a. a. O. Kir zeigen ſucht, der americanifche Metallzuflug im
16. Jahrhundert Feiner war, als man gewöhnlid annimmt, fo kommt
die —R zum Theil auf Rechnung anderer gleichzein er Ur⸗
ſachen, des lebhafteren Verkehrs, der ftärkeren Nachfrage nach Waaren
und dergleichen.
(f) ©. die Zahlen aus Smith's Werke in der vorigen Rote.
(9) Dod nicht aller Orten, 3. B. nicht in Baiern, Hermann, ©. 123.
(1) Belege dafür:
Münden, Danzig,
der Scheffel Roggen; der engl. Quarter Waizen:
1800-09 14,9 fl. 1800-09 60 Sch.
1810—19 17,8 ; 1810—19 55,9 ⸗
1820—28 8,5 ⸗ 1820—31 35,1 ⸗
Belgien, Heidelberg,
das Heftoliter Waizen: das bad. Malter Spelj:
1801— 10 17,8 Kr. 1800—09 4,8 fl,
1811—20 23,67 ⸗ 1810—20 5,8% ;
1821—30 16,10 ⸗ 1821— 30 3, ‚“ ⸗
Das Sinlken der Getreidepreiſe in dieſer Zeit darf jedoch nicht ganz
aus jener Urfache abgeleitet werben, weil bei dem Getreide noch bes
fondere Umftände mitwirkten, 3. B. der Friede, der vermehrte Anbau
und die fruchtbaren Jahre.
Ueber die Zweifel di gen die Annahme diefer Veränderungen in ben
neueren Bold: und Silberpreifen ſ. $. 277a.
8. 177.
Die Unvollfommenbeiten, welche fich beim Gebrauche bes
Metallgeldes zum Preismaaße zeigen, find zwar in dem gewöhn-
— 198 —
lichen Verkehre wenig fühlbar, erſchweren aber nicht nur bie
deutliche Erkenntniß der Preisverhältniffe anderer Zeiten und
Länder, fondern erweifen ſich auch nachtheilig in folchen Fällen,
wo ed darauf anfonımt, Leiflungen auf lange Zeit hinaus fo
feftzufeßen, daß fie für den Empfänger wie für den Leiſtenden
gleich groß find (a). Deßhalb hat man ſich viel mit der Auf
fuhung eined Gegenftandes befchäftiget, welcher von jenen
Mängeln frei wäre und als ein vollfommener Maapftab des
Preifes, oder wie man ſich auszubrüden pflegte, des Tauſch⸗
werthes, angefehen werden fünnte Fuͤr die in einem folchen
Maaße ausgebrüdten Preife der Güter brauchte man die Ber
nennung Sachs oder Real⸗Preiſe, im Gegenfage der Nenn»
oder Nominal⸗Preiſe, worunter die durch Geldſummen bes
zeichneten verftanden wurden. Man fonnte jebody nicht die
Abficht hegen, dad Metallgeld zu verdrängen, fondern man wollte
nur die bei demfelben vorfommenden Ungenauigfeiten mit Hülfe
des anderen Maaßſtabes berichtigen. |
(a) 3. B. bei immerwährenden Abgaben, die an der Stelle der bisherigen
bäuerlihen Laſten auf die Ländereien gelegt werben oder die nach dem
Verkaufe von Stantsländereien auf denſelben haftend bleiben follen, —
bei Staatsanleihen u. dergl.
8. 178.
Dieß Suchen nach einem vollfommenen Preismaaße iſt vers
geblih. Es giebt nämlic, feinen im Verkehre ftehenden Gegen-
ftand, deſſen Preid gegen die Gefammtheit der Abrigen Güter
nicht felbft wieder manchen Veränderungen unterläge, weil fich
fein Gut findet, bei dem fowohl der Koftenbetrag als das beider⸗
feitige Mitwerben unveränderlih find; nur find die Güter in
der Häufigkeit, der Größe und der Gränze ſolcher Preisver⸗
änderungen fehr von einander verfchieden.” Noch viel weniger giebt
ed einen Gegenftand, von welchem eine gewiſſe Quantität den
Eigenthümer zu allen Zeiten in die Lage fegte, eine gleiche Menge
aller anderen Güter einzutaufchen, weil diefe aus Urfachen, die
ihnen eigenthümlich find, theild im Preiſe finfen, theild fteigen.
Wenn nun demnad Fein Gut fi fo ausfchließend zum Preis:
maaße eignet, daß die in demfelben audgedrüdten Preife anderer
Güter genau die auf Seite der legteren erfolgenden Veränderungen
anzeigten, fo ift doch das eine Gut zu einem foldyen Gebrauche
noch eher tauglicdy ald dad andere.
l
— 19 —
$. 179.
Smith erklärte die Arbeit für den wahren Maapftab des
Taufchwerthes (Preiſes) der Güter. „Der Menſch ift reich oder
arm," bemerkte er, „nad Berhältniß der Quantität von Arbeit,
welche ihm zu Gebote fteht, oder welche zu erfaufen er die Mittel
in Händen bat. Der Werth jeder Waare ift alfo für denjenigen,
welcher fie nicht felbft zu verbrauchen, fondern gegen andere
Waaren audzutaufchen gebenft, der Quantität Arbeit gleich,
über welche er vermittelft derfelben zu gebieten hat, ober die er
dadurch erfaufen fann." — „An allen Orten und zu allen Zeiten
ift eine gleiche Quantität Arbeit für den arbeitenden Mann felbft
‚immer von gleihem Werthe. Iſt feine Geſundheit, feine Stärfe
und feine Geiftesmunterfeit die gewöhnliche, und hat er auch den
gewöhnlichen Brad von Beiftesfraft und Gefchidlichkeit, fo wird
er zu derfelben Arbeit immer ungefähr denſelben Aufwand von
Kräften, diefelben Aufopferungen feiner Zeit, feiner Bequemlich-
feit und feined Vermögens nöthig haben.” — „Das Verhältniß
aller anderen Waaren gegen einander wird dann am ficherften
gefhägt, wenn man ihr Berhältniß gegen die für jede zu er-
faufende Arbeit ausfindig gemadyt hat (a).” Wegen ber großen
Verſchiedenartigkeit der Arbeit rieth Smith, ſich hiebei der ges
meinen, FTunftlofen Handarbeit zu bedienen. Seine Anficht
wurde auch von Anderen angenommen (b).
(a) Unterf. I, 45. 49. 56.
(0) 3.38. Malthus, Princ. Ch. I, Sect. 6. — v. Safob, National
öfon., ©. 114. — Kupdler, Boltsw. I, 85. — Man würde demnad
die Gelbpreife der Dinge in der Menge von Tagen gemeiner Hand:
arbeit ausdrüden, die man mit jenen Geldſummen belohnen kann. —
Dagegen Sartorius, Abhandl. I, 16-33. — Bol. Los, Hand:
buch I, 45.
$. 180.
Wäre aud) die Beichwerbe, welche die Arbeit dem Arbeiter
verurfacht, eine und diefelbe, was nicht einmal der Fall ift, fo
hätte dieß doc) auf den bier in Betracht kommenden Gegens
ftand feinen Einfluß, da nah Smith's Vorſchlage blos ber
jedeömalige Lohn der Arbeit zum Maaßftabe genommen wird (a),
ber Lohn aber ohne allen Zweifel ſowohl in verfchiedenen Zeiten,
als an verjchiedenen Orten fehr ungleih if. Indeß knuͤpft fi
— 200 —
hieran eine andere Betrachtung. Je nachdem nämlich wegen dieſer
Verſchiedenheit des Lohnes ein gewiſſes Gut mehr ober weniger
Tagerverfe gemeiner Hanbarbeit erfauft, wirb der arbeitenden
Claſſe defien Erwerbung ſchwerer ober leichter. Da nun ber
voirthfchaftliche Zuftand dieſer Elaffe für die Beurtheilung bes
Wohlſtandes eines Volkes von großer Wichtigkeit if, fo erſcheint
ein folder Ausdruck ber Preife in Arbeitstagen fehr lehrreich,
nur nicht in dem Sinne jener Schriftfteller (8).
() Benn man ;. B. nad Jakob's Beifpiele die Preife ber Lebensmittel
auf diefe Weile ausbrüdt und angiebt, 100 Gtr. Lchensmittel Haben
in Berlin und Sondon den Tauſchwerth von 300 Arbeitstagen, in
Moskau von 240, auf den Societätsinfeln von 120 Tagen, fo werden
allerdings die Preife der Lebensmittel durch Duantitäten von Arbeit
bezeichnet, es ift aber offenbar, daß diefe Quantitäten darum ungleich
find, weil der Arbeiter für feine Anfvengung, Befchwerde ıc. nicht
überall und immer gleiche Vergütung erhält. iſt nicht genug, aus
jenen Aahfen zu Iernen, über weldhe Mafie von Anftrengung des Ar-
eiters ein Befiger von 100 Gentnern Lebensmitteln gebieten Fann, wenn
diefe Kraftäußerung wiederum einen fo ungleihförmigen Preis gegen
andere Güter Hat. — Vgl. dagegen von Jakob, 118 ff.
(&) Als Beifpiel folgt Hier die Angabe, wie viel Tage gemeiner Lohnarbeit
an verfchiedenen Orten ungefähr erforderlich waren, um dem Arbeiter
folgende Unterhaftsmittel zu verfhaffen, A in Mandyefer 181020,
B in $Hannover zu Anfang des 18. Jahrh., C ebendaf. 1827, D in
der Mark Brandenburg 1820-33, E in Grap 1826-45, F in ber
bad. Pfalz um 1850, G in Belgrad 1852, H in Sidney Auftralien
1849, I in News Dorf um die naͤmliche Zeit, K Ober: Canada nac
M’Eullod, Handb. I, 381. .
— — — — — —
lalsJe/pJe]r [eJa]lı]x
1Gtr. Nintil Ba 36 jaı m] 3 14 | 6
1 = Wagen | 5,5 |- zeit 112 13 Jia | 69 2
1. Bogen | | 6518,71 5018,01 9,5,— | 12) 1,5
12 Butter a2 00 69 a 88 — 00 Io 2
Yu = Bude 2a ana02 r - eier)
| |
Nah Arthur Doung’s Aufpiömungen (1787—90) fonnte_ ber
franzoͤfiſche Arbeiter 1 Gentner Brod in 10% Tagen, 1 Gtr. Fleiſch
in 36,9 C., der engliſche Brod in 10,4 T., Wleilh in 25, X. ver-
dienen. In China verdient der Tagelögner nad Timkomwsti (Meife,
I, 359) 1 Ctr. Rindfleifch in etwa 34, Hirfengraupen in 14, Meiss
graupen in 16, Butter in 85 Tagen.
$. 181.
Während Smith ($. 179) die für jede Waare zu erfaus
fende Menge von Arbeit als den beften Maaßſtab bed Preiſes
anfah, Tegte dagegen Ricardo (a) großes Gewicht auf bie
Menge von Arbeit, welche zu Hervorbringung eines jeden
— 201 —
Gutes erforderlih if. Aus ihr, je nachdem fie gleich geblieben
oder anderd geworben ift, fol man erfennen, auf welcher Seite
die Urfache liegt, warum jet nicht mehr diefelbe Quantität des
einen Gutes für dad andere gegeben und empfangen wird. Der
in dem Arbeitdaufwande ausgedrüdte Preis foll ber wahre
Realpreid (Realwerth nach Ricardo) fein (5). Es giebt je
doch, wie von Ricardo felbft anerkannt worden ift, fein Gut
von gleichbleibenden Koften, vielmehr bringen Mafchinen und
andere arbeitfparende Einrichtungen große Beränberungen her-
vor, man fann ferner nicht zugeben, daß bie Koften blos aus
Arbeit beftünden (8. 166), endlich würde man, da die Preiſe
fi) bald mehr, bald weniger von den Koften entfernen, bei der
Ausmittlung eined folchen Sachpreifed nicht einmal dad Ber:
hältniß der wirklichen Preife zu erfennen vermögen. Wäre die
Audmittlung des Arbeitöbedarfd zur Erzeugung der Waaren
von technifcher Seite nicht fo fehwierig, fo würde fie wenigftend
dazu fehr dienlih fein, um den Stand der Gewerböfunft in
jedem Zeitalter zu bezeichnen.
(a) Ueberf. v. Baumſtark. ©. ı ff. — Ebenſo M'Culloch, ©. 170. —
Dagegen auh Hermann, ©. 131.
(2) „Der Werth (value) einer Waare, oder bie Menge irgenb eines anderen
Butes, für welches fie vertaufcht werden wird, h ngt von der verhaͤltniß⸗
mäßigen (relative) Menge von Arbeit ab, die zu ihrer Hervorbringung
nöthig if." „Wenn es irgend eine Sade gäbe, zu deren Hervor:
bringung zu allen Zeiten die nämliche Menge Arbeit erforderlich wäre,
fo würde fie einen unveränberlichen Werth haben und ein vorzüglich
guter Maaßſtab (standard) fein, um bie Veränderungen im Werthe ans
derer Dinge zu bemeſſen.“ Diefen durch die Hervorbringungsfoften be:
fimmten Werth (Taufchwerth) betrachtet Ricardo als den „urfprüng-
lihen und natürlichen Preis,” von welchem die Marktpreife in Yolge
zufälliger Urfachen temporär abweichen können, ©. 66. Nur ſolche Dinge,
die durch den Menfchen nicht beliebig vermehrt werden können, werden
ausgenommen, weil bei ihnen die Seltenheit den Taufchwerth beftimme.
$. 182.
Das Getreide ift fchon von Smith al8 ein für längere
Perioden dem Gelde weit vorzuziehendes Preismaaß erklärt
worden, und in der That hat es in biefer Hinficht Vorzüge.
Sowohl beßhalb, ald wegen ber Folgen, die der jebeömalige
Getreidepreis für die minberbegüterten Einwohner eined Landes,
für die Landwirthe und felbft für die Finanzverwaltung hat,
verdient diefer Gegenſtand eine nähere Beleuchtung.
I Beränderungen des Betreidepreifes im Korts
gange der Zeit (a).
1) Die Ungleichheit der Ernten bringt von Jahr zu Jahr
eine große Berfchiedenheit im Preiſe hervor. Während das
jährlihe Erzeugniß an Mehlfrüchten unter dem Einfluffe ber
Jahreswitterung ftarfen Beränderungen audgefegt ift, bleibt ſich
der Begehr weit mehr gleich, denn wegen bed hohen Werthes
bed Getreided bricht man ſich auch in fchledhteren Jahren an
dem gewohnten Bedarfe nur ungern ab, in reichen Jahren aber
erweitert fi) der Verbrauch nicht im Verhaͤltniß zum Ernte
ertrage. Zwar nährt man fi) volftändiger und wählt zugleich
feinered Mehl zur Verzehrung, aber dennoch hat der Nahrungs
bedarf eine ziemlich nahe Graͤnze. Die Landwirthe fuchen in
ungünftigen Jahren noch ihren gewöhnlichen Bebarf zu behalten
und bie verfäuflihe Menge nimmt folglich ftärfer ab als der
ganze Ertrag des Getreidebaues. Deßhalb fleigt und fällt
der Oetreidepreid mehr, ald man aus dem Ernteergebniß ers
warten follte, er geht 3.B., wenn eine Ernte um 1/4 reicher oder
aͤrmer war, ald gewöhnlih, um weit mehr als !/ı über oder
unter ben mittleren Preis, und ber Landwirth zieht alfo in
reihen Getreidejahren eine geringere Geldeinnahme von dem
Berkaufe feiner Erzeugniffe, ald in mittleren und fchledhten, obs
glei der ganze Koftenaufwand in den legteren, wenigftend in
Hinfiht des Erntes, Fuhr⸗ und Dreſchlohns, etwas Heiner if.
Es ift jedoch unmöglich, für das jedesmal obwaltende Verhaͤltniß
zwifchen dem Ernteertrage und dem Preife eine allgemeine Regel
in Zahlen aufzuftellen, weil es hiebei noch auf mandherlei Neben⸗
umflände, 3. B. die Größe ber vorigen Ernte, die Aus- und
Einfuhr, den bisherigen Preis ıc., ankommt (ce). Gewöhnlich
folgen gute, mittlere‘ und fchledhte Jahre in bunter Miſchung
aufeinander, fo daß die Jahrespreife bald fteigen, bald finfen,
doch giebt es auch Beifpiele einer mehrmaligen Wiederholung
teicher oder fpärlicher Ernten (d).
2) Was die Preife der einzelnen Sahreszeiten betrifft,
jo wird gewöhnlich als Regel angenommen, daß die Preife im
Herbfte und Winter, wo die meiften Vorräthe nad) dem Aus⸗
brufche zu Markte kommen, am niedrigften, dagegen im Fruͤh⸗
ling, wo das Angebot fchwächer ift, am höchften ftehen, deßhalb
208 —
bedient man fich in folchen Gefchäften, wo man aus Billig«
feitögründen niedrigere Preisfäge anwenden will, oft der Mars
tinipreife (11. November) , oder befjer eined Durchſchnittes der
Preife in den Wintermonaten. Im Frühlinge und Sommer
verurfachen auch Zinfen und Aufbewahrung einen größeren
Koftenbetrag. Indeß trifft jene Regel nur dann annähernd zu,
wenn bie Ernten nicht fehr ungleidy find. In Behljahren gehen
bie Preife gegen die Ernte zu und nad) ihr immer mehr in bie
Höhe, bis fie im Winter oder Frühling ihren höchften Stand
erreichen. Eine gute Ernte dagegen erniebrigt ſchon einige Monate
vor ihrem Eintreten den Preid und hält ihn niedrig, bis etwa
die Ausficht auf die nächfte Ernte ungünftig wird. Es kommt
alfo Hauptfächlid darauf an, wie zwei aufeinander folgende
Ernten fih in der Ergiebigkeit zueinander verhalten. Auch
fönnen große Abwechölungen in der Nachfrage und dem ftärfes
ven ober fchwächeren Bebürfniffe der Landwirthe, ihr Getreide
bald zu verkaufen, mandherlei Verfchiedenheiten nad, ſich ziehen,
weßhalb es Fein feſtes Geſetz für die Preife der Jahreszeiten
giebt (e).
(a) Damit man bie Getreidepreife für wiffenfchaftliche oder praftifche Zwecke
benugen koͤnne, müflen fie forgfältig ermittelt fein. Die Aufzeihnungen
in den Marftregiftern genügen nur dann, wenn der mittlere Preis
jedes Markttages mit Rüdficht auf die für jeden einzelnen Preis ver-
fauften Quantitäten befimmt worden ift, fo daß ber Mittelpreis, mit
der ganzen verfauften Menge vervielfacht, gerade die ganze wirklich be:
ahlte Summe giebt. Werner muß man den Unterſchied alter und neuer
ucht und alle Kaufbedingungen, 3. B. die Zahlungstermine, beachten.
Dad. Zehntablöfungsgeich, 15. November 1833, $. 32. Bollzugs:
verordnung vom 17. März 1834 (muſterhaft). — Kommen in einem
kürzeren, 3. B. 12, 20 sc. jährigen Zeitraume große Abweichungen der
einzelnen Sahrespreile vor, fo iſt es für den praftifchen Gebrauch rath:
fan, die hödften und niedrigften Preife aus der Rechnung mwegzulaflen.
Dieß Ausftreichen der Ertreme macht den Durchſchnitt niedriger, weil
die Preife der theuren Jahre mehr von dem mittleren Betrage abweichen,
als die der wohlfeilen, wie denn 3. B. in den Münchner Preiſen von
1750—1800 der niedrigfe um 47 Proc. unter dem 20jährigen Durdy-
fchnitte fleht, der hoͤchſte aber (1772) um 147 Proc. darüber. Die
Wirkung diefes Auslaffens der höchften und niedrigften Preife läßt ſich
jo erläutern:
Berlin, 50jähriger Roggenpreis von 1774-1833 48,5 Ser.
- 20jähriger Mittelpreis von 1794—1813 59,3 ⸗
derfelbe, nad Auslaſſung der 2 hoͤchſten
und 2 niedriaflen. . . > 2 20. ⸗
Köln, 60jaäͤhriger Roggenpreis von 1760-1820 48 ⸗
13jaͤhriger 1816—28 . . 2. 2.20.
derfelbe, nach Ausfcheidung des hoͤchſten
und niedrigſften. 00.
(2)
(e)
&. Sammlungen von ©etreidepreifen bei Unger, Bon ber Ordnun
der Fruchtpreiſe, Bött. 1752. I. — Frohn, ‚Ueber Bultur, Hand
u. Breife des Getr. in Baiern. Münden, 1799. Fol. — Kraus,
Auffäge über ſtaatswirthſch. Gegenftänte. Königeb. 1808. L — Rubds
hart, Zuſtand des Könige. Baiern, I. Beil. S. 90. (1825). —
Will. Jacob, Report on the trade in foreign oorn. 1826, die An:
hänge. — v. Bülich, Geſchichtl. Darftell.. Tabellen, IL, 22. V, 161.
— Beitr e zur Statiflif d. preuß. Rheinlande, 1829. ©. 92. —
Engel, Jahrbuch f. Statiftif u. Staatswirthihaft des K. Sachſen,
I, 484. 1853. — Seuffert, Statiflif d. Getreidehand. in Baiern. 1857.
Wenn ein Landiwirth gewöhnlich 54 Procent feines &etreideerzeugnifles
verkaufen Fann, und eine fchlechte Ernte ihm nur 3/4 des Mittelertrages
giebt, fo bleiben bei gleichem Bedarf für die Wirthichaft nur 29 Proc.
einer gewöhnlihen Ernte zum Verbrauch übrig, alfo nicht viel über
die Hälfte defien, was fonft auf den Marft fommt.
Die zweite gute oder fchlechte Ernte erhöht oder erniedrigt den Breis
weit mehr als die erfte, ein Mißjahr nach einem fehr reichen bewirkt
ein ſchwaͤcheres Steigen, als nad einem mittleren ıc. Werner wird der
mittlere — immer von der vorjährigen und dießjaͤhrigen Ernte
zugleich beflimmt, indem dieſe erft im Juli und Auguft erfolgt, und
ın ten erften Monaten des Jahres nicht einmal vorauszufehen ift, wie
die Ernte ausfallen wird. Dan würde daher befier nah Erntejahren
rechnen. Auch die fehr ungleihe Nahrhaftigfeit der Brodfrüchte in
verfchiedenen Jahrgängen, ein gewöhnlich überfehener Umſtand, hat Ein:
ug, Nebenius in Berhandl. der bad. zweiten Kammer von 1833,
XIII, 1834. Nicht allein das Gewicht eines gewiffen Raummanßes und
der Mehlertrag find von Sahr ge Jahr verſchieden, fondern auch bie
Zufammenfegung des Mebles. ah Millon (Annales d’hygiöne publ.
XLI, 451) hatte der Waizen von 1847 18%/,, der von 1848 nur
14 Proc. Wafler. — Die berühmte, von d'Ave nant bekannt gemachte
Regel King's ift deßhalb nur beifpielsweife zur Grläuterung zu ges
brauchen. ie ift folgende:
Menn an der Ernte fo fol der Preis über den
fehlt mittleren Sag fteigen
Wit) um 3/10
2/0 8/10
Io um das 18/0fache
io =. 20 ⸗
10 : All, :
Tooke, Thoughtse and detafls, III, 90. Es ift ner, die Größe
ber Ernten in einem Lande genau zu erforfchen, weßhalb nur ungefähre
Angaben zu erhalten find. Zum Beilpiele mag der Ertrag bes Waizen⸗
baues in Yranfreich dienen, nad Cordier, Mömoire sur l’agriculture
de la Flandre francaise. Paris, 1823.
Ernte. Mittelpreis. Ganzer Geldertrag.
Hectoliter. Franken. Franken.
1817 48 157 127 42,9 2046196 326
1818 52°879 782 27,37 1442031 655
1819 63'945 878 18,4 1170762 402
1820 44526 586 20,1 895428 644
Durchſchn. | 52'377 593 27,05 1388-604 757
Nah Schnigler (Creation de la rich. I, 34) iſt der Ertrag eines
Heftars Waizen in guten Jahren, wie 1826, 1832 u. 1833 13,43 Hectos
liter, in mittleren wie 183u, 10,53, in fchledhten wie 1816, 1817 9,1%;
(4)
(e)
— 205 —
das Verhaͤltniß dieſer Zahlen iſt wie 127 : 100: 87, während bie
Preiſe weit mehr von einander abweichen. — Der Ausfall des Sion en⸗
ertrages von 1846 gegen eine Durchfchnittsernte war im preuß pen
Staat 1/a, in Sachſen gegen 22 Proc., bei den Kartoffeln aber fehlten
1846 in Preußen 47, in Sachſen 24 Proc.
So waren z. B. 1692—1699 und 1765—1776 zwei Reihen fchlechter
Getreidejahre mit hohen Preifen, dagegen fanden von 1730—1764
nur zwei fchlechte Jahre Statt. Bon 1775—1793 traten 6, von
1793—1812 dagegen 11 fchlechte Jahre ein. In Belgien hatten von
1841—50 die meiften Provinzen 6 und mehr gute und fehr gute und
feine fchlechte Waizen:, auch nur eine jchlechte Noggenernte, dagegen
begann 1845 die Kartoffelfrankheit. Es leidet demnach feinen Zweifel,
dag die von der Befchaffenheit der Ernten berrührende Erhöhung oder
Erniedrigung des Preifes über oder unter den mittleren Stand in ein-
zelnen Fällen fogar 10, ia 20 Jahre fortdauern Fönne, wie der hohe
Preis von 1692—1714 und von 1793-1812, der niedrige von
1729—1751 und in ben Jahren 1818—31 deigen. Tooke, On the
high and low prices, III, 139. In Deutſchland haben der dreißig:
jährige, der flebenjährige und der franzöftfche Mevolutionskrieg die Preile -
anhaltend gehoben. In England konnten der Infellage willen die
Kriege diefe Wirkung nicht haben. Die vier guten Jahre von 1832—35
drüdten den Waizenpreis von 66%; Schill. (Durchſchnitt vor 1831)
bis auf 39%/5 Schill. (1835) herab, wie er feit 1790 nicht mehr ges
ftanden hatte.
Kleinere Landwirthe find früher mit dem Ausprefchen fertig als große,
Wohlhabende können mit dem Berfaufe mehr zögern. — Das Preis:
verhältniß der einzelnen Monate kann dargeftellt werden 1) nach den
Durdfchnittspreifen jedes Monates in einem längeren Zeitraum, 2) nad
der Beobachtung der Rangfolge der Monate in den einzelnen Jahren.
Dieß iR zwedmäßiger für praftifhen Gebrauch. Ber 1) ann der
niedrigfte Monatspreis in theuren Jahren noch fo hoch fein, daß bie:
durch der Durchſchnitt größer wird, als J dem 2ten Verfahren.
Beifpiele zu 1). Die zwölf Monate find mit römifchen Zahlen
bezeichnet, und nach dem Auffteigen vom niedrigften zum höchften Preife
eorbnnet, die beigefeßten deutſchen Zahlen drüden das Berhältniß der
ucchfchnittöpreife der einzelnen Monate aus (und zwar bei Münden
den Preis des Scheffels, bei Heidelberg den des Malters in Kreuzer).
Hamburg 1791—1822, Roggen: min. V (489) — X (498) — IV
(500) — VI (502) — XI (502) — I (507) — IX (509) —
LI (510) — XII (513) — IUI (517) — VII (517) — VIII (528).
Münden 1747—97, Roggen: min. VI (473) — VIII (480) — VII
(481) — ILI(491) — IV(492) — X (497) — V(499) — 1(506)
II (507) — IX (509) — XII (517) — XI (518).
Heidelberg 1811—30. Hier find die Preife von Martini bie Weih:
nachten mit M. bezeichnet.
Roggen: min. VIIL (421) — IX (458) — IL (467) — V (471)
— 1(472) — UI(475) — VII(476) — IV(480) — X(483)
— VI (IT) — M. (501).
Spelg; min, VIII (264) — IX(269) — I.11(280) — X (281)
— M.(285) — (289) — V(298) — IV (301) — VIL(310)
— VL (319).
Gerſte: min. VIII (335) — IX (386) — VIl (396) — 1(402)
— I1.X(408) — UI(417) — M. (423) — V (425) — IV(435)
— VI (454).
Zu 2) In Hannover fiel in 50 Sakeen der höchfle Preis 9mal in
den Januar, Smal in den November und December, Gmal in den October,
— 206 —
Smal in den Februar, Mat, Juni, September, nür imal in den Juli;
der niedrigſte Preis war iomal im Januar, Imal im Desember, Smal
im Auguft, October, November, 7mal im März, .... 2mal im Mai,
Imal im April.
In London war 1793—1847 in 54 Jahren der hoͤchſte Preis Smal
im Auguft, Tmal im Deeember, 6mal im Mai und Juli, der niebrigfte
2mal im December, 10mal im "Januar, 6mal im November.
In Berlin war in 23, von 1694 an ausgewählten Jahren, die
einen ftarten Wechfel zeigten, das max. 17mal in den 3 Wintermonaten,
nur Imal im April und Mai, das min. 12mal in den Wintermonaten,
Imal im Mai, Juni und Juli. — Unger a. a. O. ©. 2—24. —
Frohn, a. a. O. S. 16. — Klebe, Grunbfäße ber Gemeinheits⸗
theulung, I, 58. — Jacob, a a. O. S. 242. — Tooke, a. Schrif:
ten. — Dieterici in Statif. Hittheil, 1853. Mr.
$. 182a.
3) Ungeachtet der Schwankungen in ben Preiſen einzelner
Jahre zeigen doch Durchſchnitte längerer Zeitabfchnitte eine ge:
wiſſe Gleihförmigfeit, deren Urſachen nicht ſchwer aufzufinden
find. a) Die Entftehung der Früchte erfolgt unter einer fehr
mächtigen Mitwirkung natürlicher Kräfte, deren Thätigfeit in
jedem Lande fich gleich bleibt und fo eingreifende Verbefferungen,
wie fle in anderen Productionszweigen öfter vorfommen, nicht
zuläßt, weßhalb in den Koften der Hervorbringung Feine großen
Beränderungen Statt finden. b) Der hohe Werth des Getrei-
bes macht wenigftend von Seite der inländifchen Käufer den
Begehr im Ganzen ziemlich gleichbleibend, nur daß berfelbe
almälig mit der Bolfsmenge anwädhft; auch kann c) einer
Zunahme des Begehre mit der Zeit dur Ausdehnung und
fleißigeren Betrieb des Anbaues entfprochen werden (a).
4) Gleichwohl darf man bie in den bdurchfchnittlichen Geld⸗
preifen der Brüchte fichtbaren Ungleichheiten‘ nicht ganz den Ber:
änderungen im :Breife der Münzmetalle zufchreiben. Sie können
naͤmlich auch herrühren a) von der allındligen Zunahıne ber
Koften, wenn beim Anwachſe der Volksmenge ein größerer Vor⸗
tath von Lebensmitteln geivonnen werden muß, woraus noth-
wendig auch eine langfame Preiserhöhung entfteht. Verbeſſe⸗
tungen im Betriebe der Landwirthſchaft und in den Hülfsmit-
teln zur Waarenverfendung wirfen jener Urſache mehr oder
weniger entgegen (5); b) von der Ausdehnung bed Verkehrs,
bie bald Zufuhren aus anderen Rändern, bald Abfag nach diefen
herbeiführt und hiedurch die Preife anders ſtellt, als fie ſich blos
.
— 0 —
nach den inneren Wirthſchaftsverhaͤltniſſen eines Landes feſiſetzen
würden; c) von Störungen durdy den Krieg; d) von einer länger
anhaltenden Yruchtbarfeit oder Unergiebigkeit In diefen Hin-
firhten finden in jedem Rande eigenthümliche Verhältniffe Statt.
(e)
(2)
eng e Durchſchnitte zeigen noch beträchtliche Abweichungen ;
bei den nchner Roggenpreifen (1 bair. Scheffel — 4 —* PH
— 1,% dad. Malt.)
1750-59 5 * fl. 1790—99 10,4 J.
1760 —69 7 1800—09 14,9
1770—179 11,16 1810—19 17,75
1780—89 7,8 1820—28 8,5
Zwanzigjährige Durchſchnitte find fchon gleichförmiger, 3. B. die Lünes
burg’fhen Roggenpreife (1 Himten = 0,8% pr. Sch. — 0,? bad. Malt.).
1600—19 17,% &r. 1660—79 18,% Gr.
1620— 39 26,9 ⸗ 1680 —99 22,% -
1640—59 17,78 1700—19 23,10 -
Bei fünfzig und hundertjährigen Durchſchnitten würden die Abweichungen
noch geringer fein, wenn fie blos von den Ernten herrührten.
3. B. Braunfchweiger Roggenpreife:
1500—1550 3,3 Mer.
1551 —1600 11,® — XVI. Jahrh. 7,*
1601—1650 15,9
1651 —1700 17,°
1701—1750 22,5
1751—1800 27,5
Brüfleler Preife (Quetelet, Rech. statist. sur le roy. des Payabas,
1829) 1 Rasidre (0,91 Heftol.) galt in brab. Sole (zu 9 fr. Gent)
”
ww
XVII. ss 16,5
XVII. s 25.
us sv u
Waizen. | Roggen. Waizen. Roggen.
1500 — 1549 12,3 9,8 1700—1749 57,8 39,8
1550—1599! 39 27% 1750-1799) 68,9 46,?
1600-1649 68, 47.8 | 1800—1829| 105 66
1650—1699 71,3 53
Moggenpreis in München:
in 50 Jahren von 1637—1687 4,3
1688—1737 7,13
1738—1787 8,8
in 30 Jahren von 1788—1819 14,15 :
Hermann, Untef. ©. 123. — on nelgpreite in Seilbronn, das dortige
Malter = 2,% pr. Scheff. = 1,%% bad. Malter
wohlfeile Periode oe 9, fl.
höhere Preife 1787—1818 5,9 -
wohlfeile Sabre 1818—36 g, Ss .
abermal. Erhoͤhung 1837—43 5, “,
Rau im Archiv, NR. F. IV, 248.
$. 183.
II. Dertlihe Verfhiedenheit in dem Getreides
preife. Diefer beſtimmt fich überall nach den höchften Koften
der Hervorbringung und Beifuhr, die man zur Verforgung eines
gewiffen Marktes aufzumenden genötbigt if. Er iſt daher
1) da am niedrigften, wo man ben Bebarf bei ſchwacher Bes
völferung auf fruchtbarem Boden mit geringen Koften gewinnt,
befonder6 da, wo man noch Borräthe zur Abfuhr in andere
Gegenden übrig bat; 2) am hoͤchſten, wo der DBebarf der
Cinwohner nur vermittelft eines Eoftbaren Anbaues oder ber
Zufuhr aus entfernten Gegenden zu erlangen ift, was theils
von hoher Bevoͤlkerung, theild von geringer Sruchtbarfeit hers
rühren fan. 3) Der Getreidepreis ſteht da auf einer mitt⸗
(eren Höhe, wo ber Bedarf der Einwohner durch die ins
ländifhe Hervorbringung mit mäßigen Koften gerade gebedt
wird (a).
DI. Breife der einzelnen Fruchtgattungen. Das
Berhältniß, in welchem diefe zu einander nach Maaßgabe ihres
Gebrauchswerthes, d. h. der Nahrhaftigkeit, ftehen, kommt
mit dem Berhältniß der Anbaufoften ungefähr überein, weil bie
nahrhaftere Frucht gewöhnlich auch den Boden mehr ausfaugt
und mehr Pflege in Anfpruh nimmt. Doc finden in ben
Preifen erhebliche Abweichungen von dem Werthöverhältniß
Statt, wozu unter Anderm bie beflere Abfapgelegenheit im
Auslande, die gewohnte Vorliebe für die eine oder bie andere
Frucht und die Verfchiebenheit des für jede derfelben erforderlichen
Bodens beiträgt (db).
(a) Rau, zu Storch, Zuf. 78. Die Statiſtik Hat erſt in der neueſten
Zeit angefangen, fich mit diefem Gegenftande zu befchäftigen.
In Frankreich war der 10jährige Durchfchnittspreis von 1 SHeltoliter
Daizen (nach Arnould, Hist. gén. des fin. de la France, 1806,
. 86:)
20,7 Fr. im Durchſchnitt des ganzen Landes,
30,71 = auf der Süpfeite der Alpen, wo Del, Wein, Süb:
rügte größeren Ertrag geben und Getreide eingeführt
wird,
28,9% = in dem Alpen: und Gevennengegenben,
23,5 = in der Pyrenaͤengegend,
20,% = in der norbweftlichen Spike Köretagne),
16,897 =: am Ganale, wo flarfer Getreidebau und leichte Abfuhr
ur See,
15,01 = in den frudtbaren Gegenden von Lothringen und
Champagne.
Neuerli find die Unterfchiede geringer. Im 3. 1838-48 war ber
höchfte Preis 23 Fr. in dem ſuͤdoͤſtlichen Theile, der niebrigfte 18,1 in
der norftöftlichen Gegend, in Nordweſt 18,8, Durchſchnitt 19,8 Fr.
(2)
Im preußifchen Staate war: Moggenpreis Bevölkerung auf
1816—37 1D.M. 1837.
Preußen . © > 2 20200. 323,8 Sgr. 1827
—3 Poſen..34,2 =: 2180
Shlfen . - 2 22.22.38 ⸗ 3612
Brandenburg und Pommern . 38,4 : 2093
Sadin -. . . 2 22.2.6403 =: 3396
Meifalen . » . 2202... 41,8 : 3600
Rheinprovin . . . .... 494 ⸗ 5.078
Banzer Staat. . . . . . 40 2 776
Der Preis ift bier nah Weglaffung der zwei theuerflen und wohl:
feilften Jahre angeſetzt.
In Baden galt das Malter Spelzkern 1818—32:
unter 9 g in der Gegend vom Nedar bis an den Main, ferner
in Oberſchwaben, nörblid vom Bodenfee (min. Wert:
heim, 7a. 36. — — 8f.24 kr. — Heidel⸗
22
erg, 8 fl. 43 kr. — Stockach, 8 fl. 48 kr.).
9— 10 fl. in der Rheinebene zwiſchen Nedar und Murg und an
benachbarten öftliheren Buncten, am Bodenſee, auf
den Höhen der Baar (Billingen ıc.)
10— 11 fl. im Landestheil von der Murg fübwärts bis jenfeits
der Kinzig (Lahr), im nörblihen Schwarzwald, im
Rheinthal eliden bes Sees.
11— 12 fl. in der füdweftlihen Ede des Landes gegen Bafel (Brei:
burg, Müllheim sc.)
Die Preife nehmen alfo von Bafel aus (12 fl. 16 fr.) theils rhein⸗
aufwärts gegen Dften, theild abwärts gegen Norden und fotann norb-
öftlich regelmäßig ab.
Meuere Mittelpreife des Waizens: Bollcentner.
England, 1816—53, Quarter . . | 55,19 Schill. 7,7 f.
Sranfreih, 1816—50, Heftoliter . | 19,8 Er. 6,% -
Belgien, 1816—50, Hektoliter . . | 19,4 Kr. 5,89 ;
Sadfen, 1832—54, Scheffl . . | 4,6% Thlr. 5,108 .
Baden, 1818—50, Malte . . . | 14,81 fl. 5,8 -
Preußen, 1816—53, Scheffel. . . | 2,9 Thlr. | 4 -
Der Roggen galt
in Breußen ISI6E—5 . 2... .| 1,4 Er 3» -
in Sachſen 1833—54, Sceffel . . | 3,35 Thlr. 3,% :
in Baden 1818—50, Malte . .| 7,5. | 3,5
In dem Getreide ift zwar der Stickſtoff am meiften Allen aber auch
das Stärfmehl nicht ohne Nährkraft, und hierüber fehlen noch Unter:
fuchungen, weßhalb das Nahrhaftigkeitsverhältniß nicht genau befannt ift,
auch ift der Werth z. B. zum Brotbaden ein anderer als zum Bierbrauen.
Wird ein Scheffel, Malter ıc. Roggen glei 109 gefegt, fo ilt:
| Baigen. | Gerſte. | Hafer.
Der Werth der andern Früchte nad
Blood...
ihre Ausfaugung nad v. Thünen . 130 15 50
Mittelpreis In Timber 1648—1747 . 127 11 43,0
in Neuß, 17855—1835 . ..-... 136 16 50
in Berlin, 1766—1852 . . . . . 140 19 59
im preuß. Staat, 1816—5l . . - 143 75,* 53,?
in Münden 1747-6 . . . . . 147 83,6 58
Rau, polit. Del. I. 7. Ausg. 14
— 210 —
| Baizen. | Gerfte. | Hafer.
in Heidelberg, 1780—89 u. 1800—09 137 82 45
in Sachſen, 1823—54 ..... 140,17 | 76,89 48,65
in Brüffel im 16. Sahh. . . . . 126,7 80 50
im 17. — 22. 1385| 82,8 | 51,9
im 18. ⸗ ren 147 86,7 55,?
Belgien, 1801—50 ⸗ rn 155
in Warfchau, 1815—24 rn 156 IT "56,9
Der höhere Stand tes Waizens gegen Roggen kann aus bem zu:
nehmenden Berbrauche und der größeren Beliebtheit des Waizens, 3. D.
wegen der Weiße des Mehls, erklärt werden, weßhalb berielbe in Eng⸗
land und Franfreih die Hauptbrotfrucht if. Wenn eine Getreideart
auf einem Markte nur in geringer Menge und dabei gewöhnlich nur
in vorzüglicher Güte, oder dagegen in fchlechter Befchaffenheit erfcheint,
fo kann ihr Preis fehr von dem mittleren abweichen. Bei der Ber:
leihung darf man eigentlib nur da den Preis des Roggens zu Grunde
egen, wo berfelbe die Hauptfrucht für Verbrauch und Handel if. Sept
man den Waizen — 100, fo erhält man
Roggen. Gerſte. Hafer.
Großbritanien, 1823.- 32 . 61 56 38
Dan ig, 1770-1831 . . . 58 51 30
DBrüflel, 18. Jahrh. . . 68 59 37
Im fübwerlichen Deutſchland tritt an die Stelle des Waizens ber
ihm im Werthe und Preife ziemlich gleichkommende enthülfete (geichälte)
Spelz, Spentern Kern.) Der ungeſchaͤlte Spelz (Dinfel)- giebt gegen
42 Proc. Raumtheile Kern, dem Gewichte nach ungefähr 70 Proc.
Sept man ben Kern zu 100, fo ift der Preis des gleihen Raummaaßes
Spelz zwiſchen 36 und 45, in Würtemb. D. von 1833—45: 42,3,
im D. aller badiihen Märkte von 1833—50 40,7, wobei der Roggen
zu 68,4, die Gerfte zu 59,*%, der Hafer zu 35,9 fand. Zum Roggen
verhält fih der Spelz dem Preiſe nah in Würtemberg wie 62,1, in
Heilbronn , insbefondere wie 63,47, in Heidelberg wie 65, in Ueber:
lingen wie 58, in Umftadt wie 64 zu 100. — Dem Gewichte nad)
Iaflen fih die Mehlfrüchte ungefähr fo gegen einander fegen: wird ber
Gentner Roggen zu 100 angenommen, fo gilt der Gentner Waizen
gegen 126, Gerſte 85, Hafer 82, Spelz 104—108.
$. 184.
Die in vorftehenden $$. erflärte Regelmäßigfeit in den mitt-
leren Preiſen des Getreides fteht mit der MWichtigfeit beffelben
als des allgemeinften Nahrmitteld in Verbindung. Der Preis
befielben wirft auch auf die Preife anderer Nährftoffe ein, denn
wenn jenes theuer ift, werben dieſe ftärfer begehrt und erleiden
ebenfall8 eine Preiserhöhung. Dagegen wirft audy der höhere
oder niedrigere Preis bdiefer anderen Nahrungsmittel in Folge
ihrer fpärlichen oder reichlichen Erzeugung wieder auf den Ge⸗
treideprei® zurüd. Hauptfächlich ift dieß bei der Kartoffel der
— 21l —
Fall, die in einem großen Theile von Europa für die minder⸗
begüterte Volksclaſſe fhon den Mehlfrüchten an Unentbehrlicy
feit gleichfteht und deren Ertrag neuerlih anhaltend geringer
ift ald vorher (a). Der Arbeitslohn, da er den nöthigften
Unterhalt ficher ftelen muß, richtet fich einigermaßen nad) den
Durchſchnittspreiſen des Getreided, und diefe ftehen mit ben
Preifen vieler anderen Güter nothwendig in genauem Zufam-
menhang. Daher ift zwar nicht der jedesmalige wirkliche, wohl
aber der Durchfchnittspreid des Getreides gut zu einem Aus:
brude der Preidverhältniffe anderer Güter und zur Feſtſetzung
von Leiftungen für lange Zeit brauchbar (5).
(a) Die Kartoffeln flanden dem Raummaaße nad gegen Roggen im preuß.
Staate 1816—51 wie 32,%, in Sadfen 1838—52 wie 33,%, in Baden
1833—50 wie 30,7 zu 100. Bal. 6. 192.
(6) Sollte 3. B. eine Summe von 300 Thalern in Getreide ausgedrüdt
werden, und wollte man fih der fchlefiihen PBreife von 1816—37, nach
Ausihliegung der zwei höchften und ber zwei niebrigften, bedienen,
fo wäre der Roggen zu 38 Eat. anzunehmen und jene Summe be:
trüge 238,4 Scheffel Roggen. enn jedoch Jemand alljährlich dieſes
Betreidequantum felbft entrichten follte, fo würde dieß, wegen der von
Jahr zu Iahr wechlelnden Breife, eine höchſt ungleiche Laſt fein; die
Gntrihtung müßte alſo nad den Durchſchnitten der vorhergehenden
Jahre jederzeit in Geld gefchehen.
Thaer dat fi bei lantwirthfchaftlichen Berechnungen eines Maaß⸗
ftabes bedient, welcher zugleich auf Arbeit und @etreidepreife gegründet
it; er nimmt nämlid an, daß der Taglohn für gemgine Handarbeit
ungefähr dem reife von Yo Scheffel oder etwa 91, Pfund Roggen
gleihfomme. Dieß würde nad dem preuß. Durchſchnittspreiſe von
1816—51 4,95 Sgr. — 17,27 fr. ausmachen, ift aber zu niedrig.
Daher find Andere der Meinung, der Taglühner könne nicht beftehen,
wenn er nicht wöchentlih 1 preuß. Scheffel, alfo täglih "s Scheffel
oder 14 Pfund verdiene; Klebe, Grundi. der Gemeinheitstheil.
I, 80. Def. Anleit, 3. Berfert. d. Grundanſchl., 1828. ©. 125.
Dieß giebt für den Heidelberger Roggenpreis von 1818—50 27%3 fr.
und entfpricht dem damaligen Yeldtaglohn. 14 Pf. Roggen find gegen
10 Pf. Walzen oder Kern, weldhe in Baden, im D. 30 fr. galten.
Auh Maltbus bemerkt, daß 1 Pe Waizen der mittlere Taglohn
eines guten Arbeiters in guten Zeiten ſei, und daß beide Gegenſtaͤnde,
Getreide und Arbeit mit einander verbunden, ein weit befleres Preis:
maaß geben, als einer allein, wenn man nämlid aus ihnen die Mitte
nimmt, Principles, ©. 128 f. — 1 Ped kommt 1, vr. Scheffel
jiemlid, nahe und ift %/32 des Quarters. Daß in England lange Zeit
der Preis von 1 Bel Waizen als Aequivalent des Taglohnes anges
ſehen wurde, beflätigt‘ Sinclair, Grundgefebe des Ackerbaus,
S. 103 der deutichen Weberfeßung. In Frankreich wurde ſchon um
die Mitte des vorigen Jahrh. der Baron zu 9—10 Pf. Waizen
geſchätzt. — Nah einem andern Borfchlage follen, um Geldfummen in
einem zuverläffigen Maaße auszutrüden, nicht blos die Preiſe des
Getreides, ſondern aud anderer wichtiger Verbrauchsgegenflände 3. B.
Leder, Metallmaaren, Zuder sc. und zwar im Verhältniß der zu dem
14*
An
212 ° —
Rebensunterhalte erforderlichen Duantitäten, zu Grunde gelegt werben,
Lowe, England nad f. gegenw. Zuftande, d. v. Jakob, 1823,
©. 400. ehnlich Hermann’s NAnfiht vom Sahmwerthe des
Geldes, Unterſ. S. 98. 110. 117. 135. W. Betty empfahl den
täglichen Nährbedarf_ eines Menihen, Roſcher, Syſtem, I, 225. —
Die Eontractpreife für den täglichen Bedarf eines Invaliden zu Chelfea
an Brod, Butter, Käfe, Fleiſch, Salz u. Grüße waren 1800 8 PBence,
1805—07 11 P., 1813 und 14 13%, P., 1818 10 P., 1822—32
8% Bence (25'/2 fr.). Marshall, Digest of all the accounts etc.
U, 181. .
8. 185.
Nach der vorftehenden Unterfuchung über die Art und Weiſe,
wie man die in ben Preifen verfchiedener Dinge vorgehenden
Beränderungen erfennen und bemefien könne, bleibt noch übrig,
die Regeln aufzufuchen, nad denen die Preiſe verfchiebener
Claſſen von Sachguͤtern ſich im Berlaufe längerer Zeiträume.
zu verhalten pflegen. Fortdauernde Erhöhungen und Erniedris
gungen finden ihren Grund größtentheild in dem Umfang des
Begehrs und den Koften der Erzeugung und Herbeifchaffung.
In dieſer Hinficht find folgende Abtheilungen der Güter zu
unterjcheiden:
1) Rohe Pflanzen» und Thierftoffe, und zwar a) folche
bie ohne Zuthun der Kunft entftehen und von der menfchlichen
Zhätigfeit nur ergriffen oder gefammelt werden, fönnen bei ber
Abnahme des natürlichen Vorrathes und der Ausdehnung dee
Begehrs ftarf vertheuert werden, 3. B. wilde Thiere, Fluß⸗
und Seefifche, Wallfiſchbarden (a), Fifchthran, Wafhfchwämme,
Schildkroͤtenſchale; b) folche, welche durdy Bau und Zucht regel-
mäßig hervorgebracht werben, wie Getreide, Holz, Fleiſch, Wolle,
Häute und bergl., werben bei der Zunahme der Volksmenge
und. ded Wohlftandes in der Regel theurer, weil ihre Gewins-
nung und Herbeifchaffung bei einem größeren Bedarfe fchwieriger
und foftbarer wird, während ein Eleiner Borrath mit geringerem
Aufwande von Kunft und defto ftärferer Wirkfamfeit der Natur⸗
kräfte gewonnen werden fann (b). Die Colonialwaaren find
dagegen in neuerer Zeit gefunfen, weil ihr Anbau bei größerer
Sorgfalt ergiebiger geworben ift und die Verfendung weniger
foftet (c).
2) Mineralifhe Stoffe, bei denen die Quantität des
Erzeugniffes von der Ergiebigkeit der Fundorte abhängt, haben
— 218 —
feine regelmäßige Veränderung ihres Preiſes. Die Erſchoͤpfung
der bisherigen Lagerftätten, die Vertheurung des Holzes, die
größere Nachfrage, die man nicht ohne größeren Koftenaufwand
zu befriedigen vermag 2c., Fönnen eine Erhöhung, die Fort⸗
. fehritte der Bergbau» und Hüttenfunde dagegen, bie befleren
Ttandportmittel oder die Auffindung neuer Lager Fönnen eine
Erniedrigung ded Preifed nad fich ziehen (d).
(a) Diefe fliegen in-Hamburg von 1818—48 auf das 2,5%fache.
(d) Stord, I, 317. — Ricardo, v. Baumſtark, ©. 72. — Rofder,
Syſtem d. B.W., I, 227. — Nah den Angaben bei v. Gülich,
Tab. V, 158 war der Preis von 12, wenn ber von 1784-90 zu
100 gelegt wird, in England
bei Tale © ©... 108 | bei Repefamen . . . 143
: Xher . ». ... 114 | = Dlvnöl .°. . 157
: kt . ..:...41855
Holz und thierifche Stoffe werden am meiften vertheuert, wie Fleiſch,
Geflügel, Wildpret, Belle sc. bei der Verminderung bes Wildftandes u. dgl.
nah Shudburg find von 1550 bis 1798 geftiegen: Schaafe ım
Berhältnig 100 zu 882, Odfen 890, Pferde 904, Schweine 1960,
Kühe 2000. -
In einem ſchwach bevölkerten Lande ift Vieh auf der Weide in einem
Theile des Jahres fehr Leicht zu ernähren. Die Stallfütterung macht
dagegen größere Koften und die Mäftung wird nur da gene it, wo
das zur Erzeugung des Fleiſches verwendete Futter ebenfoviel einbringt,
alg bei einer anderen Benugung. Daher muß in einem gutangebauten
Lande und bei anfehnliher Bevölferung ein gewifles, mit den Natur:
gefegen der Thierzucht zufammenhängendes Berhältniß zwifchen den
Preiſen des Fleifches und der Futterfofe beſtehen. Dan nimmt an,
daß das Gefammtfutter des Maſtviehes, in Heuwerth ausgebrüdt, un:
gefähr 5 Proc. feines Gewichts Fleiſch- und Beitzung me erzeuge;
31/ Pfd. Heu find beiläufig einem Pfund Roggen gleich, alfo bringen
100 Pd. R. gegen 17% Fin Zleifh und Fett hervor. Hiezu fommt
aber noch der Dünger, fowie dagegen Koſten ter Wartung sc. zu bes
rüdficgtigen find. Da nun auch jene Zahlen feineswegs in allen Faͤllen
genau zutreffen, fo kann der Bleifchpreis nur beiläufig jenem Berhält:
niß entiprehen. Auch das Berhältniß der Nahrhaftigkeit muß obigen
Zahlen annähernd entiprehen. Nah dem GStidftoffgehalt werden
16 De. Einpfleiſch gleich 100 Pfd. Waizen geſetzt, Knapp, Nahrungs⸗
mittel, S. 9.
Im Spital St. Thomas zu Southwark (London) bezahlte man für
den Stein (8 Pfb.) gute Rindfleiſch
1701—10 1,8 Sch. 1794—1803 3,1 Sch.
1744—53 1,73 ⸗ 1804—23 4,7 =
1764—73 2,3 : 1824—33° 3,97 :
Porter, Progr. of the nat. II, 112. NR. 9. ©. 589. Die Be:
rehnungen von Eibrario zeigen, daß die Preife des Biches gegen
Getreide gehalten in Oberitalien im 13. und 14. Jahrb. von
den heutigen nicht jehr abweichen. Das Getreidequantum, womit man
damals einen Ochſen eintaufchen Eonnte, gilt heutiges Tages 82 fl.,
eine Kub 30 fl., ein Huhn 25%, kr., 1 fo, Ochſenfleiſch 5,% Fr,
1Pfd. Schweine und Hammelfleifh 9 Er.
— 214 —
Im preuß. Staate Faufte man im D. 1819—32, nad Abzug ber
4 Grtreme, mit 100 Pfd. Roggen 20,1 Pfd. Rindfleifh ; die einzelnen
Provinzen zeigten aber große Verfchiedenheiten: Weftfalen 345/,, Schle:
fin 26,?, Rheinland 23,7, Bofen 19,5, Preußen 18,1, Brandenb.
Pomm 17,7, Sachſen 16,7 Pfd. Dieß hängt zum Theil mit der ver:
fchiedenen Ausdehnung der Rindvichzucht zufammen, denn es fam 1 Stüd
Nindvieh in Sachen erft auf 3,6 Ginwohner, in Weflfalen auf 2,5, in
Preußen und Bofen auf 2, im ganzen Staate auf 2,98 Ginw. Im
Könige. Sachſen galt 1834—52 der Eentner Roggen 22 Pfd. Rind»
fleifh, in Baden 1835—50 24,6 Pfd., in Heilbrönn in den 2 Halb
jahrhunderten von 1744—1843 23,86 und 23,49 Pfb., wobei max.
26,1 Pfd. in dem Jahrzehend 1764—73, min. 20,5 Pfd. 1824—33.
Es iſt eine örtliche Abweichung von dem allgemeinen Gange, daß
. fh in der Mark Brandenburg eine Zeit lang ber Preis bes Getreides
mehr ale der des Kleiiches "gehoben hat. Das Pfund Rindfleiſch galt
1686 9 Pfenn., 1740 und 50 1!/ Gr., von 1760—99 fortwährend
1a ©r., fo daß alfo mit 100 Pfund Roggen im I. 1686 20 Pf.
Yleiih erfauft werden Ffonnten, 1740 und 1760 25 Nfd., 1750 271/a,
1770 238/,, 1780 und 90 26°, 1799 fogar 371’ Pfd. Gr. Pode⸗
wils, Wirthichaftserfahr., II, 15. In England kaufen 100 Pfund
Maizen ungefähr 21 Pfd. Rindfleifch, in Nuftralien (nah Dutton)
25,1, in Belgrad fogar 39 Pfund.
(c) Merfwürdig ift, ungeachtet der großen Zunahme des Verbrauchs, bie
Preiserniedrigung der rohen Baumwolle. In England galt die weit:
indifche 1847 nur 25 Broc. des Preifes von 1782. Der Hamburger
Preis der Georgia-:Baummolle von 1848 ift nur 27 Proc. des Preiſes
von 1818. Dieß beweift, daB es in den zum Baummwollenbau hinrei-
chend warmen Ländern taugliche Grundftüde in Menge gegeben und
daß man mancherlei Berbeflerungen im Anbaue fennen gelernt hat. —
Der Hamburger Preis von 1848 iſt gegen den Preis von 818 nur
19 Proc. bei Cochenille, 28 Proc. Cassia lignea, 35 Domingo:Kuffee,
41—42 braunem Rohzuder, 45 oflind. Reis, 50 Carolina-Reis und
Muscatnüflen, 54 Indigo, 57 — 59 Bortorico- und Virginia :Tabaf,
60 Peccothee, aber 90 Proc. bei american. Häuten. — Entwurf zu
einem Solltarif für das vereinte Deutfchland, Frankf. 1848 ©. 88. —
Tabellen bei Tooke, History, im 2. und 3. Bande.
(d) Stord, I, 386. — Steinfohlen find in Hamburg von 1818 bis 1848
auf 56 Proc. gefallen, Schwefel auf 67, Zinn auf 85, Kupfer behielt
in England von 1782—1847 ziemlich gleichen Preis.
$. 186.
3) Bei den Gewerkswaaren wirken zwei Urſachen ein-
ander entgegen. Während die Vertheurung der rohen Stoffe
ben Preis zu erhöhen ftrebt, find die Kortfchritte der Kunft in
dem Betriebe der Gewerksarbeiten Urfache einer Koftenverringe-
rung, und bald ift die eine, bald die andere diefer Wirkungen
mächtiger. Daher pflegen ſolche Waaren, bei deren Verfertigung
arbeitfparende Mafchinen , beffere Werkzeuge, ftärfere Arbeits-
theilung oder vortheilhaftere Arten des Verfahrens in Gebraud)
fommen, wohlfeiler zu werben. Sehr viele Gewerkserzeugniſſe
gehören in dieſe Abtheilung, und es zeigt fich hierbei auf das
— 215 —
Deutlichfte, welchen großen Einfluß Wiffenfchaft und Kunft auf
die Erhöhung ded Gütergenuffes haben (a). Andere Waaren,
bei deren Hervorbringung feine erheblichen Erfparungen moͤglich
find , behalten entweder einerlei ‘Preis oder fteigen fogar. Dieß
ift der Fall bei Gütern, die ohne viele Kunſt hauptfächlich
von Menfchenhänden verfertigt werden, und bei ſolchen, deren
roher Stoff feine große und foftbare Veränderung erleidet, fo
daß in ihrem Koftenbetrage der Preis des rohen Stoffes ben
größten Theil ausmacht, 3. B. Glad und andere chemifche
Producte (b).
(a) Storch, I, 398. — Eine Folge hievon ift, daß ein Land, welches
rohe Stoffe ausführt und dagegen Gewerkswaaren vom Auslante ein:
taufcht, für gleihe Menge jener eine immer größere Duantität von
diefen erhalten muß, Stord, III, 20. Im Durchſchnitt machen bie
verbrauchten Berwandlungsftoffe 1/s—!/s von dem ganzen KRoftenbetrage
und Preife der Gewerkswaaren aus; dieß Verhaͤltniß ift aber bei den
einzelnen Waarengattungen fehr verfchieden, 3.3. beim Papiere nur %%,
beim Tabak, Brote, Glaſe gegen I/a, bei Ichgahrem Leder ungefähr 7/ro,
beim Baummwollengarn gegen %s, bei Baummollengeweben, g. 55, bei
gedruckten Zeuchen gegen 27 Proc., bei Wollentuch 50, bei Seiden:
waaren 60 Proc. Jede Beränderung im Preife der Rohſtoffe vermag
diefes Verhaͤltniß anders zu geftalten. Belege hiezu geben bie in $. 24
genannten Schriften von Krug und Chaptal, ferner Briavoinne,
Ind. en Belg. 11. 3. u. Tafeln z. Statifl. d. oͤſterrr Mon. 1846. —
Heutige — der Uhren, der künſtlichen Zeuche und dergl.
In Frankreich ſanken von 1826—49 die feinſten Baumwollengewebe
(Gaze) auf 12 Proc., andere auf 23 — 37 Proc., Wollentuch auf 74,
Merinos auf 42, gemuſterte Shawls auf 29 Proc. des früheren Preiſes,
in Hamburg flanden 1848 feine Katlune zu 18, Mittelforten zu 24,
Baummwollenfammt zu 30—33 des Preifes von 1818. Baummollen:
arn von Nr. 150 ift in Franfreid von 1819—1834 von 18 auf 9 Fr.
ür das Kil. gefunfen, Nr. 30 von I Er. 30 Gent. auf $ Fr. 15 Cent.,
was nicht allein von dem veränderten Preiſe des Rohſtoffs berrührt,
da der Spinnerlohn von 1 Pr. 80 Cent. auf 80 Gent. herabging.
Enquöte commere. III, 195. 488. — Diefes Sinken des Preiſes muß
aber eine Gränze finden, wenn feine weitere Bervolllommnungen eines .
Gewerbes mehr möglih find, welhe noch wirkſam genug wären, um
ter Preiserhöhung des Etoffes das Gegengewicht halten zu können.
(d) Waaren biefer Art fauft man am beften in folchen Ländern, tie ſchwach
bevölkert find, wo die rohen Stoffe einen niedrigen Preis haben und
auch der Lohn nicht hoch iſt. Holzichnigwaaren z. B. werben größten:
theild aus Gebirgsgegenden bezogen, wo Holg mwohlfeil ift und die
genügfamen Arbeiter mit Färglihem Lohne zufrieden find, wie Berchtes:
gaden, das Grödner Thal in Tyrol, die Gegend von Sonnenberg im
meiningenfchen Unterlande (vol. F. 115.) — In OÖftindien wird bie
Baumwolle zwar nit fo wohlfeil gefponnen, als in England, wegen
der Spinnmafhinen, aber Zeuche webt man dort wohljeiler, weil ber
Zaglohn nur Y7— !/g des engliülhen if. Bernoulli, Ueber ben
Aufſchwung der Baumwollenfabrication, ©. 22 (Bafel 1825). — Bei
29. chemiſchen Producten, die aus Chabrol, Rech. statist. sur la
— 216 —
ville de Paris bei Hermann, Unterf. S 137 berechnet find, beträgt
im Durchſchnitt der Arbeitelo nur 7,3 Proc. bes Berfaufspreifes, bei
einigen nur 1— 2 Proc. — ergleicht man bie englifchen — 2 —
Preiſe verſchiedener Waaren von 1696 mit den heutigen, fo IA
folgende Unterſcheidung aufſtellen, den Preis von 1696 zu 100 geſetzt:
1) Wohlfeil gewordene Rohſtoffe: 1826 1831
Gifen und Stahl galten > 2.2.83 Proc. 56 Broc.
GSteinfohlen.. . . 41 : 45 :
2) Mohlfeil gewordene Gewerkswaaren:
Mollenwaaren . . 8: 87 ⸗
Kupfer: und Neffingwansen 2. 73 5 83 >
Leinenwaaren . . .. 74 : 62 =
Baummwollenwaaren -. -. » 2: 2... 49 3 89 5
3) Dertheuerte Waaren:
las ..ö387 2 364 ⸗
Schreibe . nenn. 278⸗ 308 =
Butter und Räfe nenn. 20 ⸗ 282 ⸗
Leder . . ee 280 =: 249 ⸗
Te ! 16861800
Seidenwaaren . . 458 >: 12 ⸗
Eiſen⸗ und Stahlwaaren .. 196
en). aus dem Berhältniß des Boll; zum declarirten reife, f
$. 429 (e)
Dritter Abſchnitt.
Bweige des Einkommens.
Erfte Abtheilung.
Der Arbeitslohn.
Erftes Hauptflüd.
Beitimmgründe des Lohnes im Allgemeinen.
§. 187.
Die Vergütung, die der Arbeiter ald folcher erhält, ift ber
Lohn, $. 139 (a). Diefer tritt am deutlichften hervor, wenn
er dem Arbeiter von einem Anderen, dem Lohnherrn, welcher
meiften® ein Gewerböunternehmer ift, vertragemäßig gegeben wird.
.
— 217 —
Nimmt ein Unternehmer neben der Leitung eines Gewerbed aud)
an den zur Ausführung deſſelben erforderlichen Befchäften wie
ein Zohnarbeiter Theil (db), fo erfpart er an der Ausgabe für
Lohnarbeit und fein Lohn ift in dem Ueberſchuſſe mitenthalten,
der ihm von dem Erlöfe als fein eigener Antheil verbleibt.
Der von dem Lohnherrn entrichtete, der bedungene Xohn
ift der Preid der Arbeit und hängt von denfelben Umftänden
ab, welche den Preis der Güter beim Tauſche beftimmen ($. 145),
nähmlich von dem Werthe, den Koften und dem Mitwerben.
Diefe Beftimmgründe regeln nicht blod den Kohn in den hers
vorbringenden Gewerben, fondern auch bei den perfönlichen
Dienften, und aud ihnen müflen ſich die BVerfchiedenheiten ab⸗
leiten laffen, welche in der Größe des Lohnes einzelner Zeiten,
Länder und Arbeitözmweige ftattfinden. In welcher Art von
Gütern aber auch der Xohn entrichtet werden mag, fo ift feine Größe
immer darnach zu beurtheilen, welche Menge von concretem Ges
brauchöwerth, d. 5. welches Maaß von Gütergenuß er bem
Zohnarbeiter zu verfchaffen vermag (c).-
(a) Die Lehre vom NArbeitslohne hat darum ein befonderes und höheres
Intereffe, weil fie die Bedingungen der Wohlfahrt für die zahlreichfte
Boklsclaffe entwidelt, die gewöhnlich auf das geringfle Einfommen be:
- fchränft ift, und weil Srrtbümer hierüber viele Nachtheile hervorrufen,
3. B. die Arbeiter mit Groll gegen andere Volksclaſſen erfüllen und
zu einer —A — Handlungsweiſe verleiten koͤnnen. Die Kenntniß
der volkswirthſchaftlichen Geſetze zerſtoͤr manchen angenehmen Wahn
und manche Hoffnung, iſt aber dennoch im Ganzen wohlthaͤtig. — Ad.
Smith, 1. 3. 10. Gay. — Will. N. Senior, Three lectures on
the rate of wages. 2. Edit. Oxf. 1830. — Deff. Outline, S. 187 ff. —
H. C. Carey, Essay on the rate of wages. Philadelph. 1835. —
F. Schmidt, Unterfuhungen über Bevölferung, Nrbeitslohn und
PRauperismus, 1836. S. 172—318. — Villerm&, Tableau de l'état
physique et moral des ouvriers, II, 1, (1840). — Dupuynode, Des
lois du travail et des classes ouvritres. Par. 1845. — von Thünen,
Beftimmgründe des Arbeitslohns und Unternehmergewinns, 1848 und
in beflen Der ifolirte Staat, II, 36 ff. Helferih über v. Thü—
nen's Lehre in Staatewifl. Zeitfchrift, 1852, S. 393. — St. Mill,
I, 341. — H. Say in Dictionn. de l’&con. pol. UI, 570. - C. Mor-
rison, An essay on the relations between labour and capital. Lon-
don 1854. — Biel Lebhrreiches in Enquôte sur la condition des classes
ouvridres et sur le travail des enfants (in Belgien.) Brux. 1848.
UI B. — Agriculture. Recensement gen. Brux. 1850. ©. CC. —
Industrie, 1851. ©. XX.
(2) Dieß tritt bei dem Kleinbetriebe von Gewerben ein, 3. B. bei der Be
wirthſchaftung Meiner Landgüter, wo der Landwirth felbft mit pflügt,
jäet und erntet, ferner bei vielen Handwerfen. Gin Schuhmacher, der
nur 3—4 Gehülfen hat, wird vielleicht faum einen ganzen Tag in der
Woche, alfo Y/e der Zeit, mit dem Ginfaufe des Lebers, dem Anmeflen,
— 218 —
Gincaffiren, dem Rechnungsweien, ber Bertheilung der Geſchaͤfte u. bat
zu thun haben, in den übrigen S/s der Zeit wird er wie ein @efelle
mitarbeiten. Dieß ift bei funftreichen Gefchäften, wie des Uhrmachers,
Snfleumentenmaders sc. befonders auffallend. Vgl. Lotz, Handb. 1,485.
(e) Aus dem bloßen Geltlohne, ohne Rüdfiht auf die Geldpreife der
Lebensmittel, -Läßt fid) die Lage der Arbeiter nicht bemeflen, $S. 180. In
Boflon (N.:Anm.) war der Taglohn 1836 11 D., 1845 1 D., aber
der Arbeiter Eonnte fich einen beflimmten Vorrath verfchiedener Nahrungs⸗
mittel im erften Jahre durch 35/3, im zweiten durch 231/4 Tagesarbeiten
verichaffen, alfo war feine um 20 Proc. geringere Gelteinnahme 51 Proc.
mehr werth. Hunt, Merch. mag. XXXI, 178. Der englifche Feld⸗
arbeiter fonnte 1770 mit feinem Wochenlohn (7'1/ Sch.) 58 Pfd. Brot
oder 25 Pfd. Pleifch oder 141 Bid. Butter kaufen, 1850 — 51 mit
dem Lohn von 9 Sch. 7 P. 76 Pfd. Brot oder 21 Pfd. Fleiſch oder
Y/a Pd. Butter, er war alfo gu einer minder nahrhaften Koft genö:
thigt, Caird, Engl. agric. ©. 474. — Bisweilen befteht der Lohn
aus verfchiedenen Theilen, 3. B. Geld, Koft und Wohnung, Kleidungs:
ftüden, oder Holz, Benugung von Grundflüden u. dgl.
.$. 188.
Der Werth, der eine Arbeit für den Lohnherrn hat, be-
ſtimmt fi
1) nach den Zweden, für welche fie benugt wird. Manche
Arbeiten werden nad) ihren Gebrauchswerthe gefchäßt, wenn fie
dem Lohnherrn einen Bortheil ohne Hülfe des Verkehrs gewaͤh⸗
ten, wohin ſowohl die Beihülfe zu dem Erwerbe deffelben aus
eigener Hervorbringung, als mandherlei Verrichtungen zur Er⸗
haltung und zum Gebrauche der Sachgüter und die zahlreichen
perfönlichen Dienfte gehören, die jedody gewöhnlidh um einen
weit unter ihrem Werthe ftehenden Preis zu erlangen find (a).
Der Verfehröwerth kommt in Betracht bei Arbeiten, die zu einer
Gewerbsunternehmung dienen. Se einträglicher ein Gewerbe ift,
d. h. je mehr von dem Ertrage bdeffelben nad) Beftreitung der
anderen fchon feſtſtehenden Koften ald Antheil ded Unternehmers
und ber Arbeiter in den Händen bed erften zurücdbleibt, deſto
mehr Lohn kann den Arbeitern bewilligt werden. Dieß hängt
haupfächlich von den Preifen ber Gewerbserzeugniffe im Vers
gleich mit den übrigen Ausgaben ab (db). Durch eine anfchn-
liche Lohnausgabe wird aber fein Gewerböverbienft vermindert,
und wenn dieſer faum noch eine hinreichende Ermunterung zur
Hortfegung ded Gewerbes gewährte, fo hätte der Lohn feine
höchfte Graͤnze erreiht. Das Mitwerben begünftigt übrigens
bie Lohnarbeiter nicht oft in folchem Grade, daß fie einen dieſer
Obergränge ſich nühernden Lohn durchſetzen Fönnen.
— 219 —
2) In einerlei Gewerbe ift die Xeiftung ber Arbeiter je nad)
bem Fleiß, der Geſchicklichkeit, Stärke 1. derſelben fehr vers
fhieden (c).
(a) Doch giebt e8 Ausnahmen, 3. B. bei Arbeiten zur Rettung bes Ber:
mögen® aus Feuers: oder Waflersnoth u. dgl.
(5) Durch v. Thünen, Ifol. St. II, 174, ift der merfwürdige Verſuch
gemacht worden, ein Geſetz für die aus dem Erfolg der Arbeit beflimmte
Größe des Lohne zu entwideln; der Lohn foll.dem Mehrerzeugniß des
legten, in einem großen Betriebe noch angeftellten Arbeiter gleich:
fommen. Es findet aber nicht allein in den einzelnen Gewerben,
auh in den Ginrichtungen und Berhältniffen der einzelnen Unter:
nehmer in jedem Gewerbe eine folche DBerichietenheit der Umftände
flatt, daß fich eine gleichförmige Groͤße des Lohne auf diefe Weife nicht
leicht feſtſetzen läßt.
(e) Solche Berichiedenheiten zeigen fih auch von Gegend zu Gegend. Eng⸗
lifche Arbeiter leiften mehr als franzoͤſiſche und viel mehr als irländı-
Ihe, teren Lohn dagegen auch viel niedriger if. Die Ausfagen von
verfhiedenen Fabrikherren (auch bei Senior, Ooutl. ©. 191) beftätigen
es, daß man mit gleicher Anzahl engliicher Arbeiter wohl das Doppelte
ausrichtet, wie mit franzöflichen, die deßhalb, in Hinfiht auf das, mas
fie verrichten, befler als jene bezahlt find, F. 113. „Ein fchottiicher
Taglöhner zu 1 Schill. ift wohlfeiler als ein irländifcher zu 1/s Schill.“
Evidence in respect to the occupat. of land in Ireland, II, 135.
Berliner Arbeiter leiften beim Holzfägen im Verhältniß 8 zu 5 mehr
als udermärkifche (Hoffmann). — Dem geſchickteren und fleißigeren
Arbeiter fann man ſchon darum mehr Lohn geben, weil er mit gleichem
fiebenden Gapitale mehr ausrichtet. 1829 bezahlte man in Manchefter
für das Pfund Baumwollengarn von Nr. 200 4,8% Schill. Spinners
lohn, 1831—33 nur 2,01— 2,7 Schill., aber da bei letzterem Satze der
Spinner mit 648 Spulen zugleich arbeitete, bei erflerem nur mit 312,
fo erhielt er bei jenem doch mehr Lohn im Ganzen für gleiche Arbeites
dauer, nämlich 648mal 25/18 oder 1566 Schill. ftatt 312mal 41/2 oder
1274 Schill. Uree, Das Fabrifwef. ©. 286.
$. 189.
Der Lohn wird entweder für eine gewifle Arbeitzeit (Tag,
Woche x.) ausbedungen (Zeitlohn), oder für eine gewifle
Leiftung (Stüdlohn). In Bezug auf den Bortheil der bei
dem Lohne zunächft betheiligten beiden Claſſen läßt ſich der⸗
felbe auf doppelte Weife betrachten:
1) in Berhältniß zu der von dem Arbeiter verwendeten Zeit.
Der wirtbfchaftliche Zuftand deſſelben hängt vorzüglich von der
Größe feines ganzen Lohneinkommens ab, welches ſich wie-
der nach der Größe der für eine gewifle Arbeitszeit gegebenen
Vergütung (a) und nad) der Bortdauer oder Unterbrechung ber
Beichäftigung richtet;
—— 220 —
2) in Berhältniß zu dem Aufmwande, den der Lohnherr für
eine gewiffe Arbeitöwirfung machen muß, Zohnausgabe (b).
Der Lohnherr firebt darnach, die werthvollſte Arbeitsleiftung
($. 188) mit der geringften Ausgabe zu erlangen. If Stüd-
lohn verabredet, fo bringt ed dem Lohnherrn feinen Nachtheil,
wenn ber Arbeiter durch gefteigerten Fleiß fein Löhneinfommen
zu vergrößern im Stande ift.
(a) Rate.of labour, Lohnfag, Lohnverdienſt, nah Senior.
(8) Price of labour, Arbeitsp reis, nah Senior.
$. 190.
Die Koften, weldye dem Arbeiter im Lohne erftattet werden
müffen, beftehen bei einfachen Berrichtungen nur aus dem Un⸗
terhaltöbedarfe, bei Fünftlicheren aber fommt noch der zur Er-
langung der erforderlichen Gefchidlichfeit vorgenommene Güter:
aufwand Hinzu.
Der Unterhaltungsbedarf bezicht fich nicht blos auf bie
Dauer der Arbeit, fondern auch auf die Jahre der Kindheit
und Jugend, in welchen der fünftige Arbeiter noch nichts er-
werben kann, daher muß das Lohneinfommen der arbeitenden
Mitglieder zu dem Unterhalte ihrer Bamilien binreichen (a).
Wäre dieß nicht der Fall, fo würde die arbeitende Claſſe fich
vermindern und ed würde an Arbeitern zu fehlen anfangen, bis
das verringerte Angebot von Arbeit den Lohn wieder in bie
Höhe brachte. Dieß durch die Erfahrung beftätigte volföwirth-
ſchaftliche Gefeh gilt jedoch nur von der gemeinen Xohnarbeit,
welche ftets die fpärlichfte Vergütung erhält, und von ber mitts
leren Zahl von Mitgliedern einer Familie (6). In den Fünft:
licheren Arbeitögweigen reicht öfterd nach der dabei herfömms
lichen Xebensweife der Lohn blos für einen einzelnen Arbeiter
aus, und dennoch bleibt vermöge des Zudranges aus den uns
teren Claſſen die Zahl der Arbeiter unvermindert (c).
(a) Auf eine Familie fommen im Durchſchnitt A!/s Köpfe. Bei Taglöhnern
nimmt man an, daß der Verdienft ber Frau ungefähr ein Drittheil von
dem bes Mannes fei, theils weil ter weibliche 8a (oh geringer, theils
weil fie öfter abgehalten iſt, Lohn zu verdienen. Der Lohn des Mannes
muß alfo 3/4 des amilienbedarfes einbringen, wobei aber nur uner:
wachſene Kinder zu rechnen find, weil die älteren ſelbſt mitarbeiten.
Bei Verrichtungen, die etwas mehr Geſchicklichkeit erfordern und daher
eine reichlichere Cinnahme zu Wege bringen, fällt der befondyre Erwerb
— 21 —
ber Frauen ganz weg, oder flieht wenigftens noch mehr hinter dem bes
Hausvaters zurüd. — Yür Norddeutihland berechnete Klebe (Gemein:
heitstheil, I, 85.) den Unterhalt einer Taglöhnerfamilie auf ungefähr
160 rthlr. oder 275 fl. Nach neueren Grforfhungen (Dieterict,
Statift. Mittheil. 1852, S. 270) wird er für eine Haushaltung von
5 Köpfen fo angefchlagen: Provinz Bofen 78,3 Thlr., Weitfalen 88,86,
Schlefien 93,3, Preußen 98,%, Sachſen 105,5, Brandenburg 108,53,
Pommern 126,°, Nheinland 140,6 Thlr., Durchſchnitt 105 Thlr. oder
egen 55,3 Gentner Roggen. Verdient der Hausvater täglich 7'/s Sgr.,
o ift dieß 3a des Bedarfes. Aehnliche Ausmittlungen geben für eine
Familie von Feldarbeitern im Kreife Bone (Hartflein, Topogr. des
Kr. B. 1850 ©. 217) 204 Thlr. — ungefähr 100 Etr. R., im Rhone:
thal in Sranfreih 638 Fr. = 4558 Pfd. Waizen — 5560 Pfd. Roggen,
wozu der Mann 60,8, die Frau 15,8, die 3 Kinder 23,% Proc. liefern,
(de Gasparin, Cours d’agric. III, 49 ff.), für eine belgifche Familie
von 6 Köpfen 730—742 Fr. = 5680—5 760 Pfd. Waizen, Enqu. III,
62. 376. — In Sachſen (Geihäftsanweif. f. die Abſ R 3. Grund:
fteuer, 1838.) muß ein Taglöhner 1!/a Mepe, eine. Frau 1 Metze Roggen:
werth täglich verdienen, um auszufommen, alfo resp. 15 und 10 Pfd.,
nah Kleemann der Mann 14—16,8 Pfd., die Frau 9,3—11,? Bid.
Nimmt man für den Mann 300, für die Frau 150 Arbeitstage an, fo
ift der DVerdienft einer Familie 6000 Bid. Roggen. Im Peg. Ber.
Düffeldorf erwirbt der Feldtagloͤhner und feine Frau in vorflehender Zahl
von Arbeitstagen 6580 Pfd. Roggen, in Steiermarf nur 3810 Pfd. —
In Frankreich muß nah de Morogues, wenn eine Familie von Lands
arbeitern 620 Fr. — 292 fl. bedarf, der Mann täglich 1'/, Fr., die Frau
(200 Tage jührl.) Ya Fr., die 3 Kinder müflen (250 Tage) 38 Et. ver:
dienen, de Villeneuve, Econ. pol, chret. ©. 145. Brüfl. Ausg.
Alfo erwirbt der Manır 60,5, die Frau 24,2, die Kinder 15,3 Broc.
Jene Summe beträgt gegen A870 Pfd. Waizen jährlid. — Yrüherer
Mittelfag für britifche Bandarbeiter (Senior, Preface to the foreign
communications relative to the support and maintenance of the poor,
1834, S. LXXXVIU): Berdienft des Mannes, jährl. 27,8 2. St.
(täglih 1,83 Sch.), von Frau und 4 Kindern an 14 2. St., zufam-
men 41,8 8. ©. oder 502 fl., 4 7170 Pfd. Waizen. In der Hälfte
der erforfchten 890 Gemeinden wird angegeben, daß biefer Lohn den
Arbeiter in den Stand ſetze, Bleifch zu effen. — Das Hausgefinde lebt
etwas befler, als die Taglohner, entbehrt aber dafür die Unabhängigfeit
und das Leben in der eigenen Familie. Aus dem Dep. Nordküften
wird berichtet: La classe des journaliers est generalement fort pauvre.
Elle se compose ordinairement de pères et de m£res de famille, qui
pour ne pas se separer preferent vivre dans la misere plutät que de
chercher un meilleur sort dans des places fixes de domestiques à
Vannée. _Agricult. franc. Cotes du Nord, 1844, ©. 109. Dieß ift
überhaupt fehr häufig. Daher fommt ein Ackerknecht ungefähr fo hoch
oder höher zu fliehen, als ein Zaglöhner, obgleich jener für feine Fa⸗
milie zu forgen bat. Die Koften eined Knechtes werden von Block
auf 50—82 Thlr. (im D. 66 Thlr. — 46 Etr. R.), von Kleemann
in der Techn. Inftruction für die Def. Comm. in Pommern (Berlin
1842) auf 46,4 Sch. = 3887 Pfd. R. angeichlagen. In Steiermark
fommt ein Knecht auf 88 fl. des 20 fl. F. oder 35% Mepen R.
(2846 Bfd.), Hlubed, Landw. des H. Steierm. ©. 61 — Hoff:
mann, in den Röalin then Ann. XXIII, 285. — Rau, Ueber die
Landwirthſchaft der Rheinpfalz, 1830, ©. 18. — 2. Rau, Studien
über fübd. Landw. ©. 116. — Biele Angaben bei v. Lengerke,
(8)
— 22 —
Landw. Statift. d. deutfchen Bundesftaaten, LI. (1840.) Vgl. Stord,
I, 189. — Lotz, Handb. I, 456. — Ricardo, ©. 76 (I, 134.
freie Ueberſ.). — Schmidt, Unterfuhungen, ©. 392. — Für eine
Familie von Gewerfsarbeitern find nah de Morogues 760 Fr. —
348 fl. unerläßlih. In Mühlhaufen iſt der Geldbebarf einer Arbeitss
familie zu 960, in Gebweiler zu 887 Fr. berechnet, in Rouen, wenn
das Pfd. (Waizens) Brot nicht uber 3 Sous (41/s fr.) gilt, zu 912 Ar. ;
hiebei würde alfo der Yamilienbedarf, auf Brot reducirt, aus 6080 Pfd.
oder etwa 9500 Pfd. Roggen befteben. In Markirch (Ste-Marie-aux-
mines) fann eine Familie von 4 Perfonen mit 520 Fr. noch ohne Al⸗
mofen ausfommen. Biele Nachrichten bei Villerme, a. a.D. 3.82.
II, 25, ferner de G&rando, De la bienfaisance, I. 29. — 12th. An.
report of the poor law commissioners, 1845, ©. 123. — @ine irläns
diſche Taglöhnerfamilie von 4—5 Köpfen lebt von 50 Pfb. Kartoffeln
täglich, ohne Salz. — Eine fächl. Weberfamilie, ohne Erwerb ber
Kinder, Eonnte 1832 mit 60% rihlr. (109 fl.), nothbürftig beftehen,
wobei fie aber die Kartoffeln ſelbſt baut; der Durchfchnittsverdienft ifl
jedoh 78 rthlr. (140 fl.), und wenn die Rinder fpulen fünnen, höher.
Berg. auch $. 184. — Familien, in denen die Kinder frühzeitig etwas
verdienen, find in befieren Umfländen, als es durchſchnittliche Regel
if. In Mancheſter empfangen in den Spinnereien bie Kinder von
9—10 3. ungefähr wöchentlih 2,8 Scill., von 10—12 3. 3,5 Schill.,
von 12—14 3. 5,75 Scill., von 14—16 9. 7,6 Schill. First Report
of the poor law commissioners, 1835, S. 204. In Frankreich ver:
dienen die Kinder bis zum 17. oder 18. Jahre beim Spinnen Yı—/ı Br.
täglich und bei jedem Jahre, um welches fie Alter find, gewöhnlich
1 Sous (5 Cent.) täglid mehr, — beim Weben und Druden nur
Y—!a Ir. In Belgien nimmt man für Kinder unter 12 Jahren
30—40, für 12—16jährige 50— 75 Bent. Lohn an, während erwachiene
Männer 2,%, Weiber 1,38 Fr. verdienen,’ Enqu. I, V. III, 476. —
Die Lage der in den Yabrifen arbeitenden Kinder ıfl, wenn man fie
aud vielleicht zu hart geichildert hat, doc jedenfalls gefährdet und
öfters fehr beflagenswerth. — Pan hat in dem Lebenslaufe eines
Arbeiters Fünf Abfchnitte unterichieden: 1) Er lebt bei feinen Aeltern
und fein Erwerb ift noch unzureichend, 2) er kann fich erhalten und
noch überfparen; 3) er Heiratbes und hat Mühe, feine Kinder zu er:
nähren ; 4) dieſe find felbft arbeitsfähig und er fteht fich wieder gut;
5) feine Kräfte nehmen ab und mit ihnen feine Ginnahme. Villerm6,
Tabl. II, 387, nady de Gasparin.
Eine Ausnahme träte dann ein, wenn der Etaat oder die Gemeinde
einen Theil der Unterhaltsfoften auf fih nahme, 3. B. durch Theils
nahme tes Arbeiter an den Nugungen des Gemeindevermögend, oder
bei der Unterſtützung, die unchelihen Müttern gegeben wird, oder bei
dem feit 1834 abgeichafften fehlerhaften Syfteme der Lohnzufchüfle,
allowances, in England, II, 6. 341.
(e) 3. 3. bei vielen Anfangsftellen im Staatsdienfle, bei Handelsdienern,
Offizieren sc.
8. 191.
Der Bedarf einer Familie in einer gegebenen Lage befteht
aus vielen Theilen, die nicht in gleihem Maaße nothwendig
find, er ift alfo Eeine fcharf beftimmte und feſtſtehende Größe.
Indeß giebt e8 einen gewiflen Betrag des Aufwandes für Nah⸗
— 23 —
rung (a), Kleidung, Obdach, Heizftoff x., ber zur Erhaltung
ber Arbeiter und ihrer Angehörigen in Gefundheit und Kräft
unentbehrlich ift, jo daß, wenn ber Lohn ihn nicht erreicht, die
Arbeiterzahl in Kurzem durch Elend, Chelofigfeit und Auswan-
derungen verringert werben müßte, vgl. $. 184. Diefe Unter
gränze ift in warmen Ländern etwad niedriger als in Falten,
wo die Beichügung vor ber rauhen Witterung mehr foftet und
auch auf die Nahrung mehr verwendet werden muß (5). Ges
wöhnlid fteht der Lohn über diefem unterften Sage, und wenn
er einmal durd das Mitwerben auf eine ſolche Höhe gebracht
worden ift,. fo gewöhnen ſich die Arbeiter bald an einen reich⸗
licheren Gütergenuß. Das Beifpiel der höheren Stände, bie
Verfeinerung des Geſchmacks, die Veredlung der Sitten und
überhaupt die Verbreitung der Bildung in den unteren Stäns
ben erweitern nach und nach die Anfprüche der arbeitenden Claſſe,
die folglich neben den natürlichen auch manche Fünftliche Beduͤrf⸗
niffe annimmt. Obgleich e8 nun urfprünglich eine Folge des
reichlichen Kohns war, daß ſich die Arbeiter eined Landes eine
behaglichere Lebensweiſe verichaffen fonnten, fo wirkt diefe doch
wieder durch ihre Dauer ald Beftimmgrund ded Lohne,
indem fie die Arbeiter antreibt, einer Erniedrigung deflelben eifrig
zu wibderfireben. Die Mittel zu dieſem Widerftande, 3. B.
fpated Verheirathen, Uebergang zu einem anderen Gefchäfte,
Drtöveränderung x., find jedody unter ungünftigen Umftänden
nicht mächtig genug, weßhalb nicht felten die Arbeiter mit ber
Zeit dahin gebracht werben, ſich Entbehrungen gefallen zu laſſen,
die fpäterhin durch Gewöhnung ihr WBeinliched verlieren (ec).
Dephalb find die Anforderungen der Arbeiter auf ein gewiſſes
Maaß von Gütergenuß von Land zu Land, je nad) der wirth-
Ihaftlichen und geiftigen Entwidlung, ſehr verfchieden (d).
(a) Man Hat fid) neuerlich bemüht, den Nahrungsbedarf für Perfonen eines
ewiflen Alters, Körperbaues ıc., als etwas rein, Phyſiſches, zu erfor:
hen. Bon den vier Beflanttheilen der organiichen Körper fommt bier
ter Stickſtoff (N) als der foftbarfte und feltenfte vorzüglid in Betracht,
fodann der Kohblenftoff (CO. Nah de Gasparin braucht ein Er:
wachſener täglich en 1%/ Loth (25 Orammen) N (Cours d’agricult,
V, 390), nah Mulder reichen 6,* Loth (100 Gr.) Protein (eiweiß-
artige Stoffe) hin, in denen ungefähr 1 Zoth N enthalten if. Man
fann als Mittelfag 1°/. Loth annehmen, die (ten N-Gehalt der Kömer
u 2% Broe. gerechnet) in 2 Pfd. Waizen oder Roggen enthalten find,
I daß der Jahresbedarf 730 Pfd. wäre. Hierin ift auch ber ungefähre
— 224 —
Kohlenftoffbedarf zum Ausathmen (an 14 Loth) vorhanden. Der bas
diſche Soldat erhalt in 17/3 Pfd. Brot und 5 Loth Fleiſch ungefähr
(6)
1,53 Loth N, der franzöflfche 12,8, der englifche Gifenbahnarbeiter 1,8,
aber der irländifche Taglöhner bei 12,7 Pfd. Kartoffeln und 1 Pfd.
Milch nur 1,4% Loth N, Gasparin, V, 395. Indeß kann man auch
mit geringerer N-Dienge geſund bleiben, wie die belgifchen Bergleute mit
14,9% Srammen N (Gasparin in Dingler, Pol. 3. CXVI, 394.)
und der Stiftoffgehalt ift auch nicht genau enticheidend. Da Weiber
und Kinder weniger Nahrung nöthig haben als Männer, fo ift ber
mittlere Bedarf eines Kopfs nah Basparin gegen %/s (0,% Proc.)
von dem eines Mannes, der einer Familie von 5 Köpfen etwas über
das Zfahe. Vgl. Mulder, Die Ernährung in ihrem Zufammenhang
mit dem Volksgeiſt, d. von Molefhott, 1847. — Moleſchott,
Phyfiologie der Nahrungsmittel, 1850. — Starke Anfirengung erfordert
Fleiſchnahrung, die freilih Dielen nicht zu Theil wird. — Die Ber
füftigung des Gefindes bei begüterten Landwirthen giebt Beifpiele voll
ftändiger nabrhafter Koft. Graf Podewils — 1,6 ff.
brauchte jaͤhrlich für einen Knecht 105/46 pr. Scheff. Roggen, %ı Scheff.
Gerfte zu Bier, eben fo viel Erbien, Ya Scheff. apaigen, 12 Schefl.
Kartoffeln und 78 Pfd. Fleiſch, nebſt 4 Pf. Schmalz. Die macht
1655 Pfd. Roggen. Kuppe’ 6 Anfäpevon 10 Scheff. Roggen, 41/ Scheff.
Gerfte zu Bier und Grüße, ! / Scheff. Waizenmehl, 12 Scheff. Kars
toffeln und 160 Pfd. Wleifch betragen 2952 Pfd. Roggen, Block's
Annahme von 12 Scheff. Roggen, 3% Scheff. Waizen, 4 Scheff. Gerfte,
14 Metzen Erbſen, 7 So Kartoffeln, 60 a, Fleiſch, 40 Bir.
Butter und 1/a Tonne Bier giebt 2300 Pfd. Roggen. Kleemann
rechnet für eine beflere und geringere Beköftigung 2552 und 1888 Pfd.
Roggen (Encykl. landw. Verh. S. 151). Aus Möllinger’s Rech⸗
nungen (Pfebdersheim bei Worms) berechnet fich der Tagesbebarf au
57,8 Loth Roggen, 12,8 Loth Waizen, 21/5 Loth Butter, 21,9 Lot
Fleifh und gegen 1 Pfd. Kartoffeln, zufammen 2171 Pfd. Roggen
jährlih. In der baier. Rheinpfalz ſchlaͤgt man bie Gefindefoft auf
110—120.fl. an, (2. Rau, Studien ©. 116) = 26 Etr. Roggen,
um Bonn auf 60— 70 Thle. (Hartftein, ©. 225) — 32 Etr. M.
Die Mitte diefer Angaben ift 231/5 Etr. — 27 pr. Sch. Roggen. Es
find hiebei nah Bloc 100 Pfd. Roggen = 80 Waizen — 89 Erb⸗
fen = 110 Gerfte = 600 Kartoffeln — 25 Rindfleiſch — 10 Butter
angenommen, aber Salz, Gemüfe, Milh, Holz sc. nicht eingerechnet.
Sufeland, 1, 171. — Man braucht mehr warme Speifen ꝛc. Es ift
* bekannt, daß die nördlicheren Völker mehr eſſen, Storch, I, 152. 190.
Rau, Zuf. 47, und dieß erklärt fih nah Liebig aus der erwär:
menden Kraft der Speifen dur die Umwandlung des Kohlenftoffs in
Kohlenfäure in den Lungen. Humboldt bemerkt, daß der Arbeiter
im fälteren Theil von Merifo 1/5 mehr brauche als im warmen. —
Die Menfchen in Fälteren Gegenden find wegen ihrer größeren Beduͤrf⸗
niffe zu einem größeren Fleiße genoͤthigt, der ihnen aud aus Eörpers
lichen Urladen leichter wird, als den Bewohnern heißer Landftriche,
$. 88. Nr. 2. |
(c) Ein reichlicherer Gütergenuß , he Zeit Hindurh gehabt, wird leicht
(4)
um Bebürfniffe. Hieraus erklärt ih, warum der Lohn, wenn er durch
äußere Umflände ungewöhnlich erhöht worden ift, aud nach dem Auf:
hören derfelben ſchwer wieder ganz auf den alten Stand finft.
Die Nahrung macht im Bedarfe und Cinkommen einen ungleigen Theil
aus, und je mehr Procente fie beträgt, deſto Armlicher ift der ganze
Zuftand einer Familie. Nah den erwähnten Ausmittlungen für den
preuß. Staat koſtet die Nahrung bei gemeiner Handarbeit im Durchs
— 225 —
Schnitt 51, in Weſtfalen 48, Brandenburg und Rheinland 52, Schle⸗
fin 53 Proc.; Kreis Bonn (Hartftein) 57, bei den Gewerfsarbeitern
in Nühlhauſen 63,5, in Brüffel 68, bei den belgifchen Bergleuten (um
Mone, Enqu.) 70, bei den franz. Feldarbeitern 70 Pr. Morogues),
74 (nah de Gerando) oder 74,9 (Gas parin), in Gent 76 Proc.
(Enquäte), bei den Seidenwebern in Nimes 68—74 Proc. Mac
Eullod (u Smith, 472) nimmt Y—?/s an.
6. 191a.
Die Unterhaltstoften find nicht bei allen Elaffen von Arbei-
tern in einem Lande biefelben, weil bei verfchiebenen Berrich-
tungen theil8 der phyſiſche Bedarf zur Erhaltung der vollen
Arbeitsfähigkeit (a), theild das ſtandesmaͤßige Bebürfniß in
Gemäßheit der Stelle, die der Arbeiter in der Gefellfchaft nach
den hergebrachten Borftellungen behaupten muß (5), ziemlid)
ungleich find. Diefe Abftufung, die von der gemeinften, kunſt⸗
lofeften Lohnarbeit bis zu den hoͤchſten Dienften geht und fi
gewöhnlich in den entfprechenden Sägen des Lohnes ausdrüdt,
darf nicht als etwas Zufälligeö angefehen werden, fondern hängt
mit dem Wefen der Berrichtungen, ihrer Schwierigfeit, Künft-
lichfeit, den dazu erforderlichen Anlagen, Geichidlichfeiten und
Eigenfchaften jeder Art zufammen. Dies ift ſchon aus der Fort:
dauer ber Lohnverfchiedenheit in den manchfaltigen Beſchaͤfti⸗
gungen abzunehmen, $. 197.
(a) Drefcher und Erntearbeiter haben nmährendere Koft nötbi ‚ Berfonen,
welche mehr mit dem Kopfe arbeiten, fönnen derbe Nahrungsmittel
weniger vertragen.
(6) Wer mit gebildeten und wohlhabenden Menfchen zu thun hat, muß fi
befier Heiden ıc.
$. 192.
Da gleicher Unterhaltsbedarf ſich je nah den Preiſen der
Lebensmittel in einer verfchiedenen Geldfumme ausdrüdt,
jo entfteht hieraus eine Verfchiedenheit im Gelbbetrage bed Lohnes.
Dieß zeigt fih 1) im BVergleihe mehrerer Dertlichfeiten.
In fruchtbaren und fchmwachbevölferten Gegenden, wo Nahrung,
Heisftoff und dergl. wohlfeil ift, kann fich ber Arbeiter bei
geringem Gelblohne wohl befinden (a). In der Stadt Foften
Wohnung, Holz, Abgaben ıc. mehr, ald auf dein Lande (0).
2) Im Bergleihe verfchiedener Zeitpunkte. Steigen bie
Preiſe der Lebensmittel, fo muß fich ohne eine verhältnigmäßige
. Ban, polit. Delon. I. 7. Ausg. 15
ü — 226 —
Erhöhung des Lohnfahes bie Lage der Arbeiter verfchlimmern.
Was die Wirkung diefer Veränderung auf den Lohn betrifft, jo
ift folgende Unterfcheidung zu machen: a) Das bei der Zunahme
des Wohlftandes und der Bevölkerung langfam eintretende, aber
dauernde Steigen im Preife roher Stoffe ($. 185) zieht bei
gleihem Stande des Mitwerbend eine Erhöhung des Lohne
nach ſich, wie dieß die gewöhnliche Bolge einer anhaltenden
Koftenvermehrung ift ($. 163), die Arbeiter halten aber hieraus
feinen Bortheil, weil der Lohnfag nur der Größe der nothwen⸗
digen Ausgaben folgt. Werben dagegen die Lebensmittel anhal«
tend wohlfeil, fo geht aus der nämlicyen Urfache allmälig ber
Lohn herab, fo daß dann dem Lohnheren die niedrigeren Unters
haltskoſten zu ftatten kommen; doch bewirkt leicht ber ftärfere
Begehr der wohlfeileren Arbeit, daß der Lohn nicht vollftändig
finft und die Arbeiter alfo beffer leben al8d zuvor (c). Auch
zeigt die Erfahrung, daß im Allgemeinen der Lohnſatz ſich nur
langfam verändert. b) Eine vorübergehende Vertheurung der
Lebensmittel, 3. B. aus einer fchlechten Ernte, fann nicht ſo⸗
gleich den Kohn fleigern, weil die Lohnherren lebhaft widerftres
ben und das Angebot der Arbeiter nicht fo bald abnimmt. Die
arbeitende Claffe muß folglih in folhen Jahren von ihren
Ausgaben etwas zu erfparen fuchen, indem fie entbehrliche Ge-
nüffe aufgiebt und ſich mit fchlechteren Xchensmitteln behifft.
Se höher bisher ihr Lohn war, befto eher fann fie ſich etwas
abbrechen, ohne fogleicdy in Noth verfegt zu werden (d). Selbft
eine bedeutende Theurung, die aus einer Mißernte herrührt, bes
wirkt Feine verhältnißmäßige Lohnerhöhung, denn in folchen Zeitz
puncten pflegt der Begehr von Arbeitern geringer zu fein, ins
dem manche verfchyiebliche Unternehmungen unterbleiben, dagegen
bieten fi mehr Berfonen als fonft zur Befchäftigung gegen
Lohn an. Ohnehin ift ed bei einem verminderten Getreidevor-
rath eines Landes unmöglich, daß die Arbeiter noch fo viel vers
zehren, al8d zuvor, und wie man auch immer ihnen zu ©efallen
ben Lohn vergrößern möchte, fo würbe doch der Begehr bie
Lebensmittel noch immer weiter vertheuern, bis fie endlich ger
zwungen wären, ihren Verbrauch einzufchränfen (e).
(a) Der wohlfeile Lebensunterhalt in heißen Ländern rührt zum Theil auch
von biefem Umſtande Her, vgl. 8. 191. — Der oberitalienifche Arbeiter
(2)
(e)
— 27 —
begnügt fi Häufig mit einem Klumpen Polenta aus Maismehl den
ganzen Tag. Nach Rumford’s Angaben (Kl. Schriften, I, 315. —
urger, Ueber den Mais, ©. 359.) fcheint 1 Pfund Mais einen
Mann täglih zu ernähren. — In Küftengegenden gewähren auch bie
Fiſche ein fehr wohlfeiles Nahrungsmittel.
Häufig bewirkt die erfchwerte Zulaffung flädtifcher Arbeiter, daß der
Unterfchied des Stadt: und Landlohnes noch mehr beträgt. Landbe⸗
wohner find genügfamer, gewinnen die Nahrungsmittel wohlfeiler ac.
Diefe Wirkung muß 3. 3. die Mreigegebene Zufuhr von fremden Ge:
treide oder die Anwendung einer wohlfeileren Art von Naͤhrſtoffen haben.
Es verdient hiebei unterfucht zu werden, wie die Ginführung der Kar:
toffeln gewirkt haben möge. 1) Ein Kartoffelfeld bringt dem Bolumen
(Malter⸗, Scheffelzahl sc.) nach ungefähr 10, dem Gewichte nach 11mal
foviel hervor, als ein Roggenfeld gleicher Guͤte, blos die Knollen und
Körner gerechnet, nah Slock auf dem beften Boden reſp. 12: und
14mal foviel. 2) Wie fi die Nahrhaftigfeit beider Stoffe verhalte, ift
noch nicht ausgemadt. 100 Pd. Roggenkörner werden bald 312 Pfd.
Kartoffeln gleichgeleßt (Loudon), bald 348 Pfd. (v. Thünen), 348
(Petri), 433 (Dombasle), 440 (v. Wedherlin, 500 (Beit),
526 (Thaer), 540 (Basparin), 551 (Bouffingault), oder gar
600 Pfd. (Blod, Kleemann). Die Bergleihung der ſchottiſchen
und irländifchen Genährungsart (Rau zu Stord, II, 352.) läßt auf
das Berbältnig 100 zu 575 fchließen. Abweichungen in diefen Angaben
laſſen fi Schon aus der Verfchiedenheit der Rartofelforten und aus der
ungleihen Berwendungsart, für menſchliche und thierifche Nahrung,
um Branntweinbrennen ıc. erklären, ſowie es auch noch ungewiß iR
ın welchem Werthsverhältniß das pflanzliche Eiweiß und das Stärfmehl
zu einander ſtehen, da beide zur Grnäkrung nüglich, aber von verſchie⸗
dener Wirfungsart find. Nimmt man 500 an, fo folgt, da 1 Scheffel,
Malter ꝛc. Kartoffeln (gehäuft gemeflen) 15 Procent mehr wiegt,
als daffelbe Maag Roggen, daß die Nahrhaftigkeit gleicher Raumtheile
Kartoffeln und Roggen fid ungefähr verhalte wie 100 zu 430 und daß
alfo ein Morgen Kartoffelland mehr als doppelt (2,2—-2,9) foviel Nährs
ſtoff erzeugt, als ein Roggenfeld. 3) Der Preis der Kartoffeln ift
meiften® gegen !/a des Roggenpreifes, F. 184. Berüdfichtigt man, daß
das Getreide noh Mahl: und Badlohn Eoftet, fo flimmt dann das
Preis: und Werthverhältnig ziemlih überein. Die Ernährung mit
Kartoffeln kann im Vergleich mit dem Brote etwas wohlfeiler fein,
weil jene weit mehr Waſſer enthalten, weßhalb man, um gefättiget zu
werden, nicht foviel genießt, als nad dem Berhältniß des geringeren
Stidftoffgehaltes (gegen 0, Proc.) gefchehen müßte; doc können die
Preife beider Nahrungsmittel fih nicht weit von dem Werthverhältniß
entfernen. Bol. Kreißig, Der Kartoffelbau im Großen, 2te Ausg.
©. 49. — Klebe, Mnleit. S. 220. 21. — Schmalz, Anleit. zum
Bonitiren u. laflific. des Bodens, ©. 178. — Knapp, Die Nahe
rungsmittel, S. 70. 4) Die Kartoffeln haben demnach die Ernährung
einer größeren Menichenmenge ermöglicht und die Bertheurung des Ge⸗
treideö bei der Zunahme der Ginwohnerzahl verhindert. 5) Bin Kar:
toffelfeld erfordert zwar mehr Arbeit, als ein @etreidefeld, aber nicht
foviel mehr, ald es Nahrung liefert, zumal wenn die Behadung duch
Pferdehade und Häufelpflug gefchieht. 6) Daher if eine ſtatke Volkes
vermehrung ohne gleihe Zunahme des Begehrs und dadurd eine Er⸗
niedrigung des Lohnes verurfacht worden. 7) &8 ift nachtheilig, wenn
Kartoffeln die Hauptnahrung der Xohnarbeiter ausmachen, a) weil fie
u wenig Stickſtoff enthalten, db) weil ihr Ernteertrag mehr zuruͤck⸗
plagen fann, als der des Getreides, c) weil fie koſtbar zu verführen und
15*
— 22838 —
ſchwer aufzubewahren find, d) weil fie ben Lohn auf bie unterfte
Gränze herabbrüden Fönnen. Bol. Mac⸗Culloch zu A. Smith,
©. 467.
(d) Eine Ausnahme macht die Lage der Taglöhner, welde bei dem Lohn:
heren auch beföftiget werden. — Da die Nahrung einer Arbeiterfamilie
die Hälfte ihrer Ausgaben oder mehr beträgt ($. 190), fo muß eine
Bertheurung des Betreides ıc. um !/s die Ausgabe dafür um! / er⸗
höhen oder eine gleihgroße Entbehrung verurfahen. Koftete die Er:
nährung fogar 3/s, To betrüge bei jener Bertheurung die nöthige Ein:
fhräntung 94, was ſchon höchſt empfindli wäre. „In Irland ift die
Kartoffeleente eine Angelegenheit um Leben und Tod. Mißraͤth biefe
Ernte, fo tritt vollftändige Hungersnoth ein. Zum Getreide kann man
die Zuflucht nicht nehmen, denn diefes können nur die Wohlhabenden
bezahlen.“ Ausfage eines von ber Parlaments :Commilflon vernom⸗
menen irländifchen Sachfundigen, f. Bom Aderbaue und vom Zuftande
der den Ackerbau treibenden Claſſen in Srland u. Großbritanien, I, 170,
(Wien, 1840). Der Winter 1846—47 beftätigte tiefe Behauptung auf
die traurigfte Weile. Bgl. Villermö Tableau, II, 16 ff. — In Bels
gien ift der Lohn der Weldarbeiter von 1835—46 ziemlich gleich ge:
lieben, ber Getreidepreis aber geftiegen, fo daß ber Arbeiter mit feinem
Taglohn 1830—35 9,76 Pfd. 1835—40 8,76 Rfd., 1840—46 nur
8,° Pfd. Walzen kaufen fonnte.
(e) Bol. Ricarbo’s Bemerkungen über die in ihrer Allgemeinheit un-
richtige Behauptung Buſcch anan's, daß der Lohn ſich gar nicht nach
dem ‘Preife der Lebensmittel richte, Brundgef. &. 222. (I, 368.) —
Ganilh, Systömes, I, 249. — Gioja, N. Prosp. III, 228., urtheilt
wie Buhanan. — In der Grafichaft Kent berechnete man die Aus⸗
gaben einer Taglöhnerfamilie für Koft, Licht und Seife 1835 auf 9,
1838 auf 12 bis 12 Sch. 7 P. wödrentlih. Der Lohn hätte alfo auch
um 33 Proc. fleigen müffen. „ine folche Erhöhung des Lohnes im
Feldbau iſt unerhört. Der Nrbeiter fchränft fich bei höheren Preifen
fogleih in feinen entbehrlichften Genüflen ein, unter denen Thee und
Auder zuerſt von feinem Tifche verfchwinden.“ Lord Clinton in
12th Ann. rep. of the poor law commiss. ©. 130.
$. 193.
Auch die Menge von Zwifchenzeiten, in benen ber
Arbeiter nichts verdienen fann, hat auf die Koften ber Arbeit
Einfluß, denn da derfelbe während jener Zeit von dem Ertrage
ber Arbeitözeit zehren muß, fo fallt auf jeden Abfchnitt der letz⸗
teren ein größerer Theil des ganzen Unterhaltes. Treten Unter⸗
bredyungen regelmäßig ein, oder läßt fi, wenigftens ein mitt-
leres Verhaͤltniß zwifchen der Arbeits- und Yeierzeit angeben,
fo kann aud) der Koftenbetrag der erften hiernach berechnet wer- '
ben und ber Lohn pflegt ſich dem gemäß zu ftellen. Dahin
gehören 1) die üblichen Feiertage. Man Fönnte glauben, bie
Verminderung berfelben müffe den Zuftand der Arbeiter ver-
Ihlimmern, weil dadurd das Angebot von Arbeit anwächft
— 229 —
und jene folglidy bei längerer Thaͤtigkeit doch im Ganzen nicht
mehr einnehmen. Allein dagegen iſt dieß zu erwägen: Es
wird bei jener Veränderung bad ganze Arbeitserzeugniß ver:
größert, die Unternehmer können mehr abfegen und mehr Arbeiter
befchäftigen, jo daß nicht blod das Angebot, fondern audy ber
Begehr von Arbeit vergrößert wird und die Belohnung des
Arbeiterd im VBerhältniß zu der längeren Arbeitöpauer im Jahre
anwähft (a). 2) Die in der Natur mancher Verrichtungen
gegründeten Unterbredjungen (db), vorausgefegt, daß mam nicht
während ihrer Dauer andere einträgliche Befchäftigungen ergreifen
fann. Regelloſe Unterbrechungen, für welche die Arbeiter keinen
Erfag in Anſpruch nehmen können, find für fie ein fehr großes Uebel. -
Dagegen fann ber 2ohn der Neben- und Zwifchengefchäfte fehr
niedrig fein, wenn ber Arbeiter auch ohne fie ſchon feinen Unters
halt findet und aus ihnen nur einen Zufchuß erwartet (d).
(a) DBgl. Hufeland, I, 180. — Sismondi, Nour. pr. I, 354. —
Die Sonns und Feiertage find zur Erholung des Arbeiter wohlthätig.
Die Decadi der republicanifchen Zeitrechnung gaben ihm zu wenig Ruhe
und verlegten die Gewohnheiten deflelben. Daher der Ausfpruch: IIs
ont beau faire (die Einführung des republicanifchen Calenders), ils ont &
faire & deux ennemis, qui ne c&deront pas; la barbe et la chemise
blanche. M&m. de Constant, I, 132. Wo aber, wie in Oftindien,
fat die Hälfte des Jahres aus Feiertagen beftcht, da ift Schon wegen
der geringeren Arbeitsleiftung das Lohneinkommen niedriger als anderswo.
Sn einer Gegend des ehemaligen bairifchen Unterdonaufreifes (Mieder:
baiern) bat man 204 Feiertage gezählt, mit Binfhluß von 20 Kirch⸗
weihen und ebenfoviel Nagfirhweihen benachbarter Dörfer, 15 Hoch⸗
zeiten, 12 Scheibenfchießen und dergl., auch fängt der Feierabend ſchon
— Uhr Nachmittags an. Bairiſche Ständeverhandl. 1837. 2. K.
eil. V, 147.
(6) 3.8. Geichäfte, bei denen man auf Beftellung warten muß (Rranfen-
wärter, Srembdenführer, Bedienung in Badeorten sc.), oder fhon wegen
der Anftrengung nicht ununterbrodhen arbeiten Tann, mie das Sol
fpalten. Die gochöfen und Slashütten ftehen oft eine Zeit lang ftill.
Schneider haben zwilhen Johannis und Michaelis wenig zu thun
u. f. w. Bol. Smith, I, 161. — Binem Laftträger giebt man in
London nicht unter 1 Schill. (36 Fr.) für die Stunde. — Wenn man
bem Arbeiter auf längere Zeit Beichäftigung giebt, fo begnügt er ſich
mit geringerem Lohne.
(c) Hirten, Sciffleute, Zimmerleute, Maurer, Tüncher (Anftreicher) haben
im Froſt, die im Walde arbeitenden Holzbauer im Sommer weniger
Beſchaͤftigung Bür jene ift die ungleiche Dauer der Kroftzeit ſehr nach:
theilig, weil fle ſich Feine fichere Rechnung machen fönnen. Die Bauern
in Bengalen fiken am vBebftußle, fo lange die Ueberſchwemmungen des
Ganges die Feldarbeiten unterbrechen. .
(d) Die kommt befonders bei den periodifchen Unterbrechungen ber Feld⸗
arbeiten vor, weßhalb Flahsfpinnen und dergl. fehr niedrig bezahlt
— 230 —
wird. Bel. Storh, I, 197. — Beim Steohflehten verdient eine
Perfon im Schwarzwald 4—20 fr. täglich nad der Feinheit des Ge⸗
flechtes. — Daß man vom Nähen, Stricken, Spinnen und dergl. nicht
leben Tann, erklärt fi hauptiächlih aus dem Mitwerben vieler Pers
fonen, die in ihren Familien jedenfalls erhalten werben müßten. Das
Jahreseinkommen einer Arbeiterin in Paris, bei 11. Br. taͤglich, iſt
375 Fr., ber Bedarf nicht viel unter 500 Br. Vée in Journ. des
Econ. X, 250.
8. 194.
Die Koften, welche zur Erwerbung ber für einen beionderen
Zweig der Arbeit nothwendigen Gefhidlichfeit aufgewenbet
werben müflen (8. 189), laflen noch weniger eine genaue Aus⸗
mittlung zu, als der Unterhaltöbedarf, 1) weil ihre Größe unter
dem Einfluffe verfchiedener Umftände fehr ungleic fein kann (=),
2) weil man wegen ber Ungewißheit der Lebensdauer nidyt
weiß, weldyer Theil jenes Aufwandes jährlich oder täglich im
Lohne erftattet werden müßte (5). Gleichwohl muß unter übris
gens gleichen Umftänden eine Arbeit, welche Foftbarer zu erlers
nen ift als eine andere, auch höher belohnt werden, denn fonft
würde Niemand geneigt fein, fi) um die Erlangung ber erfors
derlichen Yähigfeit zu bemühen, und ed würde deßhalb das
Angebot an guten Arbeitern ſich fo lange verringern, bis dann
wieder eine Steigerung ded Lohnes erfolgte (c).
(a) Wenn 3. B. die Acltern am Orte wohnen, fo ift die Vorbereitung der
Kinder viel weniger Eoftbar. »
(d) Man fann zwar nad den Grfahrungen über die Lebensdauer der vers
fchiedenen Alter diefen Erſatz genau berechnen, es ift aber höchft unges
wiß, ob in jedem einzelnen Kalle die allgemeine Regel wirklich —*8
und die Menſchen pflegen überhaupt hierauf wenig Nüdficht zu nehmen.
Bol. v. Schlözer, Staatswirthich. I, 118. — Die mittlere Lebens⸗
dauer.ift bei einem 16jährigen Menfchen gegen 39, bei einem 20jähri-
gen 36, bei einem 25jährigen 33 weitere Jahre. Je nachdem nun ber
rbeitsverbienft in einem oder dem anderen Alter anfängt, müßten in
33 - 39 Jahren die Vorbereitungsfoften fammt Zinfen eritattet werden ;
rechnet man 3. B. 36 nrbeitejahre und 1000 fl. Roften der Vorberei:
tung, fo müßte dafür der Arbeiter bei einem Zinsfuße von 4 Procent
jährlih 52%/8 fl., bei einem Zinsfuße von 5 Proc. aber an 60 fl. oder
täglich 12 fr. einnehmen.
(e) In kurzer Zeit kann fich diefe aiefung nicht eigen, weil die einmal
vorhandenen Arbeiter bei ungünfligem Mitwerben doch ſchwer in ein
anderes Gefchäft übertreten ; aber es wird wenigftens ber Zudrang junger
Leute geringer. — Senior (Outline ©. 215) bemerkt richtig, daß die
Koften der Erziehung nad) dem Stande der Eltern als eine Familien⸗
ausgabe angefehen werden, bie man in Bezug auf die zu wählende
Berufsart nicht in Anfchlag bringt.
4
— 231 —
$. 195.
Bei dem Mitwerben, welches zunähft den jedesmaligen
Stand des Lohnes beflimmt ($. 187), fommt dad Angebot
und der Begehr von Arbeit in Betracht. Jenes hängt von
der vorhandenen Menge unbegüterter arbeitöfähiger Menfchen
ab, welche gegen Lohn befchäftigt zu werden verlangen, und
fteht mit der Volksmenge eined Lande in Zufammenhang.
Dabei tritt aber noch der eigenthümliche Umftand ein, daß bei
vermindertem Begehr das Angebot von Arbeit nicht fogleich
verringert werden fann, vielmehr der unbegüterte Lohnarbeiter
auch fehr ungünftige Bedingungen annehmen muß, um nur leben
zu fönnen. Da nun zugleich eine Vermehrung des Angebotes
nur allmälig erfolgt, fo erhellt, daß der Lohn mehr und anhals
tender ald der ‘Preis der Waaren von dem Mitwerben beftimmt
wird. Der Begehr, wenigftend in den hervorbringenden Ges
werben (a), richtet fich nad) der den Unternehmern ſich barbie-
tenden Gelegenheit, Arbeit auf einträgliche Weife anzumenben
und nach dem hiezu verfügbaren Capital (5). Es ift dieß ein
Theil des Volkscapitales, namentlicdy des umlaufenden, der bei
dem Anwachſe des legeren ebenfall® zunimmt, wenn er fchon
nicht immer die gleiche Quote defielben ausmacht. Andere Theile
bed Capitalaufwandes, 3. B. für Gebäude und Geräthe ıc.,
wirken nur ein» für allemal beider Anfchaffung ſolcher Gegen⸗
fände auf den Lohn (c), und arbeitfparende Mafchinen koͤnnen
fogar augenblidlidy denfelben erniedrigen, bis der durch fie ge⸗
machte Gewinn wieder den Begehr nad) Arbeit erweitert. Das
Berhältnig der Lohnausgabe zu den anderen Theilen des Capital:
aufmandes ift in den verfchiedenen Gewerbszweigen fehr uns
glei (d) und bleibt nicht einmal in einem und demfelben Ge⸗
werbe unverändert, weil die von einem Unternehmer befchäftigte
Zahl der Arbeiter gerade zu feinem Borrathe von Stoffen, Ma;
fhinen, Werkzeugen x. paflen mnß (e). If die Volksmenge
gegen jenen Theil des Capitales jehr groß, fo fann aus dem⸗
felben vielleicht nur ein Theil der Arbeiter beichäftigt, in jedem
Galle aber nur ein fehr niedriger Lohn gegeben werden, ber
faum noch den nöthigen Unterhalt gewährt; im entgegengefegten
Galle muß berfelbe fo weit ſteigen, das den Unternehmern und
— 232 —
“ Eapitaliften ein Heinerd Einkommen übrig bleibt. Hieraus
ergiebt ſich, wie mwohlthätig die Anfammlung von Eapitalen
auf die Lage der Arbeiter wirft.
(«)
()
(e)
(@)
Dienfte werden aus dem Einkommen berjenigen PBerfonen beftritten, die
fie beftellen. Hermann, Unter. ©. 281.
Uebereinftimmend St. Mill, I, 341. Morrison, Essay ©. 15. —
Wenn der Unternehmer den Lohn, wie die anderen Ausgaben, vorſchießt
($. 125), fo muß allerdings der Käufer des fertigen Erzeugniſſes das
aufgewendete Bapital wieder erfeßen, daher find die neu in einem Bolfe
hervorgebrachten Guͤter oder das rohe Volkseinkommen die Duelle, aus
welcher dieſe Erflattung des vorgeichoflenen Lohnes fließt, und jener
Borfhuß würde nicht geichehen, wenn man nicht feines Erſatzes ficher
wäre. Auch wäre das Bapital des Unternehmers bald erfchöpft, wenn
es ſich nicht durch den Abſatz ſtets wieder ergänzte, 6. 122. Der Abſatz
hängt von der Kaufluft und dem Ginfommen der Abnehmer ab, alfo
auch die Erhaltung und Vergrößerung bes Bapitales. Indeß wirft der
Begehr einer Waare nur mittelbar auf den Lohn, infofern er bie Unters
nehmer beflimmt und befähigt, ein gewifles Capital zur Beihäftigung
von Arbeiten anzuwenden. Bisweilen werden jene auch durch einen
ftarfen Begehr nicht zur Erweiterung eines Gewerbes bewogen (3. 2.
wegen des ausländifhen Mitwerbens), oft laſſen fie aus Unfenntnig
des wahren Begehrs mehr oder weniger erzeugen, als fie abfeßen koͤnnen.
Es muß immer erft ein Capital in den Händen bes Unternehmers vor⸗
handen fein, welches, nachdem ein gewifles Grzeugniß beendiget und
verfauft worden ift, von Neuem verwendbar wird. enn der Unter:
nehmer nad) erhaltener Bezahlung das Capital in das Ausland fendete,
jo hörte ber Degebt von Mrbeit auf. Die Anfiht von Hermann
(a. a. D.), nach welcher „alle wahre Nachfrage nur von denen aus:
gehen kann, welche neue Taufchwerthe entgegen zu bieten haben“ (d. 5.
von den Abnehmern der Waaren), ift daher nicht weſentlich verichieden,
fondern nimmt nur fogleidh die entferntere mittelbare Urfache flatt der
näheren an. Nicht die obige Darftellung kann den Hochmuth der Unters
nehmer gegen ihre Arbeiter gefteigert haben, ſondern die Macht, bie
unvermeidlich der Gapitalbefißer uber den türftigen Arbeiter ausübt,
befonders wenn jener von harter Selbftfucht geleitet wird, dieſer das
Mitwerben gegen fich hat. Abweichend Hermann, Unter. S. 280. — .
Dagegen auh Schmidt, Unter. ©. 187.
Gapitale, die im Auslande angelegt, Theile des Ginfommens, die dort
verzehrt werden, wirken gar nicht auf den Lohn. In den folgenden 68.
ift, wo der Kürze willen nur vom Gapitale überhaupt geiprochen wird,
immer der die Arbeiter unterhaltende Gapitaltheil zu verflehen.
Ein Capital erhält defto mehr Arbeiter in Thätigfeit, je fchneller es
umgeleßt wird. 1000 fl., die nach einem Jahre erflattet werben, bes
Ihäftigen (zu %s fl. täglih) 5 Menfchen, dauert aber der Umlauf nur
4 Monate, fo können 15 Arbeiter aa an werden. — Beifpiele:
Im Elfaß (Dep. Ober: und Niederrhein) follen die Baumwollengewerke
100 Mil. Er. ſtehendes und 120 Mill. umlaufendes (roulant) Capital
befhäftigen, Roman, in Enquöte commerce. III, 349. Die Arbeiters
zahl ift 105—110000, und mit Rüdficht auf die mittleren Sohnlepe
und Glaflen derfelben kann man die ganze Lohnausgabe auf 38 Mill.
annehmen. — Kattundruderei im Dep. der Seinenündung (Rouen und
Umgegend), Barbet, ebend. III, 225: Gebäude 8 Mill., Mobiliar
3 Mill., Summe bes ftehenden Capitales 11%, Mill., umlaufendes
13 Mill. Fr.; Lohn gegen 5% Mil. Fr. — Belgien, 1838, Baum⸗
— 233 —
wollenverarbeitung: Stehendes Capital 22610000 Fr., umlaufendes
18 Mil., Lohn 15 Mill. (28000 Arbeiter), ganzes Erzeugniß
41'840000 Fr.; vermuthlich alfo dee 2/smaliger Umlauf jährlihd. —
Mollenverarbeitung : Stehend 20 Mill., umlaufend 10 Mill. Fr., Kohn:
ausgabe jährlih 6 Mill. (15—17000 Arbeiter), ganzes Grzeugniß
27 Mil. Briaroinne, Ind. en Belg. II, 377. 393. Bgl. aud
Schmidt, aa. O. ©. 193.
(e) Geſetzt ein Unternehmer hat in feinem Bewerbe 40000 fl. ftehendes und
24000 fl. umlaufendes Gapital, woraus 20000 fl. Lohn für 100 Ar:
beiter bezahlt werden. Wenn ber Lohn eines Arbeiterd von 200 auf
160 fl. fintt, fo könnten zwar mit den 20000 fl. Lohn oder etwa dem
halben Gapitalaufwand (bei 2Zmaligem Umfag) 125 Menſchen jährlich
erhalten werden, allein dazu wäre ein größerer Aufwand für Gebäude,
Mafchinen und Stoffe erforderlih. Wären für jeden weiteren Arbeiter
500 fl. Capital erforderlih, fo fann man mit dem bei den 100 Arbei⸗
tern eriparten Gapital von 2000 fl., fo lange feine Vergrößerung bes
gelammten Capitals erfolgt, nur 8 Arbeiter mehr beichäftigen. Die
obnausgabe ift jeßt 27 Procent des Gapitales, während fie vorher
31%/ Proc. war.
$. 196.
Ein reichlicher Lohn macht es jedem Arbeiter möglich, ent⸗
weber befier zu leben, ald bisher, oder ſich zu verehelichen und
eine neue Bamilie zu gründen. Die Annehmlichfeiten des häus-
lichen Lebens find fo anziehend, daß die Mehrzahl der Arbeiter
durch einen hohen Lohn bewogen wird, fich früher als fonft zu
verheirathen (a). Diefer Umftand und die Einwanberungen von
anderen Laͤndern pflegen in einem foldyen Yale in nicht langer
Zeit eine beträchtliche Vermehrung ber. Volksmenge zu bewirken,
welche dann das Angebot von Arbeitern erweitert (5). Wenn
nun das Gapital langfamer anwächft, jo muß unfehlbar ber
Lohn von feinem hohen Stande herabgehen. In der Regel find
auch wirklich die Gelegenheiten zur Anfammlung neuer Bapitale
nicht fo günftig und die Beweggründe zum Sparen nicht fo
mächtig, daß das gefammte Capital eines fo ſchnellen Anwachſes
fähig wäre, ald die Volklsmenge (c). Deßhalb ift gewoͤhnlich
das Angebot von gemeiner Handarbeit im Verhältniß zum Bes
gehre fo groß, daß der Lohn nur den nöthigen Unterhalt oder
wenig mehr gewährt, und die weitere Bolfövermehrung wird
durch das Zurüdbleiben ded Bapitald gehemmt. Findet in be:
fonderen Ballen eine fchnellere Vermehrung des Eapitales Statt,
fo Außert fie fih dann in ber Steigerung bed Lohnes. Der
Kohn jener gewöhnlichen Handarbeit läßt eine auffallende Stetig⸗
feit wahrnehmen (d).
(«)
(8)
— 234 —
Die Anzahl derjenigen, welche einen reichlicheren Genuß bes Bermögens
für ihre Perfon vorziehen, wird deſto größer fein, je mehr Luxus unter
allen Ständen der Geſellſchaft verbreitet iſt. — Die gute Lage der
Lohnarbeiter in England in den letzten Jahren hat oglei⸗ eine Zu⸗
nahme der Ehen und Geburten nad ſich gezogen, bie eine flärfere
Volfsvermehrung erwarten laflen. Die neuen Chen waren 1847—49
im Durdfchnitt 138000, aber 1852 158000, der Ueberfchuß der Ge⸗
burten über die Geſtorbenen in jenem Beitabfchnitt 160000, 1852 aber
216000.
Da die Zahl der Weiber zwilhen 18 und 45 Jahren, alfo in dem
fruchtbaren Alter, 18—20 Procent der Bollsmenge beträgt und kaum
auf jedes dritte Sahr eine Geburt kommen fann (in Preußen nur 9b),
fo koͤnnten die Geburten im günfligften Falle jährlich höchſtens 5 oder
6 Procent betragen. Die Erfahrung zeigt nicht leicht mehr als 1 Ge:
burt auf 22 Lebende oder ungefähr 4'/s auf 100, und wo die Zahl der
Gebornen fih dieſer Graͤnze nähert, da pflegt auch die Sterblichkeit
größer zu fein. Um die Stärfe des Zuwachſes zu finden, muß man
von den Bebornen die Geftorbenen abziehen, deren Anzahl in ganzen
Ländern meiſtens zwifchen 1/so und !/o der Volksmenge beträgt und
nur unter befonders glücklichen Verhältniflen auf */so oder noch weniger
finft. Die Sterblichkeit unter den freien Einwohnern auf dem Bor:
gebirge der guten Hoffnung foU nah Eolebroofe (Rer. encyclop.
Mars 1824, ©. 703) gerade !/so fein, bei mehr als !/es Geburten,
u dort die Menſchenmenge zwifchen 1798 und 1822 von 61947
auf 120000 geftiegen it. Auf den canarifchen Infeln 2 Proc. Sterb⸗
lichkeit bei 3,4 Bor. Geburten, Coleman Mac Gregor, Die
canar. Infeln, 1831, S. 59. Andere Beifpiele F b
eb. Geſt.
Baden, 1835—4 . . 2. 2 2 20. lauf 24,7 Lauf 33
s» Sehe ma. . . . 2 200 22,7 28,9
= Ober beinkreis min. . . . . 28,3 38,8
Baiern, 184185. 2 222. 30 37,4
Belgien, 18411—50 . . . 2 220. 33 44
England, 184AI—51. . . 2 2 2 2. 30,8 44,8
Frankreich, 1816—36 . '. . 2 2 0. 32, 39
s 1: 1 ET 35,4 42,5
Hamover, 1824—43 . . 2 2 2 02. 30 43,%
Defterreih ohne Ungam, Siebenbürgen und
Milit.:Gränze, 183943 . . 25,? 32,%
⸗ Galizien. 2 20. 22,2 30,
⸗ Oeſterr. ob der Enns. . . . 33 42,
Preußen, 182846. .
Sadien, 1834—50 . . . 2 2 2200 24,8 3,3
Nehmen wir nun %/so vder 2 Proc. als die geringfte Sterblichkeit, Die
bei 5—6 Proc. Geburten beftehen kann, fo ergiebt ſich, daß ber jähr:
lihe innere Zuwachs, ohne die Einwanderungen, im günftigften alle 3,
allerhöchftene 4 Procent betragen fönnte, wobei fih aljo die Volks⸗
menge in refp. 23 oder 1725 Sahren verdoppeln würde Ricardo
geht ebenfalls von ber Borausiegung aus, daß eine Berbopplung der
olfemenge in 25 Jahren mo ie ſei. Die _Grfahrungen zeigen jedoch
nirgends eine fo fchnelle Zunahme, ale wo Ginwanderungen im Spiele
find, und man darf einen jährlihen Zuwachs von 11a PBroc., wobei
die Derdopplung in 46 Jahren erfolgen würde, ſchon für einen be⸗
trächtlichen anfehen. Daß in den nordamericanifchen Freiſtaaten zwi⸗
ſchen 1784 und 1809, alfo wirklih in 25 Jahren, eine Berbopplun
Statt fand, und von 1800—25 nochmals, und daß von 1780—18
die Volksmenge fich auf das Y/sfache gehoben hat, ift den hoͤchſt guͤn⸗
25,46 33,"
— 235 —
Rigen Berhältniffen diefes Landes und der flarfen Cinwanderung zuzu:
ſchreiben. In Irland geſchah die Berbopplung von 1788—1821, alfo
in 33 Jahren, dagegen fol in Frankreich in 74 Jahren die Volfsmenge
nur um '9 zugenommen haben, und Mob eau vermuthete aus [päteren
Erfahrungen eine Verbopplung in nicht ganz britthalb Jahrhunderten.
(Unterfuhungen und Betrachtungen über die Bevölkerung von Frank⸗
reih, überf. von Ewald. ©. 282. Botha, 1780.) Die heutige Sta
tiſtik liefert ſchätzbare Nachrichten über diefen Gegenfland, aus denen
hier einige zur Grläuterung beigefügt find. 88 ift der mittlere
Jahreszuwachs in Procenten.
Baden, 1819—25 12 Proc. Niederlande,
1
25—30 1, 829—51 1,57 Proc.
35—45 0,9 Nordamerica,
46—50 Abn.*) 1790—1800 2,
Baiern, 1819—28 1,% 1800—50 2,89°*)
34—46 0,9 Defterreid,
insbef. d. Pfalz 0,76 max. 1842—46 1,117
U.⸗Franken 0,% min. insbef. De. unt. Enns 1,3
Belgien, Galizien 0,9
1830—50 0,7 Lombard 0,8%
insbef. Brabant 1,33 max. Tirol 0,48
Namur 1,8 Steiermarf 0,4
O.⸗Fland. 0,% Böhmen 0,9
Me = 0,% min. De. ob d. F. —0,%*)
Dänemark, Ganzes Reich
1830—40 0,% 1846—50— 0, *)
40—50 0,% Preuß. Staat,
Frankreich, 1825—52 1, 0
1821—31 0,9 1840—49 0,%
31—41 0,5 insbef. Brandenburg 1,51
41—51 0,%4 Bommern 1,9
Großbritannien, Boten 1,04
1841—51 0,8 Sachſen 0,%
insbef. England 1,18 Rheinland 0,9
Schottland 0,8” Breußen 0,8
Irland —2,%* Scleften 0,7%
England und Wales, Weſtfalen 0,8
1801—51 1,9 Sachſen, 1834—49 1,%
insbefondere insbe. Städte 1,8
London, 3 Grafſch. 1,80 Land 0,
6 mit Weber 1,8 Schweden,
7 mit Bergbau und 1840—50 1,0%
Mineralgewerten 1,4 Schweiz, 183750 0,8
18 landb. Grafſch. 1,8 insbef. Bern 0,89
3 nördl. Grafſch. 0, Aargau 0,8
Hannover, Maadt 0,63
1833—43 0,8 Zürich 0,8
insbef. Aurich 0,97 4 Urcant. 0,%
Dsnabrüd—0,% *) &t. Gallen 0,%
Großh. Heffen, Graubuͤndt. 0,4%
181546 0,8 Teffin 0,8
Kurheſſen, Toscana,
1818—37 1,2 1820—51 1,%
37—49 0,5! Würtemberg,
Holſtein, 1827—37 0,8%
1804— 0,9 1843—52 0,8%
30
*) Abnahme. °”) ohne Texas und die Staaten am ſtillen Meere.
— 236 —
Diefe Zahlen find fo berechnet worden, daß aus der Volksmenge des
erfien und des letzten Jahres der Durchfchnitt gezogen und der Zuwachs
in Brocenten diefer mittleren Bolfmenge ausgebrüdt wird. Beſtimmt
man ihn, wie es oft gefhieht, in PBrocenten der anfänglichen Volks⸗
jehl, fo kommt er größer heraus. Dieß fahren ie ber Natur der
ache weniger angemefien und beſonders dann fehlerhaft, wenn man
den Zuwachs in mehreren Fällen bei ungleich langen Zeiträumen aus:
mitteln will. Fuͤr die 50 Jahre 1801— 51 findet man 3.3. den engl.
Volkszuwachs bei diefer Berehnungsart — 2,0% Procent, ber Durch⸗
ſchnitt der ebenfo berechneten 5 Sahrzehende giebt aber nur 1,5 Proc.
Bei längeren Perioden ift die mühlamere Berechnung nad der An:
nahme einer geometrifchen Reihe am genaueften, Rau in Poͤlitz Jahr:
bücern, 1831, I, 1. Rau, Archiv, III, 139. — Aus obigen Zahlen
erhellt fowohl die große Beripievendeit der Zunahme von. Land zu
Land, als auch die langſamere Vermehrung in der neueften Seit, wäh:
rend fogleih nach der Herftellung des Friedens von 1815 an der An-
wachs —*8* erfolgte, fo daß die europaͤiſche Volksmenge nie in
gleicher Zeit fo flark vermehrt worden if. Die Zuwachszahl eines
Staates ift eine der wichtigften flatiftifchen Thatſachen, deren Folgen
ebenfo wie ihre Urfachen viele Aufforderung zum Nachdenken darbieten.
Diel Material bei Bikes, Die Bewegung der Bevölkerung, 1833. —
Bernoulli, Bopulationiftif, 1840, Nachtrag 1843.
Für den Anwachs des Gapitales läßt fi zwar Feine Obergränge ans
geben, weil derfelbe nicht durch Naturverhältniffe bedingt wird, doch if
er aus folgenden Gründen gewöhnlich ziemlidy langfam: 1) Die größes
ren apitaliften und Grundeigenthümer haben größtentheils feinen Ans
trieb zum Sparen und ziehen es vor, durch beträchtlichen Aufwand ihr
Ginfommen zu genießen. 2) Die großen Unternehmer können am meiften
jurüdlegen, indeß |baben fie aud bedeutende Verluſte zu ertragen, —
zudem werden viele Sewinnfte in unproductiven Gewerben, 3. B. dem
Handel mit Staatspapieren, gemacht, wo im Ganzen feine Mehrung
des Sapitales möglih ift. 3) Die Fleineren Unternehmer und Gapita=
liften Haben in der Regel mehr Neigung als Gelegenheit, viel Capital
zu erübrigen. 4) Bon ben Lohnarbeitern gilt daflelbe in noch höherem
Grade. — Wenn daher die ftatiftiihen Thatfachen oft feinen fchnelleren
Zuwachs der Volksmenge, ale um !/s—1 Procent ar in mandıen
Ländern aber einen noch langſameren nachweilen, fo barf man ver:
muthen, bie Vermehrung der Menfchen gehe mit der des Gapitales in
gleihem Schritte und werde durch fie befchränft, woraus dann noth⸗
wendig folgt, daß in der Regel die Goncurrenzverhältnifie den Arbeitern
ungünftig Feien. Diefelben Umftände, welche die durch eine lange Zeit
angewachlene Bolfsmenge plöglich wieder vermindern, wie Kriege, Miß-
jahre, Erdbeben, oder welche fortwährend die Ehen und Anfledelungen
erfchweren, wie fehlerhafte Staatseinrichtungen, treffen auch gleichmäßig
das Capital mit, nur bei Seuchen ift dieß nicht der Fall. Starke Volke:
vermehrung läßt dann auf beträchtlichen Capitalanwuchs fchließen, wenn
zugleich die Lage der Arbeiter nicht fchlimmer geworden if; bewirkt
aber jene, daß die Arbeiter fi mit geringeren Lohne und ſpaͤrlicherem
Unterhalte begnügen, wie dieß von Irland befannt ift, fo if fie nach⸗
teilig, und es wäre überhaupt irrig, die Wohlfahrt der Länder nach
der Stärke der Volksvermehrung beurteilen zu wollen. — Borter
(Progress &. 600) glaubt, daß das bewegliche Vermögen (personal
property) im britifchen Reiche in dem Zeitraume 1814—45 von 1200
auf 2200 Mi. 2. St. angewachſen fei, alfo jährlih um 32 Mill.,
und 1841—45 fogar jährlich um 50 Mill. Hierunter find ohne Zweifel
auch Benußmittel inbegriffen. Morrifon (Essay, ©. 317 ff.) nimmt
— 2371 —
einen jährlihen Capitalzuwachs von 50 Mi. an und vermuthet, daß
die &ewerbsleute */5 ihres Cinkommens überfraren, was ſehr viel wäre!
(d) Als Urfachen hievon können genannt werben: der gleichförmige mittlere
Unterhaltsbedarf ($. 191), — die Scheu, dem Arbeiter meniger als
diefen Betrag zu bieten und bie Abneigung des Arbeitere, ſich für
weniger dingen zu laflen, — die Beſorgniß, daß wenn man einmal
mehr Lohn gäbe, dieß leicht zur Regel werden möchte ıc.
8. 197.
Das in einem Lande ftattfindende allgemeine Verhältniß bed
Angebotes zu dem Begehre zeigt fich nicht gleichförmig in allen
einzelnen Arbeitözweigen, vielmehr treten bei benjelben häufig
befondere Umftände ein, die eine Abweichung verurfadhen. Das
bin find zu rechnen: I) Umftände, die in dem Weſen der Be⸗
fhäftigungen liegen; a) befondere zu einer Verrichtung erforder-
liche Eigenfchaften, welche da® Angebot einengen, und zwar
bald Naturanlagen, bald erworbene Gefchidlichfeiten, bald mo⸗
ralifche Eigenfchaften, bald mehrere diefer Bedingungen zugleich.
Die Schwierigkeit und Wichtigkeit eines Geſchäftes würde für
ſich allein den Lohn nicht hoch ftellen, wenn nicht deßhalb die
Anzahl der dazu fähigen Perfonen Elein wäre (a); b) die Ge⸗
fahr oder Befchwerde, die mit einer Verrichtung verbunden iſt
und viele Arbeiter von bderfelben abhält (Bd); c) andere Bor»
theile neben dem bezahlten Lohne, welche die Lage des Arbei-
terd günftiger machen, 3. B. größere Sicherheit des Unterhaltes
für die Dauer, höhere Achtung, Amtsgewalt und dergl., weßhalb
manche Beichäftigungen verhältnigmäßig niedrig bezahlt werben,
ohne Daß doch der Zudrang von Arbeitern abnähme (c). 2) Bor:
übergehende Urfachen einer Veränderung im Mitwerben,, nas
mentlid) a) Zus oder Abnahme des Begehrs durch wechſelnde
Einträglichfeit und größeren oder geringeren Abfa in einem
Gewerbe; b) zufällige Umftände, die das Angebot vermindern
oder vermehren (d).
(a) Reichlicher Lohn der höheren Dienfte, die eine Bereinigung feltener
Bigenfchaften vorausfepen,, 3. B. ausgezeichneter Staatsmänner,, Feld:
herren, Advocaten, Sänger ıc. — Weinbergsarbeiter werben höher bes
zahlt als Keldarbeiter. — Niedriger Lohn der Weber, wegen der Reich:
tigfeit diefes Geſchäftes. Bei den Handwebern Fam neuerlich noch bie
durh die Mafchinenftühle entflandene Abnahme des Begehrs Hinzu.
Manche Weberfamilien in Großbritanien verdienen wöcentlih nur
4—5 Schill. Handloom weavers. Report of the commissioners. 1841
(von Senior) = Rau und Hanffen, Arhiv, VI, 275.
(
(e)
(@)
— 233 —
Dreſcher und Schnitter erhalten der groͤßeren Anſtrengung wegen größe:
ten Lohn, als gemeine Feldarbeiter. — Scharfrichter, Banalfeger, Dach:
decker, Locomotivführer werden gut bezahlt. — Arbeiter beim Wafler:
bau sc. — Manche ziemlich bef werliche oder widrige Arbeiten werden
jedoh nur mittelmäßig gelohnt, weil fte leicht zu erlernen find und
deßhalb das Angebot bei ihnen groß ift. Auch der Reiz einer gefahr:
vollen und abenteuerlichen LXebensweife kann das Angebot größer und
folglich den Lohn niedriger maden. Smith, I, 172—175. — Mac:
- @ullod, Grundſ. ©. 283. — St. Mill, I, 390. — Rofder,
Eyſtem, I, 298.
Bei den nachſtehenden Beifpielen find unverkennbar die Wirkungen zu:
fälliger Umflände und wahrer Bigenthümlichkeiten der verfchiedenen Ge:
werbe mit eingnder vermifht. Durchſchnitts-Wochenlohn nad) Angaben
ber Handelstammer in Manchefter 1832, First annual report of the poor
law commissioners, ©. 202: Sanblanger beim Mauern 12 Schill.,
Handweber T—15, Umgraben des Landes 10—15, Laftträger 14—15,
Schuhmader 15—16, Mafchinenweber 13—165/s, Tüncher, Schneider 18,
Faͤrber 15—20, Bflaflerer 19—21, Maurer 18—22, Blechſchmiede
22—24, Zimmerleute 24, Spinner 20—25, Mafchinenarbeiter 26—30,
Eifengießer, Zurichter am Maſchinenwebſtuhl (dressers) 28—30 Schill.
Die Ertreme find Afl. 12 fr. und 18 fl., in Lille 31/, fl. u. 22 fl. 24 kr.
(Villerm6, I, 91). In &yon erhielt 1827 ein Baummollenweber 7,
ein Tuchweber oder Schneider 9%, Maurer 14, Seidenmweber 18%,5,
Seidenfärber 24 Br. Wochenlohn. Dingler, B-I. XXV, 540. —
London, 1812— 36: Schriftjeger für Morgenzeitungen 48 Schill. woͤchent⸗
lih, für Abendblaͤtter 43!/3 Schill., für Bücher 36 Schill., Zimmer:
leute 31,8 Schill. Porter, ©. 444. — Belgien, Taglohn 1846:
Arbeiter in den Glashütten 2,58 Fr., Buchdruder 2,1, Steinfohlen-
bergleute 2,07, Mafchinenarbeiter 2,04, Hüttenleute 2,91, Goldſchmiede ıc.
1,9%, Steinbrecher 1,6%, ifenfchmelzer 1,59%, Zuckerſieder 1,35, Zimmer:
gefellen 1,37, Schreiner 1,9%, Schuhmacher 0,%, Schneider 0,9, Nähe:
rinnen sc. 0,7%, Weber 0,8%, Spigenflöpplerinnen 0,8 Fr., Durchſchnitt
nad Abzug der Blachsverarbeitung: Männer 1,5%, Weiber 0,%, junge
Leute 0,5 und 0,55 Fr. Hiebei find aber die Handlanger mit einge:
rechnet. — In Brabant erhielt 1848 ein Schriftgieger —5, ein Ar:
beiter an ber Druderprefie und ein Schriftfeßer 3— 3t/., ein Graveur
von Drudwalzen 3—4, ein Baumwollenfpinner 21/,—3, ein Schreiner
2—2'/s $r., aber die Handlanger in vielen Gewerben empfingen nur
1—4/3 Fr. (Enqu.)
Eine dauernde Wirkung bringen ſolche Staatseinrichtungen hervor, welche
das Ergreifen eines Geſchaͤftes von gewiflen Bedingungen abhängig
madıen. Unterftügungen für das Erlernen eines Geichäftes, 3. B. er
pendien für Studirende, vermehren das Angebot in einem Berufsziweige.
8. 198.
Aus diefen Urfachen muß, abgefehen von den vorübergehen-
ben Schwanfungen des Lohne, in ben verfchiedenen Beſchaͤfti⸗
gungen eine anhaltende Abftufung ber Lohnſaͤtze Statt finden,
von der leichteften und allgemeinften Handarbeit an bi zu ben-
jenigen Berrichtungen, die nur von Wenigen vollbradyt werden
fönnen. Soweit die Ergreifung einer gewiſſen Arbeit von ber
Mahl der Arbeiter abhängt, zeigt ſich allerdings ein Beftreben,
— 239 —
den Lohn mit dem Koſtenbetrage jeder Art von Verrichtungen
ins Gleichgewicht zu bringen, indem die verhaͤltnißmaͤßig zu ge⸗
ring gelohnte Arbeit von mehreren Menſchen aufgegeben oder
wenigſtens ſeltener neu ergriffen, die reichlich bezahlte aber deſto
eifriger vorgezogen wird; inzwiſchen ſteht dieſer Ausgleichung
die Macht der Gewohnheit, die Seltenheit der erforderlichen
Faͤhigkeiten und manche andere Schwierigkeit des Ueberganges
(8. 161) im Wege, weßhalb die Lohnſaͤtze bei verſchiedenen Ars
beiten keinesweges durchgängig den mit ben letzteren verbunde⸗
nen Koften entfprechen (a). Arbeiter in vorgerüdten Jahren
oder mit ganz einfeitiger Gefchidlichfeit koͤnnen bei geringem
Begehr dahin gebracht werden, ſich ınit dem Färglichften Lohne
zu begnügen. Arbeiterinnen erhalten in ber Regel geringeren
Lohn ald Männer (d), und überhaupt Hat dad Mitwerben auf
ben jededmaligen Stand des Lohnes einen fehr mächtigen Ein-
fluß (e). _
(s) Rau, Zuf. 58 zu Stord, III, 308.
(6) Durdfchnittsverhältnig bei den belgifchen Weldarbeitern 100 : 65, bei
den Gewerfen 100 : 57. — Urfachen find: 1) die geringere Körperkraft,
2) der ſtarke Zudrang zu folchen Gefchäften, in denen weibliche Ge⸗
hülfen leicht bel äjtigt werden fünnen, 3) die größere Benügfamfeit im
Unterhalt, 4) das Mitwerben von weiblichen Familienmitg iedern, bie
im Haufe das Noͤthigſte erhalten und daher den Lohn als Zufchuß an:
fehen ($. 193). Bgl. St. Mill, 1, 408. — Das neuerlid fichtbare
Beftreben, mehr und mehr weiblihe Sehülfen anzunehmen, muß ben
Unterſchied im Lohne beider Gefchlechter vermindern und ledigen Frauens⸗
verfonen das Fortkommen erleihten. In Großbritanien ift in den
Baummollengewerfen das Berhältniß der Arbeiter zu den Arbeiterinnen
wie 100 zu 129, in America ift der Mebrbetrag der leßteren noch größer.
Belg. Enquöte, III, 356.
(e) Der Taglohn bei manden Berrichtungen ift im Winter niedriger als
im Sommer. Zwar lebt der Arbeiter im Winter foftbarer, aber feine
Thätigfeit hat geringeren Werth, weil fle wenigere Stunden des Tages
einnimmt, der Begehr ift daher Feiner, ohnehin flehen manche Sefchäfte
ganz fill und das Mitwerben drüdt folglih den Lohn herab.
Zweites Hauptftüd.
Größe des Lohnes in verſchiedenen Zeiten und Ländern.
8. 199.
Ein buch flarten Begehr bewirkter hoher Lohn enthält in
fich felbft die Urfache feiner Erniebrigung, indem er zu einer
Vermehrung der Arbeiterzahl anreizt, $. 196. Nur da kann
der Arbeiter anhaltend reichlich gelohnt werben, wo das Capital
ſich ebenfo jchnell vermehrt als die Arbeiterzahl (a). Ein forts
dauernd hoher Stand des Arbeitslohnes zeigt alfo eine blühende
Lage der Volkswirthſchaft an, wobei die Gewerbe große Gewinnfte
geben und das Bolfövermögen ſich rafch vergrößert, wie bieß
häufig in neuen Anfteblungen ber Ball ift oder auch in foldyen
Ländern, bie, aus dem Schlummer envachend, raſch in der Ent⸗
widlung ihrer geſelligen Verhaͤltniſſe fortfchreiten. Niedrige
Bevölferung ift nicht an und für fich, fondern nur dann, wenn
ber Begehr von Arbeit dad Angebot überfteigt, Urfache eines
beträchtlichen Lohnes. Wölfer, deren Gewerbe ſchon länger aus⸗
gebildet find, pflegen fich langfamer zu bereichern, das Capital
vermag nicht mehr fo leicht im Wachsthum vorauszueilen und
der Lohn fteht folglicdy gewöhnlich niebriger. Doch zeigen eins
zelne Perioden eine Ausnahme, wenn 3. B, Hinberniffe ber
Gütererzeugung hinmweggeräumt oder fehr wirkffame Erfindungen
gemacht werden; auch darf man da, wo bie 2ohnarbeiter mit
der Zunahme der allgemeinen Bildung mehr Beduͤrfniſſe an-
nehmen und nur wiberftrebend auf bie Befriedigung berfelben
verzichten, wo ferner durch die fortichreitende Kunft im Gewerbs⸗
betriebe die Capitalvermehrung befördert wird und Regierungs⸗
maaßregeln die Production befördern, einen Anwachs bed Lohnes
wie des Wohlſtandes vermuthen (d), auch abgefehen von ber:
jenigen Erhöhung des Lohnes, die nur aus der Vertheurung
ber Lebensmittel entfteht, 8. 192. Am niedrigften muß fich der
Lohn da ftellen, wo der Wohlftand im Abnehmen if, weil dann
die Menfchenmenge im Verhaͤltniß zu den Erwerbögelegenheiten
zu groß erfcheint (ec). Verſchiedenheiten im Lohne mehrerer
Länder und Gegenden werden durch Auss und Einwanderungen
vermindert (d).
(a) Borübergehend Fönnte eine flarfe Verringerung der Arbeiterzahl, 3. B.
nah Seuchen oder fchweren Kriegen, den Lohn fleigern. In einer eins
zelnen Gegend kann bie Örtliche Bermehrung des Begehrs, 3. B. wegen
eines Feſtungs-, Cifenbahn:, Ganalbaues ıc. bie nämliche Wirkung
äußern. Dagegen drüuͤckt eine ſchnelle Cinführung arbeitſparender Ma⸗
ſchinen bisweilen den Lohn eine Zeit lang herab.
(6) Marſchall Vauban ſchaͤtzte 1698 den Lohn eines Webers in Frankreich
auf 12 Sous, eines Weldarbeiterd auf 9 S. und den Sahresverdienft
auf 108 und 90 Fr. Hiervon nahm das Salz 8 2. 16 ©., das Ge⸗
-
— u 7 —
treide ‚für 4 Menihen 60 Liv. hinweg (10 Setiers ober bad. Malter
Mengforn, etwa 2100 Pfd.). Faſt Yo der Einwohner bettelte und die
Hälfte war ebenfalld nahe daran, zu verarmen. A. Doung flug
1787 den Feldtaglohn auf 19 Sous an, was damals — He Br. Brot
war. Dieß giebt mit %s Bufchlag für den Erwerb der Frau bei
280 Arbeitstagen 330 Fr. Villerm&, Tableau II, 2. 25. Wie in
Frankreich, fo ift aud in Deutichland die Xebensweife des gemeinen
Mannes unverkennbar befler geworden. Es wäre verbienfllich, hierüber
befondere giaauine Forſchungen anzuftelln. Das Bud von Bra:
nier de Baffagnac, Beihichte der arbeitenden und der bürgerlichen
Glafien, deutih Braunfhw. 1839, enthält in diefer Hinkht wenig. —
Mac Aulay (History of England, I, 408, Taudnig) zeigt, daß in
England der Lohn jeßt doppelt fo hoch ift ale 1685, wäbrend bie
Zchensmittel mit Ausnahme des Bieres nicht doppelt fo viel gelten.
Die Zahl der Armen war zu jener Zeit größer (1; nah King und
Davenant), die Sterblikeit in London 1 auf 23 Einw. — In
Tranfreih, wo nah Bauban der Yeldarbeiter nit 3mal —
Fleiſch eſſen konnte, ſoll es jetzt meiſtens 2mal wöchentlich geſchehen,
die Koſt iſt überhaupt viel beſſer geworden. Bouchardat, Moni-
teur 1852, Nr. 18.
(c) Ad. Smith führte die nordamericanifchen Breiftaaten ale Beifpiel des
erften Falles, ghine für den zweiten, Oſtindien für den dritten Fall an,
Unter. I, 109 f. In Nordamerica fand der Lohn bis 1818 überaus
hoch, von diefem Zeitpuncte an begann er zu finfen, weil der Abfag
roher Stoffe nicht mehr die vorigen beträchtlichen Gewinnſte gab. Vgl.
Stord, I 306, und Zufa 51. Der mittlere Lohn eines Ackerknechts
war um 1833 9 Dollars monatlich (22%, fl.) mit Koft und Wohnung.
In Maflahufets wurden 11—18 Dollars in den 6 Sommermonaten.
10-12 in den 6 anderen angegeben, in Newyork 7/5 — 103/10 Doll.
monatlih. Gemeine Taglöhner erhielten in diefem Staate täglich
84 Cents, wobei die Bamilien 2mal täglich Fleiſch aßen, neben Thee
und Kaffee, Zimmerleute 11/s—1's Doll., Dachdecker Iy—1!a Doll. |
Diefe Handwerker hatten 1783 — 1790 nur 621/;— 75 Cents täylich.
Das Getreide war aber feitdem nicht theurer geworden, der Quarter
Waizen galt (1824—33) 5 Doll. 2 Gt., alfo der Gentner 2 fl. 43 kr.,
das Pfd. Rindfleiſch 6 Et. = 9 fr., Senior a. Preface. ©. XC. —
Carey, rate of w. ©. 26. — Neuerlich werden 50—80 Cents täglich
ohne Belöftigung (1 fl. 13 fr. — 1 fl. 56 fr.) oder gegen 10 Doll.
monatlich neben der Koft gegeben, Fleiſchmann, Der norbamerican.
Zandwirth, 2. A. 1852 ©. 311. — In Buenos:Ayres erhält noch jebt
ein gemeiner Handwerker und Taglöhner täglich 1 Biafter (2 fl. 28 fr.). —
Sn Ban:Diemens:tand fol ein Feldarbeiter fogar 8-10 Schill. täglich
erhalten, wofür er fih 21—25 engl. Pfd. Brot oder 8 Pfd. Fleiſch
verschaffen könnte. — Der in Geld überaus hohe Lohn in Auftralien
und Californien ift auch nad) den Preifen der Lebensmittel fehr groß.
"In ©. Brancisco erhielten noch zu Ende 1854 gemeine Taglöhner 3, die
meiften Handwerksgeſellen 5, Shiffegimmerteute 8, Hutmacher 10 Doll.
täglih. — Auch bei den Hier folgenden mittleren Sägen des Taglohns
für Weltarbeiter darf man die ungleichen Preiſe der Lebensmittel nicht
unbeadhtet laſſen, $. 187 (d).
Dfpreußen, Baliin . . . gegen 14 kr. (Hofmann).
Böhmen... 2 22200. 17
Münden (Scleisheim) . . . . 20
Gatenberg, Hildesheim . . 18—22!/ = (Hann. Feflgabe 1852),
Medindtug . . . ... 18-21 ⸗ (v. Lengerde).
MWürtemb. u. bair. Oberfranten 20—24 ⸗
Rau, polit. Dekon. I. 7. Ausg. 16
wa
— 242 —
Magdeburg, Sachſen, Schleſien 22" fe. (Gaspari).
Niederheflen .. s (Hildebrandt).
Provinz Sulta . . 2 2.2. 231/3 ⸗ ⸗
Stimmt 2 02 23/ ⸗
Bad. und hair. Rheinpfalz 24-30 ⸗
(Weinbergsarbeiter 36 &.)
Sofein . . 2 2.22.2126 s (Dittmann).
Gleve . 2» 2 2 2 2. Mi s (Jacobi).
Dberheften (Kurf.). -. . . ». BU ⸗ °
Mark Brandenburg . . . . 238 s (Koffmann).
Weimar 222... 91 ⸗
Tirol nn 30-36 ⸗3
—2 1830-46 . . . . 300 s (Amtl. Stat.).
Mecklenburg238 s (9. Thünen).
Kreis Bonn een. 28—35 : Somm.(Hartflein).
Bad Schwarzwal . . 80-42 5
Joren een. dia = (Serrifori).
Reg. Bde. Düfleltorf - . . . 31% = (v. Biebahn).
Lombardei > 2 2 22.33 ⸗
Frankreich, Durchſchnit 35 —42 =
Canton Ticino . . » 2 .36 = (Arrivabene).
Canton Bern und Wallis . 41—49 =:
Ober⸗Elſaß (Ober-Rhein) . 42—50
In der neueften Zeit if der Lohn meiſtens höher geworden.
In Nordengland if (1850—51) der Wochenlohn der Feldarbeiter
11'/s Sc., in Süpdengland 8, Sch. (6,5 und 4,% fl.), Duschichnitt
9a Sc., mar. 14 Sch. in Weſt-⸗York, min. 7 Sch. in einigen Land⸗
baugegenden, Caird, Eugl. agric. ©. 512. — Nach den bei ber eng-
liſchen Commiſſton zur Unterfuhung des Armenwejens eingegangenen
Nachrichten, die zum Theil noch einer Kritik bebürfen, verdienten Felo-
arbeiter in Frankreich und zwar Havre, Sommer 54, Winter 42 kr.,
Bretagne 30 u. 31 Er., Bordeaur 491/2, Marfeille 4554, Bayonne 36,
Piemont, ©. 30—36, W. 18—22'/8, Patras (Griechenland) ©. 431,2,
W. 33, Bremen, ©. 36, W. 27, Öftende, ©. 36, W. 31%, Schwe:
ben 21—24, Dänemarf 18—34 fr. Um Havre, Bordeaur und die
Loire-Mündung fann der Arbeiter felten Fleiſch eſſen, in beiden legten
Gegenden jedod dann, wenn Frau und Kinder guten Berdienft haben,
um Marfeille wöchentlih 1mal Rindfleifch, in Bretagne öfters Schweine:
fleifh, in Würtemberg und Baiern 2mal woͤchentlich Fleiſch, in Däne-
marf gute vegetabilifhe Nahrung, in Sachſen fpärlihe Koft, in Pie⸗
mont ärmlihe, in Südjchweden Kartoffeln und Fiſche, in Norwegen
nurefen und Haferbrod. Senior a. Preface, auh bei Schmidt,
nter). ©. 292.
In Schweden (Forſell, Statift. v. Schw. ©. 101) war 1816—26,
wenn man für diefe Beriobe den Burs der Banknoten zu 112 Schill.
für 1 Thlr. Hamb. Beo. annimmt, der mittlere Lohn 26%, fr. —
15,3 Pd. Getreide, die Tonne halb Roggen, halb Gerſte galt 7 Thlr.
15 Schill. = 8 fl. 21 fr., alfo beträgt der som jährlih mit Zuſchlag
von %g für den Verdienſt der Frau 5737 Pfd. Betreide für die Familie.
In der nördlichen Hälfte des Landes, von Yalun an, fteht der Geldlohn
—* in Oeſterſund⸗ (im Innern) und Pitea⸗Laͤn ſteigt er bis 32 Sch.,
uͤdlich, zwiſchen Gotenburg und Linkoͤping, finft er bis 17 Schill. Sept
man die 6 nördlichen und die 18 füdlichen Laͤne einander gegenüber,
. fo ergiebt fih Folgendes:
(2)
— mu —
Südl. Theil, oͤrdl. Theil.
Mittlerer Lohnfah -. -. . . . | 19, Schill., 26 Schill.
Breis der Tonne Getreite . . 7,9 Thle. 8,8% Thlr.
alfo täglicher Verdienſt in Getreide 14,* Pfd. 16, Bir.
Einwohner auf 1 geogr. D.Meile | 83—2670 32—340
Ader, Wieſe und Beide maden
Procente der Oberflähe . . . 9—60 1—8
In Piteg (nördlihfes Län) if der Lohn in Getreide ausgedrüdt
20,5 Pfd. (max.). in Derebroo 12 Pfd. (min.).
Wird der Tagloͤhner beiöfigt, fo ift der Weldlohn neben ber Koſt
T/a—10%/, fr. in Hübdesheim, 9—16 fr. Bretagne (Dep. Norpküften),
10% Er. Lombardei (Burger), 12—16 fr. in vielen Segenden bes
ſuͤdweſtl. Deuſchlands, 14 fr. Bonn, 14—20, durchſchn. 17 Er. in Belgien
(1846, amtl. Gtat.), 16%/—20 fr. Bern, Wallis, 15 fr. Oberbaiern,
18—30 fr. bad. Schwarzwald. Im Vergleich mit dem Lohne der nicht
beföftigten Arbeiter wird gemöhnli die Koſt zu niedrig angeichlagen.
Die Quote des Dreſchlohns ift fehr verfchieden, was nit blos von
dem allgemeinen Lohnſatze, fondern aud von dem Yleiße der Drefcher
abhängen mag, 3.3. Yo in Oftpreußen, Lüneburg, Ya—!/ıa in Sachſen
und ber — i / in Schleswig und Holſtein, /310 in der
Mark Brandenburg, */ıs in Medienburg (v. Thünen), Ya! im
Mord-Departement.
Schwach bevölterte Länder, 3. B. Gebirgegegenden, haben meiftens
niedrigen Lohn, weil bajelbft wenig Betriebfamfeit berricht und Bapitale
eher hinweg⸗ ale von anderen @egenden hinzugeführt werben. Das
naͤchſte und belanntefle Beifpiel eines eringen Lohnes bot Irland bar,
Der mittlere Taglohn in der Landwirthichaft kann zu 8 Pence oder 24 Er.
angenommen werden, oft wurden im Winter und felbfl im Sommer
nur 6 3. gegeben, während 12 (1 Schill.) zum lntexhalte nöthig
waren. Wo man die Koft gab, war der Lohn gewöhnlih nur um
2 B. niedriger, auch befland jene faſt ganz aus Kartoffeln. Das
Schlimmſte if, daß es an fortdguernder — f te. In Zeiten,
wo wenig zu verdienen war, arbeitete Mancher um 2 P. und die Koſt,
oder ſelbſt blos um diefe; Evidence. Occupaf. of land in Ireland. 1845.
—*8 bat fich dieß wegen der ſtarken Auswanderung (exodua)
verbeſſert.
Chineſen kommen in großer Zahl nach Californien und Weſtindien. In
Cuba fängt man an, durch fie die Sklaven zu erſetzen: Sie erhalten
den Unterhalt und jährlih 48 Doll. Geldlohn. — Die vielen irländi-
fhen Arbeiter in England fehmälern den Lohn der Bingebornen. —
Außer den dauernden Meberfiedlungen in ein anderes Land kommen hier
aud die leichter ausführbaren häufigen periobifchen Wanderungen ber
Arbeiter in Betracht. Sie dienen, bie Derfchiedenheiten des Lohnes
auszugleihen und den Bewohnern der ärmeren Gegenden einigen Bor:
theil von dem Reichthume benachbarter Landftriche zuzuwenden. Bielg
Ebenen gewähren den Bewohnern naher Gebirge Berdienft in der Ernte:
it. So wandem würtemberger und odenwälder Schnitter und Mäher
Norte in das Rheinthal, galizifche in die polniſche Ebene, weftfälifche
Arbeiter ziehen im Sommer nad) Hollgnd, Savoyarden fuhen in Wallis
und Frankreich Erwerb, die Bewohner der Apenninen in ter Campagna
di Roma, Salzburger (namentlid Sphweinfchneider aus Lungau und
Krautfhneider aus Wattiee, nad oprer ‚ Zixgler, Borarlberger,
Graubuͤndner in den ebenen Gegenden Süd⸗Deutſchlands ıc. Aus dem
Canton Ticino gehen jährlihd 30— 12 000 Perfonen auswärts, meiſtens
16%
— Wi —
Nah der Lombardel, und zwar Tendet jede Gegend "des Cantons andere
Glaffen von Arbeitsleuten hinaus, Maurer, Steinhauer (1840 bis Heidel:
‚berg gefommen), Glaſer ꝛc. Franſcini, Der Canton Teifin, ©. 155,
ſ. auch von Ulmenftein in Rau, Archiv. I, 223. — Rofcer,
Syſtem, I, 321.
$. 200.
Ein hoher Geldlohn könnte ohne allen Vortheil für die ars
beitende Claſſe fein, wenn nämlich die Preiſe der nöthigen Lebens⸗
mittel in gleichem Verhältnifie gefliegen wären (a). Hoher Lohn
in dem Sinne, daß ber Arbeiter fich ein reichliches Maaß von
Guͤtergenuß verichaffen kann, ift nicht allein ein Zeichen
günftiger Vermögensverhältniffe (8. 199), fondern bringt aud)
wieder vortheilhafte Wirkungen hervor. Die unterfte Claſſe
der Lohnarbeiter, bie einen großen Theil der Einwohner jedes
Landes in fich begreift, lebt immer am fpärlichften und ift der
Gefahr des Verarmens am meiften ausgefegt. Eine Verbeſſe⸗
tung ihrer wirthfchaftlichen Lage ift daher für die Wohlfahrt
ber bürgerlichen Gejellfchaft von vorzüglichem Nugen, weil fie
den Sachgütern die beite Verwendung zur Befriedigung wich-
tiger menſchlicher Bedürfnifle giebt und hierdurch der Beftimmung
der Volkswirthſchaft entjpricht. Die Zunahme des Lohneinfoms
mend vermag am beften die große Bermögensungleichheit zwijchen
ben verjchiedenen Ständen zu verringern und Die Xohnarbeiter
dem Zuftande näher zu bringen, in weldem fid) die Grund
und Gapitalbefiger und Gewerbsleute befinden. Hierdurch wird
zugleid) die Anhänglicyfeit der Arbeiter an den Staat erhöht,
in dem fie fich der Früchte ihres Fleißes erfreuen (6).
(a) Vgl. $. 192. — Bei den Fortihritten tes Wohlſtandes und der Be:
völferung werden zwar viele Nahrungsmittel, Breunholz ıc. gewöhnlich
theurer, allein Kleidung und manche andere Gegenflände wohlfeiler, auch
wird durch Die geringeren Brachtfoften die Berforgung mit vielen Gegen⸗
ftänden erleichtert.
(6) 3. 9. v. Thünen (Ifol. Staat, Il, 154. 202.) ftellt eine mathe⸗
matifche Regel für den naturgemäßen Arbeitslohn auf. Wenn a ben
nothwendigen Unterhaltsbedarg des Arbeiters, p das Arbeitsproduct,
a + y den Lohn bedeutet, fo iſt
s:a ty=a+ty:p
a + y= Yap.
Hier ift aber p in einem befonderen Sinne genommen, es zeigt dens
jenigen Ueberſchuß des Mohertrages über die Ausgaben an, welcher
lediglich den Kohn und Capitalzins in fich begreift, jene Regel bezicht
ſich daher auf die Antheile der Arbeiter und Eapitaliften.
—UB —
8. 201.
Die guten Folgen eined hohen Lohnes find vorzüglich nach⸗
ftehende: 1) Er feßt die Arbeiterfamilien in den Stand, eine
der Gefundheit zuträgliche. Lebensweiſe zu führen, wodurch die
Lebensdauer im Allgemeinen verlängert wird, — ein für das
Gluͤck der Familien und zugleich für bie Wirkſamkeit der Arbeits-
fräfte Höchft wichtiger Umftant (a). . Hiezu trägt vorzüglich bie
befiere Ernährung und Verpflegung ber Kinder bei, deren Sterb⸗
lichfeit bei den Dürftigen viel ftärfer zu fein pflegt, al8 bei ben .
Wohlhabenden (5). Weberhaupt zeigt die Erfahrung, daß bie
Sterblichfeit mit der Dürftigfeit abnimmt (c). Es muß zum
Theil aus dem heutigen reichlicheren Lohne und ber günftigeren
Lage der arbeitenden Stände erflärt werben, daß die Lebensdauer,
wie ed fcheint, im Alterthume fürzer war, als in neuerer Zeit,
und daß fie in der jüngften Zeit noch zunimmt (d). 2) Die
Arbeiter fönnen ſich auf eine höhere Stufe ber Bildung empors
heben, indbefondere ift es möglich, die Kinder beffer zu erziehen
und zu unterrichten, wodurch der Staat ein einfichtönolleres,
funftfleißigered und gefitteteres Gefchlecht von Bürgern gewinnt.
3) Es fann ein Nothpfennig zurüdgelegt werben, vermöge deſſen
Unfälle ih der Familie leichter überftanden werben, ohne daß
fogleih Armuth eintritt; auch werben die Erfparniffe in den
Händen berjenigen, welche ihren Werth am beften zu fchägen
wiffen, häufig zum Ankaufe von Grundftüden.oder zur Betrei-
bung eined Gewerbes auf eigene Rechnung oder zu einer ans
beren einträglihen Anlegung verwendet, und ein ſolches, wenn
auch Fleined werbended Vermögen macht, daß die Eigenthümer
beffelben die rechtliche Ordnung im Staate weit höher fchägen,
als ganz Unbegüterte.
(a) Weil nun in einer gegebenen Einwohnerzahl mehr arbeitsfähige und
gefunde Menſchen enthalten find. Größere Lebensdauer und geringere
Sterblichkeit find wohlthätiger, als ſchneller Zuwachs.
(2) Die iſt die Urfache vieler Leiden, Befchwerden und wirthichaftlichen
Berlufte, Stord, I, 217. — Im erften (reichften) Stadtbezirke von
Paris find die Geborenen !/5 der Lebenden, im zwölften 20, und den⸗
noch findet man im leßtern Bezirke nicht mehr Kinder unter 5 Jahren, was
die größere Sterblichkeit der Kinder armer Aeltern beweifl. Bei der
Bergleihung mehrerer Berioten darf man den Einfluß der Blattern⸗
impfung nicht überfehen. "
(ce) Nah Billerme if die Eterblichkeit 1/55 in dem erften Stadtbezirk
von Paris, welcher die meiften Reichen hat, Yo im zwölften Bezirk in
welchem die Meiften Armen wohnen, / in ten reicheren Departements,
@
— 246 —
6 folge: ‚sten
h der Berlu de6 größeren Lohnes fhneil.
Bode ner Samy be Sunshine De Belthnenge Lnıfam tet
(im Durtchſchnitt von 8 Gantonen Yı Proc. Bernoulli, ürchiv,
10-20 20—60
in Nordameria . © 2 22 2.202340 246 376
in England . . . 22... . 212 205 445
in den Niederlanden . . 2 2... ,. 238 183 488
eine 8 haltmiſe zeigt‘ die Stistiötet ve —* hen Sehen
nliche Ber! ine v iedenen Lebens⸗
alter unter 100 en find z. B.
Summe
von | von| von | von | vom | über
0—1 4555-10 0—10 |10—15| 60
Belgien, 1841-50 . . | 187] 1583] as | 390 | 28 | 266
Wentlandern 2... 20153145 | A | 31 | 207
Limburg. ° 2. 0. [150] 136) 50 | 346 | 26 | 300
Preuß. Staat, 1849. . | 224 15 54 | 429 | 19 | 189
Brov. Weifalem, =. . | 208 1381 50 | 391 |°23 | 226
Reg. Bez. Oppeln, =. . 243) 164| 66 | 473 | 23 | 162
England, 1840. : 215] 189) 56 | 460 | 27 | 220
: Baummollenbezirk |
(Sanc. u. Gheih.) | 239
# Aderbauende Gegen · |
den “0.0. | 208] 150) 61 14 28 | 254
Waadt, n. Muret . . 189 158 — | 347 22 314
Bel. Bernoulli, Popul. IL, 402. — Auf die Verſchiedenheiten in
der Sterblichkeit Haben auch andere Urfachen Einfluß, namentlich bie
Beſchaffenheit der Wohnungen in Hinfiht auf die Geſundheit, worüber
in England zahlreiche und belchrende Grfahrungen gelammelt find, f. U,
g2 for ing:
255| 65 559 27 | 135
03 (d). First report of the commissioners into the
state of towns and populous distriets (Health of towns) 1843.
IL 8. Rußland find im Durdihnitt 526 unter 1000 Gterbes
fällen von 0—15 Jahren, mit der Verſchiedenheit, daß in Pleskom,
Kurland, Sittauen nur 316, in den Gouvern. ©t. Betersburg, ERb:
land, Finnland 358, dagegen in Kiew 619, Verm 648, Tobolst und
Tomef 656, Bifine) Ron jorod 691 von jenem Alter ſterben. Her:
mann leitet die größere Sterblichkeit der Kinder in manden Begen-
ven Rußlands von ben Norboftwinden ab; Möm. de l’ac. de St. Pit.
VIme serie I, 121.
Aemilius Macer in L.68. Pand. ad. Leg. Falvidiam giebt die mitt:
lert Lebensdauer fo an: bei 0—20 Jahren noch 30 Jahre weiter, —
bei 20—25 I. no 28 3., — bei 25—30 9. no 25 I, — bei
30—35 3. no 22 3., — bei 3540 3. noch 203., — bei 40-45 3.
— 4 —
noch 18 J., bei 45—50 3. noch 13 3., — bei 50-55 I. no
9%, — bei 55—60 3. noh 7 J., wobei bie kurze Lebensdauer 5
Menfchen von 45 und mehr Jahren auffällt. Bel. Shlädzer, Staats
anz. IX. 482, X, 288. — In Paris flarb im 14. Jahrhundert jährlich
rn, im 17. Jahrhundert / 23 —! / 20, im Durchſchnitt vom Sahre
1819—23 aber go. Rev. encycl. Avr. 1824 und Journ. des deb.,
10. Döo. 1824. — Bgl. Dietioan. des so. mödio., Art. Longerits
XXIX, 40 ff. Tobler, Ueber die Beweg. d. Bevoͤlk. ıc. St. Ballen,
1836. — Die Zunahme der wahrfcheinlichen Lebensdauer in Eng:
land ergiebt fih aus den von Finlaifon berechneten Sahlen, Mac-
Culloch, Stat aco., I, 419. = In Gef war die mittlere Lebens:
dauer (die Durchſchnittszahl der von allen Berforbenen durchlebten
Jahre) eines Neugeborenen im 16. Jahrh. 18, J., im 17. Jahrh.
23,2 J., im 18. Jahrh. anfange 32,% J., dann 33,58 J., fpäter
38,8 Jahre (jebt wird fie zu 39,1 angegeben). Bernoulli, Schweiz.
Archiv, II, 77. In Frankreich ftarben nah Benoifton de Chateau⸗
neuf von 100 Geborenen.
um 1775—8 um 1826.
in den erflen 10 Sabreen . . . 2 2 2. 49,9 38,3
bis zu 50 Jahren . . . . 2 2 200. 14,3 65
bis zu 60 Jahren. 82 11 -
M'’Eullodh zu Smith, ©. 465. — Die mittlere Lebensdauer be⸗
rechnet fih in Großbritanien (aus der Tabelle bei M'Culloch) auf
34,%, in Schweden auf 32,%, im preußifchen Staate 27,3, in Appenzell
Außer⸗RPRhoden 24 3., in Frankreich vor der Revolution 28, jekt 34
(nah Demonferranb fogat 38) 3., in Baiern (rnach Gebhard) 30,5,
in Belgien auf 31,5, im K. Hannover auf 37 Jahre. Indeß find alle
diefe Ausmittlungen nicht völlig genau, weil fle nicht aus einer gleich⸗
bleibenden, fondern einer fleigenden Volksmenge abgeleitet find und
nicht die gleichzeitig in verfchiedenem Alter Verſtorbenen, fondern die
Todesfälle der in einerlei Jahr Gebornen die eigentlihe Grundlage
geben jollten.' Ä
6. 201 a.
Es iſt bisweilen die Befuͤrchtung ausgeſprochen worden,
daß bei hohem Lohne die Arbeiter einen Theil ihrer Zeit im
Müuͤßiggange hinbringen möchten, weil fie dann auch ohne ans
haltenden Fleiß ihren Unterhalt verdienen koͤnnen, allein eine
folhe Handlungdweife fest einen Grad von Rohheit und Traͤg⸗
heit voraus, der bei zunehmender Bildung mehr und mehr ver
brängt wird. Der Arbeiter nimmt bei der Berfeinerung ber
Sitten und bei der Erweiterung feines Gedankenkreiſes allmälig
mehr künſtliche Bebürfniffe an, wozu der Anblid ber Lebens⸗
weife in den höheren Ständen beiträgt, und er wirb hiedurch
angetrieben, mehr zu erwerben. Nur ein plögliches ſtarkes
Steigen des Lohnes ohne Zuthun der Arbeiter fönnte vorüber:
gehend jene nadıtheilige Wirkung haben, die bei einer langs
fameren Zunahme nicht zu beforgen ift, und bie Erfahrung ber
gewerbfleißigften Länder beweift es, daß hoher Kohn und großer
Fleiß ſehr wohl vereinbar find.
’ 8. 202.
Die Urfachen, von denen die Lohnarbeiter eine Verbeflerung
ihrer Lage erwarten fönnen, liegen theild in ihrer eigenen Ge⸗
walt, theild außerhalb ihres Einfluffes. Zu den legteren gehören
bie günftigen Gewerböverhältniffe eined Landes, ber durch die
Anwendung von Kunftmitteln, 3. B. Mafchinen, gefteigerte
Erfolg der bervorbringenden Gewerbe, bie Neigung der Grund:
eigener, Gapitaliften und Unternehmer zum Ueberfparen und zur
Anlegung bed Erfparten im Lande, die menfchenfreundliche Ges
finnung der Lohnherren, die auch ohne größere Ausgaben viel
Wohlthaͤtiges bewirken können (a), endlich die Maaßregeln ber
Regierung, ber Gemeinden und ber gemeinnügigen Vereine in
Beziehung auf Unterricht, Sittlichfeit, Geſundheit ꝛc. Unter
den Urfachen der erften Art find nadjftehende von dem ficherften
und größten Erfolge: 1) Das Beftreben der Arbeiter, fidy dies
jenigen Eigenfchaften in immer höherem Grabe zu erwerben,
durch welche ihre gewerblichen Leiftungen verftärft werden und
welche ihnen eine reichlichere Belohnung verfchaffen Eönnen,
$. 188 2). Dahin gehören Fleiß, Gefchidlichkeit, Kenntniſſe
und Redlichkeit. 2) Sparfame Lebendweife, die ihnen die Er-
übrigung eines Fleinen Gapitaled oder mwenigftend eines Hülfes
vorrathed ($. 201 Nr. 3) möglih macht (5). 3) Verhütung
eined zu rafchen Zuwachſes ver Arbeiterzahl, insbefondere Ver⸗
meidung ber leichtfinnig und zu frühzeitig geſchloſſenen Ehen,
noch che der Erwerb gefichert und einiged Vermoͤgen erfpart
worden ift, $. 196. Je mehr Borficht in diefer Hinficht herr⸗
fhend wird, je mehr. der Arbeiter auf einen forgenfreien Zus
ftand, auf die befiere Erziehung feiner Kinder ıc. Werth zu
legen lernt, je mehr er hierin die in den höheren Ständen bes
ftehenden Grundjäge ſich zu eigen macht, deſte höher wird ber
Xohn fleigen. Das Herbeiftrömen von Arbeitern aus anderen
Ländern Fönnte jene Frucht der zunehmenden Bildung und
Mohlhabenheit verringern, wenn -biefe in einem einzelnen
Lande raſchere Fortfchritte machen als in den übrigen, $. 199 (d).
4) Vereine zur Unterftügung der Mitglieder in Krankheiten, in
— 4 —
hohem Alter und ogl., ferner zur wohlfeileren Anſchaffung
von Lebensmitteln im Großen. 5) Ausmwanderungen, bie ben
Lohn erhöhen koͤnnen, aber nur foweit, daß die Eapitale noch
nicht ind Ausland getrieben werden und nur fo lange, als bie
Anzahl der Lohnarbeiter nicht wieder auf die frühere Höhe ans
gewachſen if.
(4) The claims of labour, an essay on the duties of the employers to the
employed. Lond. 18544. Westminster Review, Wr. UI, San. 1852.
S. 61. — Beförderung des Eriparens, mwohlfeile Abgabe von Nahrungs:
mitteln, Ueberlaffung Fleiner Stüde von Ader= oder Gartenland, Ber:
miethen gefunder Wohnungen um mäßige Vreiſe u. dergl.
(8) Dagegen Züge von dem Leichtfinn der Taglöhner im Ganton Ticino bei
Arrivabene, De l’ötat des travailleurs dans la comm. de Virs-
Magadino,, 1840. — Trunffucht vieler Zabrifarbeiter!
6. 202.
Andere in neuerer Zeit vorgefchlagene, zum Theil auch fchon
verfuchte Mittel, durch welche die Arbeiter die Vergrößerung
ihres Einkommens beabfichtigen koͤnnten, find theild ganz vers
werflid, theild nur von zweifelhafter oder doch fehr befchränfter
Nüglichkeit (a). 1) Die verabredete Einftelung der Arbeit von
Seite der Arbeiter follte die Unternehmer zwingen, höheren Lohn
oder fonft günftigere Bedingungen zu bewilligen. Allein dieſe
Abſicht ift in vielen Fällen nicht erreicht, vielmehr ift durch dieß
Berfahren den Gewerben fehr gefchadet worden, denn die Unters
nehmer Eönnen bei gegebenen Preifen der Erzeugniffe und einer
gegebenen Betriebsart in der Regel nicht beftchen, wenn fie
höheren Lohn geben follen (d). 2) Man hat fid) beftrebt, das
bisherige Verhältniß zwifchen Unternehmern und 2ohnarbeitern
umzugeftalten. Hiezu gehört ſchon a) die Zuficherung eines
Antheild am Reinertrag eined Gewerbes für die Arbeiter neben
dem bedungenen Xohne. Diefelben werden hiedurch allerdings
eifriger und mehr für den guten Erfolg des Gewerbes beforgt
werden, body muß erft die Erfahrung zeigen, unter welchen Bes
dingungen eine ſolche Einrichtung zwedmäßig ift und ob insbes
fondere nicht ber Unternehmer dadurch gehindert wird, ganz nad)
eigenem Ermefien zu verfahren (ec). b) Eine Betheiligung ber
Arbeiter an einem Gewerbe durch Einlegung eined Fleinen Capi⸗
taled würde die Unabhängigkeit eined einzelnen Unternehmers
gefährden (d). c) Auch die Betreibung von Gewerben burch
— 250 —
Arbeitergefellichaften, die an Stelle ver Unternehmer treten und
fi) daher auch in den Gewerböverbienft theilen, ift mit Schwie⸗
rigkeiten verbunden, weil bie Zeitung eines Geſchaͤftes durch
Mehrere nicht fo gut zu gelingen pflegt, das erforderliche Ca⸗
pital mühfam zufammenzubringen ift, Berlufte von den Mit-
gliedern nicht ertragen werben Fönnen und bergl. Die neuer
lichen Verſuche ſolcher Vereinigungen find noch nicht günftig
ausgefallen, doch koͤnnen biefelben vielleicht bei manchen Ges
werben, bei verfländiger Einrichtung und einem gewiſſen Grabe
von Reblichfeit und Gemeingeift beffer gelingen (e).
(a) NAusführlih hierüber Morisson, Essay, Gap. 10—13.
(5) Die englifhen Fabrik oder Handiwerksgehülfen treten oft in Vereine
(trades unions), um den Unternehmern beflere Bedingungen abzundthigen
oder eine Herabſetzung des Lohnes zu vereiteln. Das Hauptmittel hiezu
ift allgemeine Einftellung der Arbeit (strike), welche aber die Erſpar⸗
niſſe der Arbeiter verfchlingt und doch oft nichte ausrichtet. Der lange
Stillſtand war oft fo verderblih für den Abſatz, daß es noch weniger
in ber Macht der Yabrikherren fand, die Forderungen der Arbeiter zu
befriedigen, ale zuvor. Mehrere arbeitfparende Mafchinen find gerade
bei folchen Zwiſtigkeiten durch das Beftzeben der Unternehmer, ſich von
ben Arbeitern unabhängig zu erhalten, erfunden worden, 3. B. die
Mafchine zum Bernieten der Dampffeffel, als bie Reffelichmiede in der
Fabrik von Fairbairn fih auflehntn, Dingler, Bol. J. LXXV,
413. Die Bewaltthätigkeiten, mit denen man oft: andere Arbeiter von
der Fortſetzung ihrer Verrichtungen anguhalten fuht, machen das Gin:
fchreiten der Staatsgewalt nöthig. Die unter den Arbeitern verbreitete
Borftellung, daß die Lohnherren nur aus Gewinnſucht den Lohn niedrig
hielten, ifl irrig, vielmehr können diefe die Concurrenzverhältnifle nicht
beherrſchen. Die Arbeiter müflen einfehen lernen, daß ihr Bortheil
mit dem der Lohnherren innig verbunden if. Noch neuerlich bat ber
strike der verbündeten Arbeiter in den Mafchinenfabrifen zu Oldham,
Birmingham se. 1851, der in 15 Moden 450000 2. St. Foflete, bie
Widerfpenftigfeit der Kohlenbergleute zu Wigan (1853) und ber Fabrik:
arbeiter zu Prefton 67 Moden lang, im Mai 1854 aufgegeben) nichts
erreicht. Das Beifpiel fand auch in anderen Ländern Rahahmung, es
erfolgte 3. B. 1845 ein ſolches Auflehnen (franz. gröve) der Zimmer:
leute in Paris, 1845 und 1846 der Arbeiter in den Kohlenbergwerfen
von St. Etienne. Martineau, Illusträtions, VII, Bd., vgl. Mau,
Archiv. J. 282. — Dief. The tendence of srikes and sticks to produce
low wages, Durh. 1834. — Edinb. Rev. 1834, CXX, 341, — Mohl
in Rau, Archiv, IL, 178. — Faucher in Journ. de Econ. XXXI,
113 (1852).
(0) Berühmt ift die Anordnung diefer Art durch Leclaire, Unternehmer
von Tündyerarbeiten in Paris, L. Blanc, Organ. du travail, ©. 263.
3.5. v. Thünen ſicherte 1848 jeder Arhbeiterfamilie a Proc. bes
jährlichen Mehrertrages über eine angenommene Summe des Grtrages
feiner Landwirthſchaft nach Abzug gewiſſer Koften zu. Die Antheile
der Arbeiter werden in die Sparcaffe gelegt, bis der Arbeiter 60 Jahre
alt it. Sfolirtee Staat, IL, 279. — Auch wenn hiedurch die beliebige
Entlaffung der Arbeiter nicht erfchtwert wird, fo ift doch ſchon die offene
Rechnungsablegung unangenehm.
— 31 —
(d) Bei Artienunternehmungen fällt dieſer Nachtheil hinweg.
(e) Bei manden einfachen @ewerben, die mit geringem flebenden Gapitale
zu betreiben find, fommen ſchon feit längerer Zeit Arbeitergefellichaften
vor. Bei anderen Bewerben aber giebt der Bells des erforderlichen
Gapitale, die höhere gewerbliche Bildung und Einfiht des Unterneh:
mers und die Ginheit in den Gntichliegungen und Abſichten deſſelben
der bisherigen Art bes Betriebes große Vorzüge. Bei den Arbeiter
gefellfchaften bilden ferner die Ent diung und eigennüßige oder un⸗
zwedmäßige Handlungsweiſe der gewählten Vorſteher und der Mitglieder,
die Beränderungen in bem Abfage und folglich in der zu beichäftigenden
Zahl von Arbeitern sc. mächtige Hindernifje eines dauernden Griolgen.
Diefe von den Socialiften ($. 45 a.) lebhaft empfohlene Binrichtung
jept bei den Arbeitern ein höheres Maaß von geifligen und fittlichen
Gigenihaften voraus, als fich gegenwärtig vorfindet. Doc bleibt es
möglih, daß diefe ‚Borbebingungen allmälig zum PVorfchein kommen.
In Großbritanien find zuerft Hülfsvereine, dann auch foldye cooperative
societies gegründet worden, welche die Arbeiter von einem Unternehmer
unabhängig machen’follten. Dieß gelang in wenigen Fällen, eher bie
Verforgung mit Unterhaltsmitteln durch Anlauf ım Großen, Speife
anftalten und dergl. Auch in Frankreich hatten die 1848 entflandenen
Geſellſchaften, weldhe von der Regierung mit einem Borfhuß von
3 Mill. Sr. unterügt wurden, geringen Fortgang und löften fid
meiftens bald wieder auf. Kür foldhe „Nflociationen” mehrere Aus:
fagen (Lud low, St. Mill sc.) in Repert on investments for the
savings of the middle and working classes, 1850, und St. Mill,
HU, 241. 729 der d. Ueberf. — Ueber fe Faltati in Staatswifl.
Zeitfchr. 1851 ©. 729 (nah Cochut). — Reybaud in Journ. des
Econ. XXX, 209 (actenmäßige Nachrichten über bie franzöfiichen
Arbeitervereine). — Huber, Ueber cooperative Arbeiter : Aflociationen
in Gngland, Berlin 1852. — Edind. Rev. Ar. 189, ©. 1. — Mor-
rison,a.a.Dd.©. 111.
$. 203.
Es bebarf einer Unterfuchung, wie bie Erhöhung des Loh⸗
ned auf die Preife der Waaren wirkt, wobei der Preis ber
Zandederzeugniffe gegeneinander und ber Preis derſelben
gegen Geld und ausländifche Waaren unterfchieden werben
fann.
Was das Erfte betrifft, fo glaubte Ricardo (a), dab
Preisverhälmiß der in einem Lande erzeugten Güter gegen-
einander werde durch die Erhöhung des Arbeitslohnes in ber
Regel gar nicht verändert; denn ba zur Hervorbringung aller
Güter Arbeit gehöre, fo trete die Urfache der Vertheurung bei
allen zugleich ein und werde eben deßhalb unmerklich, weßhalb
mit jedem einzelnen Gute noch fo viel andere gekauft werben
fönnen, ald bei dem niedrigeren Stande des Lohned. Diefe
Regel ift jedoch nur unter gewiſſen Beichränfungen richtig. Die
— 82 —
Lohnerhoͤhung koͤnnte naͤmlich kein Gut in demſelben Verhaͤltniß
vertheuern, wie der Lohn zugenommen hat, weil die Koſten
nicht allein aus Lohn beſtehen. Wenn z. B. eine Waare 50 fl.
Arbeitslohn, 10 fl. Orundrente, 30 fl. Gewersverbienft und
Gapitalrente und 10 fl. Ausgabe für auslaͤndiſche Zuthaten
koftete, zufammen 100 fl., fo würde ein Steigen bed Lohnes
um !/s den Koftenfat der Waare nur um 10 fl., d. i. um !/ıo
des Preiſes vermehren. Die Eapitaltente wird ba, wo ber
Arbeitslohn durchgängig fleigt, eher abnehmen als fich vers
mehren, alfo ift eine Verringerung in biefem Beftandtheile des
Koftenbetraged zu erwarten, 8. 202. Deßhalb koͤnnen wegen
ber verfchiedenen Entftehungsart der Güter die Veränderungen
ihrer Koften nicht gleichförmig gefchehen. Solche Gegenſtaͤnde,
welche durch einfache Handarbeit zu Stande fommen, werden
bei der Erhöhung des Lohnes am meiften vertheuert (d), die⸗
jenigen aber am wenigften, deren Hervorbringung hauptſaͤchlich
dur Raturfräfte mit Huͤlfe eines beträchtlichen Capitales ge-
fhieht, $. 136. Es kann mithin das Preisverhältniß zwifchen
den verfchiedenen Gütern nicht daſſelbe bleiben.
(a) 1. Gap. 2. Abſchn. der 2. Aufl. — M'Culloch, Brundf. ©. 231. —
Die Lehrſaͤtze Ricardo's und feiner Schule über diefen PBunct find
ſchwer verftandlich, weil der Ausdruck „hoher und niedriger Arbeitslohn“
im doppelten Sinne genommen wird. Ricardo verfcht unter dem
Nealwerthe des toi die Menge von Arbeit, welche dazu verwendet
werden muß, ben Arbeitern ihren Antheil an dem Erzeugniß zu ver:
Schaffen. Der Lohn wird niedriger, wenn er ſtatt 25 nur 22 Broc.
des ganzen Probuctes beträgt, mag er auch, zufolge einer flärferen
Productivität ber Arbeit und der Gapitale, aus der doppelten Menge
von Gütern beſtehen, Grundgeſ. ©. 36 (I, 57 fr. Ueb.). Diele unge:
woͤhnliche Bedeutung jener Ausdrüde hat manche Mißverftändnifle vers
anlaßt, Senior, Outline, ©. 188. Der Lohn fleigt in Ricardo's
Sinne, wenn die Berforgung der Arbeiter mit Lebensmitteln mehr Ar:
beit erfordert und daher die Preife der letzteren höher werben. Diefe
Deränberung muß fih, wo das Metallgeld nicht im Inlande erzeugt
wird und alfo nicht von den einheimifchen Koften der Arbeit abhängt,
auch in einem höheren ®elbpreife des Lohnes ausdrüden, ©. 23 (L, 41),
und es muß fich zeigen, daß der Geldpreis der Erzeugnifle ungeachtet
der Lohnerhöhung derfelbe Bleibt, indem dieſe Aenterung durch die Er:
niedrigung des Drofites (einfchließlich des Zinfes) ausgeglichen wird,
©. 31 (L 50 fr.). Diefe Anfiht fpriht fih auh in MEullchh’s
Auslagen vor der Parlamentscommiffton in Betreff der Mafchinenaus-
fuhr (1825) aus. Nachdem Bradbury erflärt Hatte, ver Lohn fei
in Frankreich nur halb fo hoch ale in England, und wenn der Spinner
dort 3, Hier 6 P. für das Pfund erhalte, fo könne die franzöſiſche
Fabrik das Pfund um 3 Pence wohlfeiler verkaufen, — fo bemerkte
M' Culloch, eine reale Gehöbung des Lohnes (a real rise of wages)
fönne den Preis der Waaren nicht merklich fleigern und der niedrigere
— 253 —
Lohn in Frankreich gebe den Franzoſen auf dem fremden Markte keinen
Vorzug, ſondern erhoͤhe nur den Gewerbsgewinn, ſ. die Auszuͤge bei
Senior, ©. 189. M'Culloch ſetzt den Realwerth des Lohnes wie
Ricardo in die Größe des Antheils am Producte, und unterfcheibet
ihn nur in Hinficht auf die Veränderlichkeit im Preife des Geldes von
tem Geldwerthfe, Grundſ. S. 237. — Daß Ricardo zugleih am:
nimmt, der Geldpreis der Güter koͤnne eben fo wenig zunehmen, als
ge Preie berfelben unter einander, beruht auf einem anderen Grunde,
..$. 269.
(d) Es feien 3. 3. die Koften zweier Güter A und B folgende:
: A B
1) Arbeitslohn . . ». . 2. 45f. 66 f.
2) Eapitaleente . . oo 2. 18 5 12 =:
3) Grundente -. . . 2... 6 = 5 ⸗
4) Sewerbsverdient . . . .». 18: 105
5) Verbrauchte ausländifhe Stoffe 13 = 7 :
100 fl. 100 fl.
Wenn nun 1) um %/s fleigt, 2) fih um 1/, vermindert, fo foftet A 113,
B aber 120%3 fl., B ift aljo gegen A um 7% fl.. oder 6%, Procent
theurer geworden. Diefe Ausnahme hat Ricardo ſelbſt anerfannt
und erläutert, namentlich für Bälle, wo das Berhältniß des umlaufen
ten zum ftehenden Gapitale verjchieden if. Gr zeigt, daß bei einer
Lohnerhöhung duch die Anwendung von Maſchinen eher eine Preis:
erniedrigung, und zwar fowohl des xelativen als des abjoluten Preifes
vorgehen kann, ©. 34 (I, 53).
$. 204.
Auch abgejehen von diefem Umftande würde Ricardo's
Regel voraudfegen, daß 1) der Lohn fämmtlicdyer Zweige ber
Arbeit in gleichem Verhältnifje zunchme, was jedody nicht leicht
gefchieht, weil dad Mitwerben bei denfelben auf längere Zeit
erhebliche Verfehiedenheiten zu Wege bringt; 2) daß Zinsrente
und Bewerbögewinn in allen Arten der Gewerbe im leichs
gewicht ftehen, alfo überall zugleich abnehmen oder unverändert
bleiben; 3) daß fich Feine anderen Umftände einmifchen, aus
denen häufig eine Abweichung der Preife von ven Koften her
vorgehet, $. 160. 161. Indeß muß man einräumen, daß das
Steigen bed Lohnes die Preiſe der Güter untereinander nicht
um den ganzen Betrag diefer Erhöhung des Lohnes vertheuern
und nicht beträchtlich von einander entfernen kann.
$. 205.
Der Preis der Landeserzeugniſſe gegen Geld und auslaͤndiſche
Waaren ($. 202) würde, woferne feine anderen Urfachen ent
gegen wirkten, allerding& um foviel erhöht werben, als bie Lohn⸗
— 254 —
Ausgabe des Unternehmers bei jeder Waare angewachſen iſt.
Dieß würde den Ausländern den Ankauf der inlaͤndiſchen Pro⸗
ducte erſchweren und fo den Abſatß berfelben verringem. Mit
ber Ausfuhr müßte auch bie Einfuhr fremder Baaren abnehmen
ober gänzlich aufhören, und die Unterbredhung bed auswärtigen
Verkehrs würde die Folge haben, daß die Güterquellen auf eine
weniger vortheilhafte Art angewendet würden, bag alfo die Her⸗
vorbringung fowohl ald der Gütergenuß fich verminderten. Die
Beforgniß folcher Folgen iſt jedoch unbegründet. Bei den Hort -
fohritten ded Wohlſtandes und der Gewerböfunft fehlt ed nicht
an Erfindungen, welche eine Erfparung an ber zur Hervorbrin-
gung erforderlichen Arbeit bewirken, fo daß ungeachtet der für
die arbeitende Claſſe hoͤchſt wohlthätigen Erhöhung bed Lohnes
doch die Preife yieler Güter nicht blos nicht größer, fondern ſelbſt
niedriger werden. Es muß in jedem Lande immer Güter geben,
bie mit fo geringen Koften erzeugt werben fönnen, daß fie zum
Berfaufe ind Ausland geeignet find, nur werben es in verſchie⸗
denen Zeiten nicht immer biefelben Gegenftänbe fein. (a).
(a) Bel. Smith I, 135.
Zweite Abtheilung.
Die Örundrante.
$. 206,
Die Benugung von Grundftüden zu einer Art des Erwerbes
giebt bei günftiger Befchaffenheit derfelben einen Ertrag, ber bie
angewendeten Koften beträdytlicy überfteigt (a). Wird Land ans
gebaut, welches noch herrenlos oder Gemeingut ift, fo fällt der
Meberfchuß des Ertrages als eine Frucht der im Boden wirken⸗
den oder früher wirkfam geweſenen Naturfräfte (8. 121) denjenigen
zu, ber die Benugung vornimmt. ‚Sobald aber bei der Zunahme
der Volfdmenge und der Entftehung fefter Wohnftge Grundftüde
in dad Eigenthum Einzelner übergegangen find (5), wird jener
Bortheil audfchließend von dem Eigenthümer bezogen, mag nun
biefer die Grundftüde felbft zur Betreibung.eined Gewerbed anwen⸗
den, oder fie einem Anderen gegen eine jährliche Abgabe überlaflen
_— 1355 —
(verpadten). Hiedurch erhält die Bodenbenutzung einen
Preis. Dieß findet befonderd dann häufig Statt, wenn bie
Erzeugnifle des Bodens nicht blos für die Bebürfnifie des Ans
bauers, fondern aud zum Verkaufe gebraucht werden, fo daß
fie regelmäßig in den Berfehr kommen, was bei der anfangenden
Arbeitötheilung, wenn nur noch ein Theil der Menfchen fich mit
ber Gewinnung roher Stoffe abgiebt, in jedem Lande ziemlid)
bald erfolgt. Ein foldye Anwendung von Grundſtücken ale
Ermwerbömittel und Duelle einer fortdauernden @innahme kommt
nicht allein bei dem Lands (Pflanzens) und Bergbau, ſondern
auch bei anderen Zweigen der Hervorbringung ($. 120.) und
felbft bei perfönlichen Dienſten vor (e).
(c) Weideland Tann ohne alle Arbeir, Waldgrund mit fehr geringer eimen
folgen Ertrag geben, daß auch bei aller Berfchiedenheit der Meinungen
über den Werth der Dinge das Dajein eines ſolchen Werthsüberjchuffes
außer Zweifel ft.
(5) Ob die von Eäfar (De bello Gallioo, IV. c. 1. VL co. 22) geſchil⸗
berte und aud von Tacitus (German. c. 26.) angedeutete jährliche
neue Vertheilung des Baulandes zu jener Zeit wirklich habe beftchen
können, iſt ſtreitig, Diejelbe wird aber durch Spuren ähnlicher Cimich⸗
tungen, felbft noch in unjerer Zeit, eher glaublid. Auf dem Hundes
rüd, in den KRreifen Merzig, Ottweiler und Saarlouis fommt es in
vielen Gemeinden vor, daß jährlih ein Theil der Flur durch das Loos
vertheilt wird, aber nicht gleichheitlid, ſondern nad beflimmten Berech⸗
tigungsverhältniffen; Schwerz in Mögl. Ann., XXVI, 29. (1831),
Gleiches beftand noch zu Anfang bes jepigen Sahrhunderts im Yürften-
thbum Lowicz, ferner bei den nogaiſchen Tataren und in Peru bei ber
Ankunft der Europäer, wo nur der Kleinere Theil des Landes für Kirche
und Yürften occupirt war, der größere jährlich neu vertheilt wurde.
Jones, Distribut of wealth, ©. 7 nah Mobertjon. Java if
nad dem alten Herfommen (Hadhat) dad Land Gemeindegut (nad
Temminf, Coup. d’oeil gön. sur les possessions Nöerlandaises dans
l’Inde, (1846), ebenfo in Hußland, wo jeder Kopf der männlichen Cin⸗
wohner gleichen Aniprucd hat und das Land in der Gemeinde von Zeit
zu Zeit neu nad den Yeuerftellen (Tieglo) vertheilt wird, von Hart;
aujen, Studien über die inneren Zuftände Rußlanıs, 1847, I, 124.
egoborsky, Etudes sur les forces product. de la Russie I, 329. —
Achnliches in Böhmen, Landau, Die Territorien, 1854, ©. 69. —
Auch in der abgelegenen waldigen Berggegend Morvan im fr. Dep.
Nievre gab es bis 1789 Gemeinden ohne abgelheiltes Sondereigen>
thum, Dupin in Söances et trav. de l’aoad. des sc. mor. et pol.
Janv. 1853. Daher nehmen neuere Yorfcher an, daß das Sondereigen-
thum erft -aus der Zerfplitterung des Bemeinlandes entflanden fei. —
Bol. Anton, Geld. der deutſchen Landw., I, 68. — v. Löw, Bei
der deutſchen Reiche: und Terzitorialverfafl., ©. 7. — Beynier, De
Y’&conomie publ. et rur. des Üeltes. des Germains etc. ©. 382. —
Schön, N. Untef. ©. 207. — Rofcher in Rau und Hanffen,
Archiv. NR. F. IU, 165. — v. Maurer, Binleitung zur Geſchichte
der Mark Berfaflung, 1854, ©. 93. — Gegen bie Annahme einer
meinfhaft in Deutichland Landau, a. a. D. ©. 64.
— 2136 —
(e) Bleich⸗, Troden:, Arbeits⸗, Aufbewahrungspi B. für Holz, —
Hofräume,, — Wafferkräfte, — Baupläge, ahnen. — Belufti:
gungepläße u. dergl. Der See Frefphond bei Bofton, 200 Ar. groß,
Free einen anfehnlihen Reinertrag, weil aus ihm fehr reines, durch⸗
Rhtigee Eis gewonnen wird, wel es man weit verfendet, bis nad
ndien.
6. 207.
Das Einkommen, welches dem Eigenthümer von Grunbflüden
als ſolchem zufließt, auch wenn er die Benugung nicht felbft
vornimmt, ift die Grund⸗, Lands ober Boden-Rente, Jand-
rent, fermage, loyer des terres (a). Wo bie Beitanbtheile
bes vollen Eigenthumsrechts unter mehrere Perfonen vertheilt find,
fo daß der Befiter ded Grundſtücks nur ein beichränftes, oder
ein fogenannted Nutzeigenthum, oder nur ein erbliched Nutz⸗
nießungsredht bat und einem Guts⸗, Zehntheren ꝛc. einen Theil
bes Reinertragd abgeben muß, da ift die Orundrente des
Beſitzers von ber Gefällrente anderer Berechtigter zu unters
ſcheiden und beide zufammen bilden die volle Grundrente. In
ben folgenden Lehrfägen ift immer die volle ungetheilte Grund⸗
rente voraudgejegt worden. Diefe erfcheint dann ald ein leicht
kenntliches, ausgeſchiedenes Einfommen, wenn ber Eigenthümer
die Benugung feines Landes einem Anderen gegen eine verab-
redete Entrichtung überläßt, welche man die ausbedungene
oder Bachtrente nennen kann. Wenn aber der Eigenthümer
feine Grundſtuͤcke als Unternehmer eined Gewerbes felbft benugt,
fo ift die Grundrente in dem Ueberſchuſſe enthalten, der nach Bes
ftreitung aller Betrieböfoften in feinen Händen zurücdbleibt. Diefe
natürlihe, empfundene, übrigbleibende Grund-
tente (5b) iſt bei den fünftlicheren Benugungen ded Bodens mit
dem Zind ded von dem Eigenthümer angewendeten Capitales
und mit dem Gewerböverbienft deſſelben vermifcht und muß erft
in Gedanken von diefen anderen Antheilen gefchieden werben,
$. 208. Sie wird geihäßt a) nad) dein Gebrauchöwerthe ber
Erzeugniffe, wenn diefe blos für die eigene Wirthichaft des
Grunbeignerd gebaut werben (c), b) nad dem Berfehröwerthe
und Preiſe derfelben, wenn der Anbau des Bodens zum Theile
des Abſatzes willen unternommen wird.
(a) Die Lehre von der Grundrente iR neuerlich am ausführlichften bearbeitet
worden von Jones, a. a. O., im ganzen 1. Bande. Sehr Iehrreich
— 267 —
iſt das tief durchdachte Buch: J. H. v. Thünen, Der iſolirte Staat.
Hamburg, 1826. 2. A. Roſtock, 1842. — J. ©. Hofmann, Ueber
die wahre Natur und Beflimmung der Renten aus Boden: und Gapitals
Eigentyum. Berlin 1837. — Neuere Unterfuhungen bei Carey, The
past, the present and the future. Philadelphia 1848, und von verſchie⸗
denen Schriftftellern im Journal des Eeonomistes, 3. 1851—53, nament-
lid Bastiat, Fontenay, Cherbulies. — Passy in Dictionn. de
l’&con. pol. II, 509. — Diefer Gegenfland hat fchon wegen der auf
die Grundrente gelegten Steuer, der ergiebigften unter allen, eine große
praftifche Wichtigkeit.
(6) Die natürliche Grundrente if von Barifot in der franzöfifchen Ueber
feßung von I. Mill's Werk (S. 15. 16.) durch ten Ausdrud loyer
des terres von ber bebungenen, fermage, unterfchieden worden.
(e) ine Bergleihung des Ertrages mit den Koften nach dem Gebrauchs⸗
werthe ift leicht, weil die Landwirthfchaft gerade ſolche Stoffe liefert,
wie fie zum Unterhalte der Arbeiter bei eintacher Lebensweife erfordert
werden, weil alfo beide zu vergleichende Sütermengen gleichartig find;
man wird 3. B. gewahr, 9 eine gewiſſe Strecke Landes mehr Ge⸗
treide, Fleiſch, Holz, Haͤute, Wolle, Oel und dergl. giebt, als die mit
dem Anbau beſchaͤftigten Arbeiter verzehren. Bgl. Sismondi, Nour.
pr. L, 281.
$. 208.
Die Grundrente muß von anderen Einkünften, mit denen fie
in Berbindung ftehen kann, forgfältig unterfchieden werden. Eine
Unternehmung, bei weldyer ein Grundftüd als Hülfdmittel mit:
wirft, liefert 1) einen gewiſſen Rohertrag, ber ſich bei ver
häufigften Art der Bodenbenugung, der Erdarbeit, nad) der Dienge
und den Preifen der Erzeugnifie ded Bodens, alfo nach dem
Erlöfe bemißt. 2) Hiervon werden die zur Erzielung ded Roh⸗
ertrages nöthigen Verzehrungen und Ausgaben abgezogen, unter
denen ſich auch der Gewerböverdienft ded Unternehmers, nadı
dem üblichen mittleren Sage befinden muß. 3) “Der übrig»
bleibende reine Ertrag befteht bei dem felbft wirthichaftenden
Grundeigenthümer in manchen Yällen ganz oder faft ganz
aud Grundrente (a), in anderen aber fhließt er zugleidy die
Rente des angewendeten Gapitaled (5) und einen reinen Ge⸗
werbögewinn in fi) (ec). Nachſtehende Erwägungen dienen bazu,
die genannten drei Beftandtheile des reinen Ertrages herauszu⸗
finden. a) Der im Reinertrage enthaltene Capitalzins ift in
jedem Lande nad) dem gewöhnlichen Sage leicht anzufchlagen.
b) Es fann angenommen werden, baß die ausbedungene Grund⸗
rente, wie fie fich in Folge des Mitwerbend vertragsmäßig fefts
ftellt, der natürlichen ungefähr gleich fei, weßhalb man fich ber
Rau, polit. Dekon. 1. 7. Ausg. 17
— 233 —
Pachtzinſe bei jener Zerlegung Bed Reinertrage® bebienen kann.
.c) Da die Grundrente ihrem Begriffe nad) lediglich aus dem
Eigenthume entfpringt, ohne eine befondere Mitwirkung des Eigen⸗
thuͤmers zu erfordern, ſo darf eine von diefem burdy vorzügliche
Betriebfamfeit zu Wege gebrachte Steigerung des Reinertrages,
bie nicht an die bleibende Beſchaffenheit des Grundftüdes ge-
-Mmüpft, alfo nur vorübergehend ift, nicht als Grundrente ange:
fehen werden, vielmehr gehört zu dieſer nur der Theil des Rein⸗
ertraged, welcher aus der in einer gewiflen Gegend gewöhnlichen
Behandlungsweile ded Bodens entfpringt und folglid jedem
Eigenthümer zu Theil werben kann.
(a) Bei verpachteten Grundſtuͤcken findet Eeine natürliche Rente Statt.
(6) Der Gapitalzins if für den Unternehmer als ſolchen zwar ein Theil
des Koftenaufiwandes, für den Capitaliſten aber offenbar reines Gin:
fommen, und da bier unterfucht wird, welche Perſonen überhaupt an
. dem Ueberfchufle einer Bodenbenugung Theil haben, fo muß in dieſer
Hinfiht der Zins zu dem reinen Ertrage gezählt werben.
(e) Bei Waldungen fommt feine Verpachtung, alfo nur eine natürlide
Grundrente vor. Die Bewirtbihaftung eines Waldes erfordert jo wenig
Capital und elle des Unternehmers, daß man ben Meinertrag
ohne merklichen Fehler völlig als Grundrente anfehen fann, zumal
wenn das Hol; auf dem Stamme- verfauft wird. o verhält es ſich
auch mit Wielen, wenn ber Gigenthümer das Repende Gras verkauft
und bergl. Die Benugang mander Grundſtücke beſteht nur in einem
oft wiederholten Vermiethen auf Eurze Zeit, im Ganzen oder theilweiie,
3. D. bei einem Bleichplatze, und geht fo zur Berpacdhtung über.
8. 209,
Werden mit einem Grundftüde zugleid) Gebäude oder auch
bewegliche Geräthe und Vieh vermiethet, jo begreift die ganze
Vergütung neben der Grundrente auch den Miethzind diefer
Gegenftände in fih. Man fann in foldyen Fällen die ganze
entrichtete Oütermenge durch den Ausdruck Pachtzins von ber
bloßen Grundrente unterjcheiden (a). Wird aber bei Grund⸗
verbefferungen (Meliorationen) nur die nugbare Beichaffenheit
des Grundftüdes erhöht, jo ift die hieraus entjpringende Ders
mebrung des Ertrages ein unzertrennlicher und nicht mehr zu
unterfcheidender Beftandtheil der Grundrente, wenn fie gleich die
Wirkung eined angewendeten Capitales bildet, $. 5l. 129 (d).
(a) Ricardo, Grundgel. S. 40. 170. (I, 63. 285 fr.).
(6) Das Capital iR dann als folches nicht mehr vorhanden, und eine ab»
gelonderte Benutzung bdeffelben nicht möglich, während bei Gebäuden
das Gegentheil Hattfinset. Ricardo will unter der Grundrente aux
— Hu —
d ütung für die Be un der urfp ihen und u
BR virflanden wi n unb ſchlie a erfetben die —
für die bereits in einem Grundſtuͤck vorhandenen nutzbaren Gegenſtaͤnde,
. B. haubareg Holz, Steinkohlen 5. aus (vgl. $. 121). Bei dief
Derengerung eis — eigentlich u rundrente von
Bergwerten, Steinbrüden, Thongsuben ıc. denkbar. Dagegen Smith,
I, Zn und Sau 2 Ricardo, I, 66. Auch räumt Ricardo wer
nigftens ein, daß dasjenige, was bei Meliorationen noch neben der
eigentlichen Grundrente gegeben wird, genau mit biefes verbunden if
und bdenfelben Geſeten unterliegt, ©. 279 (IL, 47). — Die Brunds
ente muß ihrem Begriffe na nicht gerade jährlich von gleicher Groͤße
fein, wie fie denn 3. DB. bei Waldungen veränderlich fein und bei einem
erichöpften Torflager ftark abnehmen kann.
$. 210.
Die Orundrente läßt fi von zwei Seiten betrachten. Fuͤr
ben einzelnen Landwirth, der entweder Pachtrente bezahlen,
ober mit einem Aufwande von Capital die Grundftüde an fich
bringen und auf ben Zins verzichten muß, ben er durch Aus⸗
leihen beziehen Fönnte, ift bie beftehende Grundrente ein Theil
der Erzeugungsfoften, der nur leichter ald andere Beftanptheile
derfelben durch Außere Umftände verändert wird. Wenn man
aber bie Hervorbringung toher Stoffe im Allgemeinen aus
dem Standpuncte der gefammten Volkswirthſchaft betrachtet, fo
it fowohl die Grundrente ald die Gapitaltente von denjenigen
Ausgaben, weldye ſich auf eine der Hervorbringung willen noth⸗
wendige Verzehrung beziehen ($. 164), zu unterfcheiden. Beide
find zwar unvermeidliche Ausgaben des Unternehmers, aber nicht
Erfag einer Eonfumtion, fondern Entrichtungen an Andere für
die geftattete Benupung ihrer Güterquellen, alfo bilden fie in
der ganzen Volkswirthſchaft ein reined Einfommen.
6. 211.
Die meiften Grundflüde eine® Landes werben zur Erbarbeit
benugt, aus ber deßhalb ber größte Theil der Grundrente fließt.
Daher find die Urfachen, welche dem Grunbeigenthümer einen
gewiflen Antheil an dem Reinertrage einer Unternehmung vers
ſchaffen, vorzüglid bei ber Erbarbeit zu erforfchen, ıporaus dann
auch auf die Berhältniffe bei anderen Verwendungen bed Bodens
gefchloflen werben kann. Die Orunbrente, welche von Land zu
Sand, ja von Ort zu Ort fehr ungleich fein, und bisweilen
eine anſehnliche Höhe ersihm kann, rührt von einem Meber
17°
— 20 —
ſchuſſe des Erlöfes über die Koften her (8. 210), und ift folglich
eine Ausnahme der ‚Regel, daß die Preife der Dinge den Koften
nahe kommen. Wo die Mitwirkung des Bodens zu einem Ge-
werbözweige und folglich der Koftenaufwand bei verfchiedenen
Grunpftüden ungleich ift, da Fann bei einerlei Preis der Er;
zeugniffe der Reinertrag der Unternehmung nicht von berfelben
Größe fein. Dagegen findet bei foldyen Bewerben, die mit Hülfe
eined Gapitaled überall ausgeübt werden fönnen, wie die Ge⸗
werfe, eine fo große Koftenverfchiedenheit nicht Statt, und wenn
au in der einen Gegend die Preife der Arbeit und der Roh⸗
ftoffe niedriger find, al8 anderöwo, fo ift doc) zwifchen mehreren
Unternehmern, die fi ſaͤmmtlich in gleich vortheilhaften Um⸗
ſtaͤnden befinden, dad Mitwerben gewöhnlich mächtig genug, um
die Preife dem Koftenfage nahe zu bringen. Da der Beiftand,
den Grunpftüde von einer gewifien Befchaffenheit zur Her-
vorbringung leiften, fi nur an beſtimmten Stellen und in einem
befchräntten Maaße äußert, fo liegt ed in der Natur der Sache,
daß da, wo aus der Benugung von Grundftüden ein größerer
Meberfhuß entfpringt, derſelbe größtentheild dem Grundeigen-
thümer als Grundrente zufließt (a). Die Verſchiedenheit in den
Koften bei mehreren Grundftäden fann von folgenden Urfachen
herrühren: 1) Befchaffenheit der Grundſtücke, 2) Lage berfelben,
3) Betrag ded Lohne, 4) Betriebsart.
(a) Daher betrachtet Senior, Outline, ©. 172, die Grundrente als bie
Folge einer Art von Monopol.
8. 212.
1) Die Befhaffenheit der Grundftüde hat auf ven Er-
trag berfelben ftarfen Einfluß. Beachtet mar insbefondere den
Landbau, fo wird auf fruchtbarem Lande ein größerer Rohertrag
mit verhältnigmäßig geringeren Koften gewonnen, fo daß ein
Centner, Scheffel ꝛc. wohlfeiler zu ftehen fommt als auf minder
fruchtbarem Boden (a). Dedt der Preis die Koften der Erzeu-
gung auf dem Iegteren, fo wirft der Anbau des befferen Landes
einen Reinertrag (8.164), alfo eine Grundrente ab (5), und dieſe
Wirkung ber verſchiedenen Güte der Grundftüde zeigt ſich in
gleicher Weife, wenn die ergiebigeren Ländereien erft fpäter in
Anbau kommen, woferne nur dad Erzeugniß nicht fo groß ift
!
— 261 —
daß ed den Preis erniedrigt (c). Neben ben eigentlichen Ges
winnungsfoften fommen aud die mit der Bodenbenußung vers
fnüpften Verluſte und Gefahren, 3. B. von Ueberſchwemmungen,
fowie die Koften der dagegen angewendeten Scyugmittel in Ber
tracht. Die ungleiche Ergiebigkeit rührt theild von natürlichen
Umftänden her, wohin vorzüglich die Zufammenfegung ber oberen
Erdſchicht (Krume) aus mineralifhen Stoffen und organifchen
Reſten (d), die Tiefe derfelben, die Beichaffenheit des Unter:
grundes, die Trodenheit oder Feuchtigkeit, die ebene oder abhäns
gige Lage, das örtliche Klima (e) und dergl. gehören, — theils
von ber angewendeten Kunft, z. B. Trodenlegung, Entfernung
von Gefträuchen und Steinen, Ausfülung von Vertiefungen,
Anlegung von Waflergräben, Stügmauern und vergl. ($. 209.),
und die fo entflandene höhere Ertragsfähigfeit wirft ebenfo auf
bie Örundrente, wie die ungleiche Raturbefchaffenheit. Aeußert fich
die Güte des Landes nicht in ber größeren Menge, fonbern in
ber merthvolleren Art oder Beichaffenheit der Erzeugnifle, fo
müffen biefe wenigftend einen folchen Preis erlangen, ver die
Berwendung der Grundftüde zu ihrer Hervorbringung belohnt.
(a) Die if ein allgemein angenommener Erfahrungsſatz. „Mit der Abs
nahme des Bruttoertrages von einer beftimmten Flaͤche fleigen die Be⸗
ſtellungskoſten im Verhaͤltniß zum Bruttoertrage,“ Blod, Beiträge
zur Landgüter- Schägungskunde, S. 30 (1840). Bahlenbelege finden
fih in den zahlreihen Schriften über Iandwirthichaftliche Abſchaͤtzungen.
Beifpiele:
1) Nah v. Thünen (Der ifolirte Staat, ©. 33) verſchwindet die
Zandrente. d. h. der Srlös deckt gerade die Koften, wenn ber preuß.
Scheffel Roggen gilt 0,17 . 0,90 „ 0,855 „ 1,58 „ 2,068 Thlr.
und die Ausfaat ... 10. 8. 6. 5. 41/5 fältig
geerntet wird. Den Thaler Gold (1/5 Friedrichſsd'or) zu 1 fl. 55 fr.
gelebt, käme bienacd der Bentner Roggen von dem beften Lande auf
0,% fl., von dem ſchlechteſten auf 4,° fl. zu iehen. 2) Blod (a.a.D.
©. 34) fept in den Bobdenclaflen Isa, VIa und Xb in Roggenwerth
auf I pr. Morgen ben Rohertrag auf 10 — 4 und 1/s Scheff., den
Reinertrag auf 4—5, 1,1%-1,5*, und 0,10,15 Scheff. oder 40—50,
28—38, und 20—30 Proc. des rohen. 3) Nah v. Flotow (Ueber
die Abſchaͤtzung der Srundflüde, S. 50) wird der Bentner Roggen auf
Boden der erfien Claſſe für 1 fl. 30 fr., der vierten und fünften @lafle
für 2 fl. 8 ie, — der zehnten Glaffe für 2 fl. 50 Fr. erzeugt.
4) KRleemann (Enofl. S. 363) nimmt an, daß der Meinertrag von
38 bis auf 8 Proc. des rohen berabfinfe, während diefer je nach der
Bodengüte von 15 bis auf 5 Scheffel Roggenwerth in preuß. Maaßen
herabgeht.
Schon innerhalb eines Fleineren Landes zeigen ſich erhebliche Ders
fhiedenheiten im Rohertrage. In den 41 einzelnen Arrondiſſements
von Belgien ift nach der amtlihen Statiſtik der mittlere Ertrag des
(2)
(J
(@)
— 23162 —
Heltard Waizen 10--21,6, ded Roggens 13,224, der Kartoffeln
136—260 Heftol. (1 Hektol. vom Heltar = —— Sihefi r. Mg.).
In den engl. Grafſchaften ſoll det Waizenertrag des 16 (Durham)
Bis 33 Buſch. (Derby) fein, Caird, S. 480. Dieß macht auf den
preuß. Morg. 6%Ys—13%, Schef. In Frankreich wird der Walzen:
ertrag der einzelnen Rrrondiffements zwifchen 22,31 Heftol. (X. Lille im
Nord⸗Dep.) ımd 7,% (A. Gourdon, Dep. Lot) angegeben, alſo zwiſchen
10,3 und 3 preuß. Scheff. pr. M. (Statist. agrio, vermuthlich zu niedrig.)
Die von Ricardo amsgebildete Lehre von der Grundrente ſtutzt ſich
ganz auf diefe verfchiedene Ergiebigkeit der Grundſtuͤcke. Diele Anficht
wurde zuerſt ausgeſprochen von Anderson, An ikquiry into the nature
of the cornlaws. Edinb, 1777 (R’Eullodh au Smith, ©. 453),
fodann von Malthus, Inquiry into the nature and progress of rent.
Lond. 1815, nnd gleichzeitig von Käw. West, An essay on the ap-
plication of capital to land. Oxford, 1815. — Nah Ricardo (Prin-
ciples, Gap. 2) ift diefelbe befonders von. MilT (Elömens, S. 15— 31)
md M’Eullod (Brundfäge, S. 211 ff.) eifrig verfolgt, von Anderen
jedoch befämpft worden, 3. B. de Sismondi, Nour. princ. I, 275. —
Quarterlv Review, Oct. 1827. LXXU, 304. — Jones, a. a. D. —
Banfield, Four leotares, ©. 49, vol. $. 207 (a). — Barey,
ſ. (). — Baſtiat, |. $. 215 (6), Wirth (1856) u. a.
Ricardo nimmt zwar an, das fruchtbarere "Land werde zuerfi anges
baut und das minder ergiebige fpäter flufenweife hinzugezogen, allein
diefe Reihenfolge iſt nicht die einzige mögliche. Garen (The past etc.
©. 9 ff. und Journ. des Econ. IL, 128 der 2. Serie) Sucht darıuthun,
daß das humusreiche Niederungsland in Thälern und Ebenen ſchwierig
su entwäflern War, und man deßhalb anfangs das weniger fruchtbare
aber trodnere Land an den Anhöhen gebaut hat und erft bei vers
mehrtein Capital und flärferer Bevölterung an bie Teddenlegung jener
niedrigeren Flaͤchen ging, die nun fogleih eine höhere Rente trugen
ale die Höher gelegen. Dieb wird an zahlreichen Beiſpielen aus
Nordamerica nachgewieſen, während man auch fehr viele Beiſpiele des
wıngefehrten Ganges aufzeigen Tann. Die von Garen angeführten
Thatfachen beweifen nichts gegen den obigen Hauptgebaufen, weil in
ſolchen Faͤllen die Entfiehung der Rente aus ber Bodenverichiedenheit
ebenfalls einleuchtend if.
Deutiche Landwirthe Haben in neuerer Zeit Berehmungen über die Aus:
faugung des Bodens durch die Ernten und über den Erfag durch Duͤn⸗
ung ⁊c. angeftellt. Die hierauf ſich beziehenden Erfahrungsſaͤte und
Berechnungen hat man mit dem Namen Statil des Landbaues
bezeichnet. Ungeachtet der Verdienſte, welche ſich nah A. Thaer's
Anregung v. Wulffen, v. Thänen und v. Vogt in biefem Ge:
genftanbe erworben haben, muß man doch zugeftehen, daß die bisherige
tatik, da fie lediglich auf die Ab- umd Zunahme des Vorraths von
Humus (Moder) gegründet war, dem neueften Stände der Kenntniſſe
über die Cinwirküng des Bodens auf die Gewaͤchſe nicht mehr ent:
fpriht und daher einer Umarbeitung bedarf, welche den Einfluß ber
mineralifhen Bodenbeftandfheile nah Sprengel’s und Liebig's
Forfchungen zu berüdfichtigen hat. Doch bleibt gewiß, daß innerhalb
gewifier Graͤnzen die Fruchtbarkeit vorzüglich von dem Borrathe an
orgariifchen Reften, an Ralf, Kali, Bhosphorfäure und anderen Etoffen
bedingt wird, Daneben ift auch das Verhältniß veiihen Humus, Thon
und Sand fhon der MWafleranziehung willen von Wichtigkeit, weil weder
der hoͤchſte noch der ntebriafte, fondern ein gewifler mittlerer Grad der⸗
felben der günftigfte if. Zoudon -(Encyklop. der Landw. 1,438) giebt
— 263 —
- eine Reihenfolge von 6 Bodenarten, deren Werth und Preis genau
in bderfelben Abſtufung ſteht, wie bie Waflereinfaugung, die mit der
waflerhaltenden Kraft zufammenhängt. Merkwuͤrdig ift, daß newerlich
die Landwirthe den Werth des fandigen Bodens im Verhaͤltniß zu dem
thonigen betraͤchtlich höher ſchaͤtzen als früher, weil fe jenen beffer zu
benugen gelernt haben. Belege 3. B. bei Porter, Progress, ©. 154.
Die neuefte Bearbeitung der Statif haben &. 2. Hlubef 1841 und
v. Bulffen 1847 (v. Lengerfe, Annal. X, 93) geliefert.
(e) Die erwähnte fähfiihe Geſchäftsanweiſung giebt in der Vorausſetzung,
bag das Klima Tolcher Orte, die in Beiner großen Entfernung von eins
ander ſtehen, vorzüglich nad) Der Höhe über dem Meere verſchieden iR,
Ertragsfäge für die Stufen von 500—24100 Fuß, 3. 2.
in der erſten Bobendafle in der elften Bobenclafle
um — —
Hoͤhe roh rein roh rein
500° 170 Metz. 88 M. — 51,8 Proc. 12,2 M. 55M —42 Proc.
800‘ 159 18 49 12,? 4,9 39,5
160° — — — 12 4, 34
24000 — — — Au, 2,2 26
Eine Mepe auf den ſächfiſchen Acker ift ſoviel als 0,9 Meben (16 im
Sceffel) auf den preuß. M. oder 0,3 Sefter (10 im Walter) auf den
badifhen Morgen.
$. 213.
2) Au die Lage hat auf die Koften der Bobenerzeugnifie
Einfluß, und zwar fowohl bie Lage der einzelnen Ländereien
gegen bie Wirthfchaftögebäude (a), als die Entfernung berfelden
vom Marftorte (5). Da man von einem Brundftüde nicht eine
beliebig große, ſondern nur eine gewiſſe, durch Klima, Boden
und Ratur jedes Gewaͤchſes bedingte Menge von Rohftoffen
erzielen kann (c), fo macht ein großer Begehr von Bodenerzeugs
niffen den Anbau einer Menge weit umberliegender Laͤndereien
notbavendig, und ber Preid muß fo body fleigen, daß er nody
die Bau⸗ und Krachtfoften von den entfernteften Grundftüden
vergütet, die zur Verforgung de Marktes zu Hüffe genommen
werden müflen (d). Dieß hat dann die Folge, daß bie näher
liegenden Grundftüde, bei denen weniger ſolche Koften vorkom⸗
men, einen Gewinn abmwerfen, ber den Eigenthümern als Rente
zufält. Wären and) alle Kändereien von gleicher Ergiebigkeit,
fo würde doch fchon aus der bloßen Verfchiedenheit der Lage
eine Rente entfpringen, fo wie auch blos der Rage willen Grund:
ftüde, die zu Fabrikanlagen oder Wohngebäuden gefucht werden,
einen hohen Preis und eine hohe Rente erhalten fünnen.
(a) v. Thünen, S. 58 und Blod, Mittheil. III, 380. Binige Koften
der Bewirtbichaftung, 3. B. die Wartung des Biches, find von ber
— 264 —
Entfernung der Grundftuͤcke ganz unabhängig, Ernte⸗ und Düngerfuhren
, werden dagegen am meiften von ihr bedingt. Nach der ſaͤchſ. Geſchaͤfts⸗
anmweifung werden bei 250 Ruthen (3555 bad. Yußen) Gntiernung
die Koften 10 Proc., bei 500 R. 20 Proc.’ höher angenommen. — In
Rußland wie in Ungarn findet man hie und da große Dörfer mit fehr
weiten Keldmarfungen, wobei die Felder bisweilen 1%/s bis 2 Meilen
entiernt find, Tegoborski, Etudes, I, 336
(6) Nah v. Thünen ©. 13 find bie Verfendungskoften von 24 Centnern
.X
199, .
Setreide x Meilen weit — —— Thlr., alſo z. B. bei 10 Meilen
10,2 Thlr. oder 1 fl. 7 kr. auf den Centner. Die Fracht auf Land⸗
fragen beträgt in Deutfchland gegen 3 fr. auf den Gentner und bie
Meile, in Rußland 2,° kr. (1 Kopek für 10 Werfle und 1 Bub),
Tegoborski, IL, 372.
() 8. B. in Deutihland vom preuß. Morgen nit wohl über 16 Scheffel
(13,8 Gtr. Waizen oder 12,° Gtr. Roggen).
(d) Stord, I, 242.
$. 214.
Es laſſen ſich mehrere Umftände angeben, welche den Ein-
fluß der Lage auf die Grundrente verftärfen. a) Das Beifammen-
wohnen einer großen Menfchenmenge auf engem Raume, fo daß
man aus beträcdhtlicher Entfernung Lebensmittel beiführen muß.
Orundftüde in der Nähe großer Städte tragen daher eine ans
ſehnliche Rente (a), dagegen fiele dieſe Beranlaffung der Rente
beinahe ganz binweg, wenn alle Bewohner eined Landes in
zerftreuten Anſiedelungen wohnten (db). b) Schlechte und koſt⸗
bare Sortichaffungsmittel eines Landes. Gute Lanpftraßen, bes
fonderd aber Eifenbahnen und Waflerftraßen verringern den Bor-
zug ber näher am Marktorte liegenden Ländereien, deren Rente
daher durd die Herftellung folcher befierer Verbindungen er⸗
niedrigt wird, wenn nicht auch eine Zunahme des Begehrd eins
tritt, die den. Preid der Rohftoffe in gleichem Stande erhält,
oder andere einträglichere Benüpungen der nahen Grundſtuͤcke
eingeführt werden fönnen, wobei dann der Nutzen den Eigen-
thümern ber entlegeneren Grundftüde zufällt (c). c) Zerftreuts
liegen berjenigen Ländereien, weldye eine gewiſſe Art von Ers
zeugniflen liefern. d) Die in dem Wefen einer Art von Gütern
liegende Koftbarfeit oder Schwierigkeit ded Fortſchaffens. Die
Erzeugung von Blumen, Gemüfe, Obfl, vorzüglidy aber von
Milch ꝛc. wirft in der Nähe volkreiher Städte eine große Rente
ab. Schlachtvieh, Schaafwolle ıc. geftatten in Hinficht ihres
Preifes einen weiten Transport, audy Getreide wenigftend einen
-
— 26 —
weiteren als Heu, Stroh und Holz, weßhalb man fich in ber
Nähe eined großen Marktorted am Tiebften auf die Broduction
ſolcher Gegenftände verlegt, bei denen man das Mitwerben ent
fernter Gegenden nicht zu .beftehen hat (d).
(a) Nah fehr großen Städten müflen die Lebensmittel fehr weit herbeiges
bracht werden, weßhalb fie dort ohne Waflerftraßen unerfhwinglich koſt⸗
bar würden. Als Paris erft 714000 Sinw. hatte, nahm feine Ber:
scehrung an Waizen 107640 Heftaren Ader, an Haber 23033 Heft., an
Kartoffeln 1779, an Gerſte 1948, an Heu 8203, an Wein, Branntweig
und Eſſia 60608 Heft. Land in Anſpruch, aufammen 209693 Heft.
oder 38 D. Meilen. Das Großherzogthum Heſſen hatte 1828 ungefähr
gleihe @inwohnerzahl (718000), feine Aderflähe von 1589000 befl.
Moraen war aber faft die doppelte jener 209693 Hektaren, welche nur
838772 heſſ. M. ausmachten, wobei freili das zur Ernährung von
Thieren verwendete Land nicht eingerechnet war. Vgl. Recherches sta-
tistiques sur la ville de Paris. 1823. Gap. 6.
(5) In ganz ſchwach bevoͤlkerten Gegenden tft auch das fruchtbare Land
weit von den Anfledlungen noch rentelos, 3. B. in den americanifchen
Prairien, die doch einen humusreichen und leicht urbar zu machenden
Boden haben. '
(e) Durd die Dampfichifffahrt und die befieren Straßen ifl der Transport
fo ſehr erleichtert worden, daß nun das beflere Land in Irland und
Schottland mit dem fchlehteren in England concurrirt, und letzteres
nicht mehr gebaut werden fann. GEs Tommt jeßt Getreide von ber Weſt⸗
füfte Irlands nach Liverpool, was fonft nicht der Ball war. R. Peel,
Unterhaus, 19. März 1830.
(A) Bei gleicher Bodenbeihaffenheit würde man In der Nähe einer großen
Stadt viel Wald beibehalten müflen und die Bodenbenugung würde
fih ganz nad der Gntfernung von jenem Abfaborte richten. Diefer
Gedanke ift in v. Thünen’s a. Buche weiter verfolgt worden; f. auch
Noſcher im Archiv, N. F. IIL, 195.
$. 2144.
3) Die Ausgabe für Arbeitslohn ($. 211) pflegt in
Ländern und Gegenden, die ihr Bodenerzeugniß an entfernte
Märkte verfenden müflen, ſchon wegen der wohlfeilen Nahrungs⸗
mittel niedriger zu fein, und hiedurch wird wenigftens ber in
den Frachtkoſten liegende Rachtheil einigermaßen gemildert. Iſt
aber der geringere Arbeitslohn die Folge hoher Benöfferung, fo
fann er ebenfo wie bie größere Bruchtbarfeit die Urfache einer
Koftenerfparung und deßhalb einer gewiffen Orundrente werben,
oder doch dem Einfluß anderer, auf Erniedrigung berfelben hins
wirkenden Umſtaͤnde wiberftreben.
| 8. 215.
4) Auch die Art, wie die Bodenbenugung betrieben
wird, hat auf die Größe der Erzeugungsfoften Einfluß, $. 211.
— 266 —
Der Reinertrag laͤßt ſich durch geſchickte Einrichtung des Ber
triebes, z. B. durch Auswahl der beſten Fruchtfolge fuͤr eine
gegebene Dertlichkeit oder beſſere Behandlung der Düngemittel,
auch bei einerfei Größe des Capitales erhöhen, aber noch mehr
Erfolg haben ſolche Kunftmittel, die mit Hülfe eines größeren
Capitaled angewendet werben, z. B. öftere und forgfältigere Be
arbeitung, tiefere Aufloderung des Bodens, Entwäflerung, voll-
kommenere Adergeräthe, ftärfere Düngung, mineralifche Dinge
mittel, Abfchaffung der Brache und vergl. (a), baher find bei
ber Bewirthfchaftung mit dem allerffeinften Eapitale die Koften,
3. B. eines Centners Getreide, keineswegs am niebrigften. Bei
einerlet Preis der Bobenproducte müflen die funflmäßiger ges
bauten Ländereien fchon befhalb einen Reinertrag gewähren,
wenn auch die unvollfommen bewirthichafteten nur die Koften
vergüten (d). Man hat befürdtet, daß folche Betriebsverbeſſe⸗
rungen die Grundrente mindern möchten, weil dann ber ganze
Bedarf eined Landes ſchon von ben fruchtbarften und gut ange-
bauten Flächen mit geringeren Koften gewonnen werbe und das
unergiebigere Land unbenukt bleibe, mithin ber Preis der Boben-
erzeugniſſe finfen müfle (c). Dieß könnte allerdings gefchehen,
allein die Erfahrung Iehrt, daß es gewöhnlich nicht eintritt, und
dieß ift auch leicht zu erklären, weil foldye Verbeflerungen bes
Anbaued viel Bapital, Arbeit und Eifer erfordern, folgkich in
einem ganzen Lande nur allmälig Eingang finden und daher
ber Volksmenge Zeit laflen, fidy ebenfalld zu vermehren, fo baß
ber Begehr mit dem Angebote gleichen Schritt hält (d), ferner
weil jene Kunftmittel häufiger auf ben befleren Grundſtuͤcken
vorgenommen werben, wo fie einträglicher find, unb fo ber
Unterfchied in der Rente noch fogar vergrößert wird.
(a) Belonders auffallend ift dieß bei der duch Rärkeren Futterbau und
Viehſtand vergrößerten Düngung, die den Bodenertrag beträchtlich ver:
größert, während bie Bearbeitung fo wie vie Ausfaat bei einem gut
geblingten Felde nicht mehr als bei einem erfchöpften koſten. Daber
erechnet von Erud (Dekonomie der Landwirthſch., überf. von Berg,
Leipz. 1823. ©. 83 f.) unter gewifien Borausiehungen für 1 preuß.
Morgen Balgenland bei verichiebener Stärke ber Düngung ben Koſtenſatz
eines Scheffels auf 8,95 — 8,8 — 7,2 — 7,2 — 7,% Ginheiten (+),
wenn die Ausfaat 6 — 8 — 10 — 12 — 16fach geerntet wird. Das
Zeihen + bedeutet in von Erud’s Werk (nad Pi haer) den Durch⸗
ſchnittspreis von 1/ pr. Scheffel Roggen, ſ. oben $. 179. Das Fuder
Mift koftet ungefähr 1%/. bis 1% Scheffel Roggen (Blod, Mittheis
lungen, I, 227), jedes mehr aufgewendete Fuder bringt aber ungefähr
2 Scheſſel Winter: und Sommer⸗Getreide hervor (Shmulz Veranu⸗
fhlagung ländlicher Grundftüde, S. 46), wozu noch das Stroh fommt.
Hebereinfiimmend Jones, Distrib. of wealth. ©. 196 ff.
(6) Bodenvrerbeſſerungen (Melivrationen, $. 130) fowie die Urbannagumd
find von dauernder Wirkung, während bie Vervollflommnung des Be
triebes wieder aufhören Tann. Wine ſolche beſſere Bewirthſchaftung
bringt jedoch erſt dann eine Remtendermehtung hervor, wenn fie nidt
nur von einzelnen Landwirthen angewendet wird, fondern in eine
Gegend Herrihend geworben iſt, 6. 208. — Carey (a.a.D.) glaubt,
daß vie ſpaͤter angelegten Gapitale immer arößeren Erfolg hervorbrin⸗
en, weil man anfänglich die mangelbafteflen Kunftmittel angewendet
—* und daß die Grundrente blos aus den Urbarmachungs⸗ und Ver⸗
beſſerungstoſten entfiche, welche in jener nicht einmal vollſtaͤndig ver⸗
zinßt werden. Allein nur die Beſchaffenheit der Grundſtuͤcke entſcheidet,
nicht der Aufwand, mit dem ſie hervorgebracht worden iſt, 3. 213. —
Auch Baſtiat (Journ. des Econ. Nov. 1852, S. 289) war in dieſer
Lehre ein Gegner von Ricardo, dem er vorwarf, daß nad feiner
Anficht die zunehmende Theurung der Lebensmittel die Reichen immer
mehr in Bortheil ſetzen und die Arbeiter bebrüden würde.
() Ricardo, Grundgeſ. ©. 55 (I, 97). Dagegen Jones, ©. 211.
(d) Ricardo feibft giebt wenigfiens zu, daß das zufolge ſolcher Verbeſſe⸗
rungen unberugt gelaffene fchledhtere Land fpaterhin bei geftiegener
Bollsmenge wieder in Anbau genommen werde. — Man kann ber
Wirkung tandwirtbfchaftlicher Verbefierungen mehrere Faͤlle umterfcheiden :
1) es wem bei einerlei Menge des Erzeugniffes nur die Koften ver»
mindert, z. B. durch Mähemafhinen, Die pebaden u. dal.; 2) es wird
das —— des Bodend vermehrt, waͤhrend der Centner, Scheffel ıc.
noch gleichviel Foftet; 3) es trifft eine Bergeößerung des Bobenertrages
mit einer Koftertverringerung zufammen, 3. B. durch Reihenfaat und
Maſchinenbehackung. Im legten Falle ift am leichteften eine Preisernie:
drigung der Grzeugniſſe ga erwarten, don der die Grundrente eine Zeit
lang verringert werden kann. Ausführlich hierüber St. Mill, II, 182.
6. 215a.
Wenn man, um dem amwachfenden Begehr von Unterhalts⸗
mitteln zu genügen, immer mehr Gapitale auf die Erdarbeit
verwendet, fo muß ed einen Punct geben, über welchen hinaus
die neu angelegten Bapitale weniger ergiebig werden und alfo
die Erzeugungsfoften eines ferneren Ertragszuwachſes größer
ausfallen (a). Der Preis der Rohftoffe muß dann allgemein
fo hoch fteigen, daß er die höheren Koften bezabkt, wobei dann
der mit dem.fchon früher angewendeten Bapitale erzielte Theil
bed ganzen Products ſchon deßhalb einen Reinertrag giebt (B).
Die Gränze, bei welcher die Ergiebigkeit weiterer Bapitalanlagen
abnimmt, laͤßt fi) nicht im Allgemeinen bezeichnen und hängt
unter Anderem von der Beftiminung ab, die man dem Bapitale
giebt, ob es nämtidy mehr Arbeit für den Landbau unterhalten,
oder andere Erhöhungsmittel des Ertraged gewähren foll (c);
268 —
auch iſt in wenig Laͤndern die Einficht der Lanbwirthe und bas
ihnen zu Gebote ſtehende DBermögen fo groß, daß man jene
Gränze ſchon ald allgemein erreicht und bie ferneren Verwen⸗
dungen von Capital ald minder belohnend anfehen Fönnte (d).
Doc ſteht ber Sag feft, daß auf einer gewiſſen Stufe des An-
baus die Anlegung neuer Gapitale auf ſchon angebaute Grund⸗
ftüde diefelbe Wirfung haben müfle, wie der Anbau fchlechterer
Zänbereien. Hiermit fieht auch die Erfahrung in Verbindung,
bag eine ſchwunghaft betriebene Wirthfchaft erft bei einem ges
wiſſen nicht zu niedrigen ‘Preife des Getreides ꝛc. belohnend ift.
(a) Ricardo, ©. 45 (I, 73), fowie Torrens, ©. 113, J. Mill,
Elömens, ©. 16, M'Culloch, Brundf. S. 218, nehmen an, daß
die zuerſt angewendeten Bapitale bie wirffamften fein. Es giebt aber
einen Zuſtand des Feldbaues, bei dem es vortheilhafter ift, ein gegebe⸗
nes Gapital auf einen, als auf zwei Morgen Landes zu verwenden.
Dagegen ift es auch gewiß, daß, wenn man z. B. mit einem flehenden und
umlaufenden Gapitale von 50 fl. auf dem Morgen 7 Gentner einer ge
wiflen Frucht bauen kann, ein dreifacdhes Gapital feine 21 Gentner zu
erzielen vermag. Man mwürbe fih gar nicht zum Anbaue fchlechterer
Grundftüde entihließen, wenn von ben befferen mit gleichem Koflen-
betrage jede verlangte Quantität zu erhalten wäre. Bol. Torrens,
©. 118. — Bin gutes Beifpiel zur Erläuterung dieſes Satzes giebt
die tiefere Bearbeitung bes Ackerlandes. Nah von Thünen’s Er⸗
fahrungen aus Ajährigen Durchfchnitten if das Berhältniß der Boden;
erträge
bei 4 Zoll Pflugtiefe 100
6 129
8 151
10 165
Die 2 lebten Zofle tragen alfo nur 14, die 2 vorleßten 22, die 2 britts
legten 29 Proc. mebr und jene koſten beträchtlich mehr ale dieſe. Amtl.
Bericht über die 6. Verf. der d. Landw. ©. 289.
(5) Hat Jemand mit 1000 fl. Koften einen Ertrag von 500 Gtr. erhalten
und gilt der tr. gerade 2 fl., To bleibt Fein Gewinn übrig, nur
werden in dem Koftenfage die Zinfen des Capitales erflattet. Wenn
nun weitere 1000 fl. blos 400 Gtr. erzeugen, fo kommt jeder diefer
400 CEtr. auf 2% fl. zu ſtehen. Der Landwirth wird dieſe zweite
Summe von 1000 fl. nicht eher aufwenden, bis ber Breis des Centners
wirklich 2%/8 fl. erreicht, denn fonft hätte er Verluſt. Wäre 3. B. der
Preis nur 2%, fl., fo würden erzielt werden:
1) mit 1000 fl. Aufivand 500 Etr., Ginnahme 1125 fl.
2) mit 2000 fl. Aufwand 900 Etr., Ginnahme 2025 fl.,
e8 würden folglich für die zweiten 1000 fl. nur 900 fl. mehr einge:
nommen. Werden aber bei einem Preiſe von 2%. fl. 2000 fl. aufge:
wendet, fo ift der Erlös von 900 Etr. 2250 fl., es findet alſo ein
Ueberihuß von 250 fl. Statt, weldher zu der natürlihen Grundrente
gehört oder fie erft bildet, wenn bisher noch feine Statt fand. Freilich
rechnet der Landwirth felten fo ſcharf und er kann es nicht einmal, weil
diefe Ertragsverhältniffe noch gar nicht gehörig erforfcht find, auch bie
Sahresernten fehr ungleich ausfallen.
— 219 —
(0) unterſcheidung des Hülfscapitales (Mafchinen, Dünger, Mergel, Waſſer⸗
gräben x) und der Vermehrung der Arbeiter (additional labour) bei
ones, ©. 217. -
(d) Die Größe des in der Landwirthfchaft mitwirfenden Gapitales if ein
fehr erheblicher Umſtand, den die Statiſtik bisher noch nicht gehörig
beleuchtet bat. Dieſes Capital ift theils flehendes, nämlich Gebaͤude,
Geräthe, Werkzeuge, Mafchinen, Vieh, theils umlaufendee. Da ınan
nicht ein ganzee Jahr auf die Binnahmen zu warten hat, fo ift diejes
umlaufende Gapital, welches man zum Beginne der Bewirthſchaftung
in ber Hand haben muß, Eleiner als die Ausgabe eines Jahres; doch
fommt es hiebei auf die Jahreszeit ‚des Antritts und auf die Art der
Einnahmen an. Die Anfchläge des landwirthſchaftlichen Gapitales weis
hen fehr von einander ab und find auch nicht nach gleichen Voraus:
feßungen gebildet.
Lullin de Chateauvieux (Bibl univ. de Gendve, X, 245)
rechnet für Frankreich vom arpent de Paris (1,3 preuß. M.) 24,7 Fr
ſtehendes Capital, 19 Fr. umlaufendes bei groͤßeren und mittleren
Guͤtern, zuſammen 43,7 Fr. (16, fl. auf den preuß. M.). — Nach
Cha pa! (De lindustr. franc. I, 222) ift das ſtehende Gapital mit
sen Bebäuden im Ganzen 7581 Mill., ohne biefelben 4581 Dill. Fr.,
alfo auf den Arpent 58 und 35.%r. — Depart. Nordküſten, bei Ichr
mangelhafter Roppelwirthichajt, auf größeren und Eleineren Gütern für
den Hektar Gebäude 99—167 Fr., Vieh, Geraͤthe 60—112 Fr., Iahress
auslagen 47—83 %r.,. zufammen 206—362 Fr. == 24,9-43,8 fl, auf
den pr. M. Agric. franc. Dep. Cötes du Nord, 1844, ©. 84. — Beis
fpiel aus dem Norddep. nah Cordier (Agric. de la Flandre franc.
©. 479. 485.) vom preuß. M. 40,8 fl. bei 11!/ı R. Pachtzins. —
Bei den Anfchlägen von de Gasparin, Cours de l’agricult., I, 384
(1845) muß, da der Verf. nur !ız des Vieh: und Geräthe:Eapitals
(cheptel) eingerechnet bat, der ganze Betrag derfelben ftatt jenes Theils
aufgenommen werden, wodurd fi) folgende Zahlen ergeben:
auf 1 pr. M.
Suͤdfrankreich, Fruchtfolge mit Krappbau 56—59 fl.
Morddepartement, mit vielen behadten Handels: .
gewaͤchſen. 57 fl.
Nordfrankreich, mit Brach 16 fl.
In England wird das ganze ſtehende und umlaufende Capital der
7—Hfahen Grundrente gleih geihägt. Sinclair, Grundgef. des
Adeb. S. 28. Das Capital des Pachters (Geraͤthe, Vieh und Aus⸗
gaben eines Jahres) iſt 6—8 L. St. vom Nere — 37—60 fl. vom
pr. M. (ebd. ©. 81 u. Anh. ©. 72—76) oder T—10 2. St., Dars
Rei. d. Landw. Großbritaniens, d. von Schweiger, I, 72. Die
ausführliche Berechnung von Low (Practical agricult. ©. 745 ff.) giebt
6,77 2. St. vom Acre oder 51,8 fl. vom pr. M. — Thaer (Dögl.
Ann. V, 641) hält mindeſtens 25 fl. auf den M. für nothwendig.
Deutfche Landwirthe jegen das Capital (wovon */s fleheud) mindeftens
‚auf das Afache, hödiftens auf das 5—Sfache des Pachtzinjes, durchſchnitt⸗
ch auf das 5—6fache, Goöriz, Landw. Betriebelehre, ILL, 82. 1854.
In (de Lichtervelde) M&moire sur les fonds ruraux du Dép. de
l’Escaut, Gand, 1815, ©. 64 iſt für ein flandrifches Gut von 51 Ge⸗
meth — 881/ pr. M. der Gapitalaufwand des Pachters bie zur Ernte
auf 14512 Fr. oder 165 fl. auf den pr. M. berechnet.
Der befanntefte Theil des Capitales befteht im Viehſtande. Während
zur guten Düngung von 4—5 pr. M, ein Stüd Großvieh nöthig ift,
trifft man bisweilen ein ſolches erſt auf die doppelte Zahl von Morgen
des Aderlandes in ganzen Ländern, woraus dann ein geringerer Boden;
— 1 —
ertrag folgt, vgl. 11, $ 170. — Bleibt das Gapital unter dem zu
dem beften Betriebe erforderlichen Beine in fo muß die Rente Heiner
jein, und es erklärt ſich hieraus die &r ahrung, daß ein Pachter defto
mehr | ne entchten kann, je mehr er ital befitzt, Sinclair,
a. a. .
$. 216.
Der jebesmalige Mittelpreis der Bobenerzeugnifle, foweit
fih bei der wechfelnden Fruchtbarkeit der Sabre auf ihn eine
Rechnung gründen läßt, richtet fi) immer nad, den hoͤchſten
Koften, die noch unter den unvortheilhafteften Umftänden zur
Befriedigung des Begehrs aufgewendet werben müflen (a), und
die Rente jedes Grunpftüdes iſt der Unterſchied zwifchen ven
auf ihm. wirklich angewendeten und jenen hödhften Koſten. Es
laffen fi Ländereien nachweifen, welche Seine oder faft feine
Grundrente tragen, weil bei ihnen Entlegenheit und jchlechte
Beichaffenheit des Bodens zufammentreffen. Sole Flaͤchen
können nicht verpachtet, fondern blos von dem Eigenthümer
benugt werden, der fie, wenn auf ihnen noch Abgaben ruhten,
fogar nicht ohne Einbuße anbauen könnte, was übrigend vor
übergehend, bei ungewöhnlich niedrigen Sruchtpreifen, auch nicht
felten gefchieht, weil den Landleuten der Uebergang zu anderen
Ermwerbsarten zu ſchwer und die Emährung durch eigene Erzie⸗
lung der Nahrungsmittel zu fchägber ift, auch bei einem Land⸗
gute, weldyes aus Theilen von ungleicher Ergiebigkeit befteht,
die Koften und der Reinertrag öfters nur im Ganzen, nicht für
jedes einzelne Grundſtück, berechnet werden. Die unbankbarften
noch benugten Ränbdereien bleiben meiftend ganz oder abwechſelnd
ala Weide liegen, weil fie bei diefer Anwendung nad eher
einen Beinen Ueberſchuß geben Fönnen (db).
(a) Uebereinftimmend von Thünen, Der ifolirte Staat, S. 182. — Nes
benius, Der öffentl. Credit, 2. A. 1, 27. — Hermann, Staatew.
Anterf. ©. 167.
(6) In jedem Gebirgélande trifft man ſolche Strecken an, welche wegen ber
felfigen oder fleinigen Beſchaffenheit, Beichtheit der Krume, Steilheit,
hoher Falter Lage, Gntlegenheit von den Wohnungen ıc. die Anbaus
toften nicht belohnen, zum Aheil nicht einmal eines Weidezinſes werth
geagptet werden und meifens Gemeindegut geblieben find. Der mittlere
einertrag des Morgens Weide if in Dem wüztemb. Amte Ochringen
auf 7 fr., im Amte Welzheim auf 19 kr., Horb _und Bradenhem
11 Er. x. gefhägt, wobei ohne Zweifel ſowohi heſſere als ſchlechtere,
noͤllig renteloſe Stüde vorfommen. Man wird viele — — auf⸗
Anden können, in denen, wie z. DB. in dem Dorfe Willgartswieſe bei
Sa —
fi
Sandau, ber Morgen Ader 4. Claſſe auf 52 fr., fleinige Allmende auf
1% fr. Meinertrag fataftrirt it. — Im Begierungebaist Aachen it der
WNeinertrag des Morgens Heideboden zu 11/3 Sr. (5t/s—101/a fr.)
ermittelt. — Sobald bie Preife ber Bodenerzeugnifie höher firigen,
fieht man die beſſeren Weidepläge dem Pfluge unterwerfen. Indeß trifft
man aud Streden von Ylugfand, Moorboven u. dgl., die eine, gang
oder beinahe rentelofe Mderclafie bilden. Mach der jähf. Schägunger
anweifung giebt das befle Aderland 5Ymal foviel Reinertrag als das
f&hlechtefte und Hödfe, von dem nur 11a Wege pr. Ader — 0,0% pr.
Scheff. y. Morg. angenommen find. Ricardo hält es für nothwen⸗
dig, daß e6 folde Wrundküde gebe, die gar feine Wente tragen und”
doch nod benugt werben, tweil man, wenn die ſchlechte ſten noch benupten
Stüde eine Grundrente abwürfen, dann eine noch undankbarere Boden-
art zu Hülfe nehmen fönnte. Allein es ift denkbar, daß eine ſolche in
einem Lande ganz fehlt oder von fehr geringem Werthe iR und deßhalb
erft bei einem Hohen Preife benugt wird. Cbenſo fönnten die tenter
lofen Zändereien-fo weit entfernt fein, daß die Sradtfoflen von ihnen
hehe fommen würden, als der Ankauf von näheren Grundflüden, die
don eine Rente geben.
$. 2163.
Ein zunehmender Begehr von Bodenerzeugnifien zieht nicht
nothwendig aud eine fortbauernde Erhöhung des Preiſes ders
felden und der Grundrente nach fi, denn es kommt erft darauf
an, auf welde Weife man im Stande if, das Angebot zu vers
größern (a). Geſchieht dieß durch Verbeflerung der Verſendungs⸗
mittel oder der Ländereien ober bes landwirthfchaftlichen Bes
triebes, durch Urbarmahung von frudhtbarem Boden ($. 212 (c))
oder andere ähnlich wirkende Mittel (d) ohne verhaͤlmißmaͤßig
höhere Koften ($. 215), fo wird fowohl der Preis der rohen
Stoffe, als die Rente gleich bleiben, außer infofern diefe Fort⸗
fehritte das Verhaͤltniß zwifchen den Koften ber befferen und
ſchlechteren Grundftüde abändern. Iſt aber die Zunahme des
Begehres beträhtlih und anhaltend, dagegen die Gelegenheit
zur Anwendung ber genannten Mittel befchränkt, fo muß der
Preis fowie bie Rente fo lange fleigen, bis der vergrößerte Bes
darf auf forbarere Weife durd Anbau unergiebigerer oder ent⸗
legenerer Grundftüde ober durch Anwendung größerer Eapitale
(8. 2158), oder duch Zufuhr vom Yuslande (c) dauernd bes
feiebigt wird. . In dem Koftenbetrag, mit welchem auf die eine
ober andere Weiſe das Angebot bis auf die Höhe des Ber
gehres vergrößert werben kann, enthält demnach der jedesmalige
Durchſchnittspreis der Rohftoffe umd die Orunbrente der beflezen
und näheren Ländereien ihre Graͤnze.
— 272 —
!
(“) Ad. Smith leitete die Entſtehung fowohl als die Erhöhung der Grund⸗
rente lediglih daraus ab, daß die Nachfrage nad rohen Stoffen mit
der Volksmenge zugleid, zumimmt, und daß fie, wie au has Angebot
vergrößert wird, doch immer über daſſelbe hinaus währt, Unterſ. L, 235.
Bei tiefer Anfiht läßt fih nicht erkennen, inwiefern es möglich fei, der
. vermehrten Nachfrage mit dem Angebote nachzufolgen, und wie body die
Grundrente fleigen könne, und gerade dieß wird durch die neuere in
$. 212 erwähnte Theorie der Grundrente aufgehellt. Ricardo's
Hauptfäge find diefe:
1) Der Preis der Bodenerzeugnifle muß genau mit dem Koftenbetrage
übereintreffen, welchen die Gewinnung derfelben a) von den fchlechteften,
noch wirklich angebauten Ländereien, oder b) mit den zuleßt angelegten,
am wenigften ergiebigen Gapitalen verurſacht ($. 215 a.) -
2) Die Srundrinte, welche bie befieren Ländereien und bie früher
angelegten Bapitale geben, wird alfo genau durch ben Unterſchied der
bei ihnen aufzumendenden Koften gegen die größeren Koſten der minder
ergiebigen ‚Bulturart beflimmt, wie dieß A. Smith in Anfehung der
mineraliſchen Stoffe bereit6 behauptet Hatte.
3) Die fchlechteften irgendwo noch in Anbau genommenen Grund⸗
Rüde, oder die zulept angelegten Gapitale, deren Koften den Preis be-
fimmen, tragen feine Rente.
4) Landwirthfchaftlihe Verbefferungen erhöhen die Rente nicht, weil
fe die Derfchiedenheit im Ertrage des beſten oder ſchlechteſten Landes
.. „bändern. iefer letzte Sag if der Erfahrung ganz entgegen,
. 215. .
(6 Ein anderes Mittel zu gleichem Zweck iſt die Verbeſſerung der Mahl:
einrichtungen. . In Deutfchland iſt diefelbe alt und ſchon feit 1616
von Seb. Müller) befchrieben, in Frankreich wurde das öftere Auf:
62 der Kleie als mouture é0onomique erſt nach 1760 bekannt. Die
Folge war, daß während ſonſt der Nahrungsbedarſ eines Menſchen
jährlih auf A—5 Parif. sötiers (zu 2,8 pr. Scheff.) Waizen (alſo
960 — 1200 Pd.) gelegt wurbe, iept 2 söt. zureichen, weil man 75 ftatt
der früheren 30—34 Brocent Mehl erhält, Bedmann, Beitr. zur
Geſch. d. Erfind. IL, 54. Dingler, Pol. Ioum. I, 48.
(0) Dieß kann, nad Manfgabe der Lage eines Landes, fchon dann gefchehen,
wenn auch nod viel Sandftreden, Belsabhänge sc. unbenupt bleiben,
weil ihr Anbau mehr foften würde als die Zufuhr vom Auslande.
$. 217.
Die drei zuerft genannten Urſachen der Koftenverfchiedenheit
bei der Benugung von Grundftüden (Ss. 211) find von dem
Berhalten des einzelnen Unternehmer ganz unabhängig und
werden von Jedem empfunden, ber die Gsundftüde befigt und
gebraucht ($. 208); eine gewifle Betriebsart (5. 215) hat dies
jelde Wirkung, wenn fte in -einer Gegend zur Regel geworben
ift. Mit derenigen Grundrente, die dem Eigenthümer bei eiges
ner Benusung feines Landes nach dem üblichen Verfahren zus
fallt (der natürlidhen Grundrente) trifft im der Regel auch
die BPachtrente ungefähr überein (a). Während der Eigen,
— 1213 —
thümer, da, wo der Preis der Bodenerzeugniſſe niedrig ift, ober
wo feine Befigung ihrer Natur nad) eine koſtbare Bewirthfchaf-
tung erfordert, gegen die Ungunft dieſer Verhältniffe wenig aus-
richten Tann (db), genießt er unter den entgegengejegten Um⸗
ftänden ben Bortheil eines anfehnlichen Reinertraged in einer
entjprechenden ausbedungenen Rente. Dieß ift eine Bolge von der
gewöhnlichen Geftaltung des Mitwerbens ($. 211), indem das
Angebot von Orundftüden einer gewiſſen günftigen Beſchaffen⸗
heit und Lage eine natürlihe Graͤnze hat, zugleid aber der Bes
gehr wegen der Annehmlichfeit und Sicherheit des landwirth⸗
Ichaftlichen Gewerbes, wegen ber Menge von Menjchen, bie
ohne Orundeigenthum find, und wegen ber fortwährenden Zus
nahme des Capitals bei gleichbleibender Menge der Grundftüde,
das Angebot zu erreichen pflegt und nicht felten uͤberſteigt. Deß⸗
halb bleibt in diefem Balle dem Pachter, woferne er nicht bes
fondere Betriebfamfeit entwidelt, nur der mittlere mäßige Ge
werböverdienft übrig. Dieſer ift befonderd da von geringem Bes
trage, wo Grundftüde in kleinen Abtheilungen verpachtet werben,
und wo zugleidy in der landbauenden Claſſe eine fchnelle Zur
nahme der Bevölkerung Statt findet (ec).
(a) Freilich nur bei der Verpachtung auf Furze Zeit. Bei immerwährenden
Örundgefällen kann in fpäteren Jahrhunderten die flatt eines Pachts
ginfes ausbedungene Gntrichtung fo weit hinter dem Reinertrage zurüds
leiben, 7 aud der erbliche Nutznießer einen Antheil an der Grund⸗
ente aus feinem Rechte auf das Grundſtück bezieht, $. 207. 378.
" (b) Ausgenommen, wo bedeutende Grundverbefierungen möglich find.
(6) Wo das Segentheil Statt zu finden. fheint, wie in den von Log,
Handb. I, 497 ff. angeführten Erfahrungen, da find vermuthlich unter
Koften keine apitalzinfen und kein Gewerboverdienſt eingerechnet.
Selbft die Berbeflerungen im landwirthichaftlichen Betriebe fommen,
wenn fie häufig vorgenommen werden, bald den Brundeignern zu Statten,
$. 215 (6). Die Pachtzinſe in Schottland find im jepigen Sahrhundert
wegen der verbeflerten Pflüge, der Dreichmafchinen,, der befieren Ber:
theilung der Arbeit und des angemefleneren Fruchtwechſels geftiegen.
Sinclaira. a. O. © 56. Wo Badtlufige mit zureichendem Eas
pitafe ausgerüftet find, da befinden fie fi in einer weit befieren Stel⸗
lung, als ta, wo eine zahlreiche Claſſe von Landleuten, ohne Vermögen,
ohne andere armerbögelegendeit, wenigen reichen Grundeignern gegenüber;
fieht und fi diejenigen Bedingungen der Bopenüberlaffung gefallen
lafien muß, welche diefe vorfchreiben.
$. 218.
Wenn ein Bolf die Ernährung durch Jagd, Fiſcherei oder
wandernde Viehheerden nicht mehr zureichend findet und daher
Rau, polit. Del. I. 7. Ausg. 18
— 274 —
zum Landbau uͤbergeht, ſo erreichen die allgemeinſten Nahrungs⸗
mittel, wie Getreide, wegen des ſtarken Begehres zuerſt einen
ſolchen Preis, der von einem Theil der Grundſtücke eine Rente
einbringt; bei weiteren Fortſchritten der Bevoͤlkerung und des
Wohlſtandes werben fpäter auch manche andere Stoffe, 3. B.
Gemüfe, Delfaamen, Geſpinnſt⸗ und Würzpflanzen ꝛc. fo Häufig
begehrt und hervorgebracht, daß fie eine Rente tragen. Die
Rente des für verfchiedene Gewaͤchſe angewendeten Bodens hängt
von den Bedingungen ihrer Erzeugung und Berfendung ab.
Daher laffen ſich folgende Regeln aufftellen. 1) Solche Gewächfe,
die auf allem Aderlande eben fo gut ald Getreide gebaut und
eben fo leicht fortgefchafft werden können, werfen keine andere Rente
ab, als das Getreideland, weil im entgegengejebten Falle das
Angebot und der Preis ſich bald. verändern und dadurch das
Gleichgewicht wieder hergeftellt werden würde (a). 2) Stoffe,
deren Erzeugung eine befondere Befchaffenheit des Landes vor⸗
ausfept, Fönnen eine größere Rente geben, wenn foldyes Rand
in geringer Menge für den Begehr vorhanden if, und ihr Preis
fönnte foweit fleigen, daß es fich verlohnte, Aderland zu ihrer
Gewinnung befonderd zuzurichten (6). 3) Ebenfo kann audy in
der Nähe ded Marktes der Anbau von fchwer zu verfendenden
Gewaͤchſen eine flärfere Rente gewähren, als der Getreidebau,
$. 214 d). 4) Grundftüde, welche zu einer nicht landwirth⸗
Ichaftlichen Benugung vorzüglich tauglich find, 3. B. zum Berge
bau, koͤnnen fehr hohe Renten abwerfen, weil hier das Mit-
werben. feine natürliche Graͤnze findet (c). 5) Stoffe, die auch
auf einem zum Aderbau nicht mehr geeigneten Boden gewonnen
werben fönnen, geben geringen Reinertrag (d). 6) Die Rente
des Aderlandes felbft zeigt in jedem Lande große Verfchieden-
heiten, denn der Landwirth hat in der Bewirthichaftung deſſelben
einen fo weiten Spielraum, daß er auch von fehr entlegenen
und unergiebigen Stüden noch einigen Bortheil zu ziehen vers
mag, während er unter den entgegengefegten Umftänden eine
ſchwunghafte Betriebsart wählt, die ihm eine hohe Rente ver-
ſpricht (e).
(ea) Nur infofern it Smith’s Sag riätig, daß die Rente des Getreide:
landes die der übrigen Ländereien beftimme. — Befämpfung ber von
Ricardo zu Grund gelegten Annahme, daß die Bobdenrente fich blos
nad) den. verfhiedenen Koften des Getreidebaues richte, in Bix letters
&
[0]
[C)
@
— 115 —
to 8.8. Peel... by a political economist (Banfield), Lond. 1843,
und Banfield, Four lectures ©. 50.
Nicht blos die guten Weinlagen, die Smith felbft von jener Regel
ausnahm, und das Mebland überhaupt, das mit einem anſehnlichen
Gapitale eingerichtet werben muß, gehören Hieher; aud mande andere
Gewaͤchſe erfortern befondere Bodenart und Lage. Gute Wielen J. B.
tragen wegen ber Gelegenheit zur Bewäflerung gewöhnlich mehr als
Aderland, Gartenland wegen der Bodenbeihaffenheit und Nähe ıc.
Aud) die Schönheit der Lage iſt biweilen die Mrfahe einer betracht⸗
lichen Rente, wie 3. B. auf der Güdfeite der Krimm, an der Küfte
des fhwarzen Meeres. Kohl, Reifen in Gübrußland, I, 317.
Zur Teläuterung — naqhſtehende Verhaältnißzahlen. Sept man den
NReinertrag des Morgens Ader zu 100, fo trägt der Morgen
IsJe [op — ejulı
Rad 22. (aislısilageliesiana] —ınalıselaro
Garten 202 258246 ‚2681293185 162,176) —
Wiefe 136,149) 92'200 149/113/105| 72/233
Weide 15| 37) 31| 44 301122) 25) 15| 16
Bald 2 —| 39 76 28 25 40) 61 38
| a
A ift die Steuerabſchaͤzung im Nedarkreife von MWürtemberg, wo ber
Morgen Ader 5 fl. 18 fr. rein trägt, B ber frühere bad. Murg- und
Bfnzkreis, C Niederöfterreih (Linden, Grundfteuerverf. d. öͤſterreich.
Mon. Beil. 39), D die franzoſiſche Steuerihägung, der Meinertrag des
Heltar Ader zu 26, Fr., E die JurasYemter im Ganton Bern, den
Morgen der ji 149 Br. (Bernoulli, Schweiz. Archiv, II, 70),
F ter preuß. Meg.:Beg. Düfeldorf (v. Biebahn, Etatif. u. Topogr.
des RB. Düf. ©. 152), @ Baiern (Bierl über Baierns landw.
Zuft., 1,Tab. V, 1844), H Gteiermarf (Hlubef, Die Landw. des 9.
&t. ©. 108. 1846), 1 Toscana (v. Raumer, Stalien, IL, 70)
In Belgien Reht im Durdfgnitt das Wiefenland zu 131, der Wald
zu Al gegen Mder, Houschling, Stat. ©. 77. Das Berhältnig
diefer Benugungsarten unter einander kann nicht in allen Zeiten und
Gegenden daflelde fein; in einem warmen Klima 3. ®. wird der Werth
der Wäflernirfen gegen die Aeder fleigen, der des Reblandes abnehmen.
Der obige hohe Ertrag der Weiden im Meg.:Wer. Düfleldorf rührt von
den ettiweiden am Mhein Her, welche den Werth von Wiefen haben.
Rach Abzug von 4 Kreifen geben die übrigen einen @rirag von 27 für
das Weibeland. — Schon Cato, De re rustien, Gap. 1. giebt biefe
Neihenfolge des Bodenertrages: Nebland — Wäflergarten — Beiden
gebüfd (salietum) — Delgarten — Wiefe — Ader — Wald, und
war zuerfi silva eaedus (Schlagwald? vergl. Walther, Manuale
Georgie.©. 295. 1822), dann arbustum (Baumftücd?), endlich Maftwald.
Im Königreih Hannover follen nach der Abfchägung 60,4 Procent bes
Ader: und. Gartenlandes die Ausfaat mur 2—Afadı tragen, 35,° Proc.
5—8 Kömer, 4,5 Proc. 9—12 R. Markard, Zur Beurtheil. des
Nationalwohlf. im 8. H. Tab. IH.
$. 219.
Der Verkehrswerth und mittlere Preis der Grundftüde bes
ſtimmt ſich nad) der Grundrente und bem üblichen Zinsfuße.
18°
— 56 —
Mer nämlicdy eine Summe auf eine einträgliche Weife anlegen
will, der fann unter anderen zwifchen dem Ausleihen gegen Zins
und dem Anfaufe von Ländereien wählen, und er wird dasjenige
Mittel vorziehen, welches ihm größere Einnahme verfpricht.
Wäre z. B. der übliche Zindfuß !/ıs oder 62/5 Procent, der
Preis von Grundftüden aber das 20fache der Grunbrente, fo
baß die Anfaufsfumme nur 5 Procent einbrächte, fo wäre es
nüglicher, Darleihen zu machen, ed würden mehr Capitale hiezu
al8 zum Anfaufe von Ländereien verwendet werden, der ‘Preis
der letzteren müßte wegen geringer Nachfrage finfen, der Zinsfuß
aber wegen des häufigen Angebotes ebenfalld herabgehen, bie
beide Anlegungen des Vermögens ohngefähr gleich vortheilhaft
würden. Daffelbe würde auf die entgegengefegte Weife dann
eintreten, wenn bie Grunbdftüde fo wohlfeil wären, daß man
mit einerlei Geldſumme mehr Grundrente ald Zins erwerben
fönnte. Ein Sinfen des Zindfußes bewirkt deßhalb, baß ber
Preis der Ländereien fteigt und umgekehrt, bis die Grundrente
ein beiläufig eben folcher Theil von der Kaufſumme wird, als
der Zind von dem audgelichenen Capitale (a). Doc ift fein
genaued Uebereinflimmen zu erwarten, indem 1) Grunbeigens
thum wegen der größeren Sicherheit ftärfer" begehrt und im Ber-
hältniffe zum Zinsfuß etwas höher bezahlt wird, 2) einzelne
Grundftüde von Feldarbeitern, die Land zur Gewinnung ihres
Bedarfs an Nahrungsmitteln und al8 Gelegenheit zur Beichäfr
tigung hochſchaͤtzen, lebhaft begehrt zu werben pflegt, aud)
3) bei den einzelnen Kauffällen häufig befondere Umftände, 3. 2.
perfönlihe Verhaͤltniſſe der Käufer und Verkäufer den Preis er
höhen oder erniedrigen (b).
(a) Diefen Satz kann man fo ausprüden:
z:0=r:p,
wobei z den üblichen Sins des Gapitales c, r die Grundrente, p den
Preis des Grundftüdes bezeichnet.
(6) In England drüdt man häufig den Preis des Landes fo aus, daß man
angiebt, eine wievieljährige Rente er in fich enthält, 3. B. 4 Proc. ift
25 years purchase. In Belgien betrug die Grundrente 1830 und 35
2,% Broc., 1840 2,65, 1846 2,8 Proc. des Mittelpreifes, und zwar
in Zuremburg, wo bie Güter über 5 Hektar über %/, der Flaͤche ein:
nehmen, am meiften, nämlich 4,3% Broc., im Hennegau, wo nur 10 Proc,
ber Oberfläche Guͤter jener Größe find, das min. von 2,50 Bror,
8. 220.
Die Rente fowohl von jeder befonderen Benugungsart bes
Bodens ald von der ganzen Oberfläche ift in jedem Lande, ja
felbft in jedem Fleineren Landſtriche nothwendig fehr ungleich.
Da, wo gewiſſe Bodenerzeugnifle den höchften “Preis haben,
fann auch die höchfte Rente der zu ihrer Gewinnung dienenden
Ländereien ftattfinden, ber Durdhfchnittöbetrag ber Grundrente
eined ganzen Bezirkes ift aber in dem Maaße niedriger, in wel«
hem auch Grundftüde von geringerer Güte, entfernter Lage ıc.
vorhanden find (a). Im Ganzen genommen muß die Grund-
tente mit der Volksmenge und dem Wohlftande eined Landes
zunehmen, wenn die anwachſende Nachfrage nad) Bodenerzeug-
niffen es nöthig macht, einen Theil ded Bedarfes mit immer
größeren SKoften zu erzeugen ober aus weiterer Berne herbeizu-
führen (5), alein die obengenannten DBerbefferungen in ber
Erzeugungd- und Berfendungsart ($. 216 a.) unterbrechen bie
fortfchreitende ‘Preiserhöhung der Bodenerzeugniffe nicht felten
und bewirken nur, daß die Rente der unergiebigeren und ent⸗
legeneren Rändereien dem Ertrage ber befferen und näheren wenis
ger nadjfteht als bisher (c). Die Veränderungen in den ‘Preifen
ber Rohftoffe zufolge ber Abwechfelung guter, mittlerer und
fchledhter Ernten und ber verfchiebenen Ausdehnung bed Begehre
bringen Schwankungen der natürlihen und felbft der aus⸗
bedungenen Rente hervor.
(a) In ſchwach bevölferten, noch nicht wohlhabenden Känbern, wo nur bie
beften Ländereien angebaut werden, entipringt die Rente faft nur aus
der Lage derielben und kann, weil unter ſolchen Umfländen die Forts
fhaffungsmittel noch unvolllommen zu fein pflegen, je nach der Ents
fernung vom Markte fehr ungleich fein. — In England madıte 1770
die Entfernung von London großen Unterfchied, die Rente war in
Berkſhire 19%/8, in Gumberland, defien Straßen Young als abfcheus
lich (execrable) befchreibt, nur Pi Schill. Im Jahre 1815 fand man
bei der amtlichen Erforſchung in Middlefer eine mittlere Rente des Acre
von 34 Schill. (max. wegen Londons), in Leiceſter 27 Sch. (wo gar
fein unproductives Land), in Worceſter 26, in Lancaſter 25 Schill.
(%s der Oberfläche Gehoͤlz oder öde), in Weſtmoreland 9 Sch. 1 P.
(min. %/; von jener Beichaffenheit). In Wales max. 19 Sch. Anglefen,
min. 4%, Sch. Merioneth. Yearbook of. gen. inform. 1843, &. 193. —
Caird (Engl. agric. ©. 480) giebt für das mittlere und weftliche
Gngland 315/48, für das öftlihe und die Südküſte 23%/; Sch., max.
Leiceſter 42, min. Durham 17 Sch. (zugleich geringfie Fruchtbarkeit). —
In Belgien war 1846 der Durchfchnittspreis des Heft. Ader, Wiele und
Wald im Hennegau 3688 Fr. (max.), in Luremburg 785 Fr. (min.),
— 273 —
im Durchſchnitt 2664 Fr. Hier verhält fi) das min. zum max. mie
1 zu 4,7. Dieß find jedoch Durchſchnitte ganzer Bezirke. Im Ein:
zelnen trifft man fchon in geringen Entfernungen fo große Berfchieten-
heiten an, daß in einer einzelnen Gemeindemarkung die beſten Grund⸗
ftüde 3. B. 10mal foviel einbringen fönnen als die fchlechteften. Sm
den wurtembergifhen Amts s Bezirken ift der Reinertrag des Ackerlandes
24 fr. — 5.31 fr. (1 : 17,39%), des Reblandes 2 fl. — 12 fl. 28 fr.
(1: 6,9), des Waldes 36 kr. — 1 fl. 40 fr. (1 : 2,7. >
(5) Daber ſteht aud die gleichzeitige Grundrente mehrerer Gegenden oft in
dem nämlichen Berhältnig wie die Bevölferung, doch jeigen die ftatifis _-
fhen Zahlen Feine fehle Regel, weil aud die Bodenbeichaffenheit,, die
Preife im Auslande ıc. mit einwirken. Beifpiele, wobei A die mittlere
Rente vom Morgen des benupten Landes, B tie gleichzeitige Bevölfes
rung auf der D-Meile anzeigt:
E———— ————_ I 1 nn sed
Rheinpreußen, 1829.| A | B | @ürtemberg.| A | B
— — — — —ñ — — — — —e — — — — ———
Neg.:Bez. Trier . . . |28Sgr.|3010|) Donaukreis . |3,% fl. 3300
ss Goblenz . .1|35 = 13860] Sartfreiis . . |3,% = |3600
: =: Aachen . . 153 s 14760| Schwarzwaldfreis4 | |- |4800
⸗ ⸗Koͤln.. . 166 = 15460) Nedarkreis . . |5,3 = |7200
:e = BDüfltof .|72 = |7280
(e) Der Bobdenertrag iſt in neuerer Seit in vielen Gegenden fehr vergrößert
worden. In der Heidelberger Gegend 3. B. wird feit ungefähr einem
halben Sahrhundert vom Morgen gegen !/ mehr Getreide geerntet.
Sn England foll 1770 der Durdichnittsertrag 23, 1830 26/5 Buſh.
Waizen geweſen und die Rente von 131/ı auf 26, Schill vom Acre
eftiegen fein; in Lincoln wuchs fie 3fah, in Gumberland 31/4, in
Northampton 42/ fach. Caird, Engl. agric. ©. 4 \
8. 221.
Die Grundrente, ald Folge der Koftenverfchiedenheit, iſt in
ber Natur der Erdarbeit gegründet, und mit jedem nur bie
unterfte Gränze überfteigenden Preife der Bodenerzeugnifle ift ein
gewiſſes Maaß der Landrente nothwendig verbunden, welches
den Grundeignern die Mittel zu einer unproductiven Berzehrung
darbietet. Man kann von einer hohen Grundrente nicht bie
guten volfewirthfchaftlichen Bolgen erwarten, die den hohen Lohn
begleiten ($. 199), denn fie fegt einen anfehnlichen Preis ber
Rohſtoffe voraus, der den Zehrern den Anfauf erfchwert, aud)
gelangt beim Steigen der Örundrente nicht die ganze Mehraus-
gabe der Käufer jener Stoffe an die Brundeigner, weil ein Theil
von ihr zur Beitreitung der Baus und Brachtfoften bei ben
minder dankbaren Grunditüden aufgeht. Indeß reichen folgende
Betrachtungen bin, um dad Dafein und felbft eine anfehnliche
Höhe der Orundrente nicht als eine fchädliche Gütervertheilung
erfcheinen zu laffen: 1) Da eine flarfe Bevölkerung die Lebens⸗
— 2793 —
mittel unvermeiblich vertheuert, jo ift es noch für nüglich zu
erachten, daß ihr Preis wenigftend für einen Theil der Laͤnde⸗
teien einen reinen Ueberfhuß gewährt. 2) Die Eigenthümer
werden durch die Ausficht auf größere Rente bewogen, ihre Läns
bereien in befleren Stand zu fegen und den landwirthichaftlichen
Betrieb zu verbefiern, woraus ihnen auch ohne Erhöhung der
Preiſe, zufolge des erweiterten Ertrages Gewinn erwaͤchſt. 3) Die
Urſachen, aud denen die Yruchtpreife und die Grundrente in
einem Lande einen hohen Betrag erreichen, bieten in den Vor⸗
theilen einer großen Bevölferung und eined fehr entwickelten
Gewerbeweſens wieder manche Entfhädigung für die Aufopferung
dar, welche den Käufern der Robftoffe auferlegt wird.
Dritte Abtheilung.
Die Zinsrente.
6. 222.
Der Eigenthümer eined Borrathed von beweglichen Gütern
hat die Wahl, ob er denſelben als Capital anlegen oder in
Genußmittel verwenden und für perfönlichen Vortheil verbrauchen
will, 8. 51. Zieht er jenes vor, fo entgeht ihm für den Augen-
bli€ der Guͤtergenuß, den er im letzteren Balle haben würbe,
und nicht felten muß er noch die Gefahr des Verluſtes übers
nehmen ober mancherlei Koften für die Erhaltung feines Capi⸗
tale aufmwenden. Sol er alfo bewogen werden, auf den gegens
wärtigen Genuß zu verzichten, Güter überzufparen, zu fammeln
und zu Capital zu machen, fo muß ihm nicht blos Erfaß jener
Ausgaben, fondern auch ein Bortheil anderer Art, nämlid ein
jährlicdyes Einfommen zufließen, welches fo lange fortdauert, als
fein Capital. Auf diefe Weife wird das bloße Eigenthum eines
Capitaled für den Einzelnen ebenfo wie dad Orundeigenthum
die Duelle eined Einfommensd, welches Capitals, Sta mme
oder Zind-Rente heißt, $. 139.
$. 223.
Die Capitalrente kann ebenfalls, wie die Grundrente (8. 207),
in die natürliche und die ausbedungene getheilt werden.
Jene ift mit dem Gewerböverbienft (8. 139) verfchmolzen und
laͤßt fi) nur dadurch in Gedanken ausſcheiden, daß man übers
legt, welche Rente das Capital ohne eigene Arbeit ded Eigen»
thümer® beim Vermiethen oder Ausleihen einbringen würde. Die
bedungene Bapitalrente erhält verfchiedene Benennungen nad) der
Art der an andere Menfchen zur Benutzung überlafienen Capi⸗
tale und des hiedurch begründeten Rechtsverhaͤltniſſes (a).
1) Die Vergütung für den geftatteten Gebrauch folcher Ges
genftände, welche bei ihrer Anwendung nit fobald gänzlich
verzehrt, fondern nur allmälig verfchlechtert werden, bie man alfo
nach geendigter Benugung dem @igenthümer zurüdgiebt, ift der
Miethzins. Er findet bei der Vermiethung ftehender Capi⸗
tale Statt.
2) Die umlaufenden Capitale mit Einfhluß ded Geldes .
fönnen nicht gebraucht werden, ohne zugleich verbraucht oder
außgegeben zu werden (db). Bei ihnen fommt fein Bermiethen,
fondern ein Darleihen vor, indem nicht vdiefelben Dinge,
fondern andere gleicher Art zurüdgegeben werben. Die Ders
gütung für eine ſolche Darleihe eines apitales heißt Zins,
Leihzins oder Zinfen, Interefjen. Wird der Zins als
ein Theil (Bruch) des Bapitaled gedacht, fo heißt fein Ver⸗
hältniß zu diefem der Zinsfuß. Er wird gewöhnlid) nad)
Hunberttheilen des Capitales ausgebrüdt (c).
(a) Auch Genußmittel (8. 51. 54) fönnen vermiethet werden, wie bieß 3. 2.
bei Büchern, Zimmergeräthen, Betten, muficalifchen Inftrumenten, Klei⸗
bern und Wohnungen, die von Nichtproducenten (Confumenten) benußt
werden, vorfommt. Das Darleihen ift regelmäßig nur beim Gelde
uͤblich, wobei der Darleihende oft nicht weiß, ob der Schuldner baffelbe
productiv (zu Gapital) oder unproductiv verwenden wird, 6. 54. Der
Ginzelne rechnet auch die werbend angewenbeten Genußmittel au feinem
Gapitale (6. 53. 54), ohne darauf Nüdfiht zu nehmen, daß fie im
Sinne der Bolkswirthichaftslchre nicht zu dem Bapitale des Volkes ges
hören. Aus dieler Urfache werden die Benennungen Miethzins, Zinten
und Zinsfuß ohne Unterfhied von den wahren Kapitalen wie von den
vermietheten oder dargelichenen Genußmitteln gebraudt.
(5) Res, quae usu tolluntur vel minuuntur. L. 1. Dig. de usufr. ear.
rer. quae usu etc. (VII, 5.). Der Begriff der fogenannten fungiblen
Dinge (L. 2. $. 1. Dig. de rebus creditis, XII, 1) ift demnad in
der Natur der Sache gegründet.
(e) Benn 3. 3. 950 fl. Capital 38 fl. Zins tragen, fo ift das Verhältnig
38 zu 950 oder 8/gso der Zinsfuß, er beträgt "/as oder 4 Proc.
— 2831 —
8. 224.
Die Rente eined Eapitale® oder eined verlicehenen Genuß-
mitteld muß vor allem die Koften und Berlufte vergüten, welche
der Eigenthümer bei einer gewiffen Anwendung deſſelben zu
tragen bat, fonft würde er fein bewegliched Vermögen weber
Anderen überlafien noch felbft werbend anlegen wollen, $. 222.
Bildet die Capitalrente ein abgelondertes Einfommen, fo muß
jene Schabloßhaltung von der Bapitalrente abgezogen werben,
wie namentlich beim Vermiethen oder Ausleihen. Wird dagegen
ein Bapital in eine Gewerböunternehmung verwendet, fo gehören
jene Abzüge zu den Betriebsfoften und werben nicht mit ber
Gapitalrente vermengt. Die Art der zu verlangenden Vergütung
richtet fi) nach der Benugungsweife ded Gapitaled. 1) Bei
Gegenſtaͤnden, die beim Gebrauche nur allmälig verfchlechtert
werden, fommen in Betradht: a) Die Koften der Erhaltung und
Ausbeſſerung, foweit fie nicht von dem Miether getragen werben
müflen; b) ver Erfa für die allmälige Verminderung des Wer:
thes, wenn diefe nämlich durch die wiederholte Ausbeſſerung
nicht verhütet werden fann (a); c) die Gefahr des Unterganges
durch befondere, außergewöhnliche Unglüddfälle. Die Größe
diefer Gefahr läßt fi aus der Erfahrung ermitteln. Manche
Arten von Gefahren werden von den Berfidherungsanftalten
gegen eine beflimmte Vergütung übernommen. Im Yale der
wirflihen VBermiethung muß noch eine Vergütung hinzufommen
für die Bemühung, welche mit dem Auffuchen eines Miethers,
mit dem Ueberliefern, dem Uebernehmen nad) dem Ablaufe der
Miethe ꝛc. verbunden if. Diefe Mühe ift um fo beträchtlicher,
in je Heineren Abtheilungen und auf je fürzere Zeit man bie
Gegenftände vermiethet, wie 3. B. bei Büchern, Muficalien.
(a) Solche Dinge, bei denen man bie einzelnen ſchadhaft gewordenen Be
ſtandtheile erſezen kann, ohne daß das Ganze Hierunter leidet, Tönnen
eine ewige Dauer haben. Dieß ift aber nur bei wenigen Gütern der Fall.
$. 225.
2) Bei Darleihen fallen jene Ausgaben hinweg, weil ber
Untergang oder die Beichädigung der geliehenen Stüde dem
Darleiber (Zinsgläubiger) gleichgültig fein kann, woferne nur
— 232 —
ber Schuldner fonft noch vermögend iſt. Wäre für den Gläus
biger vollfommene Gewißheit vorhanden, daß er ununterbrochen
- fort die Zinfen beziehen und auf Verlangen zu jeder Zeit ben
Stamm zurüdbezahlt erhalten werde, fo fiele bei Darleihen der
Koftenfag ganz hinweg, außer etwa beim Ausleihen Kleiner
Summen, wo dad Ausdgeben, Rechnen, Befcheinigen ber Zins-
zahlung, Kündigen und Empfangen ber Hauptfumme anfehnliche
Mühe madıt, S. 100. Wo aber jene Gewißheit fehlt und ber
Zindgläubiger eine Gefahr übernimmt, da muß ihm diefe durch
einen Theil der Zinfen vergütet werden, den man, wenn ed an
einer hinreichend großen Menge von Erfahrungen nicht fehlte,
nach der Wahrfcheinlichkeit, d. i. nach dem Verhältniffe der Vers
luftfälle zu der ganzen Zahl von Darleihen berechnen müßte (a).
Da man jedoch ſolche Zahlenverhältniffe nicht leicht auffinden
fann, fo ftellt fi nur der Zins wegen der Abneigung ber
Gapitalbefiger vor einer Gefahr in eine berfelben ungefähr ent:
fprechende Abftufung. Die Gefahr fann bald in der ‘Berfönlichkeit
des Schuldners, bald in der Verwendungsart der gelichenen
Summe, bald in äußeren Umfländen, 3. 3. Kriegzeiten ıc.
liegen (b).
(a) Man hat diefe im Zinfe enthaltene Vergütung der Gefahr nad ber
Analogie der BBerficherungsanftalten die Aſ Terurangprämie ge
nannt. — De Molinari (Journ. des Econ. XXIII, 231) bemerkt,
daß dagegen auch die Befchwerde und die Gefahren der Aufbewahrung
fowie der Werthverringerung der Eapitale in Betradht kommen, als
Gründe, dic den Sigenthümer geneigt machen, fi) mit geringerem Zinfe
zu begnügen.
(4) Storch, 11, 20. — Nebenius, Der äffentl. Eredit, I, 4. — Her
mann, Untef. ©. 202.
| $. 226,
Diefe Ungleichheit der Gefahr bei Darleihen bat bemerfens-
werthe Wirkungen. 1) Der Zinsfuß muß hoc) ftehen in Zeiten
oder Ländern, wo bie rechtliche Ordnung noch wenig befeftiget
ift und entweder die Gefege oder die Art ihrer Bollziehung den
Gläubigern nicht volle Sicherheit für ihre Forderungen geben.
Gute Rechtspflege und wohlgeordnetes Hypothekenweſen bewir⸗
ken, daß der Zinsfuß niedriger wird, und das Sinken deſſelben
ſeit dem Mittelalter iſt zum Theile aus dieſer Urſache zu er-
flären (a). 2) Er muß auch in einem und demfelben Lande und
— 2833 —
Zeitpumcte bei ben einzelnen Darleihen von ungleicher Größe
fein, und zwar a) am niebrigften, wenn der Gläubiger ſich durch
verpfändete Grundflüde oder Bauftpfänder völlig gefichert ficht,
b) höher, wenn die Befriedigung des Gläubigers von dem Leben
und der Handlungsweife des Schuldners bedingt ifl, c) am
höchften, wenn ber Bläubiger die Gefahr einer gewagten Unters
nehmung zu tragen hat, wie bei Bodmereis und Örosaventurs
Schulden. d) Ob Regierungen mehr oder weniger Zins bezahlen
müflen, ald bie einzelnen Bürger, dieß hängt von dem Grade
bed Vertrauens ab, den ihre Feftigfeit, der Umfang ihrer Huͤlfs⸗
mittel und die an den Tag gelegte VBünctlichfeit in der Erfül-
lung von Berbindlichfeiten zu erweden vermögen.
(a) Hoher Zinsfuß in der Türkei, Berfien ıc., in Ehina monatlih 2—3
Proc. — Im Mittelalter kommen zahlreiche Beifpiele von 15—20 Proc.
vor, Rofher, Syſtem, I, 334.
$. 227.
Wie die biöher betrachtete Schadloshaltung bed Capital-
befigerd ($. 224—26) die Untergränge der bedungenen Capital⸗
tente bildet, fo ergiebt fich aus dem Werthe der Capitalbenugung
für den Miether oder Borger, wie viel derſelbe höchſtens für
ben Gebrauch der ihm überlaffenen Güter zu entrichten geneigt
ift (Obergränze, max.). Wenn das geliehene Bermögen 1) ale
Gapital zur Betreibung von Gewerböunternehmungen dienen
fol, fo fann ber Unternehmer vefto mehr Zins abgeben, je mehr
ihm nad) Beftreitung der übrigen Ausgaben von dem gefamm-
ten Erlöfe noch übrig bleibt, nur muß ihm die Gapitalrente
immer einen ſolchen ®ewerböverbienft übrig laffen, der ihn zur
Fortfegung der Unternehmung ermuntert. Die Einträglidjfeit
der Unternehmungen beftimmt daher das höchfte Maaß ber Zinfen.
Iſt Schon ein großes Kapital in die Gewerbe eined Landes vers
wendet, find die einträglichften Unternehmungen ſchon vollftändig
in Gang gefommen, fo giebt die Anlegung weiterer Gapitale
geringere Gewinnfte, die Unternehmer können auch nur geringere
Zinfen dafür anbieten und es muß dadurch ber Zinsfuß im All⸗
gemeinen erniebrigt werben. Se mehr inöbefonbere der Kohn der
Arbeiter von dem Gewerbsertrage binwegnimmt, deſto Fleiner
fallen die Antheile der Gapitaliften und Unternehmer aus,
— 234 —
8. 188. — Inzwiſchen geben bisweilen erhebliche Yortfchritte
in ber Gewerböfunft, 3.3. im Mafchinenwefen oder im Handel,
audy bei capitalzeihen Völfern zu fehr belohnenden Unternehs
mungen Anlaß. 2) Bei Genußmitteln entfcheidet dad Bebürfs
niß und bie Werthfchägung besjenigen, der fie miethen ober
borgen will. Die hoͤchſte Zinsrente kann von Perfonen ent
richtet werben, die eine Art von Gütern zur Beftreitung eined
dringenden Beduͤrfniſſes zu erlangen fuchen.
$. 228.
Wie weit die Zindrente jenen Koftenerfat (die Schadloshal⸗
tung) überfteigen müffe, um den Eigenthümer zu bewegen, baß
er feinem beweglichen Dermögen eine werbende Verwendung
gebe ($. 222), läßt ſich im Allgemeinen nicht beftimmen (a).
Die Gewohnheit hat hierauf ſtarken Einfluß und die Mehrzahl
ber apitaliften begnügt fi) mit dem üblichen Betrage der Zins⸗
rente, wie ihn das jedesmalige Mitwerben feftftellt, während
nur ein Fleiner Theil von ihnen bei fehr niedrigem Stande ders
jelben in Verſuchung geräth, die Rente ganz aufzuopfern und
dafür dad Vermögen zu eigenem Genuß zu verwenden. Hiezu
fommt, daß man nicht allein ber Zinfen wegen, fondern aud)
bazu fpart, um in dem gefammelten Vermögen eine Hülfe zu
mandherlei Zweden, 3. B. einen Nothpfennig, zu befigen (d).
Der Antrieb zum Ueberfparen neuer Bapitale pflegt aber aller»
dings defto ftärfer zu fein, je höher die Zinsrente fteigt.
(a) Dielen Diehrertrag der Gapitalrente über den Koftenerfab nennt Hers
mann (Unter. ©. 202) im engeren Sinne Zins — Aus obigem
Grunde erklärt Senior die Gapitalrente als den Lohn der Enthalt⸗
famfeit Les Gapitaliften.
(5) In den vereinigten Niederlanden begnügte man fi im vorigen Jahrs
hundert mit 2—3 Proc. — v. Schröder, Fürfll. Schatz⸗ und Ötent-
fammer, 226. — Smith, Unterf. 1, 142. — Auch in Spanien liehen
Privaten gerne für 2—3 Proc. der Gefellihaft los Gremios, Bour:
—28 N, Reiſe a. d. Franz I, 248. — Vgl. Rau, zu Storch,
u. 97.
$. 229.
Der Miethzind wird zunächft von dem jedeömaligen Anger
bote und Begehre jeder befonderen Art wermietheter Gegenftände
beftiimmt. In einem einzelnen Zeitpuncte kann ed geichehen,
bag einige vermiethete Dinge eine hohe, andere eine niedrige,
— 1 —
Rente abwerfen. Da jedoch dieſelben fuͤr Geld angeſchafft und
verkauft werden koͤnnen, fo muß das Angebot ſich nach Maaß⸗
gabe des höheren oder niedrigeren Miethzinſes in Kurzem erwei⸗
tern oder verengern, und fo ftellt fi auch bier allmälig das
Gleichgewicht dergeftalt ber, daß nach Abzug der Koften überall
ein gleiched reines Einkommen von der Zinsrente übrig bleibt.
Manche Umftände Fönnen diefe Veraͤnderung des Angebotes
mehr oder weniger erfchweren, im Allgemeinen aber muß der bei.
Gelddarleihen ftattfindende Zindfuß den Ertrag aller anderer
Arten verliehener Güter regeln (a).
(a) Der Mietbzins von Häufern insbefondere fann da, wo nod Raum für
neue Bauten ift, nicht viel über diefen Sag fleigen, weil man fonft
fi) beeifern würte, neue Gebäude aufzuführen oder doch die alten zu
erweitern und zu erhöhen; aber er kann beträchtlich tiefer finten.
Storch, I, 232. Dagegen muß ber Preis der Häufer in Städten,
wo es an wohlgelegenen Bauplägen gebridht, in den gefuchten Lagen
fleigen, und umgekehrt an foldhen Orten finfen, wo ber Begehr von
Wohnungen fi ſtark vermindert hat, fo daB der jedesmalige Preis,
von den Baufoften abweichend, doch zu dem Miethertrage ungefähr in
demjelben Verhaͤltniß fleht, wie ein geliehenes Capital zu dem Zinfe.
Wo die Miethe mehr einträgt, als ven Zins der Baufoften, da drüdt
fih tiefer Vorzug der Lage eines Haufes ın der Rente und dem Preiſe
des Bauplatzes aus, III, 6. 345. Im der Gegend bes Palais-royal
zu Paris bezahlt man tie Q.Toiſe Bauplap (44,4 bad. Q.Fuß) mit
2500 und mehr Franken, in Mancheſter und Liverpool geht der Preis
des D,Dard (9,29 Q.Fuß) bis auf 40 8. St., Roſcher, I, 280.
$. 230.
Der Zinsfuß von Gelddarleihen wird innerhalb der vorhin
($. 225. 226) betrachteten Graͤnzen zu jeder Zeit und in jedem
Lande durch das BVerhältnig zwifchen dem Angebote und Bes
gehre von Bapitalen geregelt. Nachdem das Geld völlig in den
Verkehr eingedrungen ift, werden alle Gapitale nur in Geldform
audgelicehen und zurüdgezahlt, daher befteht dad Angebot zus
nächft in der Menge verleihbarer Geldfummen und man fommt
hiedurch leicht in Verſuchung, die legteren ſchon für fih allein
al8 die wahren Capitale anzufehen (a), obgleich offenbar bei
jener Verwendung das Geldcapital erft in eine andere Art von
Eapitaltheilen umgefegt werden muß. ine Geldfumme ift dann
verleihbar, wenn der Befiger ihrer nicht zu nothwendigen Aus»
gaben bedarf. Es iſt aber erft zu unterfuchen, ob jede verleih-
bare Geldſumme einen im Lande vorhandenen Vorrath von bes
weglichen Productionsmitteln, d. h. von anderen, unmittelbar
— 286 —
wirkenden Capitalen anzeige. Eine Geldſumme fann ſich auf
verſchiedenen Wegen bilden. 1) Sie wird aus einem Einkom⸗
men übergefpart,$. 133. Da die meiften Einkuͤnfte unmittelbar oder
mittelbar aus der Erzeugung neuer Güter herrühren, fo ift eine
erfparte Summe in der Regel ein Zeichen vom Dafein einer Mafle
neu hervorgebrachter Güter irgend einer Art (6). 2) Sie ift der
Erfag eined fchon vorhanden geweſenen Gütervorrathes, und
zwar a) eined in einem Gewerbe aufgewendeten Gapitaled. If
ed ein hervorbringendes Gewerbe, fo erfolgt dieſer Erfag un-
mittelbar aus dem Gelderlöfe für ein neues Oütererzeugniß; ift
die Unternehmung nicht felbft productiv, fo muß man dody an⸗
nehmen, daß ihr Geldertrag aus dem Kinfommen herfließe,
welches die &ütererzeugung den bei ihr betheiligten Perſonen
gewährt. b) Die Gelbeinnahme fann aber auch ohne Gewerbe»
betrieb daraus entflehen, daß ältere Vermoͤgenstheile gegenein-
ander umgewechfelt werden, 3. B. aus dem Berfaufe von Grund⸗
ftüdfen, Gebäuden, Rechten, Genußmitteln, Schuldurfunden, ferner
aus der Einziehung ausftehender Forderungen. Eine auf dieſe
Weife eingenommene Geldſumme beweift offenbar nicht das Vor⸗
handenſein einer Fäuflichen Menge beweglicher, ald Kapital brauch⸗
barer Dinge von gleichen Preisbetrage, e8 muß vielmehr ange⸗
nommen werden, daß irgend eine andere Perſon gerade um fo viel
weniger audzuleihen hat, indem von ihr die Geldſumme zu dem
Ankaufe ıc. bergegeben worden ift. Die zu dieſer Abtheilung
(2b) gehörenden verleihbaren Summen bilden folglid Fein
wahres auf den Zindfuß wirfendes Gapitalangebot. 3) Bei
Geldzuflüffen vom Auslande ift es gleichfalls einleuchtend, daß
fie feine Bermehrung anderer Sachguͤter andeuten.
Welchen Theil der verleihbaren Gapitale die Befiger felbft
werbend anwenden, bieß ift in Hinſicht auf ben Zins ziemlich
unerheblich, denn je häufiger die Gapitaliften felbft als Unter⸗
nehmer auftreten, defto mehr vermindert fidy die Gelegenheit zu
Gewerbögefchäften anderer PBerfonen und damit zugleich der Ber
gehr von Darleihen.
(a) So nennt Steuart (1, 119), wie viele andere nah ihm, die Zinfen
„den Breis des Geldes." Auch Verri (Mediationi 6. XIV) fpridt
diefen Irrthum deutlih aus, und ebenfo Genoveſi (LI, 24047),
der fogar Hume zu widerlegen ſucht. Im gemeinen Leben fagt man
Öfters, das Geld fei wohlfeil, um damit den niedrigen Zinefuß zu bes
— 237 —
‘
zeichnen. — Die ganze Menge ber ausftehenben verzinslichen Korberuns
en ($. 54) dürfte noch weniger für das Angebot von Capitalen ge-
Balten werden, denn der Schuldner ift großentheild gar nicht mehr im
Befige eines entiprechenden Eapitales, wie 3. B. bei vielen Unterpfand:
ſchulden, oder befigt wenigftens nur ein hinreichend großes ſtehendes
Capital, welches nicht zurüdgezogen werden kann. Wird tem Schuld⸗
ner gefündiget, fo muß er einen anderen Darleiher oder einen Käufer
feines Bermögens aufluchen, oder ein umlaufendes Capital zurüdzichen,
es entiteht alio mit dem Angebot der Leihfumme durch den fündigenden
Glaͤubiger zugleid ein neuer Begehr auf Seite des Schuldners, wo⸗
durch die Wirkung tes erfteren wieder aufgehoben wird.
(5) Wenn ein Theilnehmer an der Production einer Quantität von Waaren
A 1000 fl. zurüdlegt und als Capital verwendet, fo kauft er freilid
nicht gerade damit diefe Güter A, fondern andere B, C sc., wie es feine
Gewerbszwecke mit fidh bringen.
$. 231.
Der Begehr von verleihbaren Capitalen beftimmt fich 1) bei
ber werbenden Anmendung bderfelben nad) der Menge der ſich
barbietenden Gelegenheiten zu einträglichen Unternehmungen (a).
Wieviel Capital in den productiven Gewerben nod) neu anges
legt werben fann, dieß hängt davon ab, welche Erweiterungen
die Stoffarbeiten und der Handel zulaffen. Die Umftände, von
denen die Gründung neuer Unternehmungen fo wie die Aus
behnung der ſchon beftehenden hauptfächlich begünftigt wird (d),
find a) die Menge und Fruchtbarkeit ded zum Anbau taug-
lihen und noch nidt vollfommen benugten Bodend, an dem
befonderd neu und ſchwach bevölferte Länder Ueberfluß haben,
und der Borrath von Naturerzeugnifien, 3. B. Erzen oder Stein»
fohlen; b) die Menge guter Arbeiter; c) die Gefchidlichfeit und
der Eifer der Unternehmer. Vorzüglich in ihnen lebt die einem
Lunde eigen gewordene Gewerböfunft, deren Ausbildung mehr
und mehr Gapitale in die Gewerbe zieht, theild um die Erzeugung
zu vergrößern, theils um diefelbe mit dem Beiftande ftehender
Hülfsmittel wohlfeiler zu bewirken; d) die Leichtigfeit des Ab-
fage8, wozu die guten Fortfchaffungsmittel, die Verbindungen
mit dem Auslande (c), die gute Vertheilung des Guͤtererzeug⸗
niſſes unter bie verfchiedenen Volksclaſſen, die Neigung ber
Bürger zu mandjerlei Verzehrungen ıc. beitragen.
(a) Bei der eigenen Anwendung eines Capitales muß bem ‚Bigenthümer
außer feinen übrigen Einnahmen wenigftens foviel @apitalrente zu:
fallen, als er beim Ausleihen erhielte, denn fonft würde er letzteres
vorziehen.
— 288 —
(5) Der Einfluß der Regierungsmaaßregeln, die den Gegenſtand bes 2ten
Bandes bilden, bleibt hier noch unberüdfichtiget, fonft wäre der Schuß
und bie Freiheit der Gewerbsunternehmungen und dergl. anzuführen.
(e) Der auswärtige Handel ift der Ausdehnung einzelner Productionszweige
vorzüglich förderlich, da er einen weit über die Graͤnzen der inländifchen
Confumtion hinausgehenden Markt eröffnet.
$. 232.
2) Summen, die zu einem nicht werbenden Gebrauche bar-
geliehen werden, hören in den Händen ber Schuldner auf, Ca⸗
pitale zu fein, nehmen aber biöweilen diefe Eigenfchaft wieder
an, wenn fie an einen andern Beliter gelangt find, ber fie al
Ermwerbömittel benugt. Diefer Umftand ift jedoh in Hinficht
auf die Wirfung des Begehrs gleichgültig. Diefer richtet fich
nad) der Häufigkeit des Beduͤrfniſſes folcher Darleihen ($. 227
Nr. 2), fowohl von den Regierungen ald von Privatperfonen
und ift je nad) den Zeitumftänden fehr ungleich, wie ihn 3. 2.
Mißjahre und andere Unglüdsfälle vergrößern. In den erften
Perioden der gefelligen Ausbildung müffen Darleihen diefer Art
bie gewöhnlichen geweſen fein, und in allen Zeiten fommen fie
neben ben übrigen häufig vor. Das Unterfcheidende liegt darin,
daß derjenige, weldyer zu borgen fucht, um ein dringended Bes
dürfniß zu befriedigen oder eine unverfchieblihe-Audgabe zu bes
ftreiten, fich durch die Forderung eines fehr hohen Zinſes nicht
abhalten läßt, den Vertrag einzugehen, während derjenige, der
nur borgen will, um Gewinn zu machen, in einem folchen Falle
von dem Begehre zurüdtreten würde. Bei ſchwachem Angebote
von Eapitalen fann daher in Darleihen jener Art der Zins eine
Höhe erreichen, zu der ihn die Einträglichfeit der Unternehmuns
gen nicht leicht zu bringen vermoͤchte. Die Erfahrung zeigt,
daß in einzelnen Fällen die Beprängten auch bei guter Sichers
heit Zinfen von einer faft unerfchwinglichen Höhe geben müffen,
zumal da die meiften Begüterten es verfchmähen, ihr Ber:
mögen in Eleinen Summen auszuleihen und auf die Bermögens-
‚umftände ihrer Schuldner fortwährend forgfältig Acht zu geben,
wie fie es thun müßten, um nicht Gefahr zu laufen (a).
(a) Sane vetus urbi foenebre malum et seditionum discordiarumque cre-
berrims causa, Tacit. A. VI, 16. Die Zwölf: Tafelgefepe erlaubten
öchftens das unciarium foenus, d. h. !/ıs oder 81/s Nrocent für das
F von 10 Monaten, alſo 10 Proc. für ein volles Jahr. Nach ten
Belegen der Hindus durften Braminen nicht über 2, Soldaten 3,
— 289 —
Kaufleute A, andere Claſſen nicht über 5 Proc. monailich fordern;
hieraus ift zu fchließen, daß Zinfen über 60 Proc. vorgefommen was
ten, Müller, Ratio et historia odii quo foenus habitum est. Gött,
1821. ©. 9. gl. Smith, Unterf. I, 147. — Ueberaus hohe Binfen
werden durch die Kleinheit der Summe und die Kürze ter Friſt noch
einigermaßen erträglih. Gin Mann in London borgte 5 Schill. aus
Noth für Y Schill. täglich und entrichtete diefen Zins von 10 Broc.
30 Tage hindurch, bis er die Schuld abfragen fonnte! Auch Obſt⸗
und Gemüfehändler in London bezahlen wohl 3—4 Schill. Wochenzins
für das 2. St. (15—20 Proc. wöhentlih). Mayhew, London la-
bour, I, 29.
6. 232.8.
Der Zinsfuß ift daher auch bei voller Sicherheit in ſolchen
Ländern oder Zeiten hoch, wo die Menge von Capital im Bers
hältniß zu den vorhandenen Gewerbögelegenheiten unzureichend
erfcheint, zumal da in folchen Bällen die großen Gewinnfte der
Unternehmer ($. 227) den Begehr von Gapital verftärfen (a).
Diefe Umftände finden fi 1) fortwährend in Rändern, deren
Gewerbfleiß noch ſchwach ift oder fich wenigftend noch in der
erften rafchen Entwidlung befindet, wo noch viele Zweige ber
Hervorbringung unbenugt liegen und die Bülle der Kräfte von
dem anwachſenden Gapitale nicht fohnell genug befchäftiget wer⸗
den fann (6); 2) vorübergehend auch in den Ländern von
älterem, ausgebildeterem Gewerbewefen, wenn bie Umftände ents
weber eine Verminderung bed gejammten Capitaled, ober eine
befonderd erhebliche Bervollfommnung der Gewerbe ($. 227)
herbeiführen (c). Auch zwifchen einzelnen Gegenden eined Landes
finden im Begehre und Angebote von Gapitalen Berfchiebens.
heiten ftatt, die fich im Zindfuß bemerklich machen (d).
(a) Ricardo (21. Ir glaubt, nur die Erhöhung des Lohnes wegen
ber Junepmenden Koftbarfeit des Unterhaltes fönne bei dem Anwachſe
des GBapitales die Bapitalgewinnfte erniedrigen, denn wo jene Schwie- '
rigfeit nicht vorhanden fei, da könne jedes neue Eapital gut angewendet
werden, weil bei einer gleichmäßigen Ausdehnung aller Productions:
weige immer das ganze Erzeugniß Abſatz finden Tann, indem die eine
aare die Mittel zum Ankauf der anderen bdarbiete. Allein das Ca⸗
ital ift nur eine der Productionsbedingungen und feine Wirkungen
nd ſehr ungleich.
(d) In Rußland beträgt der Zinsfuß 8— 10 Procent (Storch, II, 29),
in Sübrußland 10—12, in Nordamerica 10—12 (der gefegliche Zins⸗
fuß geht in den neuen Staaten der Union bie 10 Proc., in mehreren
—Y Staaten beſteht keine geſetzliche Beſtimmung, Chevalier,
Briefe, I, 71), in Brafllin 12 Proc. (Spix und Martius, Keiſe,
I, 131), fo aud in Serbien, in Benezuela 12—18, in Albanien 12— 24,
in Griechenland bei guter Sicherheit 15—16, in der Türkei 18—24
Rau, polit. Delon. L 7. Ausg. 19
— 2% —
Proc. (Griſeb ach, Reiſe d. Rumelien, 1839, I, 184). — In Potoſi
lieb & Temple 1726 zu 30 Proc. gegen ſichere Fauſtpyfaͤnder, es
waren ihm ſogat 4 Proc. monatlich geboten (Berghaus, Annalen,
April 1831, S. 73), auch in Mexico erhaͤlt man 36 Proc. — In
Galifornien fonnte man um das Jahr 1853 auch bei guter Sicherheit
3—4 Broc. monatlih erhalten, wozu befonders die großen Gewinnſte
an dem Anfaufe der Baupläße (lots) beitrugen.
() Smith, 1, 136 ff. — Lotz, Hand. I, 480. — In England flieg
nach dem Yrieten von 1763 der Zinsfuß, weil bie neuen (öriwerbungen
in America den Begehr von Bapitalien erweiterten. — Bin merfwürdiges
Beifpiel gab 1846 das Steigen des Zinsfußes und das Sinfen des
Preifes der Actien und Staatsfchuldbriefe in Curopa wegen des durch
bie Gifenbahnbauten gefteigerten Begehre, weil man mehr Gapital auf
diefe Anlagen verwendete, als die neuen Erſparniſſe betrugen. Die
europäiichen Bifenbahnen haben bis 1855 über 4200 Mill. fl. gefoftet.
(d) In Paris konnte man früherhin nur zu 21/%—3 Proc. Capitale ficher
anlegen, während in den Departements der Zins viel höher, meiſtens
5, öfters 6 und ſelbſt S—10 Proc. war, weshalb viele Gapitale aus
der Hauptftabt in die Provinzen gefendet wurden. Dieß wird durch bie
neuerlihen GBrfundigungen zum Behufe der Verfammlung der @ewerbe:
räthe im Jahre 1846 beftätigt, Moniteur, 1846. Mr. 12. Auch neuerlich
find Darleihen auf Unterpfand nicht unter 6—T, und mit den Neben:
foften 9—10 Proc. zu haben, Kleine Gewerbeleute müflen 9—20 Bror.
geben. Coquelin in Journ. des Econ. Dec. 1851, ©. 365.
$. 233.
Der Zinsfuß iſt dagegen niebrig 1) bei hohem Wohlftande,
wo das Capital fich beträchtlich fchneller vermehrt hat als die
Volksmenge (8. 196), wo alle nüglichen Gewerböunternehmungen
fi) fchon mit Capital gefättiget haben und deßhalb das große
Mitwerben aller Arten von Waaren die Preife ven Koften nähert,
fo daß die Gewinnfte erniedrigt werben.” Man hat nicht zu
befürchten, daß unter diefen Umftänten das Capital des Volkes
nicht mehr wachen Fönne, denn nicht allein die @apitaliften und
Unternehmer, fondern auch die Arbeiter und die Grundeigner
vermögen bafjelbe durch ihre Erfparniffe zu vergrößern und
unter den vorerwähnten Umftänden pflegen Lohn und Grunbrente
anfehnlidy hoch zu fein. Die Kortfchritte des allgemeinen Reich»
thums führen daher zu einer Verringerung bed Zindfußes (a);
2) wenn bie Nachfrage nad) Eapitalen ober die Gelegenheit ihrer
vortheilhaften Verwendung fi vermindert. Diefer Umſtand
fönnte auch bei gleichem oder fogar verringertem Gapitalvorrathe
ein Herabgehen des Zinsfußes verurfachen, aber die Stodung
ber Gewerbe, die Dabei vorausgefept werben muß, wirb in einem
gut regierten Staate nur ald vorübergehende Folge ungünftiger
Ereigniffe erfheinen (2).
— 91 —
@ Gs erflärt ſich Hieraus, daß gewöhnlich Arbeitslohn und Gapitaltente
fi nad) entgegengefepten Richtungen ändern; jener fleigt, wenn biefe
finkt ıc. Daß beibe jugleid; body ftehen, if feltener der Gall. Smith
Unterf. I, 143. — Der niedrige Zinsfußi in einem Theile des Schwarze
waldes, 3. B. im Schavpacher Thale bei Wolfah, wo er 3—4 Proc.,
ja bisweilen nur 2,7 beträgt, rührt einerfeit6 von dem Reichthunne der
Bauern zufolge des vortkeifgaften ‚Holzabfaßes, andererſeits von dem
mangelnden Unternehmungseifer ber.
(&) 3. 8. durd die ſchweren Kriege Napoleons. — Gioja N. Prosp. III,
183. — Gay, Handbud, IV, 174.
8. 234.
Niedriger Zinsfuß zeigt folglich in ber Regel und für die
Dauer an, daß das Volksvermögen fortwährend im Steigen
begriffen und zugleich die aus der rechtlichen Ordnung hervors
gehende Sicherheit genügend iſt (a), Außert aber auch für fi
ſelbſt wieder günflige Folgen für bie Betriebfamfeit, weil er die
nügliche Anwendung ber Gapitale erleichtert. Mandye Erweis
terung und Bervollfommmung ber hervorbringenden Gewerbe,
die bei einem Zinsfuße von 5—6 Proc. unterbliebe, Tann
dann unternommen werben, wenn biefer auf 4 oder 3 Procent
herabſinkt, weil dann der Unternehmer noch einen belohnenden
Gewinn übrig behält (b). Wie nun bei jedem Sinken bes
Zinsfußes die Nachfrage nach den wohlfeiler gewordenen Dar
leihen fi) erweitert, fo muß dadurch nothwendig ein ferneres
Herabgehen des erfteren verhindert werben. Daher kann dieſes
Sinfen nur fehr almälig erfolgen (ec).
D k IC liche Grnicdrii
© bean Cnglans ner dem Sur Sie Borcumen, Selten Lupe
—8 fo l̃t fl .. vn —* auf die — den liegen
Jene änderten fie mei VIIL verbot, über 10 Proc. zu
nehmen, ER L RN 1625 nur 8 Proc., Karl II. 1650 nur 6,
Anna nur 4 Brocent; Gteuart, Seamäge u, 126. Smith, I,
138. — In Frankreich war der gefepliche Zinsfuß zu Anfang fe
16, Jahrh. 10 Bror., feit 1567 sh jeit 1601 6%, 1634 5'/s, 1665
5 Bror., Rofcher, I, 336.
(6) Die franzoͤſiſchen Gewerbsleute bettachten den niedrigen ginsfuß in
England und Belgien als eine der ürfachen weiche ihnen das Mit,
werben mit den Wabrifen biefer Länder erichweren, Enquöte comm. de
1834 an vielen Stellen, 3. 3. IIL 175.
($ Während z. 8. die Gayitale ſich von 100 auf 125 Mil., alfo im
Verhaͤltniß 4 : 5 vermehren, wird der Zins vielleicht nur von 5 an
4a Proc. finten, fo daß bie ganze Zinsrente fi von 5 Mil.
5625000 erhebt.
19%
— 232 —
$. 235.
Durch dieſes Tangfame Abnehmen bed Zinsfußes wird der
Nachtheil diefer Veränderung für die Capitaliften fehr gemilbert.
Diejenigen, welche einer nüslichen Thätigfeit fähig find, können
in die Elaffe der Unternehmer oder Dienftleiftenden übergehen
und fih auf dieſe Weife ein zweites Einkommen verfchaffen.
Nur diejenigen Bamilien, welchen feine anderen Erwerbswege
offen fiehen und welche bisher in ihren Zinfen gerade nur ihr
Ausfommen erhielten, find zu Einfchränfungen oder felbft zu
Entbehrungen gezwungen, wie denn überhaupt in ber Volks⸗
wirthichaft von Zeit zu Zeit einzelne, zum Glüde vorübergehende
und nicht weit un fich greifende Mißverhältniffe unvermeidlich
zum Borfchein fommen (a). Im Ganzen ift bei einer in ben
volföwirthfchaftlichen Verhältniffen, ohne befondere Einmifhung
ber Regierung, begründeten Erniedrigung des Zinsfußes nicht
zu beiorgen, daß man weniger Neigung haben werde Capital
zu erfparen, da bie Sicherheit und bie Leichtigkeit einer ben
individuellen Umftänden des Eigenthümers vollfommen ents
fprechenden Anlegung auch wieder eine flärfere Aufmunterung
dazu geben (b). -
(a) VBgl. Stord, II, 33. Bei lebhaftem Geldverkehre kommt aud ein
erade dieſer Claſſe dienliches Mittel auf, nämlich die Leibrenten.
Der Gapitalift verfchafft fih dadurd eine Zinsrente, die den gewoͤhn⸗
lihen Zinsfuß deko mehr überfleigt, je bejahrter er iſt; dagegen vers
fällt nad feinem Tode das Capital dem bisherigen Rentenfchulbner,
weßhalb allerdings diefes Hülfsmittel für die Familien der Gapitaliften
fehr nadıtheilig wirft, II, $. 368.
(6) ©. auch $. 199.220. — Die entgegengeichte Meinung, ar die Höhe
des Zinsfußes ein Zeichen von der Wohlfahrt und ben Kortfchritten
des Reichthums und der Bivilifation fei, in Considerations on the ac-
cumulation of capital and ‚its effects on exchangeable value. London,
1822, und Edinb. Rev. March 1824. S. 1—31; ähnlich urtheilt
M' Culloch, Grund. ©. 82. — 88 widerflreitet der Geſchichte, das
Beifpiel Hollande gum Belege jener auffallenden Behauptung anzuführen
und den Verfall diefes Staates aus dem niedrigen Zinsfuße abzuleiten.
Sn Eadir wie in Frankreich bemerkte man, as erade hoher Zinsfug
den Lurus nährte und vom Sparen abhielt, während in Holland die
Sparfamfeit ungeachtet der niedrigen Zinfen nicht abnahm. Sismonde
Bich. comm. I, 66.
$. 236.
. Die inige Meinung, baß der Zinsfuß fallen müffe, wenn
bie Geldinenge eined Landes fich vermehrt, entftand daraus, daß
man fonft Geld und Capital für gleichbedeutend anfah. Da
— 293 —
dad Geld nicht felbft zur Hervorbringung beiträgt, fondern in
andere Güter umgejegt werben muß, fo wird der Werth eines
in Geldform gefammelten Eapitaled von der Menge der dafür
einzutaufchenden anderen Gapitaltheile beftimmt ($. 64) und ver:
ändert fich mit den Preiſen jener anderen Güter. Das Angebot
von Eapitalen ift dann groß, wenn die zum Berleihen barges
botenen Geldfummen den Borgenden eine große Duantität von
Stoffen, Unterhaltsmitteln der Arbeiter u. dgl. zur Verfügung
ftellen, $. 230. Nun ift offenbar das Geld, aus welchem Stoffe
ed auch beftehen mag, fo wie andere in den Verfehr tretenbe
Güter den Gefegen des Preifes unterworfen, es wirb folglich
wohlfeiler, wenn feine Menge zunimmt und wenn ber ganze Zus
wachs auf dem. Markte erfcheint, um den Begehr von Waaren und
Arbeitern zu vergrößern, während die Maffe beider fich gleich bleibt,
$. 268. Sobald aber diefe Gegenftände im Preife gegen das
Geld geftiegen find, fo bedarf jeder Borgende einer größeren Geld»
fumme, um noch eben fo viel auszurichten, als zuvor; ber Begehr
von Gelbdarleihen hat fich gleichmäßig mit dem Angebote derfelben
vergrößert, das für Geld zu erfaufende Capital ift im Ganzen
noch baflelbe, der Zinsfuß kann fi alfo nicht vermindern (a).
(a) Dielen wichtigen Sag hat wert Hume überzeugend entwidelt, Bolit.
Verſuche, 4. Abb. — Vgl. Smith, I, 9. Bay. — Ginen auffallenden
Beweis bildet der Hohe Zinsfuß in dem goldreihen Galifornien, $. 232 a.
Eine Ausnahme hat Hume felbft angegeben. Sie beruht darauf, daß
unmittelbar nad) einer flarfen Vermehrung des Geldvorrathes, noch che
berfelbe häufig zu Ginfäufen verwendet worden ift, che folglid bie
Preife der Guͤter ganz auf ihre nachherige Höhe gefleigert worden find,
das größere Angebot von auszuleihenden Summen den Zins erniebrigen
fann. Diefe Wirkung fann aber nicht dauernd fein, es wäre denn,
daß durch die größere Lebhaftigfeit des Büterumlaufes die Production
und dadurch auch das wahre Bapital vergrößert würde. In Rom ſank
der Zinsfuß, ald Auguſt große Summen aus Aegypten dahin brachte,
und die Srundfläde fliegen im Breife. Sueton. Aug. 41. Der Zins
bob ſich aber auch bald wieder, er war unter Tiberius 6 Proc., wie
früher, f. die Nachweifungen bei Hume a. a. D. — Ein ähnliches
Verhaͤltniß findet bei dem Dieconto von Wechſeln Statt, der zwar wie
eine Zinsrente betrachtet werben fann, aber doch darum von dem augen»
blilihen Geldvorrathe einer Stadt abhängt, weil der Bedarf von
Summen zu diefem Behufe auf das fchnellfie befriediget werden muß
und oft wechſelt, $.288. — Faͤnde der Geldzuwachs andere Verwendungen,
* B. beim Ausleihen im Auslande, bei der Verarbeitung zu anderen
ingen, zur Befriedigung eines agleichgeitigen Geltbebärfnihes u. dgl.,
fo träte zwar feine Erhöhung der Waarenpreife, aber auch feine bauernde
Erniedrigung des Zinsfußes ein, Hermann, Untef. ©. 219.
— MM —
Vierte Abtheilung.
Der Gewerbsverdienſt.
$. 237,
Der Unternehmer eines Gewerbes empfängt den gefammten
(rohen) Ertrag befielben, welcher aus dem Erloͤſe für bie vers
fauften Gegenftände und ben für bie eigene Berzehrung zurüd-
behaltenen Gütern befteht, $. 70. Bon dieſem Ertrage hat ber
Unternehmer benjenigen Perfonen, die ihm bei dem Gewerbe
beiftanden, die ausbedungenen Antheile an Grund» und Capitals
tente und Arbeitslohn zu entrichten, ferner bie Anſchaffungs⸗
foften ber zum Gewerböbetriebe erforderlichen ®üter zu: bezahlen,
in fo ferne nicht der eine oder andere dieſer Antheile ihm felbft
gebührt (a). Was ihm nad) Abzug aller diefer Ausgaben (Ges
werbsfoften) als Belohnung für die Befchwerben, Mühen und
Gefahren feiner Unternehmung übrig bleibt, ift der Gewerbs⸗
verbienft ($. 139), profit de Pentrepreneur, nicht ganz ans
gemefien (5) Gewerbs⸗ oder Unternehmegewinn ge
nannt (c). Bei diefem Einfommen fann fein vertragsmaͤßiges
Ausbedingen vorfommen, wie bei den drei anderen Zweigen der
Einfünfte, weil ed unmittelbar von dem Erfolge der Unternebs
mungen und dem Betrage der aufgewendeten Gewerböfoften bes
flimmt wird. Deßhalb ift auch die Größe dieſes Einkommens
ber Gewerböleute (Unternehmer) anderen Berfonen am wenigften
befannt und kann nur aus verfchiedenen Kennzeichen annähernd
vermuthet werben (d). Der Gewerböverdienft ift aber nothwendig,
denn wenn er fehlte, fo würden die Unternehmungen aufhören,
nur etwa ſolche einfache auögenommen, zu denen ſich einzelne
Arbeiter entfchlöffen, um fortwährend in ihrer Beichäftigung
bleiben zu können, oder einzelne Grunds und apitalbefiger,
um ſich den Bezug einer gewiflen Rente zu fichern. Die Folge
wäre eine-folche Stodung ber Hervorbringung, baß entweber
dad Steigen ber Waarenpreife oder die Abnahme der Grund⸗
vente, der Gapitalrente und des Arbeitslohns bald ven Unter:
nehmern wieder die erforderliche Vergütung verfchaffte.
(a) Wie der Unternehmer in diefem Falle, wo das Bapital, oder das Grund⸗
ftüd ihm eigen gehört, rechnen muß, f. 6. 166. Es ift felten, daß
nicht wenigflens ein Theil des Eapitales ihm angehört, weßhalb man
gemeiniglid annimmt, Gewerbeverdienſt und Gapitalzins fliege in eine
— 295 —
und biefelbe Hand. Beide zufammen bilden in diefem alle das ganze
Gewerbseinfommen des Unternehmers, III, $. 358.
(6) Weil man unter Gewinn gewöhnlich eine reine Binnahme verſteht.
Stord, I, 180. 252.
(c) Beiſpiel nah Rennie bei Sinclair, Grundgeſ. Anh. S. 75. Gin
Landgut von 691 engl. Acres (1088 pr. M.) giebt 5792 2, St. Rob:
ertrag, welcher fih fo vertheilt:
1) Ausgaben, a) Arbeitsfoflen. . . . . 995 2. St. = 17,° Broc.
b) Bahtzine ...... 2212 = = 38% =
c) Bapitalzinfen .... 300 = : 58 5
d) Berzehrungen und un:
vorhergefeh. Ausgaben 1639 = = 28,3 -
zufammen 5146 8, &t. 88,9 Bor.
2) Gewerbeverdienſt des Bahtrs ... 646 = = — 11! =
Summa 5792 8. St. 100 Proc.
(4) Auch in der Wiffenfhaft find die Berhältnifie des Gewerbeverdienſtes
fpäter als die des Lohnes, der rund» und Zinsrente erforfcht worden,
f. vorzüglid Hermann, Untef. ©. 145.
$. 238.
Db der Gewerböverdienft neben ben anderen aus der Her,
vorbringung fließenden Einkünften (Grund⸗ und Capitalrente
und Lohn) als eine eigenthümliche vierte Art zu betrachten fei,
oder ob er nicht vielmehr zu einer der erfteren Arten gehöre,
darüber find die Meinungen getheilt. Einige Schriftfteller rechnen
ihn wirklich zu dem Lohne (a), andere zu der Gapitalrente, und
zwar entweder mit gänzlicher Vermiſchung beider (db), ober fo,
dag man ihn zwar von der Zinsrente trennt, jedoch beide unter
der Benennung Gapitalgewinn zufammenfaßt (c). Es ift
dem Wefen ber Sache am meiften angemeflen, den Gewerbövers
bienft als ein eigenthümliched Einfommen anzufehen, welches
aus ber innigen Verbindung ber Arbeit und des Capitales ent⸗
fpringt und in weldyem ber Antheil nicht auszufcheiden ift, den
jebe diefer beiden Urfachen an ihrer gemeinfchaftlihen Wirkung
hat (d). Dieß Einkommen unterfcheibet ſich wejentlich von ber
Gapitafeente, welche größtentheild reines Einfommen iſt, aber
auch von dem Lohne, weil ed nicht wie biefer ausbedungen
werden fann ($. 237) und nicht bloß von ber Thätigfeit bes
Unternehmers, fondern zugleich von der Größe des angewendeten
Capitales abhängt. Es kann betrachtet werben 1) nach feinem
ganzen Jahresbetrage, in Vergleich mit dem Unterhaltöbedarfe
des Unternehmers, 2) im Berhältnig zu dem Gapitale, als ein
gewifier Theil (Procentfag) deflelben (e).
— 296 —
(a) Canard, über. von Volk, S. 8. 9. 68. — Lotz, I, 471. — Say
nimmt drei Zweige des Binfommens an, nämlich Brunbrente, Bapitals
rente und SInduflriegewinn, und in dieſem wieder brei Abtbeilungen,
nämlich die Ginfünfte der Unternehmer, Gelehrten und Lohnarbeiter,
Handb. IV, 49. 97. Gbenfo von Prittwig, Volksw. $. 464 ff. —
del Valle, Corso de Ec. p. ©. 89 ftellt fünf Zweige des Einkommens
bio) auf, indem er den Induftriegewinn Say’s fogleih in jene brei
heile auflöft.
() Smith, — Ricardo, Grundgel. ©. 92. — von Schlözer,
Staatswirthſch. I, 53. — M'Culloch, Grundſ. ©. 8ı ff. — Se⸗
nior (vermuthlic zugleid ber Berf. des Auflages im Quarterly Rev.
Jan. 1831) faßt Zinsrente und Bewerbögewinn unter der Benennung
Profit zufammen, nimmt jedody (Outline, S. 214) zwei Theile des:
felben an, welche jenen beiden Einfünften entſprechen, ebenfo St. Milt,
I, 415, bei welbem der über die Zinsrente hinausgehende Theil bes
Capitalgewinnes feinen befonderen Namen bat.
(2) Sismondi, N. princ., I, 359. — v. Jafob, Brundf., $. 277—282.
Doch wird von demfelben in $. 292 bemerkt: „Der Profit des Unter-
nehmers ift nichts als eine Art von Lohn für die Arbeit, Muͤhe, Ge⸗
ſchicklichkeit, Gefahr sc., welche mit der Unternehmung verbunden find.“
(d) Stordh, I, 180. — Ganilh, Dictionn. analyt. ©. 358. — Her:
mann, ©. 148. — Courcelles-Seneuil in Dict. de !l’&c. pol. I.
(e) Wegen des genauen Zufammenhanges bed Bewerböverdienftes mit dem
Dapttale ift es gewöhnlich, jenen in Brocenten bes leßteren auszu⸗
en. -
$. 239.
Die Vergütung, welche der Unternehmer in feinem Verdienſte
anfprechen muß, und die folglich die Untergränge derſelben bilbet,
befteht aus zwei Theilen:
1) Unterbaltöbebdarf für ihn und feine Familie, in Ge
mäßheit feiner flandesmäßigen Bebürfnifie. Der Unternehmer
verlangt nothiwendig einen reichlicheren Gütergenuß, als feine
Zohnarbeiter, weßhalb ſchon bei verfehiedenen Bewerben, in benen
bie Arbeiter ungleich bezahlt find (8. 198), auch der Gewerbes
verdienft nicht derfelbe fein fann. Zubem ift die Mühe, Bes
eiferung und Kenntniß, welche zu einer Unternehmung gehört,
auch bei einerlei Betriebscapital in mehreren Gewerben ungleich,
und wenn der Gewerböverbienft nicht eine ähnliche Abftufung
. hätte, wie der Lohn, fo würden die fchwierigeren Gewerböges
Ihäfte von wenigen Menfchen ergriffen werden. Der Gewerbs-
verdienft muß daher immer wenigftens fo hoch fein, daß ber
Unternehmer bei dem geringften Umfange der Unternehmungen,
bee zur Verſorgung ded Marktes nothwendig ift, noch beftehen
kann (a). Beichäftigt aber die Leitung eined Gewerbes ben
— 2977 —
Unternehmer nicht völlig, fo kann fie auch nur einen Theil feiner
Unterhaltöfoften abwerfen. In foldhen Fällen, wo dieſe Leitung
bezahlten Gehülfen übertragen wird und dem eigentlichen Unter⸗
nehmer nur eine geringe Mitwirfung, etwa zu den wichtigften
Beichlüffen, übrig bleibt, ift diefer Theil der Vergütung nur
gering ober verſchwindet gänzlich (db).
2) Entfhädigung für die Gefahr manchfaltiger Verlufte
oder des gänzlichen Mißlingens einer Unternehmung, $. 137.
Die Stärfe diefer Gefahr hängt ab a) von der Größe des ans
gewenbeten Capitales, b) von ber Art der Unternehmungen,
welche, obfchon fein Gewerbe von Berluften ganz frei ift, doch
in dem Grad von Wahrfcheinlichfeit ungünftiger Ereignifle, in
ber Schwierigfeit, ven fünftigen Stand der Preife vorauszufehen
und dergl., fehr von einander abweichen (c).
(a) Wie diefe Unterhaltstoflen fih zu dem Gapitale verhalten, dieß fann
nicht wohl im Allgemeinen, fondern nur für eine gegebene Groͤße der
Unternehmungen beflimmt werden; wenn 3. B. bei einem Gewerbe,
welches 20000 fl. Capital befchäftiget, der Unterhalt des Unternehmers
auf 1000 fl. angefchlagen wird, fo beträgt ex 5 Procent des Gapitales,
er fleigt aber auf 61/4 Procent, wenn das Gewerbe nur mit 16000 fl.
Gapital betrieben wird. Gin Unternehmer, dem die Leitung einer klei⸗
neren Unternehmung genug zu thun giebt, kann doch aud einer größes
ren vorfleben, wenn er geihrdtere und befier bezahlte Gehuͤlfen beizieht.
Aber bei einer fo geringen Ausdehnung oder einer fo leichten Leitung
des Betriebes nimmt der Unternehmer an den Berrihtungen der bloßen
Lohnarbeiter Theil, daher ift in feinem Einfommen aud ein Antheil
von Arbeitslohn anzunehmen. Bei einem größeren Betriebe ift in ber
Regel der Umfang jeder einjelnen Gewerbsunternebmung durd bie
Umftände beflimmt, ba eine eiterung in den meiften Yällen durch
die Beichränttheit des Bapitales oder Abfapes, oder durch die Schwie-
rigfeit, einen größeren Betrieb noch zu leiten, verhindert wird. Wenn
nun der Gewerbsverdienſt die Unterhaltskoften bei dem geringfien bis⸗
berigen Umfange des Betriebes nicht mehr vergütete, fo müßten bie
Eleinften Unternehmer ihr Gewerbe aufgeben. Dieß fehte voraus, daß
diefelben nicht mehr nöthig find um die Abnehmer gehörig zu verforgen.
Wenn ein Unternehmer 1000 fl. für feinen Unterhalt braucht und ber
Gewerbsverdienſt nach Abzug der Vergũtung für das Rifico noch 4 Pros
cent des Capitales ausmadıt, fo koͤnnen feine Eleineren Unternehmungen
beftehen als mit 25000 fl. Gapital. (Bol. Rau, Zuf. 63 in Stord,
ID, 319.) Wären dagegen nicht genug große Unternehmer da, um den
anzen Bedarf zu liefern, fo würde der Preis des Erzeugnifies fo lange
eigen, bis er auch Hleineren Unternehmern die Bortfeßung des Betriebes
möglih machte. Kann ein Gapital von 3000 fl. ſchon einen Gewerbe:
mann befchäftigen und braucht derfelbe 500 fl., fo muß der Bewinnfag
16%/5 Procent fein. Dancer Krämer bat nur 1000 fl. oder weniger
Gapital und nimmt alio vielleiht 33 oder 40 Proc. Bewerböverdienft
ein, der jedoch großentheild nur wie gemeiner Arbeitslohn anzufehen if.
Das Einkommen eines wanbernden Krämers (Hauflrere) muß ein Mehr:
faches feines Heinen Gapitales fein.
— 9 —
( 3. 3. bei Actieninhabern einer großen Unternehmung, wo ber Cinzelne
nur an einer Sahresverfammlung theilnimmt, ober bei Rillen Geſell⸗
fhaftern. Der Berwalter einer Yabrif, eines Landgutes, einer Hand⸗
lung sc. iſt nicht ganz unabhängig, ex muß in widhtigen Dingen mit
dem Gigenthümer zu Rathe gehen.
(c) Je ne crois pas me tromper en disant, que sur 100 &tablissemens
industriels il y en a 20, qui s’&croulent avant d’avoir aucune consistance,
50 & 60, qui vegttent plus ou moins long-temps en attendant leur
chüte, et 10 au plus qui arrivent à un grand ötat de prosperits; et
encore, parmi ces &tablissomens exceptionnels, en compte-t-on dont les
chefs, aprös avoir jet6 un grand 6elat, percouru la carritre la plus
honorable et rendu des services signalds à l’industrie, ont rencontr6
des &cueils, devant lesquels ils ont &choud corps et diens. O’est donc
Yonsemble des £&tablissemens industriels qu’il faut oonsiderer. Godard
in der Enquäte commerce. de 1834, II, 233. — Ballfiihfang, Sflaven-
handel. Roſcher, I, 327.
$. 240,
Die Umftände, welche den Gewerböverbienft des einzelnen
Unternehmers beftimmen, deuten zugleich die Mittel an, die der⸗
felbe ergreifen kann, um ſich ein reichlicheres Einkommen zu ver-
ihaffen. Es find folgende: 1) in Bezug auf den Rohertrag:
a) Die Menge der Erzeugniffe, welche er zu verkaufen vermag,
alfo die Ausdehnung des Abſatzes, weil nicht nur mit
biefem bei einerlei Procentfag des Verdienſtes der ganze Betrag
befielben fleigt, fondern auch manche Gelegenheit zur Erfparung
an einzelnen Theilen der Koften entfteht, 8. 172. 243. Die
Unternehmer find daher gewöhnlich eifrig bedacht, ihren Abfag
zu erweitern, was theild auf Koften anderer Mitwerber, theils
durch Anregung neuer Käufer oder neuer Berwendungszwede
geihehen kann (a). b) Der Berfaufspreis, befien Erhöhung
jedoch, Falle eines monopoliftifchen Vorzuges abgerechnet, bes
Mitwerbens wegen fehwer zu bewirken, und fogar darum in
vielen Fällen nicht einmal vortheilhaft ift, weil fie eine Abnahme
ber verkauften Menge nach fi zieht. Kennt man ben bei jedem
gegebenen Preife zu erwartenden Abfag, fo kann man berechnen,
welcher Berfauföpreis ben größten reinen Gewinn verfpricht.
2) In Hinfiht auf die Ausgaben: a) Der erforderliche Be-
darf an Stoffen, Werkzeugen und Arbeit, worin bie Zortfchritte
ber Gewerböfunft viele Erfparungen moͤglich machen (6). b) Der
Preis, den man für die erwähnten Bedingungen ber Production
entrichten muß. Bei übrigens gleichbleibenden Umftänden ges
— 299 —
winnt der Unternehmer, wenn es ihm gelingt, die noͤthigen
Waaren, z. B. Rohſtoffe, wohlfeiler einzukaufen, die Arbeiter
um niedrigeren Lohn zu erhalten und die Capitale oder auch
die Grundſtuͤcke gegen eine geringere Rente zu benutzen. Von
diefen Mitteln, den Gewerbsverdienſt zu vergrößern, find einige
nur auf Koften der Käufer, der Mitwerber oder der zur Ers
zeugung Beihülfe leiftenden Perfonen ausführbar, jo daß fie nur
die Vertheilung abändern, andere aber auch in Beziehung auf
die ganze Volkswirthſchaft nuͤtzlich. Diefe zeigen fich zugleich
als die ficherften.
(c) Daher 3. B. die Bemühungen, fih vor Anderen hervorzuthun, Aufs
fehen zu erregen, Vertrauen zu erweden; Berbreitung von Ankündi-
gungen, Schauftellung von Waaren und dergl.
(5) Hierin if der Klugheit, Ginfiht und dem Cifer der Unternehmer ein
weites Feld geöffnet, während der Verkaufspreis weniger unter dem
Cinfluffe ihrer Bemühungen flcht; 3. B. Benutzung der Abfälle und
Abgänge, Bermeidung unnöthiger Bauten, Anwendung einer wohlfeis
leren Art von Stoffen, Holziparung sc. Die Anwendung ber heißen
Gebläfeluft (hot blast) in den Gifenhütten wurde 1830 durch Nelſon
in Glasgow eingeführt. In Deflerreih wird da, wo dieß Mittel in
Gebrauch if, eine Kohleneriparung von 15 Proc. und ein Mehrertrag
an Gifen von 10 Proc. bewirkt (Kz öornig). Die Halden (weggewors
fenen Maflen) der Bleibergwerke in Weardale find fürzlich als eiſen⸗
haltig (25—40 Proc.) erkannt worden. Auch die durch Abfürzung der
roductionszeit und Beichleunigung des Berfaufes bewirkte Erſparung an
Gapitalzinfen ift hier zu nennen. Gin jährliher Umfab von 24000 fl.
it, wenn das Gapital nur 3 Monate umläuft, mit 6008 fl. zu beſtrei⸗
ten und foflet dann nur etwa 240—300 fl. Sinfen. In Mancheſter
rechnet man, daß Wabrifherren im Durchſchnitt ihr Capital (nämlich
das umlaufende) zweimal, jedesmal mit 5 Proc. Gewinn (und Bine)
umfeßen, Kleinhändler (shopkoepere) viermal mit je 3/3 Proc., alfo
14 zufammen. Senior, Outline, ©. 188.
$. 240.
Die Erweiterung bed Abſatzes imsbefondere ($. 240)
findet nicht allein in dem Mitwerben anderer Erzeuger und
Berfäufer des nämlichen Gutes, fondern audy in dem ganzen
Begehr deſſelben von Seite der Käufer und Zehrer eine Gränze.
Diefe allgemeine Graͤnze des Abſatzes in jedem Zeitpuncte wirb
geregelt: 1) von dem Gebrauchswerthe des Gutes, nämlid
feiner Höhe und der Menge von Menfchen, für welche die Werth,
ſchaͤzung gilt (a), 2) von ber zur Befriedigung des Bedürfniſſes
erforderlichen Menge, die unter anderen um fo größer ift, je
fchneller der Verbrauch erfolgt (6), 8) von der Bröße des
— 300 —
Preiſes, den der Käufer anwenden muß. Eine Herabſetzung
des Preifed gewinnt gemöhnlidy einer Waare folche neue Käufer,
für deren concrete Werthſchaͤtzung bisher die Audgabe zu groß
war, $. 171. Die Abnahme des Abfages in Folge einer Preis⸗
erhöhung pflegt deſto ftärfer zu fein, je geringer der Werth bes
Gutes ift, weil man fich bei den werthvollften Dingen am
fchwerften zu einer Einfchränfung entjchließt (c); 4) von dem
Vermögen der Kaufluftigen, die Waare zu bezahlen, alfo von
einem zureichenden Einfommen, ohne welches das Borhanbenfein
der anderen Bedingungen (1—3) unwirffam if. Das Eins,
fommen der Käufer fließt aus ihrer Theilnahme an der Hervor⸗
bringung anderer Güter ber und hängt alfo von der Aus⸗
Dehnung des ganzen Gütererzeugnified, fowie von der Art der
Bertheilung beffelben unter die verfchiedenen Volksclaſſen ab.
Jede verfaufte Guͤtermenge feht diejenigen, welche aus dem Er-
Löfe Lohn, Gewerböverbienft, Grund» und Zinsrente empfangen,
in den Stand, andere Dinge einzufaufen, daher bedingen bie
einzelnen Productionszweige ſich gegenfeitig.
(e) Bücher in fremden Sprachen, ober über einen von wenigen Menſchen
begriffenen Gegenſtand finden wenige Käufer.
(d) Man verzehrt in einer Familie weit mehr Holz, Brot, Fleiſch, Del,
Lichter, als Kleidungsftüde, noch weniger aber Uhren, Spiegel ıc.
er verbraudht man von blos nüglihen Gegenſtaͤnden nur foviel,
ale das Bedürfniß fordert, von Lurusartifeln aber deſto mehr, je mehr
man bezahlen Fann.
(e) Deßhalb kann die Vertheurung des einen Gutes, 3. B. eines Lebens:
mittels, den Abſatz eines anderen leicht entbehrlichen vermindern,
g. 241.
Die in $. 240 angegebenen Mittel können einem Unter:
nehmer, ber fie mit vorzüglihem Scharffinne allein anwendet,
eine Zeit lang einen ungewöhnlichen Gewinn verfchaffen. Werben
fie befannt und von Mehreren gebraucht, fo zerftört das Mit-
werben bdiefen größeren Bortheil bed einzelnen Unternehmers,
ed mag nun dieſe Ausgleichung des Gewerböverbienftes in einem
Gewerbe durdy die Erniedrigung der Verfauföpreife oder durch
bie Erhöhung einer laffe von Gewerbdaudgaben erfolgen.
Zwifchen mehreren Gewerben findet zwar ein ähnliches Streben
zum Gleichgewichte Statt, indem bie einträglicheren Gewerbe
häufiger ergriffen, bie weniger vortheilhaften dagegen von
— 301 —
Mehreren verlaffen werben, ober wenigftend Ausbehnungen
und Beichränfungen im Betriebe eintreten. Indeß kommen
bier nicht allein die Schwierigfeiten in der Veränderung bes
Angeboted ($. 160) in Betracht, fondern es ift auch wegen
der Verfchiedenheit der Gefahr und der Unterhaltsfoften bes
Unternehmerd ($. 239) feine allgemeine &leichförmigfeit der
Gewerböverdienfte zu erwarten, alfo läßt fi nur annehmen, daß
Gewerbe, die gleiched Capital und gleiche Bemühung, Lebenss
weife ıc. ded Unternehmers erfordern, auch ungefähr gleich viel
abwerfen werden (a).
(a) In Großbritanien beträgt bei Aderpadhtungen ber Gewerboeverdienſt
fammt der Gapitalrente gegen 10, felten 15 Procent des Capitales,
bei Weidepadhtungen wegen der Gefchidlichfeit und der Wagniß ber
„uhnichter öfters 15 und mehr Prorente.e Sinclair, Brundgef. des
ed. ©. 59.
$. 242.
Steigt der Gewerböverbienft über den Koſtenbetrag ($. 239),
fo bezieht der Unternehmer ein reines Einkommen, den reinen
Gewerbsverdienſt oder Gewinn. Dieſer ift bei gleichem
Grade von Gefchidlichkeit und Eifer in größeren Unternehmungen
einer gewiffen Art gewöhnlich größer, ald in Fleineren, weil
fowohl die Unterhaltsfoften der Unternehmer als verichiedene
Gewerbskoſten, 3. B. die Ausgaben für Gebäude und Mas
ſchinen, bei der Erweiterung des Betriebes nicht in gleichem Ders
haͤltniſſe fteigen (a). Bei ganz großen Unternehmungen fönnte
zwar wieder die Schwierigkeit der Aufficht über viele Menjchen
oder überhaupt ber guten Leitung bed Ganzen jenen Bortheil
ſchwaͤchen, wie dieß 3. B. bei großen Handeldgefellfchaften und
anderen auf Actien betriebenen Unternehmungen zu bemerfen
it; aber hiervon abgefehen, kann man den fleineren und ben
größeren Unternehmer wie die Eigenthümer zweier Grundftüde
von ungleicher Fruchtbarkeit betrachten (8. 212); wird ſchon dem
Fleineren ein reiner Ertrag zu Theil, fo genießt der größere einen
befto beträchtlicyeren, $. 239 (a).
(a) Viele koſtbare Mafchinen, 3. B. Walzen zum Kattundrud, werden erft
bei größerem Betriebe anwendbar, der Einkauf der erforderlichen Stoffe
läßt ſich wirthichaftlicher einrichten, Manches kann man felbft bereiten,
wenn man es in .anjehnliher Duantität nöthig bat ꝛc. — Gewinn
bei Re 10 uflagen beliebter und wohlfeiler Bücher, Kupferſtiche ıc.
gl. $. 240.
6. 243.
Der Gewerböverdienft im Ganzen pflegt in feinem Steigen
und Ballen mit der Zinsrente ungefähr gleichen Schritt zu hal-
ten. Ein Theil der Gapitaliften ift immer im Stande, zwifchen
dem Ausleihen ihred Wermögend und der Betreibung eines Ges
werbes zu wählen, und viele ziehen bad leßtere vor, wenn fie in
einer Befchäftigung, bie ihnen ungefähr gleiche gejellfchaftliche
Stellung giebt, wie ihre bisherige Zinseinnahme, einen reich⸗
lichen &ewerböverdienft erzielen köͤnnen. Die muß dann auch
andere Berfonen ermuntern, mit geborgtem apitale Gewerbe
zu unternehmen und hieburch entfteht eine Abnahme des Ger
winnes, zugleih aber eine Erhöhung ber Zinsrente. Wäre
dagegen ber Gewerböverbienft im Vergleich mit der Zinsrente
zu niedrig, fo entflünde ein flärferer Antrieb für Capitaliften,
von ihren Zinfen müßig zu leben, es würde überhaupt an Unters
nehmungsluſtigen fehlen und fo fönnte ein Sinken der Bapital-
rente, wobei der Gewinn fich erhöhte, nicht ausbleiben. Indeß
ift eine Gleichheit beider Einkünfte nach ihrem Procentfage nicht
zu erwarten, weil auch bei einerlei Zinsfuß der Verdienſt in
ben einzelnen Gewerbszweigen fehr verfchieben fein muß (a).
(a) Sismonde, Rich. comm. I, 79. — 88 ift wohl benfbar, daß bei
einem Zinsfuße von 5 Procent einige Gewerbe A, andere 5-6, noch
andere 10—12 Proc. Gewinn geben. — In England rechnet man mit
Einfluß des Zinfes gemöhnlid) auf 10 Proc., wenigſtens bei großen
Unternehmungen ; Gapitale von 10—20000 8. tragen bon 15, Heinere
20 und mehr Procente im Handel und Fabritweien. Senior, Onutl.
©. 188. 214. Wenn ein Obfiverfäufer täglih 20, alſo ji lih über
7000 Proc. bezieht (ebd.), To ift das größtentheile Arbeitslohn.
$. 244,
Bei den Fortfchritten des Volkswohlftandes muß daher der
Gewerböverdienft ebenfo wie die Zinsrente (8.233) im Verhaͤltniß
zu dem angemwendeten Gapitale abnehmen, d. 5. auf einen
geringeren Procentſatz berabgehen. Die Erfahrung beftätiget
diefe Schlußfolge. Es ift dieß eine Wirkung der Capitalanhäus
fung und bed ftärferen Mitwerbens in allen Unternehmungen,
wobei die vorhandenen Güterquellen und Erwerbögelegenheiten
volftändig benugt, die Preife der Dinge dem Koftenbetrage
genähert, die Unternehmungen in größerem Umfange betrieben
und bie Unternehmer gezwungen werden, ſich mit einer ver-
— 308 —
haͤltnißmaͤßig geringeren Verguͤtung zu begnügen. Dieß kann
deſto eher geſchehen, da zugleich die Wagniß in vielen Gewerben
durch die Verbeſſerungen in der Rechts⸗ und Polizeiverwaltung,
durch mancherlei Schutzmittel gegen Unfälle, auch durch ben
größeren Beiſtand, den Ausländer in ihren Erwerbsgeſchaͤften
bei den Regierungen finden, fidh vermindert. Ungeachtet diefer
Abnahme ded Gewinnfates kann doch der ganze Betrag bes
Gewerbsverdienſtes in einem Lande noch anwachfen, mwoferne nur
dad Capital in ftärferem Verhältniß fleigt, als ber Verdienſtſatz
finft, vgl. $. 233 (c).- Die Unternehmer vermögen dieſer bros
benden Berfürzung ihres Einfommend auszuweichen, indem fie
ein höheres Maaß von Kunft und Scharffinn aufbieten, ober
ein größeres Capital zu Hülfe nehmen, oder audy im Heinen
Betriebe durch eigenes Handanlegen an ber Lohnausgabe etwas
erfparen (a). |
(a) Diefe Veränderung erregt unangenehme Empfindungen, macht Entbeh⸗
rungen notbwendig und veranlaßt leicht Klagen über den Berfall des
Wohlfiandes, die jedoch in ihrer Ginfeitigfeit nichte bemweilen und
namentlih in unferer Zeit durch das Gemälde der fleigenden Betrieb:
ſamkeit widerlegt werden können.
6. 244.
Zu bem nämlichen Ergebniß gelangt man, wenn man bie
Veränderungen erwägt, die fich beim Fortgange des Volkswohl⸗
ftanded und der Berölferung in dem Berhältniß zwifchen den
Hauptzweigen des Volkseinkommens, nämlid zwifchen den Ans
theilen der Grund⸗ und apitalsEigenthümer, Lohnarbeiter und
Unternehmer zutragen. Achtet man nicht auf die in Gelbpreifen
audgebrüdte Größe der Einkünfte, fondern darauf, wie fi) das
ganze Gütererzeugniß unter fie vertheilt, fo ergiebt ſich Folgen⸗
bes: 1) Die Örundrente nimmt bebeutend zu, weil ein neuer
Zuwachs von Bodenerzeugnifien Foftbarer zu gewinnen ift und
hierdurch der Bortheil, den die Benutzung ber ergiebigeren, nähe
ren Orunbflüde ıc. gewährt, fid) vergrößert, 8. 220. 2) Der
Lohn ſteigt ebenfalls, und zwar mindeſtens wegen ber Bew
tbeurung der Lebensmittel ($. 192), unter günftigen Umftänben
aber audy fo, daB ben Arbeitern ein größerer Bütergenuß zu
Theil wirb, 8.199. 3) Wenn nun diefen beiben Zweigen bes Ein-
fommens ein größerer Theil des gefammten ütererzeugnifles
— 304 —
zufaͤllt, ſo muͤſſen die Beſitzer des beweglichen Vermoͤgens und
die Unternehmer ſich mit einem kleineren Antheil begnuͤgen. Es
iſt unmoͤglich, daß bie letzteren ihre Erzeugniffe gerade um ſoviel
tbeuerer verfaufen, al8 ihre Ausgaben für Grundrente und Lohn
ſich vergrößert haben, weil dad Bolfseinfommen nicht zureicht,
ihnen noch den nämlichen Verdienſt zu gewähren. Doch findet
diefe Erniedrigung des Gewerböverdienfted wieder ihre Gränze,
weil berfelbe in jedem Gewerbe bei Unternehmungen der kleinſten
noch erforderlichen Art immer noch das Einfommen der Lohn⸗
arbeiter überfteigen muß, $. 239. Wenn ber Lohn wegen ftarfer
BVolfövermehrung nicht zunähme, oder fogar fänfe, fo würde bie.
Verringerung des Zins⸗ und Gewinnfages offenbar fchmächer
fein (a).
(a) Ricardo (6. Gapitel) Hat zuerft zu zeigen gefucht, daß die zunehmende
Schwierigkeit ber CErzeugung von Lebensmitteln den Gewinnſat herab:
drüdt. Seine Anficht iſt überfichtlicher dargeftellt bei 3. Mill, franz.
Ueberſ. S. 73, f. auh Nebenius, Der öffentl. Eredit, 2. Ausg.
I, 29. Hermann, Untef. ©. 262. Man darf hiebei den Sa
des Gewerbsverdienſtes mit dem abfoluten Betrage deſſelben nicht vers
wechfeln, $. 238 und 3. Mill, ©. 77.
Fünfte Abtbeilung.
Das Bollseinlommen im Ganzen.
$. 245.
Der gefammte (rohe) Ertrag ober bad rohe Ein-
fommen eined Volkes, das Ergebniß der Hervorbringung im
Lande und der Erwerbung von außen während eines gewiſſen Zeit⸗
abſchnittes ($. 70a), fpaltet fh in zwei Hauptmafien. Der eine
Theil dient den Aufwand zu erftatten, welchen die Erwerbung biefer
Güterzuflüffe nöthig macht, und erfeht den vorausgegangenen
Aufwand von apital, welcher aber ftet3 von Neuem für ben-
felben Zwed gemacht zu werben pflegt (a). Der Ueberreft nad)
Abzug diefer nothwendigen Koftenerftattung iſt ba8 reine Volks⸗
einfommen. Dieſes fann demnach als biefenige Frucht ber
Erwerbsthätigfeit betrachtet werben, welche zur Erreichung aller
übrigen Zwede in ber Gefellfchaft gebraucht werden kann, nach⸗
— 80 —
dem die Hervorbringung von Sachgütern und ber Berfehr mit
ben Auslande volftändig fichergeftellt find.
(a) Wenn man zur Ermittlung diefer Größen einen gewiflen Zeitabfchnitt
annimmt (gewöhnlidy ein Jahr). fo if dabei zu bedenken, daß die Ges
fchäfte ununterbrochen fortgeben, weßhalb die Rechnung fi nie ganz
fließt. Unter dem rohen Ertrage jedes Jahres if der Erſatz vorjäh-
tiger Auslagen enthalten, dagegen kommen aud Auslagen vor, die erft
im nächſten Jahre mit Gewinn erflattet werden. Da dieß jedoch feinen
bedeutenden Unterfchied macht und die genaue Ausmittlung hoͤchſt ſchwierig
wäre, fo darf man ſich z. B. erlauben, bei der Landwirthſchaft die
Ernte eines gewiflen Galenderjahres als Cinnahme, und die fümmtlichen
Feldbeſtellungskoſten mit Ginihluß der Beftellung des Winterfeldes für
das nächſte Jahr, als zugehörige Ausgabe anzufehen, weil die jener
Ernte willen im vorhergehenden Jahre gemachten Auslagen ungefähr
eben fo geweſen find.
5. 246.
Das Weſen des reinen Bolldeinfommend wirb deutlicher
erfannt, wenn man e8 in feine Theile zerlegt und von ben fremd⸗
artigen Gütermengen ſcheidet. Diefe Betrachtung kann das reine
Volkseinkommen erfaflen:
1) wie es durch ben Ueberſchuß ber Production und Einfuhr
aus dem Auslande über die Koften entfteht, als
2) wie es fich unter die verfchiedenen Volksclaſſen vertheilt.
Da man ed in beiden Fällen immer mit der nämlichen
Größe zu thun hat, fo ergeben fich hieraus zwei Wege, wie das
reine Einkommen eines Volkes ftatiftifch ausgumitteln if. Wären
die bei ber wirklichen Berechnung in einem gegebenen Balle zu
Grunde gelegten ftatiftifchen Thatfachen fämmtlich genau erforſcht,
fo müßte man auf beiden Wegen zu gleichem Ergebniß ges
langen (a). Solche Ausmittelungen laſſen fidy übrigens nur in
Beziehung auf Breife vornehmen, weil nur diefe durchaus in
Zahlen gefaßt und wegen bed gemeinfchaftlihen Maaßſtabes
zufammengerechnet werben fönnen, was bei dem Gebrauchswerthe
nicht der Fall if, 8. 67.
(a) Bol. Fulda, Ueber Rationals Einfommen. Stuttg. 1805. Defien
Orundfäge der Kameralwiſſenſchaften, $. 243 ff. S er Berf. rechnet,
wie die Phyſtokraten, die durch Gewerksarbeit bewirkte Wertheerhöhung
nit mit ein.) — v. Herzog, Staatswirthfchaftl. Blätter IV. Heft,
S. 20 ff. — Nod von feinem Volke it eine puverlaffi e Berechnung
bes reinen Binfommens vorhanden. Die Schwierigkeit liegt nicht blos
darin, daß diefe Groͤße aus einer ungeheuer großen Menge von einzels
nen Zahlenangaben abgeleitet werden muß, deren vollfländige Samm⸗
lung und kritiſche Unterfuchung fehr mühfam if, und bei denen immer
Rau, polit. Delon. I. 7. Ausg. 20
viel von dem guten Willen oder der Einfiht der einzelnen Mitarbeiter
abhängt, — Tondern auch in dem Umflande, daß man fi erſt über
bie Grundſaͤtze der Berechnung verfländigen muß. Welcher Weg eins
zufchlagen, welche Poſten aufzunehmen und wegzulafien feien, dieß hat
die Theorie der GStatiflil aus der Vollöwirthſchaftslehre
zu entnehmen und bie allgemeinen Regeln hiezu find in den folgenden
66. aufgekellt. Der Gegenſtand iſt unter Anderm für die Beſteuerung,
welhe nah richtigen Grundfägen nur das reine Ginkommen treffen
darf, fehr wichtig, und die manchfaltigen Fehler, welche bei diefen Aus⸗
mittlungen bisher begangen worden find, machen eine forgfältige Auf⸗
hellung nöthig.
$. 247.
Nah der erfien Art der Berechnung ($. 246) wirb
1) ver rohe Ertrag der ganzen Erwerböthätigfeit zufammen
gerechnet, welcher begreift: a) dieneu gewonnenen rohen Stoffe(a),
b) die Werthöerhöhung vorhandener Stoffe durch Gewerköarbeit,
e) die Einfuhr aus anderen Ländern (d).
2) Bon biefer Summe wird fodann der bed rohen Ertrages
willen nothwendige Güteraufivand abgezogen (c), wohin zu
zählen find a) der Lebensbedarf ber bervorbringenden Arbeiter
und Unternehmer mit ihren Yamilien, b) die verbrauchten
Stoffe; — indeß werden die in den Gewerken angemwenbeten
Berwandlungsftoffe nicht mit abgezogen, weil bie Gewerks⸗
waaren nicht ganz, fondern blos nad der Werthserhöhung,
bie zu dem Stoffe hinzukommt, eingerechnet worben find, |. oben
1 b), ec) die Abnügung bed flehenden Gapitales, d) bie jenes
Erwerbes willen ind Ausland abgegebenen oder fonf für daſſelbe
verwendeten Güter.
3) Der Ueberreſt ift das reine Einfommen (d).
(a) Wird ein folder Stoff zum Behufe einer anderen Production fogleich
wieder ganz verzehrt, fo kommt er unter dem Aufwande wieder in
Abzug, und es if in Beziehung auf das reine Binfommen gleichgültig,
ob man im einrechnen will oder nicht. Das reine Binlommen aus der
Landwirthichaft wird eben fo richtig gefunden, wenn man bie Ernte
nur nad Abzug des Saatforns in Einnahme flellt und dafür diefes
nicht mehr unter die Ausgaben bringt. Allein das Berhältnig zwifchen
dem reinen und rohen Binfommen ift bei einem folchen Verfahren nicht
richtig zu beurtheilen. Es fei 3. B. für einen Landestheil der rohe
Ertrag des Getreidebaues 3000000 fl., abzuziehender Koftenbetrag
2'400000 fl., fo bleibt reines Bintommen 600000 fl., d. i. !/s oder
20 Proc. des Rohertrages. Wollte man aber das Saatkorn (ungefäbt
l/g der Ernte) ganz auslafien und fo rechnen: roher CErtrag 2°500000 fl.,
Koften 1900000 fl., alfo reines Ginfommen 600000 fl., fo wäre
(eßtere& zwar wieder nötig, aber e8 fchiene nun 9/5 oder 24 Procent
des rohen auszumachen. Daffelbe gilt von dem Zutter, Dünger ıc.
(5) Die inländifchen Brgeugnife müflen nach dem Preiſe in Anf&lag ges
a
Gewerk Abzug von !/s) 3146
ewerfe (nad) Bug 2)
bracht werden, fuͤr welchen ſie der Zehrer aus den Haͤnden des Kauf⸗
manns erwirbt, vorausgeſetzt, daß Feine in Beziehung auf den Zweck der
Gertfeilung unnötbige Erhöhung des Preifes vorgegangen iſt (6. 256).
Es wird alfo die durch den Handel bewirkte Preiserhöhung der Waaren
mit berüdfihtiget, die ohne Zweifel den W derfelben nicht übers
fteigt ($. 105) und zur Fortdauer einer ausgedehnten Production noth⸗
wendig if.
Moreau de Jonnds Hat über das rohe Einkommen von Frank:
reich, Broßbritanien und den nordamericanifchen Freiftaaten Angaben
geſammelt, die man indeß nicht für zuverläflig halten darf. Da aber
der DBerfafler bei dem Erzeugniß der Gewerbe den rohen Stoff, der ent
weder Product der Grdarbeit oder Gegenſtand der Einfuhr if, noch
einmal mit eintechnet (f. oben, Nr. 1b), fo mußte bei feinen Zahlen
erft !/5 für die Stoffe abgezogen werden. Die Summen find Franken.
Franfreih. | Broßbritan. | Nordamer.
1) &rzeugniß der Grdarbeit | 4678°708000 | 5420°425 000 | 1608 Mill.
2) Der Sewerle . . . . | 1213401000 | 2378°667 000 | 604 =
3) Der Einfuhr. . . . 438400000 | 753825 000 i 383 ⸗
Summa . . . .. .6330.509000 | 8562917 000 | 2595 Mill.
Betrag auf jeden Kopf 204 Fr. 407 Fr. 259 Fr.
oder* 96 fl. 192 fl. 134 fi.
Revue encyel XXV, 239. 549. 878. — Nah Ch. Dupin (Acad. des
sc. 30. April 1831) kamen in Frankreich auf den Kopf im Jahr 1730,
108 Fr. — 1780, 169 Fr. — 1830, 269 Fr. — Berehnung von
Schnigler (Creation de 1a rich. I, 392): Mobertrag des Pflanzen:
baues 4280 Mill. Fr., der Thierzucht und Yifcherei 825, des Berg:
baues 100, der Gewerke 2500 M., zufammen 7700 Mill., wovon nad
Abzug der Rohſtoffe eiwa 7000 Mill. übrig bleiben, 233 Fr. auf den
Kopf. — Das Bejammtergeugniß der franzoͤſiſchen Landwirthichaft im
3. 1840 wird auf 7502 Mill. Br. oder 224 Fr. auf den Kopf anges
(chlagen, wovon 1480 Mill. Fr. auf die Thierzudt kommen und da=
neben 640 Mill. Fr. ergeugtes Futter aufgezählt werden, Moreau de
Jonn?s, Statist. de l’agric. de ia Fr. 1848. — Anſchlag des rohen
Boltseintommens im britifhen Reihe nah Pebrer (Hist. financ. et
statist. gen. de l’empire Britann. 1834, LI, 90): Ertrag der Sandwirths
fchaft 246600000 8. St., des Bergbaues 21°400000, der Fiſcherei
3’400000, der Gewerke, nad Abzug der Robfloffe, 148050000 , des
inneren und bes Küſtenhandels 51.975000, des auswärtigen Handels
und ter Schifffahrt 34398069, Gewinnfte der Banquiere 4500000,
Gapitalrente aus anderen Ländern 4.500000, Summe 5148230592. St.
oder 6177 Mil. fl., alfo 262 fl. auf den Kopf der Einwohner, ohne
die Einfuhr. — Späterer Ueberichlag für das britifhe Meich nad
Moreau de Jonnds (Statist. de la Gr.-Bröt., I, 312, 1838): Lands
bau und Biehzucht 6666 Mill., Deegbau 687 Mill., Fifcherei 50 M.,
., jufammen 10550 Mill. Sr. —
4976 Mill. fl. erfafler bringt aber 18000 Mill. heraus, weil ex die
Mohftoffe nicht vom Gewerksertrage abzieht, weil er ferner die Arbeit
der Thiere, den Ertrag der Weiden und der Häufer mit aufführt.
Diefer in Abzug kommende Koftenbetrag wird für den gegen
wärtigen Zwed nicht auf diefelbe Weife, obgleih nad dem naͤmlichen
allgemeinen Grundſatze berechnet, wie die Koften des Berfäufers eines
Butes, $. 164. Bür den Unternehmer find nämlich die Ausgaben an
20°
— 8 —
andere Berfonen eben fo gut Koften, als feine Verzehrungen. Da aber
dasjenige, was der eine Bürger dem andern entrichtet, doch in dem
Volksvermoͤgen bleibt, fo dürfen bei der Erforſchung des gefamniten
Volkseinkommens ſolche Ausgaben des Einzelnen, welche nicht zu dem
Productionsaufwande des Volkes gerechnet werden können, nit in
Abzug gebracht werden.
() Bgl. I. Mill, Elm, ©. 243. — Beifpiel. Für Frankreich können
vorzüglich mit Hülfe von Chaptal’s Angaben (De l’industrie franc.)
folgende Zahlen näherungsweife angenommen werden:
| Moher Ertrag. Neines Einkommen.
Bergbau.. 30.000 000 2.900 000
Güde 2: an 10.000 000 1.000 000
nd- und Forfiwirtbfchaft . | 2152.205 000 619.235 000
Bewerle 2. 561.750 000 70.000 000
Handel, Einfuhr . . . . 202.060 000 20.206 000
Bufammen . . . . | 29055-965000 | 704-4410000
Hiebei macht das reine Binfommen 23% Procent des rohen. — Der
Neinertrag der Erdarbeit in Frankreich wurde geſchaͤtzt auf 2455 Mill. Fr.
von A. Doung, 1200 M. von Lavoifier (1790), 1626 M. von
einer Gommiflion (1815), 1344 M. von Chaptal (1818), 2300 M.
von Lullin de Ehateauvieur (1830), 1900 M. von Eh. Dupin
(1831), Schnitzler, Créat. de la rich. I, 19.
$. 248.
Bei der zweiten Art der Berechnung ($. 246) wird
das reine Einfommen aller derjenigen Volksclaſſen zufammen-
gezählt, bie durch ihre Arbeit oder durch ihr DBermögen (fie
mögen es jelbft anwenden oder Anderen zum Gebrauche über-
lafien) zur Erzielung des Rohertrages mitwirken und folglih an
bemfelben Theil nehmen. Die fo entftehende Summe muß gleich-
falls das reine Einfommen des Volfed geben, weil biefed zunädhft
an jene Elaflen gelangt. Die anderen Volksclaſſen erhalten ihr
Einfommen gegen mandherlei Leiftungen von jenen, daher kann
ihr Antheil nicht mehr befonderd angeführt werben (a). Es
fommt demnach in Rechnung 1) das reine Einfommen fänmts
licher Unternehmer und Lohnarbeiter in den Zweigen ber Stoff:
arbeit und der Handelsgeichäfte (5), 2) die Grundrente, 3) das
in der Eapitalrente enthaltene reine Einfommen (c) (d).
(a) Wenn ein reicher Grundeigner 1000 fl. jährlih für mancherlei perfön:
lihe Dienſte ausgiebt und die Dienftleiftenden hievon 200 fl. reines
Ginfommen übrig behalten, fo find diefe 200 fl. ſchon in der Grund:
tente des erfieren mit enthalten, fie können bei der Berechnung des
(2)
(e)
(4)
— 309 —
reinen Boltseinfommens nicht abermals angefept werden. Wenn aber
der Grundeigner für 1000 fl. einen Reiſewagen Kauft, defien Berfertiger
ebenfalls 200 fl. reinen Gewinn macht, fo find zwei neue Bütermaffen
vorhanden, 1) die Bodenerzeugniffe, melde die Grundrente bilden,
2) der Wagen. Beide Producte find nad ihrem Preife auf 2000 fl.
zu feßen, und da nur 800 fl. Productionsfoften (des Wagens) abzus
ziehen find, fo bleiben 1200 fl. reines Ginfommen.
Der Antheil des reinen Binfommens, den die Kaufleute, Yubrleute,
Schiffer und andere Gehülfen im Handel beziehen, muß mit in Erwä-
gung kommen, weil der Handel, wenn gleich nur mittelbar, doch fehr
weientlich zur Hervorbringung mitwirft und aus den Fruͤchten derfelben
belohnt wird, 8. 105, Nr. 3.
Aber nur die Rente der wahren in den hervorbringenden Unterneh»
mungen befhäftigten Capitale, nicht das ganze Cinkommen der Gapitas
liſten (6. 223 (4)), denn die Rente von verliehenen oder vermietheten
Bebrauchsvorräthen muß aus einem der oben genannten Zweige bes
Ginfommens beftritten werden ; fo wird 3. B. die Zinsrente der Hypo⸗
thefenfchulden fafl ganz aus der Grund- und Hausrente, der Zins der
Staatsihulden aus fämmtlihen Theilen des reinen Volkseinkommens
genommen, und man würde in den error dupli verfallen, wenn man
eides noch einmal befonders hinzurechnen wollte.
Eine ſolche Rechnung für Broßbritanien und Irland bei Lowe (Engl.
nad f. gegenw. Zuſt. ©. 246) giebt 255Mill.L.St., und nad araug
der im Auslande verzehrten 4 Mill. noch 251 Mill. 2. St. Allein
es find bier nicht allein reine Binkünfte aufgezählt, 3. B. 80 Mil.
Arbeitslohn, ohne Irland. — Neuere Berehnung für 1836, von Mo:
reau de Jonndeo (Statist. I, 319), aber fehr unfiher: 2200 Mill. Fr.
®rundrente, mit Cinſchluß der Bergwerke und Gebäude, 575 Mill.
Ertrag der Bichzucht (10 Pror.), 472 M. Gewerfsertrag (10 are)»
5 M. Fiſcherei, 750 Mill. innerer Handel (zu 5 Proc). 150M. Candle,
Dods, Ciſenbahnen, 41!/3 M. Schifffahrt, 200 M. auswärtiger Handel
(10 Broc.), 62/3 M. Dividende der Affecuranzgelellichaften ıc., 694%, M.
Zins der Staatoſchuld, 157%/ M. Zins der in Oftindien und im
Auslande angelegten Summen, 225 M. Gewinn ber Banfherren,
467 M. Ergänzung, zufammen 6000 Mill. Fr. — 235 Mill. 2. Et. —
2830 Mil. fl. Hiebei find aber viele Abzüge nöthig, 270 Mill. für
die Arbeit der Thiere, ferner der Unterhalt der Gewerksunternehmer,
fodann die Zinſen der Staatsfhuld, ale abgeleitetes @infommen
($. 251), es bleiben alfo etwa 3800 M. Fr. — 149 M. L. St. —
1788 M. fl. oder 36 Proc. des obigen rohen Binfommens, 6.247 (B).
— Aus der Ginfommensfleuer laſſen fih g. 172 Mill. 2. annehmen.
§. 249.
Obſchon die Größe des reinen Einfommend in volks⸗
wirthfchaftlicher Hinficht wichtiger if, fo verdient doch auch der
Umfang bed rohen Ertrageß in einem ganzen Volke beachtet zu
werden (a), denn 1) aus ihm wird ber nothwendige Unterhalt aller
probuctiven Arbeiter beftritten, weldye dagegen am reinen Eins
fommen nur einen geringen Theil haben. Dieſe Bolfsclafle, als
die zahfreichfte, iſt für die Geſellſchaft ſowie für die Macht des
Staated von großer Bebeutung, weßhalb ber zu ihrer Berfors
— 30 —
gung dienende Theil der gefammten Erzeugungdfoften, weit ents
fernt, ein Berluft für die Bolfswirthfchaft zu fein, vielmehr
bie wohlthätigfte Verwendung des Gefammteinfommens bildet.
2) Das Berhältnig zwilchen dem rohen und reinen Ertrage
eined Volkes zeigt die Ergiebigkeit der hervorbringenden Ges
fhäfte an und läßt auf bie derfelben günftigen oder hinderlichen
äußeren Umftände fchließen. Bei einerlei Umfang bed ganzen
Erzeugniſſes ift offenbar diejenige Anwendung ber Güterquellen
bie vortheilhaftefle, welche den größten reinen Ueberſchuß abwirft.
(a) Ricardo, 26. Cap., legt auf das reine, Ad. Smith auf das rohe
Ginfommen mehr Gewiht. An jenen fchließt fh Ganilh, Systömes
I, 213. — Dagegen Sismondi, Nourv. prine. I, 153.
$. 250.
Das reine Einfommen bed Volks gelangt zunaͤchſt in bie
Hänbe der vier bei der Hervorbringung betheiligten Volksclaffen
und wird verwendet (a) 1) für den Unterhalt der nicht gewerbs
treibenden Grund» und Gapitalbeflger (6), ferner für einen den
Unterbaltöbedarf der Lohnarbeiter und Unternehmer überſteigenden
Gütergenuß. Hieraus erhalten auch die Mitglieder der dienſt—⸗
leiftenden Claſſe, foferne fie nicht vom Staate befoldet werben,
fowie die Eigenthümer verlichener und vermietheter Verbrauchd-
vorräthe ihr Einfommen (c); 2) auf Abgaben für öffentliche
Zwede, — an Staat, Provinz, Gemeinde, Kirche ıc.; 3) um
neue Gapitale aus Erfparniffen zu bilden. Demnad) find ſowohl
bie Hülfdfräfte ded Staates, welche feine Wirkfamfeit im Innern
und feine Beftigfeit gegen Außen bebingen, ald die Mittel zur
Pflege aller perfönlichen Güter der Menfchen, 3. B. der Wiffen-
fhaften und Künfte, und auch die Vermehrungen des Volks⸗
vermögend hauptfächli von der Größe des reinen Ein=
kommens abhängig (d).
(a) P2gl. Ricardo a. a. O. und Say’s Anmerkungen zu biefer Stelle.
(5) Diefer Unterhalt darf nicht zu den Koften gerechnet werben, mit denen
der rohe Ertrag erzielt wird ($. 247. 2)), denn er ift feine Bedingung
dieſes Ertrags, welcher eben fo gut ftattfinden Eönnte, wenn bie Grund⸗
eigner sc. ſich durch eigne Arbeit erhielten.
(c) DBgl. 8. 248. Note (ec).
(d) Das gefammte für perſoͤnliche Zwecke verwendbare Einkommen in einem
Bolfe, nämlich der Inbegriff der Grund: und Zinsrenten, des Lohnes
und Gewerböverdienftes, ift Eleiner als der ganze röhe Ertrag, aber
‚ größer als das reine Cinkommen. Die obige ehnung Lowe's
— 811 —
($. 248 (d)) giebt gerade dieſes Cinkommen, 251 Mil. 2. St. oder
3012 Mill. fl., weldee auf den Kopf der Einwohner 143 fl., auf die
Kamilie 654 fl., und mit dem rohen Ertrage verglichen T1t/s Proc.
defielben beträgt.
$. 251.
Diejenige Vertheilung des jährlichen Ertrages, welche ben
Mitgliedern der zu ber Erzielung beffelben mitwirkenden Volks⸗
clafjen Antheile der neuen Gütermenge zuführt ($. 250), wirb
die urfprüngliche genannt, und das aus ihr hervorgehende
Einfommen biefer Stände dad urfprünglidhe. Diele Bers
theilung würde fehr deutlich zu erkennen fein, wenn die Arbeis
ter, Grundeigner, Gapitaliften und Unternehmer ihre Antheile
gerade in den nämlichen Gütern erhielten, zu deren Erzeugung
und Herbeifchaffung fie durch ihre Leiftung beitragen; dieß ift
aber meiftens nicht der Sal, fie empfangen ihr Einfommen in
Geld, um dafür allen Bebarf von verfchiebenen Gegenfländen
nad Belieben eintaufchen zu Eönnen, ed läßt ſich deßhalb in
vielen Bälen nicht ausmitteln, welchem neuen Gütererzeugniß
ein gewifled Geldeinkommen feinen Urfprung verdankt. Diejenis
gen Bolföclaffen, weldhe zur Vermehrung der im Befige eined
Volkes befindlichen Guͤtermenge nicht beitragen und ſich blos
durch Dienfte oder durch Verleihen von Oenußmitteln (a) Eins
nahmen verfchaffen (8. 248), beziehen ein abgeleitetes Eins
fommen, welches ihnen vermöge der abgeleiteten Ders
theilung zufließt. Alles abgeleitete Einfommen muß aus dem
urfprünglichen beftritten werben (Bd).
(a) Bei den Capitaliſten (6. 54 (2)? laſſen ſich mehrere Fälle unters
ſcheiden: 1) Das von ihnen dargeliehene oder vermiethete Bermögen if
bei dem Schuldner oder Miether als Gapital in einer hervorbringenden
Unternehmung, oder als Wertbserhöhung von Grundſtücken ($. 130)
noch vorhanden, daher ift ihre Cinkommen ein urfprüngliches, $. 248;
2) daflelbe befteht aus vermietheten Genußmitteln (6. 223 (a)) oder
es findet fi bei dem Unternehmer eines unproductiven Dienftgemwerbes,
3. DB. eines Theaters, einer Badeanſtalt und vergl ein, feiner Schuld
an den Gapitaliften entfprechender Vorrath von Genußmitteln ;
2) das bewegliche Vermoͤgen if von dem Schuldner zu Ausgaben
verwendet worden, bei denen es früher oder fpäter aufgezehrt wird.
Sehr viele Forderungen der Gapitaliften rühren von ſolchen längft vors
genommenen Berzehrungen her.
In den Fällen 2) und 3) empfangen die Gapitaliften ein abgeleis
tetes Einfommen. Wenn die geliehenen Summen zum Anfaufe von
Gebäuden oder Brundflüden verwendet werben, fo kommt es darauf an,
was dann ber Berfäufer mit der empfangenen Geldſumme anfängt,
— 312 —
wovon der Darleiher gewoͤhnlich nicht unterrichtet iſt. Die meiſten
Capitaliſten beziehen Zinſen eines Darleihens und find folglich Zins⸗
glaͤubiger, im Gegenſatze derjenigen, welche Gegenſtaͤnde vermiethen.
(6) Gay, Handb.. VI, 52. — Storch, I, 172.
Bierter Abſchnitt.
Umlauf der Güter.
Erfte Abtheilung.
Allgemeine Betrachtung des Güterumlaufs.
6. 252.
Unter dem Umlaufe oder der Girculation der Güter
verfteht man ben Mebergang derfelben von einem Eigenthümer
zu dem andern (a). Die vollftändige Befriedigung ber Bebürf-
niffe ift nicht ohne einen häufigen Umlauf eines Theiles der
Güter möglich, weßhalb eine beträchtliche Zahl von Menfchen
fih mit der Vermittlung und Verforgung des Umlaufes, vors
züglich des Tauſches, befchäftiget, $. 99. Die VBeranlaffungen
des Umlaufes find jebody nicht allein Taufche, fondern auch
andere Verträge, zufolge deren Leiftungen mit Bermögendtheilen
vergütet werden, wie Leih⸗ Mieth⸗ und Pachtverträge und das
Dingen von Arbeitern gegen Lohn. Ein Gut ift im Umlaufe,
fo lange e8 noch nicht in den Befig deffen gelangt ift, der es
zu gebrauchen anfängt. Die Verwandlungdftoffe können nad)
gefchehener Umgeftaltung wieder von Reuem in den Umlauf
fommen (b). |
(a) Der bildlihe Ausdrud Umlauf paßt gut auf das Geld, welches
unaufhörlih, gleihfam im Kreife, von Hand zu Hand geht, — aber
nicht fo deutlih auf den Verkehr mit anderen Gütern.
(8) Die Begriffe von Umlauf, Berkehr und Bertheilung find nahe
verwandt, aber doch verfhieden. Die Menfhen ſtehen im Verkehr
miteinander, die einzelnen Güter find int Umlaufe begriffen, das
anze Gütererzeugniß unterliegt der Bertheilung unter die ver:
hiedenen Claſſen und einzelnen Mitglieder der Befellihaft. — Das
Ausgeben eines Gapitales, deſſen Erſaß durch den Umlauf in das Ber:
mögen zurüdfehret, nennt man den Umſatz
— 318 —
$. 253.
Die in jedem Volfe umlaufende Gütermaffe begreift außer
dem Gelde folgende Theile in ſich: 1) die meiften neu erzeug-
ten oder eingeführten Güter, weil diefe von ben Erzeugern
oder den erften Erwerbern an andere Perfonen gelangen müffen,
um ihrer Beftimmung gemäß gebraucht zu werben, $. 143. Nur
ber Eleinere Theil diefer Gütermenge wird ohne Umlauf fogleid)
von benen verzehrt, welche die neuen Güter zuerft an ſich brachten;
2) Orundftüde, Gebäude und andere ſtehende Capi—
tale, von denen jedoch in jedem Zeitabfehnitte nur ein Fleiner
Theil feinen Eigenthümer wechfelt; 3) Genußmittel, die,
nachdem ihr Gebraudy ſchon angefangen hatte, aud irgend einem
Orunde wieder vertaufcht werden (a). 4) Urkunden, welde
eine Forderung audbrüden, $. 293. Die unter 1) genannten
Güter bilden den größten Theil des Umlaufes.
(a) 3. B. Kleider, Hausgeräthe, Bücher, Kunftwerthe.
$. 254.
Die Lebhaftigkeit des Umlaufed bemißt ſich nad) der Menge
und dem Umfange der einzelnen Güterübertragungen, weldye bei
einer gewiffen Menfchenmenge im Laufe eines beftimmten Zeit
abfehnitted Statt finden (a). Nimmt dieſe Lebhaftigfeit zu, fo
rührt dieß mehr von der größeren Menge der umlaufenden
Güter, ald von einem öfteren Uebergange jedes einzelnen Gutes
in andere Hände her, es läßt alfo vermuthen, daß mehr Güter
hervorgebradyt und verzehrt werden, und daß zugleich die Ars
beitötheilung den eigenen Berbraudy der Producte durch ihre
Erzeuger feltener macht, $. 116. Kann vermittelfi der Fort⸗
fehritte in der Gewerböfunft die Erzeugung einer Art von Güs
tern in fürzerer Zeit bewerfftelliget werben und läßt fich auch
die fertige Waare fchneller abfegen, als ſonſt, fo hat dieß bie
günftige Zolge, daß das eher umgefegte Capital die Erzeus
gung einer größeren Gütermenge in gleicher Zeit möglich” madıt,
vgl. $. 241. Der Güterumlauf iR da am lebhafteflen, wo
der höchfte Wohlftand und die größte Mandjfaltigfeit der zus
folge ber Arbeitötheilung von einander gefonderten Gewerbe zu
finden find. Bei einem Volke, weldyes nur wenige Gewerks⸗
— döld —
leute und Handel bat, iſt der Umlauf verhaͤltnißmaͤßig ſchwaͤcher,
weil in der Landwirthſchaft die nur felten veräußerten Vermoͤ⸗
gensftämme, naͤmlich das Grundeigenthum nebft dem ſtehenden
Capitale, weit groͤßer ſind, als das umlaufende Capital, und
weil der Landwirth einen groͤßeren Theil ſeiner Erzeugniſſe ſelbſt
verzehrt, als der Gewerksmann.
(a) Man könnte jene Lebhaftigkeit auch daraus beſtimmen, welcher Theil
des ganzen Mohertrages in Umlauf kommt und wie oft jeder Theil
befielben in andere Hände gelangt.
| $. 255.
Der Umlauf der Güter ift nicht an und für ſich nüßlich,
fondern als das Mittel, die Erzeugung mit der Verzehrung
in Berbindung zu fegen, den Erzeugern Abſatz zu verichaffen,
und fowohl fie al8 die Verzehrer mit denjenigen Gegenſtaͤnden
zu verforgen, deren fie bedürfen. Bon biefer Seite erfcheint ber
Umlauf als eine wefentlihe Bedingung einer blühenden Volks⸗
wirtbichaft (a). Nur durch ihn kann bei der Sonderung vers
ſchiedener Stände und Befchäftigungen in der Geſellſchaft jedes
Beduͤrfniß befriediget und zugleid, eine entfprechende Erzeugung
unterhalten werden. Der Lohn und die Gemwinnfte der ben
Umlauf beforgenden Menſchen, wohin vorzüglich die Kaufleute
gehören (8.105), können nicht ſchon ald Kennzeichen feiner Ge⸗
meinnügigfeit angefehen werden, denn diefe Einnahmen werden
von den Zerfäufern und Erwerbern der Güter getragen, und
würden für beide ein Verluſt fein, wenn ihnen der Umlauf
feinen verhältnigmäßigen Vortheil brächte, 8. 105, 2). Die
Koften ded Umlaufs begreifen nicht blos die fämmtlichen Hans
belöfoften, fondern aud) den Aufwand für das allgemeine Ums
laufömittel, da8 Geld, und offenbar ift jede für den Erfolg
unfhädlihe Eriparniß an der einen ober anderen diefer Aus⸗
gaben für die Volkswirthſchaft vortheilhaft.
(e) Diejenigen, welche auf einen lebhaften Geldumlauf großen Werth lege,
fhägen wohl auch meiftens bdenfelben als Zeichen einer ausgedehnten
Erzeugung und Verzehrung der verichiedenen Sadhgüter, indeß Enüpfte
fih an jenen Ausdrud dod manches ſchädliche Mißverſtaͤndniß. Richtige
Begriffe hierüber bei Qume, in ber Abhandlung vom Staatscreit.
- 8. 256.
Die mit dem Umlauf befchäftigten Perfonen beabfichtigen
nur ihren eigenen Gewinn. Diefen tönnten fie auch bei folchen
— 315 —
Uebergängen ber Güter in andere Hände finden, bie für bie
Volkswirthſchaft unnüg find, weil fie weder die Erzeugung noch
bie Verzehrung befördern. Werden auf einen folchen Umlauf
Arbeitskräfte und Gütermaflen gewendet, die außerdem hervor-
bringend wirken fönnten, fo ift jener fogar für fchäplich zu
halten. Indeß ift ein folcher übermäßig verlängerter Umlauf
im Ganzen genommen und wenn ber Berfehr ſich frei bewegen
fann (a), bei ben Wuaren wenig zu beforgen, weil biefe das
durch vertheuert werden und die Käufer fich fletd bemühen, auf
dem Fürzeften Wege einzufaufen; eher ift ein folcher unvortheils
bafter Umlauf bei den Ereditpapieren möglich ($. 293), deren
Preid von allgemeinen Berhältniffen in den Staaten abhängt
und fo veränderlich if, daß daraus eine Ermunterung zum
Kaufe und Berfaufe auf Speculation entfteht.
(a) Begänftigung einzelner Handelsplaͤze duch Umfchlagsrehte, —
Berbot des unmittelbaren Verkehrs der Golonien mit anderen Laͤn⸗
dern ıc. wirken in obiger Hinſicht nachteilig.
Zweite Abtheilung.
Das Geld.
8. 257.
Geld (a) iſt das allgemeine Umflaufsmittel, welches im
Güterverfehre alle anderen Güter vertritt (repräfentirt) ($. 128);
ed wird von Jedem darum ald willlommener Gegenwerth ges
nommen, weil man weiß, daß Andere ed ebenfalld wieder gerne
annehmen werben (db). Ohne ein’ foldyes Huͤlfsmittel würbe
ver Verkehr fehr befchwerlich und der Umlauf langfam fein,
weil dann nur biefenigen Menſchen einen Tauſch oder einen
anderen Bertrag über Güterleiftungen mit einander fchließen
fönnten, deren Anerbietungen und Begehr ſich gerade gegen-
feitig entfprächen, fo daß jeder von beiden eben bad anböte,
was der andere fucht. Auch das Abgleichen der Mengen macht
eine Schwierigkeit, indem mandye Gegenftände ſich nicht zer⸗
füäden laffen, von anderen aber der Eintaufch großer Vorraͤthe
— 316 ——
auf einmal läftig ift. If einmal Geld eingeführt, fo kann
Seder, ber mit demfelben verfehen ift, jedes zum Berfaufe bes
ftimmte Gut leiht an fich bringen, und wer ein Gut abfegen
will, ift zufrieden, wenn er defien Preis in Geld erftattet ers
hält, weil mit diefem Alles, was überhaupt feil it, erworben
werden fann. Der Umlauf wirb dur die Einführung bes
Geldes überaus erleichtert, erft mit dieſer beginnt baher ein
reger Verkehr, und nur rohe und arme Bölfer können ohne
Geld befteben (c). -
(a) Galiani, Della moneta, f. 6. 43 (ec). — Steuart, Untef. 36
Bud. — Say, Handb. II, 262. — G. Soden, Nationalökon.,
U. Bd. 38 Bud. — Hufeland, Staatew., der ganze 3. Theil. —
John Prince Smith, The elements of the science of money founded
on principles of the law of nature. London 1813. — Stord, I,
415 ff. — Murhard, Theorie des Geldes und der Münze. Altenb.
1817. Defien Theorie und Bolitif des Handels, 1831. I, 260. —
Materialien zur Kritik der Nationalöf. 1. Heft. Was it Geld? Berl.
1827. — 3. ©. Hofmann, Die Lehre vom Gelde, Berlin 1838. —
M. Chevalier, La monnaie, Par. 1850. (3r Band bes Cours d’6c.
pol.). — St. Mill, I, 525.
(6) Weber die Bergleichung des Geldes mit einem Zeichen, noch mit
einem Unterpfande, ift ganı angemeflen, weil der Empfänger einer
Geldſumme ſich durch diefelbe völlig befriedigt findet und an den Zah⸗
lenden feinen meiteren Anſpruch macht. Die Erklärung des Geldes ale
eines Zeichens kommt fhon bei Berkeley (1735) und Dutot (1738)
vor, Roſcher, Syflem I, 195.
(6). Bei dem Zweifel an der Richtigkeit dieſes Satzes und den angeführten
Beifpielen von ziemlich entwidtelten Völkern, die ohne Geld gewefen
fein follen, wie die alten Mexikaner, Peruaner und die Loo⸗Choo-In⸗
fulaner (Hermann, Unter. S. 97), möchten biefe Thatfachen felbft
nicht außer Zweifel fein. Nach anderen Nachrichten braudten 3. B.
die Mexikaner Kafaobohnen, Zinnftüde, baummwollene Tücher x. als
Geld. Murbard, Theorie des H., I, 277. '
$. 258.
Aus dem Welen ded Geldes (8. 257) laſſen fih nachſte⸗
hende, von der Erfahrung beftätigte Folgen ableiten: 1) Dass
felbe bleibt ftetd im Umlaufe, ohne in den unmittelbaren Oe⸗
brauch für menfchliche Zwecke überzugehen ($. 130), und unter»
fcheidet ſich hiedurch von allen andern umlaufenden Gütern,
welche früher oder fpäter zu einem Befiger gelangen, ber fie zu
gebrauchen anfängt, d. h. von den Waaren (a). Wenn ber
Stoff des Geldes eine andere Anwendung erhält, fo hört er
auf Geld zu fein. 2) Bei der Annahme des Geldes gegen
— 381 —
irgend eine 2eiftung nimmt man nicht fowohl auf die Eigen-
fchaften des zum Gelde gebrauchten Stoffes, ald auf den Preis
deffelben gegen andere Güter Rüdficht, weil man es nur als
Erwerbsmittel betrachtet, 8. 64. 3) Nach der Einführung des
Geldes werden felten noch Taufche von Waaren gegeneinander
vorgenommen, vielmehr in ben meiften Faͤllen an der Stelle
eined einzelnen Tauſches zwei abgefonderte Gefchäfte gefchloffen,
indem man, um mit Hülfe eines beftimmten Gutes ein anderes
gewünfchtes zu erwerben, erft jened gegen Geld verkauft und
dafür diefed anfauft (b).
(a) Hufeland, IL, 1—17T. — Der Stoff des Geldes ift eine Waare,
und das Metallgeld tritt, fowie es eingefchmolgen oder audy nur zum
Ginfchmelzen beftimmt wird, in die Reihe der Waaren zurüd.
($) Simonde, Rich. comm. I, 126. — Man feßt gewöhnlih den Kauf
und Berfauf, welde beide Ausprüde nur die zmei Seiten eines
und beflelben @efchäftes bezeichnen, dem Tauſche entgegen, wie im
römifchen Rechte die emtio und venditio der permiutatio und die Waare
(merx) dem Preiſe (pretium) gegenüber ſteht, L. 1. $. 1. D. de con-
trah. emt. (XVII, 1); aber die Bolkswirthichaftslchre muß fi mehr
an die weitere Bedeutung des Wortes Tauſch halten, nad welcher der
Kauf und das gegenfeitige Hingeben von Waaren ohne Zutritt des
Geldes (der Taufch sensu stricto) die beiden Arten oder Bälle des
Taufches find.
$. 259.
Die erfte Einführung eines Geldes konnte weder durch
Zwangöbefehl einer Regierung, nody durch ausprüdliche Verab⸗
redung unter den Menſchen gefchehen, denn es laͤßt fich nicht
annehmen, daß man den Begriff des Geldes befefien und befien
Vortheile gefannt habe, ohne beides aus der Erfahrung gefchöpft
zu haben. Man muß daher vermuthen, daß eine allgemein
beliebte und gefuchte Waare allmälig immer häufiger auch von
folchen Perfonen im Verkehre angenommen wurde, die fie nicht
felbft gebrauchen wollten, daß fie auf biefe Weife nach und
nach die Natur des Geldes erhielt und hiebei auch ftufenweife
der hieraus entipringende Nutzen deutlicher erfannt wurde. Das
zum Gelbe gebrauchte But mußte einen allgemein anerfannten
Werth haben und gerade nach dem Marftpreife, ber ihm ale
einer Waare zukam, gegeben und angenommen werden, damit
jeder Einzelne, dem es ald Gegenwert angeboten wurde, fihon
in ihm ſelbſt eine zureichende Vergütung für feine Leiſtung ers
hielt und folglidy auch auf den Ball, wenn Andere das Geld
=
— di8 —
ihm nicht ſogleich wieder abnehmen würden, nichts zu ver⸗
lieren hatte,
$. 260.
Das Geld !erhielt bei feiner Entftehung zugleich die Eigen-
fehaft eined allgemeinen Breismaaßes oder Bermögend-
meffers (a), d. 5. eines Gutes, in deffen Mengen die Preife
aller anderen Güter und Leiftungen ausgebrüdt werben, 8. 146.
Mit’ Hülfe eines ſolchen iſt es weit leichter, eine Menge von
Preisverhältniffen im Gedaͤchtniß zu behalten und mit einander
zu vergleihen, als wenn man bei jedem Gute feine Preiſe
gegen verfchiedene andere Sachen beachten müßte, überbieß bildet
ſich beſſer ein in vielen Fällen gleichförmiger Marktpreis, wenn
jebe. Waare nur gegen Geld vertaufcht wird. Ein folches
Preismaaß muß nothwendig felbft ein preisfähiges Gut fein,
und es ift ein defto vollfommenered, je weniger fein Preis Ber:
Anderungen unterliegt, $. 181. Die Borftellung eines blos
eingebilbeten (idealifchen) Preismaaßes, dem fein beflimmtes
ſachliches Gut entfpräche, enthält daher einen Widerſpruch in
ſich (d); nur ift e& denkbar, daß die Menfchen fich eines Preis⸗
maaßes bebienten, welches nicht dazu geichidt wäre, zugleich
als Geld zu dienen (c).
(c) Schon Galiani (Della moneta, 1780, S. 62) unterfcheidet in dems
felben Sinne eine moneta ideale (una commune misura per conoscere
il prezzo d’ ogni cosa) und reale. Graf v. Soden nennt das Preiss
maaß Ktemometer (richtiger Ktematometer), Nationalöfonomie, IL, 399.
Bol. Smith, Sc. of money, ©. 38. — Es if dem Sprachgebrauche
enfgegen, daß ®r. v. Soden den Bermögensmefler ausichließlich
Geld, das Umlaufsmittel Münze genannt willen will (ebend. 304),
denn ein Preismaaß, welches nicht zum Umlaufsmittel taugt, verdient
ben Namen Geld nicht, und der. Begriff von Münze ($. 264) ſteht
ſchon im gemeinen Leben fe. Die Kauris in Afrika find ſicherlich eine
Art des Geldes, aber nicht der Münze.
(65) Dahin gehört die Erzählung von der Mafute der Mandingo:Reger bei
7
— 319 —
(ce) Vielleicht gehört hieher der uralte Gebrauch des Viches zur Bezeichnung
der Breife, von welchem Homer Beilpiele giebt, Il. VI, 234:
Iept ward Glaukos erregt von Zeus, daß er ohne Befinnung
Gegen den Held Diomedes die Rüftungen, goldne mit ehrmen,
Wechſelte, 100 Farren fie werth, 9 Barren die andere.
Aehnlich Il. VII, 472. XXIII, 702, vgl. Stord, I, 422. 24 und
Zuf. 98. So wurden aud urfprünglich bei den Römern (Plin. Hist.
nat. XVIII, 3) und den alten Deutihen (Tacitus Germ. C. 12) die
Bermögensftrafen in Vieh angefegt, und als im Mittelalter Strafen
öfters in byzantinifchen Solidis ausgetrüdt wurten, verftand man unter
dem Solidus nod bisweilen ein Stüd Vieh oder ein gewifles @etreides
maaß. Hüllmann, Gtädtewefen des Mittelalters, I, 405. Bei den
alten Perfern war ein beflimmtes Preisverhältniß der verfchiedenen
Hausthiere gegeneinander feftgefegt, um Sütermengen danadı zu ſchaͤtzen;
Beynier, Persans, S. 308. — Im Ganton Bern nennt noch ie der
Landmann das Vieh Waare. In Island bedeutet das Wort Bieh
(fe) zugleich nermögen, fowie mal bei den Tataren. — Pecunia von
pecus. — Mehrere Belege bei Roſcher, Syſtem, I, 198.
$. 261.
Die Geſellſchaft muß fchon ziemlich ausgebildet, ed muß durch
gute Rechtöpflege und rechtlichen Sinn der Bürger ſchon viel
Credit begründet fein, bis man dahin gelangen Tann, fich eines
Umlaufömitteld zu bedienen, weldyes nicht jelbft von befanntem
Werthe und Preife ift, fondern fich auf ein anderes But bezieht,
dem diefe Eigenfchaften zufommen. in werth= und preidlofer
Gegenftand, 3. B. ein Stüd Papier, fann nur zum Gelbe
werden, wenn man ihm fünftlidy eine beftinnmte Bedeutung beis
legt, fo daß er eine Quantität eined gewiflen, und zwar am
paffendften eines bereitd zum Preismaaße und Gelde ange
wendeten Guted anzeigt (a). Auf diefe Weile kann ein Theil
bed umlaufenden Geldes aus folchen Zeichen beftehen, welche
beinahe gar Feine Koften verurfacdhen und vermöge der hieraus
entftehenden Erfparniß Gelegenheit geben, die anderen, in nähe
rer Beziehung zur Production flehenden Theile des Bolkdcapis
tale8 zu vergrößern.
(s) Sin Zeichen diefer Art wird der Guͤtermenge, die es ausdrüdt, aud
wirklich im Preiſe gleich gelten, wenn derjenige, der das Zeichen auss
gegeben hat, es felbft einlöfen ‚will und einlöfen kann. Im entgegens
gehen Galle kann daflelbe unter den Nennpreis finfen, den es
anzeigt (unter Bari). In diefem Kalle muß man bei den im Zeichens
gelde ausgedrüdten Preiſen immer darauf achten, wieviel fie gegen das
eigentliche Preismaaß gelten, z. 8. 24 fl. in oͤſterreichiſchem Papiers
gelde bei einem Curſe von 126 gegen 100 fl. Silber find in letzterem
nur 19,4 fl. — In Virginien gab es ein auf Quantitäten von Tabak
fich beziehendes Papiergeld. Graf v. Soden, Nat.:Def. IL, 313. —
— 320 —
Die weitere Betrachtung des Bapiergeldes folgt nady der Lehre von dem
Credite, $. 293.
\
$. 262.
Als das Bedürfniß eined Umlaufsmittels fühlbar wurde, ver:
fielen die Völker zuerft auf verfchiedene Gegenſtaͤnde, die ihnen
am nächften lagen, die fie am meiften fehästen oder befonders
häufig gebrauchten (a), doch erhielten fchon früh die Metalle (d),
zumal Gold und Silber (c) den Vorzug, wie denn beide auch
wirklich der angemeffenfte Stoff des Geldes find. Die Gründe
hievon find (d):
1) Körperlihe Eigenfhaften, nämlid a) Härte
und Dauerhaftigfeit, weßhalb fie beim Umlaufe fehr wenig
abgenugt werden, faft feinen Befchäbigungen ausgeſetzt find
und fi) ohne Gefahr der Verfchlechterung bequem aufbewahren
laflen (e). b) Sleihförmige Befchaffenheit der gereinig-
ten Metalle, fo daß jedes einzelne Pfund Gold oder Silber dem
anderen gleidy ift und an deſſen Stelle treten fann. c) Schmelz-
barkeit und Leichtigkeit des Formend. Dieb hat den Vortheit,
daß beim Unmgeftalten von Geldftüden nichts verloren geht und
bequem größere und kleinere Stüde zur Bertretung verfchiedener
Preisinengen zugerichtet werden fönnen, ferner, daß man Ge⸗
räthe, Gefchirre ıc. aus Gold und Silber leicht in Geld ums
wandeln fann. d) Der [höne an der Luft ausdauernde
Glanz (f).
(a) Beifpiele bei Buffe, I, 34, Graf v. Soden, II, 312, Hufelanb,
IL, 39, Stord, I, 423. — Bölfer in falten Ländern geriethen leicht
darauf, Thierfelle und Stüde von folden als Geld zu gebrauchen, wie
die alten Rufen Marder: und Gichhörndenfelle; der Sieger forderte
öfters den Tribut in Bellen; fipäterhin wurden gemalte Stückchen Belzs
werk als Zeichen ganzer Felle in Umlauf gebracht und erfi im 6. 2ahıh
fam das Pelzgeld außer Gebrauch. An der Hutfonsbai ift noch jept
das Biberfell als Preismaaß im Gebrauch und jenfeit des Alleghanny-
ebirge® wurden nah Marryat noch zu Anfang des jehigen Jahrh.
Felle an BZahlungsftatt angenommen. Storch, IU. 25. Schoen,
Novae quaedam in rem nummariam antiquae Rossiae observationes,
Wratisl. 1829. — Roſcher, Syftem, I, 198. — Bon den Mongolen,
Buräten 20. wird zu gleichem Behufe der Backfteinthee gebraudt, d. i.
Kuchen aus einer gröberen Theeiorte geformt, die ein allgemein bes
liebtes Betränf geben. Timko woky, Reife nad China, überf. von
Schmidt, I, 43. (1825.) — Muſchelgeld, Kauris (Cypraea moneta),
ale uraltes Scheidegeld in China, Vorderindien, Arabien und Africa
bis zur Weſtkuͤſte in Gebrauh. Sie verbreiteten fih von den Maledi⸗
ven aus nach Weften, aber auch an den africanifchen Küften werden fie
n
— 321 —
efunden. Der Sflavenhandel fcheint ihre Verbreitung befördert zu
haben und in manchen Gegenden, wo fie nicht als Geld Lienen, werben
e wenigftens zum Schmud gebrauht. Volz in der Zeitfchrift für
Staatswifl. 1854, ©. 83.
(3) Die Sinführung des Metallgeldes fällt bei den alten Bölfern in bie
erften Perioden ihrer Gefchichte, und der Zeitpunct ift bei feinem genau
befannt. Die Hrbräer hatten es fehr früh, die Athener Schon zu Solons
Zeit, die Römer feit Servius Tullius; Herodot (I, 94) fchreibt den
Lydiern die Erfindung der Gold: und Silbernüngen zu. — Bei einem
africanifhen Bolfe 4 nah Mungo Park ein in Gifenflangen be:
ftehendes Geld üblih, und die Eingebornen find gewohnt, eine Güter⸗
menge, die im Breife einer Stange gleich kommt, auch wirklich eine
Stange zu nennen, 3. B. 20 Tabalsblätter oder eine Sallone Brannt:
wein heißen eine Stange Tabak, eine Stange Rum. Die Europäer
haben die Gifenftange gleih 2 Schill. Sterl. gefept. Thomas Smith,
An attempt to define ete. ($. 45. (c)) S. 23—25.
(e) Platin ift bei dem peutigen Stande der Metallurgie noch zu foftbar zu
prägen. Hagen in Polis, Jahrb. der Geſch. u. Staatskunſt, 1830.
I, 29. — Schubart, Tedhn. Chem. LI, 431.
(4) Bol. Buffe, a. a. O. J, 45 und die dort angeführten Schriften. —
Qufeland, II, 42. — Schön, N. Unteaf. ©. 127.
(e) Geld, Silber und Kupfer find nach den forgfältigen Unterfuhungen
von Cavendiſh und Hatchett am meiften geeignet, miteinander in
den Münzen verbunden zu werden. Die hieraus gebildeten Gemiſche
behalten die Dehnbarkeit und fönnen ohne Verluſt durch Verfluͤchtigung
oder Oxydation eingefchmolgen werden. Philos. transact. 1803. 1, 150. —
Die Yortfchritte der national: öfonomifhen Wiflenfhaft in England.
S. 226. (Leipzig 1817.)
(f) Er iſt dauernd wegen ber geringen Anziehung beider edlen Metalle zum
Sauerftoff.
$. 263.
2) Ein nicht fehr veränderlicher und zugleich ziemlich hoher
Preis, weßhalb auch fehon eine Fleine Mafle, 3. B. ein Stüd,
eine Rolle von Stüden, eine anfehnliche Preismenge barftellt.
Dieß ift eine große Erleichterung für den Gebrauch und bes
fonders für die Verſendung. Unedle Metalle können zum Bers
güten kleiner Preismengen gute Dienfte feiften, find aber für
den großen Berfehr unbraudybar.
3) Allgemeinheit der auf den erwähnten förperlichen Eigen-
Ichaften (1) beruhenden Werthſchätzung. Die Schönheit, in Ber-
bindung mit der Koftbarfeit, empfiehlt dad Gold und Silber
ganz vorzüglidy zu Gegenftänden des Schmuded und Prunfes,
wobei fie al® Kennzeichen verfchiedener Grade des Wohlſtandes
oder auch der höheren Rangftufen in der Geſellſchaft betrachtet
zu werden pflegen (a), zugleidy befriedigen fie aber doch feine
fo dringenden Bebürfnifie, daß man verfucht fein fönnte, einen
Rau, polit. Dekon. I. 7. Ausg. 21
— 822 —
beträchtlichen Theil des Metaligeldes feiner Beſtimmung zu ent⸗
ziehen unb zu verbraudyen (b).
(a) Auf jeder Stufe dient der Gebrauch eines fllbernen oder goldenen —
ſtandes zu einem ſolchen Merkmal; fo bezeichnen z. B. ſilberne Loͤffel
Leuchter und Teller drei ſehr von einander entfernte Grabe der Wohl⸗
benheit. Manche ——— en koͤnnen der Sitte gemäß nur in
lUd geſchehen, golbne Ta nubzen werden bei ben Höheren Ständen
ale Beduͤrfniß angeſehen. Ehemals waren auch bie Schnalles, bie
Treſſen an den Kleidern und vergl. folche Yinterfcheibungszeichen.
(6) Dance minder gebildete Bölker haben jedoch eine folche Vorliebe zu
den edlen Metallen, daß fle diefelben begterig anfammeln, wie die alten
Ruffen (Schoeon, angef. Obserr.) und die Lappen, welche aus Schwe⸗
den und Norwegen Silber diehen und große Summen befigen, bie fie
nie ausgeben, Willibald Aleris (Häring), Herbftreife durch
Scandinavien, 1828. II, 47. — Nadir Schach fand 1739 im Schage
des Großmoguls zu Delhi 5 Crore (72%/ Mill. fl.) Muͤnze und andere
Dinge von Gold und Silber.
8. 264.
Die edlen Metalle dienen am beften zum Gelbe in der Form
geprägter Stüde oder Münzen (a). Das Gepräge zeigt
fowohl dad Mifchungsverhältnig als das Gewicht der Stüde
an (5) und eripart dadurch die Mühe des Wägens fowie bie
Prüfung des Gemifches, welche fonft bei dem Empfange jedes
Geldftüdes vorgenommen werden müßte. Im großen Hanbele-
verfehre, befonder® bei Zahlungen in ein anderes Land, welches
die Münzforten bed Zahlenden nicht höher annehmen würde,
ald ungeprägtes Metall, werden jedoch öfters Gold» und Silber:
ftangen (Barren, franz. lingots, engl. ingots, bullion), welche
geftempelt find und blos gewogen werben müfien, ald Geld
gebraudit (c). Ä
(a) Es giebt Münzen, die nicht Geld find, z. B. Denk⸗, Ehren: und
Schaumünzen; auch Nothmuͤnzen von Leder find vorgefommen.
(6) Es ift zu diefer Bezeichnung fchon hinreichend, wenn nur ber Golb⸗
oder Silbergehalt der Münzen von einem gewiflen Gepräge geſetzlich
vorgefchrieben ift.
(0) Noch jet wird in Ehina der Umlauf neben einer kleinen an Schnüre
gereihten Meffingmünzge Biäng, Li, von den Engländern cash ge
nannt, lange zu ungefäbt 1/a kr. gerechnet) blos mit Barren beftritten
(Stord, I, 423. Timkowoky, Reiſe, II, 366), fo aud in Cochin⸗
ina uad Tunfin, wo bie Barren platt gefchlagen und 4 Zoll lang
nd. Th. Smith, a. a. O. ©. 31. Der perfifche Larin ift eine
21/5 Zoll lange, zufammengebogene , geftempelte Silberſtange. Nbbils
bung defl. bei Nobad, Handb. der Münzverh., IL, Taf. XXIX. In
Beyjan bedient man flch des Goldflaubes, der gewogen wird, doc, werben
Feine Breife in Korn oder Mehl bezahlt, Bag. v. merkw. n. Reifen,
— 323 —
V, 304. — So geſchah es auch oft im Mittelalter. Hüullmann,
Städtewelen, I, 402. 416. — Ibn Batuta (Trarels, transl. by Lee,
Lond. 1829. ©. 200) fand im 14. Jahrhundert auf Sumatra Stüde
Bold; und Zinnerz ale Geld üblich.
8. 269.
Da das Geld feinen Gebrauchswerth hat, fondern erft nügt,
wenn man ed audgiebt, fo findet fich jeder Befiger eined Geld»
vorrathed feines Vortheild willen aufgefordert, denfelben in den
Umlauf zu bringen. Fehlt es in einem Lande nicht an Sicher
heit der Rechte und mandhfaltiger Gelegenheit, baare Summen
zwedmäßig zu verwenden, fo braucht man nur fo viel Geld
vorräthig zu haben, als in der Zwifchenzeit von einer Ein-
nahme bis zur andern zur Beftreitung der Ausgaben erforderlich
ift (a). Deßhalb ift der größte Theil der Geldmenge flets in
ziemlich lebhaften Umlaufe, dody wird auch fletd ein im Ganzen
beträchtlicher Geldvorrath von Kaufleuten, Banfhäufern und
anderen Privatperfonen aufbewahrt, der erft bei befonderen Ber:
anlaffungen zum Borfchein kommt (db). Je öfter ein einzelnes
Gelbftüd aus einer Hand in die andere geht, defto mehr Güter
und 2eiftungen fönnen mit ihm im ®Berfehre vergütet werben
und mit deſto geringerer Geldinenge Fann der ganze Güterumlauf
in einem Lande unterhalten werden (c). |
(a) Die &ewerbsunternehmer haben die befte Gelegenheit, das Geld als
Gapital anzuwenden, für die anderen Claſſen bieten fih mandherlei
Arten des Ausleihens auf längere oder fürzere Zeit dar, auch koͤnnen fie
wenigſtens immer Gutervorraͤthe dafür einkaufen, die fe in größeren
Nahen wohlfeiler erhalten. Je mehr man dagegen Raub, Blündes
rung, Grpreflungen, bdrüdende Steuern sc. befürchtet, deſto haͤufiger
fuht man Vermögen in der Form des Metallgeldes zu bergen. Ber:
graben der Münze in Frankreich wegen ber Berfonalfteuer taille per-
sonnelle), dann während der Mevolution, in Deutichland im 30jaͤhrigen
Kriege, in Irland, im Driente, bei den ruflifchen Bauern. Bimonde,
Rich. comm. I, 142. Mac⸗Culloch, Handb. IL 291. Daß nod
jest die Landleute in Miederbretagne viel Geld liegen haben, erklärt
man 1) aus der Gewohnheit feit den Bürgerkriegen, 2) aus dem Streben
der Pachter, ihre Erſparniſſe zu verheimlihen, 3) aus dem Gifern der
Landgeiftlihen gegen das Zinsnehmen, Compte rendu de l’ac. des sc.
mor. et polit. Mars 1843 ©. 192. Auch bie Landbewohner in den
nordamericanifcheu Freiftaaten fammeln viel Selb, Hunt, Merchants
magaz. Jan. 1852 ©. 92. — Bgl. $. 263 (a).
(64) Der englifhe Schriftſteller Fullarton hat neuerli Hierauf aufmerk⸗
fam gemadt. GEs können mit Hülfe diefer Borräthe bedeutende Summen
aufgebracht werben, ohne dem umlaufenden Theile der Beldmenge etwas
zu entziehen. Fullarton, On the regulation of eurreneies, bei
Mill, II, 120. |
21°
— 324 —
(e) Der Commandant von Dornyk (Tournay) reichte 1745 bei der Belage⸗
rung 7 Wochen lang zur Bezahlung der Löhnung mit 7000 fl. aus,
indem er ſich dieſelbe Summe alle Woche von Neuem von den Gaſt⸗
wirthen leihen Tieß, welche das Geld von den Soldaten eingenommen
hatten, Pinto, Trait& de la circulation, ©. 34.
$. 266.
Die oft befprochene Frage, welchen Theil die Geldmenge
eined Volkes von dem gefammten Vermögen oder Einfommen
befielben betragen müfje, läßt fich nicht allgemein beantworten (a).
Der Geldbebarf eined Landes hängt nämlid ab 1) von dem
jevesmaligen Preiſe des zum Gelde gebrauchten Gutes, alfo
namentlih Münzmetalle, gegen andere Dinge, 2) von ber
Menge der zu vergütenden neuen und älteren Güter und ande
ren Leiftungen, 3) von dem Theile der Umlaufdgefchäfte, ber
ohne Gebraudy bed Geldes, 3. B. durch Taufc ober Ab-
rechnung vorgenommen wird, 4) von der Schnelligkeit, mit
welcher die Geldftüde umlaufen. Wenn man bie Durdyfchnitts-
zahl von Umläufen eined Geldſtuͤckes während eined Jahres
wüßte und biefelbe mit der umlaufenden Geldmenge verviel-
fachte, fo würde das fich ergebende Product genau die durch
Geld vergätete und in Umlauf gefegte Menge von Waaren und
Leiftungen, nad) den Preifen angefchlagen, anzeigen (b).
(a) Dap ältere Schriftfteller den Geldbedarf auf */s, Yo, */eo und felbf
sp des Bolkseinfommens fhägten (Smith, II, 36), erklärt ſich aus
dem Mangel an flatiflifchen Angaben über beite Größen. Die Aus:
mittlung des Geldvorrathes in einem Lande ift fchwierig, weil man
feinen Anpaltspunct bat als die Nachrichten über die Ausprägung in-
ländifher Münzen und über die Ausgabe von Staats⸗ und Privat:
papiergeld, wobei die Menge der zur Berarbeitung eingefchmolzenen und
der ausgeführten Münzen unbefannt bleibt; vgl. Necker, Administr.
des fin. de la Fr., III, 38. (1785). — de Steck, Esssis sur plusieurs
matieres, ©. 21. (Halle 1790). — Ueber die Geldmenge in den euro:
päifchen Staaten Stord, IH, 50. — Roſcher, Eyftem, I, 214. —
Die jepige Münzmenge in ganz Europa vor ber Geldvermehrung feit
dem Jahre 1848 mag etwa 5000 Mi fl., das Papiergeld nad Abzug
des baaren Gaffenvorrathes in den Banken gegen 900 Mill. fl. be
tragen haben, zufammen 5900 Mill. fl. oder 22,7 fl. auf den Kopf.
Tengoboreti nimmt 10000 Mil. Fr. = 4714 M. fl. Münze an;
Soetbeer für 1848 (nah Abzug von 170 Mill. Thlr. für die nords
americanifchen Breiftaaten) 4952 Mil. fl., für 1853 aber ergeben fich
aus feinen Bermuthungen un efiht 5950 Mill. fl. Münze. v. Sum:
boldt fehlägt den Geldbedarf auf den Kopf im nördlichen und öfllichen
Europa zu 14 fl., im füdlihen und weſtlichen zu 25%. fl. an.
Broßbritanien wurde der Müngvorratb 1830 und fpäter auf
36 Mill. 2. St. geihäßt, nah Moreau de I. (Statist. I, 329) auf
1100 Mil. Br. = 43 Mil. 2. St, nah Beel (1845) auf
— 328s —
59 M., von Tooke 1856 auf 70—75 Mill. Die Banknoten nach wi
des baaren Baflenvorrathes belaufen ſich ungefähr auf 20 M. 2. ©t.,
zufammen gegen 92 Mill. oder 37,6 fl. auf den Kopf. — In Frank⸗
reich nahm Neder 1784 die Geldmenge zu 2200 Mil. Liv., Mols
lien 1806 zu 2300 Mill. Fr. an, 1826 fhäßte man fie zu 2713,
1832 zu 3385 Mil., Blang ui rechnete (zu Hoch!) 4000, Moreau
de 3. 2860, neuere Berechnungen (Dep.:K. 13. April 1847) geben
2400— 2500 Mill. Fr., überhaupt fchwanft man zwiſchen 2400 und
3000 Mil. Rechnet man 2500 und mit den Banknoten (nad Abzug
des Baarvorrathes) 2650 Mill., fo beträgt dieß 33H. auf den Kopf. —
In den Niederlanden waren nah de Eloct (Tableau statist. de
ind. des Pays-Bas, 1823, ©. 33) 642 Mill. Fr. umlaufend, oder 52.
auf den Kopf. — In Belgien fhägte man den Münzvorrath auf
200 Mill. Br. (Heuschling, Statist. gender. de la Belg., 1838,
©. 241), wozu vieleicht 40 Mil. Er. Papiergeld kommen mögen, oder
28 fl. auf den Kopf. — In Portugal nahm man 1821 80 Mill,
Grufaden Münze und 221/ Mill. Papiergeld an, letzteres war aber
wegen des niedrigen Eurfes nur auf 17 Mill. zu feßen, zufammen
97 Mill. Er. oder faſt 108 Mill. fl., welches auf den Kopf 34 fl. be:
trägt. Balbi, Essai statist., I, 323. 336. — Schweden hat in
Papiergeld 33%, Mill. fi. oder 11 fl. auf den Kopf, daneben Kupfer
münze und etwas GSilbergeld (Forſell). — Anſchlag für Würtem-
berg von Schübler Metall und Papier, 1854, S.15): 40 Mill. |.
Münze oder 24 fl. auf den Kopf mindeftens. Dazu 3 Mill. fl. Papier
geld, alſo zufammen 25,° fl. auf den Kopf. — Für Deutfhland
wird man 25—30 fl. auf den Kopf annehmen dürfen.
(6) Simonde, Rich. ecomm., I, 127. Montesquieu nahm (Wie einige
Neuere) auf die Öfteren Umläufe der Belbftüde nit Müdficht und bes
hauptete deßhalb, die ganze Geldmenge müffe immer der ganzen ums
laufenden Gütermenge im Preife gleich fein; Esprit des lois, XXI, 7 —
Bol. Hufeland, II, 457.
$. 267.
Die Geſchwindigkeit des Geldumlaufs ift ſchwer in Zahlen
zu ermitteln, zumal ba fie bei den verfchiedenen Gelbforten
eine® Landes nicht biefelbe fein Fann (a). Sie hängt in jebem
Lande mit den allgemeinen volföwirthfchaftlichen Verhältniffen
befielben zufammen. Das Beilammenwohnen vieler Menfchen
in größeren Städten, die Manchfaltigkeit der hervorbringenden
Gewerbe und Dienfte, die Erleichterung des Verkehrs burdh
verfchiedene Staatseinrichtungen und bergl. tragen dazu bei,
daß jeder Empfänger von Gelpftüden Gelegenheit und Neigung
erhält, biefelben bald wieder auszugeben. Deßhalb nimmt ber
Geldbedarf eines Wolfe weder mit der Zahl feiner Bürger noch
mit der Größe feined Einkommens gleihmäßig zu und kann
fich fogar bei den Hortfchritten ded Wohlftandes und der Bes
völferung noch vermindern, wenn nämlich die Umlaufsgeſchwin⸗
bigfeit der Gelbftüce fi} vermehrt und wenn man ed bahin
— 326 —
bringt, viele Verkehrsgeſchaͤfte ohne Baarzahlungen zu voll⸗
führen (5).
(a) Scheidemuͤnzen laufen ſchneller um als grobe Silberſtuͤcke oder vollends
ale Goldmünzen. Diefer Gegenfland iſt bis jetzt noch gar nicht
erforfcht.
(5) Demnad giebt es in der volfswirthichaftlichen Entwicklung eines jeren
Volfes einen PBunct, bei welhem der Geldbedarf auf den Kopf der
ginwohner am höchſten fteht, fo daß er jenfeits befielben wieder abs
nimmt.
$. 268.
Der Preis des Metallgelded gegen die übrigen Güter ſteht
ebenfo wie ber Preis jedes anderen Gegenflandes unter dem
Einfluffe des Mitwerbend. Wenn die in den Verkehr tretenbe
Geldmenge eined Landes bei einem beflimmten Preife und einer
gewiſſen Umlaufögefchwindigfeit nicht zureicht, um die angebotene
Menge von Gütern und Leiftungen wirklich umzufegen, fo werben
bie Verfäufer, Bermiether, Verpachter von Sachgütern fowie bie:
Lohnarbeiter genöthigt, ſich mit einer geringeren Vergütung in
Geld zu begnügen, wenn fie überhaupt Abnehmer deſſen, was
fie anzubieten haben, finden wollen. Diefe Unzulänglichfeit bes
Geldvorrathes, foweit fie nicht durch Herbeiziehen der bisher
unbenugt gelegenen Vorräthe (8.265 (5) ) gehoben werden fann,
brüdt alle in Geld ausgedrüdten Preiſe herab, oder, was
dafjelbe fagt, vertbeuert das Geld gegen alle anderen Verkehrs⸗
gegenflände. Dagegen muß nad, einer Vermehrung der Geld⸗
menge ohne eine verhältnigmäßige Zunahme des Gütervorraths
der Preis aller Dinge fteigen, d. h. das Geld wohlfeiler wers
den, indem ber Begehr aller Gegenftände, die für Geld zu haben
find, ftärfer wird und die Unmöglichkeit eintritt, mit gleicher
Geldſumme noch fo viel zu Faufen, ald vorher (a).
(a) Diefe Wirkung würde natürlih dann wegfallen, wenn gleichzeitig auch
bas Geldbedürfniß zunähme, 3. B. zu Zahlungen in das Ausland oder
wegen der Ausdehnung des inneren Umlautes. — Die Befiper der
neubinzugefommenen Gold: und Silbervorräthe entichließen fich bes
greiflich ungern, höhere Preife beim Cinkaufe von Waaren und bei
anderen Selhäften zu bezahlen, fie oͤgern vielleicht, laſſen bie ange:
häuften Summen von Münze einige Zeit liegen oder ſuchen diefelben
außer Landes anzulegen. Hat aber dieſes Schwierigkeit, fo müffen fie
ber Macht der Umflände nachgeben. Hiezu fommt, daß gewöhnlich die
Bertheurung eher eintritt, ale man bie wahre Urfache erfennt. — Zweifel
— 327 —
egen dieſe bisher allgemein angenonnnenen Saͤtze bei Schuͤbler,
Wilu und Papier, S. 114.
8. 269.
Ob das Metallgeld einen höheren oder niedrigeren Preis
hat, dieß ift für die Leichtigkeit des Güterumlaufs gleichgültig.
Diefer bebarf nämlich nicht gerade einer gewifien Menge von
Gelpftüden, fondern nur einer ſolchen Preismenge des ganzen
Geldvorraths, die bei einer gewiffen Gefchwindigfeit feines Ums
laufes hinreiht, den Gegenwerth aller gegen Geld in Umlauf
zu feßenden Güter und Reiftungen zu bilden ($. 266), unb
diefe Preismenge ftellt ſich von felbft her, weil der Preis eines
Geldſtuͤckes fich je nach dem Bebürfniffe des Verkehres in dem⸗
felben Maaße erhöht oder erniepriget, wie feine Menge abs oder
zugenommen hat (a). Bei feinem anderen Verfehrögegenftanbe
fteht der Preis fo genau im umgekehrten Berhältniffe zum Ans
gebote, auch giebt es fein anderes Gut, beffen Menge, fie fel
groß oder Hein, abgefehen von den Schwierigfeiten des lieber
ganged, immer zur Befriedigung des Bedürfniſſes eben zus
reihend ift (6). In einem völlig abgefchiedenen Lande fönnte
man fich bei einer fehr kleinen Menge Geldes ebenfo gut bes
finden als da, wo daſſelbe in großer Bülle vorhanden und deß⸗
halb auch fehr wohlfeit ift (ce).
(a) Es fei g die Geldmenge eines Landes, u bie mittlere Umlaufszahl, fo
fu. —* Betrag der jährlichen Geldgeſchaͤfte. IA ferner w bie ums
eſetzte enge von Gütern und Leiftungen, in Einheiten eines gewifien
Butes, 3. D. Getreide, ansgedrüdt, p der Gelbpreis eines Gentners
u.g,
Getreide, fit u.g=w.p, alop = — woraus man deutlich
fieht, wie bei einerlei Groͤße von w und u ber Preis p ſich in dem
nämlichen Berbältniß ändert wie g. — Es verfteht ſich übrigens, daß
nur der zu Anfäufen und anderen Verwendungen innerhalb des Landes
beflimmte, folglih als Begehr von Sachgütern und Leitungen erſchei⸗
nende @eldvorrath auf die Preife wirkt, nicht der unbenutzt liegende.
(5) ine merkwürdige Folge Hiervon if, daß nur dann alle Güter in einem
Lande zugleich gegen Geld im Preife fleigen fönnen, wenn entweber
bie Geldmenge, oder bie Umlaufsgefchwindigfeit vergrößert wird oder ein
rößerer Theil der Geſchaͤfte ohne Hülfe des Geldes abgemacht werden
ann. Tritt feine diefer Bedingungen ein, fo ift eine allgemeine Vers
theurung aller Waaren undenkbar, weil der Geldvorrath dann nicht
mehr zureichen würde, bie nämliche Sütermenge im Umlaufe zu erhal
ten. Ricardo leitet, ohne jene Bedingungen zu berüdfichtigen, aus
diefer Urfache die Unmöglichkeit ab, daß das Steigen des Arbeitslohn
eine Gchöhung der Geldpreiſe aller Producte bewirken finne. Grundgeſ.
©. 85 (I, 148 fr. Ueb.) und 332 (II, 143). — Bol. $. 208 (A).
— 328 —
(e) In einem an Gold und Silber ſehr reichen Lande müßte man bei Zah:
lungen vielleicht die dreifache Menge von Münzen zählen, paden und
vertenden, dagegen könnte man fich jene Metalle zu anderem Gebraudhe,
3. B. zu Geſchirren, Uhren u. dergl. mit einer weit kleineren Auf:
opferung von Bütern verfchaffen.
8. 270.
In einem Lande, befien Bewohner mit anderen Völkern in
lebhaften Verkehre ftehen, kann das jedesmalige Verhaͤltniß bes
Geldvorrathes zu dem Bebarfe nicht allein den Preis des Metall
gelbes beftimmen, weil die DMünzmetalle zugleich einen allges
meinen, ihren Hervorbringungsfoften entiprechenden Preis haben,
ber bei ber Leichtigkeit und MWohlfeilheit der Verfendung von
Land zu Land nicht ſehr verfchieden ift, 8. 169. Der Preis
ber geprägten Metalle an einem einzelnen Orte kann nicht viel
von jenem allgemeinen Preiſe der rohen Metalle verfchieden
fein, weil es ebenfo leicht ift, durch Einfchmelzung der Münzen
dad rohe Material wieder herzuftellen, als diefed in Münzen
einer gewiflen Art (eine Gewerkswaare) umzuwandeln, alfo den
Geldvorrath zu vermindern ober zu vermehren.
$. 271.
Fängt in einem Lande die Münze an, gegen den allgemeinen
MWeltpreid der edlen Metalle zu wohlfeil zu werden, jo wird
alsbald ein Theil des Vorrathed in Münzform oder eingefchmols
zen ind Ausland gefendet und hieburch die Geldmenge des
Landes bald jo weit vermindert, daß ber Preis des Geldes
wieder in die Höhe geht (a). Diefe Veränderung fann er-
folgen 1) indem die Bewohner bed Landes Geldfummen zum
Einfauf von Waaren oder unbeweglichen Gütern, zu Unter-
nehmungen oder auch zum Ausleihen in anderen Ländern vers
wenden, weil fie wahrnehmen, daß man dort mehr mit denjelben
ausrichtet, 2) indem auch Ausländer durch die höheren Preiſe
ermuntert werden, Waaren herbeizuführen und den Gelderlös
mit hinmwegzunehmen (d). Hierzu kommt noch, daß zugleich die
Bewohner ded Landes mehr Gold und Silber als bisher zu
Geſchirren, Schnud und dergl. verarbeiten. Ä
(a) Hume, Verſuche, 5te Abh. — Smitb, II, 242. — Stord, I, 480. —
J. Mill, El&m., 128. — Die obigen oh fielen die Unrichtigkeit der
Grundgedanfen, auf denen das Handelsſyſtem beruft, in ein helles
— 829 —
Licht. Bine ſtarke Anhäufung von Metallgeld in einem Lande wäre
nicht ſonderlich vortheilhaft (8. 269) und koͤnnte fih auf die Dauer
nicht erhalten. Das Beifpiel Spaniens, weldes feine großen Zuflüfle
von Gold und Silber für Maaren verfchiedener Art wieder bingab, ift
befonders beweifend. Wie verkehrt erfcheint das Verfahren bes fran-
zoͤſiſchen Yinanzminiftere Calonne, der 1782 und 1783, um mehr
Gold und Silber herbeizufchaffen, daflelbe im Anslande fo theuer ein:
faufen ließ, daß es einträglich wurde, in Brankreih Münze einzuſchmel⸗
en oder ins Ausland zu fhiden! Necker, Admin. des fin., III, 41. —
an ſtellt fi übrigens leicht die Wirkungen einer gegebenen Geldver⸗
mehrung zu groß vor, wenn man nicht erwägt, wie fie fih zu der
anzen Geldmenge eines Landes verhält. Sie kann eine anfehnliche
Summe ausmadhen und doh nur aus 1 oder 2 Procent des ganzen
Geldvorrathes beftehen, wobei dann noch Feine auffallenden Folgen zu
bemerken fein werden. '
(5) 88 verurfaht immer einige Koften, dem metallreicheren Lande Waaren
zuzuführen und dagegen Münzen zurüdzubringen. Steht der Preis
des Metallgeldes in dem erften Rande nur noch um dieſe Frachtkoſten
niedriger, fo ift mit diefer Unternehmung fein Gewinn mehr zu machen.
Um den Betrag der Frachtkoſten kann daher der Geldpreis in mehreren
Ländern oder felbft Gegenden verichieden fein, insbefondere ift ein
höherer Stand defielben, d. i. eine Wohlfeilheit der einheimifchen Waaren
in folchen Gegenden zu finden, die nur rohe, foflbar zu verfendende
Stoffe erzeugen und fie auf entfernte Märkte führen müflen, wie 3. 2.
Tirol, Steiermarf und überhaupt die ärmeren, ſchwach bevölferten Länder
von vorherrfchendem Landbau. Bei Bölfern, die die Müngmetalle durch
eigenen Bergbau oder durch unmittelbaren Verkehr mit metallreichen
Ländern zu Schiffe beziehen, ift der Preis diefer Metalle niedriger, als-
in Binnenländern. an vergleihe 3. B. England und das innere
Rußland. Obgleich jedes Volk die am wohlteitften zu verfendenden
Büter zur Ausfuhr zu bringen fucht, fo bleibt doch immer noch ein
merflicher Unterfchied, zu defien Verminderung allerdings die anderen
Beranlafiungen der Geldflrömungen,, 3. B. Anleihen, Auswanderuns
en ıc. beitragen. — Dielen früberhin überfehenen wichtigen Umftand
Bat Ricardo, Bay. 28, zuerft hervorgehoben, ſ. auch J. Mill, El&m.,
177. — Nebenius, Der Öffentl. Crebit, I, 99. — 3. St. Mill,
I, 58. — Smith glaupke, in reicheren Ländern feten die edlen Metalle
gegen Betreide und Arbeiten fheurer. Unterf. I, 305.
$. 272.
Eine Bermehrung der Geldmenge, wenn fie gleich
für die Dauer eine allgemeine Erhöhung der Güterpreife zur
Folge hat, muß dennody anfangs eine günftige Wirfung auf
ben Gewerbfleiß äußern, bie fi) aus folgenden Urfachen ers
klaͤren läßt. 1) Die neu hinzugefommenen Geldmaflen erfheinen
nicht fogleich ſaͤmmtlich auf dem Marfte, vielmehr zeigt fich
bie Vergrößerung des Begehrs in der erften Zeit nur bei ge
wiffen Arten von Waaren und Leiftungen, die alſo vor anderen
vertheuert werden. Den Berkäufern berfelben fallen deßhalb
höhere Gewinnfte zu, bis die Wirfung fih nad und nady auf
— 330 —
alle Gegenftänbe des Verkehrs ausbreitet und bie Preiſe der⸗
felben gegen einander wieder das nämlicye Verhältniß annehmen
wie vor der Geldvermehrung. 2) Manche Ausgaben der Unters
nehmer werben nicht ebenfobald erhöht, ald ihre Kinnahmen
burch bie geftiegenen Preife ſich vergrößern. Die Grundrente
bleibt wenigftend fo lange glei, als bie beftehenden Pacht-
verträge dauern (a); die Zinsrenten forwie bie Abtragung der
Schulden werden in dem gefunfenen ®elde entrichtet, ald hätte
fi) der Preis deflelben nicht verändert; auch der Arbeitölohn
hat feine fo leichte Beweglichkeit, wie die Waarenpreife, wenigs
ftend nicht bei dem Hausgeſinde und denjenigen Xobnarbeitern,
die längere Zeit hindurch von einem und demfelben Unternehmer
befchäftiget werden, und die Unternehmer wibderftreben um fo
beharrlicher einer Erhöhung ded Lohne, je weniger man in
folhen Umftänden die wahre Urſache der Veraͤnderungen zu ers
fennen pflegt, $. 192. Auch die öffentlichen Abgaben werden
nur allmälig und unvollftändig. erhöht.
(ea) As in England die Bertbeurung der Waaren im 16. Jahrhundert
eintrat, waren die Ländereien großtentheilg auf langjährige, oft auf
HYjährige Zeitabfchnitte verpachtet, fo daß. die Pachter den Bortheil der
erhöhten Breife lange allein genofien.
8. 278.
Unter diefen Umftänden muß bei einer durch eine Geldver⸗
mehrung entftehenden Bertheurung ber Waaren ber Gewerbs⸗
verdienft eine Zeit lang höher fein, als vorher, während bie
Capitaliften, Arbeiter, Befoldeten und wer fonft fefte Einkünfte
hat, eine fehr läftige Unzulänglichkeit ihres Einfommens empfin-
ben (a). Die Unternehmer werden durch ihre größeren Ges
winnfte angereizt, mit fleißiger Benutzung aller Güterquellen
bie Production zu erweitern. Dieß vermehrte Angebot hat
Golge, daß die Preife der Waaren nicht fo viel in die Höhe
gehen, als ed außerdem nad) der Zunahme der Geldmenge
gefchehen müßte (5). Der höhere Stand bed Gewerbsver⸗
dienftes befteht inzwijchen nur fo lange fort, bis die Wirfung
der Geldvermehrung ſich vollfländig auf alle Berhättnifie des
Verkehrs fortgefegt hat, und der Vortheil der Unternehmer während
diefer Zeit ift unverkennbar mit einer Bebrängniß anderer Volks⸗
claffen erfauft (co). Nur dann, wenn eine Geldvermehrung
regelmäßig fortbauerte, würben bie hier gefchilberten Wirkungen
ber erften Zeit fortwährend zum Vorſchein kommen, weil bie
Waarenpreife immer wieber eine weitere Steigerung erhielten.
Dieß Fönnte, abgefehen von der Zunahme des Papiergeldes,
nur von einer allgemeinen Vermehrung der Münzmetalle her
rühren, wobei jedod die Wohlfeilheit derfelben ben Stillftanb
mancher minder ergiebiger Bergwerfe und anderer Gewinnungs⸗
arten nach fidy ziehen müßte.
(a) Schilderungen folder Verhältniffe aus dem 16. Jahrh. bei v. Jakob,
Ueber Product. u. Gonfumt. d. edlen Metalle, II, 46. 58, wobei man
jebody leicht bemerft, daß der damalige Zuftand von den Zeitgenoflen
nicht Mar erfannt wurde. — Mo eine große Staatsichuld befleht, ers
leidet das Vermoͤgen der Gläubiger durch die erwähnte Deränderun
eine Abnahme, während zugleich die Beſchwerde ter Schuld für bie
Steuerpflichtigen Fleiner wird. Alle Zahlungen aus älteren Berbinds
lichfeiten vermindern fi ihrem wahren Verkehrswerthe nah, während
die neubedungenen dem gefunfenen Preife der Münzmetalle gemäß höher
feſtgeſetzt werben.
(5) Hieraus wird begreiflih, wie man bei dem Zufufle der Gold⸗ und
Silbermaflen aus America dazu fommen fonnte, dem Gelbe eine weit
rößere Wirfung beizulegen, als daſſelbe feiner Weſenheit nach haben
ann, 6. 33. Unter den Urfacdhen, die im 16. Jahrhundert den Wohl
fand und den Berfehr vieler europäiicher Länter emporhoben, war die
Geldvermehrung die geringfügigfte und es Bat fih aud das Andenfen
an die mit ihr verknüpften nachiheiligen Yolgen erhalten.
(o) Wenn aud der in ber Beldvermehrung liegende Vortheil rein, ohne bes
gleitende Nachtheile und erheblich wäre, fo wäre doch von einem hierauf
gerichteten Streben der Regierung fein großer Erfolg zu erwarten, weil
in feinem einzelnen Rande der Preis der Münzmetalle auf die Dauer
betraͤchtlich 2 er fein kann als im anderen. Man führt zwar dagegen
an, das geldreichere Volk Fönne durch Hinausfenden von Geldſummen
mit geringerer Aufopferung im Auslande, 3. B. bei einem Kriege, viel
ausrihten, Kaufmann, Unter. I, 48. Aber diefer NRupen wäre
theuer erfauft, weil man lange Zeit einen unnöthig großen Beldvorrath
dafür im Lande halten müßte.
8. 274.
Die Folgen einer beträchtlihen Abnahme des Geldvor—
rathes in einem Lande find geräbe das Umgekehrte ver oben
($. 271) betrachteten Erfcheinungen. Die Preife aller Waaren
werden nach und nad) niedriger, die allgemeine Wohlfeilheit
ermuntert Ausländer, mit herbeigeführten Geldfummen Waaren
einzulaufen und dieſe mit hinwegzunehmen, auch die Landes»
bewohner verfallen bald darauf, Waaren auszuführen und ben
Gelderloͤs mit nach Haufe zu bringen; ferner giebt der hohe
Preid der Münzmeralle einen Antrieb, goldene und filberne
Gefäße, Geräthe ꝛc. einzufchmelzen und ausprägen zu lafien,
woraus alfo ebenfalld eine Geldvermehrung entfleht und biefe
Unternehmungen dauern fort, bis der Preis des Metallgeldes
ungefähr wieder fo niedrig geworben ift, als in anderen Ländern.
8. 275.
Ein Bolf hat deßhalb fo wenig zu beforgen, daß es je
anhaltend um feinen nöthigen Borrath von Metallgeld fomme
(fo lange es fein Papiergeld in Gebrauch hat), als daß es ihm
an Gewürzen oder an Baumwolle fehlen werde, denn wo nur
etwas zu kaufen ift, dahin wird man unfehlbar Geldfummen
fenden, wenn man bemerkt, taß fie dort gefucht und vortheils
haft anzuwenden find. Nur dann, wenn ein Zand gar feine
Erzeugnifie darbieten könnte, bie durch ihre Wohlfeilheit den
Ausländer zum Einkaufe gegen Metallgeld anlodten, würbe ber
Preis defielben anhaltend hoch und die Geldmenge klein bleiben,
und felbft diefe faum je zu erwartende Rage ber Dinge wäre
auf die Dauer nicht nachtheilig, S. 269. Man kann alfo im
Allgemeinen auf eine gleichmäßige Bertheilung der ganzen vors
handenen Metallmenge unter bie einzelnen Länder nach bem
Berhältniffe des Bedarfes rechnen.
8. 276.
In der erften Zeit einer Gelbverminberung zeigen ſich jedoch
noch befondere Folgen, denen gerade entgegengefegt, welche man
im Anfang einer Vermehrung der Münzen gewahr wird, $. 272.
Die Unternehmer fträuben fich eifrig gegen die Preiserniebrigung
ihrer Erzeugnifie, deren allgemeine Urfache anfangs noch nicht
begriffen zu werden pflegt, und dad Mitwerben ift nie fo
gleichförmig, daß die Preife aller Güter ſogleich in bemfelben
Maaße herabgehen Fönnten. Sind fchon deßhalb vorübergehende
Störungen im Gewerbewefen zu erwarten, fo fommt nody hinzu,
daß die Unternehmer eine Zeit lang an ihren Berbienft Abbruch
leiden, denn ihre Ausgaben an den Staat und die Gemeinde,
ihre Schuldzinfen, zum Theile auch der Arbeitslohn, bleiben
noch auf gleicher Höhe, während der Gelderloͤs Fleiner ges
worden if. Was die Unternehmer einbüßen, gewinnen bie
Capitaliften, die Befoldeten, einigermaßen die Xohnarbeiter und,
— 333 —
fo lange die Pacht- und Kohnverträge laufen, aud) die Grund⸗
eigner. Die verfchuldeten Orundeigenthümer fehen ihr Ver⸗
mögen vermindert, weil ihr Grundbeflg niedriger im Preiſe fteht,
die fchuldige Summe aber gleich geblieben ift. Dieſe Nachtheile
können jedoch ebenjowenig bauernd fein, als bie vorhin bes
trachteten (8. 273), ed müßte denn die Abnahme der Gelb-
menge fortdauern, was nicht in einem einzelnen Lande gefchehen
fönnte (a).
(a) In China fol 1847 eine ſolche Bertheurung des Silbers, in welchem
Steuer: und andere große Zahlungen vorgenoinmen werden müflen, - '
gegen die Heine Meflingmünge ftattgefunden haben, fo daß eine Unze
ilber von 1000 auf 1800, ja bis auf 2300 Li geftiegen ifl. — Die
in einer foldyen Lage anmwendbaren Segenmittel werden bei der Lehre
vom Gredite erklärt werden. Die anfängliden nachtheiligen Yolgen
einer Geldverminderung find richtig dargeftellt, aber auf eine unflare
Theorie des Geldes zurüdgeführt ın den F. 252 (a) genannten Mate
rialien, 1. Heft. — Ueber die in den 6. 268—76 dargeftellten Säpe
ſ. auh Medicus, Würdigung des Geldreihthums in Bezug auf
Einzelne und Bölfer. München, 1835.
$. 277.
Es ift außer Zweifel, daß feit dem Einfttömen des Goldes
und Silber aus America der europäifche Münzvorrath fich
weit flärfer vermehrt hat, als die Preiſe der Verfehrögegenftände
gegen Bold und Silber geftiegen, d. 5. dieſe Metalle gefunfen
find. Wäre, wie man öfters annahm, die Geldmenge ungefähr
verzehnfacht, der Preis beider Metalle auf den britten oder
vierten Theil gefallen, fo müßte man vermuthen, daß zugleich
die gegen Geld in Umlauf gefegte Gütermenge ſich ftarf, und
zwar 21/2 bi 31/3 fach, vermehrt habe, wie dieß aus dem
großen Aufſchwunge des Verkehrs und des Gewerbfleißes im
16. Jahrhundert audy leicht zu erklären if. Ohne einen folchen
Anwachs der umlaufenden Gütermenge wäre ber Preis des
Goldes und Silber nody weiter herabgegangen. Diefe Preiss
erniedrigung hätte aber ihre Gränge finden müflen, weil dann
ein Theil der Bergwerfe, aus denen die Münzmetalle nicht fo
wohlfeil geliefert werben fonnten, eingegangen und hiedurch die
Metallmenge wieder Fleiner geworden wäre. Bedenkt man jedoch, -
daß der Geldumlauf jegt weit fehneller ift, als im Mittelalter,
und daß im heutigen Europa neben der Münze bedeutend viel
Papiergeld in Umfauf if, fo muß man auf eine nod viel
ftärkere) Vermehrung der umlaufenden Güter ſchließen, weil fonft
diefe Menge von Zaufchmitteln nicht genug Gegenwerthe in
Geld und wohlfeiler werden müßte.
6. 2778.
Nachdem im Allgemeinen bie Einfiht in ben Zufammenhang
zwifchen ber jebeösmaligen Geldmenge eined Landes und dem
Preifen der Waaren und Leiftungen gewonnen worden ift
($. 268— 276), müflen auch geſchichtliche und ftatiftifche Unters
fuchungen über dieſe Verhältniffe als Iehrreich erfcheinen. Man
hat ſich in neuerer Zeit häufig mit benfelben befchäftiget (a),
fie find aber mit befonderen Schmwierigfeiten verbunden. Da
bie ganze vorräthige Geldmenge eined Landes nur eine fehr
ungefähre Schägung zuläßt (8. 266), jo hat man ſich vorzüg-
lich bemüht, die jährliche Zus oder Abnahme der Münzmetalle
zu ermitteln, und weil ed an Anhaltöpunften für jedes einzelne
Land gebridht, fo hat ſich die Betrachtung auf die ganze euro-
päifche Muͤnzmenge gerichtet. Europa bedarf aber eines forts
währenden Zufluffes von Gold und Silber aus anderen Erb»
theilen, um feinen großen Vorrath berfelben auf gleicher Höhe
zu erhalten. Es muß baher bie ganze auf der Erbe jährlich
gewonnene Menge diefer Muͤnzmetalle beredynet und fodann
unterfucht werden, welcher Theil derfelben nach Europa gelarfgt,
wie viel davon wieder in anderen Richtungen ausgeführt und
wie viel von dem Meberreft in Münze verwandelt oder in ans
derer Weife verwendet wird, ferner wie hoch der Verluſt an
Münzen durch Abnügung und verfchiedene Zufälle anzufchlagen
ift. Ueber alle diefe Borgänge laflen fi nur ungefähre Ueber:
fchläge aufftellen, die fih auf einzelne ftatiftifche Thatſachen
fügen. Auch bie leichter zu ermittelnden Veränderungen in
der Menge des Papiergelded dürfen nicht überfehen werben.
Der anfehnliche Zufluß von Gold und Silber, den Europa
um den Anfang des jebigen Jahrhunderts aus den americanifchen
Bergwerken zu feinem eigenen Erzeugniß erhielt, erlitt im zweiten
Jahrzehnd eine ftarfe Abnahme, zu ber ſich eine Verminderung
des umlaufenden Papiergeldes geſellte. Später wurde die Ges
winnung von Müngmetallen wieder reichlicher, die Abfluͤſſe
verringerten fi zugleih und die ganze Münzmenge erreichte
wieder ben früheren Stand. In ben lebten Jahren brachten
bie Goldzufuhren aus Californien und Auftralien fowie bie
Bermehrung der Banken eine Geldvermehrung zu Wege (b).
Die Wirkungen bdiefer Veränderungen der Geldmenge auf bie
Preife der Verfehrögegenftände in jedem Zeitpuncte find ſchwer
nachzuweifen, weil
1) die Geldmenge eined Landes oder Erdtheiles immer fchon
jo groß ift, daß ($. 271 (a)) eine nicht fehr ſtarke Veränderung
in der Erzeugung, Ein» oder Ausfuhr der Münzmetalle erft
mehrere Jahre fortbauern muß, bis die Bertheurung oder Wohls
feilheit deutlich erfennbar wird (c), auch
2) in jedem Falle einige Zeit verfließen muß, bis die Zus
oderr Abnahme fidy gleichmäßig durch alle Gegenden und Zweige
bed Verkehrs verbreitet, ferner |
3) feine einzelne Waare ober Leiftung ein natürliches Maaß
bildet ($. 173) und die zahlreichen, aus befonderen Urfachen
herrührenden Preisveränderungen einzelner Arten von Verkehrs⸗
gegenftänden bie Gleichförmigfeit der Erfcheinung verhindern (d),
zudem
4) auch andere gleichzeitige Umftände die Folgen ber ver-
Anderten Geldmenge aufheben oder doch fchwächen fünnen. Da-
bin gehört vorzüglich die neuerliche große Vermehrung des Geld⸗
bedarfed in vielen Ländern durch bie ftarfe Zunahme der Güter:
erzeugung und bed Güterverbrauched, — die Vermehrung bes
Gapitaled und befien vielfache neue Anwendungen, — die Aus⸗
behnung des Verfehrd auf Gegenden, die erft jebt bewohnt und
angebaut worden find, ober doch bisher außer Hanbeldverbin-
dung ftanden, — bie Erleichterung der Sendungen durch Dampf-
Ihifffahrt und Eifenbahnen, — die Ummandlung ber älteren
Raturalleiftungen in Geldentrichtungen, — bie Abfchaffung ber
Sklaverei in den britifchen und franzöfifchen Beflsungen und
dergl. Die Wirkung biefer Urfachen geftattet ebenfowenig eine
Berechnung, als ber Erfolg anderer entgegenwirkender Umſtaͤnde,
nämlich der Befchleunigung des Geldumlaufs und der Mittel,
in ben Berkehrögefchäften am Geldbedarfe etwas zu erfparen (e).
(a) Das durch Huskiſſon veranlaßte Werk von Will. Jacob: An
historical inquiry into the production and consumtion of precious metals
(Lond. 1831, U. deutih von Kleinfhrod, Leipz. 1838. II. 9.) ift
nicht ganz zuverläflig. — Bel. auch Storch, II, 4. — Gay,
—*
— 336 7
Hand. II, 207. — v. Guͤlich, Geſchichtl. Darfl. II, 556. 579. —
Nebenius, Deffentl. Eredit, I, 121. — Quarterly Rev. Mai 1830,
_ LXXXV, 278. — v. Humboldt in der Deutfchen Biertel ahr⸗Schrift,
(2)
1838, Det. — Dee. — Nebenius ebendaf., 1841. 1. Heft. — Hel⸗
feridh, a. a. D., ſ. F. 176. — Toofe, a. Geſchichte der Preiſe. —
Ueber die neueften Beränderungen f. $. 277b. '
Erläuternde Thatfahen.
I. Gewinnung der edlen Metalle.
1) Europa und Sibirien. Nah v. Billefofle wurden um
das Jahr 1810 in Buropa gewonnen: 5300 füln. Mat Golb —
2-045800 fl., 215000 M. Silber = 5°267500 fl., in Sibirien nad
Stord (AI, 37) 3901, Mark Gold — 1506087 fl., 87425,%
Mark Silber — 2141930 fl., alfo zufammen in @uropa und Sibi-
rien 10961317 fl. (Die Marf — fr pr. Pfund ift Hier beim Golde
nach dem damaligen Preiſe zu 386, beim Silber zu 241/s fl. gerechnet.)
Seitdem iſt das Detallerzeugniß viel größer geworden. Die Gewin:
nung von Gold Hat in Rußland (im Ural und Altai) große Wort:
ſchritte gemacht. Es wurden imD. von 1819—28 11970 Mf., 1829-38
29037 Dif., 1839—42 47985 Mf., 1843—51 fogar 109108 Marf
oder 1557,39 Bud gewonnen, doch wird feit 1647, wo der Grtrag
127900 ME. erreichte, einige Abnahme angegeben. Deferreih im D. von
1830—34 (nah Becher) 6158 koöln. Mf., 1833—37 (nah Sprin:
ger) 6619, 1842 7455, 1847 9043 füln. Mark (Czoͤrnig), Frank⸗
reih 530 ME. (Schnigler), Piemont bei Domodoflola 500 Marf
(Karſten, Ar. f. Diner., I, 452), und mit dem geringfügigen Er⸗
zeugniß einiger anderer Känder darf man für Europa mit Norbdafien
wenigftens 120000 Marf — 44'800000 fl. nad jegigem Eurfe ans
nehmen. — An Silber gewinnt Rußland ge 84000 ME. (D. v.
1835—47), — Deflerreih 138000 (1847, Czörnig), — der Harz
48700 (Kehzen), — Sachſen gegen 80000 (1853), — Preußen 42000
(1851), — Schweden und Norwegen 36000 ME., — Brankreih 6600
(Schnigler). In Spanien ift die Silbergewinnung neuerlih fehr
im Zunehmen. Sie war 1845 184158, aber 1850 ſchon 291400
fpan. — 285574 füln. Marf, Willfomm, Die Halbinfel d. Pyre:
näen, 1855, ©. 537. (Tengoborsfi rechnet für 1849 200000 ME.)
Sept man für andere Staaten noch 20000 Mark hinzu, fo erhält, man
671000 ME. — 16454000 fl.
2) Das Gold: und Silbererzeugniß in Borneo, Sumatra und ans
deren Infeln des Archipels, in Oftindien, China und Japan und im
tuͤrkiſchen Aſien (Urla, Provinz Brzerum) wird von Jakob (II, 226) auf
1'400000 2. St. = 16°800000 fl. geihäßt, neuerli werden gegen
S5000MF. angenommen. Kerner follen in Africa gegen 500000 8. St. =
6 Mill. fl. Gold gewonnen werden, Wyld, Notes ©. 44. Andere
Nachrichten (Hunt, Merchants magaz. CLXXXI. 93) fchlagen für Aflen
und Africa mit den Sunbainfeln den Grtrag an Gold von 1853 auf
23-847000 Doll. = 159000 Mf. an. Begreiflich fommt hievon wenig
nach Curopa.
3) In America war nah v. Humboldt (Essai polit, VI, 218,
d. Ausg. v. 1811) das Jahreserzeugniß zu Anfang des 19. Sahrhun-
derts 17000 Kil. — 72669 föln. Marf Bold und 800000 Kil. =
3420000 Marf Silber, zufammen gegen 43'%/ Million Piafter oder
110Mill. fl., wovon Merico allein 23 Mill. P. lieferte. Im Jahr 1809
fol das Gefammtproduct fogar 47 Mill. Piafter betragen haben.
Mährend der Rriege und Unruhen, die Das Losreißen diefer Länder von
fpanifcher Herrichaft veranlaßte, litt der Bergbau fehr. Nah Jaco b
(II, 182) brachten Die dortigen Bergwerfe im D. 1810—29 jährlich
— 837 —
nur noch 18-302 000 Piaſter, und mit Cinſchluß von Braftlien 19-288 000
Biafter — ungefähr 48%/, Mill. fl. nah Europa. Im Gerro te Botofl
waren 1826 von den 132 früheren Pochwerken nur no 12 in Arbeit.
Die Münzftätte von Mexico, welche von 1800-1809 jährlih im D.
' 22°627000 Piaſter und im J. 1809 fogar 26 Mill. P. geprägt hatte,
fonnte von 1810—19 jährlid nur 12 Mill., 1820—29 nur 10 Mil.
ausprägen, aber 1841 ſchon wieder 2 Mill. B. Gold und 16 Mill.
Silber (St.-Clair-Duport, Product. des met. pröc. en Mex. 1843).
Die reihen Gruben von Guanaruato erzeugten 1816—20 nur nod
1061133 P., während fie 1801 — 9 jährlih 5'305 795 P. gegeben
hatten, Adams, The actual state of the Mexican mines. Lond. 1822.
Marshall, Digest. II, 173. Indeß ift neuerdings vermöge der eifri-
gen Beteibung des Bergbaues durch europäilche Geſellſchaften unge:
achtet vieler Mißgriffe der Ertrag wieder vermehrt worden. Die Aufs
findung ergiebiger Zinnobererze in Balifornien und die davon berrührende
Erniedrigung der Duedfliberpreife wirkt ebenfalls günftig, indem fie
die Koften des Amalgamirens verringert. Das neuentdedte reiche
Silberlager von Eopiapo in Chili (Mai 1832) gab 1841 —50 im
Durchſchnitt 183000 Mark, dazu kommt das Auffinden von Goldfand
in Upata (Benezuela) im 3. 1850 und in Untercanada 1851. Die
Goldwaͤſchen (GSeifenwerke) in Georgia und Nord⸗Carolina in den ver:
einigten Staaten feit 1824 werden jept zu 500000 Doll. — 3342 Marl
Ertrag angegeben. Daher berechnet fidh das ganze heutige Erzeugniß
der älteren americanifchen Bergs und Seifenwerfe Tähelic auf 65 000 Mark
Gold und 3 Mil. Mark Silber = 97800000 fl. (Nah Danfon
bei Soetbeer ©. 9 im D. 1804—48 jährlih 111 Mill. fl., wovon
98,6 Mill. nad Europa gegangen fein follen.)
4) Zählt man hiezu das, was bie anderen Erdtheile liefen, fo er:
giebt ſich für die jeßige Zeit, ohne die neuften Boldlager, ein Jahres:
erzeugniß von unge abr 300 000 Mart Gold und 4 Mil. Mark Silber,
zulammen 210 Mill. fl. Was hievon Europa durch eigene Gewinnun
und Zufußr erhielt, betrug um das Jahr 1809 wenigftens 48 Mill.
Piaſter oder 120 Mil. R., verminderte ih fodann 1810—14 auf
ungefähr 33, 1816— 21 auf beiläufig 26, 1822 — 27 auf nicht volle
32 Mill. Piaſter — 55 Mill. fl. (Nebenius), nahm aber neuerlid
wieder anfehnlid zu und macht vermuthlidy jegt nicht unter 80— 100
Millionen Bulden.
5) Hiezu kommt die neue Bolbgeminnung in Galifornien (Entvedung
des Goldes in der Erde durch Marfhall, Sept. 1847) und Auſtra⸗
lien (@ntdedung des Goldes durch Hargraves, 12. Febr. 1851).
In jenem Lande find 1852 —56 nah Newmarch jährlich gegen
68%/, Mill. Doll. — 164, Mill. l.gemonnenworden. (Die Boldausfuhr
von ©. Francisco nad den Edhiffelilen war 1851 34492000 D.,
1852 45°779000 D., 1853 54905000 D., 1854 51'429 101 D., zu:
fammen 186°605 101 D., die ganze Ausfuhr war ohne Zweifel bedeu⸗
tend größer. In den beiden legten Jahren gingen 89 Procent der
Ausfuhr nah Neu⸗Vork und Neu⸗Orleans, 8,2 Proc. nad) London,
1,5 Proc. nah Aſien. Rau in v. Viebahn und Rönne, Handels:
arhiv, 1855, ©. 143.) In Auftralien angeblih im D. 1851 bis 56
67 Mil. Doll. 137 Mil. fl., zuſammen gegen 300 Mil. A.
Die Metallgewinnung in America und Auftralien beträgt demnach
ungefähr 398 Mil. R. jährlich (Ten geborefi rechnet ohne Ghina
und Japan 1824 Mill. Fr. Cochut 1291 Mill. Fr. = 600 Mill, R)
Ob Hievon */; oder !/, oder noch weniger nad Curopa kommt, iſt
unbefimmbar unb auch aus den Eins und Ausfuhrliften nicht zu erfennen-
doch darf man aus der vermehrten Erzeugung audy auf einen flärferen Zu-
Rau, yolit. Dekon. 1. 7. Ausg. 2
— 333 —
Buß nach jenem am meiften entwidelten fließen. — Neuer Süberbergbau
n Wafhon an der californifhen Sierra Nevada, ungefähr feit 1860.
I. Abzüge.
LII.
1) Schon im Alterthum wurden edle Metalle aus Aegypten über
Arabien nach Oſtindien geſendet, Reynier, Ec. publ. et rur. des
Arabes et Juifs, S. 85. lm das Jahr 1800 follen fährlih auf ver:
fchiedenen Wegen 25—26 Mill. Piaſter aus Europa nah dem öftlihen
Aften gegangen fein (v. Humboldt). In den ar 1810—15 war
diefe Ausftrömung ſchwaͤcher egen 2 Mil. Biaft.), hierauf 1815 bis
1822 viel flärfer (gegen 19 in .), ſpaͤterhin wieder geringer, haupt⸗
fählih weil China mehr Waaren (vorzüglich Opium) jur Bezahlun
feiner Ausfuhrartifel annahm. Jakob rechnet für 1810 — 30 —8
nur 2 Mil. 2. St. = 9600 000 Piaſt. Mehrbetrag der Ausfuhr aus
Europa. Bine Zeitlang fcheint diefer Abflug ganz aufgehört zu haben,
und 1825—27 fam fogar Gold und Gilber von DOftindien nah Groß⸗
britanien, neuerlich iR jedoch der Abfluß des Silbers nah Oftindien
und Gbina (wegen des verminderten Opiumabſatzes) wieder flark ges
worden (1851—57j.8M. 2. St. Silberausfuhr aus Großbritanien nach
beiden Ländern), auch gi, Pieper viel englifhe Goldmuͤnze nach Auftras
lien, 3. 8. 1853 an: ill. 8. St.
2) Die Berarbeitung der Münzmetalle zu verfchiedenen Luxusgegen⸗
fländen iſt in neuerer Zeit viel häufiger geworden, und ber Verbrauch
von Bold und Silber zu dieſem Behufe hat um fo mehr zugenommen,
ba bei den vielen plattirten und ſchwach vergolbeten oder verfilberten
Gegenfländen, b B. Knöpfen, Treffen, vergoldeten Bronze, Blase,
Porzellan, Holzwaaren, Britaniametall, fo auch bei Schmuckwaaren,
die nur wenig Gold in der Mifchung enthalten, das edle Metall fi
bald abreibt und ganz verloren geht. Die galvaniſche PBlattirung bat
beigetragen, dieſe Berwendung zu vermehren. Bine genaue Ausmitt-
lung bes Verbrauches ift nicht wohl möglich, zumal da auch viel älteres
Gold und Silber in Geräthen ac. neu verarbeitet wird. Jakob bat
für Großbritanien, Brankreih und die Schweiz 4 Mill. 2, St., für
anz Buropa und America ungefähr 5612000 2. St. angenommen.
as eingefchmolgene Metall von Geräthen, Geſchirren u. dgl. beträgt
edoh wahrfcheinlid mehr ale ao, wie Mac⸗Culloch vermutbet.
iefer rechnet nur 4563000 2. St., oder nad Abzug der alten ein
geichmolzenen Gegenftände 3650000 2. St. oder 17! Mill. Piaſter
— I, 290), Nebenius hoͤchſtens 14 Mill. Piaſter, wofür
eutiges Tages vermuthlih 4 MIN. L. St. oder 191/ Mill. Piafter ges
feßt werden dürfen. (1 2. St. — 4,8% Dollars oder Piaſter.)
3) Die bloße Abnugung beträgt jährlih nah Jakob bei Goldmuͤn⸗
zen 1/6 Proc., bei Silber 6% Proc., im D. in England Ya, —
nad frangöfiichen Berfuhen 6,' per mille, — nah Karmarſch
(Mechan. Technol. I, 575) bei groben Silbermünzen nur !/s per mille,
nah anderen VBerfuhen (Rau im Archiv, N. F. X, 254) bei neuen
Gulden nicht voll 0,? p. m., aber bei mittleren Stüden Ion O, e, bei
Scheidemünzen gegen 2 p. m. (Rarmarfd). Han darf wohl durch⸗
fhnittlih 1 p. m. (Spetbeer: 1/4 p. m.), und für den ganzen jähr-
lihen Abgang durch Abreibung, Feuersbruͤnſte, Schiffbruch, Vergraben
u. dergl. fährlid minbeftens 2 p. m. annehmen. Demnad belaufen
fih vie fortdauernden —V e (2 und 3) auf wenigſtens 56 Mil. fl.,
während der Abflug nad) Ben veränderlid war.
Man bat auch verfudt, den ganzen Gold: und Eilbervorrath auf der
Erde zu ſchaͤtzen. Er ift 3. B. für 1848 auf 15—16000 Mil. fl. an-
geſchlagen worden, D. Biertelj. Schrift Nr. 57 bei Soetbeer, ©. 22
und Nr. 64 ©. 1 ff. Newmarch rechnet 1349 Mil. 2. Et. —
(4)
15850 Mill. fl., der Ungenannte in ber Times a. a. D. für Curopa
und America 1730 Mil. &. St. Dies if jedoch zu unflder um
Schluͤſſe darauf zu bauen. Die, Metallmenge von Curopa wird von
Tengoborsfi S. 55 für den Anfang des Jahrhunderts zu 13000,
für 1847 zu 14000, für 1851 auf 15000 Mil. Franken angenommen.
Die europäifhe Müngmenge insbefondere iſt geihäßt worden für fol-
gende Zeitpuncte:
vor 1492 auf 168—173 Mill. Piaſt. ober 4261/,M. fi.
um 1600 ⸗ 624 ⸗ s 1560 ⸗
s 2 8
s 1700 + 1 = 2 53562 =: (von Iafeb,
s 1809 = 1824 ⸗ ⸗ ⸗460 ⸗2
⸗ ⸗ 1624 ⸗ ⸗ :4060 = =:von Humboldt
wTengoborsfi.
: 1815. = 1750 » ⸗ ⸗24376 ⸗2von Nebenius.
: 1829 ⸗ 1504 ⸗ ⸗ s 3760 : svon Jakob.
: 1840 = 1715 ⸗ ⸗ ⸗4300 ⸗ svon Nebenius.
s 1848 ⸗ 1979 ⸗ s : 4949 s syvon Soetbeer.
Der Anſchlag für 1829 iſt zu niedrig, denn da die eigene Gewinnung
und Zufuhr 181529 gegen 368 Mil. Biaft., die Verarbeitung und
der Abgang 315 Mill., die Ausfuhr nah Aſien 192M. betragen haben
mögen, fo war die ganze Abnahme nur 140 Mil., es wären daher
für 1829 1670 Mill. B. = 4025 Mill. fl. zu fegen. Fuͤr 1860 find g.
6000M. fl. anzunehmen. Rah Tengoborski wären zu Anfang des
19. Zahrh. die Münzen %/3 des ganzen Gold: u. Silbervorrathes geweſen.
Das Papiergeld war in der Friedenszeit nach 1815 fehr vermindert
worden, bat fidh aber in den beiden Iehten Jahrgehuben wieder Hark ver-
mehrt. Während um 1815 die Summe bes Metalls und Papiergelves
in Guropa gegen 5300, 1830 gegen 4300—4400 Mill. betragen haben
mag, if fie für 1848 auf ungefähr 5900 Mill. fl. zu fchägen (6. 266).
Wird die heutige jährliche Vermehrung des Goldes und Silbers in
Guroya zu 2 U. fl. und der Abgang nebft der Verarbeitung
u anderen Zweiten zu 55 Mill. R. angefchlagen, fs bleibt nur eine
Bunahme von 145 Mill. oder von als Proc. der ganzen Gelb:
menge. — Die Abnahme des europäifchen Metalls und Papier:
geldes von 1815— 30 ſcheint fih nad obigen Ueberfchlägen (5) auf
17—19 Proc. belaufen zu haben, wovon auf jedes einzelne Jahr durch⸗
fnittlih nur 1,1—1,9 Broc. kommen.
In dem dritten Jahrzehend des 19. Jahrhunderts war eine Wohlfeil⸗
x fehr vieler Ge ahinde wahrzunehmen. Da nun die Abnahme der
eldmenge um diehe eit außer Zweifel if, fo liegt es fehr nahe, die
leßtere cheinung als die Urſache der erfleren anzufehen, mie dieß
vorzäglid Nebenius in der a. Abb. in der d. Mierteljahrsfchrift
aus Führt hat. Kür England Hat man fogar einen durchſchnittlichen
Preisabfchlag von 50 Proc. zu beiweifen geſucht (Quart. Rev. a. a. O.),
von dem man aber nur bie Hälfte der hier betrachteten Urſache beimaß,
weil aud ber Uebergang vom Kriege in ben „Brieben und ber höhere
Curs des englifchen Papiergelded mitwirkten. Bemerfenswerth iR, daß
Uhren, Jutwelen und plattirte Waaren am wenigſten, nämlih nur um
1 Proc. im Preife fanfen, was auf die Vertheurung der Münzmetalle
deutet. Mae⸗Caulloch (Handb. II, 292), Toofe (History of prices,
II, 350), Hermann (Münd. gel. Anz. 1840, Nr. 103) und Hels
ferih (a. Schrift) beftreiten den Ginflüß der Beldverminderung auf
vie PBreife und bemühen ſich zu zeigen, daß bei jeder Ba mrengattumg
eigenthümliche Urfachen im Spiele waren. Aber wenn aud die Woh
feilheit jeder einzelnen Waare für rg ohne Annahme einer Metall:
verringermg erflärt werden, fönnte, fo folgt daraus nicht, daß das
22°
letztere Creigniß, welches unbezweifelt iR, nicht als allgemeine Urſache
mitgewirkt habe.
(e) Im Ganzen vermögen dieſe letzteren Hmpände bie Vergrößerung bes
Geldbedarfes nicht aufzumwiegen.
8. 277b.
Der Gebrauch des Goldes und Silberd nebeneinander zum
Gelde macht eine Unterfuchung über dad Preisverhaͤltniß zwi⸗
fchen beiden nothwendig und bie neuerliche Golbvermehrung hat
biefem Gegenftande eine erhöhte Wichtigkeit verliehen, weßhalb
er auch fchon vielfach befprochen worden ift (a). Hiebei find
nadhftehende EAge zu Grunde zu legen:
1) Der größere Werth ded Golded gegen Silber beruht
hauptſaͤchlich auf der fehöneren Barbe, die bei der Anwendung
zu Schmudgegenftänden und Zierrathen in Betracht kommt.
Aber auch die Koftbarfeit des Goldes, indem fie einem Theile
der Menſchen den Gebrauch defielden verbietet oder erichwert,
giebt ihm gerade hieburdy für bie DBegüterten einen höheren
Reiz, vergl. 8. 263 (a).
2) Die häufigfte Gewinnungsart des Goldes befteht in dem
Auswafchen Fleiner Goldtheile aus Erde (Seifenwerfe), während
das Silber auf bergmännifche Weife aus Erzen erzielt wird.
Diefe Verfchiedenheit ift folgenreich, denn das Waſchen giebt
je nad) dem Goldgehalte der Erde einen hoͤchſt ungleichen
Ertrag und erfordert fo wenig Capital, daß ed von einzelnen
Arbeitern auf eigene Rechnung betrieben werden kann (b),
während der Bergbau auf Silbererze Eoftbare Einrichtungen
noͤthig macht und in feiner Ergiebigfeit weniger wechfelt.
Deshalb treten in dem Erzeugniß fowie in den Erzeugungsfoften
bes Goldes weit ftärfere Schwanfungen ein.
3) Das Gold ift im Allgemeinen Foftbarer zu erzeugen und
gilt daher auch mehr ald dad Silber. Das Berhältniß, in
welchem beide ihrem Preiſe nad) zu einander fiehen, ſtimmt
feineöwegesd mit dem Verhältniß der erzeugten und vorräthigen
Menge beider überein (c), fondern wird von den Koften unb
der Wertbichägung beſtimmt. Gilt z. W 1 Pfb. Gold ſoviel
als 15 Pfd. Silber, fo läßt fich ſchließen, daß man die Menge
Goldes, welche jährlich gewonnen wird, nicht mit geringerem
Aufwande ald dem 15fachen der Silbererzeugungsfoflen gelangen
— 341 —
kann und daß für das mit jenen Koſten erzielte Golderzeugniß
um den genannten Preis ein zureichender Begehr vorhanden ſei.
4) Wenn eine ſtarke Vermehrung des einen der beiden Me⸗
talle den Preis deſſelben gegen das andere herabdruͤckt, fo liegt
hierin ſogleich eine Urſache der Aenderung, denn die Gewinnung
des wohlfeiler gewordenen Metalles wird minder eintraͤglich und
vermindert ſich, waͤhrend das andere eifriger erzeugt wird.
5) Auch abgeſehen von den Regierungsmaßregeln ereignen
fi) im Begehre beider Metalle manche Veränderungen. Bald
nimmt bie Berarbeitung des einen von beiden flärfer zu, bald
ber Gebrauch zum Gelde, indem z. B. zu Sendungen in ents
fernte Zander dad Gold vorgezogen wird, während Fleinere Preis⸗
mengen im täglichen Verkehre nicht gut mit Goldmünzen bar-
geftelt werben Fönnen. Doc find die aus folshen Urfachen
entfpringenden Schwankungen im Preisverhältnig des Goldes
und Silberd gewöhnlich von geringerem Betrage ald bie in
den Einrichtungen des Münzwefens liegenden, $. 277 c.
6) Jenes Preisverhältniß kann bei der heutigen Leichtigkeit
und Sicherheit der Verfendungen fowie bei der Häufigfeit ber
Nachrichten aus entfernten Orten von Land zu Land nur wenig
verfchieben fein, weil eine größere Abweichung alsbald eine Aus⸗
gleihung burdy Herbeiführen des einen und Hinmwegfenden des
anderen hervorrufen würde. In jedem Lande haben fich die
Vorräthe an Gold» und Silbermünzge nad) dem vorhandenen
Bedürfniß von beiden und in Gemäßheit des allgemeinen Preis»
verhältniffes zwiſchen beiden feftgefeßt.
7) In ber alten und mittleren Zeit galt dad Gold ungefähr
der 10—12fachen Gewichtsmenge Silbers gleich, feit dem Zus
fluffe der americanifhen Metallmafien aber flieg es auf das
14—15fahe des Silberd. Die geringeren Veränderungen in
biefen Berhäftniffen erflären fich theild aus ber wechfelnden Er»
giebigfeit der Gewinnungsarbeiten, theild aus der ungleichen
Nachfrage (d).
(a) Hoppe, Galifomiens Gegenwart und Zukunft, Berlin 1849. — Go:
quelin in Journ. des Eeon. XXVIII, 55 (1851). — M. Cheva-
lier, De la monnsie, 3ter Bd. und in Journ. des débats, 3. San,
1852. — Times, 25. Sun. 1852. == Companion to the Almanak, 1853,
©. 19. — Qusrteriy Ber. Rr. 182. ©. 504 (1852). — Athenaeum,
Mr. 1281 (15. Dei 1862). — Wyıld, Notes on the distribution of
= *
see ———
Menge der umlaufenden Goldmünzen ſtark vermehrt, ohne daß
ſich zugleich der Bedarf von Umlaufsmitteln erweiterte (d), ſo
kann eine anfangende Preiserhoͤhung der Waaren und Leiſtungen
nicht ausbleiben, die jedoch bei freiem auswärtigen Verkehre in
einem einzelnen Lande nicht weiter gehen wird, als in anderen
($. 271), weil durch Abfließen eines Theiles des Goldes eine
Audgleichung eintreten muß.
3) In den Silberwährungsländern hängt der Preis
der Goldmünzen in jedem einzelnen Falle von der Uebereinkunft der
Betheiligten ab und ift folglich wandelbar. Der Umlauf wird
hier (c) nothwendig größtentheild mit Silbermünzen beftritten,
doch ift bei größeren Zahlungen auch das Bold nicht audges
ſchloſſen. Wenn nun eine größere Menge von Goldmünzen
zum Borfchein kommt, fo wird dadurch ber Preis derfelben
gegen Silbegmünzen wie der Preis jedes anderen in größerer
Menge vorhandenen Gutes erniedrigt, und bie Vermuthung
eines fortdauernden Sinfend wird diefe Wirkung befchleunigen.
Die Befiger von Goldmünzen werben biefelben ungeachtet be
ungünftigen Preiſes in den Verkehr bringen, um von ihnen
Augen zu ziehen, und fie werben häufiger umlaufen. Wird
biedurch eine Zunahme der ganzen Geldmenge fühlbar, fo ift
ebenfalld eine Preiserhöhung der verkäuflichen Gegenftände zu
erwarten, jedoch im geringeren Maaße ald im. Falle (1).
| 4) In Ländern einer vermifchten Währung haben bie
Münzen aus beiden Metallen einen feften Preis gegeneinander (d).
- MWeicht der im Welthandel herrfchende Preis von dem geſetz⸗
lichen Landespreiſe ab, fo zieht man für Zahlungen dasjenige
Metall vor, welches man fich wohlfeiler verfchaffen kann. Deßs
halb wird in foldhen Ländern bei einer ftarf gefteigerten Gold⸗
erzeugung das Gold, fobald es nur etwas niedriger gegen
Silber fteht, als das gefegliche Verhältnig ausdrüdt, mehr und
mehr Eingang finden und das Silber hinausgedrängt werden,
bis von biefem nur noch der Bedarf zu Heinen Zahlungen übrig
bleibt (e). Iſt dieß eingetreten, fo muß ein weiterer Goldzufluß
eine allgemeine Preiserhöhung nad) ſich ziehen, das ausgeführte
Silber aber wird feinen Weg nad) den Silberwährungsländern
nehmen, meil man ficher iſt, es bier anzubringen. Diefe Sil-
bervermebrung feßt dem Sinfen bed Goldes eine Gränge und
— 345 —
trägt zur Preiserniebrigung (Entwertfung) der Müngmetalle
gegen die Waaren bei. “
Es ift aus diefen Betrachtungen zu fchließen, daß in Folge
einer anhaltenden und -anfehnlichen Zunahme des Goldes bie
allgemeine Preiserhöhung der Waaren gegen Münze in ben
Goldwährungsländern am weiteften gehen, in ben Ländern ge=
mifchter Währung erft fpäter anfangen und in denjenigen, welche
bloß eine Silberwährung haben, am geringften bleiben wirb (f).
Je häufiger dad Gold an bie Stelle des Silbers tritt und als
Umlaufsmittel dient, deſto eher wirb eine Ueberfüllung von
Geldſtuͤcken empfunden, aus der eine Preiderniebrigung beider
Metalle zugleich gegen alle anderen Berfehrögegenftände ent-
ſteht. Soweit dagegen dad Silber einen Dienft leiftet, in dem
es durch das Bold nicht erfegt wird, muß die Anhäufung bes
legteren feinen Prei gegen das Silber erniebrigen. Beide
Wirkungen befchränfen folglich einander wechfelfeitig (9).
(a) Großbritanien und neuerlih factiſch auch die vereinigten Staaten in
Nordamerica. Für geringe Summen muß freilih ein gewifles Ber
bältniß der Silbers und Goldmünzen fefftehen.
(3) In Rordamerica iR dieß bei dem fchnellen Zuwachſe der Vollsmenge
und ber Bütererzeugung allerdings der Fall.
(6) Zu diefer Abtheilung gehören die meiſten europäifchen Länder. Aus:
nabmöweife wird bisweilen der Preis einer Soldmünze feit beſtimmt,
z. B. des Friebrihsd’or in Preußen, des wuͤrtembergiſchen Ducaten ıc.,
allein in diefen Fällen find es nur inländifche Goldmünzen, die in bes
ſchraͤnkter Menge geprägt werben.
(d) Frankreich, die nordamericanifchen Freiſtaaten nach den Geſetzen, Nieder:
lande bis 1847.
(e) Daher die flarfe Ausfuhr des Silbers aus ſolchen Ländern. 1853 wurbe
in Frankreich für 287 Mill. Fr. mehr Gold eins als ausgeführt, beim
Silber fand eine Mebrausfuhr von 108 Mill. Fr. Statt. Auch in
Großbritanien geht viel Silber hinaus. Der Borrath von edlen Me:
tallen bei der Banf von Bngland enthielt im Sept. 1852 nur für
19154 2. St. Silber, 1850 noch 220000 2. St. — Nach ben Zoll⸗
lilen wurde von 1848 bis Mitte 1854 9223995 Unzen Gold und
158°596 834 Unzen Silber ausgeführt, und die wirkliche Ausfuhr war
tößer. — Die Prägung war 1848—56 in London 50%, Mill. 2. Et.
Bold und nur 2 Mill. 2. Silber, in den nordamericanifhen reis
ſtaaten 333 Mill. Doll. Gold auf 30 Mil. D. Silber, in Paris
2208 Mil. Fr. Gold und 590 Mill. Fr. Silber, in allen 3 Ländern
wurden 1848—56 86 Proc. Bold, 14 Proc. Silber ausgemüngt,
Tooke, DO, 405.
(f) Die verfchiedene Preiserhöhung der Waaren gegen Bold und Silber
hängt mit dem jedesmaligen Preisverhältnig beider Metalle zufammen.
Wenn 3. DB. daſſelbe bisher 15% war und in einem Golbdwährungss
lande bie allgemeine Preiserhoͤhung 6, in einem Gilberlande 2 Proc.
(9)
‚des Golbes gegen Silber und eine gleiche Erh
He fo muß das Gold im Berhältniß 106 zu 102, alfo auf 14,98
erabaehen.
ie Meinungen über die bevorftehenden Wirkungen der neueften Gold»
vermehrung find getheilt, auch if es und! , eine fichere Vorher⸗
fagung aufzuftellen, weil es 3. B. ungewiß bleibt, wie lange der reiche
Ertrag der Goldwäfchereien bauen, ob eine flarfe Verminderung des
Bapiergeldes eintreten werde und wieviel Gold diejenigen Länder aufs
nehmen können, beren Volkswirthſchaftliche Entwidlung noch neu if.
Die Solderzeugungsländer ſelbſt, Balifornien und Auftralten, bebürfen
viel Gold zum Umlaufe. In den nordamericanifhen Staaten jet ſich
der Vorrath von Goldmuͤnze ſeit der californiſchen Gntvedung ſehr ſtark
vermehrt (man glaubt fogar um 100 Mill. Doll. und fchlägt den ganzen
Belauf der Goldmünzen auf 241 Mill. an!), auch vertheilt fi das
Golderzeugniß nad allen Richtungen über die Erde. Während Times.
a. a. D., Chevalier und Stirling eine geofe Preiserniebrigun
bung der Waarenpreife
in den oben bezeichneten Ländern mit den in $. 273 bezeichneten Folgen
vermuthen, wird von 8. Faucher, Cherbuliez, Soetbeer,
Tengoborsfi eine weit geringere Beränderung in Ausſicht geflellt.
Diefe beruhigendere Brwartung bat nah den bisherigen Erſcheinungen
mehr Wahrfcheinlichkeit, indeß if einiges Sinten des Goldes ſchon un-
verfennbar, auch Wurde einiges Steigen der Wanrenpreife in mehreren
Ländern wahrgenommen, welches nah Newmarch (brit. Verſamml.
zu Hull, Sept. 1853) nicht aus befonderen Urſachen bei ben einzelnen
MWaarengattungen Ey erflären iſt. ine länger anhaltende Goldver⸗
mehrung in dem bisherigen Maaße könnte nicht ohne Ginfiuß auf die
Silber: und Waarenpreife bleiben. Ein Widerfpruch gegen biefen Sag
wäre nur möglid, wenn die obigen Lehrſaͤtze über das Berhältniß ber
Geldmenge zu den Preifen ($. 268) in Zweifel gezogen würden, wie
bei Schuͤbler a. a. O.
Dritte Abtheilung.
Der Credit,
Erſtes Hauptflüd.
Wirkung des Credits im Allgemeinen.
$. 278.
Der Eredit ift überhaupt dad Bertrauen, in welchen Je⸗
mand in Hinfiht auf die Erfüllung von Zahlungsverbindlich-
feiten bei Anderen flieht. Durch den Eredit wird man in ben
Stand gefest, fih im Verkehre Güter oder Leiftungen zu ver-
fhaffen, ohne daß man den Begenwerth ſogleich erftatten
— 31471 —
müßte (a), und bieß zeigt fich ſowohl im den förmlichen Ans
leihen, bei welchen der @rebit Leihvertrauen heißt, als bei
mandherlei anderen Verträgen, 3. B. bei Käufen mit einer Frift
zur Bezahlung des Kaufſchillings, bei Pachtungen, Miethen
und berg. Die Beweggründe, aus benen ber Eine dem Ans
deren eine gewiſſe Gütermenge anvertraut und ber legtere hievon
Gebrauch macht, find manchfaltiger Art und liegen gewöhnlidy
im Bortheile beider. Die Grundlage bed Credits ift bie Ueber
zeugung des Gläubiger, daß er vertragsmäßig werbe befries
biget werden. Hiezu gehört, daß der Schuldner nicht blos
Willens, fondern aud fähig fei feine Verbindlichkeit zu
erfüllen, daß alfo in der erften Beziehung feine moralifchen und
geiftigen Eigenfchaften, in ber zweiten fein Bermögenszuftand
und feine Erwerbdart Feine Beforgniffe ermeden (d). Der
Credit der Einzelnen ift deßhalb nothwendig fehr ungleich;
in einem ganzen Lande wird er deſto größer fein, je mehr bie
herrfchende Reblichkeit, die wirthichaftlichen Gewohnheiten und
bie Güte der Rechtspflege den Gläubigen im Allgemeinen
Sicherheit gewähren, $. 225. 226.
(a) Rebenius, Der öffentl. Eredit, I, 1.
(5) Das Weſen des Grebits befteht darin, daß man flatt einer gegenwärtis
gen Leitung des Zahlungspflichtigen fi mit der Wahrfcheinlichleit einer
nftigen begnuͤgt. Wenn biefe Emmartung aus der Perfönlichkeit des
Schuldners ergeleitet wird, fo if der Credit ein perfönlider. Ein
blos auf das Bermögen des Borgenden gegründeter Erebit erfordert
eine Sicherung des Glaͤubigers durch Pfandrehte; pfandlicher oder
Realcredit. Die volllommene Sicherheit findet ſich bei Fauſtpfän⸗
dern, aber nicht immer ganz bei Unterpfändern (Hypothefen), weil dem
Bläubiger nody immer der Zweifel bleiben kann, ob die Tare des ver:
pfändeten Grundſtuͤcks richtig if und ob im Kalle eines erzwungenen
Verlaufs fo viel gelöf werden kann, als die Forderung beträgt (was
felhft bei einer doppelt hohen Tarfumme öfters nicht geichieht), weil
ferner der Bläubiger meiftens nicht geneigt iſt, das verpfändete Grund⸗
ftüd oder Gebaͤude ſelbſt zu übernehmen und in jedem Falle ſich ſcheut,
in einen Concurs des Schuldners verwidelt zu werben.
$. 279.
Aeltere Schriftfteler haben von der Wirkung bes Credits in
der Bolfswirthfchaft eine überfpannte Meinung gehegt, weil fie,
in die Betrachtung des Wirthichaftözuftandes einzelner Bürger
oder Volksclaſſen vertieft, unterliegen, die Befanbtheile und Bes
dingungen des Vollseinkommens im Ganzen zu überbliden (a)..
— 348 —
Der Credit ift feine Güterquell.. Ob er gleich den Einzelnen
bie Benugung fremder Bapitale verfchafft, welche fie zu ihren
beabfichtigten Unternehmungen nöthig haben, fo fann er doch
die Maſſe der Bapitale in einem ganzen Lande nicht vermehren,
außer durch Borgen im Auslande, oder indem Metallgeld durch
Papiergeld abgelöft wird. Die Wirkung des Credits befteht
alfo hauptfählih in einer Belebung des Güterumlaufes, und
insbefondere in einer leichteren und häufigeren Uebertragung der
vorhandenen Gapitale.
(a) ge „oehört vorzüglid Pinto, Traite de la circul., 2 (
Er flieht (©. 161, ©. 177 der d. Ueberf.) Die —— —*— >
urfunden als einen eigenen. Theil tes Bolfövermögen® an. La or&ation
des fonds publics, quand on les fait & propos et quelle n’excäde point
la sphöre de ls puissance, est une alchymie r6alis6e, dont souvent
coeux mömes, qui l’opörent, n’entendent pas tout le mystöre „S. 338
(352 i. D.)
$. 280.
Diefe Wirkung des Eredites erfcheint auch nach der Befeitigung
der übertriebenen Schäßung noch immer als ſehr vortheilhaft.
1) Es wird bie befte productive Anwendung des beweglichen
Vermögend veranlagt, Weil baffelbe vermittelt des Credits
leicht an diejenigen Menfchen gelangen kann, welche die meifte
Gefchidlichfeit und Neigung haben, hervorbringende Gewerbe
zu treiben. Den Capitaliften und Grundeignern fehlt fehr oft
biefe Bähigfeit oder diefe Neigung, ihre Erfparniffe würden
daher zum Theile unfruchtbar Tiegen bleiben ober aufgezehrt
werden, oder in mißlungenen Unternehmungen zu Grunde gehen,
wenn nicht ber Credit fie in die Hände einſichtsvoller und
thätiger Unternehmer brachte (a). Ebenſo ziehen ſich die Ca⸗
pitale leicht von der minder ergiebigen zu der einträglicyeren
Benupung hinüber. 2) Die Leichtigkeit, Vermögen ohne Gefahr,
zu jeder Zeit und in beliebiger Menge auszuleihen, ift eine
große Ermunterung zum MUeberfparen. 3) Der Güterumlauf
eined ganzen Landes kann durch den Beiftand des Credits mit
einer geringeren Münzmenge beftritten werden, 8. 282.
Diefe drei Urfachen erklären e8, daß der Credit, obgleich er
nicht für ſich allein Capitale erzeugt, doch mittelbar zur Ver⸗
größerung des Gapitales in einem Lande beitragen kann.
(a) Insbeſondere wird ein großer Theil der Hanbelsgefhäfte mit geborgten
Gapitalen betrieben, auch unterftügt vielfältig der wohlhabende Unters
nehmer den weniger Begüterten mit Gapital, 3. B. der Kaufmann ven
Yabricanten oder Handwerfer.
$. 281.
Der voltöwirthfchaftliche Nutzen bed Credites ift nach den
obigen Sägen befchränft auf denjenigen Theil des beweglichen
Bermögens, welchen bie Eigenthümer nicht felbft hervorbringend
anwenden oder dody nicht fo vortheilhaft als Andere benugen
fönnen oder wollen (a). Daß durch ben Credit auch die uns
productive Verzehrung erweitert werden fann, ift freilid eine
weniger gemeinnügige Folge (5), die jedoch auch im Ganzen
nicht Häufig eintritt, denn die meiften Darleihen bienen fowohl
der Befonnenheit der Borgenden, ald der Vorſicht der Leihenden
gemäß zum Zwede der Hervorbringung. Die zahlreichen Unters
pfandöfchulden der Grundeigner fcheinen zwar. eine Ausnahme
von dieſer Regel zu begründen, indem die .geliehenen Summen
fehr oft nicht zur Beförderung der Landwirthſchaft verwendet
werden (c), allein man darf nicht überfehen, daß ein großer
Theil diefer Schulden urfprünglich von den Erbtheilungen der
Gefchwifter oder anderer Erben eines früheren Grundeigners
bherrührt, wobei der fpätere die Miterben mit Geldſummen ent
fhädiget, die von ihm geborgt, von den Empfängern aber ges
wöhnlich wieder werbend angelegt werben.
(a) Eine Erweiterung des Gredits über feine natürlihen Graͤnzen Tann
daher nur nachtheilige Folgen haben, $. 309. — E86 giebt einen Miß⸗
braudy des Credits, wenn Berfonen ſich fremde Bapitale zu verfchaffen
wiflen, ohne das Vertrauen zu verdienen und wenn fie diefelben befleren
Anwendungen entziehen.
(5) Wenn 3. B. ber Fabricant im Winter dem &rundeigner leicht entbehr:
liche Genußmittel borgt, die dieſer erſt nach der Ernte bezahlt, fo if
dieß für das ganze Bolf kein Gewinn, vielmehr bleibt das Capital des
Fabricanten einen Theil des Jahres unproductiv und der Käufer muß
ibm entweder Zinfen ober einen um den Betrag berfelben erhöhten
Kaufpreis entrihten. — gl. Simonde, Rich. comm., I, 275.
(0) Bol. Stord, 1,6 |.
— 350
Zweites Hauptflüd.
Wirkung des Credits auf deu Geldumlanf.
$. 282.
Die ältefle Anwendung des Credites fand Statt bei ein⸗
fachen Darleihen, ſodann bei anderen Verträgen im Verkehre
mit Sachgütern, wobei die eine ausbebungene Leitung in folchen
Gütern nach Verabredung verfchoben wurde, 3. B. Kauf mit
einer Zahlungsfrift, der alfo wie eine Verbindung eines Kaufs
und eined Leihvertrages anzufehen. Später, als die mit Geld
vermittelten Berkehrögefchäfte immer häufiger und mandhfaltiger
wurden, benugte man den Erebit zu verfchlebenen Mitteln, um
die Koften und die Bemühung zu vermindern, welche der Ge⸗
brauch der Münze verurfacht (a). Die hiezu dienenden Ein-
richtungen laſſen ſich fo überbliden:
1) Es wird in vielen Fällen das Zählen, Ueberliefern und
Berfenden der Münzfummen erfpar. — Hinterlegungs—
banken $. 283. — Anmweifungen und Wedel $. 286.
2) Es werben Borberungen gegen einander aufgehoben und
dadurch Zahlungen unnöthig gemacht, — Abrechnungen,
Meberweifungen, $. 292.
3) Es wird der Müngvorrath, den viele Menſchen in Bereit:
haft zu Halten pflegen, verringert — $. 292.8.
4) Es wird ein Theil der Münzmenge durch ein anderes
hoͤchſt wohlfeiles Umlaufsmittel erfebt, Bapiergeld, 8. 293.
(a) Alle tiefe Mittel, das Staatspapiergeld ausgenommen, verdanfen dem
Handel ihren Urfprung, bie Handelslehre dat fie als Hülfsmittel für
die Tau fmännijen Behdäfte darzuftellen, die Bolfwirthichaftslehre da⸗
gesen ihre Wirfung auf die wirthfchaftlihen Berhältnifle eines ganzen
CH 3 erforſchen, wobei jedoch eine kurze Beſchreibung voraus⸗
gehen muß.
1. Hinterlegungsbanten.
8. 283.
Hinterlegungs⸗, Giro⸗, Depoſiten- ober Um-
ſchreibebanken (a) find faufmännifche Anſtalten, wobei
Summen Metallgelves in fiheren Gewahrfam von mehreren
— 51 —
Theilnehmern niedergelegt werben, damit bie wirklichen Zah⸗
lungen unter denſelben durch bloßes Ab⸗ und Zuſchreiben in
den Rechnungsbuͤchern erſetzt werden koͤnnen. Jedem Theil⸗
nehmer wird ber Betrag feiner Einlage als Guthaben (credit)
in den Büchern angefchrieben; Hat er eine Zahlung vorzunehmen,
fo beauftragt er blos die Bank ihm die Summe abzufchreiben
(in dad debet zu bringen) und dagegen demjenigen, welchen
er bezahlen will, ins Guthaben zu fegen (d). Wer noch nicht
Theilnehmer war, kann ed fowohl durch Einlage einer baaren
Summe ald dadurch werben, daß ein Guthaben von einem
Anderen, den er dafür entfchäbigt, auf feinen Namen übers
tragen wird.
(a) Marperger, „elhreibuug ber Danguen, Leipz. 1723. 4. — Bäuſch,
Abh. von den Banken, in deſſen ſaͤmmtlichen Sqhriten über Banten
und Düngmefen, Hamburg, 1801. — Hufeland, DO, 112. —
tor 7.
(5) Diefer Auftrag geſchieht Da durch eine Anweiſung, welde ber
Anweifende entweder perfön (ic) übergiebt, oder von einem vermöge
förmlicher Vollmacht Beauftragten übergeben läßt. Wer mehr anweiſet,
ale ex gut bat, muß das 5 lende nachzahlen und eine Kleine Straf.
gebühr entrichten.
$. 284.
Der Bortheil einer folchen Einrichtung ift zunaͤcht darin zu
ſuchen, daß man 1) die Unbequemlichkeit des öfteren Ausbe⸗
zahlen® großer Summen, nämlid das Zaͤhlen und Einpaden,
2) die Koften und Gefahren des Fortſchaffens, auch 3) die Ab⸗
nügung, Berfchlechterung und den Berluft von Münzftüden ganz
vermeidet. Die niebergelegten Sorten find vor jeder Veraͤnde⸗
rung gefhüst und die in ihnen ausgebrüdten Summen haben
daher einen gleichförmigen Metallwerth, während die umlaufens
den Sorten veränderlich find, auch öfter die eine von einer
anderen verbrängt wirb (a). Wenn foldhe Veränderungen ſich
zutragen, fo muß bie Münze, nad) welcher die Bank rechnet,
gegen bie umlaufenden geringhaltigeren Sorten ein Aufgelb,
Agio, gewinnen (db). Diefe Vortheile find auf diejenige Stadt,
in der fi die Bank befindet, und eine nicht fehr weite Um⸗
gegend befchränft, theild wegen ber mit dem Anweifen verbun-
denen Wörmlichfeiten, theild aber weil die Theilnahme nur für
die an dem Sige der Bank zu machenden Zahlungen nützlich
ift. Zinfen ber eingelegten Summen zu bezahlen if die Bank
nicht fähig, da fie Feine Geſchaͤfte betreibt, auch iſt dieß nicht
nöthig, weil diefe Summen in der Verfügung der Theilnehmer
bleiben und fo gut zu ben Unternehmungen berfelben gebraucht
werden können, ald wenn fie in den Händen jebed Einzelnen
wären. Jeder Theilnehmer läßt nur foviel in der Bank flehen,
als er außerdem baar in feinem Befibe haben müßte, um bie
vorkommenden Zahlungen zu leiften.
(a) In feinen Handelsſtaaten, in die ſich unvermeidlich vielerlei frembe
Münzforten ziehen, ift jener Vortheil befonders fühlbar.
(6) In Venedig trugen die neuen umlaufenden Münzen (moneta piocols
corrente feit 1750) 54 Procent Aufgeld, die älteren 20 Procent, in
Amfterdam trugen fie gegen 4, in Hamburg bat noch jetzt das Gourant-
geld ungefähr 23 Procent Agio gegen Banco, nad tem Feingehalte if
es um 22,25 Proc. mehr werth.
$. 285.
Zur Bolltommenheit einer reinen Girobank gehören folgende
Bedingungen: 1) Die niedergelegten Summen bürfen nicht zu
Ermwerbsgefchäften benupt werden, fondern müflen vorräthig
liegen bleiben, denn fonft würde ein in den Banfbüdhern er:
worbenes Buthaben nicht eine vollfommene Sicherheit gewähren,
vielmehr hinge der Befiger defielben von der Klugheit und dem
Erfolge der Banfverwaltung ab. 2) Jeder, auf deffen Namen
“eine Summe in ber Banf fteht, muß die Befugniß haben, die⸗
felbe beliebig herauszuziehen, weil fonft die Bedeutung ded Gut⸗
habens genau betrachtet nur etwas Eingebildetes wäre (a).
3) Die Bank muß in ihren Rechnungen ein von der ungleichen
Ausprägung der Münzforten unabhängiges Preismaaß gebraus
hen, indem fie die Einlagen, wie die Ausbezahlungen blos nach
ihrem Metallgehalte ſchaͤtzt, aljo in einem Gelbe rechnet, welches
nicht eine einzelne Muͤnze, fondern blos eine gewifle Metall⸗
menge if. Diefe Stetigfeit des Rechnungsgeldes der Banf
gewährt für den Handel foldhen Bortheil, daß man fi in
einem weiteren Kreife deſſelben bedient und daß fich Geſchaͤfte
häufiger nad) dem Sitze der Banf hinziehen (b).
Die Banken diefer Art find mit Ausnahme einer einzigen,
der Hamburger, eingegangen (ce), man hat aber neuerlich)
den Bortheil, ven fie gewährten, auch ohne das Riegenbleiben
eined fo großen Vorrathes von Gold und Silber, wenn gleid)
— 363 —
nicht mit einer unfehlbaren Sicherheit, zu erreichen gewußt, in
dem einzelne Bankhäufer oder größere Anftalten anderer Art
(Zettelbanfen) zugleich das Ab- und Zufchreiben (Girogefchäft)
für die mit einem ſolchen Haufe oder einer ſolchen Anftalt in
Verbindung ftehenden Perfonen übernahmen (d).
(a) Die venetianifche Bank geftattete lange Zeit hindurch fein Heraus:
(8)
(e)
ziehen der Einlagen.
So die Hamburger Bank, welche den Bankthaler zu 528,217 Hol. Ale
feines Silber (oder 9,94 Thlr. auf die föln. Mark) reguet weil
dieſes der Mitteldurchſchnitt zwiſchen dem urſpranglichen ehalte des
älteren Speciesthalers (540 As) und dem unter Karl VL merklich leichter
ausgeprägten Thalerftüde (516 As) war. Dänemarf und Schweden
prägten ſolche Thalerftüde aus, Hamburg felbft aber nicht. Buͤſch,
a. aä. O. ©. 177. — Der Thaler Banco ift nad dem 24Yefl.: Fuße
2 fl. 39,7 kr., die Mark Banco (!/s Thaler) von 176 As — 53,3 fr.
Zur Geſchichte ter Birobanfen.
Venedig. Seit 1157 beitanden Privatbanfen unter Staatsaufficht,
aber die Depofitenbanf wurde erft 1584 errichtet. (Hüllmann, Staates
wirthfch. Nebenftunden S. 105 vermuthete 1582). Im Jahre 1587
gingen die Binlagen als Anleihen in die Hände der Regierung über,
welcher Umftand aber erfi 1797, bei dem Ginrüden der Yranzofen, den
Eredit der Bank erfihütterte. Aufgehoben 1808. Buͤſch, aa. O. —
Stord, IIL, 63. — Ganilh, Syst&mes, II, 158. — Hüllmann,
Städtew., I, 453. — Calucci in Venezia e le sue lagune 1847, I,
1 Abth. S. 362. — "Die revidirten Geſetze von 1663 bei Marper:
er, ©. 190, in der Urfprache, enthalten nur Verordnungen über die
ormen der Buchführung, die Pflichten des Perfonale u. dgl.
Amfterdam. Grridhtet 1609, um bei dem paufigen Umlaufe abge:
nügter und befchnittener Münzen die vollwichtigen Stüde zu behalten.
Die Regierung verbot, Wechſel von 300 fl. und darüber anders als
durh die Banf zu bezahlen. Diefe betrieb zugleich den Handel mit
edlen Metallen und nahm hiebei fowohl Barren als Münzen jeder Art
(ausgenommen Scheidemünge) an, wofür fie Gredit in ihren Büchern
gab, diefer aber wurde in bem gewöhnlichen umlaufenden Gelde aus-
edrüdt, den holländischen Gulden anfangs zu 225 As fein gerechnet.
a die Banf nur gute Stüde annahm, fo wurde das Banigeld um
einige Procente höher im Berfehr bezahlt, als die umlaufenden Sorten.
Der Gulden wurde durch fpätere Wurdigung der vorfommenden Stüde
auf ungefähr 212 As herabgefept, gegen Ende des 17. Jahrhunderts
durch Feſtſetzung des 3 Guldenſtuͤckes zu 603 As fam er auf 201 As f.
Der belgifche Ducaten durfte erft feit 1638 angenommen werden und
es ift daher unrichtig, aus feinem Preife von 3 fl. den urfprünglichen
Werth des Bankguldens zu berechnen, welcher kein anderer, als der in
vollwichtigen Stüden vorfommende war. Wer Münzen in die Bank
brachte, erhielt nicht nur ein Guthaben in den Büchern berfelben, fon:
dern auch eine Duittung (Recepiffe), wofür er halbjährig einen
fleinen Zins entrichten mußte, */s Proc. für Ducatons (Silberryder),
bei anderen Sorten 1/—!/s Proc. Der Beſfitz einer Summe Bantgeld
und eines Recepifſes auf gleichen Betrag berehtigte zum Herausnehmen
von Baarfchaft. Da nun das Banfgeld etwas über dem vollen Breife
der guten Sorten fland, fo erhielten die Recepiffen einen Preis und
deshalb Tiefen fie häufig um. Hieraus war die Meinung entflanden,
daß diejenigen Ginlagen, für welche feine Recepiſſen durch Zinszahlung
Rau, polit. Delon. L 7. Ausg. 23
ze — Bi —
erneuert worden. wären, gar nicht mehr Hätten zurückgeforbert werben
können, was nah Mees nicht richtig if. Jede Um Greibung foftete
zwei Gtüver (20 auf den Gulden), wer zum erfienmal ein Guthaben
erhielt, entrichtete 10 fl. Zweimal im Jahre wurden alle Rechnungen
abgefchlofien. Erſt 1795 wurde es befannt, daß die Bank einen Theil
bes Borratbes heimlich zu Borfhüflen verwendet Hatte, die ſich auf
9.247793 fl. beliefen. Diefe Summe wurde 1802 von ber Regierung
vergütet, doch gelangte die Bank nicht wieder zu der vorigen Bedeu⸗
tung. Bei der Gründung der niederländifchen Bettelbant im Jahre 1814
verlor fie vollends alle Wirkfamkeit, weßhalb 1820 ihre Aufhebun
ausgefprochen und die Rüdzahlung des Banfgeldes mit 5 Proc. Aufs
geld verordnet wurde. Marperger, ©. 119. — Ad. Smith, II,
305. — Bäſch, S. 160. 760. — Stord, IL, 64. — Sorgfältig
und mit Beleuchtung mancher früherer Irrthuͤmer handelt die Geſchichte
biefer Bank ab W.C. Mees, Proeve eener geschiedenis van het bank-
wezen in Nederland gedurende den tijd der republick. Rotterd. 1838.
Hamburg. Grrichtet 1619, wegen ber vielen fchlechten damals
umlaufenden Münzen. 1770 fing die Bank an, Süberbarren anzu:
nehmen; feit 1790 findet die inlage von Münzen gar nicht mehr
Statt. Die Barren müflen eine Mifhung von % reinem Silber
haben (0,9% oder 15 Loth 12 Graͤn). Die Bank berechnete bei ben
eingelegten Barren die köln. Mark feines Silber zu 442 Schilling (48 auf
den Thaler) oder 27 Mark 10 Schill., beim * mußte man
ſich die köln. Mark um 2 Schillinge höher, alſo zu 27 Mf. 12 Schill.
anrechnen laflen. Seit 1846 wird auch beim Ginlegen bie köln. Mark
zu 27 Mi. 12 Schill. Banco berechnet und beim SHerausziehen nur
1 pro mille zurüdbehalten. Hieraus ergiebt fich der Weingehalt der
Bankmark zu 175,997, des Thalers zu 526,16 As. Bol. Soetbeer,
Ueber Hamburgs Handel, III, 41. 1846. Der fortwährend geheim:
gehaltene Betrag des Bankvorrathes wurde 1813 bei der Wegnahme
durch den Martha Davouft bekannt, er war 7506956 Mark Banco,
wofür die franz. Regierung 1816 nur 500000 Franken Renten er-
flattete. Im 9. 1800 Hatte der Bankvorrath 41 Mil. Mark über:
ſtiegen. Soetbeer, Beiträge u. Materialien zur Beurtheilung von
Geld: und Banlfragen, 1855.
Nürnberg. Stiftung 1621. Wechfel von 50 fl. und Zahlungen
für Waarenfäufe von 200 fl. und darüber mußten durch bie Bank be:
wirft werden; die &ebühr beim Umfchreiben betrug 3 fr. von 100 fl.
(bei Juden 6 fr.). Nur beflimmte grobe Sorten wurden angenommen
und fonnten beliebig Herausgezogen werden. Das Girogefchäft hat in
neuerer Zeitaufgebört und iſt nur noch ein Banfgefchäft auf Staatsrechnung
geblieben, 6. 292a 8 Eines Hochedeln und Hochweiſen Raths..
anco⸗ und Wechſelordnung, Nürnb. 1722. 4. (enthält bie neueſte
Mevifion der Statuten von 1721). — Roth, Geld. des nürnb. Han-
dels, IV. — Rau zu Stord,, III, 464.
Rotterdam. Die Bank wurde 1635 nad dem Borbilde der Amfter:
damer gegründet, erlangte aber feine beiondere Wichtigkeit. Bine Re
viſion der Statuten geihah 1660. Im neuefter Zeit ſank ihre Wirk:
famfeit mehr und mehr, und ohne förmliche Aufhebung ſcheint fie 1812
erlofchen zu fein. Mees a. a. O. ©. 207—22.
Auch die in Berlin 1765 errichtete Banf hatte fonft ein Girogeſchaͤft
und rechnete in Pfunden, deren 100 gleich 131%/ Thlr. Eourant oder
4 fleic 1 Friedrichsd'or waren. Das Herausziehen ſtand nur denen
frei, welche Summen ſelbſt eingelegt hatten, nicht denen, welchen fie
übertragen wurden. Reglement von 1766, Art. 1-6, 12—26, in
Bergius, Samml. deuticher Landesgeſetze, VI, 289 ff.
(d) Dieß Umfcweiben Bei Banthäufern kommt leicht ohne befondere Anord⸗
nung in Gang. Wenn fowohl A als B bei dem Bankhaufe C ein
befigen und A an B efba6 zu bezahlen Hat, alſs den C bes
auftragt, dieß zu tun, fo iR es ganz einfach, daß C die Summe einfs-
weilen nur dem B gutfchrei
II. Anweifungen und Wechſel.
$. 286.
Eine Anweifung (Affignation) iſt ber ſchriftliche Auf⸗
trag des Einen an den Anderen, einem Dritten eine gewiſſe
Geldſumme auszubezahlen. Wechſel Wechſelbriefe) find
eine Art von Anweiſungen, an einem anderen Orte zahlbar, in
einer beſtimmten Form abgefaßt und durch befondere, an biefe
Form gefnüpfte rechtliche Folgen auögezeichnet (a). If die
Zahlfähigfeit des Beauftragten feinem Zweifel unterworfen und
feine Bereitwilligfeit zur Vollziehung des Auftrages zu ver
muthen, auch für ben entgegengefegten Fall der Erfag durch
den Auftraggeber für ficher zu erachten, fo fann die Anweiſung
oder ber wegen bed ftrengen Wechſelrechtes mehr Sicherheit ges
währende Wechſel fehr bequem flatt der baaren Summe verfens
bet werden, um eine Zahlung zu bewirken. Der Inhaber des
Wechſels verfchafft fich diefelbe, indem er dem Beauftragten den
Wechſel vorlegt und jenen auffordert, bie in biefem benannte
Summe auszuliefen. Gin Wechfel muß jeboch nicht nochwendig
fogteich an den Wohnort des Beauftragten gefenbet werden, fons
dern kann vorher auch an andere Orte gehen, wo ihm die Er
wartung der von dem Beauftragten zu leiftenden Zahlung eben-
falls Werth verleiht. Derjenige, zu beflen Gunſten der Aufs
trag ausgeftellt iR, überträgt dabei feinen Anſpruch an eine
andere PBerfon, diefe wieder an eine andere u. f. f.
(a) Die fogmannten trodenen Wechſel, eine an in Wechſelform,
fommen zwar in —5* —ã den wahren (craffirten)
ne überein, ſind ader wirth Fan AR —* ſehr von ihnen
verſchieden.
6. 287.
Dar Haupwortheil diefer Einrichtung if, daß man bie
Mühe, Koften und Gefahren einer Geldſendung an einen ans
23°
— zz6 — —
deren Ort erſpart. Die in jedem Zeitpuncte fälligen Fordetungen
zwifchen zwei Orten koͤnnen vermittelft ber Wechſel ausgetaufcht
werden, fo daß nur nody der Mehrbetrag der Schuldigfeit des
einen Ortes hinaudgezahlt wird (a). Weil aber der Beauf-
tragte (der Traffat oder Acceptant bei Wechfeln) die
Summe an feinem Wohnorte zu bezahlen hat und ber Käufer
der Anmweifung oder des Wechjeld (der Remittent) in der
Regel den Betrag der angewiefenen Summe an den Anmweifen-
den oder Wechfelauöfteler (Traffanten) baar entrichtet, fo
wird feine Erfparung an Münze bewirkt, nur daß diefe nicht
mehr während der Berfendung dem Umlaufe entzogen wird und
der Gelbvorrath der beiden Orte feine Veränderung erleidet (b).
Wenn der Wechfelausfteller nicht fchon Gläubiger des Beaufs
tragten ift, fo muß er diefen für die Bezahlung des Wechſels
entfchädigen (ce). Sendet der erſte Käufer (Remittent) den
Wechſel an einen dritten Ort, wo er eine Zahlung bewirken
will, und wiederholt fi dieß durch mehrmalige Abtretung (In⸗
doffirung) ded Wechfeld an andere Perfonen und an ver
fhiedenen Orten, fo wirb berfelbe oft an Zahlungsftatt anges
nommen, ohne daß man ihn erft zu verfaufen nöthig hätte (d).
(a) Wenn A in Leipzig an B in Königsberg 1000 Thlr. zu bezahlen, und
ugleich C in Leipzig an D in Königsberg diefelbe Summe zu fordern
—*F fo wird das Hin⸗ und Herſenden des Geldes erſpart, wenn C
einen Wechſel auf D ausftellt, worin diefer beauftragt wird, die 1000
Thaler an B zu geben, und wenn A diefen Wechſel von C gegen baare
Bezahlung erfauft.
(6) 88 werden in obigem Falle wirklich 2000 Thaler bezahlt, nur inner:
alb beider Städte, von D an B und von A an C.
(e) Dieß kann gefchehen 1) durch Sendung von Münze, 2) durch Nemits
tirung eines anderen gekauften Wechſels, 3) durch Waarenfendungen,
welche ein von dem erflen Geſchaͤfte verfchiedenes zweites, nämlich einen
Kauf, vorausfegen.
(4) Beifpiel: A in Köln bat 800 Thaler von B in Königsberg einzunebs
men und verfauft einen Wechfel auf benfelben. C kauft ihn und fendet
—e ihn an feinen Glaͤubiger D in Breslau, der mit dem ers
altenen Wechfel feinen Gläubiger E in Danzig befriedigt. E kann
den Wechfel nicht felbR zum Verſenden gebrauchen, verfauft ihn aber
an den F, der ihn an G in Königsberg flatt einer Baarzahlung ſendet.
@ zieht das Geld von B ein. In diefem Kalle find die 800 Thlr.
dreimal in verfchiedenen Orten baar bezahlt, es find aber vier Sen:
dungen der nämlihen Summe erfpart worden.
8. 288.
Die Beftimmung einer Anweiſung oder eines Wechſels iſt,
daß eine Zahlung an einem anderen Orte oder wenigftend von
— 357 —
einer anderen Perfon erfolge, ald von derjenigen, welche außer
dem felbft zu bezahlen hätte. Im dieſer Wirkung liegt wegen
der Koften» und Zeiterfparung ein anfehnlicher Vortheil und
bie genannten @reditmittel leiſten daher dem Verkehre einen
fehr nüglichen Dienft (a). Wenn aber eine folche Berfchreibung
zum Behufe der Berfendung mit einer Geldſumme erfauft wird,
und wenn der Inhaber bderfelben die benannte Summe vom
Zraffaten einfordert, fo bildet der MWechfel fein Erfagmittel der
Münze. Nur dann verrichtet er den Dienft ded Geldes, wenn
er von Jemand an Zahlungsftatt empfangen und wieder in
gleicher Weife ausgegeben wird. Dieß gefchieht zwar nicht.
felten (6), aber doch nicht fo leicht und allgemein, daß man
die Wechfel für eine Art des Geldes anfehen fönnte (c).
Sie haben nicht die Eigenfchaften eined guten Umlaufomittels,
wie fich aus folgenden Gründen darthun läßt. 1) Wer nicht
eine ober mehrere der in einem Wechfel benannten Perſonen
ald zuverläffig fennt, ber ift wenig geneigt, denfelben an Zahs
Iungsftatt anzunehmen, aud hält die Strenge des Wechſel⸗
rechtes viele Menfchen ab, fich der Wechfel zu bedienen, deß⸗
halb finden diefelben größtentheild nur unter Kaufleuten Ans
wendung. 2) Die Abtretung eined Wechſels muß fchriftlich
auf der Nüdkfeite des Blatted audgebrüdt werden (In doſſa⸗
ment, endossement), was ebenfalld8 eine Linbequemlichkeit
ift (d). 3) Die Auszahlung eined Wechfels kann nur zu einem
darin bezeichneten Zeitpunfte von dem Beauftragten verlangt
werden. Richtet fich diefe DVerfallzeit nady dem Tage der Aus
ftellung (e), fo gewährt ver Wechfel nur bis zum Eintritte biefer
Zeit volle Sicherheit; aber auch in dem Falle, wo die Verfall.
zeit von dem Tage ber Vorlegung (Präfentation) abhängig ift,
werden Wechfel nicht gerne lange nady der Ausftellung anges
"nommen, wenn man nicht genau weiß, daß in den Verhaͤltniſſen
der betheiligten Perfonen in der Zwifchenzeit Feine Veränderung
eingetreten if. 4) Wechfel, deren DVerfallzeit nicht ganz nabe
ift, find wegen des Zinsverluftus in der Zwiſchenzeit weniger
werth, und werden deßhalb auch etwas unter ihrem vollen Bes
trage verkauft. Sie haben fchon aus diefer Urfache feinen ganz
feften ‘Preis in Münze. Es ift ein Gewerbsgeſchaͤft, Wechfel
mit einem, ungefähr den Zinfen entfprechenden Abzuge (Dis⸗
— 38588 —
eonto, escomto, Wechſelzins) fruͤher anzukaufen, um ſodann
die ganze Summe von dem Trafſaten einzuziehen. Dieſe Unter
nehmung heißt dad Discontiren, Scontiren (f). Dem⸗
jenigen Befiger eined Wechſels, welcher die in lebterem ausge⸗
brüdte Summe bald zu befigen wünfcht, iR ein noch Wochen
oder Monate laufender Wechfel läftig und ee muß ihn, wenn
er die Annahme nicht ablehnen will, mit einem Disconto
verkaufen.
(e)
(8)
(6)
(4)
In Großbritanien follen nah Jones (Distribut. of wealthı &. 271)
ſtets für ungefähr 100 Mill. 2. St. apa und Anweifungen (pri-
vate bills) umlaufen, nad neueren Unte ugungen von Newmarch
(Journ. des Econ. XXXI. 62. 153. XXXIL. 35) im D. von 1843-46
116 Mil. Der Nutzen der Wechſel mußte in früheren Sabrhunderten
noch ftärfer empfunden werden, als jetzt, weil die Düngfendungen we⸗
en der fchlechten Straßen koſtbarer und wegen ber häufigen Berau⸗
ungen geläßrlicher waren. Um bie räuberifhen Völker nicht fürchten
u müffen, durch deren et: ber weg nad Kaſchmir geht, pflegen pers
ſche Kaufleute, die dert Shawls eintaufen wollen, PP in Kabul mit
Wechſeln zu verfeben, indifche feken ihr wmitgebrachtes Geld in Anbarfar
in Wechfel um. Berghaus, Annal. V, 528. Kabul pat Wechſel⸗
verkehr mit Kalkutta und Aſtrachan; aber ſelbſt der Befiß eines Wechſel⸗
briefes wird von den Reiſenden verheimlicht, aus Beſorgniß vor Raͤu⸗
bern. Burnes, Reife, I, 173. — Anweiſungen find ſchon im Alter:
thume befannt geweien, das Wechſelrecht aber entfland im Mittelalter,
zuaf auf Mefien. — Ueber ben Urfprung der Wechfel Fiſcher, Geſch.
des deutſchen Handels, I, 297. — Storch, LI, 65. — Mitter:
maier, Grundf. b. Private. II, $. 226. — Hüllmann, Städte
weten, ©. 442. — Schiebe, Die Lehre der Wechſelbriefe, 2. Ausg.
1831. ©. 1—16.
Beſonders Häufig bei den Anweiſungen auf Bankhäufer und ‚größere
Banken, wobei fi) auch gute Gelegenheit zum Umfchreiben ergiebt.
&ullarton bei Toofe (History of prices from 1839-47, S. 157
beftreitet den Unterfchied zwifchen Wechſeln und Banknoten, womit au
Tooke ©. 163 einverfanden if.
Wechſel werben zwar bisweilen ohne Benennung des Käufers (in bianoo)
indoſſirt, hiedurch geht aber die Haftbarkeit der nicht eingeichriebenen
Erwerber und Ausgeber verloren. Die englifchen niveffungen auf
Bankhäufer (cheques, checks) lauten auf den Inhaber und waren hie:
—F bisher von der Stempelgebuͤhr frei, auch haben ſie' keine beſtimmte
(e)
Berfallzeit und können beliebig eingefordert werben.
Dieß ift der Kal, wenn fie auf eine Anzahl von Tagen, Wochen oder
Monaten nach der Ausftellungszeit (dato) geftellt find.
Daflelbe ift eine beliebte Art, Geldfummen auf kurze Zeit einträglid
anzuwenden. Der Discontirende bewahrt den Wechſel bis zur Verfall:
zeit und zieht dann bie volle Summe ein. In Großbritanien werden
nah Rewmard (a. a, 2 86 Proc. vom Betrage aller Wechſel
discontirt. Das Discontiren hat wirthfchaftlich betrachtet mit dem Dars
leihen große Achnlichleit, von rechtlicher Seite weicht es fehr davon ab,
indem es in dem Kaufe einer Forderung an einen Dritten befteht.
Der Disconto folgt im Allgemeinen dem Stande des Sinefußee, eht
indeß meiſtens etwas niedriger, weil man den Vortheil einer baldigen
— 3859 —
ſicheren Ruͤckzahlung ſchaͤtzt, und manche Summen, ſtatt müßig zu liegen,
auf kurze Zeit zum Discontiren verwendet werden. Uebrigens hat man
beim Discontiren zwei kleine Vortheile: 1) das Jahr wird nur zu 360
Tagen gerechnet, 2) man zieht den Disconto gleich beim Wedhtelfaufe
ab und muß ihn folglich als den Zins der Fleinern wirklich bezahlten
Summe anſehen. Wer 3. B. bei einem Discontofage von 4 —2*
jährlich für eine Friſt von 1!/s Monaten 1/s Procent abzieht und alſo
einen Wechfel auf 100 fl. mit 994/. fl. bezahlt, begieht eigentlih für
Hr Ausla e von 99/a fl. fhon !/s |. Zins, ſtatt für 100, alfo jährs
ih 4, dc.
$. 289.
Die Wechfel haben wie die Waaren einen Preis und zwar
einen ziemlich veränderlichen. Man bezeichnet ihn wie überhaupt
den ‘Brei der Erebitpapiere und Münzen mit dem Ausdrude
Curs (cours). Der Preis, den an einem Orte A die auf einen
andern Ort B audgeftellten Wechfel haben, beutet an, welche
Summe man in A aufwenden muß, um fid, die Verfügung
über eine gewiffe Summe, bie in B ausbezahlt werben fol, zu
verfchaffen. Um eine genaue Borftelung von biefem ‘Preife zu
erhalten, muß man, wenn an beiden Orten in verfchiebenen
Münzforten gerechnet wird, die im Wechſel erfaufte Summe
und ihren Preis auf einerlei Geldforte oder auf Gewichtsein⸗
heiten des edlen Metalle umrechnen. Die Gleichfegung zweier
Münzfummen, in welchen gleichviel Silber oder Gold enthalten
it, beißt Pari, und dieſes bildet die Mitte, um welche
die jedesmaligen Wechfellurfe, als Marftpreife, bin und her
fhwanfen (a).
(a) 3. 3. 105 fl. im füdweftlihen Deutfchland find dem Silbergehalte
nach gleidh 60 preuß. Thalern und dieß iR das Pari zwiſchen Frank
furt und den preußifchen oder fächflfchen Wechfelplägen. Iſt nun der
Gurs in Frankfurt 106'/, fl. (24. San. 1855), fo if dieß 1a fl —
1,18 Proc. über Bari, man muß alfo 101, fl. in Frankfurt auf:
wenden, um die in 100 fl. enthaltene, in Berlin zahlbare Silbermenge
an fih zu bringen. Die regelmäßig bekannt gemachten Wechfelcurje
find nicht leicht verſtaͤndlich, weil die Kaufleute oft nur die eine von
beiden Münzen, in denen der Curs ausgebrüdt wird, angeben, die ans
dere aber der Kürze willen im Sinne behalten. Die Eursliften fagen
3. B. in Paris: der Curs auf London if 25'/, Fr., auf Hamburg
186 Fr., dieß foll Heißen für 1 2. Sterling, für 100 Mark Banco.
Diejenige von beiden Münzgfummen, die man auf biefe Weife im Sinne
behält, heißt die fee Baluta (le certain), diejenige, welche man
ausfprigt und deren Quantitaͤt wechſelnd if, die veränderlicde
Baluta (Vineertain). Jene ift bald eine Einheit (1 Piafter, 1 Rubel),
bald eine runde Zahl (100 Thaler, 300 Franken, 1000 Reis). Bis⸗
weilen werden die Eurfe in Währungen auegebmüdt die gar nicht ges
yrägt And, 3. DB. der erſt 1843 abgefähaffte thlir. Frankfurter —*2—
— 360 —
zahlung (WZ), wovon urſprünglich 13,2 Stücke oder 20,0% fl. auf
die Mark gingen. Der Curs zwifchen den vereinigten Staaten unb
England wird auf eine unbequeme Weile bezeichnet, indem man 1 2. St.
=: 48/9 Doll. oder IL. St. — 40 D. ſetzt und angiebt, wieviel wirk
liche Dollars für 100 jener Annahme oder für 22%/. 2. St. bezahlt
werden müflen. Das Pari if 109, nad dem Goldgehalte des Bagle
von 10 Doll., woraus fh 1 2. St. = 4,96 D. ergiebt. — Der
@urs zwifchen zwei ee wird ſogar zufolge des Herfommens nicht
immer an beiden auf diefelbe Weiſe angegeben; 3. B. zwilhen Paris
und Berlin. Dort giebt man an, wieviel Kranken dafelbf für 100
preuß. Thaler, die in Berlin zahlbar ‘find, gegeben werden müffen, in
Berlin aber, mit wieviel Thalern man 300 Franken in Paris erfauft.
Ebenfo zwifhen Paris und Frankfurt; dort war am 25. Januar
1855 der Eurs nah Frankfurt 214, d. h. foviel Zr. für 100 fl., in
Frankfurt am nämlidhen age 93%U,, d. 5. ſoviel Gulden für 200 Fr.
Erklärung diefer herkömmlichen Beftimmungsarten in den Büchern von
Flügel (Der erklärte Eurszettel), Tſchaggeny (Les arbitrages, Paris
1817, 4.), Gethardt, Nelkenbrecher, Krufe, . Schmidt u.a.,
vorzüglid Nobad (Tafchend. der Münz:, Maaß⸗ und Gewichtsverhaͤlt⸗
niffe, 1851. II B.). — Rechnet bas eine Land in Silber, das andere
in Gold, fo hat auch das jedesmalige Preisverhältnig beider Metalle
auf den Wechſelcurs Einfluß und. das Bari ift daher veränberlidh.
Seitdem in Franfreih das Bold vorherriht, muß daflelbe bei der
Berehnung des Pari zu Grunde gelegt werden. In Silber waren
200 Franfen — 94,2#fl. des DAUafl. Fußes, in Gold, bei einem Preife
deſſelben von 15%/,, find jene = 92,7 fl. Eure 23. San. 1855 in
Frankfurt 931/—!s, in Paris (aus 244 berechnet) 93,% fl. In dem
Curſe zwiſchen Berlin und Paris war in Silber das Pari 100 Thlr.
— 371,2 $r., in Gold zu 15%. iſt es 376,7 Fr., daher 3. B. der
Curs am 25. San. 1855 376,5 $r., und in Berlin 78%, Thlr. für
300 Fr. — Beſteht das Umlaufsmittel eines Landes größtentheils aus
einem gegen Münze im Preife gefunfenen Papiergelde, fo müflen bie
auf ſolches geftellten Wechfel einen entiprechenden niedrigeren Curs ha⸗
ben. In Wien fland im Sept. 1859 das Papiergeld zu 117 gegen 100
Silber. Daher faufte man 100 fl. füddeutih in Wechleln auf Frank⸗
furt zu 100,85. öfterr., während fle in Silber nur 85,7fl. wertb find.
Hieraus erklärt fih, daß 1814 vor dem Frieden auf dem Wefllande der
Curs nad) England gegen 30 Procent unter Bari war, indem die
Noten der englifhen Banf, damals das einzige Umlaufsmittel, gegen
tohes Bold um fo viel gefallen waren.
$. 290.
Wenn in A der Eurs nach einem andern Orte B über
Bari fteht, d. h. wenn man in A etwad mehr Gold ober
Silber hingeben muß, als man bafür in einem Wechſel nad
B zur Verfügung erhält, fo beweift bieß, daß in A ber Bes
gehr von Wechſeln auf B größer ift als das Angebot (a).
Der Begehr beftimmt fih in jedem Zeitpuncte nad) der Menge
von Zahlungen, weldye man in Kurzem nad) B zu machen
hat und zu welchen man Wechfel anwenden will. Das Ange:
bot richtet fi) nach der Menge von bereitd fälligen Forde⸗
— 3861 —
rungen, welche die Einwohner in A an die Bewohner von
B haben und fuͤr deren Belauf ſie Wechſel zu verkaufen ſuchen.
Sind die gegenſeitigen zahlbaren Forderungen zwiſchen beiden
Orten gleich, ſo wird der Wechſelcurs ungefähr den mittleren
Sag, das Pari, erreichen (d), im entgegengeſetzten Falle muͤſſen
an dem Orte, welcher mehr zu zahlen als zu fordern hat,
Wechſel nach dem anderen uͤber Pari erkauft werden. Dieſe
Abweichung vom Pari hat ihre nahen Graͤnzen, denn ſo lange
bie Muͤnzſendungen feine Schwierigkeit haben, giebt man für
einen Wechfel nicht mehr, ald die Baarfendung mit Fradıt
und Nebenausgaben (3. B. Seeverficherung) koſten wuͤrde (c).
Wo dagegen Verbote, Kriege und bergl. diefen Ausweg er-
fhweren, da ift eine beträchtliche Abweichung vom Pari
möglich (d). |
(a) In diefem Falle nennt man den Wechſelcurs für B ünftig, für A
ungünftig, ober man fagt auch furz: der Gurs fieht für B und
gegen A.
(6) Doch auch nur ungefähr 6 find Hiebei noch folgende auf den
Curs wirkende Umflände zu erwägen.
1) Der Traffant erhält den Wechiel bei der Abgabe fogleich bezahlt,
oder, wenn er mit dem Remittenten in Abrechnung flieht, fo werden
ihm doch die Zinfen von biefem Zeitpuncte an berechnet; dagegen leiftet
der Traffat die Zahlung erſt nad Ablauf der Verfallzeit. Daher ift der
Werth des Wechfele um bie Zinfen diefes Zeitraums für den Remitten⸗
ten weniger werth, als die darin ausgebrüdte Metallmenge. Nimmt
man 4 Seo. Jahreszinſen an, fo if ein Wechſel, der nach einem
Monat fällig wird, jest rk Proc., und bei drei Monaten Fri 1 Proc.
weniger werth. Auf je längere Zeit ein Wechfel läuft, deſto niedriger
it daher fein Preis; 3. B. am 25. Ian. 1855 flanden in Paris die
Mecfel auf Madrid bei ganz kurzer Friſt auf 5261/2, bei dreimonat:
licher auf 520 Cent. für 1 Piafter, alfo 61/5 Gent. Unterfchied auf un:
gefähr 80 Tage, was jährlih 5,1 Proc. ausmacht. Um den Einfluß
diefes Umftandes auf den Wechſelcurs auszufcheiden, muß man denfelben
bei Wechfeln mit längerer Zahlfriſt fo Beredhnen, wie er bei gegenwärtiger
Zahlung fich ſtellen würbe.
2) Der Remittent hat einige Nebenausgaben für Mäflergebübr und
Porto. Gefecht, diefelben betragen 2 per mille, fo wird, wenn ber
Curs genau in Bari fleht, der Aufwand für den Remittenten größer,
ale wenn ee auf fih traffiren ließe. Da nun in der Negel bie eine
von beiden Arten, eine Zahlung. zu bewirken, eben fo vortheilhaft fein
muß, als die andere, weil font die wohlfeilere mehr angewendet wird
und das Mitwerben die Ausgleichung bewirft, fo wird ber Curs an
jedem der beiden Drte ungefähr um den halben Betrag der Koften oder
1 per mille unter das Bari herabgehen. If dieß der Ball, fo kann
man 3. B. zu Hamburg im Gurfe nah Frankfurt (Part 100 Mark
Banco — 88,% fl.) mit diefer Summe 1 p. mille mehr ober 88,308 fl.
Pe in Frankfurt aber braucht man für 100 Mark nur 88,19 fl.
inzugeben.
iefe beiden Urfachen müflen bie Herftellung des vollen Pari verhins
(e)
(@)
— 362 —
dern und eine Berfchiedenheit der Gurfe an beiden Orten nad na
ziehen. Dieß zeigt fih auch wirklich. Die Wirkung diefer Koften i
aber fo gering, daß fie fi nicht herausfinden läßt, weil immer zugleich
Heine Schwankungen im Mitwerben mit im Spiele find. Beilpiel: In
Hamburg erfaufle man am 23. Jan. 1855 mit LOOMarfBco. 189%, Fr.
auf Paris auf kurze Sit, in Paris mußte man auf 3 Monate
100 Mark 1871/5 Br. geben. Zu 4 Proc. Jahreszinfen und 80 Tagen
Zwiſchenzeit würde ein Sichtwechfel in Paris 189,16 Fr. koſten, alfo
34 Gent. weniger. — Paris, 25. Ian. 1855 für 1 2. St. nah Lon⸗
don, 25,8% Fr., London 23. San. nah Paris 25,5—1 Fr. — Wenn
Jemand, der an dem anderen Orte nichts einzunehmen Ef bewogen
werden ſoll, einen Wechſel dorthin auszuſtellen, ſo muß ihm ein hoͤherer
Preis geboten werben, weil er dem Trafſſaten die Vergütung zu Handen
fhaffen muß. Daher kann kurze Zeit hindurch der Curs hoch fichen.
Beifpiel: Frankfurt, 1. März 1847 nach Hamburg auf kurze Sicht 89,
Hamburg, 26. Februar nad Frankfurt 89%, Fr., ferner London 5. Se:
nuar 1841 nach Paris auf 3 Monate 25,55 Fr. (für 12. St.), Paris,
2. San. 1841 nad London auf 3 Monate 24,% Fr.
Se weiter bie Entfernung, befto mehr kann deßhalb ber Eurs vom Bari
abweihen. Eine Sendung americanifher Goldmünzen nah London
wird zu 9 per mille Koften berechnet. In Cincinnati war 1852—53
und 1853-54 der Gurs auf New⸗Vork höchftene 12/. Proc. über
Bart, in RewsDrleans fam er in 3 Jahren einmal auf 3%, Br. Discont
(unter Bari) bei 60 Tagen. In New:Dork leben Wechſel nad Eali-
fornien bisweilen 6—8 Proc. unter Pari. Bei Zahlungen in andere
Länder können auch Umprägungsfoften binzuflommen. Weber die Be
rechnung des Bari |. Bleibtreu, Lehrbuch der Hanbelswifl., 1830,
S. 135. Def. Contorwiſſ. S. 133.
Ein Beilpiel hievon geben die unglnftigen Eurfe, für welche im Revo:
Iutionsfriege von der englifhen Regierung Wechfel zu den Subfidien-
ablungen nah Deutſchland erfauft werden mußten. Das Steigen des
Surfes nah England auf dem feftem Lande nad dem erflen und dann
wieder nach dem jweiten Barifer pieben läßt außer dem zunehmenden
Breife der Banknoten gegen Metall ($. 249 (a)) auch den Einfluß der
aufhörenden Gubfidien- und der Kriegskoftenzahlungen bemerfen. Lowe
Engl. n. f. gegenw. Zufl. S. 137.
6. 291.
Der Stand des Wechfelcurfes zwifchen zwei Ländern zeigt
demnach dad Berhältnig der Mengen von Geldzahlungen an,
weldye beide einander zu feiften haben. Hat das eine Land
mehr zu zahlen, als da® andere, fo kann der Ueberfhuß nicht
durch den Austaufch der Forderungen, d. i. durch Wechfel, ver-
gütet werben, er macht Münzfendungen nothwendig und fleigert,
ehe man fich zu dieſen entfchließt, den Curs. Die Zahlungen
aus einem Lande in dad andere entfpringen aus verjchiebenen
Urſachen, welche fih fo überbliden laſſen:
1) Geldfendungen, durch welche ein Erfag in anderen Ber:
mögenstheilen erworben wirb;
— 863 —
a) Bezahlung angekaufter Waaren (a), fowie der im Waaren⸗
handel geleifteten Dienfte, ald Provifion, Spebitiondge-
bühr und bergl.,
b) Anfegung eined Vermoͤgens, woraus Eigenthums⸗ ober
Forderungsrechte fuͤr das abfendende Land entftehen, Dars
leihen an Regierungen oder Einzelne, Ankauf von Grunds
füden und Actien, Betreibung von Unternehmungen ıc.
Die Rüderftattung der fo angelegten Summen und ber
Zinfen verurfacht Zahlungen in entgegengefeßter Richtung.
2) Leiftungen ohme einen folchen gleichzeitigen ober fpäteren
Erſatz in das bezahlende Land,
a) von Regierungen, 3. B. Hülfsgelder, Kriegskoften,
b) von Einzelnen, Erbfchaften, Auswanderungen, Reifen ıc.
Da alle diefe Zahlungen auf den Wechfelcurd einwirken
und auch aus Aufträgen von einem britten Sonde nicht felten
Wechfel angeboten oder begehrt werden, fo fann ein gewifler
Stand ded Curſes in einem gegebenen Balle nur dann als
Kennzeichen des Berhältniffes zwifchen Eins und Ausfuhr von
Waaren gebraucht werben, wenn man weiß, daß feine ber an-
bern genannten Arten von Zahlungen hinzugefommen ift (2).
Steht in einem Lande der Wechfelcurd nad) einem anderen über
Bari, fo verurfacht bieß in jenem den Käufern von Wechfeln
(Remittenten) eine Mehrausgabe und vertheuert die Waaren-
anfäufe. Die Ausfteller (Traffanten) haben dagegen Gewinn,
vorausgefeßt, baß fie die Forderungen an das anbere Land
früher auf wohlfeilere Weife erwarben. Die Wirkung eines
niebrigen @urfes ift bie umgefehrte (c).
(a) So oft zufolge einer Mißernte Großbritanien ungewöhnlich viel Getreide
einführen muß, fleigt dort der Wechfelcurs nach dem Feſtlande.
(4) Wenn ber Curs zwiſchen zwei Ländern merklich vom Pari abweicht, fo
ftreben die Taufmännifchen Unternehmungen von felbft dahin, ihn dem
Bari zu nähern. Muß man 8 B. in Hamburg 102 Loth Silber für
einen ſel geben, um bie Verfuͤgung über 100 Loth in Livorno zu
erhalten, und fann man in letzterer Stadt für 98 Loth einen Bedtel
auf 100 Loth in Hamburg kaufen, fo hat dieß die Kolge, daß 1) Kauf:
leute von anderen Drten in Livorno Hamburger Wechſel auffaufen
laflen, entweder um fie an anderen Handelsplägen wieder abzufegen,
wo fie höher im Preiſe fleben, oder wenigftens um ihre Zahlungen nad
Hamburg wohlfell zu bewirken; 2) daß ebenfalld von anderen Orten
Wechſel auf Livorno nah Hamburg zum Berlaufe gefendet werden,
deren Erloͤs dann zum Ginfaufe anderer Wechfel angewendet wird;
3) daß die Pivorner Kaufleute ed fo viel ale möglich vermeiden, auf
Samburg zu trafliren, während man bier ſchon der bloßen Cursver⸗
— 364 —
f&hiedenheit willen traſſirt. Sole Wechfelgeihäfte, bei denen man
Wechfel an dem einen Orte kauft, um fle an dem andern mit ®ewinn
u verkaufen, beißen Arbitragen. Sie gefchehen theils in der Abs
ht, Zahlungen mit ber geringiten Ausgabe zu bewirken, theils blos
des Gewinnfles willen, den die Gursverfchiedenheit nach Abzug ber
Koften erwarten läßt.
(co) 60 preuß. Thaler find — 105 fl. des 24/5 R.:Fußes. Im Sommer
1854 war ber Wechfelcurs auf Berlin in Yranffurt bis auf 107%/, ges
- fliegen, nod im Sanuar 1855 fland er auf 106%, alfo 1,8 Brocent
über Bari, wahrſcheinlich wegen ber neuen preuß. Anleihe zu Kriege:
rüfltungen. Hiermit hängt der erhöhte Preis der preuß. Thaler und
Gaflenicheine in Frankfurt zufammen (1fl. 461/—%/s Ratt ıfl. 45 kr.).
Es hat alfo dafelbfi der eine Theil der Kaufleute sc. Schaden, ber an:
dere gewinnt.
Uebrigene find manche fcheinbare Abweihungen des Wechfelcurfes
vom Pari daraus [zu erflären, daß in den umlaufenden Münzen eine
ang vorgegangen ift, nach welcher fih das Pari felbft anders
geRaltet.
II. Abrechnen und Ueberweiſen.
8. 292.
Wenn zwei Kaufleute in Geſchaͤftsverbindung ftehen und
einander Credit geben, fo werben bie beiberfeitigen Leiſtungen,
3. B. Sendungen von Waaren oder Wechſeln, Zahlungen aus
Wechfeln oder Crebitbriefen, nicht ſogleich vergütet, vielmehr
wird erft nach einiger Zeit, 3. B. am Ende des Jahres, zus
fammengerechnet, was Jeder dem Andern ſchuldig ift. Teiche
Borderungen auf beiden Seiten heben fih auf und nur ber
Mehrbetrag der Schuldigfeiten des Einen braucht in Geld bezahlt
zu werden. Dieß Abrechnen (Compenfiren) bewirkt alfo
eine Erfparung an Umlaufömitteln. Diefelbe geht noch viel
weiter, wenn eine größere Anzahl von Menfchen, welche unters
einander bin und her Forderungen haben, auf ähnliche Weife
abrechnen, fo daß Jeder feine Schuldner anweifet, nicht ihm.
feloft, fondern feinen Gläubigern Zahlung zu leiften und nur -
foviel Baar bezahlt oder empfängt, als der Unterfchieb feiner
fämmtlihen Schulden und Forderungen beträgt (a). Dieß
Veberweifen, Scontriren, ift jedoch darum von befchränfter
Wirfung, weil es perfönliche Zufammenfunft erfordert, weßhalb
ed in großen Städten bie beträchtlichfte Ausdehnung hat (b).
(e) Pr vier Menfhen A, B, C, D in Gefchäftsverbindungen; es
(2)
A an B 1500 fi. C an A 2800 fl.
an D 4000 ⸗ an D 6400 ⸗
B an C 6200 : D an B 5000 s
Die fämmtlihen Forderungen machen 25900 fl. Da in diefem Falle
A zufammen 5500 fl. ſchuldig if} und dagegen 2800 fl. zu fordern hat,
fo weiſet er den C an, feine Schuld an den D zu übernehmen, legt
diefem noch 1200 fl. baar zu und befriedigt den B, bezahlt alfo im
Ganzen 2700 fl., woburd er frei wird. B hat 6500 fl. einzunehmen
und 6200 fl. zu entrichten, er beauftragt daher den D, bie nuldigen
5000 fl. an den C zu entrichten und giebt diefem noch 1200 fl. weiter,
nimmt alfo 300 fl. mit hinweg. C compenfirt nun mit D und hat ihm
noch 4200 fl. auszuliefem. Die Zahlungen betragen zufammen nur
8100 fl. oder 31 Proc. aller Forderungen, da aber B von feiner Gin:
nahme 1200 fl. ſogleich wieder an C giebt umd dieſer fie nochmals zur
Befriedigung von D anwendet, alfo diefe Gelpflüde dreimal umlaufen,
fo if} der Geldbedarf eigentlih nur 5700 fl. oder ungefähr 22 Proc.
obiger Summe.
Die großen Mefien geben hiezu gute Gelegenheit; in Lyon ehedem alle
Bierteljahre. In London wird dieß Berfahren tä ig angewendet, ins
dem jeder Bankherr einen Gehülfen an einen Berfammlungsort (im
Glearing :Houfe) ſchickt, wo die auf die Banfhäufer von den Kauf:
leuten, Bapitaliften, Fabrikanten sc. ausgeftellten Zahlungsanwetfungen
(cheques) gegen einander ausgewechjelt werden. An gewöhnlichen Tagen
rechnet man 4—-5MiN.2. St. abgemachter Zahlungen, an folden Tagen
aber, wo die Gefchäfte in Staatspapieren vollzogen werben, fleigt die
Summe oft auf 20—30 Mill. und felten find mehr ale 200000 8. St.
zur baaren Ausgleihung nöthig. 1840 find 974401000 2. St. abs
aruehnet und nur 66°275000 oder 6,8 Proc. bezahlt worden. Reuers
ih wird der Mehrbetrag der Schuldigfeit über die Korderungen nicht
mehr in Gold oder Banficheinen, fondern lediglih in Anweifungen auf
die Banf von England vergütet, in der deßhalb jedes Bankhaus eine
angemeflene Summe fliehen haben muß. Im Glearinghoufe zu New-
Dort (feit 1853) betragen die bezahlten Ueberſchüſſe nur 5,5 Proc.
J. Prince Smith, Sc. of money, ©. 62. — Thom. Smith, Prin-
ciples, ©. 177. — Senior, 3 Lectures on the transmission of precious
metals, 2. Ausg. ©. 22. — Hübner, die Banken, II, 369.
IV. Banthänfer, Leihbanken.
292.
Die Gewohnheit ber meiften Begüterten, ftetd eine Geld»
fumme für unvorbergefehene Ausgaben in Bereitfchaft zu halten
($. 265), entzieht dem Umlaufe eine beträchtliche Geldmenge,
zumal da man indgemein einen größeren Borrath liegen läßt,
als es eigentlich nöthig wäre. Wenn fich viele Berfonen mit
einem Bankhauſe (a) in Verbindung fegen, ihm ihre ein,
gehenden Gelber übergeben und ihre Zahlungen auf Anweifun,
gen von ihm leiften lafien, fo gewährt dieß für fie viele Be,
quemlichfeit und Sicherheit (a), bad Bankhaus aber braudıt
— 366 —
weit weniger Geld in der Caſſe zu haben, als die Einzelnen
ohne dieſe Einrichtung aufbewahren müßten. Eé kann alſo
einen Theil der ihm anvertrauten Gelder auf eine eintraͤgliche
Weiſe anwenden "und ſie hiedurch dem Umlaufe zurüdgeben,
auch ſogar denen, bie ihm Summen einige Zeit lang überlaffen,
einen Zins bezahlen. Neben den einzelnen, von einem ober
wenigen Menſchen unternommenen Banfhäufern giebt ed aud)
größere, durdy Verbindung ‚mehrerer Eapitaliften gegründete An-
ftalten gleicher Beſtimmung, welche außer jener Befchleunigung
des Geldumlaufs der Volkswirthſchaft dadutch bedeutende Dienfte
leiten, daß fie Capitale an fi ziehen, die fonft die Eigen»
thümer. nicht gut anzulegen wüßten oder die aus irgend einer
Urſache müßig liegen, und daß fie die probuctiven Gewerbe
mit Vorſchuͤſſen unterftügen, alfo zwifchen Gapitalfuchenden
und Gapitalbefigern eine Vermittlung übernehmen. Solche
Leihbanfen Ffönnen zugleich den Boranfauf (Discontiren)
von Wechfeln und Umſchreibe⸗ (Giro) Gefchäfte betreiben,
&. 285. — (c).
(a) Den Unternehmer eines Banfgefhäfte nennt man Bankherr, ban-
quier, banker. Der Wirkungsdreis eines Bankhauſes begreift verfchie:
dene Huͤlfsgeſchäfte für Handel und andere Gewerbe, namentlich das
Umwechſeln verichiedener Münzforten gegen einander (Geldwechſel,
wie bei den griechiichen trapezitae und den römiidgen argentarii und
nummularü, Hüllmann, Städtewefen, I, 441), den Handel mit
rohem Gold und Silber, die Beforgung von Bahlungen am andere
Orte duch Wechfel oder Anweifungen, die Zuflandebtingung von An-
leihen für Regierungen oder Privaten von großem Grunpdbefig, die
Annahme dargeliehener Summen von Gapitaliften und das Wiederaus⸗
leihen um etwas höhere Binfen, insbejondere die Unterflügung von
fiheren Gewerbeleuten durch Vorſchüſſe, ferner das Dicontiren von
Wechſeln, den Handel mit Verſchteibungen (Efferten). Solche Verrich⸗
tungen werden bei einem lebhafteu Berfehre Bebürfniß und trennen fich
nad dem Geſetz der Arbeitstheilung von dem Waarenhandel. — Die
jüdifchen Geldwechsler bezahlten Zins von übernommenen Summen,
ungeachtet des mofaiichen Zinsverbotes (Diatth. XXV, 27). Im Mittel:
alter Bildete ſich dieß Geſchäͤft vorziglih in Florenz aus, wo bie
Medici das größte Bankhaus waren. Da jedes Land nur wenige
ÜWechfelpläge hat, fo bebarf der Kaufmann oder Fabricant an anderen
Drten fhon dazu eines Bankherrn, um Wechfel anzufaufen oder aus⸗
zuftsllen und vergl. — Bl. Mat⸗Gulloch, Handb. 1,61. — Gil-
bart, The history and prineiples of banking, 3. ed. L. 1837. —
Lawson, The History of banking. L. 1850.
(d) Man wirb ber Gefahr des. Diebflahte Aberhoßen, auch beforgt der Bank:
pe die Ginziehung der Wechſel, bei weicher der nicht gang Kundige
eicht in Schaden geräth.
(6) Ueber die Nüslichkeit folher Banken auch ohne Auegabe von Noten
| Niebuhr in Mau und Hanffen, Archiv. NR. Folge, V, 113. —
— 367 —
Sie koͤnnen zwar nicht ſo große Gewinnſte abwerſen, wie die Zettel⸗
banken, haben aber auch deren Gefahren nicht. Banken dieſer Art be⸗
finden ſich in Deutſchland zu Nürnberg, (Staatsbank mit zahlreichen
Filialen, die Zahlenverhaͤltniſſe pehtmgeha uenn — Stuttgart, — Bremen
—— gegen 3/3 Mill. Thlr. jaͤhrlich discontirte Summe), —
oͤln (Schaafhaufenfcher Bankverein, 1852 5 187000 Thlr. Aetiencapital,
6 Proc. Dividende), — Lübel (Commerzbank ſeit 1859), — Wien
(Niederöfterr. Discontogefelihaft 1853, 10 Mill. fl. Capital). — Die
Parifer Discontocafle (comptoir mational d’escompte) wurde 1848 während
der durch die Staatsummälzgung verurfachten Geſchaͤftsſtockung von ber
Regierung gegründet, um Wechſel mit zwei Unterfchriften anzufaufen.
Das Enpital follte 20 Mill. Fr. beitragen, wozu der Staat 3 MIR.
lieferte, aber Mitte 1851 waren erſt 41/, Mill. zufammengebradht. Am
28. Zuni wurde befchloffen, ein befonderes Souscomptoir —* Vorſchuͤſſe
auf Giſenbahnactien zu errichten, mit 2 Mill. Actiencapital. Auch auf
Waaren wurde gelieden. 1852 wurde das Bapital von 20 Mill. Fr.
durch Abſatz der Actien vervollftändigt. 1851—52 war die Dividende
8 Proc. Annuaire de l'éon. pol. 1851, ©. 224. 1853, S. 265. —
Bon den hier betrachteten Leih- und Discontobanfen find die neueren
Greditgefellichaften verfchieden, in denen das Capital zur Unterftüßung
von mandherlei gewerblichen Unternehmungen, 3.3. Gifenbahnen, ferner
gm Handel mit Staatsichuldbriefen und Actien sc. verwendet wird,
ie Societ6 de credit mobilier in Paris von 1852 diente den andern
ale Borbild, |. II. $. 312 0. >
V. Bapiergelb.
A. Im Allgemeinen.
g. 293.
Schriftliche Urkunden, welche ein Recht des Eigenthümers
auf beftimmte Geldleiftungen anderer Perfonen audfpreden unb
daher als Ausdruck (Zeichen) gewiffer zu erlangender Geld
fummen anzufehen find, Fönnen überhaupt Crebitpapiere ges
nannt werden, weil fie ihren Werth nur durdy dad Bertrauen
auf die Erfüllung der im ihnen enthaltenen Zufage erhalten.
Bei diefen häufig in den Verkehr tretenden Ereditpapieren lafien
fi in Hinfiht auf den Zwed, für den fie ausgeftellt find,
fowie auf die bei ihnen vorfommenden Rechtöverhältnifie mehrere
Arten unterfcheiden. Solche Ereditpapiere, welche dazu be⸗
flimmt und eingerichtet find, ebenjo wie Münzen ald Umlauf»
mittel zu dienen und aljo jene zum Theile im Verkehre zu ver
treten und zu erjeßen, verdienen ben Namen Bapiergelb,
welcher hier im weiteren Sinne gebraudt wird (a). ‘Bapiere,
welche ald Umlaufsmittel vollkommen brauchbar fein follen,
müffen gewifle Eigenfchaften befigen, bie bei anderen Arten von
Ereditpapieren ganz oder zum “Theile fehlen.
— 868 —
1) Sie muͤſſen ſo leicht wie Muͤnze uͤbertragbar ſein, d. h. die
bloße Uebergabe muß genügen, den Empfänger zum Eigen—⸗
thümer zu machen, ohne daß es nöthig wäre, den rechtmäßigen
Erwerb zu beweifen. Bei einem Theile der. anderen Credit:
papiere ift zur gültigen Uebertragung eine Yörmlichfeit erforder:
(ih, wie die jchriftliche Abtretung (Eeffion) des früheren
Befigerd oder die Eintragung ded Vorgangs in ein Verzeichniß,
welches von gewiflen dazu beftellten Perſonen geführt wird.
Eine Vorſchrift diefer Art macht den Uebergang eined Credit⸗
papiered in andere Hände umſtändlich und zeitraubend und
wibderftreitet deßhalb der Beftimmung eines Umlaufsmittels.
2) Wer Papiergeld annimmt, muß darauf rechnen können,
daß daſſelbe auch, wenn er ed ausgeben will, von Anderen
bereitiwillig angenommen werde. Dieß fegt bie allgemeine Ans
erfennung ded Papieres ald Zeichen einer gewiflen Geldſumme
voraus. ine ſolche Anerkennung entfteht entweder durch eine
gefegliche Verfügung der Regierung, oder durdy das allgemeine
Vertraueu auf diejenigen Perſonen, welche das Greditpapier
unter ihrer Haftung in Umlauf fegen (d). Auch müflen, da⸗
mit der Umlauf ohne Verzögerung erfolgen könne, viele Stüde
folcher Papiere von gleichem Betrage und gleicher Beichaffen-
heit vorhanden fein, wie bei den Münzen, was jedoch das zur .
Bequemlichkeit dienende Ausdgeben.von Papieren, welde auf
Eleinere und größere Summen lauten, nicht ausſchließt. Bei
einem Theile ber Greditpapiere fehlt aber dieſe Bedingung,
indem ihre einzelnen Arten und Stüde nad) dem Rechtöver-
hältniß, den erklärten Zuficherungen, den haftbären Perſonen ıc.
unter einander verfchieden find. Ihrer Annahme geht deßhalb
eine Ueberlegung und Auswahl voraus, bie bei mehreren
Perfonen oft mit verfehiedenen Entſchließungen endigt (c).
3) Sole Papiere, deren Rüdzahlung (Einlöfung) an
einem beftimmten Zeitpuncte gefchehen fol oder von einer voraus
gegangenen Kündigung bedingt wird, eignen ſich ſchon deßhalb
nicht gut zu einem ftellvertretenden Zeichen einer Münzs
fumme. Bor der Berfallzeit find fie weniger werth, als die
in ihnen bezeichnete Summe und fie werden ungern ober nur
mit einem Zinsabzuge für die Zwifchenzeit ( Disconto) ange
nommen, und über biefen Zeitpunct hinaus bleiben fie nicht
— 83609 —
lange im Verkehre. Ein zum Dienſte des Geldes beſtimmtes
Papier muß alſo, wenn überhaupt von den erſten Ausgebern
die Umwechslung gegen Münze verfprochen wird, zu jeder Zeit
auf Berlangen ded Befigerd (auf Sicht) einlöslich fein.
Bei einem nicht einlöslichen ‘Bapiergelde wird dieſer Umſtand
wenigftend zum Theile dadurch aufgewogen, daß man es bei
gewifien Caſſen als Zahlungsmittel benugen kann.
4) Bapiergeld darf dem Befiger, der daffelbe einige Zeit
aufbewahrt, feinen Zins und feine andere Einnahme eintragen,
denn fonft würde er einen Antrieb empfinden, es liegen zu
laffen und ald werbendes Vermögen (Gapital im Sinne der
Privatwirthfchaft) zu benugen, und dieß würde in dem alle,
wo der Beflger die Summe nicht zu feinen Ausgaben verwenden
muß, oft geſchehen. Schufdbriefe tragen Zinfen, Actien bringen
Dividende ein, Wechfel geben Vortheil aud dem Didconto.
Bei dein Papiergelde ift Fein Zins ıc. nöthig, eben weil man
annimmt, daß es bald ausgegeben und einträglich verwendet
- werde (d).
Ereditpapiere, denen biefe Erforberniffe eined guten Um-
laufömitteld ſaͤmmtlich oder zum Theile fehlen, bilden eine
andere, vom Papiergelde verfchiedene Claſſe und dienen zu
anderen Zweden. Sie können mit dem Namen Berfcdhreis
bungen (Effecten, billets promesses nad Stord), zur
fammengefaßt werden (c). Wenn man ſich ihrer bisweilen
ftatt ded Geldes zu einer Zahlung bevient, fo geſchieht dieß
doch nur nebenbei in Beichränfung auf gewiſſe Perfonen, Zeit
puncie u. dgl., wie ed die eigenthümliche Beftimmung dieſer
Papiere mit fi bringt. Zu dieſen Verfcehreibungen gehören
a) Urkunden, die ein dauernded Schuldverhältniß oder eine
Betheiligung bei gemeinfchaftlichen Unternehnungen und Ans
ftalten ausdrüden, — Schulbbriefe (Obligationen), Rentens
ſcheine, Actien; Berfchreibungen dieſer Art bleiben oft lange in
den Händen eines Befigerd. Werben fic öfter im Verkehr gegen
Geld umgefegt, fo hat dieß den Vortheil, daß Jeder, der be
wegliched Vermoͤgen befigt, es mit Leichtigfeit unter den be⸗
quemften Bedingungen einträglid) anwenden fann, indem er fid)
die feinen Wünfchen am meiften entfprechende Art von Ber:
fchreibungen anſchafft, $. 283. 2); b) folche, die den Anfprud)
Rau, polit. Dekon. I. 7. Ausg.
— 370 —
auf eine einmalige Zahlung geben, — Anweiſungen, Wechſel,
Zindfcheine (Coupons) 5). Mit Ausnahme dieſer Zinsſcheine
werben "die Verſchreibungen, ſtatt wie Geld verwendet zu
werden, vielmehr meiſtens mit Geld im Verkehre erkauft.
(a) Seit A. Smi * (II, 29) iſt das Wort in dieſer Bedeutung genommen
(6)
(@)
u
u
worden, $ 4. — Simonde, Bich, comm, I, 160. — Thorn:
ton, Der Papiereredit von Großbrit., überf. v. Jakob, Halle, 1803.
— Say, Handb. III, 59. — Hufeland, U, 195. — Stord, IL,
48. 102. — Ricardo, Cap. 27. — Benior, 3 Lectures on the
cost of obtaining money and on some effects of private and govern-
ments paper-money. London, 1830. — Rebenius, Der öffentl.
Credit, I, 136. — N. —— Art. Papiergeld in Bluntſchli's
Staatswoͤrterbuch u. deſſelben Verf. Schriften über Bankweſen. —
Ueber eine engere Auffaſſung des Begriffes von Papiergeld ſ. $. 295 (4).
Die erfte Ausgeben (Emittiren) von Seite der Perfonen, die
eine Art von Bürgfchaft übernehmen und auf jedem Stüde als (recht⸗
lich oder wenigſtens moralifch) haftbar genannt find, ift von dem Weiter:
geben bes im Verkehre empfangenen Papiergeldes zu unterfcheiden.
Dan denke an die mandyerlei Stantsfchulbbriefe und Actien aus vielen
Ländern. Jeder einzelne Wechfel ift von anderen in irgend einer Hin
fiht verfchieden.
MWollte man verzinslichen Schufdbriefen, durch den Befehl der Regierung, fie
als Geld anzunehmen, oderdurch Einlösbarkeit auf Sicht die Fähigkeit geben,
die Münge zu vertreten, fo wäre bie Berzinfung unnöthig. Die vorfugiehfchen
Zettel (apolices), feit 1797 ausgegeben, erhielten erziwungenen Umlauf als
Geld und trugen anfangs 6 Proc. Zinfen. Sie —* im Curſe zufolge
fehlerhafter Maaßregeln, aber als man aufhörte, Zinſen von ihnen zu
bezahlen, fanfen fie darum doch nicht tiefer, weil es bei einem eigents
lichen Umlaufsmittel nicht auf Verzinfung anfommt. Balbi, Essai
stat. 1,323. Man Fönnte ohne Zweifel Papiere erfchaffen, die zwifchen
beiden Arten in der Mitte ſtünden und nach den Umfländen bald ale
Geld umliefen, bald als Verfchreibungen aufbewahrt würden, aber dieß
wäre nicht zweckmaͤßig. So 3. B. die verzinslichen Bankzettel in dem
Dane von Eorvaja, ſ. deffen Bancocratie, überf. v. Mohr, Heidelb.
840.
Der neuerlich nicht felten gebrauchte Austrud Werthpapiere ifl
wegen feiner allgemeinen Bedeutung nichtefagend. Warum foll das
Papiergeld nicht auh ein Werthpapier fein? — Das Verdienſt, den
Unterſchied zwifhen Berfchreibungen und Bapiergelb deutlich erflärt zu
haben, ah hauptſaͤchlich Simonde a. a. D., welhem Storch
fulgte. Hufeland a. a. D. rechnet im weiteren Sinne jede Schrift
um Papiergelde, „welche eine von dem jedesmaligen Inhaber einzu:
Iordernde Schuldverſchreibung ausdrüdt.” Im engeren Sinne fließt
er die zinfentragenden und nicht auf den Inhaber lautenden Papiere von
dem Papiergelde aus, S 198. Die Verwechslung der Berfchreibungen
mit dem Papiergelde führte zu manchen Mißgriffen, indem man bald
nach der umlaufenden Geldmenge bemeflen wollte, welche Mafle Ver⸗
ſchreibungen Abnehmer finden fönne, bald aber die Gefahren, die beim
Papiergelde ftattfinden, ohne Grund auf die Berfchreibungen übertrug.
Binsfcheine (Coupons) inländifcher Staatsihuldicheine, Ciſenbahngeſell⸗
Ichaften u. dal. haben mehrere Erfordernifie des Papiergeldes, allein
ihr Umlauf ift doch auf wenige Wochen befchränft und man kann nicht
Jedermann zumuthen, fie bei der Caſſe, welche die Zinfen auszahlt,
— 511 —
einldfen zu laſſen. — Die englifhen ohoques, Anweiſungen auf ein
Banfhaus, auf Sicht zahlbar und auf den Inhaber (porteur, bearer) geftellt
(8. 288(d)), laufen ebenfalls nicht lange nad) bem Ausflellungstage um.
In Großbritanien ift man mehr als ın Deutihland daran gewöhnt,
Zahlungen durch Vermittlung einer Bank zu erheben, doch werden auch
dort dieſe Anweiſungen nicht unter allen Volkséclaſſen und Umſtänden
als Zaplungsmittel gangbar fein.
$. 294.
Das Papiergeld hat feinem Weſen nad) ($. 293) nur bie
Eigenfchaft eines allgemeinen Umlaufsmitteld ($. 251), es ift
nicht zugleich Preismaaß, wie bie Münze, fondern brüdt eine
gewifle Menge berfelben aus und if folglich Münzzeichen
(8. 261). Je nad der Perfon, die ed unter ihrem Namen in
Umlauf bringt und verbürgt, findet die Unterfcheidung des Pris
vat- und Staatspapiergeldes Statt. Jenes wird von einer
Privatperfon, gewöhnlidy einer Geſellſchaft oder einer Corpo⸗
ration ausgegeben. Daffelbe beruht ganz auf dem Vertrauen
gegen bie Audgeber und auf ber Zuficherung unverzüglicher und
unbedingter Einlöfung auf Berlangen jeden Befigers (8.293). Ift
der Audgeber fortwährend im Stande dieß Verfprechen zu erfüllen,
und überzeugen ſich die Beflger von Papiergeld, daß es nur
von ihnen abhängt, daflelbe in Münze umzuwechſeln, fo läuft
bieß Privatpapiergeld ganz wie die Münze um, nur daß es
in folchen Rändern, wo bie Regierung die Annahme beflelben
in den Staatdcaffen unterfagt, auf den Brivatverfehr bes
ſchraͤnkt bleibt (a).
(a) Dieß hebt die Geldeigenfhaft nicht auf, fowie fremde Münzflüde und
ausländifches Bapiergeld ebenfalls gewöhnlich in den Stantscafien nicht
zugelafien werben.
$. 295.
Das Staatspapiergeld (a) erhält fchon durch die Ans
nahme bei den Staatscaffen eine folche Verbürgung, daß eine
in Vergleich mit den Staatdeinfünften mäßige Summe (b) aud)
ohne allen Zwang fi im Umlaufe erhalten kann (c) und eine
Eintöfung nicht nothwendig iſt, obgleich biefelbe zur Berftärfung
des Vertrauens und zur Sicherung gegen eine fchähliche Ver⸗
mehrung bed Papiergelded gute Dienfte leitet. In der Regel
‚ ift jedoch das Stantöpapiergelo gefeglich für ein Zahlungsmittel
erklärt, d. b. feine Annahme als Gelb befohlen worden und
24*
— 323 —
die Regierung bedient ſich deſſelben bei ihren Zahlungen, ohne
eine Einlöfung zu verſprechen (d).
(«)
(2)
(4)
Mehrere Schriftfteller geben demielben allein die Benennung Bapier:
geld, während fie für Brivatpapiergeld den Austrud Banknoten
oder Ereditfcheine (billets de conflance) brauchen, wie Storch,
11, 49. — Schon Platon dachte an ein wohlfeiles Erfagmittel der
Münze im inneren Verkehre. Das Papiergeld if in Ghina erfunden
werden, wo man feit dem 9. Jahrhundert n. Chr. Verſuche anflellte,
Bapiere unter manderlei Namen und Bedingungen auszugeben. Das
ältefte Beifpiel waren die Feb: Tfian (fliegende Münze) unter dem
Kaiſer HiansTfung (um 807), welder die Reihen nöthigte, ihr
Kupfergeld gegen jene Scheine in die Staatscaſſe einzulegen. Die
Kiao⸗tſuh oder stfeh (Wechſel unter Tfhin-Tfung um 1000)
waren Scheine einer Geſellſchaft von 16 reihen KRaufmannshäufern,
welche 1017 ihre Zahlungen einftellte. Diefe Scheine follten alle drei
Jabre einlösbar fein, zulegt nad 65 Jahren. 1107 wurden Scheine
Tfien:Din mit 43 Jahresterminen der Einlöfung ausgegeben, bie
1115 auf 1 Proc. ihres Nennwerthes fanfen. Die 1155 ausgegebenen
Kiao⸗tſchao follten nah 7 Jahren eingelöft werden, dieß unterblieb
aber und die Scheine fanfen dergeftalt, daß ein Reisfuchen 75 000 Fran⸗
fen galt. Die Mongolen lernten im 13. Jahrhuntert das Papiergeld
in China kennen und führten es auch fpäter in Berfien ein, woraus
die Meinung Schlögers entfland, daß jenes Volf das Papiergeld er:
funden habe. Im 3. 1288 gab man neue Scheine aus, die der füntfs
fahen Menge der älteren von 1260 gleichgefept wurden. Das lehte
Papiergeld, Tſchao, fanf um bie Mitte des 15. Jahrhunderts bie
auf 3 per mille des vollen Betrages. Nach 1489 wird Feine neue
Ausgabe mehr erwähnt und die Mandſchu verboten 1645 das Papiers
geld. Klaproth in defien Mém. relatifs à l’Asie, P. 1822 = Bibl.
univ. Liter. XXVII, 4. — Nat. Rondot in J. des Econ. XXV, 113
(nah Biot). — Ibn Batuta (Travels, ©. 209) fand im 11. Jahr⸗
hundert nur Papiergeld in Ehina umlaufend; die befchädigten Stüde
wurden unentgeldlid gegen neue umgewechfelt. — Ledergeld im alten
Garthago. Erſtes eurepäifches Papiergeld in Venedig 1171. Schön,
N. Unterf. ©. 294.
Bei Eleinen Zahlungen, 3. B. Poſtporto, Stempelgebühr, Straßengeld,
Bahrgeld auf kurzen Gifenbahnftreden und dergl. kann das Papiergeld
nicht gebraudyt werden, wenn es nicht auf fehr geringe Summen lautet
($. 298). Die Steuerzahlungen vertheilen fi durch das Jahr und
die Einnahmen in Papiergeld Fönnen von der Staatscaffe fogleich wieder
ausgegeben werden, doch wird vielleiht ein Betrag von 1/s der Staats:
einkünfte in Papiergeld einen geficherten Umlauf Baben.
Gin Beifpiel von Rapiergeld mit freiem Umlaufe gaben die preu:
Bifhen Treforfheine (jept Gaffenanmweifungen genannt), feits
dem bie Verordnung vom 5. März 1813 bie Annahme derfelben im
Privatverfehre ganz von der freien Uebereinfunft abhängig machte ; vgl.
V. v. 7. Sept. 1814, F. VI. Die heutige Summe der umlaufenden
Gaffenanweifungen ift 15°842000 Thlr. in Gtüden von 1—500 Thlr.
Pol. IL, $. 529 (ey. — Werner die polnifhen Caſſenſcheine, faif.
Berordn. v. 15. April 1823.
Daher nimmt man gewoͤhnlich Staatspapiergeld und nichts
einlösliche6 (inconvertible) Papiergeld für gleichbedeutend. —
Say verftand unter Papiergeld im eigentlihen Sinne nur das nicht:
eintösliche, Handb. III, 43. Auch nah Huskiffon fol nur das
— 373 —
nichteinlösliche Staatspapiergeld paper money heißen, aber zur paper
currency follen auch Bankiheine gehören, Tooke, hist. of pr. from
1839—41 ©. 171. — Thöl (Handelsreht I, 6. 51) bemerft: Gin
Papier, welches derjenige, der auf Geld ein Mecht hat, nicht nehmen
muß, fondern zurückweiſen darf, ift fein ‘Papiergeld, das Papiergeld
bat feinem Begriff nah einen Zwangscurs. — Nah A. Wagner
a. a. D verdient nur das nichteinlösliche, von der Regierung ale
Bahlungsmittel erklärte (mit Zwangsumlauf ausgeltattete) Papier:
geld Dielen Namen im eigentlichen Sinne, weil nur ihm die Bigenfchaft
eines Telbfländigen Preismaaßes zufomme, die vom Verf. als wefents
lihes Merkmal im Begriff des Geldes angeſehen wird. Allein das
Papiergeld -ift feiner Beſtimmung nah nur Münzzeichen, ohne urfprüng:
li einen eigenen Preis haben zu Fönnen. Auch uneinlösliches Papier:
geld gilt oft der Münze im Preife gleich. Wenn zufolge von Mißgriffen
oder ungünftigen Umftänden ein Stüd Papiergeld nicht mehr der auf
ihm benannten Münzmenge (dem Nenn⸗ vder Nominalbeita gt)
gleihfleht, fo wird fein finfender Preis nad dem Berhältniß deſſelben
zum Nennbetrage oder der entiprechenden Menge von rohem Münz-
metall bezeichnet und bildet einen nicht beabfichtigten, vielmehr beklagten
franfhaften Zufland der Umlaufsmittel, deſſen baldige Gntfernung
dringendes Bedürfniß des Verkehrs if, 6. 300. — Das einlösliche
Papiergeld, zu weldhem die Bankfcheine gehören, foll nah Toofe
und Wagner nicht zu dem Gelde gerechnet werden, fondern wird
mit anderen Greditpapieren, bie bisweilen al& Zahlungsmittel dienen,
wie Wechlel, Anweifungen, "namentlich cheques, in eine dem eigentlichen
Gelde entgegengelegte Claſſe gebracht, weldhe von Wagner als Geld⸗
furrogat bezeichnet wird. — Macleod (Theory and practice of
banking, 1855. 56) rechnet fogar Begenflänte zum Gelde (currency), bei
berfen gar Feine Veberlieferung eines Papieres an einen anderen Befiker
vor fih gebt, wie das Umfchreiben und das in den Büchern des Bank⸗
herren eingetragene Buthaben.
$. 296.
Der Gebrauch des Papiergeldes bringt nicht allein Dem—
jenigen Rugen, der ed auf feinen Namen audgiebt (a), fondern
gewährt auch für die Volkswirthſchaft Vortheile:
1) Große Summen fönnen in Scheinen fchnell gezählt,
leicht fortgebracht, in Briefen wohlfeil und fchneller als Münzen
verfendet, ferner bequem verwahrt werden. Dieß ift im Groß⸗
handel fehr nuͤtzlich (G). Im kleinen Berfehre, wo die Stüde
fehr oft aus einer Hand in die andere gehen, fleht dagegen
Papiergeld der Münze an Brauchbarfeit weit nach, weil es viel
leichter befchädigt werben kann (c).
2) Ein Theil des Metallgeldes wird im inneren Verkehre
entbehrlich und kann nuͤtzlich im Auslande verwendet werden.
Geſchieht dieß
— 374 —
a) durch Ausleihen oder eine andere werbende Anlegung,
fo werben Zinſen, Renten ıc. zu Wege gebracht, die das Volks⸗
einfommen vergrößen; — -
b) werden auslänbdifche Waaren erfauft und zwar folche,
welche im Lande als Capital gebraucht werden, 3. B. Ber:
wandlungsftoffe, fo dient dieß die Hervorbringung zu erweitern ;
werden Genußinittel dafür angefchafft, fo entfteht freilich nur
eine einmalige DBermehrung des Gütergenufles und der Vers
zehrung. Da jedoch durch die Einführung des Papiergeldes
außer Denjenigen, welche ed audgeben, Niemand ein größeres
Einfommen erlangt, fo ift nicht zu erwarten, daß die inlaͤndiſche
Verzehrung im Ganzen beträchtlic vermehrt werden könne, es
wird alfo der größte Theil des entbehrlich gewordenen Geldes
eine fortdauernd nuͤtzliche Beftimmung erhalten (d).
(a) Er hat mwenigftens die umverzinslihe Benutzung einer Gelbmenge, die
er ebenfo wie die Münze verwenden fann.
(5) Der Reiz zum Nachmachen des Papiergeldes iſt groß, weil man feine
Mafchinen, Defen ımd dergl. nöfhig hat, wie beim Falſchmünzen, und
ber Berwandlungsftoff keine Koſten verurfacht. Indeß wird neuerlich
das Papiergeld to fünftlich verfertigt, daß es ſchwer iſt, nachgemachte
Stüde in den Umlauf iu bringen, die nicht alsbald erfannt werden. —
Sm Sommer 1830 entftand in Oſtindien große Verwirrung im Ver:
fehre, als es befannt wurde, baß für 1 Mill. fl. Scheine der Bank in
Galcutta nachgemacht worden feien. Die Londoner Bank hat Fährlich
im Durdfchnitt von 1822 — 1831 40204 2. St. durch falfche Banks
noten verloren. Don 1828—1834 wurden im Durchſchnitt 24582. St.
verfälichter Noten fogleich bei der Bräfentation an der Bank erkannt;
diefe Summe nahm jährlih ab, von 3343 2. (1828) bis 1079 £.
(1831). Pebrer, Hist. financ. I, 225. 298.
(6) Der uf durch Berreißen, Verbrennen bes Papiergelded und dergl.
trifft zwar den Inhaber, aber nicht das Volksvermögen, weil mit der
Forderung auch die Schuldigfeit erlifcht. — Bei der Catskill⸗Bank in
New: Dort wurden in 30 Jahren 15000 Doll. Noten nit vorgelegt,
während der gewöhnliche Umlauf 200000 beträgt. Bei der Mechanics:
Bank in Baltimore mit 428000 Doll. mittlerer Notenmenge blieben in
47 Jahıen bis 1839 26000 Doll. aus. Hunt, Merchants magaz.
173, 596.
(d) Smith, II, 32. — Kraus, Staatswirthſch. ILL, 56.
8. 297.
Wird in einem Lande eine beträchtliche Menge Papiergeld
neu in ben Umlauf gefegt, fo entfteht eine Geldvermehrung,
deren Wirkungen mit denen eined Anwachſes ber Münzmenge
Achnlichkeit Haben muͤſſen, $. 271. 272. Würde gerade gleich
zeitig durch eine Zunahme der Gütererzeugnng und bes Vers
- - 37
fehre ein größeres Geldbeduͤrfniß verurfacht, fo kaͤme das
VBapiergeld demfelben entgegen und der Geldumlauf nähme zu,
ohne daß ine Aenderung in den “reifen ftattfände Wenn
dagegen neued Staatöpapiergeld von der Regierung zu ver
mehrten Staatsausgaben oder neued Privatpapiergeld zur Ers
weiterung ber beftehenden Gewerböunternehmungen oder zur
Betreibung neuer einträglicher Geſchaͤfte benugt wird, fo wird
ber Mehrbetrag der Umlaufsmittel nad) Abzug ber zur Ein-
löfung oder aus anderen Zweden liegen bleibenden Münzvor-
räthe eine Verwendung im Berfehre finden und neben der
Münzmenge in den Umlauf eintreten, und dieß ift gewoͤhnlich
ber Fall, weil bei dem Ausgeben von Papiergeld ein folcher
Gebrauch beabfichtigt zu werden pflegt. Der vermehrte Begehr
von Sachguͤtern und Arbeitern giebt eine Ermunterung, uns
benuste Gütermaflen und Arbeitöfräfte in den Verkehr zu bringen
und die Erzeugung von folden Sachgütern, von denen eine
größere Menge begehrt wird, weiter auszudehnen. Da jedoch
dad Angebot dieſer Gegenſtände bei einer beträchtlichen Geld⸗
vermehrung nicht fehnell genug vergrößert werben fann, fo muß
der Preis berfelben Reigen (a), und es wird daher eine Schwie⸗
rigfeit empfunden, die neuen Geldfummen vortheilhaft anzulegen,
auch finft im Anfange der Gelbvermehrung der Zinsfuß auf
einige Zeit, $. 236 (a). Diefe Umftände geben einen Antrieb,
den innerhalb ded Landes nicht leicht anzuwendenden Theil des
Geldes ind Ausland zu fenden, $. 271. Hierzu fann man
aber nur Münze gebrauchen, weil die Urfachen, die den Credit
bed ‘Bapiergelded begründen, bloß im Inlande ihre volle Wirs
fung äußern. 8 folgt daher auf die Ausgabe von neuem
Papiergelde eine Ausfuhr von Münze oder Münzmetall und
diefelbe dauert fo lange fort, als fie Vortheil bringt, weßhalb
die Preiserhöhung der Waaren und 2eiftungen im Lande wenig
mehr betragen kann, als die SKoften der Baarfendungen (5).
Wegen ber Erweiterung ber gewerblichen Gefchäfte und der
Gütererzeugung, fowie wegen ber Vermehrung der bereit gehals
tenen Münzvorräthe ift jedoch in der Regel die Münzausfuhr
fleiner al® die audgegebene Summe bed Papiergeldes. Die
von dem Geldzuwachſe angeregte größere Gewerbthaͤtigkeit ift
nur joweit gemeinnüßgig, ald fie zur Steigerung der Production
3760. —
dient, fonft wird der Vortheil der Preisfleigerung für die Ver⸗
fäufer mit Mehraudgaben anderer Einwohner erfauft.
(a) Ueber die von den ftarfen Notenausgaben der norbamericarfPichen Banken
beiwirkten PBreisfteigerungen, f.TellEampf, Ueber die Entwidlung des
Bankweſens in Deutfchland, ©. 17, 1856.
(5) Betrügen die mit dem Hinausfenden von edlen Metallen verbundenen
Koften, Gefahren ıc. zufammen 8 Proc. (fo berechnete man hoͤchſtens
diefe Koften sc. in England bei Baarfendungen aufs Feſtland), fo
würde man aufhören, Münze ins Ausland zu fenden, wenn fie dort
nur 8 Proc. mehr ausrichtet als im Lande. Es koͤnnten folglid Hier
die Preife der Dinge hoͤchſtens 8 Procent höher fein ale auswärts. —
Tooke, On the high and low prices, I, 15. — Bgl. $. 271 (b).
8. 298.
Nah der Einführung des Papiergeldes muß wenigftens
noch fo viel Münze im Lande bleiben, daß man mit ihr folche
Zahlungen machen fann, die nicht in Papier auszurichten find.
Je Heinere Summen (Preismengen) aber durch Papiergeld dar⸗
geftelt werden, deſto weniger Münze ift für den Heineren Vers
fehr nothiwendig und ein befto größerer Theil des früheren
Müngvorrathes kann durch das wohlfeile Umlaufömittel, weldyes
in dem Papiergelde befteht, erfeßt werden (a). Es iſt jedoch
fchon wegen der Unbequemlichkeiten und Verlufte, die dad Papier-
geld bei dem Gebraudye für geringfügige Zahlungen verurfacht
($. 296), nicht zwedmäßig, wenn bafielbe bi zu dem Betrage
ber größeren Silbermünzen herab, oder fogar nody auf Theile
berfelben auögeftellt wird. Nehmen die Staatscaffen Fein Privat⸗
papiergeld an, fo muß auch der Steuerzahlungen ıc. willen eine
gewifle Münzmenge im Lande bleiben.
(a) In England gab es Banknoten von 5 Schill. (3 fl.), in der Graf:
Ihaft Dorf fogar von !/; Schill. (18 kr.), in America von 1 Scill.,
Smith, U, 79. — Schweden iſt derjenige europäifhe Staat, in
welchem am menigften Gold: und Silbermünze zu finden ift und aller
Verkehr mit Bapiergeld beftritten wird. Die blicken Zettel find von
8—12—16— 24 Schilling Banco vder 10— 15 — 20 — 30 fr. nad
dem jegigen Eurfe, f. $. 317 (a). — In Defterreih wurden 1848
und 49 Scheine von 6 und 10 fr. ausgegeben. In Frankreich famen
Affignaten von 1 und von Y, Sous vor. Auf jenen war zu lefen:
Doit-on regretter l’or, quand on sait s’en passer? Dupuynode in
J. des Econ. XXVII, 31.
8. 299.
Ein einloͤsliches Papiergeld ſteht im Verkehr der Muͤnz⸗
menge, die es ausdruͤckt, im Preiſe gleich (im Nennwerth,
— 31 ——
Bari), es leiſtet alſo im Verkehre den naͤmlichen Dienſt wie
die Münze. Ein ſolches Papiergeld kann ſchon darum bie
Münze nicht ganz ind Ausland drängen, weil man zur Eins
löfung ftetd einen baaren Borrath bereit halten muß. Privat⸗
perfonen, weldye Papiergeld ausgegeben und ſich zur unbebingten
Einlöfung befielben verpflichtet haben, müflen Alles aufbieten,
um den zur Einlöfung erforderlihen Muͤnzvorrath herbeizus
fhaffen, wenn fie nicht zahlungsunfähig werden wollen. Die
im Lande befindliche Menge von Papiergeld nebft dem Refte
der Münze kann zufammengenommen nicht viel mehr betragen,
ald der frühere ganze Münzvorrath, nämlich nur fo viel, ale
die im Anfange erfolgte Belebung der Gewerbe den Bedarf
an Umlaufdmitteln ausbehnt oder bie bereit liegenden Geld⸗
vorräthe vergrößert werben.
$. 300.
Ein nichteinlösliches Papiergeld (a), defien Annahme als
Geld befohlen wird, kann von der Regierung in beliebiger .
Menge ausgegeben werden. Iſt feine Menge in Bergleichung
mit dem Geldbedarfe ded Landes zu groß, nachdem fchon alles
Metallgeld bis auf den zu Fleinen Zahlungen nöthigen Vorrath
hinausgegangen ift, fo muß dad Papiergeld gegen Münze, ober
wenn es verboten if biefelbe mit einem Aufgelde zu bezahlen,
wenigftend gegen Münzmetalle finfen, wobei dann bie Preife
aller BVerkehrögegenftände zu fleigen anfangen. Diefe Erfchei-
nung wird Depreciation (Entwerthung) genannt (5).
Das Naämliche ift bei einem Privatpapiergelde moͤglich, wenn
die Ausgeber durch die Regierung von der Verbindlichkeit zum
Einlöfen entbunden werben und eine übermäßige Menge in den
Verkehr bringen. Ein foldyes ‘Privatpapiergeld, bei weldyem
der obrigkeitlihe Zwang den gefchwädhten Credit erfegt, ift
audgeartet und nimmt bie Eigenfchaften des Saatöpapiers
gelde8 an. Die Preiserniedrigung des Papiergeldes, d. i. bie
Preiserhöhung aller Verkfehrögegenftände (Waaren, Lohn, Grund⸗
renten, Miethzinfe ıc.) gegen Papiergeld erfolgt fehneller, ale
bei einer Vermehrung der Münze ($. 268), weil dad neu aus-
gegebene Papiergeld ploͤtzlich in beträchtliher Menge in den
Berfehr tritt und inuerhalb des Landes bleiben muß (co). Der
—- 380 °——
bringe, der das Sinken feines Preifes, d. i. das Steigen ber Waaren:
preife, verhindere. Ricardo, Proposgls for an eoonomical and secure
eurreney. Lond. 1816. (DBgl. Ed. Rev. B. LXI. == Hermes, III,
Anh. S. XXIX.); deſſelben Principles, Gap. 27. — Die Erfahrung
zeigt jedoch, daß Papiergeld, auch wenn es in geringer Menge aus:
gegeben wird, wie die preußifchen Treforfcheine, von denen nur gegen
Mil. Thlr. im Umlaufe waren, dennoh in Kriegszeiten beträchtlich
finten kann. Selbſt bei einem augenblidlihden Mangel an anderen
Umlaufsmitteln werden die Menichen fich nicht entfchließen, ein Papier
für voll zu nehmen, an dem fie etwas einzubüßen fürdten, und man
kann fih darum eher behelfen, weil unter diefen Umfländen 1) die noch
übrige Münze etwas im Preife fleigt, 2) anderweiti verarbeitetes Bold
und Silber eingeihmolzen und vermünzt, 3) Münze vom Auslande
berbeigebracht werden fann, 4) mande Handelsgeſchaͤfte aufgefhoben
werden, aus Belorgniß von DBerluften, die das weitere Sinten bes
Papieres verurfachen könnte.
8. 302.
Es bebarf noch einer befonderen Unterfuchung, ob man ohne
Gefahr für die Volkswirthfchaft die Münze, etwa mit Aus
nahme der Scheidemüngen (8. 298), ganz durch Papier erfegen
fönnte (a), wobei fowohl ber innere als der auswärtige
Verkehr zu berüdfichtigen if. Was bdiefen betrifft, fo muß
einem anderen Volke häufig der Mehrbetrag ber von ihm em⸗
pfangenen über die ihn gelieferten Waaren baar vergütet wer⸗
den, wenn auch im Ganzen vielleicht wieder foviel Gold und
Silber an anderen Landesgraͤnzen eingeht, als man hinaus«
fendet. In Mißjahren werden zum Ankaufe von Rährmitteln
anfehnliche Baarzahlungen an das Ausland nothwendig, fowie
auch im Kriege. Wäre biezu Fein Metallvorrath vorhanden,
fo hätte jene Maaßregel Schwierigkeit. Zwar kann ein wohls
habended Volk nöthigenfalld bei anderen Voͤlkern borgen, auch
if mit Waaren immer Gold und Silber im Auslande zu ers
faufen, allein es würde bei einem plößlich eintretenden Beduͤrf⸗
niß einer Zahlung leicht Zeit verloren gehen und man fünnte ges
nöthigt fein, die zur Bergätung beftimmten Landeserzeugniffe
mit Verluſt für ungünftige Preiſe hinzugeben.
(a) Wie dieß Schon 1735 der englifche Biſchof Berkeley (der bekannte
Spealphilofoph) behauptet hat, vgl. $. 303 (d).
8. 303.
Auch im inneren Verfehr (8. 302) würden aus ber gänz-
lihen Verdrängung des Metallgelded durch Papier Nacıtheile
entftehen. 1) Die Einlöfung bed Papiergeldes erfordert einen
— 381 —
bereitliegenden Muͤnzvorrath, ein einloͤsliches Papiergeld iſt
aber einem nicht beliebig einzulöfenden weit vorzuziehen, denn
bei diefem ift a)-die Gefahr vorhanden, daß eine übermäßige
Menge deffelben auögegeben werde. Die Erfahrung zeigt, daß
man der Verſuchung biezu oft nacdhgegeben hat (a), und daß
diefer Fehltritt ftetd mit verwirrenden Folgen für den Verkehr
verbunden gewefen if. Aeußere Beranftaltungen zur Verhütung
einer folchen Handlungsweife geben Feine zureichende Buͤrgſchaft.
b) Selbft bei der ernftlichen Abficht, nur foviel Papiergeld
auszugeben, daß daffelbe fidy in feinem vollen Preiſe erhalte,
läßt ſich doch jenes Uebermaaß ſchwer vermeiden, wenn alle
Muͤnze ins Ausland gegangen iſt und folglich das ſicherſte und
deutlichſte Kennzeichen, dad Pari gegen Münze, nicht mehr bes
ſteht. Das Preisverhältnig des Papieres ‚gegen rohe Münz-
metalle ift nicht immer zu erkennen (5) und bei dem Preife
befielben gegen andere Waaren kann man nicht genau unter:
fheiden, ob die Urfache einer Aenderung im Papiere oder in
einer einzelnen Waare liege (c). c) Bängt das Papier wegen
feiner Menge oder wegen der Schwaͤchung ded Credites einmal
an zu finken, d. h. fleigen die Preife aller Waaren, fo ift da,
wo der ganze Umlauf mit Papier beftritten werden muß, biefer
Preisyeränderung und den aus ihr hervorgehenden Uebeln ſchwer
eine Gränze zu ſetzen (ch. Selbft die Rüdfehr zum Münz-
umlaufe ift wieder mit empfindlichen Unbequemlichkeiten ver:
bunden (e). 2) Die Gefahr des Mißbraudyes ift um fo ent⸗
fernter,, einen je fleineren Theil des ganzen Gelbvorrathes das
Papiergeld einnimmt, man muß ed alfo für nuͤtzlich halten,
wenn die Menge des legteren noch anſehnlich unter dem uns
ſchaͤdlichen Betrage ftehen bleibt.
(ea) Ein ehrenvolles Beifpiel einer folhen Selbfibeherrihung gab die preußi:
fche Regierung, bie in dem unglüdfichen Kriege von 1806 und 1807
ihre Treforfcheine nicht vermehrte.
(2) In England verflofien während der Zeit, wo die Bank nicht einzulöfen
brauchte, Monate, „bisweilen felbft ein Jahr oder zwei,“ wo man von
gar feinem BPreife des Goldes ſprechen konnte, weil daflelbe nicht be:
gehrt wurde. Tooke, Thoughts, I, 13. In der Lifte, die daflelbe
erk (1, 65) enthält, ift von 1806—1809 fein Preis des rohen Goldes
aufgezeichnet.
(e) Diefelbe Ungewißheit findet auch bei dem Wechſelcurſe Statt, der gegen
ein Land, in welchem die Wechfel in einem gefunfenen Papiere bezahlt
werden, niedrig fliehen muß; man ift auch in England noch nicht dar:
()
⸗
über einig, wie weit andere mitwirkende Urſachen auf den niedrigen
Eures eingewirkt haben.
Ricardo's Ausſpruch: „das Geld ift dann am volllommenften, wenn
ed ganz aus Papier beſteht, aber einem foldhen, welches der Geldmenge,
auf die es lautet, im Preife gleich fteht“ Drundgel. ©. 396, II, 242 *
hat lebhaften Widerſpruch gefunden, z. B. von Sismondi, Nour.
prino., II, 106 (der Verfaſſer erinnert an bie papiernen Kanonen ber
Ghinefen, die ebenfalls, wie das Papiergeld, bis zur Stunde der Gefahr
ute Dienfte leiften) und Ganilh, Syst., II, 137. — Indeß bemerft
Bicardo ſelbſt unmittelbar vor jener Stelle, daß die Befugniß zur
unbefchränkten Ausgebung von Papiergeld ſtets mißbraucht worden fei
und daß es fein befleres Beichräntungss oder Auffitsmittel gebe, als
die Berpflihtung zum Ginlöfen. — Der Vorfchlag von Chitti (Des
crises finaneitres et de la reforme du systöme monetaire, Brux. 1839)
geht dahin, ein ſolches Papiergeld (monnaie de papier im Gegenſatze
von papier-monnsie) zu machen, welches nicht gegen Metallgeld ein-
löslih, fondern welches felbft Preismaaß und Umtaufhmittel fei und
u deſſen Annahme die Bürger dadurch genöthigt würden, daß das:
Felde neben der Scheidemünge allein im 9 waͤre und durchaus
nur in einer gewiſſen Menge ausgegeben würde. Die Degierung fol
dafielbe in einem gleichförmigen Preile gegen die Müngmetalle erhalten,
indem fie, fobald eine Veränderung beifelben bene wird, ſogleich
je nad den Umfländen Gold und Silber auffauft ober zum Berkaufe
auf den Marft bringt. Hieraus erhellt, daß EHitti’s papiernes
Geld fih zwar nicht an Münze, wohl aber an die Muͤnzmetalle an⸗
lehnen würde, Bol. v. Mohl in Rau, Archiv, V,91. Londonio
in Giornale del Instit. Lombardo, II, 293. — Auh Paltauf (Die
Kunſt aus Nichts Geld zu machen, Tirnan 1847) fchlägt ein nicht:
einloͤsliches „Volksgeld“ aus Papier als einziges Geld vor.
Menn nämlih das Papiergeld wegen der wieder eintretenden Ginlös-
lichkeit im Preife fleigt, 8 werden alle jene gen Mirfungen
wahrgenommen, bie eine Geldverringerung nah ſich zu ziehen pflegt,
$. 274. Storch in Mém. de Y’acad. des sciences de St.-Pötersb.
VI. Sör. Sc. pol. I, 21. (1830.)
B. Bankſcheine insbefondere.
$. 304.
Wenn eine Leih⸗ und Discontobank ($. 2922) zur vortheils
hafteren Betreibung ihrer Gefchäfte unverzinsliche, auf den Ins
haber lautende und zu jeder Zeit (auf Sicht) von ihr einzu:
löfende Bankſcheine, Bankzettel, Banknoten (billets
de banque, banknotes) auögiebt, fo erhält fie den Namen
Zettels oder Notenbank (a) und foldye Scheine find bie
gewöhnlichfte Art des Privatpapiergeldes (d). Eine Zettelbanf
fann in Hinfiht auf ihre Gefchäfte einer ſolchen Bank, welche
feine Scheine auf Sicht ausſtellt, ganz ähnlich fein, dieſes Unter:
ſcheidungsmerkmal ift aber von großer volkswirthſchaftlicher
— 883 —
Wichtigkeit und die Zettelbanken erfordern deßhalb eine beſon⸗
dere Betrachtung (c). Mehrere ſolcher Banken find von Regie-
rungen angelegt worden, die meiften aber find Unternehmungen
von Privatgefellfchaften, bei denen in Hinficht auf die Zahl der
Theilnehmer und die Größe des zufammengelegten Capitales
eine große DVerfchiedenheit Statt findet. Die größeren Zettels
banfen befinden ſich im Befige von Actiengefellfchaften (d) und
zu ihrer Errichtung ift Staatderlaubniß erforderlih. Das von
den Theilnehmern (Actionären) eingefchoffene Capital muß zus
nädft den zur Einlöfung der ausgegebenen Bankſcheine dien:
lichen Münzvorrath liefern, da aber diefer gewöhnlich Feiner
ift ald die Menge ber umlaufenden Scheine, fo dient ed zur
vollen Sicherheit der Inhaber der legteren, wenn noch ein weis
terer Theil des Geſellſchaftsvermogens vorhanden ift, der in
guten verzinslichen Schuldbriefen angelegt wird (e).
(a) Das Wort Bank Hat eine ziemlich unbefimmte Bedeutung. Man ver:
ſteht darunter gemöhnlid, eine Anftalt, weldhe im Großen auf Rechnung
einer Gefellihaft oder des Staates jene Berrichtungen betreibt, bie
fonft den Wirfungsfreis einzelner Banfhäufer bilden. Nach der Be:
fchaffenheit ihrer Verrichtungen laſſen ſich unterfcheiden: 1) reine Um:
fchreibebanfen 6: 283 ff.), welche gar feine einträglichen Unternehmungen
verfolgen und fich lediglich auf das Butichreiben der hinterlegten Metall
vorräthe beichränfen ; 2) Banfen mit gewerblichen Gefchäftsbetrieb. Zu
bitfen gehören je nach ihrer Hauptbefimmung die Leih- und Disconto⸗
banfen. Die Zettelbanfen vereinigen in der Regel diefe beiden Gefcäfte.
Es giebt Leihbanfen ohne Ausgabe von Noten, $. 292a.; manche
Banten betreiben auch nur einen Theil ihrer Geſchaͤfte mit Scheinen,
den andern aber mit Münze. Nicht zu billigen ift es, wenn man aud
Affeeuranzanftalten, 3. B. die zu Gotha, Banken nennen will.
(5) Die Befugniß zur Ausgabe folcher Scheine, die als Privatpapiergeld
anzufehen find, if aud bisweilen einer Körperichaft ertheilt worden,
die feine Banfgefchäfte betreibt; 3. B. die Stadtgemeinde Hannover,
die Leihanftalt zu Braunfchweig, die Leipzig: Dresdener Bifenbahns
geſellſchaft.
(e) In unfiheren Zeiten empfindet man ein lebhaftes Beduͤrfniß; erübrigte
Seldfummen bald chne Gefahr unterzubringen, ohne die Berfügung
über fie zu verlieren. Goldfchmiede in @roßbritanien nahmen tm
17. Jahrhunderte folge Hinterlegte Summen an und flellten Scheine
dafür aus, welche umliefen; goldsmiths notes. Dieß führte auf die
Zettelbanten. Die in London 1694 errichtete wurde das Vorbild der
anderen. — Büſch, a. Abbandl. (8.283). — Hufeland, IL,130. —
Storch, II, 102. — Mac-Eullod, Hand. I, 61. — F. W. Gil-
bart, The history and principles of Banking. L. 1834. — Condy-
Raguet, Traitö des banques, P. 1841, j. ir in Rau und Hanjfen,
Archiv, NR. %. 1, 123. — Londonio in Giornale del Instituto Lom-
bardo, VIII. Bd. — Niebuhr in Rau u. Hanffen, Archiv, N. F.
V, 113. — Coquelin, Du credit et des banques. 1849. — Hüb:
*
ner, Die Banken. II. 1853. — Mac Lood, The theory et practice
“of banking. II. 3. 1855. 56., Rec. v. Wagner in Goͤtt. gez. Anl.
1858 Nr. 29 f. — Tellfampf, Ueber die neuere Entwidlung des
Bankweſens in Deutichland , Brest. 3. A. 1856. — Mac⸗Culloch,
Geld und Banken. D. von Bergius u. Tellfampf. Leipz. 1869.
— Wagner, Beiträge 3. Lehre v. den Banfen. 1857. Defl. Die
Gelds und GEredittheorie der Peel'ſchen Bankacte, 1862.
(4) Diele hoͤchſt bequeme Form einer gemeinfchaftlien Unternehmung ift
zuerft bei den Bergwerken üblich geworden.
(6) Auch das Bebäude gehört zu dem Vermoͤgen der größeren Banken.
8. 805.
Wenn eine Bank gerade fo viel Münze zur Einlöfung bereit
halten müßte, als fie Scheine in Umlauf fest, fo beſtuͤnde der
Vortheil nur in der bequeineren Bezahlung und der Verhütung des
Berfchlechterns der Münzen, $. 284. Ein fo großer Baar-
vorrath ift jedoch der Erfahrung zufolge nicht nöthig, denn
wegen der Bequemlichkeit, welche die Bankfcheine im inneren
Verkehre gewähren ($. 296), wird ihre Einlöfung bei gutem
Eredite der Bank nicht häufig, fondern hauptfächlich nur dann
begehrt, wenn man Baarfendungen ind Ausland vornehmen
will (a). Daher gilt ed ald Erfahrungsregel, daß eine Zettel-
bank wohl drei bis viermal fo viel Scheine im Umlaufe halten
fann, als ihr baarer Vorrath beträgt, und da jene gerade fo
wie Münze zu einträglichen Anwendungen tauglich find, fo ift
die Banf im Stande, ihre gewerblichen Unternehmungen und
ihren Gewinn beträchtlich) weiter auszudehnen, als fie ver:
möchte, wenn fte lediglich mit ihrem baaren Vorrathe ars
beitete (5). Erft durch diefe Vermehrung der Scheine über den
Münzvorrath) hinaus tritt die Erfegung der Münze durch ein
wohlfeileres Umlaufsmittel ein.
(a) Hat man Fleinere Zahlungen unter dem Belaufe des niedrigften Banks
fheins zu machen, fo kann man diefen leicht bei Privaten umwedjfeln
laflen, und braucht fi daher nicht an die Banf felbft zu wenden.
(6) Wenn eine Banf mit 1 Million fl. baar 3 Mill, fl. Scheine im Ums
lauf erbielte, und durch Diele einen Gewinn von 4 Proc. machte, fo
nähme fie 120000 fl. ein, und nad Abzug von 20000 fl. für Ver⸗
waltungsfoften und Berlufte blieben nod 100000 fl. Gewinn für die
Nctienbefiger. Die großen Banken pflegen jetoch neuerlich ftärfere Bor:
räthe von Münze und Müngmetallen zu Halten, als es nady tem obigen
Verhältniffe nothwendig if. — Die Actien einer Bank, deren Gelchäfte
gut gehen, find defhalb nicht mehr um ben urfprünglichen Betrag der
inlage zu erfaufen, fondern erhalten einen höheren Preis (Eure), der
fih nad) der Größe des Actien⸗Gewinnes (der Dividende) richtet.
Dis Berhältniß zwifchen dem Curſe der Actien und der Dividende folgt
ungefähr dem üblichen Zinsfuße, doch nicht genau, weil der Nctien:
— 888 —
kaͤufer auch die Ausficht auf die "Zukunft berüdfichtiget. — Bei ten
Actien der Parifer Bank 3. B., die urfprünglih durch Ginlage von
1000 $r. eiworben wurden, war 1831—47 der Preis fo, daß die Divis
dende 414%, Proc. deffelben betrug. Der höchſte Preis war 3300
(2. Zuli 1840), der niedrigite nach der Sebruarrevolution 950 (10. Apr.
1848). Anfang 1855 war der Curs wieder 2900, wovon die Jahress
dividende von 1854 über 6 Broc. ausmachte. Sommer 1863 g. 3400 Fr.
$. 306.
Handeldunternehmungen find den Banken gejeglich verboten,
weil bei jenen leicht Verluſte eintreten, deren Mlöglichkeit jchon
den Eredit einer Bank ſchwächen würde, und weil ferner eine
jolhe Anftalt ein zu furchtbarer Mitwerber der einzelnen Kauf-
leute fein würde. Die Hauptgefchäfte, weldye von den Zettel
banfen betrieben werden und zum Theile zu einträglichen Ans
wendung der Bankjcheine Gelegenheit geben, find:
1) Anfaufen (Discontiren) von Wecjeln ($. 288),
wobei man darauf zu fehen hat, daß auf jedem Wechjel wohl⸗
befannte und fichere Perſonen ald Betheiligte genannt find (a).
2) Darleihen gegen gehörige Sicherheit. Auf blos pers
fönlichen Credit kann eine Anſtalt, Die durch verantwortlidye
Vorfteher verwaltet wird und Feine Gefahr laufen fol, nicht
leihen, ed muß daher immer eine Pfandſicherheit (Bauftpfand
oder Hypothek) oder eine Bürgfchaft vorhanden fein, und man
darf bei folchen verpfändeten Gegenftänden, deren ‘Preis fidy
öfter ändert, nicht bid auf den vollen Betrag leihen (d). Am
zwedmäßigften find Vorſchüſſe auf rohe edle Metalle und auf
fichere inländische Schuldurkunden, wie Actien oder Staatsfchuld-
briefe. Darleihen auf Waarenvorräthe find für Gewerbsleute,
bie fich in Verlegenheit befinden, jehr wohlthätig, erfordern aber
Borfiht, damit man feine Bauftpfänder annehme, denen ber
Abjag fehlt, und verurfachen wegen der Aufbewahrung Schwies
tigfeiten. Unterpfandsrechte auf Xiegenfchaften geben zwar ges
nügende Sicyerheit, aber die fo ausgeliehenen Summen können
nicht ſchnell zurüdgezogen werden. Nur bei Vorſchuͤſſen an die
Regierung pflegt man feine Pfandficherheit zu verlangen (b).
3) Annahme von Geldfummen in Münze oder Scheinen (ec),
entweder blos zur Verwahrung (eigentlihe Hinterlegung),
oder als Darleihen, verzindlich oder ohne Zind, $. 292a. Der
Inhaber eines jo erworbenen Buthabend (Bucheredit, Eontos
Rau, polit. Deton. I. 7. Ausg. 25
eorrentcrebit) Tann bis zu dem Betrage beffelben Anwei
fungen auf bie Bank ausſtellen oder an Andere umfchreiben
laflen ($. 285d), oder fpäter Rüdzahlung verlangen (d).
(a) Die Bank⸗Ordnungen verlangen gemeiniglid, daß ein Wechſel 3 Unter:
fchriften babe, wenn er discontirt werden foll.
(5) Die vorräthigen nod nicht fälligen discontirten Wechfel und die Ver:
fihreibungen nebft Pfändern für die Darleihen werden in England mit
dem Namen securities (Gegenwerthe) zufammengefaßt.
(e) Dieß nennt man bisweilen im weiteren Sinne des Wortes Depoſiten⸗
geihäft. Diele Binlagen (deposits) bilden eine Schuld der Ban.
(ed) Andere, nit bei allen Banken vorkommende Gefchäfte find 1) der
Handel mit Müngmetallen, auch das Verwechſeln verfchiedener >
forten, 2) Handel mit VBerfchreibungen, als Schulvbriefen, Actien,
Wechſeln, 3) Beforgung von Zahlungen an andere Orte für einzelne
Perfonen durch Anweifungen oder Wechſel, 4) Theilnahme an gewerb-
lihen Unternehmungen (3. B. Babrifen, Bergwerfen), was jedoch für
die Sauptbeftimmung einer Bank wegen der Wagriß nachtheilig iſt,
5) mancherlei Verrichtungen für die Regierung, z. B. Unterhandlungen
über neue Anleihen, Cinloͤſung von Staatspapiergeld nach einem be⸗
An Gurfe gegen Vergütung, Auszahlung der Schuldzinfen und
rgl.
8. 307.
Eine Bank wuͤrde auch bei dem Beſitze ſicherer Gegenwerthe
in Pfaͤndern, Buͤrgſchaften u. dergl. fuͤr alle ihre umlaufenden
Scheine doch in große Verlegenheit gerathen, wenn alle In⸗
haber ber lehteren zugleich die Einlöfung forderten, denn wegen
der Unzulaͤnglichkeit des Baarvorrathes müßten die Zahlungen
wenigſtens auf einige Zeit eingeſtellt werden, wobei ber Credit
bee Bank ſchon empfindlich leiden würde. Ein ſolcher ploͤtz⸗
licher Zudrang (Ueberlauf, run), ber in Folge einer Kriegs⸗
gefahr oder anderer außerordentlicher Umſtaͤnde eintritt, kann
einer Bank nicht zum Vorwurfe gereichen. In gewoͤhnlichen
Zeiten darf man auf fo viel Vertrauen und Einficht der Noten⸗
inhaber rechnen, daß fle eine ſichere, gut verwaltete Banf nicht
unnöthig bebrängen, anbererfeitd muß fi) auch jede Zettelbanf
hüten fo viele Scheine in Umlauf zu fegen, daß fie ſich nicht
im Umlaufe halten können und ungewöhnlich häufig zur Bank
zurſtekſtroͤmen, um gegen Münze eingewechfelt zu werben. So⸗
bald man biefes Kennzeichen wahrnimmt, iſt ed rathſam, fich
im ferneren Ausgeben ber Scheine zu befchränfen (a). Zeigt
fi der baate Vorrath zu gering, fo muß man zugleih für
Herbeifhaffung von Münze forgen (b). Da indeß diefe Banfen
— 387 —
keine oder nur geringe ſelbſtaͤndige Gewerbsunternehmungen
machen bürfen ($. 306), fo können fie auch nur ſoviel Scheine
ausgeben, ald man zu Darleihen oder Wechfelanfauf von ihnen
begehrt und dieß gefchieht von Privatperfonen (c) meiſtens in
der Abficht, die empfangenen Summen ald Gapitale zu ver
wenden, alfo nad) Maßgabe der vorhandenen Gelegenheit zu
einträglichen Unternehmungen. In Zeiten einer gefteigerten
Gewerböthätigkeit ift die Nachfrage nach Darleihen bei dem
Banken ftärfer; zu anderen Zeiten dagegen werden bie Bors
ſchuͤſe an die Banfen zurüdbezahlt und größere Summen bei
benfelben niedergelegt. Die Einlöslichkeit der Noten und bie
Möglichkeit, noch mehr Münze aus dem Lande zu fenden, ver
hindern, daß durch Vermehrung der ausgegebenen Noten eine
beträchtliche Preiserhöhung der Verkehrögegenftände entſtehe (d).
(a) Man pflegt in foldhen Fällen den Satz des Disconto zu erhöhen, damit
weniger Wechfel zum Discontiren vorgelegt werden.
(2) Die englifche Bank verlor öfters 21/%—3 Proc. bei diefem Anſchaffen
von Metaliged. Smith, I, 45. — Die hier angegebene Borfichte
regel ift fehr befannt und pflegt von den Vorſtehern gut verwalteter
Banken befolgt zu werden, wie 3. B. von der Londoner Bank, Pebrer,
Hist. finenc. 1., 211. Dan pflegt daher auf die Zu= oder Abnahme
des Metallvorrathes und auf den Stand des Mechfelcurfes, der das
Eins oder Ausfirömen der Muͤnze andeutet, fehr aufmerffam zu fein. —
In Großbritanien Rehen fi in Bezug auf das befle Verfahren einer
Bank zwei Anflchten gegenüber. Die von der fogen. Birminghamer
Schule aufgeftellte Lehre, "die man (feittem Norman 1840 biefen
Namen gebraucht hatte) currency prineiple ober currency theory nennt,
und die hauptfächli von Jones Lloyd (Lord Dverflone) (Thoughts
on the separation of the departments of the bank of E. 1844) und
Norman vertheidigt, au von R. Peel angenommen wurde, gebt
davon aus, daß Münze das vollfommenfte Umlaufsmittel fei, und folgert
daraus, die Banffcheine müßten in der ausgegebenen Menge ſich an bie
jebesmalige Münzmenge anfchließen. Wie alfo der Baarvorrath ab-
nimmt, fo fol aud eine gleiche Berminderung der umlaufenden Scheine
vorgenommen werden. Hiedurch glaubt man ein Mebermaaß der aus⸗
geaesenen Noten zu verhindern. Dice Regel iſt zu unbedingt und ohne
Beachtung verichiedener Fälle hingeſtellt. Sie wird lebhaft befämpft
von Toofe (Inquiry into the currency prineiple, 1844 und History
a. a. D.) und Fullarton (On the regulation of wursencies, 1845),
beren Säge (banking principle) dahin gehen, daß eine Bank fidy bei ber
Ausgabe ihrer Scheine von dem Bebürfniß leiten laſſen und nur forgen
folle, immer zur Bintöfung bie nöthigen Mittel zu befigen. Dieser
Streit dreht ſich hauptfählid um PBeels Banfgefeg von 1844, f.
8. 312 (ce). Bgl. Quarteriy Review, CLXI, 230 (1847). Offenbar
ıR ein ungewöhnlid ſarker Begehr von Münge bei einer Bank zum
Behufe der Ausfuhr bisweilen die Folge anderer Urfachen, 3. B. bes
vermehrten Müngbedürfniffes in einem anderen Lande ober Äaeter Ge⸗
treideeinfuhr und dergl.
26°
— z388 —
(e) Wenn eine Bank der Regierung leiht, ſo bedient ſich dieſe der Bank⸗
ſcheine zu ihren Ausgaben, welche meiſtens nicht werbend find.
(d) 56 wird in England hierüber geftritten. Toofe (History . . . from
1839—47, ©. 190) und Wilſon (Capital, currency and banking 1847)
Rellen die von anderen behauptete Möglighkeit einer Preisfleigerung in
Abrede. Tooke zeigt, daB wenn die Preife in Zeiten einer faft leiden:
an erregten Speculationsluft Riegen, die Bermehrung ter Bank⸗
heine Fe erft nachfolgte, aljo nicht die Urfache jener Aenderung
war. Öleihwohl darf man annehmen, daß jene bisweilen zum Bor:
fhein fommenden überfpannten Speculationen, von denen öfters die
reife einzelner Waarengattungen gefleigert werden, mit Hülfe des bei
Zettelbanten zu erlangenden Gredites weiter gehen fönnen als in Ländern,
wo feine folden oder nur eine einzige fehr vorfichtige Bank befteht.
$. 308.
Außer der verfändigen Befchränfung in der Menge von
Scheinen kommt auch die Friſt, auf welche ohne Rachtheil
Sunmen geliehen werden fönnen, und der Grad von Sicher⸗
heit, den eine Zettelbanf fid, verfchaffen muß, in. Betracht.
Bermögen die Schuldner erft nad) längerer Zeit aus eigenen
Mitteln die VBorfchüffe zu erftatten, jo hat dies Nachtheile, weil
man ſich unterdefien in der Anfchaffung von Münze ober in
der Einziehung eines Theiles der Scheine und bergl. beengt
ſteht; es find daher ſolche Schuldner vorzuziehen, welche ficher
nach furzer Zeit dad Empfangene zurüdzahlen. Aus dieſer
Urfache find Vorſchuͤſſe für ſolche Anwendungen, welche erft
ſpaͤt und allmälig dad ausgegebene Capital vergüten, wie für
Bodenverbefferungen oder ftehende Capitale (Mafchinen, Ge
bäude 2c.), ungeachtet fie volllommen ficher fein mögen, doc)
minder raͤthlich und bürften wenigftend nur mit dem Fleineren
Theile der Scheine gegeben werden (a). Würde eine Banf
bereitwilliger, mit geringerer Vorficht, als es gewöhnlich von
ben Bapitaliften gejchieht, Darleihen geben und gewagte Unter-
nehmungen unterftügen, jo würde fie ſich felbft in Gefahr brins
gen, weil fie dabei leicht in Berfuchung käme, die Scheine ftarf
zu vermehren, und weil fie bei ihren Schuldnern Verlufte erleiden
würde, die ihr fjogar den Untergang zuziehen fönnten (5).
Das Mitwerben vieler Banken in einem Lande verleitet leicht
zu folchen Mißgriffen, wie fie befonderd bei den englifchen und
nordamericanifchen Banfen öfterd vorgekommen find, $. 313,
317. (ec).
— 3890 —
(c) Smith, II, 47. 51. 76. — Kraus, Staatsw. UI, 79. — Gay,
Sandb. III, 70. — Smith giebt die Vorfihtsregel: „Das, was eine
Banf einem Unternehmer fiher borgen fann, ift nur derjenige Theil
feines Capitals, den er, wenn er nicht die Vorſchüſſe der Bank hätte,
würde ungebraucht in feiner Gafle liegen laſſen müflen, um gelegent:
lich Forderungen befriedigen zu fönnen.” — Dieß darf man nidt fo
deuten, als fönnte überhaupt feine größere Menge von Banknoten fich
im Umlaufe Halten, als die Gaflenvorräthe der Unternehmer betragen,
denn da® Gegentheil erhellt fchon daraus, daß die Conſumenten eben«
falls ſolche Vorraͤthe von Geld in Bereitſchaft halten; aber die Regel
zeigt ſich infofern nüplich, als die in diefer Gränze fi haltenden Ans
leiben von den Schuldnern immer in ber Fürzeften Frift zurüdgegeben
werden können.
(5) ine Banf, welche mit ihren Scheinen Anleihen giebt, überträgt dadurd
ihren Schulpnern den Gredit, den ihr das Bolf zufommen läßt. Der
Gredit kann aber nur fo weit die Production befördern, als es die
Größe des Gapitales und Abſatzes zuläßt. Wenn eine Banf noch über
biefes Maaß hinaus Unternehmungen durch Darleihen unterflügt, fo
erfolgt daraus nur eine erfünftelte Vertheurung einzelner Waarengat:
tungen, welche bald aufhören muß und, wenn das Mißlingen der un:
überlegten Unternehmungen fund wird, einem tefto tieferen allen des
Preifes Plap mad. Sum Belege bievon dienen die Gefchichte der
Ihottifchen Ayr-Banf, welche wegen dieſes Fehlers nady zwei Jahren
brah (Smith, II, 62) und die Handelskrifis in England im Winter
1825—26 ($. 313.), auch die neuere von 1852.
(c) Es ift daher in Großbritanien mehrmals der Borfchlag ausgeſprochen
worden, daß nur die große Londoner Bank (B. von England) Scheine
ausftellen folle, oder daß dieß einer nicht nach gewerblichen, fondern
nah allgemein volkawirthſchaftlichen Zweden geleiteten Nationalbant
übertragen werden möge.
8. 309,
Dagegen ift auch das Dafein einer großen, von ber Re
gierung begünftigten Hauptbanf in einem Lande nicht ohne
Gefahren, theild weil fie eine monopoliftifche Gewalt an ſich reißen
fann, theild weil ſolche Banfen, wie die Geſchichte zeigt, öfters
zu ftarfen Vorſchüſſen an den Staat verleitet worden find, wos
durch fie ſich Verlegenheiten bereitet, dem Credite ihrer Scheine
gefchadet und denfelben mehr oder weniger die Natur des
Staatöpapiergelded gegeben haben (a). Zur Verhütung biefes
Scritted und anderer Fehltritte trägt befonder® die gute Vers -
faffung einer Bank bei. Die Verwaltung pflegt in den Händen
von Vorftehern zu fein, welche von den Theilhabern (Actionären)
aus ihrer Mitte gewählt werben und unter der Aufficht
eined größeren Ausſchuſſes ftehen. Die wichtigften Befchlüfie
bleiben der jährlichen Verſammlung aller Theilhaber vorbehalten.
Die Veröffentlichung der jährlichen Rechnungsergebniffe und
— 390 —
. die Anlegung eines aus einem Theile der Gewinnſte ange
fammelten Hülfsvorrathes (Refervefonds) dienen dazu, das Vers
trauen zu einer Bank zu verflärfen. Eine ſolche Anftalt ift nur
da an ihrer Stelle, wo fih eine hinreichende Menge ficherer
Geſchaͤfte der oben genannten Art vorfindet.
(a) Ueber die Gefahren ber Zettelbanten ſ. vorzüglich Niebuhr a. a. O. —
Gegen die bevorrechteten Banken Wagner a. a. O.
Anbang.
Grundzüge zur Geſchichte und Befchreibung der Bettelbauken.
$. 810.
Genua. Die Bank des heil. Georg, die als bie Altefte
Zettelbanf betrachtet wird, war urfprünglich eine Gefellfchaft
von Staatögläubigern, denen der Staat Zölle und andere Ein-
nahmen überlaffen batte, und die audy Leihgefchäfte betrieb (a).
Durch eine forgfältig geregelte Verwaltung erhielt fie ſich lange
mit zunehmender Blüthe und Macht. Späterhin gab fie auch
Roten aus (d). Durch neuere ftarfe Darleihen an den Staat
fam fie 1746 in große Berlegenheit, mußte ihre Zahlungen
einftweilen einftellen und erlitt ſtarke Verlufte, doch befeftigte fie
bald darauf ihren Erebit wieder. Im franzäftfchen Revolutions-
friege verfiel fie, 1808 erfolgte ihre Aufhebung.
(a) Dan jebt den Anfang diefer merkwürdigen ——A in das Jahr 1345
aber 14067 wurden die vorhandenen Geſellſchaften zu einer einzigen
vereinigt, welche nun den Namen compers oder casa di 8. Giorgio
erhielt. Macchiapelli (Istor. Fiorent. 8. Bud) rühmt den Reid:
thum und die gute Dronung diefer Körperichaft. Nah Bodin (De
rep. VI, cap. 2) erhielt fie Eapitale zu —6 Proc, zahlte die Zinfen
pünctlih und lieh zu höherem Zinfe mit großem Gewinn aus. Samms
lung ihrer Geſetze, die aber über das Innere wenig Aufichluß geben:
Leggi delle Oompere di 8. Giorgio, 1684, fol. — Folieta bei Hufes
land, I, 153. — Petr. Bizarus, Senatus populique Genuensis
rerum domi forisque gestarum historiae, ©. 205. 797. Antwerp. 1629.
fol. — Häberlin, Gründl. Nachricht von der Rep. Genua, ©. 168.
Leipz. 1747.
(3) Sn den a. Leggi ift einigemal von der Zahlung gegen biglietti bie
Mede, doch fcheinen fie Nebenfache geweien zu fein.
3
— 392 .—
$. 311.
Großbritanien. Die Banf von England (Bank of
England) zu London übertrifft in der Menge der umlaufen-
den Scheine faft alle anderen Banfen und ift in den britifchen
Verkehr fo innig verflodhten, daß man fie wie das Herz bes
Geldumlaufd im ganzen Lande betrachten Tann, weßhalb auch
ihr Zuftand und das bei ihr befolgte Verfahren ihre Wirfungen
auf viele volfdwirthfchaftliche WVerhältniffe erftreden. Sie fann
zugleich ald die Schule gelten, von welcher die genaue Kennt⸗
niß des Bankweſens ſich weithin verbreitet hat. Sie ward
1694 geftiftet (a). Sogleich bei ihrer Gründung lieh fie ber
Regierung eine Summe von 1200000 2. St. zu 8 Procent
gegen Ertheilung des Banfprivilegiums auf 13 Jahre, welches
1708 fo erweitert wurde, daß in England Feine andere Banf
von mehr ald 6 Theilnehmern errichtet werden durfte (6). Bei
ben fpäteren Erneuerungen bed Privilegiums mußten weitere
Darleihen an die Regierung gegeben werden, fo daß das Gut—
haben der Banf bis auf 14686800 8. St. flieg. Diefe
Summe ift dad eigentliche Vermögen der Actionäre, bank-
stock (c). Die Dividende bverfelben betrug 1730 und 1731
11!/ Procent, 1790 —1805 war fie 7, 1807 —23 10, von
1824 bis 1838 8 Procent, feitbem beträgt fie 7 Procent.
Die Noten gingen Anfangs nur bis auf 20 8. St. herab,
feit 1759 auf 10 8. St., von 1793 an wurden auch 5 und
1797 fogar 2 und 1 2. St. audgegeben, was jedoch feit 1826
nicht mehr geftattet if. Die Gefchäfte der Banf find 1) Die-
contiren von Wechfeln (d), 2) Handel mit Gold und Silber,
welche die Banf ohnehin zum Behufe ihrer Baarzahlungen
gegen Zettel berbeifchaffen muß (e), 3) Annahme von Einlagen
(deposits) auf laufende Rechnung, fo daß der Gläubiger durch
Anweifungen (cheques) von der Banf Zahlungen leiſten laſſen
fann (f), feit 1823 aud) Darleihen auf Hypothefen, 4) mancher⸗
lei Zahlungen und Beforgungen für bie Regierung; insbefons
bere bezahlt fie die Zinfen der Staatsfchuld, fehießt auch ber
Regierung jährlid; den Betrag einiger Steuern vor und em-
pfängt dafür verzinsliche Schagfammer- Scheine, exchequer-
hills (9). Ihre Scheine find 1833 fo lange für gefeßliches
[4
\
— 393 —
Zahlungsmittel (legal tender) erflärt worden, als fie dieſelben
puͤnctlich einlöft.
(e)
(2)
(e)
(a)
(e)
Steuart, II, 230 der Hamb. Ueberf. — Smith, II,70.— Büſch,
Schriften über B.: und Münzw. S. 299. — Hufeland, IL,143. —
J. Prince Smith, Sc. of money, ©. 151. — Cohen, Compend. of
fin. S. 250. (Lond. 1822). — Eneyel. Americ. Philad. 1829, I, 544. —
Pebrer, Hist. financ. I, 220.401. — Mac: Eullod, a. a. O. —
Bailly, Fin. du roy. uni, I, 165. — J. Francis, History of the
bank of E. 3. edit. 1848. IITB. — Hübner, II, 339. — Mac
Aulay, History of E. VII, 301. — Der Urheber des Planes war
W. Baterfon.
Hierauf verzichteten die Actionäre im Februar 1826 freiwillig, mit Bor:
bebalt eines Bannbezirkes von 65 engl. Meilen Halbmefler. Seit 1833
dürfen auch in biefem Bezirke Actien-Banken von mehr als 6 Theil:
nehmern befteben, nur ohne Ausgeben eigener Noten.
Eigentlich ift dieß Guthaben der NActionäre nur 14553000 8. — Bei
der Grneuerung des Privilegiums im Sahre 1833 (3. u. 4. Wilh. IV.
Gap. 98) wurde feftgefebt, daß von der oben angegebenen Bantihuld
1/4 abgezahlt werten follte, weßhalb dieſelbe jet nur noch 11015 000
2. St. beträgt. Die Abzahlung geſchah in Staatsfchulbbriefen.
Sonſt nur bis zu 60 Tagen Verfallzeit, neuerlich bis auf 95 Tage.
Der Sab des Disconto (Wechſelzins) ift veränderlich und wird von der
Bankfverwaltung erhöht, wenn man aus dem Wechlelcurfe die Beforgniß
Ihöpft, daß die edlen Metalle eine flarfe Strömung in das Ausland
erhalten möchten.
Der Vorrath an rohen und geprägten Müngmetallen iſt fehr ungleich,
befonders ift die Korneinfuhr in Mißjahren eine Urſache feiner Abnahme.
&r war z. B. am
28. Kebruar 1824 13 810060 2. 12. Sept. 1846 15'864 960 2.
19. Dec. 1846 15162623 =
15. März 1847 11°600000 >
i 1849 15120811 s
31. Auguft 1824 11787000
28. Yebruar 1825 8779100
31. Auguft 1825 3 634 320
28. Kebruar 1826 2460000 12. Juni 1852 21184050 -
8. Januar 1839 9336 000 11. Dec. 1854 13579795 s
17. Sept. 1839 2816000 = Ende April 1860 14687000 s
Bon der umlaufenden Notenmenge betrug der Baarvorrath bald nur
/3 oder fogar */s, bald %,, */s und mehr.
wıhß
wo
o
&9
=
=
[0 2
RW
(f) Die Bank bezahlt den Binlegern feine Binfen.
(9)
Diefe jährlihen Borfhüfle darf man mit der fortbauernden Bankſchuld
der Regierung (ce) nit verwechfeln. Neben den Zinfen beider
Forderungen bezog die Banf fonfl gegen 260000 2. St., Provifion
vom Staate und hat im Durchſchnitt 4 Mill., die ihm gehören, uns
verzinslich zu benugen;; feit 1833 erhält fie 120000 8. St. feit 1844
180 000 &. — Bemerfenswertb ift auch, daß die Bank 1823 der Res
ierung gegen eine A4jährige Zeitrente eine zur Abzahlung ber Pens
Konirten beftimmte Summe vorſchoß, ILL, $. 500.
8. 312.
Das wichtigfte Ereignig in ber Gefchichte dieſer Bank ift
bie ihr am 25. Gebr. 1797 bewilligte und fodann am 23. Mai
— 394 —
1797 (37. Jahr Georgs III. Eap. 45.) durch Parlaments⸗
befchluß beftätigte einftweilige Enthebung von der Verbindlichkeit,
ihre Scheine baar einzulöfen, bie fogenannte Bank⸗Reſtric⸗
tion (a). Diele Berfügung warb durch 8 fpätere Parlaments
acten verlängert und erft 1819 fam ber Befchluß (Peel's
Bill) zu Stande, daß die Bank einftweilen unter gewifien
Einfhränfungen, von 1821 an aber unbedingt ihre Baars
zahlungen wieder anfangen folle. Diefe 24 jährige Einftellung
ber Noteneinlöfung brachte darum nicht fo verderbliche Folgen
hervor, wie fle aͤhnliche Maaßregeln in anderen Laͤndern bes
wirkten, weil die Banf mit Maͤßigung von ihrer Befugniß
Gebrauch machte und in dem großen Erebite ber britifchen
Regierung eine Stüge fand, doch ftieg eine Zeitlang der Preis
des rohen Goldes gegen Banffcheine über den gewöhnlichen
Stand und auch der Wechfelcurs nach auslaͤndiſchen Plaͤtzen
ging beträchtlich in die Höhe (d). In den Kriſen von 1825,
1836, 1839 und 1857 hat die Banf durch Unterftügung von
Privatbanfen ſich fehr nüglich erwiefen. Nach dem Gefeg vom
19. Juli 1844 (7 u. 8. Bict. Cap. 32) wird das Ausgeben von
Sceinen von den übrigen Banfgefchäften getrennt und einer
befonderen Abtheilung übertragen (issue-department). Diefe
darf außer dem Betrage von 14 Mil. L., für die fie Ber-
fehreibungen zur Sicherheit erhält, mur foviel weitere Banknoten
audfertigen, als die ihr vom Bankdepartment übergebenen Vor⸗
räthe von Münzen und Rohfilber ausmachen. Die letztgenannte
Geſchaͤftsabtheilung (dad banking-department) beforgt das
Discontiren, dad Ausleihen, die Hinterlegungen und die für
die Regierung übernommenen Berrihtungen (c). Die Banf
bat 13 Filiale (branch-banks) in England (d).
(a) Die Reftriction wurde angeordnet, als die Menge der umlaufenden
Noten 8640 000 2. St. ausmadhte und während der Beforgniß einer
feindlichen Landung nur !/ı diefes Betrages an Münze vorräthig war.
Die Noten wurden von der Megierung bei Steuerzahlungen angenom:
men und bildeten feitbem das Hauptumlaufsmittel in Sngland. Ihr
höchfter Belauf war 30-099 908 2. St. (26. Aug. 1817), 1819 waren
fie wieder auf 25 Mill. vermindert.
(5) Dieß wird durch die folgenden Baften deutlich, die fih auf Guineen⸗
gold von 22 Rarat (“! / 3) Korn beziehen, aus Mac⸗Culloch, Handb.
L, 9%.
— 395 —
Preis der Unge Bold Preisverhaͤltniß
der Noten gegen Gold
i. J. 1800 3,89 100
1810 4,5 86,5
_ 1812 4,75 79,%
1813 5,0% 77,1
1814 5,% 74,81
1815 4,% 83,
1817. 1818 4 97,9
1820 3,9% 97,4
1821 3,89 100
woraus ſich ergiebt, daß die Bankſcheine gegen Gold im Jahre 1814
um 25 Proeent geſunken waren. Die Notenmenge war 1813 gegen
24 Mill. L. St., welche Summe demnach nicht mehr Bold vertrat, als
. 18°500000 2. St. im 3. 1797. Da nun 1797 nur 8°640 000 2. St.
in Noten umliefen, fo mußten noch gegen 10 Mill. an Münze vor:
banden fein, welche ſpäter duch Bankſcheine erfeht wurden. Toofe
ſchaͤzt die duch die Reftriction ins Ausland gebrängte Miünzmenge
auf 12—15 Mil. — 1821 Hatte fih ber Preis der rohen Muͤnzmetalle
von ſelbſt wieder gehoben. Auffallend war, daß während ber Reftriction
die geprägten Stüde nur etwa 5 — 6 Procent gegen Noten im Breife
fliegen. Dieß Mibßverhältniß zwiichen dem Preife des rohen und ge⸗
münzten Metalles wirkte wie ein Zwangscurs, und drängte die Münze
vollends aus dem Verkehre, rührte aber nicht aus einer geſetzlichen
Vorſchrift her, fondern aus dem vatriotifhen Entfchluß der Kaufleute,
bie Bank, von deren gutem Bermögensftande fie ſich überzeugt hatten,
durch ihren Ginfluß zu unterflügen und die Noten dem Metallgelve
gleih zu erhalten, wozu der Umſtand fam, daß nur noch abgenuste
oder befchnittene Stüde im Umlauf blieben. &s ift viel darüber ges
ftritten worden, ob die Bankicheine nach der Reftriction im Preife ge:
funfen (depreciirt) fein. Ricardo folgerte dieß aus dem erhoͤh⸗
ten @oldpreife (The high price of bullion a proof of the depreciation
of banknotes, 1809) und in dem nämlichen Sinne ſprach fih 1810 bie
Eommiffion des Unterhaufes aus (bullion comittee). Das Berlangen
des Lords King, daß feine Pachter den Vachtzins in einer nach dem
Golbdpreife erhöhten Notenmenge entrichten follten, veranlaßte 1811 das
Belek, daß man bei Zahlungen nicht mehr als den Nominalpreis des
Goldes in Roten fordern dürfe. Auch Graf Lauderdale (The de-
preciation of the paper-currency of Great- Brit. proved. Lond. 1812.
Def. Further considerations of the state of currency, 1813. Auszug
in Farmer’s magas., 1814. XV, 63) nahm bie Gntwerthung der Bank⸗
ſcheine als unzweifelhaft an; f. fernee Stord, III, 79. 466. — Die
Fortſchritte der nationalöf. Wifl. in Engl., ©. 65. (Leipz. 1817). —
Lowe (Engl. n. f. gegenw. Zufl. S. 141) glaubte, daß das Sinfen,
fo weit es von der Reftriction herrührt, nur 15 Procent betrage, und
daß die Mehrausgabe (overissue) der Noten nicht Urfache, fondern erft
Folge der Depreciation gewefen fei. — Th. Smith, ©. 60 beftreitet
die Depreciation. Am eifrigften wird biefelbe von Tooke befämpft,
Thoughts etc. 1 ®b., History of pr. OD, 346, History... . from
1839 — 47 ©. 89. Nach der Anficht des Letzteren ifl nur das Gold
theurer geworben, es flieg geaen Noten, fo oft ſtarke Baarfendungen
im Kriege oder zu Getreidefäufen nöthig wurden, es fan wieder, wenn
diefe Urſachen aufhörten, namentlih 1816 ungeadtet einer Vermehrung
ber Noten. Diefe erreichten 1818 ben größten Betrag, als das Gold
ſchon wieder viel niedriger fland. Tooke fucht zu jeigen, daß eine
allgemeine Preiserhöhung der Waaren gegen Noten nicht flattgefunden
(e)
(a)
. — 396 ——
hat und daß die Vertheurung einzelner Waarengattungen aus fchlechten
Setreideernten, aus den Ausfuhrerfchwerungen in anderen Ländern,
aus den höheren Fracht: und Verfiherungsfoften ıc. zu erflären fei.
Spanifhe Molle, brit. Kupfer, virginifcher Tabaf galten 1811 nur
30—70—36 Proc. des Preiſes von 1808 u. 1809 ıc. Gs ift natürlich,
daß während des Krieges mit Frankreich Colonialwaaren in England
wohlfeil, euroväifche Waaren theurer waren, daher läßt fich fchwer neben
diefen beionderen Urſachen eine allgemeine Regel herausfinden und bie
Deweisführung Tooke's ift noch nicht widerlegt. — Die fpätere
Preiserniedrigung der Waaren, die von Bielen dem geftiegenen Preife
der Noten zugefchrieben wurde, war für Gewerbsunternehmer und Grund⸗
eigner ſehr empfindlich.
Dieß von R. Peel beantragte Geſetz entfprang aus den Vorftellungen
der Birminghamer Schule (currency theory, $. 307 (8)) von den Nach:
theilen einer übermäßigen Ausgabe von Banficheinen. In foldhen Zei-
ten, wo eine ungewöhnlich rege Unternehmungsluft eine vermehrte Nach⸗
frage nah Anleihen verurfaht, können allerdings die Banken durch
Vergrößerung der Notenmenge das Uebel vergrößern oder die Rüdfehr
von demfelben verzögern, Dagegen iſt es in anderen Fällen, wo eine
Abnahme des Baarvorrathes und die Vermehrung der Metallausfuhr-
andere Urſachen Hat, fhädlih, wenn die Bank eine folche unbedingte
Beſchraͤnkung bat und es mußte in der Kriſis von 1847, welde durch
eine tibermäßige Menge von @ifenbahnunternehmungen verurfacht wor:
den war, die engliihe Bank ermächtigt werden, von dem Geſetze abzu⸗
weichen und ihre Darleihen und Disrontirungen zu erweitern. Sobald
bievon nur der Anfang gemacht war, bob fi das Bertrauen wieder.
Tooke ©. 317. Dal. Mill, U, 112.
Stand zu Ende Aprils 1860:
Debet. Credit.
Noten . . . 22336000 2. | Pfandbürgichaften
@inlagen d. Staats, (securities) . . . 31721000 2.
d. Svarcafien c. 6252000 » | Münze und Barren 14687000 =
Ginlagen v. Privat:
perfonen . . 14602000 =
43'190 000 2. 46408000 8.
Der Mehrbetrag des Buthabens ift das erührigte Vermoͤgen (rest) von
3:218000 2.
$. 313.
Andere Zettelbanfen im britifhen Reiche (a).
1) In England und Irland unterfcheidet man foge-
nannte Privatbanfen (private banks), die höchftens 6 Theil-
nehmer haben und eigentlih nur Banfhäufer mit dem Rechte
der Ausgabe von Sceinen find, und größere durch eine
Parlamentsurfunde (charter) genehmigte Actienbanfen
(joint-stock-banks), die feit dem Jahre 1826 errichtet wurden,
8. 811. Die Anzahl von Banfen beider Art tft abwechfelnd,
indem bald neue errichtet werden, bald ältere brechen ober ſich -
— 397 —
auflöfen, beträgt aber immer mehrere Hunderte (6). Diefe
Banken betreiben den Wechſeldisconto, beforgen Zahlungen für
andere Perſonen ($. 292 a).), übermadhen Summen an andere
Orte und geben audy Vorſchüſſe. In Zeiten, wo ber Handel
und die Production blühen, viele neue Unternehmungen in
Gang kommen und der Umlauf eine größere Geldmenge faſſen
fann, pflegen die Banken ihre Noten und ihre Darleihen zu
vermehren. Da man jedoch beim Verfolgen foldyer Gewerbes
fpeculationen leicht dad verftändige Maaß überfchreitet und zu
viel wagt, fo trat von Zeit zu Zeit, es fei nun durd die
Ueberfüllung der Märkte und die davon herrührende Erniedrigung
der Waarenpreife, oder aus anderen Urfachen, eine Bebrängniß ,
vieler Unternehmer ein. Die Banken litten große Verluſte,
und diejenigen unter ihnen, welche zu unvorfidtig gewefen
waren, ober deren Theilnehmer zu wenig Hülfsmittel befaßen,
bradyen gänzlih. Solche Ereigniffe find im 19. Jahrhundert
ſchon mehrmals eingetreten (c). Es hat fidy hiebei gezeigt,
daß in der Errichtung und Verwaltung mancher Banken großer
Leichtſinn obgewaltet hat, daß dieſelben gerade dann ihre
Scheine vermehrten, wenn die Londoner Hauptbanf die ihrigen
weislich verminderte, und daß das Dafein vieler Zettelbanfen
in einem Lande Gefahren verurfacht, weßhalb man fich neuerlich
zu einer bedeutenden Beichränfung der Gefchäfte diefer Banken
entſchloſſen hat (d).
2) Die fhortifhen Banken werben vorfichtig verwaltet
und find wenigen Erfchütterungen ausgeſetzt. Sie waren von
jeher in Bezug auf die Zahl der Theilnehmer unbefchränft und
haben daher viele Actionäre, welche ein zur Dedung von Bers
luften beftimmtes Capital in Staatspapieren und Hypothefen-
urfunden deponiren. Dieß und die jährliche öffentliche Rech⸗
nungsablegung trägt viel bei, den Credit zu befeftigen und die
Rotenbefiger ſicher zu flellen. Darleihen werben mit Behutfams
feit gegeben. Diefe Banken nehmen fehr häufig Summen von
Eapitaliften gegen Berzinfung an, auch in Heinen Beträgen, fo
daß fie zugleich als Leih- und Sparcaffen der Betriebfamfeit
gute Dienfte leiften (e).
(*) Mac: -Eulloß Handb. I, 100. — Klein d, Großbrit
Geſetzgeb. S. 399. — Hühner ©. ſchro roßbritaniens
— 898 —
(5) Bon 1826 bis 1835 find nur 60 größere Banfgeiellichaften in England
entflanden, aber allein in den erſten 11 Monaten von 1835 42, deren
jede mehrere Comptoirs hat. Die Manchester and Liverpool Distriet B.
hatte 1054, die Northern and Central B. of England 1024 Theilnehmer,
dagegen wurden auch 2 mit bloß 7 Interefienten angeführt; Yearbook
of gen. inform. 1837, ©. 158. — 1852 zählte man 170 Brivat- und
66 Artiendbanfen in England und Wales mit Notenausgabe, daneben
eine Anzahl andere, welche feine Scheine ausgeben dürfen, wozu 6 ans
fehnlihe Actienbanten in London gehören. — Irland hatte 1851 8 Bans
fen, deren größte Bank von Srland heißt. Zu Ende 1854 war bie
umlaufende Notenmenge
der engl. Privatbanfen . . . 3849057 2.
Actiendbanfen . . . 3072738 s
der irländifchen Banfen 6722649 s
ferner der fchottifchen Banten 4'316 095 >
der Bank v. England 19296721 =
Zufammen 37257260 2.
Der Münzvorrath betrug bei den fchottifchen B. 1707885 8., bei den
irländifhen 2053756 £., bei der B. von England 13834657 2,
alfo zufammen 17596295 2., ohne die Baarjchaft der engl. Privat:
banken. Die Banken taufchen regelmäßig die bei ihnen eingehenden
Noten gegen einander aus, fo daß ein Theil der ausgegebenen bald
wieder zurüdfehtt.
(0) Das ſtarke Sinfen der Preiſe im Jahre 1810 und 1811 flürzte in den
3 Sahren 1810—12 47 Banken und bradte überhaupt 7042 Banterotte
zu Wege (1807—1809 waren nur 4177), diefelbe Urſache brachte 1814
und 1815 nicht weniger als 92 Banfen den Untergang und veranlaßte
in den 3 Jahren 1814—16 die Zahl von 6527 Bankerotten (Tooke,
Thoughte, I, 92 f.). — Dafielbe erfolgte im Winter 1825—26. Die -
jährliche Ausgabe von neuen Noten der Privatbanfen hatte im “Durch:
fchnitt von 1820—23 nur 4176000 %. St. betragen, dann, während
eine Menge unficherer Speculationen eine erfünftelte Erhöhung der
Betriebſamkeit bewirkte, flieg fie 1824 auf 6°724000, und 1825 au
8755000 £. St. Die ganze Notenmenge dieſer Banfen wurde au
23—25 Mill. gefhägt. Als nun die unvermeidliche Rückwirkung mit
einer peinlihen Stodung des Verkehres eintrat, mußte eine große
Zahl von Banken fallen, und dieß würde noch mehreren begegnet fein,
wenn fie nicht von ber engliichen Bank wären unterlügt worden. Zur
Berhütung ähnlicher Vorfälle wurde 1826 das Ausgeben der 2 und
1 2. St.:Noten unterfagt. 1830 waren nur noh 9 Mill, 2. St.
Noten im Umlaufe. Im Jahre 1836 fam abermals die Sucht, gewagte
Speculationen duch Actiengelellfchaften zu unternehmen, zum Vor⸗
fhein. gu Anfang diefes Jahres waren in Kiverpool und Manchefter
104 zum Theil adenteuerlide Projecte im Lauf. Daher erfolgte im
geröfte defielben Jahres eine Stodung. Vgl. Edinb. Review, Juli 1836,
. 419. April 1837. Die Notenmenge betrug am 26. Sept. 1835
10420623 8. ©t., am 24. Juni 1836 aber 12'202196 &. — Im
Jahr 1839 brachte die americanijche Bankverwirrung eine nachtheilige
Wirkung auf England hervor. Da die Actien oft nur 25 oder jogar
10 2. St. betrugen, und nur zum Heinflen Theile, 3. B. mit 5 bis
10 Proc., wirklich eingezahlt zu werden brauchten, fo Eonnten ganz
' unbegüterte Perfonen als Theilnehmer (partners) auftreten. Gine große
Erſchütterung trat im Herbſt 1847 ein zufolge der Eifenbahnipeculationen.
Die Bantlerotte vom Auguft an betrugen 17—20 Mill. &. St. Eine
Lähmung des Gredites muß weiter gehen in einen Lande, wo Ras
Umlaufsmittel größtentheile aus Papier befieht, ale da, wo blo6
(@)
(e)
— 39 —
Münze umläuft, obgleich auch hier die Wirkung folder Stodungen bes
Handels in häufigen Bankerotten von Kaufleuten fühlbar wird.
Schon nad älterer Vorſchrift müflen die Landbanken alle Bierteljahre
den Betrag ihrer umlaufenden Zettel, die größeren auch jährlich die
Zahl ihrer Theilnehmer der Obrigkeit angeben. Nah dem a. Geſetz
v. 19. Juli 1844 darf feine Banf Scheine in Umlauf fegen, die es
nicht am 6. Mai 1844 chen gethan hat, und die Menge derfelben
darf den mittleren Betrag des Ye jahres vor dem 27. April 1844
nicht überfleigen.. Das Belek v. 21. Juli 1845 (8 u. 9, Viet. C. 37)
fehreibt für die irländifchen Banken vor, daß fie nicht mehr Scheine
ausgeben dürfen, als fie im Durchſchnitt vom I. Mai 1844—45 in
Umlauf Hatten, und als fie außerdem an Gold: und Silbermünze vors
räthig befiten. Das Privilegium der „Bank von Irland* in Dublin,
dag in einem Umfreife von 50 Meilen feine Bank von mehr ale
6 Theilnehmern Scheine ausgeben darf, Hört auf und die Schuld bes
Staates an diefe Banf von 2637009 2. St. wird von nun an zu
3% Proc. verzinkt.
Schottland Bat 17 NActienbanfen, die Scheine ausgeben. Die ältefte ift
die 1695 nah Paterfons Plan errichtete „Banf von Schottland”
uw Gdinburgh. Die Noten haben fo viel Credit, daß ihre Binlöfung
Velten begehrt wird, und wie ein Banfbedienter verfihert, in Glasgow
jährlih nur etwa 1000 2. St. zum Ginldfen erforderlich fein möchten.
Da diefe Banken ihre Geſchäaͤfte nit durch beliebige Ausgabe von
neuen Zetteln erweitern können (der Umlauf könnte fie nicht faflen), fo
nehmen fie alle Geldſummen an, die die Befitzer nicht anzumenden
wiſſen, und verleihen fie wieder, nehmen aber 1 Proc. Zins mehr als
fie geben. Man Ichäbte 1826 diefe Den Banfen anvertrauten Summen
auf 20 Mil. &. &t. Bon den Scuidnern wird gefordert, daß fle
zwei fichere Bürgen ftellen. Dan leiht ihnen blos für productive Zwecke
und befümmert ch fortwährend um ihren Bermögenszuftand, um fi
vor Berluften zu hüten. Die Banfgeichäfte felbft erleichtern dieſe Aufs
fiht, weil die Schuldner vielfach auf die Bank anweiſen und ihr wieder
theilweife abzahlen. Auf diefe Weile wird bie befte Benugung ber
Gapitale erleichtert und die Production fehr befördert. Die Scheine
gehen Hier wie in Itland bis auf 1 2. St. herab. Ad. Smith, IL
39. — Quarterly Rerv., März 1830. ©. 476, Oct. 1830, ©. 342. —
Logan, Die fchottiihen Banken, deutfh 1853. — Das Geſetz vom
21. Juli 1845 (8 und 9 Victor. C. 38) enthält für die fchottifchen
Banken ähnliche Beftimmungen wie das Geſetz vom nämlichen Tage
für die irifchen (d).
$. 314.
Frankreich. Die von dem Schotten John Lam (geb.
1671, geß. 1729) 1716 errichtete, 1717 von der Regierung
übernommene, 1720 zu Grunde gegangene Zettelbanf gab ein
für alle Zeiten merkwürdige Beifpiel der Folgen, welche aus
einer unmäßigen Benupung des Credits und aus den Irr⸗
thämern Aber die Ratur beffelben hervorgehen können (a). Der
Eredit wurde durch das Law'ſche fogen. „Syſtem“ fo ſehr
zerftört, daß erſt 1776 wieder eine Zettelbank, die Pariſer Dis-
contocaffe (case d’escomptes) zu Stande fan, welche
—— ins 5 ab .
— 400 .
fpäterhin ihre ganze Notenmenge zu Anleihen an die Regierung
verwendete und ſich 1789 auflöfte, als diefe Anleihen in einem
neu gejchaffenen Papiergelde (den Aflignaten) zurüdgezahlt wurs
den (6). Diejegige franzöfifche Banf(banque deFrance)
entftand 1800 mit 30000 Xctien zu 1000 Fr., die 1803 bis
auf 45000, fpäter bis auf 67900 vermehrt wurden (c). Die
Bank discontirt Wechfel (d), leiftet unentgelvlih Zahlungen
auf laufende Rechnungen (comptes courans), doch nur bis zu
dem Betrage der ihr übergebenen Summen, ohne etwas vor⸗
zufchießen (e), leiht auf Staatöpapiere (f), Canalactien und
neuerlich (feit 1852) auch auf Actien und Schuldbriefe der Eifen- .
bahnen, ferner gegen 1 Procent Zinfen auf hinterlegte Vor⸗
rähte von Gold und Silber (g), leiftet auch der Regierung Vor⸗
fhüjle auf Schatzſcheine (bons du tresor) und comptes courans
und erweift ihr mancherlei andere Dienfte, wie z. B. feit
1820 das Umprägen der alten Münzen. Die Noten durften
nad) dem Gefeg vom 4. April 1803 nicht unter 500 Fr. bes
tragen, doch wurde (Gefeg vom 18. Mai 1808) den Filialen
(comptoirs, succursales) die Ausgabe von Scheinen auf 250 Fr.
erlaubt und am 10. Jun. 1848 erhielt die Hauptcaffe Erlaubs
niß, Scheine von 200 Fr. in Umlauf zu fegen. Das Gefep
vom 15. März 1848 geftattet Noten von 100 Fr. Ihr Hülfe-
vorrath iſt neuerlih (1834) auf 10 Mill. Fr. beftimmt wors
den, jo daß der ganze Gewinn jährlich vertheilt wird, wenn
jene Summe ergänzt ift. Ihre Verwaltung ift fehr vorfichtig
und ihr baarer Vorrath gewoͤhnlich beträchtlich größer, als er
ber Sicherheit willen nothwendig fein müßte. Die Bebruar-
revolution veranlaßte ftarfe Vorſchuͤſe an den Staat und einen
lebhaften Andrang zur Einlöfung, daher wurde durch dad Ge⸗
jeg vom 15. März 1848 verordnet, daß die Einlöfung der
Scheine unterbleiben dürfe, daß diefelben gefegliched Zahlungs⸗
mittel feien (alfo mit Zwangscurs) und nicht über 350 Mill.
dr. betragen dürften. Die 9 anderen Zettelbanfen (k) wurs
den nad) dem Geſetz vom 2. Mai 1848 mit der Bank von
Sranfreich vereinigt, wodurch diefelbe 28350 weitere Actien ers
bielt. Die erlaubte Notenmenge wurde auf 452, im 3. 1849
auf 525 Mil. Fr. erhöht. Das Gefeg vom 6. Auguft 1850
hob den Zwangsumlauf und das Marimum der Rotenmenge
— 41 —
wieder auf und führte die Verpflichtung zur Noteneinlöfung
wieder ein, welche leßtere aber auch in der Zwifchenzeit nicht
ganz aufgehört hatte. Daher blieben die Noten fortwährend in
Pari und der Geldumlauf blieb ungeftört (id). 1857 wurde bie
Zahl der Actien auf das Doppelte (182500) gebracht (k).
(a) Man ſchaͤtzte damals den Müngvorrath in Frankreich auf 1200 Mill. Liv.,
weiche, weil zu jener Zeit 60 Livres aus der Mark Troyes gefchlagen
wurden, 502 Mill. fl. machten. Lam hatte, wie feine Schriften zeigen,
überfpannte Borftellungen von der Madıt des Gredits und der Erſetz⸗
barkeit der Münzen durch Papiergeld. Der Irrthum ging fo weit, daß
man glaubte, ohne Schwierigkeit eben jo viel Scheine als Münze neben
diefer in Umlauf halten zu fönnen und daß man den Gredit einer noch
weit größeren Vervielfältigung fähig hielt. Die Zettelbank befand fidy
anfangs in gutem Yortgange, da die Scheine (damals 50—60 Mill.)
fih leicht im Umlaufe hielten und beliebt waren. Law's Blane über:
Ichritten aber alles verftändige Maaß. Er gründete eine Aetiengefells
haft, die den Handel mit Zouifiana betreiben follte (comp. d’occident)
und durch mancherlei andere ihr übertragene Gefchäfte ihren Wirfungss
kreis erweiterte Coftindifcher und chinefiicher Handel, Muͤnzrecht ıc.).
Die Actien (zu 500 Livres Binlage) wurden vermehrt und fliegen durch
fünftlihe Crregung phantaftiicher Hoffnung fortwährend im Preife, ohne
daß die beabfihtigten Unternehmungen Ton in Ausführung famen.
Die Bank ging durch Heimzahlung der Actionäre in die Hänbe des
Staates über, nahdem ſchon 3, des Actiencapitals in Staatsfchulds
briefen eingezahlt worden war. Nun faßte Law fogar den Bedanten,
dem GStaate zur Abtragung feiner Schulden 1200, nachher fogar
1600 Mill. &. zu leihen, wofür der Compagnie 3 Proc. Zins nebft
der Mebertragung der Finanzpachtungen (fermes) zugefihert wurden.
Es wurden zu dieſem Behufe wieder neue Actien (zulegt zu 5000 2.)
ausgegeben, deren Steigen einen allgemeinen Schwindel, eine heftige
Begierde, fih durch Actienhandel zu bereichern, erregte. Der Preis
einer Actie fam bis auf 20000 L., ohne daß die Geſellſchaft Gefchäfte
betrieb, die einen folhen Preis nur irgend hätten begründen Fönnen,
die Menge der ausgegebenen Banfnoten erreichte 2696 Mill., wobei
ugleih die Preife aller fäuflichen Dinge ungemein gefteigert wurden.
iele reich gewordene Actienhandler begannen ſich Ländereien »c. zu er:
werben (realiseurs) und man wurde allmählig gewahr, daß bie Actien
feinen wahren Werth hatten. Als das Sinfen derfelben anfing, ergriff
Lam mancherlei gewaltfame Mittel, um den Untergang des „Eufemen
zu verhindern; alle Zahlungen über 100 2. follten blos in Banknoten
geichehen, Niemand über 500 Liv. in Münze befißen; hierauf wurte
der Preis der Actien gefeglich auf 9000 Liv. beflimmt, was die Folge
hatte, daß die Noten bis auf die Hälfte ihres Rennbetrages und fpäter
noch viel mehr fanfen. Man ſah fih genöthigt, ihre Verminderung
durch verfchiedene Arten verzinslicher Anleihen zu bewirken und ver:
wandelte endlih den Reſt in Staatsobligationen zu 2 Proc. Zins.
Den Echluß machte eine willfürliche Beraubung der reich gewordenen
Actienbefiger. — Man hatte 640000 Actien der Geſellſchaft ausgegeben,
von denen jedoch 400000 früher annulirt wurden. Die grängenlofe
Verwirrung richtete viele Familien zu Grunte und lähmte auf lange alles
Bertrauen. Steuart, 11,244—296. — Stord, 111,87. — Thiers
in Encyel. portative. 1826. I, 49. — Histoire de Law. Leipz. 1858,
(vorzüglid). — Londonio im Giorn. dell’, Inst. Lomb. VIII, 289
(1844). — Heymann, am und fein Eyſtem, Münden 1853.
Rau, polit. Dekon. I. 7. Ausg. 26
()
(eo)
(4)
(e)
(/
—R
9)
(4)
— 40 —
Oeuvres de Law, herausg. von Daire in der Collection des prin-
cipaux Economistes, P. 1843. — Die fämmtlichen NActenftüde enthält
die (Übrigens nicht empfehlenewertbe) Schrift: Histoire du syst&me des
—5 sous la minorit6 de Louis XV., à la Hayo, 1739, im 5. und
6. Dante.
&tord, III, 101. Ganilh, Des systömes, II, 190.
Lobrede für die Bank von Thiers, Deput.:R. 20. Hai 1840. Rau,
Archiv, V, 121.
Nur auf Wechſel mit 3 Unterfchriften und früherkin nicht unter 500 Fr.
Der Diseontofag war lange ununterbrohen 4 Proc. Am 14. Jan.
1847 mußte er auf 5 Proc. erhöht werden, weil wegen ber Getreide:
theurung, des alles der Bifenbahnactien und des fleigenden Zinsfußes
die Binlöfung der Scheine ze häufig begehrt wurde und der Baar:
vorrath auf 72 Mill. gelunfen war. Die Bank hatte im Ian. 1847
eine Anleihe von 25 Dil. Br. oder 800000 2%. St. bei der Londoner
Bank mahen müflen. Am 5. März 1852 wurde der Diseonto auf
3 Proc. ermäßigt, am 7. Det. 1853 wurde ex wieder auf 4 und zu
Anfang 1854 auf 5 erhöht. Der mittlere Betrag eines eingelöften
Wechſels war 1840 1517 Fr., 1846 1285 Fr., 1850 in Paris 990,
in den Yilialen 1834 Fr., 1851 in Baris 869 Fr., in den Filialen
1592 Fr. In diefem Jahre waren in Paris unter 413496 biscontirten
Wechſeln 87350 unter 200 Fr. -
Sie iſt hiezu verpflichtet and erweilet hiedurch bem Bar einen großen
Dienſt. Im Jahr 1835 Hatten 17—1800 Berfonen Toldye comptes
couraus, für welche 890 Mill. Fe. an Effecten eincaflirt wurden, 1834
für 908 Mill., 1840 für 891 Mill. Außer ben Privatperfonen hat
auch der Staat eine laufende Rechnung, der hiebei Bald in Vorſchuß,
bald m Schuld if. Im Wär; 1866 ſchuldete die Bank onto»
cowent 178, Mil. Fr., Hatte dagegen auch ein betraͤchtliches Guthaben
gleicher Art.
Nach dem Geſetz vom 17. Mai 1834 kann die Bank au auf !/s des
Werthes folder Verfchreibungen leihen, die Feine fire Verfallzeit haben,
alfo auf alle dffentlichen Bffecten.
Die Abficht Hievon if, den Handel mit Gold und Silber zu ermuntern.
Marfeille, Havre, Orleans, Bordeaur, Rouen, Nantes, yon, Lille,
Touloufe.
(5) Seitdem die Bank in Verlegenheit gerathen war (1805 u. 1814), vers
boppelte: fie ihre Vorfiht. Auch war fie lange in dem Umfange ihrer
Geſchaͤfte dadurch beichräntt, daß ihre Noten außerhalb der Hauptſtadt
wenig beliebt waren, in Folge der Erinnerung an den Mißbrauch des
Papiergeldes in ber Revolutionszeit. Die Bank hatte öfters mehr
Baarſchaft, als die umlaufenden Noten betrugen, weil der Staat
Summen bei ihr hinterlegt.
Notenmenge: Baarſchaft.
1832 181—253 Mill, Fr. MT—BIM. Fr.
Ende 1838 2312 ⸗ ⸗ 236⸗2
1840 241%, ⸗ ⸗ 233 s 3
D. 1844—45 2591, = ⸗ 24l = 5
Sept. 1847 230 ⸗ ⸗ 150 s :
31. Mai 1848 363 ⸗ ⸗ 127 ss »
Onde 1849 436 ⸗ ⸗ 431, »
Anfang 1851 504 ⸗ ⸗ 55 5
1855 "650 ⸗ ⸗ 364 s 2
März 1860 709 ⸗ ⸗ h44 - 38
Jahr 1863 757-869 ⸗⸗ 292481 s +
— 1 —
Seit 1825 war durchſe
an} ver diecontirten Dividende
Wechſel.
583 Ri
1825—29 8 Er.
1830— 34 319 + 1:
1835—39 162 * 120 =
184044 18 + 125 :
1848—47 174 + 156 +
1848—51 319 » 104 > [
1852—54 253 - 155 +
Im Jahr 1862 wurben für 5431%/. Mill. Wechſel discontirt, 1303 Mil.
auf Staatöpapiere, Gifenbahn-Actien und Obligationen und Ganal:
Actien geliehen. Die Dividende war 158 Fr., Zahl der Filiale 51.
(&) Zugleich lich die Bank dem Staat 100 Mil. zu 4 Proc.
8. 315.
Oeſterreich. Die Wiener Stabtbanf als Zettelbanf (a)
wurde 1762 gegründet, und erhielt ſich biß gegen das Ende
des 18. Jahrhunderts in gutem Stande. 1797 wurde fie von
der Verbindlichkeit, ihre Roten einzulöfen, freigeſprochen (5) und
um biefe Zeit begann audy die ftarfe Vermehrung derfelben, bie
man als eines der Mittel betrachten muß, wodurch die Regie
tung ſich die Befreitung der Hohen Kriegäfoften erleichterte. Es
wurden nun Zettel bis auf 1 fl. herab ausgegeben. Won 1805
an fanfen die Noten flarf gegen Münze, der Krieg von 1809
befchleunigte ihren Hall und die allgemeine Theurung ber Waas
ren; bad Uebel erreichte feinen Gipfel, ald im Januar 1811 der
Curs auf ungefähr 1300 (naͤmlich fo viel Papierfl. gegen 100 fl.
Münze) gefommen war. Die ausgegebene Maſſe von Scheinen
erreichte 1060 Mid. fl. Diefe nun zu einem wahren Staats»
papiergelb gewordenen Noten wurben zufolge der Verordnung
vom 20. Februar 1811 gegen ein anderes Staatöpapiergelb, die
Einlöfungsfheine (Scheine, Wiener Währung)
umgemwechfelt, von denen die Regierung 100 fl. gegen 500 fl.
in Banknoten bingab; indeß ftanden dieſe Einlöfungsfheine
immer niedriger ald Münze und fielen während des Krieges
von 1813—1815 nody mehr (ec).
(a) Hufeland, IL, 172. — Gtord, II, 119. 470.
() 6 wurde nämlich, erllart, daß die Ausiafun bei feiner Summe über
25 fl. gefchehen jollte, was man einer gänzli da Ginftellung der Babe
hung eich achten font, Andrö, Reue dal lenjtai —— Die
jem PH dem folgenden Paragraphen erwähnten find bie
dee 20 fl.
=
(6) Der Eurs der W. W. (Wiener Währung) war ben 7. Mär; 1815
noh 272, aber am 8., als Napoleons Aufbruch von Elba befannt ges
worden war, fanf er auf 297 und am 10. Mai fogar auf 398, welches,
da die Ginlöfungsfcheine die bfache Summe von Banknoten vorftellten,
einen Curs der leßteren von 1990 bildete! 1816 war der Curs auf
322 gefommen, fpäter fland er gleihförmig auf 250. — Bor ber Aus⸗
gabe von Papiergeld Hatte man tie Geltmenge in Defterreih auf 250
bis 300 Mill. geihäpt. Die Mafle des Papiergeldes kam 1815 bie
zu ungefähr 650 Mill. fl., welches, zu einem Curſe von 350 berechnet,
185 Mill. fl. ausmadht; es mußten alfo, wenn fih fonft nidts ges
ändert hätte, noh 65—115 Mill. R. Münze vorhanden fein. Cohen,
Compend. of finance. ©. 67.
-
$. 316.
Die heutige öfterreihifche Nationalbank, eine auf
Actien gegründete Privatanftalt, wurde 1816 auf 25 Jahre er»
richtet und 1841 auf weitere 25 Jahre beftätigt (a).” Die Ein
lage für eine Actie beftand aus 100 fl. baar und 1000 fl. in
Einlöfungsfcheinen ($. 315), wofür die Banf von der Regie-
rung Schulbbriefe zu 21/2 Procent verzinslich erhielt, weßhalb
biefer Theil des Stammvermögend nicht zur Einlöfung der
Scheine benugt werben konnte. Die Zahl ber Actien fam auf
50621 (d). Die Scheine lauten auf 5, 10, 25, 50, 100, 500
und 1000 fl. und werden in den Staatscaſſen angenommen.
Die Bank, welche das außfchließliche Vorrecht im öfterreichifchen
Staate erhielt, Noten auszugeben, hat bis 1848 vollfommenes
Bertrauen genofien und ihre Scheine find flet in Pari ge-
blieben. Die von der Banf für die Regierung beforgte Ein-
ziehung des Älteren Papiergeldes (Einlöfungsfcheine) ift beendet
(ce). Die Bankgeichäfte find:
1) Discontiren von Wechfeln, welche auf Wien geftellt und
dafelbft zahlbar find. Der Discontv fteht feit 1833 fortdauernd
auf 4 Procent (d).
2) Umfchreiben in offenen Rechnungen (Birogefchäft) bis
zum Betrage der in Banffcheinen oder Silbermünze übergebenen
Summen (e).
3) Verwahrung binterlegter Gegenftände, ald Barren und
Geräthe aus Gold und Silber, Münzen, Staatspapiere und
PBrivaturfunden, gegen eine Gebühr.
4) Darleihen auf rohe, geprägte oder verarbeitete edle Me⸗
talle, ‚Staatöpapiere, Bankactien (f).
— 405 —
5) Beſorgung von Zahlungen durch Anweiſung auf die
Filialcaſſen (9).
Die Erſchuͤtterung des Staates im Jahr 1848 hatte eine ſo
ſtarke Verminderung des Baarvorrathes zur Folge (A) und die
Bank mußte der Regierung ſo anſehnlichen Beiſtand leiſten, daß
am 31. Mai die Annahme der Noten um ihren vollen Nenn⸗
werth befohlen (Zwangscurs), die Ausgabe von 1 und 2 fl.
Noten angeordnet und die Einlöfung auf Summen bis 25 fl.
befchränft wurde. Dieß 309 eine Vermehrung der umlaufenden
Notenmenge nad) ſich (i), und da zugleich verfchiedene Arten
von Staatöpapiergeld hinzufamen (k), fo ſank diefed fammt ben
Noten gleihmäßig unter Bari, womit eine Erhöhung der Waa⸗
renpreife verbunden war (N).
Die Gefchäfte beforgen 12 Directoren unter einem vom Kaifer
ernannten Gouverneur und einem Stellvertreter defielben, unter
Mitwirkung zweier Faiferl. Commiffare, und mit Ueberwachung
duch die jährliche Verfammlung des Ausfchufles von den 100
Actionären, welche die meiften Actien befiten.
(a) De Tengoborski, Des finances et du credit public de l’Autriche,
I, 70 (1843). — Ezörnig, Tafeln zur Statiftit d. öfter. Mon.,
1846 (Nadhrichten bis 1842). — Neue Statuten vom 1. Juni 1841
fammt dem Reglement. |
(6) Da die übergebenen 1000 fl. zu einem Gurfe von 50 Proc. angenom:
men werten fönnen, fo beftand die Einlage aus je 600 fl., wofür eine
Dividende von mindeflens 30 fl. zugefihert wurte. Die vom Staate
bezahlten Zinfen für das eingelößte Papiergeld verichafften fchon eine
Einnahme von 1265525 fl. 1853 wurde befchlofien, das Bantcapital
duch Abgabe von 49379 Liegen gebliebenen Actien zu verflärfen, in:
bem man fie den bisherigen Theilnehmern zu 800 fl. überließ.
(o) Nachdem für Diele Einlöfung verſchiedene Mege eingeſchlagen worden
waren, begann 1820 die Ginziehbung um einen Curs von 250 gegen
100 in Bankfcheinen, wofür die Bank verzinslide Staatsſchuldſcheine
erhielt. Am 30. Suni 1846 waren nur nodh 8 Mill. fl. uneingelöft,
von denen ein Theil verloren Kegangen fein mag. Die ganze eingezo-
aene Summe war 441!/; Mill. fl! — Seit 1822 discontirt die Bank
Anmweifungen ber Gentralftaatscafie auf einzelne Landescafien. Der Zins
derfelben wurde 1834 auf 3 Proc. herabgefegt und feit 1842 giebt die
Banf auh aus Staatsauftrag dieſe au 3 Monate laufenden Caſſen⸗
anweilungen an Privatperfonen ab.
(d) Im Jahre 1841 wurde die Banf vom Finanzminifterium zur Borfiht
ermahnt, um nicht einzelnen Häufern durch unbeichränftes Discontiren
eine Gelegenheit zu Schwindelgeihäften zu geben, Tengoborsfi
©. 85. Ein Ddiscontirter Wechſel betrug durchſchnittlich 1845—52
4620 fl., 1852 nur 2090 fl.
(e) Der Betrag bdiefer Umichreibungen (revirements) war 1843 138 Mil. fl.,
1845 197 Mill., 1849 nur 47%, Mil, 1852 wieder 191 Mill.
.— 406 —
(I) Zinsfuß bei Darleihen auf Stantöpapiere feit 1833 4 Proc, auf Gold
9)
(9)
()
(k)
(d)
und Silber 2 Proc.
Die Gebühr if gering, höcftens ?/s Proc. (nah Hermannſtadt), mins
veRens ?/s p. m. (nah Brünn, Gratz und Ting).
Hiezu trugen vorzüglich die Geldſendungen nach Italien bei. Der Baar⸗
vorrath war Ende 1845 95 Mill. fl., im Juni 1848 nur 20 Mil.
Der Betrag derfelben war bis dahin nicht befannt und es waren deß⸗
halb fehr irrige Meinungen von der Groͤße der Summe entflanden.
Sie war zu Ende 1847 an 219 Mill. fl., 1848 an 233 Mill., 1850
255 Mil., 1852 193 Mil. fl.
Im Mai 1850 betrug vieles 115%/, Mil. fl., die Bankſcheine beliefen
—RX 240 Mill. Der Zwangscurs drängte das Silbergeld aus dem
Umlaufe.
Der Augsburger Wechfelcurs war im April 1851 133%, f., nämlich
foviel fl. Papiergeld gegen 100 fl. Silber, im Februar 1853 war er
10978, aber der ruſſiſche Krieg verfchlimmerte ihn wieder. Bu Anfang
1855 fland das Papier zu 126—27 Proc., im Juni 483. Man hat
fhon einen beträchtlichen Theil des Staatepapiergekbes eingezogen,
aber die Binlöfung der Moten bat noch nicht wieder angefangen.
v. Hauer, Polit. ſtatiſt. Ueberfiht der Beränderungen ı. S. 320.
Ueberi. für 1851—52 S.12, Neuere Ueberf. S.126. — v. Ezödrnig,
Oeſterreichs Neugekaltung ©. 247 1858. — Der italienifche Krieg im
3. 1859 verfchlimmerte den Stand des Staatshaushaltes. Das Sinken
des Papiergeldes dauerte fort. Im April 1861 war der Wechſelcurs
in Sranffurt auf Wien 77'/, fl. flatt des Pari von 116%, was ein
Aufgeld von 50 Proc. aufSilber anzeigt. Die Berathungen im Reiches
tage zogen aber eine günftige Wendung nad fih. Das Bankgeſet v.
27. Dec. 1862 bahnte den Weg zur Verminderung der Schuld des
Staats an die Bank und der Motenmenge. Neue B. Statuten v.
10. San. 1863: Berlängerung des Privilegiums bis 1876. Bank⸗
capital zu 110% Mil. fl. feftgefeht, in 150000 Aetien zu 733fl. Die
Beneralverfammlung befteht aus den öfterreihifchen Actienbeflbern,
welche mindeftens 20 Actien auf ihren Namen haben. Sie wählt die
12 Directoren und den Ausfhuß von gleicher Zahl der Mitglieder, die
neegierung ernennt den Gouverneur und den Banfcommiflar. Die
Groͤße des Baarvorrathes wird von der Direction beflimmt, wenn fedoch
die Notenmenge 200 Mill. überfleigt, fo muß der Mehrbetrag durch
einen gleihen Metallvorrath gedeckt fein. Die Einlöfung der Bank⸗
Scheine foll 1867 wieder anfangen. Wufgeld im Zul. 1863 g. 12 Proc.
Vgl. Wagner, Die Herſtellung der Nationalbanf, 1862.
Die discontirte Summe war im Durchſchnitt 1818-24 24'1/; Mil.,
1825—35 941 Mil., 183646 277 Mill., 1847—52 346 Mill.,
1854 325 Mill. fl.; die auf Fauſtpfaͤnder geliehene Summe betrug im
D. 1827-43 29 Mill., 1844—52 81 Mill., die Dividende 1827—47.
78 fl., 1848—52 nur 67 fl., 1854 50 fl. Die Uctien galten 1847
egen 1580 fl., zu Anfang des Jahres 1855 gegen 1020 fl. (In
ankfurt wird der Preis in Gulden des 24/5 fli⸗Fußes (Silber) aus:
gedrüdt. 1026 fl. Papier zu 126 machen 809. fl. Silber = 991 fl.
des 24'/2 fl.s$., der Curs in Frankfurt war 960.)
$. 317.
Auch die Banken zu Stodholm (a), Kopenhagen (d),
St. Petersburg (ec) beftätigen durch ihre Geſchichte die
— 407 —
obigen allgemeinen Saͤtze ($. 304 ff.), denn ſie vermieden nicht
eine folche Vermehrung ihrer Noten, wodurch der Curs .berfelben
gegen Münze herabgebrüdt, die Waarenpreife erhöht und nach⸗
tbeilige Folgen für den Verkehr hervorgebracht wurden. Die
nordbamericanifchen Breiftaaten hatten eine von ber
Gentralregierung privilegirte und mit ihr in Gefchäftsverbindung
ftehende Hanptbanf (bank of the United States) zu Philadel-
phia, welche aber 1836 diefe Eigenfchaft verloren hat und 1842
zufolge ihrer fehlerhaften Verwaltung untergegangen ift (d).
Die zahlreihen Banfen in ben einzelnen Staaten ber Union
haben fortwährend durch leichtfinnige Darleihen, übergroße Zettels
vermehrung und andere Fehler fowohl ſich felbft gefährdet,
ald dem Veifehre vielfachen Schaden zugefügt, weßhalb man
neuerlicd bemüht ift, wieder mehr Münze in Umlauf zu bringen
und die Menge ber Banknoten zu befchränfen (e). In der
neuften Zeit wurden in @uropa viele Zettelbanfen errichtet,
namentlich in Deutfchland außerhalb Defterreih (f), in der
Schmeiz (9), in Italien (Ah), zu Amſterdam (i), in Bel
gien(k), zuDdrontheim(d), zu Liffabon(m), Mapdrid(n),
Warfhau (0), Athen (p). Im anderen Erbtheilen find
außer ber norbamericanifchen Union noch die Bank zu Rio-
Janeiro (g), die zahlreihen Banfen in Britifch» Oftindien,
Canada, Auftralien, Jamaika, Mauritius, auf dem Cap, ferner
auf den franzöfifhen Infeln Guadeloupe, Martinique und
Reunion, in Algier und Java zu bemerken.
(a) Schon 1656 wurde ge Wechſelbank errichtet, welche au das Giro⸗
geichäft betrieb, und gleichzeitig eine Leihbank. Nachdem jeme fchon
1661 angefangen hatte, Grebitfcheine auszugeben, wurde 1700 die
Ausgabe von „Transportzetteln” eingeführt, ale wahren Banknoten.
1735 begann fle auf Grundſtuͤcke und Gifenvorräthe zu leihen, welches
fo Häufla geihah, daß die umlaufende Notenmenge allmählig bis zu
600 Mill. Kuvfertbaler flieg und die blos in Kupfermünze zahl:
baren Noten viel im Curſe gegen Silbergeld verloren. 1762 galten
eft 27 Kupferthaler 1 Thaler Hamburger Banco, während 1738 der
leßtere noch mit 9 Kupfer: oder Zettelthalern zu erfaufen geweien war.
Die gewöhnlichen Störungen, welche foldhe gefunfene Papiere in der
Volkswirthſchaft hervorbringen, blieben auch hier nicht aus. 1776 wurde
die Umwechslung der Transportzettel gegen neue, in Silber zahlbare,
in Reihethalern Species ausgedrüdte Banknoten angeordnet und dieler
Thaler 18 älteren Kupfers oder Bapierthalern gleich geſetzt. Die neuen
Noten konnten fich ebenfalls nicht in Pari gegen Münze halten und
wurden von der Bank nicht eingelöfl. Sie Gatten deßhalb fein feſtes
Perhältnig zum Silbergelde und gegen das Ausland einen ſehr vers
änderlihen Wechſelcurs. Der Reichetbaler Silber von 48 Schill.
(6)
— 40 —
(9,1% auf die köln. Mark) galt 1824 130 Schill. Papier, 1829 nur
128, 1832 aber 145 oder ungefähr das ZIfache, Ipäterhin wieder
123 I5Hil., nach welchem Verhaͤltniß auch die Ginwechslung erfolgen
follte, wenn der baare Vorrath ber Bank 5/5 der Zetlel betragen würde.
(Gef. v. 1830.) Dies geſchah 1834. Zu Ende 1852 Hatte die Banf
22% Mill. Thlr. Banco umlaufende Zettel, welche im Verhaͤltniß
8 zu 3 gegen 8,° Mill. Thlr. Silber ausmahten, und einen baaren
Borrath von 5 Mill. Thle. Neben dieſer Staatebant hat Schweden
noch 6 Privatbanten. Hübner, IL, 422.
Die Gründung der Kopenhagener Affignationss und Leih⸗
bank fällt in das Jahr 1736. Später (1760) wurde fie von 5000
auf 6000 Actien zu 100 Thlr. gebraht. Schon 1757 wurde ihr ers
laubt, nicht über 10 Thlr. vorgelegter Noten baar bezahlen zu dürfen
und diefe wurden gefeßlich als Zahlungsmittel erklärt; man BT. Zettel
bie auf 1 Thlr. herab aus und vermehrte fie bis gegen 11 Mil. Thlr.
(23 Mil. fl... 1773 übernahm der Staat die Bank und zahlte die
Actionaͤre ab. Die Zettel fielen, ale fie bis auf 16 Mill. Thlr. an⸗
wuchſen und alle Münze aus dem Lande drängten. Der Wechſelcurs
nah) Hamburg von 1789 (1591/, Thlr. Bapier für 100 Thlr. Hamb.
Banco, während in Silber das Pari 1221/. war) zeigt, daß die Bank⸗
fheine auf 76 Proc. gefunfen waren. 1791 wurde verordnet, daß die
ältere Bank feine neuen Zettel mehr auegeben dürfe und e6 wurde dafür
eine daͤniſche und norwegifhe Speciesbank, mit 6000 Netien
zu 400 Thle. Species (1033 fl.) geftiftet, deren Noten in Münze oder
in älteren Betteln nad dem jedesmaligen Gurfe zahlbar waren. Ihre
Beſtimmung war das Leihen auf Pfänder, aud ein Girogeſchaͤft. Indeß
fonnten fih die neuen Zettel nicht in dem vollen Breife erhalten, die
Münze verfhwand bei dem Sinten ber Zettel, fo daß man biele Bis
zu 24 und 8 Sailling (96 auf den Thaler) ausfertigte. Sie ſanken
zulegt mit denen der älteren Bank ungeheuer, da fie bis auf 141 Mill.
Rthlr. angewachſen waren. 1813 wurde befchloflen, eine neue Reichs:
banf zu errichten, deren Noten kuͤnftig das einzige Papiergeld bilden
und nicht über 46 Mill. in neuen Reichsbankthalern (18%. auf die
Eöln. Mark fein, alfo 60919000 fl.) betragen follten. Bon dieſen
Noten wurden 27 Mil. Thlr. zur Ginlöfung der älteren Zettel nad
einem niedrigen Curſe (6*/40), 15 Mill. für die Staatscaffe, 4 Mill. zu
Banfgeichäften beſtimmt. Die neuen Zettel erreichten nad einigen
Jahren das Pari mit Münze. Sehr eig@pümlich war die Art, das
Stammpermögen bdiefer Bank zufammenzubritigen, indem ihr eine For:
derung an die Örundeigner von 6 Procent des Mittelpreifes aller Grund:
flüde beigelegt wurde (Banfhaft, — alfo eine außerordentliche
Grundfleuer), deren Betrag bis zur Abzahlung mit 61/e Proc. verzinft
werden muß und fchwer auf den Grundeignern laftet. 1818 wurde die
bisherige Reichsbank in eine Privatanftalt (Nationalbanf) um:
gewandelt, deren Theilnehmer alle Grundeigner wurden, melde nad
obiger Beſtimmung wenigſtens 100 Thlr. an die Bank zu bezahlen
haben oder freiwillig einlegen. Dieb iſt das einzige Beifpiel einer
Banf, welche durch erzwungenen Beitritt zu Stande fam. Der
Wechſelcurs auf Kopenhagen fland in Hamburg 1827 noch 220, —
1831—34 210, er fleht aber neuerlih auf 500, d. h. foviel bänifche
Meihsbankthaler für 100 Rthlr. Hamb. Banco, alfo im Bari. 1845
hat die Ginlöfung der Bankfcheine begonnen. 1852 war die Menge
derfelben 20 Mill. Reihsbankthaler, der Silbervorrath gegen 7%, Mill. —
Die ſchleswig-holſteiniſche Speciesbant, 1788 in Altona
gegründet, als Leih⸗ und Discontobank mit Girogefchäft, erbielt ſich
gut, fu daß bei ihrer Aufhebung 1813 ihre Noten nah dem vollen
(«)
— 409 —
Betrage gegen Reichsbankzettel einloösbar erklärt wurden. Büſch,
Schriften uͤber Banken und Münzw., S. 436. — Voß, Zeiten. 1813
Mai und Juni. — Storch, III, 125 und Zuſ. 172. — Hübner,
II, 147. 207.
Die Affi gratenbant zu St. Petersburg, eine Staatsanftalt, ent:
fland 1768. Ihre Noten (Affignaten) wurden nur gegen Kupfer
muͤnzen eingelöft, wodurch fie für den Verkehr fehr unbequem wurden,
nicht blos wegen ber großen Veraͤnderlichkeit im Preife des Kupfers,
fondern auch wegen der Beichwerlichfeit des Transportes und des Zaͤh⸗
lens großer Summen und wegen der auf das Ginfchmelzen oder Aus⸗
führen der Kupfermünze geſetzten Strafen. Doc fanden die Aflignaten
eine Zeit lang nahe am Bari, bis 1786 mit der Bank eine Leihanftalt
verbunden wurde, weldhe auf Brundftüde lieh, und bis mehrere Kriege
zur Ausgabe großer Duantitäten von Noten Beranlafiung gaben. Das
Steigen der Preife aller Waaren gegen die Aflignaten mit feinen traus
rigen Folgen für mehrere Volksclaflen, das Berfchwinden der Silber:
münze aus dem Umlaufe, die Verwirrung im Berfehre, ftellten fich auch
bier ein. Das Sinfen - der Aflignaten (Bapierrubel) gegen Silber:
geld zeigt fein feſtes Berhältnig zur Vermehrung ihrer Quantität, d. 5.
das gefunfene Papiergeld vertrat in feiner Sreisfumme nicht immer
gleich viel Silber, was man aus der fortdauernden Ausfuhr des letzteren
erflären fann. Es war nämlich
Summe: der Curs |Betrag in Silber nad
Affignaten. berfelben |dem jedesmal. Eurfe.
1791 u. 92 94800000 R. 80 75.640000 R.
1794 — 96 105:700000 ⸗ 70 13°990000 ⸗
1807 — 09 464300000 : 551/5 256912000 =
1810 577000000 ⸗ 33%/; 192333000 =
1817 836000000 ⸗ 25%, 210672000 =
1824 595776000 ⸗ 25%/8 151°922882 s
1825 fam der Curs auf 26°, (nämlich 374 Bapierrubel für 100 Rub.
in Silber), 1839 wurde er auf 350 für 100 Silber feftgeftellt. Die
595 Mill. Aflignaten wurden feit 1843 um jenen Preis (9/7) gegen ein
neues Papiergeld, die Reihscreditbillets, umgetaufcht, welche
vermöge eines anfehnlichen Baarvorraths dem Silber glei fliehen.
Merfwürdig if, daß hiebei 12287000 R. nicht zum Umwechſeln vor:
gelegt wurden, alſo verloren gegangen waren, aber dagegen 6857000 R.
nachgemachte Afignaten zum Borfchein kamen. Die Reichsbank bat
zwei Abtheilungen. 1) Die Leihbank, weldhe auf Hypotheken leiht
und dazu auch Gapitale vom Staate, von öffentlihen Anftalten und
von Privaten aufnimmt, hatte zu Anfang 1853 326%. Mill. R. auss
geliehen, ihr eigenes Vermögen betrug 121/, Mill. N. (Aufgehoben 1860.)
2) Eommerctalbanf, teit 1818, welche Wechſel Ddiscontirt und
dur Anweilungen Zahlungen an anderen Orten beforgt, auch Bor:
fgüfle auf Waaren giebt, ferner Umfcreibungen vornimmt. Sie hat
Gomptoire in mehreren Städten. Ihr Gapital if 8571000 R., womit
fie im Jahre 1852 26 Mill. discontirte. Es waren 186 Mil. R.
bei ihre verzinslih angelegt. Stord, II, 128 und Zuf. 174. —
Cohen, Comp. of finance, Doc. S. 135. — Dede, D. Handel des
rufl. Reihe, 1844, ©. 68. — Hübner, II, 218.
Die ältere, den ganzen Bunbdesflaat umfaflende Banf (im Orgenlapt
der Provinzialbanten) wurde 1791 auf 20 Jahre mit 20 Mill. Doll.
Capital geftiftet und hörte deßhalb 1811 auf. Die neuere wurde 1816,
abermals auf 20 Jahre, errichtet, mit 35 Mill. Doll. (wovon 28 Mill.
(e)
— 40 —
in Staatöpapieren) in Actien zu 100 Doll., wovon der Staat felbft
Us nahm. Die Bank discontirte, lich auf Fauſtpfaͤnder und trieb Handel
mit Müngmetallen, durfte aber hoͤchſtens 35 Mill. Noten über den
Betrag der eingelegten Summen ausgeben (alfo nit über 79 Mil.
zuf.) und dem Staate nicht über 500000 Doll. leihen. Die Ders
wirrungen begannen, als im Sabre 1833 der Bräfldent der Union
Sadfon beſchloß, daß die Staatögelder nicht mehr bei der Gentral-
bank, fondern bei den Banken in den einzelnen Staaten niebergelegt
und von diefen flatt jener die Zahlungen für die Staatscafle übermadt
werden follten. Der nächfte Grund hievon lag in einer ber Berfon
und den politifhen Anfichten tes Präfidenten Sadfon eatgegengeiehten
(mehr aritofratifchen) Richtung der Bankvirection , melde Flugſchriften
in ihrem Sinne veranftaltet hatte, doch ſcheint die Bank aud parte
begangen zu haben. Die Feindſeligkeit ftieg feitbem. Als am 3. März
1836 das Privilegium der Bank of the U. 8. ablief, befien Erneuerung
der Präfident verhindert hatte, wurde die Bank von dem Staate Benn-
folvanien ale Provincialbanf (Btate-bank) aufrecht erhalten. Ihre Ver⸗
waltung war nicht fehlerfrei, vielmehr Tieß fie fih in gewagte Unter:
nehmungen ein, wohin vorzüglich ungeheure Auftäufe von Baumwolle
aehörten. Sie gerieth daher mehrmals in Berlegenheiten. Nach der
Zahlungseinſtellung im Sabre 1837, für welche die Entziehung der
Staatögelder ale Entihuldigung geltend gemacht wurde, mußte fie
1839 und 1841 abermals bie Bablung ausfegen (Rau im Archiv,
IV, 376) und endlich 1842 fich auflüfen, woraus für die Actienbefiger
roße Berlufte entflanden. — v. Raumer, Die vereinigt. St. von
Rorbamerica, L, 361. 1835. _
Im Sabre 1830 wurden 320 Provincials oder Staatenbanken gezählt,
mit 61 Mill. Doll. Noten. Sie vermehrten fi in Folge ber von der
Megierung gegen die Banf der verein. St. ergriffenen Maaßregeln, fo
daß 1836 ſchon 557 mit 140 Mil. Doll. Scheinen, 1839 850, 1854
fogar 1208 Banken (Filiale mitgezäblt) mit 204% Mil. Doll. Noten
und 59,8 Mill. Doll. Baarfchaft beftanden. Zu Anfang 1859 zählte
man 1476 Banken mit 402 Mil. D. Capital, 193,3 Mil. Noten und
104,5 Mill. D. Baarvorratf. Hunt, Merch. mag. XL, 466. Der
Bruch einzelner Banken ereignete ſich ziemlich häufig, weßhalb die Ans
ahl derfelben ftets wechielte und die ungleiche Dienge des umlaufenden
eldes flörend wirkte. Die Berpflihtung zum Binlöfen der Roten gab
einen hinreihenden Schuß, indem bisweilen die Roteninhaber durch
Einfchũchterung abgehalten wurden davon Gebrauch zu machen. Die
Berfügung der Regierung, daß die Steuern und die Kaufgelder für
Landfäufe in Münze oder in Zetteln einer ben gefauften Ländereien
nahe gelegenen, ihre Noten puͤnctlich einlöfenden Bank entrichtet werben
müflen (treasury-order, vom 11. Juni 1836), in Berbindung mit der
Anhäufung eines der Union gehörenden, 1837 zu vertheilenden baaren
Borrathes, brachte eine große Geldverlegengeit hervor, während ber
Disconto auf 20—30 Proc. und no höher flieg, und fortwährend
ſtarke Sendungen von edlen Metallen aus Europa eintrafen. Saͤmmt⸗
liche Banken tegten im Sommer 1837 einige Zeit ihre Cinlöfungen
aus, und die Regierung mußte ihnen zur NRudzahlung der hinterlegten
Gelder Friften vergönnen. 1839 tant eine neue Berlegenheit ein, e6
brachen viele Banken und nur ein Theil der übrigen vermodte die Cin⸗
Löfungen fortzufegen. Die leichtfinnigen Unternehmungen 3. B. im Ans
kaufe von fremden Waaren und von Bauplägen, und das Aufborgen
vieler europäifcher Gapitale wurden durch Die Menge der mit einander
woetteifernden, zum Theil ohne gehöriges Stammvermögen errichteten
Banken ſehr begünfliget. Es entſtanden große Berlufte, und die öftere
— 414 —
Wiederkehr ſolcher Erſchuͤtterungen machte das Beduͤrfniß befferer Siche⸗
rungémittel gegen den Mißbrauch des Credites ſehr fuͤhlbar. Die
Meinungen waren hierüber getheilt: die Binen (wie Jackſon) wollten
die Banknoten mehr und mehr aus dem Umlaufe verdrängen, bie
Anderen erwarteten von einer gut verwalteten Hauptbant Huͤlfe. Ber:
fchiedene Staaten verboten die Kleinen Roten. — 1843 trat wieder eine
beträchtliche Zufuhr von Münzmetallen aus Guropa ein, welche nad) der
Berminderung der umlaufenden Noten deren Stelle erſezten. Nod 1845
beflagte Bolt, DaB die unverzinslich bei den Banfen hinterlegten
Staategelber nit ſicher ſtäuden. 1838 gab der Staat New:Dorf das
Beifpiel einer weiter gehenden Beauffichtigung. Jede neu zu erridhtende
Bank muß ein in guten Schuldbriefen beftehendes Capital aufbringen
und die auszugebenden Banficheine dürfen den Betrag diefes Capitals
nicht überfteigen, weßhalb fie von einem Staatsbeamten unterzeichnet
werden müflen. In mehresen Staaten ift neuerlich angeordnet werden,
daß die Noten bie zu dem Belaufe des Bürgfchaftscapitale der Banf von
einem Staatöbeamten eingenhändigt werben, daß bei der DBerweigerung
des Einlöfens die Noten durch Berfauf der hinterlegten Schuldbriefe
bezahlt und die Geſchaͤfte eingeftellt werden, 3. B. Connecticut und
Indiana 1852, Louifiana 1853. Diefe Maaßregeln geben indeß Feine
volle Sitherheit, weil die Banken noch andere Schulden machen koͤnnen
als durch Notenausgabe, namentlich vermittelt der Annahme von Gin
Ingen (deposite).. Im Jahre 1854 fiellten 85 Banken von Indiana
ihre Zahlungen ein und ihre Scheine fanfen auf 25 Proc., überhaupt
brachen 107 Banken in jenem Sahre, ald man ſum Behufe der Münz-
ausfuhr die Binlöfung ungewöhnlih häufig begehrte. Zufolge der
Krifis von 1857 ſank 1858 die Notenmenge auf 155 Mil. Doll. —
Hunt, Merchants magas. XXXI, 716. XXXII, 353. — W. Gouge,
A short history of papermoney and banking in the U. St. Philad.
1833. — Mohl in Rau, Archiv, II, 382. — Mac⸗Culloch,
I, 117 u. Supplem. ©. 64.
(f) Preußen. 1) Bank der pommerifchen Ritterihaft zu Stettin, 1824,
eine Privatanflalt, an ver nur Gutsbeſitzer Theil nehmen koͤnnen.
Stammvermögen 1 Mill. Thaler in 250 Nctien, daneben wit einem
Betriebscapitale von 25000 Thlr. Es wurden nur für 1 Mill. Thlr.
Bankſcheine (von 1 und 5 Thlr.) gemacht, welche den Theilnehmern,
fowie dieſelben Aetien bezahlten, eingehändigt wurden. Die &efchäfte,
z. B. Discontiren und Leihen, fonnten daher nur mit bemjenigen
Theile der baar eingelegten Summen betrieben werden, welcher nicht
zur Binlöfung vorräthig gehalten werden mußte. Der Gewinn follte
fo lange zum Stamme geſchlagen werden, bis dieſer auf 2 Mill. an-
gewachſen wäre, f. Statuten und Gefellfchaftevertrag der pomm.s
ritterfch. Privatbank. Berlin 1824. — Neue Statuten, 23. Jan. 1833.
Der Fond darf auf 2 Millionen gebracht werden (ift aber nır auf
1896500 Thlr. gelommen). Die Actionäre erhalten 4 Proc. Zinien,
vom Meberfhuß werden %5 ebenfalls vertheilt, */, kommt zum Referve:
fond. Neueſte Statuten 24. Aug. 1849. 1853 betrug die Summe der
diseontirten Wechfel 21%, Mill. Thlr., der Pfanddarleihen 6, Mill.,
Zins und Dividende 33%, Proe. — 2) Preußifhe Bank. Die Ber:
liner Bank, eine Staatsanftalt, war 1765— 68 eine Girobank,
1766 begann fie Discontos und Leihgeichäfte. Sie erhielt viele Capitale
von Stiftungen und Minderjährigen zu 2—2!/s Proc. Zins und betrieb
damit ihre Gefchäfte. Nach Cabinets⸗Befehl vom 11. April 1846 wurde
Re ermächtigt, Bankicheine auszugeben und ihr Capital durch Ausgabe
von Actien zu vergrößern, zuerſt 10, jegt 15 Mil. Thlr. in Actien zu
1000 Thlr. Der Cinſchuß bes Staates iſt 1876000 Thlr. Yür
[2
— 412 —
bie Scheine (bis 1856 hoͤchſtens 15 Mill.) fol ts ihres Betrages
baar oder in Silberbaren vorräthig fein. Diele „preußiihe Bank““
bat Filiale in vielen Provincialtädten. Im Jahre 1853 wurden von
ihr 61,8 Mil. Thlr. Wechfel discontirt und 68 Mil. auf Pfänder
ausgeliehen. 1859 war die Notenmenge 75 Mill., der baare Borrath
52,8 Mil. Thlr., Sins und Dividende waren 6 PBrocent. — 3) Staͤd⸗
tifhe Bank zu Breslau, Sapungen vom 10. Juni 1848. Roten
bis zu 1 Mill. Thlr., wovon !/5 dur Baarfchaft, %s durch Berfchrei:
bungen verbürgt. — 4) Bank des Berliner Caſſenvereins, nad
Gef. v. 15. April 1850 errichtet. Das Actiencapital iſt 1 MIN. Thlr.
Kleinſte Scheine 10 Thlr. (micht über 100000 Thlr.), fodann von
20 Thlr. (ebenfalls nur 100000 Thle.), von 50 Thle. (nicht über
300 000 Thlr.), 100 und 200 Thlr. Gin Drittel der Notenmenge muß
in Münzmetall, ein zweites in folchem oder discontirten Wechſeln gedeckt
fein. Notenmenge an 1 Mill. Thlr., baar Ende 1859 1,6 Mill. dies
eontirt 1860 121/, Mill., ausaelichen 4,6 Mil. — 5) — 9) Banken in
Pofen, Magdeburg, Danzig, Köln, Königsberg.
Baierifhe Bank, Gel. v. 1. Juli 1834. 9/5 der Fonds müflen
zu Anleihen auf Grund und Boden. %, dürfen zu Bank: und Wechſel⸗
efchäften verwendet werden , die Notenmenge darf diefe */s nicht über:
eigen und auch nicht mehr als 8 Mill. fl. betragen. as des Rotens
betrages muß durch bdonvelte Hypothek, */s wenigftens durch baaren
Vorrath gededt fein. Die Noten dürfen nicht unter 10 fl. ausgeſtellt
werden. — Statuten vom 15. Juni 1835. Mnfänglihes Capital
10 Mill. fl., erhoͤhbar bis 20 Mil. Das Privilegium dauert 99 Jahre.
Sig zu Münden, Filial zu Augsburg. Jede Actie (von 500 fl.) ers
hält zunaͤchſt 3 Procent Jahreszins und 4 des weiteren reinen Ge⸗
winnfles, der Reſt bildet den Hülfsvorrath. Die Noten werben bei
den Staatscaffen angenommen. Geſchaͤfte: 1) Anleiben auf Hypotheken,
bis zur Hälfte des ermittelten Merthes, in Summen von mindeftens
500 fl., mit Tilgung in einer Seitrente, hoͤchſtens 1 Broc. jährlich
nebft 4 Proc. hoͤchſtens Jahreszins ; 2) Discontiren von Staatspapieren
und Zinsfheinen (Coupons), wenn fie binnen einem halben Jahre fällig
find, von Wechſeln mit 3 Unterfchriften, ferner von Solawechſeln gegen
ein Unterpfand in Waaren, Pretiofen und Staatspapieren: 3) Dar
leihen auf Staatepaviere (bis 90 Proc. des Tagescurſes), Banfactien,
gemungtes und rohes Bold und Silber ; 4) Eröffnung eines Gredites
zum Umfchreiben (Birogefchäft) gegen baare Hinterlegung einer Summe ;
5) Annahme von Münzen, rohem Metall, Bretiofen, Urkunden ıc. in
Verwahrung ; 6) Lebensverfiherung, nach den Grundbeflimmungen vom
5. Mai 1836; 7) es ift mit der Bank auch eine Nentenanftalt ver:
bunden, Sagungen vom 22. Wug. 1839 ; ferner, 8) eine feuerverfiches
rung für bewegliche Habe, Grundbeſt. vom 20. April 1836. _ Das
Actiencapital ift bis auf 20 Mill. fl. erhöht worden. 1853 betrug
bie auf Hypotheken ausſtehende Summe 9-6970n0 fl., das Leihgeſchaͤft
10,7 Mill. 1852 die Discontiruna 4,2 Mil. Die ausgegebenen Noten
beliefen fih auf 8 Mil. fl., die Dividende auf 6/5 Proc.
Sachfen. Leipziger Bank feit 1838. 3 Mil. Thaler
Capital. Die Baarfhaft muß mindeflens *;s der Moten fein, deren
Summe 1859 10% Mil. Thlr. war. — Stadtbant in Chem:
nitz feit 1848, mit Greditfcheinen au 1 Thle. — Landftändifche Banf
zu Bautzen, feit 1844, mit Dedung der Noten durch !/s baar.
Medlenburg. Roſtocker Bant, feit 1850, I Mil. Thlr. Noten
im Jahre 1859.
Deffauifhe Bank, 1847, 4 Mil. Thlr. Actiencapital. Baar:
(9)
(%)
(9
(X)
— 43 —
fhaft nicht unter */s der Noten. Diefe beliefen fih 1859 nur auf
160000 Thlr. Mebler Bermögensftand.
Die Naffauifche Landesbank (Staatsanftalt) Hat nur Leihgefchäfte,
ſ. I, €. 113 0).
Im Jahre 1853 wurden Zettelbanfen erritel zu Braunfchweig
(e Mill. Thlr. Kapıtal), Weimar (5 Mill. Thir., giebt auch Vor:
hüfje zur Ablöfung grundherrlicher Lanen), Gotha. 1854 in Frank⸗
furt. Diefe hat einftweilen 10 Millionen f. Actiencapital, darf feine
Darleihen aufnehmen, feine Gewerbeunternehmungen unterflügen, an
feiner Staatsanleihe Theil nehmen. euere B. in Bremen, Darm:
ftadt, Gera, Hannover, Homburg, Lübed, Weiningen,
Sondershaufen.
1833 Berner Banf, eine Staatsanflalt, für Anlegung der Staat:
gelder beſtimmt. Banffcheine bis zu 2 Dill. franz. Fr., zu 20, —
50 und 100 Fr., einlösbar bei der Bank und bei den öffentlidyen Caſſen,
foweit deren baarer Borrath und bevorftehende Zahlungen es erlauben;
Mathy in Rau, Archiv, IV, 69. Neue Statuten 1846. — 1836
Bank zu Zürich, 1/s Di. fl. eingezahites Actiencapital. Rau, Ardiv,
VI, 308. — St. Gallen, — 1845 Baſel, an ber Stelle der
älteren Giro: und Depofttenbant, Laufanne, Senf, Luzern x.
Neue Bank beider Sicilien, 1808. — Rom, 1834. Nad der
Zahlungseinſtellung im Jahre 1848 und der Meugeftaltung der Banf
1850 wurde 1854 die Ginlöfung der Noten wieder angefangen. —
Bank zu Genua 1844, zu Turin 1847 errichtet; beide verihmolgen
1849; im Jahre 1850 41 Mill. Zr. NRotenumlauf. — Savoyiſche B.
in Annecy und Chambery, 18551. Benvenuti e Meneghini,
Manusle del citadino degli stati Sardi,1, 366. — Bank in Livorno, 1837.
Niederlänpifche Bank feit 1814 mit einem Gapitale von 5 Mitt. fl.
in Nctien zu 1000 fl., von denen der König boo übernahm. 1819
wurde das Gapital verdoppelt, ſeit 1841 beftcht es aus 15 Mil. fl.
Der Baarvorrath if fortwährend größer als der Notenumlauf, 3. B.
zu Gnde 1853 war jener Yu, dieſer 77 Mill. fl.
1) Soeiôté generale pour faroriser l’industrie, geftiftet 1822 mit einem
Bapital von 30 Miu. f. in 60000 Actien, dazu 20 Dill. fl. in Laͤn⸗
dereien, welche bie Geſellſchaft großentheile —E hat. — Noten waren
bis zu dem Belaufe von 40 Dill. Fr. erlaubt, aber nur 12—15 Bill.
wirklih ausgegeben. Außer den gewöhnlichen Banfgeichäften hat viefe
Bank gegen 40 andere Gewerbsgeſellſchaften mit Vorſchuͤſſen unterſtuͤtzt
und zugleich der Regierung als Staatscafie gedient, jür Y/4 Broc. Bros
vifion. Die Ausgabe von Bankſcheinen hat 1850 aufgehört, f. Ar. 3.
In diefen Jahre liefen für 32%, Mill. Gr. Noten um. — 2) Bei⸗
ifhe Bank zu Brüfiel, feit 1635; Capital feit 1841 30 Mill. Fr.,
oten zu 40—100U Fr., aber nicht über den Betrag des Gapitals der
Geſellſchaft. Im December 1638 mußte die Bank ihre Eintöfungen
einftelen, da fie durch zu flarfen Begehr von Münze in Bebrängniß
gefommen war. Dieß rührte zum Theil von der Bejorgniß eines Krieges
mit Holland her, indeß hatte auch dieſe Bank fid zuviel in verfchiedene
gewerbliche Unternehmungen eingelafien. Sie erhielt 4 Mill. Vorſchuß
von der Regierung und eine Imonatlide Zahlungsfrift, worauf fie alle
Verbinpdlichterten erfüllte. Im Jahre 1848 geriethen diefe beiden Banken
in Berlegenheit und wurden durch das Geſetz vom 20. März von der
Ginlöjung entbunden, wobei die Noten Zwangscurs erhielten. Bei den
Verhandlungen über die Aufhebung biejer Anordnungen wurde bes
fchlofien, eine neue Bank zu errichten, zu deren Gunſten die beiden ges
0)
us
(m
(n)
(®)
— 44 —
nannten Anfalten auf das Recht verzichteien, Roten auszugebews und
Wechſel zu discontiren, und deren Actien vom ihnen Alemsmmen wur⸗
den. — 3) Nationalbant, Geſetz vom 10. Mai 1850, Gapital
25 M. Fr. IhrHauptgeichäft it das Discontiren (1852 für 324M. Fr.),
auch beforgt fie an der Stelle der Soc. göner. die Caſſengeſchäfte des
Staats. Notenumlauf im Aug 1853 76,8 Mill. Fr., Baarſchaft
a3: Mil. — 4) Lütticher Bank feit 1835, mit 4 Millionen; fie
discontirt nicht, leiht aber auf Yaufls und Unterpfänder, auch gegen
Beitrenten. Rotenumlauf 1850 nur 100550 Fr. — 5) Blanır (de
Bank zu Gent, 1841, mit 10 Mill. Fr. Capital. Ente 1850
waren 2.480.000. 7. Scheine ausgegebew, Situation de la Belg. EV, 175.
Die norwegiſche Bank ging aus der daͤniſchen Reichsbank non 1813
hervor. Sie war auf ein Actiencapital von 2 Mill. Species (gu
2,%8 fl.) a welches aber langfam zu Stande fam. Da man
die Scheine ohne Binlöfung vermehrte, fo Tanken fie anſehnlich. Erſt
1842 famen fie wieder in Bari und die Ginlöfung begann. 1822 war
ber Cure der Noten gegen Silber noch 170 gegen 100. Die Bank
leiht Landwirten und anderen Gewerbsleuten zu 4 Proc. 1851 war
die NRotenmenge über 5 Mill. The.
Die Liffaboner Bank (feit 1822) Imat karl 2 zur Ginziehung
des Papiergeldes beflimmt. 2000 Mill. R. (%/s des Stammvermögene)
wurden der Regierung zufolge der Statuten in Banfnoten gegen 4 Proc.
Binfen geliehen, um damit eine gleihe Summe von Papiergeld einzu:
wechſeln und zu vertilgen. Balbi, Essai statistique, I, 331.
December 1827 mußten die Zahlungen eingeftelt werden, weil es an
Baarfchaft fehlte, doch fland die Bank nicht Ichlecht, fie hatte 1600 Contos
de Beis (Millionen Reis zu 2829 fl.) Noten im Umlauf, dagegen
waren 4785 C. in Metall, Papiergeld und Staatspapieren (leptere
3000 ©.) vorhanden, auch erholte ſich fpäter die Bank wieder. Die
Klage über die zu ayaufige Ausfuhr der Münzen ift ungereimt, weil
das Ausgeben der Noten diefe Folge Haben mußte. Die Regierung
lieg wirklih ein Münzausfuhrverbet ergehen! Abermalige Einflellung
bei den Unruhen im uni 1846, in deren Folge die Noten auf 50 Proc.
erabgefegt wurden. Neue Bank von Portugal, melde die älteren
ten ummechfelte.
Banf von S. Yernando, 1829 dur Umgeflaltung der Leihbant
von ©. Carlos von 1782 gebildet. 1848 ei fie eine neue Ein
rihtung. Ihr Sapital wurde 1851 auf 120 Milk. Me. gefept. Ende
1852 Hatte ſie 103 Mill. Caſſenvorrath und 120 Mill. NRotenumlauf. —
Auch in Cadiz beſteht ſeit 1847 eine Zettelbank, Hübner, IL, 263.
Die polnifhe Bank in Warfchau feit 1828 if eine Staatsanflalt,
deren Stammvermögen anfangs aus 30 Mill. poln. fl. befand, feit
1841 aber aus 8 Mill. Rubel (53'/, Mill. fl.) beſteht. Sie ik zum
Aueleiben beftimmt, zugleih mit der Schuldentilgung beauftragt. Era
im Yebruar 1830 wurden Bankbillete im Betrage von 14 Dill. aus⸗
egeben, zu denen in der Revolution 1831—32 26 Mill. neue kamen.
Sesiger etrag 40 Mill. Rubel.
Seit 1841. Netien: Sapital 5 Bill. Dramen (zu 25 fr.). fs des
Stammvermögens foll zu Darleihen auf Unterpfandsrechte und Pfänder
verwendet werden, hoͤchſtens zu 10 Proc. Die Scheine follen nicht
über Ys des Stammpermögens betragen und es foll %/, ihres Belaufs
baar vorräthig fein. Ihr geringfler Betrag iſt 10 Dr. 1848 wurde
die Bank der Verpflichtung zum Binlöfen uͤberhoben. Zu Ende 1861
hatte fie 13/4 Mid. Dr. eine und 11/5; Mill. Haar.
— 45 —
(g) Seit 1808 vom König beftätigt als Banco do Brasil, zugleich Leih⸗
anftalt, Aſſecuranzgeſellſchaft c. Die Stiftung der Bank ſarß iſt einige
Jahre fruͤher geſchehen. Sie wurde ſo ſehr von ber Regierung zu Vor⸗
ſchuͤſſen gemißbraucht, daß fie die uͤbergroße Menge ihrer Zettel nicht
im Bari zu halten vermochte, und drängte die umlaufende Münze mehr
und mehr außer Landes. Das Gold war fchon bis auf 230 Proc.
gegen Papier geftiegen. Der Wechſelcurs auf London (fortwährend gegen
34 Pence Sterling für 1 mille Reis, Pari gegen 51 oder fogar 53)
deutet noch auf einen Goldpreis von 150 Proc. gegen Papier. Spir
und Martius, Reiſe in Brafll. I, 130. — Ber. enc. Oct. 1829.
©. 216. — 1829 erlofh diefe Bank und ihre Scheine wurden in
Stantepapierged umgewechfelt. Rue Bank, 1853, auf Actien mit
an Doll. Capital, auch zum Ginziehen des älteren Papiergeldes
eftimmt.
Viertes Buch.
Berzebrung der Vermögenstheile.
Erfte Abtheilung.
Die Derschrung im Allgemeinen betrachtet.
$. 318.
Die Verzehrung der Güter ($. 68) vernichtet zwar bie
Wirfung einer voraudgegangenen Erzeugung, ift aber nicht
ſchon deßhalb für ein volkswirthſchaftliches Uebel zu halten.
Nicht die bloße Anhäufung von Gütern, fondern der Nutzen,
der aus ihnen fiir die menfchliche Gefelfchaft entjpringt, ift der
Zwed der Wirthfchaft ($. 72). Erft durch den Gebrauch der
Bermögenstheile entftehen jene perfönlichen Güter, zu, denen bie
fahlidyen nur Hülfsmittel find. Die an den Gebrauch gefnüpfte
Verzehrung ift daher eben fo nothwendig, ald die Hervors
bringung. Beide Vorgänge ftehen in genauem Berbande, denn
wie die Ausdehnung der Berzehrung durch die vorausgegangene
Erzeugung bedingt wird, fo kann auch diefe nicht wiederholt
und weiter fortgefeßt werden, wenn nicht die früheren Vorraͤthe
verzehrt und dadurch Bebürfniffe neuer Erzeugniffe erregt worben
find. Indeß ift Feinedwegd jede Verzehrung nüglih, und
auch eine im Allgemeinen als nüglidy erfannte trägt doch zur
Erreichung der wirthſchaftlichen Zwede bald mehr, bald
weniger bei,
— 41 —
$. 319.
Die Berzehrung als Zerftörung eined Werthed kann eben
fo, wie die Hervorbringung ($. 83), auf doppelte Weife ges
fchehen:
1) Es ereignet ſich eine Außere Veränderung, mit der eine
gänzlich oder theilweife erfolgende Vernichtung bes Werthes
verbunden ift (objectiv), und zwar
a) indem ein Sachgut feine bisherige Befchaffenheit
verliert, Eörperliche, materielle VBerzehrung. Bald ift
e8 die Geftalt, bald die Zufammenfegung der Beftandtheile,
worin die Veränderung vorgeht. ine andere wichtige Bers
Ichiedenheit liegt darin, daß diefe Verzehrung entweder bei dem
Gebrauche der Güter erfolgt, d.h. ein®erbraud) ift (8. 68), oder
unabhängig von dem Gebrauche, mit oder ohne Verſchulden
der Menfchen (a);
b) durch andere Umftände, von denen die Beziehung eines
Gegenftandes zu einem menfchlichen Zwede als Mittel für den-
felben, d. i. der Gebrauchdwerth, zum Theil bedingt wir,
wobei bald ein einzelner Zwed Hinwegfällt, bald ein Mittel
feine Anwendbarkeit für denfelben ganz oder theilweiſe verliert (D).
2) E8 tritt nur eine Aenderung in dem Urtheile über
ben Werth eined Gutes ein (fubjectiv). Dieß fann, den
Gall eines berichtigten Irrthumes abgerechnet, am Teidhteften
ftattfinden bei Zweden, bie in zufälligen Gefühlen und Bor-
ftellungen beruhen, ohne tief in der menfchlichen Natur begründet
zu fein, 3. B. bei Modeſachen (c).
(a) Stord, 1, 166. — Das Berfaulen des Holzwerfes an einem Schiffe,
die Abnügung der Pflugſchaar, find Beifpiele des Verbrauches, das Vers
brennen eines Schiffes und das Verroſten ungebraucter Bifengeräthe
erläutern die Verzehrung ohne Gebrauch.
(3) Ein But fann aus mancherlei Urfachen feinen Werth einbüßen, ohne
förperlih verändert zu werden, 3. DB. Zollhäufer nach der Aufhebung
des Zolles, Uniformen, die außer Gebrauch geſetzt find, Balender von
einem früheren Sabre, Zierrathen der Militärkleidung mit dem Namen
eines verfiorbenen Landesfürften. Ein Stiefel, Hantfchuh, Leuchter ıc.
hat einen großen Theil feines Werthes verloren, wenn das zugehörige
zweite Stüd nicht mehr vorhanten if. Während der Sonnenfinfternig
von 1836 fanf in Paris der Preis ter dazu vorbereiteten farbigen
Glaͤſer mit jeder Piertelftunte.
() Storch nennt biefes Confumtion der Meinung. — Perüden,
Haarpuder, Schubfchnallen ꝛc.
Rau, polit. Dekon. I. 7. Ausg. 97
— 48 —
$. 320.
Eine förperliche Berzehrung, die ohne Gebrauch eines Gutes
vorgeht (8, 319), ift immer ein Verluft für das Volksvermoͤgen,
weßhalb die auf ihre Verhütung gerichteten Beınühungen ber
Einzelnen und der Regierungen gemeinnügig wirken (a). Die
Verzehrung oder Werthöverminderung durch Außere. Umftände
und durch Aenderung der Werthfhägung fommt gemeiniglidh
nur bei Dingen vor, bie ohnehin feinen hohen Werth haben,
und ift ſchon aus diefem Grunde nicht erheblich, und während:
die Befiger des im Werthe gefunfenen Gutes einen Berluft ers
leiden, fann daraus für andere Menfchen wieder ein Bortheil
entftehen, indem fie nügliche Dinge wohlfeil an ſich bringen (B).
Der Berbraud, die häufigfte und wichtigſte Art der Ber-
zehrung, ift dann für die Volkswirthſchaft nüglic, 1) wenn bie
aus dem Gebrauche des verzehrten Gutes für die Geſellſchaft
entfpringenden Bortheile die Werthöverminderung wenigftens
aufwiegen, 2) wenn biefer Vortheil auf fparfame Weife, d. i.
mit dem geringften Güteraufvande zu Wege gebracht wird,
durch den er überhaupt zu erlangen if, — voraudgefeht, daß
eine größere Verzehrung nicht noch für andere Zwede nüglich
erfcheint.
(a) Die Schaltung der Sachgüter durch Verhütung ihres Verderbens ſowie
ihrer äußeren Delhäbigungen it ein wichtiger Theil der hauswirths
fhaftlihen Geſchaͤfte. Die Staatögewalt verfolgt den nämlihen Zweck
in der Feuer⸗, Waflerfchadens-Bolizei ıc.
(5) Altmodifche Kleider, Zimmergeräthe sc. gelangen an Berfonen, die auf
die Mode weniger Werth legen.
8. 321.
Der Berbraudy fol entweder 1) unmittelbaren Vortheil für
das menfchliche Xeben gewähren, d. h. perfönliche Güter her⸗
vorbringen, oder 2) die Entftehung neuer Bermögenstheile be-
fördern, oder 3) beiden Zweden zugleich dienen, wie dieß bei dem
Unterhalte der Xohnarbeiter geſchieht, 8. 31. 71. Im erften
Falle find die verbrauchten Güter Genußmittel, im zweiten Bes
ftandtheile ded Volkscapitales, im dritten find fie dieſes wenig⸗
ſtens dann, wenn der Unterhalt vorſchußweiſe beftritten wird.
Die Berzehrung ald Mittel zur Erzeugung wirb productiv
— 49 —
oder reprobuctiv (a) genannt, im Gegenſatz einer Unpro⸗
ductiven.
(a) Der Auedruck prodbuctiver Confumtion enthält allerdings bud-
Räblicy genommen einen Widerfprudh in fid, weil die Confumtion als
jöldye nicht produciren Fann, aber fie fteht mit der Production in ge:
naueter Verbindung, und jene Bezeihnung läßt fih als Abfürzung
rechtfertigen.
8. 322.
Die NRüglichkeit der unprobucttven Verzehrung ift nach
folgenden Rüdfihten zu beurtheilen: 1) Befchaffenheit ihres
Zweded. Ob der erlangte Vortheil fo groß fei, daß er die ver:
zehrte Werthmenge vergütet, dieß beurtheilt der Einzelne nad)
feinen Bermmögensumftänden und nad) feinen individuellen Reis
gungen. Yür die ganze Volkswirthſchaft fommt ed darauf an,
ob bie Verzehrung wirklid vernünftige Zwecke befördert, nämlich
wahrhafte perfönliche Güter erzeugt (a), und ob dabei die wich.
tigeren Güter vor den unbedeutenden, 3. B. Gefundheit, Unter:
richt ꝛc. vor den leicht entbehrliden Bergnügungen bedacht
werden. Diefe zwedmäßige Einrichtung hängt ab von dem
verftändigen und fittlichen Sinne des Volkes und von ber guten
Vertheilung des Einkommens unter die verfchiedenen Volks⸗
clafien, $. 249. 250. 2) Berhältniß des Mitteld zum Zwede.
Diejenige Verzehrung iſt von diefer Seite bie befte, weldye bei
gleichem Güteraufwande den beabfichtigten Bortheil für die größte
Zahl von Menſchen, im volften Maaße und die längfte Zeit
hindurch gewährt, weßhalb die Auswahl ber bdauerhafteften
Genußmittel und Sorge für ihre Erhaltung für das Volksver⸗
mögen nüglich find (d).
(a) Dagegen 3. B. Branntweintrinten, Opiumrauden.
(5) Der auf Seräthe, Koftbarkeiten, Sammlungen sc. gerichtete Lurus ift
deßhalb dem Aufwande auf vorbergehende Bergnügungen ſchon von
volfswirthfchaftlicher Seite vorzuziehen. Smith, IL, 117. — Stord,
U, 175. — v. Jakob, ©. 537.
$. 323.
Die productive Verzehrung ($. 321) ift deſto vor-
theilhafter, je mehr bie der Hervorbringung willen verzehrte
Gütermenge von ber neuerzeugten- überwogen wird. Diefe
beiden Guͤtermaſſen werden 1) von bemjenigen, der dad neue
27*
— 420 —
Erzeugniß ſelbſt benutzen will, nach ihrem Gebrauchswerthe
verglichen, und eben ſo muß man in Beziehung auf die ganze
Volkswirthſchaft urtheilen, inſofern das Guͤtererzeugniß zur Ver⸗
zehrung innerhalb des Landes dient; 2) von demjenigen, der
die Hervorbringung des Gewinnes willen betreibt, wird die
Vergleichung nur nach dem Verkehrswerthe angeſtellt; der
Unternehmer iſt zufrieden, wenn ihm ſeine Auslagen von den
Käufern feiner Waaren mit Gewinn vergütet werden, und bes
fümmert ſich nicht darum, ob die neu entflandenen Güter auch
volkswirthſchaftlich mehr werth feien, als die verzehrtn. Da
jedoh alle verftändigen Menfchen ihre Bebürfniffe nach ber
Stufenfolge der Dringlichkeit zu befriedigen, folglich bie werth⸗
volften Güter vor den anderen zu erwerben fuchen, fo kann
man darauf rechnen, daß in der Regel bie Käufer durch ihren
Begehr der Hervorbringung die gemeinnüßigfte Richtung geben,
und daß feine Güter von geringerem Werthe erzeugt werben, fo
lange noch an den nothwendigeren Mangel if. Kann ein
Sachgut zu mehreren Erzeugniffen von ungleihem Werthe vers
wendet werden, fo wird diejenige Menge deſſelben hervorgebracht
werben, für welche bie Unternehmer ver verfchiedenen Ders
wendungsarten die Hervorbringungsfoften ohne Verluft bezahlen
können, 3. B. foviel Waizen, ald zum Mahlen und zur Stärk-
mehlbereitung, foviel Roggen, ald zum Brode und zur Brannts
weinbrennerei, foviel Kartoffeln, als zu diefem Zwede und zus
gleich zur Ernährung der Menfchen und Thiere erforderlich iſt.
Daher wird in ber Regel der Berbrauch zu dem wichtigeren
Zwed durch die Benutzung beflelben Gutes zu dem leicht ent⸗
behrlichen nicht gefchmälert (a).
(a) Eine Ausnahme kann ftattfinden, wenn der ganze erzeugte Borrath ums
ewöhnlich gering ift, 3. B. in Mißjahren, wo die Dürftigen nit
oviel Nährkoffe faufen fönnen, daß biefelben für den Branntwein:
brenner zu theuer werden. Se größer die Ungleichheit der Ginfünfte
ift, defto leichter können die Heiden einen gemeinfhädlichen Aufwand
machen, wie 3. B. im römijchen Reiche viel Ackerland zu Fifchteichen
und dergl. verwendet wurde. "
$. 324.
Jeder Menfch ift ein Zehrer, Conſument, im allgemeinen
Einne des Worted. Man gebraudyt jedoch gewöhnlich jene
Ausdrüde in einem engeren Berftande, indem man die Zehrer
— 4211 —
- den Erzeugern entgegenfebt, welches in doppelter Weife ge:
ſchehen kann.
1) In Beziehung auf irgend eine beſondere Art von Gütern,
z. 3. Tuch, Stahlwaaren, find die mit der Hervorbringung
derfelben befchäftigten Arbeiter und Unternehmer die Erzeuger,
PBroducenten, alle übrigen Glieder des Volkes aber, weldye
foldye Güter verbrauchen, die Zehrer.
2) In Beziehung auf die Gefammtheit der hervorgebradhten
Güter find alle Arbeiter und Unternehmer, fowohl in den Stoff:
arbeiten ald in den probuctiven Handelszweigen ($. 109) für
Erzeuger, die übrigen Mitglieder der Gefelfchaft für Zehrer
anzufehen. Zu dieſen gehören zum Theil die Dienftleiftenden
(8. 108), ferner die von Renten lebenden Orunbeigenthümer und
Zindgläubiger (Capitaliften) — und diejenigen, welche gar nichts
leiften, $. 142. 5.
$. 325.
Die Verzehrung aller Volksclaſſen findet in ihrem Einkom⸗
men eine Graͤnze. Diefe Liegt alfo bei den Theilnehmern an
dem urfprünglichen Einkommen ($. 251) im Betrage des ge-
fammten Lohnes und Gewerböverbienftes, ferner in der ganzen
Grunds und Gapitalrente. Zu den Empfängern eines abgeleis
teten Einkommens gehören a) diejenigen @apitaliften, beren
Bermögen nicht ald wahres wolfswirthfchaftlidhed Capital an-
gewendet worden ift (8. 251 (a) ) und deren Einfommen zum
Theil die unabänderliche Nachwirkung früherer Verzehrungen ift,
b) die Dienftleiftenden. Inſofern fie von Einzelnen befchäftiget
werden, fönnen fie nur fo viel verzehren, als die anderen Stänbe,
welde das urfprüngliche Einfommen empfangen, für perfünliche
Güter auszugeben vermögen; allein bie Berzehrung der von ber
Regierung bezahlten Dienftleiftenden Fönnte dieſes Maaß über:
feigen, wenn die Staatseinfünfte, aus denen ihr Unterhalt bes
ritten wird, auf eine für bie Volkswirthſchaft ſchaͤdliche Höhe
gebradyt würden; c) bie Armen, Kranfen, Kinder, Züchtlinge ıc.
Diefe erhalten ihre Verforgung zwar ebenfalls von dem Ein-
fommen ber erwerbenden Staatömitglieber, nur iſt die Anzahl
biefer gar Feine Gegenleiftung gewährenden Zehrer nicht fo, wie
die der Dienftleiftenden, von der Größe bes Bolförinfommens -
abhängig, fondern etwas Unwillfürliches.
$. 326.
Das Berhältnig, in welchem die genannten Haupttheile bes
gefammten Einfommend in einem Bolfe zu einander ſtehen, und
die Bertheilungsart eines jeden biefer Zweige find auch für bie
Verzehrungsweife maaßgebend. Die unentbehrlidhen Dinge haben
den allgemeinften Verbrauch. Die über das Nöthige hinaus⸗
gehenden Genußmittel finden da die häufigfte Verwendung, wo
der in einiger Wohlhabenheit lebende Mittelftand zahlreich und
ber Lohn hoch ift (a). Je ungleicher die Antheile der Volks,
claffen und ber Einzelnen ausfallen, je mehr Familien in Duͤrf⸗
tigfeit find und je höher der Reichthum Weniger angewachfen
ift, ein defto größerer Theil des ganzen Guͤtererzeugniſſes wirb
für Genüffe angewendet, die aus höherem Standpuncte betrachtet
von fehr geringem Werthe find.
(a) Ein gutes ftatiftifches Kennzeichen ift der Kleifchverbrauh. In Sngland
ſoll derfelbe 50 Pfd. auf den Kopf betragen, in Preußen 32— 35 Pfd.,
(Dieterici, Mittheil. 1854 Nr. 9), in Sachſen (Engel, Jahrb.
L, 51) D. 1847—49 ohne Schaaffleiih 30%, Pfd., in * Nind⸗
und Schweinefleiſch D. 1841—50 123,5 Pfd., 1851—54 139 Pfd.
Husson, Les consommat. de P. ©. 157. 197. — In Frankreich, Hatten
1835 auf dem Lande 346000 Häufer nur 1 Oeffnung (Thür), 817000.
nur 2 (Blangqui).
Zweiter Abſchnitt.
Verhältniß der Derzehrung zur Hervorbringung.
$. 327.
Wenn in einem Bolfe weniger Güter erzeugt ald verzehrt
würben, fo würde ber verzehrbare Theil ded Bermögendfigmmes,
und zwar fowohl des Gebrauchsvorraths als bed Kapitals,
von Jahr zu Jahr vermindert werden, dad Volkseinkommen
ebenfall8 abnehmen und ber finfende Wohlftand bringend zu
einer Einfchränfung des Verbrauches auffordern. Im entgegen-
geſetzten Galle, wenn die Verzehrung fo fehr hinter der Erzeugung
zurüdbliebe, daß nicht alle Erzeugniffe Abſatz finden Eönnten,
— 423 —
würden die Gewerbe floden und die Capitale und Arbeiter
zum Theil müßig bleiben. Daher gehört zu einem guten,
geregelten Zuflande der Volkswirthſchaft das Gleichgewicht
zwifchen der Verzehrung und ber Hervorbringung.
Doc kann diefe etwas ausgedehnter fein ald jene, ohne daß es
darum ſchon an Abfag fehlen müßte, nämlich) um fo viel, als
bei gleichem Verbrauche der Gebrauchsvorrath und das flehende
Gapital eine größere Gütermenge aufzunehmen im Stande
find (a).
(a) Ban pflegt zwar im Ganzen genommen von jeder Sache nur ungefähr
foviel zu Faufen, als der jührliche Abgang ausmacht, doch finden es die
Menfhen in vielen Fällen nüglih ober angenehm, ihre Vorräthe zu
vergrößern, befunders bei dauerhaften Zurusgegenfländen, wie Echmuck,
Kunftwerfe und dergl. Der Conſument ſchafft fih 3. B. gerne einen
mehrfachen Wechfel von Kleidungsftüden, der Handwerker eine Auswahl
von Werkzeugen an, obne darum mehr abzunüßen.
8. 328.
Unterfucht man, was zur Herftellung dieſes Gleichgewichts
erfordert wird, fo ergiebt fich zumächft, daß bloß der Größe nach
betrachtet die ganze verfäufliche Güternenge, welche in dem Jah⸗
rederzeugnifle eined Volkes enthalten ift, unter den Mitgliedern
des Gefellichaft Abfag finden kann. Ein Theil der Erzeugniffe
wird von denen, welche fie hervorbringen, felbft verbraucht, ein
anderer wird unmittelbar an andere Dienfchen abgegeben und
von biefen verzehrt, 3.38. das Brodforn, welches der Landwirt
feinen Tagelöhnern giebt; ein britter und zwar ber größte Theil
wirb verkauft. Der Erlös hieraus, welcher theild dem Ber:
fäufer verbleibt, theild von bemfelben an andere Perſonen zur
Vergütung verſchiedener Leiftungen gegeben wird, kann wieder
zu anderen Einfäufen verwendet werben, und in fofern fann
man fagen, das gefammte Angebot fei dem ganzen Begehre
gleich (a).
(a) Say, Briefe an Malthus, in der Ehrift: Maltbus und Say,
Ueber die Urfachen der jekigen Handelsftodung, aus dem Engl. und
Bean von Rau, ©. 89. (Hamb. 1821.) — J. Mill, El&mens,
. 249.
8. 329.
Diefer Sap bedarf jedoch noch einer näheren Beſtimmung.
Die fämmtlichen zum Berkaufe beftimmten Erzeugnifle, alfo eine
_— 44 —
gewiſſe Menge, bilden das Angebot. Der Begehr aber haͤngt
neben den Beduͤrfniſſen und der concreten Werthſchaͤtzung ber
angebotenen Güter auch nody von der Fähigkeit zu kaufen, folg⸗
lich wieder von der Preismenge ab, welde beim Verkaufe
aller feilgebotenen Güter erhalten werden fann. Wenn eine Art
von Erzeugniflen in einer zu großen Menge vorhanden ift, fo bleibt
ein Theil dieſes Vorrathes unverfauft, wodurch dann auch das
Vermögen zum Einfaufe anderer Güter bei den Unternehmern
und den übrigen Theilnehmern an der Production biefer übers
mäßigen Menge vermindert wird. Findet eine gewiſſe Güter-
maſſe feinen Abſatz, fo fehlt e8 auch für eine andere an Käu-
fern; wirb ein Theil der Erzeugniffe um einen ungewöhnlich
niedrigen Preis verfauft, fo fönnen bie Verkäufer und vielleicht
auch ihre Gehülfen (Arbeiter, Grundeigner, Capitaliften) nicht
mehr fo viel Dinge anderer Art einkaufen, als fonft. Deßhalb
ift die bloße Möglichkeit, daß dad ganze Gütererzeugniß Abfag,
und zwar um einen die Koften vergütenven Preis, finden fönne,
noch nicht hinreichend, um die Gewerbe in gutem Yortgange zu
erhalten, denn die Menfchen Faufen nicht, um dem Unternehmer
Abfag zu verfchaffen, fondern um ihre Bebürfniffe zu befriedigen.
Kur dann kann folglich alled Hervorgebradhte auch wirklich ges
fauft und verzehrt werben, wenn von jeder Waare gerade fo viel
erzeugt und feilgeboten wird, ald die Mitglieder des Volkes
davon gebrauchen und faufen Eönnen (a).
(a) Straf Lauderdale, Weber Nationalwohlſt. S. 8ST—%. — Rau,
Anhang jr der Schrift: Malthus und Say, ©. 204. — Wenn
J. Mill a. a. D. fagt: die eine Hälfte der Güter kann immer mit
ber andern erfauft werden, fo ift die Theilung der Gütermafle in zwei
Hälften willkuͤrlich und das bloße Kaufenkönnen müßt nichts, wenn
nicht die Menfchen ihres Vortheils willen ſich zum Kaufen wirklich ent:
Schließen. — „Würde das ganze Nationalvermögen von England in
Theile zu 100 £. St. jährlihen Cinkommens vertheilt, fo Fönnte feine
Macht es verhindern, daß nicht die Pradıtkutichen: Manufacturen ein:
gingen. Der Preis jeder Kutfche diefer Art würde viermal das jähr:
lihe Sinfommen eines jeden überſteigen.“ Lauderdale, ©. 88.
$. 330.
Es ift undenkbar, daß von allen Gütern zugleich eine größere
Menge hervorgebracht würde, ald man zu verfaufen im Stande
wäre (a). Die Neigung der Menfchen, ihren Gütergemuß zu
erweitern, ift unendlich, und nur die. Befchränttheit ihres Ein-
— 45 —
fommens nöthigt fie, auch ihrem Verbrauche Gränzen zu fegen.
Wenn nun ein reichlicher Vorrath von allen Dingen da wäre,
fo würden alle Theilnehmer an dem einen Zweige der Hervors
bringung von den Erzeugniffen mehrerer anderer mehr zu erfaufen
fuchen, und fo verfchaffte ınan fich gegenfeitig ausgedehnteren
Abſatz (5). Eher könnte von einzelnen Waaren oder Waarens
gattungen dad Erzeugniß für dad Vermögen der Kaufluftigen
zu groß fein, entweder 1) zufolge übermäßig ausgedehnter
Speculationen, wobei der Bedarf und dad Einfommen ders
jenigen Menfchen, für die eine Waare beftimmt ift, nicht ges
hörig erwogen werben (c), oder 2) wegen fehr reicher Ernten,
ober 3) wegen einer unerwarteten Abnahme ber DVerzehrung,
weil etwa die zum. Einfaufe diefer Waaren beftimmten Güters
mengen eine andere Verwendung erhalten hätten (d).
(a) Wie dieß von Malthus behauptet wurde, Principles, ©. 351 vergl.
die Schrift: Malthus und Say, ©. 6. — Simonde de Sis⸗
mondi neigt fih ebenfalls zu dieſer Meinung; f. die Aufläge von
Dunoyer und Sismondi, in Rev. enc. Juni und Zuli 1827. —
Dagegen au) Storch, M&m. de l’acad. de St. Pöterb. Sc. pol. L 30. —
Portielje, An fieri possit, ut tot res conficiantur, ut vendi amplius
non possint? Amstel. 1834. — Rau, Archiv II, 105.
(6) GEs giebt _alfo Feine allgemeine Ueberfüllung eines Landes mit feinen
Erzeugnifien, und wenn irgendwo bie Preife allee Waaren geiunfen
wären, fo dürfte man auf eine ganz andere Urfache, nämlich auf eine
Veränderung im Geldweſen fchliegen. Handelsſtockungen, fofern fie aus
einem übermäßigen Angebote entfpringen, find immer nur auf einen
Theil der Waaren beſchränkt. Daß die Klagen über allgemeinen Ber:
fall des Wohlftandes nur partiell fein koͤnnen und blos auf abnehmen:
ben Gewerbsverdienſt ($. 244) oder auf einzelne Gewerbözweige oder
einzelne Länder zu beziehen find, geht aus dem thatlächlichen Nachwei-
fungen ber fleigenden Production und Gornfumtion im Ganzen deutlich
hervor. Solche Belege geben: (Weber) Gedanken, Anſichten und
Bemerkungen über die Unbill und Noth und die Klagen unjerer Zeit.
Berlin 1826. — Defien Blide in die Zeit, 1830. — Berber, Beis
träge 3. Kenntniß des gewerbl. und commerce. Zuflandes ber preuß.
Monarchie, 1820. Defien neue Beiträge sc. 1832. — Bauer, Ge:
frönte Preisihrift: IR die Klage über zunehmende Verarmung und
Nahrungslofigkeit in Deutichland gegründet? Erfurt, 1838. — Auch
Kan Kolb und Benedict find Beantwortungen biefer Frage er:
ienen.
(c) Dieß zeigt fih am haͤufigſten im auswärtigen Handel, da die Güter
menge, die ein anderes Bolt zu faufen im Stande ift, weniger leicht
vorausberechnet werden kann, als der innere Abſatz, und da bie irzeus
ger mehrerer Ränder, ohne von einander zu wiflen, auf die Verſorgung
eines und defielben Volkes hinarbeiten können. Das merkwürdigſte
Deifpiel in der neueften Zeit giebt die Neberfüllung der americanif
Märkte mit europäijchen Gewerkswaaren, befonders im Sabre 1825. —
Klagen in Belgien über gelähmten Abſatz vieler Gewerkowaaten, 1849,
— 426 —
3. B. bei einer beträchtlichen Erhöhung der Staatsabgaben müfen bie
Einzelnen fi einen Theil ihrer bisherigen Genüſſe verfagen.
$. 331.
Eine zu Häufige Erzeugung einer Waare verurfadht ben
Unternehmern einen Berluft, es fei nun, daß ein Theil des Er⸗
zeugniffes gar nicht abgefegt wird und alfo das angewendete Bas
pital ungenügt liegen bleibt, oder daß man unter dem Koſten⸗
betrage verfaufen muß. Die Unternehmer werben fich für die Zu⸗
funft voreinem folchen Schaden zu hüten fuchen, indem fie die Her-
vorbringung dieſer Waaren befchränten, fehlerhafte Speculationen
können nicht lange fortgefegt werden, und diejenigen Berfäufer,
welche nicht fo wohlfeil erzeugen, ald die anderen, müflen fich
zurüdziehen und einträglichere Gefchäfte ergreifen, fo daß bie
Hervorbringung wieber mit dem Bedarfe in- ein angemefjenes
Verhaͤltniß tritt. Freilich kann fo lange, bis dieſer Uebergang voll
fländig erfolgt ift, eine Bebrängniß der Arbeit eintreten. Bei
den Iandwirthfchaftlichen Erzeugniffen ift eine länger anhaltende
Ueberfülung ded Marktes möglich, weil weder die Größe des
jährlichen Bobenerzeugniffed in der Gewalt der Landwirthe ſteht,
noch auch der Uebergang zu einem anderen Gewerbe leicht iſt (a).
(a) Sismondi leitet die Weberfülle (encombrement) der Broducte (ohne
zureichenden Grund) davon her, daß die arbeitende Claſſe in neuerer
Zeit blos vom Lohne lebe, ohne auf eigene Rechnung zu arbeiten, und
daß die Lohnherren Unternehmungen anfangen, nicht wegen einer Nach⸗
frage von Seite der Confumtion, fondern blos weil die Arbeiter fidh
erbieten, um niedrigeren Lohn zu arbeiten. Sur la balance des con-
sommations avec les productions in Revue encycl. XXII, 264. (Mai
1824). Die leptere Behauptung widerftreitet aller Erfahrung. Iſt bie
arbeitende Claſſe in einer au beichränkten Lage, um ſich vielen Güter:
genuß zu verfchaffen, jo wird ber Aufwand ber Unternehmer, Grand:
eigner und Gapitaliften defto größer fein und bie Production kann,
wenn fie auf die Gebrauchögegenftände dieſer Claſſen gerichtet wird,
im Ganzen ebenfo ausgedehnt fein, als wenn fie, was freilich in anderer
Hinfiht nüglicher wäre, einer gleiheren Bertheilung des Ginfommens
zu entſprechen hätte. — Vgl. die Abhandlung von Say mit berfelben
Ueberfchrift,, ebend. XXIII, 18. (Juli 1824.) — v. Malchus, Stat.
u. Staatenf., ©. 1%.
$. 332.
. Denkt man über die Urfachen nad, welche bad Berhältniß
zwifchen der Größe ber Berzehrung und der Hervorbringung
beſtimmen, fo wisd man auf bie Berfchiedenheit beider Zwecke
ber Berzehrung hingeführt. Die productive Berzehrung,
welche fowohl den gänzlicdyen Verbrauch umlaufender, als bie
Abnügung ftehender Capitale begreift, ift mit einer beftimmten
Einrihtung der Gütererzeugung nothwendig verbunden. Die
hiezu erforderlichen Gütermüflen unter den Erzeugern felbft leicht
Abſatz finden, wenn fie nur in folcher Befchaffenheit und Menge
hervorgebracht werben, wie ed ber Bedarf erheifcht, $. 323.
Dagegen ift die un productive Verzehrung der bloßen Zehrer
wie der Erzeuger (a) von befonderen Umfänden abhängig,
welche theild da8 Bermögen, theild bie Neigung der Menfchen
zum ®ütergebrauche betreffen.
(a) Nämlich was diefe über ihren Unterhaltsbedarf hinaus verzehren.
$. 333.
Das Berhältniß zwifchen der productiven und der unprobucs
tiven Berzehrung in einem Volke wird beftimmt 1) von ber Art
ber Bertheilung bed Vermoͤgensſtammes und des jährlichen Ein-
fommens, weil die blos von ihren Renten lebenden Grunds
eigner und Gapitaliften weniger überzufparen und mehr für blos
perfönlichen Genuß zu verwenden pflegen ald die Gewerböleute
und Lohnarbeiter (a); 2) von den Bebürfniffen und Gewohn⸗
heiten jeder Volksclaſſe und der Sinnedart ganzer Volksſtaͤmme (b),
indem baraus bald eine größere Neigung zum Ueberſparen, bald
ein flärferer Hang zur Erweiterung bed Gütergenuffes hervor-
geht. Bon diefer Seite ſteht die Einrichtung der Verzehrung
ganz in ber Freiheit der Einzelnen, weßhalb es ſchwer ift, fie
im Voraus zu bemeflen; 3) von ber Größe und Beſchaffenheit
ber Staatsconfumtion, und zwar nicht blos der im Dienfle des
Staates angeftellten Perſonen, fondern auch der Staatögläubiger,
an bie faft in allen Staaten unferer Zeit ein anfehnlicher Theil
bes Volkseinkommens gelangt. Bei einer guten Cinrichtung
bes Staatshaushaltes darf die Ausgabe für Staatsdienſte als
mittelbar probuctiv gelten (II, $. 27), die Einfünfte ber
Staatögläubiger aber tragen zur Production nichts bei, wenn
gleich die gelichenen Summen zum Wohle des Staates verwendet
worden find.
(6) $. 196 (eo) und Smith, IL, 97.
— 438 —
(4) 8. P. Vorſicht und Sparſamkeit des germaniſchen Volkoſtammes im
Vergieich gegen bie Sübeuropäer. Holländer und Schweizer find vors
züglıh fparfam. S. auh Roſcher, Syſtem I, 404.
8. 334.
Die unproductive Verzehrung, welche aus dem reinen
Einfommen des Volkes befteitten wird, ($. 325), wäre ihrer
Ausdehnung nad) übermäßig, wenn fie dieſes reine Einkommen
ganz erichöpfte, fo daß Feine Erfparniffe gemacht werden fönnten.
Es ift eine wefentlihe Bedingung des fortdauernden Volks⸗
wohlftandes, daB das Geſammtcapital bed Volkes dnrch
uͤbergeſparte Theile des Einkommens vermehrt werde (a), denn
es find fortwährend neue Capitale in ber Volkswirthſchaft
erforderlich 1) wegen ber Vermehrung der Bolfdmenge ($. 196),
2) wegen ber durch die Kortfchritte der Bildung bewirkten
Vermehrung der verfönlihen Bebürfniffe der Einwohner,
3) wegen ber Bervollfommnung ber Gewerbskunſt, wobei ins⸗
befondere zum Behufe einer guten und wohlfellen Gütererzeugung
das ftehende Capital unaufhörlich vergrößert werden muß (b), wozu
auch das Bebürfniß beträchtlicher Bodenverbefferungen kommt,
4) wegen ber unvermeiblicdhen Berlufte an ben verſchiedenen
Theilen des Capitalo.
(a) Smith, u, 112.
(5) 3. B. der landwirthſchaftliche Bienfland, die Mafchinen,, Landftraßen,
Gifenbahnen, Candle, Brüden, Häfen, Schiffswerfte, Schiffe x. eines
reihen Volkes, 8. 131 (2).
8. 335.
Hieraus erhellt, daß die Sparſamkeit der Bürger innerhalb
gewiffer Graͤnzen zur Erhaltung und Erhöhung des allgemeinen
Wohlftandes fehr wohlthätig und nothwendig ift (a). Wie im
Ganzen diejenigen Länder einen günftigeren Wirthfchaftszuftand
bemerken laflen, in denen das Volk mehr zum Weberfparen
geneigt ift, fo zeigt fih auch in verfchiedenen Gegenden und
Städten eined Landes das Nämliche; Fleiß, Kumfleifer, Ordnung
find die Begleiter der Sparfamfeit, — höherer Lohn, Anwachs
ber Bevölkerung und reichlicherer Gütergenuß find bie Tolgen
der Anfammlung neuer Gapitale, während eine das reine
Einfommen verſchlingende WBerzehrung bie entgegengefepten
Erfcheinungen verurfacht (6). Ä
— 49 —
(a) Graf Lauderdale's Widerſpruch gegen dieſen Satz entſprang aus
einer unrichtigen Vorſtellung von der Wirkung tes Capitales. Gr
glaubte naͤmlich, diefes feße nicht Arbeit in Bewegung, fondern diene
108 zur Erſparung von Arbeit (Meber Nationalwohlfiand, ©. 49),
woraus er dann folgerte, daß die Anhäufung des Bapitales leicht zu
groß werden koͤnne (S. 57). Im_ganzen Zufammenhange betrachtet
ericheinen jedoch Zauderdale’s Säge weniger irrig, als beim erften
Anblid; man muß zugeben, daß die unbegränzte Sparfamfeit eines
anzen Bolfes ein Bapital fammeln würde, —* welches man keine Be⸗
—38* mehr finden könnte, auch ſieht er ſelbſt ein ( S. 60), daß,
dieſes bei freiem Gange der Gewerbe nicht wirklich eintreten kann.
Seine Darſtellung ift getrübt durch das Beſtreben, die Handlungsweiſe
des britifchen Minifteriums zu befämpfen, ſ. auh Sartorius, Ab:
Bandf., I, 34—108.
(6) Smith vergleicht in diefer Beziehung die Gewerks- und Hanbelsftädte
mit denjenigen Städten, wo eine groBe unproductive Verzehrung Statt
findet, 3. B. den Hofflädten. Unterf. IL, 100.
8. 336.
Iſt eine unproductive Verzehrung ihrer Größe nach im Ver⸗
hältniß zum reinen Bolfseinfommen nicht übermäßig, fo ift nur
noch zu erwägen, ob fie der Gefellfchaft einen Erſatz in perfön-
lihen Gütern für die verzehrten fachlichen barbietet, 8. 320.
Dieter Erſatz ift auf verfchiedene Weife möglich und man muß
fih bei feiner Beurtheilung vor einer befchränkten Anftcht hüten,
die nur dad Nächfte, im Einzelnen Rachweisliche auffapt. Es
ift nüglich, wenn die arbeitenden Elaffen fich Genuͤſſe verfchaffen
fönnen, bie ihnen Erholung gewähren, ihre Gefühle verebeln,
ihre Denffraft, üben oder den Kreis ihrer Erfenntniffe erweitern,
zugleich aber ihren Fleiß anfeuern. Es iſt nuͤtzlich, wann befons
dere Claſſen von Dienftleiftenden fich der Pflege und Ausbildung
ber höheren menfchlihen Anlagen widmen, Wifienfchaften und
Künfte pflegen und die Früchte beider zum Beften der Gefell-
fchaft verwenden. Es ift nüslih, wenn ed nicht an Reichen
fehlt, welche, der Eorge für den Erwerb überhoben, ihre perföns
lihen Kräfte und ihr Vermögen auf mancherlei gemeinnüßige
Angelegenheiten richten fönnen (a). Indeſſen fann es in den
leßteren Zweigen der Verzehrung ein ſchaͤdliches Uebermaaß geben ;
die Dienftleiftenden fönnen zahlreicher fein, ald ed der von ihnen
zu erwartende Vortheil erheifcht, in&befondere Eönnte die Res
gierung einen Güteraufwand machen, der im Vergleich mit feiner
Wirfung auf dad Gemeinwohl unverhältnißmäßig groß wäre,
endlich koͤnnten auch die Reichen fich einer ſolchen Schwelgerei
— 40 —
und Prunkſucht ergeben, welche von Feiner Seite mehr ald
gemeinnügig erfchiene. Nicht jede unprobuctive Berzehrung ift
alfo ſchon an und für fi zutraͤglich (8).
(c) Sismondi, Etudes, I, 9.
(5) Jedem Bürger muß die Bertvendungsart feines Binkommens freiftehen ;
bie Betrachtung deſſen, was hierin volkswirthſchaftlich nügt und fhadet,
farm auf die Maaßregeln der Boltewirthichaftspflege wenig Ginfluß
aben, aber fie dient die Meichen über ihre Pflichten gegen die bürger-
lie Geſellſchaft aufzuklären.
$. 837.
“ Ein Theil des jährlichen Guͤtererzeugniſſes in einem Lande
wird fogleich wieder zu weiteren Hervorbringungsgefchäften als
Berwandlungsd-, Hülfsftoff, Thiernahrung, Geräth ıc. verwendet
und findet hiezu feinen Abſatz. Ein anderer Theil gelangt ale
Einfommen an die verfchiedenen Volksclaſſen und hiebei ift zu
unterfuchen, wie bie einzelnen Zweige diefed Einfonmend auf
ben Abfag des entfprechenden Theiles der Erzeugniffe wirken.
Es ift einleuchtend, daß bie Arbeiter und Unternehmer mit ihren
Einkünften nicht biefen ganzen Theil zu erfaufen vermögen,
weil dieſer auch noch eine Rente für die Capital» und Grund:
eigenthümer giebt. Damit alfo die Gewerbe hinreichenden
Abſatz zur Fortfegung der Production erhalten, müflen bie legt:
genannten Dauptbeftandtheile des reinen Einfommend gleichfalls
zu Einfäufen verwendet werden, was auch nicht ausbleibt, weil
die Empfänger deſſelben, vorzüglich die Grundeigner und Ca—
pitaliften, nicht unterlaffen, von ihren Renten irgend einen
Gebrauch zu ihrem Bortheile zu machen.
8. 838,
Wird nun das großtentheild aus Grund⸗ und apitalrente
beftehende reine Einfommen 1) ald Capital angelegt, fo wer:
ben damit neben ben ſchon zur Yortfegung der bisherigen Ges
werbsthätigfeit erforderlichen Einfäufen noch weitere Mengen
von Lebensmitteln, Stoffen, Werkzeugen, Mafchinen und Ge
bäuden angefehafft, die das Gefammterzengniß von Iahr zu
Jahr vergrößern. Wenn wir und den Ball denfen, daß bie
Gapitaliften und Orundeigner auf. jede entbehrliche unproductive
Verzehrung verzichteten, felbft arbeiteten und ihr ganzes reines
— 41 —
Einkommen auf die eben beſchriebene Weiſe anlegten, ſo wuͤrden
in einem ſolchen Lande nur diejenigen Gegenſtaͤnde begehrt ſein,
welche zu dem Unterhalte der Arbeiter und zur Betreibung der
nöthigften Gewerbe erforderlich wären, ein großer Theil ber
Gewerbözweige, die man in reichen Zändern findet, würde aus
Mangel an Nachfrage aufhören, das Gewerbeweien nähme eine
fehr einfeitige Richtung an, ed gäbe Feine anderen Volföclaflen
als Unternehmer, probuctive Lohnarbeiter und wenige Dienft-
leiftende, die Gütermaſſe würde aber dagegen in fehr fehnellem
Fortſchritte fi) vergrößern (a). 2) Wird dagegen ein Theil
des Einfommend auf'unproductive Berzehrung gemwen-
det, fo giebt dieß einer zahlreicheren Claſſe von Dienftleiftenden
Unterhalt und macht eine weit vielfachere Entwidelung der Ge-
werbsfunft möglich, indem nun viel mehrere Arten von Gütern
Abfag finden; die Production wird aber in biefem Balle weniger
fchnell anwachfen.
(a) Gefecht, das ganze Erzeugniß eines Volkes fei 1000 Mill. f., die
Grund: und @apitalrente 200 Mill., und lebtere Summe foll in einem
Jahre ge zu Gapital gemacht werden, fo wird man vielleiht für
80 Mill. fl. ftehendes, für 120 Mill. umlaufendes Bapital dafür ans
fchaffen und das Grzeugniß des folgenten Jahres wird vielleiht um
136 Mill. fl. oder über 13 Proc. des vorjährigen größer fein. Würbe
diefe unbedingte Sparſamkeit plöglich eingeführt, fo würden diejenigen
Unternehmer, welche auf die fortdauernde unproductive Verzehrung ber
200 Mil. fl. rechneten und daher mandjerlei entbehrliche Genußmittel
hervorbrachten, ihren Abſatz auf einmal verlieren, und dieß müßte auch
anfangs das reine Einkommen etwas verringern, bis die Production
fih auf die allein noch begehrten Dinge befchräntte. Da biefe Annahme
nur die Möglichkeit, wie Alles gekauft und verzehrt werden kann, bes
leuchten fol, ſo muß man für den Augenblid vergefien, daß die. Grund⸗
— und Capitaliſten gar keinen Beweggrund haben koͤnnen, ſo zu
andeln.
$. 339.
Diefe Borausfepung, daß die Menfchen fih aller unproduc-
tiven Verzehrung enthielten (8. 338), fann nie wirktich eintre-
ten, denn mit dem Erwerbe des Vermögens ift ber Trieb, von
demſelben Genuß zu ziehen, enge verbunden. Es kann weder
vermieden werden, daß Grunbeigenthum und Capital fidy in den
Händen Einzelner in beträchtlicher Maſſe anhäufen und große
Renten tragen, noch fann man verhindern, daß viele Empfänger
folcher Renten als müßige Zehrer leben. Auch die Unternehmer
und Arbeiter wiberftehen nicht der Verſuchung, mindeſtens einen
— 432 —
Theil ihres reinen Einfommens zu entbehrlichen Genüffen zu
verwenden. Man bat daher nichts weniger zu fuͤrchten, als daß
die Menfchen nicht genug verzehren, um die Erzeugung manch⸗
faltiger Gegenftände im Bortgange zu erhalten, und weit eher
fönnte man beforgen, daß die PVerzehrung vielmehr zu groß
würde (a).
(a) Schon im Alterthume fehlte es nicht an Beilpielen einer großen uns
productiven Verzehrung, wie die ungeheuren Baumerfe der Hindus und
der Aegypter und die Lebensweife der Bürger in Athen und Rom zeigen,
wo die productive Arbeit größtentheils Sklaven übertragen war und
der Gigenthümer derfelben leicht in den Stand geſetzt wurde, müßig,
oder nur mit den öffentlichen Angelegenheiten, Körperübungen und freien
Studien beichäftigt zu leben. In Aegypten war es die Bertheilung des
Grundeigenthums, welde jene Wirfung batte; die landbauende Claſſe
fcheint nur in einer Art von Pachtverhältniß gewefen. zu fein, während
ber König, die Priefter und die Krieger zu gleichen Theilen das Gigen⸗
tum der Ländereien hatten und alfo die Grundrente bezogen. Bey-
nier, De l'éâon. publ. et rur. des Egyptiens, ©. 90. 96.
8. 440.
Wenn eine Ausgabe oder Verzehrung ſchon befchloffen ift
und nur nody die Art, wie, oder der Ort, wo fie vorgenommen
werden fol, in Erwägung fommt, fo leidet es feinen Zweifel,
daß fie denjenigen Verkäufern einen Vortheil bringt, welche
dabei Abſatz finden. Die Erhöhung der Preife, die aus dem
vermehrten Begehre entfteht, fpornt zur flärferen Erzeugung an,
die größere Zahl von befchäftigten Arbeitern verfchafft allen
benen, welche Nahrung und anderen Lebensbedarf liefern, er-
weiterten Abfag, und fo kann durch einen foldyen Zuwachs der
Verzehrung in einer ganzen Gegend ber Wohlftand erhöht wer:
ben (a). Der Gegenftand muß jedoch auch von anderen Seiten
betrachtet werden.
(a) 3. B. der mugen, welchen für eine Feine Stadt und ihre Umgebung
ein Regiment Soldaten, eine Provincialbehörde, ein großes Kranfen:
haus ac. Äußert. Gin folcher Zuftand ift es, den man gewöhnlich mit
dem NAusdrude „lebhafter Geldumlauf“ bezeichnen will, $. 255. —
Hieher gehört die Unterfuhung über die Folgen, welche der Aufenthalt
vieler 1tländifcher und auch britiſcher Gutsbefiger im Auslande (ab-
sentees) hervorbringt. Man nimmt an, daß die irländifchen Grund-
eigenthümer 4'/a Mill. 2. St. auswärts verzehren. Die Ricardo’ ſche
Schule, namentiih Mac-Culloch, beftreitet die volfswirthichaftliche
Schäpdlichfeit der Abmwefenheit des Gutsherrn aus folgendem Grunde:
Irland fendet die Menten, welche jene Abweſenden im Auslande ver:
zehren, weder in Münze, noch in Papiergeld hinaus, fondern in Waaren,
welche irländiiche Erzeuger auswärts abſetzen. Die dortige hervor:
bringende Thätigfeit wird folglich ebenfo gut unterhalten, ale wenn
— 43 —
alle dieſe Familien ihr Cinkommen im Lande verzehrten und fich die
ausländifchen Kunftwaaren, die fie verbrauchen, nach Ireland kommen
liegen, 3. B. Edinb. Rev. Nov. 1825, ©. 54. Man muß zugeben,
daß in der Regel die Ausfuhr von Waaren das Mittel ift, den Unter:
halt der Abweſenden im Auslande MM vergüten, indem ihnen Wechfel
zugefenbet werden, welde die Verkäufer jener Waaren auf ihre aus
waͤrtigen Käufer ausftellen, 8. 418 ff. Wenn eine Anzahl von Staats:
bürgern fih neu in ba6 Ausland begiebt, fo kann denfelben das, was
fie dort beräehren, entweder durch eine Dergrößerung der Ausfuhr, oder
durch eine Verminderung der Ginfuhr, oder theilmeife durch beides zu⸗
leich erflattet werden. Was hiebei 1) die Ausdehnung der inländifchen
ütererzeugung betrifft, fo bleibt viefelbe unverändert, wenn ſich bie
Ausfuhr auf gleicher Höhe erhält, denn es hört zwar der Cinkauf ins
ländifcher Waaren auf, welche die Abweſenden bisher verzehrten, allein
dafür gehen auch weniger Fremdwaaren ein, und man fann ſich die
Sache Io vorftellen, als ob die Abwefenden nun gerade die nämlichen
Süter im Auslande verzehrten, deren Binfuhr jetzt wegfällt. Erweitert
fih die Ausfuhr, fo ift dies ein Bortheil, der andere ungünftige Folgen
wenigftens theilweife aufzumwiegen vermag; allein der Aufenthalt der
Staatsbürger im Auslande vermag nur wenig zur Zunahme der Aus:
fuhr beizutragen. 2) Anders verhält es I mit der Art des Abſatzes.
An die anwefenden Rentner können vielerlei Dinge verkauft werden,
welche man nicht in die Entfernung zu verfenden im Stande if, deren
Abfab aber doc, vorzüglich den Landleuten, fehr zu Statten fommt,
3. B. manche im Kleinen erzeugte Lebensmittel, wie Gemüſe, Gier,
Geflügel ıc., ferner viele Sandwerköwaaren, welche der Schufter, Schreiner,
und dergl. verfertiget. Das Aufhören diefer Erwerbsquelle wirb ohne
Zweifel fchmerzlih empfunden und dur die Zunahme irgend eines
anderen Gewerbszweiges, der die bieherigen Ginfuhrgegenftände liefert,
nicht völlig vergütet. 3) Was die Verwendung des Ginfommens ans
belangt, to verzehren die Nentner ihre Einkünfte nicht allein, fie bes
fhäftigen auch Dienſtleiſtende verfchiebener Art, überdieß kommen die
‚Erfparniffe aus dem Binfommen in der Regel dem Lande zu Gute, in
dem fie gemacht werden. Es ift alfo auch von biefer Seite der Aufent:
an im Lande entfchieden nüglicher, wozu noch 4) die moralifchen
olgen der Anmwefenheit der Gutsherren auf ihren Befibungen fommen
und dagegen die Gelegenheit zu Bebrüdungen durch die Zwifchenpachter
und bie Berwalter der Abweienden. Irland würde alfo gewinnen,
wenn diefe zurüdfehrten, freilich aber ift ihre Entfernung —* zum
Theil eine Folge anderer Mißverhaͤltniſſe, die in ihnen die Neigun
zum Bewohnen ihrer Sitze ſchwaͤchten. Gegen Mac⸗Culloch uriheili
auch Senior, Outline, S. 194. Foreign quartexly Rev. Nr. 73. ©. 105
(1846). Vgl. noh Hermann, Untef. ©. 363.
g. 841.
In Hinfidt auf die ganze Volfswirthfchaft ift demnach eine
unproductive Verzehrung nur dann unſchaͤdlich, wenn 1) bie
Gefellfchaft einen genügenden Gegenwerth von perfünlichen
Gütern empfängt, $. 336; 2) wenn neben einer foldhen Bers
zehrung auch noch etwas zur Vermehrung des Capitales erübrigt
werben fann, $. 334. Selbft wenn unzweifelhaft nuͤtzliche
Dienfte verrichtet werben, muß man body erft erwägen, ob ber
Rau, polit. Dekon. L 7. Ausg. 28
— 44 —
Wohlſtand bed Volkes einen folden Aufwand ohne Nachtheil
zuläßt. Iſt jene Bebingung nicht vorhanden, fo hat ein neuer
Aufwand, ber eine Anzahl von Gewerböleuten in Nahrung
fept, im Ganzen keine wohlthätige Wirkung, weil nothwenbig
an einer anderen Stelle des Gewerbsweſens eine Stodung eins
treten müßte (a).
(se) Wendet ein reicher Privatmann oder der Staat 20000 fl. auf eine neue
unproductive Berzehrung, fo muß, um für 20000 fl. Güter hervorzu⸗
dringen, vielleicht ein Capital von 30000 fl. zu Hülfe genommen werben.
Iſt fein neues Gapital von diefem Betrage übergefpart worden, fo kann
im Ganzen nicht mehr hervorgebracht werben, weil man ein bereits
vorhandenes Capital einer anderen Anwendung entziehen muß.
8. 342.
Eine Berzehrung wird alfo nicht ſchon dadurch nüglich, daß
fie Arbeiter und Capitale beichäftigt. Die Lehre der Phyſtokraten,
dag die Verzehrung nicht zu groß fein Fönne, weil fie immer
nothwenbig eine Gütererzeugung hervorrufe (a), ift ein gefähr-
licher Irethum, in den man nur verfallen kann, wenn man ohne
Ueberblick des Ganzen ſich an vereinzelte Vorgänge hält. Eine
unprobuctive Gonfumtion, welche das reine Volkdeinkommen
ganz verfehlänge ($. 334) oder noch überftiege ($. 327), würde
den Bolfswohlftand zerfiören und anfangende Berarmung bes
wirken. Der gefunde Berfland des Volfed würde unter folchen
Umftänden zwar bald wieder den rechten Weg zur Berbeflerung
bes Fehlers zu finden wiſſen, aber doch Fönnte jene Irrlehre
infoferne ſchaden, als fie bie reichen Zehrer und die Regierungen
über die Folgen einer großen unfruchtbaren Conſumtion täufchte.
knntsatsguben and Muflagen. 1819, Dieflhe mucde fobann mit
Gegenbemerkungen herausgegeben von Krohn, Landehut, 1819. —
Dagegen auch Stord, II, 174. — Fulda, Weber Broduction und
Confumtion materieller Güter, Tüb. 1820.
$. 343.
Aus den bisherigen Sägen ergiebt ſich leicht das Urtheil,
welches man von vollswirthſchaftlicher Seite über den Lurus (a)
fällen muß, d. 5. einen ſolchen Aufwand, der blos einen ents
behrlichen Guͤtergenuß bezweckt, ohne ein wefentliches Bebürfnig
zu befriedigen. Der Lurus begleitet Häufig die Verwendung ber
— 435 —
Güter für wichtigere Zwede, fo daß mem bei einer gewiſſen Art
des Guͤtergebrauches des Vergnuͤgens willen mehr verzehrt,. als
man blo8 jener Zwede wegen nöthig hätte (d). Er ift theile
auf finnlichen Genuß (Wohlieden) „ theild auf einen gewiffen
Eindruck bei anderen Menfchen gerichtet (Luxus des Anſehens),
und zwar entweder darum, weil in ber allgemeinen Meinung
mit jedem Stande der Geſellſchaft ein gewifier zugeböriger Güter
aufiwand verbunden if und der Einzelne ſich ber Lebensweiſe
feiner Standesgenofjen anſchließen muß, um nidt an Achtung
zu verlieren (Bebürfnig des Anftandbes), — oder in der
Abſicht, ſich durch größeren Aufwand vor Anderen auszuzeichnen
und dadurch höheres Anſehen zu erlangen. “Der Lurus bes
Anfchens in feiner Uebertreibung heißt Prunl. Diefe beiden
dem Luxus angehörenden Zwede werben nidyt felten zugleich
verfolgt, doch fo, daß dann gewoͤhnlich der eihe oder der andere
vorherrfcht. In beiden Richtungen giebt «6 verfchiedene Grabe
die fih fowohl durch die Größe des Aufwandes, als vurch
das Maaß von Bildung, die fie voraudfegen, von einander
unterfcheiden.
(a) Der Begriff des Lurus iſt ſehr verfchieden gefaßt worden, Diefenigen,
welche allen Lurus für verberblich erklären (z. B. Defutt de Tracy,
Commentar über Montesquien’s Geiſt Ben Gefept, F gu), meinen
dabei eigentlich F einen hoben Brad defſelben. Bgl. Melon, Essais
politiques, Chap. 9. (Bertheidigung des 2.) — Pinto, De la "dreula-
tion, ©. 824. — Ferguson, Essays on the history of citfl society,
©. 395 der Basler Ausg. (1789). — Stord ‚189. — Rau,
Ueber den Lurus, Grlangen, 1817. — Def atitus and 5
- &, 229. — Rofäer an Saufen Archiv, N. F. L, 48. —
Nofcher, Syſtem, I, 408.
(0) Schwierig ift es anzugeben, wo ber Luxus anfange oder wo das wahre
Bedürfniß aufhöre; es giebt Bergnügungen, die zugleih Beduͤrfniſſe
bes geiftigen Lebens befriedigen und die Anlagen des Menfchen auss
bilden, 3. B. der Genuß der Tonkunſt. Beſchraͤnkt man ſich auf bie
allein genau beflimmbaren Bedürfniffe des Körpers, fo wisd mag ges
nothiget, alle diejenigen Berzeheungen ſchon für Larus zu erklären,
welche nicht blos de Grheltung bes Lebens, dev Gefundheit und dw
Dietfamfeit des Menichen gen gehören, Diep N die ein ine efte Graͤnze;
wird dee Begriff des Larus enger gefaßt, fo iſt Alles relativ, und €
bleibt, ai t6 — ‚als will a ein hewiſſe⸗ Maaß des Aufwande⸗
als Regel anzunehmen, ſo daß alies darüber Hinausgehende für L
ten. on; man wird abet dann immer —— a en, da 4 Hi
chen giebt, die ſich mit sic weniger beg migen, 1 fo V ‚fo M Re
Maaße ſelbſt wieder Luxus enthalten iſt. olk iſt apue ©
und im den gebildeten Völkern enthält atıch die — et ech
Stände ſchon vielfältige Genüffe des Lurus. Die um ie han dr
le
Berne an re a Ba BE die
28?
Volke, der Völker und Zeitalter untericheidet. Der einem ganzen Giandg
gemeinfhaftliche Lurus nimmt für jedes einzelne Mitglied 3
ie Natur des Beduͤrfniſſes an.
8. 344.
Die Frage, ob es beſſer wäre, wenn gar fein Luxus beſtünde,
muß unbedenklich verneint werden. Wie derfelbe eine Folge
des Kortfchreitens in den Gewerbsfünften und der Anfammlung
von Bermögen if, fo bildet er zugleich eine der flärkften Trieb
federn zum Erwerbe und kann zur Bereblung ber Gefühle dienen.
Ohne die Ausficht auf Bergnügungen des Luxus würben bie
Menfchen weniger arbeiten, und im Muͤſſiggang ihre Kräfte
verfümmern laflen; die Veränderung aber, welche das Beifpiel
der gebildeteren Stände in der Berzehrung der weniger gebildeten
allmälig hervorbringt, trägt bei, rohe Gewohnheiten zu verbräns
gen und einige Empfänglichkeit für geiftigere Genüfle zu er⸗
weden. Die niebrigfte Stufe bed Lurus if der Hang nad
grobfinnlichen Reizen ; das Streben, ſich eine bequeme, gefällige
Umgebung zu verfchaffen und ſich durch Zierlichfeit auszuzeichnen,
ſteht fchon höher, die oberfte Stelle aber nimmt derjenige Luxus
ein, welcher fi auf Erzeugnifie der ſchoͤnen Künfte Ienft (a).
(a) Der Luxus in den früheren Perioden jedes Volkes zeigt fd ee
in ber Berzehrung großer Maflen von Rohſtoffen; — zahlreiches
folge, große Feſtlichkeiten, ſchwelgeriſche Gelage. Später Fommen nee
Genüfle, bei mehreren Voͤlkern ift aber zulegt wieder ein ausjchweifen:
der, verderblicher Lurus zum Borfchein gekommen. Entwicklung diefer
bei Berioden bei Rofher a. a. D. — In dem Lurus der Höfe
zeigt fich ein auffallendes Kortfchreiten zum Edleren, namentlich zu
Genüflen der fhönen Kunſt, während noch vor 150 Ja ren geſchmack⸗
loſe Koſtbarkeiten, Seltſamkeiten (Euriofitäten) und Rohheiten an ber
Tagesordnung waren.
8. 345.
Die Graͤnze, bei welcher der Luxus anfängt ſchaͤdlich zu
werden, kann aus verfchiedenen Gefichtspuncten beftimmt werben.
Bon fittlicher Seite wird ber Lurus verderblich, wenn er bie
Gefinnung der Menſchen beherrfcht, die Kraft der Entbehrung
und Selbfibezwingung lähmt, den Geiſt von großen Gebanfen
und edlen Entfchlüffen abzieht und denfelben ganz in entnervenbe
Bergnügungen verfenkt (a). Das Alterthum zeigt Beifpiele von
einem allgemeinen, mit gränzenlofem Luxus gepaarten Sitten»
verderben, welches den Berfall der Staaten herbeiführte; zumal
— 437 —
in demokratiſchen Verfaſſungen hatte der Luxus ſchaͤdliche Wir⸗
kungen, weil er die Gleichheit zerſtoͤrte und die ſtrenge, uneigen⸗
nuͤtzige Vaterlandsliebe ſchwaͤchte (6). Wir dürfen die erfreu⸗
liche Vermuthung hegen, daß in Staaten, deren Wohlſtand auf
dem eigenen Fleiße der Bürger ruht (8. 26. 27), bei ber ganzen
neueren ©eftaltung der Gefellfchaft und unter dem Einfluffe
einer erhabeneren Religion folche Erfcheinungen nicht mehr zu
befürchten feien. Der ungezügelte Luxus allein würbe ben
Eittenverfal nicht Haben bewirken können, wenn nicht andere
Urfachen da gewefen wären, von benen er ſelbſt wieber Wirkung
und Kennzeichen ivar.
(e) Ein gewohnter Grad des Lurus übt auch auf den WMenfchen Feine
befondere Gewalt mehr aus. „Selbſtbeherrſchung und Mäßigkeit find
wenigftens ebenfo häufig unter den Elaffen, die wir die höheren nennen,
als unter den niedrigen, und wie wir auch immerhin das Kennzeichen
der Genügfamteit in bie Ginfachheit bee Nahrung und ter anderen
Lebensgenüffe ſetzen mögen, mit benen fi) ein gewiſſes Zeitalter oder
eine Glafle von Menſchen zu begnägen fcheint, fo iſt es doch bekannt,
daß koſtbare Gegenſtaͤnde nicht nothwendig zur Schwelgerei erforberlich
find, und daß Ausfchweifung (profligsey) ebenfo häufig unter dem Stroh⸗
dache als unter der prächtigen Bertäfelung angetroffen wird. Die Men-
ſchen gewöhnen ſich gleihmäßig an verfchiedene Lagen, enießen leiches
Vergnuͤgen und empfinden green Reit zur Sinnlichkeit im Bafofte
und in der Erdhoͤhle. Werden fie unmäßig und träge, fo rührt dieß
von ber Erſchlaffung anderer Veftrebungen und dem Wibderwillen gegen
andere Beihäftigungen her.“ Ferguson a. a. O. ©. 377.
(5) Postqusm divitise honori esse 06oeperunt et eas gloria, imperium, po-
tentia sequebatur, hebescere virtus, paupertas probro haberi, innotentia
pro malivolentis duci cooepit, igitur ex divitiis juventutem luxuria atque
avaritia cum superbia invasere. Sallust. Bell. Catil. — Montes-
quieu, De l’esprit des lois, L. VIL Ch. 2.
$. 846.
Bon voltswirthfhaftlidher Seite wird der Lurus
unter denfelben Bedingungen nachtheilig, unter denen es über
haupt eine nicht mit der Gütererzeugung in Verbindung flehende
Berzehrung werben kann, $. 334.
1) In Anfehung feiner Größe fommt ed auf fein Ber
haͤltniß zu dem reinen Bollseinfommen an, $. 341. Zwar läßt
ſich nicht in Zahlen beftimmen, welcher Theil diefed Einkommens
ohne üble Folgen für die Volkswirthſchaft für Zwecke des Lurus
verwendet werben dürfe, indeß zeigt die Größe des Lohnes, ber
Stand ded Bewerbfleißes x. leicht, ob neben dem Luxus noch
— dB —
beträchtfich viel Übergefpart werden laun. Wenn auch nicht me
hefürcbten ift, daß ein Bolt ſich blos durch Abermäßigen Luxus
zu Brunke richte, fo muß man doch wünichen, daß ber Sinn
für eine einfache Lebensweife und die Neigung pum Sparen
unter ben Reichen herrfchend werbe (8. 342), zumal ba ſchon
ber Stoatdaufwand eine bebeutende Größe erreicht hat (a)..
(a) Das Beifplel der hair Senügfamleit und Sparſamleit der Holländer
de el ne Be melde Ann “en Be wendung" Im
enden Luxus für eine Pflicht gegen die unbegäterte Bolksclaſſe —*
8. 347.
2) In Anſehung feiner Gegenſtaände muß ber Luxus nach
ben in $. 386 aufgeftellten Säten beurtheilt werben. Er wird
ſchaͤdlich, wenn er, auf eine Heine Zahl von Menfchen einge-
ſchraͤnkt, eine Höhe erreicht, bei ber er feine wahren Genuͤſſe,
fondern nur erfünftelte Reize hervorbringt. Ein ſolches Webers
maaß iſt die Folge einer großen Ungleichheit bes Vermögens,
einer Anhäufung vieler Menfchen an einzelnen Orten unb einer
Berwöhnung und Berbilbung ber Reichen (a). Ein unter allen
Ständen verbreiteter Lurus, der auch die Mühen des Arbeiters
burch mäßigen Genuß belohnt, ihn an Reinlichkeit und Zierlich-
fejt gewöhnt und hiedurch manche Rohheit abfchleift, iſt weit
nüglicher (6). Derjenige Luxus, welcher Dienſtleiſtende mit
gemeinnuͤtzigen Verrichtungen beſchaͤftiget, z. B. Kuͤnſtler, iſt
einer ſolchen Richtung weit vorzuziehen, bei welcher muͤßige
Menſchen ernaͤhrt und von der Arbeit abgezogen, oder ſchwel⸗
geriſche Vergnuͤgungen geſucht werben (c).
(6) Montesquieu, L. VII, Oh. I. „Lo luxe est em ralaon eompasde des
richosaen de l'qtat (hierunter yerfteht M. den Volkswohlſtand), de
Yinögalitö des fortunes des particuliers, et du nombre d’hommes qu’on
assemble dans de cortaina lieux* — Gin Beifpiel des hodhgefleigerten
Lurus, aber in anſpruchloſer Form, giebt dig Zucht von Blumen,
Gemüfe und Obſt in einer früheren Jahreszeit, 3.2. den im Min.
(5) Bei den Häufigen Klagen über den Lurus unferer Seit geht man zu
weit, obſchon eine größere Sparſamkeit in unferen Berhältnifien Immer
u empfehlen wäre. Ban vesgißt, daß die bewundernswuͤrdige Vervoll⸗
— der Gewerle eine Menge von Genußmitteln weit wohlfeiler
— bat, als He vor Zeiten waren, und daß es auch wieder vor
lters Arten des Luxrus gab, von denen man jetzt zurüdgelommen if,
B. ba Bellen und Pudern der Männer, das Tragen von koſtbaren
iden uhſchnallen, Degen, goldgeſtickten Kleidern. Das einzige
— 439 —
Paar ſeidener Strümpfe (fie waren von rother Farbe), welches Jakob J.
von England beſaß und ſeinem Miniſter zur Audienz des franzoͤſiſchen
Geſandten lieh (Neues Hamb. Archiv, 1788. 1. Heft, S. 1 ff.), koſtete
vielleicht ſo viel, als jetzt mehrere Dutzend, und obgleich Anna von
Boleyn noch am Hofe Heinrich's VIII. Speck und Bier fruͤhſtuͤckte,
ſo war doch wahrſcheinlich ihr Putz nicht wohlfeiler, als der eines
heutigen Hoffraͤuleins. — Daß der Luras heutiges Tages mehr ale
fopft darauf gerichtet wird, die Behaglichkeit (dad comfort der Eng:
länder) auch des gemeinen Mannes zu vermehren, ift ebenio erfreulich
als vernünftig. der Kunftfleiß iſt in dem Erfinden wohlfeiler Erſatz⸗
mittel für koſtbare Prachtgegenftände fehr weit gefommen; 3. B. Baum:
wollenfammt, Battiftmuflelin, Zeuche, in denen der Seide oder feinen
Wolle Baumwolle beigemengt iſt, gedrudte Zeuche flatt der gemuftert
ewwirften, Seidenhüte ftatt der filgenen, Büchereinbände von Leinwand
Kat ber ledernen,, plattirte Waaren, Argentan, Papiertapeten, Gypo⸗
figuren, Steindrüde, Polfter von Seraras, gepreßte Glaͤſer flatt der
efchliffenen, Holzuhren, — Stellmägen (Omnibus) zum wohlfeilen
ahren, — einheimifche Schaumweine, Kartoffelfage, Stearin an der
Stelle des Wachſes und dergl.
(e) Zurus in dauerhaften Kuftbarkeiten giebt, wie Rofcher a. a. D. bes
merkt, audy eine Art von Rothpfennig. — 2urus in anftändiger Klei⸗
dung, Wohnung, gefälligen Zimmergeräthen und dergl. hält von der
Unmäßigfeit im Eſſen und Trinfen ab. — Bon entichiedenem on
find Mäpigfeitsvereine, um ben Gebrauch des Branntweins, defien
Genuß leicht zur Gewohnheit wird und ins Uebermaaß geht, ganz zu
verbannen. er erſte Verein dieſer Art in den norbamericanifchen
Staaten entftand 1826 in Maffachufets. Die Einfuhr des Branntweins
in die Union hat ſchon merfli abgenommen, und in Irland hat fidh
ze sr ber Branntweinaccife 1840 anſehnlich verringert, vergl. II
Fünftes Buch.
Die bervorbringenden Gewerbe.
Einleitung.
$. 348,
In ber Betrachtung ber Geſetze, nach welchen die Erzeugung
(2. Bud), die Vertheilung (3. Buch) und die Verzehrung der
Güter (4. Buch) erfolgen, find die einzelnen Thätigkeiten, aus
benen die Volkswirthſchaft befteht, zergliedert und die Grund⸗
verhältniffe derfelben beleuchtet worden. Diefe Thätigfeiten und
Berhältniffe finden ſich aber in jeder Elaffe und Art von her⸗
vorbringenden Gewerben auf eine eigenthümliche Weife unters
einander verbunden und die Eigenthümlichkeiten biefer verfchies
benen Gewerbe bebürfen einer befonderen Erklärung, benn ſie
fonnten bei ben bisher abgehanbelten Lehren nicht in ihrem
Zufammenhange aufgefaßt werden (a). Diefe befondere Dar⸗
ftelung der Gewerbe in ihren volfdwirthichaftlichen Beziehungen
bient nicht allein zur Erläuterung der allgemeinen Geſetze ber
Volkswirthſchaft, fondern macht auch den Gliederbau in bers
felben anfchaulicher und giebt die nöthige Vorkenntniß zur Eins
wirfung der Regierung auf bie Betriebfamfeit (d). Sie muß
jedoch die Kunftregeln des Gewerbebetriebs ber Privatöfonomie
überlafien und ſich auf die volfdwirthfchaftlichen Wirkungen und
Erfeheinungen befchränten.
(a) Dance frühere Schriftfleller bringen einzelne hieher gehörige Saͤtze
theils bei der Lehre vom Bapitale und deſſen verfchiedenen Anwendungen
4.8. Smith, II, 136—61, Kraus, III, 208), theils bei der Lehre
von den Breifen vor (Stord, I, 317 ff). Aber kein ſolcher einzelner
Standpunct geftattet den Ueberblick aller Erſcheinungen.
(5) Say hat eine ähnliche Betrachtung vor der Lehre von Preis und Geld
angeftellt, -alfo blos in Bezug auf Production, f. deſſen dritten Theil:
Anwendung der Grundfäge der Nationalöfonomie auf die verfchiebenen
Induftriezweige; Handb. II, 1—201. — Kudler trägt im praftifchen
Theile bei jeder Abteilung der Gewerbe eine Einleitung dieſer Art vor.
$. 849.
Bei jeder Claſſe von Bewerben find hauptfächlich folgende
Umftände zu unterfudhen: 1) In Beziehung auf die Pro-
buction, a) die Mitwirkung eined Gewerbes zur gefammten
Hervorbringung, wovon vorzüglich die Wichtigkeit deffelben für
dad ganze Nahrungdweien abhängt, b) die Menge und Bes
fchaffenheit der zu dem Betriebe eines Gewerbes erforberlichen
Güterquellen und ihr Verhältnig zu einander, c) die Haupts
arten bes Betriebe. 2) In Anfehbung der Bertheilung,
a) der Preis der Erzeugniffe in ben verfchiedenen Zuftänden
ber Geſellſchaft, b) die Bedingungen bed Abſatzes, c) der Ans
theil der Unternehmer und Arbeiter an dem Ertrage des Ge
werbed und ber Zuftand beider. 3) In Anfehung ber Ber;
jehrung, a) die Stärke und Ausdehnung ber durch eine Art
von Waaren zu befriedigenden Bebürfniffe, b) die Rüdwirfung
auf bie Hervorbringung.
Erſter Abſchnitt.
Verhältniſſe der Erdarbeit.
Erſte Abtheilung.
Der Bergbau.
8. 350.
Dieſes Gewerbe (a) verſorgt die Menſchen mit Stoffen,
welche zum Theil unter die werthvollſten Guͤter gehoͤren, zum
Theil wenigftend von vielfachem Gebrauche und allgemein aner⸗
fanntem Rupen find. Zu ben erfteren find mehrere uneble
Metalle zu rechnen, unter denen das Eifen die erfte Stelle ein-
nimmt, weil es faft zu allen menſchlichen Befchäftigungen unent⸗
behrlich ift, ferner die Steinfohlen (5) und das Steinfalz; in bie
zweite Adtheilung ber Bergwerkserzeugniſſe gehören die Kbrigen
uneblen und die edlen Metalle, die Borzellanerde und dergl. Die
meiften biefer Stoffe werden zu weiterer Verarbeitung als Ver⸗
wandlungs- oder Hülföftoffe benupt, weßhalb die jedesmalige Aus:
behnung des Bergbaues zum Theil durch die Gelegenheit zur Vers
arbeitung und die Koften derfelben, ferner burd den Begehr ber
aus jenen Stoffen zu bereitenden Erzeugniſſe, hauptſaͤchlich ber
aud den Erzen bergeftellten Metalle bedingt wirb (e). Eben
darum hängt mit dem Bergbau bie Beichäftigung vieler Gewerke,
arbeiter und Gapitale zufammen und berfelbe giebt zu einer
Pflege der mechanischen Kunft Veranlaffung, bie auch für andere
Gewerbe nüglid wird (d). Da wo fidh ergiebige Lagerftätten
von nugbaren Mineralftoffen finden, ift folglich die Bearbeitung
berfelben in volkswirthſchaftlicher Hinficht fehr vortheilhaft. |
(a) Die. Beratung beginnt mit dem DBergbaue, nicht feiner größeren
MWichtigfeit willen, ſondern weil man im Syſteme ber Stoffarheiten
$ 7) ihn vorausgehen laſſen muß. In neuerer Zeit wird öfters ber
bau mit den Gewerken unter dem Namen Induftrie zuſammen⸗
gefaßt. Allein da er nur bie fchon vorhandenen Naturgebülde hinweg⸗
nimmt, fa iſt er von den Gewerfen fehr verfchieben. Bergwerke im
Deutihen Minen zu nennen iſt fo wenig Brund vorhanden als für
ben Ausdrud Montangewerbe. — Im preußifchen Staate zählte man
1857 114.000 Arbeiter in den Bergwerfen, ohne die 1300 in den Steins
und Gipsbrüchen. Mit Ginrehmung der Salzwerfe und fämmtlicher
Hüttenwerfe waren 1857 176000 Arbeiter mit 325000 zugehörigen Fa⸗
milienmitgliedern durch die Mineralftoffe befhäftigt. — Belgien Hatte
im Jahr 1858 85000 Bergwerk und 180000 Hüttenarbeiter. — In
England zeigt die Volkszählung von 1851 307069 Bergleute nebft
23000 Steinbregern und 12000 Kohlenhaͤndlern. — Im Rönigreid
Sachſen beichäftigte 1830 der Bergbau 10884 Beamte und Nrbeiter,
mit den Bamilien zufammen 35813 Köpfe, die 929000 Thlr. Lohn
ejogen.
(5) Ueber die Wichtigfeit der Steinfohlen $. 120. Man hat früher be
rechnet, daß das Steinkohlenerzeugniß von Großbritanien, nach den
Preiſen angeſchlagen, die der Zehrer dafür bezahlt (32 kr. für den
Centner), eine groͤßere Preismenge ausmacht, als die Gold⸗ und Silber⸗
ausbeute America's zu Anfang des 19. Jahrhunderts, naͤmlich reſp. 18
und 8900 000 2. St. Nour. ann. des voy., San. 1828. Das heutige
Erzeugniß von ungefähr 66 Mil. Tonnen = 1320 Mill. Gentnern
Steinfohlen zu 5 Sch. an der Grube (8,? Er. der Centner) gie 16, Mill.
%, St. (Angabe für 1886; für 1860 35 Mill, T. — 9/4 Mill. 8.) —
—r 448 —
Die Anwendung der Steinkohlen zum Ausſchmelzen des Giſens (ſchon
um 1619 von Edward Lord Dudley mit gutem Erfolge vollbracht,
bann wieber unterlaffen und erſt ſeit ungefähr 1740 wieder eingeführt)
if einer der größten Kortichritte des britiichen Gewerbeweſens. Die
Tonne Kohlen galt in London im D. 1813—24 3402, — 1825-44
22,8, 1845-50 15,9 Schill., wozu bie Minderung und Aufhebung
der Steuer beitrug, Porter, Progr. ©. 213.
(ce) Deutichland (mit ganz ei) een f gegen I Mill, Str. Roheiſen
und Bußwaaren aus Erz, alfo a auf den Kopf, — Groß:
britanien 5,1 Mill. Tonnen = 108 RAin. d. Zolleke, (Reports a.a. O.),
Schweden producixt 3 Mill., Frankreich 10,%, Rupland 4,5 Mid. Ctr.,
Belgien 186,° an 5 Mil., 1848—50 im 9. nr 3 Mil. Gentner,
(Bitmetion IV, AT sang &u Gurope gegen 84 Mill. Gentnet, v. Reden,
eutfchland, © . 457. v e, Die Eifenerzeugung Deutflande,
1836, ©. 369. 413. if Fr Das d. Eifenhättengewerbe, 1852.
54.118. Die Erzeugung des Robeifene in Großbritanien war 1740
erſt 17350 T., 1788 68300 %., 1796 in Folge des flärkeren Begehrs
für die Dampfmafchinen 125 000 T., 1806 258200, 1823 452 000 T.
Porter, Progress, ©. 267. 575. — Der Gifenverbraud im d. Zoll:
verein war 1837 u. 38 13,9 Pfd. 1845—47 im D. an 24 Pfd. auf
den Kopf, im brit. Meiche war er 1847 u. 48 im D. 1472000 T.
(Borter) = 109 Pfd. auf den Kopf!
(9) Karſten, nf Bergbau u. Hüttenwefen, I, 1. Heft (1818). —
gl. Log, Handb. I, 262. — Hausmann, Ueber den gegenw. Zu:
Rand und bie idtigfeit des hannov. Harzes. Goͤtt. 1832.
$. 351.
Der Bergbau erfordert ein großes ſtehendes Gapital an
Gruben» und Taggebäuben, Mafchinen u. dergl., die Hütten-
werke verbrauchen zugleich vielen Brennftoff (a). Die Wohlfeil⸗
heit des Holzes (5) und der noch unerfchöpfte Reichtum an
nugbaren Mingralien (0) geben zwar ſchwachbevoͤlkerten Ländern,
deren Betriebjamfeit noch wenig entwidelt ift, einen großen
Vortheil gegen bie weiter fortgefchrittenen Länder, aber bie
Seltenheit des Capitales und der Mangel an wiſſenſchaftlich
gebildeten Bergwerksvorſtehern (d) fowie an Straßen kann jenen
günftigen Umftänden das Gegengewicht halten ($. 185), weßhalb
nicht felten auch in reichen und gut bevölferten Ländern die
Bergwerke noch bei freiem Mitwerben anderer Länder fortbe⸗
trieben werben, beſonders wo Steinfohlen bie Bereitung der
Metalle erleichtern. Laͤßt fi) die Kunft und der Gapitalaufwand
nicht mehr fleigern, fo müflen allerdings bie Koften ber Ges
winnung von Minerallörpern allmälig größer werden, und fo
tommen leicht die Bergwerfe in Verfall, weil fie das Mitwerben
metallreicherer Zander nicht aushalten können,
)
(6)
(0
(@)
— 44 —
Sn den Kupfers und Zinn⸗Berg⸗ und Huͤttenwerken von Cornwall wirb
das fiehende Gapital auf 2440000 2. St. geſchaͤtzt. — Die erageniegt-
fhen Gruben Haben 1626600 Thlr. flehendes und 2.538200 Thlr.
umlaufendes Bapital. v. Weißenbach, Sachſens Bergbau, 1833. —
Die Mafchinen leiften aud beim Bergbau große Dienfte, vorzüglich zum
erausfchaffen (Fördern) der gewonnenen Gefteine und des ben
rubenarbeiten hinderlichen Waflers, was durch Menſchenhaͤnde ſehr
foftfpielig iR, ferner zum Luftwechſel. Indeß find aud die Mafchinen
mit großem Aufwande verfnüpft.
Auch wohl der Arbeit. In America wurden unter der ſpaniſchen Herr⸗
ſchaft die Bingebornen mit Zwang gegen fehr geringe —— —
Bergbau angehalten. In Sibirien werden Straͤflinge, Frohnbauern
und ausgehobene Bauern wie Recruten zu den Grubenarbeiten ge⸗
braucht. Am Altai waren 1826 17514 ausgehobene und 87000 —28
bauern (v. Ledebour, Reiſe durch das Altaiſche Gebirge).
In Chili ſteht, nach Hall's Berichten, das Kupfererz zu zage aus
und kann mit der größten Leichtigkeit ausgebrochen werben. Der Gentner
Kupfer wird dort für 11—13 Piaſter (27—32 fl.) verkauft, welches
ungefähs die Hälfte des europäifchen Preifes ifl. — Unermeßlicher Reich⸗
thum von Bleierz im Staate Wisconfin (Nordamerica), auch eine Fülle
von Kupfer in mehreren .wefllichen Staaten. — 1843 wurden überaus
reiche Lager von Kupfererz in Neufüdmwales entdeckt, aus benen bie
Tonne in England für 24 2. ©t. verkauft wird. Athen. Rr. 972
(1846) nah Dutton. — Die Belorgniß, daß auf dem Harze, deſſen
Gruben feit dem 10. Jahrhundert gebaut werden und im Sabre 1725
den höchften Ertrag gaben, mehrere Gruben nad hoͤchſtens 20—30 Jahren
wegen Erfhöpfung würden fill ftehen müflen (Oſtmann's Breisfchrift,
im Auszug im Hannov. Mag. 1824, Stüd 3—5), if glüdlicher Weife
neuerlich durch das Auffinden neuer Anbrüche zum Theil gehoben wors
den, Hausmann, a. a. D. ©. 170. 172. — In verfchiebenen
Gegenden Deutichlande , zumal in Böhmen, fand im Mittelalter ein
fehr ergiebiger Bau auf Gold und Silber Statt, gegen welchen ber
peutige Ertrag an beiden Metallen fehr gering erfcheint. Blos Kuttens
erg in Böhmen foll fhon 1305 einen —28 von 52000 Mark
gegeben Haben, nachher noch mehr. Joachimsthal und Beer lieferten
noch im 15. Jahrhundert erflaunliche Ausbeute. Fiſcher, Geſch. des
d. Handels. I, 84. 270. II, 112. 319. 635. — Die große Ausbeute,
die der Bergbau im Salzburgifchen im 15. und 16. Jahrh. an Bold
und Silber gab, ift heutiges Tages verſchwunden.
In den mittel: und füdamericanifchen Bergwerken war bisher ber Betrieb
fehr unvolllommen und nadhläffig, man bediente fich fehlerhafter Mes
thoden, bei welchen in den Erzen noch einiger Metallgehalt gurüderich,
und arbeitete ohne Fünftliche Mafchinen. Beim Mangel an Berbindung
zwiſchen den einzelnen Thellen eines Bergwerkes mußte 3. B. das Erz
durch Arbeiter in bie Höhe getragen werden. Gin folder tenatero trägt
21/a — 31/a Cr. auf dem Müden und kann täglih in 6 Stunden
6 Franken und mehr verdienen, Humboldt, Essai polit., IV, 36.
Die neuerlihe Anwendung europäifcher Capitale und Kunflmittel auf
bie _americanifchen Bergwerke hätte aus dieſen Urjachen einen großen
Erfolg Hervorbringen muflen, wenn nicht diefe Unternehmungen deutfcher
und englifcher Metiengefellichaften größtentheild ohne Ueberlegung und
Sachkenntniß begonnen worden wären, woraus anfehnliche Verluſte für
die Theilhaber entftanden. Bon englifhen Gapitaliften wurden gegen
5 Mil. £. St. aufgewendet, weldhe man für größtentheils verloren
hält. Doc laſſen einige Gruben guten Erfolg erwarten. Vgl. Quart.
Rev. Juni 1827. ©. 81. — Porter, Progress, ©. 628.
6. 852.
Der Bergbau auf edle Metalle giebt wegen ber geringen
Berfendungsfoften und des daher rührenben ausgebehnten Mit-
werben® anderer Zänber ($. 169) den Fleinften Gewerböverdienft;
felbft die Silbers und Goldbergwerfe in America haben meiftend
feine beträchtlichen Gewinnfte getragen (a), was jedoch zum
Theile eine Folge des Funftlofen Betriebes war, 8. 351 (d).
Andere Mineralien, vorzüglich Blei, Eifen, Steinfohlen und
vergl. erhalten leichter bei ftarfem Begehre einen foldyen Preis,
welcher nad) Beftreitung ber Koften einen anfehnlidhen Rein
erttag giebt, doch wird derfelbe oft durch Unfälle oder zunehmende
Schwierigkeiten der Gewinnung geichmälert, fo daß er dem Er-
trage anderer Bobenbenußungen in Hinfiht auf Sicherheit nach»
fteht (6). Er würde größtentheild ald Grundrente dem Eigen:
thümer bed Bodens zufallen, wenn nicht nad) den gefeßlichen
Einrichtungen der meiften Ränder das Recht zum Betriebe des
Bergbaued von dem Orunbeigenthume getrennt wäre und ber
Eigenthümer blos auf Entfhäbdigung für die ihm entgehende
Benugung der Oberfläche Anfpruch hätte (c).
(a) GBiner der neueften Reifenden, Hall, beflätigt, was fhon Smith an:
geführt hatte, daß man in America den Bergbau auf Silber für bes
denflih, auf Bold aber für hoͤchſt gewagt anſehe, ob es gleih an ein:
einen Fällen nicht fehlt, wo Unternehmer großen Reichthum erworben
aben. Die Abgabe an den Staat mußte in Peru beim Silber von
#5 auf to, beim Golde auf !/eo des rohen Ertrages perabgeie t wer:
den, in Merico kam fie 1780 beim Golde, 1822 auch beim Silber auf
3 Proc. herab. Die Grube Anima Balenciana trug im Durch⸗
fhnitt der neun Jahre 1794—1802 jährlih roh 158929 Mark oder
1537486 Biafter, die Koften und Abgaben machten 894007 Piaſter,
alfo blieb Reinertrag der Unternehmer 643479 Biafter ober 41 Proc.
Dieß iſt aber das reichfle Silberbergwerf in Merico, nad welchem die
anderen nicht beurtheilt werden können. Der erzführende Bang veta
madre ift auf einer Erſtreckung von 12000 Meter (40 000 bad. Fuß)
bearbeitet worden ; er bat, wo er unzertheilt if, meiftens 12—15 Met.
Mächtigkeit und große Tiefe. Neuerlich iſt der reine Ertrag dieſer Grube
auf 5 Proc. gefunten, hauptſaͤchlich weil feit 1811 Wafler in fie ge:
brungen ift, weldhes nun den größten Theil ihrer Tiefe ausfüllt. Hum-
boldt, Essai polit. III, 409. — Stord, I, 393. III, 15. — Adams,
The actual state of the mexican mines, 1825. — Heidelb. "Jahrbücher,
1825. ©. 712. — In Braftlien if bei fehr nachlaͤ Rgem Betriebe doch
die Abgabe an den Staat !/s des Goldes geblieben. Spir und Mar:
tius, Reife, I, 346. — In Rorb:Garolina werden die feit einigen
SJahrzehnden eröffneten Soldgruben (Seifens oder Schwemmwerke) noch
für Ya — 1a des Rohertrages verpachtet, aber nur in ber Hoffnung
außerordentlicher Funde kann ſich der Unternehmer zu biefer hohen Ab:
(8)
(e)
abe entfchliegen; Olmsted in Taylor, Philos. magas. Nr. 325.
& 375. Das Graben gefchieht zum Theil von Abenteurern (Julius,
Norbamerica’s fittl. Zufänte, I, 75) wie auch in der Gegend von
Arispe (Merico) bie fogen, Gambusinos umherziehen, um Goldlager zu
fuhen. Diefe Goldgewinnung durch Ausmejden der gegrabenen Erd⸗
iſt nicht mehr Bergbau zu nennen. — Im Htmmelefürfler, dent teidys
ſten fächfiichen Silberbergwerfe, wird der Reinertrag auf 27 Proc. bes
rohen berechnet, in der Dorothea bei Clausthal belief er ſich im vori⸗
gen Jahrhundert auf 30 Proe., dagegen wurden anf dem ze auch
viele Gruben mit Schaden („auf Zubuße‘) gebaut, fo daß im
Banzen der reine Ertrag nicht mehr als 10 Proc. ausmachte. Bon
den Silbers, Bleis und Kupfergruben des Dberharzes geben nur fechs
eine Ausbeute, vier deden die Koften, die anderen Toket Zuſchuß.
Hausmann, a. a. D. ©. 163 und Taf. V. — Die Ausbeute
mehrerer Bergwerke im fächftihen Erzgebirge empe, Mag. V, 93.)
zeigt deutlich den Einfluß des Cinſtroͤmens der wohlfeileren america⸗
Sifhen Metallvorräthe auf den europäifhen Bergbau. Die vertheilte
Ausbeute betrug 3. DB. zu Annaberg im D. 14961505 60499 fi.,
1562 —1571 11368 f., 1580—1599 3233 |. Nus den Zahlen bei
Bäkihmann (Vergleichende neberfiht d. Ausbeute ac., Freib. 1852
läßt fich ermitteln, daß im Freiberger Revier anf jede gewöntterre Ma
Silbers im D. 1630 —49 3,41 Thle., — 1590-99 2,%, - 165058
2,18, — 174049 1,8, — 1790—99 1,15, — 1840-49 nur 0,% Tälk,
Ausbeute vertheilt wurde. — Der jährliche Meinertrag des Silberberg-
werke zu Sala in Schweden war im 15. Jahrhuntert 17276 Thlr.,
von 1
17. Jahrh. 3072 Thlr., im 18. Jahrh. 1850 Thle. Hausmann,
Reife d. Scand., IV, 311 (Gött. 1816).
Bei dem großen Kupferbergiwert zu Roͤtaas in Nortiegen berechnete
man 1767 den reinen Ertrag auf 53 Procent des rohen, bei dem Preife
von 80 Thaler dänifch für das Schiffspfund Garkupfer. Schlözer,
Briefwechſel, V, 273. Aus den Angaben bei Hausttiann, V, 237,
laͤßt ſich nody ein reiner Ertrag von Al Procent vermuthen. — Schot⸗
tifche Blei⸗ und comifche Zinnbergwerfe tragen nah Smith 16%5 Pro:
cent; doch verfihert man neuerlich, vo fle keinen Reinertrag im
Ganzen abwerfen, indem Ginzelne verlieren, was Andere gewinnen.
„Man hat hierin feine Gewißheit über den gegenwärtigen Augenblid
hinaus. rzgänge, die anfange viel verfprechen, werden oft. in ber
Tiefe ganz unergiebig und verurfachen den Unternehmern ungeheure
Perlufte, — andere, die von außen wenig erwarten ließen, gaben
fpäterhin große Gewinnſte.“ Mac-Culloch, Stat. acc. U, 16. Die
Unternehmer ke fehr bejeidmend adventurers. — Die Steinföhlen:
bergiwerfe im Fürftentfum Schweidnitz gaben von 1778—% im D.
einen Reinertrag von 25%, Proc. des rohen (Köhler, Bergm. Jour⸗
nal, 1792, I, 52.), ſaͤmmtliche fchlefifche im Jahr 1790 Iogat 33 Proc.
(end. I, 4). Neuerlich ollen die engl. Steinfohlenibergiverfe im
gemeinen nicht ſehr einträglih fein, Mac-Culloch, II, 3. —
Bei den belgifhen Kohlenbergwerfen war 184550 der reine Ertrag
9 Proc. des rohen, die Ausgabe für Arbeitslohn nahm 49,2 Proc. des
leßteren' hinweg, Situation, IV, 101.
Diele Bergütung erhält er bisweilen durch Freikuxe, die ihm einen
fleinen Antheil am Noherttage geben. — In Gornmwall werben die
Bergwerke gewöhnlich vom Gigentgümer für !/a—!/ıs de6 Rohertrages
verpachtet, meiftens auf 21 Jahre.
—1550 18141 Thlr., von 1551—1601 4498 Thlr., im.
— 447 —
$. 853.
Der Bergbau eignet fi beſſer zum Betriebe durch eine
Geſellſchaft von Bapitaliftien (Gewerkſchaften), deren Actien
bier Kuxe heißen, als durch einzelne Unternehmer, Eigen:
Iehner (a). Die Urfachen hievon liegen darin, daß er ein
großes Capital erheifcht, namentlich auch ein beträchtliches ſtehen⸗
bes, welches nicht Leicht wieder herausgezogen werben fann,
bag man nicht alle Jahre ficher auf eine reine Einnahme (Au:
beute) rechnen kann, fondern zumeilen noch zuſchießen (auf
Zubuße zechen) muß, und daß ein Einzelner, ber die ganze
Wagniß allein zu tragen hätte, durch ſolche nicht vorauszu⸗
fehende Umftänve leicht zu Grunde gerichtet oder doch ſchwer
betroffen werben würde. Nur Fleinere Unternehmungen, 3. 2.
bei Mineralien, die nahe an der Erboberfläche liegen, und jehr
reiche Privaten machen eine Ausnahme. Die meiften Unter:
nehmer ded Bergbaued bilden daher Feine eigene Claſſe von
Gewerbtreibenden, fondern finden fi) unter ben Gapitaliften
zerfireut (d).
(e) Oder Eigenlähner Mit diefem Worte belegt man aud eine
geringe Zahl von SInterefienten, bis zu 8. Mittermaier, Privat:
recht, S. 302.
(6) In Chilt iſt der Unternehmer (minero) meiftens unbegütert und borgt
das Gapital von einem Capitaliften (habilitador), ber die Gefahr des
Miplingens trägt. — In Nordamerica (Staat Wisconfin) giebt es
eigme „Binder,“ die Erze guffuchen und dann bie erhaltene Berech:
tigung an einen Bergwerksunternehmer verkaufen.
$. 354.
Die bergmännifchen Arbeiter find felten zugleich Unter⸗
nehmer (a), vielmehr wirken fie in der Regel im Lohn. Die
Berrihtungen des Bergbaues haben viel Eigenthümliches, fie
nehmen nicht blos Erfahrung, Uebung und beträdhliche Körper
ftärfe in Anfpruch, fondern ſetzen auch die Arbeiter vielfältigen
Beichwerben (5) und Lebendgefahren aus (c). So lange der
Bergban im Aufblühen if, kann der Lohn fehr hoch fein, indem
ber Zubräng von Arbeitern aus anderen Beichäftigungen nicht
groß zu fein pflegt. Findet aber feine Erweiterung des Be⸗
triebes mehr Statt, ober muß derfelbe fogar eingefchränft werben,
jo ſteht der Lohn niebrig, denn bie Bergleute werben durch
— 448 —
Gewoͤhnung und Vorliebe an ihr Gewerbe und die damit ver⸗
bundene Lebensweiſe gefeſſelt, weßhalb auch die Soͤhne ungern
den Stand und Wohnſitz der Vaͤter verlaſſen und daher das
Angebot von Arbeitern fich erweitert (d). Bei ſtarker Bevölkerung
fehlt e8 nicht an Beifpielen übermäßiger Anftrengung, felbft ſchon
im findlichen Alter, mit fpärlichem Lohne (Ce). Bei günfligeren
Berhältnifien erhalten fich die Arbeiter dur, Genügfamleit und
Fleiß (f) ungeachtet ihrer beſchraͤnkten Lage bie Zufriedenheit.
(e)
(8)
(e)
(4)
(ed)
Nur etwa bei fo leichten Unternehmungen, wie fie in $. 353 erwähnt
wurden, 3. B. beim Bau auf Bohnerz nahe an der Oberfläche.
3.8. Krummhälfer:Arbeit, wo man f&hiefliegend Bauen muß. — Gru⸗
ben in großer Höhe. Bei Heiligenblut in Kärnthen baute man bis
1798 10000 Buß body auf Golderze in der Schneeregion, aus der die
Bergleute nur einmal wöchentlidh ins Thal herabgingen, in ſteter Gefahr
vor Lawinen. Noch jetzt find im Salzburgifchen mehrere Bergwerke
nahe an der Schneegränge, mit beeisten Stollen (Schultes, Reiſe auf
den Glodner, Il, 48. 1804). Am Monte Rofa ift die letzte Hütte ter
Bergleute 1 Stunde hoch im Schnee. Nehnlich bei Nolatco in abi.
Ginbrechendes after, Ginfturz des Mauerwerfe oder der Erde, Ent
ündung der brennbaren Luftarten (ſchlagende Wetter) und tergl. Am
erharz verunglüdten jährlih 10—12 Menfhen, Hausmann,
©. 59. — In den engliihen Kohlengruben find, foviel befannt if, in
25 Jahren bis 1835 2070 Menfchen umgefommen, vielleicht noch mehr
(Mac-Culloch. Stat. acc. IL, 7), in den belgifchen 1831—40 1016
oder 3,2 p. mille, 1841—50 1366 oder 2,°1 p. m., neben 1,6 und
2,4 p. m. Verwunbeten, Situat. IV, 109. — Die preußifchen Bergwerke
hatten 1821—50 1715 Todesfälle bei der Arbeit, 1851--50 insbefons
dere 791 oder 1,60 auf 1000 Arbeiter, in den Stein: und Braunfohlen-
ruben aber in dem Zeitraum 1821—40 2,35 p. mille, v. Garnall,
eitfhr. I, 120. — In der Balenciana (Merico) famen 1780 an
250 Arbeiter auf einmal um durch Eindringen des Waflere, Hum-
boldt, Essai pol. IV, 42. — Durch geregeltes, Eunftgemäßes Verfahren
läßt fich viel zur Verhütung folder Unfälle thun; 3. B. Davy’s
Sicherheitslampe, in Belgien von Müfeler verbeflert, f. Des moyens
de soustraire l’exploitation des mines de houille aux chances d’explosion
Brux. 1840.
Hiezu trägt befonders bei, daß fchon die Knaben in den Gruben und
Bocwerten Beihäftigung finden. Auf dem Oberharze ift der wöchent:
lihe Verdienft eines Pochknaben 34 —42 kr., eines Taglöhnere bei
Graben: und Wegarbeit 1 fl. 48 fr. — 3 fl., eines Gehuͤlfen in den
Hütten (Borläufer, Zuwärmer ꝛc.) 2 fl. 42 ir. — 4 fl. 30 fr., eines
Bergfnappen, Schmelzers ıc. gegen A fl. 30 fr. Die Bergleute fcheuen
fih dort, durh Mäben der Wieſen etwas zu verdienen. Hausmann,
©. 59, 69 u. Taf. I, ebenfo die deutfchen und flowafifchen Bergleute
in Ungam; v. Cſaplovics, Gemaͤlde von Ung. 1829. IL Ill. —
In den belgifchen Koblengruben arbeiteten 1850 28471 Männer (zu
1,2 Fr. täglich), 4464 Knaben (zu 94 ent ), 2274 Weiber (zu 1,9 Fri),
1221 Mädchen (zu 85 Eent.).
Der Bericht einer britiihen Parlaments: Commiflion von 1842 enthält
traurige ‚Delege hiezu. Biele Kinder kamen mit 7—9 Jahren, einzelne
mit 6, ja mit 5 ober felbf 4 Jahren in die Gruben, zu Arbeiten ber
ermuͤdendſten und fchäplichfien Art. Daher frühe Erſchoͤpfung, kurze
Lebensdauer, Anlagen zu Krankheiten, 3. B. das Schwarzipeien. Hier
it das Bedürfniß einer Staatsauffiht unverkennbar. Auszug aus dem
erwähnten First report bei Ducpetiaux, De la condition physique
et morale des jeunes ouvriers, I, 87. Brux. 1843, auch bei Engels,
. Die Lage der arbeitenden Claſſe in England, ©. 289. 1845.
( 5) Arbeiten auf Berding (Stüdlohn) beleben den Fleiß; Feldbau, Holz:
fchnigen und mancherlei Fleine Nebengewerbe werfen in den Nebenzeiten
noch einigen Ertrag ab und die Arbeitszeit (Schicht) ift gewöhnlich nur
8 oder 6 Stunden täglih. — Die Bergleute in Gornwallis übernehmen
die Arbeiten ſtückweiſe für eine Duote des Rohertrags, nach einem
Herabbieten in öffentlicher Berfteigerung, wobei fie ihr gutes Ausfommen
finden. Quarteriy Rev. Juni 1827. ©. 81.
8. 355.
Wird der Bergbau über den eigenen Bedarf eined Landes
hinaus erweitert, jo fann feine Ausdehnung Gefahren für den
MWohlftand derjenigen Gegenden nach fidh ziehen, in denen er
als vorherrfchender Gewerbszweig betrieben wird. Die Gapi-
taliften werben durch einzelne Beifpiele großer Gewinnfte leicht
angefeuert, mehr Capital, als rathſam ift, auf ihn zu wenden,
und der hohe Lohn verurfacht eine Vermehrung der Bergarbeiter.
Dieß hat öfters die Folge gehabt, daß andere nüglichere Ges
werbszweige vernacdhläfligt werden (a), und daß, wenn dann
der Bergbau wegen Erfchöpfung der Kagerftätten, wegen Mangels
an Abjag und dergl. in Verfall fommt, viele Familien auf
mehrere Menfchenalter ind Elend gerathen (6). Dagegen
wird auch durch das Aufblühen ded Bergbaus der Anbau und
der Wohlftand abgelegner, vernachläffigter Gegenden raſch ges
hoben (ec).
(a) Dieß ſoll ſchon ungefähr im 8. Jahrhundert in Böhmen geihehen fein,
unter Herzog Krzefomisl, fo daß wegen der Berfäumung des Landbaues
Peak. Theurung und Hungersnoth eingetreten find. Fiſcher, Ge
dichte des d. Handels, I, 91. Solche Mißgriffe können nur vorüber
gehend fein.
(5) Das berühmte Silberbergwerf zu Kongsberg (Norwegen) hatte 2500
Arbeiter, den vierten Theil der Binwohner, beidhäftigt, bi6 e6 1805 von
der dänifchen Regierung fat ganz verlaflen wurde, nachdem es von
1769 an gegen 70000 Thlr. jährlichen Zufhuß gefoftet hatte. „Sah
man einft zahlreiches Bergvolk ſchon vor Tages Anbruch das ftille Ge⸗
birg binan zu den Gruben anfahren und nach beenteter Schicht froh
zum dampfenden Herde zurüdeilen, fo findet man jest die Anfahrwege
leer und todt, in den Straßen der Stadt aber langſam fchleichende,
ausgehungerte, mit Lumpen behangene Körper, in deren gebeugten Ge⸗
fihtern man Hunger und Elend Tief.“ Hausmann, Meile dur
Scand. II, 2 ff. — Späterhin kam dieß Bergwerk wieder in Gang
und bringt jeßt reichlichen Ertrag, $. 277.
Mau, polit. Defon. I. 7. Ausg. 29
— 450 —
(6) „Ale Obregon (nachheriger Graf von Balenciana) den Gang
von Suanaruato oberhalb der Schluht von St. Xaver zu bearbeiten
anfing, weideten bie Ziegen auf dem nämlicdhen Hügel, wo fi 10 Sahre
fpäter eine Stadt von 7—8000 Ginwohnern zu bilden begann.“
‘Humboldt, Essai pol. III, 9. 405. — Galifornien, Auftralien ıc.
Zweite Abtheilung.
Wilde Jagd und Fifcherei.
$. 356.
Die Erlegung und den Bang ber Land und Waflertbiere
ohne eine vorausgehende Sorgfalt für Erzeugung, Wahsthum
und Gedeihen berjelben nennt man wilde Jagd und wilde
Kifcherei. Beide Ernährungsarten haben zwar biefe forglofe
Benugung des natürlichen Reichthums mit einander gemein, find
aber doch in anderen Hinfichten fehr verſchieden. Die wilde
Jagd, febt weite, menfchenleere Streden ,. befonderd bemalbete,
voraus, in denen Wild in Menge aufmähf. Nur eine jehr
Heine Zahl von Menſchen fann fih auf einem beflimmten
Raume von der Jagd emähren; die Volfömenge eined Jägers
volkes muß daher, wenn es nicht möglich ift, ſich über eine
größere Flaͤche auszubreiten, in einer engen Gränze bleiben,
deren Ueberfchreitung bald Hungersnoth verurfachen würbe. Die
Jagd übt und flärft zwar den Körper in hohem Grade und
wird leicht zum Gegenftand einer leidenfchaftlichen Borliebe (a),
macht aber die Menfchen ungeftüm, rauh und rubigeren Bes
ſchaͤftigungen abgeneigt. Ihr Ertrag läßt fih, mit Ausnahme
der Häute und Felle, nicht aufbewahren, deßhalb fuht man nicht
mehr Lebendmittel zu gewinnen, als man in furzer Zeit vers
zehren kann, es wird nichts Abergefpart, fein Capital geſam⸗
melt und alfo fein Weg eröffnet, um aus dieſem Zuftande der
Rohheit herauszutreten, in welchem es weder Arbeitötheilung
noch Verkehr, weder geiftige Bildung noch Staatseinrichtungen
giebt (Bd).
(a) Wie dieß von den alten Deutfchen und Galliern befannt il. Reynier,
Econ. publ. et rur. des Celtes, des Germains etc. ©. 138.
— 41 —
(5) Belege hiezu geben bie Sähilderungen von Neifenden über die Wilden
in beiden Sälften von America. e nordamerlcanifhen Jägerflämme
treiben indeß nah Hunter ſchon etwas Landbau und felbft einige Ge⸗
werke. — Berührungen mit anderen gebildeteren Bölfern machen „es
allein ſolchen Stämmen möglih, nad und nad zu einer anderen
Lebenswelje überzugeben, wozu fie fich jedoch nur ſchwer entſchließen. —
In Rusland bemerkt man die Abnahme der Heifchfrefienden Jagdthiere,
die das vorzüglichfte Pelzwerk geben, dagegen mehren fich die pflanzen
frefienden und nagenden, deren Helgertrag im Ganzen viel größer if. —
Die fogenannte zahme Jagd, bei welder das Wild mit Nüdfidt
auf die Fortpflanzung geihont (gehegt), bisweilen felbft gefüttert
wird, erfordert Jagdgeſetze, die in einem Zuftande, wie ber oben bes
fchriebene, nicht zu Stande kommen können.
. $. 857.
An den Ufern bed Meeres ober aud) beträchtlicher Ströme
und Binnenfen gewährt die wilde Fiſcherei vielen Men-
hen Unterhalt. Sie zeigt fi) in ihrer größten Wichtigkeit in
folhen Ländern, wo die Strenge des Klimas der Viehzucht und
dem Pflanzenbau wiberftrebt und beghalb Fiſche das gemeinfte
Kahrungsmittel bilden, ohne welches folche Gegenden gar nicht
bewohnbar wären (a). In Rändern, die dünftiger befchaffen
und bereit® angebaut find, bildet dieſe Fiſcherei eine fchägbare
Zugabe zu den Nahrungsmitteln, welche der Boden trägt, und
liefert überdieß noch Güter, die theild im Lande verarbeitet (b),
theild auswärts abgefegt werben innen (c). Die Küften-
„ bewohner ergeben ſich diefem Erwerbözweige häufig und erhalten
in ihm Gelegenheit, ſich zu guten Schiffen zu bilden. Der
Fiſchfang in der Nähe der Ufer wird im Kleinen, mit geringem
Capitale betrieben, giebt auch wegen ber ſchwierigen Fort⸗
fhaffung frifcher Bifche ind Inmere der Länder und des großen
Mitwerbend von Berfäufern feine beträchtlichen Gewinnfte, bes
fchäftiget dagegen viele Menfchen (d). Die in entferntere Meere
unternommenen Züge erfordern erhebliches Capital und können
große Gewinnſte abwerfen, find jeboch nicht frei von Zufällen,
welche biöweilen allen Bortheil vernichten (e).
(a) Schon in Island und Kamtſchatka find Fiſche die Hauptnahrung, Vieh⸗
zucht wird au Hülfe genommen, pflanzliche Nahrungsmittel aber werden
wegen des falten Klima’s faft gar nicht gebaut, da in Kamtſchatka fchon
im Anfange des Julius Reife eintreten. Rau, Anfidten, S. 81. —
Schlöger, Briefwechſel, 9. VI, 342. — Gbenfo im nördlichen Nor⸗
wegen. — Trodnen der Fifche für den Winter und zur Ausfuhr.
(6) — Wallrath, Wallfiſchbarten, Hauſenblaſe, Perlen, Korallen; —
ernſtein.
29”
(e)
(4)
(e)
— 452 —
Heringe, Stodfifche, Auftern ꝛc. Die vielen Küften Europa’s geben eine
große Begünftigung der Fifcherei. — Ueber den Ertrag berfelben vgl.
v. Malchus, Statifl. u. Staatenf. S. 88. — In Großbritanien
waren 1833 11284 Wahrzeuge, mit 49212 Menſchen bemannt, im
Heringsfange beichäftigt. Mit Binfhluß der beim Salzen, Paden ıc.
thätigen Menfchen fanden 86266 Perfonen ihren Unterhalt dur bie
Heringsfliherei. Mac-Culloch, Stat. acc. II, 28. In Schottland
follen 1848 15062 Fiſcherboote mit 60 364 Mann beichäftigt geweſen
fein. Irland hatte 1846 21075 Boote mit 99422 Mann. Mei-
dinger, Das brit. Reih, 1851, ©. 305. — Im britifhen America,
vor Natich in Neufchottland und Neufundland, ift die Fifcherei eine
wichtige Nahrungsquelle. Die Ausfuhr von Britifhs Nordamerica be
trug 1852 an getrodneten Fiſchen 827738 2. St. (wovon 649897 ®.
Stodfifh) und an Thran 333 960.
In Island wandern jährlih im Yebruar fehr viele Cinwohner an die
füdweftlihen Küften und nehmen gegen einen Antbeil am Grtrage an
der Fiſcherei Theil. Gegen Anfang Mais, wo file zurüdfchren, bat
jeder 5—600 Stüd erworben, die für den nädften Winter ausreichen.
Doch fommt aud Biehaucht und Wollenweberei hinzu, es werden neben
den Fiſchen und dem Thrane auch Talg, Belzwert, Wolle, Gewebe,
Eiderdunen sc. ausgeführt, um Getreide, Bifen, Hanf, Golonialmaaren
und mancdherlei andere Dinge einzutaufhen; Madenzie, Reife durch
Island, a. d. @. 1815. ©. 153 u. Taf. 1.
Nah Scoresby gehen in den Gewäflern der Davisfiraße 8 en 2,
in der Nähe von Spipbergen aber 4 Proc. der auf den Wa Alhfang
gelendeten Schiffe zu Grunde. Die Engländer fingen in den Jahren
1814—17 mit 586 Fahrzeugen 5030 Wallfiſche, die Holländer 71900
Stüd in den 130 Jahren von 1665—1793. — Bon 1815—34 berech⸗
nete man im Wallfifichfang der Briten an der Küfte von Grönland und
in der Davisftraße die jährliche Durhfchnittszahl der Schiffe auf 115°/,,
wovon 5 verloren gingen, die Menge der erleaten Wallfiiche im D. auf
1024, welche 11 343 Tonnen Thran gaben. Die Wallfifhe vermindern
fich fehr merflih. Mac-Culloch, Acc. II, 33. — 1836 wurden
von 47 Schiffen der Gapcolonie 18 Walfiihe und 681 Robben, 1838
von 77 Schiffen nur 10 Wallfiihe und 345 Robben erbeutet, Porter, ”
&. 775. — Die nordamericanifchen Breiftaaten hatten 1847 721 Wall:
fiichfahrer mit ungefähr 20000 Mann, 20 Mill. Doll. ſtehendem Ga-
pital und 4 Mil. jährlichen Ausgaben. GEs famen in dem genannten
Jahre für 8167230 Doll. Thran und Barten nad Haufe, Fleif ds
mann, Gewerbözweige ber verein. Staaten, 1850, ©. 294.
— 46 —
Dritte Abtheilung.
Die Landwirthſchaft.
Erſtes Hauptſtuͤck.
Die Landwirthſchaft im Allgemeinen betrachtet.
§. 358.
Dieſes Gewerbe entſteht ſehr frühzeitig in jedem Volke,
ſobald man aus der Naturbeobachtung die Mittel abgeleitet hat,
auf die Erzeugung der Pflanzen⸗ und Thierſtoffe einzuwirken,
und dad Beduͤrfniß empfindet, zur Sicherheit des Unterhaltes
eine ſolche Thätigfeit zu Hülfe zu nehmen, 8.97. Pflanzens
bau (Landbau) und Thierzucht find die beiden Haupt
zweige der Landwirthfchaft, die wieder in viele Unterabtheilungen
zerfallen, ald Feldbau, Garten, Reb⸗, Waldbau, ‘Pferdes,
Schaaf⸗, Bienenzudt, Teichfifcherei u. dergl. Manche diefer
einzelnen Zweige, 3. B. die Horftwirthfchaft, koͤnnen abgefondert
betrieben werben, andere ftehen in Zufammenhang mit einander
und namentlidy werden der Feldbau und die Zucht der größeren
Hausthiere (Viehzucht) gewöhnlich miteinmder verbunden,
weil einerfeitd zur Ernährung der Thiere ein Borrath von
Pflanzenftoffen erforderlih ift, andererfeitS aber ber Landbau
ber tbierifchen Arbeitöftäfte und Düngftoffe bedarf (a). Diefe
Verbindung wird oft Landwirthſchaft im engeren Sinne des
Wortes genannt.
(a) Bienen, Seidenraupen und dergl. gehören nicht zum Viehe, find aber
doch Begenflänte der Thierzucht und die Zucht der Seidenraupen ift
an den Anbau des Maulbeerbaumes gebunden.
8. 359.
Die Viehzucht kann nur da für ſich allein beftehen, wo
e8 an MWeideplägen nicht fehlt, auf denen für die Thiere das
ganze Jahr hindurch zureichende Nahrung zu finden ift.
In falten Rändern ift ein Borrath von Winterfutter nöthig, der
— 1 441 ——
dem Boden abgetvonnen werden muß (a). In einem frudhts
baren Lande liegt zwar bie Aufforderung zum ‘Pflanzenbaue
nahe, indeß wird die Abneigung vor bdiefer mühfameren Bes
ihäftigung erft dann überwunden, wenn fie bei dem Anwachfe
der Volksmenge zur Vermehrung der Nahrungsmittel nöthig
wird (db). Die Hirtenvölfer müflen mit ihren Heerben umher⸗
wandern, um öfterd frifche Weiden aufzufuchen (c). Bei ſolchen
Wanderhirten (Nomaden) zeigt fi fchon der Einfluß der
Vermögensungleichheit, denn bie Viehzucht erfordert ein anfehn-
liches Capital von Viehheerden, es giebt ſchon Reiche und Dürftige
und die Dürftigften find genöthigt, ſich als Lohnarbeiter zu
verdingen (d). Achtung des Eigenthums und Unterwerfung
unter ein Oberhaupt, alfo die Grundlage der Staatöverbindung,
find ſchon bei biefer Ernährungsmweife einheimifh, auch giebt
biefelbe Gelegenheit, nicht allein die Friegerifhen Tugenden,
fondern auch eblere Künfte zu pflegen (e).
(a) Diele fehr ausgedehnte und fruchtbare Weibepläße in Ungarn und Sieben:
bürgen And noch unbenugt, weil man wegen bes Mangels an Winters
futter kein Vieh halten Tann. Andre, Def. Neuigk. 1823, I, 246.
Doc bleibt das weidende Vieh auf den weiten Pußten der Ebene meiftens
den Winter im Breien, wobei es von ber Kälte viel leidet. Der Froſt⸗
furm im Januar 1846 tödtete 80000 Stüd Vieh, v. Efaplovice,
@emälde von Ung. I, 142, II, 16. Daſſelbe geſchieht oft in der
Mongolei und in der Steppe ber nogaifchen Tataren, bie durch folche
Unfälle zum häufigeren Butterbau und zur Errichtung von Gtällen
bewogen wurden, Bibl. unir. Apr. 1831. S. 348 (nad Zwid).
(5) Die alten Deutfchen zur Zeit des Caſar und Tacitus bauten ſchon
Getreide und Sein, mähten die Wiefen und betrieben fchon fruͤhe dem
fünftlihen Futterbau, doc erfrente fih die Viehzucht befonderer Bes
günfignng, was ſchon die vielen zu ihrem Schuge beſtimmten geſetz⸗
ihen Berorbnungen zeigen. Beynier, Celtes, ©. 487.
(e) Das befanntefte Beifpiel eines ſolchen Nomadenvolkes bieten uns die
Araber dar. Der mittlere Theil von Arabien ift mit kahlen Bergen
und fandigen Ebenen bedeckt, waſſerarm, nur in den tieferen Stellen
feuht genug, um Bäume zu nähren. Die Brunnen find ein hoͤchſt
wichtiger Vermögenstheil, um den man bei flreitigem Rechte felbft Krieg
führt. Du Bois-Aim6, in der Döscript. de l’Egypte. — Allg. geogr.
Epbem. 1814. Oct. — Beynier, De !’&. publ. et rur. des Arabes
et des Juife. ©. 2. — Burkhardt, Notes on the Bedouins and
Wehabys. 1830. — In ben 9000 Q. Leguas großen Grasfläden (Lianos
oder Sabanas) von Venezuela weidet fehr viel Vieh. Der Kampf mit
den wilden Thieren flärft den Muth und die Kraft der Menfchen.
Codaszi, Resümen de la geografia de Venezuela, Paris 1841, S. 62. —
Die Natur des Rennthieres, welches flets in der Nähe des Schnees
bleiben muß, geflattet felbft in Lappland dieſe Ernaͤhrungsart. Auch
die jetzt ruſſiſchen Lappen müflen im Sommer die höheren Weideplaͤtze
bes norwegischen @ebirges, zwiichen 2000 und 2800 Fuß Höhe, auf:
fuchen, v. Buch, Reiſe d. Scanpin. U, 161.
— 4658 —
(a) Bei den Beduinen kann ohne ein Kameel keine Familie auskommen,
bei 10 Kameelen iſt man noch dürftig, bei 30—40 wohlhabend, bei 60
reih (Burdhardt). — Bei den Rennthierlappen iſt durch 100 Stück
Rennthiere der Unterhalt einer Familie noch nicht gefihert, 3 — 400
machen aber fchon wohlhabend (v. Bud). — Die Kirgis-Bukaik-Horde
ift das reichfle Nomadenvolf. 12000 Familien haben 4 Mill. Schaafe,
1 Mill. Pferde, %, Mil. Kameele und 200000 Ochſen und Kühe,
@versmann in Nour Ann. des voy., Juni 1828, ©. 315. — In
der Provinz Eriwan befipen 2500 nomadifche Familien 12000 Ochſen,
11000 Kühe, 140000 Scaafe, Ziegen und Pferde. Klaproth in
Berghaus Annal. VILL,324. — Schon Nriftoteles, Polit. IV, 3,
bemerft, die Pferdezucht führe zur Oligarchie.
(e) Poefie der Araber, auch edelmüthige Gaftfreundfchaft bei denfelben.
Berauben der Fremden wird nicht als ſchimpflich, fondern als Krieg
betrachtet,- zu dem der Araber fich berechtigt glaubt, weil er fih für den
freieren und befieren Menſchen hält.
$. 360.
Das Nomadenleben geftattet feine beträchtlichen Fortſchritte
im Wohlftand und in der Entwidlung der gefelligen Berhälts
niſſe. Die Urſachen hievon ſcheinen dieſe zu fein: 1) Die
Zucht der Hausthiere läßt feine Anwendung von folchen Kunfts
mitteln zu, die in anderen Gewerben den Ertrag vervielfältis
gen (a). 2) Die Bevölferung ſowohl als die Größe der Heer⸗
ben muß je nad) der Ergiebigkeit der Weibeftreden in einer ges
wiſſen Gränze gehalten werben. Es können deßhalb nicht viele
Menſchen auf kleinem Raume beifammen wohnen, vielmehr
müffen ſich einzelne, nicht ſehr zahlreiche Stämme von einander
fondern, zwifchen denen, weder eine fefte politifche Verbindung,
noch ein lebhafter Güterverkehr Statt findet (db). 3) Bei dem
Mangel fefter Wohnfige bleiben auch bie Bebürfniffe des pers
fönlichen Genuſſes ſehr einfach und daher ift feine Beranlaffung
zum abgefonderten Betriebe von Gewerken vorhanden (c), Der
Lurus kann auch bei den Reichen nicht weit gehen, weil alle
Habe zum leichten Fortſchaffen eingerichtet fein muß (d), und
der Reichthum wird deßhalb vornehmlich zur Emährung vieler
Menſchen angewendet, weil diefed Anfehen und Madıt verfchafft.
Hieraus erklärt fich leicht, warum Nomabdenvölfer Jahrtaufende
hindurch im Ganzen auf gleicher Bilbungsftufe ftehen bleiben
fonnten (e). |
(a) Reynier bemerft, daß die vorzüglich mit ber Viehzucht befchäftigten
Völker fich wenig um die Beredelung der Viehraſſen zu bekuͤmmern
pflegen, Celtes, ©. 485. nn
(5) Die unabhängigen Stämme der arabifhen Wülle Haben nah Du Bois;
Aims gegen 30—40 000 Meiter, was ungefähr auf 200000 Menfchen
ſchließen läßt.
(6) Bei den Bebuinen nur Huffhmiede und Sattler. — Schilderung ber
ungarifchen Hirten, v. Gfaplovice, IL, 52.
(d) Bgl. Niebuhr. Reifebefhr. n. Arab., I, 233. (Kop. 1774.) — Die
herrſchende Neigung ift die Liebe zum unabhängigen Leben, weßhalb
unter den Arabern wie in den Kirgifenfteppen diejenigen verachtet find,
welche den Boden anbauen, weil fie nicht vor dem übermächtigen Feinde
flüchten und dadurch ihre Freiheit erhalten koͤnnen. — Die Kirgifen
verwenden ihren Reichthum auf feine Kleider und Schmud.
(0) Die Araber find noch heutigen Tages fo, wie man fie im alten Teſta⸗
mente und bei den alten Griechen geichilvert findet.
8. 361.
Die Berbindung des Landbaues mit der Viehzucht macht
bad Tanbwirthfchaftliche Gewerbe erft vollftändig. Fuͤr jebes
Land, welches beträchtliche baufähige Blächen hat, ift bie Land⸗
wirthfchaft ein hoͤchſt nüsliches Gewerbe (a), denn 1) fie liefert
bie unentbehrlichften Lebensmittel und vermag bie Menge bes
jährlichen Erzeugniffes derfelben fortwährend zu vermehren, wie
ed der Anwachs des Bedarfes erfordert. Keine andere Befchäfs
tigung bringt dem Werthe nach eine fo große ütermenge ins
Volfövermögen. 2) Wenn audy ber reine Ertrag ber Land⸗
wirthfchaft nach der Einführung des häufigen Taufchverfehres
zum Theile von ben Preifen der Bodenerzeugniffe abhängt, fo
ift der Landwirth doch bei ungünftigen Abfagverhältniffen wenig⸗
ſtens infoferne gefichert, al® er feinen eigenen Hausbebarf an
ben für Nahrung, Kleidung, Heizung u. dergl. nöthigen Stoffen
felbft gewinnt. Berner wirb durch eine reichlihe Erzeugung
biefer Lebensmittel die Vermehrung ber Volksmenge begünftiget,
wobei dann auch der Begehr und Abfag, jener Gegenftände zus
nimmt. Deßhalb giebt die Landwirthſchaft für die, welche fie
betreiben, eine größere Unabhängigkeit und Sicherheit ald andere
Gewerbe. 3) Sie wirkt auch günftig auf den perfönlichen Zus
ftand der mit ihr befchäftigten Menfchen, ift der Geſundheit,
ber Lebensdauer, der Kraft und Gewanbtheit des Körpers zus
träglich, nährt den Geift, veredelt die Geſinnung und bewahrt
vor einfeitiger Ausbildung einzelner Anlagen (Berbildung).
(ea) Rgl. Sulzer, Ideen über Voͤlkergluͤck, S. 56.
— 457 —
8. 362.
Wenn in einem Lande noch wenig Verkehr und Arbeitds
theilung befteht, fo ift die Landwirthſchaft für ven einzelnen Land»
wirth hauptſächlich nur das Mittel, ſich und feiner Bamilie den
eigenen Bebarf von Bodenerzeugniffen zu verfchaffen. So lange
ein diefen Bedarf überfteigenber Vorrath noch feinen Verkehrs⸗
werth und Abfap haben würde, werben feine Kunftmittel zu
Hülfe genommen, die den Ertrag des Bodens erhöhen, weil
fi) die darauf verwendeten Auslagen nicht bezahlen, und Jeder
ftrebt vielmehr darnach, die für feine Bebürfniffe nöthige Menge
von Pflanzens und Thierftoffen mit dem geringften Aufwande
von Arbeit und Capital zu gewinnen. Hiedurch erhalten die
lanbwirthfchaftlichen Unternehmungen ihre Richtung. Man läßt
die Naturfräfte ihre Wirkung äußern, ohne fte viel mit menſch⸗
licher Kunft zu unterftügen; ed werben große Streden Landes
benugt, aber wenig bearbeitet und gar nicht oder wenig ges
. büngt, (fog. ertenfive Bewirthſchaftung $. 370 a),
und der erfchöpfte Boden wird dem freimilligen Pflanzenwuchfe
überlaffen, um fi allmälig wieder mit befruchtenden Stoffen
zu bereichern (a). Was der Landwirth an Andere zu leiften
bat, das entrichtet er in Bobdenerzeugniffen (Naturalien) ober in
Arbeit (d), und die nöthigen Gewerkswaaren liefert die Arbeit
der Hausgenoſſen (c). Eine Folge dieſes Zuftandes ift, daß
ber Boden im Ganzen nur geringen hohen und reinen Ertrag
giebt und daß eine beftimmte Flaͤche, 3. B. eine Quabratmeile,
nur eine kleine Anzahl von Menfchen ernährt.
(a) Nach einigen Braten läßt man den Ader öde liegen, damit er fich mit
Gras oder Holz bedede und dadurch wieder eine Humusichicht erhalte.
Solde Mittel erhalten fih in ſchwach bevölferten Gegenden auch noch
nah dem Anfang des Verkehrs in Anwendung. Wechlelfelder, bald ale
Acer, bald ale Wiefe behandelt. — Abbrennen des Waldes, noch jet
in Schweden, Sibirien und im Innern von America üblid. Der
Brandader (swedja) bleibt in Echweden nach einigen Ernten liegen und
überzieht ih mit Birken, Hausmann, Weile, I, 144; in Brafilien
geidieht faft aller Aderbau auf abgebranntem Urwalde, welder bie
usfaat 150fältig erflattet, nach einigen Jahren aber verlafien wird
und fhnell mit Bäumen und Gefträuchen überdedt erſcheint. Spir
u. Martius, Reife, I, 159. — In rauhen Gebirgsgegenden Hat fich
ein Reſt diefes Zuftandes erhalten, 3. B. die wilden Önge oder Reuts
felder des Schwarzwaldes, bie bei forgfältigerer Behandlung in Hads
wälder oder Hauberge übergehen, wie im Nedarthal, um Siegen; das
Gereuthbrennen in Steiermark, Hlubed, Landw. v. Steierm. S. 52
— 48 —
Vgl. überhaupt Roſcher in Rau und Hanſſen, Archiv, N. F.
DI. 160. und in deſſen Syſtem der Volksw. IIr Bd.
(5) Zehnten und andere Abgaben von @etreide, Vieh u. dgl. — Frohnen.
(c) Große Familien mit vielem Gefſinde.
$. 363.
Die Landwirtbfchaft kann weit mehr Menfchen mit Boden
erzeugniflen verforgen, als fie befchäftiget. Diefen Ueberſchuß
über den eigenen Bedarf der Landarbeiter gewinnt man aber
nur dann, wenn man genöthigt ift oder Ausficht auf Abjag
bat. Wo die Randwirthfchaft durch Unfreie oder durch Fa—
milien betrieben wird, bie nur befchränfte® oder gar Fein
Grundeigenthum haben, ba fann audy ohne Taufchverfehr eine
Claſſe von Bürgern aus dem Ertrage der Grunpftüde ein
nicht durch eigene Arbeit erworbenes Einfommen, eine von
den Landwirthen ensrichtete Grundrente ($. 207) beziehen (a).
Sol jedoch der Landwirthſchaſt ein folder Grad von
Kunft und Eifer und ein ſolches Capital zugewendet werben,
bei welchem fie den größten rohen und reinen Ertrag von
gleicher Bläche abwirft, fo wird dazu erfordert, daß ſich dem
Landwirthe Gelegenheit darbiete, manchfaltige Bobenerzeugniffe
zu verkaufen und mit dem Erlöfe mancherlei andere Güter ein-
zutaufchen. Mit der Leichtigkeit des Abſatzes beginnt der Eifer,
die vortheilhaftefte Art des Betriebes einzuführen und in jeder
Gegend dasjenige hervorzubringen, was die Auslagen mit dem
größten Gewinne erftattet.
(a) Die fhottiihen Grundherren zertheilten fonft ihr Land in viele Eleine
Pachtgüter, deren jedes nur gerade eine Familie nährte und bie weni
Zins gaben, dafür aber dem Verpachter großen perfönlichen Eindus
fiherten, wie 3. B. Cameron von Kodiel, der nur 500 8. St.
Pachtzins einnahm, 1745 mit 800 Mann von feinen Pachtleuten ins
Yeld ziehen konnte. Senior, On the rate pf wages, S. 46.
8. 364.
Der Abfag Iandwirthfchaftlicher Erzeugnifle im Auslande ift
weniger nüglich als der .inländifche, 1) wegen der Unficherheit
feiner Fortdauer, indem insbefondere die forneinführenden Län-
ber ſich allmälig von dem Bebürfniß der Zufuhr frei zu machen
fuchen (a); 2) wegen der größeren Koften der Berfenbung in
bie Serne (b), wenigftend zu Lande, während. in ben meijten
— 459 —
Fallen bei dem Mitwerben mehrerer landbauender Völker nur
fehr mäßige Preife zu erlangen find, wozu noch fommt, daß
ber Landwirth ben Verlauf auf entfernten Märkten dem Groß⸗
händler überlaffen muß, deſſen Gewinn den Berfaufdpreis für
den Erzeuger fohmälert (ce); 3) weil nur ein Theil der Rob»
ftoffe 3. B. Getreide, Handelsgewächſe, Wein, Flachs, Vieh,
Wolle, Häute, zu einer weiten Verſendung geeignet find, manche
anbere aber, 3. B. Eier, Geflügel, Gemüfe, frifches Obſt, Heu,
Stroh, wenigftend auf ber Are nicht in beträchtliche Entfernung
gefchafft werben fünnen, $. 214.
(a) Norddeutihland bat viel von ben britifhen Korngefegen zu leiden
gehabt, II, $. 131. Der ra der feinen beutichen Wolle wird durch
das Mitwerben von Auftralien ſehr beeinträchtigt.
(8) Die Menge und Güte der Straßen innerhalb des Landes trägt viel
bei, deu Vortheil des inneren Abſatzes zu vergrößern.
(e) Die Srundeigenthümer in Of: und Weftpreußen waren während ber
Wohlfeilheit des Getreides in den’ 1820r Jahren in großer Bebrängniß,
1825 waren in Weftpreußen unter 262 ritterfchaftlichen Guͤtern 195 mit
Pfandbriefen belaftet (verfchuldet) und 71 davon fequeftrirt. Belege
- In W. Jakob's (erftem) Bericht über Kornhandel u. Kornbau, d. v.
Richard, 1826, ©. 57 und Append. Nr. 11 des Originale.
8. 365.
Es ift deßhalb für die Landwirthſchaft am günftigften, wenn
im Inlande neben den Landbauenden noch andere zahlreiche
Volksclaſſen vorhanden find, welche Bodenerzeugniſſe kaufen und
bafür den Landleuten theild Gewerkswaaren, theils mancherlei
perfönliche Dienfte anbieten. Unter folchen Umftänvden wird
ber Boden durch Grundverbeflerungen (Meliorationen) ergiebiger
gemacht, ed wird ein großes Bapital auf ihn gewendet und ihm
die größte Menge Stoffe abgewonnen (a). Es ift ein ſchaͤd⸗
licher Irrtum, den Nuten zu verfennen, den dad Dafein einer
zahlreichen Claſſe von Gewerföleuten und Dienftleiftenden für
die Landwirthfchaft äußert und ber ſich in der Nähe beträchtlicher
Städte auf das Deutlichfle wahrnehmen läßt (6). Wo bie
Bervollfommnung der Landwirthfchaft durch Urfachen, die im
eigenen Zuftanbe berfelben lagen, gehindert war, da haben oft bie
von ben Städten ausgehende Nachfrage nad) Lebensmitteln und
die auf das platte Land auöftrömenden Eapitale den Anftoß zu
Berbeflerungen gegeben (ec).
(e)
()
— 460 ° —
Erhalten die Landwirthe höhere Berfaufspreife ihrer Probucte, fo feßt
dieß nicht blos alle ländlichen Arbeiter in den Stand, reichlicher zu
leben, Sondern verfhafft auch den Grunteignern eine anfehnlichere Rente,
durch die wieder die Anwendung beträchtlicher Gapitale auf den Anbau
beförtert wird. — Diefer Zuftaud ift es, den Herrenfhwand unter
ber Benennung: Syst&me d’agriculture relative fond& sur un systöme
de manufactures al& den vollfommenften fchildert. Discours sur la
division des terres dans l’agriculture. Lond. 1788.
Prechtl (in f. Jahrbüchern des k. k. polytechn. Inftit. LIL 198) em
läutert diefen Satz durch eine Berechnung, nah weldher auf einer
D.Meile bei bloßem Landbau 1800 Menfchen, bei hinzukommendem
Gewerksfleiße aber 6000 Dienfchen leben können. — Es läßt fih ans
nehmen, daß wenigftens nur die Hälfte der Ginwohner fi der Erd⸗
arbeit zu widmen braucht, um die antere Hälfte mit rohen Stoffen zu
verforgen. Je mehr verhältnißmäßig die Zahl der Landarbeiter bes
trägt, deſto geringer ift gewöhnlich der Ertrag des Bodens, auch pflegt
dafelbft die Bevölkerung deſto fchwächer zu fein, doch ift dieß nicht con⸗
ftant, weil manche andere Umftände darauf einwirken. Die flatiftifchen
Thatlachen geben über das Verhältniß der Landarbeiter zur ganzen
Volfsmenge bis jegt in den meiflen Ländern noch Feine genauen Auf:
fchlüffe, weil die Unterfcheidung der verfchiedenen Beichäftigungen bei
den Volfszählungen nicht furgtältig genug nach einer feften Regel bes
obachtet worden iſt. — Beifpiele: In Frankreich vermuthet man gegen
17 Mill. oder 51,4 Proc. aller Cinwohner in den mit. Landwirtbichaft
beihäftigten Ramilien, Schnitzler, Stat. I, 340. In Rußland begriff
dagenen der Bauernfland 1834 gegen 70 Pror., in Schweden 74 Proc.
der Volkszahl, der Bürgerftand nur 31/s Proc. (Korfell, ©. 294. —
In Sachen werden gerechnet 34,2 Proc. in der Land: und Forſtwirth⸗
fhaft, 44,% Proc. in den Gewerken, 1,9 Proc. im Bergbau, 2,5 Broc.
im Handel, 4,8 in höheren Dienften mit Cinſchluß des Wehrſtandes,
4,1 in anderen Dienften, 7 Proc. ohne Beſchaͤftigung. Engel in
Hübner’s Jahrb. II, 265. — In Preußen befhäftigt die Landwirth⸗
fhaft 50 Proc. der Binwohner (fämmtliche Köpfe in den Yamilien eins
gerechnet), die Gewerke 25,2, der Handel, die Kortichaffung, die Gaſt⸗
und Speifewirthichaften 5, Proc. Die von der Landwirthſchaft (ale
Haupt: und als Nebengewerbe) lebenden PBerfonen betragen in der Pros
vinz Preußen 56, Weflfalen 55, Rheinland 52, Pommern 46,3 Proc.
Dieterici, Mittheil. 1852, ©. 269. Gtatift. Tabellen, V, 909. —
Nach der Zählung (census) von 1851 Hat Großbritanien unter den
Arbeitenden (der Hälfte der Cinwohner) 24 Proc. Landwirtbfchafts und
Bergbautreibende,, zu denen noch ein zei! der 10 Proc. Dienftboten
u zählen if. — In Belgien zeigt die Volkszählung von 1846 51,*
Brot. Köpfe in den mit ber Landwirtbichaft befhäftigten Bamilien,
32,14 Proc. in Gewerken, 6,° im Handel, ber Fortichaffung und den
Gaſt- und Schenkwirthſchaften. Die Zahl der Arbeitenden ift in der
Landwirthfchaft 25 Proc. der Volfsmenge, max. 37 in Limburg und
Luremburg, min. 17 Proc. in Lüttich. — In Baiern zählte man 1840
in den Bamilien der Land- und Forſtwirthe 1401049 Köpfe, in _ben
zugleich mit einem anderen Gewerbe befchäftigten 385485, bei den Tag:
löhnern im Landbau 616617 Köpfe, zuf. 2303151 oder 52,7 Bror.
und mit dem zugehörigen @efinde 65,8 Proc. Zierl, Bayerns landw.
Zuft. I, Taf. III 1844. — Für Baden Fann man aus der Gewerb:
ftatiftit von 1829, bei einer Volkomenge von 1176075, Folgendes ab:
leiten: unter allen 236263 Bamilien waren 1) Landwirthe und Pachter
ganzer Landgüter 101832 Bamilien, 2) Hirten, Schäfer, Fifcher 1844,
3) Taglöhner 16223, 4) Gewerktreibende, Handelnde, Wuhrleute,
— 41 —
Schiffer, Wirthe ıc. 77415, 5) Wittwen und ledige Weibsperfonen
2380 Familien. Bon den unter 3 und 5 aufgezählten Yamilien barf
man wohl 28000 der Landwirthichaft zutheilen, die dann mit Ein⸗
rechnung von Nr. 1. 55 Proc. ter Familien befchäftigt.
() Smith, IL, 209.
$. 366.
Wenn der Landwirth feine Hülfsarbeiter unmittelbar mit
den nöthigen Bobdenerzeugniffen verfieht, fo dient der zu Markte
gebrachte Theil der legteren zur Verforgung der anderen Volfs-
claffen. Diefer verfäuflihe Theil muß folgende Ausgaben
beden (a):
1) einen Theil der Koften, der in Geld aufgewenbet wird
a) zur Nachſchaffung von Beräthen und zur Ausbefferung ber
Gebäude, ed müßte denn die Landwirthichaft mit fo Funftlofen
Hülfsmitteln betrieben werden, daß die Landleute ſich dieſelben
felbft zu verfertigen im Stande wären; b) um die zum Unters
halte der Landwirthe und Lohnarbeiter erforderlichen Gewerks⸗
waaren anzufchaffen, wobei es in der Wirkung einerlei ift,
ob die Arbeiter diefe Gewerkswaaren von dem Landwirthe ſelbſt
empfangen, ober ſich diefelben mit bem Geldlohne faufen. Je
einfacher die Lebensweiſe der Landleute ift, defto weniger beträgt
der hiezu beftimmte Theil der Erzeugniffe.
2) Die Grundrente, entweder ganz, falls fie ald Pachtzins
in Geld entrichtet wird, oder wenigftend zum Theil, weil aud)
bie felbftwirthfchaftenden Grundeigner Geld nöthig haben, um
Schuldzinfen und Abgaben zu entrihten, — ferner um ihr
Capital durch Einfäufe, 3. B. von Geräthen, Mafchinen, durdy
Bauten ıc. zu vergrößern, — endlih um fi) mandherlei
Gütergenuß und Dienflleiftungen zu verfchaffen ;
(a) Rau, Anfihten der Boltswirthih. S. 204.
8. 367.
Außer der guten Gelegenheit zum Abfabe (8. 863 — 65)
haben noch folgende Umftände auf die Größe des landwirth⸗
fchaftlichen Ertraged vorzüglich ftarfen Einfluß: 1) der Grad
von Fleiß und Geſchicklichkeit ver Landwirthe; 2) der Ums
fang des ihnen zu Gebote ftehenden, auf ihr Gewerbe verwenb-
baren Capitales (8. 215), welches mit der Größe ber Lands .
güter verglichen werden muß, $. 368 ff.; 3) der Grad von
q
— 462 —
Freiheit, welchen bie Lanbwirthe in ber Einrichtung bed Be⸗
trieb8 und in ber Benugung ber Zelt genießen; 4) die Ausficht,
einen größeren ober geringeren Theil ber Brüchte ihrer Bemü-
hungen zu genießen. Diefe beiden Umftände beftimmen fidh
nad) dem Rechtöverhältniffe, in weldyem fie in Bezug auf das
Eigenthum der Ländereien fich befinden, 6. 376.
8. 368.
Die Größe der Landgüter (a) ift in Hinficht auf ben
Bobenertrag ſowie auf die wirthichaftliche Lage ver Kandarbeiter
ein befonderd wichtiger Umftand, deſſen Folgen einer befonderen
Betrachtung bebürfen, während feine Urfachen theil® in geſetz⸗
lihen Anordnungen (db), theil® in der aus der Geſchichte jedes
Landes zu erflärenden Vertheilungsart bed Grundvermoͤgens,
theild enblid in dem ganzen wirthfchaftlichen Zuftande eines
Landes oder einer Gegend aufzufuchen find (c). Wenn bie Zer-
tbeilung der von einem Landwirthe bebauten Yläche mit dem
Anwachſe der Volksmenge immer fortginge, fo müßte fie enblich
unfehlbar in ein volföwirthichaftlich ſchaͤdliches Uebermaaß gehen.
Es verdient baher erforfcht zu werben, 1) welche Folgen überhaupt
die ungleiche Größe der Landguͤter in volfdwirthichaftlicher
Hinficht äußert, insbeſondere wie fie auf den rohen und reinen
Ertrag einer gewiffen Fläche, auf das Einfommen und bie
Beichäftigung der Landwirthe, endlih auf die zu Markt
fommende, alfo für andere Volföclaffen außer den Lanbleuten
verwendbare Menge von landwirthichaftlichen Erzeugniflen wirfe,
2) wo bie Berfleinerung der Landgüter anfange nachtheilig zu
werben. Diefe Wirkungen des verfchiebenen Umfanges der Land⸗
güter find jedoch offenbar nicht unter allen Umftänden biefelben,
vielmehr kann eine gegebene Größe eines Gutes bei verfchiedenen
perfönlidhen Eigenfchaften des Landwirthed und feiner Lohn⸗
arbeiter, bei ungleichem Capital, ungleicher Kruchtbarfeit des
Landes xxc. hoͤchſt verfchiedene Ergebniſſe liefern, und wo bie
Landwirthe nicht gehindert find, da werben fle bei gehoͤriger Eins
ficht diejenige Größe eined Gutes wählen, welche nad) allen
Umftänden für fle die vortheilhaftefte if. Es müflen daher
auch hier diefe natürlichen und wirtbfchaftlichen Verhaͤltnifſe im
Betracht gezogen werten. Die Größe ber von einem Unters
nehmer bewirthfchafteten Flaͤche fällt übrigens mit dem Umfang
eined Grundeigenthums nicht nothivendig zufammen, weil bald
ein Eigenthümer feine Grundflüde an mehrere Landwirthe ver
pachtet, bald ein Landwirt) Ländereien mehrerer Eigenthümer
als Pachter benugt. Bei diefer Betrachtung iſt es erleichternd,
die Landgüter nad) ihrer Größe in Claſſen zu theilen. Diefe
fönnen nicht mit feften Zahlen für den Flaͤchenraum bezeichnet
werben, weil eine und biefelbe Morgenzahl bald die Merfmale
ber einen, bald der anderen Art von Gütern zeigt (d); es laſſen
fi) aber dennoch für die Ausdruͤcke groß, mittelmäßig u. bergl.
gewiffe Kennzeichen angeben (e). 1) Man geht am beften von
ſolchen Landgütern aus, welche gerade ein Pfluggeſpann (ge
wöhnlich zwei Pferde oder zwei Dchfen) befchäftigen ; denn biefe
Elaffe ift in jeder Gegend am leichteften zu erfennen und nad)
dem Feldmaaße zu beftimmen. Güter bdiefer Art kann man
fleine nennen. 2) Geht die Zertheilung noch weiter, fo ents
fiehen ganz kleine Büter, und zwar a) ſolche, die noch
eine Familie größtentheild ober ausfchließlich befchäftigen und
noch eine geregelte Bewirtbichaftung mit beftimmter Bruchtfolge
und hinreihendem Yuttergewinn zur Ermährung von Großvieh
geftatten; Halb», Söldengüter mancher Gegenden, Kuh:
güter. b) Taglöhnerftellen, bei denen anderer Arbeites
verdienft den größten Theil des Unterhalts decken muß, Häus⸗
ler, Bübner ıc. 3) Ueber den Kleingütern flehen a) die Mit⸗
telgüter von mehreren Gefpannen (Pflügen), bei denen der
Landwirth noch im Stande ift, mit feinen Lohnarbeitern Hand
anzulegen, bie alfo nody von Beſitzern aus dem Bauernflande
bewirthichaftet werben fönnen (4); b) Großgüter, deren Bes
forgumg einen Berwalter ganz befchäftiget, fo daß berfelbe an
ben Berrichtungen ber Hülfsarbeiter nicht Theil nehmen kann (g).
(a) Thaer, Ginleit. 3. Kenntnig d. engl. Landw., II, 2. Abth. ©. 91.
(Hannov. 1801). — Defl. Ann. d. Aderb:, Juli 1806, ©. 1. 35. —
Kraus, Staatsw. V, 72. — v. Schwerz, Belg. Landw. IL, 460. —
(de Lichtervelde), M&m. sur les fonds ruraux du Dep. de l’Escaut.
Gand, 1815. ©. 52. — Rau, Nnfihten, 7. Abh. — Sinclair,
Code of agrie. 3. Ed. ©. 41. — Lotz, Handb. I, 23. — Sturm,
Beitr. 3. deutfchen Land. I. Bd. Nr. 1. (1821). — Cordier,
Agric. de la Flandre fr., ©. 31. — Chaptal, De l’ind. franc.
I, 140. — Deflen Agriculturdyemie, überf. v. Ciſenbach, I, Vor:
rede, ©. XXX (Stuttgart 1824), — van Aelbroeck, L’sgricult.
prat. de la Flandre, Paris 1830, ©. 296 (bie flaͤmiſche Ausgabe er:
/
(8)
— 464 —
ſchien 1813). — Hundeshagen, Die Waldweide u. Waldſtreu, 1830,
©. 138. — Schüs, Ueber den Ginflug d. Bertheilung des Grund⸗
eigentb. auf das Volks- und Staatsleben. Stuttg. 1836. — Mac-
Culloch, Stat. acc., I, 449. — Bogelmannin Rau, Archiv Iv, 1,
Hanffen, ebb., S. 432, Rau ebd. ©. 18 u. 445. — Krenpig,
Die Vertheilung des landw. nupb. Bodens, 1840. — H. Pass
Journ. des Econ. IX. 97. X, 105. 345. XV, 1. — Shneer in Rau
u. Hanffen Arh. N. F. II, 1. — Koppe, Beiträge zur Beants
wortung der Brage: Sind große oder Heine Landgüter zwedimäßiger
für das allgemeine Wohl? 1847. — J. Kay, The social condition and
education of the people in England and Europe, Lond. 1850, Ir Bd. —
de Gasparin, Cours d’agriculture, V, 247 (s. a) — Rau, Ueber
den geringften Umfang eines Bauerngutes, 1851, au im Arhiv, N. F.
IX, 145. — Goͤriz, Landwirthich. Betriebslehre, I, 22. 1853. —
Funke, Die Heillofen Folgen der Bobenzerfplitterung, Goͤtt. 1854. —
de Lavergne, Essai sur l’&con. rurale de l’Angleterre, 1654. ©. 106.
124, f. aud die in II, $. 76 (a) ang. Schriften. Die Landwirthe
fchaftslehre unterfucht, welche Größe eines Landgutes für einen einzelnen
Landwirth unter gegebenen Umfländen tie vortheilhaftefle ſei. In
vielen allen ift jedoch biefer verhindert, zu wählen, oder er wählt
nit das ——— Die Volkswirthſchaftolehre hat die Wirkungen
der Güter verichiedener Groͤße von ihrer gemeinnügigen oder gemeins
fhädlichen Seite zu erforfchen. Es ift dieß ein fehr verwidelter Gegen:
finnd, von weldem hier nur die Anfangsgründe erflärt werben Tönnen
und über ben ſich nur auch wenige allgemeine Säge mit Zuverläffigfeit
aufftellen laſſen. Die Meinungen hierüber find noch immer fehr ges
theilt. In Frankreich Tora der ältere Mirabeau ($. 42 (d5)) zu:
erſt eifrig au Bunften der Kleingüter, dagegen trat der englifche lands
wirthſchaftliche Schriftfteller N. Doung ale Vertheidiger der großen
Büter auf und feine Anfiht ift in Gnoland berrfchend, doch werden
von Kay a. a. DO. die Vortheile des Kleinen bäuerlichen Grundeigens
thums mit Wärme dargeftellt.
Gebundenheit der Bauerngüter, Majvrate des Adels. Die Betrachtun
diefer Binrichtungen gehört in die VBolfswirthfchaftspolitif, II, $. 16%
(0) Die Statifiif hat diefen Umftand früher faft ganz vernadhläffigt, in der
neueften Zeit aber viele fehr fchägpbare Thatſachen dargeboten, wozu
ohne Zweifel die volfswirtbfchaftlihen Unterſuchungen über biefen
Segenftand den Anftoß gegeben haben. Zur Erläuterung dienen fols
gende Angaben:
L Preußen, nad den von Dieterici (Mittheilungen 1852 ©. 65
und Statifl. Tabellen V, 1025) befannt gemachten Nachrichten, auch bei
Kotelmann, Die preußifche Landw., 1853, S. 299. A bedeutet die auf
1 D.Meile fommende Zahl großer Güter von 600 und mehr pr. Morg.,
B der Büter von 3— 500 M., C von 30— 300, D von 5—30 M.,
E unter 5, F die Zahl aller Güter auf 1 DO.Meile, den Wald eins
gefhloffen.
Provinzen: A B C D E F
Preußen. . . .. . 2,9 ,
Bon . ...0.645 18 83,6 50,7 33,7 174,3
Pommern . . . .. 39 2,3 42,8 37,2 42,8 129,1
Brandendbug . . . 2,5 2,8% 61,7 49,9 69,2 185,8
Schlfen . . . . 31 1,6 58,6 126,8 148,9 337
Sadien . ...18 2
DWeifllen . . ..183 ,
Rheinproving . . . 1,8 2,9 95,9 372,0 933,1 1405,7
Banzer Staat . 2,0 2% 72,5 102,3 171,5 352,1
— 45 —
Auf 1 Beflper kommen in der obigen Reihenfolge der 8 Provinzen
113 — 98 — 122 — 81 —43—40—28,7— 12,1Morgen. Zieht man die
Balofäe ab und nimmt man nod die nämlice — von Befipern
an, fo treffen auf jeden berfelben 91 — 76,8 — 96,8 — 58 — 30 — 3°
20— 8,% Morgen.
ll, Sm Rönigeid Sannoner betragen vom Mder+ und Grasiand
ie Güter
die 30 M.|von 30-60 M.| über 60 M.
8,% Broc.| 13,4 Proc. PR Proc.
180 + | 16% + a:
ar s| a + STE:
Me = | 20 = 5:
29 =» Yo: Lee
30% 16% = L} ⸗
19,2 5 [X Me:
Der Morgen Hat 1, pr. M. Abelen in Hüsners Jahrb. IL, 304.
I. König. Sadfen, Engel, Zeitſchrift des atiſt Bureaus des
kön. ſaͤchſ. inif. des Innern, 1855, I, 24. Biehbefiger auf eine
D.:Meile in den Kreifen
Dresden | Leipzig | Bwicau |Baupen (ganzes Land,
bie ddr, . | 18|6|70, | 118,9 76,8
über 1 —* 64% | 43,8 | 55,2 | 101,1 62,7
1-5 . 116,7 7 | 124,2 | 188,3 120,9
87,3 | 102, 110,2 | 113,% 102,3
| sie | 875 | 91,6 | 69,3 8
29 | 298 | 21,9 | 24,3 25,*
os Te Ts | 6,
Bufammen | 453 | 308 | 977 | 023 | 78
1 Ader — 2,107 preuß. Morgen.
IV. Der ehemalige Unter-Donaufreis in Baiern — Güter
bis zu 1 Morgen 17042 von 21—50
von 2—5 17680 50—100 9416
6-10 15688 über 100 4275
1-20 15168
zuſammen 94541
mit 2480915 M. Zierl, Baierne Iandw. Zuſt. I, 112.
v. In Baden hat man gezählt us Büter über 10000. Grunde
Reueranfchlag, 44869 von Pre A 65006 unter 1000 fl.,
fanımen 101 343 &üter. — uf mac da im Banyen 3-511 632 More
gen nußbares Land mit vos Gteuercapital vorhanden waren,
34,° bad. = 43,8 preuf. Roman an 4500 R. Preisanfhlag auf jeden
Gigentgämer, und 132 A. auf den bad. Morgen, jedod mit Ginfhluß
der Waldungen, weßhalb biefe Zahlen wenig nüpen.
VI Kreisamt Autenburg 97/s D.:Reilen mit. 66000 @inw.,
der Ader — 2,4 pr. Morgen. Ce And 63 Kammers und Mittergüter,
im D. zu 172 Ader, 184 Anfpanngüter, im D. zu 97 Ader, 667
dergl. zu 42,0 ad. 780 Güter zu 13,9 Ad, 1655 iter zu 3 Ad,
3219 Ölen, zu % der, (Beutebrüd) Einige Rachrichien über den
Bezirk des Kreisamts Altenburg 1843, ©. 68
vu. Großbritanien nach der Aufnahme Sera von 1851,
Zahl der Sandwiriäfhaften (Sarms) auf der geogr. D- Meile:
Rau, yollt, Deton. 1. 7. Ausg. \ 30
(@)
— 466 —
England u. W. Schottland.
. 51,8 “
unter 100 Aeres. , 30,
1—20 .. 0.0. 16,8% 4,%
2-300 . .. 0.67 1,%
3—50 .....4% 0,%
500—1000 . . .. 1,8 0,8
1000 und mehr. . . 10,8 0,%
81,8 38
In England und Wales zählte man 223271, in Schottland 56 150
Güter. Dach Caird (Engliah Agrie ©. 482) iſt die mittlere Größe
eines Gutes in den oͤſtlichen Gegenden, wo der Koͤrnerbau vorherricht,
430 Kcres, im Mittellend und den weſtlichen Gegenben, wo das feuch⸗
tere Klima den Graswuchs mehr begünftigt, 220 Acres.
In Irland war die Größe der Pachtbefisungen biefe:
Bis zu 1 Statute-Acre Haben . . . . . 1935314 Berfonen
son 1-5 on. 90
5-10 2... 202020002000. 187909
10-20 2 2 20202000... 187682
20—100 . 2. 2 2 2002002000. 187213
über 100°... .. 28647
| Zahl der Pachter 905015
wozu noch 25789 kommen, vie Land in Gemeinſchaft gepachtet haben
und 4431 wicht claflifieirte, zufammen 935235. auf 19% Mill. Ne.
Fläche. Auf etwa 8 Nc. (12% pr. M.) kann fih eine Familie ers
halten; Minutes of Evidence, Occupation of land in Ireland, 1845,
IV, 288.
VII Belgien, Zahl der Landwirthe (exploitetions). ſowohl der
Pachter ale der Bigenthümer, aber ebenfalls mit Cinſchluß der Walds
befißger, wodurch bie Zahl ber größeren Befſitzungen twahrfcheinlich bes
beutend flärfer wird. Auf 1 D.-Meile kommen in den Provinzen:
, Antwerpen Oſtflandern Bali ganz. Lande
bie 1a Het. 137,6 703,8 87, 461,1
über 1a—1 > 27,% 163,9 58,* 131,°
1—2 ⸗ 39,! 241, 84,8 159,3
2—10 s 31,‘ 391 166,8 234,9
10—50 > 92,' 97,* 56,6 77,8
über 50 = 1,7 2,' 6,9 8
329 1598 461 | 1072
Ohne Wald kommen im D. auf eine Wirthfchaft im ganzen Lande
3,13 Hekt. in Offlandern 2,8 Heft. (min), in Ramur 4,32 (max.),
Luremburg 3,9, Brabant 3 Heft.
L. Sranfreid Hat 50 000 große Süter, durhfchnittlic zu 300 H.,
500000 mittlere zu 30 H. 5 Mill. kleine zu 3 Heft. de Lavergne,
Econ. sur de la France ©. 53.
Diele Angaben aus verfchiedenen Ländern enthalten die Papers on
the state of agrieult. and the condition of the popul. in Europe, 1836,
Nr. 127 der BarlamentsActen. Ueber einzelne Gemeinden in Rheins
heſſen f. Heffe, Rheinheflen, 1835, ©. 78 ff.
Sinclair nennt Güter unter 100 Acres (158 pr. M.) noch Hein,
über 200 A. groß. Paſſy erfärt Güter für Elein, die nicht mehr
1 Bflug befihäftigen, etwa unter 15 Heft. = 59,% pr. M., mittlere
haben 1—2 Pfl. oder 15—40 Hekt., große darüber. — In Bezicehun
auf die Kurmark Brandenburg hat man Güter unter 300 Morgen no
— 461 —
Hein genannt. Thaer’s Annalen a. a. . — Hlubel (Band
wirthſchaftslehre III, 113) iſt dasjenige Gut ein mitileres, bei welchem
eine Perſon mit ber Verwaltung und Aufſicht hinreichend beſchaͤftigt
iſt, waͤhrend ein großes hiezu wenigſtens zwei Perſonen erfordert.
() Die Verſtaͤndigung in dieſer Sache wurde dadurch erſchwert, daß bie
Ausdrüde groß, Flein, In verfchiebenem Sinne genommen wien.
() Benn auf einem folden Gute der Cigenthümer ebenfalld mır die Leis
tung des Wirthichaftsbetriebes übernimmt, ohne felbit Hand anzulegen,
fo hat er Zeit übrig. — Wie viel Land von einem Pferdegeſpann zu
bearbeiten if, 4 bängt nicht blos vom Boden, fondern auch von ber
Fruchtfolge und eiöbehellungeast, ‚von ber jerffreuten oder zuſammen⸗
hängenden, der ebenen oder bergigen Lage, von ber Güte der Aders
geräthe sc. ab; im Durchfchnitt 40—50 pr. Morgen. ,
(9) Dan könnte ein Gut ganz groß nennen, wenn ein einziger Verwal:
ter nicht alle Geſchaͤft⸗ befotnen fann und neben ihm ein Rechnungs⸗
führer und dergl. gehalten werden muß. Goͤriz a. a. O. erklärt erſt
ein ſolches But für ein großes.
$. 369.
Die großen und in geringerem Maaße auch bie Mittelgüter
geftatten manche Koftenerfparungen und manche vortheilhafte
Einrichtungen, welche auf Kleinen nicht anwenbbar find. Hierzu
find vorzfiglic, zu technen: 1) die beffere Arbeitötheilung (9.116)
in der 2eitung der Unternehmung durch einen wohl unterrichtes
ten Landwirth und in den Berrichtungen der Sülfsarbeiter (a),
2) der Gebrauch von arbeitfparenden Maſchinen, die fur bei
beträchtlichem Umfange der Wirthichaften Bortheil bringen (b),
und bie größere Leichtigkeit, bie beſten Viehraſſen einzuführen;
3) die geringeren Koſten ber Gebäͤude, weil eine gewifle Menge
von Menſchen, Thieren, Bobenerzeugniſſen ꝛc. woßlfeller in
einem großen, als in mehreren Eleinen Gebäuden untergebracht
wird (c), weßhalb auch auf bie zweckmaͤßige Einrichtung ver
Gebäude mehr verwendet werben kann; 4) der vortheilhaftere
Einfauf bed Bedarfed in größeren Maflen und bie verhäftniß-
mäßig geringeren Koften bei der Fortſchaffung und dem Verkaufe
größerer Borräthe von Erzeugnifien; 5) bie beffere Gelegenheit,
mandhfaltige Gewaͤchſe zugleich zu bauen, woburd die Gefahr
bes Mißwachſes oder einer ftarfen Preiserniedrigung für den
einzelnen Landwirth vermindert wird; 6) bie feichtere Ausführung
mancher Grundverbefferungen, die nur auf einer Strede von
bebeutenden Umfange unternemmen werben können td). Wenn
die Bewirthſchaftung eines großen Gutes zugleich mit einem
reichlichen Capitale und hoher Geſchicklichkeit betrieben wird,
30°
ſo kann fle wegen ber in den vorflehenden Sägen enthaltenen
Vortheile ſehr günftige Ergebniffe bewirken und in folchen
Fallen zeigen Großgüter in vielen Zweigen die hoͤchſte Stufe
der
landwirthichaftlichen Kunft und bienen als Vorbilder für
die Kleineren Landwirthe. - Man darf jedody jene Borausfegungen
nicht überfehen, welche keineswegs überall eintreten (e).
(«)
Die Butter von den großen Gütern in Schleswig und -Holflein wird
ihrer Borzüglichkeit willen um 25—30 Proc. beſſer bezahlt als von
den Bauern, Hanffen a. a. D. ©. 437.
(6)
Schollenwalzen, Drefch-, Butterföneibeme
Ad)
4
(e)
“
Saͤemaſchinen, Pferbehaden und andere Aufaimengefepte Adergeräthe,
chinen sc. In Sroßbritanien
werden auf den großen Gütern Häufig flehende oder fahrbare Dampf:
mafchinen gehalten, die zum Drefchen ımd zur Bewegung verfchiedener
anderer Mafchinen gebraucht werden. Auch Mähemafchinen kommen
allmälig in Gebrauch, die aber ziemlich große zufammenhängende Grund:
ftüdle erfordern. — Indeß können manche Maſchinen auch an kleinere
Zandwirthe vermiethet werden, wie dieß fchon hie und da geichieht.
Mau, Die landw. Geräthe der Londoner Ausftellung, Berl. 1859.
Nah Klebe (Bemeinheitstheil., I, 82) Eoflen die Gebäude für ein
But von 1000 Morgen nah der Beichaffenheit des Bodens 5—10 000
Thaler; feht man im Durdfihnitt 7000 Thlr., alfo 7 Thlr. auf den
Morgen, fo ift einleuchtend, daß die nöthigen Gebäude auf einem Gute
von 100 Morgen nit für 700 Thlr. und auf 33 Morgen nidt für
233 Thlr. angeihafft werden koͤnnen.
3. B. Trockenlegung fumpfiger Stellen durch Abyugsgräben, verdeckte
Abzüge, Saugeſchachte und dgl. — Aufführung von Mergel und anderer
Erde, — Umbau der Wiefen zur Dewäflerung, Auffhwemmungen, —
Vorrichtungen der Engländer, um flüffigen Dünger durch untericdifche
Möhrenleitungen in bie verfchiedenen Abtheilungen eines Landgutes zu
bringen zum Behufe des Ausgießens mit Schlaͤuchen, wobei [don das
aufzuwendende flehende Gapital über 42. St. auf den Morgen beträgt,
und bergl.; ſ. vorzüglid Sprengel, Die Lehre von den Urbar-
madhungen und Bodenverbefferungen, 1838. — Hartflein, Fortfchritte
der engl. Landw. IL, 15. 1853.
Die englifhen Schriftfteller, wie Arth. Young und Mac⸗Culloch,
Iepen darauf großes Gewicht, daß einem großen Landwirthe ein weit
flärferes Capital zu verfchiedenen wirffamen Unternehmungen zu Gebote
fieht. Der Reihthum in Großbritanien wendet der Landwirthſcha
auch wirklich viel Capital zu; allein dennoch fehlt es dort ebenfalls
nicht an Beifpielen eines unzulänglihen Capitales. „Ein Gut, welches
vollkändig unter den Pflug genommen wird (arable farm im Gegenſa
‚von einem Bute mit unbebauten Weideflächen), wenn es vollftändig m
Vieh und dal. ausgeftattet und fchwunghaft bewirthfchaftet werben foll
(fully stocked and fully farmed), erfordert ein anfehnliches Capital.
Hier (in Nort — ſoll unter den Pachtern in dieſem wichtigen
Stüd ein großer Mangel fein, denn viele haben ein Feldgut jener
in ber Meinung angetreten, daß Pflügen und Säen, mit Ausſaat und
Arbeitern, die einzigen Erforderniſſe ſeien.“ Caird, ©. 414. — Dan
hielt in Großbritanien bisher ungefähr 8 2. St. auf den Acre für das
erforderliche Kapital des Pachters, dem babei viele Örundverbeflerungen
fowie die Gebäude nicht jur Laft fallen (6. 2150. (q)), aber neuerlich,
bei der Bermehrung der Fünftlichen Binrichtungen, gehen die Anfchläge
—- 469 —
noch weiter, bie 15 &, ©t., de Lavergne, S. 136. — Rah Blod
(v. Zengerfe, Annalen, VIII, 329) foll das logenannte Inventar
(ſtehendes Gapital beweglicher Art, Vieh und @eräthichaften ıc.) bei
Heinen Gütern 70—99, bei großen 6080 Proc. des Rohertrages fein.
$. 370.
Gleichwohl iſt es erfahrungsmäßig, daß in vielen Faͤllen
eine und biefelbe Yläche, die blos große Güter enthält, einen
geringeren Rohertrag abwirft, als wenn fie in mehrere mittlere
und Eleine Güter getheilt ift (a). Dieß ift folgenden Urſachen
zuzufchreiben: 1) die Bewirtbfchaftung der Großgüter beſchaͤf⸗
tiget wenigere Unternehmer und dagegen mehr Lohnarbeiter,
(Hausgefinde und Taglöhner), ald man im Kleinbau zu Hülfe
nimmt (5). Deßhalb kann auf die ziwedmäßigfte Behandlung
ded Bodens und der Gewaͤchſe, auf die forgfältigfte Benutzung
aller örtlihen und Zeitumftände, auf mancherlei Erfparungen |
und auf die Verhütung Fleiner Verlufte und dergl. Fein folcher
Fleiß gewendet werden, als es bei der ununterbrochenen Aufs
merfjamfeit und dem großen Eifer mehrerer Eleineren Unterneh»
mer möglidy ift, welche ihre Ländereien näher im Auge haben (c).
Der Anbau ſolcher Gewaͤchſe, die viele Sorgfalt erfordern und
hoch im Preife Reben, ift fhon darum auf größeren Gütern
ſchwieriger (d). 2) Bei kleineren Beflgungen wird gewöhnlid)
eine verhältnigmäßig große Menge von Arbeit auf den Boden
gewendet, weil hiezu für jeden einzelnen Landwirth eine geringere
Gapitalauslage nöthig und die Aufficht leichter if, auch pflegt
ber Viehſtand beträchtlicher zu fein (e), daher können ſolche
Güter forgfältiger bearbeitet und ftärfer gebüngt werden und es
it nur auf ihnen ein dein Gartenbaue ſich annäherndes Vers
fahren möglih (f). Diefer größere Aufwand von Arbeit und
Vieh bewirkt eine vollftändigere Benupung ber Raturfräfte und
fleigert die Hervorbringung, und dieß kann leicht den Vortheil
aufwiegen, welcher aus den Koftenerfparungen und ben befieren
ftehenden Einrichtungen bei großen Gütern entfpringt, 8.369 (g).
(a) Les pays oh la eulture est la plus avanose, sont en gendral ceux od
dominent les petites propriötös. de Lavergne, a. a. O. ©. 115.
Man Hat zu Gupſten der Kleinen Güter bemerft, daß im preuß. Rheins
land im D. 10—12, bisweilen fogar 18 — 19 Scheffel Roggen auf dem
preuß. Morgen geerntet werben, rend in den oͤſtlichen und mittleren
Provinzen —* 8- 10 Scheffel als hoher Ertrag gelten, Dieterici,
(3)
(0)
(@)
(e)
— 40 —
Gtatift. Tafeln V, 1032. — Les terres dans lo bassin du Bas-Keseut...
sont les mieux cultivees du dep., et cela parosque la piupert des formes
ne sont quo de 31 & 22 arpens, su plus, de terres lsbowrables,
(37—38 pr. M.), de Lichtervelde ©. 54. — Die Behauptung,
daß ein Naturgefeß die Production in allen blühenden Gtaaten zum
großen Betriebe der Landwirthſchaft hindränge (de Stolipine [rufl.
tolipin] in Journ. des Econ. #ebr. 1854, S. 206), gilt offenbar
nicht von allen Zweigen des Randbaues und allen Fällen, vielmehr
In Wr unter mandıen Berhältniffen ein Hindrängen zum Kleinbau
nachweiſen.
In der Lombardei, Toscana, der Gegend von Genua ꝛe. findet man
wenig Lohnarbeiter, dies wäre in einem minbes günßigen Klima nit
vortheilbaft. In pelgien fommen auf 1 %elbarbeiter (die Landw
mit eingerechnet) im D. 1,17 Heft. der landwirthſchaftlich benutzten
Flaͤche, min. 0,% Heft. in Oftflandern, max. 2,3 in Namur, 2 in
Lüttih, 1,9 in Luremburg. — Im preuß. Staat kommen auf 1 Eigens
thümer in der Provinz Bommern 3,77, Preußen 2,8, in Sachſen und
Brandenburg 2, in Weflfalen 1,8, im Mbeinland 0,% Dienfiboten und
Taglöhner. — Nah den Berichten in ben a. Papers kommen bald
36 Aeres (um Brei), bald 10 (um la Nocelle und Nantes), Bald
20 (Boulogue, Havre), bald 33 (Kiel, Oſterode) bald big 40 A. auf
einen Beldarbeiter (Calais).
Ein hochgeachteter Landwirt (von Riedeſel) entdeckte erſt Kürzlich,
daß fein großes Landgut nad der na ausgefallenen) Wblötung
der Srohnen und verichiedener Gerechtſame faſt feinen Rein bradhte,
weil ein Fr ber Felder zu wenig Fruchtbarkeit hatte, f. Deifen Drei
landw. Abhandlungen, 1853, S. 59.
3. B. Krapp, ein, Hopfen ıc. Der Tabakbau wird von großen Guts⸗
befißern öfters Taglöhnern um ben halben Ertrag überlaflen. Nur
anf die Viehzucht find diefe Bemerkungen nicht anwendbar, denn fie
wird auf größeren Gütern mit nicht geringerem, wohl fogar' größerem
Eifer und Erfolge getrieben. In Flandern werden Schaafe ee
nur auf Gütern von 40—50 Helft. gehalten, die man deßhalb Schaafs
güter (fermes & moutons) nennt. Gorbier, S. 99, f. aud
$. 369 (a).
von Basparin (Cours d’agrie. V, 252) fchildert den üblen Zuſtand
eines großen Gutes bei einem unzulänglichen Gapitale und bemerkt
weiter: „In dem größten Theile von Frankreich und won vielen ans
beren europäifchen Ländern findet ſich gerade dieler Zufland vor. Man
trifft große Güter, die ſchlecht gehalten find, fchleht angebaut, mit
Unkraut bevedt, ohne Behadung, ohne Düngung; überall zeigt ſich
das Bild ber — und der Armuth, weil der Pachter zu wenig
Capital und feinen Credit bat. Wenn die Heinen Güter auch nicht
immer fattiam mit @eldmitteln verfehen find, fo haben fie in den
Armen des Bechters und feiner Familie den Stellvertreter für ein um⸗
laufendes Gapital, ter meiftens den Bedarf des Gutes Überfleigt; man
kann außer den regelmäßigen Berrichtungen das Land einhägen, ent:
wäflern, tief bearbeiten, man kann einträgliche Handelsgewaͤchſe ans
bauen und dabei die Frau und die Kinder mit dem Behaden und ber
Verarbeitung beichäftigen, während biefe Arbeiten durch Saglöhnee zu
hoch fommen würden. Der Biehſtand, ber auf den erſten Blid unzu⸗
reichen» ſcheint, ift im Verhaͤltniß zum Flaͤchenzaum faft immer größer
als auf den geben Büten.“ — 68 fehlt noch zu fehr au Ratiftiichen
Nachrichten dieſe Berhältniffe, als daß die obigen Säge hinreichend
mit Thatſachen belegt werden könnten. Beiſpiel aus den von Rudhart
— 41 7° —
(Ueber den Zuftand bes Königreihs Baiern) mitgetheilten Zahlen: die
Spalte A enthält die Zahl von bair. Horgen (zu 1%, pr. M.) Ader,
Wiefe und Garten, die im Durchſchnitt auf einen Eigenthümer kommt,
B Zahl der Bamilien auf 1 DM., C Mittelpreis des Morgens Adler,
D Baht der Morgen Ader, Wiefe und Garten, auf welde ein Stüd
Pferde und Rindvieh kommt.
A | B C | D
—— nt [11
1) Harkeis . . . 25,5 377 96 A. 6,?
2) Unterdonaufreiß . 22,7 499 120 ⸗ 5,6
3) Megenfreie . . 18,® 444 108 > 6,5
4) Oberdonaukreis 17,6 610 132 ⸗ 5,1
5) Obermainfreis . 15,5 643 109 ⸗ 8,?
6) Rezattreis . . 10,8 | 789 138% s 5
Wenn man bier den dritten und fünften Kreis ausnimmt, fo ſtehen in
den übrigen die Zahlen aller 4 Spalten in einer gleihmäßigen Fort⸗
fchreitung. Die Za lungen des Viehſtandes find jebod am wenigften
huverläffte. — In ber Regel geht die Zerflüdelung des Grundeigen⸗
ihums da am weiteften, wo fih die flärkfte Bevölferung befindet; bier
iR aber auch der Härte Viehſtand. — 9. Doung nimmt für Eng
land auf einem Gute von 30 Ac. 3 Pferde und 2 Arbeiter, auf 65 9.
5 Pferde und 3 Arbeiter, auf 88 A. 6 Pferde und 4 Arbeiter an. Bine
D.:Meile Ader hätte demnach, wenn fie lauter Güter gleicher Größe
entbielte, 451 Güter von 30 U. mit 1353 Pferden und 902 Arbeitern,
oder 246 von 55 9. mit 1230 Bferden und 738 Arbeitern, oder 154
von 88 9. mit 924 Pferden und 616 Arbeitern. Kraus, Staatsw.
V, 73. — In den preußifgen Brovinzen famen 1849 auf die Q.⸗M
(Dieterici, Tabellen, I, 305 ff.):
&tüde
Einw. Pferde. Rindvieh, Zandgüter.
Bommen. . . . 2077 262 800 129
Preußen . 2111 401 833 140
gofen en 2520 294 935 174
vandenburg . . 29000 | 263 836 185
Sadien . .. 3867 328 1053 379
Weſtfalen 3981 330 1476 666
Echleſien 4128 260 1286 337
Rhein. . | 5771 250 1706 1405
Surhiänitt . . . | 3204 310 1057 362
In Irland (Occupetion, Appendix Nr. 90, S. 274), mit Einfluß
von !ıo der Schaafe, Tommen 1) auf ein Bütchen von 1—5 Acres
(Durchſchn. alfo 3 A.) 1,9 Städ Großvieh, auf ein But von 5—159.
(Durchſchn. 10) 2,8, auf eines von 15—30 A. (D. 22%) 5,9 Stüd,
alfo 3 Stüd auf 2,9 — 3,° und 3,5 A. Die Güter über 30 A. haben
im D. 18,6 Stüd, hier iR aber keine mittlere Größe zu berechnen.
In Belgien it der Biehfland nicht da am größten, wo bie Güter ben
fleinften Umfang haben, fondern in ber Provinz Luremburg (169 Stüd
auf Großvich reducirt auf 100 Heft. der productiven Yläche), weil hier
die Biehzucht befonders hervortritt, aber Namur bat auf jener Flaͤche
die fleinhe ker von Gütern (28,7), den kleinſten Bichfland (82 Etüd)
und die fleinfte Zahl von arbeitern 12, die Landwirthe felbft mit
eingerechnet). — In Sachſen trifft obige Regel nicht zu, denn. es findet
fc der —8* Bickftand (3234 auf die D.:R.) in der Kreiobit. deiig
— 412 —
die gerade die wenigften Güter bis u 5 Adler und bie meiften von 50
Acker an hat, der ſchwächſte (2441 Stüd) in der Kreisbir. Bautzen, in
welcher jene Heinen Befigungen die zahlreichften find, weßhalb vers
muthlich die Theilungen etwas zu weit gegangen find. Es wurben
— 10 Schaafe für 1 Etuͤck Rindvieh gezaͤhlt. — Im K. Hammover
at Lüneburg, wo die Guͤter über 60 M. 78 Proc. (maz.) ausmachen,
den ſchwaͤchten Biehfland (158 Städ auf 1000 Morgen Ader u. Gras:
land), fodann folgt aber Hildesheim (169 Stüd), wo jene Güter nur
53 Proc. (min.) beitragen. Die ſtaͤrkſte Viehzahl (218 — 206 — 202)
igen Aurich, Hannover, Stade, mit 67 — 56 —57 Proc, jener größeren
efigungen. Bei den Pferden find die nicht zur Landwirthſchaft ges
brauchten überhaupt nicht auszufcheiden. Bol. II, $. 78. — In 11 Orten
der Ebene und 12 der Bergftraße bei Heidelberg kommen 7,1 und 6, M.
auf die Familie, 3,% und 3,5 M. auf 1 Stüd Großvieh. — In Engs
land gab es im I. 1815 8 ®rafichaften, wo im D. 320 Ar. auf ie
rößeren Landwirth kamen, auf jeden Landarbeiter (mit @inihluß ber
Sandıwirtbe) 45 Ac. und auf den A. eine mittlere Rente von 13%, Sch.
Dagegen fanden fih 5 Grafichaften, wo ein Landwirt im D. nur
159 9. bewirthfchaftete, ein Arbeiter 28 9. beforgte und die Rente des
N. 20 Sch. 1 P. betrug, Rau, Archiv, III, 120.
(f) Drfteres Jäten, Behaden der Gewaͤchſe, Berpflanzen, Ableiten des Wafs
ſers, Begießen, Bereitung Fünftliher Düngemittel und dergl. — Die zu
großen Guͤtern gehörenden Neder werben oft nicht genug gepflügt, auch
die Düngung kann meiftens nicht der ganzen Flaͤche gleihmäßt gegeben
werden, weßhalb man in manchen Gegenden bie entfernteren Felder als
Außenichläge benupt. Die Brache erhält ſich gewöhnlich länger auf
roßen Gütern, auch da wo fie nicht durch Boden und Klima gerecht⸗
fertigt wird. — In Slandern werden Büter von 11 —22 Het. —
43—86 pr. M. am meiften gefhäßt, van Aelbroeck ©. 297. Im
Waeslande, dem beftangebauten Theile von Flandern, halten die meiften
Güter nicht über 9,5 bis 9,8 Helt. — 361/,—38%/ı pr. M. Lich-
tervelde ©. 54. Im franzöf. Flandern (Norbdep.) dem Si der
trefflichften Bewirthfchaftung , ift die mittlere Größe eines wohleinges
richteten Gutes 25 Heft. — 97 pr. M. Der leichte Boden geftattet
dort, daß der Pflug von einem Pferde gezogen wird. Cordier, Agrio.
de la Flandre franc. ©. 31 ff. — Der fchottiiche Landwirth Robertfon
empfiehlt für den mitarbeitenden Landwirth (Bauern) Güter vou 40 A.,
für den blos auffehenden und leitenden 200 A. als die befte Groͤße,
angef. Occupation of land in Ireland, Nr. 294. — Crook (Grafidhaft
Cork, ebend. Nr. 764) fagt: „Im Allgemeinen find Hier die Pacht⸗
güter groß, und jwar zu groB , ale daß die Landwirthe im Stande
wären, fie vortheilhaft zu benugen. — Es ift hier fein But, welches
nicht dreimal foviel Getrag eben Zönnte, wenn es zwedmäßig behan⸗
belt würde.” Diele Ich * Bedintchaſtun leitet alletdings der
Sprecher von der Beſorgniß der Pachter ab, im Pachtzinſe geſteigert
zu werden.
Schon bei den Römern wurde über die Nachtheile der Latifundien ges
Elagt. gl. Craig, Brundzüge der Politik, überf. von Hegewiſch,
II, 177. (8eipzig 1816.)
8. 370a.
Man unterfcheidet in der Landwirthfchaft den ſchwung⸗
haften und den [hwahen Betrieb (intenfive und
extenfive Cultur), je nachdem auf eine gegebene Fläche
(4
—
— 413 —
viel oder wenig Capital, Arbeit und Kunſt verwendet, alſo
von dem Lande mehr oder weniger Erzeugniß gewonnen wird,
vgl. 8. 215. In der Kindheit der Volkswirthſchaft, bei niedriger
Bevölferung, geringem Verkehre und geringem Capitale, war
nur ein fehr ſchwacher Betrieb möglich), der von weiten Flächen
nur einen fpärlihen Ertrag zu ziehen vermochte. Allmälig,
mit den Yortfchritten in den genannten Berhältnifien, wird bie
Landwirthſchaft ſchwunghafter und dieß ift nothwendig, um dem
gefteigerten Begehre von Bodenerzeugniffen zu genügen. Weldye
von beiden Betriebsarten mehr Vortheil bringt, dieß hängt von
mandyerlei Umftänden ab, unter denen die von der Bevölferung
bedingten Preife der Bodenerzeugniffe und die Gelegenheit zum
Abſatz derfelben, ferner die in Klima und Bodenart begründete
Fruchtbarkeit, die dem Landwirthe zur Verfügung flehende Menge
von Arbeitern, der Eapitalreichthum bes Landes ıc. die einflußs
reichften find. So lange ber ſchwache Betrieb ſich behauptet,
werden die größeren Güter vorgezogen, weil auf ihnen jene
einfache, den Raturfräften das Meifte überlaflende Bewirth⸗
fhaftungsweife leicht ausführbar ift und die vortheilhaften
Eigenthümlichkeiten ber kleineren Güter noch nicht zum Vorfchein
fommen. Mit dem Uebergange zu einer mehr intenfiven Be
handlung treten dagegen biefe Vorzüge der kleineren Befigungen
mehr hervor (a), befonderd da, wo unmittelbar auf das Er-
zeugniß viele Arbeitöfräfte verwendet werben, während in ben
Fällen, wo ein anfehnliched Capital zu ftehenden Vorrichtungen
oder Bobdenverbefierungen oder zu Anfchaffungen von Hülfs-
mitteln benugt wird, die größeren Güter nicht zurüdftehen (d).
Indeß muß man bei der Entgegenftellung biefer beiden Betriebs⸗
arten erwägen, daß es zwifchen den Ertremen viele Mittelftufen
giebt und daß auch bei einerlei Wirthichaftsweife im Ganzen
doch noch eine mehr ober weniger intenfive (forgfältige) Bes
handlung Statt finden kann (c).
(a) Uebereinſtimmend Roſcher a. a. DO. III, 305.
(3) Behirgegegenden 3. B. Haben in biefer Hinſicht viel Bigenthämliches.
Man hat kraftvolle Zugthiere nothig, das rauhe Klima verbietet manche
Zweige des Landbaues, das Aderland nimmt einen Eleineren Theil der
Fläche ein und die Wege find beſchwerlich, weßhalb man auf bie Nähe
ber Felder am Hofe höheren Werth legen muß, das viele Weideland
giebt eine Ermunterung zur Viehzucht sc, daher iſt es bier nüßlich,
größere Güter zu erhalten.
— 44 —
(6) Dieß iR der Fall bei dem high farming oder rich farming im heutigen
Sinne ber Engl glänber, wozu 3. B. das Drainiren, der Anfauf von
Dängemitteln (@ nano, "Ratrum alpeter, doppeltphosphorfaurem Kaltzc.),
bie Anwendung fünflicher —* rgeraͤthe, fahrbarer Dempfmafdinen, *
Dreſchmaſchinen und dergl. gehoͤrt. Auf einem 200 Acres e
Pachtgute in Lanarkih. ( an) ift das Gapital bis Ye t. es
vom 4. gebracht und es find 1080 2. auf dauernde Berbeflerungen ges
wendet "worden, außer den vom Gigenthümer befriktenen —— —
koſten von 800 2. Morton, On rich farming, KEdinb. 1851. — de
Lavergne, ©. 209. — Auf einem en tifäpen Gute wer in Folge
diefer Verbeflerungen der Ertrag auf dem
Durchſchnitt von 1833-39 25 Buſhel Baier, 3 2. Gere,
1842—46 29 ⸗
1847. 48 36 ⸗ ⸗ is s 3
Caird ©. 171.
$. 371.
Mittlere und Eleinere Güter liefern dann, wenn ibnen das
zur Verfügung der Beſitzer ſtehende größere Maaß von Fleiß
und Eifer wirflicy zugewendet wird und bie in $. 370 ge
nannten Umftände diefer Bewirtbichaftungsart günftig ind, nicht
blo8 einen größeren rohen, fondern auch einen ftärferen
Reinertrag von gleicher Fläche, tragen alfo audy mehr
Orundrente, als große Beflbungen (a). Wie die Erfahrung
zeigt, werben Ländereien in kleinen Abtheilungen um hoͤhere
Breife verpachtet und verfauft als in größeren Maſſen, und ber
Eigenthümer einer großen Beftgung fommt deßhalb leicht in
Berfuchung, biejelbe zu zertheilen. Diefe Erfcheinung muß zum
Theil aus der höheren Rente Fleiner Güter erflärt werben, bie
ſich auch durch Ertragäberechnungen nachweifen läßt. ine
andere Urfache liegt freilih auch in dem flärferen Mitwerben
von Kaufs und Pachtluftigen für Heine Güter und beſonders für
einzelne Stüde, weil Taglöhner und Beflger weniger Morgen
eifrig darnach fireben, Land zu erwerben, um vollftändig und
ſicher befchäftigt zu fein, wobel fie fich für ihre Arbeit noͤthigen⸗
falls mit fpärlicher Vergütung begnügen. Muß ein zur Be
fhäftigung einer Yamilie zureichendes Gut: aus einzelnen
Stüden zuſammengekauft ober gepachtet werden, fo kommt das⸗
felbe oft fo hoch zu flehen, daß der Kaufpreis durch die Rente
nicht volfländig verzinft und der Pachtzind ſchwer aufgebracht
wird. Indeß würde eine foldhe, bloß von großem Mitwerben
bherrührende Steigerung ber Bodenpreife nicht dauernd fein, fie
— 45 —
feßt die Käufer oder ‘Bachter in Gefahr zu verarmen und wenn
bie Rente größerer Beſitzungen wirflich größer voäre, fo würden
mit der Zeit wohlhabende Käufer und Pachter die Fleineren
überbieten und bie Randgüter wieder vergrößern.
(a) Häufig wird behauptet, die Kleingüter überträfen zivar im Rohertrage
bie großen, aber nicht im reinen. Auch Log (Hanbb. IL, 37) giebt
den Gegnern ber Fleineren Güter zu, daß fie geringeren Reinertrag ab»
werfen, fucht aber zu beweifen, daß dieſes in volköwirthfchaftlicher Hin-
fiht nigt zechtheit ſei. — Mit obigen Saͤtzen uͤbereinſtimmend Paſſy
a. a, O.
8. 372.
Dieſelben Urſachen, welche den Reinertrag mittlerer und
Heiner Güter über den ber größeren zu erheben pflegen, koͤnnen
unter gewiflen Bedingungen auch noch bei ganz kleinen Bes
fitungen ($. 368) Statt finden. Die Güter fünnm da am
Hleinften fein, wo man nad Maafgabe ded Klimas, des
Bodens und Abſatzes Gelegenheit hat, ſolche Stoffe zu ges .
winnen, bie viel Fleiß und Geſchicklichkeit erfordern und ver:
güten. Dieß ift bei dem Getreide weniger ber Ball (a), wohl
aber bei manchen anderen Beldfrüchten, namentlid den foge-
nannten Handelögewächien, ferner bei dem Reben» und Garten
baue (5). Die Fläche, von welcher eine lanbbauende Familie
hinreichend befchäftiget wird, bie Arbeitsfläche (o), muß
da größer fein, wo Gewaͤchſe jener Art nicht an ihrer Stelle
find und daher hauptſächlich Halmfrüchte, andere Rährpflanzen
und Yuttergewächfe erzielt werden. Da aber auf einem folchen
Gute ein befonderes Geſpann von Zugvich nicht genug zu
arbeiten hätte und folglidy zu viel Eoftete, fo werden mit Nutzen
bie Kühe zur Zugarbeit gebraucht, welche auf diefe Weife die
geringfien Koften verurfadht. Die Befiger ſolcher Kuhguͤter
halten in der Regel Fein Gefinde (d). Sie müflen zwar, bes
fonderd wenn fie Schulden haben, genügſam leben und fleißig
arbeiten, befinden fi) aber in einer befleren und gefldyerteren
Rage als Zaglöhner und wetteifern in dem rohen und reinen
Bobenertrage häufig mit den Bewirthichaftern größerer Güter (e).
Es wäre jedoch nicht gut, wenn alle Zandgüter bis auf dieſes
Maaß herab verkleinert würden, 8. 375. Die Kamilie eines
ſchuldenfreien Eigenthümers Tann von einem Gute leben, welches
— 46 —
Kleiner ift al8 die Arbeitsfläche, indem die Grundrente mit zu
dem lUinterhalte verwendet wird. Der Befig einer foldyen
Unterhaltsfläche liefert zwar für den Augenblid das Aus
fommen einer Bamilie, febt aber den Eigenthümer in Gefahr,
durch jeden Unfall oder durch mancherlei ungünftige Umftände
in Bebrängniß zu gerathen und geftattet dann, wenn eine Erb-
theilung nöthig wird, feine felbftändige Ernährung mehr aus
dem eigenen Landbau (f). Diefe Nachtheile foldyer, unter
der Arbeitöfläche ſtehenden Befigungen ($. 368. 2, b) fallen
übrigend ganz oder größtentheild hinweg, wenn die Eigenthümer
Gelegenheit finden, noch weitere Orundftüde zu pachten unb
fo die Arbeitöfläche zu ergänzen, oder burdy andere Berrich-
tungen ihre Zeit auszufüllen, wobei fie ihrem Lande haupt⸗
fachlich den eigenen Bedarf an Bobenerzeugnifien abzugeiwinnen
ſuchen (g). |
(6) Getreite und Viehfutter gewinnt man auf dem Ader unb den Wiefen
mit weniger Koften als durch Spatenbau, es iſt aber nüglih, weni
ſtens immer nad, einigen Jahren, zum Anbau gewifler Pflanzen, w
von Möhren, den Acker tief mugraben. Diele Erfahrungen aus vers
fchiedenen Begenden fprchen zu Gunſten bes Gpatenbaues unter ges
wiffen Umftänden, namentlih in Irland, 3. B. angef. Occupat. of
land in Ireland, I, 922. 946. In der Mähe der Städte If der Wild.
verfauf einträglih. Im folhen Gegenden, wo gartenmäßiger Anbau
vorberricht, pflegt man Getreide, Vieh, ſelbſt Dünger aus benachbarten
Bezirken zu Faufen.
(6) Beifpiele geben die warmen Länder, wo der Rebbau, die Seidenzudht ıc.
vorherrſchend find, und wo der bewäflerte Ader: und Gartenboden
mehrere Ernten in einem Jahre trägt. In ber Gbene von Balencia
find mehrere taufend Feine Güter, meiflens von nicht mehr als 8 pr.
Morgen, bei 40 M. wird der Eigenthümer ſchon für reich gehalten.
Jaubert de Passa, Voyage en Espagne ou recherches sur les arro-
sages II, 238 (Paris, 1823). — Aehnliche Verhaͤltniſſe find in Suͤd⸗
franfreih, Lullin de Chateauvieux in Bibl. unir., Agrio. XI, 5.
An der Durance (füröftl. Frankreich) lebt man von 3 Heft. ſchon reich⸗
lich, mit gefhliffenen Möbeln von Nußbaumbolz ıc. De Gasparin,
Sur les machines. In manden Gegenden von Südbeutfchland, mo
ber Bemüfe: und Rebbau ausgebreitet if, genügen 7—8 pr. Morgen
für eine Familie.
() Rau Arhiv. N. %. IX, 145 und Staatswiff. Zeitfchr. 1856. ©. 213. —
Der Gleichfoͤrmigkeit willen ift es zweckmaͤßig, drei erwachſene arbeitsfähige
Mitglieder anzunehmen, von denen jedoch die Frau zum Theil mit ben
Kindern u. a. Berrichtungen im Haufe zu thun bat. Die Arbeitsfläche
muß auch einen Pachter ernähren, d. 5. die Familie ohne allen eu
son Grundrente erhalten, wenn bie PBachtzinfe nicht durch das flarke
Mitwerben bei Stuͤckpachtungen gefleigert end. Bei den Angaben aus
Irland (f) find an 2 buchgängig Bachter zu verſtehen. — Es würde
lehreeih fein, dieſe Arbeitsfläche in vielen Gegenden zu erforfchen und
. dabei die Urſachen der Berfchiedenheit zu beachten.
(4)
(ed)
02)
(9)
— 471 —
Diefer Umfand wird: mit Neht hoch angeſchlagen, weil die Kamilie
in themen Zeiten fi leichter einfchräntt, auch eifriger in ber Arbeit
iR, als die Dienfiboten.
In Flandern find die Kuhgüter, die von ihren Cigenthümern bewirths
fchaftet werden, auf das vollfommenfte angebaut. Schwerz, Landw.
Mittheil. I, 57. Im Rheinthal zwiſchen Bafel und Mainz und in
den benachbarten Gegenden geben ungefähr 10 bad. — 14 pr. M. einer
Familie Arbeit und Unterhalt, und die Beſitzer befinden fich bei gehds
rigem Fleiße in einer befriedigenden Lage, fo daß fie überiparen ober
Schuldzinfen bezahlen koͤnnen. Iſt der Boden oder das Klima minder
ging, in Hügel- und Berggegenden ıc., oder ift der Landwirth ber
biaggelegenheit wegen vorzüglich auf Getreidebau, Butter⸗ und Br
verkauf angewiefen, jo fteigt der Bedarf ſchon auf ungefähr 20 pr. M.
In Bebirgen iR der Aderbau fo mühlam, daß eine gewiſſe Arbeiterzahl
nicht fo viel Land verjehen fann, als in ebenerem Lande, aber die Er⸗
iebigfeit ift zugleich geringer, weßhalb flarfe Viehzucht mit Hülfe von
eideland Hinzugenommen werden muß, vgl. $. 3708. (a). GEs macht
unter anderen einen Unterfchied, ob man gute Wielen hat, wobei weniger
Arbeit nöthig ift, oder ob man das Futter auf dem Ader gewinnen
muß. Sn Irland flimmen die meiften Auslagen darin überein, daß
10 irifche Acres (25 pr. M.) auf gutem Boden, oder 15—20 auf fchledhs
terem Lande eine genügende Fläde bilden. Auch Koppe (Beiträge ıc.)
erachtet 24 pr. M. auf Mittelboden zu einem Kuhgute für Binreichend.
Auf der Infel Zerfey trifft man fehr eifrige und unterrichtete Kandwirthe,
die viel Vieh Halten und reihlih düngen; die Durdfchnittsrente if
4-5 2. St. vom Are. Gin als Beiſpiel ermähntes Gut hat 13 9.
(26 pr. M.) und giebt 7 2. St. Rente vom A.! Ges kommen Fälle
von 8-10 8. St. vor und die meiften Landiwirthe haben nur 15 9.
Beonomist, 29. Nov. 1851. de Lavergne, ©. 114. Jene landwirth⸗
ſchaftlichen Berhältniffe, bki denen 14—15 pr. M. die Arbeitsfläche
bilden, find in größeren Ländern nicht als Regel anzunehmen, fchon
weil die genannten Erzeugniſſe eines fehr for fältigen Anbaues in ges
ringerer Menge begehrt find, als Getreide. Die Kuhgüter werben dba
minder ungünflig beurtheilt, wo man Gelegenheit hat, fie näher kennen
zu lernen. Es bildet fi mit der Zeit ein Schlag guter Arbeitsfühe
aus, der zwar anderen an Wilchergiebigleit nachfteht, aber body bei
guter Behandlung nicht foweit, als oft vermuthet wird.
Rau a, a. O. — Biele Angaben für die Größe diefer Unterhaltsfläche
laſſen dieſelbe zu ungefähr 3/5 — %/s der Arbeitsfläche annehmen. Sind
Schulden oter bäuerliche Belaftungen vorhanden, fo ift die erforderliche
Flaͤche größer.
Taglohn, Vorfpann, Gewerksarbeiten find die gewöhnlichfien Neben,
gefhäfte Die Menge ter Taglöhner, welche fih erhalten kann, findet
aber in ven gegebenen Bewerböverhältnifien eine natürliche Graͤnze.
Es if fchr nachiheitig, wenn die Befiger ganz Feiner Güter aus Traͤg⸗
peit oder irregeleitetem Shrgefühl unterlaflen, ihre freie Zeit zum Tags
ohnerwerb oder anderen Nebengeichäften zu verwenden. Wo ber Sierg
nicht fehlt, da findet man zahlreiche Beifpiele von Yamilien, die mit
Heinem Befitze angefangen und ſich allmälig zu einem größeren empors
gearbeitet haben. In Neuenheim bei Heidelberg haben 90 Proc. der
Grundeigenthuͤmer nicht über 3 Morgen, 60 Proc. unter 1 Morgen, in
Sandihuchsheim refp. 71 und 43 Proc. Rau, Landw. der Rheinpfalz,
1830, ©. 27. Wo die Fläche zu Hein if, um zwei Kühe zu erhalten,
helfen fi zwei Landiwirthe durch Zufammenfpannen, oder fie laſſen
die Beipannarbeit von einem größeren Landwirth gegen Bezahlung
— 413° —
verrihten, am Viebften von Kar Fig vn % in n Zap
lohn arbeiten. — er cu 3
©. 293. — Bien ie an —— Hi —
la fabrication de la toile, que les erplolietionn det de 37 — in host. et et
möme de 1!/s & 2 hect. (in Slandern), van Aslbroeck &. 297.
8. 378.
Wo feiner diefer Bälle eintritt, da find ganz Meine Güter
unvortbeilhaft. Die Befiger können ihre Kräfte nicht nuͤtlich
genug anmenden und erzielen alfo wegen des zu Toflbaren
Unterhalted wenig Reinertrag.e Sie unternehmen bei bem
Mangel an Eapital und Kenntniß feine Verbeflerungen bes
Betriebes. Wenn fie dad Gut blos gepadhtet Haben ober mit
Schulden belaftet find, fo müflen fie hoͤchſt kuͤmmerlich eben
und es if ihnen fehr fchwer, fih auf einem folchen Gute
ſchuldenfrei zu erhalten, $. 372. In ſchwachbevoͤlkerten, für
entfernten Abfag angebauten Ländern if biefenige Bewirth⸗
ſchaftungsart, welche auf die flärffte Benutzung des Bodens
berechnet ift (intenfive Gultur, $. 370 a), noch nicht belohnend
genug; daher pflegt die Verkleinerung der Güter erſt bei einem
gewiften Grade von Wohlftand und Bevölkerung zu beginnen
und fortzufchreiten, wenn die Landwirihe denkend und unters
richtet find. Unter dieſer Vorausſetzung muß auch bie Graͤnze,
bei welcher die Zertheilung aufhört zuträglich zu fein, ſich von
ſelbſt geltend machen (a). Iſt fie überfchritten worden, fo können,
wenn verftäimbige und mit betraͤchtlichem Capitale ausgeräftete
Unternehmer fih der Lanbwirthfchaft widmen, feicht wieder
größere Beflgungen entftehen, weil die Fleinen Landwirte ihre
Grundfiüde bei der Concurrenz ber Begüterten nicht zu bes
haupten vermögen; hiedurch ftellt fi) dann der größte Reins
ertrag des Bodens wieder her, die zahlreichen Heinen Landwirthe
aber werden augenblidlid in eine bebrängte Lage verfegt (b).
Es iſt übrigens am nüglichften, wenn Güter von fehr ungleicher
Größe neben einander beftchen, wobei dann für jede Betriebsart
fowie für alle verſchiedenen perjönlichen Verhaͤltniſſe ver Lands
wirthe der gehörige Spielraum offen fteht.
(a) „Die Gewohnheit, die Güter nicht etheilt zu fehen umb bie Webers
jeugung von ihrer Ruͤtzlichkeit 5 Pr Hi fehr in Flandern erhalten,
daß, wenn nod heute ein Bar mit Tod abgeht und mebe Kinder
binterläßt, als aus der Baarfchaft oder den Allodien befriedigt werben
(2)
— 41I —
lonnen, die Erben wicht daran denken, ſich in ben Hof zu theilen, obs
leid) ex feinem Lehnverbande noch Maforatsrechte unterworfen if.
ie verkaufen Ihn vielmehr im Ganzen und fheilen fi in den Erlös.
Sie betrachten das väterlide But ale einen Gpelflein, der an Wert
verliert, wenn er duchgefägt wird.” Schwerz, Landw. Mittheil.
I, 185. — Sn einem Ra Klima, wo die Keldarbeit einen längeren
Theil des Jahres hindurch unterbrochen IR, kann ſchon deßhalb bie
Theilung ohne ſchaͤdliche Folgen nicht fo weit gehen, ale in einer
milderen Gegend. Während in ben gut bewäfferten Gegenden von
Spanien der Kleinbau herrichend und zwedmäßig if, müſſen in ben
trodenenen Gegenden größere Suter fein, weil man nur eine Grnte
jährlich nehmen fann und Mühe Hat, den Futterbedarf zu getwinnen,
de Jovellanos, Butadten.... 3. e. landw. Gefebgeb. D. von
Deguelin, 1816, ©. 61.
In Großbritanien verfhwinden die Eleinen und ganz Fleinen Güter des
Bauernflandes mehr und mehr, weil fie von den reichen Gutöbefigern
angefauft werden, bie Nachkommen der ehemaligen Befiser finlen zu
bloßen Taglöhnern herab. Auch die Kleinen Bactgüter d nah und
nad in größere zufammengezogen worden. Kay, The social condition
and education of the people, I, 362 f. — „Die Auslage für bie
Arbeit ift heutiges Tages fo groß und die Landrente fo body, baß der
Gewerbögewinn von einem Heinen Gute nicht mehr zureiht, um auch
bei der größten Genuͤgſamkeit einer Familie behagliches Ausfommen zu
gewähren. Wie nachtheilig es aud immer für bie Entſtehung einer
zahlreichen und kraftvollen Bevölkerung fein mag, die großen @üter
vermehren bh umd fie müflen «8, damit ihre Bewirthfchafter (their
bolders) ihren Unterhalt finden, und bie Kleineren Pachter werden ges
zwungen, ſich anderen @ewerbsbeihäftigungen je widmen.” Sinclair,
Code of agrie ©. 87 der 3. Ausgabe. Diele Veränderung bat bie
ganze Lage der Weldarbeiter ſehr verihlimmert. Sie if eine Folge
von der Uebermacht des in den Händen der Reichen angehäuften
Capitals. Es verdient genau unterfucht zu werben, ob nidt nod
andere Umftände als die Ausficht auf eine höhere Rente der vergrößerten
Büter dieß Auskaufen der Heinen Grundeigenthümer befördert haben
und ob bdiefelben nicht durch eine beffere Bewirthſchaftungsart ſich
Adlten behaupten Eönnen. In dem Buche: Darfellung der Landw.
oßbritaniens, db. von Schweiger, 1838, I, 64, wirb wenigſtens
bie. beſchraͤnkte Sinficht der kleinen Pachter angedeutet; bei Gätern mit
Milchwirthſchaft (dairy farms) vermögen ſich auch Eleine Befiger zu ers
Balten, ebd. ©. 65. — Das Zufammenlaufen zu Feiner Güter fommt
in manden Gegenden vor. Beiſpiel aus ver Baierifhen Rheinpfalz
bei Hanſſen, Hiſtoriſch⸗ſtatiſtiſche Darſtellung der Inſel Fehmarn,
Altona 1832, S. 197. Sähilderung der übermäßigen Zerfhüdelung im
berner Oberlande bei Kaſthofer, Alpenreife über den Brünig, 1825,
©. 20. Im Dorfe Aarmühle haben 40 Proc. der Familien keine Kuh,
und die Zahl der Kühe nimmt überhaupt ab. Selbft einzelne Obſt⸗
bämme haben mehrere Bigenthümer.
8. 374.
Die großen und Heinen Güter müflen auch in Anfehung
ber Menge von Bohenerzeugniffen, welche ſie für die anderen
Volsclaſſen erzeugen, mit einamder verglicdyen werben, 8. 368.
Man nimms gewöhnlich an, daß bie Befiper der großen Güter
— 410 —
nach Abzug ihres eigenen Bedarfs mehr Nahrungsmittel übrig
haben, die fie für den Unterhalt der anderen Bolköclaffen zu
Markte bringen und von denen fie audy einen Theil für Miß⸗
jahre auffpeichern fönnen, fo daß demnach bie großen Güter
eine größere ftädtifche Bevölferung ernähren und gegen Theuerung
eine befiere Aushülfe gewähren, als die mittleren und kleinen.
. Allein da dieſe bei guter Bewirtbichaftung einen größeren Robs
und Reinertrag hervorbringen, fo muß auch eine größere Menge
von Erzeugniffen verfauft werden, um die Grundrente und bie
anderen Geldausgaben zu beftreiten, $. 366. Jene Meinung
fand vieleicht darin ihre Nahrung, daß die Erzeugniffe bei
großen Gütern in beträchtlichen Maſſen gefammelt angetroffen
werben und baher mehr in die Augen fallen, indeß die Erfah⸗
rung die reichlicheren Hülfdquellen zeigt, welche ein unter Eleinere
MWirthfchaften vertheilter Boden geben fann (a). Freilich bes
fiehen aber die zu Markt geführten Erzeugniffe mittlerer und
Feiner Güter nicht blos in Getreide und Fleifch, fondern zus
glei in mancherlei anderen Nahrungsmitteln und Stoffen ver
fhiebener Art, 3. 3. Geflügel, Eiern, Milh, Butter, Käfe,
Häuten, Haaren, Federn, Wachs, Honig, Tabak, Hopfen,
Arzneis, Dels und Gefpinnftpflanzgen, ®emüfe, Obſt, Wein,
Zierblumen ıc. Vgl. III, 8.132 (b). Ganz Kleine Güter liefern
weniger verfäufliche Borräthe, allein wenn der Befiger noch eine
Rebenarbeit verrichtet, jo bietet diefelbe den Erſatz für die von
ihm verzehrte verhältnißmäßig größere Menge von Lebensmitteln,
und nur dann, wenn er nicht genug befchäftigt if, alfo bei
einer übermäßigen Verkleinerung, ift wirklich ein Nachtheil für
die anderen Stände vorhanden.
(a) Logz, Handb. II, 32. 34.
6. 375.
Große Güter haben außer den biöher betrachteten Umftänden
auch das Nachtheilige, eine größere Menge von Tagloͤhner⸗
familien nöthig zu machen (a), deren Lage, wenn gleich nidyt
durchgehende fümmerlich, doch in volkswirthſchaftlicher Hinſicht
auch nicht für günftig gehalten werden darf. Ihr Kohn iſt ziem⸗
lich unveränderlich, der Verdienſt aber bisweilen unterbrochen,
fie können fchwer etwas erfparen und werden durch Unglücks⸗
— 4 —
fäe leicht in Armuth geftürzt (8), auch haben fie weder ben
Ermwerbseifer, noch die Anhänglichkeit an das Baterland, an
bie Gefege und die rechtliche Ordnung, welche das Grundeigen⸗
thum hervorbringt (c). Daher hat die auf Kleinen Gütern an⸗
fäffige größere Zahl von Grunbeigenthümern, abgejehen von
der Bewirthfchaftungsweife und dem Bobenertrage, in Hinficht
auf Bildung, Sittlichfeit und flaatöbürgerliche Verhältniffe er-
hebliche Vorzüge. Doch ift ed nüglid, daß auch mittlere und
große Güter neben den Eleinen vorhanden find, weil nur auf
jenen wiflenfchaftlich gebildete Kandwirthe gefunden werden, deren
Betriebsart ald Mufter auf die Umgegend wirft, und welche
Muße genug haben, ſich mit der Vervollkommnung der Gewerbs⸗
funft zu bejchäftigen, weil ferner manche Verbeſſerungen und
indbefondere eine funftmäßige Viehzucht nur auf ihnen ein-
heimiſch find, weil nur bier die vermögenslofen Xohnarbeiter
einen Taglohnverdienft erhalten, und weil endlich auch dad
Vorhandenſein wohlhabender Grundeigenthümer, bie ſich gemein-
nüsigen Thätigfeiten widmen und mande wohlthätige Anwens
dung ihres reichlichen Einfommend machen fönnen, in allgemei-
nerer Beziehung nüglich ifl. Jede Claffe der Gutsbeſitzer kann
von ben anderen etwas lernen, jede ift im Stande, felbft in
irgend einem Zweige der landwirthichaftlichen Thaͤtigkeit ein
Beifpiel zu geben. Es läßt ſich nicht im Allgemeinen beftimmen,
welches Zahlenverhältniß der verfchiedenen Claſſen nebeneinander
beftebender Güter daß befte fei, weil dieß von mandherlei Um⸗
ſtaͤnden abhängt. Es ift jedoch bei der Beurtheilung ftatiftifcher
Angaben über diefen Gegenftand nicht blos darauf zu achten,
wie viel die Anzahl der Fleinen und der ganz Fleinen Güter
gegen die größeren gehalten beträgt, jondern auch welchen Theil
der Fläche diefe und jene einnehmen, und biefe Erwägung dient
manche Beforgniffe wegen der weitgetriebenen Berfleinerung zu
befhwidytigen (d).
(a) Beifpiel eines mecklenburgiſchen Gutes von 1800 Acres (2844 pr. M.)
mit 22 Köpfen Befinde und 30 Taglöhnern in den a. Papers.
(2) Aus dieler Arjache ift einige Wahrfcheinlichkeit dafür, daß die Sterblich⸗
feit im Allgemeinen da größer ift, wo fich mehr große Guͤter befinden.
Dies hat man für Frankreich zu beweiſen gefuht. Die Mortalität if
/ in denjenigen Departements, wo im Durchſchnitt 4 Hekt. auf ben
Grundeigenthümer kommen, dagegen ftirbt jährlich %/ss, wo ein Grund⸗
eigner im Ducchfchnitt 7 Helft. befigt. Journ. des debate, 19. Februar
Rau, polit. Dekon. I. 7. Ausg. 31
— 482 —
1826. — Bol. Thaer, Engl. Landw. II, 2. ©. 82. — Die ne
fame Bolfevermehrung in Frankreich, ungeachtet der beträchtlichen Zer⸗
therlung bes Grundeigenthums, iR ein bemerkenswerther Umftand , ber
mehr Beſonnenheit der Heinen Grundeigenthuͤmer vermuten läßt, als
fie gewöhnlich bei Taglöhnern getroffen wird. — Taglöhner, welche ver
möge eines fehlen DBertragsverhäftnifies mit dem Butsherm ,
das ganze Jahr Arbeit zu haben, befinden fich befier daran, 3. DB. bie
Inſten in Preußen, Hanffena.a. O. ©. Alb nad v. Hartbaufen.
() Simonde, Nourv. prino. I, 173. — Schilderung ber trägen medien;
(4)
burgifchen Buͤdner, v. Lengerke, Darf. der Landw. in dem GSroßh.
Mecklenb. 1831, I, 41. — Armuth, Unmwifienheit und Rohheit ber
Taglöhner auf den größeren Bactgütern ber Lombardei, Burger,
Reiſen, I, 208. — Schilderungen ähnlicher Art von den englifchen
Feldarbeitern, im Bergleich mit dem deutfchen und ſchweizeriſchen erms
flande, bei Kay im angef. 1. Bande feines Werkes.
Pol. II, $. 79 (d). Im preuß. Staate betragen die (Beflgungen mit
Einrechnung des Waldes) in Procenten der ganzen landwirthſchaftlich
benugten Flaͤche
Pommern Preußen Weſfalen Oheinland
8 1 l
von 600 M. und mehr 62 3
300—600 5 8 8 6,8
30— 300 28 49 57 34,7
5—20 3 3 15 27
0—5 0,78 0,°. 3, 10,®
Beifpiel eines günkl en Berhältnifies, Dorf Babenhaufen, zwifchen
Darmftadt und Afchaffenburg:
2 Güter von 100 und mehr Morgen, gegen 5,? Proc.
14 =: s 50-100 ur ee 18,8 =
100 ⸗ s 20—50 ⸗ 63,2 ⸗
40 ⸗ 1020 ⸗ s 11! s
35 ⸗ ;s 1—10 ⸗ ⸗ 195 =
In der Naͤthe anfehnlicher Städte kann ein größerer Theil ber Flaͤche
ohne fhädlihen Folgen aus ganz kleinen Beisungen befteben.
$. 376.
In Bezug auf die Beichaffenheit des Rechtes, welches dem
Landwirthe auf die von ihm bebauten Grundftüde zufteht
G.
385), find mehrere in ihren volkswirthſchaftlichen Wirkungen
weſentlich verjchiedene Verhältniffe möglich, welche fidh fo über
bliden laſſen (a):
1) Am vortheilhafteften if es, wenn der Landwirth un⸗
beichränfter Cigenthümer feines Bodens if, weil er dann
fowohl den größten Eifer, als die vollfte Freiheit zur Anwendung
aller Verbefierungen hat, ferner weil er durch die ihm zufallende
Örundrente in den Stand gefegt wird, behaglicher zu leben,
als ein Xohnarbeiter, fein Capital durch Erfparniffe zu vers
größern und ungünftige Zeitumftände leichter auszuhalten, als
ein Pachter. Die Verſchuldung mindert den letzteren Vortheil,
— 43 —
laßt aber wenigſtens ben erſten ungeſchwaͤcht. Doc ‚können
die Landwirthe nur dann dieſe günflige Lage in ihrer ganzen
Ausdehnung benugen, wenn fie zugleich im Befige der nöthigen
Kenntniffe und Eapitale find ($. 367), und nur die Eigen-
thümer Heinerer Guͤter gehören in ber. Regel dem Stande ber
Zandwirthe an. Es ift unvermeidlich, daß reiche Privatperfonen
oder Körperichaften Land an fidy bringen, um ihr Bermögen
fiher anzulegen und eine Pachtrente zu beziehen.
(a) Rah Lullin de Shateauvieur find in Frankreih 14 Mill. Heft.
Bauland in den Händen fleiner Grundeigner, 10 Mill. werden von
Halbmaiern, 77/ Mil. von Pachtern mit feftem Pachtzins, 32/4 Mil.
von mittleren Grundeignern bewirthſchaftet.
8. 377.
2) Die naͤchſte Stelle nimmt die Bewirtbfchaftung durch
folhe Bachter ein, bie den Landbau wie eine andere Gewerbo⸗
untenehmung, mit dem gehörigen Capital, mit Kenntniß und
Eifer betreiben (a). Zwar werden von den Pachtern bies
ienigen Berbeflerungen, deren Wirfungen fidy über die Dauer
der Pachtzeit hinaus erftreden, nicht leicht vorgenommen, body
fönnen die Eigenthümer mit ben Pachtern ſich über folche Un-
ternehmungen verftändigen. Wo fih ein wohlhabender und
unterrichteter Stand von Pachtern bildet und bie Grundeigen⸗
thümer die Klugheitöregel annehmen, mehr auf dauernde ale
auf augenblicklich erhöhte Bachtrente zu fehen, da find die volks⸗
wirtbfchaftlichen Ergebniffe der Pachtungen vortheilhaft (d).
Unbegüterte Pachter find dagegen in einer fo nadhtheiligen Rage,
daß fie felbft noch den befchränkten Eigenthümern ($. 378) nad).
gefegt werden muͤſſen. Dieß rührt daher, daß fie nur fehr
fleine Güter ober einzelne Städe pachten können und haupt⸗
fachlich ihren Unterhalt durch eigene Feldarbeit fichern müflen,
daß fie wegen ihres ganz geringen Capitales Feine beffere Bes
triebsart einführen Eönnen, und wegen ber Unmöglichkeit, eine
andere Erwerbsart zu ergreifen, von den Grundeigenthümern in
Anfehung der Pachtbevingungen abhängig find. Pachtungen
diefer Art, fie mögen einen in Geld bebungenen Pachtzins (e),
oder einen Antheil an dem Bobenertrage (d) geben, wirken
fowohl auf die gefammte Production, ald auf den Zuftanb ber
31*
— 44 —
Landwirthe ſehr unguͤnſtig und laſſen, bei ber fortwährenben
Duͤrftigkeit der Pachter, ſehr ſchwer eine Umaͤnderung zu.
(e)
(0)
(0)
(4)
Solde Fadıtun en find in England und Belgien am häufigfien. In
diefem Lande iR die Zahl der Landwirthe, die ganz oder doch über
die Hälfte des bewirthichafteten Gutes eigenthihnlid beiten, in
Zuremburg 71,3 Proc. (max), Namur 53, Limburg 48 Pror., — in
Oſtflandern 23,3 in Weltflandern nur 17 Proc., hier find alfo 83 Proc.
Pachter. — In Großbritanien find viele Heine Grundbeigenthümer
(yeomen) in den Pachterſtand übergetreten, um aus dem Grlöfe ihrer
Zändereien ein größeres DBetriebscapital zu bilden.
Sehr große Pachtungen fönnen den Unternehmern eine Art von Mos
nopol im Berfaufe der Brzeugnifle und im Miethen von Lohnarbeitern
geben, wobei der @ewerbsgewinn auf Koften des Gemeinwohles acht
wird; diefe Lage der Dinge wird ſich aber nur bei fehlerhaften Geſetzen
oder dem Mangel an Mitwerben von begüterten Bachtluftigen erhalten,
und fie wäre durch Zeriheilung der übergroßen Güter zu beieitigen.
eifpiele bei Simonde, Nouv. prine. I, 22 Die Statt Ronciglione
im Kirchenftaate ift von einem Pachter abhängig, deflen Ländereien bie
Stadt ganz umgeben. — Wenn nah de Basparin der Pachter auf
Gütern von 100. Hekt. 10 Proc. feines Gapitales gewinnt, bei 50—100 9.
nur 8 Proc. bei 2550 9. 6, bei 1—10 9. fogar nur 3 Proc., fo
muß dieß theild aus.den im 369 angeführten Umſtaͤnden, theils
daraus erflärt werden, daß bei Heinen Pachtgütern die Goncurrenz
größer und die Pachtrente Höher iR, $. 373.
So die irländifhen Bauern, vgl. F. 368 (0). Erumpe, Ueber bie
beften Mittel dem Volke Arbeit und Verdienſt zu verfchaffen, S. 304. —
Graf Soden, VI, 45. — Edinb. Ber. Jan. 1815, ebd. Ar. 159
©. 249 (1844). — Jones, Distrib, of wealth, ©. 143 (führt den
Geldpachtszins folcher bäuerlichen Landwirthe unter dem Namen Cottier-
Bent. auf.) — Inglis, Journey throughout Ireland, 1835. — Bibl.
univ. 1836. V, 52. — de Beaümont, L’Irlande sociale, polit. et
relig. 1839. — Bom NAderb. und von dem Zuftande der den Ackerb. treis
benden Glaflen in Irl. und Großbr., I, 69. (1840.) — Glement,
Reifen in Irl. 1845 S. 384 — Foreign Quart. Rev. Ar. 73 ©. 105. —
Angef. Occupation of land in Ireland. Befonders fehlerhaft war früher
in Irland, daß die Pachter größerer Büter diefelben unter mehrere
Afterpachter vertHeilten, welche biefelben oft abermals ſtückweiſe um
faum erſchwingliche Preife verpachteten, fowie auch dafelb beim Tode
eines Pachters die Pachtung unter defien Erben zerftüdelt wurde, IL,
6. 96 (d). Viele dürftige eldarbeiter pachten ein Stüd ſchon zuges
richtetes Land (conacre-system), den gedüngten Acre ungefähr zu 6 bie
10 2. St., ungebüngt zu 3- 5 2. St. — In Portugal, befonders in
Alemtefo, gehört nur ein Eleiner Theil der Ländereien denen, bie fle
anbauen. Ceeci fait, que les terres sont exträmement nögligöes, parcoque
les maitres des possessions, dès qu’ils les voient ame&liordes, ou les re-
prennent pour eux, ou bien les donnent & un autre fermier, qui leur
offre un bail plus avantageux. Balbi, Essai statist. I, 164.
Unter biefe Verpachtungen gehört die im füblichen Curopa fehr vers
breitete und fogar bis auf die canarifchen Inſeln fich erfiredende Halb:
pacht (metayage, meszeria), eine Folge der Dürftigfeit der Landleute,
benen es an Mitteln gebrah, um die Haftung für eine fee Summe
u übernehmen, wie fie dem gewöhnlichen Zeitpachter obliegt. Der
achter, Meier (medietarius, mötayer, colono alla metä) muß bem
— 485 —
Eigenthümer in der Megel die Hälfte des Nohertrages abgeben, wobei
er fih nur kuͤmmerlich ernährt und nichts erübrigen fann. Das erfors
berliche Betriebscapital muß der Gutoherr dazu geben. Ueberall findet
man die meiften Halbpachter dürftig, unwiffend und bei jeder fchlechten
Ernte dem Berarmen nahe. , Berbefferungen im Betriebe können bei
diefer Sinrichtung faum vorkommen, denn fein Theil entfchließt fi —
ſchon um dem anderen keinen unverdienten Gewinn zu bereiten. Dieſe
Theilpachtungen, die fi nur durch die Einfachheit und die leichtere
Sicherſtellung des Verpachters empfehlen und bei dem Rebbau auch in
Deutfihland hie und da vorfamen, waren im römifchen Meiche fehr
häufig und erhielten fi bie auf unfere Zeit, obgleich felbf das Inter:
efie der Butsherren eine andere Cinrichtung rathſam machte. Der
Halbpachter kann nur fchwer zum Zeitpachter werden und fih aud
duch Auffündigung nicht helfen, „denn e6 melden ſich bei der beflehens
den Uebervoͤlkerung flatt feiner zehn andere, bie fi vielleicht noch
härtere Bedingnifle gefallen laſſen — und er ift nun arbeite und ver
bdienſtlos und muß fehen, fich ale —R durchzubringen“ (Burs
er). Die venezianiſchen Bauern find zufolge dieſes Bachtverhältnifies
o arm, daß fie feine Kaution ftellen können. Unter 1000 Bauern if
faum einer, der ganz auf eigenem Lande wirtbfchaftet. (v. Martens,
Reife nach Benedig, IL, 98. Webnlih Bronn, Reifen, II, 332, über
die Landwirtbfhaft um Piſa.) In der Provinz Brescia giebt ber
Bauer nur de der Fruͤchte ab und if Bigenthümee des Viehes, ficht
alfo viel befier als in den anderen Gegenden. Doch bemerkt man
ſowohl in Oberitalien (Sactni), ale in Frankreich (de Lavergne),
eh die Zeiwacht mit feftem Ge vmactgine fih gegen bie Halbpacht aus⸗
dehnt. In Frankreich fängt die Halbpacht im Süden ber Loire an.
Nah Duesna 2 jollte ($. 38) von dem angebauten Lande (36 Mill.
Arpens — 18 Mill. Heftaren) */s in großen Bütern mit Pferden,
meiſtens in Zeitpacht, liegen, dagegen 5/s in Kleinen @ütern (petite
culture) mit Ochien in Halbpacht. t fol die leßtere etwas weniger
Ausbreitung haben, vergl. $. 376 (a) und II, $. 80 (ec). — Im frans
oͤſiſchen Dep. ObersBienne klagt man mie überall über die Nachlaͤſſig⸗
eit und den fchlechten Anbau dieſer Halbpachter, die gewöhnlih 13 bie
21 Heft. bewirthichaften und gang vermögenslos find. Bev. encycoL
Ri 1829. S. 592. Im Dep. Wube iſt das Urtheil der amtlichen
Statiftik dieſes: Si le mötayer ne depend plus d’un seigneur, il n’est
pas moins l’esclave de sa position missrable.. Sans argent, sans crödit,
il ne peut sortir du cercle oà l’onferment les besoins. Faute de ca-
pital et de fonds de roulement, il ne peut entreprendre d’amöliorations
foncidres; son bail tient toujours suspendue sur sa töte l'épbo de Da-
moeles. Agrie. franc. Dep. de l’Aude, 1847, &. 80. Günftiger urtheilt
über die franzöf. Halbpacht Bastiat in Journ. des Eocon. XIIL, 225.
Die Abgabe h' bisweilen nur !/3 oder gar Ye. — Burger, Weile d. .
Oberitalien, II, 195. 205 ff. — Ad. Smith, IL, 180. — Simonde
de Sismondi, Nour. pr. I, 187. — Jones, ©. 73—108. —
A. de Gasparin, Möm. sur le mötayage, 1832. — Cours d’agric.
V. 317. — de Lavergne in Revue des deux mondes, Nouv. Per.
I, 236. — Jacini, La proprietä fondiaria e le popolasioni agricole
in Lombardia, 1854. Deutih: Der Grundbeſitß sc. Mailand 1857.
$. 378.
3) Das in vielen europäifchen Ländern vorkommende bäuers
liche Berhältniß, wobei die Randwirthe nur ein befchränftes
--— 486 —
Eigenthumsrecht oder ein erbliches Nutznießungsrecht auf ihre
Güter haben, zeigt ſehr manchfaltige Abftufungen, die in volks⸗
wirthfchaftlicher Hinftcht defto günfliger find, je mehr fie den
Bauer dem Zuftande bed Cigenthümerd nahe bringen (a).
Hat derfelbe nur einfache Abgaben an einen Berechtigten zu
entrichten, die ihm noch einen Theil der Grunbrente übrig laflen
und ihn fonft nicht befchränfen, fo ift feine Lage ungefähr mit
ber eines verfchuldeten Eigenthümerd zu vergleihen. Biel nach⸗
theiliger ift ed, wenn bie bäuerlichen Laften durch ihre Größe,
burh bie Art ihrer Bemeffung ober durch bie Zeit ihres Ein⸗
tretend bem Randwirthe die Mittel zum guten Betriebe entziehen,
feine Neigung zu bemfelben ſchwaͤchen, weil er nicht ficher ift,
bag ihm die Brüchte ber Verbefierungen in belohnendem Maaße
zufallen (5), — ober wenn fie ihn aud, in ber Anwendung
ſeiner Zeit beengen, 3. B. Frohndienſte (ce). Wenn ſchon ein
folched Verhältniß ben Eifer des Landwirths beträchtlich laͤhmt,
fo muß biefe Wirkung in noch höherem Grade ba eintreten,
wo berjelbe gar Fein erbliches Recht hat, und nicht einmal,
wie ein Pachter vermöge des Contracts, auf beftimmte Zeit
bed Befitzes ficher fein kann.
(a) Nähere Betrachtung diefer Verhältniffe im II. Bande, 9. 46 ff.
(d) Diefes bäuerliche Verhaͤltniß entftand in früheren Entwidlungsperioden
der Volkswirthſchaft fehr oft als ein Mittel, ohne eigene Bewirthichaf:
tung eine Grundrente zu beaichen, ehe es noch Zeitpachtungen gab
($. 207), bisweilen jedoch als Erpreſſung des Mächtigen, wie 3. B.
die Beludfhen am Indus den Gingekornen bie Abgabe bes halben
Ertrags auflegen, v. Orlichs, Reiſe, 1845. Die Gleichheit der
Umflände rief in vielen Ländern gleiche Cinrichtungen hervor, daher
erſtrecken fich diefe bäuerlichen Laſten durch ganz Buropa bis nah Oſt⸗
indien, wo die Ryots dem Fürſten als Gutsherrn einen Theil des
Bobenertrages abgeben, ungefähr !/s oder te. Die Lage biefer Ryots
Bauern) iſt durch das Gindrängen der Zemindars, die aus bloßen
innehmern der Mente zu einer Art von Gutsherren wurden, fehr vers
ſchlechtert worten.
(6) Die Anfegung von Frohnbauern war in früherer Beit nothwendig, um
fih neben dem Gefinde die erforderlichen Hülfsarbeiter bei dem Mangel
‚an Taglöhnern zu fihern, Schon die Ungelſachſen hatten zweierlei
obnleute, die Geburen (2 Frohntage wöcentlih) und die Kot:
etlan, Kotbfaflen, welche Geräthe und Vieh eigen hatten und nur
einen Tag wöchentlich ftohnten, Rectitudines singular. person. Herausg.
v. 2eo, .
— 487 —
Zweites Haupftſtuͤck.
Einzelne Zweige der Lanudwirthſchaft.
$. 379.
Der Bau der Bartenfräuter und Reben befchäftiget
bie größte Menge Arbeiter auf gleicher Flaͤche (a) und bringt
den größten Reinertrag (5) zu Wege, weldyer theild aus der
Benusung vorzüglid, fruchtbarer oder für den Anbau und Abfaß
fehr günftig gelegener Grunbftüde (ec), theils aus der forgfältigen
und Ffunftmäßigen Bewirthichaftung bderfelben, theils endlich
aus ber Hülfe eines beträchtlichen Bapitaled hervorgeht. Das
legtere wird größtentheild zum Unterhalte der Arbeiter verwendet,
doch muß bei dem Reblande auch eine nicht unerhebliche
Summe auf Grundverbefferungen, 3. B. tiefed Umgraben (An
rotten), Zerrafliren, Errihtung von Stügmauern ıc. angelegt
werden, wozu ald ftehendes Kapital die Keltern, Keller und
Fäſſer fommen (d). Die von dem Rohertrage zu vergütenden
Koften find weit beträcdhtlicher, als ber übrigbleibende Rein-
ertrag, nur kann dad Berhältniß beider Größen nicht allgemein
in Zahlen ausgedrüdt werden (e). Eine große Ausdehnung
des Gartenbaues wird vorzüglich neben ber Bodenbefchaffenheit
(8. 218) durch die Nähe volkreicher Städte begünftigt (5), doch
fann fich jene bei vorzüglicher Geſchicklichkeit der Gärtner auch
in einiger Entfernung vom Markte erhalten (9). Der Rebbau
hängt norbwärtd von den Alpen fehr von ben Flimatifchen Ber
dingungen ab, und wo biefe nicht günftig find, da fann er im
Mitwerben mit anderen Gegenden nicht beſtehen.
(a) Gegen 5 preuß. Morgen Rebland würden eine Familie binreichend bes
fhäftigen, inteß befigen in ven Rebgegenden viele Yamilien von Tags
loͤhnern nnd ganz Fleinen Grundeigenthümern nur 1—2 Viertelmorgen. —
In der Provinz Rheinhefien, früher mit 8300, jebt 9400 Menfchen
auf der D.-Meile, find 78 Proc. der Oberfläche Ader, 6%s Proc. Mebs
land. In dem Gemüſeort Sonfenheim bei Mainz waren 1843 amf
den Kopf der Einw. nur 1,9 Hefi. M. Ader, Wieſe, Garten und Reb⸗
fand, in dem Rebort Nierftein bei Oppenheim (mit 1/s der Fläche Reb⸗
land) 1,8 M. auf den Kopf. Heffe, Rheinheſſen, S. 32. — Der
weinreichfte Theil von Würtemberg (Nedarfreis) hatte 1852 8280, bie
Gerichtsbezirke Frankenthal und Landau im baierifhen Nheinfreife, in
denen bie Deinbergt ter Hartt liegen, hatten ſchon früher 7090 Men-
fchen auf der D.:Meile (nach den Sahlen bei Rudhart, Beil. S. 11.
23); würde man aber von diefen Bezirken die darin begriffene Getreide⸗
gegend abrechnen, fo würde fich die Bevölkerung des eigentlichen Wein⸗
landes noch wet beträchtlicher zeigen. — An der badiſchen Bergſtraße
(2)
(e)
(4)
(6)
— 488 —
von Wiesloch bis Laudenbah auf 2, D.:Meilen Flähe und 5 Meilen
Länge wohnten im Jahre 1861 27000 Menfchen, ohne die 21500 Gin
wohner der Städte Heidelberg und Weinheim, in 16 Dörfern und
1 Landfladt, mit flarfem Rebbau. Unter jenen Dörfern bat Handſchuchs⸗
heim 2150 Einwohner, mit 1400 Morgen Ader, 304 M. Neben und
105 M. Wiefe, zufammen im D. 0,4 Morgen auf den Kopf.
Dieß beweift fhon der hohe Preis des Gartenlandes. Der Morgen
Rebland wird in guten Lagen mit mehreren tauiend Gulden, im Rhein⸗
gau, namentlich in Ruͤdesheim noch jept bis zu 5 -6000 fl. (Brons
ner, Weinb. in Südbeutfchl., ILL, 139), im Waadtlande zu 2300 bis
4600 fl. (6—12000 Schw. Fr. die Poſe) bezahlt. Hieraus widerlegt
fi) von felbft die Behauptung, daß der Nebbau gar feinen Reinertrag
ebe. Vgl. Eorrefponvenzbl. des würt. landw. V. 1822, L, 409. 418.
ei den Berechnungen, die das Gegentheil beweifen follen, iſt entweber
die Befchaffenheit der Grundftüde für den Rebbau nicht paflend, oder
man muß Ylmgen Meinbergsbefiger, die Alles mit gedungenen Arbei⸗
tem auszurichten gezwungen find, von den felbftarbeitenden unterfcheis
den. So erklärt fih 3.2., daß nah v. Gock (Eorrefvondenzbl. 1834.
S. 57. 165) an ber würt. Alp und am obern Nedar bei einem mitts
leven Rohertrage von 72 fl. die Koften auf 74 fl. angefchlagen werben,
was 2 fl. Schaden anzeigen würde. — Die Berechnung für ein Reb⸗
ut bei Heſſe, Rheinhefien, ©. 58, nimmt an, daß die Hälfte der
einberge vollfommen tragbar fei, die andere aus älteren und neus
angelegten Stüden beſtehe. Der Reinertrag von 15 heſſ. Morgen if
420 fl., womit der Anfchlag des Gutes auf 12330 fl. übereinftimmt
(zu 31/5 Proc. verzinslih). Der Morgen guter Mebberge ift hier zu
800 fl. genommen. — In der Thalflähe um Bogen, bem „Bogener
Boden,” wird der Graber (160 Klafter = 0,8 pr. M.) Rebland (in
welchem zugleih andere Pflanzen gebaut werben, 6. 380 (0)), mit
800—1000 fl. Bogener Währung bezahlt (zu 5T'!/afr. im 24/5 fi.⸗Fuß),
alfo der preuß. M. 3555—4444 r — En Sachſenhauſen bei. Frank:
furt a. M. gilt der Morgen (0,8 pr. M.) Gemüfeland 3—4000f. —
Bor den Thoren von Hamburg werben öfters 100 Q.⸗-Fuß Bartenland
um 1 Mark (43 Er.) verpacdhtet, welches gegen 180 fl. für den pr. M.
beträgt und einen Kaufpreis von 4500 fl. anzeigt. Das beſte Bartens
land bei Bamberg wird mit 3—4000fl. für den Morgen (= 1,Fp.M.)
bezahlt, und 4—6 Metzen Land (11/;—2 M.) bilden fhon eine voll
fommene Gaͤrtnerwirthſchaft; die Bamberger Gärtnerei hat gegen
700 Meifter und eben fo viel Gefellen, v. Rei der, Bamberge Gartens
bau, Leipz. 1821, S 126. 128.
Das Gartenland muß einen nicht: zu feſten Boden haben, in der Nähe
der Ortſchaften liegen und leicht zu begießen fein, weßhalb die Lage
an einem Bache beſonders gefchäßt wird.
In Steiermark rechnet man den Gapitalaufwand für bie erfle Anlage
und den Bau in den vier erften Jahren mit Sinfen auf 408 fl. des
20 fl.:%. für das Joh, Kelter und Keller auf 175 fl. Hlubek,
Landw. v. St. ©. 100—104.
Nah Chaptal (Ind. franc. I, 177. 191. 218.) bringt 1 Hektar
Rebland . . . ob 363 $r., rein 100 Fr.
Gemüfegattn . . - 600 = = 1W *
Obfigarten . . . = 60 = = 40 s
Wenn die Zahlen richtig find, fo muß in Frankreich der Rebbau ver:
A nibmäßig geringeren Reinertrag (27%/s Proc.) abwerfen, ale in
eutfhland, Cavoleau (Oenologie frang. 1827) feßt den Rohertrag
— 489 —
des Hektars auf 310 Fr., in den einzelnen Dep. foll derfelbe zwiſchen
710 Fr. (Donne) und 125 Fr. (Eharente) fallen. Nah anderen Aus:
mittlungen (de Förussac, Bull. des sc. agricoles XVI, 55) märe
der Rohertrag eines Hektar 21,67 Hektoliter zu 15,1 Fr., alfo in Geld
338 Fr. Pranfreich hatte 1834 2'134 822 Heft. Rebland, welche gegen
45 Mill. Heftol. Wein erzeugen. Hievon werden 6 Mill. zum Brannts
weinbrennen verbrauht, 1360000 ausgeführt, 36% Mill. im Lande
etrunfen, was 1 Hektol (1,% pr. Eim.) auf den Kopf madht. Die
igenthümer und Weingärtner mit ihren Familien betragen 21/, Mill.
Köpfe. Schnitzler, Creation, I, 62. Im Dep. Gironde ift !/s des
Bodens Rebland, NRohertrag 562 $r., reiner 346 oder 58 Proc. (2) Fuͤr
Mürtemberg berehnet Späth (in Memminger’s Würt. Jahrb.
3. u. 4. Jahrg. ©. 291) die jährlichen Koften vom dortigen Morgen
(1,8 preuß.) auf 72 fl.; Andere (Eorrefpondenzbl. a. a. DO.) auf 86,
auf 54 fl. 10fr. v. Gock a. a. D., am Bodenſee auf 85/f1. Sehen
wir fie auf 60 fl. und den Robertrag auf 100 fl. (gegen 4 Eimer), fo
ergiebt fih, daß der Reinertrag 40 Proc. des rohen ausmadht. Aehn⸗
liche Berhältniffe gelten für den Rebbau am Haardtgebirge.
(f) 3. B. die Bärtnerei von Erfurt, Bamberg, Sachfenhaufen bei Franf:
furt, der Umgebung von Hamburg.
() 3. 3. Goͤnningen im würtemberg. Dberamte Tübingen, mit Samens
handel bis in weite Kerne, Bolweiler im Dep. Oberrhein (berübmte
gierpflangen : Gärtnerei von Baumann), — Zeiskam in ber baier.
Pheinpfalz zwiichen Landau und Germersheim, defien Bewohner bie
Märkte von Mannheim, Heidelberg, Bruchſal, Speier sc. befuchen und
von wo aus auch ausgedehnter Samenhandel durch Wanderungen im
Srühjahr betrieben wird. —
$. 380.
Der Rebbau giebt auch in ben wärmften Gegenden von
Deutfchland nicht alljährlich einen in Güte und Menge beloh-
nenden Ertrag, während er fortwährend anfehnliche Koften für
Arbeit, Düngung, Holzwerf ıc. erfordert. In den zahlreichen
minder guten Lagen ift die Gefahr bes Mißrathens noch größer.
Derjenige Reinertrag, nach welchem fi) der Preis des Reb⸗
landes richtet, ftellt fih nur im Durchſchnitt einer ganzen Reihe
von Jahren her (a). Wenn mehrere ungünftige Jahre aufein-
ander folgen, in denen biöweilen nicht einmal die Koften wieder:
gewonnen werden, fo gerathen deßhalb die wenig begüterten
Eigenthümer von Weingärten in Schulden. In reichen Jahren
wird biöweilen durd) dad große Angebot der Preis bes
Weines ſehr erniebriget, befonberd weil viele Rebbefiger aus
Mangel an Fäffern und Kellern ihr Erzeugniß ſchnell verfaufen
müflen, fo daß nur bie Auffäufer (Weinhänbler) nebft den
wohlhabenderen Weinbauern bei der fpäteren ‘Preiserhöhung
Gewinn ziehen (db). Daher befinden fi bie meiften FEleinen
felbftarbeitenden Rebbeſitzer in bürftiger Lage. Solche Wein⸗
490 —
gärtner, die zugleich Ackerbau treiben, find leichter im Stande,
Mißjahre zu ertragen (c); auch die zahlreichen Tagloͤhner ſtehen
fi) gut, weil ber Arbeitslohn in den Weingegenden ziemlich
hoch zu fein pflegt (d).
(a)
(8)
(e)
Beifpiele: 1) Im Elfaß waren im 18. Jahrh. 13 gute, 43 mittlere,
38 kleine, 6 Fehlherbſte, im 19. Jahrh. bis 1827 5 gute, 11 mittlere,
11 ſehr Heine; Stolz, Notizen über den Rebbau und die Weine bes
Elſaſſes, Straßb. 1828, ©. 44. 85. 2) An der Mofel hatte man in
den 50 Jahren von 1773—1822 nur'10 gute Herbfte, von denen 6 reich
zu nennen waren, 13 mittlere, 27 fhlehte. 3) In Rheinheſſen zählte
man von 1792—1833 (42 Jahre) 3 vollfommene, d. h. überaus reiche
Herbſte. Dieb iſt das Marimum, welches eigentlich nicht zum Maaß⸗
ftabe gebraucht werden follte. In 14 Jahren war ber Ertrag wenigfiens
nit unter %/s (gute J.), in 15 I. 1/s—!/s (mittlere), in 11 Jahren
Ya! (ſchlechte). Pabſt, Zeitfchr. fuͤr die landw. Vereine des Gr.
Heflen. 1834, Rr. 6. 4) In Würtemberg waren von 1800-21 7 gute,
7 mittlere, 7 Fehljahre. — Dieb Berhältniß, daß unter 3 Jahren ein
utes, ein mittleres und ein fchlechtes fei, ift überhaupt in Deutichland
tfabrungsregel, nur trifft es ſich oft, daß erft längere Jahresreihen die
Ausgleihung herftellen, wie 3. B. in den 12 Sahren 1813— 1824
8 ſchlechte Jahre (1813. 14. 16. 17. 20. 21. 23. 24.) eingetreten find.
88 leidet feinen Zweifel, daß ungeachtet biefer Kehljahre doch der Wein⸗
bau jenen anfehnlihen Neinertrag giebt, weil ber Getrag der guten
Herbfte ten Verluſt reichlich erſetzt doch iſt die große Ungleichheit von
Jahr zu Jahr hoöͤchſt laͤſtig, weil fie oft das aufgewendete Capital erſt
nady einigen Jahren vergütet. Diefer Umftand ſchraͤnkt von felbft ben
Mebbau auf diejenigen Gegenden ein, wo er wegen einer waͤrmeren,
geſchützteren Lage der Grundftüde mit ber geringften Gefahr verbunden
if. Gr ift deshalb bieffeits der Alpen, mit Ausnahme vorzüglicher
MWeinlagen, auf gutem, ebenem Aderboden nicht vortheilhaft, weil diefer
minder guten Wein liefert und von dem Froſte mehr leidet, als mit-
tägliche Abhänge, die ohnehin zum Nderbau weniger geeignet find.
Man findet auch in den Weingärten der Ebene einen viel haͤufigeren
Wechſel, indem bei höheren Bruchtpreifen foldhes Weinland ausgeſtockt,
bei niedrigeren neues angelegt wird.
Malther in Schlözer's Staatsanzeigen, XV, 264. In dem reichen
Jahre 1783 fehlte e8 an Gefäßen, ebenſo 1811 und 1818. — In ber
Kolles (Gegend bei Peltau im unteren Steiermark) bat man ein
eigenes flavifhes Wort für den Gläubiger von Weinbauern, der auf
ben Moft Geld und Fäfler gelichen hat: namoschtnik (Anmöfter). Es
find dort kleine Bauern und viele Häusler mit etwas Weinland, träge
und nie aus den Schulden fommend. Berhandl. u. Auffäbe, herausg.
v. d. Landw. Gef. in Steierm., 1828, I, 117.
In Süpdtirol und Italien werden zwifchen den Rebzeilen andere &e-
wächle gebaut, vorzüglid Mais, auch Obfibäume Rechen häufig hier,
daher ift ein doppelter Bodenertrag vorhanden, aber ohnehin bat man
in biefen wärmeren Gegenden das Fehlichlagen ber Weinlefe wenig zu
fürdhten, ausgenommen in Folge der neueren Traubenkranfheit. Im
Stalien ift e8 der Delbaum, deſſen unflcherer Ertrag auf ten Ber
mögenszuftand der Landleute ungünftig wirft, Simonde, Tableau db
Vagric. Toscane ©. 126.
(d) Häder, Wein Yen! in — — In Steiermark wird die ganze
Arbeit auf dem Joh, mit Einſchluß der Lefe und des Kelterne, zu
— 41 —
120 Tagen jährlich angefchlagen, Hlubek, ©. 101. Gin Theil der
Verrihtungen wird in den Weingegenden häufig in Verding gegeben. .
$. 381.
Der Anbau ber übrigen Obſtgewächſe außer ber Rebe
ift im Klima des mittleren und nördlichen Europa nur eine
Nebenbeichäftigung der Landleute, indem dieſe ‘Pflanzen Feine
fo häufige Pflege erfordern, um Arbeiter fortwährend befchäf-
tigen zu fönnen; auch ift wenig Boden denjelben ausſchließlich
gewidmet (a). Gleichwohl hat der gute Betrieb dieſes Zweiges
der Landwirthfchaft auf den Wohlftand der Landleute den güns
ftigften Einfluß, da er fie theild mit einem fchäßbaren Nah⸗
rungsmittel verforgt, theild einen anfehnlicdyen Erlös bewirkt,
und feinen guten Boben, auch faft gar feinen Gapitalaufwand
erfordert, weil bie nöthigen Geſchaͤfte füglich in Nebenſtunden
verrichtet werden fönnen. Nur auf großen Gütern findet fidh
hiezu feine Gelegenheit, auf mittleren und Fleinen Gütern aber
befto beffere, jedoch wird fie nur von dem Landwirthe, ber für
fih und feine Erben bed Grunbbefiged ficher fein kann und
Herr feiner Zeit ifl, gehörig benutzt (D).
(«) Eine Ausnahme bilden die Baumfchulen und Kaftaniengärten (Biöge ,
zu welchen letzteren man ſteile, ſonſt nur als Wald zu benutzende Ab»
hänge anwendet. Reinertrag derſelben in Frankreich 20 Fr. vom Hektar
(Ehaptal, I, 220); bei Heidelberg iſt der Mittelpreis des bad. Morg.
Kaftanienflöß in 3 Claſſen auf 400 — 160 — 48 fl. zu fegen, im bad.
Mittelrheinkreis auf 118 fl. — Das Baumfeld giebt zwar an Feld⸗
früchten eine bedeutend geringere Ernte, aber das Obſt ıft bei leichtem
Abfage ein reichlicher Erſatz. Tiroler Obft wird bis Münden geführt,
Kirihen aus den Dörfern bei Heidelberg gehen an den Niederrhein und
bis London. — Junge Obflbäume aus der Bamberger Gegend mwurben
font von wandernden Verkäufern bis Rußland und Norwegen gebracht.
Da die Kenntnifle des Landmanns und die Zerftüdelung des Grundeigen:
thums den Obftbau ebenfalle bedingen, fo ift die Behauptung Cor⸗
dier's, bie zahlreihen Baumpflanzungen feien ein Kennzeichen einer
guten Staatsverwaltung, zu allgemein; Agric. de la Fl. fr. ©. 383.
(B
ui
6. 382.
Bei dem Aderbaue find verfchiebene Benugungsarten
(Bruchtfolgen, Feldeintheilungen) zu unterfcheiden,
die fowohl in Anfehung der Menge von Capital und Arbeit,
die fie befchäftigen, ald in Hinficht auf bie Größe des rohen und
reinen Grtraged fehr von einander abweichen (a). Sie ent-
— 482 —
ſprechen verſchiedenen Entwickelungsſtufen und zeigen ein ver⸗
ſchiedenes Verhaͤltniß der Kunſt zur Thätigfeit der Naturkraͤfte.
Die Vortheilhaftigkeit einer jeden ſolchen Feldeintheilung wird
von den Preiſen der Erzeugniffe und ber Abſatzgelegenheit, von
ber Bodengüte und dem Klima, von der Größe bed Gapitals,
der Zahl der verwendbaren Arbeiter und bergl. bedingt. In
dem frühften Zuftande der Volkswirthfchaft, bei ſchwacher Bes
völferung und geringem Capital, blieb viel Land zur Weide
liegen, man nahm nur foviel ald Ader in Anbau, als zur
Ernährung der Menfchen nöthig war, und verließ benfelben
nad) einigen Jahren wieder, um ein andere® öde Stüd ums
zubrechen, 8. 362. Diefe allerfhwächfte (ertenfivefte) Wirth»
fhaftöweife erfordert großen Raum, um nur eine Haushaltung
zu ernähren (d). Als man fi nachher genöthigt fah, ben
Wechſel aufzugeben und die beften Stüde fortwährend als
Ader zu benugen, ließ man doch einen Theil des Aders
felde8 regelmäßig nach mehrjährigem Getreidebau brach liegen,
weil man ihm dabei mit Muße befier lodern und reinigen
Eonnte und an Dünger fparte, und weil bie Brachfelber auch
zur Weide bienten (c). In fpäterer Zeit war biefe fehr ertens
five Bodenbenugung (8.370a.) nicht mehr genügend, man mußte
einen Theil der Weiden unter den Pflug nehmen und anfangen,
auch das Bradyland zu beftellen, um fowohl verfchiedene andere
Gewaͤchſe neben ben Halmfrüchten zu gewinnen, als aud
den Futtervorrath zu verftärfen (d). Wo man eine hinreichende
Menge von gutem, zum Mähen tauglichem Sraslande (Wiefen)
neben dem Acker hat, da ift der Uebergang von dem Weibes
gange zur Stallfütterung ausführbar, bie aber ſchon beträchtlich
mehr Capital in Anfpruh nimmt. Wo die Feuchtigkeit des
Bodens und Klima's den Graswuchs vorzüglid) begünftigt,
da findet man Beranlaffung, die Aeder nad) einigen Ernten
als Grasland liegen zu laſſen und gleichzeitig ältere Grasfchläge
in regelmäßiger Reihenfolge wieder umzubrechen (e). Die ſchwung⸗
baftefte Bewirthfchaftung befteht darin, daß man von dem
Aderlande nur die Hälfte oder einen noch kleineren Theil
den Halmfrühten, ben Reſt aber Gewächfen für anderen Ges
brauh, namentlid) den Yutterpflanzen widmet, wobei dann
ba8 dauernde Grasland ganz entbehrlich wird. Diefe Einrich-
— 493 —
tung erfordert mehr Kunft und Capital als die vorhin erwähnten,
und ift-nur bei einer hohen Entwidelung der Volkswirthſchaft
anwendbar (f). Ob in einer Gegend der Getreibebau, oder
ein Zweig ber Viehzucht, oder die Gewinnung von Handels⸗
gewaͤchſen einträglicher fei, dieß hängt von den oben bezeichneten
Umftänden ab. In der Regel muß eine wohlgeorbnete Land⸗
wirthſchaft ihren Dünger felbft erzeugen (g), aber bei reichlichem
Capital ‚und guter Gelegenheit kann es vortheilhaft werben,
noch von außen Dünger anzufaufen (n).
(e)
(2)
(0)
Außer den landwirthichaftlihen Schriften über diefen Gegenfland (vor:
züglih von Schwerz, Anleitung zum praft. Aderbau, Ir Bd., —
Goöriz, Betriebelehre, IL, 76 f., — de Gasparin, Cours d’agric.,
5r Bd.) ift die Darftellung der Feldſyſteme in gefchichtliher Methode
von Rofher (Archiv, N. F. III.) zu vergleichen.
Dieß von den franzöflihen Schriftfiellern fogenannte celtifche Syftem
(de Gasparin, V, 185) ift vielmehr altgermaniih, Tac. Germ. 26:
Arva per annos mutant et superest ager; nec enim cum ubertate et
amplitudine soli labore contendunt, ut pomaris conserant et prata se-
parent et hortos rigent; sola terrao .seges imperatur, eine gute Bezeich-
nung der ertenfiveften Benukung. Gin Reit hat fih in mehreren deut:
[hen Sebirgsgegenden erhalten. Der wilde Berg im Schwarzwald
überzieht fih nach 1 oder 2 Baujahren mit Pfriemen (Spartium scopa-
rium), Farnkraut und Geſträuch und wird act oder mehr Jahre bewei-
det, dann wirb bei dem neuen Anbau Maſen und Geftraͤuch auf der
Stelle verbrannt. Wine Berbeflerung iſt es, auf dieſem vernach⸗
läffigten Berglande einen Niederwald anzulegen (Reutbufch), der
ebenfalls periobifh nad dem Verbrennen des Reifige ein oder zwei
Jahre zum NAder gemacht wird. Im Obdenwalde und im ehmaligen
Siegener Land find dieſe Hackwälder oder Hauberge Fichenſchaäl⸗
waldungen, von denen bei 15—16jährigem Umtriebe gute Lohrinde ge:
wonnen wird. Das Berbrennen bes Holzes ale Borbereitung zum
Aderbau ift uralt, f. $. 362 (a). Niemann, Dänifche Forfäatikit
©. 130. Amtl. Bericht über die 21. Berf. der Landw. S. 164. — Ein
Beifpiel ter allerſchwaͤchſten Bodenbenugung giebt die Verwendung des
fhlechten Heidebodens zum Rafenfhälen, um die Stüde des Raſens
(Blaggen) ale Gtreumittel zur Bermehrung des Düngers zu ges
brauchen, im nordweßlichen Deutfchland und im füdweftlihen Frankreich,
wo bdiefer Plaggenhieb Etröpage heißt, de Gasparin, V, 214. Der
Heiderafen erfegt fi in ungefähr 12 Jahren. Der falenberg. Morgen
giebt gegen 60 Fuder (2000 Eubilf. oder 1400 @tr.), die für 12 Kühe
mit Weidegang Hinteihen. Meyer, Gemeinheitstheilung, Ill, 61.
In der franzöl. eibegegend braucht man zu 10 Heft. Ader und 3 Heft.
Wiefe 12 Hekt. Odes Land zur Weide und zum PBlaggenhauen.
Belders oder Körnerwirtbfhaft mit Brache (römifches Syſtem,
de Gasparin), gewöhnlich im dritten Jahre (Dreifelderwirths
ſchaft), obfhon auch eine Brache in jedem zweiten Jahre vortam und
noch jept in Frankreich hie und da fowie häufig in Schweden befteht,
Yvart, Considsrations sur la jachöre, Par. 1822. — In Frankreich iſt
noch über !/, des ganzen Aderlandes Brache, in Belgien Yır, in Eng-
land /a (de Lavergne), auch in Deutichland nur ein Heiner Theil,
bauptjächlich in falten Lagen und auf fehr thonhaltigem Boren, oder
— 44 —
in den ſchwachbevoͤlkerten Gegenden. Die Meibehaltung ber Drache if
zwar bisweilen nur Folge der Unwiffenheit oder Trägheit, aber in
anderen Fällen Ergebniß verfländiger UWeberlegung unter gegebenen
Umftänden, 1. 3. ». v. Thünen, Der ifolirte Staat, I, 125. —
Loudon, Encyklop. d. Landw. I, 444. U, 149. — v. Lengerfe,
Golſt. Landw. IL, 3.
(@)
(e)
(F
—
Felderwirthſchaft mit angebauter Brache, das haäuftgſte
Syſtem in Deutſchland, bauptfächlich auf Klee⸗, Kartoffel⸗ u. Runkelrüben⸗
bau geſtuͤtzt. Je mehr man Grasland daneben hat, ein deſto groͤßerer Theil
bes ehemaligen Brachfeldes kann zu Handelsgewaͤchſen verwendet werden,
die viel Arbeit und Dünger erheiſchen, aber auch einen anſehnlichen
GBelderlös einbringen. Sind Wiefen und Weiden vorhanden, To ift
allerdings für die ganze benusgte Fläche der Betrag der Bewirthſchaf⸗
tungsfofen geringer als in der Roppelwirthfchaft, weßhalb v. Th ünen
©. 115 beweift, daß unter jener Borausfegung, bei 64 Proc. Weide⸗
land und 36 Proc. Ader, niedrige —2 bie Dreifelders, höhere
die Koppelwirtbichaft vortheilhafter machen.
Feldgraswirthſchaft, wie bie mecklenburgiſche und Holfteinifche
KoppelwirtHfhaft. Sie befteht nicht blos am nördlichen, fondern
auch am Südende von Deutichland, im Schwarzwalde und ben Alpen⸗
egenden (Kkgarten⸗W.), iR aud in Gngland fehr verbreitet. Die
nzahl der Weide: und Baujahre ift verſchieden. Die Weide auf fols
hen bisherigen Feldern if weit ergiebiger, als auf dauernden Triften.
Fruchtwechſelwirthſchaft, mit einer durch die Erfahrung ale
vortheilhaft nadhgewielenen Abwechslung von Halm:, Hackfruͤchten und
utterfräutern. Diele Yruchtfolge wird in Großbritanien, Belgien,
auch der deutfchen Rheingegend und dem Elfaß angetroffen. Als Muſter
itt die norfolfifche —3 Fruchtfolge: Hackfrüchte — Gerſte —
ee — Waizen, man zieht aber neuerlich eine mehrjaͤhrige Reihenfolge
vor. Die Halmfruͤchte nehmen einen kleineren Theil des Ackers ein,
geben aber dafür einen höheren Ertrag. Hat man fein dauerndes Brass
and, fo wird, nur die mehrjährigen Wutterfräuter (vorzüglich Luzerne)
ausgenommen, die ganze Wläche jährlich bearbeitet. Daher ift hier ber
größte Kapitalaufwand nöthig. Nach der Vergleihung der belgiſchen
und medienburgifchen Wirtbichaft (tiefe zu 3 Getreide, 3 Meibelahren
und 1 Brachjahte, jene zu 3 Getreide, 1 Klees, 1 Kartoffelernten) ift
auf 100000 Q.-Ruthen bei gleichem Boten und 10fachem Kornertrage
anzunehmen:
der Roberta - - = lſo 494 Thlr. | 4865 Thir.
die Koften - a 2 2 rn 8034 ⸗ | 3436 ⸗
ter Reiner 2 2 2 en 2460 : 1429 ⸗
Auf Nderland von geringer Güte wird die mecklenburgiſche Bewirth⸗
ihaftungsart vortheilhafter. Sie erfordert ungefähr nur */s von den
Arbeitsfräften der belgifchen, v. Thünen, ©. 138. — v. Weckher⸗
Lin (Weber engl. Landw. 1842, ©. 287) beredhnet ohne Abaug der
allgemeinen Wirthfchaftsfoften den Ertrag des Morgens bei der Drei:
felderwirtsihaft mit Brache auf Sfl., Koppel⸗W. 99%. fl., Drei:
felderwirthichaft ohne Brache 10-15 fl., Fruchtw⸗W. 12—17 fl. —
Nach den ausführlichen Berechnungen bei de Lichtervelde, Me&m,
Taf. 1-12, war um 1815 in dem beftangebauten Theile von Belgien
im Durchſchnitt von 13 Gütern, die eine mittlere Größe von 41,7 Ar:
pens = 72%;4 pr. M. haben,
— 49 —
auf den Arpent preuß. Morgen
Mobetrag . . . 269,7 Fr. | 12,6 f
Koflen . -. . . 169,1 = 45,57 ⸗
Reinertag . . . 100 = 27 =
Zahl der Arbeitstage
für Menfhen. . 31,5 : 18
für Geſpann .. 4,17 ⸗ 3
(g) Die Mineralſtoffe machen eine Ausnahme, weil fie im Miſt nicht in
genügender Menge enthalten find, 3. B. Kalk, Bhosphorfäure, Kalt
(A) Guano, Knochenmehl, Pferch der Schaafe, flädtifche Abtrittsgruben,
Pferdemiſt sc. In Belgien ift diefer Ankauf fehr ausgedehnt, in der Nähe
von Städten iſt er überall üblich.
6. 3828.
Das Grasland verurfacht viel geringere jährliche Bes
wirtbichaftungdfoften, al8 der Ader, und zwar bie Weide noch
weniger ald die Wiefe (a). Aus dieſem Grund überließ man
in alter Zeit einen großen Theil des ganzen Landes dem Gras⸗
wuchfe, $. 382. Wenn der Anwachs des Gapitaled und ver
Bevölkerung den Zandwirth in den Stand fegt, zwifchen ver
ſchiedenen Benutzungsarten des Bodend zu wählen, auch bie
hiezu erforderliche Einficht hinreichend ausgebildet ift, fo wird
nah und nah viel Orasland in Aderland umgewanbelt, um
bie mandhfaltigen werthvollen Erzeugnifie beflelben zu erzielen
und der Arbeit der Menichen und Thiere eine belohnende Anz
wendung zu verfchaffen, und es bleibt nur dasjenige Grasland
übrig, deflen Beibehaltung durch örtliche Umftände nothwendig
oder rathfam gemacht wird (6). Dahin gehören hauptſaͤchlich
nachſtehende Fälle:
1) Schwierigkeit des Aderbaued, a) wegen ber Gefahr.
öfterer Ueberichwemmungen in den Niederungen am untern Lauf
von Flüffen und Strömen oder am Meere, oder wegen bauerns
ber Näfle (c), b) wegen der abhängigen oder hohen und falten
Lage, ber Seichtheit der oberen Erdſchicht (Krume), des
fchlechten Bodens oder bes fleinigen Untergrundee. In Ges
birgen findet man deßhalb große Streden Weideland, die feine
andere Benupung zulaffen, wenig Ertrag geben und beſonders
dann, wenn fie, wie gewöhnlich, im Eigenthum der Gemeinden
find, nadhläfig behandelt werben, II, $. 85. Auch ſolche
Flächen, die fonft nach Lage und Boden zum Anbau geeignet fein
würden, bleiben aus jener Urſache oft öde liegen und bie Sorg⸗
— 4% —
falt der Landwirthe richtet fi) bort vorzüglid auf die Vieh⸗
zucht. Auf großen, von den Wohnungen weit entfernten Weiden
muß das Vieh die wärmften Monate hindurch fortwährend
verweilen, wobei wenige Menfchen zur Wartung und zur Be
reitung von Butter und Käfe zureihen; Alpenwirthſchaft (d).
Sind die Bergweiden minder entlegen und im Beſitze einzelner
Landwirthe, fo ift mehr Antrieb vorhanden, ihnen eine beffere
Pflege zu geben und ed wird auch die Mühe nicht gefcheut,
einen Theil von ihnen fo zu verbefiern, daß gute Wiefen aue,
ihnen entftehen (e). Im ebenem Lande verſchwinden bie fort
dauernden (permanenten) Weiden allmälig, wie ed Bebürfniß
wird, auch unergiebige Grundftüde anzubauen (f).
2) Borzügliche Tauglichkeit zum Graswuchfe, a) durch natürs
liche Beuchtigfeit des Klimas ober bed Bodens, beſonders bes
Untergrundes, b) durdy Gelegenheit zur fünftlichen Bewäfferung
aus Bächen, Ylüffen oder Canälen. Die Herftelung guter
MWäfferwiefen ift in vielen Faͤllen Eoftbar, bad darauf verwendete
Capital trägt aber insgemein reichliche Früchte (9). Wo aus
einer biefer beiden Urfachen viel Grasland vorhanden if, ba
tritt der Aderbau zurüd und die Viehzucht wird vorherrfchend,
wie in den Gebirgen (h).
3) Vortheilhafter Abfag von Milch oder Maftvieh, beſonders
in- ber Nähe von Städten. Diefer Umftänd verftärft wenigſtens
die in dem vorhin genannten (2) liegende Ermunterung, Gras⸗
land befteben zu laffen.
In trodenen, ſtark bevölferten Ebenen hat dad Grasland
ben Fleinften, in Berggegenden den größten Umfang (i).
(a) Nach der fähftihen Schäkungsanweifung von 1838 if der Reinertra
- von dem beften Aderland 51, vom mittleren 40 Proc. des rohen, be
den beften Wiefen aber SO Proc. Die PBroductionskoften auf 1 fächfl:
fhem Acker (2,1% pr. Morg.) des beften Aderlandes find 82,27 Meben
Roggen, der beften Wiefen 31,15 M. In Belgien fhägßt man die Er⸗
eugungsfoften des metr. Gentner Heu auf 2,%—2,% Fr., der mittlere
Dede if 6,85 Fr. — Im PFrangöfifchen wird unter prairie alles Grass
land und ſelbſt das Futterfeld (prairie artificielle) verflanden. Bei
ftarfem Graswuchſe ift nady den Umfländen bald das Beweiden, bald
das Mähen des Graſes vortHeilhafter, und man wechſelt hierin nicht
felten. Das grün von dem Viehe verzehrte Gras wird für nahrhafter
gehalten als das daraus bereitete Heu.
(6) Man findet in Deutfchland noch viele Wiefen, die als Adler mehr Rein
ertrag abwerfen würden und die nur aus alter Gewohnheit fortbeftehen.
(e)
(4)
— 497 —
Stehende Feuchtigkeit laͤßt aber die guten Graͤſer und andere Wieſen⸗
pflanzen nicht aufkommen und giebt nur ſogenanntes ſaures Futter.
Wo jedoch das Stroh theuer iſt, da bringen auch ſolche Wieſen, die
viel grobes Gras tragen, zur Streugewinnung Nutzen, wie an mehreren
Seen der Schweiz in Tirol (z. B. Etſchthal) ıc. |
Die Weidezeit ift nad der Höhe der Alpen (Bergweiden) verfchieden,
14—20 Wochen. Der Ertrag dieſer Alpenwirthſchaft ift gering und
die Befchaffenheit mancher Weiden verfchlechtert fd fogar. Der Canton
Glarus hat jetzt Gebirgsweiden (Nipen) für 10000 Kühe. 1672
ſchätzte man fie noch auf 13000, zwei Menfchenalter früher auf 15000
Kuhweiden (Stöße). Die lade hievon liegt in dem zerflörenden
Einfluß der Lawinen, Erdfaͤlle, Gletſcher sc. und in dem Mangel an
Sorgfalt; Steinmüller, Beſchr. der jchweiz. Alpenwirthſch. IL, 7.
Winterthur, 1802.) Vgl. Hegetfchweiler, Reifen in den Gebirgs⸗
od zw. Glarus u. Graub., Züri, 1825. — Gleihwohl hat dieſer
Canton nit Wiefen genug, um jo viel Vieh zu überwintern, als die
Alpen im Sommer ernähren. Wiefen find durchgehende in der Schweiz
in fehr hohem Preife, der Wielenbedarf zum Ueberwintern einer Kuh
(60 Etr. Heu) wurde im berner Oberlande ſchon mit 100—150 Louisd’or
bezahlt, und dieſe koſtbare Winterfütterung wırd durch den Milcyertrag
nicht vergütet, fo daß ein Theil des Erlöfes aus Milchproducten im
Sommer den im Winter erwachſenden Verluſt vergüten muß. Dürftige
fammeln mit Lebensgefahr Bras auf Feilen Abhängen (Wilpheuer).
Kaſthoſer, Bemerk. auf einer Alpenreiſe über den Suſten ıc.
©. 239. 255. Defien Bemerf. . . . über den Brunig ıc. ©. 3. —
Das ganze Milh: und Käfeproduct der Samei von den Kühen
(250000 Stüd) und Siegen wird auf 17 Mill. f. geihägt, Fran⸗
feini, Stat. d. Schw. ©. 123. Die Schweiz verkauft viel Vieh nad
Stalien und Frankreich, 3.3. der Canton Schwyz gegen 4000, Glarus
gegen 1200 Stüd Rindvieh „gabelie. Blos über den Gotthardspaß
zogen im Jahr 1822 7127 Stud Hornvieh nad Italien, was eine Eins
nahme von mehr ale 2ZMiN.fl. anzeigt, im Durdfchnitt von 1831—33
8274 Kühe. (Die Biehausfuhr nach Branfreich Fa wegen der dortigen
Zolleinrihtungen abgenommen.) Dagegen muß viel Getreide zugefauft
werden. Die traurigen Folgen der Theurung von 1817 haben das Bes
bürfniß eines fleißigeren Anbaues von vegetabilifchen Nahrungsmitteln
(ehr fühlbar gemacht; auch die Alpen find größtentheils culturfähig,
während fie in ihrem bisherigen Zuftande ſehr geringen Ertrag geben.
Eine Nipenweide für 100 Kühe iſt 1000-1200 berner Morgen groß
und trägt gegen 700 fl. Badıtzins ein. Kaſthofer, Borlef. über die
@ultur der Kühalpen, S. 12 (1818). Deſſelben Alpenreife über den
Suften, ©. 221 ff. — In Tirol if der Ertrag einer Kuh in der Weide:
eit (nach Abzug der Verzehrung der Senner und Hirten) 20—40, im
5. gegen 30 Wiener Pfund (zu 1, Zullpfd.) Butter und 40 Pfd.
Magerkäfe nebft etwas Ziegentäfe. Der reine Gelderttag wird auf
20—30 fl. angefchlagen, womit der Miethzins einer Kuh von ungefähr
15 fl. wohl übereinfimmt. Cine Kuhweide wird beiläufig mit 50 fl.
erfauft oder mit 2—4 fl. gepachtet. Manche Mipen geben nur fpärliche
Nahrung. Die unten in den Ortfchaften gebliebenen fogenannten Heim:
kuͤhe And weit milchreicher, "wenn gleidy die Milh auf den Hochalpen
die befle, die von Stallkühen im Winter erhaltene die fchlechtefte ik
(390 und 420 Dans zu 1 Gentner Käfe erforderlih). Ginige Nach
richten hierüber bei B. Weber, Das Land Tirol, 1837, L, 651. 842.
U, 74. Staffler, Tirol und Borarlberg, 1839, I, 292. Auch in
Tirol wird über den ſchlechten Zuftand der Alpen geklagt und der Anbau
eines Theils derfelben gewünfdt, Bericht der Handelskammer in Ins⸗
Rau, polit. Delon. I. 7. Ausg. 32
(N)
9)
(%)
(@)
— 48 —
brud, 1551, ©. 11. — In beiden Ländern wird die Milch aller anf
einer Alp weibenden Kühe mehrerer Gigenthümer vereinigt und von
einigen dayı beftellten Perſonen zu Butter und Käfe verarbeitet, wos
durch an Koften viel erfpart und an @üte der Erzeugnifle gewonnen
wird. Als Beifpiel dient, daß eine Sente von 208 Kühen 10 Männer
(Senner, Hirten, Holzhauer) beſchaͤftigt (Splügen); ber oberfle
nner oder Käfer (fruitier) erhält 3—4 Louied’or und Brot, bie ans
deren ungefähr halb fo viel. Um einen Maaßſtab zur B ber
Erzeugnifie zu haben, wird der Mi ertrag aller Kühe mehrmals in
Beifein aller Gigenthümer ober einer Commiſſion gemeflen. Der vor
theilhafter geionhene Abſatz des Käfes ins Ausland Kat in man
Gegenden die Folge gehabt, daß der Feldbau der Weide Play machen
mußte. (v. Bonkeite n) Briefe über ein ſchweiz. Hirtenland, 1782
(trefflihe Schilderung), und die a. Schriften v. Kaſthofer u. Gteins
müller. — Auch in den niedrigeren Theilen der Schweiz, wo feine
Alpenwirthichaft befteht, Hat man angefangen, folde auitgelellihaften
(fruitidres) zu errichten, befonders im Canton Waadt. glich wird
alle Milch zuſammengegoſſen, nachdem man den Beitrag —* Gigens
thümers gemeflen und aufgezeichnet Hat Die Erzeugniſſe (Butter, Käfe)
werden der Reihe nach in natura ausgetheilt. Lullin, Ueber Milch⸗
wirthichaftsvereine, a. d. Franz. Weimar, 1832.
3. 3. viele tiefer liegende Abhänge im Canton Appenzell, in Tirol,
Dorariberg und die mit großem Fleiße von Felfen gereinigten unb ges
ebneten Wielen im badiſchen Münftertyal bei Staufen, wo ebenfalls bie
Graswirtbfchaft vorherriht und wenig Ader vorhanden if. Mit 1/s
bis 2 bad. Morgen kann eine Kuh im Stalle das Jahr hindurch er:
nährt werben, der Mildyertrag iſt 40—60 fl. jährlid. .
Zum Unterhalte einer Kuh während des Sommers find, wenn man den
feltenen Niederungsboden ausnimmt, nad den Erfahrungen in Nord⸗
deutſchland, wenigfeng 2, oft aber 6 und mehr pr. Morgen erforders
lih. Nah Blod geben die beften Weiden auf dem pr. Morgen gegen
1000, bie fchlechteften gegen 50 Pfb. Seuwertb Rohertrag, der Rein⸗
ertrag geht von ungefähr 100 bis zu 4 Pfb. oggenmer! herab, und
finft bei entlegenen Grundſtücken nod tiefer. Solche Weiden geben
als Ader mehr Bortheil.
Am koſtbarſten iſt der Umbau in Stüden zum Beriefeln, aber das ans
ewendete Bapital verzinfet fi reichlich, 11, $. 150. ine natürliche
eigung (Hang) der Wiefenflähe erleichtert die Wäflerung fehr, wie
3. B. auf den fchönen Wielen bei Meran und im bad. Münfterthal (e).
3.3. auf den Fettweiden an der Maas im bolländifchen Limburg, in
ber Gegend von Berviers, wo auf 100 Het. Ader 268 Heft. Grasland
fommen und die Bereitung der Limburger Käfe viel einträgt, in Weſt⸗
flandern um Dirmude (wo nad van Aelbroof vielleicht die reichften
Weiden in Curopa liegen), in Holland, in der clevifchen Niederung.
In Bebirgsgegenden, wo wenig Aderland vorfommt, fann man Miſt
und Sauce den Wiefen zuwenden, die dadurd, fehr ergiebig werden.
In Belgien beträgt tas Srasland 1/, der ganzen Oberfläche oder 1/4
(26 Broc.) des Nderlandes, aber in den Ardennen 70 — 130 Bror., in
den „olbergegenben 55—60, in den trodenften Grgenden nur ungefähr
15 Proc. Viel Lehrreiches hierüber in der Abtheilung Agriculture der
Stetistique de la Belgique, ©. CLXILL ff. — Beifpiele anderer Länder ;
— 439° —
Das Grasland beträgt Proc. ber gan ‚Weide insbeſon⸗
zn Oberfläche dere in Proc.
24
Lombarbei 13
Tirol 23 14
Ungarn 22 15
Balizien 20 9
Nieder: Deflerreih 19 7,8
Mähren 17, 10
Scleflen 17 11,*
Preußiſcher Staat 16,1 7,®
Bommern 21,5 13,8
reußen 18,1 8,1
heinland 16, 9,38
Brandenburg 13,9 5,9
Sachſen 11, 6
Scieflen 6,8 1,8
Baiern 18 4,2
Mürtemberg 18,5 4,3
Sachſen 13,1 2
Baden 15,9 5,5
Frankreich 10,°
England 41
Holland 35,8
Rußland 22,3 20
Sn Holland beträgt das Grasland mehr als das Aderland, weldyes
nur 20 Proc. ausmacht. In Dalmatien ift Amal fo viel Grasland als
Ader (Weide allein 3,*mal), in Tirol 4 mal (Weide 2, eemal), in
Kärnthen und Krain 2,8mal (Meide 1,7%mal), in Mähren und Schle⸗
fien macht das Grasland nur 36 Proc. des Aderlandes (Weide allein
19 Broe.). — Im weflihen und mittleren Theile von England find
nah Gaird (Engl. agric. ©. 522) 8%; Mill. Acres Grasland und
4%, Mill. Ac. Ader (tillage), im öftlihen Theile dagegen 4%; Mil. Ac.
Gras: und 9%, Mil. Ac. Aderland, im ganzen Lande 131/5 Mill. Ac.
Grasland und 13%, Mil. Ac Ackerfeld. In Italien wurde ſchon zur
Zeit des Kaiferreiches über die Menge des Weidelandes geklagt. —
Wenn Moreau de Jonnds (Bulletin des sc. agricoles, XVI, 305)
das Weideland als ein wichtiges Element ber Wohlfahrt anfteht, fo
erflärt fich dieß daraus, daß er unter päturage überhaupt Futterland
verfieht. Nach feinen Ausmittlungen erzeugt das Futter von 1 Heltare
88 Pfund Fleifh von öden Weideplägen (vaine päture), 152 Pfund
von guten Wieſen, 400 Pfd. von Yutterfeldern, 187 Pb. im Durch⸗
ſchnifi der englifhen Wiefen und Yutterfelder. Nah Blod kann man
auf Boden erfter Iren. gegen 22 Etr. Klecheu, 261/82 tr. Luzernen⸗
eu, 126 Gtr. Kartoffeln (= 63 Gtr. Heu), 165 Etr. Runkelräben
== 55 Gtr. Heu) vom pr. M. ernten, woraus fich ebenfalls der große
g der Yutterfelder gegen die Weiden ergiebt.
$. 383.
Die Forſtwirthſchaft (a) ift fehr einfach zu betreiben
und befchäftiget wenige Menſchen, da bie einheimifchen Holz
gewächfe fi in der Regel durch Saamenausfall oder Stockaus⸗
32°
ſchlag ſelbſt fortpflanzen, dem Einfluß der Jahreswitterung wenig
unterworfen find, Feiner wiederholten Bodenbearbeitung, keiner
Düngung und Pflege bedürfen und daher die erforderlichen Ber
richtungen hauptjädhlic nur in der Holzernte (Hällen, Zerftüden
und Fortbringen) beftehen, überdies jährlich nur ein Heiner Theil
ber Waldfläche gehauen wird (d). Zufolge der verhältnigmäßig
hohen Berjendungsfoften des Holzes ift der Preis beffelben und
die Rente des Waldgrundes von Land zu Rand und ſelbſt von
einer Gegend zur andern jehr verfchieden, der Holzpreis erreicht
aber leicht eine ſolche Höhe, bei weldyer die Rente ber meiften
Waldungen über die Hälfte des Erlöſes ſteigt (c). Die Wal
dungen dienen nicht blos zur Befriedigung eined dringenden
Bedürfnifjes, defien Umfang fi, was die Beuerung betrifft, in
jedem Lande nad den Wärmeverhältniffen richtet, fondern fie
tragen bei zwedmäßiger Lage zur Bruchtbarfeit ded Landes und
zur Verbeflerung des Klimas bei und gewähren in vielen Ge⸗
genden durch ihre Nebenerzeugniffe der Landwirthſchaft eine fehr
erhebliche Hülfe (d). Der Zuftand der Forftwirthfchaft if für
die gefammte Volkswirthſchaft dann am günftigften, 1) wenn
der Holzpreid zu den Preifen der anderen Waaren und bem
Arbeitölohne in einem folchen Berhältniffe fteht, daß das Bes
dürfniß von Brennftoffen, Bau⸗ und Werfholz von allen Volks⸗
claffen ohne Schwierigkeit befriedigt werden kann, 2) wenn
zugleich der Boden fo vortheilhaft, als es feine Beſchaffenheit
geftattet, benugt wird. Hiezu wird erfordert, a) daß man bie
Holzzucht forgfältig und Eunftmäßig betreibe und auf gleicher
Fläche die größte Werthmenge von Holz erziele, damit entweder
der zum Anbau tauglide und für das inländifche Holzbebürfnig
entbehrliche Theil ded Waldbodens zur Hervorbringung anderer
nüglicher Stoffe angewendet werden könne, — vorausgefegt,
dag ed dazu nicht an Arbeitern und Capital fehlt, — oder
damit wenigftend das überflüffige Holzerzeugniß zur Ausfuhr
gelange oder zum Betriebe einträglicher Gewerfe diene; b) daß
vorzüglich diejenigen Stellen dem Holzwuchfe gewidmet werden,
welche zu feiner anderen landwirthfchaftlichen Benugung gleich
gut geeignet find. Indeß ift da, wo wohlfeile Berfendungsmittel,
z. B. Waflerftraßen, fehlen, aud eine gute Bertheilung der
Waldungen in den einzelnen Gegenden eines Landes wünfchend-
— 501 —
werth ($. 214), weßhalb 3. B. in weiten Ebenen auch guted
Bauland der Holzzucht gewidmet werben muß.
(a) Pfeil, Grund. der Forſtwirthſchaft in Bezug auf die Rationalöfon.
und die Staatsfinanzwiflenfh. 1822. 23. LI. 8 — Hundeshagen,
Lehrb. d. Forſtpolizei, 1831. Einleitung. — Schenk, Bebürfniß der
Volksw. II, 35. — v. Tavel, Ueber das Weſen der Wälder, mit
befond. Rüdfiht auf den C. Bern, 1834. — v. Berg, Stantsforft
wirthfchaftslehre. 1830. — Rofcher, Gin nationalöfon. Hauptprincip
der Forftwifl., Leipzig 1854. — Statiſtiſche Materialien enthalten:
C. W. v. Bülow, Deutichlande Wälder, Berlin, 1834. — Baur,
Forftftatift. der d. Bundesſtaaten, 1842. — Weffely, Oefterreichs
Alpenländer, 1853.
(8) Die hiezu gebrauchten Arbeiter find Taglöhner, denen der Wald aud
nur in einem Theile des Jahres Beichäftigung giebt. Nah Hundes:
Fin en werden zu 7000 Morgen Staatswald 9 Holzhauer, 1 Revier;
öräer, 3 Waldihüben u. 1 Arbeiter erfordert, alfo 14 Berionen, Forſt⸗
poliz. ©. 62, nad v. Berg ©. 44 auf 127 bis 206 pr. M. 1 Dann.
(0) gunbeshagen feßt die Koften auf 32 Proc. des Rohertrages, ebend.
©. 38. — Nah den ſaäͤchſiſchen Abichäbungsgrundfägen werden (ohne
Hau: und Fuhrlohn) vom Nohertrage abgezogen 1) für Unfälle beim
Nadelholze 16, beim LaubholzsHochwalde 12, beim Niederwalde 8 Pr.;
2) als @ulturfoften für den Ader (= 2,16 preuß. Morgen) diefer drei
Arten von Wäldern 5 Thlr. — 3 Thlr. — 18 Gar.; 3) als Auf:
ſichtskoſten 6 Bar.
(Hd) Die Baldungen im Harze (451585 kalenb. M.) ernähren faſt gänzlich
10000 Stüd Rindvieh, 200 Pferde, 5000 Schaafe, 600 Schweine.
Zimmermann, Das Harzgebirge, I, 249. — In Belgien nimmt
man an, daß 6 Heltaren (23,4 pr. M.) erwachfener Wald 1 Stüd She
vieh den Sommer hindurch ernähren. — In Serbien wird ber fehr
hlreiche Viehſtand durch die Waldweide, vorzüglih in den großen
ihenwalbungen, erhalten.
5.3.
Der Preid des Holzed wie jeder anderen Waare hat auf
das Bolfdeintommen im Ganzen nur bei dem eins ober auss
zuführenden Holgvorrathe Einfluß. Die Holzzucht zur Ausfuhr
ift aber, wenigftend wo ed an Waflerftraßen fehlt, in der Regel
nicht fehr einträglich, weil fowohl die beträchtlichen Frachtkoſten,
als das Mitwerben mehrerer holzreichen Gegenden oder Ränder
ben Preis, der an Ort und Stelle dem Waldeigner bezahlt
wird, herabbrüden (a). Bei dem im Lande erzeugten und ver-
zehrten Holzvorrathe beftimmt der jededmalige Preis zunächft
nur den Bortheil der Holzkäufer oder der Waldbefiger, weil jene
dad bezahlen müflen, was biefe aus einem hohen Preife ges
winnen; indeß zeigt ein hoher Holzpreid an, daß ein Theil des
Holzerzeugnified anfehnlihe Anbaus, Erntes und Fuhrkoſten
verurfadht ($. 211), weßhalb die Mehrausgabe der Käufer zum
— 502 —
Theil von den vermehrten Koſten verſchlungen wird. Ein Holz⸗
preis, der längere Zeit hindurch unverändert fortbeſtanden Bat,
iR audy unfehlbar mit den übrigen SBreifen ind Gleichgewicht
getreten, denn ba das Holz nicht blos zu bem menfdhlichen
Unterhalte, fondern audy zu der Erzeugung vieler Güter brin-
gend nothiwendig ift, fo gehört der Holzaufwanb unter ben
Koftenfaß, der den Arbeitern im Lohne ($. 190), und allen Er-
zeugern im Berfaufspreife ihrer Waaren ($. 166) erflattet wer
ben muß (5). Das beträchtliche Einfommen, welches bei hohem
Holzpreife den Forftbefigern zufällt, entgeht alfo hauptfächlid
den Eapitaliften, Unternehmern und ben übrigen Grundeignern.
(sa) Bol. Pfeil, Srundf. I, 137. — Die Berfendung in die Ferne macht
den Waldbeflger von dem Holzhändler abhängig, der fein Geſchaͤft im
Großen betreiben muß und an abgelegenen Orten wenig Mitwerben zu
fürdten bat. Anders verhält es —* * in der Gegend von Lichten⸗
fels im noͤrdlichen Baiern, wo der Main ſchiffbar wird, indem dort
das zur Verſorgung des Niederrheins und der Niederlande beſtimmte
Bauholz für ſehr anſehnlichen Preis abgeſetzt werden kann; vgl. Rubs
art, ©. 42. Im Hautemoor bei Bamberg, wo ausgezeichnet gutes
iefernholz zu Maftbäumen wählt, wurde im Sabre 1832 ein Kiefer
amm von 92 Buß Länge zu 410 fl. verfleigert. — Im Schwarzwalde
ft durch die Erweiterung des Floßweſens und folglich des Abfapes von
Bauholz an den Ober: und Niederrhein die Walbrente anfehnlich ges
fliegen. — Der Speflart verfendet für 200000 fl. Gommerial- (d. 5.
Baus und Rutz⸗) umd für 1 Mill. fI. Brennholz, doch würde, wie
D. &. Müller zu zeigen fuht (Des Speflarts Iotshandet, Srauff.
1837), der inländische Verbrauch volkswirthſchaftlich vortheilhafter fein.
— Stämme, die in den Gebirgen von Kärnthen zu 5 fl. erfauft wer:
ben, follen in Trieft bis auf 3—400 fl. zu fiehen kommen, von wo fie
(zu Maftbäumen) ausgeführt werden.
(6) Bel. Pfeila. a. O., ©. 534.
8. 385.
Wenn der Holzpreis ſchnell und beträchtlich fleigt, fo Hat
bieß für einige Zeit nachtheilige Folgen. Weber der Arbeits;
lohn, noch die Preiſe der anderen Landeserzeugniffe können
gleich fchnell erhöht, auch Fann die Anmenbung holzfparender
Mittel nicht bald verbreitet werben, da fie nicht allein befonbere
Kenntniffe, fondern audy einen neuen Gapitalaufwand erfordert.
Der erhöhte Holzpreis muß beßhalb der Mehrzahl ber Volks:
mitglieder eine empfindliche Entbehrung verurfachen (a), auch
werden manche Gewerböimternehmungen, bei denen viel Holz
verbraucht werden muß, in ihrer Bortbauer bebroht. Allmälig
verlieren ſich diefe Störumgen, wenn dec Holzpreis ſich gleich
— 503 —
bleibt, indem 1) der Holzverbrauch fparfamer eingerichtet wird,
2) Erfagmittel, als Steins und Braunfohlen und Torf, eifrig
aufgefucht und benugt werden, 3) der Arbeitslohn und auch die
Breife mancher Waaren in die Höhe gehen (5), auch vielleicht
4) dad Angebot von Holz durch Einfuhr, Anlegung neuer und
befiere Bewirthichaftung der älteren Waldungen vergrößert wird (c).
Doc kann diefe Abhülfe lange Zeit erfordern. Bei der Zunahme
der Bolfömenge werden Waldrodungen auf dem zum Yeldbaue
tauglihen Boden vorgenommen, durch welche bie Waldfläche
fih allmälig vermindert und im Ganzen genommen eine Ders
theurung des Holzes entfteht, jedoch mit Unterbrechung aus
ben vorftehenden Urjachen. Wegen der Berbeflerungen ber Land⸗
und Waſſerſtraßen werfen allmälig auch ziemlidy entlegene Wal-
dungen noch eine Rente ab. Das Holz pflegt ftärfer im Preiſe
zu fteigen, ald das Getreide, weil dad Angebot des erfteren
weniger zunimmt, ja fogar öfter fich vermindert, auch die Fracht⸗
foften bei einiger Entfernung einen größeren Theil des Preiſes
ausmadhen (d). Daher muß die MWaldrente auf Koften ber
übrigen Bolköclaffen beträchtlich anwachfen.
(«) Ganz befonders leiten hiebei die Landwirthe, die feine Waldungen be⸗
fitzen. Das Getreide kann nicht fogleicy theurer verfauft werden, wenn
der Getreidebauer feinen Holzbebarf mit höherem Preife bezahlen muß.
(6) Doch ift ein fo hoher Holzpreis denkbar, daß er nicht durch verhältniß:
mäßige Lohnvermehrung erfegt werden fann, weil tiefe die Arbeitserzeug⸗
niffe zu ſehr vertbeuern und den Abſatz bderfelben verhindern würde.
Dann bleibt nichts übrig, ale daß Lie arbeitende Claſſe fi mit ge:
ringem Holzverbrauche zu behelfen fuht. Hundeshagen, ©. 32.
(e) Daß das Leptere bei hohen Holgpreifen geſchieht, zeigt das Beifpiel
Großbritaniens und Belgiens. Binden fi Ländereien, welche zum
Walde befier geeignet find, ale zum Ader, zur Wiefe oder zur Weide,
fo gehört nicht einmal ein hoher Holzpreis dazu, um das Anfäen oder
Bepflanzgen mit Forftgewächlen einträglich zu machen, doch ift dieß eine
Unternehmung, zu welcher fi wegen der fpäten Grftattung ber Aus⸗
lagen große wohlhabende Gutsbeſitzer eher entichließen als mittlere und
Heine, III, $. 140. Hievon abgelehen, läßt fi fchon wegen bes in
jedem Lande anders geftalteten Verhältniffes zwiſchen verfchiedenen Bo:
denarten im Allgemeinen nicht fagen, wie hoch der Holzpreis fleigen
fönne, bi8 man auf Vergrößerung des. Angebotes Bedacht nehme. Bel:
gien giebt den Beweis, daß man bei beträchtlichen Holzpreifen felbft
eine Art von gartenmäßiger Pflege der Bäume vortheilhaft finden koͤnne.
DikSäume der Felder find in Flandern mit einem Streifen Schlag:
holz, worunter fih einzelne Hochſtaͤmme zu Bauholz befinden, einge:
faßt. Es find Baumfchulen für Forſtbaͤume vorhanden; Hopfenflangen,
aus Geplingen gezogen, geben nah 10 Jahren eine Binnahme von
wenigftens 3000, bisweilen 4— 6000 Fr. auf den Heltar, und übers
die koͤnnen in den beiden erſten Jahren noch Kartoffeln in den Zwi⸗
(@)
04 —
fhenräumen gebaut werden; Cordier, Agricult. de la Flandre fr.
©. 410. — Lichtervelde (Möm. ©. 56) fhäßte 1815 den Holzerivag
einer Ruthe (von 14 Fuß) Herde auf 1 brab. Bulden (51%, fr.) umb
nahm an, daß auf einem Gute von 1 Pfluge (44 arp. = 77% pr. M.)
bei Sjähriger Fruchtfolge jährlih 300 Ruthen gehauen werben, wovon
180 zum Berfaufe. — Doc würde diefe "Kork Artnerei“ (Bfeil,
Grundſaͤtze, I, 366. 374.) das Holzbebürfniß nicht befriedigen fönnen,
wenn nicht bie Fülle wohlfeiler Steinfohlen hinzufäme. — In Schott⸗
land find 913695 engl. Acr. (1'400000 pr. M.) Wald, wonon 45 Br.
fünftlih angelegt find; Perthihire allein hat 50970 fchott. Aer. Blau
zungen (plantations). Die Angaben des Ertrages, obſchon unter ſich
abweichend, zeigen doch die Nüsplichkeit des Unternehmens an, da 3. WB.
ber Acre 1 OOjähriger Eichen gegen 242, 150jähriger fogar 670 2. Gt.
werth fein foll, was mit dem großen Bebarfe der engliſchen Schifffahrt
zufammenhängt ; Transact. of the Highland Soe., V.
Nachrichten über die Zunahme ter Holzpreife geben Schmidlin in
Memmingers Würtemb. Jahrb. 1835, ©. 309, Moter in deſſen
Nationalöfonomen, IL. Jahrg. I, 380, Jäger, Die Lands u. Forſt⸗
Mirthich. des Odenwaldes, 1845, ©. 185. Der Preis im Walde nimmt
ftärfer zu als ber Verkaufspreis auf dem Markte, welcher jenen um ben
Hauer= und Fuhrlohn überfleigt. Beifpiel für Würtemberg::
Eine Klafter
Durchſchnitt. Buchenfcheiholz Fin Scheel | Berhättnig
im Walde. beider.
1590-1630 | —fl. 45. | 2. Sk. 36
1640—16850 | —s 31: | 26 6: 29
1690— 1730 — ,ı 57: 3: 8s 30, 100
17401780 2: 14: | 3= 8: af:
17901830 5: 40: | ds 21: 130
Sm J. 1830 8: 42 3: 58 > 248
Der Waldpreis der Klafter Nadelholz war im I. 1700 no 15 kr.,
1760 fhon 1 fl. 10 kr., 1800 2 fl. 34 fr. und 1830 5 fl. 6 Fr. ober
das 20fache. Der Drarktpreis der Klafter war
Stuttgart. Erbach (Odenw.)
Buchenholz. Kiefern. Buchen.
1710. . .. s efl. zo tr. — ii. —k. 1730 —f. 15 kr.
1720. ...... —⸗ —⸗ 3: 20 s 1740 1: 6 3
150.2... 8: — : 6: 15» (1750 2s — s
1790...» 10 s 30 : 8: — s: 1170 3: 56 >
1800-30 . .| 16: —: 12: — =: 11810 7: 1%
| 1840 14 s 48 =
. 386.
6. 386 »
Der Holzpreis und die Rente des Waldbodens find 1) da
am niedrigften, wo bad Holzerzeugniß ben gegenwärtigen
Bedarf überfteige und auswärtiger Abfag fehlt, folglich ein Theil
— 505 —-
bed Holzed weder concreten Gebrauchswerth für das Land noch
Verkehrswerth hat. Diefe Umftände finden ſich a) wo viel fos
genannter unbedingter Waldboden (a) angetroffen wird,
d. h. folcher, der zu einer anderen lanbwirthichaftlichen Bes
nußung weniger oder gar nicht tauglidy iſt und auf dem ſich
deshalb die Eigenthümer jeden, auch den niedrigften Holzpreis
gefallen laſſen müffen (8), b) wo es, wenn aud ein Theil des
Waldbodens baufähig ift, für eine andere Benugung noch zur
Zeit an Arbeitern, Capital und Abfabgelegenheit gebriht. Die
ift am häufigften, doch nicht ausfchließlih in neu angebauten
Ländern der Fall (c), weßhalb die Robungen nur allmälig fort:
fchreiten (d). 2) Beide find Höher in folchen Gegenden, bie
nicht mehr Holz erzeugen, als die Bewohner auch bei fparfamem
Gebrauche nöthig haben. Indeß macht die Rage der Waldungen
fhon in mäßiger Entfernung einen großen Unterfchied in ihrer
Rente, 8. 883. 3) Sie find am hoöchſten in fruchtbaren,
ftarf bevölferten und gut angebauten Ebenen, welde einen
Theil ihres Holzbedarfed aus der Berne beziehen müflen. Hier
fönnen deßhalb die übrig gebliebenen Waldungen eine anfehns
liche Rente tragen (e).
(a) Rah Hundeshagen’s und Pfeil’s Bezeichnung. .
(6) Steile oder felfige Bergabhaͤnge, hohe kalte Bergrüden, beide in Ge⸗
birgegegenden häufig; — Sandflädhen, Heideland, Torfboben sc.
(6) Die weftlihen Staaten in Rorbamerifa, auch Brafilien, find Beifpiele
ber erfteren Art; aber in jedem größeren europäifegen Staate finden fi
Gegenden, die von den größeren Stäbten fo wie von fchiffbaren Ge⸗
wänern weit entfernt find und in denen noch nicht die ganze culturs
fähige Yläcye von dem Feld» und Sartenbaue in Anforun genommen
wird, 3. B. im nördlichen Theile von Rußland. Wenn in einer Ges
gend die Brundrente des Waldbodens fehr gering if, fo verdient es
unterſucht zu werben, wie weit diefe Erſcheinung ber jeßt betrachteten
oder der vorhin (b) erwähnten Urſache zuzufchreiben fei. — Im Reg.⸗
Bezirk Danzig ift 1851 der Neinertrag des Morgens Staatswald auf
10 Pfennige, im Reg.⸗Bez. Marienwerder auf 1,9 Sgr., in Bromberg
3,4, Königsberg 4,1, Köslin 4,” Sgr. berechnet worden. Der Preis
der Klafter if gegen 1'/a Thlr. Tabellen, IV, 15. — In Baiern war
früger der mittlere Preis des Morgens Wald (Rudhart, Taf. XXXIV)
26%, fl. in 5 Rentämtern des Yichtelgebirges, 23%, fl. in 8 Aemtern
an den Alpen, 61%, fl. in 12 Aemtern in ebenem Lande oder bei guter
Abfapgelegenheit. Die Klafter Brennholz galt in einigen Gegenden des
Iſar- und Unterdonaufreifes nur zwifhen 30 und 40 kr., in manden
Drten des Rheinfreifes aber 20—25 fl. Rudhart, ©. 112. Im 9.
1844 ſchlug man den Reinertrag tes Morgens Wald im Durchſchnitt zu
3f.9%Y kr. an, und die Graͤnzen waren 20 kr. (F.⸗Amt Partenfirchen
in Oberbayern), 6 fl. 40 fr. (F.⸗Amt Steinwiefen, an der gäringif en
Graͤnze). Die Forftverwaltung Baierne, Münden 1844, &. 117. —
Te
. "ZEN CEERET. ee © —
Ser EE 5 En
— nr.
|
J.
(4)
(ed)
Sm baierifhen und Böhmers Walde find noch wahre, nie gehaue
Urwaldungen,, in denen die Stämme verfaulen , ebenfo in ben hoͤchſt
Theilen der Alyen. In dem Walde von Bialowirza in Litthauen,
der Gegend von Bialyſtock (30 Q.⸗Meilen groß, wovon 22% Staat
eigenthum) find (wegen der übereinander gehür ten Bäume) 15000 9
unzugänglicher Urwald, ein Bild aus dem Alteften Zeiten Deutichlant
De Brineken, Möm. döscriptif de ia for&t imper. de Bialowie:
Varsov. 1828. — In Serbien gehört ber Wald den Gemeinde
Jedermann kann Holz holen, daher wird der Holzpreis nur duch 1
— Hauens und Foriſchaffens beſtimmt und eine Rente ſind
nicht Statt.
Es wird hier vorausgeſetzt, daß die Regierung noch nicht in die Bi
haͤltniſſe der Holzzucht durch Geſetze eingegriffen babe; wo dieß der Fi
it, da kommt in dem unbedingten Verbote des Rodens noch eine brii
Urſache Hinzu, die den Holzpreis fehr niedrig halten kann.
Die Provinz Rheinheffen bat nur 5 Procent ihrer Oberflähe Wal
Der Steden (100 hefſ. oder 57 bad. Cubik⸗Fuß) Buchenſcheitholz g
dort im D. 8 fl. 10 fr., Bichenholz 6'/5 H., Nadelholz 5 fl. und t
Bedarf wird aus anderen Rändern, das Bauholz vom Schwarzwal
und Fichtelgebirge herbeigeführt; es werden hie und da Repsſtroh u
Stoppeln zum Brennen gebraudht, wie in dem ſüdlichen Theile v
Ungarn Rot, Stroh, Unfräuter und Miftfuchen, die ein Handelsarti!
find, und leptere auch in der Gegend von Odeſſa. Helfe, Müei
befien, ©. 22. — v. Gfaplovics, Gemälde von ungam, I, 60.
Auch in Mannheim und Heidelberg gilt (1863) die Klafter Buchenhe
geaen 26 fl. — Viele Beifpiele von Waldungen in Gtoßbritanie
welche ungeachtet des fahlechten Bodens einen hohen Ertrag gewähre
bei Sinclair, Grundgeſ, S. 586 ff. — Beifpiele von Holzpreiſ
in verfhiedenen Gegenden eines Landes. Baden, nah dem Str
tarif von 1844, die Klafter (144 Eub.:%.) Nadelholz min. 31/g fl.
einzelnen entfegenen Degiefen des Schwarzwaldes, 51/—7 fl. am Bode
fee, 8-12 fl. um Karlarube, 10—12 fl. um Heidelbera, Nedlargegen
max. 15 fl. in einem Theile des Amtes Brucfal. Der Eubikfuß Biche
bauholz flieht von 7—24 fr., Nadelbauholz 4—18 fr. — In Würter
berg galt 1845 die Klafter Buchenholz (max.) Forſtamt Leonbe
18 E 10 fr. — min. Freudenſtadt 6 fl. 30 ke. ; Cubikfuß Gichenhe
max. 19 fr. Tübingen, min. 12 fr. Freudenſtadt (Gmwinner). -
Steiermart, Klafter Nadelholz max. 5—6 fl. in Graß, min. 1!/e I
2 fl. bei Branphof. Hlubel, Landw. v. &t. ©. 92. — In Tir
wird die Klafter Holz auf den Stamm zu 5 fr. — 8 fl. geſchaͤtzt,
Salzburg von 10 kr. — 2 fl., Oberfärnthen von 40 fr. — Aafl. 10 8
ehauenes Holz in Rordtirel zu 1 fl. 30 ie. — 6 fl. 40 fr., Dur
Ppnitt 3 f. 30 fr. (Weſſely). Beiſpiel der Zunahme des Ho
preffes längs einer Waſſerſtraße: 1837 galt die Klafter Buchenfcheite
Baireuth 11%s fl., — Bamberg 14'/e 1 — Würzburg 181/5 fl., -
Aſchaffenburg 24 fl.
8. 387.
If der Holzpreis fo niedrig, daß ber Waldboden im We
gleiche mit anderen Bobenbenugungen nur eine geringe Ren
giebt, fo hat dieß nachtheilige Wirfungen (a). 1) Es fehlt «
einem Antriebe, Holz zu fparen und man ergiebt fi aus 2
quemlichkeit einem verſchwenderiſchen Holzverbrauche (d). Ei
— 507 —
mäßige Erhöhung des Holgpreifes würbe dieſem vollswirthſchaft⸗
lichen Uebelftande abhelfen, ohne den Zehrern ſonderlich laͤſtig zu
fein, weil man durch haushaͤlteriſche Einrichtungen beim Brennen
und Bauen mit einem geringeren Holzvorrathe ebenfo leicht
ausfommen fann (ce). 2) Man vernadhläffigt die Erfagmittel
des Brennholzes, z. B. den Torf. 3) Die Waldeigner haben
feinen Antrieb, bie Bewirthſchaftung ihrer Borften zu verbefiern,
3 B. Blößen zu bepflanzen, beflere Holzarten einzuführen, Be⸗
ſchaͤdigungen und Mißbraͤliche zu verhüten und bergl., weil die
hierauf gerichteten Ausgaben und Bemühungen ſich nicht bes
lohnen (d). Die vorfiehenden Racıtheilehaben bie weitere Folge,
daß bei niedrigem Holzpreife ein größerer Theil der ganzen
Oberfläche eines Landes dem Holzwuchſe geroibmet bfeibt, als
es bei einer anderen Handlungsweiſe nöthig wäre.
(9) Bfeila. a. D. I, 522.
(5) Darum läßt fih aus der wirflihen Berzehrung nicht auf den wahren
Bebarf fhliegen, und es if ſchwer. dieſen genau auszumitteln. Im
Deſterreich rechnet man auf die Familie jäprlih 6 Mafter Brennholz
nes, Sahlenfat. I, Beil. XXI), Era da auf dem Jod in
efterr. unter der Onns 0,M — ‚ur nit erzielt werben
(nah Haas, Der BWaldfand im Erzh. Di iien, 1846)
7,4 Joh = 16 pr. M. für die Familie anzeigt. Andere Halten das
en einen Morgen auf den Kopf für — Im Nordamerica
dert man nach Madifon für jede Feuerſtelie wenigſtens 10 Ares
(15% pr. M.) Waldboden, Sinclair, Code, ©. 40 der 3. A. In
Oberfleiermart werden im tin Ganzen zum Brennen, Bauen ıc. 13 after,
in Unterfleiermart 7 1. auf die Bamilie angenommen, welche (zu 14
Nlafter Zuwache vom Jod) 10,* und 5,9 Joch erfordern, Hlnbet,
©. 91. 92. In ranfreih fommt auf die Familie ein ‚Heltar Bald:
Räche, wobei die fimatifche Wärme des füblihen Yandestheiles und die
Hülfe der Steinfohlen zu berüdfihtigen find. In Batern kommen
(1844) auf die Familie 7,5, auf den Kon 1,9 Baier. Morgen Wald,
und wenn eiwa 1 bad. M. — 1,4 pr. == 1,06 baler. ale der
Bebarf eines Kopfes angefehen wird, » bleiben an 36 Proc. der Balds
fläche übrig, deren Holzertrag in Gewerlen vgbraudt oder ausgeführt,
oder deren Boden rung werden Fönnte. juter Korkwirthicaft
und fleißiger Hol; wird im Klima * itſchiand das ges
fammte 5 "er die Familie ausgefdlagen, sin mehr als
on
5 preuß. Bald fordern, alfo 1 pr. = 0,7 bad. Morgen auf
den dem au, F% — bei — Benuf ubung ber Crfagmittel wird an mit
läde ausreichen. Hunbeshagen rechnet auf ben
au An — — en 2,5 pr.
Ader, Grasland ıc. ——— n der Waltbedarf gegen Ha der Ehe
zum Unterhalt erforberlichen Flache. — Wenn man das Nuß-, Meifig-
er Knuvpelholz in Scheitholz ausdrüdt, darf man mit allen
Zwiſchennuhungen den jäl mittleren Ho eirtes dollfomm:
‚beftandenen_pr. mir J
Umteiebe, Sb
Bänder iR er —* viel
508 —
S. 221. — Dieſer jährlihe Holzzuwachs, der natuͤrlich von Klime,
Boden, Holzart, Guͤte des Beſtandes und dergl. bedingt wird, iſt in
den baier. Staatswaldungen auf 0,3— 0,8, Durchſchn. 0,5 Saft.
zu 126 Gubiff. vom Tagwerk angefchlagen (0,1% Klaft. vom bad. ==
0,5 Klaft. vom pr. M.), Die Forftverwalt. Baierns, 1844, Taf. A.
In Preußen wird er polihen 5,6 Qubiff. (Reg.sB. Danzig) und 30,0
Erfurt), durchſchnittlich zu 15 Eubiffuß angenommen. Di
tatift. Taf. IV, 16), in Frankreich zu 4,19 Steres vom Hektar (34,8
pr. Gubiff. vom Morgen). In Baden trägt der Morgen im D. 79 Gubiff.
Kiefern- oder 54 Eubiff. Buchenholz. Die Waldungen nehmen verhältnis
mäßig in fhwachbevölferten Falten und in Gebirgsländern den größten,
in frudtbaren warmen Flachlaͤndern den Eleinften Theil der Oberflaͤche
ein. Bahlreihe Angaben bei v. Reden, Deutichland und bas übrige
Europa ©. 56 ff. Beifpiele: der Wald beträgt
Proc.
Broc.
0,8 hannoͤv. Prov. Oftfriesland,
1,5—1,56 vier ruſſiſche Statthalter:
fhaften am ſchwarzen und
28 Ungam,
29,3 Böhmen,
29,8 Baiern,
afowifchen Meere,
2,° Sütland,
4,% Bortugal,
5,5 Spanien, Dänemarf,
6—12 ruſſiſche Steppe,
7,1 Niederlande,
7,» belgifches Limburg (min.),
7—8 banndv. Hügelland,
10—10,3 Oſt⸗ und Weltflandern,
11,4 Medlienburg,
12,5 Hannover,
13,17 preuß. Sachſen (min.),
30,5 Sachſen,
30,9 Rußland,
31 Württemberg,
32,* beig. Luxemburg,
32,5 Baden, "
34,2 Namur (max, von Belg.),
35,8 Tirol,
36,° europ. Rußland,
40 Kurheſſen,
41,4 Steiermarf,
47,7 Siebenbürgen,
62—91 ruf. Statth. Nomwgorod,
15,4 Prov. Preußen, Perm, Koſtroma, Dlonez,
16,8 Frankreich, Wiatka, Wologda,
18,% preuß. Staat, 60 Schweden,
18,3 Belgien, 66 Norwegen,
25 Holſtein und Lauenburg, 75 Serbien,
26 Mähren, Galizien, 79 Hannöv. Harz (Berghauptm.
26,17preuß. Rheinland (max.) | lausthal).
26,5 Deutichland,
(Die Zahlen über Rußland nad) Tengoborski, über Belgien nad
der amtl. Statiftif, über Hannover nad der Feſtgabe für 1852, I, 68.
U, 5. Die Katafterzahlen,, die v. Reden benußt, geben 13,8 Broc.)
Theilt man Frankreih in 4 Regionen, fo ergeben fi folgende Ber:
hältniffe nach den älteren Angaben bei Faiseau-Lavanne, Rech.
statist. sur les foröts de la Fr. Par. 1820. 4.
Der Watt Heltaren auf 1 Kopf
|
| beträgt | Wald. | Ober he
1) Nordweſt, 22 Dep. 81/a Proc. | 0,1 1,%
2) Sf, AM =. 9 : ,0,% 1,*
3) Südwe, 21 =. 10% 0,” 2,0
A) Norol, 1 =. 23 | 008 1,0
Banz Frankreich 13 o, Be 7.)
— 509 —
Das max. ber Bewalbung ift 38 Proc., Wogefen und Oberrhein, —
fotann folgt 35 Proc. Dbermarne, Niederrhein, — 30 Proc. Maas,
Dberfaone, — 29 Bror. Meurtfe, — 28 Jura, Este d’or, — 26 Ar:
dennen, Nidvre, — 24 Doubs, Mofel. Diefe 13 aneinander gränzens
den Dep. enthalten 32 Proc. aller Wälder in Frankreich. — Die holz
ärmften Gegenden find: min. 2 Proc. Gorrdze, Morbihan, Finisterre, —
3 Proc. Manche, Bendee, — 4 Proc. Eharente, Obervienne, Nord⸗
füfte, Rhone.
Wenn der Kopf der Ginwohner 1 preuß. Morgen Wald nöthig hat,
fo iſt die zur DVerforgung der Ginwohner erforderliche —8 bei
1000 Menſchen auf der Q.:Meile 482/, Proc. des Landes, bei 2000 M.
9,9 Proe., bei 3000 M. an 14 Broc., bei 40.0 M. 18,% Proc. , bei
5000 M. 23,? Proc., bei 6000 M. an 28 Proc. Indeß darf man
aus der Bergleihung dieſer Zahlen mit den vorhergehenden nicht fo:
gleih auf Mangel oder Ueberfluß des Holzes Ichließen, weil nicht blos
der a u, fondern aud der Bufand "der Waldungen hoͤchſt
ungleich iſt.
(c) Nur daß ſolche Cinrichtungen blos allmälig Eingang finden, zumal
bei den weniger Begüterten, vgl. $. 384.
(d) Der Holzertrag eines Morgens ift überaus verfchieden, ſowohl aus
natürlichen Urſachen, als wegen der hoͤchſt ungleichen oehanblung der
Wälder. Die Bernadhläffigung derfelben erſtredt ihre Folgen auf lange
Zeit hinaus. Die hannöverfchen Domänenwaldungen tragen auf dem
darie 66, in ben übrigen Landestheilen 30 Cubikfuß auf den falenb.
orgen.
$. 388.
Der niedrige Stand des Holzpreifed und ber Walbrente
wird jedoch felbft zur Urfache einer Aenderung, denn er giebt
ben Waldbefligern eine Ermunterung, foldye Waldungen, deren
Boden und Lage zu anderen Arten des Anbaues günftig ift,
urbar zu maden, weßhalb zunächft die auf gutem Boden in
den Ebenen, in der Rähe der Städte und Dörfer liegenden
MWaldungen allmälig verfehmwinden, fodann auch andere, von
benen die Holzabfuhr nicht fchwierig iſt (a). Bon diefen Ro⸗
dungen wird man fi nur dann abhalten lafien, wenn man
noch nicht Mittel genug bat, um dad Rodeland als Ader,
Wiefe ꝛc. gehörig zu benuben, oder wenn man zu beforgen hat,
daß die zum Berfaufe audgebotenen Holzmaflen den Holzpreis
ſtark herabdruͤcken. Sowohl wegen diefer Rüdfichten ald darum,
weil in jedem größeren Lande ein Theil der Waldungen auf
unbedingtem Waldboden fteht, werden in ſchwachbevoͤlkerten
Ländern durch den freien Entſchluß der Eigner (5) viele Korften
erhalten.
— 510 —
(a) &6 hängt jedoch viel davon ab, ob die meißen Walbungen im Beflge
Fa taates und der Corporationen, ober fpermlirender tpesfonen
nd.
(3) Nämlich aud da, wo nicht forfipolizeiliche Berorbnungen dafür forgen
und nicht große Staatswaldungen vorhanden find.
$. 389.
Die Holzgewächfe werben erft in einem ziemlich vorgerüdten
Alter geerntet (a). Diefe lange Dauer der Holzerzeugung if
die Urfache mehrerer Eigenthümlichfeiten, welche die Forſtwirth⸗
fchaft von den anderen Zweigen ver Landwirthſchaft fehr unter
ſcheiden.
1) Eine mit ganz jungen Holzpflanzen bewachſene Flaͤche
giebt bei den meiſten Arten des Forſtbetriebes erſt nach einem
ober mehreren Menſchenaltern eine beträchtliche Einnahme (b).
Um jährlich Holz bauen zu können, muß man folglidy eine fo
große Waldflaͤche befigen, daß darauf Bäume von jedem Alter
bis zu dem Jahre der Haubarfeit in einer für die zwedimäßige
Bewirthſchaftung nicht zu geringen Anzahl vorräthig fein können.
Kleine Waldungen, in denen man nicht alle Jahre einen Hieb
vornehmen fann, find deßhalb für die Eigenthümer unbequem
und felbft bei gleicher Größe des mittleren Reinertrages ein
weniger wünfchenöwerthed Befigthum, ald Gärten, Aeder und
Wiefen. Hiezu kommt, daß in einem langen Zeitraum, 3. ©.
von 70—120 Jahren, mancherlei Unfälle den Wald beſchaͤ⸗
digen können (c). Aus diefen Urfachen eignet fi) der Beflg
von Waldungen, wenigftend von Hochwald, zwar gut für ben
Staat, für Stiftungen, orporationen und reiche Privats
perfonen, nicht aber für ſolche Einzelne, die nur mittelmäßig
oder wenig begütert find.
(a) Dieß iR 1) nothwendig für Bau: und größeres Werkholz, weil dieſes
nur von alten Stämmen erhalten wird ; 2) vortheilbaft, weil theile
der Saame, durch defien Nusfall die Fortpflanzung fehr leicht erfolgt,
erſt in einem gewiffen Alter bes Holzes reift, theild aber ber jährliche
Nachwuchs bei ganz jungen Stämmen viel ſchwaͤcher ifl, als bei etwas
älteren, welche wegen der größeren Menge von Blättern weit mehr
Naͤhrſtoffe aus ter Luft aufnehmen. In höherem Alter nimmt der Bus
wachs wieder ab. Um daher von einer gegebenen Fläche die größte
Holzmaffe zu erlangen, muß man die Baume zu einem anfehnlichen
Alter fommen laflen.
— 511 —
Nah Cotta (Anweil. 3. Waldbau, ©. 228) ift der jährliche Zu⸗
wachs eines gut beflandenen pr. Morgens Wald auf Boden mittlerer
Güte (5. Glaffe) in jedem Jahrzehend:
bei einem Alter von Buchen. Kiefern.
0—10 Jahren | 10,9 Gub.-$. 23 Eub.»$.
10—20 ⸗ 18 ⸗ 47 ⸗
20—30 ⸗ 27 ⸗ 49 ⸗
30—40 ⸗ 28 ⸗ bl ⸗
40 -50 ⸗ 29 ⸗ 52 ⸗
50 60 ⸗ 31 ⸗ 54 s (mer)
60-70 ⸗ 33 ⸗ 52 ⸗
70—80 ⸗ 35 ⸗ 51 ⸗
80—%0 ⸗ 37,6 = (mazx.) 47 ⸗
90 — 100 ⸗ 37,5 ⸗ 46 ⸗
100—110 ⸗ 37 eo 37 2
110—120 ⸗ 36 ⸗ 33 ⸗
Nah den ſaͤchſiſchen Erfahrungen tritt das Maximum des Zuwachſes
bei Bichen mit 120, Fichten und Tannen mit 70, Erlen 50—60, Birken
40—50, Laͤrchen mit 40 Jahren ein. — Achnlihe Erfahrungsſaͤtze, in
denen wegen vieler örtlicher Umſtaͤnde keine volle Uebereinftimmung fein
fann, geben z. B.: Erfahrungstafeln ... nah Pfeil von Schneider,
1843 — Pernitzſch, Unterf. über Zuwachs... der Wälder, 1842 —
Th. Hartig, vergleichende Unterf. über den Ertrag der Rothbuche, 1847.
(5) Es giebt jedoch Ausnahmen. Dahin gehören bie Anpflangungen von
Meiden zu mancherlei Wlechtarbeit, welche jährlich gaeichnitten werden,
wie in den Elbmarfchen bei Hambur (ala nad) Rordamerica) und
Y Einblingen, bei Hoͤchſt am Main, Bad. landwirthſch. Correſpondenz⸗
att, 1853, Mr. 9.
(e) Waldbrand, Maupenfraß, Verheerung des Borkenkaͤfers, Windfall,
Schneedruck, uͤberhandnehmender Diesfahl u. dgl. — Dagegen hat bie
Langfamleit des Wahsthums auch das Gute, daß der Holzertrag nicht
unter dem Einfluß der Witterung von Jahr zu Jahr verfchieben ift,
wie bei Feldfruͤchten, Obſt und dergl.
$. 390.
2) Die Holzzucht erfordert aus ber im vorigen $. anges
gebenen Urfache einen großen Borrath von ſtehendem Holze, an
welchem ber Rachwuchs erfolgt. Diefer Holzbeftand ift zwar
dem Begriffe nach fo wenig ein Capital, als das Gras einer
Wiefe, weil er noch von Ratur mit dem Boden verbunden ift
($. 53), aber er bat doch darin mit dem Gapitale Achnlichkeit,
baß er, wie dieſes, von dem unmittelbaren Berbrauche für pers
fönlihen Bortheil verfhont und als Mittel zur Production
neuer Güter benugt wird, und da es fo leicht ift, ihm jederzeit
vom Boden zu trennen und folglich in einen beweglichen Güter
vorrath umzuwandeln, fo darf man fi) der Kürze wien füglich
-- 512 °—
erlauben, ihn ale ein Holzcapital anzufehen. Die Erzeu⸗
gung dieſes Holzvorrathed geſchieht fat ohne Koften, haupt⸗
fählih von den Naturfräften (a), erfordert jedoch vieljährige
Bewachung und Pflege. Der Eigenthümer fann zu jeder Zeit
einen Theil diefer Holzmafle herausnehmen, in Geld umfegen
und bdiefed auf eine andere Weife werbend anlegen. “Diefe
Unternehmung wird einträglid), fobald der fernere Holzzuwachs
im Berhältniß zu dem Holzcapitale Fleiner if, ald der Zinsfuß
audgeliehener Summen. Sieht man blos auf die Maffe des
Holzes, fo ift ed unbezweifelt, daß der Jahreszuwachs, obgleich
er an ſich betrachtet biß zu einem gewiflen Alter der Bäume
zunimmt ($. 389 (a)), doch in Procenten des Holzcapitals
ausgedrüdt immer fchwächer wird (d), es tritt aljo bier einer
ber Bälle ein, in denen zwar der Bodenertrag durch Anwendung
eines größeren Capitales noch gefleigert wird, daflelbe ſich aber
minder ergiebig nachweift, ald das früher angelegte Fleinere,
$. 215 a). Hieraus entftcht aljo für den Waldbefiger eine
Aufforderung, entweder dad ganze Holzcapital zurüdzuziehen
und den Boden anderweitig zu benugen, oder wenigftend das
ältere Holz hinwegzunehmen und nur Bäume bid zu einem
folhen Alter Rehen zu laflen, in welchem der Holgbeftand
durch den Zuwachs gehörig verzinft wird; es findet dann eine
Abkürzung der Umtriebözeit Statt, wie 3. B. bei der Umwand⸗
lung des Hochwaldes in den Schlag oder Niederwald auf !/a
oder noch weniger (c).
(a) Ausgenommen, wo man den Wald anfäete oder pflanzte (Tünftliche
Holzzudt). |
(6) Nach den Erfahrungstafeln von Pfeil läßt fi für den preuß. Morgen
eines gut beftandenen Waldes auf gutem Boden Folgendes annehmen:
Buden.
Alter Holzmafie in Eubiffußen Zuwachs in Brocenten
. | —iiiiiip. NN iin
im einzelnen [im D.desganzen| des einzelnen | bes ganzen
ahre. Zeitraums. ahres. Zeitraums.
10 182 0: | 1 21,7
20 428 183,3 7,8 11,5
40 1200 497,7 3,
80 3153 13320 —* 2,0
— 513 —
— — — — — — — —— ——
Kiefern.
Alter Holzmaffe in Eubiffußen Zuwachs in Brocenten
Te N. —
un N\ —
im einzelnen im Dedes ganzen, des einzelnen | des gangen
Jahre. Zeitraums. Jahres. Zeitraums.
10 I. 247 128,4 13,3 19,3
20 575 275 6,7 10,4
40 1359 624,9 3,3 5,4
60 2210 1018,6 1,8 3,®
80, 2955 1417 1,3 2,8
100 3515 1792 0,8 1,9
120 4067. 2133,6 0,5 | 1,8
Hundes hagen berechnet die jährlihe Nutzung Höher, fo daß fie
bei 60jährigem —E 5 an bei 90 ohren ‚ bei 120 Sabem
2/s—3 Proc.’ betragen winde, Encyklop. II, 754. Forſtpolizei, ©. 47.
In jedem alle iſt jedod die niedrige Verzinſung älterer‘ Beſtaͤnde
außer Zweifel. ” I
(e) Bergleihung der Hoch⸗ und Niederwaldwirthſchaft auf 1 preuß. Morgen
Buchenwald in einem 120jährigen Zeitraume: 1) Hochwald mit 120jähs
rigem Umtriebe. Ganze Holzmafje in 120 Jahren: 7030 Gubiff
Klafterholg, worunter 52 Klafter Scheit: und 245 RI. —8* 3
nebſt 53 Karren Wellen. Holzerlös 299 f., Zins im Laufe des Zeits
raums 162 f., Summe beider 461 fl. Die Zinfen find nicht beträchtlich,
weil erft die briffe uch forkung im 90. Jahre kine etwas erhebliche
Einnahme giebt, die färfien Binnahmen aber vom 110. Jahre ‘an
tatt Hana 2) Nieberwald mit 30jährigem Umtriebe, wobei aljo in
20 Jahren viermal gehauen wird. Die ganze Holzmafle iſt nur 3450
Cubikfuß Klafterholz, worunter 6 Klafter Scheitholz nebft 56° Karren
Mellen, der Erlös alfo nur 156 fl. Aber die Zinfen, da fie vom erften
Hiebe im’ Sojährigen Alter 90 Jahre lang, vom zweiten durch 60, vorh
dritten wenigftend durch 30 Jahre bezogen werden, befragen zu 4 Proe.
berechnet nah 120 Jahren 261 fl., wodurch der Ertrag des Nieder⸗
waldes auf 417 fl. ſteigt. Würde man mit Hartig (Lehrbuch für
Körfter, II, 224, 6. Aufl. 1820) auch die Zinfeszinfen eintechnen, fo
gäbe der Hochwald 541 fl., der Nieberwald aber 829 fl. Ertrag.
Ein Riefernwald bei 60jährigem Umtriebe giebt mit @inrechnung von
5 Proc. einfachen Zinfen nah 120 Jahren 39 Thlr. vom Morgen mehr,
als bei 120jährigem Umtriebe. Wird in einem bisherigen Hochwalde
der Nicderwaldbetrieb eingeführt, Ai ift ein Theil des Holzvorrathes
entbehrlich. Aus der obigen Tabelle ergiebt fih, daß auf dem preuß.
Morgen Buchenwald bei A0jährigem Umtriebe im Durchſchnitt 497, bei
120jährigem 2306 Cubikfuß Holz fliehen müffen. Der Unterfchieb bes
trägt 1809 Gubiffuß. Wenn man nun alles ältere Holz über 40 Jahre
verfauft, fo giebt dieß eine einmalige Sinnahme, deren Zinfen reichlich
den geringeren Holzertrag des Niederwaldes vergüten fönnen. Der
mittlere Zuwachs in den erfien 40 Jahren ifl 30, in 120 Jahren gegen
44 Cubikfuß, die jährlichen Zinfen je verkäuflichen Ueberſchuſſes find
aber ſchon 72 Cubi tus gleih zu ſetzen. Bei neuen enalbanfagen ift,
abgeichen von aller Berzinfung, das frühere Bintreffen der Nugung
eine bedeutende Empfehlung des Niederwaldes, den daher auch Kaft-
Auer (Der Lchrer im Walde, IL, 59) für den Bauersmann und bie
art bevölferten Gemeinden vorzieht. — Bol. Dekon. Neuigf. 1823,
I, 316. — Hartig, Abhandl. ©. 217. — v. Berg, Staatsforft:
wirthichaftslehre, ©. 86.
Rau, polit. Delon. 1. 7. Ausg. 33
— 514 —
6. 390 a.
Die verhältnigmäßig geringere Einträglichkeit der Waldungen
mit langer Umtriebgzeit fann durdy das allgemeine Steigen des
Holzpreifes nicht abgeändert werden, weil dann zugleich der
Erlös zunimmt, den man bei dem Berfaufe des Älteren Holz⸗
vorrathes erhalten fann. Nur dann wird der Hochwald oder
überhaupt die Erziehung von älterem Holze vortheilhaft, wenn
diejenigen Holzforten, welche ein längeres Alter zu ihrer Aus⸗
bildung brauchen, auch verhältnigmäßig theurer bezahlt werben,
fo daß hiedurch die ſchwaͤchere Verzinfung nad) ber bloßen Holz-
maffe wieder vergütet wird, wie denn auch Scheithol; höheren
Werth und Preis hat als junge Stämme und Zweige, ferner
Bauholz und viele Arten des Nutzholzes noch höheren (a).
Das Mitwerben muß daher den Preis der älteren Hölzer foweit
erhöhen, daß ihre Erzeugung feinen Schaben bringt, wobei
jedoch zu bemerfen ift, daß Nadelholz, welches gerade wegen
feiner Oenügfamfeit in Anfehung des Bodens fehr verbreitet ift,
nicht ald Niederwald gezogen werben kann (b). Zum Brennen
fann Altered und jüngere Holz gleihmäßig gebraucht werben
und jenes wird daher gegen dieſes nicht mehr im Preiſe fleigen,
als das Verhältniß der Hitfraft mit fich bringt, weßhalb nur
zur Erzielung von ftarfem Baus und Nugholze die Aufzucht
von fehr alten Bäumen Bortheil gewährt (ec).
(a) Seiſpie den Pariſer Holzpreiſen gilt 1 Cubikmeter oder Stere
d. Cubikfuß auf dem Stamme von 15—18jährigem Kohlholz
b, 5, ne von 25—30jähr. Brennhol tis 66 Fr., von ——3 Nußholz
44,5 rt. Journ. des Ec. XI, 264. In der Gegend von Heidelberg
imurbe (Tarif von 1844) als Ditelpreis bes Eubiffußes angenommen :
Gichen, Holländerholz 16—18 kr., Spalt- und Sägeholz 13—15Fr.,
Bauholz bis 6 Dide 12—13 fr., arennhol (die Klafter zu etwa
100 Cubikfuß Mafle) 5,1—8,1 fr; Kiefern, Holländerholz 12 Fr.,
Spalt: und Sägeholz 10—12 kr., Baubol bis 6° Dide 9-12 fr.;
Brennholz 6— 7,3 ir. — Hartig (Abh. S. 221) ſetzt den Eubiffuß
Scheitholz (Kiefern) zu 1, Bau: und —2 zu 3, — (Prügel«
Hol F 3/6, Stangen: und Reißholz zu AR „gast zu ®%s. Jaͤger
D. beftimmt den Gubiffuß Baus, eit ale, Stock⸗ und
ei, bei Cichen auf 15--6—5—4 Ir R Nach Beil giebt ein
Morgen sojähriger Nadelwald
l, Nutzholz — 39 ei. Sceitholzwerth
2 ⸗Scheitholz = 23 ⸗
22 ⸗Knuͤppelholz = 18⸗ ⸗
—A 1 =
— 5l5 —
(8) Nadelholz fchlägt nicht aus dem Stode aus und pflanzt fi nur durch
den Saamen fort, weßhalb die Verjüngung felten vor dem 70. Jahre
erfolgt. Die Kiefer ift ein hoͤchſt (däßhares Mittel zur Benukung eines
ſchlechten Sandbodens.
(e) Beim Hochwalde dürfen die erſt in neuerer Zeit eingeführten Durch⸗
forftungen (Zwifhennugungen) nicht überjehen werden, nämlid das
mehrmalige Hinwegnehmen der zu nahe bei anderen flehenden jüngeren
Stämme. Der Durdforftungsertrag kann fih der Maſſe nach der Hälfte
des Sauptertrages im haubaren Alter nähern. Jäger (Land: u. Forſtw.
des Odenw. ©. 213) ermittelt den Holzbeftand eines heſſ. M. Kiefern:
wald bei 75 Jahren auf 8550 — die in der Zwiſchenzeit ge⸗
nommenen Nutzungen zu 3600 Cubikfuß.
8. 391,
Wenngleich in gegebenen Fällen der befieren Berzinfung wegen
bie Zucht von jüngerem Holze für den Waldeigner vortheilhafter
fein mag, fo verhält es fih doc in volfswirthfchaftlicher Hin⸗
fiht anders. Hier entfcheidet nicht die Geldeinnahme bed Eins
zelnen, fondern die nad) dem concreten volfdwirthichaftlichen
Werthe bemefiene Größe ded Volfseinfommens, und für dieſe iſt
ber frühere Empfang einer Holzmafle, der nur eins für allemal
Statt findet, fein hinreichender Erfag für den fortwährend ges
ringeren Holzzuwachs. Eine gewifle Holzmenge, die neben dem
gewöhnlichen Sahreserzeugniß außerordentlicher Weife einmal in
den Berfehr tritt, ann keineswegs ganz ald Vermehrung bes
Rationalcapitaled betrachtet werden, indem ein größerer Borrath
einer einzelnen Waare ohne gleichmäßige Vermehrung der übrigen
wenig zur Gütererzeugung nügt. Man wird blos darum, weil
gerade jeßt mehr Holz angeboten wird, bie holzverzehrenden
Gewerfe nicht erweitern, weil diefer Umftand nicht dauernd ift.
Daher wird nur der Holzpreis für einige Zeit erniedrigt, wobei
die unproductive Verzehrung ded Holzes etwas zunehmen fann (a).
Könnten freilich die neu hinzugefommenen Holzmafien im Aus-
lande vortheilhaften Abſatz, oder zufällig gerade im Lande eine
gute Verwendung ald Capital finden, fo wäre ein volfdwirths
fchaftliher Nugen vorhanden. Diefen felteneren Fall ausge⸗
nommen darf man den auß jener Umwandlung entipringenden
dauernden Nachtheil, daß die ganze Waldflaͤche einen geringeren
toben und reinen Ertrag giebt und folglich zur Erlangung einer
gleichen Holzmenge mehr Wald nöthig ift, für die Volkswirth⸗
[haft als überwiegend anfehen (5). Der Boden wird fchlechter
338
— 5i6 —
benutzt und bie größere Einnahme der Waldeigentfüme muß
von den übrigen Bürgern getragen werden: (c).
(«)
(8)
(e)
Abweichend Pfeil, Srundf. I, 95: „Der Bortheil, welchen der kürzere
Amtrieb gewährt, beficht für den Binzelnen wie für das Allgemeine
ganz [eich darin, daß der im Holze vorhandene Erwerbflamm inder
und Öfter in ein Gelbcapital verwandelt wird, und. dieſes, ader der
CErwerbſtamm im @elde, einen höheren Extrag giebt, ale das Holzeapital
oder der Exrwerbflamm im Holze.“ Das Fehlende an Holz ſoll von den
Zinſen des erworbenen Geldcapitales leicht angefchafft werden. Können. —
Diefe Anficht widerlegt fi) durch die genaue kung des Geldes
von anderen Beftandtheilen. des Gapitales, 9. 123. 13% Das: Volt
wird in einem folden alle, wie der angenommene, nicht um eine
Geldſumme reicher, denn die Geldmenge des Landes bleibt diefelbe,
fondern nur um eine Menge von gehauenem Holze, und es if die Frage,
ob diefe das Bolkseinfommen ſoviel vermehren kann, ale es durch den
Zuwachs am ſtehenden Holze geſchieht. — Gegen Pfeil f. Linz,
Bertheidigung des Böhfinadha tigen Forflnaturalertrages ... . ©. 23
(Trier, 1824). Für die Vorzüge des Hochwaldes and, Noirot, Traité
de ie eulture des fortte, Paris, 1832, und de Chateauvieux in
Bibl. univ. Juni 1832, ©. 186. — Der Niederwald hat allerdings
wieder ben Vortheil, teichter beiwirthfchaftet zu werden und beffer gegen
Vebergriffe geihüßt zu fein. Vgl. Quart. Bev., Dee. 1827, ©. 591.
Erfolgt der Mebergang in eine Fürzere Umtriebszeit langſam, fo vertheilt
fih der Berkauf des Älteren Holzes auf eine Reihe von Sahren air die
Breife werden weniger erniedrigt, endlich aber tritt Doch ber fortdauernde
geringere Holzertrag ein. Bgl. v. Berg ©. 87.
Wenn 3. B. ein Bolt 7 1 Mi. Klafter Brennholz noͤthig Hätte
fo wären dazu erforderlich (die Klafter von 144 Eubi zu 100 Subiff.
Holzmaffe geſetzt) nach den badifchen Grfebrungen auf Mittelboben (aus
den Nachrichten bei v. Wedekind, N. Jahrb. d. Forfitunde, XV, 135.
Darmfladt, 1839 berechnet): 1) von Buchenhochwald mit Hojährigem
Umtriebe 11/s Mill. bad, Morgen, von denen 16666 jährlich abgetrieben
würden, 2) von Buchenmittelwald mit 30fährigem Umtriebe 2811000
Morgen, deren 93700 jährlih gehauen würden; man braucht alfo
1'311000 Morgen mehr.
Zweiter Abſchnitt.
Verhältniffe der Gewerke.
6. 392.
Die Volkswirthſchaft verbankt den Gewerfen 1) eine große
Bermehrung ded Gütererzeugniffes, indem eine Mandfaltigfeit
nüglicher und angenehmer Dinge, bie zu ben verſchiedenſten
Zwecken bienlich find, hervorgebracht und ber Werth; der bay.
— 517 7° —
gebrauchten rohen. Stoffe: verwielfecht wird ($. 98. 102), 2) bie
Beſchaͤftigung : einer zahlreichen Volksclaſſe, hauptſaͤchlich in den
Städten, 3) eine Beranlaffung zur Ausbildung vieler Zweige
der Kunft ſowie zur wiſſenſchaftlichen Erforſchung der Raturs
gejege, 4) eine gümftige Rüdtvirkung..aufidie Erdarbeit, theils
wegen bed Abſatzes, den die rohen Stoffe bei den Gewerks⸗
unternehmern finden: (8. 365), theils wegen / der Berforgung ber
Erdarbeiter: mit Werkzeugen, 'Mafchinen und. Genußmitteln (a),
5) eine beſſere Gelegenheit, als fie ſtch in der Hogelibei: rohen
Stoffen findet ($. 364), Lanbeserzeugnifle ind Ausland zu
fenden und .damit andere nüglicdye Dinge: einzutaufchen.
(a) Binige | ſetzen deßhalb hie Gewerke über die: Erdarbeit N} B. Slafer,
bie. Bedeutung der Inbuftrie, 1845, ©. 18), allein diefe Jiefert
immer erſt den Str, aus welchem ae Kunfivaaren ‚bereitet werben.
8. 393.
Kein Bolt, welches das frühefte Kindesalter der wirthfchafts
lihen Entwidlung überfchritten bat, kann ohne Bewerte: fein.
Diefe: werden urfprünglich in jeder Familie als Nebengeichäfte
betrieben und find auf. die. Bereitung und Verfertigung ber noth⸗
wendigſten Dinge, als Rahrung, Kleidung, Wohnung, Gerätheic.
befchränft (a), Löfen ſich allmaͤlig bei der fortfchreitenden Arbeits-
theilung als felbftftändige Gewerbe ab und nehmen bei fteigen-
ber Bildung und Wohlhabenheit fomohl an Ausdehnung als
an Güte: der: Erzeugniſſe fortwährend zu. Der verfehiedene ‚Grad
. ‚von Ausbildung, den die Gewerke in einem Rande: erreicht. haben,
laͤßt ſich fchon- in dam Zablenverhältniß zwiſchen den Erb» und
Gewerksarbeitern erfennen,. und dieß Verhaͤltniß zeigt. von Rand zu
: Land große. Vesfchiedenheiten. :Bald machen die Gewerftreibenden
nur einen: Heinen Theil der Einwohner aus, bald bilden fie die
‚Mehrzahl. Das :'Emporfommen - der Gewerke wird außer ‚ber
Neigung und Geſchicklichkeit der Urbaiter (5) zugleich durch das
Dafein eines. binzeichenden Capitals und’ durd die Gewißheit
rined guten. Abſatzes für die Gewerkserzeugniſſe bedingt. “Der
Abſatz bietet ſich allmälig im Innern des Landes felbft
‚dar, fowie der Reinertrag der Erdarbeit zunimmt und hieduxch
die Mittel zum :Anfaufe von Gewerkswaaren ſich vermehren,
‚and: wenn; zugleich das Beduͤrfniß ober wenigſtens bie Neigung
—— 518 —
zum Gebrauche verfchiedener Kunftwaaren anwaͤchſt. Die Ge⸗
werfe gewinnen bei ben Fortfchritten der Erbarbeit größeren
Umfang und vervolllommnen fidy, wirken aber auch wieder vors
theilhaft auf jene zurüd und dieſe beiden Hauptzweige der Guͤ⸗
tererzeugung befördern ſich alfo wechfelfeitig. Indeß wird bie
Entwidlung der Gewerke befchleunigt, wenn fidy Gelegenheit zum
auswärtigen Abſatze von Kunftwaaren findet, weil dann
einzelne Zweige, zu beren Betreibung befonderd günftige Bes
dingungen vorhanden find, in kurzer Zeit großen Umfang er»
reichen koͤnnen (c).
(a) Diefe Häusliche Berfertigung von Gewerkswaaren für den eigenen Be⸗
darf wird in entlegenen (wach bevölferten Gegenden noch Net ange:
teoffen, vermindert fi aber allmälig, vgl. Dluffen, Beiträge zu
einer Ueberſ. d. Nation. Induſtr. in Dänemarf, S. 180 (deutih v.
Bliemann, Altona, 1820).
(6) Die Araber in Spanien waren fehr Funteißig. Die Verarbeitung der
Seide und Baumwolle, die Faͤrberei, die Bereitung feiner Lederforten ıc.
befchäftigte viele Menihen und die Hauptfike diefer Gewerke, wie Gra⸗
nada, Cordova, Sevilla, waren überaus blühend. Die Unterwerfung
ber Araber unter die chriftlihen Könige und die Bertreibung der erfteren
zerlörten diefen Wohlftand.
(e) Während des Mittelalters erhob fich ber Wohlſtand der Städte im nörb-
lihen Europa mit Hülfe des auswärtigen Verkehres unabhängig von
dem Landbau und wirkte dann fürdernd auf dieſen ($. 365); die Ur-
fache hievon lag vorzüglich in der rechtlichen Stellung der verichiedenen
Volksclaſſen. Smith, 3. B., 3. u. 4 Gap. befonders II, 202.
8. 394.
In Ländern von ſchwacher Bevölkerung und wenig ents
wideltem Gewerbeweſen werden wenige Gewerke betrieben, weil
es an Capital und gefchicdten Arbeitern fehlt, während bort die
Landwirthichaft herkommlich als Hauptnahrungszweig angefehen
wird und da, wo ſich gute Verfendungsmittel, befonderd Waſſer⸗
ftraßen, finden, die Gewinnung roher Stoffe zur Ausfuhr
vorzüglichen Eifer auf fidh zieht, $. 186. In diefem Zuftande
beichränft fich der einheimifche Gewerföfleiß auf die Verfertigung
oder Bereitung folcher Kunftwaaren, die zur Befriedigung ber
bringendften Bebürfniffe dienen und leicht zu erzeugen find,
während die eine höhere Stufe ber Kunft erfordernden Waaren
von außen eingetaufcht werden, bi8 nad) und nad die Ans
häufung von Gapital, der Anwachs der Volksmenge, die Vers
breitung nüglicher Kenntniffe und die höhere Berftandesentwidlung
— 519 —
audy zur Betreibung ber fchwierigeren Gewerkszweige ermuntern,
wozu auch bisweilen die wachfende Schwierigkeit der Ausfuhr
von Bobdenerzeugniflen mitwirkt. Je mehr dieß gefchieht, deſto
mehr nimmt ber Wohlftand zu, und die Blüthe der Volfswirth,
fhaft wird dann erreicht, wenn die Erdarbeit mit den Geiverfen
im Gleichgewichte fteht, auch beide gleihmäßig mit dem
Beiftande von Kunft und Capital geübt werden (a).
(a) Dune Berfuche, L Abth. — Das oben erwähnte Gleichgewicht beider
auptgemerbe wird auch von Lift, Das nationale Syftem ıc. ©. 20.
236, als wünfchenswerth gefchildert, aber der Zufland der vorherrichens
ben Landwirthſchaft der Erfahrung entgegen zu ungünflig bargeftelt. —
Die Herftelung diefes Gleichgewichts erfolgt in einigen Ländern fchnell,
in anderen hoͤchſt langſam, fo daß Jahrhunderte lang die Erbarbeit das
Hauptgewerbe bleiben fann. Sowohl die Maafregeln der Regierung,
als manche Orts: und Zeitumftände wirken auf dieß Verhaͤltniß in fehr
verschiedener Weile ein. — Unterfucht man die Urfachen der ſtaunens⸗
werthen Ausbreitung des Gewerksweſens in Broßbritanien, fo wird man
nit auf einen einzigen Umſtand, fondern auf einen günfligen Zufams
menfluß mehrerer en Mac:Eullodh (Stat. acc. II, 35)
führt als folche auf: 1) moralifche Urſachen; Sicherheit der Perfonen
und des Gigenthums, — Freiheit im Gewerbewefen, — Allgemeinheit
des Unterrichtes, Verbreitung von Büchern und Zeitfchriften ꝛc., —
bereitwillige Aufnahme geihidter Ausländer, — den in der Ungleichheit
des DBermögens und felbf in der Befteurung liegenden Sporn zum
Fleiße; 2) natürliche Urfahen; Reichthum an inländifchen Rohfloffen,
vor Allem an Steinfohlen, deren Lager man als Kraftmagazine (hoarded
or warehoused power) anfehen fann (vgl. $. 120), und die Infellage
des Landes, welde den Berfehr mit andern Ländern überaus erleich⸗
tert. — 86 ift zur Stläuterung der obigen Süße Ichrreih, das Ber:
haͤltniß zu erforfdien, in welchem unter den Ausfuhrgegenftänden eines
Landes die rohen Stoffe und die Gewerkswaaren zu einander ftehen,
allein die ftatiftifhen Angaben hierüber find großentheils nicht genau
nad diefem Unterfchiede eingerichtet, indem fie z. B. bisweilen die halb-
fertigen mit den ganz rohen Stoffen zufammenwerfen. Beifpiele einiger
Staaten: Zollverein 1852, aus den Zahlen bei Hübner (Sahrb. LLI, 18)
berechnet, ungefähr:
Broc. der Ausfuhr
landwirthſchaftliche Erzeugniſſe 35
Mineralfioffe. -. . .» . . 7
Grzeugnifle einfacher Gewerke 5
Erzeugniffe fünflliherr . . 53
100
In Belgien beftand im D. 1841—50 bie Ausfuhr aus 40,? Procent
Kunftwaaren, 44,9% Proc. Berwandlungs: und Hülfsfloffen (matitres
premidres) und 15 Proc. rohen Stoffen zur Berzehrung für unmittel
baren Genuß (denrdes), Situat. IV, 156. In Deflerreich betrugen bie
Kunftwaaren mit Ausfchluß der fogenannten Halbfabricate 1852 31 Proe.,
in Frankreich die Bewerfswaaren 1837—46 41 Proc., in den vereinigten
Saale 1850—51 41 Proc. Serbien führt faft nur Vieh, Häute und
olle aus,
3
— 220 —
$. 395.
Die Gewerke ſtehen dann im völligen Zufämmenhange mit
der Erbarbeit eines Landes, wenn fie 1) deren Erzeuhniffe ver⸗
‚arbeiten, wenn zugleich 2) bie Arbeiter inländiſche Lebeisintttet
verzehren und auch 3) ber Abfag großentheils an die Lundes⸗
bewohner geht. Wenn aber die Gewerke ſtark zünehnlen, ſo wird
dieſer Zuſammenhang leicht unterbrochen, bald geht man zur
Verwendung fremder Verwandlungs⸗ und Hülfsfoffe über, bald
überfteigt die Erzeugung ben inländifchen Bedarf, und fo ift
‚öfters ſelbſt in Ländern von geringer Bruchtbarfeit eine fchnellere
Volfövermehrung hervorgerufen worden, als es ohne dieſe Be-
rührungen mit dem Auslande gefchehen wäre (a). ‚Eine foldhe
Lage der Dinge bringt eine bebeutenbe Gefahr mit fi), weil
fowohl im Einfaufe der fremden Verwandlungs⸗ und Huͤlfs⸗
ſtoffe und Unterhaltsmittel als im Abſatze der Gewerkserzeug⸗
niſſe, alſo von zwei Seiten, Stoͤrungen moͤglich find (6). Der
auslaͤndiſche 5* insbeſondere kann bald von ven Maaß—⸗
regeln anderer Regierungen, bald von dem neuentſtandenen Mit⸗
werben anderer Voͤlker geſchmaͤlert werden, und es geſchieht
leicht, daß man im Vertrquen auf die fortdauernde Erweite⸗
rung des auswaͤrtigen Marktes die Hervorbringung einzelner
Arten von Gewerkswaaren übermäßig ausdehnt, was dann
empfindliche Verluſte nach ſich zieht. Bei großem Schwunge
bes, auswärtigen Handels, zumal wenn er von einer "audges
behnten Schifffahrt unterftügt wird, ift man eher im Stande,
ſolche Stoͤrungen zu uͤberwinden 5, am gewaltſamſten wirfen
diefe dagegen in Gebirgsgegenden, in denen wegen ber befchränf;
ten Theilnahme am Welthandel ben unbefchäftigten Arbeitern
und Gapitalen nicht fo bald andere Wirfungsfreife angewiefen
werden fönnen, und aud die eigene Erzeugung berjenigen
Waaren, die man. fonft vom Auslande eintaufehte, großen
‚Schwierigfeiten unterliegt (d). Rege Betriebfamkeit weiß fich
indeß vielfältig neue Nahrungsquellen zu eroͤffnen (2).
(a) Ueber die Volksvermehrung in den englifchen Fabrifgegenden ſ.
$. 126. 196.
(2) Noth der Spigenklöpplerinnen in der Gegend von Tondern in Schles⸗
wig, wegen des verminderten Abſatzes. Sie verdienen woͤchentlich nur
gegen 40 Fr. und werden wegen bes Sitzens bei ſchlechter Koſt meiſtens
@
eo
Ichwächlii Hanffen, Statik. Forſch. über das se Schleswig,
‚Seibelb. 1832, I, 50, 60. Wedrängnig der (hlefliden delnweber wegen
Ungufänglicfeit des Stage, Säneer, Ueber die Moth der Leinens
arbeiter * Schleiien, Berl, 1844. in auffallenbes Beiſplel der Nach⸗
theife, tweldhe Die Abnahme des Abfapes nad; großer Erweiterung beflelben
verurlacht,, giebt der Verfall des Leinengewerks in Klandern. In Of-
und Weitflandern, Brabant und Gennegau waren 1843 194.091 Spinner
und Spinnerinuen, 57821 geinweber, 76337 Flahebredher und Hedhler.
&s wurden 1839 in beiden Handrifchen Ptopinjen 255471 Std, 1848
nur 129774 St. Leinwand auf den ten verfauft. Die belgiihe
Seinwanbausfuhr belief fi 1938 auf beinahe 37 Mill. fr., 1846 auf
etwas über 20 Mill. Daher der geringe Lohn. Viele Weber verdienten
nur gegen fir. gti, 1848 erhielten in Oftflandern allein
18616 Weber und 49513 Spinnerinnen Almofen. Genaue Darftellung
diefes Zuflantes in Ducpötiaux, Mömoire sur le’ paupsrisnie dans
les Flandres. Brux. 1850.
In diefer kan iR Großbritanien. Es ift — unvermeidlich daß bei
dem großen Umfange einzelner Gewerközweige bisweilen Erfcütterungen
eintreten, bei denen viele Familien in — getathen, aber wegen DIE
lebhaften Handels mit allen Erdtheilen der immer bald neue Abſatzwege
auffindet, und des Hohen Kunfifleißes wußte man doch die Derlegens
heiten {immer inieder * heben. Aud) in Veigien zeigt ſich ein foldhes
Borberrichen bes Babrifiwefens, aber ohne die Hülfe' eines fo ausgedehns
ten Seehanbels, wie ihn Großbritanien befipt.
Bimonde, Nour. prino., I, 289. — Miflafte müffen in ſolchen
Fabrifgegenden, welche ihren Getreidebebarf von außen beziehen, bie
tgaurigftien Folgen ben, Beifpiele gen die Roth des fähfihen Erz⸗
gebirges und ber Ichweizerifchen Wabtifgegenden in ven Jahren 1816
und 1817. ‘Der Canton "Appenzell verlor 1817 '3425 Menicen - oder
6 Proc. der Bolfsmenge, die inneren mehr mit. Viehzucht beihäftigten
Roden ertrugen aber die Noth leichter als die dußeren. Zollitofer,
Das "ounperlahr 1817.68. Gallen, 1818. 10. — Nicht minder furcht⸗
bar war die Roth in ben beiden Thaͤlern von Glarus, die ebenfalls
viele Yaummwollenarbeiter Haben, und bas Aufhöten’ des Hanbipinnens
zufvlge der Mafchirienfpirinerei trug zur Bergrößerung bes Elends bei.
Das Füͤrſtenthum Neuenburg hatte fon 1781 unter feinen 40000
Sinmghnern nur 6000 Sandbauende, dagegen 7300 mit Raltuns, Spipen:
und Ührknfabrication‘ beihäftigte Arbeiter. Blos Im Balder Travers
taren nah "Bicof'(Statist. ©. 533) 1930 von den :4950 Binwohnern
it Spigenflöppeln, 1156 Menfchen mit Uhrmachen und Verfertigen von
Hi) rächertvertzeugen beichäftiget. ’ Descript. topograph.'de 1a Chatellenie
du Val-de-Tyavers, 1830., — Der-merfwürdige Habrifort Barmen erhob
Lu vermöge, diefer in der Betriebfamfeit fiegeneen Kraft, neue Hülfes
ittel zu eriaffen. Den Anfang’ wachten die Sieichen, daju fam um
das Jahr. 1709 die Berfprtigung von, Leinenbändern und. Nähzwirn,
fpäter die Echnürriemen, Zwirnfpigen, bie'gefreiften @einenzeude und
die Färhereien, nad) dem fiebenjäl rigen Kriege die halbbanınwollenen
Zeuhe (Siamoifen) ı. Barmen (1846 mit 33000 @.) hatte 1836
8412 Bandfühle, 78 Pärbtreien,, 30 Bleihen, 210 Baumiollenweb:
müßte 1. dv. Biebahn, Etatif. des R.+®B. Difleld. ©. 178. —
Holuftmalger im Badifhen Echwarpwalde, deren Rbfap bie’ America
und Afen geht. Im Jahr 1844 zählte man 1123 Meifter mit 694 Ges
hülfen, daneben 364 Meifter und T16 Gehülfen in einzelnen zugehori⸗
en Gewerken, als Verfertigung der @eftelle, Ketten,’ Räber, jilden'sc.
Indeſſen werben bie Mäder und Aren längft aus Metall gefertigt.
Neuerlih Hat’ man’ die Derfertigung 'metallener Tafdyenuhten zu Sk
— 522 —
genommen. Die nordamericaniſchen Holzuhrfabriken hoͤrten bald wieder
auf, dem Schwarzwalde zu ſchaden. — Holzſchnitzer in der Gegend
von Sonneberg, wo neuerlich die Verfertigung ber Waaren von
Papierzeug (papier- mache) hinzugefommen ift, — in der Umgegend
von Berchtesgaden und im Gröbner Thal (Val Gardena) in Tirol, wo
das Bildfchnigen 1703 feinen Anfang nahm und gegen 2500 Menichen
beider Geſchlechter mit demfelben beichäftigt find, aber die Verminderung
ber Zirbelfiefer (pinus cembra) fehr läflig empfunden wird. Weber,
Das Land Tirol, ILL, 127.
$. 396.
Die Gewerke fönnen in Berbindung mit der Land—
wirthſchaft getrieben werden, fo daß die Lohnarbeiter und
auch wohl die Heinen Unternehmer fich abwechfelnd mit beiden
Verrichtungen befchäftigen. Hiebei bildet dad Gewerf entweder
nur die Nebenarbeit, die der Landmann zur volftändigen Aus-
füllung der Zeit zwifchen den ländlichen Gejchäften, beſonders
im Winter, zu Hülfe nimmt, — ein UÜeberreft des Alteften Zu⸗
ftandes, in welchem es noch Feine befondere Claſſe von Gewerks⸗
unternehmern gab (8.393), — oder es ift vorherrfchender Nah⸗
rungszweig und der Gewerfömann ſucht nur nebenher feinen
Bedarf von Nahrungsmitteln felbft zu bauen, wozu fhon ein
Feiner Orundbefig genügt, $. 372 Nr. 2). Diefe Verbindung
zweier verfchiebenartiger Gewerbe, beſonders die erſte Art, ift in
Beziehung auf die Güte und Menge der Erzeugniffe nicht vors
theilhaft, denn die Arbeiter fönnen in dieſem Falle nad) dem
Geſetze der Arbeitötheilung ($. 114) nicht leicht fo große Ges
fhidlichfeit erlangen, als wenn fie fich ausfchließend auf eines
von beiden Gefchäften beichränften, auch ift die Unterbrechung
in mandyen Hinfichten ftörend und der Anmendung ber beiten
Runftmittel hinberlih. Die zweite Art der Verbindung, bei
welcher die Landwirthſchaft eine untergeordnete Stelle einnimmt,
erfcheint in Bezug auf die VBollfommenheit bed Gewerföbetriebes
als weniger ungünftig, ift aber doch von jenen Mängeln nicht
ganz frei.
8. 397.
Bon einer anderen Seite hat dagegen biefe Betriebsart eins
leuchtende Vorzüge. Die Arbeiter befinden fich bei berfelben
in einem vortheilhafteren und gefichertern Zuftande, als wenn
ſie nur ein einziged Gewerbe hätten, fie vermögen ſich während
— 523 —
einer Stodung bed Abſatzes leichter zu erhalten und werben
auch von Mißernten und Theurung minder hart getroffen; fie
leben ferner wohlfeiler, ald wenn fie alle Xebensmittel kaufen
müßten, auf dem Lande find ihre Beduͤrfniſſe einfacher und die
Preife der einzufaufenden Dinge, 3. B. Holz, niedriger, fie
find folglich im Stande, ſich mit geringerem Lohn und GOewerbs⸗
verbienft zu begnügen und bie hieburch verurfachte Wohlfeilheit
ihrer Erzeugnifle verfchafft denfelben Leichter Abſatz. Die Ab-
wechslung beider Beichäftigungen ift für das Eörperliche Wohl
befinden hoͤchſt zuträglich und das Zufammenwirfen der Familien⸗
mitglieder von verfchiedenem Geſchlecht und Alter befördert nicht
blo8 ber Arbeitstheilung wegen die wohlfeilfte Ausführung der
Berrichtungen, fondern audy das einträchtige Yamilienleben, fo-
wie den guten Einfluß der Aeltern auf die Kinder (a). Es Fönnen
jeboch nur diejenigen Gewerfözweige in biefer Verbindung mit
der Landwirthſchaft betrieben werden, bie weder einen hohen
Grad von Gefchielichfeit, noch große foftbare Hülfsmittel, wie
Mafchinen, Oefen ıc., noch auch das Imeinandergreifen vieler
Arbeiter erheifchen (6). Iſt das erforderliche Capital gering,
fann 3. B. der Berwandlungsftoff in der Nähe angelauft oder
von dem Arbeiter felbft erzeugt werben, jo wird es biefem moͤg⸗
lich, auf eigene Rechnung, als Unternehmer thätig zu fein, nur
muß er dann, wenn ber Abfat die Verſendung in andere
Gegenden nothwendig maht, das fertige Erzeugniß an einen
Auffäufer (Verleger) zu verkaufen fuchen, um feine Auslagen
bald erftattet zu erhalten.
(a) Rau, Anfichten, S.106. — Cordier, Agric. de la Fl. fr, ©. 27.28.
In jedem Bauernhaufe in Flandern wird gefponnen und gewoben, ebd.
©. 34. — In der Gegend von Leeds, Hubdersfleld und in Nord⸗
Wales find viele Tuchmacher, die zugleich einige Acres Land bauen.
Man hat fogar Mafchinen, auf denen foldhe Weber für Lohn arbeiten
lafien können, fo daß fie auch in der Güte der Waaren mit den Yabris
fen zu wetteifern im Stande find. Die Bortheile dieſes „domestic
system“ in der Wollenverarbeitung find anerfannt. Mac-Culloch,
Statist. acc. II, 37. — Berfertigung von vielerei Gegenftänden aus
Knochen, Elfenbein, Perlmutter ıc. (tabletterie) im franz. Dep. Dife,
wobei die Yamilien mit Hülfe von einigem Feld: oder Bartenbau in
MWohlftand , zugleich gefittet leben. Ein gewöhnlicher Arbeiter verdient
täglich 2—2%/4, eine erwachfene Arbeitern 1— 11/; Fr M. Mohl,
Aus den gewerbswifienfh. Ergebniſſen einer Reife in Frankreich, 1845,
©. 108. — Unter die nüglichen Seiten diefer Berbindung gehört, daß
die Zwifchenzeiten zwifchen den Feldarbeiten vollſtaͤndig ausgefüllt find,
daß alle Bamilienglieder, felbf Kinder, zum Erwerbe zweckmaͤßig bes
— 524 —
-fehäftiget werden koͤnnen und die- deluma ‚des.
ne lidhe unſchaͤdlich ru e Berſtũ 9 des Mrundeigen⸗
(5) Borzüglich die Bearbeitung des Flachfes, Weben, Schmieden c. — Die
Weberei tft eine ſehr häufige Belchäftiguug der! Landleute mınd eignet
fh darum .fehr gut für fie, weil man: eine „große. Menge gen
Zeuche nöthig bat. Im preußifchen Staat waren 1843 276111 zur
‚Rebenbeichäftigung benupte Webſtuͤhle, Dieterici, Statiſt. Tab.
S. 155. — In Boͤhmen find gegen 20000 Bammwallenwebſtuhle ber
Landweber, welche ſich weit beſſer befinden, als die ununterbrochen auf
dem Stußle arbeitenden fogenannten Gommertialweber. Györnig,
Statift. Tafeln für. 1842. — Die Seidenweber im Cantan Zurich, . Die
Baumtwbllenweber in’ Appenzell a. R., Barmen, dem’ baierfchen Obers
franken (Hof, Münchberg ıc.), die: Reinmeber auf ber Rhän.: dem Vogels⸗
berg, .der fchmwäbiichen Alp, in Böhmen, Schleflen, .MWeftfalen, im
Koͤnigreich Hannover ıc. wohnen meiſtens auf: dem Lande und betreiben
‚einigen Landbau, fo auch die meiften Holzuhrmacher des Schwarz⸗
waldes. — Gehen im —— beſonders in Toscana.
Doch vertragen’ fih mit feiner lechtarbeit Feine‘ härteren Verrichtungen,
welche die. er: ungetentip machen ı.würben , weßhalb die flechtenden
Bauenntöchter ri haufig. Maͤgde mischen. Bromn, Reiſe U, 434. —
Die zahlreichen Berfertiger von Uhrtheilen in der Gegend von’ Prefcot
(Lancasihire) treiben etwas Feldbau, wie’ die MWeber um Mancheſter,
Dingler, Pol. Journ. XXX, 203.
8. 398.
Beachtet man: die Ausdehnung der tinzelnen Gewerksunter⸗
nehmungen und das Verhaͤltniß :gwifchen den! Unternehmern: amd
Lohnarbeitern, ſo ‘findet man ıeinen auffallandenUnterſchied
:gwifchen ben Han dwerkem, welche im Kleinen, won: einem jeihft
mitarbeitenden Unternehmer mit .swerigen.Gehülfen:amd :- meiſtens
mit einfachen. Kunſtmitteln betriebennwerben „und: den g roßj em
Gewerksunternehmungen, Großgewerken Fabri—
fen und Manufacturen), bei welchen in hohem Grade
von ber Arbeitstheilung Gebrauch gemacht wird und wo, wie bei
‚großen .Landgütern (8369), ein (wenn nicht: mehrere) befonberer
Borfteher bie Leitung .ded "ganzen "Geichäfts zu beforgen bat.
‚Der Handwerköbetrieb hat unverkaennbar mehrere erhebliche
Bortheile (a):
1) In:Bezug auf.die Unternehmer. Die Handwerke bes
-fchäftigen viele Metfter, weiche neben. ihrem Gewerbseverdienſte
noch Capitalrente und .Arbeitölghn . beziehen und fich deßhalb
in einer befieren Rage befinden, als die bloßen Lohnarbeiter.
Es tritt mithin eine. günftige Vertheilung. des Einfommens ein,
während ſonſt in. den Händen weniger Babrffherren eine. große
‚Mafle.von Gewerbsverdienſt und »-Eapitaltente . zufammenfließt,
— HR —
weiche zu. einem hohen. Luxus auffordert, Die Hanbiperkör
meiſter bilhen den Kern bed Bürgerftanhes in ben Stäbten,
Der. vor Alters gepriefene „goldene Boden“ des Handwerkeq,
d. 5. die reichliche, leichte. und fichere Ernährung, ift zwar heutiges
Tages nicht mehr zu finden, weil das Mitwerben zu Bunften
ber Käufer von Gewerkswaaren viel ftärfer geworben ifl, wozu
theils der leichtere Zutritt zu den Handwerken, theild bie Ver⸗
fertigung vieler. Kunſtwaaren in ben zahlreichen Fabriken vor
zuͤglich beitragen, allein ber fleißige, geſchickte und haushaͤlteriſche
Meifter darf in ber Regel immer noch. ein gutes. Auskommen
warten.
de} Webereinftimmend de Sismondt in Rix, Revue d'écon. polit. IH, 1.
Quli 1834), vgl. Roſcher in Die Gegenwart, X, 688.
(d) Der Eleine Unternehmer kann guch durch die Dirglie der ſeiner Familie
eine nügliche Beihuͤlfe in feinem Geſchaͤfte erhalten.
8. 898 a.
2) In Bezug auf die Lohngehülfen. Schon in ber
Anzahl verfelben zeigt fid der Unterfchied, indem biefelbe Bei
ben Handwerken verbältnigmäßig Fleiner if, während mancher
Babrifhere Qunberte, ja Taufende von ihnen in feinem Dienfte
hat (a). Rod auffallender ift der Vorzug der Handwerke in
Hinſicht auf die Lage der Lohnarbeiter., Die Handwerksge⸗
bülfen leben groͤßtentheils im Haufe, in ber Familie des Mei⸗
flerb, der „den Tiſch wie bie Werkftätte, den Genuß wie bie
Arbeit mit feinen jüngeren Gehülfen theilt“ (5), und biefer
Umftand bat auf ihre fittlihe und geiftige Ausbildung ſehr
gute Wirkung. Sie haben bie nahe Hoffnung, fpäterhin ſelbſt
Meißer zu werben (o) und beide Claſſen ftehen fich fo nahe,
haß fie nur einen einzigen Stand in ber Geſellſchaft ausmachen.
Bei den Fabrikarbeitern dagegen ift a) die Möglichkeit, je felbft-
fländig zu werden, fo entfernt, daß ihnen der aus biefer Aus⸗
fit entfpringende Antrieb zus Beeiferung und Sparfamfeit in
der Regel fehlt (d). b) In manchen Gewerkszweigen ift ber
Abſatz fehr veraͤnderlich. Wenn ſich derſelbe ausbehnt, fo bag
bie Unternehmungen einträglich find und durd hie Anwendung
neuer Capitale raſch erweitert werben, fo teitt ein ſtarker Zu⸗
flug von Arbeitern ein, henen bie Verheirathung nicht verwehrt
— 526 —
werben kann. Erfolgen dann Stodungen des Abfages, fo ent-
fteht in diefen Yamilien Bebrängniß, fei es, daß ein Theil der
Arbeiter ganz verabfchiedet wird (e), oder daß fie nur einen
Theil der Zeit hindurch befchäftiget werben, oder fich wenigſtens
mit einem geringeren Lohne begnügen müflen. Wo mehrere
Fabriken gleicher Art nahe beifammen liegen, da macht ſchon
bie Menge folcher Zohnarbeiter in dem erwähnten ungünftigen
Falle die Unterfunft in anderen Nahrungszweigen fehwierig.
Reue Fabrikzweige pflegen für die Arbeiter vortheilhafter zu fein,
al8 länger beftehende, in denen das Mitwerben ftärfer ift (f).
c) Die Zahl der Fabriken in jedem einzelnen Zweige ift in ber
Regel klein, biömeilen befindet fidy in einer Gegend nur eine
einzige. Daher haben bie Zohnarbeiter viel weniger Ausficht,
bei anderen Unternehmern Beichäftigung zu finden, ald bie
Handwerfägefellen, fie find daher von ihren Lohnherren mehr
abhängig. Zugleich bringt ed die große Zahl der Fabrik—⸗
gehülfen und die Nothwendigkeit einer ftrengen Ordnung und
Unterordnung mit fich, daß biefelben den Fabrikherrn perfönlich
ziemlich fremd bleiben und zwiſchen ven beiden Glaffen ein weiter
Abſtand in Hinfiht auf Vermögen, Bildung, Lebensweife ıc.
Statt findet. d) Der Leichtfinn, die Rohheit und Unfittlichkeit,
die aus biefen Umftänden entfpringen, werben noch flärfer, wenn
in einer Gegend fo viele Babrifarbeiter leben, daß fie eine ab-
gefonderte Elaffe bilden, in ber fich üble Gewohnheiten ver-
breiten und fortpflanzen. Diefer Zuftand ift häufig anzutreffen,
weil neue Zweige des Fabrikweſens leichter da unternommen
werden, wo fchon andere beftehen, von denen mancherlei Beiftand
zu erwarten if. e) Solche Fabriken, bei welchen bie Arbeiter
in großen Werfftätten beifammen find (engl. factories),
wirfen am nachtheiligften auf den fittlihen Zuftand, zumal wenn
Perfonen von beiden Geichlechtern und auch ſchon im jugends
lichen Alter in einer Anftalt nebeneinander befchäftiget find, wos
durch das Familienleben geftört und zu Unorbnungen aller Art
Anlaß gegeben wird. Dieß Zufammenarbeiten in großen Werk
ftätten ift in vielen Gewerfen nothwendig wegen der Anwendung
von Mafchinen oder anderen fiehenden Vorrichtungen, wegen
der Erfparung an Brennfloff u. a. Ausgaben, wegen ber 'zur
Güte der Erzeugniffe erforderlichen genauen Aufſicht ıc. (9).
()
(2)
(e)
(d)
— 527 —
Sn Würtemberg betragen die Gefellen nur 22 Procent aller Gewerks⸗
arbeiter. Nach den fpanifchen VBolfszählungen enthält der Gewerksſtand
75 Proe. Meifter, 19 Proc. Geſellen und 6 Proc. Lehrlinge. In Baden
ählen die 35 wichtigften Handwerfe auf 100 Meifter 42 Gefellen. In
Dreußen famen in den 82 handiwerfsartigen Gewerfen auf 100 Meifter
im Sahre 1849 77, 1852 aber 82 Getellen und Lehrlinge, nur die
Maurer, Zimmerleute und Töpfer hatten mehr Gehülfen als Meifter
801, — 648 und 405 auf 100), Tabellen V, 882. — Sn Königreich
annover find (mit den Saft: und Schenkwirthen) 91 733 felbftfländige
Gewerbsleute mit 40637 Gehülfen aufgezählt, darunter 91° eigentliche
Babrifen mit 1440 Gehülfen, alfo auf jede beinahe 16 Lohnarbeiter,
von Reden, I, 493. — In Belgien waren 1846 in den handwerks⸗
artigen Gewerken 105 835 Unternehmer mit 135726 Gehülfen, die ar:
beitenten Yamilienmitglieder eingerechnet, alfo 127 auf 100 Meifter.
Die 8188 Fabriken dagegen hatten 117279 Arbeiter, alio jede im
Durchſchn. 14,3. — In Kurhefien zählte man (Hildebrand, Statik.
Mittheil. 1853, S. 111) in den Handwerken ohne die Weber auf
100 Meifter 64 Gehülfen, in den Kabrifen auf 1 Unternehmer 15 Ge:
hülfen und die Handwerker (Meifter und Gefellen) find A!/smal fo zahl:
reih als die in den Babrifen beichäftigten Perjonen. — In Sachſen
fommen auf 100 Meifter bei den Maurern 2320, Zimmerleuten 1623,
Steinmegen 321, Flafchnern (Klempnern) 153, Schloffem 152, Töpfern
143, Bofamentirern 142, Meflerfhmieden 136 Gehülfen, bei Schub:
machern 85, Schneidern 83, Wagnern und Böttchern 54 (min.). Stat.
Mittheilungen aus dem Königr. Sachſen, 3. Lief. 1854. — Beilpiele
einzelner riefenhafter Unternehmungen: Seraing bei Tüttih, 1817 von
John Coderill (+ 1840) angelegt, jegt im Tigenthum einer Actien⸗
gefellfchaft; 4200 Arbeiter, wovon 800—1000 in den Kohlenbergwerfen ;
6 Hochoͤfen, die ralie 1600 Etr. Ciſen liefern, Puddelöfen, Walz:
werke, Schmieden, Maſchinen-VFabrik; es find 27 Dampfmafchinen in
Thätigfeit, es werden jährlih 50 Locomotiven gemadht und das ganze
rohe Grzeugniß wird auf 17 Mil. Br. gefhäßt, Lecocgq, Description
de l’&tabliss. de J. Cockerill & Seraing. Liege, 1846. — Beaucourt,
Dep. Oberrhein, Fabrik von Uhren, Gilen= und Stahlwaaren, über
2100 Arbeiter; Gebr. Jappy. — Joh. Liebig’s Wollenzeuchfabrik
gu Reichenber inBöhmen, gegen 3000 Webftühle, T7—8000 Arbeiter. —
hymney⸗GEiſenwerk bei MerthyrsThydvil (Wales), 9 Hochöfen, 3000 Ar:
beiter. — Nägeli’8 Baumwollenfpinnerei von 85000 Spindeln und
1500 Arbeitern in Mülhaufen. — Spinnerei, Weberei und Druderei
der Gebr. Hartmann in Münſter (Oberrhein), 3500-4000 Arbei:
ter sc. — Buchdruderei von Elowes in London mit 19 Dampfs und
23 Hanpprefien. — Ungeheure Brauereien in London ıc.
Hoffmann. — Den Uebergang zwilchen beiden Betriebsarten bilden
folche Arbeiter, die in ihren Wohnungen eine gewifle Gewerks verrich⸗
tung, allenfalls mit Gehülfen, beforgen, jedoch von einem Berleger
(Fabricanten) den Rohſtoff erhalten und nur Stüdlohn beziehen, wie
die fogenannten Façonmeiſter. In Nimes 3. B. waren 1853
2330 Seidinwebflühle in Dang. die durch 978 Baconmeifter mit 4200
Gehülfen beiderlei Geſchlechts benugt wurden.
Doch giebt es auch in manden Handwerfen bloße Handlanger und
Taglöhner, und die Größe des erforterlihen Gapitales verfperrt in
einem Theile der Handwerke den unbegüterten Gefellen den Zutritt zur
Meiſterſchaft.
Der Fabrikarbeiter kann indeß hoffen, Werkmeiſter u. dergl. zu werden,
wenn er ſich auszeichnet.
— 528 —
(). Gefhieht dieß auch, in den Handwerten, fo. find doch bie. @efellen
‘ meiftens A und Eönmen. leicht ni innen. .
W Belonders übel ift die Lage ber Handiveber. Bei der Berfertigung
folder Zeude, die weder vorzüglice KRörperfraft noch befondere Ges
ihiclichfeit eforben, iR der Lohn am ihwächllen, jo baf Mander
Weber in Großbritanien nur 5 Schill. (3 fl.) die Woche verdient und
viele %s des Jahres ohne Beicäftigung find, Report of the commis-
sioners on the condition of the handloom weavers, ©. 22. 24. 1840.
@) Diefe großen Werkätten werben unvermeidlicher Weiſe immer zahlreicher.
Bei ver Verfertigung ber Bigarren ober der Handiweberei kommen zwar
feine Rafinen, Defen und vergl. in Anwendung, aber man zieht es
dod vor, bie Arbeiter beifammen zu haben, damit man mehr für bie
graue Ausführung der. Arbeiten und bie fparfame Veuvendung des
jertwandlungsfoffes forgen koͤnne.
$. 398b.
Die Uebelftände, welche in moraliſcher und wirthſchaftlicher
Hinfiht aus einer großen Ausbehnung des Fabrifwefend ent
fichen, und wegen des Dafeind vieler vermögendlofer, leicht
aufzureigenber Lohnarbeiter ſelbſt die Sicherheit im Staate bes
drohen koͤnnen, laſſen ſich durch viele Erfahrungen nachweiſen,
doch ſcheint die Groͤße und Häufigfeit der Nachtheile öfters mit
Uebertreibungen bargeftellt worden zu fein, zum Zeile weil
man bie zum Beweife gebrauchten Thatfahen nur von ſolchen
Gewerben hernahm, welche im Stilftande ober. fogar in Abs
nahme waren. Gewerkszweige für entfernten und deßhalb fehr
veränderlichen Abfag wirken am ungünfligften, $. 395. Indeß
find jene Uebel wenigftend zum Theile vermeiblih, indem,
abgefehen von dem, was bie Staatögewalt zur Verbeſſerung der
Arbeiter thun Fann, das fleißige, haushälterifche und gefittete
Verhalten der letzteren, unter dem Einfluß guter Vollsſchulen,
eines guten Religiondunterrichtes und äußerer Ermunterungen
zur Sparfamfeit, ferner bei guter Einwirkung ber Babrifherren
auf den Lebenswandel ihrer Gehülfen, fehr Vieles vermag, um
den Zuſtand berfelben zu verbeffern, vgl. $.201a(a) und II, 8.203.
(a) Im ber meuehen Zeit find viele einzelne Thatſachen gefammelt worden,
welche barüber feinen Zweifel laflen, da ein zeit ber fabrifarbeiter
fih in einer befrübenden Kage befindet. Man fan daraus nit fols
gern, daß überhaupt gar feine Fabrifen vorhanden fein follten, aber
man muß wenigftens die ſchnelle Zunahme und Nusbeßnung derſelben
für etwas Bedentliches halten, nicht etwa in ber Graf ft Zancafter
ober in Flandern das volfewirthfchaftliche Seal fehen, dagegen aber
auf bie Verhütung ber das Wabrifwefen begleitenden unteeutichen
Folgen deflo mehr Aufnerkfamfeit ripfen. Die Urfaden diefer bes
drängten und leidensvollen Lage liegen in dem übergroßen Angebot von
59 —
Arbeitern und der daraus entfpringenden Erniedbrigung des Lohnes, ber
felbRfüchtigen Bleichgültigfeit vieler Lohnherren und felbft einzelnen Bes
drüdungen von Seite derfelben, 3. B. dem ſchimpflichen Trudiyftem
(truck, franz. troe = Taufh), d. 5. der aufgebrungenen Gntrichtung
eines Theiles des Lohnes in gelieferten, zu hoch angefchlagenen oder
auch den Bebürfnifien der Arbeiterfamilien nicht entiprechenden Waaren.
Zu den Aeußerungen des Uebels gehören hauptſächlich nachſtehende:
1) In Bezug auf Gefundheit. Zu den anftrengenden und zum
Theil angreifenden Verrichtungen kommen bie färglihe Nahrung, be⸗
fonders die engen, dumpfigen Wohnungen, namentlich die Keller, in
denen Taufeude zu wohnen gezwungen And. die verberbte Luft in ben
bichtgedrängten Stadttheilen und Werkftuben, die Nachtarbeiten, die
frübzeitige und übermäßige Anftrengung der Kinder, die mangelhafte
Pflege der Eleinen Kinder ıc., daher iſt die Sterblichkeit unter den
Fabrikarbeitern größer, die Lebensdauer bedeutend kürzer, als bei anderen
Claſſen. Das Nervenfieber insbefondere richtet unter ihnen große Ber:
beerungen an. Indeß zeigen fich diefe Erſcheinungen auch in Handels⸗
ftädten, 3. B. in Liverpool, wo gegen 22000 Menfchen in Kellern
wohnen und wo fi eine Menge dürftiger Srländer aufhält. Hier ifl
die mittlere Lebensdauer nur 17 J., in Mandhefter 20, in Leeds 21%.,
in London 261/93. Der Stabttheil von Liverpool, in weldhem 58 Proc.
in Kellen und Höfen wohnen, bat 1 Todesfall auf 23/2 Binw. und
1 von 27 Menfchen wird jährlid vom Kieber befallen, in dem Theile,
wo die Wohnungen am beften find, nur 1 auf 237 und es flirbt 1 von
41,6 (Duncan). In Preſton ift die Sterblichkeit unter den Lohn⸗
arbeitern 1 von 18,%, unter den Gewerbsunternehbmern 1 von 31,8,
unter den Reichen. und den mit höheren Dienften beichäftigten 1 von 47,8%
und bie mittlere Lebensdauer in diefer Stadt ift feit dem Auffommen
der Fabriken (um 1783) von 31,8 auf 19,63. gefunfen (Clay). In
den Bezirken der Stadt Nottingham geht die Sterblichkeit je nach der
Geräumigfeit und Lage der Wohnungen von !/s—Ys (Hawisley).
Die forgrältigen Nahweifungen von Ducpetiaur (De la mortalit
. & Bruxelles 1844) zeigen die große Sterblichkeit der ärmften Stadt
theile in Brüffel. Unter den Dienftboten und Taglöhnern ftirbt (ohne
odtgeb.) 1 auf 14, unter den &ewerbsleuten 1 auf 27, unter ben
Far Ständen 1 auf 50,6. — Der ſchaͤdliche Cinfluß diefer Urfachen
auf den Eörperlichen Zuftand laͤßt ſich auch aus folgenden Wahrneh⸗
mungen darthun. Während im Durdfchnitt von Frankreich, um 100
tauglihe Soldaten zu finden, 80 junge Männer aus förperliden Urs
ſachen übergangen werden müflen, ift die Anzahl der Untauglichen auf
100 im Dep. Nieberfeine, wo viele Gewerke Ant, 126, in Rouen 166,
in Elbeuf 168, in Mühlhaufen doch nur 110. Nah Eh. Dupin findet
man im Durdfchnitt von 10 vorzüglich landbauenden Dep. 40, von
10 Fabril:Dep. 99, im Elſaß 68 Proc. Untauglihe, Dingler, Bol.
Zourn. 77, 149. Auch im Canton Zürich find mehr Dienfuntaugliche,
als in anderen Bantonen, wegen der Spinnerein. — In Belgien
hatte 1839—43 der vorzüglich landbauende Bezirt Waremme 5,1 Proc.,
die Babrifarbeiter in der Provinz Lüttih Hatten 8,9 Dienftuntaugliche
aus anderen Eörperlichen Urſachen als wegen der Kleinheit. Die mittlere
Größe eines Wehrpflihtigen war im Bezirk Waremme 1,90%, im Bez.
Verviers 1,51% Meter. — „Die urfprünglihen Bewohner Barmens
waren Menfchen von großem, flarfem Körperbau, wie ed die Abkoͤmm⸗
linge berfelben, welche man in einigen alten Familien trifft, noch find,
und der größere Haufen der jegigen Barmer würde daſſelbe athletifche
Anſehen behalten haben, wenn die Beichäftigung mit Kabrifarbeit dies
felben von Generation zu Seneration nicht ſchwaͤchlicher und graciler
Rau, polit. Delon. L. 7. Ausg. 34
— 530 —
emacht hätte.“ Sonberland, Geſch. von Barmen, 1803, ©. 92.
an ift darüber einig, daß durch Maaßregeln der Geſundheitspolizei
Vieles zur’ Befeitigung biefer Mebelftände gefchehen könne, wie denn
3. B. in Belgien die angeführten Uebel in den Jahren 1839—43 ſchon
merflidy geringer waren als 1819—23. Auch fehlt es nicht an Bei«
fpielen großer Fabriken mit wohlgelüfteten und reinlich pehaltenen
Räumen, ferner gefunder, von Seite der Fabrikherren hergeftellter Mieth⸗
wohnungen für die Arbeiter. Cinzelne Belege in Bezug auf den nach»
theiligen Gefundheitszuftand und deſſen Urfachen finden ſich vorzüglich
in den oben (6. 201 (o)) genannten englifchen Berichten und in ber
belgiichen Enquöte, |. unten. Ueber die Beichäftigung der Kinder in
den Fabriken f. auch bie in II, 6. 202a ang. Schriften. — 2) Sitt—
lichfeit. Der Häufige Hang zum Trunf entfleht leicht aus ber
mangelhaften häuslichen Erziehung und den anderen ig $. 398a
unter d bemerkten Umftänden. Wilde Ehen (Goncubinat) und
zahlreiche . unehelihe Geburten find ebenfalle Häufige Begleiter des
Fabrikweſens. In den Ländern, die feinen Schulzwang haben, wirb
auch lebhaft über die Unwiflenheit der Wabrifarbeiter geklagt. In
Belgien fand man in 306 Unternehmungen 648 von 1000 Sohnarbeis
ten ganz ohne Schulfenntniffe, unter den Arbeiterinnen insbelondere
fogar 722 p.m. — 3) Wirthſchaftlichkeit. Mangel an Spar
famfeit und Drbaung im Haushalte der Arbeiterfamilien, leichtfinniges
Aufzehren des reichlichen Lohnes und deſto größere Noth bei der Abs
nahme des Verdienfles. Die Mädchen, weldye frühzeitig in die Fabriken
fommen, werben feine guten Hausfrauen, weil fie Feine Gelegenheit
haben, die dazu nöthigen Renntniffe zu erwerben. — Das Beilpiel von
Sedan zeigt, daß guter Wille und Ginverftändpniß unter den Kabrif-
herren gegen die genannten Unordnungen mit Erfolg wirfen fönnen.
Die Erfundigungen von Tufnell und Taylor begründen die Ans
nahme, daß man die Bedrüdungen und Leiden der Fabrikarbeiter (es ift
fogar von „weißer Sklaverei” gefprochen worden) doch für allgemeiner
angefehen hat, als fie wirflid find. Vgl. Gaskell, The manufacturing
popul. of Engl. L. 1832. — Mohl in Rau’s Archiv, II, 141. Klein
ſchrod, ebend. ©. 348 und deſſen Großbrit. Gefeßgeb. S. 177. —
Dagegen Ure, Das Babrifweien, ©. 248 ff. — Mac-Culloch in
Edind. Rev. 124, ©. 463 und deſſen Stat. acc. II, 81. — Ueber den
Zuftand. der franzöfifchen Arbeiter in den Baumwollen:, Seiden- und
MWollengewerfen Villerme, Tableau de l'état physique et moral des
ouvriers, P.1840. IIB. — de Villeneuve-Bargemont, Ec.polit.
chret., L.I,ch. 11.13. — Taylor, Tour in the manufacturing district
of Lancash. Lond. 1842. — Edinb. Rev. 155, ©. 190. — Engels,
Die Lage der arbeit. Claſſe in Engl. 1815. — Vorzuͤglich lehrreich ift
die Enquöte sur la condition des classes ouvriöres et sur le travail des
enfants, Brux. 1848, 3 Bbe.
8. 399.
Der handwerfömäßige Betrieb fteht den großen Unterneh:
mungen in Abſicht auf den Erfolg der Arbeit in vielen Fällen
nad, weil nämlich 1) in Sabrifen mehr Mafchinen und andere
Kunftmittel angewendet werben koͤnnen, bie ein großes Capital
voraudfegen, 2) die Arbeiten unter Diele getheilt werben,
3) die Vorfteher der Unternehmungen fid) wiffenfchaftliche Bildung
aneignen, zur Vervollfommnung der Gewerböfunft mehr bei
— 531 —
tragen koͤnnen, auch neue Erfindungen leichter erfahren und be
nugen, als Handwerfömeifter. Hiezu fommen bie wirthfchafts
lichen Bortheile, die der große Unternehmer in Bezug auf Ein-
kauf, Verfendung und Abſatz befigt. Er fann Vorräthe feiner
Erzeugniffe anlegen und die vortheilhafteften Gelegenheiten zum
Berfaufe auffuchen oder abwarten, während der Handwerker ents
weber von Beftellungen abhängt, oder die unbeftellten Waaren
fchnel an den Großhändler verfaufen muß. Diefe Vorzüge
zeigen ſich hauptfächlicd, bei den für ausländifchen oder doch
entfernten Abfab arbeitenden Gewerfen. Daher find bei mans
chen Zweigen berfelben die Handwerksmeiſter nicht im Stande,
in ber Güte und Wohlfeilheit der Erzeugniffe dag Mitwerben
der Fabriken zu ertragen, und es ift eine unaufhaltfame Folge
der apitalanhäufung und der fortfchreitenden Gewerböfunft,
dag in einem Theile der Gewerke die Handwerfe durch die
Fabriken verdrängt werden; in anderen Zweigen, bei denen jene
Borzüge des großen Betriebes wegfallen, können ſich die Hand⸗
werfe leichter erhalten und es entftehen fogar manche neue
Zweige, bie fich für ben Betrieb im Kleinen eignen (a). Der
Handwerksſtand vermag biefen Kampf gegen dad Anbringen
ber großen Unternehmungen eher zu beftehen, wenn er fich be
müht, in Kenntniffen und Gefcidlichkeiten den Anforderungen
der gefteigerten Bildung zu genügen. Man fann ungeachtet
der vorhin bargeftelten Nachtheile das Aufkommen der Fabriken
im Ganzen genommen nicht für ein Uebel halten, wo es nöthig
if, um einem Bolfe den feiner Bevölkerung und überhaupt dem
Stande feiner Güterquellen entfprechenden Antheil an der Bes
treibung der Gewerke zu fichern, aber man barf nicht wünfchen,
daß die Vermehrung ber Babrifen rafcher erfolge, ald es in
jener Hinſicht Bebürfniß ift, und daß ein Volk ſich mit Bers
nachlaͤſſigung anderer Gewerbe den Gefahren eines vorherrfchens
ben Gewerksweſens überlafie, $. 395.
(a) Pabrifen liefern große Maflen von Waaren gleicher Art und können
deßhalb nicht den individuellen Neigungen und Bebürfniffen des Kaͤu⸗
fers entiprehen. Schon defhalb ift die Fortdauer vieler Handwerfe ges
fihert, 3. B. des Schneiders, Schloſſers, Schuhmaders, Schreiners,
Wagners. Manche Gewerke find ganz oder großentheils örtlich, wie
das Zimmer:, Maurer:, Glaſer⸗, Bäder, Fleiſcher⸗, Buchbinders,
Zünder:, Zuderbäder: Gewerk, es find wenigftens für die Ausbeflerung
fhon gebrauchter Gegenftände Handwerker an Ort und Stelle erforbers
34*
— 532 —
lich, weßhalb in jeder nicht ganz Heinen Stadt ein Uhrmacher, Buͤchſen⸗
macher und dergl. nöthig ift. Kerner find manche Gewerke fo einfach,
daß der aroße Betrieb keine Bortheile durch Anwendung koſtbarer Kunſt⸗
mittel ziehen fann, 3. B. der Tapezierer, Sattler, Zinngießer, Knopf⸗,
Bürftenmader, Buchbinder, Töpfer, Goldſchlaͤger, Steinbauer, Tünder,
Kürſchner, Flaſchner sc. In manden Handwerken bat jetoch ſchon
eine Beichränfung des Abfapgebietes dur Fabriken begonnen, 3. 3.
bei Kämmen, die durch Maichinen gefchnitten werden, feinen Seifen,
Mafchinennägeln ꝛc. Auh Schnüre und Stride werden im Großen
wohlfeiler verfertigt.
$. 400.
Die Gewerke geben die häufigfte Veranlafiung zur Anwens
bung von Mafchinen ($. 118), obgleich viefelben auch in
bem Bergbau ($. 351) und in der Landwirthfchaft ($. 369)
wesentliche Dienfte leiften. Daher ift hauptſaͤchlich in Bezug
auf die Gewerke öfter die Beforgniß rege geworben, ed möchte
bie Einführung der Mafchinen für die arbeitende Claſſe verberb-
lich wirken, indem fie einem Theile derfelben Beichäftigung und
Unterhalt entziehen, — es möchte dad Verarmen vieler Arbeiter
mit dem daraus hervorgehenden Elende den in ber befleren Bes
fchaffenheit und der Wohlfeilheit ber Kunſtwaaren liegenden
Vortheil überwiegen; — es möchte fogar die Vermehrung ber
Mafchinen für den Nugen der Unternehmer felbft wiberfinnig
fein, weil fie dad Angebot von Genußmitteln vermehre, zugleich
aber die Zahl von Käufern vermindere (a). Zur Unterftügung
diefer Anſicht koͤnnen audy einzelne Erfahrungen angeführt
werben (b).
(a) Si un ouvrage est & un prix mediocre, et qui convienne &galement &
celui qui l'achèteo et A l’ouvrier qui l’a fait, les machines qui en simpli-
fieraient la manufacture, c. & d. qui diminueraient le nombre des
ouvriers,: seraient pernicieuses; et si les moulins & eau n’staient pas
partout &tablis, je ne les croirais pas aussi utiles, qu’on le dit, parce-
qu’ils ont fait reposer une infinit6 de bras, qu’ils ont privö bien des
gens de l’usage des eaux, et ont fait perdre 1a f&condit6 à beaucoup
de terre. Montesquieu, Esprit des lois, XXIII, Chap. 15. —
„Wenn die Menfhenzahl in dem Maaße abnähme, wie die Arbeits:
mafchinen zunehmen, fo würden fie unfere Rettung, da die Mafchinen
fih aber eben fo fchnell vermehren, wie die Menſchen, fo fehe ich die
Möglichkeit, daß wir noch einmal aus lauter Kunftfleiß Hunger fterben.*
G. Forſter, ungedr. Briefe, Morgenblatt, 1818, Nr. 298. — Aehn⸗
liche Anfichten bei Sismondi, N. prino. I, 365. II, 312. —-Pictet
in Bibl. univ., Abth. Sc. etarts, IX,62. — de Villeneuve-Barge-
mont, L. I. ch. 12, wo jedoch auch die Vertheidiger ber Mafchinen
redend eingeführt werden.
(5) Deftere Unruhen in den Babrifgegenden ufolge der Einführung neuer
Mafchinen. Die Mafchinenzertrummerer &upviten) in England, die
— 533 —
3. B. 1826 in Lancafhire viele Webemafchinen zerftörten. 1758 wurde
Everett’s Tuchfcheermafchine vom Poͤbel verbrannt, 1768 die erfle in
England erbaute Windfägemühle zerftört, doc erſetzte in beiden Fällen
der Staat den Schaden und die Hafhinen wurden abermals hergeftellt.
Boppe, Geh. der Technol., I, 290. II, 38. — Noch 1846 traten
die Arbeiter zu Elbeuf egen die Wollreinigungsmafchine (trieuse) auf.
Die Teigfnetmafhinen haben den heftigen Unwillen der Baͤckerknechte
erregt, auch der Jacquardſtuhl fand anfanglih Widerfland.
8. 401.
Die Mafchinen wie mandje andere Verbefferungen bed Be-
triebed vergrößern das reine Volkseinkommen, indem fie eine
Erjparung an den Erzeugungdfoften bewirfen, woraus fodann
eine Erniedrigung bed ‘Preifed und eine Ausdehnung des Ab⸗
fate® der Kunftwaaren entfteht. Der Bortheil der Kofteners
fparung fließt 1) zum Theil den Unternehmern zu, infofern die
Preife der Waaren noch einen Gewinn übrig laffen, 8.7163. 2,
$. 186. 3, a). Diefer Ueberfhuß kann bei dem auswärtigen
Abfape der Gewerkswaaren am größten werben und zu einer
fchnellen Erweiterung ber Gewerbe Anlaß geben (a); 2) ben
Käufern der wohlfeiler und beffer gewordenen Waaren. Was
jene an ihren bisherigen Ausgaben erfparen, dad wird von
ihnen unfehlbar auf andere Art verwendet ($. 338), und zwar
entweder um mehr Genußmittel zu verzehren (5), was den Ab-
fag der inländifchen Unternehmer von Stoffarbeiten erweitert,
oder um ſich mehr Dienfte leiften zu lafien, oder un neue Ca⸗
pitale auf die Betreibung von Gewerben zu verwenden, wobei
die Verkaͤufer von Gütern, die hiezu dienlich find, 3. B. von
Lebensmitteln, Stoffen ıc. mehr abjegen und mehr Xohnarbeiter
Beſchaͤftigung finden, $. 339. 1).
(a) Ueber den Einfluß der Maichinen auf die Baummollenverarbeitung f.
. 125a, Gin merfwürbdiges Beilpiel rafcher Ausdehnung giebt insbe⸗
onbere die Verfertigung von Spikengrund oder Bobbinet (Bobbin net),
ein erft feit 1808 aufgefommenes Gewerk. Whitader erfand die erfte
Maſchine Hiezu, Heatheoat führte zuerft eine ſolche (nad) eigener
Grfindung) aus. Neuerlich follen 4500 Mafchinen im Gange fein, die
200 000 Menſchen beihäftigen und 23 Mill. Q. Yarde (181 Mill. Pa:
rifer Q.Fuß) Geflechte liefen. Dieß Product wird für 1'891 8752. St.
verfauft, während die rohen Stoffe (1600000 Pfund Baumwolle und
25000 Pfd. Seide) nur 150000 2. St. gelten. 5/, des Erzeugniſſes
werden in den Yabrifen geftidt, wodurch der ganze Erlös derfelben auf
3:417700 2. St. fleigt. Dieſer Gewerkszweig ift dem Ablage der ge
Elöppelten Spipen fehr in den Weg getreten. Weber, Beitr. 3. Gew.⸗
und Handelsk., I, 309. — v. Kees und Blumenbad, I, 505. —
— 534 —
Dingler, Bol. J. XLU, 430. — Babbage, Ueber Maſchinen⸗ u.
Fabrikweſen, S. 376.
(6) Die Vergroͤßerung des Guͤtergenuſſes in Großbritanien zeigt fih im
Anwachie des Verbrauches verfchiedener Lebensmittel. En aucune contre
la peuple n’est aussi bien habillö, aussi bien log&, aussi bien nourri.
Si quelque ötranger intelligent lit un conträt pour la fourniture an-
nuelle de quelque maison des pauvres dans la Gr. B., il ne peut
s’empöcher d’exprimer une vive surprise sur la quantit&£ de viande, de
beurre, de fromage, de th&, qui compose chaque ration, et sur les soins
minutieux qui sont pris pour que chacun de ces objets soit de la
meilleure qualit& dans son espee. Dupin a. a. DO. ©. 82.
8.402.
Aus dieſer Betrachtung ergiebt fih, daß man bei dem
häufigen Gebrauche der Mafchinen im Ganzen nicht geringere
Summen zur Beſchaͤftigung von Arbeitern aufivendet, daß mithin
noch biefelbe oder felbft noch eine größere Arbeiterzahl ihren
Unterhalt finden fann (a). Wenn das ftehende Capital durch
die Mafchinen einen fteten Zuwachs gewinnt, fo muß barum
body das umlaufende und namentlich der aufgewendete Arbeitss
lohn nicht abnehmen, vielmehr bringen es die fAhnellen Anhäus
fungen neuer Gapitale mit fi, daß alle Zweige bed Capital:
aufwandes ftärferen Zufluß erhalten. Die Arbeiter können
Unterfunft finden 1) in benfelben Gewerfen neben den Mas
fhinen, weil diefe die Beihülfe des Menfchen nie ganz ents
behrlich machen. Bei einer großen Ausdehnung des Abſatzes,
wie fie 3. B. durch auffallende Koftenverminderung oder durch
Verkauf ind Ausland verurfadht wird, ift ed möglich, daß nach
der Einführung von Mafchinen ein Gewerf noch ganz die gleiche
Zahl von Arbeitern befchäftiget, wie zuvor (5); 2) in anderen
Zweigen der Stoffarbeit, die weniger Gelegenheit zum Gebraudhe
von Mafchinen darbieten. Es fehlt zu feiner Zeit an ſolchen
Berrichtungen, auch entftehen immer neue in demfelben Maaße,
ald man mehr auf fie zu verwenden vermag (c). Selbſt die
Berfertigung von Mafchinen fegt wieder Menfchen in Thaͤtig⸗
feit; 3) in verfchiedenen Dienften, die ſich ebenfall8 bei der Ver:
größerung bes reinen Einkommens fortwährend vervielfachen (d).
(a) Bel. v. Jakob, Nationalöf. ©. 162. — Im Jahre 1762 Hatten
Großbritanien und Irland gegen 15 Mill. Einwohner, darunter be:
fanden ji gegen 4 Mill. Handarbeiter, die Maichinen erfegten ungefähr
11 MIN. Menfchen, alfo fam ein Erzeugnig zu Stande, wie es 15 Mill.
— 535 —
Handarbeiter hätten liefern können. 1807, bei 18 Mill. Einwohnern,
berechnete man die Zahl ber Hanbarbeiter zu 6 MiN., die Wirkung
der Mafchinen zu 200 Mill. Das Erzeugniß ıft demnach beinahe 14mal
fv groß geworden, und die Menge von Handarbeitern hat verhältniß-
mäßig mehr zugenommen als die Volksmenge. Solhe Rechnungen
fönnen indeß nicht genau zutreffen, fondern fi nur der Wahrheit mehr
oder weniger nähern; vgl. Weber, Beiträge, I, 3. — Nah Eomell
fteigt in den englifchen Baumwollenfabrifen regelmäßig ber Lohn mit
den Berbeflerungen der Mafchinen, ohne daß die größere Leiftung bem
Arbeiter ſgwer würde. Mac-Culloch, Stat. acc. II, 83, vergl.
6. 188 (a).
(6) „Si l’on pouvait croire que l’inconv&nient, qu’ont d’abord les nouvelles
machines, d’oter du travail aux ouvriers, ne Se r&pare pas bientöt, il
suffirait, pour éêtre persuad& du contraire, de compter les travailleurs
des manufactures immödiatement avant l’invention d’une nourvelle
machine, et immedistement apres qu’elle y est generalement en usage.“
Villerme, Tabl. II, 298. — Große Bermehrung der Reifenden in
Folge der Dampfichifffahrt und der Gijenbahnen.
(e) In den chemifhen Gewerfen, 3. B. dem Branntweindrennen, Färben,
der Otaebereitung, der Berfertigung verfchiedener Yarb: und Apotheker:
waaren und dergl. wird durch die Anwendung vortheilhafter Vorrich⸗
tungen weniger an der Arbeit, ald am Verwandlungs- und Hülfstoff
gefpart. ine Menge einfacher Handwerfe, ferner manche zum Gebiete
der fehönen Künfte gehörige Gewerke laſſen ebenfalls feine Mafchinen
u. Rau in Malthbus und Say, ©. 250. — Zunehmende Hervor:
ringung von Steindrüden, Stahlftihen, Photographien ıc.
(d) Lehrer, — Künfller, 3. B. Schaufpieler und Mufſiker, — Aerzte, Wunds
ärzte, Geburtshelfer, — Boten, Kuticher sc. — Dieß hat au Ganilh
bemerft, Des eystèmes d’ec. pol. I, 212.
8. 403.
Die Mafchinen, deren große und dauernde volfdwirthfchaft-
lihe Wirkungen im Allgemeinen feinem Zweifel unterliegen,
find demnach für die Dauer und im Ganzen audy ber arbeitens
den Elaffe eher nüglich, als fchädlich (a). Unverfennbar können
aber vorübergehende Stodungen aus ber Einführung neuer
Mafchinen entftehen. Die Unternehmer laſſen ſich durch bie
Nüdficht auf die Bebrängniß der Arbeiter nicht abhalten, Mas
fhinen einzuführen, wenn diefe ihnen Gewinn verfprechen. Die
hiedurch aus ihrer bisherigen Wirkfamfeit verdrängten Arbeiter
finden nicht immer fogleich neue Befchäftigungen, auch treten
hier öfterd die oben ($. 160. 161) dargeftellten Hinderniffe des
Ueberganges von einem Gewerbe zu dem andern in großer Aus⸗
behnung ein. Wie weit biefe anfängliche Nahrungslofigfeit
von Arbeiterfamilien. fich erftreden und wie lange fie dauern
könne, dieß ift im Allgemeinen nicht beftimmbar, audy läßt fich
— 536 —
nichts zur Verhütung berfelben thun, weil man ber Vermehrung
der Mafchinen nicht widerftreben darf. Ein Volk, weldyed die
Maſchinen von ſich abweiſen wollte, würde dadurch nur bes
wirken, daß ein Theil der von ihm betriebenen Gewerke ſich
in bie Nachbarländer zöge (d). Man gelangt daher zu ber
Ueberzeugung, daß die mit der Einführung neuer Mafchinen
möglicher Weiſe verbundenen Uebel, die doch immer von weit
fürzerer Dauer find, als die guten Folgen, unter die Opfer
gehören, mit welchen die Erhöhung des allgemeinen Wohls
ſtandes erfauft werden muß (c).
(a) Say, Darf. I, 153. Defien Briefe an Maltbus in: Maltyus
und Say, ©. 158. — Lotz, Handb. I, 215 ff. — von Hövel in
Schulz, Die Bedeutung der Gewerke im Staate, ©. 18. 121 (Hamm;
1821). — Ganilh, Systömes, I, 201. — Dict. techno. L Bd.
©. XLIU. — Hundeshagen, Zeitbebürfnifie, I, 134 (1832). —
Murhard, Theorie und Bolitit des Handels, I, 117. — Bgl. die
in $. 118 (a) angeführten Schriften.
(6) „Il ne s’agit plus de savoir, si l’emploi des machines condamne des
bras au repos; il sufüt d’ötre convaincu qu’elles sont devenues n&ces-
saires pour maintenir la concurrence et preserver notre industrie d’une
ruine certaine.‘‘ Chaptal, De l'ind. franc. II, 229.
(e) Eben dahin muß gerechnet werden, daß bei einem großen Schwunge
dev DBetriebfamkeit, wo viele neue Unternehmungen ergriffen und
mancherlei mächtige Verbeflerungen der Gewerke verjucht werden, auch
dagegen die Anzahl der mißlungenen Beftrebungen, der verlorenen
Bapitale und der verarmten Yamilien nicht unbetradhtlich if.
8. 404.
Der Erfahrung zufolge treten jene nachtheiligen Folgen von
neuen Mafchinen nur in wenigen Fällen ein (a). Bon einer
Menge der wirkfanften und allgemeinften Mafchinen ift nicht
befannt, daß bei ihrer Einführung Nacıtheile wahrgenommen
wurden, und noch jest fehen wir dad Mafchinenwefen in vielen
Gewerken ohne Störung ſich ausbreiten. Diefe beruhigende
Erfahrung läßt fi) aus der Natur der Sache erflären: 1) Die
außer Thätigfeit gefebten Arbeiter bieten. alle Kräfte auf, um
andere Erwerbswege zu finden, was gewöhnlich einem Theil
berfelben bald gelingt. 2) Die Mafchinen fchaden dann am
wenigften, wenn dad Gewerf, in weldyem fie angewendet wer⸗
ben, bisher noch wenige Menfchen in Thätigfeit fegte, ober
wenn der Begehr der mit Hülfe ber Mafchinen zu Stande ges
fommenen Erzeugniffe zugleich fehr zunimmt; fe find daher
— 537 —
ohne alle nachtheilige Folgen in Ländern, in welchen vie zus
gehörigen Gewerke erft jest entftchen (d). 3) Die wirkfamften
Maſchinen find gewöhnlich fehr Foftbar und verbreiten fih nur
langfam, weßhalb das Angebot von Arbeitern ſich fehr allmaͤlig
vermindert. Ein Theil der Unternehmer wird bald durch bie
Beforgniffe wegen der Fortdauer des Abfabes, bald auch durch
Mangel an genauer Kenntniß und durch dad von manchen
getäufchten Erwartungen begründete Mißtrauen gegen neue Ein-
richtungen abgehalten, fich fogleich Mafchinen anzufchaffen (c),
daher find plögliche Erfchütterungen des Nahrungsweſens weniger
zu befürchten.
(a) Belonders bei den Spinn: und Tuchfcheermafchinen, und neuerlich bei
den Mafchinenwebftühlen.
(5) Dieß if 3. DB. die Lage der norbamericanifchen Freiſtaaten.
(ec) Eine Dampfmalchine, nah den Preifen von 1837 in Berlin, Ruhrort
und Gichweiler foflete bei 6 Pferdefräften 2200—3000 Thaler, bei 10
3200—4200 Thlr., bei 20 5400—6900 Thlr., bei 40 Pferdefräften
8500—12300 Thaler. Jede Pferdefraft kommt alfo bei den Fleinften
erwähnten Majchinen auf 366—500, bei den größten auf 212—310
Thaler zu ſtehen. In Rordamerica koſtete 1824 nah Mareflier (Sur
les bateaux & vapeur, ©. 49) eine Pferdefraft bei Mafchinen von 20
Kräften 3250, bei 100 Kräften nur 1770 Franken. Die Societ& du
Renard in Brüflel lieferte 1841 die Pferbefraft einer Dampfmaſchine
mit niedrigem Drud ungefähr zu 1150 Fr. — Die gravirten Walzen
zum Rattundrud find Eoftbar und jede ift nur zu einem einzelnen Mufter
zu brauchen, mweßhalb ihre Anwendung immer fehr beichränft bleiben
muß, befonders da die Rattunmufter der Mode en find.
Die Schnellfchüge Hat, ungeachtet ihrer geringen Anfchaffungstoften, fehr
Tangfame Verbreitung gefunden. — Nachtheilig if für die Weber, daß
die Webmafchinen wenig foften, nämlich eine folde, die von einem
Menfchen mit der Kurbel gedreht wird (dandyloom), nur 4 £. St., ein
Maſchinenſtuhl, der von einer Dampfmalchine bewegt wird (power-loom
oder steam-loom) ungefähr 12 2. St., in Franfreih 400 Fr., in Gent
1841 350 Fr., indeß muß man deren mehrere zugleich anfchaffen und
eine Dampfmaſchine haben. Im Jahre 1836 zählte man im britifchen
Reiche 115801 Mafchinenwebftühle, wovon 109472 in Baumwolle,
5282 in Wolle. Mac-Culloch, Statist. account. Il, 105. — Für
viele Landleute in Deutfhland wird die Ginführung der Flachsſpinn⸗
mafchinen eine Zeit lang ſehr empfindlid fein, tie jetzt in einigen
Gegenden von Irland die Handfpinner leiden. Diele Mafchinen find
war unentbehrlich, um große Maflen eines wohlfeileren und ganz gleich⸗
Formigen Garns zu liefern, die Handfpinnerei wird jedoch nicht ganz
aufhören, weil fie das feinſte Garn bis jegt beſſer liefert als die Spinns
mafchinen, und es werden allmälig auch andere Beichäftigungen Erſatz
geben. Im britifchen Reiche bat fi die erſt im jetzigen Jahrhundert
entftandene Maſchinen⸗Flachsſpinnerei überaus ſchnell verbreitet, fo daß
man jetzt ſchon 2 Mill. Feinfpindeln annimmt, von denen jede im D.
Ye Bentner Garn liefert. Die Sarnausfuhr war 1835 erfl 2611 215
Pfund, 1842 erreichte fie 291,5 Mil. Pfd., nahm aber dann wegen
der erhöhten franzoͤſiſchen Cinfuhrzoͤlle ab. 1852 war fle wieder
— 538 —
23-928 592 Pfd. Zugleich Hat ſich die geſammte Leinenverarbeitung.
und die Ausfuhr von Leinenwaaren ſehr erweitert. Es wurden 1835
für 2605 000, 1853 für 3872000 2. St. Leinengewebe ausgeführt.
In Belgien waren 1838 47000, 1851 100000 Spindeln, in Frank⸗
reich 1849 250000, im Zollverein 1851 erſt 60000, in Defterreich
30000 Mafchinenfpindeln in Gang. Der Mittelpreis eines Bundle
Leinengarn war in Sugland in ben 3 Jahrzehnden 1820—29, 1830—39,
1840—49: 13,8 —11,%—8,15 Sch. Amtl. Bericht über die Londoner
Ausftellung, Il, 155. — Für 1 Spindel, welche jährlid nach der Fein⸗
heit 50—80 Bfd. Garn fpinnt, Eoften die Mafchinen in Belgien gegen
90 Fr., mit Gebäude und Mobiliar gegen 150 Fr., mit dem ums
laufenden Bapital ift der ganze Capitalbedarf gegen 220 Fr., Enquöte
sur l’industr. linidre, Rapport S. 221 und Beil. Nr. 28. Brux. 1841,
vgl. die in II, 8. 28 (5) genannten Schriften. — Zum Glüde kann
beim Anbaue des Leins und der erflen Behandlung des Flachſes noch
weit mehr Arbeit mit großem Nußen angewendet werden, wie das Bei⸗
fpiel von Belgien zeigt, wo ter Leinbau mit großer Sorgfalt betrieben
wird. Hier wie in einem Theile von Frankreich (Dep. Aisne) kommt
eine folche Arbeitstheilung vor, daß befondere Landwirthe (liniers loca-
taires) den Lein auf den iezu vorzüglich geeigneten gepachteten Feldern,
die oft ſehr zerftreut liegen, bauen und die Ernte fowie die weitere
Verarbeitung dem Flachsbereiter (linier exploitant) verfaufen. Durch
ute Auswahl des Saamens, gute Düngung und Bearbeitung des
Feldes, zeitiges Ausraufen ꝛc. Taßt fich zur DBerfeinerung des Flachſes
Vieles thun. Das Nöften (3. B. in warmem Wafler nad Schenh),
Brechen und Spinnen wird am beſten in großen Fabriken beſorgt,
deren auch in Deutſchland ſchon mehrere befteken.
$. 408.
Auf das Gedeihen der verfchiedenen Zweige von Gewerks⸗
unternehmungen haben örtliche und Zeitumftände Einfluß, deren
ungünftige Befchaffenheit fi zwar überwinden läßt, aber nur
mit Anftrengung, vorzüglicher Gefchiclichfeit und erhöhtem Aufs
wand (a). Die wichtigeren diefer Umftände find nacdhftehenbe:
1) Bei Gewerföwaaren, in deren Preis der verbrauchte Ber:
wanblungs- und Hülfsftoff einen beträchtlichen Theil ausmacht,
fommt viel auf die Koften der Verfendung an, befonderd wenn
biefer Stoff nicht Foftbarer Art ift, weßhalb ſolche Gewerke ſich
von felbft dahin ziehen, wo man diefe Stoffe am nächften und
audy wohl in der größten Auswahl hat. Dieß ift bei ins
ländifchen Erzeugniffen die Gegend ihrer Entftehung (d), bei
ausländifchen Stoffen derjenige Bezirk, der ſie am ſchnellſten
und wohlfeilften durch Einfuhr erhält (c). 2) Bei Gewerfen,
bie viel Handarbeit erfordern, ift der niedrige Arbeitslohn einer
Gegend vorzüglidy nüglid (d). 3) Wo eine andere bewegende
Kraft zu Hülfe genommen werden foll, ift man genöthigt, bie
Oertlichkeit hiernach zu wählen, 3. B. nad) ven Waflerfräften.
— 539 —
4) Manche Gewerke erfordern eine fo hohe ©efchidlichfeit der
Arbeiter und fo Fünftlihe Hülfsmittel, 3. B. Mafchinen, daß
fie erft da leicht emporfommen, wo andere leichter zu betreibende
Gewerközweige fhon Raum gewonnen haben. E8 giebt daher
eine gewiffe Reihenfolge, in der die Gewerke bei ber allmäligen
Entwidlung ded Kunftfleißes nacheinander mit beftem Erfolge
gegründet werben fönnen (Ce). Solchen z. B., welche Gegen»
ftände eined hohen und verfeinerten Luxus verfertigen, müffen
andere vorauögehen, die für die Bebürfniffe der arbeitenden
Elaffen (des gemeinen Manne8) forgen, und manche fehr
funftreiche Gewerke gelangen nur in größeren Städten zur
Blüthe, wo ſich Reihthum, Kenntniffe und veredelter Geſchmack
vereinigen.
(a) Rau, Anfihten der Volkswirthſchaft S. 122.
(6) Köplerei, Sägemühlen, Holzſchnitzen, Theer: und Pehhütten, Kienrußs
brennereien, Glas⸗ und Borzellanfabrifen, Hüttenwerfe in waldreichen
Bergaeaenden, — manche Kabrifen, bie viel rennftoffe verzehren, in
der Nähe der Steinfohlenlager, 3. B. chemiihe, — Delmühlen und
Tabafsfabrifen da, wo Reps und Tabak in Menge gebaut wird, —
Rübenzuder:Fabrifen in Gegenden wo viel Runfelrüben wohlfeil gebaut
werden können, — Salz= und Alaunmwerfe in der Nähe der entſprechen⸗
ben Lagerflätten (oder Salzquellen) und dergl. Durch Waſſerſtraßen
wird man jedoch in den Stand gelebt, bei einem Theile der genannten
Gewerke die Sige nah anderen Rüdfihten zu wählen. Papierfabriken
dürfen nicht zahlreich nahe beifammen fein, um fi nicht die Lumpen
zu vertheuern.
(e) Buderfiedereien entſtehen am leichteſten in großen Handelsſtaͤdten, wo
man den Rohzuder in beliebiger Menge und Beſchaffenheit vom Aus:
lande aalınen fann, — Thranfledereien, Natrumfabrifen in der Nähe
von Küften.
(d) Bol. $. 493 Nr. 3 b. 6. 207 (a). — Bei den un foftet der Zwirn
(ſchon Gewerkswaare) nur Y/s—!/ıo des ganzen Aufwandes ; namentlid
in Neuenburg 10, in Schleswig 12, in Dieppe bei den feinen 10, bei
groben Spigen 16 Proc., um Puy auch 16 Proc. (Tagsverdienft bei
den Zwirnfpigen 9—10, bei den Seidenfpigen 12—20 Suus, 15 bis
20000 Weibsperfonen find beichäftig. Herbin, Stat. gener. de la
France, II, 99. 101). Bei den Medeiner Spigen (points de Malines),
die aune zu 16 Fr., wird ebenfalls das Garn zu 10,6 Proc. berechnet;
bei den unerreihbaren Brüfleler Spipen beträgt es viel weniger. Das
Spitzengarn wird meiftens aus Branfreich bezogen, das Pfund bis zu
1800 Fr. 1841 ſah man in Brüffel zweidrähtigen Spibenzwir,
von dem die Unze (1,975 bad. Loth) gegen 19000 Met. enebich und
zu 254 Pr. geihäßt wurde, das Zollpfund alfo 4334 Franken. —
Es find 50—60 040 Arbeiterinnen in Belgien beichäftigt. Briavoinne,
Ind. en Belg. 11, 367. Perrot, Revue de l’exposit. en 1841, ©. 10.—
In London war 1851 irländifches leinenes Handgeſpinnſt ausgeftellt,
von welchem 230400 Yardé auf 1 Pfund gingen.
— 540 —
6. 405.
Die Gewerföverricdhtungen zerfallen nad dem Wefen ihres
Zwedes in zwei Abtheilungen (a):
1) Solche, die eine Veränderung in der ſtofflichen Befchaffen-
heit der Güter bewirken follen, d. h. Mifchungen oder Scheis
dungen. Hier find die Regeln des Verfahrens auf die chemi⸗
[hen Raturgefege gebaut, die Veränderungen werben meiftens
mit Hülfe der Wärme oder des Waſſers (auf trodenem oder
naffem Wege) hervorgebracht und erfordern wenig Arbeit, aber
bei vielen Waaren foftbare und funftvolle ftchende Vorrichtungen.
In den Koften nehmen die verbrauchten Verwandlungs⸗ und
Hülfsftoffe einen größeren Theil ein ald der Lohn. Die Er⸗
zeugniffe folcher Vorrichtungen find zum Theile fogleich oder
nur mit geringer Yormveränderung zu menfchlichem Genuffe
brauchbar, 3. B. Branntwein, Mehl, Bier, Effig, Seife, Leucht⸗
gas, meiftend aber muß ſich noch eine ber in die folgende Abs
theilung gehörenden Vorrichtungen binzugefellen.
2) Sole, welche den Stoffen eine gewiffe Geftaltung
(Form) geben und alfo auf mehanifche Wirkungen gerichtet
find. Hier entfteht der beabfichtigte Erfolg anfänglich durch
Menfchenhand mit Hülfe von Werkzeugen, bis fpäterhin bie
Arbeit zum Theil durch Mafchinen erfebt wird. Die meiften
Kunftwaaren erhalten erft durd die Geftaltung ihren vollen
Gebrauchöwerth, wobei fie oft mehrere Stufen der Verarbeitung
zu durchfchreiten haben und aus halbfertigen zu ganz vollendeten
Kunfterzeugniffen werden. Die Arbeit nimmt bei diefen Vor⸗
gängen fortwährend eine wichtigere Stelle ein, als bei ben
chemifchen, zumal da mit zunehmender Bildung ein immer leb⸗
hafter werdendes Beftreben entfteht, in den Gütern von längerer
Dauer gefällige und felbft fchöne Formen zu Stande zu bringen.
Der Lurus ruft diefe Steigerung der Gewerkskunſt hervor und
das Mitwerben treibt zu der Bemühung, die verfehönerten Er⸗
zeugniffe durch niedrigere Preiſe mehreren Menfchen zugänglich
zu machen. Bei vielen Arten von Kunftwaaren giebt e8 von
ben einfachften bis zu den zierlichften und Eoftbarften Erzeugs
niffen eine vielfahe Abflufung (6). Die Verfertigung ber
legteren wird am fpäteften unternommen, auch haben biefelben
— Su —
in jedem Lande den fleinften Markt, dagegen fünnen fie wegen
der geringeren Bortfchaffungsfoften am leichteften in andere
Länder verfendet werden und veranlaflen deßhalb einen Wett⸗
ftreit der in den Gewerken am meiften fortgefchrittenen Voͤlker.
Sn vielen Gewerfen fommen chemifche und mechaniſche Vers
änderungen zugleich vor, fo daß die eine oder andere Art nur
als die vorherrfchende betrachtet werden kann (c).
(a) Es liegt im Wefen der Sache, daß an dieſer Stelle der Volkswirth⸗
Iöaftelehre über die Gewerke nicht fo viele allgemeine Betrachtungen
mitgetheilt werden, als über die Landwirtbfchaft, weil dieſe nur in
wenige Hauptzweige zerfällt, die Gewerke aber fehr zahlreich und von
einander fehr verfchieden find, fo daß Unterſuchungen über ſtatiſtiſche
—F r Wirthſchaftuiche Verhaͤltniſſe einzelner Zweige ſehr ausfuͤhrlich
ein müßten.
(5) 3. 3. vom gemeinen Trinkglas zu dem bunten, gefchliffenen, geſchnit⸗
(e)
tenen Kryſtallbecher, von einfacher Leinwand zum geftidten Battift, von
dem einfachen Baumwollenzeuche bis zu dem gemuflerten und bedruckten
Gewebe, vom groben Wollentuhe zum Kaſchmirſhawl, vom Töpfer:
efchirr gum vergoldeten und bemalten feinen Borzellan, vom Tifh aus
adelholz z“ dem mit edlem Metall, Perlmutter ıc. eingelegten Prachts
tifch aus einem ausländifchen Holze.
In der Verarbeitung des Flachſes ift das Roͤſten, in der PBapierberei-
tung das Bleihen, Bläuen und Leimen, in dem Wollengewerbe bas
Färben oder Bedruden eine chemifche Beränterung, in der Glasberei:
tung das Blafen oder Gießen und das Schleifen, in der Porzellans
bereitung das Formen ein mechaniſches Geſchaͤft.
— 542 —
Dritter Abſchuitt.
Derhältniffe des Handels.
@inleitung.
$. 406.
Der Handel(a) als felbfiftändiges Gewerbe entſteht dann,
wenn bie Arbeiten fo weit getheilt find, daß nur durdy eine
befondere, die Taufchgefehäfte vwermittelnde Tchätigfeit die Her⸗
vorbringung mit den Bebürfnifien in Verbindung und Aus⸗
gleihung gebracht werben kann, 8. 104. Jede nur etwas aus⸗
gebildete Volkswirthſchaft hat alfo. unfehlbar eine Zahl von
Kaufleuten und deren Gehülfen (8); doch find weit weniger
Menfchen erforderlich, um eine gewiffe Gütermenge im Handel
von den Erzeugern zu den Verzehrern zu bringen, als um fie
durch Erd» und Gewerföarbeit zu erzeugen (c). Uebrigens find
die Hauptzweige ded Handels fo fehr von einander verfchieden,
dag in volföwirthfchaftlicher Beziehung ($. 349) weniger ihr
Gemeinfchaftliches, als vielmehr das, was jedem von ihnen
eigenthümlich ift, in Unterfuhung fommen muß.
(a) G. B. Conte Arco, Dell’ influenza del commercio sopra i talenti e
costumi in den Classici Ital. P. moderna, T. XXXI Deutfh: Abhands
fung über den Einfluß des Handels auf den Geift und die Sitten der
Voölker, 1788. — Defien Dell’ influenza dello spirito del commercio
sull’ economia interna de’ popoli e sulla prosperitä degli stati. ebd. —
Niemeyer, Ideen über Urſachen, Bortfchritte und Wirkungen ber
Handlung, Hannov. 1796. II, 3. Ausg. 1844. — Murhard, Ipeen,
©. 124. Defien Theorie und Politif des Handels, IL. Bd. 1831. (Der
II Bd. enthält die Handelspolitik.) — Geier, Berfuch einer Charak⸗
teriftil des H. Würzb. 1823. — N. v. Mylius, Der Handel, betrachtet
in feinem Ginflufle auf die Entwicklung der bürgerlichen, geiftigen und
fittlihen Eultur, Köln, 1829. — Mac⸗Culloch, Ueber Handel und
Handelsfreiheit, d. v. Sambihler, Nürnb. 1834.
(5) Sowohl die im Dienfle eines einzigen Unternehmers flehenden (Handels:
diener, Pader, Auslaufer), als die, welche mehreren für Lohn beiftehen,
wie Fuhrleute, Schiffer, Mäfler, Laftträger, Auslader. Die Inhaber von
Fuhrwerken und die Schiffsherren find unter die Unternehmer zu zählen.
— 543 —-
(e) Breußen hatte 1852 an Arbeitenden:
14044 Großhäntler,
10630 Gehülfen derfelben,
2239 Mäfler,
136 556 Kleinhändler,
24 161 Gehülfen ter Kaufleute mit offenem Laden,
34 444 Schiffleute,
16100 Yuhrleute,
238 174 oder 1/0 der Einwohner.
In Belgien zählte man 1846 nad) den Köpfen in den Familien:
51697 Großhändler mit Einſchluß der Mäller, Holz: und
Pferdehaͤndler und Meder,
100958 Kleinhändler aller Art,
41836 Schiff: und Fuhrleute,
194491 oder 4,4 der Ginmohner.
In Sachen find (die felbfländigen Familienhaͤupter gezählt) im Handel
2,9 Proc. ter Einw. befchäftigt, daneben in der Foriſchaffung, im
Wegbau, der Poſt, Ciſenbahn, den Telegraphen 0,9 Proc.
$. 407.
Der Handel wird nad der Befchaffenheit und Menge ber
vertaufchten Gegenftände auf folgende Weife eingetheilt:
1) Waarenhandel, welder bewegliche Güter von einer
befonderen Art der Tauglichkeit, die ald Eapitale oder Genuß⸗
mittel gebraucht werden (a), in Umlauf bringt. Da beträdht-
liche Maſſen von Waaren mit verhältnißinäßig geringeren Koften
von einem Lande oder Landestheile dem anderen zugeführt
werden fönnen, ihr Verbrauch aber in den meiften Fällen eine
Zertheilung ber größeren Borräthe in Feine Duantitäten er:
fordert, fo theilt fich der Waarenhandel wieder in Groß- und
Kleinhandel. Wo jener aufhört, diefer anfängt, läßt fich
nicht allgemein nach der Quantität beftimmen, es ift jedoch zur
Feſtſtellung beider Begriffe Tas Merfmal hinreichend, daß der
Kleinhandel ſich mit der Vertauſchung fo Fleiner Gütermengen
abgiebt, wie fie der tägliche Gebraudy verlangt (b).
2) Bapiers oder Effectenhandel, ver fi mit Eredit-
papieren ($. 293) befchäftigt. Diefe fommen hier nicht
blos als Zahlungsmittel und Gegenwerthe für ausgelichenes
Vermögen, fondern zugleih als Gegenftände, welche des Ges
winnes willen eingekauft und wieder verkauft werden, in Er
wägung.
(a) Auch Gruntflüde in einzelnen Faͤllen; es giebt Menſchen, die mit
Zantgütern hanteln.
_— 544 —
(6) Diefer Bedarf iſt der Quantität nah fehr ungleih. Talg, Kochſalz,
Butter, Gyps brauchen des geringen Preifes willen nicht jo fehr zer-
ftüdt zu werden, als Zimmt und Pfeffer; Holz wird nicht in fo Heinen
Abtheilungen verbraudht als Räucherpulver. Wo eine Waare aus ein:
einen Stüden befteht, deren jedes für fih zu gebrauchen ifl, wie
Baier, Schreibfedern, Oelkuchen, Knöpfe, Beuerfleine, Reisbündel, da
iebt der Kleinhandel dieſelben ſtückweiſe aus, fonft aber zertheilt er die
uantitäten nach der Bequemlichkeit der Zehrer, damit fie nicht mehr
zu faufen brauden, als fie im fürzefter Zeit zu verzehren pflegen. —
Die in Frankreich aufgeftellte Deittelftufe —X Groß⸗ und Klein⸗
handel iſt eine Verbindung beider Geſchaͤfte, indem die Kleinhaͤndler
mit offenem Laden in Staͤdten oft zugleich die Kraͤmer kleinerer Orte
verſehen und infofern Großhändler find.
8. 408.
Eine andere Eintheilung der Handelszweige entfpringt aus
ber Rüdficht auf das Verhältniß des Handels zur Volkswirth⸗
ſchaft eines einzelnen Landes.
1) Inländifcher oder Binnenhandel ift der Inbegriff
berjenigen Handelögefchäfte, bei welchen Waaren lediglich inners
halb des Landes vertaufcht werden (a).
2) Der auswärtige Handel überfchreitet mit feinen Unter- .
nehmungen und Sendungen die Gränzen ded Landes. Er zer
fallt wieder in zwei Abtheilungen:
a) Der Aus⸗ und Einfuhrhanpdel führt inländifche Er⸗
zeugnifle ind Ausland und bringt von da fremde Waaren
für die Verzehrung im Lande zurüd (b).
b) Der Zwifchenhandel befchäftigt fi) blos mit bem
Umtaufche ausländifcyer Erzeugniffe gegeneinander, ohne
den Stoffarbeitern des eigenen Landes Abfag, ober ben
Zehrern befielben Zufuhr zu verfchaffen.
Hält man biefe Eintheilung mit ber vorigen ($. 407) zus
fammen, fo ergiebt fi), daß nur bei dein Waarenhanbel biefe
Rüdfiht auf den Ort der Entftehung und Verzehrung von
Waaren Bedeutung hat, — ferner daß ber Kleinhandel, etwa
ben Haufirhandel ausgenomihen, nicht leicht ind Ausland geht,
weil VBerfendungen in die Ferne fich nur bei beträchtlichen Guͤter⸗
maflen verlohnen.
(a) Auch ausländifche Erzeugnifie, wenn fe eingeführt worden find, koͤnnen
im Binnenhandel weiter vertaufcht werden und mifhen fih im Kleins
bandel auf unfenntlihe Weife mit den Landeserzeugniflen.
(d) Nicht jeder einzelne Kaufmann, der mit dem Auslande handelt, muß
nothwendig Einfuhr und Ausfuhr zugleich beforgen, aber wenn ber eine
— 545 —
nur die Ausfuhr der einheimifchen Probucte betreibt, fo wird immer
auch ein anderer da fein, ber die Ergänzung, nämlich die Ginfuhr, fi
zum Gefchäfte macht. Man unterfheidet in Seeplägen die Aus: und
die Sinfuhrhändler, exporteurs, importcurs.
Erfte Abtheilung.
Der Großhandel.
I. Der Binnenbandel,
$. 409.
Der inländifche Großhandel eines Volkes verfchafft den ein-
heimifchen Erzeugern den Abſatz ihrer Waaren, ben inländifchen
Zehrern, d. h. allen Einwohnern, eine leichte Befriedigung ihrer
Bedürfniffe. Die Wirkung gereicht alfo in beiden Hinfichten
volftändig dem eigenen Lande zu PVortheil. Jedes auf den
Einfauf von Waaren gewendete Hanbelscapital erftattet einem
inländifchen Unternehmer einer Stoffarbeit feine Koften und ſetzt
ihn dadurch in den Stand, fein Geſchaͤft fortzufegen. “Der
unmittelbare Berfehr zwifchen ben Erzeugern und Zehrern ver
mag in den meiften Fällen die Abfichten beider Elafien nicht fo
volftändig zu erfüllen, al8 die Vermittlung durch den Kaufmann.
Deßhalb ift bluͤhender Binnenhandel die nothwendige Bedingung
einer ausgedehnten Erzeugung mandhfaltiger, für bie eigene
Berzehrung ded Volkes beftimmter Güter; durch ihn treten bie
Stoffarbeiten in ein richtiges Verhältnig zu den Bebürfnifien
und dem Einfommen ber Bürger und bie ganze Volkswirth⸗
ſchaft erhält erft durch ihn Zufammenhang und Feſtigkeit. Es
iR ein Erfahrungsſatz, daß diejenigen Staaten ben höchften,
und zwar einen unerfchütterlichen Wohlftand genießen, in denen
der Binnenhandel die größte Xebhaftigfeit erreicht (a). Doc
kann berfelbe in einem Heinen Lande, wo ber Abſatz vieler
Waaren eine ziemlich enge Gränze hat, der Production nicht
bie wünfchenswerthe Ausdehnung geben, und ed können in
biefem Halle ohne Beiftand bed auswärtigen Verlehres manche
Ran, polit. Dekon. I. 7. Ausg.
— 546 —
Gelegenheiten zum vortheilhaften Betriebe einzelner Gewerbe
nicht gehörig benugt werben.
(a) A. Smith, II, 150. — Die Irrthümer des Handelsſyſtems verleiteten
dazu, den inneren Handel darum gering zu fohäßen, weil er die Geld⸗
menge des Landes nicht vermehrt. Man kann den Belauf diefes Zweiges
fatiftifh nicht fo Leicht berechnen, als den bes in. wenigere größere
Ganäle zufammengebrängten auswärtigen Handels. Rimmt man indeß
den weiteren Begriff des Handels an, fo daß auch ber wir der Er⸗
zeuger an die Verzehrer mit in ihn fällt ($. 99), fo ift offenbar ber
rögere Theil aller in einem Lande verjehrien Erzeugniſſe deſſelben
egenſtand dieſes inneren Güterverkehres. Der innere Güter⸗
verkehr auf den Fluͤſſen und Canaͤlen von Rußland, mit Ausſchluß der
zur Ausfuhr beftimmten Waaren, umfaßte im Jahre 1837 eine anges
fommene Gütermaſſe von 612 Mill. Rubel, Berghaus, Annalen,
Febr. 1839. — Auch der innere Handel zeigt bisweilen überrafchend
Schnelle Kortfchritte. Am Hudfoncanal im Staate Newyork ift die Stadt
Lockport an einer Stelle entflanden, wo 1821 erft einige Bauernhäufer
flanden. 1825 hatte fie fhon 600 Häufer, 2 Kirchen, 1 Poftamt.
Neife des Herzogs Bernhard von Weimar, I, 128.
8. 410.
Das Capital des Kaufmanns ift größtentheild umlaufend,
indem ed zur Anfchaffung der fertigen Waaren und zur Bes
wirkung des Fortſchaffens dient, und fein Umlauf erfolgt im
Binnenhandel fchneller, als im auswärtigen, weil die Berfen-
dung und Bezahlung in Fürzerer Zeit bewirkt werben kann.
Eine Summe wird bier leicht in einem Jahre zweimal oder
noch öfter umgefeßt und dadurch zugleich der ganze Bedarf von
faufmännifhem Gapitale verringert. Das ftehende Bapital,
welches der Handel erheifcht, ift jedoch nicht allein im Ber:
mögen des Kaufmanns enthalten, fondern begreift audy bie
beweglichen Verfendungsmittel (Fuhrwerke, Schiffe), welche den
Hülfsperfonen, und die unbeweglichen (Niederlagen, Krahnen,
Wangen, Landftraßen, Candle, Brüden, Eifenbahnen), welche
dem Staate, den Gemeinden oder Gefellfchaften gehören, $. 127.
Schon hieraus erhellt, daß das Gedeihen des Handels mehr
als das Emporfommen der Stoffarbeiten von öffentlichen Ein-
richtungen abhängig ift.
8. 411.
Der Gewinn, den der inländifche Handel den Unternehmern
abwirft, ift in der Regel im Berhältnig zu dem Bapitale (dem
PBrocentfage nach) nicht beträchtlich, denn bie Gefchäfte deffelben
— 51 —
find mit geringeren Schwierigfeiten und Gefahren verbunden
als im auswärtigen Handel, die Einfaufspreife und die anderen
Koften find offenfundig, die erforderlichen Capitale von mäßiger
Größe, fo daß ſtets ein ſtarkes Mitwerben vorhanden ift,
welches die Preiſe zu Gunſten der Käufer niedrig hält. Auch
Perfonen ohne eigentliche kaufmaͤnniſche Bildung befaflen ſich
mit ſolchen Handelögefchäften, wozu fle bald durch den Beſitz
eines Capitals, bald durch Waarenfenntniß in einem einzelnen
Gegenftande oder Theilnahme an einem Gewerbe der Erzeu-
gung veranlaßt werden (a). Der ungeftörte, gefahrlofe Forts
gang ber Unternehmungen hält bie Kaufleute für ben geringeren
Belauf des Gewerbögewinnes ſchadlos.
(a) So wird häufig der Getreide⸗, Hol Hopfen⸗, Viehhandel ac.
in uno 2 BWeife bekrieben. v vopf ”
U. Der Aus: und Einfuhrhandel.
A Allgemeine Betrachtung deffelben.
$. 412.
Die Vortheile, welche diefer Handelszweig (a) für die Volks⸗
wirthichaft gewährt, erklären fi) daraus, daß bderfelbe einen
Austaufch zwifchen den Völkern und eine Folge ber Arbeits,
theilung unter denfelben bildet. Kein Bol vermag alle Gegen⸗
fände, die zur Befriedigung feiner Bebürfnifie und zur Erhöhung
feines Genuffes dienen, leicht, gut und wohlfeil hervorzubringen.
Diefelben Umftände, weldye den Betrieb einiger Gewerbszweige
bejonderd begünftigen, ftehen andern hindernd im Wege. So
entfteht für jedes Volk eine Ermunterung, ſich vorzüglich den⸗
jenigen Stoffarbeiten zu wibmen, bei denen ed ben größten
Erfolg zu hoffen hat, und dagegen auf andere zu verzichten,
in denen ed dad Mitwerben anderer Voͤlker nicht beftehen kann.
Als Urfachen einer ſolchen DBerfchiedenheit laſſen fi haupt⸗
fählidy anführen: 1) Die Naturbefchaffenheit der Länder, bie
ſich beſonders bei der Erdarbeit entfcheidend zeigt, 8.87 ff. 119.
Die heißen Länder zeichnen fich durch eigenthümliche edlere
Erzeugniffe vor den anderen aus, gemäßigte unterfcheiden ſich
wieder von ben falten Gegenden und Gebirge von ben Ebenen
35 *
— 548 —
theils durch die Art ihrer Erzeugniſſe, theils wenigſtens durch
bie ungleichen Hervorbringungskoſten derſelben (6). Dieſe
natuͤrliche Verſchiedenheit hat auch auf die Gewerke Einfluß
($. 405) und dieſe Verſchiedenartigkeit der von jedem Volke
angebotenen Erzeugniſſe bildet eine maͤchtige und immerwaͤhrende
Aufforderung zum Tauſchverkehr (8. 27), welchem ſich von
ſelbſt ein geiſtiger Verkehr anſchließt (c). 2) Die ungleiche
Vertheilung der einzelnen Guͤterquellen, indem häufig das eine
Land eine Fuͤlle von Capital und Kunftmitteln befigt, das
anbere einen Ueberfluß an Wrbeitöfräften, ber ben Lohn auf
einem niedrigen Stande hält, ein brittes eine Menge bed fruchts
barften Bodens, fo daß nur die beften Grunpftüde angebaut
und bie rohen Stoffe mit den geringften Koften erzielt werben (d).
3) Mandherlei zufällige Umftänbe, welche die Gewerböthätigfeit
einzelner Zänder befonderd auf ben einen ober ben anderen
Zweig der Stoffarbeiten hinlenken, fo daß im Berlaufe der Zeit
die Vorliebe für denfelben und die erworbene Gefchidlichfeit
ähnliche Wirkungen äußern, wie die verfchiedenen Raturbefchaffens
heiten, nur daß dieſe Richtung des Kunftfleißes ſich auch wieder
ändern kann (e). |
(a) Er wird auh auswärtiger Gonfumtions- ode Bedarfs⸗
handel genamt. Kraus, Staatsw. ILL, 124.
(5) Hio segetes, illic veniunt felicius uvae,
Arborei foetus alibi atque injussa virescunt
Gramina; nonne vides, croceos ut Tmolus odoros,
India mittit ebur, molles sua thura Sabaei?
Virgil. Georgio. I, v. 53—56,
(e) „Euch, ihr Götter, gehört der Kaufmann. Güter zu ſuchen,
Geht er, doch an fein Schiff nüpfet das Gute ſich sit
er.
Die hohe völkerverbindende Macht des Handels zeigt fih 3. B. deut⸗
lih in den Garavanenzügen, bie durch Sandwüſten und Steppen ben
Verkehr in Aſien und Africa unterhalten. Durch reifende Kaufleute
bringt die europäifche Bildung in das Innere beider Erdtheile. Geht
giedurd die Sitteneinfalt eines bisher ganz abgefehiebenen Bolfes vers
oren, fo wird dafür eine mandhfaltige Kraftentwidelung gewonnen.
„Der Menfch hebt fih nur durch Meibung des Geiſtes am ft, und
ob müflen wir aufbliden, wenn wir Voͤlker, die bieher einzeln und
folirt ftanden, in dem Treiben der Welt mit fortgewälzt fehen. In
der Wuͤſte wird nie aus dem Kinde ein Mann, und im befchräntten
Raume, wo nur für wenige Ideen Plazt ift, bildet fi feine Nation.“
v. Buch, Reife durch Scandinavien, UI, 120.
(4) Alte und neue Länder, old und new countries gl. Tor-
rens, Prod. of w., ©. 253. -
— 549 —
(c) Es giebt manche Beilpiele von Gewerben, die von einem Eunftfleißigen
Volke neu ergriffen und bald fo vollfommen betrieben werden, wie in
ihren alten Sitzen.
8. 413.
Der Aus» und Einfuhrhandel hat für ein Volk überhaupt
den Nugen, daß baffelbe mit gleichem Koftenaufwande eine
größere Gütermenge erwirbt, ald wenn ed alle Gegenftänbe
bes eigenen Bebürfniffes felbft erzeugen wollte (a). Dieß läßt
fidy bei den zwei Gefchäften, in welche ſich diefer Handel fpaltet,
näher nachweiſen: 1) Die Ausfuhr von Landeserzeugnifien bes
wirkt, daß gerade diejenigen Zweige der Hervorbringung, welche
bie Bürger des Landes befier und wohlfeiler ald andere Völker
. zu betreiben vermögen, eine größere Ausdehnung gewinnen.
Auf diefe Weife werden die Orundftüde, Capitale, und Arbeits-
fräfte am ergiebigften und vollftändigfiten benutzt, ber höhere
von dem Auslande erftattete Verkaufspreis giebt reichliche
Gevinnfte, es werden in rafchem Bortgange neue Capitale ers
übriget, die Stoffarbeiten entwideln ſich fehneller, und man darf
annehmen, daß durch diefen im auswärtigen Abſatze liegenden
Anftoß zur Anftrengung ber Kräfte die gefammte Erzeugung
eined Landes anſehnlich vermehrt wird. 2) Die Einfuhr ver
(chafft zugleich dem Volke ſolche Güter, bie von ihm felbft gar
nicht oder body nur mit größeren Koften hervorgebracht werden,
um einen niedrigen Preis, und bringt eine Mandfaltigfeit von
Genußmitteln hervor, welche wieder die Veranlaſſung geben,
daß man, um fie erlangen zu können, eifriger arbeitet.
(«) Smith, U, 266. — Ricardo, 7. Cap., befonders ©. 129 der
Ueber.” von Baumflarf. — Mac⸗Culloch, Ueber Handel und
Handelsfreiheit, S. 13. — Gegen Smith: Herrenfhwand, Nbs
hand. über den auswärt. Handel der europ. Nationen. Aus d. Kranz.
erl. 1790.
g. 414.
Der aus dem Auss und Einfuhrhandel hervorgehende Vor⸗
theil findet fi) 1) in dem reinen Gewinne der Kaufleute, wenn
fie die ausgeführten Waaren im Auslande, und bie dafür ein»
getaufchten fremden wieder im Innern um einen bie Roften
überfleigenden Preis verkaufen. Hätte man genaue Berzeich«
niffe der Aus⸗ und Einfuhr, würden ohne Zutritt anderer Leis
ftungen alle eingeführten Waaren mit ausgeführten vergütet und
— 550 —
alle Geſchaͤfte diefer Art innerhalb eined Jahres ganz beenbigt,
jo daß weder Schulden noch Forderungen an andere Länder
ftehen blieben, fo würde fich zeigen, daß die Einfuhr mehr bes
trägt, ald die Ausfuhr, beide nad ihren inländifchen Preifen
bemefien, und der Unterfchied würde nad Abzug der Handels
foften die Gewinnfte der Kaufleute anzeigen; 2) in dem reinen
©ewerbögewinn, den andere an der Hervorbringung theilnch-
menbe Perſonen in Bolge ber ausgebehnteren Production und
des einträglichen Verkaufes machen; 3) in der Erfpamiß ber
Käufer, welche ihre Bebürfniffe mit Hülfe der eingeführten
Waaren wohlfeiler befriedigen fünnen, d. 5. in der größeren
Werthmenge, weldye fie fich bei gleicher Ausgabe verfchaffen.
Diefer Werthüberfchuß entzieht fi) der Berechnung (a).
(a) Krug (Nationaler. des pr. St. I, 220) glaubt, nur der Gewinn bei
der Ausfuhr koͤnne als reiner Zuwachs Er dem Bolfseintommen be-
tradhtet werben, weil der Kaufmann den ” heren Preis der eingeführten
Waaren von feinen Mitbürgern erhalte, fich alfo blos auf ihre Koſten
bereichere; allein es laͤßt fi is mit Sicherheit annehmen, daß biefe auch
bei dem höheren Preife, den fie bezahlen, noch am Werthe gewinnen.
8. 415.
Dieſer Vortheil ded Aus- und Einfuhrhandels ift wie aller
Gewinn aus dem Tauſche ($. 151) nothwendig ein gegen-
feitiger; jedem an biefem Verkehre theilnehmenden Bolfe fließt
ein Gewinn zu, obfhon nicht gerade ein gleich großer, fowie
audy der Grab der Mitwirkung zu diefem Taufche nicht überall
derfelbe if. Wenn ein Volk die Aus⸗ und Einfuhr mit feinen
eigenen Gapitalen und Fortfchaffungsmitteln betreibt, wenn «6
alfo auf feine Rechnung und Gefahr die Landeserzeugnifle hin⸗
aus fendet und anderen Völkern zum Kaufe anbietet, zugleich
aber die fremden Waaren an ihren Erzeugungsorten einfauft
und nach Haufe bringt, fo ift dieß eine ftärfere Theilnahme
an dem Handel, die man deßhalb Activhandel nennt, wäh-
rend der Ausdruck Paffivhandel den Verkehr desjenigen
Volfed "bezeichnet, welches ſich von Fremden feine Erzeugnifie
abholen und feinen Bedarf an fremden Waaren zuführen
läßt (a). Der Paſſivhandel erfordert fein größered Capital,
als der inländifche, er ift Leichter, bequemer und gefahrlofer und
entfpricht daher folchen Völkern, die noch wenig Capital haben
— 551 —
und baffelbe befier für ihre ‚Stoffarbeiten verwenden fönnen.
Dagegen ift der Abfag ber Erzeugniſſe im Paſſivhandel uns
ficherer, während es im Activhandel leichter ift, neue Abſatzwege
aufzufuchen und neue Berbindungen anzufnüpfen. Der Iebtere -
eignet fi) daher mehr für reiche Länder. Da er vorzüglid)
durch Waflerverfendung ausgebehnt werben Tann, fo hängt fein
Gedeihen zugleih von dem Zuftande der Schifffahrt eines
Landes und dadurch mittelbar von der Gelegenheit zum wohl-
feilen Einfaufe des Bauholzed und von ber Ausbildung der
Scifffahrtsfunft ab.
(a) Bisweilen verfieht man unter Activhandel denjenigen, welcher eine
Forderung an das Ausland begründet (Ausfuhrhandel), unter Paſſiv⸗
bandel den, aus weldhem ein Land an andere fhuldig wird (Binfuhr-
handel). Diele ältere Bedeutung beider Ausprüde ift unfrudhtbar, weil
Aus: und Binfuhr immer miteinander verbunden fein müffen,
8. 416.
Die Begriffe von Activ» und Baffivhandel beziehen
fi) nur auf den Ball, wenn das eine Bolf dem Aus- und
Einfuhrhandel viel mehr Capitale und Kräfte widmet, ald das
andere, fie fallen alfo ganz hinweg, wenn die Aus- und Ein-
fuhr von jedem ber beiden in Berfehr ftehenden Voͤlker wetts
eifernd beforgt wird, wobei dann dad Mitwerben ber beider:
feitigen Kaufleute und Schiffer den Abnehmern und Berfäufern
defto günftigere Bedingungen verfchafft (a) und jedes Bolt
nur einen Theil des erforderlichen Handelscapitales aufzuwen⸗
den braucht. In dieſem Falle bleibt aber das dazu beftimmte
umlaufende Capital länger im Umlaufe, weil jedes Geſchaͤft
‚mehr Zeit erfordert (6). Dafür kann auch dem Unternehmer
‚ein größerer Gewinn zu Theil werden, indem der große Ums
fang und die Gefahren der Unternehmungen, fowie die dazu
‚nöthigen Kenntniffe und Berbindungen das Mitiverben ein.
engen (ec). Dieß tritt vorzüglich bei neu eröffneten Handels⸗
geichäften ein, doch fcheint dabei der reine Gewinn größer, ale
“er wirklich if, weil man auf bie Gefahren des Mißlingens Rüd-
ht nehmen und deßhalb eine entfprechende Vergütung unter
die Koften aufnehmen muß, $. 239. Die Erzeuger der Aus⸗
fuhrgegenftände Fönnen dagegen nur fo lange einen das ges
— 552 —
woͤhnliche Maaß uͤberſteigenden Gewinn genießen, als der Ab⸗
ſatz im Steigen iſt.
(a) Es giebt jetzt wenige Voͤlker mehr, die ſich ganz paſſiv im auswärtige n
Handel verhielten; doch geben bie Ghinefen im Berbältnig zu ben
@uropäern ein Beifpiel bievon.
(5) Wer eine Sendung in ein anderes Land gemacht hat, kauft dafelbk
meiſtens fogleidy für den Erlös fremde Waaren ein, ſchon damit bas
Schiff nicht leer aurüdgchen muß. Wenn dagegen engliſche Kaufleute
Baumwollen⸗ und Stahlwaaren nach Spanien Ichidlen, dort Weine und
Dele kaufen, diefe in Schweden abfehen und erſt hier, oder vollends in
einem vierten Lande die zur Ginfuhr nad England beflimmten Dinge
faufen, fo wird dieß Geſchaͤft ale eine befondere Art des Aus⸗ und
Einfuhrhandels angefehen (Smith, IL, 151), die man den inbirecs
ten oder umfhweifigen Gonfumtionshandel genannt bat,
Kraus, Staatew. III, 2156. Bgl. 8. 412 (a). Genau betrachtet if
dieß eine Berbindung zweier ungleichartigee Unternehmungen, denn
das Einfaufen fpanifher Producte, um fie in Schweden zu verlaufen,
gehört dem Zwiſchenhandel an.
(e) Die Preife der Waaren Eönnen in verfchiebenen Ländern fo fehr von
einander abweichen, daß bie erften Handelsunternehmungen reiche Früchte
bringen, nur werben meiftens durch das Mitwerben die Preife in dem
einem Lande allmälig fo weit erhöht, in dem anderen aber um foviel
erniedriget, daß fie fat nur noch um den Betrag der Fortſchaffungs⸗
foften verfchieden find. Die anfängliche Preisverfchiedenheit ift deſto
größe, je weniger die beiden Länder in der Bildung und Richtung
er Gewerbe einander ähnlih find. — In einer amtlichen Befannt-
mahung bes ruflifhen Senates von 1775 wurden die Berlaufspreife
von 28 ruflifhen Ausfuhrartifeln zu Gonflantinopel und die ſaͤmmt⸗
lihen Koften angegeben, und es ergab fh, daß im Durdhfchnitt ein
Gewinn von 24 Proc. für ben Kaufmann übrig blieb, v.Beyifonel,
Berfaffung des Handels auf dem fehwarzen Meere, über. von Cuhn,
S. 380. (Eeipz. 1788.)
8. 417.
Kein Volk kann die Vortheile des Aus- und Einfuhrhandels
genießen, ohne fich zugleich manchen Gefahren auszufegen. Uns
terbrechungen des Verkehrs zwifchen ven Völkern werben fos
wohl durch Kriege, ald durch Maafregeln der Regierungen vers
anlaßt, au wird nicht felten ein Volk durch ein anderes,
welches die Stoffarbeiten mit noch befjerem Erfolge zu betreiben
anfängt, aus feinem Abſatze verbrängt. Wenn bie für bie
Ausfuhr arbeitenden Gewerbözweige in Stoden gerathen, fo
treten wenigftend für ben Augenblid empfindlide Störungen
des Wohlſtandes ein, Capitale und Arbeiter werben außer
Thätigkeit gefegt und es find Verluſte und Bebrängnifle zu er
tragen, bis e8 gelingt, neue Anwendungen für die Güterquellen
aufzufinden. Das natürliche Heilmittel unter folchen Umftäns
— 553 —
ben liegt barin, daß bei der Verminderung der Ausfuhr auch
die Einfuhr abnehmen muß, die Production fidy mehr auf bie
Gegenftände der einheimifchen Verzehrung richtet, und bie bis⸗
ber zum Einfaufe fremder Waaren angewendeten Einkünfte num
den inlänbifchen Erzeugern Abfap verfchaffen. Doc, verftreicht,
befonderd wenn einzelne ‘PBrobuctiondzweige ausgedehnt waren,
oft geraume Zeit, bis die Hervorbringung biefe neue Richtung
volftändig angenommen bat und die Nachtheile verſchwunden
find. Obgleich folche Ereigniffe bisweilen den Nutzen des Aus⸗
und Einfuhrhandeld verringern, fo dürfte man doch feinem
Volke rathen, jener Gefahren willen auf die unberechenbaren
Vortheile ded auswärtigen Berfehred ganz zu verzichten (a).
Eher könnte dieſes Beforgniffe erregen, wenn ein Bolt des
jetzigen wohlfeileren Einfaufes vom Auslande willen die eigene
Erzeugung hochwichtiger Güter unterließe, von denen es zweifels
haft ift, ob fie zu jeder Zeit in wünfchenswerther Menge und
Güte werben eingeführt werben fönnen.
(a) Die auswärtige Staatskunſt erhält hiedurch zu dem völferrechtlichen
Gebote aud einen wichtigen Klugheitögrund, das friedliche Staatens
verhältmiß mehr und mehr zu befefligen.
B. Berhältnig zwiſchen ber Aus; und Binfuhr. _
$. 418.
Wenn aud nicht die lange als unerfchütterlid angenoms
menen Lehren des Handelsſyſtems zu ber Unterfuhung aufs
forderten, wie fich die ausgeführte Gütermenge zu der eingeführten
verhalten müfle, und welche Bewanbtniß ed mit der vielfad)
beiprochenen HDandelsbilanz (a), dem Unterfchiede jener beis
ben DQuantitäten, habe, fo wäre doch ſchon darum die Beleuch⸗
tung dieſes Gegenſtandes von Wichtigkeit, weil die Ausfuhr
von ber Erzeugung herrührt, bie Einfuhr aber zunaäͤchſt zur
Berzehrung dient, und in dem Verhaͤltniſſe jener beiden
Größen fi) dad allgemeine Grundverhältniß zwifchen der Er⸗
zeugung und Berzehrung wiederholen muß. Die Vergleihung
ber Auss und Einfuhr fann, wenn fie in Zahlen geſchehen fol,
nur nad den Preiſen vorgenommen werben. Die Grundlage
ber ganzen Betrachtung iſt ber einfache Sag, daß jede Leiftung,
welche eine Perfon für eine andere im Handel vornimmt, ents
weber alsbald durch eine Gegenleiftung vergütet werben muß
oder eine Forderung und Schuldigfeit nach fich zieht. Daher
ift auch) die Preisfumme, welche ein Volk während eines Jahres
von allen anderen Bölfern empfängt, derjenigen gleich, bie es
für fie leiftet oder ihnen einftweilen fchuldig wird. Dahin
gehören aber nicht blos Waarenverfäufe und Baarfendungen,
fondern auch andere Ausgaben und Arbeiten in Handeldangelegen-
heiten, 3. B. die Fortfchaffung von Gütern für Ausländer, bie
Auslagen ded Spebiteurs beim Empfang und Abfenden fremder
Waaren, die Bemühungen bed Commiſſionars u. dergl. Die
Darleiben in dad Ausland Fönnen hiebei ebenfalls mit einges
rechnet werden, denn obfchon fie nicht felbft Handelögefchäfte
find, fo fteht dody wie bei diefen der Sendung von Sachgütern
eine neuentflandene Schuld oder die Tilgung einer foldyen gegen-
über, auch find Käufe auf Credit zugleich Darleihen. Dieſe
Gleichheit gilt aber nur von ben vertragsmäßig verabrebeten
Preisfummen, während die Einfuhrgegenftände noch buch -
Frachtkoſten ıc. über den Einkaufspreis vertheuert werben
fönnen, $. 414.
(a) Art. Hanbelsbilanz in der Encyklop. von Erſch und Gruber (von-
Rau). — Murhard a. a. O. I, 222 ff.
$. 419.
Wenn in einem gegebenen Falle ein Bol mehr an andere
zu geben fcheint, als es dafür einnimmt, fo kann dieß theils
von ber Unrichtigfeit der ftatiftifchen Zahlenangaben, theils aber
von folchen Leiftungen zwifchen den Ländern herrühren, die nicht
aus Handelögejchäften entipringen und alfo nicht dem Geſetze
der Gleichheit unterworfen find. Solche einfeitige, Feine Ver⸗
gütung erfordernde Leiftungen gefchehen theild von Privaten,
3. B. Berzehrung der Reifenden im Audlande (a), Vermögen,
welches die Ausdwandernden mitnehmen (5), Erbfchaften, Ge⸗
fchenfe, Gewinnſte (c); theild von ben Regierungen, 3. B.
Subfidien, Kriegsfoftenerfag, Koften der Geſandtſchaften (d).
(0) Biele irländifche Gutsbeflger Ieben in England, viele Engländer auf
dem europäifchen Wefllande, 8. 340. Die Berge nun, der Engländer
auß erhalb ihres Baterlandes wurde auf 3—3!/a St. angeſchla⸗
\ gen, Lady Morgan, Absenteeism. Lond. 1825. — Im Jahr 1838
— 555 —
foflen 80.000 Gngländer bas Feſtland bereifet Haben, deren Ausgaben
man auf 12 Mill. L. anfchlug! — In die Schweiz bringen die vielen
Meifenden theild Münze mit, theils Wechfel auf Schweizer-Häufer.
(8) Die aus dem Freiflaate Merico vertriebenen Spanier nahmen große
Summen mit fih hinweg, nah Ward (Mexico in the year 1826.
Lond. 1828) 80 bis 100 Mil. Piaſter; blos nah Bordeaurx follen
durch fie faft 100 Mill. Franken gefommen fein, und ein einziges Schiff
brachte im December 1829 11/ Mill. Piaſter baar und 150 Suronen
Cochenille dahin.
(e) Berner die aus den golbhen Ländern nah Rom (an die Dataria)
gehenden Summen. Diele Zahlungen von Spanien bis gegen 1820
wurden jährlich auf 795000 fl. berechnet, Allg. polit. Annalen, VILI,
3. Heft, vgl. überhaupt v. Sonnenfels, Grundſ. II, $. 3035; —
fodann die beträchtlichen Sendungen, welde die Colonien ohne Ruͤck⸗
erfag dem Mutterlande machen, weil die Bigenthümer der Pflanzungen
zum Theil in demfelben leben. Frankreich Hatte im Durchſchnitt von
1787—89 eine jährlihe Sinfuhr von 613543 333 Liv. , eine Ausfuhr
von 448748 266 2&., alſo wurden mehr eingeführt 164795 067 Liv.
Diefer große Unterfchied erflärt fih daraus, daß von den Golonieen
240 Mill. Liv. eingeführt und nad ihnen nur 90 Mill. Liv. ausgeführt
wurden, Chaptal, Ind. fr. I, 134. — Die oftindifche Compagnie zieht
nad älteren Anfchlägen aus dem brit. Oflindien gegen 3'200 000 2. St.
Landeinfünfte, Privatperfonen gegen ?/a Mill. ohne Erfag. Neuerlid
nimmt man an, daß jährlih 4 Mil. 2. St. ohne Erfag aus Oſtindien
nad dem Mutterland gehen, Economist 8. März 1851.
(d) Auch der vormalige Tribut an die Raubftaaten.
8. 420.
Wenn man zur Bereinfahung des Gegenftandes von ben
fleineren im Handel vorfommenden Leiftungen ($. 418) abfieht,
fo giebt es brei Mittel, durch weldye ein Volk das Ausland
für die ihm abgefauften Waarenvorräthe zufriedenftellen fann,
nämlich:
1) e8 übernimmt eine Schuld an baffelbe,
2) es fendet Geld hinaus,
3) es fendet den Ausländern Waaren zu.
Zu 1). Treffen Schulden, die von einem Bolfe gemadht
werden, mit einer Einfuhr von Waaren zufammen, fo braucht
die Vergütung der letzteren durch eine Sendung in entgegengefeßter
Richtung nicht fogleich vorgenommen zu werden. Soldye Schul-
den entfiehen a) durch Waarenfäufe auf längeren Erebit, bie
von den Empfängern erft bezahlt werden, wenn ſchon neue Ahn-
liche Sendungen unterwegs oder bereitd angelangt find, fo daß
immer der Berfäufer mit dem einmaligen Betrage im Vorſchuß
ift und dem Käufer dad zum Handel mit ben fremden Waaren
erforderliche. umlaufende Capital leiht; b) durch förmliche Geld⸗
, 7700756 —
anleihen von den Regierungen oder von Einzelnen. Ob dieß
gleich gewöhnlich aus anderen Abfichten gefchieht, fo hat es doch
die nämlidye Wirkung, ald wenn man blos borgte, um Waaren
einführen zu fönnen. Der Ankauf von fremden Staatspapieren
oder Actien und die Theilnahme der Reichen an neuen Anleihen
und Gewerböunternehmungen in einem andern Lande erleichtern
bieß Anlegen bed beweglichen Vermögens im Auslande und find
heutiged Tages fehr häufig. Diefe Darleihen werben, foweit es
angeht, ohne eine Baarfendung durch Wechfel gegeben, welche
die Berfäufer von Waaren an ihre ausländifchen Käufer aus
fielen; die Darleiher erfaufen dieſe Wechfel und remittiren fie
an diejenigen, welche von ihnen borgen wollen. Die Wirkung
ift jedoch die nämliche, wenn die Darleihe in einer herbeigefen-
beten Geldſumme empfangen und mit Hülfe derfelben wieber bie
Einfuhr baar bezahlt wird, denn aud in diefem Falle bleibt der
inländifche Geldvorrath unverändert und es ftehen fidy blos bie
eingeführte Gütermenge und bie Schuld an bad Ausland gegen-
über. Die Anleihen müfjen nicht gerade bei dem nämlichen
Volke gemacht werben, welchem man bie Waaren abfauft, die
Erfahrung zeigt indeß, daß das borgende Volk gewöhnlich von dem
leihenden mehr Güter Fauft, als es außerdem thun würde, und
zwar fowohl wegen der näheren Berührungen zwifchen beiden
Völkern, alb weil der Wechfeleurd in dem borgenden Lande
nad dem Teihenden niedrig ift und daher die Waaren etwas
wohlfeiler zu ftehen kommen, als unter anderen Umftänben (a).
(6) Bon 1818—30 wurden von englifchen Gapitaliften über 125 Mil. L. St.
an auswärtige Regierungen geliehen. In den Gandlen, Gifenbahnen
und Banfen ber vereinigten Staaten wurden aus England über 25 Mill.
angelegt, auf Landfäufe in Canada und NAuftralien über 21/s MIN.
Hiezu kommen angefaufte franzöfifche und andere Staatopapiere, Gapital-
anlagen in europäifchen Unternehmungen und bergl., ferner die auf
americanifche Bergwerfe verwendeten 5 Mill. Diefe find zwar größtens
theils verloren, auch bei den fremden Staatsanleihen iſt viel eingebüßt
worden, doc wird man immerhin annehmen dürfen. daß Großbritanien
die Zinfen von mindeflens 150 Mill. 2. St. be ieht. Vgl. Porter,
Progress, S. 626. — Meidinger, Das brit. Reih, ©. 482.
$. 421.
Privatperfonen oder Gefellfchaften, welche im Auslande
borgen, haben gewöhnlid die Abſicht, apital zu einem ges
_— 557 —
werblichen Zwede um niedrigeren Zins zu erhalten, ald es im
Lande gefchehen fönnte, und geben daher ber gelichenen Güter-
menge, die fie in Waaren oder in Geldform empfangen ($. 240),
in der Regel eine werbende Anwendung. Es bleibt indeß nod)
zu unterfuchen, inwiefern überhaupt die eingeführten Waaren, in
denen ein Volk den Betrag ber im Auslande gemachten Ans
leihen empfängt, ald apitale wirken können und folglidy zur
Ermeiterung der inländifchen Gewerbsthätigfeit dienen. Dieß ift
ohne Zweifel der Ball, wenn die Einfuhr aus Unterhaftsmitteln
ber Arbeiter, Verwandlungs⸗, Hülfsftoffen und Werfgeräthen,
alfo aus Dingen befteht, die felbft zu den @apitalen “gehören.
Bei der Einfuhr von bloßen Genußmitteln findet diefer unmit-
telbare Einfluß auf die Gütererzeugung nicht Statt; es find
aber hiebei zwei Bälle zu unterfcheiden: 1) Wenn ein Volk eine
Zeit lang jährlih im Auslande borgt und dafür Genußmittel
einführt, fo werden die inländifchen Eapitale, mit denen jene
fonft hervorgebracht werben müßten, für- andere vortheilhaftere
Zweige der Gütererzeugung verwendbar. 2) Wird nur in ein
zelnen Jahren eine Anleihe im Auslande gemacht und dadurch
eine Zunahme ber Einfuhr veranlaßt, fo ift anzunehmen, daß
bie neu eingeführten Waaren hauptfädhlih Beftandtheile des
Capitals im volföwirthfchaftlichen Sinne fein werden, weil Die
Borgenden nicht zum Behufe eines reichlicheren GOuͤtergenuſſes
Schuldner des Auslanded werben wollen und bie anderen Ein,
wohner feine Vermehrung ihrer Einkünfte erhalten, die fie zu
größerem, unproductivem Aufwande reizen fünnte. Solche Ans
leihen fommen zwifchen zwei gleich wohlhabenden Völkern wenig
vor, vielmehr pflegt das aͤrmere Volk auf folche Weile fein uns
zureichendes Capital von dem wohlhabenberen zu ergänzen (8.80),
welches dabei ebenfalls einigen Bortheil hat (a). Dagegen ift
der bloße Begehr von fremden Waaren bei den Zehrern, ohne
ein Bapitalbebürfnig auf der einen, und einen reichlichen Capital⸗
vorrath auf der anderen Seite, noch fein Beweggrund zu aus⸗
wärtigen Anleihen, und wenn auch die einzelnen inlaͤndiſchen
Käufer die Waaren auf Credit von demjenigen Kaufmann an
fid) bringen, der fie einführt, fo bat dieß auf die Art und Weife,
wie diefer dem Audlande den Gegenwerth vergütet, feinen Bes
zug (d). Sicht dad Volk welches auf folche Weife fremdes
— 55 —
Capital zu Huͤlfe nahm, ſeinen Wohlſtand allmaͤlig zunehmen
und folglich den Zinsfuß ſinken, fo beginnt es bie Tilgung ber
Schulden im Auslande. Anleihen der Regierungen find großen-
theild nicht zu probuctiver Verwendung beftimmt.
(a) NAchnlih in ihren Folgen, nur in Anfehung des rechtlichen Berhältnifies
abweichend, ift die ebenfalls nicht felten vorfommende Gründung von
Fabriken oder Handlungen in einem anderen Lande, bie der Unters
nehmer durch einen vertrauten Verwalter beforgen läßt und mit bem
nöthigen Gapitale ausftattet. Solche Bilielbandlungen haben die Eng⸗
länder fat in allen civilifirten Ländern der Erde.
(5) Es ift daher nicht glaublih, daß der häufige Ankauf frander Waaren
eine Urfadhe der Berarmung ganzer Völker oder Volfsclaflen fein könne,
die man eher dem Berfalle der Nahrungszmweige oder der unmirthfchaft:
lichen Lebensweiſe zufchreiben müßte, wenn fle wirflid eintritt.
im Ardiv, I, 32.
g. 422,
Zu 2). Inwiefern Geld und namentlih Münzen aus
edlem Metalle zur Bergütung ber eingeführten Waaren ins
Ausland gehen können, dieß ift aus den obigen Betrachtungen
über den Bedarf, Vorrath und Preis des Gelded in verfchiebes
nen Laͤndern ($. 268. 270) Leicht zu beurtheilen. ine folche
Bermehrung oder Verminderung der Geldmenge eines Landes,
welche die Preiſe der Waaren merklich erhöht oder erniebrigt,
fann nicht lange beftehen, denn fobald der Unterjchied die Fracht
foften überfteigt (8. 271 (5)), findet man eine Aufforderung,
Geld von da wegzuführen, wo ed wohlfeil ift, und dahin zu
bringen, wo ed den höchften Preis hat (a), Würde man alfe
bie Einfuhr fortvauernd baar bezahlen, fo würde auch bald burch
bie Unternehmungen der Kaufleute wieder foviel Gelb herbei-
fließen, ald.man hinausgefendet hat (5). Das Geld dient folg-
lich nur vorübergehend, die empfangenen Waaren zu vergüten,
denn ba ed unfehlbar wieder entgegengefegte Richtung annimmt,
db. h. hinausgeht, wo es ſich gehäuft hatte, und herbeiftrömt,
wo ed vermindert worden war, fo muß immer zulegt ein
anderes Audgleihungsmittel, nämlih Schulden ($. 420) ober
Maarenfendungen ($. 424), eintreten. Obgleich die Kaufleute in
einzelnen Fällen e8 vortheilhaft finden, Metallgeld oder rohe eble
Metalle hinaus zu fenden, fo fann man doch in der Regel
annehmen, daß jährlich die auögeführten und eingebrachten Geld:
mengen einander gleich find (c).
. (a)
(8)
(e)
— 59
BDerbote der Aus: oder Binfuhr oder Zölle erfchweren dieß Zu⸗ oder
Ahfliegen des Geldes. Beftände 3. B. in einem Lande ein Einfuhrzoll
von 10 Proc., fo könnten nur foldye fremde Waaren, die um mehr als
10 Proc. wohlfeiler oder befier wären, mit Nuben eingeführt werden.
Indeß ift zu erwägen, daß nicht alle Waaren einem fo dohen Einfuhr⸗
zolle unterworfen werden, ſondern gewoͤhnlich nur Gewerkswaaren, —
daß der Schleichhandel bei hohen Zoͤllen eine maͤchtige Wirkung äußern
fann, — endlid daß der Geldüberfluß auch zu anderen Anwendungen,
3. B. Landfäufen ıc. außer Landes geht.
Nur die folgende Beſorgniß bleibt in einem ſolchen Kalle übrig. Das
Zurüdfirömen des Geldes in ein Land, welches feine Waarenkäufe baar
bezahlt und folglich feinen Geldvorrath verringert hat, erfolgt erft,
wenn der Preis des Geldes gegen die Waaren gefliegen if, $. 274.
Diele Veränderung des Geldpreiſes Eönnte alfo Störungen in den Ein:
fünften der verfchiedenen Bolfsclafien hervorbringen ($. 276), bevor bie
Ausländer es vortheilhaft fünden, Geld herbei zu fenden und Waaren
auszuführen. Indeß ift eine ſolche Lage der Dinge nur felten zu er:
warten. Denn fobald das Hinausfenden von Geld anfängt, finft auch
der Wechſelcurs um die Kracht: und Affecuranzkoflen der Baarfendungen
unter Bari, 8. 290. Beträgt der Unterfchied z. B. 2 Procent, fo kann
der ausländifhe Käufer eines nach dem fraglichen Lande traflirten
Wechſels mit einer Ausgabe von 100 fl. die Verfügung über 102 fl.
erlangen, und dieß giebt bald eine Srmunterung, Waaren fommen zu
lafien, weil man fie um 2 Procent wohlfeiler anfaufen kann. Rod
ehe alfo im Lande felbft die Geldpreiſe fich merklid verändert haben,
fann fhon durch den Wechſelcurs det Anftoß zum Cinkaufe von Waaren
erfolgt fein, wodurd das Hinausfenden von Münze entbehrlich gemacht
wird. Für die a — fann durd Beichleunigun des Geldumlau⸗
fe, Sowie durch Ginführung von Papiergeld die Verminderung ber
Münzmenge unfühlbar gemadht werden. Kein größeres Land, es fei
ärmer ober reicher, wird Mangel an folden eigenthünlichen —A
niſſen haben, die, wenn ihr Preis etwas finkt, im Auslande leicht Ab:
faß finden. Vergl. 6. 192. 193. 213. Rau, im Archiv, I, 33.
Wer noch heutiges Tages das Handelsiuftem vertheldigen wollte, der
müßte fowohl die Möglichkeit als die Nuͤtzlichkeit eines fortwährenden
Geldzufluſſes vom Auslande darthun. Erſtere ift aus den Angaben über
Auss und Einfuhr nicht zu erweifen, weil die &eldfendungen leicht
verheimlicht werben können. In Rußland follen in den beiden Jahr:
zehbnden 1814—23 und 1824—33 im Durdfcnitt 32 Mill. Rub. Af.
Gold und Silber eins und gegen 6 Mill. ausgeführt worden fein
(Schubert, Handb. der a. Staatef. I, 237), und auch fpäterhin
wird jährlich eine größere Binfuhr von Muͤnzmetallen angegeben, deren
Mehrertrag gegen die Ausfuhr 3. B. 1835 8 Mill., 1838 16 Mil. R.
Af., 1843 800000, 1844 5600000 R. Silber geweien fein fol. Die
Zunahme des inneren Verkehrs fönnte zwar ein ſtaͤrkeres Geldbeduͤrfniß
veranlaßt haben, dagegen iſt aber auch die flarfe Bold: und Silber:
production zu erwägen und es kann an ber langen Bränzlinie viel edles
Metall ohne Aufeihnung ausgeführt worden fein. — In Frankreich
fol an Gold, Silber und Blatina 1800-35 zufammen die ira
3778 Mill. Fr., die Ausfuhr 2039 Mill. Fr., 1827—36 die Ginfu
1646 Mill., die Ausfuhr 700 Mill. Fr. geweien fein. Dieß gäbe in
jedem Jahre des letzten Jahrzehends einen Ueberfhuß ter Ginfuhr von
94 Mil. Fr‘, in dem ganzen 36fährigen Zeitraume aber von jährlid
48 Mill. Fr., während die Abnüpung und Verarbeitung wahrfcheinlid
weniger betragen hat. Daher hat vermuthlich jene zum Theil durch die
Staatsanleihen veranlaßte Geldzufuhr wieder nad irgend einer Seite
— 560 ° —
ihren Abflug gefunden, und der amtliche Bericht im Tableau décennal
du commerce de la France, 1827—1836 (Paris 1838), fagt auch bei
den edlen Metallen nur: Les entröes et les 'sorties, qui en ont pu ötre
oonstatees. — Man hat Großbritanien als Beifpiel eines Landes ange⸗
führt, welches wegen der Ueberlegenheit feiner Betriebfamfeit eine große
Metallmenge anzuhäufen im Stande fei, ohne daß feine Ausfuhrartifel
zu fehr vertheuert würden, alfo ohne Abnahme der Ausfuhr. Allein
Großbritaniens Münzmenge ift befanntlid, feineswege groß zu nennen,
6. 266 (a), der niedrigere Preis der Müngmetalle in diefem Lande
rührt vielmehr von dem wohlfeileren Bintaufche derfelben ber ($. 221 (2))
und die jährlihe Geldausfuhr beweift, daB man nicht geneigt ift, über
den Bedarf von den einftrömenden Gold- und Silbermaſſen zu be
halten. Weberhaupt ift die Geldmenge der größeren Handelspläge in
unaufhörlidem Wechfeln begriffen, da 3. 3. bei jeder Erhöhung des
Disconto fogleih Baarfendungen veranflaltet werden. Ueber den
Nupen des Geldzuwachſes ſ. $. 273 (2), vgl. auch II, 6. 298 (a).
Kür die entgegengefehte Anfiht: Kaufmann, De falsa A. Smithii
circa bilanciam mercatoriam theoris. Heidelb. 1827. Defien Unterfuch.
1. Bd. — Ginige Worte über Handel und Snduftrie in Deutichland.
Münden, 1830.
8. 423.
Es giebt jedoch mehrere bemerfenswerthe Ausnahmen biefer
Regel, nämlid Bälle, in weldyen eine Aus» und Einfuhr von
Münzmetallen Feine Beränderung in ben Preifen des Geldes
bervorbringt und alfo wirklich zur Vergütung von Waarenfäufen
dienen kann. Dieß ift fo zu erflären: a) Jedes Land, welches
feine Gold» und Silberbergwerfe hat, muß jährlich eine gewiſſe
Menge edler Metalle einführen, um fowohl die Abnügung und
den Verluft an Münzen ($. 277 a. (a), ald bie anderweitige
inländifche Verarbeitung zu erfegen. In diefer Beziehung ers
fcheinen die edlen Metalle blos ald Verwandlungsſtoff. b) Ein
Volk, welches aus feinen Berge oder Wafchwerfen edle Metalle
gewinnt, kann jährlidy den für das eigene Land überflüffigen
Theil derfelben ausführen, und diefer Theil ift dann nicht als
Geldmaterial, fondern wie irgend ein anderer Ausfuhrgegenftand
zu betrachten. Achnliche Wirfung, nur auf kuͤrzere Zeit, hat
die Einführung und Vermehrung des ‘Bapiergeldes, $. 297.
c) In Ländern, deren Bevölkerung, Gewerbfleiß und Güter-
umlauf ficy fchnell erweitern, findet bis zu einer gewiſſen Gränze
bin eine fortdauernde Mehreinfuhr von Müngmetallen ihre Bers
wendung zur Befriedigung des Gelbbebürfniffed. Dieß findet
in noch höherem Maaße da ftatt, wo dad umlaufende Papier:
geld zum Theil zurüdgezogen und durch Münze erjept werben
— 561 —
ſoll. d) Eine geringe Aenderung der Geldmenge kann auf die
Preiſe in einem größeren Lande noch feine Wirkung äußern,
weßhalb Feine Unterfchiede der Eins und Ausfuhr ohne Schwie-
rigfeit mit Münzfendungen ausgeglichen werden können.
(2) Nimmt man die Geldmenge eines Landes zu 30 fl. auf den Kopf, dieſen
Abgang zu 2 p. m. an, fo muß fhon aus dieſer Urſache auf jebe
Million inwohner ein jaͤhrlicher Geldzufſuß von 60000 fl. kommen.
8. 424.
Zu 3). Don bdiefen Ausnahmen abgefehen, bleibt bie
Dedung der Einfuhr dur die Ausfuhr von Waaren ale
das leichtefte, am allgemeinften anwendbare und baher gewöhn-
lichte Mittel übrig. Es liegt in der Natur des Verfehres, daß
in den meiften Fällen Aus» und Einfuhr einander ziemlich)
gleich find und ſich wechfelfeitig bedingen, weßhalb man nicht
bie Bortheile einer großen Ausfuhr genießen kann, ohne fid)
auch zum Einfaufe ausländifcher Waaren zu entichließen. Wird
die eine von beiden Größen vermehrt oder vermindert, fo pflegt
dieß bald die entfprechende Aenderung der andern nad) fich zu
ziehen. So wird 3. B. dur eine Abnahme ver Ausfuhr bie
Einfuhr ausländifcher Rurusgegenftände vermindert, denn jene
Veränderung verurfacht eine Stodung in den für die Ausfuhr
arbeitenden Gewerben und vermindert die Einfünfte der dabei bes
theiligten Unternehmer, Gapitaliften und Grundeigner, fo daß
biefe fi im Ankaufe von Genußmitteln einfchränfen müffen (a).
Eine große Einfuhr enthält nicht Beunruhigended, denn man
darf vorausfegen, daß das Volk Mittel findet, die anderen
Völker für die gekauften Waaren zu befriedigen, und wie dieß
auch gefchehen mag, fo entftehen daraus Feine Nachtheile für
den Wohlftand des einführenden Volkes. Die Erftattung durdy
ausgeführte Waaren ift für Erzeuger und Zehrer vortheilhaft
(8.413), die Dedung durd) Geld (8.422) oder Schulden ($. 420)
wird aber gewöhnlich nur dann zu Hülfe genommen, wenn fie
nicht ſchäädlich ſein kann (d). Daher braucht man, um den
günftigen Zuftand des auswärtigen Handel zu bemeflen, nur
nad ber Größe, ven Erzeugungsfoften und Berfauföpreifen ver
ausgeführten Waarenmenge zu fragen.
Rau, yolit. Dekon. L 7. Ausg. 36
5 —
(a) Auf den canarifchen Infeln hat die Weinausfuhr nad England abge
nommen, weßhalb man weniger franzöfiihe Kunftwaaren fauf. Macs
Gregor, Die canarifhen Infeln S. 189—192. — Seitdem Norwegen
weniger Bauholz nad England abſetzt (von 1809 an), kauft es weniger
enalitche Kunftwaaren und dagegen mehr bdeutfche, weil der Holzhandel
ftärfer nach Deutichland geht.
(6) Ge läßt fih allerdings im Allgemeinen nicht beftimmen, bis zu welchem
Grade die Störungen des auswärtigen Verkehrs durch die in ber Volks:
wirtbichaftspolitif (2. Band) zu betrachtenden Zölle und Berbote gehen
fönnen. Sie äußern fi hauplfächlich in der Verringerung der Ausfuhr
und in der Berfümmerung derjenigen Gewerbe, durch welche die eins
träglichiten Nusfuhrartifel erzeugt werden Fönnten, und wenn audh zu:
folze einer ſolchen Veränderung die Binfuhr Heiner wird, fo find body
empfindliche Nachtheile für die Gewerbsthätigkeit moͤglich, bie fih nach
einiger Zeit das oben bezeichnete Gleichgewicht wieder herftellt, 8. 417.
g. 425,
In den vorftehenden Sägen find ſchon einige Urfachen erflärt
worden, aud denen Abweichungen von der Regel bed Gleich⸗
gewichted zwifchen der Aus⸗ und Einfuhr von Waaren entfpringen,
nämlich 1) die Bälle, in denen ein Bolf mehr Waaren aus⸗ als
einführt, weil ed Anleihen in ein anderes Land giebt oder abs
trägt, oder folche einfeitige Xeiftungen ($. 418. 419) vornimmt,
die gar nicht oder nur augenblidfich in Geld entrichtet werden (a).
Ohne Zweifel if ein aus Anleihen an andere Völker herrührender
Meberfchuß der Ausfuhr, ald Zeichen des Reichthums ($.80) für
guͤnſtig zu halten; 2) bie Fälle, wo eine Auss oder Einfuhr von
Geld ftattfinden kann ($. 423), und folglich eine diefer Geldfumme
entfprechende Menge anderer Güter in entgegengefegter Richtung
von einem Lande in das andere geht. Hiezu kommen noch einige
andere Urfachen. 3) Da die Handelögefchäfte nicht gerade im
Laufe eined Jahres gegenfeitig beendet werben, fondern oft für
die verfendeten Güter erft im folgenden Jahre oder noch fpäter
ber Gegenwerth in Empfang genommen wird, fo kann fchon deß⸗
halb die Einfuhr eines Jahres von der gleichzeitigen Ausfuhr ver-
fhieden fein. 4) Werben Aus» und Einfuhr nach den inländifchen
Preiſen berechnet, jo muß legtere, auch abgefehen von allen
anderen Urfachen, um den Betrag der Handelsgewinnſte unb
Hanbelöfoften größer erfcheinen, $. 414, Nr. 1 (Bd).
(a) Solche Leiftungen zwiſchen den Völkern werden alfo eigentlih inWaaren
entrichtet. Irland hat jährlih an England mehr zu geben, als es von
demfelben empfängt ($. 419 (4)), weßhalb 3. B. im Durdichnitt von
1790—1794 die Ausfuhr von Irland um 1195810 8. St. größer war,
0)
_— 563 —
als bie Ginfuhr Als man jeto 1795 anfing, die für Irlands äffents
liche Bedürfniffe nöthigen Anleihen in England zu borgen, fo änderte
fit) jenes Verhaͤltniß, Irland wurde mehr — und fuͤhrte deſto
weniger Waaren aus, daher war 1795—1799 im BD. bie Ausfuhr nur
nod um 4664668. St. größer, 1800—1804 aber fogar um 1°071428 2.
leiner als die Cinfuhr; J. Leslie Foster, An essay on the prin-
eiples of commercial exchanges. Lond. 1804. — Hüttner, Engl.
Miscellen XVII. Bd. — Großbritaniens Ausfuhr nabm während der
legten Kriege mit Frankreich in gleihem Schritte mit den aufgewendeten
Kriegskoſten zu. Daß der Unterfchied zwifchen der Aus: und Cinfuhr
nicht fo groß erfcheint, al& die Summe ber Kriegsausgaben, rührt theils
von den unzuverläfligen Aufzeihnungen, theil6 auch von bem Umſtande
—F daß viele durch den Krieg veranlaßte Ausgaben in Großbritanien
elbſt vorgenommen wurden. Der Ueberſchuß der Ausfuhr betrug jaͤhrlich
A im Ganzen, B im Handel mit Deutſchland und Preußen insbeſondere:
A B
Friedensjahre 1784—1792 905 190 2. St. 535 723 8. ©t.
Kriegsjahre 1793 —1801 4671430 s = 453781 = +
Auigelabre 1802—1815 9543736 s s 3581800 : =
Bol. Cäf. Moreau, Ueberſ. des brit. H. nach allen Ländern der
Welt, überf. von Ciſenbach, Etuttg. 1824. 4 Bogen Fol. —
Brantreiige Einfuhr war feit lange nicht 7 neo ale im Jahre 1815.
n den Sahren 1815—1820 fol die Ausfuhr zulammengenommen um
746 Mill. Fr. größer geweſen fein ale die Binfuhr ıc. ſ. die Tabellen
beiv. Gülich, I. 4 S. 29, was mit der Kriegscontribution von
700 Mill. Fr. in Verbindung gebracht werden kann, vgl. ILL, 6.77. —
Ungarn führte nach den Zollliften fortwährend mehr aus ale ein. Der
Mehrertrag der Ausfuhr wird angegeben im Jahre 1800 zu 9 Mil. f.,
1802 zu 6, 1812 zu 5 Mill. fl., 1842 zu 3%, Mill. im Verkehr mit
den andern oͤſterr. Provinzen (Czoͤrn ig, Statifl. Tafeln). Bur rflä-
rung dient der Aufenthalt vieler Reihen ın Wien, die Zins⸗, Kriegsſteuer⸗
Hhlum en, die hinausgehenden Domaͤnen⸗, Zoll⸗, Poſt⸗, Lottoeinkuͤnfte sc.
gl. Neueſte geogr. flat. Beſchreib. des K. Ungarn, 2.0. 1834. S. 75.
Es iſt auffallend, daß das Handelsfyftem dieſen Umſtand überſehen
konnte. Führt ein Volk für 10 Mill. fl. inläändiſche Waaren aus und
taufcht im Auslande für 10%, Mill. fremde Waaren ein, Die im Lande
11 Mill. gelten, fo if ein Uebafhuß von 10 Proc. für Fracht⸗ und
andere Koſten und Handelsgewinn vorhanden. Wenn freilich ein Volk
fih im gende ganz paſſiv verhielte ($. 415), fo würde die Binfuhe
dem Preiſe nach den dafür eingelauften Ausfuhrgegenfländen gleich ftehen
müflen. Sonft aber ift eine Mehreinfuhr von 3. B. 10—20 Proc.
ganz in der Natur der Sache gegründet und nur wenn ber Ueberfchuß
der Ginfuhr über den wahrfcheinlihen Sewinnfag und Koftenbetrag
hinausgeht, muß man eine andere Art der Dedung vermuthen. Das
Gap hat im Durchſchnitt von 1827 u. 28 jährlih für 273507 2. eins,
für 232 852 2. ausgeführt, was ein Berhältnig der Ausfuhr zur Ein⸗
fuhr wie 100 zu 117 anzeigt. Im Durchſchnitt der nämlichen Jahre
war in Euba die Ausfuht 6 Mill. Fr, die Binfuhr 92-219 080 Fr.,
alfo wie 100 zu 134. Dieß wäre ein überaus einträglicdker Handel,
wenn bie Ginfubr blos mit der genannten Ausfuhr erfauft worden if.
8. 426.
Das Handelsfuftem verfannte bie natürlichen Geſete bes
Verkehres zwiſchen den Völkern und nahm an, es könne fort
36°
— 864 —
während ein betraͤchtlicher Unterſchied zwiſchen ver Aus⸗ und
Einfuhr eines Landes (Handelsbilanz, 8. 35) ſtatt finden,
welcher durch Geldſendungen ausgeglichen werde, ſo daß alſo
das eine Land durch die Fortſetzung eines ſolchen Verkehres
großentheils um feine Muͤnzmetalle kaͤme, das andere aber immer
größere Fülle derfelben erlangte. Da man die Nüslichfeit des
auswärtigen Handeld bloß nad der Befchaffenheit der Bilanz
beurtheilte, fo gemöhnte man fi daran, den Ueberfchuß ber
Ausfuhr oder die günftige Bilanz ald Gewinn, die ungünftige
(die fogenannte Unterbilanz) ald Berluf für dad Land
zu betrachten (a). Diefe Anficht wird eben ſowohl durch Die
Forſchungen über die Preiſe der edlen Metalle in verfchiedenen
Lündern (8. 268 ff.), ald durch den Erfahrungsfap wider⸗
legt, daß die Geſchichte Fein Beifpiel eined Landes barbietet,
welches zufolge eined folchen vermeintlich nachtheiligen Handels
feinen nothiwendigen Geldvorrath und feinen Wohlftand eins
gebüßt hätte. Auch ift es ſchon im Allgemeinen undenkbar, daß
in einer höheren Weltorbnung jedem einzelnen Bolfe nur ein
folder Weg zur Erhöhung feiner Wohlfarth angewiefen worden
fein follte, auf dem es nicht vorwärts fchreiten Eönnte, ohne
“andere in diefem Wettkampfe unterliegende Völfer zu Grunde zu
richten. Es verdienen jedoch die Mittel noch eine befondere
Beleuchtung, deren ſich die Anhänger des Handelsſyſtems bedien⸗
ten, um die Größe der Handeldbilanz zu berechnen, nämlich der
Wechfelcurs und die Zollverzeichnifje, Zollliften.
(a) 3.8. de Vaublanc, Du commerce de la France (Paris 1824), S. 58:
Suivant ces &tats la France a obtenu, en 1820, un avaniage de 91 mil-
lions, mais en 1821, de 10 millions seulement. — On concoit qu’un
commerce presque stationnaire se change ensuite en perte etc.
$. 427.
Wenn der Wechfelcurd eined Landes A nad) einem
anderen B, nad) dem reinen Metallgehalte der Münzen (a) bes
mefien, über dem ‘Bari fteht, fo ift dieß Eein ſicheres Kennzeichen
einer fogenannten für A ungünftigen Hanbeldbilanz, d. h. einer
Mehreinfuhr von Waaren in A, denn er beweift nur, daß mehr
Geldfummen von A nad) B ald in umgefehrter Ricytung zu be=
zahlen find, aber dieſe Geldzahlungen müffen nicht nothwendig zur
— 565 —
Vergütung von Waarenfendungen beftimmt fein, 8. 291. Ueber⸗
dieß bezieht fich jeder einzelne Wechſelcurs nur auf den Verkehr
zwifchen je zwei Völkern, die in biefem aus- oder eingehenden
Geldſummen können aber leicht nach einer anderen Seite wieder
ein⸗ ober audfließen ($. 422); nur aus ber Gefammtheit ber
Auss und Einfuhr eined Landes bildet ſich die Handelsbilanz
und fteht unter dem Geſetze ded Gleichgewicht ($. 418 ff.).
Wenn alfo auch Feine anderen Urfahen im Spiele wären und
feine Schulden zwifchen ben betheiligten Voͤlkern ftehen blieben,
fo müßte und dürfte man doch nur aus den Wechfelcurfen eines
Landes nad) allen übrigen Rändern zugleich auf die Verhältniffe
des Waarenhandeld ſchließen. Es giebt jedoch nicht einmal von
einem einzelnen Lande nach allen anderen einen regelmäßigen
MWechfelverfehr, auch finden im Handel mit nahen PBlägen dee
Auslandes öfters Baarfendungen Statt, die gar nicht auf den
Curs der Wechfel wirken.
(a) Smith, II, 300. Zur genauen Nusmittlung des Bari muf man die
wirfliche, nicht blos die geiegliche Beichaffenheit der umlaufen?:n Sor:
ten berüdfihtigen, bie bisweilen durch fehlerhafte Prägung und Ab:
nußung erheblich geringhaltiger find, als fie fein follen.
$. 428.
Nicht weniger unficher find die Ergebniffe ber bei den Zoll-
ämtern eined Landes geführten Verzeichniffe der aus⸗ und eins
gehenden Waaren, der Zollliften. Die Urſachen ihrer Unzu⸗
verläffigfeit verdienen darum eine aufmerffame Betrachtung, weil
man indgemein fowohl das Urtheil über die günftige oder uns
günftige Beichaffenheit des Handeld, ald die Borfchläge zu
Regierungdmaßregeln auf diefe Angaben fügt (a). Die ge
nannten Berzeichniffe können
1) des Schleichhandeld wegen die aud- und eingeführte
Menge von Waaren nicht genau angeben. Jener ift ungers
ftörbar, fo lange er wegen der hohen Zölle anfehnlicdye Gewinnfte
verfpricht, auch kann man nicht darauf rechnen, daß die heims
lich eins und ausgeführten Gütermengen einander ungefähr gleidy
feien, denn die Ausfuhrzölle find gewöhnlicdy niedrig und nur
bei wenigen rohen Stoffen, die man nicht leicht unbemerkt über
bie Graͤnze fchaffen kann, von Belang, dagegen werben hohe
— 566 —
Einfuhrzölle vorzüglich von Foftbaren Golonial- und Gewerko⸗
waaren erhoben; hier ift alfo die Verſuchung zum Einfchwärzent
weit flärfer und bie Angaben find bei der Einfuhr unrichtiger
ale bei der Ausfuhr (Bd).
(e) Bieleiht hat man auch den Erfund dieſer Liſten bisweilen nicht mit
urkundlicher Treue behandelt und abfihtlih an den Bahlen geändert,
um dasjenige darzuftellen, was die öffentlihe Meinung als untrügliches
Mertmal des Volkswohlſtandes anjah; ein ſolches Verfahren Tonnte
fogar bei den redlichften Abfichten vorfommen, indem der Staatsmann,
der den blühenden Zuftand der Volfswirtbfchaft deutlich erkannte, Die
Zahlen, die eine ungünftige Bilanz anzudeuten fchienen, für irr
ielt. — Man geräth auf diefe Vermuthung, wenn man bedenkt, da
aft in allen Staaten die Bilanz als günftig dargeftellt wird, was do
unmöglich ifl.
(3) In manden Ländern giebt man ſich nicht die Mühe, die zollfrei aus⸗
oder eingeführten Maaren aufzuzeichnen, und dieß vergroͤßert noch die
Unrichtigkeit der Verzeichniſſe. In den engliſchen Liſten warb bis 1797
das ausgeführte Bold und Silber mit aufgerechnet, nicht aber das
eingeführte, weil es keinen Zol entrichtet. Gäfar Moreau
a. a. D. Neuerlih bat fich ergeben, daß auch bie Golvausfuhr in
vielen Fällen verfhwiegen wird. — Belgien führte viele Spiken nad
Großbritanien, die weder hier in der Binfuhr, noch dort in der Auss
fuhr arlgezeigt waren. „‚C’est bien tenter le diable que de mettre des
droits de 30 p. c. sur les dentelles .. . Ce commerce, qui s’eldöve &
plusieurs millions, r&tablit en partie la balance dans nos rapports avec
l’Angleterre.“ Perrot, Rev. de l’exposition en 1841, Brux. G. 91.
8. 429.
2) Auch die Beichaffenheit der Waaren iſt aus ben Zoll⸗
liſten nicht ficher zu erfennen, weil die Unterfucdhung durch bie
Zollbeamten nicht immer genau if, bie @igenthümer aber oft
gefliffentlih eine geringere, vielleicht niedriger verzollte Sorte
angeben (a).
3) In Anfehung ber Breisfäse bieten fi neue Schwie-
tigfeiten baz, unb zwar
a) in Hinficht der Duelle, aus welcher die Preisſaͤtze ges
nommen werben. Läßt man biefelben von den Eigenthümern
ber Waaren angeben, fo ift nicht zu erwarten, baß eine. foldhe
Erklaͤrung (Declaration) ganz richtig fei, weil man aus
itgenb einem Mißtrauen oder zur Erreichung eined Vortheils
oft falfehe Zahlen, und zwar meiftens zu Heine Zahlen angiebt.
Bedient ſich dagegen bie Regierung feſtſtehender Preisfäge, fo
weichen diefe fchon nad wenigen Jahren von ben wirklichen
Preiſen ab, und. nach) längerer Zeit find fie durchgehende uns
— 567 —
brauchbar, um die Groͤße der Bilanz anzuzeigen. Ein unver⸗
aͤnderlicher Preisſatz gewährt jedoch einen anderen Nutzen, denn
es laͤßt ſich aus ihm erkennen, wie von Jahr zu Jahr die ganze
eins und ausgefuͤhrte Waarenmenge ſich verändert hat (6). Die
in einigen Laͤndern den Zollbeamten auferlegte Erforſchung der
jedesmaligen Marktpreiſe iſt ſehr muͤhſam. Sie giebt keine voͤllige
Genauigkeit, aber doch immerhin nügliche Anhaltspuncte zur
Schäbung der Ein» und Ausfuhr.
b) In Anfehung der Zeit und des Ortes, für melden
man bie Preife berechnet. Am natürlichften ift es, ſowohl bei
ber Aus- als bei der Einfuhr die inländifchen ‘Breife zu Grunde
zu legen, weil fie anzeigen, weldyen Erlös der inländifche Er-
zeuger erlangt und wieviel der Zehrer auszugeben hat. Wo
man die Einfuhr nach dem Einfaufspreife im Auslande anſetzt,
da erhält man ein anderes Ergebniß, welches zwar ben Tauſch⸗
Gegenwerth unter den Kaufleuten, nicht aber die anderen, der
Einfuhr willen vorgenommenen Ausgaben anzeigt. If in dem
einen Lande die erfte, in dem andern die zweite Methode ange⸗
nommen, fo Fönnen dieſer Ungleichheit willen die Zahlen nicht
mit einander verglichen werden (c).
(c) In Würtemberg gaben die fechsjährigen Zollliften eine Binfuhr von
1850 Gentner Blei zu 15 fl. und nur 25 Gentner Zinn zu 58 fl.
Man vermuthete daher, daß unter dem angeblichen Blei auch viel Zinn
verborgen geweſen fei.
(5) Bei jeder einzelnen Waare ift zwar bie eins und ausgeführte Menge
geradezu in den Zolllikten zu finden, aber eine Hauptfumme ift nur zu
erhalten, wenn man Preife zu Hülfe nimmt. Die englifchen Liften find
feit 1696 nach den damaligen Marktpreifen fortgeführt worden, bie
jenen Bortheil, daß fie genau die Zu: oder Abnahme der auss und
eingehenden Waarenmengen anzeigen, in vollem Manße geben. Dieß
find die fogenannten amtlihen oter Bollhauspreife (official,
customhouse-prices) im Gegenfage der von den Gigenthümern declas
rirten Preife, welche erſt feit 1798 in den Aus Fuheliften mit auf:
eführt werden und wahrfcheinlidh noch zu niedrig find. Lowe, Gegenw.
—*8— von England, S. 28. de Vaublanc a. a. O. S. 14. Mac-
Culloch, Stat. acc. II, 106. — Die amtlichen Breife blieben alls
mälig fo weit Binter den Marftpreifen zurüd, daß man bie letzteren
während der Kriegsiahre im Ganzen um 50 Procent höher eradhiete,
Im Jahre 1803 verhielt fl fogar der officielle zum beclarirten Preife
wie 100 zu 180. Erf feit 1820 bleiben die Marktpreife im Ganzen
genommen unter den Zollpreifen, welches aber keineswegs ein fo —8
inken aller Guͤter, ſondern nur die Wohlfeilheit der Hauptbeſtandtheile
der Ausfuhr, * der Zeuche und Metallwaaren, beweiſt. 1821 war
ber declarirte Marktpreis nur 87 Procent des Zollpreiſes, 1826—28 im
Durchſchnitt 72 Proc., 1832—34 gleihmäßig nur 56 Proc., 1836—40
55 Protent, in den 11 Jahren 1841—51 fogar nur 43 Procent. Die
— 568 —
Ginfuhr ift nur nach den amtlichen Preifen angegeben. Da dielelbe in
Großbritanien meiflens aus rohen Stoffen beſteht, fo ift zu vermuthen
($. 186), daß die officiellen Preife bei ihr noch jest unter den Marfts
preifen ftehen. — In Frankreich werden bei den Angaben über Auss
und Ginfuhr die durch Verordnung vom 29. März 1827 feftgeftellten
fogenannten permanenten Breife, nämlid fowohl bei der Einfuhr
als bei der Ausfuhr die damals am Grzeugungsorte beftehenden, zu
Grunde gelegt. 1848 wurden durch eine dazu ernannte Gommiflion
die neueren Dreife ermittelt, und zwar bei der Ausfuhr die am Abs
fendungsorte, bei der Ginfuhr die in den franzöftichen Lagerhäufern
(alfo ohne Zoll) geltenden. N. Bondot in Journal des Econ. XXIII, 21.
Annuaire de Pécon. polit. 1851, 392. Diefe fogen. valeurs actuelles
werden jährlich neu berichtigt. Im Durchſchnitt 1851—53 war ber
jetige Preis der Ginfuhr 2,7 bei der Ausfuhr 3,2 Procent über dem
älteren (officiellen) Preiſe. — In Belgien wird der amtlide
Preis (v. permanente) von 1833 fortwährend angewendet, feit 1847
aber daneben der in jedem Jahre ausgemittelte Marktpreis, valeur
variable. Diefer war im D. 1846—50 bei der Ginfuhr 93,? Procent,
bei der Ausfuhr 81,' Procent des amtlichen Preifes.
() In Großbritanien nahm man 1696 die Binfuhrartifel nach den Preifen
bes Landes an, aus welhem fie gebracht wurden. In Nordamerica
wird jet die Einfuhr nad den Preiſen der fıemten Häfen berechnet,
mit Zuichlag der weiteren Koften, Gef. vom 3. März 1851.
8. 430.
Ungeachtet diefer unvermeidlichen Ungenauigfeit darf man
doch nicht unterlaffen, die Aus» und Einfuhr zu erforfchen, um
wenigftend näherungsweife den Gang des Handeld kennen zu
lernen (a). Vorzuͤglich lehrreih iſt es, die Menge jeder Art
ber aus⸗ und eingehenden Waaren ausdzumitteln und die hierin
fi zutragenden Veränderungen zu beobachten (5). Bei der Ers
forfchung der ein⸗ und ausgeführten Gütermenge ift zu unter-
ſcheiden:
1) die Ausfuhr von eigenen Erzeugniſſen eines Landes und
die Einfuhr von Waaren, welche in demſelben zum Ver⸗
brauch gelangen;
2) die Einfuhr zum Zwecke der Ausfuhr im Zwiſchenhandel
($. 432) und die wirkliche Wiederausfuhr.
Die Summe beider ift die gefammte Aus» und Einfuhr
(Commerce general), der unter 1) aufgeführte, für die Volks⸗
wirthfchaft vorzuͤglich wichtige Theil ift die eigene Aus- und
Einfuhr des Landes (commerce special). “Der Unterfchied
zwifchen der gefammten und der eigenen Aus» und Einfuhr zeigt
den Umfang bed Zwifchenhandel® an (c). Am wichtigften ift
bie Kenntnig der Ausfuhr und ihrer Beftandtheile ($. 424),
569° —
um daraus den Umfang und die Richtung der für dad Aus-
land betriebenen Stoffarbeiten fowie die Zu- oder Abnahme
berfelben von Jahr zu Jahr zu beurtheilen (d). Die Kenntniß
ber Einfuhr wäre, wenn die Ausfuhr befannt ift, cher zu
entbehren, weil man irgend einer Art von Vergütung der aus⸗
geführten Waaren ficher fein fann, body ift es immer nüglich,
die Befchaffenheit der eingeführten Waaren zu erfahren, woraus
fi unter Anderem abnehmen läßt, wie ſich die productive Ver:
zehrung zu der unprobuctiven verhält.
(a) In Frankreich wurde fon unter ZudwigXIV. ein Bureau der Hantelss
bilanz (bureau de la balance du commerce) errichtet, welches forgfältig
die Marktpreife der Waaren erforſchte und fie auf die Zollliſten ans
wendete. de Vaublanc, a. a. O. ©. 77.
In jedem alle ift es nüglich, das, was die Zollverzeichnifie ausfagen,
mit dem zufammenzuhbalten, was man fonft über den Verkehr eines
Landes weiß, und dadurch eine Art von Kritik der erfleren zu üben.
Bol. v. Malhus, Statifif, S. 391.
Dft findet bei einer und derſelben Waarengattung fowohl Aus: als
Einfuhr Statt. Man Fönnte verſucht fein, beide Größen von einander
abzuziehen und nur ben Mehrbetrag ber flärferen in Rechnung zu
bringen, wie 3. B. im Zollverein 1850 494298 Gentner rohe Baums
wolle ein:, 151953 Etr. ausgingen. Allein in vielen Fällen find es
nicht die nämlihen Arten oder Sorten, wie 3. B. mageres Vieh hereins
und gemäftetes hinausgeht, auch kann es eine Erfparung an Fracht
foften fein, daß an der einen Bränze Einfuhr, an der anderen Ausfuhr
vorfommt, endlich ift das Cinführen jur MWiederausfuhr immer ein eins
trägliches Beihäft des Zwifchenhandels.
Statiftifhe Beifpiele.
(d)
Befammter
Handel
Fr.
Belgien. A. Permanente Preiſe:
D. 1841—45 Ginfuhr 302837000
Ausfuhr 245-754 000
Mehr-Ginfuhr 57-083 000
D. 184650 Ginfuhr 391°690 000
Ausfuhr 373:775 000
Mehr-Sinfuhr 17-915 000
B. Sahrespreife:
D. 1846—50 Einfuhr 365°096 000
Ausfuhr 321.808 000
Mehr⸗Cinfuhr 43-288 000
Handel
des eigenen
Landes
Fr.
215°733 000
162393 000
53°340 000
228°991 000
211°959 000
17'032 000
213818 000
172°016 000
41'802 000
Menn man für die leßtere Periode die Auss und Ginfuhr nach den
Iahrespreifen zuſammenrechnet, fo ergiebt fih, daß die eigene Auss und
Einfuhr des Landes 56 Proc. der gefammten,, der Zwifchenhandel alfo
44 Proc. beträgt. Die Mehr⸗Ginfuhr im eigenen Handel ift 25, Broc.
der Ausfuhr. “
— 570 —
Bremen. D. 1851—53 Ginfuhr 42°051 000 Thlr.
Ausfuhr 38342000 Thlr.
Mehr: Einfuhr 3709000 Thlr.
oder 9,6 Proc. ber Ausfuhr. Der Thaler ift Ye des Friedrichsd'ot
Frankreich, feite amtliche PBreife, gefammter Handel.
sun r. Ausfuhr.
D. 1827-36 667 iM. Sr. | 698 Mil. Fr.
1839—43 1089,8 = ⸗ 1002 ⸗
v
1844—48 1179 s | 118718 2 =
1849-53 13088 ss | 16853 ss
Jahr 1853-—— 162° =: ss | 1 =: =
D. 1839-53 11925 =: = | 12T =: 5
Diele Zahlen zeigen bie große Zunahme des auswärtigen Handels; die
Einfuhr aber iſt wahrfcheinlih zu niedrig angegeben.
Eigener Handel des Landes, D. 1851 —53:
Feſte Preife. Sahrespreife.
Einfuhr 957 Mil. Er.| 982,7 Mil. Fr.
Ausfuhr 1238 = =;| 1319 ⸗ ⸗
Mehr⸗Ausfuhr 281 Mil. Fr-| 335,7 Min. Fr.
Hamburg, D. 1848—52, Einfuhr 331482000 Mark Bao.
Ausfuhr. 301900 000 > ⸗
Mehr⸗Ginfuhr 29582000 Mark Sco.
oder 9,8 Proc. der Ausfuhr.
Nordamericanifhe Freiftaaten.
1784 @infuhr 18 Mill. Dol.
Ausfuhr 4 5 8
Mehr-Einfuhr 14 MN. Doll. = 350 Proc.
D. 1790—1820 E. 48 Mill. Dol.
1.35 > ⸗
Mehr⸗Cinfuhr 13 Mill. Doll. = 37 Bror.
D. 1822—1828 E. 82,3 Mil. Doll.
A. 79,5 ⸗
z
D. 1850-1853 Cinfuhr 218-739 000 Doll.
Ausfuhr 202-595000 s
Mehr⸗Cinfuhr 16144 000 Doll, = 7,9 Proc.
Defterreih, D. 1831—40 Einf. 87 388000 fl.
Ausf. 89688000 =
Mehr⸗Ausf. 2°300 000 fl. = 2,6 Proc.
D. 1841—50 Einf. 113602000 =
Ausf. 96°030000 =
Mehr⸗GCinf. 17572000 fl.
oder 18,2 Proc. der Ausfuhr.
Deutfcher Zollverein:
D. 1837—41 nad Bierfad Ginf. 165782 000 Thlr.
Ausf. 168°497 000 ⸗
Scheinbare Mehr⸗Ausf. 2715000 Täler.
— 571 m
D. 1842—46 nah Junghanne E. 210.303 000 Thlr.
A. 170°089000 =
—
Mehr⸗Cinfuhr 40214000 The. = 23,6Proc.
.D. 1850 u. 51 nah Hübner GW. 183582000 Thlr.
N. 175 717000 ⸗
Mehr⸗Cinfuhr 7865000 Thlr. = 4,1Proc.
Bierſack (Ueber Schußzölle von B., 1843) wendete die forgfältig ermits
telten Marftpreife auf die in den amtlichen Vegeichniſen angegebenen
Mengen an. Junghanns (Fortfchritt d. 3. VB. 1848) bediente fich
der von Bierfad mitgetheilten Preife. Hübner (Iahrb. 1852, 53
rechnete ebenfalls nah Marktpreiſen. — Bei dieſen Angaben läßt fi
durchgängig nicht ausmitteln, wieweit fie von der Wahrheit abweichen
mögen. In den nordamericanifchen Freiftaaten war im vorl-
gen Jahrhundert zufolge der een und Ginmwanderungen die
infuhr fehr überwiegend, fpäter wurde fie bisweilen von der Ausfuhr
übertroffen, nachher war fie wieder viel ſtärker ale diefe, was den Anz
leihen in Guropa und fpäter der beträchtlichen Ginfuhr von Münz-
metallen, welche an die Stelle der Banknoten treten, zuzufchreiben if
Kofegarten in Rau, Archiv IV, 367. — Die zum Erflaunen rafche
Ausdehnung des britifhen Handels, die fih in den Ausfuhrliften
am ficherfien erfennen läßt, könnte Leicht zu der irrigen Meinung führen,
als fei blos hieraus der große Wohlitand Grofbritaniene hervorgegangen.
Dieg widerlegt fih, wenn man zugleid die Entwidlung der Betrieb:
famfeit und des Verkehrs im Innern des Landes erwägt. Material in
Betreff des auswärtigen Handel® bei Dupin, Systöme de l’administr.
brit. en 1822, ©. 49 (nach dem minifteriellen Sahresberichte: State of
the nation). — Caſar Moreau, angel. Tab. — Moreau de
Jonnds, Le comm. du 18. siecle. UI. B. — Pebrer, Hist. fin. et
stat. gön. IL B. — Mac-Culloch, Stat. acc. II, 196. — Porter,
Progress, ©. 356. — Tables of Revenue eto. für jedes Jahr.
Nah den amtlihen oder Zollpreifen waren im jährlichen
Durchſchnitt
| Ausfuhr. | Einfuhr.
2. St. 2. St.
1697 — 1701 (Krieg) 6'449 000 5°570 000
1739—1749 (Krieg) 9:744 000 71'281 000
1749—1755 (Briede) . 12'221 000 8211000
1784—1792 (Briede) .. 18°622 000 17'716. 000
1793—1801 (Krieg) 29'843 000 15°171.000
1802 (Friede) 25'632 000 29'826. 000
1803— 1815 (Krieg) 28°106 000 31'022 000
1816—1820 (Friede) 38°091 000 21673 000
1821—1830 (#riede) 42697000 39 661 000
1831—1840 (Friede) 89-827 000 54°099 000
1841—1850 (Friede) 132°749000 .| 83716000
D. 1851. 52. . . 193°417 000 110°012 000
Man fleht Hieraus, daß die verfchiedenften Umflände, ſowohl Krie
als Frieden, zur Erweiterung des Handels dienten. Minder fchnelle
Zunahme oder felbft vorübergehende Abnahme trat ein in den Jahren
1780—83 , 1793 —95, 1811—12, 1819—21. — In der Ausfuhr
find nur bie britifchen Erzeugniſſe, nicht auch die wiederausgeführten
fremden und Golonialerzeugnifle enthalten, die im D. 1850—52
(4)
— 5172 —
nah dem amtlichen Preife 22-985 000 2. St. ausmahtn. Nach dem
declarirten Preife betrugen die ausgeführten britifchen @raeugnifle im
D. von 1850—52 74 631 000 2. St. Bon mandyen Artikeln bat fid
die Ausfuhr feit 1700 über das 10fache vermehrt. Ueber die Baums
wollenwaaren ſ. $. 1258 (5). Bon Schaafwolle wurden zur inneren
Berarbeitung eingeführt im Durdfchnitt von 1800—09 6°983 000 Pfr.
von 1810—19 9291000 1829—34 29037000, im. 1838 52-437 000,
1845 76813000 Pfd. Im D. 1851. 52 war
Einfuhr fremder Wolle . 88.537000 Pb.
Ausfut = =. _. 12:523000 s
alfo im Lande geblieben 76014000 Pfd.
Ausfuhr britifher Wolle 11'246 000 ⸗
⸗ von Wollengarn 14 397 000 ⸗
⸗ von Wollenwaaren 8554000 2. St.
nah dem declarirten Preiſe 1819—33 war bie Ausfuhr von Wollen⸗
waaren 5827000 2. St. Cäſ. Moreau, Ueber Wollhandel und
MWollmanuf. in Gr. Br. a. d. Engl. Berl. 1829. ©. 56. — Mac-
Culloch, Stat. acc. Il, 48. — Bon ber ganzen Ausfuhr gingen 1852
(nah dem beclarirten Breife) nach den nordamericanifchen Sreiftaaten
16134000 2. St., 7'890 000 nad Deutichland und gang Preußen,
1353000 brit. Oftindien, 4222000 Auftralien, 4110000 Riederland,
3:650000 Stalien, 3464000 Brafilien, 3'065 000 brit. Rordamerica,
2731000 Frankreich, 2°503000 Ehina ac.
Zur Erläuterung dient der Ueberblid des auswärtigen Verkehrs des
Zollvereins'von 1851. Hübner, Jahrb. d. Vollsw. u. Statifl.
1854, ©. 308. Es find nur die Hauptgegenflände aufgeführt.
Einfuhr.
I. Rohe Stoffe:
17'294 000 Thlr. Baumwolle.
17'049000 s Kaffee,
15402000 =: Wolle,
13322000 s Seide,
13:319000 = Haͤute, elle, Haare,
8945000 s Getreide,
7'274000 = Tabateblätter,
6°049000 = Zuder,
6°000000 = Holz,
5309000 s Saamen,
4871000 = Bich,
4712000 = Indigo,
414500 = BDtl,
3-897000 = Fiſche,
3:664000 = Flachs, Hanf,
3-613000 = Fiſen,
1930000 = Meise,
136795 000 Thlr. Betrag diefer 17 Waarengattungen.
II. Runftlwaaren:
19-465 000 Thlr. Seidenwaaren,
17311000 s Baumwollengarn,
13185000 s Baummollenwaaren,
5153000 =: Wollenwaaren,
— 5723 —
6°670000 Thlr. Wollengarn,
4179 000 kurze Waaren
3 960 000 = Leinengarn,
32695 000 ⸗Leinenwaaren,
16°618000 Thlr. dieſe 8 Gattungen,
66°833 000 = alle anderen toben und verarbeiteten Gegen⸗
270246 000 Thlr. ganze Einfuhr. ftänbe.
Ausfuhr.
L Rohe Stoffe:
23-842 000 Thlr. Getreide,
10.526000 ⸗ Sol
Wolle,
5109000 ⸗
3361000 =: Baumwolle,
3217000 s Saamen,
2675000 ⸗ ieh,
2.436000 = Steinfohlen,
2.418000 = Blade, Hanf,
1901000 s BVink,
55485000 Thlr. Betrag diefer 9 Gattungen.
I. Runftwaaren:
19'211 000 Thlr. Baumwollenwaaren,
16°700000 s Wollenwaaren,
15°140 000 = Leinenwaaren,
13262000 = Seidenwaaren,
6912000 s kurze Waaren,
5529000 = Holzwaaren,
4°001000 = Tabak,
2668000 ⸗Thonwaaren,
2-408000 = chemiihe Waaren,
1917000 = Gifenwaaren,
87778000 Thlr. Betrag biefer 10 Gattungen,
35224000 = alle anderen rohen u. verarbeiteten Waaren,
178°487 000 Thlr. ganze Ausfuhr.
$. 431.
Die Lage eined Landes am Meere, große Ströme und gute
Häfen geben die größte Begünftigung des auswärtigen Handels;
ed find aber zugleich zahlreihe Schiffe und geſchickte Seeleute
erforderlih, um den fogenannten Activhandel ($. 415) zu
führen. Vergleicht man die Ausdehnung der Handelsſchifffahrt
eines Landes mit der Menge von fremden einlaufenden Schiffen,
fo erfennt man leicht, welcher Theil der Gefchäfte des auswaͤr⸗
tigen Handels durch flärfere Mitwirkung der Landesbewohner,
d. 5. im Activhandel ausgeführt wird. Doch bezieht fich bie
Schifffahrt derjenigen Völker, welche die meiften Bahrzeuge zu
der Waarenverfendung anwenden, zum Theil auch auf den
u —
Zwifchenhandel, zum Theil fogar blo8 auf den Transport für
auswärtige Hanbdeldunternehmer, als ein befonderes Hülfdges
werbe des Handels (Rederei) (a).
(a) In Großbritanien wird bie Latung der Fahrzeuge nad) Tonnen
(zu 20 Gentnern) angegeben. Nimmt man die Durdfchnittszahl ber
ein und ausgelaufenen Schiffe, fo war biefelbe im Mittel von
1850—52 in ten britifchen Häfen jährlid:
britifche Schiffe . . . 22115 von 4874897 Tonnen,
fremde Shife . - . 16692 von 2°894620 Tonnen.
zujammen 38807 1769517 Tonnen.
Im 3.1854 war der D. des ganzen Gin= und Auslaufs 34 087 Schiffe
mit 7885139 T., wovon 18035 britiihe mit 4736820 T., alte
53 Proc. der Schiffe mit 60 Proc. der Tonnenzahl. Dazu famen im
Küftenhantel eins und auslaufend, D. 1851. 52 140175 Schiffe mit
13°067 058 Tonn. 9.1854 Einlauf 129031 Fahrzeuge mit 12°808590 T.
Hiebei ift begreiflih, dag ein Wahrzeug bei mehrmaligem Ginlaufen
mehrmals angerechnet if. Großbritanien, Irland, Serfey, Buernfey
und Man beſaßen zu Ende 1852 24 824 Segels und 1269 Dampfichiffe,
qufammen mit 3747 300 Tonnen Sadungsfähigkeit. Die Zahl ter wirks
ih im Hantel befchäftigten Schiffe (mit Ausſchluß der Strom-Dampfer)
war zu berfelben Zeit:
| Bahrzeuge. | Tonnengehalt. Mannſchaft.
im Küftenbandel . . . . 9134 168 409 40 975
im auswärtigen Handel . , 7580 2'449 364 110 769
theilweife in beiden : . . 1105 163 111 17819
zufammen 17819 8°380 984 159563
Hierunter find 549 Dampfer mit 165219 T. und 13277 Mann. Zum
inländifchen oder Küflenhandel werden auch die auswärtigen Häfen
wiſchen Breſt und Elbe gerechnet. Tables of the revenue ete. XXII, 80.
ie nordamericanıfhen Freiftaaten follen 1850 in ihren
Handelsfhiffen eine Zahl von 3535000 Tonnen gehabt haben. — In
Sranfreich war 1850 die Zahl der Schiffe 14354 mit 688 130 T.
Ladungsfähigkeit, alfo im D. 48 Tonnen auf 1 Schiff, woraus fich
ergiebt, daß auch Fleinere Bahrzeuge mitgezählt find. — Nord:
Deutſchland ohne Hannover hatte 1852 2351 größere Schiffe (langer
Fahrt) von 1132000 Tonnen. Die öfterreihifche Monarchie befaß 1852
689 Schiffe von mehr als 100 Tonnen, zufammen mit 200 959 Tonnen
Fabungefähigfeit. — Bei der Zahl der in einem Hafen jährlih einge:
laufenen Schiffe muß man bie Groͤße und Beichaffenheit berfelben unters
ſcheiden, nämlidy die größeren, mit dem Auslande verfehrenden Sees
fhiffe und die Fleineren Küftenfahrzeuge. Es liefen 3. B. in London
im 3. 1852 9986 Seefchiffe langer Fahrt mit 2°160157 Tons
nen ein, in Liverpool 4186, in Newcaſtle 2821, in Hull 2307, in
Hamburg 4440, in Bremen 2665. .
_— 575 —
II. Der Zwiſcheuhandel.
$. 432.
Die Unternehmungen des Zwifchenhandeld haben den Zweck,
Waaren anderer Länder gegen einander umzutaufchen, wobei nur
der Koftenerfag und Gewinn bes Kaufmanns fowie ber Berbienft
der Schiffer oder Fuhrleute einen Zuwachs zu dein Einfommen
des Volkes bildet, dem der Kaufmann angehört. ine Anzahl
von Menfchen findet zwar bei diefem Handelszweige ihren Uns
terhalt, auch läßt fi) annehmen, daß wenigftens für den Bes
trag bed Handelsgewinnes und SKoftenerfaged® auslaͤndiſche
Waaren eingeführt werden; allein es findet Fein Abſatz einhei-
mifcher und fein großer Einfauf fremder Erzeugniffe flatt. Diefer
Handel hat daher auf die Wirthfchaft des eigenen Landes ge-
tingeren Einfluß, als der Auss und Einfuhrhandel. Es ift
folglih am vortheilhafteften, wenn die Capitale und Arbeitskräfte
ſich nicht eher zu dem Zwifchenhandel wenden, als bis die ge-
meinnügigeren Handelszweige eined Landes bereits diejenige Aus⸗
dehnung erreicht haben, deren fie fähig find. Died ift aud)
mwenigften® bei folchen Voͤlkern, deren Betriebfamfeit fich ohne
ftarfen Anfloß von Außen allmählig im Innern aus eigener
Kraft entwidelt, der gewoͤhnliche Gang, denn 1) der Zmifchen-
handel erforbert beträchtliche Eapitale, weil er nur im Großen
einträglich wird und der Umſatz langjam erfolgt; 2) er ift mit
der Gefahr häufiger Unterbrechungen und Verluſte verbunden.
So lange daher Eapitale leicht im Binnen- und im Aus- und
Einfuhrhandel belohnende Anmenbung finden, zieht man
diefen vor und der Zwifchenhandel wird im regelmäßigen Fort⸗
gange des Wohlftanded von jedem Volke erft fpät ergriffen (a).
() 9. Smith, I, 149.
8. 433.
Es giebt jedoch Umftände, die den Zwifchenhandel befonders
begünftigen. Dahin gehört die vortheilhafte Lage eined Landes
zwifchen anderen und auf dem Wege, ben bie Erzeugnifle ber-
felben bei ihrer Berfendung zum gegenfeitigen Austaufche zurüd-
legen müflen (Handel szug) (a), ferner der Beflg guter Häfen
— 5716 —
und die Nähe ſolcher Länder, die bei anſehnlichem Reichthum
von Erzeugniffen fih gern mit dem Paffivhandel begnügen.
Aus der letzteren Urfacye ift der Zwijchenhandel häufig der
Hauptnahrungszweig in fleinen, am Meere oder an fchiffbaren
Strömen liegenden Staaten, deren Boden zur Erdarbeit wenig
Gelegenheit giebt und die durch die Neigung ihrer Einwohner
fowie durch die Gefchidlichkeit im Schiffbau und in ker Schiffahrt
mehr zum Handel als zu den Gewerken hingewiefen find (b).
Hat der Handel ſchon eine gewiffe Ausbehnung erreicht, find
Verbindungen in ber Ferne angelnüpft, Fortfchaffungsmittel ein-
gerichtet, it man mit den Erzeugniffen und Bebürfniffen anderer
Ränder fowie mit den Mitteln zur Berhütung von Berluften
befannt, fo ift es leicht, neue Unternehmungen neben ben fchon
betriebenen in Bang zu bringen (c). Daher haben öfters Völker
im Zwifchenhandel eine Zeit lang große Gewinnſte gemacht und
fich Schnell bereichert. Dagegen ift der fo errungene Wohlftand
wieder gefährdet, wenn die Handeldzüge fi) ändern (d), ober
wenn bie Völker, für welche der Zwifchenhändler Zufuhr und
Abſatz beforgte, an dem auswärtigen Verkehre thätigeren Antheil
zu nehmen anfangen (e). Der Aus» und Einfuhrhandel, da
er in die Wirthichaft ded Volkes mehr eingreift, ift ein weit
dauerhafterer Ermwerbözweig.
(a) Diefe Handelszüge find die erften, ‚oft mit Kühnheit gelegten Fäden des
Netzes, welches ber Verkehr nah und nad immer dichter über alle
civilifirten Länder breitet. Der Zug von Waaren aus dem hinteren
Afien, vielleicht jogar aus China, bis ans fchwarze Meer gründete den
Mohlftand von Bactra am Orus; der füdlihere Zug vom Guphrat
nach dem mittelländifchen Meere war vermuthlich die Urfache, welcher
Balınyra, auf einer Dafe derWüfte gelegen, feinen Wohlftand verdanfte.
Kiew bluͤhte duch den Zug der aflatiihen Waaren nad Rußland und
der Dftfee. — Der Waarenzug längs bes Rheines und der Donau, und
von dieſer zu jenem bin durch bie Mitte von Deutichland bereicherte
Megensburg, Wien, Köln ıc.; die Donaupläge vermittelten zugleich den
Verkehr der Oſtſeeländer mit Ungarn und Italien, an weldyem Geſchaͤfte
nachher, auch Breslau und Prag Theil nahmen. Beynier, Persans,
©. 224. 237. Fiſcher, Geſch. des deutichen Handels, I, 226. 244.
Hüllmann, Städteweien, L, 157. 337. 345. 372.
(5) Bhönicien, Karthago in ber früheren Zeit; die italienifchen Handels:
fisaten Venedig, Genua, Piſa, Amalfi sc. im Mittelalter; die Hanie-
ftädte, welche am Meere lagen ; Holland, neuerlich die griehiichen Infeln.
Hydra z. B., ein bloßer Fels, 1,5 D.:Meiten groß, Hat feit den 1779er
Jahren großen Reichthum und eine Bollsmenge von 45000 Ginwoh-
nern erlangt. — Die Handelsgeichäfte von Hamburg und Bremen find
zum Theil Zwiſchenhandel, zum Theil Auss und Einfuhrhandel für
deutfche Länder. Man nimmt an, daß beide im D. 1842—44 für
— 5171 —
58 Mi. Markt Beo. Waaren von außereuropäifchen Rändern empfangen
und für etwa 31 Mill. dahin gefendet haben, Soetbeer, Neber
GHGamburgs Handel, III, 312.
(e) Im Handel, wie in anteren Beihäftigungen, find die erften Unter:
nehmungen die fchwerften.
(d) Benedig, Augsburg, Nürnberg, Ulm ıc. ſanken feit der Entdedung des
Waſſerweges nah Oftindien.
(e) Die Holländer nahmen 3. B. den Frangoien Seidenzeuche, Bänder,
Papier, Wein, Salz, Südfrücdte, Branntwein und mancdherlei Gewerke:
waaren ab und führten ihnen Specereien, Zinn, Blei, Kupfer, Pelz:
werk, Flachs, Hanf, Zimmerholz, Beh, Salpeter, Schwefel, Flinten,
Pottaſche, Fiſche und dergl. zu. Die Ausfuhr franzöfifher Waaren
nach Holland wurde 16566 auf 42 Mill. fl. geſchäͤtzt und in der Mitte
des 18. Jahrhunderts flieg der Verlehr beider Länder auf dad Doppelte
des Umfangs, den er in der Mitte des 17. Jahrhunderts gehabt hatte.
Zueder, Geſch. des holl. Handels, nach Luzac, ©. 437. 446. Dieb
bat ſich geändert; Franfreich erzeugt einen großen Theil feiner vor⸗
maligen Ginfuhrgegenftände ſelbſt und hat eine lebhaftere Schifffahrt,
ale vorhin, vermöge deren es ſich mit manchen ausländifchen Grzeug:-
niffen unmittelbar verforgen kaun. Doch war noch 1789 die Einfu
von Holland nah Frankreich 36% Mill. Br. und bie Ausfuhr nad
Holland 43127000 Fr. Chaptal, Ind. fr. I. 83.
$. 344.
Der Zwifchenhandel ift der eigenen Gütererzeugung des Lan⸗
bes, in welchem er betrieben wird, keineswegs ganz fremd, er
trägt vielmehr zu ihrer Erweiterung bei, indem er ihr leichten
Abſatz verfchafft, und regt fie erft an, wenn fle bisher noch ganz
gering war. Der Kaufmann wird hiezu durch feinen eigenen
Bortheil bewogen, weil er feine Gejchäfte ficherer begründet fieht,
wenn ein Theil der Wanren, bie er anderen Ländern zuführt,
in feiner Heimath hervorgebradht wird; auch dient die Yülle
fremder Erzeugnifle, die der Zwifchenhandel verfammelt und von
benen immer ein Theil im Lande bleibt, den Wetteifer inländis
fcher Stoffarbeiter zu erweden. So kann biefer Handel ſich mit
der Zeit in den Aus» und Einfuhrhandel umwandeln (a).
(a) Die Holländer vermehrten und vervolllommneten ihre Gewerke in hohem
Grabe, bis feit dem Jahre 1648 (weftfälifcher Friede) der Verfall der-
felben begann und mit dem Sinten des Handels gleichmäßig fortichritt.
Die Tuchgewerke waren ſchon früh blühend, aber viele andere, 3.8. die
Zuderfiedereien, Seiden:, Borzellan:, Huts, Tabaksfabriken, Wacha⸗
bleichen, das Diamantfchleifen, der Schiffbau und die vielen Sägemühlen
haben vermuthlich dem Zwiſchenhandel ihre Entſtehung zu danken. N
1789 gingen für 81/—10 Mill. Fr. hollaͤndiſche Landeserzeugniſſe na
Branfreih. Bol. Lueder a. a. D ©. 36. 375. — Chaptal
a. a. O. L 83. — Venedig hatte ebenfalls bedeutende Gewerke zu
Hülfe genommen, 3.3. Goldfchmiedsarbeiten, Blasfabrication, Seiden-
weberei ıc.
Rau, polit. Dekon. I. 7. Ausg. 37
®
— 518 —
Zweite Abtheilung.
Der Kleinbandel.
$. 435.
Die NRüglichkeit ded Kleinhandeld, welche in dem Zerlegen
ber Waarenvorräthe und dem Verkaufen berfelben in ganz klei⸗
nen Abtheilungen befteht (8. 407), ergiebt ſich ſchon daraus,
daß die Zehrer weit weniger faufen würden, wenn fie ſich be⸗
trächtliche Vorraͤthe auf einmal anfchaffen müßten, weßhalb
durch jenen Handel der Abfag und folglich die Hervorbringung
fehr befördert werden. Der Kleinhandel kann mit Hülfe eines
viel Fleineren Capitals die Zehrer verforgen, als diefe felbft in
angefauften Borräthen liegen haben müßten (a), fie können ihm
alfo Arbeitslohn, Bapitalzins und Gewerbsgewinn bezahlen und
befinden fi nody immer im Bortheil, zumal da ihnen aud)
zwifchen verjchiedenen Arten und Sorten von Waaren die Auß-
wahl offen fteht. Der Großhändler würde in feinem eigen»
thümlichen Wirkungskreiſe geftört und genöthigt werben, einen
Theil feined Eapitaled aus belohnenderen Unternehmungen zurüds
zuziehen, wenn er fich felbft mit dem Kleinhandel befaffen müßte.
Dieſer erfcheint demnady in feiner Abfonderung als ein weſent⸗
liches Glied in der Kette der hervorbringenden Thätigkeiten.
Der Großhändler fchafft die Waaren aus der Entfernung herbei
und liefert fie in folchen Quantitäten, wie er fie ohne fonders
lihe Mühe bequem abgeben fann, einer Anzahl von Kleinhaͤnd⸗
lern, die fowohl ihn als den Zehrern nahe find, fo daß dieſe
zu jeder Zeit mit unbedeutendem Zeitverlufte ihren jedesmaligen
Bedarf einkaufen fönnen. Durch diefe Berzweigung, die von
dem Hauptftamme bis zu den einzelnen Confumenten reicht,
erfüllt der Handel erft vollfommen feine Beftimmung, die Ver⸗
theilung der Güter leicht und vollftändig zu bewirken.
(a) Wenn 3. B. das Kochſalz nur centnerweife verkauft würde, fo ße
eine Familie, die jährlich 90 Pfund verbraudt, immer den Bedarf für
14 Monate einfaufen und es läge im Durchſchnitt in jeder Familie
!/a Bentner, auf 1000 Bamilien alfo 500 Gentner vorräthig, während
bei wöchentlihem Ginfaufe nur etwa 20 Gentner im Laden des Klein»
— 5719 —
Händlers nöthig find. — Bei ſolchen Gegenftänden, bie von vielen
Bewerbsleuten in Heinen Quantitäten hervorgebracht werden, übernimmt
der Kleinhändler aud das Zufammenlaufen, 3. B. bei dem Höder:
ande mit Lebensmitteln. Bon ähnliher Art ift der Trödels
andel mit fhon gebrauchten Sachen.
8. 436.
Der Kleinhandel erfordert 1) fehr geringes Capital, weil
daffelbe wegen der Fleinen Entfernung und der üblichen augen-
blidlihen Baarzahlung ded Käufers im Laden ſchnell umläuft
und daher jährlidy) mehrmals umgefeßt werben fann. In dem
Einkommen des Krämers ift ein beträchtlicher Antheil von eins
fachem Arbeitslohne für die Mühe des Kleinverfaufes enthalten,
8.187 (db). Wird dieß ganze Einkommen als Gewerböverdienft
angefehen, fo bildet derfelbe in dem Verhältniß zu dem Capitale
einen fehr hohen Procentfaß, 6. 239 (a). 2) Er erfordert viel
geringere Geſchicklichkeit als der Großhandel, weil die Unter:
nehmungen leichter zu befchließen und auszuführen, die Hülfs-
mittel einfacher find (a). 3) Er ift mit geringerer Gefahr vers
bunden, indem die Unternehmungen nur auf furze Zeit, in Ges
mäßheit der befannten Ortöverhältniffe und Bebürfniffe der Käus
fer, mit Eleinen Summen für jede Art von Waaren, gemacht
werben.
(e) Es kommen 3. B. feine Wechfelgefhäfte, eine künftlihe Buchführung
vor, man braucht Feine Kenntnig anderer Sprachen und der Geſetze ıc.
anderer Länder. Diele Kleinhändler laufen und verkaufen lediglich
innerhalb eines Ortes, doch giebt es auch wandernde Krämer. Bei
fehr ſchwacher Bevölferung eines Landes, in der Kindheit des Handels,
muß. der Kaufmann die Abnehmer aufſuchen, wovon noch jeßt in dem
Haufirhandel ein Ueberreft geblieben iſt. Diefer wird mit der zunebs
menten Bevölkerung fortwährend auf wenigere Begenflände eingeſchraͤnkt.
Sowie eine Waare in einer Gegend foviel Abnehmer findet, daß ein
Krämer fih ermuntert fieht, fie anzufchaffen und zu verlaufen, fo kann
fie von diefem wohlfeiler geliefert werden als von dem Haufirer, der
feine Reifeloften auf den Verkaufspreis fchlagen muß. Die Unerfahrens
heit und Umübertegtheit der Käufer macht es freilich oft dem Haufirer
möglich, fid dadurd zu behaupten, daß er betrügerifcher Weile ſchlechte
Waaren verkauft
37°
— 580 —
Dritte Abtheilung.
Der Bapierbandel.
8. 437,
Unter den verfchiedenen Arten von Erebitpapieren giebt das
Bapiergeld zu einem befonderen Handel feine Beranlaffung,
da es ohnehin in ftetem Umlaufe ift und bei den Veränderungen
feines Curſes jeder Befiger jelbft wider Willen in die Lage kommt,
gewinnen ober verlieren zu können. Was die Verſchreibun—
gen (Effecten) betrifft, fo find 1) die Schulbbriefe von Pri⸗
vatperfonen in ber Regel fein Hanbelögegenfland, weil jebe
folche Urkunde durch die Perſon des Schuldners, die Summe,
die Bedingungen ıc. etwas igenthümliched hat und nur bers
jenige Bapitalift einen Schuldbrief kauft, welcher mit den Bers
hältniffen des Schuldnerd genau bekannt ift und biefelben für
günftig erachtet (a). 2%) Anders verhält es ſich dagegen mit
den Schuldbriefen der Gemeinden und anderer Körperfchaften
fowie des Staates, ferner mit den Actien großer Banks, Vers
ſicherungs⸗, Eiſenbahn⸗, Bergwerks⸗, Handelögefellichaften und
dergl. Diefe Papiere find ein bequemes Mittel, Vermoͤgen wer⸗
bend anzulegen; fie werden häufig erfauft und verfauft und die
Capitaliften wählen fidy diejenigen Arten aus, die ihnen nad)
ber Zuverläffigfeit der auöftellenden Perſon, nach der Größe der
Summe, nad) ben Terminen ber jährlichen Berzinfung, den For⸗
men der Mebertragung und dergl. am meiften zufagen. Ber:
fhieden von diefen Erwägungen ind die Abfichten des Effectens
haͤndlers, der Papiere einfauft, um fie mit Gewinn wieder zu
verkaufen. 3) Auch Wechfelbriefe werben öfters gekauft und
an einem andern Orte wieder verfauft, um aus ber Verſchieden⸗
heit ded Curſes zu gewinnen; Arbitragegefchäfte (b).
(a) Eine Ausnahme mahen Schuldbriefe reicher und allgemein befannter
Butsbefiger, welche oft viele Obligationen von gleicher Beichaffenheit
und auf gleihe Summen in Umlauf bringen.
(5) Diefe werden meiftens als Mittel gebraudht, eine Zahlung an einem
entfernten Orte auf die wohlfeilfte Art zu bewirken, $. 291066). Wenn
3: B. eine Summe von Frankfurt nah Genua übermacht werden foll,
— 581 —
fv könnte es bei gewiflen Eurfen der MWechfel Nugen bringen, in Frank:
furt Wechſel auf Amſterdam zu kaufen, diefe in Paris verfaufen und
dafür Wechfel auf Neapel einkaufen zu laflen, die man dann nad
Genua fendet, wo fie (mit Gewinn) verfauft werden, um die Summe
zu liefern, die man zu bezahlen bat.
8. 438. .
Auf den SBreis der Berfchreibungen hat hauptfächlich die
Meinung von den PVermögensumftänden ded Schuldners und
von feiner Geneigtheit, die übernommenen Berbindlichfeiten zu
erfüllen, großen Einflug. Nad dem Grade von Wahrfchein-
lichkeit, die in diefer Hinficht flattfindet, ift der ‘Preis (Curs)
bald höher, bald niedriger, und indbefondere ift er bei vielen
Staatsfchuldbriefen (Staatspapieren) überaus beweglich).
Theild wird durch die mandyfaltigen Erfcheinungen im Innern
oder in den Außeren PVerhältniffen dad Zutrauen zu den Hülfs-
quellen einer Regierung und zu ihrer Gewiflenhaftigfeit erhöht
ober gefchwächt, theild kann ſchon die Vermuthung, daß neue
vortheilhaftere Arten von Verfchreibungen in den Berfehr fom-
men werden, auf den Curs ber älteren nadytheilig einwirken (a).
Die Dividende der Actien hängt von dem Erfolge ber Unter:
nehmungen ab, der daher auch den Preis der Actien beftimmt.
(a) Das Sinken der Staatspapiere in Kriegszeiten rührt zum Theil von
diefer Srwartung, alfo nicht blos von dem fchwächeren Credite der Ne
gierungen her. — pa Curs verfchiedener Obligationen iſt übrigens,
on ungleichen Sinsfuß Haben, ſchon aus diefem Grunde
ungleich.
8. 439.
Diejenigen Papiere, deren Curs den meiſten Veraͤnderungen
ausgeſetzt iſt, bilden den beliebteſten Gegenſtand des Effecten⸗
handels (a), weil bei ihnen die groͤßten Gewinnſte gemacht wer⸗
den koͤnnen. Es iſt zwar unmoͤglich, den Curs einer Art von
Papieren auf eine gewiſſe Zeit beſtimmt vorauszuſehen, weil er
oft von manchen ploͤtzlichen, ganz unerwarteten Ereigniſſen be⸗
ſtimmt wird, doch kann man durch ſcharffichtige Auffaſſung der
Zeitverhaͤltniſſe, ausgebreitete Erfahrung und ſinnreiche Combi⸗
nationen es wenigſtens zu ſolcher Geſchicklichkeit bringen, daß
man ſich oͤfter richtige als falſche Vermuthungen bildet. Dieſer
Handelszweig erſcheint daher vorzugsweife als ein Wettkampf
— 582 —
des Verſtandes. Die Mittel zum Gewinne beſchraͤnken ſich nicht
auf das Vorausſehen des kuͤnftigen Curſes, es giebt auch Ge⸗
legenheit; auf denſelben einzuwirken, indem man argliſtig das
Vertrauen der Menſchen zu einer Art von Papieren zu verftaͤr⸗
fen oder zu ſchwaͤchen ſucht (d). Der Nutzen dieſes Handels
für die Volkswirthſchaft ift gering, denn er befteht bloß darin,
daß er jedem Befiger einer übergeiparten Geldfumme den Ankauf
einer feinen Wünfchen entfprechenden Art von Berfchreibungen
erleichtert. Die Gewißheit, daß man jede Summe beliebig, auf
furze oder längere Zeit verzinslich unterbringen, aud für bie
Urkunden jederzeit leicht, wieder Abnehmer finden werde, kann
zum Ueberfparen ermuntern (8. 293 (d)), doc) läßt fidy diefer
Bortheil durch Banken ebenfalls erreichen. Yür die Regierung
ergiebt fi) noch der Ruben des Papierhandels, daß neue An⸗
leihen mit Hülfe deſſelben leichter zu Stande gebracht werben
fönnen.
(e) Die Schuldbriefe der großen europäifhen Mächte, 3. B. Englands,
Oeſterreichs, Rußlands, Frankreichs, beſonders aber Spaniens und der
neuen americanifchen Staaten find von einem weit beweglicheren Curſe,
als die von den mittleren und kleineren beutichen Staaten.
(6) Sudt z. B der Kaufmann eine Quantität von Papieren einer gewiflen
Art zu Faufen, fo drückt er zuvor den Curs durdy einen, auf Erregung
von Beforgniffen berechneten Scheinverfauf oder duch einen wirklichen
Berfauf einer Fleineren Quantität herab, oder verbreitet Gerüchte oder
Bermuthungen, um bie öffentliche Reinung nach feinen Abfichten irre
u leiten. Dieß iſt eine Urſache vieler falihen Zeitungsartifel. Die
erfaufs und Kaufluftigen (bears und bulls, haussiers und baissiers)
pflegen mit taufendfältiger Lift gegen einander zu Felde zu ziehen.
$. 440.
Der Effectenhandel wird von vielen Menfchen mit Vorliebe,
und felbft mit Leidenfchaft betrieben, zumal in Zeiten, wo die
Gapitale im Waarenhandel und in den Stoffarbeiten weniger
leicht untergebradyt werden fönnen als jonft (a). Die Urfadyen
diefer Hinneigung zu dem Papierhandel find hauptfächlic, folgende:
1) Einzelne Beifpiele großer, in ſolchen Geſchaͤften gemachter
Gemwinnfte ftehen lodend vor den Augen, während die nicht fels
teneren Bälle von großen Berluften und gänzlichen Berarmen
nicht gehörig berüdfichtiget werden. 2) Es gefellt ſich zu ber
Hoffnung des Gewinned auch der den Glüdsfpielen eigene Reiz
bed Wagens und der gefpannten Erwartung. 3) Jedermann,
— 583. —
nicht bloß wer dem Stande der Kaufleute angehört, iſt berech⸗
tigt, folche Unternehmungen zu machen. 4) Man bat beim
Anfaufe von Papieren Feine Nebenkoften für Gebäude, flehende
Vorrichtungen, Fracht, Zölle und dergl. und fann daher mit
gleichem Capitale ausgedehntere Gefchäfte machen, aud) läßt fich
die Volziehung der Käufe durch die Uebereinfunft beider Theile
auf einen beliebigen Zeitpunct hinausfchieben — Zeitfäufe,
marches & terme, — und e6 ift möglid), durch Ausbedingung
einer Prämie für den Fall des Rüdtritted dem möglichen Ber:
lufte eine Gränge zu feßen. 5) Es giebt fogar Mittel, ſolche
Gefchäfte zu Schließen, ohne daß die Käufe förmlich vollzogen
werden müßten; dann ift alfo gar fein Anfaufs-Capital nöthig
und Jeder fann Gefchäfte machen, der nur bis auf den Betrag
ded allenfalld zu erwartenden Verluſtes Credit hat. Diefe Ab-
Anderung, wodurd die Unternehmung dad Wefen des Handels⸗
gefchäftes verliert umd fich eher mit einer Wette auf den Curs
vergleichen läßt, heißt Differenzgefhäft, Stocksjobbe—
tei, jobbery, agiotage, jeu de la bourse. Wan verabredet
dabei, wie bei einem Kaufe, eine gewiflfe Anzahl von ‘Papieren,
einen gewiflen Curs und einen beftimmten Termin zur Beendi⸗
gung des Geſchäftes. Tritt diefer Termin ein, fo vergleicht man
blos den verabredeten Preis mit dem @urfe ded Taged, und
mittelt dadurch aus, ob derjenige, der den Käufer vorftellt, oder
ber fcheinbare Verfäufer gewonnen hat, und der Verlierende zahlt
dem Gewinnenden den Unterfchieb des @urfed heraus (db). Diele
Audgleihung liegt entweder gleich Anfangs in der Abficht beider
Theile, oder fie wird erft fpäter befchloflen, indem man e8 bes
quemer findet, einen beabfichtigten Verkauf nicht förmlich zu
vollziehen (c).
(a) Ueber diefe Unternehmungen Pinto, Traitö de la circulation, S. 289. —
The System of stockjobbing explained. By a practical Jobber. Lond.
1816, im Nuszuge: Minerva, September 1816. — Coffinitres,
De la bourse et des speculations sur les effets publics. Par. 1824.
Deutih: Die Stedbörfe und der Handel mit Staatspapieren, herausg.
von Schmalz. Berlin, 1824. — Bresson, Des fonds publics
francais et ötrangers et des operations de la bourse de Paris, 7. öd.
Par. 1834. — Mehrere fleine Schriften find genannt bei Mitter:
maier, Grundfäge des Privatrechte, IL, 5.189, recenfirt in Hermes,
XIII, ©. 234—49. — Bender, Der Berfehr mit Staatspapieren
im In= und Nuslande, 2. Ausg. Bött. 1830. — v. Bönner, Bon
Staatsfchulden, deren Tilgungsanftalten und vom Handel mit Staats:
(8)
— 5 —
papieren. I, Münden, 1826. — Nebenius, Der öffentlidde Erebit,
1, 557. — Bleibtreu, Lehrb. d. Handelswiffenihaft, S. 307. Defl.
Handb. d. Contorwiſſenſch. S. 288. — Thl, Der Bericht mit
Staatspapieren, Gött. 1835.
3. 3. A verfauft an den B 600 Stück Metalliques (öfterreichifche
Staatsobligationen zu 5 Procent in Metallgeld verzinslih) um einen
Preis von 80 (für 100) nah 6 Wochen zu liefern. Steht nun nady
Verlauf der 6 Wochen der Eurs bes Tages auf 82, fo hat der Käufer
B an jedem Stüd 2 fl. gewonnen und A zahlt ihm diefen Gewinnft
mit 1200 fl. aus. Steht der Eurs nur auf 79, fo bat der Verkaͤufer
A 600 fl. gewonnen, die ihm B abliefert. *
Die tägliche Erfahrung zeigt, daß in fehr vielen Fällen gleih von An:
fang an bie Bertragfchließenden nur die Vergütung der Cursdifferenz im
Sinne hatten. Die Menge und ber Belauf Dieter vorgeblihen Käufe
find fo ungeheuer groß, dag es offenbar unmöglich wäre, nur die Hälfte
derfelben durch wirkliche Ablieferung von Papieren in Bollzug zu brin-
en. Nach einer neueren Angabe werden in Paris jährlich für 12000
till. Sranfen Käufe in Staatspapieren zwiſchen den Mäklern gefchloflen.
Dazu kommen diejenigen, bei denen nur ein einziger Mäfler gebraucht
wird, ferner die fogleich baar bezahlten, fo daß der ganze Belauf auf
bie doppelte Summe, täglihd auf 80 Mil. Fr. geichägt werben kann.
Sm 3. 1830 kamen aber nur für 1760 Mill. wirkliche Uebertra=
gungen von Renten vor, alſo etwa Yıs aller Geſchäfte. Bevue enc.
ct. 1831. ©. 60. . Schon Pinto fagt: Except& donc ceux, qui
recoivent et qui transportent r&ellement les fonds, le reste, qui compose
la foule des actionistes et des joueurs, n'achèto et ne vend que ce
qu’on appelle en terme d’art, du vent; et ces operations se röduisent
à des espäces de gageures, a. a. O. ©. 305. La plupart de ces en-
gagemens ne sont röellement destinds qu’ä se resoudre sans livraison
röelle de rente.e Vincens, Lögisl. commerc. I, 623. GEbenſo Tail:
landier, Commiffionsberiht, Deput.:Rammer, 26. San. 1833. —
Diefe Form des Gluͤcksſpieles ift faft zwei Jahrhunderte alt. 1634—37
wurde der Handel mit Tulpenzwiebeln in Holland mit LXeidenfchaft ges
trieben, die Zwiebeln hatten ihren Curs, der fo. hoch flieg, daß einmal
für die Zwiebel der Tulpe semper augustus 46800 fl., eine Rutiche und
zwei Pferde gegeben wurden. Dabei wurden fehr viele Scheinfäufe
vorgenommen. an muß indeß vermuthen, daß an dem hohen Eurfe
die Blumenliebhaberei reicher Holländer den größten Theil gehabt habe;
vgl. Bedmann, Beiträge zur Geſch. d. Erfind., I, 228. — In ber
Zeit des Law'ſchen Syftems ($. 314) wurden ähnliche Speculationen
mit der größten Spannung verfolgt, Indeß fcheinen nicht gerade Schein:
kaͤufe (Differenzengefchäfte) vorgegangen zu fein, was man aud nidht
nöthig hatte, da es Fäufliche Actien in Bülle gab. — Weitere Aus:
bildung erhielt die Jobberei in den Niederlanden, wo die Actien der
holländifch = oftindifchen Compagnie ihr zum Gegenftand dienten; daher
der Name Nctienfpiel, jeu d’actions. Neuerlich wird fie Haupt:
fählih mit Staatspapieren getrieben, deren Curs in den flürmiichen
Beiten der Kriege von 1793—1815 und der Bewegungen im Innern
vieler Staaten einem vielfältigen Wechſel ausgefept war. — Die
Hauptarten von Befhäften im Bapierhandel laffen fi fo überbliden:
9 Tagesfauf, marehé & comptant, per cassa, ſogleich gegen baare
ezahlung zu vollziehen; 2) Zeitfauf, march6 & terme; dieler kommt
vor a) einfach, ohne Nebenbeflimmungen, gewöhnlidy zu Ende oder
in ber Mitte eines Monats zu vollziehen, in Paris immer auf fin (du
mois) courant oder fin prochain abgeichloffen. Wer eine Speculation
mit einem Kaufe anfängt, muß wuͤnſchen, der Curs gehe in bie Höhe,
— 585
damit er aut verfaufen koͤnne. Wer aber Papiere, die er noch nicht
hat, verfauft (& decouvert), muß, um fie wohlfeiler an fidy bringen zu
fünnen, ein Sinfen hoffen; b) abgeändert oder ausgeartet, ale Dif⸗
ferenzengefchäft; c) mit der Berabredung, daß dem einen ober
anderen Theile geftattet fein folle, mit Aufopferung einer Prämie zurüd-
zutreten, Brämiengefchäft, marchd A prime. Die Prämie wird in
Procenten ausbedungen, gewöhnlih !/s—1!/; Procent. Hat fi ber
Käufer den Nüdtritt vorbehalten, fo muß er die Prämie fogleich
vorausbezahlen, die in dieſem Falle VBorprämie heißt. 3) Mehrere
Geſchaͤfte fönnen miteinander verbunden werden, und es giebt verfchie:
dene Arten folher Combinationen. in Beifpiel Hievon if ter Rüd-
Fauf, inden Jemand einem Anderen Papiere für einen gewiflen Eure
gegen Baarzahlung verfauft und fie fogleich wieder von ihm auf Zeit
zurückkauft. Der Unterfhied in den Eurfen, für welche Käufe, die zu
verichiedenen Zeitpuncten vollzogen werden follen, jetzt abgeichloflen
werden, heißt überhaupt report, wenn der fpäter zu bezahlende Preis
der höhere if, deport im entgegen gelegten alle. Der report ift
genau betrachtet der Zins für die Zwiſchenzeit, in welcher der eine Theil
den Erlös aus dem Tagesverfauf benugen konnte; 3. B. franzöftiche
Dreiprocents werden zu 66,5 baar verfauft unter der Bedingung, daß
fie zu 67 nah 1 Monaten zurüdgenommen werden, alfo iſt der
report 0,5 Fr. oder 6 Proc. jährlich.
8. 441.
Der PBapierhandel, wenn er in folder Ausdehnung geführt
wird, wie es in neuerer Zeit gefchieht, hat volfswirthichaftliche
Nachtheile, welche durch die aus ihm entfpringenden Vortheile
(8.439) feinedweged aufgewogen werden (a). 1) Er zieht große
Geldſummen an fi), welche in ihm ganz unproductiv angewendet
werben und daher zur Vergrößerung bed Volkseinkommens gar
nichtd beitragen (d). Die Gewinnfte der glüdlichen Handels⸗
unternehmer find meiſtens mit den Berluften Anderer verbuns
ben (c). 2) Eine Menge von Menfchen, und großentheifs von
fehr verftändigen und thätigen, wird zu einer für dad Gemein
wohl unfruchtbaren Beichäftigung hingezogen und von nüglichen
Verrichtungen abgelenkt. Das ungeftüme Verlangen, plöglic
und mühelos reich zu werben, lähmt den beharrlicdyen und ges
nügfamen Fleiß, der allein dad Gute ftifte. 3) Die Wege,
die man einfchlägt, um zu gewinnen, find nicht felten unebel
und unredhtlid und man hört namentlidy leicht auf, die abſicht⸗
liche Täufchung Anderer gebührend zu verabfcheuen, weil fie dem
Einzelnen, der fie vornimmt, Bortheile bringt.
(a) Die Behauptung, der Papierhandel fei darum nuͤtzlich, weil er den Curs
der Staatspapiere erhöhe, läßt ſich nicht mit zureichenden Gründen
vertheidigen. Die gewöhnlichen Operationen der Speculanten koͤnnen
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den Curs im Ganzen nit leiten, weil derſelbe aus der öffentlichen
Meinung über den Zuſtand jedes Staates und über bie Berhältniffe
jeder Art von Verfchreibungen entfpringt ; fie fönnen blos Fleinere und
vorübergehende Schwankungen zur Foige haben. — Mehrere neuere
Schriftfteller haben, die Geſichtspuncte verwechfelnd , in der Abficht die
rechtliche Gültigkeit der hieher gehörigen Geſchaͤfte in Gemaͤßheit der
beftehenden Gelege zu erweifen, oder die Unzwedmäßigfeit mander vors
efchlagenen Regierungsinaaßregeln zu zeigen, auch die volfswirth-
(aaftligen achtheile diefed Zweiges von Geſchaͤften zu beftreiten
geſucht.
(6) @s fönnte hiebei der Zweifel entſtehen, ob dieſer Handel nur überhaupt
eigene Gapitale in Anfpruch nimmt, weil er nur die Staatsobligationen
in andere Hände bringt und dem bisherigen Beſitzer das auf fie gewens
dete Bapital beim Berfaufe wieter erftattet. Allein es ift zu betenten,
1) daß die Specnlationen der Papierhändler noch neben den in fefter
Sand bei den Gapitaliften liegenden Staatspapieren eine Anzahl ber:
felben im Umlaufe erhalten, die vielleicht fonft Fein einheimiſcher Staats:
bürger befigen würde; 2) daß man mehr Gefchäfte macht, ale man
wirklich durch Kauf und Verkauf vollzieben kann, $. 440 (e), und für
diefen Mehrbetrag doc immer einiger Geldvorrath nöthig ifl; 3) daß
überhaupt die an jenen Börfengeihäften Theilnehmenden zuſammen⸗
enommen eine Baarfumme in Bereitichaft halten müflen, die nicht in
jedem Augenblide auf den Ankauf verwendet fein kann, alfo zum Theil
unbefchäftiget liegt.
(6) Der Beſitzer eines Papieres gewinnt, wenn baffelbe fleigt, ohne daß
Jemand verlöre, aber der Berfäufer hat Schaden, wenn er das im Eurfe
geftiegene Papier, welches er zu liefern bat, erſt einfaufen muß, wie
dieß ehr oft vorfommt. 3. B. Iemand verfauft 1000 Stüd einer
Art um den Curs von 95, der Tagescurs bei der Ablieferung if 96,
fo muß er 96000 Thaler aufwenden und erhält nur 95000. — er
die Papiere ſchon und hatte er ſie zu 93 erworben, ſo gewinnt er 2000,
der Kaͤufer 1000 Thaler.
Anhang
zu 8. 154.
Die Verſuche, die Wirkungen des Mitwerbens auf
den Preis der Waaren mit Huͤlfe arithmetiſcher Formeln zu ver⸗
deutlichen, ſind bisher noch nicht gelungen. Leichter iſt dieſer
Zweck auf einem anderen Wege, durch eine geometriſche Dar-
ftellung zu erreichen. Man kann hiebei von dem Satze audgehen,
daß, wenn der Begehr von dem Angebote, oder diefed von jenem
übertroffen wird, ein Theil der Berfaufs oder Kaufluftigen ges
nöthigt ift, zurüdzutreten, bi nur noch foviel Waaren angeboten
al8 begehrt werden. Bon denen, die ein But z. B. um einen
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Preis von 10 fl. faufen wollen, ift nur ein Theil geneigt, bie
auf 18 fl., und noch ein Fleinerer Theil, bis 24 oder 30 fl.
hinaufzugehen. Der Preis wird fich, wenn der jehige Begehr
nicht dem Angebote gleich ift, defto mehr oder weniger verän-
dern, je langfamer oder fchneller dad Gleichgewicht fich durch
dad Zurüdziehen eined Theils der Mitwerber herftellt. Die
Linie A B zeigt die verfchiedenen Preife eined gewiffen Gutes
an. Die auf ihr fenfrechten Linien ab, a’l, a”m ıc. drüden
- die bei einem gewiflen Stande des Preifes oder der Preisforde⸗
rung ftattfindende Größe ded Begehrd aus. Werbindet man die
Endpuncte dieſer Linien durch eine Linie hbmg, fo fanı
biefe die Begehrslinie heißen, denn fie ftellt dad allmälige
Abnehmen ded Begehrs dar. Der PBunct, wo AB von ber
Begehrölinie gefchnitten wird, zeigt denjenigen ‘Preid an, den
der alfereifrigfte und begütertfie Käufer nosh zu geben entfchloffen
if. Die Begehrölinie kann auch gefrümmt fein, wie fbonpi,
und ed find mandherlei Curven hiebei denkbar. Nimmt man
an, dad Angebot fei unveränderli, fo wird daffelbe durch die
Linien ac, a”m, ap bargeftelt, und ecmpd ift alfo
die Angebotslinie. Wenn bei höherem Preiſe das Angebot
anwaͤchſt, jo kann feine jedesmalige Größe durch eine rechts ab-
weichende Linie, wie 3. B. die Curve ecInk angedeutet wers
ben. Es fei nun bei einem bisherigen Preiſe von 10 fl. ber
Begehr ab, dad Angebot ac. Die Verkäufer machen fich dieß
zu Nutzen, und verlangen mehr, worauf ein Theil der Käufer
in dem Maaße vom Kaufe abfteht, wie ed die Annäherung von
hg an AB zu erfennen giebt. If die Forderung bis 24 ge-
fommen, wo die Begehrölinie mit der Angebotölinie in m zus
fammentrifft, fo kann gerade ber noch übrige Begehr befrfedigt
werden, und ed wird fich alfo der Preis ungefähr auf diefen
Betrag ftellen, wobei dann zugleih dad Rechted Aa’ me bie
ganze bezahlte Preismenge bezeichnet. Rähme der Begehr wegen
bed hohen Werthed der Sache in einer langfameren Fortfchrei-
tung ab, etwa nach Linie fbopi, fo würde der Preis bis
zur Höhe des Schnittpuncted p, alfo bis auf 40fl. in die Höhe
gehen. Wenn dagegen die Ausficht auf einen höheren Preis das
Angebot vergrößerte, 3. B. nach der @urve elnk, fo fünnte
die Steigerung bei der erften Begehrölinie nur. bis 1 oder auf
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22 fl., bei der zweiten bis m oder auf 32fl. gehen. Wenn bie
Begehrelinie eine gerade ift und der Winfel abg mit w be
zeichnet wird, fo ift bei dem Begehr ab und dem Angebot ac
bie Preiserhöhung cm = (ab—ac) tang. w. Diefelbe Jeich⸗
nung fann auch den Ball verfinnlichen, wenn das Angebot größer
ift, ald der Begehr, alfo hg oder fi die Angebotslinie, ed ober
ek die Begehrölinie anzeigt, nur daß dann bie Zahlen der Scala
AB nicht die Steigerung, fondern die Erniedrigung bed Preiſes
andeuten, und die Begehrslinie beim Herabgehen der Preisfor⸗
derung ſich ftärfer von AB entfernt, als bier eck. Für jebe
Waare wird die Veränderung ber beiden Linien des Mitwerbens
nach einem eigenen Geſetze, nach Linien verfchiedener Art, mit
converen und concaven, mit wellenförmigen Kruͤmmungen ıc.
erfolgen; es wird aber hieraus deutlich, daß man nicht von ber
Größe des Angebotd und Begehrs fchlehthin, fondern nur unter
der Boraudfegung eined gewiffen angebotenen oder geforderten
Preifes, fprechen Fann.